Die Unterstützung fremder Straftaten durch berufsbedingtes Verhalten [1 ed.] 9783428514441, 9783428114443

Im modernen, von Arbeitsteilung geprägten Wirtschaftsleben nehmen auch Straftäter zur Begehung ihrer Tat Leistungen ande

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Die Unterstützung fremder Straftaten durch berufsbedingtes Verhalten [1 ed.]
 9783428514441, 9783428114443

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Strafrechtliche Abhandlungen Neue Folge · Band 156

Die Unterstützung fremder Straftaten durch berufsbedingtes Verhalten

Von

Hans Kudlich

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

HANS KUDLICH

Die Unterstützung fremder Straftaten durch berufsbedingtes Verhalten

Strafrechtliche Abhandlungen · Neue Folge Begründet von Dr. Eberhard Schmidhäuser (†) em. ord. Prof. der Rechte an der Universität Hamburg

Herausgegeben von Dr. Dr. h. c. (Breslau) Friedrich-Christian Schroeder ord. Prof. der Rechte an der Universität Regensburg

in Zusammenarbeit mit den Strafrechtslehrern der deutschen Universitäten

Band 156

Die Unterstützung fremder Straftaten durch berufsbedingtes Verhalten

Von

Hans Kudlich

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Als Habilitationsschrift in die Reihe aufgenommen und gedruckt mit freundlicher Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft Bonn Die Juristische Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München hat diese Arbeit im Jahre 2003 als Habilitationsschrift angenommen.

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten # 2004 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0720-7271 ISBN 3-428-11444-2 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im WS 2002 / 2003 von der Juristischen Fakultät der Universität München als Habilitationsschrift angenommen. Der Beginn meiner Tätigkeit an der Bucerius Law School sowie eine Reihe anderer Projekte haben dazu geführt, dass rund ein Jahr vergangen ist, bis ich Zeit gefunden habe, die Arbeit druckfertig zu machen. Rechtsprechung und Literatur konnten aber überwiegend bis in den Herbst 2003 hinein berücksichtigt werden. Gelegentlich wird über die „Inflation an Danksagungen“ in Vorworten geklagt; ich sehe das anders: Wer sich der Tatsache bewusst ist, von welchem Wohlwollen (oder zumindest „Nicht-Übel-Wollen“) anderer er während der Entstehung einer solchen Arbeit abhängig ist, wird ausreichend Grund sehen, aufrichtig – und nicht nur der Form nach – zu danken. In diesem Sinne empfinde ich die nachfolgende Aufzählung noch eher als defizitär denn als zu lang: Herr Prof. Dr. Ulrich Sieber hat mir den Weg in eine wissenschaftliche Laufbahn gewiesen und die Arbeit betreut. Er hat mir dabei jede gestalterische Freiheit gelassen, hat aber in den entscheidenden Momenten – und das trotz erheblicher eigener Arbeitsbelastung auch stets ganz kurzfristig – mit wichtigen Ratschlägen zur Seite gestanden. Wie er mir in den vergangenen Jahren beruflich und privat zur Seite gestanden hat, kann im Rahmen eines Vorwortes gar nicht angemessen gewürdigt werden. Herr Prof. Dr. Bernd Schünemann hat durch sein rasches und konstruktives Zweitgutachten sowohl das Verfahren als auch die endgültige Version der Arbeit in hilfreicher Weise gefördert. Herr Prof. Dr. Dr. Eric Hilgendorf hat mir bei Bedarf stets großzügig die Infrastruktur seines Würzburger Lehrstuhls zur Verfügung gestellt. Herr Dr. Dr. Ralph Christensen war mir nicht nur ein wichtiger Gesprächspartner für eine Reihe von Passagen innerhalb der Arbeit und ein treuer Freund während der Zeit ihrer Entstehung. Vielmehr habe ich bei ihrem Verfassen auch viel von den Erfahrungen profitiert, die ich während der gemeinsamen Arbeiten an unserer Monographie zur „Theorie richterlichen Begründens“ sammeln durfte. Der DFG danke ich für die großzügige Förderung durch ein Habilitationsstipendium sowie eine Sachbeihilfe bei der Publikation, Herrn Prof. Dr. Dr. h.c. Friedrich-Christian Schroeder für die freundliche Aufnahme der Arbeit in die Strafrechtlichen Abhandlungen – Neue Folge. Bei den Korrekturen waren mir meine Mitarbeiter am Lehrstuhl für Strafrecht II an der Bucerius Law School behilflich, was selbstverständlich nichts daran ändert, dass verbleibende Fehler alleine in meine Verantwortung fallen. Zu nennen sind

6

Vorwort

hier die Herren Benedikt Landage, Florian Melloh, LL.M., Oliver Pragal und Gösta Schindler sowie ganz besonders meine ehemalige Mitarbeiterin, Frau RiAG Iris Kraemer, und meine so außerordentlich sorgfältige und aufmerksame Sekretärin, Frau Monika Mohrdieck, M.A. Beim Verlag hat Herr Lars Hartmann alle Stadien der Herstellung ausgezeichnet betreut. Meine Frau Manuela und meine Tochter Milena haben mir während der Entstehung der Arbeit liebend zur Seite gestanden. Das vorliegende Buch ist deshalb ihnen sowie dem Andenken meines Vaters gewidmet, der seine Entstehung auf Grund seines ebenso plötzlichen wie überraschenden Todes nicht mehr miterleben konnte. Hamburg, im Dezember 2003

Hans Kudlich

Inhaltsübersicht Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

19

1. Teil Einordnung und Entfaltung der Fragestellung

25

A. Begriffliche Annäherung: Phänomenologische Einordnung eines Verhaltens als „berufsbedingt“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

25

B. Einordnung in den Gesamtkontext: Fallgruppen berufsbedingter Strafbarkeitsrisiken

33

C. Zwischenergebnis und Konkretisierung der Fragestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

63

2. Teil Bestandsaufnahme – Mittelbare Erfolgsverursachung durch sozial übliches, insbesondere berufsbedingtes Verhalten

68

A. Ziele und Struktur der Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

69

B. Wichtige Lösungsaspekte in der bisherigen Diskussion: Ausgangspunkte, Konsequenzen und Einwände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

74

C. Analyse des Meinungsstandes zur Vorbereitung weiterer Überlegungen . . . . . . . . . . . . . 152

3. Teil Grundlegungen einer eigenen Lösung

170

A. Allgemeine Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 B. Verfassungsrechtliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 C. Strafrechtsdogmatische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305

8

Inhaltsübersicht 4. Teil Synthese – Strafbarkeit berufsbedingter Unterstützungshandlungen

424

A. Querschnittsanalyse der bisherigen Überlegungen: Die Leitgesichtspunkte der eigenen Lösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 424 B. Die einzelnen Grundsätze der strafrechtlichen Verantwortlichkeit für berufsbedingte Unterstützungshandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 439 C. Exemplifizierung und Konkretisierung: Die Anwendung auf einzelne Fallgruppen . . 467

Gesamtzusammenfassung und Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 521

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 536

Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 569

Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

19

I. Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

19

II. Ziele der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

20

III. Inhaltliche Beschränkung auf „berufsbedingtes Verhalten“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

21

IV. Gang der Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

24

1. Teil Einordnung und Entfaltung der Fragestellung

25

A. Begriffliche Annäherung: Phänomenologische Einordnung eines Verhaltens als „berufsbedingt“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

25

I. Zugrunde gelegter Berufsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

26

II. Bedingtheit des Verhaltens durch den Beruf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

30

III. Zur Abgrenzung: Nicht durch den Beruf bedingte Tätigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . .

31

B. Einordnung in den Gesamtkontext: Fallgruppen berufsbedingter Strafbarkeitsrisiken

33

I. Eigenständige täterschaftliche Begehung von Straftaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

34

1. Verstöße gegen allgemein geltende Verhaltensvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . .

35

2. Verstöße gegen berufstypische Verhaltensanforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

36

3. Eigenständige Tatbegehung trotz Abhängigkeit von fremdem deliktischem Verhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

39

II. Vorsätzliche Unterstützungshandlungen vor und nach der Tat . . . . . . . . . . . . . . . . .

40

1. Teilnahme an fremden Straftaten durch berufsbedingte Verhaltensweisen . .

41

2. Strafvereitelung durch berufsbedingte Verhaltensweisen, insbesondere durch Strafverteidigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

45

3. Geldwäsche durch berufsbedingte Verhaltensweisen, insbesondere durch die Entgegennahme von Verteidigerhonoraren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

48

10

Inhaltsverzeichnis III. Fahrlässigkeits- und Unterlassungsstrafbarkeit durch berufsbedingte Verhaltensweisen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

52

1. Berufsbedingtes Verhalten als fahrlässige Straftatbegehung . . . . . . . . . . . . . . . .

53

2. Berufsbedingtes Verhalten als strafbares echtes Unterlassen . . . . . . . . . . . . . . .

57

3. Berufsbedingtes Verhalten als strafbares unechtes Unterlassen . . . . . . . . . . . . .

60

C. Zwischenergebnis und Konkretisierung der Fragestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

63

I. Auftretende Fälle berufsbedingter Strafbarkeitsrisiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

64

II. Gemeinsame Strukturen von Strafbarkeitskorrektiven . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

64

III. Konkretisierung der Fragestellung: Unterstützung fremder Straftaten durch berufsbedingtes Verhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

66

2. Teil Bestandsaufnahme – Mittelbare Erfolgsverursachung durch sozial übliches, insbesondere berufsbedingtes Verhalten

68

A. Ziele und Struktur der Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

69

B. Wichtige Lösungsaspekte in der bisherigen Diskussion: Ausgangspunkte, Konsequenzen und Einwände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

74

I. Lösungsgesichtspunkte auf der Ebene des objektiven Tatbestandes . . . . . . . . . . .

75

1. Die Einschränkung des Tatbestandes bei sozial- bzw. professionell-adäquatem Verhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

77

a) Die allgemeine Lehre von der sozialen Adäquanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

78

b) Die fortentwickelte Lehre von der professionellen Adäquanz . . . . . . . . . . .

83

2. Die Distanzierbarkeit vom Erfolg nach dem objektiv-sozialen Sinn der Ersthandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

86

3. Die Pflichtgemäßheit des Verhaltens als Grund für den Ausschluss des Tatbestandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

93

4. Der deliktische Sinnbezug als objektives Datum und abwägendes Modell . .

99

5. Spezielle Vorschläge zur einschränkenden Auslegung des Beihilfetatbestands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 a) Wesentlichkeit der Unterstützung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 b) Solidarisierung als Voraussetzung der Beihilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 c) Wahrnehmung des Unrechtspakts durch den Täter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115

Inhaltsverzeichnis

11

II. Gemischt objektiv-subjektive Modelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 1. Deliktischer Sinnbezug und erkennbare Tatgeneigtheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 2. Kollisionen und Kooperationen bei der Ausübung von Freiheiten . . . . . . . . . . 124 3. Die neuere Rechtsprechung des BGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 a) Die Entscheidungen aus jüngerer Zeit im Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 b) Ausgangspunkte, Konsequenzen und Einwände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 III. Lösungsgesichtspunkte auf der Ebene des Vorsatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 1. Das Erfordernis eines Tatförderwillens bzw. der Absicht des Teilnehmers . . 138 2. Die Straflosigkeit bei dolus eventualis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 IV. Exkurs: Der Blick auf die Diskussion im Immaterialgüterrecht . . . . . . . . . . . . . . . 146 V. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 C. Analyse des Meinungsstandes zur Vorbereitung weiterer Überlegungen . . . . . . . . . . . . . 152 I. Wichtige Gesichtspunkte in der Diskussion und ihre Auswirkungen auf das Strafbarkeitsrisiko . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 1. Strafbarkeitseinschränkende Gesichtspunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 2. Argumente gegen Strafbarkeitseinschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 3. Ambivalente Gesichtspunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 II. Erfordernis und Erfolgsaussichten weiterer Untersuchungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 III. Zentrale Fragestellungen und Orte möglicher Lösungsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . 164 1. Rückführung der Diskussion auf fünf Grundfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 2. Verortung der Grundprobleme und ihrer Einzelfragen im rechtswissenschaftlichen Gesamtkontext . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168

3. Teil Grundlegungen einer eigenen Lösung

170

A. Allgemeine Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 I. Handlungsbeschreibungen: „Neutralität“ vs. „Kontextabhängigkeit“ . . . . . . . . . . 172 1. Erste Annäherung: „Neutralität“ als Abstrahierbarkeit eines Verhaltens von Kontexten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 2. Vertiefung: Anhaltspunkte aus der philosophischen und soziologischen Handlungstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175

12

Inhaltsverzeichnis 3. Konkretisierung: Neutralität, insbesondere bei berufsbedingtem Verhalten 180 a) Entwicklung eines Neutralitätsbegriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 b) Konkretisierung der Neutralität bei berufsbedingtem Verhalten . . . . . . . . . 184 II. Legitimationen: Grund und Grenzen staatlichen Strafens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 1. Rechtsgüterschutz durch Strafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 a) Einführende Grundlagen zum Rechtsgüterschutzgedanken . . . . . . . . . . . . . . 190 b) Konkreter und abstrakt-ideller Rechtsgüterschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 c) Konsequenzen für das Problem neutraler Unterstützungshandlungen . . . . 197 2. Gesellschaftstheoretische Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 a) Die Sozialschädlichkeit einer Handlung als Legitimation . . . . . . . . . . . . . . . 199 b) Die kontrafaktische Stabilisierung von Verhaltenserwartungen als Legitimation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 c) Konsequenzen für das Problem neutraler Unterstützungshandlungen . . . . 203 3. An den Grenzen des Strafrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 a) Verhaltensmissbilligung und Strafbedürfnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 b) Gefahr von Sekundärschäden und Angriffswege auf das Rechtsgut als Kriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 c) Konsequenzen für das Problem neutraler Unterstützungshandlungen . . . . 211 III. Abhängigkeiten: Das Verhältnis des Strafrechts zu anderen rechtlichen und sozialen Normen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 1. Zur Stellung des Strafrechts in der Gesamtrechtsordnung: Sekundärer Charakter strafrechtlicher Normen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 a) Die strafrechtlichen Sanktionen als subsidiäre Instrumente der Sozialkontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 b) Die unterschiedliche Beeinflussung des Strafrechts durch andere Rechtsvorschriften und das Prinzip des größeren Inhaltsreichtums . . . . . . . . . . . . . 217 c) Konsequenzen für das Problem berufsbedingter Unterstützungshandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 2. Zum Einfluss sozialer Normen: Soziale Vorstrukturierung und Auslegung von Strafgesetzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 a) Strukturelle Gemeinsamkeiten und Unterschiede von (straf-)rechtlichen und sozialen Normen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 b) Grundsätzliche Berücksichtigungsfähigkeit von sozialen Vorstrukturierungen bei der Auslegung von (Straf-)Gesetzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 c) Voraussetzungen einer konkreten Berücksichtigung von sozialen Vorstrukturierungen bei der Auslegung von (Straf-)Gesetzen . . . . . . . . . . . . . . . 233 IV. Zusammenfassung und weiterführende Fragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236

Inhaltsverzeichnis

13

B. Verfassungsrechtliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 I. Zum grundsätzlichen Nutzen verfassungsrechtlicher Überlegungen . . . . . . . . . . . 243 II. Äußere Anforderungen an die Problemlösung durch das strafrechtliche Gesetzlichkeitsprinzip (Art. 103 II GG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 1. Denkbare Problemfelder sub specie Art. 103 II GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 2. Allgemeine Anforderungen an die Rechtsfindung durch Art. 103 II GG – zugleich ergänzende methodische Bemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 a) Die Garantien der lex stricta et certa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 b) Die eingeschränkte Grenzfunktion natürlicher Sprache . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 c) Die Verschiebung von der Bestimmtheit zur Bestimmbarkeit . . . . . . . . . . . 257 3. Besonderheiten bei strafbarkeitseinschränkenden Regelungen des Allgemeinen Teils? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 a) Die Bestimmtheitsanforderungen an Vorschriften des Allgemeinen Teils

260

b) Die Bestimmtheitsanforderungen an Straffreistellungsgründe . . . . . . . . . . . 265 III. Inhaltliche Anforderungen an die Problemlösung durch Berufsfreiheit (Art. 12 GG) und Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (Art. 20 III GG) . . . . . . . . . . . . 268 1. Grundrechtsdogmatische und methodische Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . 268 a) Berufsfreiheit und Schranken-Schranken als Anknüpfungspunkt verfassungsrechtlicher Überlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 b) Verhaltensnorm und Sanktionsnorm in der verfassungsrechtlichen Beurteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 c) Die „Richtlinien-Funktion“ der Grundrechte bei einer systematischgrundgesetzlichen Interpretation des Strafrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 2. Überprüfbarkeit einer Pönalisierung berufsbedingter Unterstützungshandlungen am Maßstab des Art. 12 GG? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 a) Die Grundrechte als Maßstab für Strafnormen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 b) Der Schutz des Art. 12 I GG für strafbewehrte Handlungen . . . . . . . . . . . . . 278 c) Die berufsregelnde Tendenz strafrechtlicher Verurteilungen für berufliches Verhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 3. Verhältnismäßigkeitsüberlegungen bei der Pönalisierung berufsbedingter Unterstützungshandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 a) Die Rechtsgüterdiskussion und der legitime Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 b) Die Geeignetheit des Verbots berufsbedingter Unterstützungshandlungen 292 c) Die Erforderlichkeit des Verbots berufsbedingter Unterstützungshandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 d) Die Angemessenheit des Verbots berufsbedingter Unterstützungshandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 IV. Zusammenfassung und weiterführende Fragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301

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C. Strafrechtsdogmatische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 I. Begründung des Unwerturteils beim vorsätzlichen Begehungsdelikt . . . . . . . . . . 306 1. Grundelemente tatbestandsmäßigen rechtswidrigen Verhaltens beim vorsätzlichen Begehungsdelikt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 a) Die objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 b) Die Verortung ungeschriebener Zurechnungskorrektive, insbesondere die Lehre von der objektiven Zurechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 c) Die Bedeutung der Rechtswidrigkeitsprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314 d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316 2. Erfolgsunrecht und Handlungsunrecht beim Vorsatzdelikt . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 a) Das grundsätzliche Erfordernis eines Handlungsunrechts . . . . . . . . . . . . . . . 317 b) Die objektiven und subjektiven Handlungsunwertelemente . . . . . . . . . . . . . 319 c) Der objektive Handlungsunwert durch missbilligenswerte Verhaltenselemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322 (1) „Fahrlässigkeit“ als Voraussetzung jedes Vorsatzdelikts? . . . . . . . . . . . 323 (2) Weitere Zurechnung beim Vorsatzdelikt mangels „Drohens einer Überforderung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 326 (3) Zusammenwirken von objektiven und subjektiven Handlungsunwertelementen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330 d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 3. Erlaubtes Risiko und konkretisiertes Sonderwissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 a) Die generellen Grundsätze des „erlaubten Risikos“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 334 b) Das „erlaubte Risiko“ beim Vorsatzdelikt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338 c) Die Beachtlichkeit rollenüberschreitenden Sonderwissens . . . . . . . . . . . . . . 345 d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349 II. Sonderfragen beim Zusammentreffen mehrerer Verursacher . . . . . . . . . . . . . . . . . . 350 1. Allgemeine Strukturen beim Zusammentreffen mehrerer Verursacher . . . . . . 351 a) „Gemeinsame Organisation“ vs. „zufälliges Zusammentreffen“ . . . . . . . . . 351 b) Die gesetzlichen Beteiligungsvorschriften als Grundlagen einer gemeinsamen Organisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 353 c) Normative Aufhebung statt normativer Herstellung der Gemeinsamkeit 355 d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 358 2. Grundfragen der Beihilfedogmatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359 a) Zum Strafgrund der Beihilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359 b) Tatförderung als sich realisierende Gefahrerhöhung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 361 c) Psychische Beihilfe durch Bestärkung des Tatentschlusses . . . . . . . . . . . . . . 369 d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 373

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3. Grenzen der Verantwortung beim Zusammenwirken mehrerer . . . . . . . . . . . . . 373 a) Das Regressverbot als Ergebnis eines Zurechnungsvorgangs statt als Zurechnungsinstrument . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 374 b) Der Vertrauensgrundsatz als Sachgrund für ein erlaubtes Risiko und damit für ein Regressverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 376 c) Der Vertrauensgrundsatz bei fahrlässigem und vorsätzlichem Handeln . . 380 (1) Vertrauensgrundsatz und Fahrlässigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 380 (2) Vertrauensgrundsatz und direkter Vorsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 380 (3) Vertrauensgrundsatz und bedingter Vorsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383 d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 388 III. Zurechnungserleichterungen und -erschwerungen in besonderen Konstellationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 389 1. Erweiterte Zurechnung bei Fahrlässigkeitsstrafdrohungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 390 a) Bedeutung der Fahrlässigkeit und allgemeine Voraussetzungen . . . . . . . . . 390 b) Erkenn- bzw. Voraussehbarkeit des Erfolges . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 398 c) Sorgfaltspflichtverletzung und objektive Zurechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 399 d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 405 2. Erhöhte Zurechnungsanforderungen bei bloßem Unterlassen . . . . . . . . . . . . . . 405 a) Allgemeine Grundsätze der unechten Unterlassensdelikte . . . . . . . . . . . . . . 406 b) Berufsbedingte Unterstützungshandlungen als bloßes Unterlassen von gebotenen Differenzierungen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 408 c) Zur Garantenstellung der Berufsträger für durch ihre Handlungen unterstützte Verhaltensweisen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 411 d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 415 3. Haftungsverschärfung durch überlagernde Sondernormen . . . . . . . . . . . . . . . . . 416 a) Garantenstellung des Berufsträgers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 416 b) Vorwertung der §§ 138, 323c StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 417 c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 420 IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 420

4. Teil Synthese – Strafbarkeit berufsbedingter Unterstützungshandlungen

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A. Querschnittsanalyse der bisherigen Überlegungen: Die Leitgesichtspunkte der eigenen Lösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 424 I. Der gedankliche Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 425

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Inhaltsverzeichnis II. Der äußere Rahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 425 III. Die inhaltlichen Leitgesichtspunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 427 1. Betrachtungsweise und Begründungslast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 427 2. Freiheitseingriffe und Rechtsgutserhaltungseignung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 433 3. Normative Risikoerlaubnisse und -verbote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 436

B. Die einzelnen Grundsätze der strafrechtlichen Verantwortlichkeit für berufsbedingte Unterstützungshandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 439 I. Grundsätze für verantwortlichkeitsbeeinflussende Sondervorschriften . . . . . . . . 439 II. Grundsätze für die Strafbarkeit vorsätzlicher Unterstützungshandlungen . . . . . 443 1. Die vorsätzlichen Beteiligungsformen als Gegenstand gemeinsamer Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 443 2. Objektive Zurechnungskorrektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 448 a) Lösungsregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 448 b) Begründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 448 c) Auseinandersetzung mit abweichenden Konzepten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 451 3. Subjektive Zurechnungskorrektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 458 a) Lösungsregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 458 b) Begründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 459 c) Auseinandersetzung mit abweichenden Konzepten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 462 III. Grundsätze für die Strafbarkeit fahrlässiger Unterstützungshandlungen . . . . . . . 465 IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 466 C. Exemplifizierung und Konkretisierung: Die Anwendung auf einzelne Fallgruppen . . 467 I. Herstellung und Vertrieb von Sachen, die zur Tatbegehung genutzt werden . . . 468 II. Personen- und Gütertransport . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 473 III. Rechtsanwaltliche Auskunft, Beratung und Gestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 476 IV. Steuerberatende Tätigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 484 V. Notarielle Tätigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 488 VI. Ausgewählte Problemfelder im Bankenbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 491 VII. Verantwortlichkeitsstrukturen im Druckgewerbe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 497 VIII. Verantwortlichkeitsstrukturen beim Internet-Providing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 501

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IX. Berufsgruppenübergreifende Sonderprobleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 508 1. Erfüllung von bestehenden zivilrechtlichen Verbindlichkeiten . . . . . . . . . . . . . 508 2. Ermöglichung der Steuerhinterziehung durch geschäftliche Kontakte . . . . . . 511 3. Tätigkeiten im Arbeitnehmerverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 514 X. Zusammenfassende und vergleichende Überlegungen zu den Fallgruppen 519

Gesamtzusammenfassung und Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 521 I. Gang der Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 521 II. Überblick über die wichtigsten Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 530 III. Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 533

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 536

Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 569

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Einleitung I. Problemstellung In einem modernen, durch Arbeitsteilung und Massengeschäftsverkehr geprägten Wirtschaftssystem lebt nahezu niemand autark. Zur Erfüllung der meisten Bedürfnisse und zur Verwirklichung der meisten Pläne werden Leistungen Dritter in Anspruch genommen, die spezialisiert und gewerblich gerade diese Tätigkeiten erbringen. An diesem Wirtschaftsverkehr nehmen selbstverständlich auch Straftäter in gleicher Weise teil: Um sich über die Möglichkeiten einer effektiven Tatbegehung zu informieren, um ihre Tat zu finanzieren, um zum Tatort zu gelangen oder um Tatwerkzeuge zu erlangen, können sie im weitesten Sinn Leistungen anderer Personen mehr oder weniger unmittelbar in Anspruch nehmen. Aus der Sicht des Erbringers entsprechender Leistungen nun stellt sich dies so dar, dass seine – äußerlich oft „neutralen“ und anderen Kunden gegenüber in gleicher Weise erbrachten – Beiträge zum Wirtschaftsleben von den Straftätern zu deliktischen Zwecken ge- bzw. missbraucht werden. Angesichts der relativ weiten Formulierungen, die das StGB bzw. die Obersätze in Rechtsprechung und Literatur etwa für eine Beihilfe- oder Fahrlässigkeitsstrafbarkeit genügen lassen, führt dies für den Berufsträger zu einem Strafbarkeitsrisiko, dessen Legitimation zumindest nicht evident ist. Das Problem einer strafrechtlichen Verantwortung, insbesondere einer Beihilfestrafbarkeit, für berufsbedingtes oder sonstiges scheinbar alltägliches, äußerlich neutrales Verhalten wurde noch im Jahre 1993 von Roxin als „wenig geklärtes, aber in zunehmendem Maße wenigstens erkanntes Problem“ bezeichnet.1 Dieser Eindruck hat sich in der Zwischenzeit jedenfalls hinsichtlich des „Erkennens“ des Problems bestätigt:2 Waren es zunächst vor allem3 noch Beiträge Vgl. Roxin, Stree / Wessels-FS, 365, 378. Schon 1995 sagte Löwe-Krahl, wistra 1995, 201, dem Thema auf Grund seiner „Brisanz und enormen praktischen Bedeutung“ voraus, dass es „sich zu einem ,Dauerbrenner‘ entwickeln“ werde. 1999 zählt Schünemann, GA 1999, 207, 224, die „Beihilfe durch neutrales Verhalten“ schon „zu den (sc. gegenwärtig) am meisten diskutierten Zurechnungsproblemen überhaupt“. Vgl. ferner ab der 3. Auflage bei Kühl, AT, die erheblich erweiterte Darstellung in Rn. 222 f. und – unter Bezug auf Amelung, Grünwald-FS, S. 9 – die Bezeichnung als „fast schon ein ,Modethema‘ “ (ähnlich auch Rabe von Kühlewein, JZ 2002, 1139). Auf diese ausführlichere Behandlung des Problems wird bereits im Vorwort der 3. Auflage hingewiesen, ebenso z. B. im Vorwort der 6. Auflage bei Otto, AT, S. VI. 3 Wichtige – wenngleich teilweise erst später aufgenommene – Anstöße hat die Diskussion freilich sehr wohl durch einen „allgemeinen“ Beitrag aus dem Jahre 1977 erfahren: vgl. Jakobs, ZStW 89 (1977), 1 ff. 1 2

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aus speziellen Blickwinkeln etwa der Banken- und Steuerberaterpraxis, die sich des „berufsbedingten Verhaltens“ annahmen,4 drang die Problematik seit Mitte der 90er Jahre mehr und mehr ins Bewusstsein auch allgemeiner gehaltener strafrechtsdogmatischer Überlegungen und wurde Gegenstand einer ganzen Reihe von Aufsätzen sowie einzelner Monographien.5

II. Ziele der Untersuchung Wird hier gleichwohl der Versuch unternommen, das Thema erneut monographisch zu untersuchen, so liegt das nicht in erster Linie daran, dass trotz der Vielzahl von Beiträgen die Problematik noch keineswegs abschließend geklärt erscheint und die vertretenen Meinungen sich – zumindest auf den ersten Blick – vielfach unversöhnlich und diametral gegenüberstehen.6 Denn weder eine Lösung in „einer einzigen Regel oder gar einem einzigen subsumtionsfähigen Begriff“7 noch eine solche, die zur „Aussöhnung“ aller Standpunkte führt, ist zu erwarten. Vielmehr werden vorliegend – durchaus im Bewusstsein dieser Schwierigkeiten – folgende Ziele verfolgt:

4 Vgl. monographisch Löwe-Krahl, Verantwortung (jetzt in zweiter Auflage Löwe-Krahl, Steuerhinterziehung) sowie des Weiteren statt vieler Meyer-Arndt, wistra 1989, 281 ff., Hassemer, wistra 1995, 41 ff., 81 ff. und Otto, StV 1994, 409 f. 5 Vgl. insb. Amelung, Grünwald-FS, S. 9 ff.; Frisch, Lüderssen-FS, S. 539 ff.; Lesch, JA 2001, 986 ff.; Niedermaier, ZStW 107 (1995), 507 ff.; Otto, Lenckner-FS, 193 ff.; ders., JZ 2001, 436 ff.; Rabe von Kühlewein, JZ 2002, 1139 ff.; Roxin, Stree / Wessels-FS, S. 365 ff.; ders., Miyazawa-FS, S. 501 ff.; Schall, Meurer-GS, S. 103 ff.; Tag, JR 1997, 49 ff.; Weigend, Nishihara-FS, S. 197 ff.; Wohlers, SchwZStrR 117 (1999), 425 ff.; monographische Darstellungen finden sich bei Wohlleben, Wolff-Reske sowie aus der schweizerischen Literatur bei Schild Trappe, zum Sonderproblem der Strafbarkeit von Bankmitarbeitern wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung (aber ebenfalls weit ausgreifend) bei Lohmar, Steuerstrafrechtliche Risiken, sowie bei Müller, Subjektive Zurechnung; bewusst ausgespart bleibt das Problem der „neutralen Beihilfe“ bei Osnabrügge, Beihilfe, vgl. dort S. 197. Umfangreiche Nachweise aus der Aufsatzliteratur zur Thematik finden sich bei Hillenkamp, AT, 28. Problem, S. 181 ff. (die Tatsache, dass das Problem erst in der 8. Auflage 1996 in das Buch aufgenommen wurde, bestätigt im übrigen den hier gezeichneten Befund). 6 Häufig wird von den Autoren der Beiträge selbst (vgl. etwa Amelung, Grünwald-FS, 1999, S. 9; Wohlers, SchwZStrR 117 [1999], 425, 438; ders., NStZ 2000, 169), aber auch in der wissenschaftlichen Rezeption insb. der monographischen Darstellungen (vgl. zur Dissertation Schild Trappes, [zum schweizerischen Recht] die Besprechung von Roxin, JZ 1996, 29 sowie zur Dissertation von Wohlleben die Besprechung von Murmann, GA 1999, 406 ff.) betont, dass eine abschließende Klärung noch nicht erreicht sei. Stratenwerth, AT I, § 12 Rn. 160 f., spricht davon, dass die „Kriterien, nach denen hier geurteilt werden muss, (. . . ) vorerst jedoch noch wenig klar“ und die „Einzelheiten ( . . . ) weiterhin präzisierungsbedürftig“ sind; Schall, Meurer-GS, S. 103, 104, meint sogar, die Meinungen ließen sich nicht einmal mehr systematisieren. 7 Zu deren Unmöglichkeit in der vorliegenden Frage bereits Puppe, Erfolgszurechnung I, S. 151.

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– Die Darstellung des Verhältnisses der einzelnen bisher entwickelten Konzepte untereinander einschließlich ihrer verfassungsrechtlichen Bezüge und ihrer Einordnung in größere strafrechtsdogmatische Zusammenhänge. – Die Beantwortung der aufgeworfenen Fragen nicht – wie in einzelnen bisherigen Darstellungen – induktiv und ausgehend von speziellen Fällen sowie ihrer „als gerecht empfundenen Lösung“,8 sondern von einem weiteren Blickwinkel aus, der ein stärker deduktives Vorgehen ermöglicht. – Die Erarbeitung von Lösungsvorschlägen auch für praxisrelevante Konstellationen, da trotz der Anschaulichkeit von Fällen typischer Lehrbuchkriminalität 9 für die eigene Theoriebildung10 die Leistungsfähigkeit eines Modells an solchen Fällen überprüft werden sollte, in denen in der Praxis am ehesten mit dem Vorwurf zu rechnen ist, das Handeln sei von einem anderen zum Bestandteil eines deliktischen Planes gemacht worden.

III. Inhaltliche Beschränkung auf „berufsbedingtes Verhalten“ Thematisch wird die umfassendere Fragestellung des „neutralen“ Verhaltens im Rahmen der folgenden Abhandlung auf berufsbedingte Verhaltensweisen beschränkt11 (wenngleich viele Überlegungen auch für andere Fallgruppen von Inte8 Zu diesem sich teilweise aufdrängenden Eindruck Frisch, Lüderssen-FS, S. 539, 543 f., sowie Weigend, Nishihara-FS, S. 197, 204. 9 Exemplarisch seien nur (auch aus dem Bereich der zwar nicht berufsbedingten, aber in sonstiger Weise alltäglichen Verhaltensweisen) genannt das Bewirten eines Einbrechers vor der Tat (Beispiel etwa bei Rogat, S. 15), das Züchten von Rosen, die der Nachbar zur Heiratsschwindelei pflückt und der Verkauf von Brötchen, die vergiftet dem Ehegatten gereicht werden sollen (Beispiele bei Jakobs, ZStW 89 [1977], 1, 27 bzw. AT, 24 / 13; aufgegriffen bei Wohlleben, S. 8 f. und fortlaufend). Durch die mehrfache Beschäftigung mit der „neutralen Beihilfe“ durch den BGH seit Ende 1999 hat sich diese Situation zwar nicht grundlegend, aber doch zumindest teilweise wieder geändert, zumal gerade in jüngerer Zeit immer wieder auf das deutlichere Sichtbarwerden der praktischen Bedeutung der Fragestellung hingewiesen wird, so etwa von Frisch, Lüderssen-FS, S. 539, Rabe von Kühlewein, JZ 2002, 1139, sowie Schall, Meurer-GS, S. 103. 10 Vgl. – gerade auch in diesem Zusammenhang – das im Grundsatz zustimmungswürdige Statement von Forster, Schmid-FS, S. 127, 131 (dort Fußn. 15): „Lehrbuchbeispiele werden oft zu Unrecht als ,gesucht‘ oder ,weltfremd‘ belächelt: Ihr Hauptzweck ist nämlich nicht die Abbildung der statistischen Alltagsrealität, sondern die Zuspitzung einer dogmatischen Problemstellung. Ein Theorieansatz taugt wenig, wenn er vor ,Kathederbeispielen‘ kapitulieren muss.“ Ergänzend sollte man freilich hinzufügen: Wenn ein Lösungsmodell im „Regelfall“ gut funktioniert und „nur“ bei ganz besonders abgelegen und bewusst untypisch konstruierten Fällen in Begründungsnöte gerät, ist dies kein zwingender Einwand gegen eine Theorie – zu den meisten Formulierungen einer solchen werden sich Fälle gerade mit Blick darauf konstruieren lassen, dass die Formulierung unscharf oder aber das Ergebnis unbefriedigend wirkt. 11 Ebenso z. B. in der Monographie von Wolff-Reske; weiter dagegen die Untersuchung Wohllebens, die allgemein „äußerlich neutrale Handlungen“ untersucht. Auch in der Aufsatzliteratur finden sich gleichermaßen auf berufsbedingtes Verhalten beschränkte wie weiter angelegte Beiträge.

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resse und damit generell übertragbar sein sollten12). Dies dient zunächst einer Reduktion des Stoffes, insbesondere auch bei der anwendungsbezogenen Untersuchung einzelner Fallgruppen. Daneben hat eine solche Beschränkung aber durchaus auch inhaltliche Gründe: So sind bestimmte Überlegungen – etwa zu verfassungsrechtlichen Vorgaben sub specie Art. 12 GG oder zur Zumutbarkeit von Überprüfungspflichten im Massengeschäft – auf berufsbedingte Verhaltensweisen begrenzt oder haben bei diesen zumindest eine erheblich größere Bedeutung.13 Ohne hier bereits vorwegnehmen zu wollen, ob oder in welchem Zusammenhang die Professionalität einer Verhaltensweise tatsächlich ein entscheidender Gesichtspunkt ist, kann außerdem davon ausgegangen werden, dass eine Anknüpfung an den Beruf eines handelnden Subjekts der Rechtsordnung keinesfalls völlig fremd ist und daher jedenfalls nicht evident als mehr oder weniger bedeutsames Kriterium ausscheidet. Dabei ist zugegebenermaßen die Vielzahl öffentlich-rechtlicher berufsregelnder Vorschriften im vorliegenden Zusammenhang noch kein starkes Argument, da diese gerade genuin die Berufsausübung regeln und damit wenig darüber aussagen, wie sich der Zusammenhang eines Verhaltens mit der beruflichen Tätigkeit in sonstigen Kontexten auswirkt. Zu denken ist aber etwa im Zivilrecht an Sondervorschriften wie § 1835 III BGB, der einen Aufwendungsersatz des Vormundes auch für eigene Tätigkeiten gewährt, wenn diese „zu seinem Gewerbe oder seinem Berufe gehörten“, und der etwa beim Aufwendungsersatz des Geschäftsführers ohne Auftrag analog herangezogen wird. Im Bereich des Strafrechts und Strafprozessrechts gibt es Regelungen wie § 203 StGB, § 139 II, III 2 StGB oder § 53 StPO, die für Informationen, welche im Zusammenhang mit bestimmten beruflichen Tätigkeiten gewonnen wurden, strafrechtlich abgesicherte Verschwiegenheitspflichten auferlegen, von strafbewehrten Handlungspflichten suspendieren oder strafprozessuale Zeugnisverweigerungsrechte gewähren. Diesen Beispielen ist zweierlei gemeinsam: Zum einen enthalten gesetzliche Normkomplexe, die an sich völlig unabhängig von etwaigem beruflichen Handeln der Betroffenen einen bestimmten Interessenkonflikt regeln,14 Sonderbestimmungen für bestimmte Konstellationen beruflichen Handelns.15 Zum anderen führt dieser Anknüpfungspunkt der Berufs12 Dies wird schon bisher bei Ansätzen deutlich, die wie z. B. Niedermaier, ZStW 107 (1995), 507 ff., oder Weigend, Nishihara-FS, 197 ff., gar nicht auf die Qualität des Verhaltens an sich, sondern spezifischer auf die (nennenswerte) Gefahrsteigerung durch das Verhalten abstellen: Wenn der Berufsbezogenheit des Verhaltens ersichtlich keinerlei Bedeutung zugemessen wird, müssen diese entsprechenden Fallgruppen nach allgemeinen Kriterien gelöst werden, welche dann für alle Verhaltensweisen ein beachtlicher Maßstab wären. 13 Dies vernachlässigt Rabe von Kühlewein, JZ 2002, 1139; zustimmend aber Baumann / Weber / Mitsch, AT, § 31 Rn. 32a mit Fußn. 45. 14 Sei es nun das Interesse des Mündels an der Erhaltung seines Vermögens einerseits und das Interesse des Vormunds an einem angemessenen Ersatz seiner Aufwendungen andererseits, oder sei es das Interesse des Staates an der Wahrheitsfindung und der Funktionstüchtigkeit der Strafrechtspflege einerseits und das Interesse eines Zeugen am Schutz vor Konflikten durch einen Zwang zur Aussage andererseits.

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trägereigenschaft grundsätzlich dazu, dass die Rechtsfolgen dieser Sonderregelung positiv wie negativ grundsätzlich nur davon abhängen, ob es sich um einen Berufsträger handelt. Das Zeugnisverweigerungsrecht des § 53 StPO besteht also auch dann, wenn tatsächlich gar kein besonderes Vertrauensverhältnis bestand. Umgekehrt kann ein Aufwendungsersatz nach § 1835 III BGB auch dann nicht gewährt werden, wenn der Vormund seine Tätigkeit zwar nicht beruflich ausübt, dabei aber auf Grund besonderer Umstände kein bisschen schlechter arbeitet als entsprechende Berufsträger.16 Mangels entsprechender Sondervorschriften für die Unterstützung fremder Straftaten durch berufsbedingtes Handeln im Strafrecht ist ein solcher „Automatismus“, in dem eine Sonderbehandlung allein an die Berufsträgereigenschaft anknüpft, schlecht vorstellbar. Nicht ausgeschlossen ist dagegen, dass die hinter einer Sonderbehandlung von Berufsträgern bei berufsbedingten Tätigkeiten stehenden Sachgesichtspunkte dann, wenn sie einschlägig sind, für die Auslegung herangezogen werden können. Auch erscheint es nicht von vornherein ausgeschlossen, dass der in der bisherigen Diskussion bisweilen (freilich nur teilweise zu Recht17) als konturlos kritisierte Begriff der „Neutralität“ eines Verhaltens im Zusammenhang mit professionellem, von bestimmten Berufsbildern geprägtem Verhalten etwas leichter ausfüllbar ist. Umgekehrt können die Grenzen eines „neutralen“ Verhaltens etwa durch Verstöße gegen bestimmte berufsregelnde Vorschriften leichter gezogen werden. Schließlich spricht auch die wohl größere praktische Relevanz beruflicher Verhaltensweisen dafür, zumindest bei der Exemplifizierung ein Schwergewicht auf diesen Ausschnitt des gesamten Problemkreises zu legen.18

15 Dabei wird nicht verkannt, dass die Schutzrichtung in den Fällen der §§ 203 StGB, 53 StPO auf den ersten Blick weniger zugunsten des Berufsträgers und seiner Berufsfreiheit geht (was beim Sonderdelikt des § 203 StGB besonders deutlich wird) als vielmehr zugunsten des „Kunden“ i.w.S. und seines Interesses an vertraulicher Behandlung. Das ändert aber nichts daran, dass die Berufseigenschaft Anknüpfungspunkt der gesetzlichen Regelung ist; im Fall des § 53 StPO kann man auch durchaus von einem Privileg des Berufsträgers sprechen, dessen Berufsausübung dadurch erleichtert wird, dass auf einer abstrahierten Ebene durch das Zeugnisverweigerungsrecht das Vertrauensverhältnis zu den „Kunden“ verbessert wird. 16 Eine Einschränkung des Anwendungsbereichs ergibt sich jedoch durch die Forderung, ein bestimmter Umstand müsse „in Ausübung des Berufes“ eingetreten (also z. B. ein Geheimnis erfahren worden) sein und nicht nur „bei Gelegenheit seiner Ausübung“. Auch auf diesen Aspekt wird für die hier interessierende Fragestellung zurückzukommen sein. 17 Vgl. zu den Möglichkeiten für die Bestimmung eines tatsächlichen (noch ohne unmittelbare normative Konsequenzen ausgestatteten) Begriffs der Neutralität unten S. 172 ff. 18 Diese thematische Klammer der Berufsbedingtheit erlaubt auch in stärkerem Maße, neben der (bedingt) vorsätzlichen Förderung fremder Straftaten, eine – soweit überhaupt denkbare – Fahrlässigkeitshaftung mit zu untersuchen, die in den bisherigen Arbeiten weitestgehend ausgeblendet blieb. Dabei wird die nachfolgende Betrachtung zeigen, dass beide Fragen durchaus wichtige Berührungspunkte zueinander haben.

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Einleitung

IV. Gang der Darstellung Die folgende Untersuchung ist in vier größere Teile gegliedert, in denen die Problematik eingeordnet und näher erfasst, der bisherige Meinungsstand referiert und analysiert, Grundlagen für eine Lösung aufgezeigt und diese schließlich entwickelt sowie auf konkrete Fälle angewandt werden sollen: Der 1. Teil dient der Einordnung in einen größeren Kontext und – auf dieser Grundlage – einer Präzisierung der Fragestellung. Durch einen Überblick über verschiedene Formen berufsbedingter Strafbarkeitsrisiken soll der Bereich der „Unterstützung fremder Straftaten“ näher geklärt werden, um zu sehen, in welchen dogmatischen Kategorien (neben der zumeist allein behandelten Beihilfe) sich Fälle bewegen können, die phänomenologisch als Unterstützungshandlungen beschreibbar sind. Im 2. Teil wird dann zu diesen Fällen der bisherige Meinungsstand in Rechtsprechung und Literatur aufbereitet. Dabei geht es nicht um Vollständigkeit hinsichtlich jeder einzelnen Äußerung, die das Problem streift. Allerdings ist der monographischen Anlage dieser Untersuchung entsprechend durchaus eine möglichst umfassende Darstellung der wichtigeren Äußerungen in ihren Grundlagen, Ergebnissen und dagegen vorgebrachten Einwänden beabsichtigt. Darüber hinaus werden die dargestellten bisherigen Stellungnahmen auf die zentralen Weichenstellungen und Leitgesichtspunkte hin analysiert. Auf dieser Analyse aufbauend, sollen im 3. Teil die Grundlagen eines eigenen Lösungsvorschlags näher ausgebreitet werden. Neben strafrechtsdogmatischen Aspekten werden dabei auch außerstrafrechtliche Gesichtspunkte erörtert werden, soweit sie sich in der Analyse im 2. Teil als bedeutsam erweisen. Als solche kommen etwa verfassungsrechtliche, rechtstheoretische oder soziologische Fragestellungen in Betracht, die freilich mit den strafrechtlichen Überlegungen jeweils in Beziehung gesetzt werden müssen. Im 4. Teil schließlich sollen die verschiedenen Gesichtspunkte zusammen- und das Problem damit einem Lösungsvorschlag zugeführt werden. Ziel ist es, ein theoretisch fundiertes, für die praktische Anwendung aber gleichwohl handhabbares Konzept zu entwickeln. Dieses sollte so allgemein wie möglich, aber doch auch so ausdifferenziert wie nötig sein. Durch die Anwendung auf verschiedene Fälle aus unterschiedlichen Bereichen beruflicher Tätigkeiten kann dieses Konzept zugleich konkretisiert und hinsichtlich seiner Tauglichkeit überprüft werden. Auf diese Weise ist es ferner möglich, die Relevanz der hier untersuchten Fragestellung auch für weitere praktisch bedeutsame, in der bisherigen Diskussion aber vernachlässigte Bereiche aufzuzeigen und Antworten anzubieten.

1. Teil

Einordnung und Entfaltung der Fragestellung Die hier untersuchte Frage nach der Strafbarkeit „berufsbedingter Unterstützungshandlungen“ wurde in der Einleitung in den Kontext des Problems „einer strafrechtlichen Verantwortung, insbesondere einer Beihilfestrafbarkeit, für ( . . . ) scheinbar alltägliches, äußerlich neutrales Verhalten“ gestellt. Eine genauere Festlegung und Einordnung des Untersuchungsgegenstandes als Grundlage der anschließenden Überlegungen muss daher zwei Fragen beantworten: Wann kann man von der „Berufsbedingtheit“ eines Verhaltens sprechen (vgl. dazu sogleich A.)? Und hinter welchen dogmatischen Kategorien können sich „Unterstützungshandlungen“ verstecken (dazu im Anschluss B.)?

A. Begriffliche Annäherung: Phänomenologische Einordnung eines Verhaltens als „berufsbedingt“ Die Gründe, aus denen die Berufsbedingtheit des Verhaltens möglicherweise nicht nur ein sinnvoller Ansatz zur Stoffbegrenzung, sondern auch ein wichtiger Sachgesichtspunkt sein könnte, wurden bereits in der Einleitung skizziert. Soll nun der Untersuchungsgegenstand näher konkretisiert werden, ist zu klären, wann bei einem (potentiell strafbaren) Verhalten davon gesprochen werden kann, dass es „berufsbedingt“ sei. Dazu sind beide Elemente des Attributs „berufsbedingt“ näher zu entfalten, nämlich das Vorliegen eines „Berufes“ (dazu sogleich I.) und die „Bedingtheit“ des Verhaltens durch denselben (dazu im Anschluss II., III.). Dabei werden an dieser Stelle noch keine Aussagen darüber getroffen, wann ein Verhalten in einem möglicherweise privilegierungswürdigen Sinne „berufsbedingt“ ist; vielmehr geht es im Sinne einer phänomenologischen Einordnung darum, das thematische Feld der untersuchungsgegenständlichen Verhaltensweisen abzustecken. Bewusst verzichtet wird hier dagegen auf eine nähere Entfaltung des Begriffs des „Verhaltens“, das im Folgenden im Wesentlichen synonym mit dem des „Handelns“ verwendet wird, jedenfalls aber – unabhängig von Detailstreitigkeiten um den strafrechtlichen Handlungsbegriff1 – auch das Unterlassen mit umfasst (wenngleich diesem im weiteren Verlauf der Untersuchung nur geringere Bedeutung zukommen wird). Schon die Verbindung mit dem Attribut „berufsbedingt“, das eine gewisse Intentionalität nahe legt (und auch tatsächlich be1

§ 8.

Vgl. dazu jeweils den Überblick bei Jescheck / Weigend, AT, § 23, sowie bei Roxin, AT I,

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1. Teil: Einordnung und Entfaltung der Fragestellung

inhaltet, dazu im Anschluss S. 30 ff.), macht deutlich, dass „Verhalten“ hier nicht – wie verbreitet etwa in der philosophischen oder soziologischen Handlungstheorie2 – als Überbegriff zum „Handeln“ verstanden wird, welche seine Besonderheit aus der Intentionalität schöpfe.3 Dass strafrechtlich relevant ohnehin nur ein „Handeln“ auch im strafrechtlichen Sinne sein kann, versteht sich von selbst. Gerade um eventuelle irreführende Assoziationen mit Blick auf den umstrittenen strafrechtlichen Handlungsbegriff zu vermeiden, wird hier – zwar nicht durchgehend, aber oft gerade an exponierterer Stelle – der Begriff des berufsbedingten „Verhaltens“ gewählt, der sich im Übrigen auch in der bisherigen einschlägigen Diskussion oft mit gleicher Konnotation findet.4

I. Zugrunde gelegter Berufsbegriff Die „Berufsbedingtheit“ von bestimmten Verhaltensweisen ist keine den Zurechnungsvorschriften des StGB bekannte Kategorie.5 Die folgenden Überlegungen können (und müssen) daher an keine formale, gesetzliche Definition des „Berufes“ anknüpfen, sondern könnten funktional danach ausgerichtet werden, dass möglichst viele, aber auch nur solche Verhaltensweisen erfasst werden, in denen 2 Vgl. nur Eßbach, Studium Soziologie, S. 134; Lumer, Stichwort „Handlung / Handlungstheorie“, in: Sandkühler u. a. (Hg.), Enzyklopädie Philosophie, Bd. I, S. 534 f.; Thieme, Stichwort „Handeln (im soziologischen Sinne)“, in: Reinhold u. a. (Hg.), Soziologie-Lexikon, S. 250; differenzierend Kindhäuser, Intentionale Handlungen, S. 153 ff. 3 Statt vieler nur zur philosophischen Handlungstheorie Prechtl, Stichwort „Handeln, soziales“, in: ders. / Burkard (Hg.), Metzler Philosophie Lexikon, S. 225 („Dem Handeln ist eine intentionale Struktur, d. h. eine Zielgerichtetheit eigen.“); für die soziologische Handlungstheorie grundlegend Weber, Soziologische Grundbegriffe, S. 1 („ ,Handeln‘ soll dabei ein menschliches Verhalten [ . . . ] heißen, wenn und insofern als der oder die Handelnden mit ihm einen subjektiven Sinn verbinden.“); vgl. auch Joas, Stichwort „Handeln“, in: Reinhold u. a. (Hg.), Soziologie-Lexikon, S. 249 („soziologisch betrachtet, sind dies (d. h.: Handlungen – H.K.) alle menschlichen Verhaltensweisen, soweit sie sinnhaft, intentional und motivational sind“); ders., Stichwort „Handeln (in soziologischem Sine)“, a. a. O., S. 250 („Handeln bezeichnet jene menschlichen Verhaltensäußerungen, die intendiert sind.“). 4 Vgl. nur (bereits in den jeweiligen Titeln der Abhandlungen) Lesch, JA 2001, 986 ff.; Otto, Lenckner-FS, S. 193 ff.; ders., JZ 2001, 436 ff.; Tag, JR 1997, 49 ff.; Wohlers, SchwZStrR 117 (1999), 425 ff., oder Wolff-Reske (darüber hinaus aber auch in der allgemeinen dogmatischen Diskussion etwa bei Frisch, Verhalten und Zurechnung, passim). 5 Das StGB selbst kennt den allgemeinen Begriff des Berufes überhaupt nur an etwas versteckter Stelle in seiner Regelung über den Ausspruch eines Berufsverbotes als Maßregel der Besserung und Sicherung. Gewissermaßen akzessorisch hierzu – und daher ohne eigenen Aussagewert für den Berufsbegriff – stellt § 145c StGB den Verstoß gegen ein strafgerichtlich ausgesprochenes Berufsverbot unter Strafe. Die Frage, was im Sinne des StGB ein Beruf (oder Gewerbe) ist, mithin also welche Tätigkeit nach § 70 I StGB dem Täter untersagt werden kann, wenn er diese missbraucht hat, wird in der strafrechtlichen Literatur allerdings nicht vertieft behandelt. In der Kommentarliteratur findet sich teilweise keine Erläuterung (so etwa bei Tröndle / Fischer, § 70 Rn. 3 ff.; Schönke / Schröder-Stree, § 70 Rn. 5 ff.), teilweise wird mehr oder weniger ausführlich auf die aus dem öffentlichen Recht bekannte Berufsdefinition verwiesen (vgl. die zahlreichen Nachweise aus der Kommentarliteratur zu Art. 12 GG in LK-Hanack, § 70 Rn. 13, 15).

A. Begriffliche Annäherung

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eine ganz bestimmte Interessenkonstellation hinsichtlich des Handelns erfüllt ist. Statt einer eigenen, gleichsam „freischwebend“ entwickelten oder aber aus einer Nachbarwissenschaft entlehnten Berufsdefinition zu folgen, bietet es sich aber aus mehreren Gründen an, die Darstellung an dem verfassungsrechtlichen Begriff des Berufes zu orientieren: Zunächst vermeidet der entwicklungsoffene verfassungsrechtliche Berufsbegriff6 gerade eine strenge Formalisierung, enthält aber dennoch eine Reihe von (mittlerweile auch konkretisierten) Abgrenzungskriterien, so dass die beabsichtigte Selektionsfunktion durch ihn bereits recht gut erfüllt zu werden scheint. Des Weiteren dient die einheitliche Verwendung dieses allgemein anerkannten und verstandenen Begriffs der Verständlichkeit und vermeidet terminologische Missverständnisse. Vor allem aber kann damit auch – ohne dass dies dann noch einmal eigens begründet werden müsste – im weiteren Verlauf der Untersuchung stets davon ausgegangen werden, dass die behandelten Verhaltensweisen zumindest insoweit (d. h. hinsichtlich der Voraussetzung des „Berufes“ als solcher) dem Schutzbereich des Art. 12 GG zugänglich sind.7 Als berufliche Tätigkeit nach diesem verfassungsrechtlichen Berufsbegriff8 nun kommt jede selbständige oder unselbständige Teilnahme am Wirtschaftsleben in Betracht, wobei unbedeutend ist, ob der Handelnde im Sektor (Ur-)Produktion, Handel oder Dienstleistung tätig wird. Verlangt wird jedoch eine „auf gewisse Dauer angelegte, der Schaffung und Erhaltung einer Lebensgrundlage dienende Tätigkeit“, wobei teilweise einschränkend hinzugefügt wird, dass die Tätigkeit, die der Bürger zum Inhalt seines Berufes macht, nicht verboten sein darf: 1. Für die Anlage auf Dauer soll nach h. M. genügen, dass die Tätigkeit ihrem objektiven Wesen gemäß auf Dauer angelegt ist, d. h. es ist nicht erforderlich, dass auch der jeweils Einzelne sie tatsächlich (bereits) dauerhaft ausübt oder dies auch nur vorhat.9 Diese weite Fassung des Berufsbegriffs wäre etwa von Interesse, soweit es um bloße Aushilfstätigkeiten, Ferienjobs o.ä. ginge. Aus verfassungsrechtlichem Blickwinkel wäre dann die Frage, ob eine Person eine Tätigkeit tatsächlich auf Dauer ausübt bzw. ausüben will, oder ob es sich nur um eine ganz vorübergehende (und „nur“ dem objektiven Wesen nach dauerhaft angelegte) Tätigkeit handelt, nur i.R.d. Verhältnismäßigkeit10 bei der Gewichtung der konkreten Eingriffsgüter zu berücksichtigen. Für die strafrechtlichen Überlegungen ist ein Abstellen auf die „objektive Prägung“ des Verhaltens jedenfalls insoweit sinnvoll, als aus der Berufsbedingtheit des Verhaltens etwas über die Üblichkeit bzw. Sozialadäquanz abgeleitet wird. Hierfür kann es nämlich keine Grundlegend BVerfG 7, 377, 397. Einer näheren Begründung bedarf dagegen die Frage, ob dann auch das konkrete Verhalten – soweit es sich straftatfördernd auswirkt – in den Schutzbereich des Art. 12 I GG fällt; vgl. dazu eingehend unten S. 274 ff. 8 Vgl. Manssen, § 26 Rn. 12 sowie Pieroth / Schlink, Rn. 810. 9 Vgl. M / D / H-Scholz, Art. 12 Rn. 19; Wolff-Reske, S. 17 Fußn. 8. 10 Diese wird auch für Art. 12 I GG durch die Dreistufen-Theorie des BVerfG nur modifiziert, nicht aber verdrängt; vgl. näher zur Grundrechtsdogmatik des Art. 12 GG unten S. 274 ff. 6 7

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1. Teil: Einordnung und Entfaltung der Fragestellung

Rolle spielen, ob etwa die seit Jahren tätige Fleischereifachverkäuferin die Wurst verkauft, die der Täter vergiften und seiner Frau vorsetzen möchte, oder der Student dies tut, der in den Semesterferien einen Monat in der Metzgerei als Verkäufer aushilft. Soweit es dagegen um ein Handeln geht, das bereits nach seiner objektiven Prägung nicht auf Dauer angelegt ist – wie etwa der Verkauf von Gegenständen aus der Auflösung der Wohnung der verstorbenen Großeltern an einem Wochenende auf einem Flohmarkt – kann von einem berufsbedingten Verhalten keine Rede mehr sein. Ob nun zwischen dem Verkauf eines Gegenstandes auf diesem Flohmarkt oder durch einen gewerbsmäßigen Antiquitätenhändler ein strafrechtlich relevanter Unterschied liegt, wenn der Käufer – unter im Übrigen gleichen Umständen – mit dem erworbenen Gegenstand eine Straftat begeht, erscheint zwar auf den ersten Blick fraglich. Immerhin steht außer Frage, dass die mit einem Strafbarkeitsrisiko verbundene Belastung (sei es durch die drohende Strafe, sei es durch die auf Grund der gebotenen Zurückhaltung erschwerten Geschäftsabschlüsse) denjenigen, der ihr dauerhaft ausgesetzt ist, härter trifft als denjenigen, der nur bei einer einzigen Gelegenheit auftritt. Aber auch wenn man dies als Differenzierungskriterium nicht genügen lassen will, spricht dies nicht automatisch gegen eine Sonderbehandlung berufsbedingten Handelns, sondern führt nur zu der Frage, ob nicht zumindest einzelne, typischerweise beruflich verfolgte Tätigkeiten unter Gesichtspunkten der Sozialadäquanz, des erlaubten Risikos o.ä. auch bei nichtberuflichem Handeln strafrechtlich privilegiert sein müssten.

Mit Blick auf die bisher in Rechtsprechung und Literatur behandelten bzw. konstruierten Fälle ist freilich festzuhalten, dass in keinem von ihnen die Berufsbezogenheit des Handelns bzw. insbesondere das Vorliegen einer auf Dauer angelegten Tätigkeit problematisch waren. Auch die praktische Relevanz zukünftiger Fälle, in denen zwar die Berufsbedingtheit im Raume steht, jedoch Unsicherheit über die Dauerhaftigkeit der Tätigkeit besteht, dürfte gering sein. Soweit im Folgenden die Rede davon ist, dass jemand „als Verkäufer“ einen Gegenstand veräußert, „als Bankangestellter“ einen Rat gibt oder eine Dienstleistung erbringt o. ä., soll daher stets davon ausgegangen werden, dass die Tätigkeit zumindest objektiv auf Dauer angelegt ist. 2. Durch das Erfordernis der Schaffung und Erhaltung einer Lebensgrundlage wird berufliches Handeln gegenüber der Pflege eines Hobbys oder einer Liebhaberei abgegrenzt.11 Anders als bei der „dauerhaften Anlage“, bei der die objektive Prägung ausschlaggebend war (vgl. o.), muss hier tatsächlich die Schaffung und Erhaltung einer Lebensgrundlage erfolgen oder zumindest beabsichtigt sein. Es ist nicht ausreichend, dass die Tätigkeit an sich auch dazu genutzt werden kann, um sich eine Lebensgrundlage zu schaffen oder zu erhalten.12 Unter dem Gesichtspunkt der Begriffsklärung für den weiteren Verlauf der Arbeit gilt auch hier wieder: Ist von der Lieferung einer Leistung, Erbringung einer Dienstleistung etc. die Rede, ist grundsätzlich ein Handeln in Gewinnerzielungsabsicht zur Schaffung oder Sicherung der Lebensgrundlage gemeint. Vgl. Manssen, § 26 Rn. 512; Pieroth / Schlink, Rn. 812. Diese konkrete Betrachtungsweise ist jedenfalls im Steuerrecht h. M. und letztlich gerade die Quelle des Streits um Betriebsausgaben und Aufwendungen für Liebhaberei als private Lebensführung. 11 12

A. Begriffliche Annäherung

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Rein theoretisch würde sich freilich – vergleichbar dem o.g. Flohmarkt-Beispiel – erneut die Frage stellen, ob der ohne Gewinnerzielungsabsicht handelnde Millionenerbe, der über Jahre hinweg täglich frisch und in großem Umfang gebackene Brötchen in seiner Backstube verschenkt, weil die Bäckerei seine große Leidenschaft ist, bei der von ihm vorausgesehenen oder erahnten Vergiftung eines Brötchens13 durch einen „Kunden“ strafrechtlich anders zu behandeln ist als der Berufs-Bäcker. Auch die Antwort fällt ähnlich aus: Davon abgesehen, dass der Fall des lebenslang unentgeltlich handelnden Millionen-Erben keine praktische Bedeutung haben dürfte, wäre dieser von der strafbewehrten Forderung, bestimmte „Geschäfte“ zu unterlassen, in der Tat weniger hart betroffen als derjenige, der mit dem Verkauf der Brötchen seinen Lebensunterhalt verdienen muss. Darüber hinaus wäre auch hier weitergehend zu fragen, ob sich unabhängig von der Berufsbedingtheit des Verhaltens auf Grund ähnlicher Sachgesichtspunkte eine strafrechtliche Sonderbehandlung begründen ließe (so sie denn auch dem Berufsbäcker überhaupt einzuräumen ist).

3. Das problematischste Merkmal für die hier interessierende Fragestellung ist die – freilich ihrerseits wieder umstrittene – Einschränkung, dass das Verhalten nach der gängigen Berufsdefinition nicht „verboten“ bzw. „schlechthin gemeinschaftsschädlich“ sein darf. Nimmt man dieses Negativ-Merkmal beim Wort, könnte man spontan denken, die Qualifizierung eines Verhaltens als berufsbedingt scheide gerade deshalb aus, weil es strafrechtlich von Relevanz sei – die Frage nach einer Privilegierung berufsbedingter Tätigkeiten würde damit zu einem leicht „wegdefinierbaren“ Scheinproblem.14 Für die hier allein zu besorgende phänomenologische Einordnung ist freilich auf diese Einschränkung schon zu verzichten, um sich nicht dem Vorwurf einer bereits formal-logisch angreifbaren Argumentation auszusetzen: Würde man nämlich behaupten, eine „im Übrigen berufsbedingte“ Unterstützung fremder Straftaten gehöre auf Grund der Strafbarkeit des Verhaltens schon nicht mehr zum Feld beruflicher Tätigkeit, müsste man dem entgegnen, dass es ja gerade noch die Frage ist, ob das Verhalten strafbar ist: Tritt man nämlich für seine Straflosigkeit ein, spräche auch nach diesem verkürzten Verständnis wieder nichts mehr gegen die Annahme beruflichen Handelns.15 Die weitergehende Frage, ob ein in diesem Sinne „berufliches“ Handeln tatsächlich auch den grundrechtVgl. zu dem „Brötchen-Fall“ Jakobs, ZStW 89 (1977), 1, 27 (dort Fußn. 83). Daran würde sich auch nichts ändern, wenn man diese Einschränkung darauf begrenzt, dass ein Verhalten, das generell verboten ist (etwa Morden, Stehlen oder Betrügen), nicht deshalb einen besonderen Schutz genießen soll, weil es berufsmäßig erfolgt: Denn auch nach dieser Umschreibung müssten Unterstützungshandlungen, die etwa als Beihilfe qualifiziert werden könnten, aus dem Berufsbegriff hinausfallen, da die Beihilfe zu fremden Straftaten eben auch „generell verboten“ ist. 15 Hier liegt auch die formal-logische Schwäche des Satzes von Arzt, NStZ 1990, 1, 3: „Mordteilnahme gehört nun einmal nicht zu seiner üblichen Geschäftstätigkeit.“ Ob es sich um eine Mordteilnahme im strafrechtlichen Sinne (d. h. ein nach §§ 212, 211, 27 StGB strafbares Verhalten) handelt, ist ja gerade noch die Frage. Sieht man in der Sozialüblichkeit eines bestimmten beruflichen Verhaltens einen Grund für seine Straflosigkeit, auch wenn es mittelbar den Erfolg mitverursacht, könnte gegen diese Sichtweise etwa mit der mangelnden Tragfähigkeit der Figur der Sozialüblichkeit argumentiert werden; es können jedoch nicht schon ihre Voraussetzungen wegen einer unterstellten Strafbarkeit bestritten werden. 13 14

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1. Teil: Einordnung und Entfaltung der Fragestellung

lichen Schutz des Art. 12 I GG genießt, wenn es zugleich geeignet ist, die Voraussetzungen eines Straftatbestandes zu erfüllen, bleibt einer ausführlichen Beantwortung im Rahmen der verfassungsrechtlichen Grundlagen eines eigenen Lösungsvorschlages vorbehalten.16

II. Bedingtheit des Verhaltens durch den Beruf Damit die Berufsträgereigenschaft des Handelnden überhaupt sinnvolles begriffliches oder gar inhaltliches Differenzierungskriterium sein kann, muss zwischen dem Beruf und der Handlung ein Zusammenhang bestehen. Dieser wird hier – anknüpfend an eine gängige Diktion in diesem Zusammenhang – mit der „Bedingtheit“ durch den Beruf umschrieben. Versucht man diese Bedingtheit näher zu definieren, könnte man von einer „Veranlassung“ durch den Beruf sprechen, ohne dass damit freilich ein wesentlicher Gewinn an Klarheit verbunden wäre. Um eine trennschärfere Umschreibung zu erreichen, soll daher auf zwei unterschiedliche, einander jedoch ergänzende Aspekte abgestellt werden: die Motivation des Handelnden und die Typik des Handelns. Ein Aspekt der „Berufsbedingtheit“ liegt darin, dass der Handelnde durch seinen Beruf zur Vornahme der Handlung motiviert wird, d. h. es spielt neben dem äußeren Rahmen auch der innere Beweggrund eine Rolle. Um von Berufsbedingtheit sprechen zu können, muss der Handelnde gerade tätig werden, weil er seinem Beruf nachgehen möchte (bzw. dies zumindest „zur Schaffung und Erhaltung seiner Lebensgrundlage“ tun muss). Dabei kann es freilich für ein solches „Müssen“ nicht darauf ankommen, ob der Betreffende gerade dieses Geschäft vornehmen muss, um sein Geschäft rentabel zu betreiben. Vielmehr ist ausreichend, dass es sich um eines von vielen Geschäften handelt, mit deren Gesamtheit dieses Ziel erreicht werden soll. Diese von der Notwendigkeit des einzelnen Geschäfts abstrahierende Betrachtung sowie die Tatsache, dass die „Motivation“ des Handelnden als innerer Antrieb objektiv nur schwer zu bestimmen ist, führen zum zweiten Aspekt: der Typik des Handelns. Voraussetzung für eine Berufsbedingtheit (und zugleich wichtiges äußeres Indiz für die Berufsmotiviertheit) eines Handelns ist es, dass es mit der Berufsausübung des konkreten Berufsträgers typischerweise verbunden ist.17 Dabei ist Vgl. u. S. 278 ff. Die Üblichkeit oder Typik werden bereits in den Titeln ihrer Beiträge etwa genannt von Lesch, JA 2001, 986 ff. (Strafbare Beteiligung durch „berufstypisches“ Verhalten); LöweKrahl, wistra 1995, 201 ff. (Beteiligung von Bankangestellten an Steuerhinterziehungen ihrer Kunden – die Tatbestandsmäßigkeit berufstypischer Handlungen), Otto, Lenckner-FS, S. 193 ff. („Vorgeleistete Strafvereitelung“ durch berufstypische oder alltägliche Verhaltensweisen als Beihilfe) und Wohlers, SchwZStrR 117 (1999), 425 ff. („Gehilfenschaft durch „neutrale“ Handlungen – Ausschluss strafrechtlicher Verantwortlichkeit bei alltäglichem bzw. berufstypischem Verhalten“), Hervorhebung jeweils durch den Verf. – H.K. 16 17

A. Begriffliche Annäherung

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dem offenen verfassungsrechtlichen Berufsbegriff entsprechend die Grenze nicht zu eng zu ziehen, so dass ein Geschäft, das in dieser Art das erste Mal getätigt wird, ebenso berufsbedingt sein kann, wie einmalige spezielle „Auftragsarbeiten“, soweit bei wertender Betrachtung noch von einem für den Beruf typischen Verhalten gesprochen werden kann. Die mit einem solch offenen Verständnis einhergehende partielle Unbestimmtheit erscheint dabei – ungeachtet einer vertieften Betrachtung der Anforderungen des Art. 103 II GG18 – aus mehreren Gründen hinnehmbar: Zum einen besteht eine Unschärfe allenfalls in Grenzbereichen, während der größte Teil von praktisch relevanten Handlungen sich unproblematisch dem für einen bestimmten Beruf Typischen zuordnen oder aus diesem ausgrenzen lassen wird. Zum anderen ist diese Unschärfe jedenfalls dann unbedenklich, wenn sich herausstellen sollte, dass nicht an die Berufsbedingtheit gleich einem negativen Tatbestandsmerkmal eine bestimmte Rechtsfolge anknüpft, sondern dass diese nur ein Wertungsgesichtspunkt im Rahmen einer weiter gespannten Zurechnungsprüfung sein sollte.

Um an dieser Stelle den Untersuchungsgegenstand allerdings noch nicht zu weit zu verengen, sollen hier die Merkmale der Typik bzw. der Bedingtheit noch nicht zwingend voraussetzen, dass die berufliche Leistung in keiner Weise an die Bedürfnisse des Kunden angepasst wurde (und in diesem Sinne „alltäglich“ wäre). „Bedingt“ durch den Beruf kann zumindest in einem weiteren Sinn auch ein Verhalten sein, mit dem auf ganz spezielle Wünsche des Kunden eingegangen wird, solange es noch in einem Zusammenhang mit dem Berufsbild des Handelnden steht. Beispielhaft: Der abendliche Transport selbst eines guten Kunden, der jeden Morgen Brot kauft, mit dem Auslieferfahrzeug eines Bäckers in die Villenviertel, steht mit dem Berufsbild des Bäckers in keinerlei Zusammenhang mehr (sondern nur mit dem des Taxifahrers). Das Backen von Brötchen mit einem speziellen Hohlraum, in dem der Kunde – wie der Bäcker weiß – Gift verstecken will, ist dagegen noch durch die Stellung als Bäcker geprägt. Weil der Bäcker backen kann, wendet sich der Kunde mit dem Wunsch nach solchen Brötchen an ihn und nicht an den Schneider oder den Rechtsanwalt. Ob ein solches „angepasstes“ Verhalten in gleicher Weise einer strafrechtlichen Privilegierung zugänglich ist wie – möglicherweise – die „unangepasste“ Erbringung „beruflicher Stereotypen“, kann zwar bezweifelt werden, soll aber im Folgenden erst noch untersucht werden. III. Zur Abgrenzung: Nicht durch den Beruf bedingte Tätigkeiten Die o.g. Beschreibung führt zwangsläufig auch zu Parametern dafür, wann ein Verhalten nicht als durch den Beruf bedingt bewertet werden kann: Dies ist (neben evident rein privatem Verhalten ohne jeden Bezug zum Beruf auch) der Fall, wenn es trotz eines weiten Verständnisses nicht mehr als typisch für die Berufsausübung erachtet wird. In diesem Sinne zwar nicht berufsbedingte, sondern nur in einem 18

Vgl. dazu unten S. 246 ff.

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1. Teil: Einordnung und Entfaltung der Fragestellung

losen Zusammenhang mit der Berufstätigkeit erbachte Verhaltensweisen sollen im Folgenden – in Anlehnung an die zivilrechtliche Differenzierung bei den Haftungsvorschriften der § 278 BGB (Zurechnung des Verschuldens eines Erfüllungsgehilfen19) und § 831 BGB (vermutetes Eigenverschulden des Dienstherren bei Rechtsverletzungen durch den Verrichtungsgehilfen) – mit dem Schlagwort „bei Gelegenheit der Berufsausübung“ beschrieben werden. Gegen die Anlehnung an diese zivilrechtliche Figur könnte man zwar einwenden, dass die Anwendbarkeit der §§ 278, 831 BGB haftungsbegründend wirken, während die Berufsbedingtheit gerade als haftungsreduzierendes Moment diskutiert wird und vorliegend gerade die eigene strafrechtliche Haftung des Handelnden in Rede steht. Gleichwohl sind die Grundsätze, die im Privatrecht zum Ausschluss der Haftung führen, wenn der Erfüllungsgehilfe bzw. der Verrichtungsgehilfe nicht in Erfüllung bzw. nicht bei Verrichtung, sondern bei Gelegenheit der Erfüllung bzw. der Verrichtung gehandelt hat, übertragbar. Eine Haftung tritt nach §§ 278, 831 BGB deshalb ein, weil das Haftungsrisiko nicht beim Geschädigten liegen soll, sondern bei demjenigen, der sich bei seinem Handeln Dritter bedient. Die Haftung ist damit gewissermaßen eine Kehrseite der Vorteile, die derjenige, der sich Dritter bedient, daraus erzielen kann. Damit ist die Anwendung der haftungsbegründenden Norm aber nur gerechtfertigt, wenn ein innerer Zusammenhang und nicht nur eine zufällige Koinzidenz zwischen dem Handeln für den Geschäftsherren und dem Schadenseintritt besteht. Genau die gleiche Interessenlage besteht aber – unter umgekehrten Vorzeichen – bei der Frage nach einer Privilegierung berufsbedingten Verhaltens: Will man gerade (auch) aus der Berufsbedingtheit eine Haftungsreduzierung ableiten (etwa als Kehrseite des erhöhten Risikos, das sich sonst durch die in der arbeitsteiligen Gesellschaft an sich sozial erwünschte Erbringung bestimmter Leistungen in großer Zahl und gegenüber vielen persönlich Unbekannten ergeben würde), ist auch diese nur gerechtfertigt, soweit ein „innerer Zusammenhang“ und nicht nur eine zufällige Koinzidenz besteht.

Dabei ist allerdings der Bereich der „nur bei Gelegenheit der Berufsausübung“ erfolgenden Verhaltensweisen weiter zu bestimmen als für die zivilrechtlichen Fragestellungen der §§ 278, 831 BGB. Zwar besteht eine durchaus vergleichbare Interessenlage, solche Handlungen, die nicht in einem ausreichend engen inneren Zusammenhang mit der Berufsausübung stehen, aus der einer eventuellen Sonderbehandlung auszuscheiden. Der hierzu herangezogene Maßstab muss aber ein anderer sein, da es nicht – wie bei der zivilrechtlichen Problematik – um Verhalten Dritter, sondern um eigenes Handeln des Berufsträgers geht. Da bei der Einschaltung eines Dritten nie ausgeschlossen werden kann, dass dieser bei der Erfüllung einer Tätigkeit schuldhaft seine Pflichten verletzt, wird hier die Grenze erst dort gezogen, wo ein innerer Zusammenhang zur Tätigkeit für den Geschäftsherren völlig fehlt. Dagegen kann der Berufsträger, der selbst handelt, sein eigenes Verhalten grundsätzlich problemlos kontrollieren. Daher erscheint es gerechtfertigt, die Grenze bereits dort zu ziehen, wo das Verhalten nach seinem äußeren Erscheinungsbild das Feld der für den jeweiligen Beruf typischen Tätigkeiten verlässt, 19 Vgl. zu den Grenzen der Anwendbarkeit des § 278 BGB vertiefend (teils aber kritisch zur Linie der h. M.) Rathjen, JR 1979, 232 ff.; Schmidt, AcP 170 (1970), 503, 505 ff.; Zunft, AcP 153 (1954), 373, 378.

B. Einordnung in den Gesamtkontext

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selbst wenn ein motivationaler Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit noch besteht (wie es beim Transport eines „guten Kunden“ mit dem Auslieferungsfahrzeug des Bäckers noch bejaht werden könnte). Eine generelle Frage in diesem Zusammenhang ist schließlich, ob Verhaltensweisen noch als „berufsbedingt“ (und gerade nicht nur als „bei Ausübung der beruflichen Tätigkeit erfolgend“) eingeordnet werden können, die etwaige spezielle (berufs-)rechtliche Vorschriften missachten, so z. B. die Abgabe eines verschreibungspflichtigen Medikaments ohne Rezept, eines erlaubnispflichtigen Gegenstandes ohne den Nachweis der Erlaubnis oder die Eröffnung eines Kontos ohne die dazu vorgeschriebenen Unterlagen. Versteht man die Berufsbedingtheit rein normativ, könnte man ihr Vorliegen in diesen Fällen verneinen; zumindest im an dieser Stelle maßgeblichen deskriptiv-phänomenologischen Kontext sollte aber von einem weiteren Begriff ausgegangen werden, da etwa die Abgabe eines Medikaments durch einen Apotheker ohne Rezept im äußeren Erscheinungsbild nicht davon abhängig ist, ob dieses verschreibungspflichtig ist oder nicht. Auf einem anderen Blatt steht freilich die Frage, ob nicht hinsichtlich einer eventuellen Privilegierung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit ein Verstoß gegen (einzelne) berufsregelnde Vorschriften von Belang sein kann.20

B. Einordnung in den Gesamtkontext: Fallgruppen berufsbedingter Strafbarkeitsrisiken Das Strafbarkeitsrisiko berufsbedingter Verhaltensweisen ist ein weites Feld. Berufliches Handeln kann eigenständig, d. h. ohne Zusammenhang mit dem Verhalten eines Dritten, Straftatbestände erfüllen und es kann ganz in unterschiedlichem dogmatischen Gewande in Beziehung zu zukünftigen oder vorhergegangenen Straftaten anderer stehen. Um aus diesem Bereich den hier interessierenden Ausschnitt zu erfassen und die Fragestellung zu präzisieren, ohne auf möglicherweise hilfreiche Hinweise aus der Behandlung anderer Bereiche strafrechtlich relevanter berufsbedingter Tätigkeiten vollständig zu verzichten, werden im Folgenden von einem breit angelegten Ausgangspunkt aus verschiedene Fallgruppen potentiell strafbarer beruflicher Verhaltensweisen beschrieben. Dabei wird unterschieden zwischen – der eigenständigen täterschaftlichen Begehung von Straftaten, die für die Unterstützungsproblematik nicht nur eine interessante vergleichende Perspektive eröffnet, sondern in einer besonderen Konstellation sogar als „Unterstützung“ eingeordnet werden kann (dazu sogleich I.), – vorsätzlichen Unterstützungshandlungen vor oder nach der Tat (dazu im Anschluss II.) 20 Vgl. auch SK / StGB-Hoyer, § 27 Rn. 26, der in diesen Fällen – mit guten Gründen – „gar kein neutrales Verhalten mehr“ annimmt. Näher zu dieser Frage unten S. 225 f.

3 Kudlich

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1. Teil: Einordnung und Entfaltung der Fragestellung

– sowie (als Sonderkonstellationen der unter I. und II. beschriebenen Formen behandelnd) der potentiellen Fahrlässigkeits- bzw. Unterlassungsstrafbarkeit durch berufsbedingte Verhaltensweisen (dazu abschließend III.).

I. Eigenständige täterschaftliche Begehung von Straftaten Mit der Behandlung der Konstellationen der eigenständigen täterschaftlichen Begehung von Straftaten im Zusammenhang mit dem Beruf werden zwei Ziele verfolgt: Zum einen kann aufgezeigt werden, dass eine mögliche strafrechtliche Relevanz beruflichen Verhaltens kein Ausnahmefall ist. Zum anderen wird auch zu diesen Fallgruppen – wenngleich eher exemplarisch als vertiefend dogmatisch und systematisierend – erörtert, ob und auf welche Weise sozialadäquates bzw. berufsrollengeleitetes Verhalten dem Verdikt der Strafbarkeit entgehen kann. Dies könnte zusätzliche Anhaltspunkte dafür erschließen, ob bestimmte strafrechtsdogmatische Figuren und / oder tatsächliche Sachgesichtspunkte die strafrechtliche Verantwortlichkeit für berufliches Handeln begrenzen können; solche strafbarkeitsbegrenzenden Aspekte wären dann im weiteren Verlauf der Arbeit auf ihre Übertragbarkeit auf die verschiedenen Fälle der Unterstützung fremder Straftaten hin zu untersuchen. Unter den mannigfaltigen Strafbarkeitsrisiken durch im hier verstandenen Sinne eigenständige täterschaftliche Begehungsweisen können Fälle, in denen jemand – nur mehr oder weniger „zufällig“ als Berufsträger – gegen allgemein geltende Verhaltensvorschriften verstößt (dazu sogleich 1.), von solchen unterschieden werden, in denen ein Verstoß gegen Normen vorliegt, die sich (zumindest in erster Linie) speziell an entsprechende Berufsträger richten (dazu im Anschluss 2.). Einen Sonderfall innerhalb dieser Gruppe stellen Fälle dar, in denen die anwendbare Strafnorm zwar ebenfalls dem Bereich der „eigenständigen täterschaftlichen Begehung“ (und nicht dem der tatbestandlich vertypten Unterstützungshandlungen21) angehören, die Strafbarkeit des Berufsträgers sich jedoch gleichwohl in Abhängigkeit vom deliktischen Verhalten eines Dritten angibt (dazu abschließend 3.). Natürlich bestehen hierbei wie so oft „an den Rändern“ Abgrenzungsschwierigkeiten. Dies wird etwa deutlich, wenn man als Normen, die sich speziell an Berufsträger richten, nicht nur Sonderdelikte (z. B. § 203 I StGB im Hinblick auf Ärzte), sondern auch Allgemeindelikte erfasst, die in einer speziellen Ausprägung vorrangig Berufsträger betreffen (so wiederum für Ärzte die Strafbarkeit nach §§ 223, 229 StGB unter dem Gesichtspunkt der fehlerhaften Heilbehandlung, vgl. dazu unten 2.). Gleichwohl erscheint die Systematisierung sinnvoll, da sie eine Chance für einen Transfer auf die hier interessierende Problematik berufsbedingter Unterstützungshandlung bietet: Sollte sich zeigen, dass für die unterschiedlichen Arten von Normverstößen jeweils bestimmte Instrumentarien zur ausreichenden Berücksichtigung berufsbedingter und -typischer Verhaltensweisen bestehen, so könnten diese fruchtbar gemacht werden, wenn entschieden ist, welcher Fallgruppe berufsbedingte Unterstützungshandlungen näher stehen. 21

Vgl. dazu knapp unten S. 41 dort Fußn. 46.

B. Einordnung in den Gesamtkontext

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1. Verstöße gegen allgemein geltende Verhaltensvorschriften Die Mehrzahl der Strafnormen des Kernstrafrechts richtet sich an jedermann und damit auch an Berufsträger im Rahmen ihres beruflichen Handelns. Entsprechend vielgestaltig sind die praktischen Fälle, in denen sich ein Berufsträger durch eine im weiten Sinne verstandene „berufliche“ Handlung strafbar machen kann: So erfüllt etwa ein Taxifahrer auch bei Fahrten mit Fahrgästen möglicherweise die Tatbestände der §§ 315c, 316 StGB bzw. des § 222 StGB, wenn er betrunken ist bzw. aus Unachtsamkeit ein Kind überfährt; ein Händler, der den Kunden über die Qualität der Ware täuscht, begeht u.U. einen Betrug;22 ein Arzt, der Einträge in Krankenakten manipuliert, kann sich nach § 267 I Alt. 2 StGB wegen Verfälschens einer echten Urkunde strafbar machen.23 Wenn in all diesen Fällen der Zusammenhang mit dem Beruf offenbar nicht als diskussionswürdiges Problem erachtet wird, so ist dies völlig zutreffend. Im oben unter A. entwickelten Sinne24 liegt hier nämlich vielfach keine Berufsbedingtheit vor, sondern gerade typische Fälle einer Strafbarkeit bei Gelegenheit der Berufsausübung.25 Strafbarkeitskorrektive sind daher nur unabhängig von der Berufsträgereigenschaft nach allgemeinen Grundsätzen denkbar. So kann insbesondere bei verhaltensgebundenen Delikten (etwa im o.g. Beispiel des täuschenden Händlers) eine restriktive, am Gesichtspunkt der Sozialadäquanz orientierte Auslegung dazu führen, dass die Erfüllung des Tatbestandes zu verneinen ist.26 Daneben kommen in engen Grenzen auch eine Rechtfertigung kraft Notstands (§ 34 StGB) oder – insbesondere bei Fahrlässigkeitsdelikten – wegen der Unzumutbarkeit normgemäßen Verhaltens in Betracht. Dabei besteht allerdings in den Notstandsfällen ein (auch nur mittelbarer) Zusammenhang mit dem Beruf nur in den selteneren Fällen, in denen das Erhaltungsgut gerade der Arbeitsplatz bzw. die berufliche Existenz selbst ist;27 ist es dagegen nur der Gegenstand 22 So betrifft etwa die grundlegende Entscheidung des BGH zum subjektiven Schadenseinschlag (BGHSt 16, 321, sog. Melkmaschinen-Fall) den Fall eines Verkaufs durch einen Händler. 23 Vgl. zu solchen Fällen OLG Koblenz, NStZ 1995, 138 sowie BGHSt 42, 268 (wo freilich nicht die Frage nach der Urkundenfälschung, sondern nach dem Betrug in einem späteren Arzthaftpflichtprozess im Mittelpunkt stand) m. Anm. Kudlich, NStZ 1997, 432. 24 Vgl. S. 25 ff., insb. 31 f. 25 Dies ist evident bei der Manipulation der Krankenakten durch den Arzt; aber auch das Betrügen durch einen Händler oder die Trunkenheitsfahrt des Taxifahrers sind im oben S. 30 ff. dargelegten Sinne nicht typisch. 26 So wird man etwa – obwohl damit eine falsche innere (dazu statt vieler nur Tröndle / Fischer, § 263 Rn. 3) Tatsache vorgespiegelt wird – eine für § 263 StGB genügende Täuschung noch nicht darin sehen, dass eine Partei behauptet, eine genannte Zahl sei definitiv ihr letztes Angebot, obwohl sie innerlich durchaus bereit wäre, noch höher bzw. tiefer zu gehen; vgl. zu diesem Problemfeld auch Müller-Christmann, JuS 1988, 108, 109 ff.; Pawlik, Das unerlaubte Verhalten beim Betrug, S. 94 ff.; der Ausschluss des Erpressungstatbestandes bei einer (im Geschäftsverkehr ebenfalls vorstellbaren) Bedrohung mit „verkehrsmäßigen“ Übeln wird von Welzel in seinem grundlegenden Beitrag ZStW 58 (1939), 491, 517, gar als ein „allgemein anerkannter“ Anwendungsfall der sozialen Adäquanz genannt.

3*

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1. Teil: Einordnung und Entfaltung der Fragestellung

des beruflichen Handelns (so insbesondere das Leben des Unfallopfers in dem Standardbeispiel der Geschwindigkeitsüberschreitung eines Arztes auf dem Weg zum Unfallort), so ist die Berufsträgereigenschaft gerade kein entscheidender Gesichtspunkt, da eine Rechtfertigung ebenso in Betracht käme, wenn ein Privatmann zur Erhaltung dieses Rechtsgutes tätig würde.

2. Verstöße gegen berufstypische Verhaltensanforderungen a) Während eigenständig täterschaftliche Verstöße gegen allgemein geltende Verhaltensvorschriften also regelmäßig nur bei Gelegenheit der Berufsausübung stattfinden, sind berufsbedingte potentiell (eigenständig täterschaftlich) strafbare Verhaltensweisen insbesondere denkbar, wenn beim beruflichen Handeln Strafvorschriften (scheinbar) erfüllt werden, die gerade auf berufliches oder gewerbliches Handeln zugeschnitten sind und außerhalb desselben praktisch keine Rolle spielen. Hier sind zwei unterschiedliche Konstellationen zu unterscheiden: – Zum einen kann es sich bei den verletzten Strafvorschriften speziell um berufs(straf)rechtliche Regelungen handeln, also um einen Teilbereich des Berufsrechts i.e.S. Entsprechende Normen finden sich insbesondere im Neben(wirtschafts)strafrecht. Beispiele aus dem Kernstrafrecht wären etwa § 203 StGB zur Verletzung von Berufsgeheimnissen („Geheimnis [ . . . ], das ihm als Arzt“ etc. „anvertraut worden [ . . . ] ist“), § 352 StGB zur Gebührenüberhebung („Ein [ . . . ] Anwalt [ . . . ], welcher [ . . . ] Vergütungen erhebt [ . . . ]“) oder § 356 StGB zum Parteiverrat („Ein [ . . . ] Anwalt [ . . . ], welcher [ . . . ] pflichtwidrig dient [ . . . ]“). – Zum anderen kann es sich um Vorschriften handeln, die mangels einer bestimmten Berufsträgereigenschaft als Tatbestandsmerkmal an sich zwar jedermann verwirklichen könnte, die allerdings nicht nur statistisch in bestimmten Modalitäten am häufigsten von Berufsträgern begangen werden, sondern deren Gestaltungen auch normativ an Gepflogenheiten eines beruflichen Verkehrskreises anknüpfen. Man könnte daher auch von „unechten beruflichen Sonderdelikten“ sprechen. Zu denken wäre beispielsweise an die Höchstlenkzeiten im Güterfernverkehr (die naturgemäß zumeist für Berufskraftfahrer eine Rolle spielen28 und gerade festgelegt wurden, um einer Gefährdung durch übermüdete Berufskraftfahrer ent27 So z. B. OLG Oldenburg NJW 1978, 1869; Roxin, AT I, § 16 Rn. 9; zur Diskussion um die Anwendbarkeit des § 34 StGB bei Verstößen gegen existenzgefährdende Auflagen im Umweltrecht vgl. die Nachweise bei Schönke / Schröder-Lenckner / Perron, § 34 Rn. 41. 28 Straf- und ordnungswidrigkeitenrechtlich relevant werden können in diesem Zusammenhang im übrigen auch die Versuche, entsprechende Fahrtenschreiberaufzeichnungen zu manipulieren, wo – je nach Lage der Dinge – eine Strafbarkeit nach § 268 StGB oder ein Verstoß gegen §§ 8 I Nr. 2, II FPersG, 10 Nr. 3a FPersV i.V.m. Art. 15 II (1) S. 2 VO (EWC) Nr. 3821 / 85 (Ordnungswidrigkeit bei unbefugter Entnahme eines Schaublatts vor Beendigung der täglichen Arbeitszeit) gegeben sein können; vgl. zu einem solchen Fall etwa die Entscheidung des OLG Stuttgart NStZ-RR 2000, 11 m. Anm. Kudlich, JA-R 2000, 82 ff.

B. Einordnung in den Gesamtkontext

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gegen zu wirken), an die Verletzung der ärztlichen lex artis beim ärztlichen Heileingriff (welche regelmäßig für berufsmäßige Ärzte eine Rolle spielen wird29 und gerade am Verkehrskreis der Ärzte ausgerichtet ist30) oder an Verstöße gegen die Grundsätze einer ordnungsgemäßen Wirtschaft (welche zumeist auch bei beruflichen – zumindest nebenberuflichen – Tätigkeiten vorgeworfen werden dürften31 und sich gerade am Verkehrskreis der Kaufleute orientieren32). b) Die erstgenannte Gruppe von (beruflichen) Sonderdelikten spielt unter den berufsbedingten Strafbarkeitsrisiken insgesamt vielleicht die größte Rolle. Von den Wirtschaftsstraftaten des StGB seien nur die Buchführungsdelikte des § 283 I Nrn. 5 und 7,33 die Gefährdung von Schiffen durch Bannware gemäß § 297 II („als Reeder“) und die Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr nach § 299 StGB34 angeführt. Aus den wirtschaftsstrafrechtlichen Nebengesetzen sollen hier exemplarisch nur die Insolvenzverschleppung nach §§ 130b, 177a HGB35 oder die Verletzung der Berichtspflicht nach § 332 HGB36 genannt werden. Für die Frage nach einer (eventuell verallgemeinerungsfähigen) Privilegierung beruflichen Verhaltens dagegen sind diese Delikte weniger interessant: Weil die Strafbarkeit bei ihnen voraussetzt, dass jemand als Berufsträger ein bestimmtes Verhalten zeigt, ist die Berufsträgereigenschaft geradezu strafbarkeitskonstituierend; das macht aber eine Untersuchung der Frage hinfällig, ob die Berufsträgereigenschaft dahingehend privilegierend wirken kann, dass ein nach seiner äußeren Beschreibung im Übrigen strafbares Verhalten gerade in Ausübung des Berufes 29 Vgl. dazu nur Knauer, in: Roxin / Schroth i.V.m. Knauer / Niedermair (Hg.): Medizinstrafrecht. Im Spannungsfeld von Medizin, Ethik und Strafrecht, S. 11 ff.; Ulsenheimer, Arztstrafrecht in der Praxis, S. 13 ff. 30 Zur Bestimmung der bei der ärztlichen Behandlung zu beachtenden Sorgfaltspflichten vgl. nochmals Ulsenheimer, Arztstrafrecht in der Praxis, S. 13 ff.; auch diese Maßstäbe ergeben sich aus dem Verkehrskreis der Ärzte und werden nicht zuletzt durch die ärztlichen Gutachten in gerichtliche Verfahren eingebracht. 31 Während die meisten Tatmodalitäten des § 283 I StGB allerdings theoretisch jedermann erfüllen kann (soweit die weiteren Sonderdeliktsvoraussetzungen der Krise und der eingetretenen Strafbarkeitsbedingung vorliegen), sind § 283 I Nrn. 5, 7, § 283b StGB zusätzlich auf Kaufleute als Täter beschränkt (vgl. dazu sogleich unter b); zur Eigenschaft der §§ 283 ff. StGB als Sonderdelikte vgl. den Überblick bei Tröndle / Fischer, vor § 283 Rn. 18 ff., speziell mit Blick auf die Kaufmannseigenschaft Rn. 19. 32 Vgl. etwa die Verknüpfung des ordnungsgemäßen Wirtschaftens mit den Gepflogenheiten eines „seriösen Kaufmanns“ bei Tröndle / Fischer, § 283 Rn. 10. 33 Vgl. dazu allgemein Krekeler, Verteidigung in Wirtschaftsstrafsachen, S. 68 ff. m. w. N.; speziell mit Blick auf die Tätigkeit des GmbH-Geschäftsführers Biletzki, NStZ 1999, 537 ff., sowie Mossmayer, NStZ 2000, 295 f. 34 Vgl. dazu Krekeler, Verteidigung in Wirtschaftsstrafsachen, S. 90 ff. 35 Vgl. dazu allgemein Krekeler, Verteidigung in Wirtschaftsstrafsachen, S. 24, 27 f. m. w. N.; speziell zur Verantwortung des beratenden Anwalts vgl. Baumgarte, wistra 1992, 41 ff. Ähnliche Vorschriften finden sich z. B. in § 84 I Nr. 2 GmbHG und § 401 I Nr. 2 AktG. 36 Vgl. dazu allgemein Krekeler, Verteidigung in Wirtschaftsstrafsachen, S. 32 ff; vertiefend Dierlamm, NStZ 2000, 130 ff.

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1. Teil: Einordnung und Entfaltung der Fragestellung

erfolgte. Da des Weiteren die tatbestandlichen Handlungen in gewisser Weise alle Abweichungen von den jeweils einschlägigen leges professionis darstellen, führt umgekehrt deren spezifische Einhaltung (also die ordnungsgemäße Buchführung, die rechtzeitige Beantragung des Insolvenzverfahrens, . . . ) ohne weiteres dazu, dass evident der Tatbestand nicht erfüllt ist. Die Frage, wie sich die Berücksichtigung der lex professionis auswirkt, auch wenn das Verhalten an sich dem Wortlaut einer Vorschrift subsumierbar erscheint, stellt sich hier also nicht. c) Aber auch in den hier „unechte berufliche Sonderdelikte“ genannten Fällen der zweiten Gruppe wird keine grundsätzliche Privilegierung beruflichen Handelns diskutiert. Zwar handelt es sich hier regelmäßig tatsächlich um berufsbedingte Verhaltensweisen und nicht nur um Tätigkeiten bei Gelegenheit der Berufsausübung. Da aber die Vorschriften (wenngleich regelungstechnisch nicht ausschließlich, so doch) in besonderem Maße auch berufliches Handeln vor Augen haben, wäre es wiederum widersinnig, im Gegenzug ein solches Handeln mehr oder weniger pauschal zu privilegieren, wenn es diese Vorschriften verletzt.37 Umgekehrt gilt allerdings, dass Haftungsvergünstigungen, die für solche Normen äußerlich unabhängig von einem berufsbedingten Tätigwerden gelten, gerade Berufsträgern besonders häufig zugute kommen. Dabei handelt es sich auch nicht nur um einen zufälligen „Rechtsreflex“, sondern bei näherer Betrachtung wird durchaus ein gewisser Zusammenhang deutlich. Ähnlich wie bei den berufsregelnden Vorschriften i.e.S. wird oft in irgendeiner Weise eine Abweichung von der lex artis eines bestimmten Berufskreises vorausgesetzt, so dass deren Einhaltung trotz Eintritts eines Schadens zur Straflosigkeit führen kann. Ein ordnungsgemäß aufklärender und operierender Arzt macht sich trotz des tatbestandlichen Erfolges einer Gesundheitsschädigung ebenso wenig wegen Körperverletzung strafbar, wie ein ordnungsgemäß wirtschaftender Händler trotz Verringerung seines Vermögens und anschließenden Eintritts von Zahlungsunfähigkeit wegen Bankrotts zu bestrafen ist.38 Dies kann allerdings im Einzelfall fragwürdiger (oder zumindest aufwendiger zu begründen) sein als bei solchen berufsrechtlichen Vorschriften i.e.S., bei denen die Verletzung der lex artis schon explizit Ausdruck in der jeweiligen Tatbestandsbeschreibung gefunden hat. Als Beispiele für Vorschriften, die zwar nicht immer explizit auf den Berufsträger abstellen, aber dennoch tatbestandlich Abweichungen von insbesondere berufstypischen Sorgfaltsanforderungen voraussetzen, seien exemplarisch folgende Tätigkeiten aus ganz unterschiedlichen Bereichen erwähnt:39 Die verbotene oder ungenehmigte geschäftliche Betätigung ist 37 Hier spielt also ein ähnlicher Gedanke eine Rolle wie bei den beruflichen Sonderdelikten, wenngleich der drohende Widerspruch nicht in gleicher Schärfe hervorsticht wie bei Vorschriften, die bereits in einem Tatbestandsmerkmal explizit an ein bestimmtes berufliches Handeln anknüpfen. 38 Ausführlich zur Problematik des ordnungsgemäßen Wirtschaftens und den Insolvenzdelikten Krause, Ordnungsgemäßes Wirtschaften und erlaubtes Risiko, passim. 39 Vgl. zu den genannten Strafnormen neben den weiteren Nachweisen in den folgenden Fußnoten jeweils die Kommentierungen von Ambs (GewO), Freytag (MilchVO), Fuhrmann

B. Einordnung in den Gesamtkontext

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z. B. beim Führen von Apotheken ohne die erforderliche Erlaubnis nach § 23 des Gesetzes über das Apothekenwesen, bei der Verfolgung ungenehmigter Gewerbe nach §§ 148, 144 I GewO oder bei der Vornahme genehmigungspflichtiger Kreditgeschäfte ohne Genehmigung nach § 54 KreditwesenG strafbar. Die Gefahr von Schädigungen Dritter durch die Anwendung unsachgemäßer Methoden betreffen Strafnormen wie § 95 ArzneimittelG beim Inverkehrbringen von bestimmten gefährlichen Arzneimitteln, § 20 FuttermittelG bei der Herstellung von Futtermitteln, die bestimmte Schäden zu verursachen drohen, § 51 LMBG bei der unzulässigen Herstellung oder Behandlung von Lebensmitteln sowie § 26 MilchVO (z. B. Abs. 1 Nr. 1) bei der Vornahme einer Wärmebehandlung nach einem nicht anerkannten Verfahren. Manche Vorschriften schließlich enthalten eine heterogene Aufzählung von Verstößen gegen die unterschiedlichsten berufs- bzw. wirtschaftsverwaltungsrechtlichen Anforderungen an die ordnungsgemäße Berufsausübung (vgl. z. B. § 48 WeinG).

3. Eigenständige Tatbegehung trotz Abhängigkeit von fremdem deliktischem Verhalten Neben den unter 1. und 2. genannten Fällen, die keinerlei (deliktisches) Tätigwerden einer anderen Person voraussetzen, sind aber auch bei an sich eigenständigen Tatbegehungen – d. h. ohne dass sich dieses Verhalten zwingend als Teilnahme oder Mittäterschaft beschreiben ließe – Konstellationen denkbar, in denen das Handeln des Berufsträgers nur deswegen potentiell strafrechtlich relevant ist, weil ein anderer seinen Beitrag deliktisch nutzt. Diese Situation ergibt sich insbesondere bei Delikten mit relativ weit gefassten Tathandlungen, die auch durch an sich unspezifische Verhaltensweisen erfüllt sein können, wenn zugleich der Beitrag des Berufsträgers so bedeutsam ist, dass er ebenfalls als – bei fehlendem individuellem Kontakt mit dem anderen insbesondere (neben-)– täterschaftlich gewertet werden kann. Ein anschauliches Beispiel dafür, das in der jüngeren Vergangenheit (allerdings stärker aus anderen Gründen) zu kontroversen Diskussionen geführt hat, ist die Frage nach der strafrechtlichen Verantwortlichkeit verschiedener Internet-DiensteBetreiber für rechtswidrige (z. B. volksverhetzende, gewaltverherrlichende oder kinderpornographische) Inhalte, die von Dritten im Internet zugänglich gemacht werden.40 Hier ist noch nicht abschließend geklärt (und auch vom Einzelfall und von der jeweiligen Funktion des Providers abhängig), inwiefern etwa bei einer Strafbarkeit nach §§ 130 II, 131 oder 184b / 184c (= § 184 III StGB a.F.) der (KreditwesenG), Kalf (FuttermittelG), Pelchen (ApothekenG, ArzneimittelG), Volk (WeinG) und Zipfel (LMBG) in Erbs / Kohlhaas / Ambs. 40 Vgl. hierzu grdl. Sieber JZ 1996, 429 ff.; 494 ff.; für die Rechtslage nach In-Kraft-Treten des (zum 01. 01. 2002 geänderten, vgl. näher unten S. 501 ff.) TDG im Jahre 1997 Sieber, in: Hoeren / Sieber, Handbuch Multimediarecht Teil 19; ders., Verantwortlichkeit im Internet; Vassilaki, CR 1997, 297 ff.; dies., MMR 1998, 247 ff.; dies., MMR 1999, 630 ff.; für Aufsehen sorgte dabei insbesondere das (in der Berufungsinstanz nunmehr allerdings aufgehobene) Compuserve-Urteil des AG München MMR 1998, 429 ff. m. Anm. Sieber und m. Anm. Vassilaki, NStZ 1998, 247 ff.

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1. Teil: Einordnung und Entfaltung der Fragestellung

Dienste-Anbieter gegebenenfalls neben dem Urheber der rechtswidrigen Inhalte als Täter, Nebentäter oder als Gehilfe zu behandeln wäre. Eine weitere viel erörterte Fallgruppe betrifft die strafrechtliche Verantwortung von Amtsträgern im Umweltstrafrecht. 41 Auch hier wird – je nach Fallkonstellation – bei den Allgemeindelikten des 29. Abschnitts42 eine täterschaftliche Begehung (und nicht nur eine Teilnahme) durch das Verhalten von Amtsträgern für möglich erachtet.43 Wenngleich hierbei teilweise Fälle einer Begehung durch Unterlassen44 vorliegen, werden auch Konstellationen der Mit- bzw. mittelbaren Täterschaft diskutiert, und es erscheinen – wenn man eine Tatherrschaft des Amtsträger für generell möglich hält – ebenso Fälle denkbar, in denen ähnlich wie bei den o.g. Internet-Dienste-Betreibern eher an „Nebentäterschaft“ zu denken wäre. In beiden Beispielkonstellationen spielt die Berufsbedingtheit als Bestrafungshindernis in der Diskussion keine Rolle, was freilich auf ganz unterschiedlichen Gründen beruht: Im Bereich der Verantwortlichkeit von Amtsträgern besteht die Amts- und damit Berufspflicht gerade darin, entsprechende Gefahren von der Umwelt abzuwenden. Begeht daher ein Amtsträger eine Umweltstraftat, so tut er dies regelmäßig nicht in Erfüllung seiner üblichen beruflichen Pflichten, sondern verstößt gerade gegen diese. Insoweit liegt eine vergleichbare Situation vor, wie bei den o.g. Verstößen gegen berufstypische Verhaltensanforderungen.45

II. Vorsätzliche Unterstützungshandlungen vor und nach der Tat Der Berufsträger kann aber nicht nur wie in den unter I. genannten Fällen eigenständig potentiell täterschaftlich verantwortlich, sondern durch sein berufliches 41 Vgl. hierzu für einen ersten Überblick Tröndle / Fischer, Vor § 324 Rn. 5 ff.; vertiefend etwa Gröger, Die Haftung des Amtsträgers nach § 324 StGB; Immel, Strafrechtliche Verantwortlichkeit von Amtsträgern im Umweltstrafrecht; Nappert, Die strafrechtliche Haftung von Bürgermeistern und Gemeinderäten im Umweltstrafrecht; Rogall, Die Strafbarkeit von Amtsträgern im Umweltbereich. 42 Vgl. Tröndle / Fischer, Vor § 324 Rn. 6, dort auch Nachweise, welche Straftatbestände Allgemein-, welche Sonderdelikte sind. 43 Vgl. aus der höchstrichterlichen Rechtsprechung etwa BGHSt 38, 325, 332 ff. m. Anm. Schwarz, NStZ 1993, 285 ff., sowie BGHSt 39, 381, 386 ff. m. Anm. Schirrmacher, JR 1995, 389 ff., und Wohlers, ZStW 108 (1996), 61 ff. Zu beiden Entscheidungen auch Michalke, NJW 1994, 1693 ff. 44 Vgl. dazu allgemein auch unten S. 60 ff. 45 Vgl. o., S. 36 f. Eine weitere Gemeinsamkeit zu diesen Fällen besteht im Übrigen darin, dass auch hier als Kehrseite der mittelbaren Anknüpfung an Berufspflichten die Beachtung der lex artis (z. B. die fehlerfreie Ausübung des Ermessens oder die Beachtung von Grenzwerten in Verordnungen) zur Straflosigkeit führen kann, selbst wenn im Ergebnis gleichwohl ein Schaden für die Umwelt eintritt.

B. Einordnung in den Gesamtkontext

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Handeln auch Teilnehmer an der Tat eines anderen Täters sein (dazu sogleich 1.). Außerdem kennt das Gesetz auch Normen, in denen eine typische Unterstützungshandlung tatbestandlich vertypt wurde, wodurch der Unterstützende selbst zum Täter eines entsprechenden Tatbestandes wird. Neben Fällen, in denen dieser konstruktive Weg beschritten wurde, um Verhaltensweisen zu erfassen, die aus dogmatischen Gründen als Teilnahme möglicherweise straffrei wären,46 sind dies insbesondere die Unterstützungshandlungen nach der Tat in Gestalt der §§ 257–261 StGB, die Fälle erfassen, welche außerhalb des zeitlichen Anwendungsbereichs des § 27 StGB liegen. Dabei liegt das Schwergewicht der Diskussion auf § 258 (dazu im Anschluss 2.) und 261 StGB (dazu zuletzt 3.) Dagegen sind die §§ 257 und 259 StGB von untergeordnetem Interesse: Die Begünstigung, weil sie mit der Vorteilssicherungsabsicht eine relativ hohe subjektive Hürde hat; die Hehlerei, weil angesichts der gegenüber § 261 StGB eingeschränkten Tathandlungen und des engeren erforderlichen Zusammenhangs zwischen Tatobjekt und Vortat das Strafbarkeitsrisiko gerade eines nur unbedacht handelnden Berufsträgers für gleiche Lebenssachverhalte wesentlich geringer ist als bei der Geldwäsche.

1. Teilnahme an fremden Straftaten durch berufsbedingte Verhaltensweisen a) Im Mittelpunkt der Diskussion um die Strafbarkeit alltäglichen, „an sich“ sozial-adäquaten oder berufsbedingten Verhaltens steht in den letzten Jahren die Frage nach einer Beihilfestrafbarkeit in Fällen, in denen ein Haupttäter die berufsbedingt erbrachten Leistungen zu deliktischen Zwecken nutzt.47 Diese Fokussie46 So insb. in § 259 I Var. 4 und in § 328 II Nr. 4 StGB: Das Absetzenhelfen in § 259 I StGB wäre nach allgemeinen Akzessorietätsgrundsätzen als Beteiligung am Absetzen durch den Vortäter straflos, da dieser selbst schon tatbestandlich keine Hehlerei begeht. Die Bedeutung des § 328 II Nr. 4 StGB, der die Verleitung zu bzw. die Förderung einer Verursachung einer nuklearen Explosion unter Strafe stellt, ist dagegen auf den ersten Blick weniger leicht erschließbar: Nach dem Willen des Gesetzgebers soll vor allem auch die Teilnahme an solchen (wohl insbesondere nicht von Deutschen begangenen, da sonst § 5 Nr. 11a StGB eingreifen würde) Haupttaten im Ausland erfaßt werden, die dort nicht rechtswidrig sind und daher nach allgemeinen Akzessorietätsgründen keine Teilnahmestrafbarkeit begründen könnten, vgl. BT-Drs. 13 / 10076, S. 11; dogmatisch interessant ist dabei ferner, dass in § 328 VI StGB die in Absatz IV und V statuierten Versuchs- und Fahrlässigkeitsstrafbarkeiten für die zur Täterschaft aufgewertete Beteiligungsform des Abs. II Nr. 4 ausdrücklich ausgeschlossen wurde – dies erscheint konsequent, da Versuch und Fahrlässigkeit bei der Beteiligung zum Vergehen des § 328 StGB nach allgemeinen Grundsätzen auch nicht strafbar wären. Vgl. zu diesen Änderungen durch das Ausführungsgesetz zu dem Vertrag vom 24. September über das umfassende Verbot von Nuklearversuchen vom 23. 07. 1998 (BGBl I, 1882) knapp Kudlich, JuS 1999, 512, 513. 47 Vgl. aus der den letzten Jahren exemplarisch die jeweils eng auf die Beihilfe beschränkten Monographien von Wohlleben und Wolff-Reske sowie die Beiträge von Amelung, Grünwald-FS, S. 9 ff.; Hassemer, wistra 1995, 41 ff.; 81 ff.; Lüderssen, Grünwald-FS, S. 329 ff.; Niedermair, ZStW 107 (1995), 507 ff.; Weigend, Nishihara-FS, S. 197 ff.

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1. Teil: Einordnung und Entfaltung der Fragestellung

rung des Interesses auf gerade diese Konstellation dürfte auf zwei Besonderheiten beruhen. Zum einen gibt es im modernen, arbeitsteiligen Wirtschaftsleben kaum eine Leistung, die nicht von einem anderen als Haupttäter zum Bestandteil seines deliktischen Planes gemacht werden könnte und damit potentiell strafrechtlich von Bedeutung ist.48 Zum anderen (und damit eng zusammenhängend) ist die Möglichkeit des Berufsträgers gering, auf die Verwendung seiner Leistung durch den Haupttäter Einfluss zu nehmen. Dadurch ist das Strafbarkeitsrisiko – insbesondere im Vergleich zu den oben skizzierten Fällen einer eigenen täterschaftlichen Begehung – relativ hoch, vor allem aber auch nur schwer zu übersehen oder gar effektiv zu beeinflussen. Dieser (zumindest teilweisen49) praktischen Relevanz und dem literarischen Interesse entsprechend, finden sich zahlreiche Konstellationen, in denen eine Beihilfestrafbarkeit bzw. deren Grenzen diskutiert werden:50 Aus dem Bereich der Warenlieferung werden z. B. angeführt – die Lieferung von Wein auf Kredit51 oder von Bier an ein Bordell,52 von Flüssigzucker an Winzer53 sowie von Rohstoffen an ein Unternehmen, das diese unter Verstoß gegen Umweltschutzvorschriften weiterverarbeitet,54 bzw. – der Verkauf eines Schraubenziehers an einen Einbrecher,55 einer Pistole an einen Mörder,56 einer Farbspraydose an einen stadtbekannten Graffitisprayer,57 eines Messers bzw. eines Spatens an den Teilnehmer einer vor dem Laden stattfinden48 Hierauf weisen zutreffend etwa auch Amelung, Grünwald-FS, S. 9, sowie Forster, Schmid-FS, S. 127, 128, hin. 49 Zu den Gründen dafür, weshalb es in vielen „Alltagsfällen“ trotz denkbarer strafrechtlicher Relevanz zu keinen Verfahren (bzw. jedenfalls nicht zu einer Eröffnung des Hauptverfahrens) kommt, vgl. knapp Wolff-Reske, S. 33 ff. 50 Neben den hier im folgenden genannten Fällen vgl. die Beispiele bei Geppert, Jura 1999, 266, 269 sowie v.a. die (z.T. ausführlicheren) Fallschilderungen bei Wolff-Reske, S. 41 ff., sowie bei Wohlleben, S. 7 ff., der aus dem Bereich mit beruflichem Einschlag allein 27 Fälle bildet. Bei Wolff-Reske, S. 173 ff., bzw. Wohlleben, S. 169 ff., auch jeweils Lösungsbzw. Begründungsvorschläge zu einigen der im Folgenden genannten Fälle. 51 Vgl. RGSt 39, 44: Beihilfe zur Förderung der Prostitution (bzw. damals zur Kuppelei, vgl. §§ 180, 181 StGB a.F.)? 52 Vgl. BGH NStE Nr. 1 zu § 184a StGB (zivilrechtliche Entscheidung im Zusammenhang mit §§ 134, 138 BGB): Beihilfe zur Förderung der Prostitution? 53 Vgl. OLG Koblenz MDR 1984, 780 sowie BGH LRE 14, 9: Beihilfe zu Verstößen gegen das WeinG? 54 Beispiel etwa bei Meyer-Arndt, wistra 1989, 281, 285: Beihilfe zu Umweltdelikten der §§ 324 ff. StGB? 55 Beispiel etwa bei Schumann, Selbstverantwortung, S. 54: Beihilfe zum Einbruchsdiebstahl (§§ 242, 243 I 2 Nr. 1, 244 I Nr. 3 StGB)? 56 Beispiel etwa bei Schumann, Selbstverantwortung, S. 63: Beihilfe zum Mord (§§ 212, 211 StGB)? 57 Beispiel etwa bei Beckemper, Jura 2001, 163: Beihilfe zur – hier einmal für den Haupttäter unterstellten – Sachbeschädigung (§ 303 StGB)?

B. Einordnung in den Gesamtkontext

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den Schlägerei58 sowie eines Brötchens an einen Kunden, der dieses vergiften und anschließend seiner Frau zum Frühstück servieren möchte.59 Aus dem Bereich der Beratung und sonstiger Dienstleistungstätigkeiten und Werkerbringungen beschäftigten sich Rechtsprechung und Literatur etwa – mit der rechtsanwaltlichen Beratung im Hinblick auf die vermeintliche Straflosigkeit eines Verhaltens,60 – mit dem Verfassen von Diplom- und Doktorarbeiten für Doktoranden durch einen Repetitor, der wusste, dass diese ihre Arbeiten mit der eidesstattlichen Versicherung einreichen würden, sie selbständig angefertigt zu haben,61 – mit der Errichtung eines Hauses für einen bekannten Mietwucherer,62 – mit der Überweisung von Kundengeldern durch Bankmitarbeiter auf ausländische Tochterinstitute unter Verwendung von die „Papierspur“ verwischenden CpD-Konten,63 – mit der Erstellung einer (tatsächlich und rechtlich zutreffenden) Informationsbroschüre durch einen Rechtsanwalt zur Werbung für betrügerische Warentermingeschäfte,64 – mit der „Verfolgung“ eines anderen Fahrzeuges durch einen angestellten Fahrer, dessen Arbeitgeber das andere Fahrzeug am Ende der Fahrt gewaltsam entwendete,65 – mit dem Transport von Hehlerware durch einen Fahrer66 sowie

58 Beispiel etwa bei Roxin, Stree / Wessels-FS, S. 365, 380, sowie bei Jakobs, GA 1996, 253, 264: Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung (§§ 223, 224 I Nr. 2 StGB)? 59 Beispiel etwa bei Jakobs, ZStW 89 (1977), 1, 27 (Fußn. 83): Beihilfe zum Mord (§§ 212, 211 StGB)? 60 Vgl. RGSt 37, 321: Beihilfe zur Gefangenenbefreiung (§ 120 StGB) in einem Fall, in dem ein Rechtsanwalt die Angehörigen eines Gefangenen unter Übersehung des § 120 StGB fälschlicherweise dahingehend beraten hatte, dass sie sich nicht strafbar machen würden, wenn sie dem Gefangenen zur Flucht verhelfen? 61 Vgl. RGSt 75, 111: Beihilfe zur Abgabe falscher Versicherungen an Eides Statt (§ 156 StGB)? 62 Beispiel etwa bei Frisch, Verhalten und Zurechnung, S. 311: Beihilfe zum Wucher (§ 291 I Nr. 1 StGB)? 63 Vgl. BGHSt 46, 107; LG Wuppertal wistra 1999, 473; LG Bochum NJW 2000, 1430 sowie zur Problematik und dem banktechnischen Hintergrund etwa Behr, wistra 1999, 245 ff.: Beihilfe zur Steuerhinterziehung (§ 370 AO)? 64 Vgl. BGH wistra 1999, 459 = NStZ 2000, 34 m. Anm. Wohlers, NStZ 2000, 169 ff: Beihilfe zum Betrug (§ 263 StGB)? 65 BGH bei Holtz MDR 1989, 305 m. Anm. Otto, JK 89 § 27 StGB / 6: Beihilfe zum Raub (§ 249 StGB)? 66 Beispiel etwa bei Schumann, Selbstverantwortung, S. 57: Beihilfe zur Hehlerei (§ 259 StGB)?

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1. Teil: Einordnung und Entfaltung der Fragestellung

– mit der Arbeit am Fließband eines Betriebes, der Waffen unter Verstoß gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz exportiert.67

Mit ein wenig Phantasie lassen sich noch eine Vielzahl weiterer Beispiele bilden: So das berufsbedingte Pachten eines Grundstücks (z. B. eines Feldes durch den benachbarten Bauer) von einer Person, der i. S. d. § 288 I StGB die Zwangsvollstreckung droht,68 als Beihilfe zur Vereitelung der Zwangsvollstreckung oder das gewerbliche (ordnungsgemäß genehmigte) Veranstalten eines Glücksspiels, bei dem eine überschuldete Person in einer den Anforderungen einer ordnungsgemäßen Wirtschaft widersprechenden Weise verliert i. S. d. § 283 I Nr. 2 StGB als Beihilfe zum Bankrott.69 b) Je nach konkreter Fallgestaltung kommt in entsprechenden Fällen allerdings nicht nur eine – bislang vorrangig diskutierte – Beihilfe, sondern durchaus auch eine Anstifterstrafbarkeit70 (oder bei entsprechend extensiver Auslegung des Täterbegriffs auch eine Mittäterschaft) in Betracht. So kann etwa bei der Veräußerung eines Gegenstandes, der zwar nicht zwangsläufig, aber doch häufig zur Begehung von Straftaten verwendet wird, das Anbieten dieser Gegenstände – je nach vertretener Anstiftungskonzeption71 – als ausreichendes Bestimmen i. S. d. § 26 StGB gesehen werden. Werden z. B. an einer Tankstelle „Anti-Blitz-Folien“ verkauft, die trotz – oder gerade wegen – der einschlägigen Warnung auf der Packung von den Käufern auf die Kfz-Kennzeichen geklebt werden, so ist nicht ohne weiteres davon auszugehen, dass alle Käufer dieser Folien als omnimodo facturi in ihrem rechtswidrigen Tatentschluss72 nur noch bestärkt werden 67 Beispiel etwa bei Wohlleben, S. 22 und 174: Beihilfe zu Verstößen gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz? 68 Auch das Verpachten eines Gegenstandes kann ein „Veräußern des Vermögens“ nach § 288 I StGB sein, da dadurch der Pächter Eigentum an den Früchten erwirbt, vgl. RGSt 6, 100; Tröndle / Fischer, § 288 Rn. 8; zur Beihilfe an der Vereitelung der Zwangsvollstreckung, für die der Gehilfe selbst keine Vereitelungsabsicht haben, sondern nur die des Veräußerers kennen muss, a. a. O. Rn. 14. 69 Vgl. zur grundsätzlich nach allgemeinen Vorschriften möglichen Beihilfe zum Bankrott in den Fällen des § 283 I StGB RGSt 44, 409 sowie Tröndle / Fischer, § 283 Rn. 38. In dem hier und zu Fußn. 68 genannten Fall ist auch eine Beschränkung der Beihilfestrafbarkeit nicht nach den Grundsätzen der notwendigen Teilnahme möglich, wie sie insbesondere für den begünstigten Gläubiger i.R.d. Insolvenzdelikts der Gläubigerbegünstigung nach § 283c StGB diskutiert wird, vgl. dazu Gropp, Deliktstypen mit Sonderbeteiligung, passim; Sowada, Die „notwendige Teilnahme“ als funktionales Privilegierungsmodell im Strafrecht, passim; zusammenfassend Magata, Jura 1999, 246 ff. 70 Vgl. dazu auch Schobloch, ZStW 121 (2003), 77 ff. 71 Ein Anstiften ist in solchen Fällen insbesondere dann strukturell ohne weiteres denkbar, wenn man dafür jede Schaffung einer zur Tat anreizenden Situation genügen lässt; vgl. zum Streitstand Kühl, AT, § 20 Rn. 170 ff., sowie Roxin, AT II, § 26 Rn. 74 ff. 72 Das Verwenden entsprechender Folien ist nach vorzugswürdiger Ansicht nur nach § 22 I Nr. 3 StVG zu bestrafen; eine extensive Auslegung der Urkundenunterdrückung nach § 274 I StGB erscheint angesichts dieser Vorschrift zumindest nicht erforderlich (vgl. auch Krack, NStZ 2000, 423 f.; Kudlich, JZ 2000, 426), die vom OLG Düsseldorf NJW 1997,

B. Einordnung in den Gesamtkontext

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könnten. Vielmehr erscheint nahe liegend, dass eine große Zahl von Käufern erst durch das Angebot der Folien während des normalen Tankvorgangs auf die Idee kommen, entsprechende Folien einzusetzen und das damit der Tatplan bei ihnen durch das Angebot erst geweckt wird.

c) Der Meinungsstand zum Erfordernis einer Einschränkung der Beihilfestrafbarkeit73 reicht hier von der grundsätzlichen Ablehnung jedes spezifischen Strafbarkeitskorrektivs für alltägliches oder berufsbezogenes Handeln über Einschränkungen erst auf der Rechtswidrigkeitsebene, spezielle Anforderungen an den subjektiven Tatbestand und gemischt objektiv-subjektive Erfordernisse bis hin zu einem weitreichenden Ausschluss bereits auf der Ebene des objektiven Tatbestandes. Dabei wird die Diskussion nicht nur mit Blick auf berufsbedingte Tätigkeiten geführt, sondern teilweise auch auf alltägliche bzw. äußerliche neutrale Verhaltensweisen überhaupt. Dennoch kommt der Berufsbezogenheit insoweit eine besondere Bedeutung zu, als einzelne Ansätze vorrangig auf die Erfüllung beruflicher Verhaltensnormen abstellen und außerdem bestimmte Parameter (wie die „Üblichkeit“ oder die Abgrenzung zwischen Vorgefasstheit und Einpassung eines Entschlusses in den deliktischen Plan des Täters) für den beruflichen Bereich leichter bestimmt werden können. 2. Strafvereitelung durch berufsbedingte Verhaltensweisen, insbesondere durch Strafverteidigung In ähnlich vielfältiger Weise wie die Förderung der (zukünftigen) Tat ist auch die (zumindest teil- oder zeitweise) Vereitelung der Strafe durch berufsbedingte Verhaltensweisen vorstellbar. Als Beispiele werden etwa genannt die eine weitere Flucht ermöglichende Behandlung eines erkrankten Täters durch einen Arzt,74 der Verkauf von Lebensmitteln an einen steckbrieflich Gesuchten durch einen Händler,75 die Auszahlung von Geld an einen Flüchtenden von dessen Konto durch einen Bankangestellten 76 oder die Vermietung eines Hotelzimmers an diesen.77 In all diesen Fällen besteht eine starke Neigung, berufsbedingte (aber auch andere mehr oder weniger alltägliche) Verhaltensweisen aus dem Anwendungsbereich des § 258 StGB auszuscheiden und diese damit – über die gesetzliche Restriktion im subjektiven Tatbestand hinaus – einzuschränken: 1793 präferierte Anwendung des § 267 StGB kaum vertretbar. Ablehnend insoweit auch BGH JZ 2000, 424 Anm. Kudlich. 73 Zahlreiche Nachweise, geordnet nach dem Ansatzpunkt der jeweiligen Ansicht bei Hillenkamp, AT, S. 181 ff. Im Übrigen ausführlicher die Darstellung im 2. Teil. 74 Beispiel etwa bei Schönke / Schröder-Stree, § 258 Rn. 21. 75 Beispiel etwa bei LK-Ruß, § 258 Rn. 10; Schönke / Schröder-Stree, § 258 Rn. 21 (jeweils mit unterschiedlichem Ergebnis). 76 Beispiel etwa bei Schönke / Schröder-Stree, § 258 Rn. 21. 77 Vgl. zum kurzen Verweilenlassen in einer Wohnung den Entscheid des Schweizerischen Bundesgerichts BGE 117 IV 467.

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1. Teil: Einordnung und Entfaltung der Fragestellung

So wird etwa von Lenckner bei der ärztlichen Versorgung, dem Verkauf von Waren des täglichen Gebrauchs oder der Erbringung anderer Dienstleistungen darauf hingewiesen, dass diese Verhaltensweisen dem Schutzzweck des § 258 StGB nicht zuwiderliefen.78 Eine solche Argumentation knüpft zwar nicht unmittelbar an ein berufliches Handeln an, gilt aber zumindest auch für dieses. Darüber hinaus ist zu erwarten, dass die stark wertungsabhängige Frage, wann ein die Bestrafung des Vortäters hinauszögerndes Verhalten gleichwohl nicht den Schutzbereich des § 258 I StGB betreffen soll, bei berufsbedingten Verhaltensweisen vergleichsweise noch häufiger im Sinne einer Straflosigkeit beantwortet wird.79 Frisch macht geltend, dass allgemeine Freiheiten, die beim Kontakt mit Nichtstraftätern bestünden, auch beim Umgang mit Straftätern nicht einzuschränken seien.80 Auch dieses Korrektiv ist zwar nicht auf berufsbedingte Verhaltensweisen beschränkt. Gerade aber, wenn man den Gedanken der „allgemeinen Freiheiten“ seinerseits nur restriktiv anwenden will,81 bietet die Berufsbedingtheit des Verhaltens eine denkbare sinnvolle Konturierung. Denn sie verkleinert nicht nur quantitativ den betroffenen Bereich, sondern korrespondiert auch mit einer speziellen und gegenüber der allgemeinen Handlungsfreiheit in Art. 2 I GG grundrechtlich stärker geschützten Freiheitsgarantie in Gestalt des Art. 12 GG.82

Besonders deutlich aber wird die Problematik beim Handeln eines Strafverteidigers, das ja erklärtermaßen und geradezu wesensnotwendig darauf gerichtet ist, den Beschuldigten einer Bestrafung zu entziehen. Wenngleich auch hier die Grenzen des erlaubten Verhaltens im Einzelnen durchaus problematisch und noch keinesfalls endgültig gezogen sind, besteht doch jedenfalls praktisch Einigkeit darüber, dass hier eine einschränkende Auslegung erforderlich ist, die bei weitem nicht alle mit direktem „Strafabwendungsvorsatz“ trotz positiver Kenntnis der Vortat getroffenen Maßnahmen erfasst.83 Fälle, in denen fraglich ist (und teilweise auch unterschiedlich beurteilt wird), ob eine tatbestandsmäßige Strafvereitelung vorliegt,84 sind etwa 78 Vgl. zu den in Fußn. 74 – 77 genannten Beispielen Schönke / Schröder-Stree, § 258 Rn. 21, sowie Lenckner, Schröder-GS, 339, 355 ff. 79 Legt man diese Prämisse zugrunde, kann es ja auf die Eignung zur Vereitelung der Straftat jedenfalls nicht entscheidend ankommen. Alle anderen denkbaren Kriterien – etwa die Üblichkeit des Verhaltens oder das zielgerichtete Handeln allein zu Vereitelungszwecken – führen bei berufsbedingtem Verhalten noch eher zu einer einschränkenden Auslegung als bei sonstigen Alltagstätigkeiten, da sich die „Üblichkeit“ leicht feststellen, andere als Vereitelungszwecke leicht aufzeigen usw. lassen. 80 Vgl. JuS 1983, 915, 922. 81 Dafür etwa Schönke / Schröder-Stree, § 258 Rn. 21a, der anderenfalls eine zu starke Ausweitung des Bereichs strafloser Unterstützungshandlungen befürchtet. 82 Zum Einfluss von Art. 12 GG auf die vorliegende Frage vgl. näher unten 274 ff. 83 Vgl. aus dem mittlerweile nahezu unüberschaubaren Schrifttum ausführlich zur Problematik etwa die Monographien von Beulke, Die Strafbarkeit des Verteidigers; Lamberti, Strafvereitelung durch Strafverteidiger; Stryz, Die Abgrenzung von Strafverteidigung und Strafvereitelung; Stumpf, Die Strafbarkeit des Strafverteidigers wegen Strafvereitelung (§ 258 StGB); aus neuerer Zeit ferner m.v.w.N. die Darstellung der Problematik bei Jahn, „Konfliktverteidigung“ und Inquisitionsmaxime, S. 286 ff. 84 Vgl. auch den kurzen Überblick bei Otto, Jura 1987, 329 ff.

B. Einordnung in den Gesamtkontext

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– das Abraten von einer Selbstanzeige,85 – der Rat, kein Geständnis abzulegen86 oder von einem bestehenden Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch zu machen,87 – der Hinweis auf die tatsächliche Rechtslage88 oder – die Ladung eines (auch ohne Beeinflussung durch den Verteidiger89) zum Meineid entschlossenen Zeugen.90

Der wichtigste Grund für die restriktive Auslegung des § 258 StGB beim Handeln des Strafverteidigers steht freilich einer unmittelbaren Übertragbarkeit der dazu gewonnenen Grundsätze auf andere Fallgruppen potentiell strafbaren berufsbedingten Verhaltens gerade entgegen: er liegt nämlich in der Rolle des Verteidigers in der strafprozessualen Verfahrensstruktur sowie den ihm deswegen gewährten prozessualen Rechten.91 Da es nach der StPO gerade die Aufgabe des Verteidigers ist, sich mittels seiner Mitwirkungsrechte für die Rechte des Beschuldigten einzusetzen, kann es strafrechtlich grundsätzlich nicht untersagt sein, diese Mittel auch zugunsten des Beschuldigten mit dem Ziel und der Konsequenz einer Strafvermeidung oder -verringerung heranzuziehen – und zwar bei fehlender prozessordnungsgemäßer Nachweisbarkeit auch zugunsten des Schuldigen. Zwar mögen hierbei verfahrensrechtlich gewisse Grenzen des Einsatzes dieser Verfahrensbefugnisse zu beachten sein.92 Jedoch ist in der antagonistischen Struktur durchaus Vgl. dazu BGHSt 2, 375 ff. Vgl. dazu OLG Oldenburg GA 1956, 189 f. 87 Vgl. dazu BGHSt 10, 393 ff. sowie OLG Düsseldorf NJW 1991, 996. 88 Vgl. dazu RGSt 37, 322 89 Dass eine solche unzulässig ist, erscheint allgemein anerkannt, vgl. BGHSt 29, 107; OLG Düsseldorf StV 1994, 472. 90 Vgl. dazu RGSt 66, 324; BGH NStZ 1983, 503 m. Anm. Beulke; Krekeler, NStZ 1989, 150. 91 H. M., vgl. statt vieler Beulke, Die Strafbarkeit des Verteidigers, Rn. 2; Lackner / Kühl, § 258 Rn. 9 f.; Schönke / Schröder-Stree, § 258 Rn. 20 (Beschränkung auf verfahrensrechtlich erlaubte Mittel); wohl diesen Ausgangspunkt noch teilend, aber mit einem neuen weitergehenden Ansatz zur „verfassungskonformen Entkriminalisierung kompensatorischer Strafverteidigung“ sub specie Art. 12 GG Jahn, „Konfliktverteidigung“ und Inquisitionsmaxime, S. 341 ff.; zur Behandlung der Kollision prozessualen und materiellen Rechts (auch mit Blick auf dieses Beispiel) in jüngerer Zeit Sieber, Roxin-FS, S. 1113 ff. 92 Vgl. zu generellen Beschränkungen auf einen im weit verstandenen Sinne zweckgerichteten Einsatz unter dem Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs umfassend Kudlich, Strafprozeß und allgemeines Missbrauchsverbot, passim. Anerkennt man freilich etwa die Möglichkeit, eine Verfahrenshandlung wegen Missbrauchs als unzulässig zurückzuweisen (vgl. zu dieser Frage Kudlich, a. a. O., zusammenfassend S. 256), führt dies nicht in jedem Fall zu einer Strafbarkeit wegen Strafvereitelung, denn eine solche wird ja auch nicht stets angenommen, wenn aus anderen Gründen (z. B. nach § 244 III 1 StPO oder bei verspäteter Geltendmachung eines präkludierten Rechts) ein Antrag unzulässig wird; zum Zusammenhang zwischen „Kompensatorische(r) Strafverteidigung und Strafvereitelung“ auch Jahn, „Konfliktverteidigung“ und Inquisitionsmaxime, S. 286 ff. 85 86

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1. Teil: Einordnung und Entfaltung der Fragestellung

angelegt, dass Verteidigung und Strafverfolgungsbehörden unterschiedliche Vorstellungen darüber haben, welcher Einsatz dieser Rechte noch zulässig ist und welcher nicht.93 Eine unmittelbare Übertragung dieses Phänomens, das in der besonderen Struktur des strafprozessualen Verfahrens wurzelt, auf andere berufsbedingte Tätigkeiten scheidet mithin a priori aus. Gleichwohl ist auch die restriktive Auslegung des § 258 StGB zumindest faktisch ein Beispiel für die Privilegierung berufsbedingten Verhaltens, da schon auf Grund des Erfordernisses einer Zulassung die meisten Verteidiger berufsmäßig tätig werden.94 Dabei sind allerdings – auch dies ist ein Unterschied zu den meisten anderen Fallgruppen – die für die Berufsausübung hinsichtlich der Prozessführung geltenden Regelungen nicht nur in einem förmlichen Gesetz relativ detailliert festgeschrieben, sondern die daraus erwachsenden Betätigungsrechte sind auch unter dem Gesichtspunkt der „schützenden Form“ des Strafverfahrens gegenüber Einschränkungen ungleich sensibler als andere berufliche Betätigungsgarantien. 95

3. Geldwäsche durch berufsbedingte Verhaltensweisen, insbesondere durch die Entgegennahme von Verteidigerhonoraren a) Ebenfalls in den Bereich der nachtatbestandlichen Unterstützungshandlungen i.w.S. fällt schließlich die Strafbarkeit wegen Geldwäsche, § 261 StGB. Auch hier ist für die verschiedensten Berufsgruppen das Strafbarkeitsrisiko durch die Erbringung „normaler“ Geschäftstätigkeit unübersehbar. Barton nennt etwa als vom Wortlaut des § 261 I, II StGB erfasste Geschäfte die Fahrten eines „Taxi- oder Busfahrers, der folgende Personen zum üblichen Fahrpreis befördert: Einen Drogendealer (§ 29 I Nr. 1 BtMG i.V.m. § 261 I Nr. 2 StGB), einen Handtaschenräuber (§ 249 StGB i.V.m. § 261 I Nr. 1 StGB), einen ,Hütchenspieler‘ (sofern man die Betreiber des organisierten Hütchenspiels als eine kriminelle Vereinigung ansieht – § 129 StGB i.V.m. § 261 I Nr. 4 StGB) oder eine Person, die einen Vermögensgegenstand von einem der vorgenannten erhalten hat und mit seinem Vermögen vermengt hat.“96 Des Weiteren zählt er den „Bademeister, der eine solche Person 93 Zur antagonistischen Verfahrensstruktur im Strafverfahren vgl. Schünemann, StV 1993, 607 ff.; zur Akzeptanz dieser unterschiedlichen Sichtweisen auch durch den Gesetzgeber bei der Einräumung dieser Rechte Kudlich, Strafprozeß und allgemeines Mißbrauchsverbot, S. 227 f. 94 Ob dies berechtigt, in einer stark advokatozentrischen Sichtweise wesentliche Vorgaben für die Verfahrensstruktur aus Art. 12 GG abzuleiten, wie Jahn, „Konfliktverteidigung“ und Inquisitionsmaxime, insb. S. 155 ff. und 341 ff., es tut, erscheint freilich wieder fraglich, vgl. zur Kritik bereits knapp Kudlich, JR 2001, 395. 95 Zum „Wert der schützenden Form im Strafprozess“ (sowie der daraus erwachsenden erschwerten, gleichwohl jedoch nicht generell ausgeschlossenen) Einschränkbarkeit von Rechten vgl. m. w. N. Kudlich, Strafprozeß und allgemeines Mißbrauchsverbot, S. 194 ff. 96 Barton, StV 1993, 156 (die Nummern des § 261 I StGB wurden im Zitat gegenüber dem Original durch die für die genannten Vortaten heute geltenden ersetzt – H.K.).

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in das Schwimmbad einläßt“, den „Bibliothekar, der ihr einen Bibliotheksausweis ausstellt“, den „Bäcker, der ihr Brötchen verkauft“ oder den „Arzt, der sie gegen Honorar behandelt“ auf.97 Die tatbestandliche Struktur des § 261 StGB sowie die genannten Beispiele zeigen, dass das Strafbarkeitsrisiko durch diese Vorschrift gegenüber den anderen Anschlussdelikten sogar noch besonders intensiviert wird: Zum einen lässt § 261 in Abs. V sogar leichtfertiges Verhalten im Hinblick auf die Vortat genügen.98 Zum anderen erscheint durch das etwa gegenüber § 259 I StGB weiter formulierte Merkmal des „Herrührens“ eine größere Zahl von Gegenständen „bemakelt“,99 welche darüber hinaus durch ein Verhalten ohne unmittelbaren Bezug zur vorangegangenen Straftat Objekt einer Tathandlung werden können. b) Diese weite Gesetzesfassung hat bereits kurz nach Inkrafttreten des § 261 StGB zu verschiedenen Einschränkungsbemühungen geführt.100 So gelangt etwa Barton auf Grund einer Untersuchung des Schutzzwecks der unterschiedlichen Tathandlungsalternativen zu einer Differenzierung, nach der bei den Verschleierungshandlungen keinerlei Einschränkung für sozialadäquate Verhaltensweisen gilt, während bei den Isolierungs- und Vereitelungshandlungen dann keine strafbare Geldwäsche vorliegen soll, „wenn das betreffende Verhalten als von anerkannten Rechtsgrundsätzen gebilligt, von „typischerweise bestehenden (Gegen-)Interessen“ als tolerierbar angesehen wird.“101 Solche zu berücksichtigenden Gegeninteressen lägen wegen sonst „unerträglicher Antinomien zu den rechtlichen und ethischen (christlichen) Grundlagen der Sozialordnung“102 beim Bestreiten des notwendigen Lebensunterhalts sowie wegen mangelnder Betroffenheit der inneren Sicherheit bei bagatellhaften alltäglichen Austauschgeschäften und Dienstleistungen des täglichen Lebens vor.103 Diesen auf den ersten Blick durchaus sinnvoll erscheinenden Einschränkungsbemühungen werden allerdings Einwände aus dem vom Gesetzgeber mit der Geldwäschegesetzgebung verfolgten Zielen entgegengehalten: Der Vortäter profitiere nämlich auch dann von seinen Taten, wenn er mit den Erlösen Kleinstbeträge des täglichen Lebens oder gar größere Honorarforderungen begleiche.104 Der SchutzVgl. Barton, StV 1993, 156. Darauf weist auch Barton, StV 1993, 156, 159 hin. 99 Vgl. auch Barton, StV 1993, 156; für die Tathandlungen des Abs. II hebt freilich Abs. VI die Bemaklung partiell wieder auf, wenn der Gegenstand ohne weiteren deliktischen Bezug in den Wirtschaftskreislauf gelangt ist. 100 Vgl. nur den Überblick bei Tröndle / Fischer, § 261 Rn. 29 ff. 101 Barton, StV 1993, 156, 159 ff., 161. 102 Barton, StV 1993, 156, 161. 103 Barton, StV 1993, 156, 162; ebenso Hund, ZRP 1996, 163, 166. Gerade bei Bagatellfällen des täglichen Lebens dürfte freilich trotz einer Leichtfertigkeitsstrafbarkeit auch ohne objektiv tatbestandliche Restriktion jedenfalls das erforderliche subjektive Element fehlen. 104 So Schönke / Schröder-Stree, § 261 Rn. 16. Zu Recht wird dort darauf hingewiesen, dass dies in gleicher Weise gilt, wenn es um bereits früher „redlich erworbene Forderungen“ 97 98

4 Kudlich

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1. Teil: Einordnung und Entfaltung der Fragestellung

zweck der Geldwäschebekämpfung gehe aber nicht nur dahin, eine Begehung neuer Straftaten durch „schmutziges Geld“ zu verhindern, sondern umfasse auch die Beschneidung des Nutzens aus den Katalogtaten.105 Auch die Diskussion um die Geldwäsche durch Alltagsgeschäfte ist damit zugleich eine Diskussion über die Strafbarkeit berufsbedingten Verhaltens. Gerade die als besonders weit empfundenen Tathandlungen und der Austausch von Gütern des täglichen Lebens erfolgen regelmäßig durch Berufsträger. Eine Besonderheit gegenüber den bislang betrachteten Fallgruppen besteht allerdings darin, dass die Argumente für eine einschränkende Auslegung nicht (nur) den Berufsträger vor Augen haben, sondern auch den Vortäter, der nicht „in die soziale Isolation getrieben“ und von lebenswichtigen Gütern ausgeschlossen werden soll. Umgekehrt stützen sich die Gegner einer einschränkenden Auslegung auf präventive Zielsetzungen der Geldwäschebekämpfung, deren Übertragbarkeit auf andere Bereiche erst einer näheren Untersuchung bedürfen. c) Im Mittelpunkt der aktuellen Diskussion steht freilich eine Frage, die zwar auch schon seit längerem gesehen worden war,106 allerdings durch einen viel diskutierten Beschluss des OLG Hamburg einerseits sowie eine diametral entgegengesetzt argumentierende Entscheidung des BGH andererseits noch an Brisanz gewonnen hat: die Strafbarkeit von Strafverteidigern wegen Geldwäsche durch die Entgegennahme von Verteidigerhonoraren. Das OLG Hamburg kommt in seiner ausführlich begründeten Entscheidung auf Grund einer „verfassungskonformen teleologische Reduktion“ zu dem Ergebnis, dass sich ein Strafverteidiger regelmäßig nicht nach § 261 II Nr. 1 StGB strafbar mache, wenn er sich Vermögenswerte, die aus einer rechtswidrigen Tat i. S. d. § 261 I 2 StGB seines Mandanten herrühren, zur Befriedigung seiner Honorarforderung verschafft. Etwas anderes soll nur gelgeht: Dies ändert nämlich nicht nur nichts an dem finanziellen Nutzen für den Vortäter, sondern würde auch Manipulationen und Umgehungen Tür und Tor öffnen. 105 Vgl. Schönke / Schröder-Stree, § 261 Rn. 17. 106 So hatte bereits Barton in einem hier bereits mehrfach zitierten Beitrag aus dem Jahre 1993 gefordert, dass wegen der Gesetz gewordenen institutionalisierten Güterabwägung eines Bereichs des Unantastbaren zwischen Bürger und Rechtsberater sowie wegen der vom Rechtsstaat postulierten Verfahrensgarantien Honorare an den Strafverteidiger – auch wenn sie über die BRAGO-Sätze hinaus individuell vereinbart wurden – aus dem Anwendungsbereich des § 261 StGB ausgeschlossen bleiben müssten, vgl. StV 1993, 156, 162 f. Soweit Barton hier neben den (sicher generell anerkennenswerten) Garantien einer vertrauensvollen, rechtsstaatlich abgesicherten Verteidigung zusätzlich geltend macht, bei einer Bezahlung der Verteidigung werde der Gesetzeszweck der Stärkung der Rechtspflege nicht nur nicht verletzt, sondern sogar gestärkt, da auch die Verteidigung in einem gewissen (freilich nicht zur Einbindung führenden) Sinne Organ der Rechtspflege sei, erscheint dies allerdings auf der Grundlage seiner eigenen Schutzzweckanalyse nicht konsequent: Zwar kann das Interesse an einer geordneten Rechtspflege in der Tat nicht einseitig mit Strafverfolgungsinteressen gleichgesetzt werden; allerdings sind die durch § 261 StGB geschützten Interessen der Rechtspflege ersichtlich nicht alle Interessen einer umfassend verstandenen Rechtspflege mitsamt den wichtigen Funktionen der Verteidigung, sondern – mag man dies rechtspolitisch für klug halten oder nicht – allein die Interessen der Strafverfolgungsorgane.

B. Einordnung in den Gesamtkontext

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ten, wenn dem Verletzten durch die Tat ein Anspruch erwachsen ist, der durch die Honorarzahlung leichtfertig oder gar vorsätzlich vereitelt wird.107 Die Entscheidung ist erwartungsgemäß auf ein lebhaftes Echo in der Literatur gestoßen,108 wobei eine kritische Einschätzung wohl überwiegt: Methodisch wird angesichts des klaren Wortlauts, der Entstehungsgeschichte und des gesetzgeberischen Willens gerade zur Isolierung des Täters das Vorgehen einer teleologischen Reduktion fast einhellig abgelehnt. Aber auch das Ergebnis halten zahlreiche Stellungnahmen für nicht wünschenswert. Insofern kam nicht wirklich überraschend, dass weniger als zwei Jahre später der 2. Strafsenat des BGH in der gleichen Frage gerade entgegengesetzt entschieden hat.109 Dabei betonte der BGH stärker die Perspektive des Angeklagten: Zum einen habe dieser keinen Anspruch darauf, einen Verteidiger mit bemakelten Vermögenswerten bezahlen zu dürfen. Der Beschuldigte, der nur über bemakelte Vermögenswerte verfüge, stehe dann eben einem mittellosen Beschuldigten gleich, der sich ja auch keinen Wahlverteidiger leisten könne. Zum anderen ergäben sich auch keine unzumutbaren Einschränkungen des Verteidigungsverhältnisses. Denn der Beschuldigte, der sich mangels (unbemakelten) Geldes keinen Wahlverteidiger leisten könne, habe einen Anspruch auf die Bestellung eines Pflichtverteidigers. Konsequenz dieser Überlegungen ist aber umgekehrt, dass auch der Verteidiger in seiner Position nicht unzumutbar belastet werde, da ein Recht, für jeden Mandanten uneingeschränkt gerade als Wahlverteidiger tätig zu werden, dann ebenfalls nicht bestehen kann. Unabhängig davon, wie man zu den Argumenten im Einzelnen steht,110 wird deutlich, dass es auch hier um die Frage nach einer Privilegierung berufsbedingten Verhaltens geht. Selbst

OLG Hamburg NJW 2000, 673 ff. Vgl. nur die Anmerkungen von Burger / Peglau, wistra 2000, 161 ff.; Burhoff, PStR 2000, 73 f.; Hamm, NJW 2000, 636 ff.; Lüderssen, StV 2000, 205 ff.; Reichert, NStZ 2000, 316 ff.; Schaefer / Wittig, NJW 2000, 1387 ff. sowie weiterhin mehr oder weniger unmittelbar zur Entscheidung auch die Aufsätze von Grüner / Wasserburg, GA 2000, 430 ff.; Hefendehl, Roxin-FS, S. 145 ff. sowie Wohlers, StV 2001, 420 ff.; eine differenzierte Stellungnahme findet sich – gerade aus dem Blickwinkel des vorliegenden Themas – auch bei Otto, JZ 2001, 436, 439 ff. 109 Vgl. BGH NStZ 2001, 535 ff. m. Anm. Nestler, StV 2001, 641 ff. und Scherp, NJW 2001, 3242 f. 110 Zu den in der Literatur teilweise gegen die Entscheidung des OLG Hamburg vorgebrachten Argumenten vgl. knapp bereits oben im Text sowie die Anmerkungen bzw. Aufsätze von Burger / Peglau, wistra 2000, 161 ff.; Grüner / Wasserburg, GA 2000, 430 ff.; Hefendehl, Roxin-FS, S. 145 ff.; Reichert, NStZ 2000, 316 ff.; Schaefer / Wittig, NJW 2000, 1387 ff. Über die u.a. gegen die Entscheidung des BGH eingelegte Verfassungsbeschwerde wurde erst nach Fertigstellung des druckfertigen Manuskripts vom BVerfG entschieden, so dass das Urteil (vom 30. 03. 2004, 2 BvR 1520/01 und 1521/01) nicht mehr näher berücksichtigt werden kann. Das BVerfG sieht in der Einbeziehung der Verteidigerhonorare ein verfassungsrechtliches Problem sowohl mit Blick auf die Berufsfreiheit des Strafverteidigers als auch auf die Effektivität der Verteidigung und hält deshalb eine solche Einbeziehung nur bei positiver Kenntnis des Strafverteidigers für verhältnismäßig. Das führt für dieses (verwandte) 107 108

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1. Teil: Einordnung und Entfaltung der Fragestellung

wenn man insoweit nämlich – zu Recht – betont, dass die größte Gefahr einer Pönalisierung der Entgegennahme von Verteidigerhonoraren darin besteht, „daß damit für bestimmte Deliktsbereiche das Institut der Wahlverteidigung verabschiedet wird“,111 ist das Problem nur auf den ersten Blick ein rein strafprozessstrukturelles: Denn diese Gefahr ergibt sich ja gerade nur aus der besonderen beruflichen Situation der Strafverteidiger. Die Leistung, für die er bezahlt wird, steht (anders als die des Metzgers oder Autohändlers) regelmäßig im Zusammenhang mit dem Verdacht einer Straftat. Das führt dann dazu, dass zumindest beim Verdacht einer Katalogtat (oder einer Tat aus ihrem „thematischen Umfeld“) die übliche Entlohnung durch Stellung einer Rechnung und Überweisung auf ein Konto ein Strafbarkeitsrisiko birgt. Wäre dies anders, bestünde kein Unterschied. Denn dass – bei unterstellter gleicher „Bedrohungslage“ – die gesellschaftliche Bedeutung des (Auto-, jedenfalls aber des) Lebensmittelhandels geringer zu veranschlagen ist als die der Wahlverteidigung, wird niemand ernsthaft behaupten wollen. Dennoch sind – und hier besteht eine Parallele zur Situation bei § 258 StGB – die Argumente teilweise spezifisch verfahrensstruktureller Natur und lassen sich wieder nicht ohne weiteres auf andere Konstellationen beruflichen Handelns übertragen; umgekehrt können die rechtspolitischen Zielsetzungen, die für eine weite Ausdehnung des Geldwäschetatbestandes vorgebracht werden, ebenfalls nicht unbesehen auf andere Fälle übertragen werden.

III. Fahrlässigkeits- und Unterlassungsstrafbarkeit durch berufsbedingte Verhaltensweisen Die unter I. und II. genannten Fallgruppen und Beispiele haben nicht ausschließlich, aber doch überwiegend berufsbedingte Verhaltensweisen zum Gegenstand, die sich als Fälle einer (u.U. auch nur bedingt) vorsätzlichen Begehung einer Straftat durch aktives Tun darstellen. Daneben ist aber auch in allen genannten Konstellationen phänomenologisch vorstellbar, dass ein Verhalten als Fahrlässigkeitstat (dazu sogleich 1.) und / oder als Unterlassungsdelikt (dazu im Anschluss 2. und 3.) begangen wird.112 Dabei könnte – nicht zuletzt unter dem Gesichtspunkt der Beweisbarkeit – die Fahrlässigkeitsstrafbarkeit in der Praxis eine sogar noch größere Rolle spielen, soweit entsprechende Delikte bestehen. Dagegen wird das Unterlassen zwar nur selten in einer Weise Teil der Berufsausübung sein, wie es bei der Begehung durch Tun für ein im hier verwendeten Sinne „berufsbedingtes“ Verhalten vorausgesetzt wird. Allerdings sind auch hier Fälle mit einem ausreichend engen Bezug zum BeSachproblem zu einer Lösung, die eine große Nähe zur hier auch abschließend postulierten Lösung aufweist. 111 Vgl. Wohlers, StV 2001, 420, 426. Zu einem durch die Geldwäschestrafbarkeit bedrohten „Grundrecht auf Strafverteidigung“ auch Bernsmann, StV 2000, 40 ff. 112 Diese Verhaltensformen sind freilich in den entsprechenden Konstellationen nicht durchweg strafbar. So kennt das StGB eine Fahrlässigkeitsstrafbarkeit nur, wo diese ausdrücklich angeordnet wird. Die Strafbarkeit wegen eines unechten Unterlassungsdelikts setzt eine entsprechende Garantenstellung voraus, die wegen eines echten Unterlassungsdelikts besteht nur in den wenigen im Gesetz explizit statuierten Fällen.

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ruf vorstellbar, der die Einbeziehung in die Phänomenologie des berufsbedingten Verhaltens erlaubt: Ein i.e.S. „berufsbedingtes“ Unterlassen liegt zunächst in den seltenen Fällen vor, in denen das (an sich) gebotene Tun gerade aus beruflichen Gründen unterbleibt. Daneben gehören aber auch die Fälle hierher, in denen das unterlassene Handeln ein Bestandteil der beruflichen Tätigkeit gewesen wäre und in denen sich dann eine eventuelle Pflicht zum Tätigwerden gerade aus der Rolle als Berufsträger ergibt. Die mögliche Bedeutung dieser Deliktsformen für die vorliegende Untersuchung liegt aber neben der Erweiterung des phänomenologischen Rahmens auch noch in einem weiteren Aspekt begründet: Sowohl das Fahrlässigkeits- als auch das Unterlassungsdelikt kennen spezielle Strafbarkeitskorrektive, deren Konkretisierung für berufsbedingtes Verhalten für den hier verfolgten Zweck von Interesse sein könnte; dies umso mehr, wenn sich begründen ließe, dass diese Korrektive zumindest in modifizierter Form auch für das vorsätzliche Begehungsdelikt Bedeutung haben.113

1. Berufsbedingtes Verhalten als fahrlässige Straftatbegehung Die Relevanz einer fahrlässigen Straftatbegehung wird schon daraus deutlich, dass es sich bei mehreren der oben angeführten Beispiele tatsächlich um Fahrlässigkeitsdelikte handelte: a) So liegt etwa bei den eigenständigen täterschaftlichen Begehungen eine fahrlässige Tötung, § 222 StGB, in Gestalt eines Verstoßes gegen allgemein geltende Verhaltensvorschriften114 vor, wenn ein Taxifahrer betrunken, unachtsam oder zu schnell fährt und infolge dessen ein Kind tödlich verletzt. Ebenfalls eine fahrlässige Tötung – allerdings in Gestalt eines Verstoßes speziell gegen berufstypische Verhaltensanforderungen115 – ist gegeben, wenn ein Arzt (unvorsätzlich, aber vermeidbar) die lex artis verletzt und dadurch den Tod eines Patienten verursacht. Die oben bereits erarbeitete Unterscheidung zwischen beiden Fallgruppen hinsichtlich des Zusammenhangs von Orientierung an der professionellen Adäquanz und Begründung eines strafrechtlichen Vorwurfs spielt also beim Fahrlässigkeitsdelikt eine umso größere Rolle. Da bei ihm die Verletzung einer Sorgfaltspflicht nach überwiegender Ansicht eine konstituierende Voraussetzung der Strafbarkeit darstellt,116 ist bei berufsbedingtem Verhalten die Beachtung der professionellen lex 113 Vgl. Lesch, JA 2001, 986, 987, der grundsätzlich für die (von ihm so verstandene) moderne Zurechnungslehre den Vorbildcharakter der Fahrlässigkeits- und Unterlassungsdelikte betont. 114 Vgl. zu dieser Fallgruppe allgemein oben S. 35 f. 115 Vgl. zu dieser Fallgruppe allgemein oben S. 36 f. 116 Vgl. zur Sorgfaltspflichtverletzung als Bestandteil der Fahrlässigkeitsprüfung unten S. 390 ff. Zur Frage nach dem Erfordernis einer über die Erfolgsverursachung hinausgehenden Pflichtwidrigkeit auch beim Vorsatzdelikt vgl. ausführlich unten 322 ff.

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1. Teil: Einordnung und Entfaltung der Fragestellung

artis in all den Fällen mitentscheidend, in denen allein ihre Verletzung in Frage steht; wo es dagegen um die Verletzung allgemeiner Verhaltensvorschriften geht, ist die Berufsträgereigenschaft grundsätzlich ohne Bedeutung, da das Ausfüllen einer beruflichen Rolle zumindest nicht ohne weiteres von der Einhaltung dieser Pflichten suspendiert: Auch ein Taxifahrer muss sich an Geschwindigkeitsbeschränkungen oder Alkoholgrenzwerte im Straßenverkehr halten. Auch in den Fällen, in denen beim Vorsatzdelikt eine eigenständige täterschaftliche Begehung trotz Abhängigkeit von einem fremden deliktischen Verhalten diskutiert wurde,117 ist ein Verhalten denkbar, das nicht vorsätzlich erfolgt, aber doch einen Fahrlässigkeitsvorwurf begründet. So kann etwa ein Internet-Provider rechtswidrige Inhalte Dritter zugänglich machen, von denen er zwar nichts weiß, auf Grund der Umstände des konkreten Falles aber leicht etwas hätte wissen können.118 Ebenso kann mit Blick auf eine umweltstrafrechtliche Haftung des Amtsträgers die erteilte Genehmigung rechtswidrig sein, ohne dass der erteilende Amtsträger dies merkt. Dabei spielt im letztgenannten Bereich die Fahrlässigkeit eine größere Rolle, da die Allgemeindelikte im Umweltstrafrecht des StGB regelmäßig auch die Möglichkeit einer fahrlässigen Begehung kennen.119 Hier ist eine Fahrlässigkeitsstrafbarkeit des Amtsträgers denkbar, „wenn ihm die durch eine fehlerhafte Erlaubniserteilung verursachten Unrechtsfolgen zurechenbar sind und ihn der Vorwurf der Pflichtwidrigkeit trifft, für die er nach den Grundsätzen der strafrechtlichen Fahrlässigkeitshaftung ( . . . ) nach seinen persönlichen Fähigkeiten und Kenntnissen einzustehen hat“.120 Ein solcher Pflichtwidrigkeitsvorwurf wird hier regelmäßig auch mit der Verletzung einer Amtspflicht (und das heißt für den Amtsträger: seiner beruflichen lex artis bzw. officii) zusammenfallen. Die Aufgabe der im Umweltbereich zuständigen Amtsträger ist es nämlich gerade, bei der Entscheidung über Genehmigungen die einschlägigen gesetzlichen Vorgaben zu berücksichtigen und vertretbare Prognosen zu stellen. Das bedeutet umgekehrt, dass zwar nicht das Tätigwerden als Berufsträger per se, wohl aber die Einhaltung der speziellen beruflichen Sorgfaltsregeln den Täter strafrechtlich entlastet.

Vgl. zu dieser Fallgruppe allgemein oben S. 39 f. Freilich ist hier zu beachten, dass es bei den im Zusammenhang mit einer Internet-Providertätigkeit zu beachtenden Inhaltsverbreitungsdelikten kaum Fahrlässigkeitsstraftatbestände gibt. So ist etwa in der umfangreichen Auflistung der in diesem Bereich potentiell relevanten Äußerungsdelikten bei Sieber, in: Sieber / Hoeren, Teil 19, allein die Vorschrift des § 21 GjSM ein Fahrlässigkeitsdelikt, dessen besondere Bedeutung daher auch besonders herausgehoben wird, vgl. a. a. O. Rn. 659. 119 Vgl. etwa §§ 324 III, 326 V, 330a IV, V StGB. 120 Vgl. Tröndle / Fischer, vor § 324 Rn. 6a a.E. Die im Text zitierte sehr „weiche“ Formulierung zeigt freilich, dass eine Strafbarkeit im Einzelfall stets äußerst sorgfältig zu prüfen ist, und legt nahe, dass Fischer auch eine Prüfung von zusätzlichen Zurechnungskorrektiven für denkbar hält; für die Möglichkeit einer Fahrlässigkeitsstrafbarkeit etwa auch Otto, Jura 1991, 308, 315; Tröndle, Meyer-GS, 607, 617; abweichend dagegen Immel, Strafrechtliche Verantwortlichkeit von Amtsträgern im Umweltstrafrecht, Umweltuntreue, S. 166. 117 118

B. Einordnung in den Gesamtkontext

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Daneben sind jedoch im Fahrlässigkeitsbereich auch mannigfaltige Beispiele denkbar, die im Vorsatzbereich nicht ohne weiteres ein Pendant haben: Bei Vorsatzdelikten ist eine nebentäterschaftliche Begehung bei Abhängigkeit von fremden Straftaten nur möglich, wenn der Berufsträger trotz Existenz eines unmittelbaren Verletzers nach allgemeinen Grundsätzen als Täter in Betracht kommt121 und der Tatbestand ausreichend weit formuliert ist. Bei Fahrlässigkeitsdelikten dagegen stellt die Nebentäterschaft nach traditioneller Doktrin den Regelfall der „Beteiligung“ mehrerer dar. Grundsätzlich kann jeder pflichtwidrige Beitrag, der für einen Taterfolg (mit) kausal wird, für die Begehung eines entsprechenden Fahrlässigkeitsdelikts genügen. Allerdings wirkt (gerade) auch im Fahrlässigkeitsbereich die Einhaltung der beruflichen lex artis entlastend, da dem Täter eine Pflichtverletzung spezifisch in Gestalt einer Verletzung der lex artis vorgeworfen wird; die beim Fahrlässigkeitsdelikt nach h. M. verletzten Sorgfaltspflichten werden (nicht abschließend, aber ganz maßgeblich) durch die Regeln der Kunst konkretisiert.122 Damit ist im Fahrlässigkeitsbereich hinsichtlich der Beachtlichkeit einer Einhaltung der beruflichen lex artis bei der eigenständigen Begehung von Straftaten zunächst einmal einheitlich (d. h. unabhängig davon, ob noch ein Dritter deliktisch tätig wird) danach zu differenzieren, ob der Fahrlässigkeitsvorwurf gerade eine berufsbezogene Sorgfaltspflicht oder eine berufsunabhängige, jedermann treffende Pflicht betrifft: Im ersten Fall kann zwar nicht das Tätigwerden als Berufsträger per se, wohl aber die Einhaltung der speziellen beruflichen Sorgfaltsregeln den Täter strafrechtlich entlasten. Im zweiten Fall kann das berufliche Tätigwerden zwar grundsätzlich nicht dazu führen, dass der Täter von allgemein zu beachtenden Sorgfaltspflichten suspendiert würde; vorstellbar ist jedoch, dass z. B. bei der Bestimmung des Sorgfaltsmaßstabs (zwar nicht die Eigenschaft als Berufsträger schlechthin, aber doch) die mit der beruflichen Ausführung mitunter verbundene große Anzahl von zu erledigenden Tätigkeiten berücksichtigt werden. In den Fällen der eigenständigen Begehung trotz Abhängigkeit von fremdem deliktischen Verhalten sind außerdem auch weitere Zurechnungskorrektive im Auge zu behalten, die unter Schlagworten wie dem Regressverbot oder dem Vertrauensgrundsatz diskutiert werden.123 Diese Parameter spielen naturgemäß eine geringere Rolle, wenn die Tätigkeit des Berufsträgers gerade darauf abzielt, das Handeln Dritter (d. h. hier der deliktisch Handelnden) zu kontrollieren bzw. zu steuern, wie es etwa in dem o.g. Beispiel der Amtsträger im Umweltbereich der Fall ist. Dagegen ist ihre Berücksichtigung näher liegend, wenn eine entsprechende Kontroll- bzw. 121 Das setzt nach der h. L. eine Tatherrschaft, nach der Rechtsprechung vor allem auch einen entsprechenden Täterwillen voraus. 122 Natürlich sind auch Fälle denkbar, in denen die vorgeworfene Sorgfaltspflichtverletzung in keinem Zusammenhang mit der Einhaltung der Berufsregeln steht; konsequenterweise könnte dann ihre Beachtung auch nicht entlastend wirken. 123 Solche denkbaren Gesichtspunkte hat möglicherweise auch Fischer mit seiner zurückhaltenden Formulierung zur Fahrlässigkeitsstrafbarkeit von Amtsträgern im Umweltbereich vor Augen, vgl. o. Text in und bei Fußnote 120.

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1. Teil: Einordnung und Entfaltung der Fragestellung

Steuerungspflicht nicht ohne weiteres bejaht werden kann, so wie etwa im o.g. Beispiel des Internet-Providers, beim Betreiber einer Telefongesellschaft oder bei der Brief- bzw. Paketpost.124 b) Hinsichtlich der Unterstützungshandlungen vor und nach der Tat ist zu differenzieren: Eine Teilnahme an fremden Straftaten durch fahrlässiges Verhalten ist nach deutschem Recht nicht möglich, da eine fahrlässige Teilnahme mangels entsprechender gesetzlicher Anordnung nicht strafbar ist, vgl. §§ 15, 26, 27 StGB. Allerdings werden die phänomenologisch durchaus vorstellbaren Fälle einer „fahrlässigen Teilnahme“ vielfach dadurch erfasst, dass der Bereich der täterschaftlichen Begehung beim Fahrlässigkeitsdelikt weiter geht und jeden pflichtwidrigen Kausalbeitrag für den Erfolg umfassen kann (vgl. o.). Da dann jedoch in solchen Fällen, die sich phänomenologisch als Teilnahme darstellen, jeweils noch ein weiterer, täterschaftlich deliktisch handelnder Dritter an der Herbeiführung des Erfolges beteiligt ist, fallen im Bereich des Fahrlässigkeitsdelikts die hier als „eigenständige täterschaftliche Begehung trotz Abhängigkeit von einem fremden deliktischen Verhalten“ bezeichneten Fälle und die einer Fahrlässigkeitstäterschaft wegen (im untechnischen Sinne) „fahrlässiger Teilnahme“ an fremden Straftaten zusammen. Dies hat zum einen zur Folge, dass vorliegend die soeben oben angestellten Überlegungen125 entsprechend gelten; zum anderen zeigt es aber auch, wie eng beide Fallgruppen zusammenhängen, obwohl sie beim Vorsatzdelikt in die scheinbar streng getrennten Kategorien einer täterschaftlichen und einer nur teilnehmerschaftlichen Beteiligung eingeordnet werden können. Im Bereich der tatbestandlich vertypten Unterstützungshandlungen ist dagegen die Bedeutung der Fahrlässigkeitsstrafbarkeit geringer. Insbesondere die im Vorsatzbereich ausführlich diskutierte Strafvereitelung, § 258 StGB, ist ein reines Vorsatzdelikt. Der einzige Fall einer Fahrlässigkeitsstrafbarkeit in diesem Bereich findet sich bei der Geldwäsche, § 261 V StGB, wonach für Geldwäschehandlungen nach § 261 I und II StGB auch strafbar ist, wer „leichtfertig nicht erkennt, dass der Gegenstand“ aus einer geeigneten Vortat herrührt; eine solche Leichtfertigkeit liegt bei einem über die „normale“ Fahrlässigkeit hinausgehenden Maß an besonderer Gleichgültigkeit oder grober Unachtsamkeit vor, auf Grund dessen der Täter die dubiose Herkunft nicht erkennt, obwohl sie sich geradezu aufdrängt.126 Die Bedenken, die gegen die weit gefassten Formulierungen 124 Außerhalb der klaren Fälle (wie denen der Amtsträger in Umweltbehörden oder der Sachverständigen im Verfahren nach § 67d II StGB) ist daher praktisch gerade eine wichtige Frage, wann Kontroll- bzw. Steuerungspflichten des Berufsträgers de lege lata angenommen werden können, aber auch inwieweit Privaten entsprechende oft kostenverursachende Pflichten de lege ferenda überhaupt aufgebürdet werden dürfen. 125 Vgl. S. 117 ff. 126 Vgl. BT-Drs. 12 / 989, 28; Körner, NStZ 1996, 64 66; Otto, wistra 1995, 323, 326; Tröndle / Fischer, § 261 Rn. 17. Die Einfügung einer Leichtfertigkeitsstrafbarkeit dürfte hier insbesondere der Vermeidung von Beweisschwierigkeiten in Fällen gedient haben, in denen zwar auf Grund der äußeren Umstände an sich vom Vorliegen eines zumindest bedingten Vorsatzes ausgegangen werden könnte, dieser aber nicht ausreichend nachweisbar ist (vgl.

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der Tathandlungen bei § 261 StGB generell und insbesondere in Fällen des bedingten Vorsatzes vorgebracht werden,127 gelten noch stärker beim Vorliegen von bloßer Leichtfertigkeit. Entsprechend wirken sich objektive Tatbestandslösungen selbstverständlich auch auf Fälle der Leichtfertigkeit aus. Darüber hinaus kann aber die Ausübung üblicher Geschäftstätigkeit durch den Berufsträger für die Leichtfertigkeitsvariante auch dann von Bedeutung sein, wenn man eine generelle objektive Tatbestandseinschränkung ablehnt und nur eine restriktive Auslegung des Leichtfertigkeitsmerkmals verfolgt.

2. Berufsbedingtes Verhalten als strafbares echtes Unterlassen a) Echte Unterlassungsdelikte zeichnen sich dadurch aus, dass grundsätzlich eine Handlungspflicht für jedermann besteht.128 Die beiden bedeutsamsten echten Unterlassungsdelikte sind § 138 StGB und § 323c StGB.129 Da es sich hierbei um zwei eigenständige Straftatbestände handelt, kommt von den oben unterschiedenen Begehungsformen nur die eigenständige täterschaftliche Begehung in Betracht. Dabei tritt zwar in der konkreten Situation bei § 138 StGB notwendigerweise, bei § 323c StGB zumindest denkbarerweise noch ein weiterer deliktisch handelnder Täter hinzu – dieser verwirklicht jedoch (anders als bei den entsprechenden Beispielen bei der Begehung durch aktives Tun) gerade ein anderes Delikt als der Berufsträger. Die Handlungsverpflichtung an jedermann spricht grundsätzlich auch Berufsträger in ihrer jeweiligen Eigenschaft an. Dabei ist sogar denkbar, dass – auf Grund der größeren Fähigkeiten bestimmter Berufsgruppen – die Handlungspflicht sogar weiter geht als für jedermann sonst: So kann nach h. M. etwa von einem Bereitschaftsarzt unabhängig von einem bereits bestehenden (und dann möglicherweise sogar eine Garantenstellung begründenden) Arztvertrag eine Hilfeleistung im Rahmen des Zumutbaren verlangt werden, die über das hinausgeht, was ein beliebiger Passant leisten könnte.130 Für den Bereich außerhalb akuter und gefährlicher Notfälle wird teilweise allerdings zu Recht darauf hingewiesen, dass die Pflichten des Arztes nicht zu weit gespannt werden dürfen.131 Anderenfalls würde dem Arzt faktisch ein KontraktionsBT-Drs. 12 / 989, 27; krit. hierzu Lampe, JZ 1994, 123, 129; zustimmend dagegen Kreß, wistra 1998, 121, 127). 127 Vgl. dazu näher oben S. 48 ff. 128 So wie die angedrohten Sanktionen bei der Begehung von Taten durch positives Tun normtheoretisch dazu führen, in der jeweiligen Strafvorschrift zugleich eine Verbotsnorm zu sehen (grundlegend Binding, Die Normen und ihre Übertretung, Bd. I, S. 3 ff.; vgl. ferner etwa Zippelius, Juristische Methodenlehre, § 5 I), erzeugt die Androhung von staatlicher Strafe für ein Unterlassen eine Gebotsnorm und damit eine Handlungspflicht. Differenzierend zum Verständnis der Auferlegung einer Handlungspflicht auf Grund allgemeiner Solidarität Pawlik, GA 1995, 360 ff. 129 Zur vorliegend irrelevanten, im Zusammenhang mit dem zentralen Problem der Arbeit aber kontrovers diskutierten Frage einer „Vorwertung“ der §§ 138, 323c StGB vgl. näher in der Darstellung des Meinungsstandes im 2. Teil sowie im 3. Teil S. 417 ff. 130 Vgl. BGHSt 7, 211, 212; Tröndle / Fischer, § 323c Rn. 5.

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zwang auferlegt, der mit seiner Eigenschaft als Träger eines freien Berufes kaum zu vereinbaren ist.

b) Gleichwohl sind – in unterschiedlichem Umfang – Konstellationen denkbar, in denen berufsbedingte Ausnahmen von den durch die echten Unterlassungsdelikte statuierten Handlungspflichten bestehen. Hinsichtlich der (expliziten) gesetzgeberischen Berücksichtigung ist hier zwischen § 138 und § 323c StGB zu differenzieren: (1) Im Rahmen des § 323c StGB existieren keine expliziten Ausnahmen. Durch das Tatbestandsmerkmal der „Zumutbarkeit“ wird zwar u. a. berücksichtigt, dass die allgemeine Solidaritätspflicht in Unglücksfällen nicht dazu führt, dass erhebliche eigene Gefahren eingegangen oder andere wichtige Pflichten verletzt werden müssten. Hier mag nun theoretisch vorstellbar sein, dass unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalles132 eine Hilfeleistung auch unzumutbar ist, weil dadurch berufliche oder gewerbliche Interessen beeinträchtigt werden oder berufliche Pflichten vernachlässigt werden müssten. Indes dürfte ein solcher Vorrang von beruflichen Interessen bzw. Pflichten vor der Hilfeleistung bei Unglücksfällen oder gemeiner Not auf krasse, praktisch kaum relevante Ausnahmefälle beschränkt sein,133 in denen man das Entfallen des Tatbestands zumeist auch über eine restriktivere Auslegung des „Unglücksfalles“ oder aber der Erforderlichkeit der Hilfeleistung begründen könnte. (2) Für die Anzeigepflicht des § 138 StGB ist dagegen im Gesetz eine ausdrückliche Ausnahme für bestimmte Fälle berufsbedingten Handelns statuiert:134 Nach § 139 II StGB ist ein Geistlicher nicht verpflichtet anzuzeigen, was ihm „in seiner Eigenschaft als Seelsorger anvertraut worden ist“; nach § 139 III 2 StGB sind Rechtsanwälte, Verteidiger und Ärzte hinsichtlich einer Reihe der Katalogtaten des § 138 StGB ebenfalls nicht anzeigepflichtig, wenn ihnen diese geplanten Taten „in 131 Vgl. BGHSt 2, 296; 17, 166; Tröndle / Fischer, § 323c Rn. 5; LK-Spendel, § 323c Rn. 107; grds. krit. zur strafrechtlichen Absicherung der spezifisch ärztlichen Beistandspflicht auch Kreuzer, Ärztliche Hilfeleistungspflicht bei Unglücksfällen, passim; ders., NJW 1967, 278 ff. 132 Vgl. zum Begriff der Zumutbarkeit speziell in § 323c LK-Spendel, § 323c Rn. 157 ff. Allgemein zum Verständnis des Begriffs der Zumutbarkeit und dem Erfordernis von Güterabwägungen Albrecht, Zumutbarkeit als Verfassungsmaßstab, insb. S. 26 ff. 133 Der auf den ersten Blich nahe liegende Fall, in dem einem Unglücksopfer ärztliche Hilfe nicht geleistet wird, weil der Arzt zuerst eine andere Person versorgen muss, betrifft nicht zentral die Unzumutbarkeit wegen entgegenstehender beruflicher Pflichten: Zumeist ist nämlich die Hilfeleistung für beide Opfer dann schon gar nicht „möglich“, jedenfalls aber wäre die Unzumutbarkeit der Hilfe wegen der vorrangigen Rettung einer anderen Person in der Sache eher durch das Wohl der anderen, geretteten Person als durch die berufliche Pflicht legitimiert. 134 Umstritten ist, ob es sich dabei um einen Rechtfertigungsgrund (so die h. M., vgl. Lackner / Kühl, § 139 Rn. 2; Tröndle / Fischer, § 139 Rn 4, jew. m. w. N.) oder aber um einen Tatbestandsausschluss handelt (so wohl Schönke / Schröder-Cramer / Sternberg-Lieben, § 139 Rn. 3).

B. Einordnung in den Gesamtkontext

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dieser Eigenschaft anvertraut worden“ sind und sie sich ernsthaft bemüht haben, den Täter von der Tat abzuhalten oder den Erfolg abzuwenden. c) Diese unterschiedliche Ausgestaltung bei § 323c StGB und § 138 StGB kann schwerlich allein mit der größeren Gefährlichkeit der von § 323c StGB erfassten Situationen erklärt werden (wenngleich freilich zu berücksichtigen ist, dass die Gefahr hier bereits akut ist, während sie bei § 138 StGB erst in mehr oder weniger weiter Zukunft droht). Einzelne der in § 138 StGB genannten Katalogtaten können das Opfer in eine Lage bringen, die kaum weniger gefährlich ist, als ein für § 323c StGB genügender Unglücksfall. Der Unterschied liegt vielmehr darin, dass in den durch § 139 II, III 2 StGB privilegierten Fällen nicht nur „das Unterlassen“ berufsbedingt ist (weil es durch die vom Gesetzgeber auch in anderen Vorschriften als schutzwürdig erachteten Vertrauensbeziehungen zu den genannten Berufsgruppen motiviert ist135), sondern dass auch bereits die „Aktualisierung der Handlungspflicht“ (also das Erfahren von der drohenden Straftat) hier berufsbedingt erfolgte. Denn in den genannten Berufsgruppen136 ist die Wahrscheinlichkeit, mit verbrecherischen Plänen konfrontiert zu werden, erheblich größer als für Metzger, Bäcker oder Schornsteinfeger. Der Gesetzgeber berücksichtigt also, dass für diese Berufe ein sub specie § 138 StGB wesentlich erhöhtes Strafbarkeitsrisiko bestünde. Entsprechend stärkere Belastungen mit Situationen, welche die Handlungspflicht aktualisieren (indem man von Unglückfällen mit Hilfeerfordernis Kenntnis erhält), gibt es zwar auch im Rahmen des § 323c StGB für Berufsgruppen wie Ärzte, Feuerwehrleute o.ä. Allerdings gehört es bei ihnen gerade zum beruflichen Aufgabenfeld, Menschen in Unglückssituationen beizustehen, während es nicht als Teilbereich des beruflichen Aufgabenfeldes von Anwälten oder Ärzten angesehen werden kann, von drohenden Straftaten zu berichten. Ein für die Privilegierung berufsbedingten Verhaltens sprechendes Kriterium scheint damit im Bereich der echten Unterlassungsdelikte für den Gesetzgeber darin zu liegen, dass jemand -ohne deswegen nach seinem Berufsbild für ein Rechtsgut besonders zuständig zu sein – auf Grund seines Berufes ein erhöhtes Risiko trägt, in „handlungspflichtaktualisierende“ Situationen zu kommen. Durch das Risiko einer entsprechenden Strafbarkeit soll die Arbeit in solchen Bereichen nicht unzumutbar erschwert werden. Zugleich wird aber auch deutlich, dass eine Privilegierung für „berufsbedingtes Unterlassen“ vom Gesetzgeber nicht umfassend anerkannt wird, sondern nur in einem nach Art der Tat und bestimmten Berufsgruppen differenzierenden System. Daneben ist nur in Ausnahmefällen noch eine Berücksichtigung über das allgemeine Merkmal der Zumutbarkeit i. S. d. § 323c StGB möglich.

135 Vgl. dazu insbesondere § 53 StPO sowie die diesen flankierenden Normen und dazu den Überblick bei Kudlich / Roy, JA 2003, 565 ff. 136 Nur eingeschränkt mag das für die Ärzte gelten, die hier möglicherweise auch von einer Parallelität zu entsprechenden anderen Regelungen, z. B. in § 53 StPO, profitieren.

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1. Teil: Einordnung und Entfaltung der Fragestellung

3. Berufsbedingtes Verhalten als strafbares unechtes Unterlassen a) Von noch größerem Interesse für die vorliegende Frage sind die unechten Unterlassungsdelikte,137 da ihr Anwendungsbereich nicht auf das thematisch enge Feld von Unglücksfällen und gemeiner Not i. S. d. § 323c StGB und die Katalogtaten des § 138 StGB beschränkt ist. Allerdings hat die Verantwortlichkeit wegen eines unechten Unterlassungsdelikts nach § 13 I StGB zur Voraussetzung, dass der Täter „rechtlich dafür einzustehen hat, dass der Erfolg nicht eintritt“, dass ihn also eine Garantenpflicht trifft. Die Handlungspflicht wird nicht – wie bei den echten Unterlassungsdelikten – durch die Strafnorm für jedermann statuiert, sondern ist im Gegensatz Tatbestandsvoraussetzung, so dass sich die unechten Unterlassungsdelikte gerade nicht an jedermann richten. Wenn eine solche Garantenpflicht vorliegt, kann ein „berufsbedingtes Unterlassen“ (phänomenologisch, aber auch strafrechtlich) sämtliche oben dargestellten Begehungsformen erfüllen, d. h. die eigenständige Begehung durch Unterlassen138 ebenso wie eine Beteiligung durch Unterlassen an einer fremden Straftat139 und eine tatbestandlich vertypte Unterstützungshandlung durch Unterlassen.140 Auch eine fahrlässige Begehung ist durch Unterlassen möglich. Dagegen ist oftmals problematisch und im hier interessierenden Zusammenhang insbesondere interessant, ob eine Garantenpflicht besteht und in welchem Verhältnis sie zur Eigenschaft als Berufsträger steht. b) In vielen Fällen „berufsbedingten Unterlassens“ ergibt sich die Garantenpflicht gerade aus der Eigenschaft als Berufsträger: Dies kann in Form von Beschützergaranten etwa der Fall sein bei Amtsträgern im Umweltbereich,141 bei Mitgliedern

137 Vgl. allgemein zur Dogmatik der Unterlassungsdelikte auch die Nachweise im 3. Teil S. 406 ff. 138 Der eigenständigen Begehung kommt hier ein umso größerer Bereich zu, je weiter man den Anwendungsbereich der Teilnahme eines unterlassenden Garanten neben einem handelnden Dritten zugunsten einer (Neben-)Täterschaft einschränkt, vgl. dazu sogleich in Fußn. 139. 139 Wie sich der unterlassende Garant neben einem aktiv handelnden Täter strafbar macht, ist bekanntlich umstritten: Das Meinungsspektrum reicht von der Annahme, dass der unterlassende Garant stets Täter ist, bis zur extremen Gegenansicht, dass stets nur Teilnahme vorliegen kann. Eine vermittelnde Ansicht differenziert nach Art der Garantenstellung, während die Rechtsprechung auf die gleichen allgemeinen Abgrenzungskriterien abstellen will wie beim Begehungsdelikt. Vgl. zum Streitstand jew. m. w. N. Kühl, AT, § 20 Rn. 229 ff.; Schönke / Schröder-Cramer / Heine, § 13 Rn. 101 ff. 140 Vgl. etwa zur Strafvereitelung durch Unterlassen Schönke / Schröder-Stree, § 258 Rn. 19; speziell zur Strafvereitelung im Amt durch das Unterlassen eines Strafverfolgungsorgans BGHSt 38, 388 sowie dazu Laubenthal, JuS 1993, 907 ff., und (unter dem Gesichtspunkt der Verhinderung von Straftaten) ausführlich Pawlik, ZStW 111 (1999), 335 ff. 141 Vgl. zur Garantenstellung von Amtsträgern im Umweltbereich Tiedemann, Die Neuordnung des Umweltstrafrechts, S. 45 sowie den Überblick bei Tröndle / Fischer, vor § 342 Rn. 6b m.v.w.N. Generell zu Rechtspflichten aus einer Amtsträgerstellung Schönke / Schröder-Stree, § 13 Rn. 31.

B. Einordnung in den Gesamtkontext

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von Strafverfolgungsbehörden hinsichtlich der Strafvereitelung im Amt142 oder bei Ärzten für Leben und Gesundheit ihrer Patienten. Eine Überwachergarantenstellung wäre etwa denkbar143 bei Lehrern über ihre Schüler, militärischen Vorgesetzten über ihre Untergebenen, Vollzugsbeamten über die Gefangenen sowie bei Anstaltspersonal über Untergebrachte in einem psychiatrischen Krankenhaus.144 In all diesen Fällen, in denen gerade die berufliche Stellung bzw. die damit unmittelbar verbundene tatsächliche Übernahme die Garantenstellung begründen, kann die Berufsträgerschaft naturgemäß die Garantenstellung nicht zugleich wieder ausschließen oder auf anderer Weise per se privilegierend wirken.145 Zu Strafbarkeitskorrektiven kommt die h. M. jedoch, indem sie den Umfang der Tätigkeitspflicht im einzelnen in Abwägung mit anderen Kriterien einschränkt; dabei spielen auch die berufsbildtypischen Anforderungen und ihr Verhältnis zu den Handlungsspielräumen des Berufsträgers eine Rolle: So müssen Amtsträger im Umweltbereich das Rechtsgut „Umwelt“ nicht uneingeschränkt und bedingungslos schützen, sondern im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben (welche hier die Amtsund damit Berufspflichten exakt konkretisieren). Selbst bei Unvereinbarkeiten mit materiellem Umweltverwaltungsrecht kann eine Garantenstellung nicht bestehen, soweit der Amtsträger an der Beseitigung einer rechtswidrigen Erlaubnis verwaltungsverfahrensrechtlich (etwa nach § 48 II VwVfG) gehindert ist bzw. sein (Nicht-)Rücknahmeermessen fehlerfrei ausübt.146 Die Verfolgungspflicht von Polizisten und Staatsanwälten findet ihre Grenzen bei privater Kenntniserlangung an ihrem grundrechtlich abgesicherten Anspruch auf ein „Privatleben“, welches nur bei schweren Straftaten zurücktreten muss.147 Der Bereich strafbaren Handelns ist also durch den Schutzzweck der Garantenpflicht und damit letztlich durch den Aufgabenbereich im Rechtsgüterschutz begrenzt, welcher der jeweiligen Berufsgruppe zugewiesen wird. Hält sich der Berufsträger an die Vorgaben einer ordnungsgemäßen Berufsausübung, macht er sich regelmäßig nicht wegen eines unechten Unterlassungsdelikts strafbar, auch wenn es äußerlich zu einer Beeinträchtigung des Rechtsguts (z. B. einer Verunreinigung des Wassers oder der Nichtverfolgung einer Straftat) kommt. Diese Vorgaben wer142 Vgl. hierzu die in Fußn. 140 a.E. genannten Nachweise. Hinsichtlich zukünftiger Straftaten, die durch das Nichteinschreiten ermöglicht werden, dürfte dagegen eher eine Überwachergarantenstellung vorliegen, vgl. Schönke / Schröder-Stree, § 13 Rn. 52. 143 Vgl. zu den folgenden Beispielen, teilweise m. w. N., Schönke / Schröder-Stree, § 13 Rn. 52. 144 Vgl. BGH NJW 1983, 462 f. 145 Dagegen wird eine Strafbarkeit naturgemäß durch die Anwendungsgrenzen der Garantenpflicht begrenzt, d. h. eine Unterlassungsstrafbarkeit besteht nicht, soweit z. B. eine Aufsichtspflicht sachlich nicht mehr besteht: So sind Lehrer oder militärische Vorgesetzte regelmäßig nicht für Straftaten verantwortlich, die ihre Schüler bzw. Untergebenen in der Freizeit begehen, vgl. Schönke / Schröder-Stree, § 13 Rn. 52. 146 Vgl. Rogall, Uni Köln-FS, S. 505, 521; Tröndle / Fischer, vor § 324 Rn. 6b. 147 Vgl. hierzu die in Fußn. 140 a.E. Genannten sowie ergänzend Schönke / Schröder-Stree, § 258a Rn. 11.

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1. Teil: Einordnung und Entfaltung der Fragestellung

den so konzipiert bzw. interpretiert, dass die Ausübung des Berufes sinnvoll möglich und zumutbar ist und der Berufsträger kein permanentes, unübersehbares Strafbarkeitsrisiko fürchten muss. c) Seltener sind die Fälle gerade „berufsbedingten Unterlassens“, in denen eine etwaige Garantenpflicht sich nicht aus der Berufsträgereigenschaft ergibt: So wird z. B. das Unterlassen der Versorgung eines Angehörigen (Garantenstellung aus natürlicher Verbundenheit) nur selten einmal berufsbedingt sein. Wo dies ausnahmsweise einmal der Fall wäre, würden die Überlegungen zu § 323c StGB entsprechend gelten,148 d. h. auch hier könnte allenfalls in seltenen Fällen einmal ein Tätigwerden wegen der sonst drohenden Verletzung beruflicher Pflichten unzumutbar sein. Im Grenzbereich zu den oben behandelten Fällen einer Garantenpflicht auf Grund der Berufsträgereigenschaft liegen die Fälle, in denen eine eventuelle Garantenpflicht und ihre Grenzen nicht vorrangig wegen der beruflichen Stellung selbst diskutiert werden, sondern wegen mehr oder weniger gefahrschaffender Handlungen, die berufsbedingt erbracht werden. Ein in der höchstrichterlichen Rechtsprechung mehrfach (und dabei auch differenzierend) behandeltes Beispiel betrifft die Garantenstellung eines Gastwirtes wegen des Ausschanks von Alkohol an seine Gäste:149 Die Ermöglichung des Alkoholgenusses ist ab gewissen Mengen durchaus eine gefahrschaffende Tätigkeit. Der BGH nahm daher bereits in einer Entscheidung aus dem Jahre 1953 an, ein Gastwirt, der einem länger verweilenden Kraftfahrer so viel Alkohol ausschenkt, dass dieser fahruntüchtig wird, habe die Pflicht, ihn an der Weiterfahrt zu hindern, und könne bei einem Unterlassen möglicher und zumutbarer150 Hinderungsversuche für eine Verletzung als Unterlassungs(neben)täter verantwortlich sein, die der Kraftfahrer einem Dritten zufügt.151 Rund zehn Jahre später wurde diese Rechtsprechung aber dahingehend eingeschränkt, dass der Gastwirt „regelmäßig nur dann verpflichtet (sc. ist), das Weiterfahren des Gastes . . . zu verhindern, wenn der Gast offensichtlich so betrunken ist, dass er sich nach verständiger Beurteilung nicht mehr eigenverantwortlich (§ 16 Abs. 1 Nr. 3 GaststG) verhalten kann“.152 Dies begründete der 4. Senat mit einer Verteilung der Verantwortungsbereiche zwischen dem – selbst deliktisch handelnden – Gast und dem Gastwirt: Solange der Gastwirt verständigerweise annehmen dürfe, der Gast sei noch fähig, selbstverantwortlich zu handeln, brauche er sich „in dessen Tun oder Lassen in aller Regel nicht einzumischen“; jedenfalls könne ihm keine derartige strafrechtlich erhebliche Pflicht auferlegt werden. „Soweit aus dem Ausschenken von Alkohol an Gäste, auch an Kraftfahrzeugführer, die ihr Fahrzeug bei sich haben, Gefahren erwachsen, nimmt sie die Gesellschaft, was die Rechtspflichten des Gastwirts angeht, in erträglichen Grenzen in Kauf. Eine Rechtspflicht des Gastwirts zum Eingreifen kann, solange ein Gast noch, sei es auch eingeschränkt, rechtlich verantwortlich ist, weder im Vgl. o. S. 58. Dieses Problem greift auch Lesch, JA 2001, 986 f. als Eingangsbeispiel auf. 150 Der BGH (St 4, 20, 23) betont, dass z. B. die Benachrichtigung der Polizei auch bei einem Stammgast trotz drohender mittelfristiger Umsatzeinbußen zumutbar wäre; unzumutbar dürfte demgegenüber wohl eine vorübergehende Schließung des Lokals sein, um dem Gast folgen und ihn an der Weiterfahrt hindern zu können. 151 Vgl. BGHSt 4, 20. 152 Vgl. BGHSt 19, 152 (Hervorhebungen hier). 148 149

C. Zwischenergebnis und Konkretisierung der Fragestellung

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Sinne des Gastes liegen, noch im Interesse der Allgemeinheit, noch würde sie allen Interessen des Gastwirts gerecht, die er als Gewerbetreibender erlaubterweise berücksichtigen darf. Innerhalb dieses Rahmens braucht sich der Gastwirt daher rechtlich auch nicht darum zu kümmern, auf welche Weise der Gast heimzukehren gedenkt.“153

d) Im Ergebnis stellt sich somit bei den unechten Unterlassungsdelikten die Situation ähnlich dar wie bei den Fahrlässigkeitsdelikten: Teilweise begründet die Stellung als Berufsträger gerade (ebenso wie die zu beachtende Sorgfaltspflicht) die Garantenpflicht; dann wirkt das berufliche Handeln nicht privilegierend, sondern gerade strafbegründend. Die Berücksichtigung der beruflichen lex artis kann aber die Reichweite und den Inhalt der Garantenpflicht bestimmen. In anderen Fällen stehen zu beachtende Sorgfaltspflichten ebenso wie Garantenpflichten unabhängig von der beruflichen Stellung im Raum; berufsbedingtes Verhalten kann dann zwar nicht ohne weiteres von jedermann treffenden Rechtspflichten suspendieren. Hinsichtlich solcher Pflichten jedoch, die (ohne generelle Zuständigkeit des Berufsträgers für das Rechtsgut) durch das berufsbedingte Verhalten typischerweise häufiger „aktualisiert“ werden154, wird im Interesse einer nicht unzumutbar erschwerten Ausübung des Berufes die Strafbarkeit durch die Zuweisung von Verantwortlichkeitsräumen begrenzt, die hinsichtlich des Berufsträgers auch durch die Erfüllung der berufsbildtypischen Pflichten abgesteckt sind.

C. Zwischenergebnis und Konkretisierung der Fragestellung Die vorangegangenen, bewusst holzschnittartigen Überlegungen haben verdeutlicht, wie weit das Feld „berufsbedingter“ Strafbarkeitsrisiken thematisch gespannt ist. Sie haben aber auch gezeigt, dass vielfältige, teilweise gemeinsame Strukturen aufweisende, Bemühungen bestehen, dieses Risiko einzuschränken bzw. besser beherrschbar zu machen. Diese Erkenntnisse werden nicht nur im Laufe der folgenden Untersuchungen immer wieder einmal als Vergleichsgröße eine Rolle spielen, sondern erlauben auch eine erste Konkretisierung der Fragestellung nach „berufsbedingten Unterstützungshandlungen“: 153 Vgl. BGHSt 19, 152, 154 f. Der Senat wirft im Anschluss die Frage nur kurz auf, ob eine strengere Beurteilung der Situation auch Konsequenzen für die Beurteilung privater Gastgeber hätte: Der Gedanke der Eigenverantwortlichkeit des alkoholisierten Fahrers ist sicher für private wie gewerbliche „Gastgeber“ in gleicher Weise von Bedeutung; eine Berücksichtigung der vom Senat erwähnten „Interessen des Gewerbetreibenden“ dagegen würden einem privaten Gastgeber nicht zugute kommen, so dass er eventuell mit einem strengeren Maßstab rechnen müsste. 154 Dieser Gedanke wurde in ähnlicher Weise schon bei den echten Unterlassungsdelikten deutlich, vgl. o. S. 59 zu § 139 II, III 2 StGB. Dort ist allerdings das Strafbarkeitskorrektiv ausdrücklich normiert und stellt abstrahierend auf das Handeln „in der Eigenschaft“ als Träger bestimmter Berufe schlechthin ab.

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1. Teil: Einordnung und Entfaltung der Fragestellung

I. Auftretende Fälle berufsbedingter Strafbarkeitsrisiken Die bisherigen Überlegungen haben gezeigt, dass entsprechend der Vielgestaltigkeit einer arbeitsteiligen Wirtschaft im Bereich berufsbedingten Handelns in großer Zahl und Vielfalt Strafbarkeitsrisiken bestehen. Diese sind nicht nur für das Strafrecht von Interesse, sondern haben auch auf Gestaltung, Rentabilität und Attraktivität eines bestimmten Berufsbildes Einfluss. Eine angemessene Verteilung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit ist daneben auch für das Funktionieren von Wirtschaftssystem und Gemeinwesen insgesamt bedeutsam. Betroffen sind alle Bereiche beruflichen Handelns, von der Produktion über den Handel, die freien Berufe und sonstige Dienstleistungen bis hin zum Bereich staatlicher Verwaltung. Unter dogmatischen Gesichtspunkten tritt potentiell strafbares berufsbedingtes Verhalten in den verschiedensten Formen auf. In Betracht kommt die eigenständige Begehung von Straftaten (sei es allein, sei es in Form einer eigenständigen, insbesondere nebentäterschaftlichen Begehung, trotz Abhängigkeit von fremdem deliktischen Verhalten), die Teilnahme an fremden Straftaten oder die Begehung von tatbestandlich vertypten Unterstützungshandlungen. Dabei ist phänomenologisch stets, dogmatisch zumindest häufig vorstellbar, dass die genannten Begehungsformen auch durch Fahrlässigkeitsdelikte oder (insbesondere unechte) Unterlassungsdelikte begangen werden.

II. Gemeinsame Strukturen von Strafbarkeitskorrektiven Hinsichtlich der Fragen, ob und wie die Berufsbedingtheit eines Verhaltens (privilegierend) berücksichtigt werden kann, zeigte sich bei einer ersten Annäherung zwar im Einzelnen ein uneinheitliches Bild; gleichwohl sind gewisse gemeinsame Strukturen auszumachen. Als grobe Leitlinie hat sich ergeben, dass allgemein155 zwar keine generelle Straffreiheit für berufsbedingte Verhaltensweisen angenommen wird, dass aber durchaus in unterschiedlicher Weise Restriktionsversuche unternommen werden. Im Einzelnen sind insbesondere die folgenden Einzelgesichtspunkte immer wieder zum Vorschein gekommen: – In einer Reihe von Fällen ist der Verstoß gegen eine berufliche Pflicht bzw. die Verletzung der lex artis gerade konstituierend für die Strafbarkeit. Dies zeigte sich besonders deutlich im Bereich der Fahrlässigkeitsdelikte (wo durch berufliche Pflichten der einzuhaltende Sorgfaltsmaßstab konkretisiert werden kann) und der unechten Unterlassungsdelikte (wo die Stellung als Berufsträger verbunden mit einer tatsächlichen Übernahme Garantenpflichten begründen kann). Der 155 Mit „allgemein“ soll hier gemeint sein: in der Gesamtheit der oben genannten Fälle. Für einzelne Fallgruppen (etwa den Verteidiger i.R.d. § 258 StGB, dazu oben S. 45 ff., sowie für die Beihilfe durch berufsbedingte Alltagsgeschäfte, dazu knapp oben S. 41 ff. sowie ausführlich unten S. 74 ff., insb. 107 ff.) werden durchaus sehr weitgehende Privilegierungen beruflichen Handelns vertreten.

C. Zwischenergebnis und Konkretisierung der Fragestellung

65

Gedanke spielt aber z. B. auch eine Rolle, wenn sich sehr spezielle leges artis herausgebildet haben (so im Bereich des ärztlichen Heileingriffs) oder wenn strafrechtliche Normen verwaltungsrechtsakzessorisch sind (so im Bereich des Umweltstrafrechts). In all diesen Konstellationen kann das Tätigwerden als Berufsträger per se natürlich nicht privilegierend wirken und ein Strafbarkeitsausschluss ist nur schwer vorstellbar, wenn es tatsächlich zu einer Verletzung beruflicher Pflichten gekommen ist. Dagegen führt die Beachtung der lex artis, der verwaltungsrechtlichen Vorgaben usw. dazu, dass eine Strafbarkeit regelmäßig auch dann ausscheidet, wenn es zu einem an sich unerwünschten Erfolg (z. B. dem Tod eines Patienten, einer Verschmutzung eines Gewässers, usw.) gekommen ist. – In anderen Fällen geht es dagegen um die Verletzung von jedermann gleichmäßig, unabhängig von dem Tätigwerden als Berufsträger treffenden Regeln. Beispiele sind hier Verkehrsverstöße durch Berufskraftfahrer, die Lieferung von Waren, die zur Begehung (§ 27 StGB?) oder zur Verdeckung (§ 258 StGB?) von Straftaten genutzt werden, oder die Bereitstellung einer Infrastruktur, die von Dritten zu Straftaten herangezogen wird (soweit nicht auf Grund dieser Bereitstellung auch besondere Aufsichts- und Verhinderungspflichten bestehen156). Solche Regeln sind dann zwar – gerade weil sie für jedermann gelten – auch von Berufsträgern grundsätzlich einzuhalten. Gleichwohl gibt es in verschiedenen Bereichen Versuche, eine Strafbarkeit des Berufsträgers einzuschränken: So wird (bei abhängigen Beschäftigungsverhältnissen) in einzelnen Fällen eine Rechtfertigung nach § 34 StGB erwogen, wobei der Erhalt des Arbeitsplatzes als notstandsfähiges Rechtsgut angesehen wird. Im Rahmen von Zumutbarkeitserwägungen ist in engen Grenzen an eine Berücksichtigung der Erfüllung beruflicher Pflichten zu denken. Für die Frage nach einem Sorgfaltspflichtverstoß kann die mit beruflichem Handeln oft verbundene Massengeschäftstätigkeit eine Rolle spielen. Schließlich werden für bestimmte Konstellationen (etwa den Verteidiger i.R.d. § 258 StGB, teilweise auch i.R.d. § 261 StGB sowie für die Beihilfe durch berufsbedingte Alltagsgeschäfte) mit unterschiedlichen Begründungen weitgehende Privilegierungen beruflichen Handelns vertreten. – Ein besonders im Bereich der Unterlassungsdelikte deutlich gewordener Gedanke schließlich geht dahin, eine Verantwortlichkeit (dort in Gestalt von Handlungspflichten) für solche Berufsgruppen herabzustufen, bei denen nach der Natur ihrer Ausübung strafbewehrte Handlungspflichten besonders häufig aktualisiert werden. Ein solches Verantwortlichkeitskorrektiv ist sinnvoll, um eine ef156 Wann solche Pflichten freilich bestehen, ist im Einzelfall schwierig und zwischen den Betroffenen umstritten. So dürfte gemeinhin eine entsprechende Pflicht von Telefonanbietern, die Verabredung von Straftaten über das Telefonnetz proaktiv zu verhindern, ebenso wenig angenommen werden wie eine Pflicht der Bundesbahn, die Anreise von Heiratsschwindlern zu ihren Opfern durch strenge Kontrollen zu verhindern. Dagegen war die Forderung nach einer Kontrollpflicht von Internet-Providern vor Erlass des TDG durchaus verschiedentlich laut geworden.

5 Kudlich

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1. Teil: Einordnung und Entfaltung der Fragestellung

fektive Berufsausübung ohne unzumutbare Risiken zu ermöglichen. Freilich kann es nur gelten, wenn nicht den Berufsträgern materiell die Verantwortung für die gefährdeten Rechtsgüter zugewiesen ist.157

III. Konkretisierung der Fragestellung: Unterstützung fremder Straftaten durch berufsbedingtes Verhalten Als einerseits besonders bedeutsam, andererseits aber auch besonders schwierig zu lösen, haben sich die Fallgruppen erwiesen, in denen das Handeln des Berufsträgers nicht (wie z. B. bei einem Behandlungsfehler des Arztes oder bei einem Unfall durch den Berufskraftfahrer) unmittelbar zu einer Rechtsgutsverletzung führt, sondern in denen ein weiteres deliktisches Verhalten eines Dritten dazutreten muss, der das Handeln des Berufsträgers zu seinen Zwecken ausnutzt.158 Einerseits handelt es sich hier um Fälle, in denen im Sinne der o.g. Differenzierung auf den ersten Blick die Verletzung allgemein geltender (und nicht nur berufsspezifischer) Pflichten im Raume steht. Da andererseits nahezu jede beruflich erbrachte Leistung von Dritten in einen strafrechtlichen Kontext gestellt werden kann, werden durch das berufsbedingte Verhalten in ganz erheblichem Umfang im o.g. Sinne Rechtspflichten aktualisiert. Dieses Kriterium fand sich zwar bislang überwiegend bei Unterlassungsdelikten berücksichtigt, indes kann der damit verknüpfte Gedanke, dass durch „das Risiko einer entsprechenden Strafbarkeit . . . die Arbeit in solchen Bereichen nicht unzumutbar erschwert werden“ soll,159 als Programm für weitere Überlegungen durchaus allgemeine Geltung beanspruchen. Dies gilt umso mehr, als in den Fällen berufsbedingten Verhaltens auch in den Konstellationen, in denen an sich durchaus eine Strafbarkeit wegen aktiven Tuns in Frage steht, häufig ein gewisses Unterlassungsmoment bedeutsam ist: das Unterlassen einer Differenzierung bei der Berufsausübung zwischen „normalen“ Kunden und denjenigen, welche die beruflich erbrachte Leistung zu deliktischen Zwecken ausnützen wollen.160 Die Phänomenologie berufsbedingter potentiell strafbarer Verhaltensweisen hat aber auch gezeigt, dass eine Begrenzung der Fragestellung auf Fälle der Beihilfe (zwar als eigene dogmatische Kategorie sowie als schwierigstes Problem vertretbar ist, jedoch an sich) zu kurz greift: Fälle mittelbarer Erfolgsverursachung im soeben 157 Dies ist offensichtlich nicht der Fall bei einem Geistlichen (vgl. § 139 II StGB), dem in seiner Eigenschaft als Seelsorger naturgemäß viel zugetragen wird, ohne dass ihn eine besondere Verantwortung für die gefährdeten irdischen Güter treffen würde. 158 Man könnte hier auch in Anlehnung an den Titel der Monographie von Wolff-Reske von Fällen „mittelbarer Erfolgsverursachung“ durch das berufliche Handeln sprechen. WolffReske selbst freilich beschränkt sich trotz des weiter gefassten Titels letztlich allein auf Fälle der Beihilfe. 159 Vgl. o. S. 59. 160 Vgl. dazu näher unten S. 408 f.

C. Zwischenergebnis und Konkretisierung der Fragestellung

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genannten Sinne können sich daneben insbesondere auch als (neben-)täterschaftliche sowie als fahrlässige Begehung darstellen. Gerade die Fälle, in denen auf Grund einer weiten Formulierung der tatbestandlichen Handlung die Abgrenzung zwischen Täterschaft und Teilnahme schwierig und unscharf ist, zeigen außerdem, dass diese Einordnung allein jedenfalls nicht entscheidend dafür sein sollte, ob die Berufsbedingtheit des Verhaltens in irgendeiner Weise privilegierend wirken kann oder nicht. Das Tätigwerden eines deliktisch handelnden Dritten neben dem Berufsträger führt schließlich auch dazu, dass in all den so gekennzeichneten Fällen die strafrechtliche Verantwortlichkeit beim Zusammentreffen mehrerer – etwa unter den Stichworten „Vertrauensgrundsatz“ oder „Regressverbot“ – thematisiert werden muss. Hier könnten sich zum einen gewisse übergreifende, für alle genannten Fälle übereinstimmende Argumentationslinien finden lassen; zum anderen werden auch eventuelle Spezifika der einzelnen dogmatischen Konstellationen bei einer Darstellung deutlicher, die einen weiteren Rahmen spannt. Deshalb werden im Folgenden übergreifend die Fälle einer Unterstützung fremder Straftaten durch berufsbedingtes Verhalten untersucht. Dabei sollen als „Unterstützung“ all die Fälle umschrieben sein, in denen die Erfolgsverursachung durch den Berufsträger nur eine mittelbare ist und in denen der unmittelbar deliktisch handelnde Dritte seinerseits den Erfolg (wenigstens bedingt) vorsätzlich herbeiführt. Grundsätzlich in Betracht kommen damit Fälle der Teilnahme ebenso wie solche der (vorsätzlichen) Mit- und Nebentäterschaft sowie der fahrlässigen Mitverursachung eines Erfolges; dabei ist jeweils auch denkbar, dass der Berufsträger nur als Unterlassungsbeteiligter neben dem aktiv handelnden unmittelbaren Verletzer auftritt. Kein zentraler Gegenstand der Arbeit soll dagegen im Interesse einer sinnvollen Einschränkung des Stoffes sowie einiger damit verbundener spezieller, nicht ohne weiteres übertragbarer Probleme (vgl. o.) das „Nachtatverhalten“ der §§ 258, 261 StGB sein, das oben in den als „tatbestandlich vertypte Unterstützungshandlungen nach der Tat“ genannten Fällen kurz angesprochen wurde.161

161

5*

Vgl. S. 45 ff.

2. Teil

Bestandsaufnahme – Mittelbare Erfolgsverursachung durch sozial übliches, insbesondere berufsbedingtes Verhalten Wie bereits einleitend erwähnt, erfreut sich die zentrale Frage der Unterstützung durch berufsbedingtes Verhalten – in einem größeren Zusammenhang, der daneben auch andere „übliche“, „alltägliche“ oder „sozialadäquate“ Verhaltensweisen umfasst – insbesondere seit Beginn der 90er Jahre großen Interesses in der Literatur und wurde mittlerweile auch in der neueren Rechtsprechung des BGH1 behandelt. Die Lösungsansätze unterscheiden sich nicht nur inhaltlich, sondern auch in ihren Ansatzpunkten, die teils in der allgemeinen Zurechnungslehre,2 teils speziell in der Teilnahmelehre 3 liegen. Gegenstand der Überlegungen sind teils allgemeine dogmatische Fragen, teils auch spezielle Fälle, die in der Praxis aufgetreten sind.4 Im Folgenden soll der äußerst kontroverse Diskussionsstand skizziert und für die Suche nach einem eigenen Lösungsvorschlag analysiert werden. Der Schwerpunkt der bisherigen Diskussion liegt dabei auf der Beihilfestrafbarkeit,5 obwohl vielleicht potentiell fahrlässiges Verhalten in der Praxis an sich weit häufiger vorkommen mag. Dies beruht wohl auf zwei Gründen: Zum einen gibt es nur eine verhältnismäßig geringe Anzahl entsprechender Fahrlässigkeitsdelikte, während eine Beihilfe6 nach allgemeiVgl. BGH NStZ 2000, 34; BGHSt 46, 107; BGH NJW 2001, 2409. So etwa die von Welzel begründete Lehre von der Sozialadäquanz (unten S. 78 ff.) oder die erweiterte Lehre vom Regressverbot bei Jakobs (unten S. 86 ff.). 3 So etwa die Anforderungen an die Förderungseffizienz bei Weigend (unten S. 108 ff.), das Modell des deliktischen Sinnbezugs nach Roxin (unten S. 118 ff.) oder die Einschränkungen im subjektiven Beihilfetatbestand bei Amelung (unten S. 142 ff.). 4 Wichtigstes Beispiel für diese Beiträge sind die – nicht erst seit der Entscheidung BGHSt 46, 107 – erfolgten Stellungnahmen zur Strafbarkeit von Bankangestellten wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung. Speziell bei diesen Beiträgen mag in Einzelfällen auch die Richtung der Argumentation („steuerfreundlich oder bankenfreundlich“) von bestimmten verfolgten rechtspolitischen oder wirtschaftlichen Interessen mit geleitet sein. 5 Bei der folgenden Darstellung wird allerdings deutlich werden, dass bei weitem nicht in allen Ansätzen, die sich schwerpunktmäßig mit der Beihilfe befassen, (explizit) mit dem Wesen der Beihilfe oder auch nur der Teilnahme argumentiert wird. Dies macht solche Überlegungen auch über den Bereich des § 27 StGB hinaus für die vorliegende Untersuchung interessant. 6 Dies gilt in gleicher Weise für die Anstiftung; allerdings wird diese häufig ausscheiden, weil der Haupttäter als omnimodo facturus nicht mehr zur Tat bestimmt werden kann: Die klassischen Lehrbuchfälle, wie z. B. der Verkauf eines Schraubenziehers an einen Einbrecher, 1 2

A. Ziele und Struktur der Darstellung

69

nen Grundsätzen zu jedem Vorsatzdelikt eines anderen möglich ist. Zum anderen ist – wie auch im Verlaufe dieser Arbeit noch deutlich werden wird – eine (oftmals für sachgerecht erachtete) Einschränkung der Strafbarkeit in Fällen der Beihilfe wesentlich schwieriger zu begründen als in solchen der Fahrlässigkeit. Scheint doch auf den ersten Blick mit der Behauptung eines „berufsgemäßen“ Verhaltens viel leichter der bloße Vorwurf einer Sorgfaltspflichtverletzung auszuräumen als ein Verantwortlichkeitskorrektiv für eine (bedingt oder sogar direkt) vorsätzliche Förderung fremder Straftaten zu finden zu sein.7 Zur Erarbeitung eines umfassenden Lösungsansatzes für die (im weiten, hier zugrunde gelegten Sinne) Unterstützung fremder Straftaten durch berufsbedingtes Verhalten werden in der Darstellung des Diskussionsstandes Ansätze unabhängig davon aufgegriffen, ob sie sich speziell auf die Beihilfe beziehen, die Fahrlässigkeit betreffen oder möglichst allgemeingültige Aussagen anstreben.

A. Ziele und Struktur der Darstellung Die folgende Darstellung verfolgt zwei Ziele: Zum einen soll ein zuverlässiger Überblick über den Meinungsstand gegeben werden. Zum anderen und vor allem soll damit auch die daran anschließende Analyse vorbereitet werden, wo die Wurzeln des Sachproblems (und damit natürlich auch mögliche Lösungsansätze) liegen und ob nicht (und bejahendenfalls: welche) übergreifende(n) Sachgesichtspunkte nur in unterschiedlichem Gewand und an unterschiedlicher Stelle diskutiert werden. Aus diesem zweiten, über ein bloßes Zusammentragen (aber auch über eine bloße Einzelkritik) hinausgehenden Ziel ergeben sich drei Konsequenzen für die Struktur der Darstellung: I. Zunächst sind die folgenden Ausführungen in erster Linie nach Sachgesichtspunkten8 (und nur mittelbar, über die Vertreter dieser Sachgesichtspunkte nach Autoren9) gegliedert. Dies hat zur Folge, dass zwar teilweise die „Gesamtkonzepte“ eines Brötchens an einen Giftmörder usw., legen dies zwar meist inzident zugrunde, in den jüngeren Beispielen der (höchstrichterlichen) Praxis, z. B. verschleierter Transfer von Vermögenswerten ins Ausland, wird jedoch eine entsprechende vorherige Entschlossenheit des Haupttäters in dubio pro reo zumindest oft nicht auszuschließen sein. 7 Als nahezu logische Konsequenz aus diesem Befund wird im Verlauf der Arbeit noch an mehreren Stellen auf die Frage zurückzukommen sein, ob nicht auch bei Vorsatzdelikten (und damit u. a. auch bei der Beihilfe) eine das Handlungsunrecht prägende Pflichtverletzung vorliegen muss. Vgl. dazu u. a. unten S. 322 ff. 8 Dabei werden allerdings an dieser Stelle die Sachgesichtspunkte noch so behandelt, wie sie von den jeweiligen Autoren benannt und verstanden werden; die Frage, ob dahinter teilweise die gleichen übergreifenden Wertungsgesichtspunkte stehen, soll im Rahmen der Analyse unter C. beantwortet werden. 9 Vgl. für eine umfangreiche Darstellung, die diesen Weg wählt und nach einem kurzen Überblick über die Rechtsprechung (ausführlicher dazu gegliedert nach einzelnen Entscheidungen Wolff-Reske, S. 41 ff.) mehrere Konzepte in der Literatur theoretisch sowie in ihren (vermeintlichen) Konsequenzen auflistet und jeweils einzeln bewertet, die Monographie von Wohlleben.

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2. Teil: Bestandsaufnahme

einzelner Autoren behandelt werden,10 wenn diese wesentlich auf einem Sachgesichtspunkt beruhen (oder sich leicht einem Schlagwort zuordnen lassen). Jedoch geht es auch in diesen Fällen weniger darum, die Gesamtkonzeption jedes einzelnen Autors zu „überprüfen“ und etwa anhand einer Reihe von unterschiedlichen Beispielsfällen „auf die Probe zu stellen“.11 Andere Konzepte, die – ganz wertfrei festgestellt12 – auf übergeordnete Gesichtspunkte verzichten oder diese zumindest in den Hintergrund stellen, werden als Folge einer Gliederung nach Sachgesichtspunkten demgegenüber nicht im Zusammenhang und unter Zuordnung zu einem Vertreter dargestellt. Vielmehr werden sie im Wesentlichen bei den jeweiligen auch von ihnen herangezogenen Sachgesichtspunkten bzw. vertretenen Ergebnissen mit berücksichtigt. Dies muss insbesondere auch für die monographische Behandlung des Themas der „Beihilfe durch äußerlich neutrale Handlungen“ in der Monographie von Wohlleben gelten, die letztlich fast nach Art eines „beweglichen Systems“ mit „Mehr-oder-weniger-Lösungen“ arbeitet und in ein Lösungssystem mit fünfzehn (!) Lösungsregeln einmündet, die sich teils als Grundsätze, Ausnahmen und Gegenausnahmen, teils als Sonderregeln für bestimmte Situationen verstehen lassen. Der hieran (von Wohlleben selbst gesehenen13 und) von Murmann geübten Kritik, dass bei einer solchen „Gesamtabwägung doch der ( . . . ) Einwand dezisionistischer Entscheidung des Normanwenders“ bleibt,14 ist zuzugeben, dass die scheinbare Klarheit bei der Anwendung der Lösungsregeln mit deren Vielzahl und Unübersichtlichkeit erkauft wird und dass die Aufstellung dieser Regeln teilweise ersichtlich vom Lösungsbedürfnis bestimmter Beispielsfälle geprägt ist. Gleichwohl darf die von Wohlleben selbst angestrebte „möglichst weitgehende Berücksichtigung der spezifischen, dem Einzelfall innewohnenden Interessen“15 nicht zu gering geschätzt werden, und Wohllebens „Rahmenbedingungen der eigenen Lösung“ enthalten einige wichtige grundsätzliche Aussagen.16 Allein: einer zusammenhängenden Darstellung in einem nach Sachgesichtspunkten gegliederten Überblick steht eine solche Konzeption entgegen. Auch die wichtige und in der Literatur gut 10 Dies fordert bis zu einem gewissen Grad auch die wissenschaftliche „Fairness“, da sich die Überzeugungskraft eines Ansatzes oft erst beurteilen lässt, wenn man ihn insgesamt kennt. 11 Zu den Grenzen, aber durchaus auch Erträgen einer solchen Probe anhand einer Vielzahl von Beispielsfällen vgl. nochmals die teilweise detaillierte Untersuchung von Wohlleben, insb. S. 32 ff. 12 So elegant nämlich einerseits die Ableitung aus wenigen, miteinander verzahnten Prämissen erscheinen mag, so groß ist umgekehrt die Gefahr, dass entweder durch das Beharren auf diesen Prämissen die Vielschichtigkeit des Problems „auf der Strecke bleibt“ oder aber die Prämissen nur noch scheinbar zur Problemlösung herangezogen werden. Wenn etwa Wohlers, SchwZStrR 117 (1999), 425, 436, eingesteht, dass seine Konzeption auf drei „mehr oder weniger voneinander unabhängigen Kriterien“ beruht, so schmälert dies nicht den Ertrag seiner sorgfältigen Untersuchung; Ähnliches gilt für den Beitrag von Rabe von Kühlewein, JZ 2002, 1139 ff., oder die Kommentierung bei MüKo / StGB-Joecks, § 27 Rn. 65 ff. 13 Vgl. Wohlleben, S. 167 f. 14 Vgl. Murmann, GA 1999, 406, 408. 15 Wohlleben, S. 167. 16 So etwa zum Verhältnis objektiver und subjektiver Gesichtspunkte bei der Unrechtsbegründung, zur Argumentationslast u. a., vgl. Wohlleben, S. 100 ff.

A. Ziele und Struktur der Darstellung

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aufgenommene Arbeit von Niedermair17 wird nicht als zusammenhängendes Konzept dargestellt, was bei ihr freilich auch daran liegt, dass sie ihre Stärken vor allem in der scharfsinnigen Kritik anderer Ansätze hat und darüber hinaus kein zusammenhängendes „Privilegierungskonzept“ entwickelt, um deren Darstellung es in diesem Teil ja zentral geht. Trotz dieser partiellen Schwierigkeiten ist jedoch eine sachorientierte Problembehandlung der Kritik ausgewählter autorenzugeordneter Gesamtkonzepte grundsätzlich vorzuziehen. Zunächst wird nämlich eine Diskussion oft nicht dadurch vorangebracht, dass ausschließlich nach Fällen gesucht wird, die ein bestimmtes Gesamtkonzept unbefriedigend löst – die hier untersuchte Fragestellung ist zu komplex, als dass für jeden einzelnen Fall eine jedermann zufriedenstellende Lösung gefunden werden könnte, die es erlauben würde, Gegenansichten als inkonsequent oder generell unterlegen zu schelten.18 Des Weiteren ist an einer autorenorientierten Kritik problematisch, dass viele Äußerungen in der Literatur schon auf Grund ihres Umfanges nur Ausschnitte aus der Gesamtproblematik behandeln können und daher das vermeintliche Ergebnis der Anwendung einer solchen Auffassung auf fiktive, von den jeweiligen Autoren selbst gar nicht behandelte Fälle vielfach reine Spekulation ist. Zuletzt kann eine stärkere Orientierung an Sachgesichtspunkten eher verdeutlichen, ob offenbar unvereinbar gegenüberstehende Ansichten schlechterdings auf so unterschiedlichen Prämissen beruhen, dass eine Aussöhnung mit den Mitteln der Dogmatik und Methodenlehre nicht möglich ist, sondern nur diese verschiedenen Axiome offen gelegt werden können.

II. Die näher dargestellten Ansatzpunkte werden in der Reihenfolge der Strafbarkeitsprüfung nach dem wohl herrschenden teleologischen Verbrechenssystem behandelt,19 d. h. hier im Wesentlichen als Probleme des objektiven oder subjektiven Verbrechenstatbestand bzw. im Rahmen gemischter Modelle.20 Dies erleichtert nicht nur die Orientierung; vielmehr werden sich durch eine Erörterung einzelner Kriterien auf den unterschiedlichen Stufen der Deliktsprüfung auch Anhaltspunkte für ein abgestuftes Lösungssystem ergeben, das für unterschiedliche Fallgruppen verschieden weit reichende Strafbarkeitsrestriktionen zur Verfügung stellt. Der „Dogmengeschichte“21 zu diesem Problem entspricht dieses Vorgehen freilich nicht: Hier war die Diskussion in frühen singulären Entscheidungen der Rechtsprechung, aber auch in der Literatur zur Beihilfe vor allem durch strengere Anforderungen an den subjektiven ZStW 107 (1995), 507 ff. Ähnlich gerade zu diesem Problemkreis auch Puppe, Die Erfolgszurechnung im Strafrecht, S. 151 f. 19 Zu den verschiedenen Verbrechenssystemen vgl. den Überblick bei Wessels / Beulke, nach Rn. 817 sowie ausführlicher Jescheck / Weigend, AT, § 22 = S. 199 ff. Die Darstellung orientiert sich insoweit nicht am finalistischen Verbrechensbegriff, als eine Reihe von Lösungsgesichtspunkten mehr oder weniger klar am Merkmal einer „objektiven Zurechnung“ (und nicht am fehlenden Vorsatz der Beherrschbarkeit) festgemacht werden. Das hat an dieser Stelle seinen Grund zunächst vor allem darin, dass auch die Vertreter der entsprechenden Lösungsansätze keinen rein finalen Ansatz vertreten. Zu einer kurzen Stellungnahme hinsichtlich des hier verfolgten Verbrechensaufbaus vgl. u. S. 308 f. 20 Soweit Autoren die Lösung auf mehrere Stufen verteilt suchen, wird die Einordnung i.d.R. dort erfolgen, wo sich die spezifischste Aussage findet. 21 Vgl. hierzu knapp Hassemer, wistra 1995, 44 f. 17 18

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2. Teil: Bestandsaufnahme

Tatbestand geprägt.22 Erst in der Folgezeit wurde die Lösung zunächst in der – freilich als Begriff noch weiter verstandenen – Kausalität bzw. der moderneren Lehre entsprechend im Bereich der objektiven Zurechnung gesucht.23 Eine Orientierung der folgenden Darstellung an dieser Entwicklung brächte aber keinen (oder allenfalls einen rechtshistorischen) Vorteil: Nicht zuletzt auch wegen eines Wandels im Verständnis der entsprechenden Merkmale (z. B. der „Kausalität“ oder des „Vorsatzes“) über die Jahrzehnte ist die Entwicklung keine organische, in welcher der jeweils vorangehende Ansatz entscheidend zum Verständnis der nachfolgenden beitragen würde.

Dass eine Einordnung in den Verbrechensaufbau bei manchen – insbesondere „gemischten“ – Konzeptionen mitunter nicht ganz einfach ist, liegt auf der Hand. Dies wird schon dadurch deutlich, dass verschiedene Überblicksbeiträge 24 einzelne Autoren durchaus unterschiedlichen Gruppen zuordnen. In der Sekundärliteratur zu dem Problem besteht offenbar sogar nicht einmal Einigkeit darüber, ob bestimmte Autoren oder Meinungsgruppen als Befürworter einer Privilegierung berufsbedingten Handelns oder als bloße „strikte Anwender“ der Beihilfedogmatik zu gelten haben: Nur so scheint erklärbar, dass in zwei nahezu zeitgleich erschienenen Beiträgen einmal die Rede davon ist, dass nur „nach einem Teil der Literatur“ eine Privilegierung für alltägliche Geschäftsvorgänge bestehe,25 während das anderer Mal davon ausgegangen wird, dass ungeachtet aller Unterschiede im Einzelnen „doch jedenfalls im Grundsatz Einigkeit darüber“ herrsche, „dass die strafrechtliche Zurechnung ein ,rollenadäquates‘ bzw. ,berufstypisches‘ Verhalten nicht erfasst“.26 III. Innerhalb der jeweils behandelten Lösungsgesichtspunkte wird dargestellt, an welche Ausgangspunkte sie anknüpfen, welche Konsequenzen sich aus ihnen ergeben und welche Einwände gegen sie in der bisherigen Diskussion vorgebracht werden27 oder aber denkbar erscheinen.28 Dabei wird auf eine eigene abschließen22 Nachweise zur Rechtsprechung des Reichsgerichts bei Wolff-Reske, S. 41 ff., sowie auch näher hier S. 138 f. 23 Als Unterpunkte der „objektiven Zurechnung“ könnten eine Reihe der im Folgenden dargestellten objektiven Ansätze beschrieben werden; bewusst auf den Begriff bzw. die Grundformel von der Realisierung einer pflichtwidrig geschaffenen Gefahr abstellend etwa Wolff-Reske (insb. S. 85 ff.) und Wohlers, SchwZStrR 117 (1999), 425, 428. 24 Etwa bei Beckemper, Jura 2001, 163 ff.; Niedermair, ZStW 107 (1995), 507 ff., oder Tag, JR 1997, 49 ff., bzw. als 28. Problem bei Hillenkamp, AT. 25 So Beckemper, Jura 2001, 163, die später allerdings diese Aussage dahingehend erweitert, dass in „weiten Teilen der Literatur“ entsprechende Privilegierungskonzepte vertreten würden. 26 So Lesch, JA 2001, 187, 190. 27 Hierbei liegt auf der Hand, dass zu zeitlich länger zurückliegenden, grundsätzlicheren und (sei es auf Grund des Verfassers, sei es auf Grund des Erscheinungsortes des Beitrags) in größerem Umfang zur Kenntnis genommenen Beiträgen im Laufe der Zeit auch mehr Einwände formuliert wurden. Wird also in diesen Fällen ausführlichere Kritik angeführt, so bedeutet dies nicht notwendig, dass die entsprechenden Stellungnahmen (nach allgemeiner Ansicht oder gar nach Ansicht des Verf.) kritikwürdiger erscheinen würden. 28 Um diese Gedankenführung auch gliederungsmäßig deutlich zu machen, wird dieser Dreischritt immer mit den einleitenden Gliederungsziffern (1), (2), (3) am Zeilenanfang ge-

A. Ziele und Struktur der Darstellung

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de Bewertung dieser Einwände noch weitgehend verzichtet. Diese ergibt sich teilweise aus der Analyse des Meinungsstandes (unten C.), vor allem aber bei der Darstellung der Grundlagen sowie der Entwicklung des eigenen Lösungsmodells (unten 3. und 4. Teil). Soweit es dem Verständnis dient, die weitere Darstellung entzerrt oder aber auf einzelne Aspekte unten nicht mehr näher eingegangen wird, werden allerdings auch schon hier einzelne Argumente und Gegeneinwände kurz kommentiert. Dabei soll der Versuchung widerstanden werden, bereits an anderer Stelle vorgebrachte Einwände ausführlich zu referieren und über bislang weniger diskutierte Punkte schnell hinwegzugehen. Sowohl für den am Meinungsstand interessierten Leser als auch insbesondere als Grundlage für weiterführende Überlegungen erscheint gerade eine umgekehrte Gewichtung vorzugswürdig: Kritikpunkte, die schon von anderen Autoren vorgebracht und im Einzelfall näher ausgeführt wurden, werden hier nur so ausführlich wie zum Verständnis erforderlich dargestellt und systematisiert. Im Übrigen wird zur Vertiefung auf ausführlichere Formulierungen der entsprechenden Gedanken hingewiesen. Soweit dagegen – insbesondere zu neueren Beiträgen in der Literatur sowie zu aktuelleren Entscheidungen – noch keine vertiefte Auseinandersetzung stattgefunden hat, werden auch schon an dieser Stelle denkbare Einwände formuliert (wenn auch, der Funktion dieses Überblicks entsprechend, noch nicht stets bis in letzter Konsequenz ausdiskutiert). Mitunter werden auch Stellungnahmen aus der ausländischen Literatur ergänzend angeführt. Dies soll nicht im Sinne eines echten „rechtsvergleichenden“ Ansatzes erfolgen, der den Rahmen der Darstellung sprengen würde und zu einer oder mehrerer der zu vergleichenden Rechtsordnung(en) auch noch viel zusätzliches Material und vertiefte Überlegungen erfordern würde. Vielmehr soll auf diese Weise nur verdeutlicht werden, dass die meisten Sachgesichtspunkte sich auch in ähnlicher Weise verbreitet in der ausländischen Diskussion finden29 und daher keinesfalls davon ausgegangen werden muss, dass die untersuchten Probleme kennzeichnet, und zwar in diesem darstellenden Teil B ausnahmsweise auch dann, wenn vorher keine Ebene mit a), b) usw. erscheint, sondern nur die Ebene 1., 2. usw. Dies hat seinen Grund darin, dass die (1), (2), (3)-Nummerierung aus Gründen der Einheitlichkeit und Übersichtlichkeit hier durchgehend gleichbleibend verwendet werden soll, andererseits aber der Sachzusammenhang empfehlenswert erscheinen lässt, zu einzelnen Sachgesichtspunkten mehrere zusammengehörige, aber gleichwohl einzeln darzustellende Konzepte mittels der Einfügung einer Gliederungsebene a), b) usw. zusammenzufassen. 29 Dem steht nicht entgegen, dass sich in einzelnen Ländern mit relativ jungen Strafrechtssystemen keine ausgeprägte Diskussion des Problems findet (vgl. etwa in Ungarn, wo in dem wichtigen Lehrbuch zum Allgemeinen Teil von Nagy / Tokaji, A magyar büntetojog általános része, und in dem von Berkes herausgegebenen Praxiskommentar zum Ungarischen Strafrecht das Problem nicht erwähnt wird; ähnlich in Tschechien im Lehrbuch zum Allgemeinen Teil von Novotn’y / Dolensk’y / Jelínek / Vanduchová sowie den beiden wichtigsten Kommentaren zum Tschechischen StGB von Sámal / Púry / Rizman bzw. von Jelínek / Sovák). Vielmehr bestätigt dies die einleitend getroffene Feststellung, dass es sich bei der berufsbedingten Unterstützung um ein zwar vielleicht gar nicht so selten vorkommendes, aber nicht ohne weiteres als rechtliches Problem erkanntes Phänomen handelt, dessen praktische Erledigung mitunter auch auf informellen Wegen erfolgt.

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2. Teil: Bestandsaufnahme

„hausgemacht“ wären30 und sich die Lösungsansätze in Deutschland eher „zufällig“ herausgebildet hätten. Die Nachweise beziehen dabei auch solche aus dem anglo-amerikanischen Rechtskreis ein, in dem das Problem, das prima facie seine Brisanz weniger aus allgemeinen dogmatischen Erwägungen, sondern aus unbefriedigend erscheinenden Ergebnissen für konkrete Fälle zu beziehen scheint, auf Grund der starken Fallorientierung vielleicht noch leichter wahrgenommen wird.31

B. Wichtige Lösungsaspekte in der bisherigen Diskussion: Ausgangspunkte, Konsequenzen und Einwände Die meisten Lösungsgesichtspunkte bzw. -ansätze lassen sich, vorbehaltlich der eben genannten Schwierigkeiten bei „Mischmodellen“, in den objektiven oder subjektiven Tatbestand eingliedern. Dort wird versucht, berufsbedingte Unterstützungshandlungen entweder durch eine restriktive Auslegung des (objektiven) Tatbestandes oder besondere Anforderungen an den subjektiven Tatbestand in bestimmten Fällen straffrei zu halten. Teilweise spielen objektive und subjektive Elemente auch in der Form zusammen, dass je nach Grad der subjektiven Beziehung zum Erfolg unterschiedliche objektive Anforderungen gestellt werden. Daneben gibt es auch vereinzelte Ansätze, die auf eine Lösung des Problems auf der Ebene der Rechtswidrigkeit32 hindeuten. Diese werden hier allerdings nicht als allgemei30 Beispielsweise findet in der Schweiz eine (insbesondere gemessen an der Zahl der Strafrechtler) ausgesprochen fruchtbare Diskussion statt, die sich vielfach auch unabhängig von derjenigen in Deutschland entwickelt hat. So streifen dort nicht nur eher knapp gehaltene Lehrbücher das Thema (vgl. etwa Rehberg / Donatsch, schwAT, § 14 Nr. 2.1 = S. 131 f.; Riklin, schwAT I, § 18 Rn. 34), und es liegt eine auch in Deutschland zur Kenntnis genommene neuere Monographie vor (vgl. Schild Trappe, deren Werk über „Harmlose Gehilfenschaft“ z. B. von Roxin, JZ 1996, 29 f., ausführlich besprochen wurde und mit dem auch in der Monographie von Wohlleben eine ausführliche Auseinandersetzung stattfindet), sondern auch die obergerichtliche Rechtsprechung hat sich (schon lange vor dem BGH) mehrfach mit dem Themenkreis befasst (ohne freilich selbst abschließend Stellung zu nehmen, vgl. die Nachweise zur Rechtsprechung des SchweizBG bei Wohlers, NStZ 2000, 169, 171 f., sowie jüngst [u. a. auch] zu dieser Rechtsprechung Forster, Schmid-FS, S. 127 ff.). 31 Diesem System in der Ausbildung sowie dem stärker am Parteiverfahren orientierten Strafprozess entsprechend finden sich dort im Übrigen auch zahlreiche interessante Fallbeispiele, die – soweit ersichtlich – in dieser Form im deutschen Strafrecht noch nicht aufgegriffen wurden. So z. B. die Verschreibung von Contraceptiva an ein unter 16 Jahre altes Mädchen, obwohl der Arzt weiß, dass dieses ein Verhältnis mit einem erwachsenen Mann hat, der sich durch eine sexuelle Beziehung strafbar machen würde (vgl. Smith / Hogan, Criminal Law, S. 133, basierend auf einem zivilrechtlichen Fall vor dem House of Lords [Gillick v West Norfolk and Wisbech Area Health Authority]), das Vermieten eines Hotelzimmers, obwohl der Hotelier weiß, dass der Gast dort ein 14-jähriges Mädchen verführen möchte (vgl. Smith / Hogan, Criminal Law, S. 136, dort Fußn. 1, als Beispiel, in dem eine Verantwortung jedenfalls zu bejahen sei, wenn „the owner has a continuing interest in and right to control the property“) sowie das Reinigen der „Berufskleidung“ einer Prostituierten, die darin – wie der Betreiber der Reinigung weiß – illegaler Prostitution nachgeht (vgl. Reed / Seago, Criminal Law, S. 131).

B. Wichtige Lösungsaspekte in der bisherigen Diskussion

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ne Modelle behandelt, da sie entweder nur spezielle Berufsgruppen bzw. Formen beruflichen Handelns betreffen33 oder aber nicht näher elaboriert sind.34 Gleichwohl soll der Gedanke an eine Rechtfertigung durch Berufsrecht nach den Grundsätzen der Einheit der Rechtsordnung hier ebenso zumindest festgehalten werden wie die Überlegung, dass der in einzelnen Modellen unterschiedlich stark zum Ausdruck kommende Aspekt der Abwägung zwischen den Interessen des Berufsträgers und der Inhaber der mittelbar bedrohten Rechtsgüter durchaus ein genuines Element der Rechtfertigungsdogmatik ist.

I. Lösungsgesichtspunkte auf der Ebene des objektiven Tatbestandes Der in der Strafbarkeitsprüfung „früheste“ und in der Regel weitreichendste 35 Ort für Strafbarkeitsrestriktionen ist der (objektive) Tatbestand. Hierunter sollen alle Modelle gefasst werden, die für bestimmte Arten von Verhaltensweisen die strafrechtliche Verantwortung unabhängig von der subjektiven Einstellung des Handelnden auf Tatbestandsebene begrenzen. Eingeschlossen sind damit gleicher32 Soweit ersichtlich auf einen Fall beschränkt geblieben ist die Überlegung, einen „Schuldausschließungsgrund in Gestalt eines (sc.: die anwaltliche Tätigkeit regelnden) legalisierenden Berufsrechts“, die Galli, GS 67, 371, 373 in einer Anmerkung zur Entscheidung RGSt 37, 321 angestellt hat. Freilich ist diese Einordnung (auch auf Grund des damaligen Standes der Dogmatik) noch unscharf, wenn Galli sofort weiter ausführt, dass in der Zuweisung bestimmter Geschäfte an den Anwalt „die Einräumung eines Berufsrechts (sc.: liegt), welches, soweit es reicht, den strafbaren Tatbestand ausschließt.“ 33 Vgl. zur Rechtfertigung von Anwaltstätigkeit durch anwaltliches Berufsrecht hier statt vieler Rogat, S. 178 ff., sowie auch unten S. 476 ff. Im Zusammenhang mit dem Problem der Geldwäsche durch die Annahme des Wahlverteidigerhonorars auch Bernsmann, StV 2000, 40, 43 f., sowie ihm zustimmend Hamm, NJW 2000, 636, 637; zur Frage nach einer dogmatischen Konsequenz dieser Lösung gegenüber einer solchen auf der Ebene des Tatbestandes vgl. Wohlers, StV 2001, 420, 424 f. 34 Vgl. etwa die knappe Andeutung bei Arzt / Weber, BT, § 26 Rn. 10 (im Zusammenhang mit § 258 StGB, aber bezeichnet als „allgemeines Rechtfertigungsproblem“) bzw. § 29 Rn. 39 (im Zusammenhang mit § 261 StGB). Freilich wählt Arzt selbst an letzterer Stelle die Überschrift „Tatbestandseinschränkung bzw. Rechtfertigung“ und meint in Rn. 42, „das hinter der Berufung auf übliche Geschäftstätigkeit steckende Problem“ sei „bis zu seiner Wurzel in der allgemeinen Teilnahmelehre zurückzuverfolgen“, wo sich Beihilfe „vielleicht ( . . . ) primär (sc.: als) psychische Solidarisierung mit dem Rechtsbrecher“ darstellt, für die „vielleicht“ nicht genüge, „dass sie eventualiter erfolgt“. All dies erweckt den Anschein, dass auch für Arzt selbst die Einordnung als Rechtfertigungsgrund nicht eindeutig oder aber die Rechtswidrigkeit des Handelns mit den anderen dogmatischen Kategorien in irgend einer Weise vermengt ist. 35 Dies gilt freilich nicht uneingeschränkt. Insbesondere solche Ansätze, die nur in verhältnismäßig engen Grenzen keine hinreichend gewichtige Förderung der Tat annehmen und damit zum Ausschluss des objektiven (Beihilfe-)Tatbestandes kommen (vgl. dazu näher unten S. 108 ff.), könnten zahlenmäßig in einer größeren Zahl von Beispielsfällen zur Bejahung einer Strafbarkeit führen als solche Ansätze, die unter weniger strengen zusätzlichen Voraussetzungen eine Straflosigkeit bei dolus eventualis postulieren.

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2. Teil: Bestandsaufnahme

maßen Lösungen, die bei Vorsatzdelikten (einschließlich der ebenfalls nur bei Vorsatz strafbaren Teilnahme) den objektiven Tatbestand ablehnen, wie solche, die den Tatbestand des Fahrlässigkeitsdelikts einschränken. Strukturell ebenfalls in diesen Zusammenhang gehören würde ein Lösungsweg, der versucht, möglichst viele Konstellationen berufsbedingten Verhaltens im Kern als Problem einer Unterlassungsstrafbarkeit zu interpretieren. Dahinter steht der Gedanke, dass der Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit eigentlich weniger auf der Erbringung der Leistung liegt, als vielmehr im Unterlassen angemessener Differenzierungen oder Kontrollen bei der Leistungserbringung zu sehen ist. Die Haftungsbegrenzung würde hier auf (objektiv) tatbestandlicher Ebene stattfinden, wenn der Berufsträger kein Garant ist. Diese Überlegung findet allerdings in der nachfolgenden Bestandsaufnahme keine vertiefte Behandlung,36 da weder in der Rechtsprechung noch in der Literatur bisher der Versuch unternommen wurde, dieses Konzept in grundsätzlicher Form für die hier interessierende Frage fruchtbar zu machen.37 Für den Sonderfall der Strafbarkeit von Internetprovidern wegen der Verbreitung illegaler Inhalte im Internet durch das Bereitstellen entsprechender Infrastrukturen ist in der jüngeren Vergangenheit zwar die Unterlassungsfrage zunächst häufiger erörtert worden; allerdings ist sie auch dort in den Hintergrund getreten, nachdem 1997 die – ihrer Konzeption nach zwar nicht abschließende, de facto aber doch viel vorentscheidende – Sonderregelung in Gestalt von § 5 TDG a.F. / MDStV (vgl. heute §§ 8 – 11 TDG bzw. §§ 6 – 9 MDStV) geschaffen wurde.38

Unabhängig von der jeweiligen Begründung und dem Umfang der Strafbarkeitseinschränkung im Einzelnen scheinen allen solchen Modellen auf den ersten Blick zwei wichtige Vorteile innezuwohnen: Zum einen erlaubt eine rein objektive BeVgl. aber nochmals zur Unterlassensproblematik unten S. 405 ff. Als allgemeiner Gesichtspunkt wird das Unterlassen soweit ersichtlich nur von Arzt / Weber, BT, § 26 Rn. 10 (dort Fußn. 16) im Zusammenhang mit dem ähnlich gelagerten Problem bei § 258 StGB genannt. Er erwähnt dabei einen Hinweis von Fletcher, Rethinking Criminal Law, S. 640 ff., 675 ff., wonach „bei regulären Geschäften strukturell eine Unterlassungstat vorliege, wenn man eine ,Ausnahme‘ fordere (Verbrechern kein Benzin zu verkaufen o.Ä.)“. Mittelbar angesprochen wird das Problem vereinzelt auch im Zusammenhang mit einer Strafbarkeit von Bankmitarbeitern wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung, wenn darauf hingewiesen wird, dass die Bankmitarbeiter „keine Garanten für die Steuerehrlichkeit der Bankkunden“ seien; das Unterlassen in diesen Fällen stärker betonend Lüderssen, GrünwaldFS, S. 329, 331, 333. 38 Vgl. dazu auch nochmals unten S. 501 ff. Das TDG war Bestandteil des 1997 erlassenen Informations- und Kommunikationsdienstegesetzes (IuKDG, BGBl. 1997 I, S. 1970; zu den strafrechtlichen Änderungen durch das IuKDG vgl. knapp Kudlich, JuS 1998, 378, 379). Eine in den hier interessierenden Fragen wortgleiche Parallelregelung zu § 5 TDG a.F. enthielt auch § 5 Mediendienste-Staatsvertrag (MDStV). Dies erklärt sich historisch aus der Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen auf den Bund und die Bundesländer (Art. 70 ff. Grundgesetz).Um für die boomenden neuen Technologien keine Rechtsunsicherheit entstehen zu lassen, haben sich daher Bund und Länder darauf geeinigt, parallele Regelungen für sog. Tele- und Mediendienste im TDG und im MDStV zu schaffen. Das TDG wurde durch das Gesetz über den elektronischen Geschäftsverkehr (EGG) vom 14. 12. 2001 an die „e-commerce-Richtlinie“ (Richtlinie 2000 / 31 / EG des Europäischen Parlaments und des Rats vom 8. Juni 2000 über den elektronischen Geschäftsverkehr) angeglichen, vgl. Dazu Kudlich, JA 2002, 798 ff. Aus Gründen der Einfachheit werden im Folgenden i.d.R. nur die Vorschriften des TDG in seiner neuen Fassung zitiert. 36 37

B. Wichtige Lösungsaspekte in der bisherigen Diskussion

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trachtung in der Praxis eine Beurteilung der Strafbarkeit, ohne dass die dem prozessualen Nachweis nur schwer zugängliche innere Tatseite berücksichtig werden müsste und dabei Beweisschwierigkeiten auftreten können. Zum anderen verlangen solche objektiven Lösungen keine von allgemeinen Grundsätzen abweichenden Differenzierungen im subjektiven Tatbestand, die sich leicht dem Vorwurf ausgesetzt sehen können, im Gesetz so nicht vorgesehen zu sein. Dass allerdings diese vermeintlichen Vorteile differenzierend zu sehen sind, wird im Verlaufe dieser Untersuchung noch erkennbar werden. Ohne entsprechende vertieftere Überlegungen hier vorwegzunehmen, seien nur folgende Punkte erwähnt: Der Nachweis zur inneren Tatseite muss auch sonst in der strafprozessualen Praxis zumeist geführt werden, und zwar nicht nur hinsichtlich des Vorliegens oder Fehlens eines erforderlichen Vorsatzes, sondern (sei es auf Grund entsprechender gesetzlicher Differenzierungen, sei es mit Blick auf die Strafzumessung) sogar hinsichtlich des Vorliegens eines bestimmten Vorsatzgrades. Dies spricht im Übrigen auch dagegen, subjektive Lösungsmodelle pauschal als Gesinnungsstrafrecht zu kritisieren. Explizit im Gesetz benannt sind überdies auch nicht die Einschränkungen im objektiv-tatbestandlichen Bereich; ob sich einschränkende Auslegungen bzw. Lesarten des Gesetzes daher im objektiven Bereich rein methodisch leichter begründen lassen als im subjektiven Bereich, ist noch nicht entschieden, sondern bedarf gerade erst einer näheren Untersuchung.39

1. Die Einschränkung des Tatbestandes bei sozial- bzw. professionell-adäquatem Verhalten Die dogmengeschichtlich früheste Figur, die – freilich nicht unmittelbar zu dieser Problematik entwickelt – eine tatbestandliche Einschränkung der Strafbarkeit bei berufsbedingtem Verhalten bewirken könnte, ist die „Adäquanz“. Maßgebliche Sachgesichtspunkte sind hier die „Üblichkeit“ und „Angemessenheit“ des Verhaltens bzw. seine legale Ausrichtung an bestimmten Gegebenheiten.40 Grundlage bildet dabei die klassische Lehre von der „Sozialadäquanz“ (sogleich a), die speziell

39 Vgl. ferner auch die Stellungnahmen für (auch-)subjektive bzw. gegen rein objektive Lösungsansätze in der schweizerischen Literatur bei Rehberg / Donatsch, schwAT, § 14 Nr. 2.1 = S. 131 f. (wonach sich über den Vorsatz „der Großteil der fraglichen Konstellationen befriedigend lösen“ lasse, was freilich für bestimmte Grenzfälle die Überlegenheit objektiver Korrektive nicht ausschließe) sowie noch deutlicher bei Forster, Schmid-FS, S. 127, 134, 136 ff., der die Einwände gegen subjektive Lösungen sogar „eher gegen die ( . . . sc. stärker objektiven) Lösungsansätze vorbringen“ will und selbst eine gemischt objektiv-subjektive Abgrenzung vorschlägt, nach der eine Kombination aus unterschiedlichen Gefährlichkeitsund Wissenskriterien ausschlaggebend sein soll; vgl. auch Baumann / Weber / Mitsch, AT, § 31 Rn. 32c („vielmehr fallen die Würfel über die Strafbarkeit geschäftsüblichen oder sonst neutralen Verhaltens im Wesentlichen auf der subjektiven Tatseite“). 40 Der Begriff der Adäquanz leitet sich vom lateinischen Verb adaequare (gleich machen) ab, das sich aus den Bestandteilen „aequare“ (gleich machen, Verb zum Stamm aequus = gleich) und „ad“ (zu, an, bei) zusammensetzt, vgl. auch Köbler, Etymologisches Rechtswörterbuch, S. 7. Es geht also um ein „gleich machen zu“ bzw. ein „anpassen an“.

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2. Teil: Bestandsaufnahme

für das vorliegende Problem in Gestalt einer Theorie der „professionellen Adäquanz“ weiter entwickelt und präzisiert wurde (im Anschluss b).

a) Die allgemeine Lehre von der sozialen Adäquanz (1) Die Vorstellung eines trotz Erfolgsverursachung straflosen Bereichs sozialadäquaten Handelns geht maßgeblich auf Welzel zurück. Ausgangspunkt seiner grundlegenden Überlegungen war 1938 in seinen „Studien zum System des Strafrechts“41 die Frage nach der Beschreibung des „Unrechts“ der Tat i.R.d. vorsätzlichen Delikts.42 Welzel wendet sich hier gegen aus der Zivilrechtswissenschaft übernommene „objektivistische“ Rechtswidrigkeitsauffassungen, nach denen das Unrecht allein in der Verursachung des tatbestandlichen Erfolges liege.43 Damit von Unrecht gesprochen werden könne, müsse über den Erfolg hinaus noch ein „Mehr“ hinzukommen. Dies werde von den objektivistischen Auffassungen verkannt, weil sie die Rechtsgüter – hier verstanden als Schutzobjekte der Strafdrohungen – als „Museumsstücke“ sehe, „die sorgfältig vor schädlichen Einflüssen in Vitrinen verwahrt, nur dem Blick der Beschauer freigegeben sind. Der Verbrecher verletzt diese gesicherte Sphäre und greift mit roher Faust ein.“ Die „Vorstellung ( . . . ), daß der ursprüngliche Zustand der Rechtsgüter der der Verletzungslosigkeit, der Freiheit und Sicherheit vor Verletzungen sei“, werde aber der sozialen Wirklichkeit nicht gerecht. In ihr gebe es „Rechtsgüter nur, wenn und soweit sie in ,Funktion‘ sind, d. h. soweit sie im sozialen Leben wirkend und Wirkung empfangend darin stehen.“44 Dabei seien sie stets Bedrohungen ausgesetzt,45 welche in einer – von Welzel bereits 1939 als solchen erkannten46 – zunehmend komplexeren Umwelt stetig anstiegen. Strafrechtliches Unrecht liege daher trotz Ein41 ZStW 58 (1939), 491 ff. Eine instruktive Interpretation der Überlegungen Welzels in dieser „Frühphase des Finalismus“, in der dem Gedanken der sozialen Adäquanz bei Welzel eine durchaus ähnliche Rolle zukam wie der objektiven Zurechnung nach der heute h. L. (vgl. Schünemann, GA 1999, 207, 211), liefert Cancio Meliá, GA 1995, 178 ff. 42 Vgl. die Überschrift des „II. Teils“ der Darstellung ZStW 58 (1939), 491, 505: „Das vorsätzliche Verbrechen“. 43 Vgl. ZStW 58 (1939), 491, 507: „Rechtswidrigkeit ist die Herbeiführung (Verursachung) eines mißbilligten Erfolges. In dieser Form fand die Rechtswidrigkeit allgemeine Anerkennung auch im Strafrecht und wurde hier in ihrer objektivistischen Tendenz noch legitimiert und bestärkt durch die auf dem Kausaldogma aufgebaute Rechtsgüterverletzungstheorie.“ 44 Welzel, ZStW 58 (1939), 491, 514 f. 45 Vgl. Welzel, ZStW 58 (1939), 491, 515: „Alles soziale Leben besteht ja im Einsatz und Verbrauch von ,Rechtsgütern‘, wie letztlich alles Leben stets zugleich Verbrauch des Lebens ist.“ 46 Welzel, ZStW 58 (1939), 491, 515, spricht davon, „daß dieses soziale Leben in immer steigendem Maße mit ,riskanten‘ Tätigkeiten erfüllt ist“; vgl. zu „der sich stets dynamisch fortentwickelten Gesellschaftsstruktur“ in diesem Zusammenhang auch Zipf, ZStW 82 (1970), 633, 649; skeptischer demgegenüber Hassemer, wistra 1995, 41, 44.

B. Wichtige Lösungsaspekte in der bisherigen Diskussion

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tritts einer Verletzung nicht vor, wenn sich die verursachende Handlung „funktionell innerhalb der geschichtlich gewordenen Ordnung des Gemeinschaftslebens eines Volkes“ bewege, mithin „sozialadäquat“ sei.47 Die hier erfolgende Einordnung der Konzeption der Sozialadäquanz auf der Ebene des (objektiven) Tatbestandes ist nicht ganz unproblematisch. Welzel selbst untersucht im o.g. Beitrag zwar das „Unrecht“, dies allerdings nicht im Sinne der Rechtswidrigkeit, sondern des „Unrechtstatbestandes“ im Unterschied zur Schuld. Zur Einordnung der sozialen Adäquanz führt er ausdrücklich aus: „Auch um die Rechtswidrigkeit handelt es sich nicht, da diese erst in Frage steht, wenn die soziale Adäquanz überschritten wird.“48 In späteren Darstellungen in seinem Lehrbuch wechselt bei Welzel selbst zwar die Einordnung der Sozialadäquanz als Tatbestandsausschluss mit einer solchen als Rechtfertigungsgrund.49 Die vorliegende Einordnung kann sich formal aber darauf berufen, dass Welzel selbst sowohl bei der Entwicklung des Gedankens als auch in seinen letzten Stellungnahmen50 von einem Tatbestandsausschluss ausging. Auch der überwiegende Teil der gegenwärtigen Lehrbuchliteratur behandelt das Problem der Sozialadäquanz auf der Ebene des Tatbestandes,51 und nicht erst als Problem der Rechtswidrigkeit52 oder gar Schuld.53 In der Sache sprechen ebenfalls die besseren Gründe für eine Einordnung54 im Bereich des Tatbestandes.55 Zwar setzt die Bewertung, dass ein sozial übliches Verhalten „schon nicht ZStW 58 (1939), 491, 516 f.; ähnlich auch Welzel, S. 56. ZStW 58 (1939), 491, 517. Im Folgenden vergleicht Welzel die Sozialadäquanz kurz mit dem erlaubten Risiko, das er als Unterfall derselben versteht, bei diesem aber „wegen des hohen Grades der Gefährdung den Gedanken des Unrechtsauschlusses für näherliegend“ hält. 49 Vgl. Welzel, Das deutsche Strafrecht, 4. – 8. Auflage. 50 Vgl. Welzel, S. 55 ff. 51 Vgl. etwa Baumann / Weber / Mitsch, AT, § 16 Rn. 35 („Auslegungsleitlinie bei der Tatbestandsmäßigkeitsprüfung“); Jescheck / Weigend, AT, § 25 IV = S. 251 ff.; Otto, AT, § 6 Rn. 71 m. w. N.; Roxin, AT I, § 10 Rn. 33 ff. 52 1970 konnte Zipf, ZStW 82 (1970), 633, 645 (m.N. in Fußn. 21) insoweit sogar noch von der h. M. sprechen. 53 Einen Schuldausschließungsgrund nimmt Roeder, Die Einhaltung des sozialadäquaten Risikos und ihr systematischer Standort im Verbrechensaufbau, S. 67 ff., an (hiergegen ausführlich Zipf, ZStW 82 (1970), 633, 639 ff., der zutreffend darauf hinweist, dass es nicht um ein „individuelles Problem des Täters“ und seine persönliche Vorwerfbarkeit geht, sondern „um ein sozialtypisches Verhaltensmodell, dem eine generalisierende Betrachtung [sc.: ohne Ansehen der individuellen Person des Täters] zugrunde liegt“ (vgl. S. 640); zur problematischen Anwendung der (von Roeder, S. 77 ff. freilich bejahten) „Notwehrprobe“ Roxin, AT, § 10 Rn. 36; ders., Klug-FS, S. 303, 309 sowie Zipf, a. a. O. 54 Wobei mit dieser „Einordnung“ noch nichts darüber ausgesagt ist, auf welche Weise der Tatbestand ausgeschlossen ist, ob es sich also um einen speziellen (insoweit etwa dem tatbestandsausschließenden Einverständnis vergleichbaren) „Tatbestandsausschließungsgrund“ oder um einen Gesichtspunkt der restriktiven Auslegung bzw. teleologischen Reduktion handelt. Ob freilich dieser Unterschied (den z. B. Otto, AT, § 6 Rn. 71 und Roxin, Klug-FS, S. 303, 310 ff. betonen) wirklich so bedeutsam ist, erscheint durchaus fraglich: In beiden Fällen geht es um die Frage, ob eine Lesart des Gesetzes angemessen erscheint, nach welcher der Tatbestand unter bestimmten äußeren Umständen nicht erfüllt sein soll – solche Umstände sind sowohl das Einverständnis des Berechtigten als auch das Vorliegen einer Handlung, die sich „funktionell innerhalb der geschichtlich gewordenen Ordnung des Gemeinschaftslebens eines Volkes bewegt“. 47 48

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2. Teil: Bestandsaufnahme

als rechtsgutbedrohlich in den Blick“ fällt,56 bereits ein entsprechendes „wertungsaufgeladenes“ Rechtsgutsverständnis voraus57 und ist deshalb allein nicht ohne weiteres geeignet, eine Einordnung in den Tatbestand zu begründen. Auch ist fraglich, ob das Verständnis der sozialen Adäquanz als rein objektives Prinzip gegen die Annahme eines Rechtsfertigungsgrundes spricht, da für solche ein entsprechender Vorsatz zu fordern sei.58 Denn so wie bei fehlender Kenntnis der rechtfertigenden Umstände nach verbreiteter Ansicht nur eine Versuchsstrafbarkeit in Betracht kommt, so wäre eine solche wohl auch im (freilich schwer vorstellbaren) Fall anzunehmen, in dem der Täter die Umstände nicht kennt, welche die soziale Adäquanz begründen; ein Unterschied bestünde also nur hinsichtlich eines – hinsichtlich seiner Erforderlichkeit umstrittenen und von der h. M. tendenziell verneinten – Erfordernisses eines über die Kenntnis der rechtfertigenden Umstände hinausgehenden Motivs.59 Zu Recht betont aber etwa Otto, dass der Gedanke der Sozialüblichkeit nicht nur bei der Bewertung einer Gefahr, sondern auch bei der Auslegung der verschiedensten Tatbestandsmerkmale fruchtbar gemacht werden kann (z. B. bei der Frage, ob das Anbieten einer Zigarette in einem Gespräch mit einem Amtsträger ein ausreichender Vorteil i. S. d. §§ 331 ff. StGB ist).60 Wenn hier aber eine restriktive Auslegung auf Tatbestandsebene Folge der Sozialadäquanz ist, spricht aus Gründen einer einheitlichen Systematik einiges dafür, dies auch in Fällen anzunehmen, in denen nicht ein spezielles Merkmal in Frage steht, sondern die Gefahrschaffung für das Rechtsgut unabhängig davon bewertet wird. Vor allem aber liegt der Ausschluss des Unrechts bei sozialadäquatem Verhalten – wenn man diesem eine entsprechende Wirkung zubilligen möchte – nicht in einer (für Rechtfertigungsgründe vielfach typischen61) Abwägung von Gütern im Einzelfall, die das regelmäßig begründete Unrecht entfallen ließe; vielmehr wird in diesen Fällen generell kein Unrecht begründet, d. h. das Urteil der Sozialadäquanz beruht auf einer „Globalabwägung“.62 So im Ergebnis auch Rogat, S. 66. So Otto, AT, § 6 Rn. 71; insoweit ähnlich auch bereits die Überlegungen Welzels, vgl. o. bei und in Fußn. 43 ff. 57 Vgl. auch Roxin, AT, § 10 Rn. 38, nach dem umgekehrt „die Zuweisung (sc. der Sozialadäquanz) zur Rechtswidrigkeit nur möglich (sc. ist) vom Standpunkt eines ,wertfreien‘ Tatbestandes aus.“ 58 So namentlich Krauß, ZStW 76 (1964), S. 19, 48 in Fußn. 131: „Darin unterscheidet sich m.E. das Prinzip der sozialen Adäquanz von den eigentlichen Rechtfertigungsgründen. Jene schränkt den Tatbestand nach objektiven Gesichtspunkten ein, diese beseitigen die Rechtswidrigkeit nur, wenn das objektiv nützliche Geschehen einem Willen zum rechten Handeln entspricht.“ 59 Also etwa einer Verteidigungsabsicht, die über die Kenntnis der Notwehrlage hinausgeht; zum Streit über deren Erfordernis m. w. N. Kühl, AT, § 7 Rn. 128 f. 60 Vgl. Otto, AT, § 6 Rn. 71. Ähnlicher Gedanke bei Roxin, Klug-FS, S. 303, 304, 310. 61 Besonders deutlich wird dies bei § 34 StGB sowie den zivilrechtlichen Notständen nach §§ 228, 904 BGB. Aber auch bei anderen Rechtfertigungsgründen lässt sich etwas versteckt der Gedanke der Güterabwägung finden. 62 Vgl. Rogat, S. 73; Jakobs, AT, 7. Abschn. Rn. 36 m. Fußn. 63, weist dabei zutreffend darauf hin, dass eine solche „Globalabwägung“ zumeist kein „Produkt rationaler Abwägung“ sein kann, da „ein hinreichend konkretes und zugleich verbindliches Gesellschaftsmodell fehlt, an dem Abweichungen nach Art und Maß bestimmt werden könnten“, so dass es sich teilweise eher um Fälle einer „historischen Legitimation“ oder sogar einer „historisch ersparten Legitimation“ handelt (Hervorhebung dort). Man kann es aber gerade auch als ein Merkmal der Globalität der Abwägung sehen, dass diese ohne konkreten Maßstab allein auf Grund 55 56

B. Wichtige Lösungsaspekte in der bisherigen Diskussion

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(2) In ihrer Konsequenz gestattet die Lehre von der sozialen Adäquanz recht weite Ausnahmen von der Strafbarkeit des tatfördernden Verhaltens: Stellt man allgemein darauf ab, ob ein bestimmtes Verhalten den „geschichtlich gewachsenen Strukturen“ gesellschaftlichen Handelns entspricht, so ist dies bei berufsbedingtem Verhalten oft der Fall.63 Etwas anderes kann zum einen in den – oben allerdings bereits begrifflich aus dem Bereich des berufsbedingten Verhaltens ausgeschiedenen – Fällen des bloßen Handelns „bei Gelegenheit“ beruflichen Tätigwerdens gelten. Zum anderen dürfte es an sozialadäquatem Verhalten in Konstellationen fehlen, in denen der Berufsträger mit seinem Verhalten von den „geschichtlich gewachsenen“ Handlungsmustern seines Berufsstandes abweicht und stattdessen sein Verhalten – in einer so eben nicht mehr üblichen Weise – den deliktischen Plänen seines Kunden anpasst. Im Normalfall anderer berufsbedingter Verhalten wäre dagegen die Strafbarkeit ausgeschlossen – und zwar unabhängig davon, ob der Berufsträger eine deliktische Verwendung seines Beitrages kennen müsste, für möglich hält oder sogar sicher kennt.64 Hier geht es auch nicht um die soeben bei Fußn. 58 beschriebene Versuchsproblematik: Eine solche tritt auf, wenn der Täter – bei objektiver Sozialadäquanz – die Umstände nicht kennt, die das Adäquanzurteil begründen. Ob dagegen die Sozialadäquanz rein objektiv bestimmt wird, ist eine dem vorgelagerte Frage. Anders formuliert: Wenn ein Verhalten unabhängig von der Kenntnis etwaiger drohender Rechtsgutsverletzungen sozialadäquat sein kann (was verbreitet angenommen wird), dann führt deren Kenntnis auch nicht zum Versuch, sondern ist unbeachtlich; wenn es dagegen bei entsprechender Kenntnis nicht sozialadäquat ist, liegt bei einer solchen Kenntnis nicht nur Versuch, sondern Vollendung vor.

(3) Gerade auf Grund dieser Unabhängigkeit von subjektiven Merkmalen, daneben aber auch wegen seiner postulierten Geltung unabhängig von der konkreten Beteiligungsform, erscheint ein allgemeines tatbestandsausschließendes Merkmal der sozialen Adäquanz für die vorliegende Fragestellung zunächst attraktiv. Allerdings hat die Figur – neben grundsätzlicher Zustimmung65 – gerade in der jüngeren Literatur und speziell hinsichtlich ihrer Tauglichkeit als Lösungsweg für das Problem berufsbedingter Strafbarkeitsrisiken auch verbreitete Kritik erfahren. So wird allgemein vorgebracht, dass mit dem Topos der sozialen Adäquanz zwar der einer (vermuteten) Übereinstimmung über den Wert der Erlaubtheit eines bestimmten Verhaltens getroffen wird. 63 So auch – wenngleich selbst gegen eine Lösung über die Figur der Sozialadäquanz – Frisch, Verhalten und Zurechnung, S. 296 (die „normalen Geschäfte des täglichen Lebens lassen sich natürlich ohne Schwierigkeiten als sozialadäquate Transaktionen qualifizieren“). 64 Zu einem solchen explizit rein objektiven Verständnis der Sozialadäquanz etwa nochmals Krauß, ZStW 76 (1964), 19, 48. 65 So spricht etwa Dölling, ZStW 96 (1984), 34, 56, davon, dass „die Lehre von der sozialen Adäquanz ( . . . ) ein sinnvolles Korrektiv der Reichweite der Tatbestände“ darstellt. Nach Zipf, ZStW 82 (1970), 633, 647 ff., beschreiben die Straftatbestände ein Erfahrungswissen um die generelle Sozialschädlichkeit bestimmter Verhaltensweisen; die dabei getroffene Typisierung sei aber notwendigerweise ungenau, so dass die soziale Adäquanz einen zusätzlichen Filter „zwischen dem typisierten und dem konkreten Unrechtsbild“ bilde. 6 Kudlich

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2. Teil: Bestandsaufnahme

Befund der normativen Aufladung gesetzlicher Tatbestände und der notwendigen Unschärfe ihrer unrechtsbegründenden Merkmale richtig beschrieben werde, dass die soziale Adäquanz aber kein eigenständiger Tatbestandsausschließungsgrund sei bzw. noch weitergehend: dass die „tendenziell richtige Lehre“ keine eigenständige „besondere dogmatische Bedeutung ( . . . ) mehr beanspruchen“ könne.66 Erster Einwand ist oft die mangelnde Bestimmtheit der Figur, die sie „als Rechtsfindungsinstrument schon deshalb problematisch“ mache.67 Schwerer noch als der eher formale Unbestimmtheitsvorwurf wiegt allerdings die damit verbundene inhaltliche Kritik dahingehend, dass das Urteil der Sozialadäquanz letztlich bereits als Ergebnis voraussetze, was es eigentlich erst zu begründen gelte.68 Ob aber Handlungen, die isoliert (also ohne Eintritt eines deliktischen Erfolges) betrachtet nicht verboten und „auch nach den ,gewordenen Ordnungen‘ schlicht farblos“ sind, auch „in einer Lage, in der sie schwere Folgen erkennbar nach sich ziehen, noch ein sozial angemessenes Verhalten sind“, sei gerade die Frage.69 Das Urteil der „sozialen Adäquanz“ sei mithin „kein festes, für alle denkbaren Situationen gültiges Attribut eines Verhaltens“, sondern jeweils kontextabhängig. Daher sei durchaus begründungsbedürftig, weshalb ein Verhalten ausnahmsweise erlaubt sei, obwohl dadurch (möglicherweise sogar wissentlich) eine fremde Straftat gefördert werde.70 Nach einem vielfach zustimmend zitierten Beispiel von Arzt sei eben der Verkauf eines Pflanzenschutzmittels durch einen Drogisten an einen Mörder „Teilnahme an der vorsätzlichen Tötung“, da „Mordteilnahme . . . nun einmal nicht zu seiner üblichen Geschäftstätigkeit“ gehöre.71 Zuletzt bestehe außerdem die Gefahr, dass bei einem zu starken Abstellen auf die Üblichkeit eines Verhaltens „im Extremfall . . . allseits verbreitete Mißstände für tatbestandslos“ erachtet würden.72 So die Formulierung bei Roxin, AT, § 10 Rn. 42. Vgl. Frisch, Verhalten und Zurechnung, S. 296; ähnliche Einwände etwa bei Beckemper, Jura 2001, 163, 166 („Eine Umschreibung dessen, was sozialadäquates Verhalten ist, sind die Vertreter der Ansicht von der Straflosigkeit sozialadäquater Handlungsweisen bislang schuldig geblieben.“); Jakobs, ZStW 89 (1977), 1, 5 (es fehle „in den nicht stereotypen . . . Fällen eine auch nur einigermaßen deutliche Verfestigung der Ordnung“); Rabe von Kühlewein, JZ 2002, 1139, 1141 f.; Roxin, Klug-FS, S. 303, 304 („Schlagwort ohne klaren Inhalt“); Schall, Meurer-GS, S. 103, 107; Tag, JR 1997, 49, 52 („aufgrund deren Unbestimmtheit für sich allein nicht geeignet“), sowie – in ihrer allgemeinen Form – sogar bei Hassemer, wistra 1995, 41, 46 („Sammelsurium von Gemeinplätzen“; zum Präzisierungsversuch durch Hassemer selbst sogleich unten S. 83 ff.). 68 In diesem Sinne etwa Otto, Lenckner-FS, S. 193, 201 („Nicht in der Straffreiheit sozialadäquater Verhaltensweisen liegt die grundsätzliche Problematik . . . , sondern in der Bestimmung dessen, was als sozialadäquat anzusehen ist.“), Weigend, Nishihara-FS, S. S. 197, 200 (der Terminus formuliere „eigentlich das Problem und nicht dessen Lösung“) und Wohlleben, S. 158 („Vor allem muß es im Grunde um die Aufdeckung der hinter dem Begriff der Sozialadäquanz stehenden [Interessen-] Abwägungen und Wertungen gehen“). 69 Vgl. Jakobs, ZStW 89 (1977), 1, 5. 70 Vgl. Weigend, Nishihara-FS, S. 197, 201. 71 NStZ 1990, 1, 3. 72 Vgl. Wolff-Reske, S. 65. 66 67

B. Wichtige Lösungsaspekte in der bisherigen Diskussion

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b) Die fortentwickelte Lehre von der professionellen Adäquanz (1) Eine Präzisierung der allgemeinen Lehre von der Sozialadäquanz speziell für die hier interessierende Problematik findet sich in dem von Hassemer am Beispiel des Strafbarkeitsrisikos von Bankmitarbeitern entwickelten Konzept der „professionellen Adäquanz“.73 Dabei ist die Anknüpfung Hassemers an die „soziale Adäquanz“74 keineswegs nur eine sprachlich-zufällige, sondern auch inhaltlich begründet: Zum einen lehnt er Lösungen unter Bezugnahme auf subjektive Elemente wegen einer „gefährlichen Nähe zum Gesinnungsstrafrecht“ sowie wegen drohender Probleme bei der praktischen Strafrechtspflege ab;75 zum anderen sieht er in der Lehre von der sozialen Adäquanz einen „ausbaufähigen“ Ansatz und „Rohdiamanten“, der nur noch für den vorliegenden Zweck zurechtgeschliffen werden müsse. Entsprechend den oben dargestellten Hauptkritikpunkten an der Lehre von der sozialen Adäquanz bemüht sich Hassemer um zweierlei: Zum einen seien die Voraussetzungen einer privilegierungswürdigen Adäquanz des Verhaltens genauer zu fassen, zum anderen müsse eine innere Begründung für die Privilegierungswürdigkeit trotz der (möglicherweise sogar vorsätzlichen) Förderung eines tatsächlich eingetretenen Erfolges gefunden werden. Um nun dem Vorwurf der Vagheit zu entgehen, verlässt Hassemer als Bezugspunkt des Adäquanzurteils den normativ nicht existenten Bereich „des Sozialen“ und wählt stattdessen die segmentären sozialen Normen einzelner Gruppen. Diese seien nicht nur „bestimmter“ als eine allgemeine Vorstellung sozial angepassten Verhaltens und damit bedeutend leichter operationalisierbar; vielmehr enthielten sie zugleich den Grund für die zumindest mögliche Privilegierung trotz der Mitverursachung von (zumindest scheinbarem) strafrechtlichem Unrecht. In der bereichsspezifischen (und damit zugleich auch bereichsrelativen) Betrachtung könnten sich nämlich – insbesondere in Gestalt von leges professionis – Regelungen sozialer Vorstrukturierung aufzeigen lassen, denen „präzisierende und einschränkende Konsequenzen für die Bestimmung strafrechtlichen Unrechts“ zukämen.76 Das Erfordernis der Berücksichtigung dieser beruflichen (als speziellen sozialen) Regelungen und damit zugleich die Legitimation für eine eventuelle Privilegierung ergebe sich aus ihrem größeren Inhaltsreichtum.77 73 Vgl. Hassemer, wistra 1995, 41 ff., 81 ff.; zum erlaubten Risiko im Bankensektor auch Lohmar, Steuerstrafrechtliche Risiken, S: 127 ff. 74 Und damit an die Arbeiten Welzels sowie etwa an Hirsch, ZStW 74 [1962], 78 ff. 75 Vgl. wistra 1995, 41, 43. Hassemer nennt hierbei insbesondere Schwierigkeiten bei der Bestimmung des Vorsatzes sowie die Gefahr einer Stigmatisierung selbst durch ergebnislos eingestellte Strafverfahren. 76 Vgl. Hassemer, wistra 1995, 81 ff., 83. Angesprochen werden etwa die ärztlichen leges artis, deren Bedeutung für die Bestimmung des Unrechts auch bei der eigenständigen täterschaftlichen Begehung von Straftaten oben S. 39 ff., 66 f. dargetan wurde. 77 Der Gedanke der „inhaltsreicheren Regelung“ ist etwa auch aus der Konkurrenzlehre bekannt, wenn es um die Frage geht, ob einer Norm Vorrang vor einer anderen gebührt, vgl. Vogel, Juristische Methodik, § 4 III 5 (S. 63 f.). Eine Ausarbeitung dieses von ihm schon

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2. Teil: Bestandsaufnahme

Dabei bedeute allerdings „Berücksichtigung“ nicht zwingend den Vorrang der sozialen Regelung, sondern zunächst nur das Erfordernis einer argumentativen Auseinandersetzung mit ihr, um „die Bestimmung des strafrechtlichen Unrechts methodisch anzuleiten und informativ anzureichern“. (2) Die Konsequenzen seines Modells entwickelt Hassemer zwar v.a. am Beispiel banklicher Tätigkeiten, indes lassen sich diese Überlegungen auf eine Reihe von Berufsständen übertragen. Da der Anknüpfungspunkt der Überlegung segmentäre Regeln sind, sei zunächst zu prüfen, ob eine entsprechende Vorstrukturierung nicht nur faktischer Natur sei, sondern auch normative Komponenten (etwa als leges artis) bestehen.78 Soweit ein entsprechendes Regelwerk (das selbstverständlich nicht kodifiziert sein muss) bestehe, sei zu fragen, ob dieses grundsätzlich sozial erwünscht sei. Wenn dies – wie bei legalen Berufen (im Unterschied etwa zu den „ungeschriebenen Gesetzen“ oder Verhaltenskodices von illegalen Subkulturen) regelmäßig – der Fall sei, ergäbe sich aus der gegenüber dem Strafrecht inhaltsreicheren und sozial grundsätzlich erwünschten Regelung eine „Umkehr der Argumentationslast“ dahingehend, dass die leges professionis regelmäßig als Konkretisierung strafrechtlicher Verbote zu verstehen seien und das Strafrecht sich darauf beschränken müsse, „im konkreten Einzelfall Indizien der Strafrechtsmäßigkeit zu prüfen“.79 Solche Indizien könnten z. B. (als „auslegungstheoretische“) in der Unvereinbarkeit einer Tätigkeit mit dem Wortlaut des Gesetzes,80 in dem erkennbar entgegenstehenden Willen des Gesetzgebers, in einem Widerspruch gegen Sinn und Zweck der Strafgesetze81 oder aber (als handlungsorientierte) auch in einer Verhaltensänderung aus krimineller Disposition bestehen. Legt man dies zugrunde, so bestehen auch nach der Lehre von der professionellen Adäquanz weitreichende Möglichkeiten zur straflosen Unterstützung fremder Straftaten. Voraussetzung dafür sind ein mehr oder weniger gesichertes Bild der bei dem Beruf üblicherweise ausgeübten Verhaltensweisen sowie die grundsätzliche – d. h. von der ganz konkreten Situation unabhängige – strafrechtliche Unbedenklichkeit dieser Verhaltensweisen. Ist dies der Fall und wirken diese Handlungsfrüher entwickelten Gedankens auf die Lösung von Kollisionen „von materiellem und prozessualem Strafrecht“ findet sich bei Sieber, Roxin-FS, S. 1113 ff., insb. 1122 ff. 78 Vgl. Hassemer, wistra 1995, 81, 82. 79 Vgl. hierzu und zum Folgenden Hassemer, wistra 1995, 81, 85 f. 80 Hier dürfte Hassemer nicht genügen lassen, dass die Unterstützung fremder Straftaten oftmals vom Wortlaut des § 27 StGB erfasst wird, da ansonsten im schwerpunktmäßig diskutierten Bereich der „neutralen Beihilfe“ gerade keinerlei Anwendungsbereich des Konzepts der professionellen Adäquanz bestehen würde; gemeint sein dürfte daher die Konstellation, dass der Gesetzgeber (ausnahmsweise) ganz bestimmte Verhaltensweisen untersagt oder sogar unter Strafe gestellt hat. Wird gegen solche speziellen Verhaltensvorschriften verstoßen, soll auch der Hinweis auf die eventuelle Übereinstimmung des Verhaltens mit den Regeln beruflicher Übung dem Berufsträger nicht weiterhelfen. 81 Auch hier kann nicht genügen, dass nach Sinn und Zweck der Strafgesetze natürlich fremde Straftaten tunlichst nicht gefördert werden sollten, da sonst erneut das Prinzip professioneller Adäquanz jegliche Bedeutung verlieren würde.

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muster unverändert fort oder aber werden sie allein in Anlehnung an die Gesetzmäßigkeiten des professionellen Bereichs (z. B. dem Erfordernis nach größerer Effektivität, nach Kundennähe oder nach Internationalisierung) fortentwickelt, werden die strafrechtlichen Verbote in Richtung auf eine Straflosigkeit des Verhaltens konkretisiert. Auch hier ist zu beachten, dass nach der Konzeption der Adäquanz die subjektive Einstellung des Täters keine Rolle spielt. (3) Angesichts der Anknüpfung des Konzepts einer professionellen Adäquanz an die allgemeine Lehre von der Sozialadäquanz kann es nicht verwundern, dass gegen erstere auch ähnliche Einwände geltend gemacht werden wie gegen ihr Vorbild:82 Dabei wird – wohl auf Grund der Konkretisierung des „sozial“ Angemessenen durch die spezielleren segmentären Regelungen – zwar weniger auf den Gesichtspunkt der Unbestimmtheit abgestellt;83 die übrigen Kritikpunkte werden aber in ähnlicher Weise vorgebracht. So wird auch der Theorie der professionellen Adäquanz vorgeworfen, dass sie ihren Maßstab zu sehr von den Gegebenheiten des Einzelfalles abstrahiere und daher keine überzeugende Begründung liefere, weshalb Unterstützungshandlungen in Kenntnis ihrer konkreten deliktischen Verwendung noch durch die leges professionis gedeckt sein sollten.84 Ebenso wie hinsichtlich der allgemeinen Lehre von der Sozialadäquanz wird ferner bemängelt, dass unzulässigerweise das „Übliche“ zum Maßstab für das „Richtige“ erhoben werde.85 Schließlich wird die Vermutung der Rechtmäßigkeit bei Einhaltung bestimmter leges professionis u. a. mit dem Hinweis bestritten, dass strafrechtliche Verbote keineswegs generell akzessorischer Natur seien.86 Darüber hinaus wird auch die Sektoralität, die gerade die Schwä82 Vgl. Weigend, Nishihara-FS, S. 197, 201: „Demselben Problem (sc.: insbesondere der Situationsabhängigkeit des Adäquanzurteils – der Verf.)“ sehe sich Hassemers Konzept gegenüber. 83 Eine gewisse Unergiebigkeit insbesondere der „Negativindizien“, die gegen die Vermutung der Rechtmäßigkeit sprechen können, gerade in Problemfällen bemängeln allerdings Otto, Lenckner-FS, S. 193, 203; Löwe-Krahl, Steuerhinterziehung, S. 35 und auch Wohlers, SchwZStrR 1999, 425, 430. Allgemeiner noch wird man sagen können, dass Hassemer zwar eine Reihe von Kriterien einführt, die den Adäquanzbegriff konkretisieren sollen. Bei genauerer Betrachtung sind aber diese Begriffe auch ihrerseits wieder mehr oder weniger unscharf, so dass leicht der Eindruck entstehen kann, das Bestimmtheitsproblem würde mit großem terminologischem Aufwand eher vertuscht als verringert. Allerdings würde man Hassemers Bemühungen damit nicht gerecht, da selbst die unbestimmten (und teilweise noch weiter zu konkretisierenden, vgl. auch die Anmerkungen oben in Fußn. 80 und 81) Indizien eine verfeinerte Struktur in die Adäquanzprüfung bringen und deren abschließendes Urteil zwar nicht ohne weiteres „bestimmter“, aber leichter nachvollziehbar und überprüfbar machen. 84 Vgl. Otto, Lenckner-FS, S. 193, 202 f., sowie Löwe-Krahl, Steuerhinterziehung, S. 34. 85 Vgl. Amelung, Grünwald-FS, S. 9, 11. 86 Vgl. Tag, JR 1997, 49, 52, sowie teilweise auch Wohlleben, S. 158. Diese Einwände verzerren freilich – ungeachtet der Frage, ob sie in der Sache zutreffen oder nicht – Hassemers Konzept insoweit im Interesse ihrer eigenen Kritik, als weder berücksichtigt wird, dass nicht allen, sondern nur speziell qualifizierten leges professionis eine solche Vermutung zu-

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chen der allgemeinen Sozialadäquanz beseitigen soll, ihrerseits kritisiert. Das Abstellen auf berufliche Regeln könne nämlich zu einer ungerechtfertigten Besserstellung beruflich (bzw. umgekehrt: zu einer Benachteiligung privat) handelnder Personen führen.87

2. Die Distanzierbarkeit vom Erfolg nach dem objektiv-sozialen Sinn der Ersthandlung Weniger auf den Gedanken der „Üblichkeit“ bzw. Adäquanz, sondern auf das Verhältnis der Verantwortlichkeit mehrerer für einen deliktischen Erfolg kausaler Personen stellt ein Ansatz ab, der in Weiterentwicklung der klassischen Lehre vom Regressverbot danach fragt, ob sich der Berufsträger erfolgreich von der Deliktsverwirklichung des unmittelbaren Verursachers „distanzieren“ kann. Maßgeblicher Gesichtspunkt ist hier also eine Vorstellung von „Zuständigkeiten“ und damit ein gewisses „Sphärenverständnis“. Die entsprechende Konzeption wurde in einem der frühen Beiträge zu der Problematik von Jakobs nicht speziell zur Frage der berufsbedingten Verhaltensweisen, aber doch teilweise anhand von Beispielen aus dem Berufsleben entwickelt.88 In Teilen knüpfen insbesondere Wolff-Reske in ihrer Monographie speziell zur Strafbarkeit von Berufsträgern89 sowie Jakobs’ Schüler Lesch in einer einschlägigen Passage seiner Habilitationsschrift über den Verbrechensbegriff sowie in einigen kürzeren Beiträgen90 an diese Gedanken an.91 (1) Ausgangspunkt von Jakobs’ Überlegungen ist die Feststellung, dass die klassische Zurechnungslehre, nach der beim Erfolgsdelikt durch aktive Begehung92 die vermeidbare Kausalität grundsätzlich haftungsbegründend sei, zu einer „Zurechnungshypertrophie“ führe.93 Den Grund für dieses weite Haftungsverständnis, das sich nicht an der Notwendigkeit, sondern an der Begründbarkeit einer Verantwortlichkeit orientiere, liege „im Ansatz beim Güterschutz“, der zu einer „Dogmatik kommt, noch erwähnt wird, dass Hassemer selbst eine Reihe von Indizien zur Widerlegung dieser Vermutung formuliert. 87 In diesem Sinne Löwe-Krahl, Steuerhinterziehung, S. 34, sowie Tag, JR 1997, 49, 52. 88 Grundlegend Jakobs, ZStW 89 (1977), 1 ff., fortgeführt dann auch in ders., AT, Abschn. 24 Rn. 15 ff. 89 Wolff-Reske, S. 123 ff. 90 Vgl. Lesch, Verbrechensbegriff, S. 186 ff. i.V.m. S. 257 ff., sowie ders., JR 2001, 383 ff., und ders., JA 2001, 986 ff. 91 Explizit mehrfach an Jakobs anknüpfend und ihm auch in der Sache nahestehend in der spanischen Strafrechtswissenschaft Silva-Sánchez, in: Eser / Huber / Cornils, Einzelverantwortung und Mitverantwortung im Strafrecht, S. 205 ff. 92 Beim Unterlassungsdelikt ist dies anders, da jeweils noch eine Garantenstellung und damit eine besondere Verantwortlichkeit für das Ausbleiben des Erfolges hinzukommen muss, vgl. dazu auch Jakobs, ZStW 89 (1977), 1, 2 f. 93 Vgl. Jakobs, ZStW 89 (1977), 1 ff.; vgl. auch Lesch, JA 2001, 986, 987 ff., zur Kritik an der Formel: „Erfolg plus Kausalität plus Vorsatz gleich Haftung“.

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der Sicherheit im polizeilichen Sinne“ führe. Die Untersagung „vermeidbarer Ursachen bis in alle Verästelungen hinein“ sei „zwar unter dem Aspekt der Erfolgsvermeidung konsequent; daß es aber auch nötig ist, in solcher Intensität strafrechtliche Garantien zu leisten, ist damit nicht ausgemacht“.94 Einem solchen rein auf Erfolgsvermeidung basierenden Konzept wird rechtssoziologisch fundiert95 ein Modell des Strafrechts als Instrument „kontrafaktischer Verhaltensstabilisierung“ gegenüber gestellt. Da soziale Kommunikation und Interaktion auf gegenseitigen Erwartungen basierten,96 sei zentrale Aufgabe des Rechts innerhalb einer Gesellschaft, den Umgang mit dem Abweichen von solchen Erwartungen und den darauf bezogenen „Erwartungserwartungen“ zu regeln.97 Charakteristisch für Rechtsnormen sei dabei, dass sie unabhängig davon Geltung beanspruchten, ob die in ihnen geronnene Verhaltenserwartung im Einzelfall erfüllt werde. Aus strafrechtlicher Sicht habe die Zurechnung eines Verhaltens als Delikt damit die Aufgabe einer „Garantie sicherer Erwartung des Verhaltens anderer, ,sicher‘ in dem Sinne, daß trotz der Enttäuschung, des Konflikts, die Erwartbarkeit nicht enttäuschten Verhaltens nicht preisgegeben werden muß“. Dies geschehe dadurch, dass durch die Zurechnung als Delikt „die Ursache eines Konfliktes durch Vereinzelung des Urhebers . . . auszumachen, genauer, zu definieren“ sei; „denn dem Zurechnungsadressaten wird bei voller Zurechnung die immer gegebene Möglichkeit eines weiteren Regresses auf die Genese seines Wollens . . . nicht gestattet.“98 Als Verhaltenserwartung könne aber strafrechtlich nicht stabilisiert werden, „daß niemand einem anderen die Möglichkeit gibt, die Auswirkungen des eigenen Verhaltens bis zu einem deliktischen Erfolg umzulenken.“ Erwartbar sei vielmehr nur, „daß niemand vermeidbar die Bedingungen eines deliktischen Verlaufes komplettiert.“ Bei einem nur mittelbar verursachenden Verhalten sei damit ausschlaggebend, „ob es der deliktischen Planung als der Enttäuschungswurzel zuzuschlagen ist oder ob es von der deliktischen Planung so weit entfernt ist wie die ja auch jenseits von Deliktsplänen nicht von Konfliktursachen freie Welt.“99 Vgl. Jakobs, ZStW 89 (1977), 1, 18. Vgl. insb. die Bezugnahmen auf Luhmann etwa bei Jakobs, ZStW 89 (1977), 1, 19 ff., sowie ders., AT Abschn. 1 Rn. 18, und bei Wolff-Reske, S. 85 ff. 96 Vgl. nur Dux, Rechtssoziologie, S. 32, sowie aus dem Blickwinkel der Rechtsethologie v. Rohr, Evolutionsbiologische Grundlagen des Rechts, S. 141 ff. 97 Vgl. Luhmann, Rechtssoziologie, S. 31 ff.; ders., Das Recht der Gesellschaft, S. 131 ff. Zu den Erwartungen innerhalb verschiedener Rollen vgl. auch Wolff-Reske, S. 129 ff. 98 Vgl. Jakobs, ZStW 89 (1977), 1, 19, unter Bezugnahme auf Luhmann. Vgl. ferner auch Lesch, JR 2001, 383, 384 (und wortgleich JA 2002, 986, 987 f.): „Stets geht es um die Frage, ob jemand für die Vermeidung eines Erfolgseintritts überhaupt rechtlich zuständig ist.“ (Hervorhebungen jeweils dort). 99 Vgl. Jakobs, ZStW 89 (1977), 1, 20; zustimmend Derksen, Handeln auf eigene Gefahr, S. 83 f., sowie Wolff-Reske, S. 123. Vgl. auch aus der spanischen Literatur Silva-Sánchez, in: Eser / Huber / Cornils, Einzelverantwortung und Mitverantwortung im Strafrecht, S. 205, 207 f., der (unter teilweiser Bezugnahme auf Jakobs) darauf hinweist, dass die „Zunahme sozialer Kontakte“ Anlass sowohl für Assoziierungs- als auch für Dissoziierungsphänomene 94 95

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2. Teil: Bestandsaufnahme

Wolff-Reske verknüpft diese Gedanken mit Überlegungen aus der soziologischen Rollentheorie:100 Entscheidend für die Zurechnung eines beruflichen Verhaltens als Beihilfe für eine Straftat sei, ob der Berufsträger sein Verhalten dem fremden Deliktsplan angepasst, es mithin zielgerichtet modifiziert habe. Als Vergleichsmaßstab für das modifizierte Verhalten dient das Verhalten, das „üblicherweise von ihm hätte erwartet werden müssen“. Erwartbar sei aber vom Berufsträger das Verhalten, das seiner Rolle entspreche.

Strafrechtliche Sanktionen seien daher zur kontrafaktischen Verhaltensstabilisierung nicht erforderlich, und ein Erfolg sei daher nicht zuzurechnen, wenn der mittelbar Verursachende sein Handeln „von der deliktischen Planung distanzieren“ könne,101 wenn es also nicht mit einem deliktischen Weltentwurf erklärt werden müsse. Im Einzelnen sei mittelbar verursachendes Verhalten (nur) durch deliktische Planung zu definieren, wenn es sich selbst allein aus der deliktischen Planung motivieren könne, wenn es den Plänen eines anderen angepasst werde,102 die ausschließlich deliktisch motiviert sein können, oder wenn der mittelbar Verursachende Garant dafür sei, dass bestimmte Gefahren nicht entstehen bzw. bestimmte Güter nicht verletzt werden.103 (2) Für die mittelbare Erfolgsverursachung durch berufsbedingtes Verhalten104 führt diese Konzeption in vielen Fällen zur Straffreiheit für „die üblichen Austauschgeschäfte des täglichen Lebens“:105 Mangels deliktischer Definition gemäß den o.g. Kriterien erfolgt nämlich keine Zurechnung bei standardisierten, nicht auf die Anschlusstat zugeschnittenen Verhaltensweisen.106 Berufsbedingte Verhaltensweisen sind aber regelmäßig gerade (mehr oder weniger) standardisiert107 und nicht durch den deliktischen Weltentwurf des unmittelbar Verursachenden motisein könne, so dass sich die Frage nach der Abgrenzung zwischen „gemeinsamem“ und nur „unmittelbar aufeinander folgendem Handeln“ stelle. 100 Vgl. Wolff-Reske, S. 129 ff. 101 Vgl. Wolff-Reske, S. 123 sowie Lesch, JR 2001, 383, 384. 102 Vgl. auch aus der spanischen Literatur Silva-Sánchez, in: Eser / Huber / Cornils, Einzelverantwortung und Mitverantwortung im Strafrecht, S. 205, 210 f., der davon spricht, dass „Subjekt 1, das im Grunde genommen ein Standardverhalten zeigen würde, seine Handlungssphäre reorganisiert“ (Hervorhebung dort). 103 Vgl. Jakobs, ZStW 89 (1977), 1, 23. 104 Vgl. dazu auch den Versuch einer Anwendung auf zahlreiche Fälle (die u. a. auch den Bereich berufsbedingten Verhaltens betreffen) bei Wohlleben, S. 55 ff., 69. 105 Vgl. Jakobs AT, Abschn. 24 Rn. 17. Ein den „üblichen Austauschgeschäften des täglichen Lebens“ ähnlicher Topos findet sich etwa auch in der englischen Literatur unter dem Stichwort der „ordinary marketbale commodity“, welches aber von anderen Stimmen zugleich als zu unbestimmt und nicht handhabbar kritisiert wird („A rule based on the nature of the thing as ,an ordinary marketable commodity‘ is not workable“, vgl. zur Diskussion Smith / Hogan, Criminal Law, S. 135). 106 Vgl. Derksen, Handeln auf eigene Gefahr, S. 84; Wolff-Reske, S. 127 f. 107 Dies ist eine fast zwingende Folge aus der Tatsache, dass die Herausbildung der unterschiedlichen Berufe geschichtlich nicht zuletzt damit zu erklären ist, dass durch Standardisierung und Spezialisierung effektiver gearbeitet werden konnte. Auch die zunehmende Spezialisierung innerhalb der Berufswelt der Gegenwart verfolgt unter anderem diesen Zweck.

B. Wichtige Lösungsaspekte in der bisherigen Diskussion

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viert oder für die Anschlusstat konstituiert. Allein in der Erbringung einer für den deliktischen Zweck nützlichen Leistung soll noch keine Anpassung an den Weltentwurf des Verletzers liegen, denn umgekehrt könne niemand erwarten, ein „Einbruch unterbleibe mangels Verfügbarkeit eines ordinären Schraubenziehers“.108 Zumeist lassen sich die berufsbedingten Leistungen vielmehr in all ihren Aspekten – möglicherweise von „drastisch deliktischen Kontexten“ abgesehen109 – auch unabhängig vom deliktischen Plan eines Kunden plausibel erklären, da sie ohne diesen in gleicher Weise an andere Kunden erbracht würden.110 Wenn weiterhin teilweise betont wird, dass gerade die – äußerliche – Wahrung der jeweiligen „Rolle“ einen Widerspruch zu den Verhaltenserwartungen der Gesellschaft ausschließt,111 so liegt eine solche Wahrung bei berufsbedingtem Verhalten regelmäßig vor: Das Handeln kann durch die Rolle als Berufsträger und ohne Rückgriff auf den deliktischen Weltentwurf des Verletzers erklärt werden. Selbst wenn die Handlung des Berufsträgers für den Verletzer (ausnahmsweise) objektiv allein zur deliktischen Verwendung Sinn hat, soll eine Haftung dann ausscheiden, wenn der Inhalt der Leistung stereotyp und nicht formbar ist.112 All dies gilt – wie Jakobs explizit betont – auch, wenn bei dem mittelbar Verursachenden Vorsatz vorliegt,113 wobei insoweit keine Differenzierung zwischen den Vorsatzarten vorgenommen wird.114 Anders liegt der Fall dagegen, wenn die berufliche Leistung auf den deliktischen Plan des Kunden hin – und sei es auch berufsbedingt – „zugeschnitten“ wird.115 In diesem Fall ist die Verwendung der Leistung zu deliktischen Zwecken die plausibelste Erklärung, oder aus umgekehrtem Blickwinkel: nur mit dem Delikt kann die Vgl. Jakobs, ZStW 89 (1977), 1, 20. Diese Einschränkung macht Jakobs, GA 1996, 253, 264, der hier den ebenfalls viel und in diversen Versionen diskutierten Fall der blutigen Schlägerei unmittelbar vor dem Laden nennt, in dem ein an sich handelsüblicher, jetzt aber als Waffe einzusetzender Gegenstand erworben wird; situative Elemente ebenfalls berücksichtigen möchte Frisch, Lüderssen-FS, S. 539, 545, während Silva-Sánchez, in: Eser / Huber / Cornils, Einzelverantwortung und Mitverantwortung im Strafrecht, S. 205, 208 f. (insb. dort mit Fußn. 12) noch stärker objektivierend allein auf die übliche Rolle abstellt. 110 Anhand von Beispielen wird dies näher illustriert bei Wohlleben, S. 55 ff. 111 In diesem Sinne Jakobs AT, 2. Abschn. Rn 17 f.; 24. Abschn. Rn 18; Wolff-Reske, S. 131 ff.; Lesch, JR 2001, 383, 386; zu diesem Aspekt auch Wohlleben, S. 56. 112 Vgl. Jakobs, ZStW 89 (1977), 1, 27 Fußn. 83 mit dem Beispiel des Betankens eines nicht verkehrstüchtigen Autos, das keine Beihilfe zu einer Verkehrsstraftat bzw. -ordnungswidrigkeit ist, weil der Vorgang des Betankens stereotyp und nicht auf die deliktischen Zwecke zugeschnitten ist. 113 Vgl. Jakobs, ZStW 89 (1977), 1, 26. 114 Gegen eine solche (insbesondere auch in Gestalt einer Straflosigkeit nur bei dolus eventualis) ausdrücklich Wolff-Reske, S. 58 f.; ebenso interpretiert wird der Jakobs’sche Ansatz auch von Wohlleben, S. 61 f. 115 Jakobs, ZStW 89 (1977), 1, 27 Fußn. 83, nennt das Beispiel eines Bäckers, der an seinen mordwilligen Kunden ein „ansonsten nicht vertreibbares Gebäck“ verkauft, das nur dem Zweck dienen kann, Gift für einen Giftmord zu verbergen. 108 109

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2. Teil: Bestandsaufnahme

speziell erbrachte Leistung befriedigend erklärt werden.116 Daneben sieht Jakobs eine Verantwortlichkeit des mittelbar Verursachenden dann als gegeben an, wenn „unmittelbar eine Lage geschaffen wird, in der die Enttäuschung einer Erwartenssicherheit von Rechts wegen oder tatsächlich unumgänglich ist“. Die Wurzel der Erwartungsenttäuschung sei nämlich in diesen Fällen schon in dem ersten Verhalten angelegt, die „Garantie von Schadlosigkeit . . . mit der Schaffung der Gefahrenlage dahin.“117 Diese spezielle Problematik wird ursprünglich zwar nicht mit Blick auf berufliches Handeln, sondern für die Auslösung von Rettungsmaßnahmen diskutiert. Sie könnte aber einschlägig sein, wenn durch berufsbedingtes Handeln eine Infrastruktur geschaffen wird, deren (vereinzelte) illegale Ausnutzung sich nicht als allgemeines Lebens-, d. h. hier: Erwartungsenttäuschungsrisiko darstellt, sondern die nahezu notwendige Folge dieser Struktur ist. (3) Das Konzept einer Distanzierung vom deliktischen Erfolg nach dem Kriterium der plausiblen Erklärbarkeit beim Leistenden auch ohne den deliktischen Plan des Leistungsempfängers erscheint relativ gut handhabbar und bringt zumeist klare Ergebnisse hervor.118 Dennoch ist es – wohl nicht zuletzt auch auf Grund seiner weitreichenden Strafbarkeitseinschränkungen in den Ergebnissen – in seinen theoretischen Grundlegungen verschiedenen Einwänden ausgesetzt: (a) Bereits die komplexen119 rechtssoziologischen und rechtsphilosophischen Grundlegungen Jakobs’ werden von Wohlleben in Frage gestellt.120 Die OrientieVgl. auch die Analyse von unterschiedlichen Beispielsfällen bei Wohlleben, S. 60 f. Vgl. Jakobs, ZStW 89 (1977), 1, 34. 118 Vgl. dazu nochmals die umfangreiche Fallanalyse bei Wohlleben, S. 55 ff. sowie das ähnliche Fazit S. 81. 119 Trotz ihrer Komplexität erscheinen allerdings die Grundlegungen Jakobs’ – entgegen einem (nicht nur, aber auch auf diese bezogenen) Vorwurf Weigends, Nishihara-FS, S. 197, 204 – m.E. über den Verdacht erhaben zu sein, „daß sie zunächst als ,case law‘ im Billigkeitsgefühl des jeweiligen Autors gründen und daß der theoretisch-kategoriale Überbau mit seinen verschiedenen Regeln und Ausnahmen erst nachträglich zur Rechtfertigung dieser Einzelergebnisse geschaffen und im Detail den als zutreffend empfundenen Falllösungen angepaßt worden ist.“ Damit soll nicht ausgeschlossen werden, dass einzelne Facetten des Jakobs’schen Systems gerade mit Blick auf bestimmte Fälle ausdifferenziert wurden; indes ist dies allein noch nicht kritikwürdig, da grundsätzliche Probleme eben häufig erst anhand eines speziellen Falles als solche deutlich zu werden pflegen und da überdies eine Ausdifferenzierung und Modifizierung von Prämissen im Laufe eines – in der Fachwelt oder auch nur mit sich selbst ausgetragenen – diskursiven Prozesses schon auf Grund der reflexiven Struktur argumentativen Redens (vgl. dazu grundlegend Wohlrapp, Argumentative Geltung, in: ders. (Hg.), Wege der Argumentationsforschung, S. 280 ff.) unvermeidbar ist. Gerade Jakobs’ Behandlung der Problematik baut aber zumindest grundsätzlich auf von ihm auch in anderen Zusammenhängen dargelegten Prämissen auf; die klaren Ergebnisse, die auch Dritte bei der Anwendung der Jakobs’schen Grundsätze auf neue Fälle erzielen können (vgl. dazu nochmals die Darstellung bei Wohlleben, S. 55 ff.), sprechen – ungeachtet dessen, wie man zu diesen Ergebnissen steht – entschieden gegen die Annahme, dass die Gesamtkonzeption zur Rechtfertigung der Ergebnisse einzelner behandelter Fälle „nachgeschoben“ wurde. 120 Vgl. zum Folgenden näher Wohlleben, S. 81 ff. (zu Jakobs) bzw. S. 93 f. (zu Wolff-Reske). 116 117

B. Wichtige Lösungsaspekte in der bisherigen Diskussion

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rung Jakobs’ an der gesellschaftlichen Funktion des Rechts sei begründungsbedürftig, da ein Gleichlauf zwischen der äußerlich (gesellschaftlich) beobachtbaren Funktion eines Systems und seiner inneren Aufgabe (als Ausgangspunkt der Rechtsdogmatik) keineswegs selbstverständlich sei. Ohne die Unterstellung eines solchen Gleichlaufes dürften aber auch nicht die realen, sondern müssten normativ aufgeladene Verhaltenserwartungen der Gesellschaft zur Grundlage dogmatischer Überlegungen gemacht werden. Ganz konkret dürften daher nicht die faktischen sozialen Bedingungen – unter denen in der Tat nicht zu erwarten ist, dass ein Einbruch „mangels Verfügbarkeit eines ordinären Schraubenziehers“ unterbleibt – darüber entscheiden, welche Verhaltenserwartungen normativ zu stabilisieren seien; vielmehr müssten sich diese Erwartungen aus dem Rechtssystem selbst ergeben.121 Eine ähnliche Kritik übt Wohlleben122 an der rechtsphilosophischen Fundierung von Jakobs’ System bei Hegel.123 Auch aus Hegels Rechts- und Staatsphilosophie lasse sich nicht ohne weiteres ableiten, dass die realen gesellschaftlichen Gegebenheiten auch Vorgaben für das Recht als Seiensordnung erzeugten. Hegels „Was vernünftig ist, das ist wirklich; und was wirklich ist, das ist vernünftig.“ beruhe nämlich auf einem eingeschränkten Begriff der „Wirklichkeit“, welcher nicht alle „Realitäten eines Realismus“ umfasse, sondern sich von den akzidentiellen Erscheinungen des Daseins dadurch absetze, dass er seine stetige Eigenart ausmache. Was aber „die wesenhaften Charakteristika der gegenwärtigen Gesellschaft, ( . . . ) ihre innere Vernunft, ( . . . ) Notwendigkeit für ihr Bestehen“ ausmache, könne jedenfalls nicht allein durch den „Zugriff auf (vielleicht nur zufällige, unwesenhafte) Realitäten“ bestimmt werden, sondern bedürfe im Einzelfall genauerer Prüfung und Darlegung.124

Gewissermaßen eine Fortsetzung dieser Kritik findet sich in dem von Amelung vorgebrachten Einwand der mangelnden Berücksichtigung der „normgeltungserschütternden Wirkung einer bewußten Förderung fremder Straftaten“.125 Die realen Umstände sind nach seiner Auffassung nicht nur ein fragwürdiger Anknüpfungspunkt für normative Postulate an das zu erwartende Verhalten, sondern, einen Schritt weiter gedacht, könnten entsprechende Verhaltensweisen – insbesondere wenn sie unsanktioniert bleiben – noch bestehende normative Vorgaben angreifen. Wer eine bevorstehende Straftat wissentlich fördere, bilde ein fast klassisches BeiVgl. Wohlleben, S. 89. Vgl. zum Folgenden Wohlleben, S. 90 ff. mit Bezugnahme auf Hegelinterpretationen bei Löwith, Von Hegel zu Nietzsche, und Beyer, Denken und Bedenken. 123 Deutlich etwa bei Jakobs, AT, 1. Abschn. Rn. 21. 124 Nicht ohne Pathos bringt Wohlleben, S. 92, dies auf den Nenner: „Das ist schwierige Debatte, dialektisches Suchen“. Ohne selbst in den Streit um die zutreffende Hegel-Interpretation eingreifen zu wollen, sei insoweit nur angemerkt: Es ist nicht wirklich verwunderlich, wenn gerade das Verständnis Hegel’scher Äußerungen bei verschiedenen Interpreten deutlich differiert. Die vielfach nahezu Beliebigkeit des Verständnisses vieler Hegel-Passagen wird in der Philosophiegeschichte (wohl stärker als z.T. in der rechtsphilosophischen Rezeption) häufig betont – und zwar keineswegs nur bei denen, die insoweit etwa der hegelkritischen Linie Poppers folgen. 125 Vgl. Amelung, Grünwald-FS, S. 9, 16, 15. 121 122

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2. Teil: Bestandsaufnahme

spiel einer Person, die für sich das strafrechtliche Verbot nicht als verbindlich betrachtet und damit einer unerträglichen Normmissachtung. (b) Weitere Kritikpunkte werden aus der Dogmatik der Teilnahmelehre hergeleitet, welche naturgemäß ein wichtiger Prüfstein für einen Ansatz ist, der sich mit dem Verhältnis der Verantwortlichkeit mehrerer Verursacher zueinander befasst. Zunächst bemängelt erneut Amelung (nicht nur, aber auch mit Blick auf Jakobs), Lösungsvorschläge für das Problem der neutralen Beihilfe dürften nicht zu allgemein ansetzen, sondern müssten sich auf die spezifischen Grundlagen des Beihilfeunrechts beziehen.126 Des Weiteren wird das mit der Zuweisung von „Zuständigkeiten“ verbundene „Sphärendenken“ jedenfalls insoweit kritisiert, als es auch auf Teilnahmefragen Anwendung finden soll. Gerade die §§ 26, 27 StGB gingen nämlich davon aus, „daß den Teilnehmer die Verantwortung für Erfolge trifft, für die auch ein anderer die Verantwortung zu tragen hat“, so dass für ein Regressverbot hier letztlich kein Platz sei. Insoweit sei generell zu kritisieren, wenn Fragen der Teilnahmestrafbarkeit vorrangig mit Rückgriff auf allgemeine Zurechnungsprinzipien statt auf die Beihilfe- und Anstiftervorschriften beantwortet würden.127 Schließlich wird dem Modell einer Straflosigkeit kraft Distanzierung vorgeworfen, dass es eine Art „kriminelles ,Gemeinschaftsverhältnis‘ zwischen Haupttäter und Gehilfen“ zur Voraussetzung einer Beihilfestrafbarkeit mache. Das Erfordernis einer „ ,gemeinsamen Organisation‘ unterhalb der Mittäterschaft“ sei aber dem Gesetz fremd. Vielmehr sei die Strafbarkeit der Teilnahme durch die Akzessorietät sowie die rechtlich missbilligte Risikoerhöhung für das geschützte Rechtsgut hinreichend legitimiert.128 (c) Schließlich treffen den „Distanzierungsansatz“ noch Einwände mit Blick auf – für ihn – weniger zentrale Gesichtspunkte, die sich nur als Folgen aus ihm ergeben und bei ihm nicht stärker ausgeprägt sind als bei anderen Lösungsvorschlägen. So wird in der oben bereits zitierten – freilich eher provokativen und in ein Beispiel gekleideten, nicht wirklich argumentierenden – Aussage Jakobs’, niemand könne erwarten, „ein Einbruch unterbleibe mangels Verfügbarkeit eines ordinären Schraubenziehers“, eine Argumentation mit hypothetischen Kausalverläufen (nämlich der unterstellten anderweitigen Erlangung dieses Schraubenziehers) gesehen. Deren Berücksichtigung sei aber bei der Prüfung einer Beihilfestrafbarkeit unzulässig.129 Zuletzt wird kritisiert, dass das bei Jakobs anklingende Abstellen auf die vom mittelbaren Verursacher vorgenommene Sinngebung eines Verhaltens diesem eine zu große Definitionsmacht über sein Verhalten einräume und daher die „StrafVgl. Amelung, Grünwald-FS, S. 9, 16. Vgl. Amelung, Grünwald-FS, S. 9, 16. Ähnlich zur Abgrenzung von Verantwortungssphären im Zusammenhang mit der Teilnahme (wenngleich nicht im Zusammenhang mit dem Konzept von Jakobs) Beckemper, Jura 2001, 163, 167 f. 128 Vgl. Otto, Lenckner-FS, S. 193, 204 f. 129 Vgl. Roxin, Miyazawa-FS, S. 501, 514, 510; ähnlich auch Amelung, Grünwald-FS, 9, 14 (nicht unmittelbar gegen Jakobs). 126 127

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barkeit in erheblichem Maße von seinem Aussage- und Verteidigungsgeschick“ abhängen ließe.130 3. Die Pflichtgemäßheit des Verhaltens als Grund für den Ausschluss des Tatbestandes Ein weiterer, in unterschiedlichen Ausprägungen verfolgter, Ansatz sucht die Lösung in einem Ausschluss der strafrechtlichen Verantwortlichkeit (auch für vorsätzliches Handeln) bei der fehlenden Pflichtwidrigkeit des Verhaltens. Dabei wird – zumeist unter Verortung bei der objektiven Zurechnung – teilweise auf den fehlenden Verstoß gegen spezielle Verhaltensnormen, teilweise auf den Maßstab des Fahrlässigkeitsdelikts abgestellt.131 (1) Ausgangspunkt der Überlegungen ist, dass ein – der Einfachheit halber hier in Anlehnung an Ransiek einheitlich als Pflichtwidrigkeit bezeichneter132 – Pflichtverstoß, der neben die Erfolgsursächlichkeit treten müsse, alle Verbrechensformen durchziehe: Was beim Fahrlässigkeitsdelikt als Sorgfaltspflichtverletzung und beim Unterlassungsdelikt als Verstoß gegen eine Handlungspflicht kraft Garantenstellung schnell deutlich werde, liege beim vorsätzlichen Begehungsdelikt in der objektiven Zurechnung verborgen. Es genüge nicht die Verwirklichung irgendeiner gesetzten Gefahr, sondern nur einer pflichtwidrig gesetzten. Daher sei die Pflichtwidrigkeit auch Merkmal der vorsätzlichen Begehungsdelikte und damit konsequenterweise auch der Teilnahmestrafbarkeit. 133 Dabei sei die Verletzung einer schutzgutbezogenen Rechtspflicht zwar eine wichtige (vgl. sogleich unten), jedoch keine zwingende Voraussetzung. Ebenso wie beim Fahrlässigkeitsdelikt die Sorgfaltspflichtverletzung im Verstoß gegen eine gesetzliche Vorschrift (etwa der StVO) liegen kann, aber nicht liegen muss, könne auch beim Vorsatzdelikt allgemeiner danach gefragt werden, ob das Interaktionsverhältnis zwischen (mittelbarem) Verletzer und Opfer gesellschaftlich akzeptiert sei oder nicht.134 Schon dieVgl. Niedermair, ZStW 107 (1995), S. 507, 509. Soweit terminologisch teilweise ebenfalls auf ein Fehlen der Pflichtwidrigkeit abgestellt, dieses aber mit der Einhaltung der beruflichen Rolle begründet wird (wie etwa in einzelnen Passagen bei Wolff-Reske oder Hassemer, wistra 1995, 41 ff., 81 ff.), wird dieser Gedanke hier nicht erneut vertieft, da die entsprechenden Ansätze schon bei den entsprechenden Ausführungen oben dargestellt wurden. Ebenso werden hier solche Ansätze nicht erwähnt, die zwar teilweise auf ähnliche Aspekte zurückgreifen, im Wesentlichen aber an anderen, unten noch dargestellten Kriterien ansetzen (so z. B. die Lösung von Otto, Lenckner-FS, S. 193 ff.). 132 Vgl. wistra 1997, 41, 42, sowie ders., in: Amelung (Hg.), Organisationen, S. 95, 96. 133 Vgl. Ransiek, wistra 1997, 41 ff., sowie ders., in: Amelung (Hg.), Organisationen, S. 95, 96 ff.; insoweit nahestehend auch Schall, Meurer-GS, S. 103 ff., insb. 114 ff. Noch pointierter mit Bezug zum Fahrlässigkeitsdelikt (wenngleich ohne Bezug zur hier letztlich interessierenden Frage) Herzberg, JuS 1996, 377, 381, sowie dazu näher auch unten S. 322 ff. 134 Vgl. Ransiek, wistra 1997, 41, 42, sowie ders., in: Amelung (Hg.), Organisationen, S. 95, 97. 130 131

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2. Teil: Bestandsaufnahme

se kurze Einordnung macht klar, dass „die Pflichtwidrigkeit“ als allgemeines Merkmal nur geringe Trennschärfe aufweist und näher ausfüllungsbedürftig ist.135 (2) Für die Konkretisierung der Pflichtwidrigkeit, d. h. als Gründe für eine mangelnde Akzeptanz des Interaktionsverhältnisses, wird nun – wie man sich unschwer vorstellen kann – ein bunter Strauß unterschiedlicher Wertungsgesichtspunkte angeführt. Diese stecken (nicht nur, aber auch) für berufsbedingtes Verhalten gewisse Grenzen zwischen strafbarem und straflosem Verhalten ab.136 In der Tendenz wird auch hier – mit Unterschieden zwischen einzelnen Autoren im Detail – die strafrechtliche Verantwortung für die mittelbare Erfolgsverursachung durch berufsbedingtes Verhalten in vielen Bereichen eingeschränkt. Den konzeptionell klarsten Fall einer Pflichtwidrigkeit (und damit einer zu bejahenden Strafbarkeit) soll nach Auffassung verschiedener Autoren die Verletzung schutzgutbezogener (Rechts-)Normen bilden:137 Werde gegen solche verstoßen, ergebe sich daraus auch die Pflichtwidrigkeit mit Blick auf einen durch diesen Verstoß ermöglichten Erfolg (wobei im Einzelfall freilich problematisch sein könne, wann eine Pflicht „schutzgutbezogen“ sei138 und wann tatsächlich ein Verstoß gegen sie vorliege139). Umgekehrt wird teilweise für bestimmte Situationen ange135 Ähnliches gilt für andere „übergeordnete“ Schlagworte, die von Autoren in der Schweiz und in Österreich herangezogen werden. So etwa das „erlaubte Risiko“ bzw. „die Definition des sozialen Sinnes von Handlungen durch die befolgten Konventionen“ bei Stratenwerth, schwAT I, § 13 Rn. 115, sowie diesem vollständig folgend Riklin, schwAT, § 18 Rn. 34; die Kategorie des erlaubten Risikos ausfüllend durch die Verletzung spezieller gesetzlicher Verhaltensverbote, Schutzpflichten (insb. Garantenstellungen) sowie den konkreten situativen Kontext (etwa Ausrichtung an deliktischen Zielen, fehlende Möglichkeiten legaler Verwendungen und raumzeitliche Nähe) Wohlers, SchwZStrR 117 (1999), 425, 435. In einem „gewissen Kernbereich der allgemeinen Handlungsfreiheit“ Haftungsprivilegien anerkennend, die „nicht nur für eine fahrlässige, sondern ebenso für eine vorsätzliche Mitwirkung“ gelten und objektiv etwa anhand der Enge des „zeitlichen und aktionsmäßigen Zusammenhang(s)“ zu bestimmen seien, Schmoller, Triffterer-FS, S. 232, 247. 136 Vgl. dazu auch den Versuch einer Anwendung speziell des Ansatzes von Puppe auf zahlreiche Fälle (die u. a. auch den Bereich berufsbedingten Verhaltens betreffen) bei Wohlleben, S. 70. 137 Vgl. neben Ransiek, wistra 1997, 41, 43, und den in Fußn. 140 und 141 Genannten etwa auch Rabe von Kühlewein, JZ 2002, 1139, 1145, Schall, Meurer-GS, S. 103, 121, Wohlers, NStZ 2000, 169, 173, sowie Wolff-Reske, S. 143 ff. 138 Vgl. hierzu Ransiek, wistra 1997, 41, 43 f., sowie Wolff-Reske, S. 143 ff. Als klares Beispiel einer schutzgutbezogenen Norm werden verbreitet die Gefahrstoffverordnung oder das Waffengesetz beim Verkauf davon erfasster Gegenstände genannt, da die Einhaltung dieser Vorschriften gerade Gefahren, die aus dem Inverkehrbringen der entsprechenden Gegenstände erwachsen können, einschränken soll. Häufig genanntes Gegenbeispiel ist der Verkauf eines Gegenstandes unter Missachtung des Ladenschlussgesetzes, da dieses in keinem inneren Bezug zu den verkauften Gegenständen (und eventuellen von ihnen ausgehenden Gefahren) stehe. 139 Wichtigstes Beispiel für die insoweit bestehenden Schwierigkeiten ist die aus der Diskussion um die Beihilfestrafbarkeit von Bankmitarbeitern zur Steuerhinterziehung bekannte Vorschrift des § 154 AO, dessen Wortlaut einen anonymisierten Geldtransfer über CpD-

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nommen, der fehlende Verstoß gegen gesetzliche Vorschriften spreche auch entschieden gegen eine Strafbarkeit wegen der mittelbaren Verletzung. So spricht sich Puppe dafür aus, dass jedenfalls in Fällen, in denen bis zur Tatausführung durch den unmittelbaren Verletzer noch ein längerer Zeitraum verstreichen solle, ein Beitrag straflos zu sein hat, der keinem speziellen Reglement unterliegt. Anders ausgedrückt: Solange nicht gegen entsprechende Verkehrsverbote verstoßen wird, ist eine fördernde Leistung im weiten zeitlichen Vorfeld zur Tat sowohl unter Fahrlässigkeits- als auch unter Beihilfegesichtspunkten straflos.140 Ähnlich scheint für spezielle Fälle Otto das Fehlen eines Verbotsverstoßes als Grund für die Straflosigkeit von (auch vorsätzlichen) Unterstützungshandlungen anerkennen zu wollen. Im Zusammenhang mit der Diskussion um die Strafbarkeitsrisiken von Bankmitarbeitern wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung sieht er zwar durch einen Bankmitarbeiter, der gegen „Vorschriften verstößt“, die der Wahrung und Durchsetzung des Steueranspruchs dienen, „ein Risiko begründet, das über das erlaubte Maß hinausgeht“. Darüber hinaus gelte aber, „daß der Bankmitarbeiter sich bei der Vornahme berufstypischer Bankgeschäfte keiner Beihilfe zur Steuerhinterziehung des Kunden schuldig macht, wenn er die rechtlichen Regeln nicht verletzt, die die Durchsetzung des Steueranspruchs sicherstellen sollen.“141 Grund hierfür sei, dass „der Steuerstraftäter nicht vom Bankverkehr auszuschließen ist, so daß die im Bankverkehr üblichen, ohne Verstoß gegen gesetzliche oder sonstige rechtliche Regelungen erfolgenden Leistungen auch ihm gegenüber erbracht werden dürfen.“142

Lässt sich eine solche Verletzung einer schutzgutbezogenen Vorschrift nicht nachweisen, ist – erforderliche, allerdings nicht hinreichende – Voraussetzung einer Pflichtwidrigkeit, dass für den Fördernden „sicher oder doch wenigstens sehr nahe liegend ist, daß die Tat begangen wird“. Allerdings soll es sich nach Ransiek als einem Vertreter des hier sogenannten „Pflichtwidrigkeitsansatzes“ insoweit (zumindest konstruktiv) um keine Straflosigkeit bei dolus eventualis handeln. Entscheidend seien vielmehr die objektiven Umstände, d. h. die Frage, „ob sich objekKonten nicht zu betreffen scheint, während Nr. 3 des AEAO zu § 154 AO die Zulässigkeit der Verwendung von CpD-Konten erheblich einschränkt. Vgl. dazu statt vieler Carl / Klos, wistra 1990, 41 ff.; Ransiek, wistra 1995, 41, 43 f. (jew. m. w. N.). 140 Vgl. NK-Puppe, § 155 Rn. 155 f. (die sich wohl auch – wenngleich nicht ganz unzweideutig – auf Vorsatzdelikte bezieht, vgl. auch Wohlleben, S. 28 f. mit Fußn. 144) sowie dies., Erfolgszurechnung I, S. 152 (wo es explizit um „Beihilfe ( . . . ) durch sozialadäquates Verhalten“ geht). 141 Vgl. Otto, Lenckner-FS, S. 193, 224, mit Verweis auf Ransiek, wistra 1990, 41, 43, 45, sowie Moos, in: Leitner (Hg.), Aktuelles zum Finanzstrafrecht, S. 112 ff. 142 Vgl. Otto, Lenckner-FS, S. 193, 223 (Hervorhebung durch den Verf.): Dabei können die genannten gesetzlichen oder sonstigen rechtlichen Vorschriften sinnvollerweise nur über § 370 AO hinausgehende sein, da sich die Argumentation anderenfalls im Kreis drehen würde. M.E. setzt sich Otto hier – möglicherweise auf Grund der von ihm besonders betonten Besonderheiten des § 370 AO, der strukturell eher einer Vereitelungshandlung ähnele (vgl. a. a. O., S. 221 f.) – in einen gewissen Widerspruch zu seinen vorher sorgfältig und überzeugend begründeten allgemeinen Regelungen über die Beihilfe durch berufstypisches Handeln, wo Otto keinen völligen Strafbarkeitsausschluss, sondern eine Begrenzung auf Fälle des dolus directus (und damit eine für Bankmitarbeiter gerade abgelehnte, vgl. a. a. O., S. 224 a.E., Differenzierung auch im subjektiven Bereich) postuliert.

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2. Teil: Bestandsaufnahme

tiv unter Berücksichtigung des Wissens des Tatfördernden die Straftatbegehung hinreichend sicher ergibt.“143 Dies führt nun allerdings nicht dazu, dass bei Vorliegen von dolus directus bzw. entsprechender objektiver Anhaltspunkte eine mittelbare Verletzung stets strafbar wäre. Selbst unter solchen Umständen solle nämlich eine Pflichtwidrigkeit ausscheiden, wenn sich die Unterstützung nicht gegen das geschützte Rechtsgut richte und „der Bezug zur Tat ganz untergeordnet ist“. Dies sei insbesondere der Fall, wenn die Förderung in nichts anderem als in der Deckung der „allgemein grundlegenden Lebensbedürfnisse des Täters“ bestehe. Hier liege ein Unterschied zum Verkauf eines Brötchens an den Giftmörder oder des Werkzeugs an den Einbrecher, da diese unmittelbar der Tatbegehung dienten.144 Eine weitere – allerdings nicht näher begründete – Einschränkung der (Beihilfe-)Strafbarkeit soll eingreifen, wenn der Beitrag des Berufsträgers vom Täter immer auch zumindest „gemischt-legal“, d. h. zugleich legal und illegal genutzt wird.145 Voraussetzung einer Strafbarkeit sei also umgekehrt die ausschließlich deliktische Nutzung durch den Täter (wobei nicht auf die Nutzbarkeit, sondern auf die konkrete, dem Gehilfen bekannte Nutzung abzustellen sei). Schließlich scheide eine Strafbarkeit aus, wenn dem Täter nur etwas zurück-geleistet wird, was ihm ursprünglich ohnehin zur Verfügung gestanden hatte. Da Ransiek diese Konstellation explizit von Rechtsgeschäften über neue, dem Täter ursprünglich nicht zur Verfügung stehende Hilfestellungen abgrenzt, bleiben für diese Fallgruppe im Bereich berufsbedingten Handelns im Wesentlichen nur die Tätigkeit des Bankmitarbeiters (bei der Rückzahlung von Spareinlagen) und des Verwahrers sonstiger Gegenstände im weiteren Sinne. (3) Das Postulat der positiv festzustellenden Pflichtwidrigkeit erscheint zwar – ungeachtet der näher zu untersuchenden Frage einer völligen Gleichsetzung mit dem bei Fahrlässigkeitsdelikten anerkannten Merkmal – zunächst nachvollziehbar. Allerdings wäre nicht nur zu begründen, weshalb sich eine Missbilligung der Interaktion nicht (oder zumindest nicht grundsätzlich) bereits aus der Tatsache der Unterstützung fremder Straftaten ergibt, die ja immerhin in § 27 StGB ohne zusätzliche Voraussetzungen mit Strafe bedroht zu sein scheint.146 Vielmehr ist 143 Vgl. Ransiek, wistra 1997, 41, 44, sowie ders., in: Amelung (Hg.), Organisationen, S. 95, 100.; insoweit ganz ähnlich Rabe von Kühlewein, JZ 2002, 1139, 1144. 144 Vgl. Ransiek, wistra 1997, 41, 45, sowie ders., in: Amelung (Hg.), Organisationen, S. 95, 101 f.; mit Einschränkungen auch Otto, Lenckner-FS, S. 193, 219; ähnlich auch bereits Frisch, Verhalten und Zurechnung, S. 294, mit der Begründung, dass die Leistung in solchen Fällen „gar nicht die spezifischen (Vor-)Bedingungen zur Begehung der Tat“ schaffe. 145 Ransiek, wistra 1997, 41, 46, sowie ders., in: Amelung (Hg.), Organisationen, S. 95, 102 ff. Ransiek befasst sich v.a. mit Fragen der Beihilfe; dass unter den entsprechenden Umständen, unter denen der objektive Beihilfetatbestand mangels Pflichtwidrigkeit ausgeschlossen sein soll, eine bloße Fahrlässigkeitsstrafbarkeit ebenfalls entfallen würde, liegt auf der Hand. Dies gilt umso mehr vom Standpunkt Ransieks aus, da er ja die Pflichtwidrigkeit als allgemeines, Vorsatz- und Fahrlässigkeitsdelikte in gleicher Weise prägendes Merkmal untersuchen will.

B. Wichtige Lösungsaspekte in der bisherigen Diskussion

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mit dem Hinweis auf das Pflichtwidrigkeitserfordernis allein allenfalls für die Einordnung des Problems, nicht dagegen für seine Lösung viel gewonnen, wie die äußerst heterogenen Kriterien zeigen, die zur Begründung der Pflichtwidrigkeit zusammengestellt werden. Doch auch diese Kriterien selbst sind in der Literatur in unterschiedlicher (und teilweise durchaus gegenläufiger) Weise Kritik ausgesetzt: (a) So wird im Zusammenhang mit den schutzgutbezogenen Rechtspflichten einerseits die Relevanz ihrer Verletzung für eine Pflichtwidrigkeit, andererseits aber auch diejenige einer fehlenden Verletzung für die Pflichtgemäßheit bestritten: Hinsichtlich der ersten Frage äußert Wohlleben die „allgemein gegenüber Schutzzwecküberlegungen bestehenden Bedenken“, dass die entsprechenden Regelungen in der Strafbarkeitsprüfung unbrauchbar seien, da sich Aussagen über die Strafbarkeit methodisch nur aus Normen des Strafrechts selbst, nicht aus den Sorgfaltsmaßstäben anderer Gesetze ergeben könnten.147 Gegen die These von der Pflichtwidrigkeit wegen Verstoßes gegen außerstrafrechtliche Vorschriften spricht sich mittelbar auch Amelung aus, der eine Beihilfestrafbarkeit als Konsequenz aus der Verletzung eines verwaltungsrechtlichen Verbotes (z. B. nach dem Waffengesetz) durch den Berufsträger ablehnt. Zum einen sei den entsprechenden akzessorischen Straftatbeständen des Nebenstrafrechts der Vorrang vor § 27 StGB zu geben. Zum anderen könne auf Grund der „Abstraktheit des Erfolgsrisikos“ unbedenklicherweise „derjenige, der die Realisierung eines verwaltungsrechtlich verbotenen Risikos ernst nimmt (sc: und sich daher an das Verbot hält), demjenigen gleichgestellt (sc. werden), der das unerlaubte Risiko eingeht (sc. weil er gegen das Verbot verstößt), aber darauf vertraut, daß der schädliche Erfolg nicht eintritt.“148

Hinsichtlich der umgekehrten Folgerung der Straflosigkeit bei fehlendem Verstoß gegen entsprechende Primärpflichten (also z. B. Verkehrsverbote) wird vereinzelt vorgebracht, eine solche Forderung könne schon mangels ausreichend vieler entsprechender Sondervorschriften „aus praktischen Erwägungen nicht ( . . . ) überzeugen“.149 Der Vorwurf der mangelnden Praktikabilität ist dabei allerdings 146 Hierauf weist Amelung, Grünwald-FS, S. 9, 21, hin; in eine ähnliche Richtung zielt es, wenn Niedermair, ZStW 107 (1995), S. 507, 535, feststellt, dass gerade bei akzessorischen Rechtsgutsangriffen wie der Beihilfe keine ausschließliche Zuständigkeit zur Gefahrbekämpfung beim Täter liege. 147 Vgl. Wohlleben, S. 96 i.V.m. S. 95 (Verweis auf entsprechende Einwände gegen WolffReske) unter – allerdings wohl zu weit gehender – Bezugnahme auf Frisch, Verhalten und Zurechnung, S. 80 ff., 82 (der selbst auf S. 90 ff. der Regelung durch „vorstrafrechtliche Risikolimitierung“ durchaus auch für die Frage einer strafrechtlich missbilligten Gefahrschaffung Bedeutung zumisst). 148 Vgl. Amelung, Grünwald-FS, S. 9, 26; nach dem Gesamtzusammenhang ist mit dem „Vertrauen, dass der Erfolg nicht eintritt“, wohl gemeint, dass der gegen das Verbot Verstoßende keine konkreteren Anhaltspunkte für eine Straftat des Dritten hat (vgl. auch die Darstellung unten S. 143). In einem weiteren Sinne verstanden würde das Vertrauen auf das Ausbleiben des Erfolges nämlich schon nach allgemeinen Grundsätzen sogar bedingten Vorsatz und damit eine Beihilfe ausschließen. 149 So Beckemper, Jura 2001, 163, 167.

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2. Teil: Bestandsaufnahme

insofern problematisch, als er für die Vielzahl der anderen Fälle offenbar gerade ein – ja durchaus bestrittenes – Strafbedürfnis voraussetzt. Auch, ob „kein Grund ersichtlich (sc. ist), warum das Beschaffen nicht generell gefährlicher Werkzeuge dann nicht verboten sein soll, wenn der Beschaffende von dem geplanten Verwendungszweck weiß“, und ob es wirklich „nicht einsichtig (sc. ist), warum zwischen dem Verkäufer des Giftes und dem Verkäufer des Brötchens unterschieden werden soll“,150 ist gerade die Frage. Präziser erscheint daher der Einwand formuliert, dass ein generelles „Verbot mit Erlaubnisvorbehalt für Allerweltswerkzeuge“ – sc.: selbst wenn der Gesetzgeber in solchen Fällen gerne zu einer Strafbarkeit kommen wollte! – nicht möglich erscheint, „weil derartige Reglementierungen für irgendwie mißbrauchbare Gegenstände und Informationen das Sozialleben völlig lahm legen würden.“151 (b) Gegen die Annahme einer Straflosigkeit bei gleichzeitig pflichtgemäßem und pflichtwidrigem Handeln wendet Amelung ein,152 dass „gerade das Umgekehrte ( . . . ) richtig“ erschiene. Es gebe keine Handlungen, die zugleich rechtmäßig und rechtswidrig seien, vielmehr mache eben der Verstoß gegen eine Rechtsvorschrift ein Handeln rechtswidrig,153 unabhängig davon, ob damit zugleich auch legale Zwecke verbunden wären. Etwas anderes könne sich nur im Rahmen einer Güterabwägung bei der ausnahmsweisen Verfolgung höherrangiger Zwecke ergeben, für die es allerdings an Kriterien fehle. (c) Als Schwäche des Kriteriums der Erfüllung grundlegender Lebensbedürfnisse schließlich erkennt Ransiek selbst die Tatsache, dass deren Grenzen im Einzelfall sehr schwer zu bestimmen sind.154 Des Weiteren wird abermals von Amelung darauf hingewiesen, dass es Fälle gibt, in denen die Straflosigkeit wegen der Befriedigung grundlegender Lebensbedürfnisse des Täters keineswegs offensichtlich ist. Genannt werden „zeitlich gestreckte Delikte“, so etwa die Verpflegung eines Geiselnehmers mit einem Brotpaket.155 Vgl. a. a. O. Vgl. Niedermair, ZStW 107 (1995), S. 507, 536. Jedenfalls rein tatsächlich bestehen bei weitem nicht für alle Bereiche ausreichend enge gesetzliche Vorgaben, vgl. auch Schall, Meurer-GS, S. 103, 107. Gegen das Erfordernis eines Verstoßes auch mit anschaulichem Beispiel für die dann drohenden Umgehungsmöglichkeiten Löwe-Krahl, Steuerhinterziehung, S. 33. Zur Frage, ob umgekehrt Schlussfolgerungen in Richtung auf die Straflosigkeit aus der positiven Einhaltung entsprechend existenter Pflichten abgeleitet werden können, vgl. ausführlicher unten S. 223 f. 152 Vgl. Amelung, Grünwald-FS, S. 9, 13; zustimmend Schall, Meurer-GS, S. 103, 107 f. 153 Die Fortführung, dass die Handlung mit der Rechtswidrigkeit „insoweit eine geeignete Haupttat im Sinne des § 27 StGB“ sei (vgl. Amelung, a. a. O.), ist allerdings für das vorliegende Problem nicht hilfreich: Es geht ja nicht um die (von niemandem grundsätzlich bestrittene) Rechtswidrigkeit der Haupttat (bzw. allgemeiner formuliert: des Verhaltens des unmittelbaren Verletzers), sondern um die Pflichtwidrigkeit der Unterstützung. 154 Vgl. Ransiek, wistra 1997, 41, 46. 155 Vgl. Amelung, Grünwald-FS, S. 9, 21; ebenso Niedermair, ZStW 107 (1995), 507, 542, mit dem Beispiel einer „Bande steckbrieflich Gesuchter“, die darauf angewiesen sind, „ihren 150 151

B. Wichtige Lösungsaspekte in der bisherigen Diskussion

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Im Einzelnen ist auch die Zuordnung der von Ransiek in diesem Zusammenhang selbst genannten Beispiele zum Bereich der „Befriedigung allgemeiner Lebensbedürfnisse“ nicht überzeugend. Es mag begründbar sein, dass einerseits die Mitnahme eines Drogenhändlers mit dem Pkw in die Stadt auch dann straflos sein soll, wenn man genau weiß, dass dieser am betreffenden Tag nur aus dem Haus geht, um ein illegales Geschäft abzuschließen, dass aber andererseits das gezielte Fahren eines Einbrechers zum Tatort (gemeint ist wohl: zu dem man sonst nicht fahren würde) strafbare Beihilfe sein könne. Mit der Existentialität des befriedigten Bedürfnisses hat diese Unterscheidung aber wenig zu tun, sondern eher mit der (auch von Ransiek erwähnten) Anpassung an die deliktischen Pläne. Für den Bereich beruflichen Handelns wird diese Unterscheidung in vielen Fällen ohnehin obsolet, da die Berufsträger etwa im Beispielsfall des Chauffierens typischerweise entweder immer dorthin fahren, wo der Kunde es möchte (so im Individualverkehr) oder nie einen speziellen Ort im Kundenwunsch ansteuern (so im öffentlichen Nahverkehr mit festen Haltestellen). Der Transport in die Innenstadt ist insoweit nicht mehr oder weniger pflichtwidrig als der an die letzte Haltestelle vor der Endstation in einer verlassenen Gegend.

4. Der deliktische Sinnbezug als objektives Datum und abwägendes Modell Verbreitet wird zur Abgrenzung zwischen erlaubter und unerlaubter Förderung darauf abgestellt, ob die unterstützende Handlung einen „(ausreichend) deliktischen Sinnbezug“ aufweist. Da dieser schillernde Begriff allerdings unterschiedlich verwandt wird, ist eine gewisse Klärung erforderlich, welche Ansätze unter dem Gesichtspunkt des „deliktischen Sinnbezugs als objektives Datum“ im Folgenden behandelt werden sollen. Fasst man darunter (unabhängig von der Verwendung des Topos „deliktischer Sinnbezug“ durch die Autoren selbst) all die Ansichten, die weder auf die „Adäquanz“ des Verhaltens156 noch zentral auf die Solidarisierung mit dem Täter157 abstellen, so macht diese Meinungsgruppe wohl den größten Teil des Spektrums aus.158 Vorliegend soll dagegen der Sachgesichtspunkt des deliktischen Sinnbezugs stärker ausdifferenzierend in einem engeren Sinne verstanden werden. Zunächst geht es entsprechend der hier vorgenommenen Orientierung der Darstellung am Verbrechensaufbau der herrschenden Lehre nur um den deliktischen Sinnbezug als rein objektives Datum; der insbesondere von Roxin begründete und teilweise auch in der neueren Rechtsprechung des BGH übernommene Ansatz des deliktischen Sinnbezuges als eines Kriteriums in einem gemischt objektiv-subjektiven Abgrenzungssystem wird daher erst unten näher dargestellt.159 Des Weiteren werden hier auch nicht solche Ansätze behandelt, die weniCoup unerkannt vorzubereiten und durchzuführen“; anders aber wohl Frisch, Verhalten und Zurechnung, S. 294 („[ . . . ], aber auch an Personen, die eine Dauerstraftat begehen“). 156 Vgl. dazu oben S. 77 ff. 157 Vgl. hierzu unten S. 111 ff. 158 In diesem Sinne wohl die Verwendung des Begriffs bei Wohlers, SchwZStrR 117 (1999), S. 425, 429 f., der konsequent von dem – wohl auch mit Blick auf die deutsche Lehre – „vorherrschenden“ Ansatz spricht. 7*

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ger auf eine (im Einzelnen sicher unterschiedlich zu bewerkstelligende) objektive soziale Sinngebung des Verhaltens, sondern z. B. auf die Quantifizierung von Risiken abstellen.160 Im Mittelpunkt stehen damit vor allem die umfangreichen Untersuchungen von Frisch in seiner Monographie über „Tatbestandsmäßiges Verhalten und Zurechnung des Erfolges“, wo Idee und Begriff des „deliktischen Sinnbezugs“ maßgeblich geprägt wurden.161 Soweit daneben noch andere Konzepte – sei es explizit auf Frisch aufbauend, sei es der Sache nach – entsprechende Gedanken verfolgen,162 werden diese mit berücksichtigt. (1) Der Ausgangspunkt der grundlegenden Überlegungen Frischs liegt bereits in seinem grundsätzlichen Anliegen, nämlich der näheren Konturierung einer Lehre vom „tatbestandsmäßigen Verhalten“. Primär geht es ihm darum, der – konstatierten (und in den Kategorien von Frisch bewertet wohl seitdem nicht wesentlich veränderten) – Hypertrophie der Zurechnungslehre zugunsten eines exakteren Begriffs des tatbestandsmäßigen Verhaltens entgegenzuwirken, was eigentlich nur eine notwendige Konsequenz der stärkeren Betonung des Handlungsunrechts gegenüber den klassischen, allein am Erfolg orientierten Lehren sei.163 Um in diesem Zusammenhang von einer strafrechtlich missbilligten Risikoschaffung als Element tatbestandlichen Verhaltens sprechen zu können, sei angesichts der damit verbundenen Beschränkung der Handlungsfreiheit und mit Blick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit164 eine besondere Legitimation erforderlich.165 Diese könne 159 Vgl. u. S. 118 ff. Auch Hillenkamp AT, S. 191, ordnet Roxin der Übergruppe von Vertretern der von ihm so genannten „subjektiven Theorien“ zu. Der deliktische Sinnbezug als objektives Datum wird von Hillenkamp nicht als eigener Ansatz aufgeführt, sondern in der (didaktisch gebotenen) vergröbernden Systematisierung als ein Unterfall der objektiven Zurechnung, vgl. S. 186 (was freilich einem wichtigen Grundanliegen Frischs nicht gerecht werden dürfte, vgl. sogleich Fußn. 167 a.E.). 160 Vgl. dazu insb. unten S. 108 ff. 161 In jüngerer Zeit noch einmal aufgenommen und – insbesondere in seiner Begründung mit einer Anlehnung an die Notstandsregeln – weiterentwickelt von Frisch, Lüderssen-FS, S. 539 ff. 162 Anklänge finden sich etwa bei Meyer-Arndt, wistra 1989, 281 ff., der z. B. von Niedermair, ZStW 107 (1995), 507, 522 ff., im Anschluss an Frisch und ebenfalls unter dem Stichwort des deliktischen Sinnbezugs behandelt wird. 163 Vgl. zu diesem Zusammenhang Frisch, Verhalten und Zurechnung, S. 23 ff. Dies erfordere u. a., „das ,mißbilligte‘ Risiko dort (und nur dort) zu thematisieren, wo es hingehört, nämlich in den Bereich des tatbestandsmäßigen Verhaltens.“ 164 Vgl. Frisch, Verhalten und Zurechnung, S. 70, sowie Löwe-Krahl, Steuerhinterziehung, S. 36. Gemeint ist hier nicht nur die Verhältnismäßigkeit i.e.S. eines Übermaßverbotes, sondern auch die i.w.S., also Geeignetheit, Erforderlichkeit und Angemessenheit (als Verhältnismäßigkeit i.e.S.). Zu materiell-verfassungsrechtlichen Aspekten der Problemstellung auch näher unten S. 268 ff. 165 Vgl. Frisch, Verhalten und Zurechnung, S. 70; ähnlich insoweit auch Löwe-Krahl, Steuerhinterziehung, S. 36, der eine solche Legitimation für die „Kriminalstrafe“ als „einschneidendsten Eingriff in die Freiheitssphäre des Individuums durch den Staat“ in besonderem Maße für erforderlich hält.

B. Wichtige Lösungsaspekte in der bisherigen Diskussion

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nicht allein in einer Risikoschaffung liegen,166 sondern nur in einer (normativ näher zu bestimmenden) missbilligten Gefahrschaffung. Um nun speziell eine missbilligte Gefahrschaffung in Verhaltensweisen zu sehen, die „rechtsgutsbeeinträchtigendes Verhalten Dritter, insbesondere die Begehung von Straftaten, ermöglichen, fördern oder veranlassen,“167 genüge nicht die theoretisch, nicht ausschließbare Möglichkeit einer deliktischen Ausnutzung des eigenen Verhaltens. Vielmehr sei eine notwendige, aber noch nicht hinreichende Voraussetzung zunächst eine gewisse „Verdichtung“ der Gefahr i.S. einer Tatentschlossenheit oder einer deutlichen Tatgeneigtheit des unmittelbaren Verletzers.168 Allerdings gäbe es keine klaren Maßstäbe dafür, wann genau die Begehung fremder Straftaten so nahe liegend wird, dass das eigene Verhalten darauf eingerichtet werden muss, was zu Problemen mit Blick auf die Bestimmtheit strafrechtlicher Verbotsnormen führe. Angesichts des Drohens einer „Misstrauensgesellschaft“ bei globalen Handlungsverboten allein auf Grund objektiv erkennbarer Anhaltspunkte für deliktische Entschlüsse Dritter einerseits und der Zufälligkeit solcher Handlungsverbote bei subjektiv wahrgenommenen Anhaltspunkten für die deliktischen Entschlüsse andererseits müssten weitere Differenzierungskriterien hinzukommen.169 Dabei seien – wie Frisch näher ausführt – die zivilrechtliche Verpflichtung zur Handlung, das Maß der Wahrscheinlichkeit und die sonstige Verbotenheit als Kriterien unzulänglich.170 Abzustellen sei vielmehr auf den „eindeutig deliktischen Sinnbezug“ des Verhaltens. Dieser sei anzunehmen bei Verhaltensweisen, „die geradezu einen funktionalen Bezug auf die Ermöglichung oder Erleichterung fremden deliktischen Verhaltens besitzen, von hierher ihre Sinnhaftigkeit erfahren, sich ihrem Sinngehalt nach in der Erleichterung oder Ermöglichung fremden deliktischen Verhaltens vielfach überhaupt erschöpfen.“ Solche Handlungen bildeten nämlich geradezu den „Kern der These von der Mißbilligung konkreter Gefahrschaffungen ohne berechtigte Handlungsinteressen“.171 Bei der Ausfüllung dieses zwar klar zu legitimierenden, aber schwer festzustellenden Merkmals sei entgegen dem ersten Eindruck nicht auf die subjektive Zwecksetzung des mittelbaren Verursachers abzustellen; denn diese seien – von systematischen Einwänden ganz abgesehen – zum Rechtsgüterschutz auch wenig geeignet.172 Als objektive Verhaltensweisen, denen „die Sinnbezogenheit auf deliktisches Verhalten eignet“, kämen zum einen solche in Vgl. Frisch, Verhalten und Zurechnung, S. 72. Vgl. Frisch, Verhalten und Zurechnung, S. 230 ff. (hier zitiert die Überschrift des auf S. 230 beginnenden Teiles D im zweiten Kapitel über „Grund- und Grenzfragen der mißbilligten Risikoschaffung“). 168 Vgl. Frisch, Verhalten und Zurechnung, S. 264 ff. 169 Vgl. Frisch, Verhalten und Zurechnung, S. 267 ff. 170 Vgl. Frisch, Verhalten und Zurechnung, S. 272 ff. 171 Vgl. Frisch, Verhalten und Zurechnung, S. 280. 172 Vgl. Frisch, Verhalten und Zurechnung, S. 283 ff. Für eine Unbeachtlichkeit des subjektiven Tatbestandes auch Meyer-Arndt, wistra 1989, 281, 286. 166 167

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2. Teil: Bestandsaufnahme

Betracht, die in engem raum-zeitlichen Zusammenhang mit der unmittelbaren Verletzung stünden173 und dabei die „Durchschlagskraft eben ablaufender deliktischer Angriffe“ verstärken und dabei „objektiv ergänzend“ dem „Angriff des eigentlichen Akteurs ( . . . ) ein- und angepaßt“ seien. Bei Handlungen außerhalb der eigentlichen Tatphase liege deliktischer Sinnbezug vor, wenn die Handlung (zwar möglicherweise generell, jedoch) in der konkreten Situation nicht anders als deliktisch erklärt werden könne. Das Gleiche gelte, wenn die Handlung auf Wunsch eines erkennbar deliktisch Handelnden erbracht werde, es sei denn, sie sei nicht in gleicher Weise von einem Gutgläubigen zu bekommen.174 (2) Wendet man diese Grundsätze auf die hier interessierende Fragestellung an,175 so bilden insbesondere die „normalen Geschäfte des täglichen Lebens“ eine wichtige Fallgruppe ohne deliktischen Sinnbezug.176 Ihre Strafbarkeit scheidet – und zwar sowohl als (vorsätzliche) Beihilfe als auch als Fahrlässigkeitstat177 – regelmäßig aus, und zwar auch bei bewusster oder sogar willentlicher Förderung der unmittelbaren Verletzung durch die Tat.178 Nach den von Frisch genannten allgemeinen Kriterien müssten diese „normalen Geschäfte des täglichen Lebens“ jedenfalls in einem gewissen zeitlichen Vorfeld zur Tat alle Geschäfte sein, bei denen weder eine spezielle, nur deliktisch erklärbare Anpassung der Leistung an den deliktischen Zweck erfolgt179, noch eine eigentlich nicht angepasste, aber vom unmittelbaren Verletzer geforderte Leistung auf Grund der Umstände des Einzelfalles anderweitig unerhältlich wäre. Frisch selbst spricht von der „Überlassung von Gegenständen, die man sich jederzeit auch sonst unproblematisch durch entsprechende Geschäfte beschaffen kann“, der „Erbringung allgemein verfügbarer Dienstleistungen oder jederzeit auch anders zugänglichen Wissens“. Das Abstellen auf die Austauschbarkeit der Leistung stellt auch noch einmal einen Bezug zu dem schon oben zugrunde gelegten Verhältnismäßigkeitsgrundsatz her. Denn bereits unter dem Gesichtspunkt der Geeignetheit einer Strafdrohung, jedenfalls aber unter dem der Angemessenheit einer Verbotsdurchsetzung durch das Strafrecht,180 spielt die 173 Vgl. hierzu auch Meyer-Arndt, wistra 1989, 281, 286, der die „Entfernung“ in der „finalen Kette“ sowie „in der Zeit“ als ein Kriterium heranzieht. 174 Vgl. zu all dem Frisch, Verhalten und Zurechnung, S. 289 ff.; zustimmend Schall, Meurer-GS, S. 103, 116 f. 175 Vgl. dazu auch den Versuch einer Anwendung auf zahlreiche Fälle (die u. a. auch den Bereich berufsbedingten Verhaltens betreffen) bei Wohlleben, S. 45 ff. 176 Insoweit auch zustimmend Freund, AT, § 10 Rn. 139. 177 Frisch, Verhalten und Zurechnung, S. 304 ff. weist zutreffend darauf hin, dass bei einer Unterstützung der Verletzungshandlung Dritter mit deliktischem Sinnbezug sogar das „Mindestmaß der fremden Rechtsgütern geschuldeten Sorgfalt“ außer Acht gelassen wird; allerdings werde diese Konstellation regelmäßig über die Beihilfe erfasst, wenn der mittelbar Verursachende vorsätzlich handle. 178 Vgl. Frisch, Verhalten und Zurechnung, S. 295 ff., 298 ff.; ähnlich Meyer-Arndt, wistra 1989, 281, 285 f., sowohl hinsichtlich einer physischen wie einer psychischen Beihilfe. 179 Vgl. zu diesem Gesichtspunkt auch Löwe-Krahl, Steuerhinterziehung, S. 41 f.

B. Wichtige Lösungsaspekte in der bisherigen Diskussion

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Austauschbarkeit eines Verhaltens, das sanktioniert werden solle, eine große Rolle.181 Dagegen lasse sich auch für „Geschäfte des täglichen Lebens“ konsequenterweise eine Strafbarkeit in den Fällen begründen, in denen nach Frisch ausnahmsweise auch „Verhaltensweisen ohne eindeutig deliktischen Sinnbezug“ rechtlich missbilligt würden.182 Solche Fälle, für die sich induktiv leicht Beispiele finden ließen,183 würden nun dazu führen, dass ein „eigentlich“ (d. h. nach den grundsätzlichen Prämissen seines Systems) erlaubtes Verhalten auf Grund besonderer Umstände im Interesse des von einer Verletzung Bedrohten als verboten erachtet würde. Wenn der ohne deliktischen Sinnbezug Handelnde aber damit „zur Vermeidung von Güterbeeinträchtigungen in die Pflicht genommen“ werde, entspreche dies gerade einer speziellen Konstellation des Notstands, nämlich der Abverlangung eines „Sonderopfers“.184 Zu dessen Begründung könne nun auf zweierlei abgestellt werden: Zum einen kenne das Gesetz entsprechende „Vor-Wertungen“ in Gestalt der §§ 138, 323c StGB.185 Lägen deren Voraussetzungen vor, so würden dem Einzelnen unabhängig von jeder deliktischen Sinnhaltigkeit seines Verhaltens Solidaritätspflichten auferlegt.186 Auf Grund dieser parallelen Problemstruktur sei die Re180 Dies betont auch Frisch, Verhalten und Zurechnung, S. 71. Vgl. hierzu auch bereits die kriminalpolitisch motivierte Feststellung von Amelung aus dem Jahre 1972: „Gegenstand der kriminalpolitischen Überlegung ist damit nicht mehr die Frage, ob eine Handlung überhaupt verboten, sondern ob sie bei Strafe verboten werden soll“, vgl. Amelung, Rechtsgüterschutz, S. 89. 181 Vgl. auch Löwe-Krahl, Steuerhinterziehung, S. 37 ff., der die vage Chance, der Täter nehme nach dem ersten erfolglosen Versuch, die austauschbare Leistung zu erhalten, Abstand von der Tat, für die Rechtfertigung einer Strafdrohung nicht genügen lassen will. 182 Vgl. Frisch, Verhalten und Zurechnung, S. 308 ff. (hier zitiert die Überschrift zu Abschnitt 4.). 183 Frisch, Verhalten und Zurechnung, S. 331, spricht von „schon nach dem induktiven Material so augenscheinlich notwendigen Differenzierungen“, was freilich relativ unscharf ist. Möglicherweise beruhen auf dieser Unschärfe z.T. die speziell auf den folgenden Teil seines Gesamtkonzepts abzielenden kritischen Stimmen, vgl. u. S. 106. 184 Vgl. Frisch, Verhalten und Zurechnung, S. 312 ff.; den Notstand als Begründungskonzept vertiefend ders., Lüderssen-FS, S. 539 ff. 185 Eine gewisse Parallele insbesondere zu § 138 StGB findet sich in der anglo-amerikanischen Literatur, wo als Gegenausnahme zur Straflosigkeit bei neutralen Handlungen etwa von Reed / Seago auf die Schwere der Tat abgestellt wird, vgl. Criminal Law, S. 132 („severity of the contemplated crime“; aus der amerikanischen Literatur werden Perkins / Boyce [„the gravity of the social harm“] von Smith / Hogan, Criminal Law, S. 135, zitiert, die selbst einer solchen Abgrenzung allerdings auf Grund ihrer Unbestimmtheit kritisch gegenüber stehen). Ein Unterschied besteht zwar insoweit, als in den Fällen der §§ 138, 323c StGB nicht nur mit der Schwere als solcher, sondern auch mit der darin ohnehin angeordneten Pflicht zum solidarischen Verhalten begründet wird. Allerdings ist bei § 138 StGB ja gerade die besondere Schwere der Grund dafür, dass eine solche Solidaritätsleistung gefordert wird. Zum (zweifelhaften) Kriterium der Tatschwere auch Schall, Meurer-GS, S. 103, 119 f. 186 Zustimmend insoweit Hefendehl, Jura 1992, 374, 377; Schall, Meurer-GS, S. 103, 118; Tag, JR 1997, 49, 56; Wohlleben, S. 149; offenbar (wenngleich nach seinem eigenen System

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2. Teil: Bestandsaufnahme

levanz dieser Normen auch für die vorliegende Frage „ersichtlich“, zumal wegen der gebotenen Hilfeleistung bzw. Anzeige auch hypothetische anderweitige Verfügbarkeiten einer Leistung in den Hintergrund gerieten.187 Über diese allgemeinen Solidaritätspflichten hinaus kommt nach Frisch eine rechtliche Missbilligung der berufsbedingten Handlung noch unter zwei Bedingungen auch ohne deliktischen Sinnbezug in Betracht: Zum einen, wenn den Berufsträger besondere Schutzpflichten treffen, d. h. insbesondere wenn er Beschützergarant für ein Rechtsgut188 oder aber Überwachergarant hinsichtlich bestimmter Gefahrenquellen ist.189 Zum anderen, wenn der Berufsträger die Tat eines deliktisch Nichtverantwortlichen fördert, indem sein Verhalten „die nahe liegende Möglichkeit des deliktischen Handelns einer erheblich vermindert schuldfähigen Person schafft oder steigert, weil es dieser Person die Realisierung eines bestimmten deliktischen Verhaltens erleichtert oder ermöglicht oder sie dazu zu motivieren geeignet ist.“190 (3) In manchen Einzelfragen und teilweise auch in seinen Konsequenzen immunisiert sich das Konzept des „deliktischen Sinnbezugs“ – insbesondere in der umfangreichen und komplexen Darstellung von Frisch – durch zahlreiche Ausnahmen und Gegenausnahmen, durch Verweise auf erforderliche Abwägungen im Einzelfall sowie durch im Vergleich zu Umfang, Dichte und hoher Qualität der theoretischen Grundlegungen relativ knappe und unbestimmte Aussagen zu den praktischen Konsequenzen erfolgreich gegen konkrete Kritik.191 Dementsprechend setzen auch die durchaus vorhandenen Einwände gegen den deliktischen Sinnbezug als objektivem Merkmal und abwägendem Modell an sehr grundsätzlichen Punkm.E. fragwürdig) Lesch, JA 2001, 986, 990 sowie Wohlers, NStZ 2000, 169, 173; als Grenze für Fälle, in denen berufliches Handeln als Rechtfertigungsgrund in Betracht käme, auch Amelung, Grünwald-FS, S. 9, 28. 187 Vgl. Frisch, Verhalten und Zurechnung, S. 313 ff., sowie (etwas differenzierend) ders., Lüderssen-FS, S. 539, 549 f. Konsequenterweise erwägt Frisch auch eine Einschränkung dieses Grundsatzes, wenn trotz der Unterstützung im weiten Vorfeld der Tat eine spätere Anzeige noch ohne weiteres möglich ist (Verhalten und Zurechnung, S. 315 ff.). 188 In diesem Zusammenhang nennt Frisch, Verhalten und Zurechnung, S. 356 f., u. a. auch „gewisse Amtsträger und Funktionäre, die innerhalb gewisser Subsysteme und Sachbereiche dafür zu sorgen haben, daß z. B. bestimmte Handlungen nicht vorgenommen werden“; zur Bedeutung einer Garantenstellung auch nochmals ders., Lüderssen-FS, S. 539, 547 f. 189 Was für Berufsträger u. a. beim geschäftsmäßigen Vertrieb besonders gefährlicher Gegenstände in Betracht kommt. Frisch, Verhalten und Zurechnung, S. 361, nennt beispielhaft „Kraftfahrzeuge, Waffen, Betäubungsmittel oder Sprengstoffe“, nicht dagegen „Taschenmesser, Alkohol, bestimmte Arzneimittel oder Pflanzenschutzmittel“ (S. 362). 190 Vgl. Frisch, Verhalten und Zurechnung, S. 372, mit näherer Begründung für diese Ausnahme, die zwar nach allgemeinen Grundsätzen auch für Berufsträger im Rahmen ihrer „normalen Geschäfte des täglichen Lebens“ gelten müssten, allerdings hier wohl nur eingeschränkte Bedeutung haben. 191 Kritik an einzelnen Ergebnissen findet sich aber etwa bei Niedermaier, ZStW 107 (1995), 507, 518 f.

B. Wichtige Lösungsaspekte in der bisherigen Diskussion

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ten an: an der Bestimmbarkeit eines rein objektiven deliktischen Sinnbezugs, an der Austauschbarkeit der Leistung als strafbegrenzendes Kriterium sowie an der Vorwertung der §§ 138, 323c StGB. (a) Soweit Frisch und Meyer-Arndt den deliktischen Sinnbezug als rein objektives Datum verstehen, wird die grundsätzliche Möglichkeit einer solchen Bestimmbarkeit in der Literatur in Zweifel gezogen. So wird zum einen eingewandt, die Interpretation einer Handlung durch einen Außenstehenden könne immer zutreffen oder eben fehlgehen; jedenfalls bleibe sie aber „ohne Kenntnis dessen, was der Handelnde selbst alles im Schilde führte, ( . . . ) im Bereich der Spekulation“.192 Zum anderen wird darauf hingewiesen, dass „sich erst nach Klärung der Vorstellung des Unterstützenden“ erweise, ob dieser „eine strafbare Unterstützungshandlung oder lediglich eine straflose normale Geschäftshandlung erbringt“.193 Wegen der steten „Möglichkeit mehrerer Verwendungszwecke einer Handlung“194 dürfe man sich schließlich dadurch, dass ein bestimmtes Verhalten meistens in völlig harmlosen Zusammenhängen auftrete, nicht darüber hinwegtäuschen lassen, dass es sich dennoch um nur „scheinbar harmlose Verhaltensweise“ handeln könne, die „mit Blick auf das spätere deliktische Vergehen des Haupttäters gerade nicht wirklich harmlos sind“.195 (b) Der bei Frisch und auch bei Löwe-Krahl hervorgehobene Aspekt der Austauschbarkeit bestimmter Leistungen und daher der Ungeeignetheit ihrer Pönalisierung zum Schutz der bedrohten Rechtsgüter wird insbesondere von Wohlleben unter mehreren Gesichtspunkten kritisiert. Zunächst sei die Konzeption des Rechtsgüterschutzes kaum unmittelbar zur „strafrechtlichen Tatbestandsbildung“ geeignet. Dies gelte insbesondere bei einem, wie teilweise von Frisch zugrunde gelegten, „sehr konkret verstandenen“ Rechtsgüterschutz,196 der auf die „in concreto betroffenen Persönlichkeits- oder Sachwerte in ihrer Gegenständlichkeit“ (z. B. das einzelne Leben, das durch ein Tötungsdelikt, das Sacheigentum einer Person, das durch einen Diebstahl angegriffen wird) abstelle und damit den eher ideellen Schutz der abstrakten Güter (Achtung vor dem Leben und Eigentum anderer) ebenso vernachlässige wie die sozialpädagogische Wirkung des Strafrechts.197

Vgl. Niedermaier, ZStW 107 (1995), 507, 518. Vgl. Tag, JR 1997, 49, 54. 194 Vgl. Beckemper, Jura 2001, 163, 167; ähnlich auch (allerdings im Zusammenhang mit der Ansicht Roxins) nochmals Niedermaier, ZStW 107 (1995), 507, 531. 195 Vgl. Weigend, Nishihara-FS, S. 197, 205 (Hervorhebungen dort). 196 Vgl. Wohlleben, S. 75 ff. 197 Vgl. dazu Wohlleben, S. 80 f., der belegt, dass Frisch an anderer Stelle (Verhalten und Zurechnung, S. 566 f.) diese Wirkung durchaus betont. Dieser Einwand findet sich in der Sache auch bei Amelung, wenn er der Konzeption Frischs – ebenso wie der Jakobs’ (vgl. o. S. 91) – vorwirft, sie vernachlässige, dass die wissentliche Unterstützung eines Vorsatztäters ein „ ,unerträgliches Beispiel‘ der Normmißachtung“ sei, vgl. Grünwald-FS, S. 9, 15. 192 193

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2. Teil: Bestandsaufnahme

Des Weiteren werde bei der Frage nach dem Legitimationsbedürfnis strafrechtlicher Sanktionen die Bedeutung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes überschätzt. Das BVerfG prüfe die Verhältnismäßigkeit strafrechtlicher Normen vor allem mit Blick auf die Relation von Tatfolgen und Strafe, während an die Geeignetheit einer Maßnahme keine all zu strengen Anforderungen gestellt werden könnten und schon eine kleine Chance auf eine Vermeidung der Rechtsgutsverletzung ausreichend sei.198 Schließlich gehe mit der Berücksichtigung der „Austauschbarkeit“ einer unterstützenden Leistung für den Deliktserfolg bei der Frage nach der Geeignetheit eines strafrechtlichen Verbotes stets die Berücksichtigung hypothetischer Kausalverläufe einher.199 Gegen diese bestünden allerdings schon nach allgemeinen dogmatischen Grundsätzen Bedenken. Diese Bedenken hätten auch einen funktionalen Kern, „da vorrangig stets das tatsächliche Geschehen Wirkungen (und auch ein etwaiges Verlangen nach Bewältigung durch Gegenwirkung) in der Gesellschaft“ zeitige, „weit weniger der Vergleich mit einer möglichen Alternativität von Realem“. (c) Der dritte mehrfach kritisierte200 Eckpunkt im Konzept Frischs betrifft nicht wie die bisherigen Punkte die Beschränkungen der Strafbarkeit, sondern die Missbilligung der Risikoschaffung in den Fällen der gesetzlichen „Vorwertung“ der §§ 138, 323c StGB.201 Hierbei wird zum einen auf die Heterogenität des Katalogs des § 138 StGB202 sowie auf die höchst streitige Bestimmung der (insbesondere „unteren“) Grenzen des § 323c StGB verwiesen.203 Zum anderen wird betont, dass die §§ 138, 323c StGB nur ausnahmsweise Handlungsgebote zum Schutz von Rechtsgütern vor fremden Bedrohungen auferlegen, während der Vorwurf einer (Beihilfe-)Strafbarkeit nach dem jeweiligen Delikt einen eigenen (zumindest mittelbaren) Angriff betreffe.204 Insoweit bestehe ein „normatives Stufenverhältnis“ 198 Vgl. Wohlleben, S. 77 f., mit Verweis auf Günther, Strafrechtswidrigkeit und Strafrechtsausschluß, S. 183 ff.; nicht ausdrücklich erwähnt wird von Wohlleben die – seine These scheinbar sogar noch stützende – im Verfassungsrecht gerade bei der Eignung einer Maßnahme anerkannte Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers. 199 Vgl. Wohlleben, S. 78 f. 200 Allerdings hat der Rückgriff auf die Vorwertungen der §§ 138, 323c StGB auch verbreitet Zustimmung gefunden, vgl. die Nachweise oben in Fußn. 186. 201 Freilich lassen sich die beiden Stoßrichtungen der Kritik nicht völlig trennen. Zumindest der eine oder andere, dem eine Begründung einer „Missbilligung“ über §§ 138, 323c StGB und damit einer Strafbarkeit nicht überzeugend erscheint, mag nicht zuletzt auch deswegen die übrigen Strafbarkeitsrestriktionen der Lehre vom deliktischen Sinnbezug verwerfen, weil er dann nicht einmal in den Fällen konkreter und schwerer Gefahren für wichtige Rechtsgüter strafrechtlichen Schutz gewährleistet sieht. In dieser Richtung etwa Niedermair, ZStW 107 (1995), 507, 521 f., der die Auferlegung von „Sonderpflichten“ in bestimmten engen Fällen nicht als Maßstab dafür gelten lassen will, das jedermann treffende Verbot einer akzessorischen Rechtsverletzung zu relativieren. 202 Vgl. Beckemper, Jura 2001, 163, 166, sowie Niedermair, ZStW 107 (1995), 507, 520 f. 203 Vgl. Beckemper, Jura 2001, 163, 166, sowie Niedermair, ZStW 107 (1995), 507, 519 f. 204 Vgl. Niedermair, ZStW 107 (1995), 507, 521 f.

B. Wichtige Lösungsaspekte in der bisherigen Diskussion

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zwischen den §§ 138, 323c StGB einer- und dem Vorwurf einer Beihilfestrafbarkeit andererseits.205

5. Spezielle Vorschläge zur einschränkenden Auslegung des Beihilfetatbestands Während die bisher dargestellten Lösungsmodelle bzw. Sachgesichtspunkte in einem weiten Sinne die allgemeine Zurechnungs- bzw. Tathandlungslehre betrafen (und nur teilweise in ihren Auswirkungen für die Beihilfe besonders intensiv betrachtet wurden), orientiert sich eine weitere Gruppe von Lösungsversuchen speziell an einer einschränkenden Auslegung des § 27 StGB. Dabei werden der Orientierung an der Deliktsprüfung entsprechend hier nur diejenigen Ansätze vorgestellt, die ihre Aussagen im Wesentlichen unabhängig von den subjektiven Vorstellungen des mittelbaren Verursachers treffen.206 Ausgespart werden dagegen Stellungnahmen, die nicht i.S. einer Systembildung für die vorliegende Problematik argumentieren, sondern nur für ganz spezielle Einzelfälle durch eine restriktive Auslegung der Beihilfevoraussetzungen eine Strafbarkeit ablehnen, ohne einen Bezug zur Berufsbedingtheit herzustellen.207 Somit bleiben etwas vergröbernd drei Ansatzpunkte übrig: die Quantifizierung der Unterstützung unter Beschränkung auf „wesentliche“ Beiträge (sogleich a), das Erfordernis einer Solidarisierung zwischen Täter und Gehilfen (im Anschluss b) sowie die Abhängigkeit von der Wahrnehmung des Unrechtspakts durch den Täter (zuletzt c).

205 Vgl. Wolff-Reske, S. 181; die dort mit Fußn. 59 geäußerte Auffassung, die Berücksichtigung dieser Vorwertungen werde „selbstverständlich allgemein abgelehnt“, entspricht nicht mehr dem heutigen Meinungsstand in der Literatur, wie die Nachweise oben in Fußn. 186 zeigen; Replik auf die Kritik von Wolff-Reske nunmehr bei Frisch, Lüderssen-FS, S. 539, 554. Zweifelnd auch Rabe von Kühlewein, JZ 2002, 1139, 1143, der dann allerdings letztlich doch auch auf das Merkmal zurückgreift. 206 Auch unter den subjektiven und gemischt objektiv-subjektiven Modellen gibt es solche, die sich speziell an den Grundsätzen über die Teilnahme orientieren. Diese werden an der entsprechenden Stelle näher behandelt (vgl. S. 119 ff.). 207 Ein anschauliches Beispiel für dieses Vorgehen aus neuerer Zeit bildet die Besprechung der Entscheidung BGHSt 46, 107 zur Beihilfe zur Steuerhinterziehung durch Bankmitarbeiter wegen anonymisierter Kapitaltransfers ins Ausland von Samson / Schillhorn, wistra 2001, 1 ff. Diese legen ausführlich dar, weshalb nach ihrer Ansicht durch den anonymisierten Transfer die Gefahr einer Nichtversteuerung der im Ausland angefallenen Kapitalerträge nicht messbar wahrscheinlicher geworden sei, so dass eine Strafbarkeit zu verneinen sei, „ganz unabhängig davon, wie man Fragen der professionellen Adäquanz im Grundsätzlichen oder im Detail entscheidet“, vgl. Samson / Schillhorn, wistra 2001, 1. Dezidiert a.A. etwa LöweKrahl, Steuerhinterziehung, S. 55, der selbst zunächst als Syndikus einer Bank, später als Hauptsachgebietsleiter Steuerfahndung bei einem Finanzamt für Fahndung und Strafsachen tätig war und die Risikosteigerung für den Steueranspruch für evident hält.

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2. Teil: Bestandsaufnahme

a) Wesentlichkeit der Unterstützung Eine von verschiedenen Autoren und in unterschiedlichen Spielarten im Einzelnen vertretene Ansicht versucht das Problem der „neutralen“ oder „berufsbedingten“ Beihilfe vorrangig über die Wesentlichkeit der Unterstützungshandlung zu lösen.208 Typisch für diese Ansätze ist, dass sie die Klassifizierung eines Verhaltens als „neutral“ für (mehr oder weniger) nicht möglich halten209 und deshalb losgelöst von dieser Kategorie210 den Schlüssel im Aspekt der Risikoerhöhung für das gefährdete Rechtsgut sehen. (1) Die Ausgangspunkte der Ansichten, die den Sachgesichtspunkt der Wesentlichkeit der Unterstützung verfolgen, liegen – trotz wichtiger Unterschiede im Detail – nahe beieinander. Das kriminalpolitische Bedürfnis nach einer flexibleren Reaktion auf „alltägliche“ Unterstützungshandlungen wird aus der umfangreichen Diskussion bzw. aus den „dem Rechtsgefühl widersprechenden“ Ergebnissen einer unvoreingenommenen Normanwendung abgeleitet,211 andere Ansätze (etwa der Adäquanz oder im subjektiven Tatbestand) mit unterschiedlichen Gründen aber nicht für überzeugend gehalten.212 Die eigene Lösung wird daher in einer beihilfespezifischen Überlegung gesucht, die teils auf „allgemeine Grundlagen des Beihilfeunrechts“ mit seinem Erfolgs- und Handlungsunrecht rekurriert,213 teils auf „teilnahmedogmatischen Argumenten für eine akzessorische Missbilligung“ aufbaut214 und teils in einer Anwendung des Gedankens des „erlaubten Risikos“ auf die Beihilfe besteht.215 Maßgeblich für die Frage einer Beihilfestrafbarkeit sei daher allein, ob durch das mittelbar verursachende Verhalten „die Chancen“ des Verletzers „verbessert und dadurch das Risiko des Rechtsgutsangriffs messbar erhöht“ werde.216 Damit könnten solche Verhaltensweisen entkriminalisiert werden, „die 208 Vgl. insb. Weigend, Nishihara-FS, S. 197 ff.; teilweise ähnlich Niedermair, ZStW 107 (1995), 507 ff., sowie Rogat, insb. S. 71 ff. (der allerdings nicht nur eine Quantifizierung, sondern auch eine Qualifizierung des Risikos vornimmt). 209 Vgl. Weigend, Nishihara-FS, S. 197, 205, sowie Niedermair, ZStW 107 (1995), 507, 538 f., 544; auch Rogat, S. 88 f., betont zwar, dass „ein bestimmtes Verhalten niemals isoliert betrachtet werden kann, sondern stets in seinem sozialen Kontext zu sehen ist“; gleichwohl scheint er den Gedanken einer Neutralität weniger entschieden abzulehnen, wenn er als einen Ausgangspunkt seiner Überlegungen das „erlaubte Risiko“ als ein solches wählt, das „generell, das heißt ohne individuelle Interessenabwägung, hinzunehmen ist“, vgl. S. 70. 210 Das ändert freilich nichts daran, dass alle drei in Fußn. 208 und 209 genannten Autoren ihre Beispiele vielfach aus dem Bereich „üblicher Geschäftstätigkeit“ auswählen bzw. Rogat als Anknüpfungspunkt und zur Exemplifizierung die Tätigkeit von Rechtsanwälten wählt. 211 Vgl. Weigend, Nishihara-FS, S. 197, 206; Rogat, S. 1, 4. 212 Vgl. die kritischen Darstellungen ausgewählter früherer Ansätze bei Weigend, Nishihara-FS, S. 197, 199 ff., sowie Niedermair, ZStW 107 (1995), 507, 508 ff., auf die oben zu einzelnen Punkten schon verschiedentlich verwiesen wurde. 213 Vgl. Weigend, Nishihara-FS, S. 197, 206. 214 Vgl. Niedermair, ZStW 107 (1995), 507, 539. 215 Vgl. Rogat, S. 82 ff. 216 Vgl. Niedermair, ZStW 107 (1995), 507, 541.

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das Risiko der Rechtsgutsbeeinträchtigung zwar bei sehr genauer Betrachtung auch ein wenig, aber doch nicht wirklich messbar gesteigert haben“.217 Namentlich Rogat „verfeinert“ diese Prüfung des hinreichend deliktsfördernden Charakters des Verhaltens, indem er eine Risikoqualifizierung (i. S. d. Grades der Abweichung von einem noch unstreitig als erlaubt empfundenen Verhalten und damit vom erlaubten Risiko) und eine Risikoquantifizierung (i.S. eines Ausscheidens geringfügiger Risikoerhöhungen) vorschlägt. Für den damit erforderlichen (sei es rein quantitativen, sei es kombiniert qualitativ-quantitativen) Vergleich von Risiken werden überwiegend, wenngleich nicht von allen Vertretern, auch hypothetische Reserveunterstützungen berücksichtigt.218 (2) Konsequenz des Abstellens auf Risikoerhöhung und Förderungsintensität ist für das Problem berufsbedingten Verhaltens zunächst, dass eine Berücksichtigung der generellen Erlaubtheit oder der berechtigten Interessen des Berufsausübenden nicht in Betracht kommt. Vielmehr müssen sie sich im Ansatz an den selben Maßstäben messen lassen wie jedes andere, nur ausnahmsweise und allein mit Blick auf die spätere Deliktsausübung durchgeführte Verhalten.219 Im Ergebnis freilich wird bei berufsbedingten und nicht an die Deliktspläne angepassten Verhaltensweisen die Förderungseffizienz häufig eine geringe sein, wobei diese Bewertung mit der Zulassung hypothetischer Reserveursachen steht und fällt. Dementsprechend geht Weigend konsequenterweise davon aus, dass in Fällen, in denen der mittelbare Verursacher dem Verletzer nur das „Substrat“ zur Tatausführung220 oder im Handel ohne weiteres verfügbare Gegenstände („z. B. Schraubenzieher, Erfrischungsgetränke, Leiter, Messer“) liefert, „in der Regel eine messbare Förderung, die sich im Tatgeschehen niederschlägt, zu verneinen“ ist. Ob ein (zufällig bösgläubiger) Verkäufer in einem Laden einen Alltagsgegenstand verkaufe oder nicht, habe angesichts der leichten Ersetzbarkeit dieser Leistung „keinen feststellbaren Einfluß auf die Gefahr“ der Deliktsbegehung.221 Dieser Gedanke ist sicher vom Verkauf von Gegenständen auf jede andere Form vielfältig zu erlangender beruflicher Leistungen übertragbar. Im Ergebnis ähnlich verneint Rogat in der Lösung eines Beispielsfalles222 die Strafbarkeit eines Gastwirtes, der einem Einbrecher vor der Tat 217 Vgl. Weigend, Nishihara-FS, S. 197, 208; nahestehend aus dem amerikanischen Strafrecht Brumbaugh, Criminal Law, S. 730 („behavior substantially facilitating commission of the crime“). 218 Vgl. Weigend, Nishihara-FS, S. 197, 211 (dort mit Fußn. 45), sowie explizit und ausführlicher begründet auch Rogat, S. 100 f.; im Ergebnis auch von einem ähnlichen Ausgangspunkt aus in der schweizerischen Literatur Trechsel, schwStGB, Art. 25 Rn. 6a a.E., soweit er u. a. auf die „Ersetzbarkeit“ der Leistung abstellt. 219 Vgl. Weigend, Nishihara-FS, S. 197, 205: „Damit sind allerdings sektorale Lösungen ( . . . ) verbaut.“ 220 Vgl. zu diesem Problemkreis auch unten in Fußn. 406. 221 Vgl. Weigend, Nishihara-FS, S. 197, 210 f. 222 Eine explizite nähere Stellungnahme im Rahmen seiner systematischen Ausführungen findet sich bei Rogat soweit ersichtlich nicht. Allerdings liegt es nahe, dass auch er ganz generell zu weiten Einschränkungen der Strafbarkeit kommt, da das Risiko nach Qualität (im

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2. Teil: Bestandsaufnahme

eine „Schweinshaxe“ serviert.223 Dies sowohl für den Fall, in dem der Einbrecher nur mehr oder weniger zufällig vor der Tat noch einkehrt, als auch in dem Fall, in dem er unbedingt vor der Tat noch etwas essen möchte, um seinen nervösen Magen zu beruhigen. Zumindest in der zweiten Konstellation wirkt sich die Mahlzeit risikosteigernd aus, so dass die Üblichkeit und Austauschbarkeit der Leistung zumindest mittelbar ein Grund für die Straflosigkeit sein muss. Demgegenüber scheint Niedermair, insoweit seinem Lehrer Roxin folgend, die Berücksichtigung von Reserveursachen auch unter dem Gesichtspunkt der Risikoerhöhung abzulehnen bzw. die Anforderungen daran so niedrig zu setzen, dass die hypothetischen Reserveursachen der Annahme einer Risikosteigerung nicht entgegenstehen. Der Jakobs’schen Überlegung vom „Unterbleiben eines Einbruchs mangels Verfügbarkeit eines ordinären Schraubenziehers“224 hält Niedermair nämlich entgegen, dass das „Gelingen eines verbrecherischen Planes – unter gebotener Ausklammerung von Reserveursachen – schon dadurch erschwert“ werde, dass „sich bloß ein einziger, sonst williger Kumpan vom Täter fernhält, mag dieser auch (unter erhöhten Anstrengungen?) Ersatz finden.“225 Auch „Lieferungen für den allgemeinen Geschäfts- oder Lebensbedarf“ müssten also unterbleiben, wenn „die gleichzeitig risikosteigernde Beiträge für eine Straftat bewirken und dies auch erkannt wird“. Letzteres hält Niedermair allerdings (wohl realistisch) für die Ausnahme, „und sei es auch nur, weil der Belieferte seine zusätzlichen deliktischen Absichten zu verbergen versteht.“226 (3) Eine intensive kritische Auseinandersetzung mit dem Konzept der „Wesentlichkeit der Unterstützung“ hat in der Literatur bislang noch nicht stattgefunden.227 Dies dürfte seinen Grund zunächst darin haben, dass das Erfordernis einer Risikoerhöhung durch die Unterstützungshandlung als solches auch von den Vertretern anderer Ansichten als (zwar nicht unbedingt ausreichende, jedenfalls aber) notwendige Haftungsvoraussetzung akzeptiert und daher nicht beanstandet wird. Des Weiteren ist natürlich mittelbar jeder Ansatz, der mit zusätzlichen (allgemeinen oder sektoralen) Kriterien auch bei einer nachgewiesenen (wesentlichen) Risikoerhöhung eine Strafbarkeit einschränkt, mittelbar als Kritik daran zu lesen, dass diese Kriterien anderweitig nicht ausreichend berücksichtigt werden.

Vergleich zum „Grundrisiko“) als auch nach Quantität (im Maß der Gefahrsteigerung) bei alltäglichen Geschäften regelmäßig gering ist. 223 Vgl. Rogat, S. 15 und 245 f. 224 Vgl. nochmals Jakobs, ZStW 98 (1977), S. 1, 20. 225 Vgl. Niedermair, ZStW 107 (1995), S. 507, 512 (Hervorhebungen hier). 226 Vgl. Niedermair, ZStW 107 (1995), S. 507, 539. 227 Neben den im Text genannten, sind auch noch zwei eher praktische Gründe zu sehen: Zum einen ist der Beitrag von Weigend, Nishihara-FS, S. 197 ff., einer der zeitlich späteren zur Thematik, so dass zahlreiche andere Stellungnahmen ihn nicht mehr berücksichtigen konnten; zum anderen ist die Monographie von Rogat – nach Ansicht des Verf. teilweise durchaus zu Unrecht – bisher vielfach weitgehend unbeachtet geblieben.

B. Wichtige Lösungsaspekte in der bisherigen Diskussion

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Dennoch lassen sich zwei Kritikpunkte anführen: Zum einen gesteht Weigend selbst ein, dass seine Konzeption „quantitativer Abschichtungen“ (also des Mehr oder Weniger der Gefahrerhöhung) „den Nachteil der mangelnden Voraussehbarkeit (und intersubjektiven Verbindlichkeit) der Lösung von Einzelfällen“ habe.228 Dies gilt in gleicher Weise für Rogats Versuche einer Quantifizierung der Gefahr (wobei die Differenzierung zwischen Qualifizierung und Quantifizierung allerdings durchaus hilfreich ist). Zum anderen wird hinsichtlich des Kriteriums der „Risikoerhöhung“ bezweifelt, dass dieses nur scheinbar eine mehr oder weniger wertfrei messbare Größe beschreibe. Nahe liegender sei vielmehr, dass sich auch hinter diesem Begriff „komplexe normative Erwägungen verbergen“, die es aufzudecken gelte.229 Des Weiteren könnten gegen die Berücksichtigung hypothetischer Reserveursachen (als Kriterium bei der Quantifizierung der Gefahr) ungeachtet ihrer Tragfähigkeit die Einwände vorgebracht werden, die oben230 im Zusammenhang mit dem Ansatz Frischs genannt wurden.

b) Solidarisierung als Voraussetzung der Beihilfe Ein weiterer speziell an der Beihilfedogmatik orientierter Ansatz, der u. a. Lösungen für das Problem der berufsbedingten Verhaltensweisen anbietet, findet sich bei Schumann. Sein entscheidendes Kriterium ist die „Solidarisierung“ mit dem Täter. Da für ihr Vorliegen überwiegend objektive Indizien herangezogen werden, erscheint es angemessen, auch Schumanns Theorie hier im Rahmen „objektiver“ Lösungsvorschläge zu behandeln.231 (1) Schumanns Forderung nach einem ungeschriebenen Beihilfetatbestandsmerkmal der Solidarisierung wurzelt in dem von ihm ausführlich dargelegten Prinzip der Selbstverantwortung.232 Diese sei Konsequenz aus der menschlichen Handlungsfreiheit und führe dazu, dass jedermann einerseits für seine eigenen Taten 228 Vgl. Weigend, Nishihara-FS, S. 197, 208 f. Dies gilt aber realistischerweise auch für „qualitative“ Lösungen wie die von Weigend als Gegenbeispiel angeführte Lösung über die Figur einer professionellen Adäquanz, da deren Grenzen und Berücksichtigungsfähigkeit (etwa nach den Kriterien Hassemers, vgl. o. S. 84 f.) im Einzelfall ebenfalls nicht „intersubjektiv verbindlich“ sein dürfte. 229 Vgl. Wohlleben, S. 99 (zum Ansatz Niedermairs); vgl. auch aus dem Schweizerischen Schrifttum Schild Trappe, Harmlose Gehilfenschaft, S. 92 (zu Stratenwerths Ansatz, die allgemeine Formel von der Beihilfe als „Förderung“ der Tat durch den Gedanken der Risikosteigerung weiter einzuschränken): „Denn ob eine Hilfeleistung ,wegen fehlender Risikosteigerung‘ als erfolgsneutral bezeichnet werden kann, hängt von einer juristischen Wertung ab, und diese juristische Wertung kann uns der Begriff der Risikosteigerung auch nicht abnehmen. Er täuscht höchstens eine ( . . . ) allgemeingültige Lösungsmöglichkeit für alle Fälle der Gehilfenschaft vor.“ 230 Vgl. S. 106. 231 Vgl. auch Rogat, S. 118 f., der die Solidarisierung bei Schumann als „Kriterium der objektiven Zurechnung“ betrachtet. 232 Vgl. Schumann, Selbstverantwortung, S. 1 ff.

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verantwortlich, andererseits aber für Taten Dritter grundsätzlich nicht verantwortlich sei. Diesem fundamentalen und daher auch von der Strafrechtsdogmatik zu berücksichtigenden Prinzip würden die herkömmlichen Ansichten zum Strafgrund der Teilnahme nicht gerecht.233 Vielmehr könne die ausnahmsweise Verantwortlichkeit für fremde Taten nur dann überzeugend begründet werden, wenn der Teilnehmer sich mit der Haupttat „solidarisiert, d. h. erkennbar auf die Seite des Unrechts tritt.“234 Da mit Hilfe dieses Kriteriums nach Schumanns Ansicht auch bestimmte Problemfälle – er selbst verwendet etwa das häufig angeführte Beispiel des Verkaufs eines Schraubenziehers in einer Eisenwarenhandlung – gelöst werden können, in denen „zwischen der von der Dogmatik diktierten und der vom Rechtsgefühl nahegelegten Lösung“ keine Deckung bestehe,235 wird die „Solidarisierung“ bei ihm zugleich Strafgrund und ungeschriebenes Merkmal der Beihilfe.236 Zur Konkretisierung und vor allem zur äußeren und damit rechtssicheren Erkennbarkeit der Solidarisierung bedient sich Schumann unterschiedlicher Indizien. Als solche kommen in Betracht die Verbotenheit der Unterstützungshandlung nach (bestimmten) anderen Rechtsnormen,237 die zeitliche und sachliche Tatnähe (d. h. eine Hilfeleistung nach dem Vorbereitungsstadium und in Form einer Förderung des Unrechtskerns),238 die Kenntnis von der Tat vom Täter selbst (und nicht aus anderen Quellen, da in solchen Fällen eine „sozialpsychologisch gefährliche Auflehnung“ des mittelbaren Verursachers vorliege)239 sowie die Abweichung vom „gewöhnlichen Gang des Lebens“, d. h. das Verlassen von anerkannten „Handlungsstereotypen“.240 (2) Überträgt man diese Grundsätze auf Unterstützungshandlungen durch berufsbedingtes Verhalten,241 führen auch sie oft zu einer Einschränkung der Strafbarkeit. Von § 27 StGB unabhängige Verbote bestehen nur bei einer kleinen Zahl denkbarer Unterstützungshandlungen. Ferner werden bei den meisten der auftretenden Fälle berufsbedingte Unterstützungsbeiträge (etwa die Lieferung von GeVgl. Schumann, Selbstverantwortung, S. 44 ff. Vgl. Schumann, Selbstverantwortung, S. 54 ff.; allgemein krit. zu dieser Annahme vom Strafgrund der Teilnahme etwa LK-Roxin, vor § 26 Rn. 21. 235 Vgl. Schumann, Selbstverantwortung, S. 56; zum Eisenwarenbeispiel S. 54. 236 Darauf weist zutreffend auch Rogat, S. 120, hin. 237 Vgl. Schumann, Selbstverantwortung, S. 63 f. 238 Vgl. Schumann, Selbstverantwortung, S. 57 f. 239 Vgl. Schumann, Selbstverantwortung, S. 69. 240 Vgl. Schumann, Selbstverantwortung, S. 64 f., der selbst ferner davon spricht, dass die Handlung des Unterstützenden nicht mehr „als Aktualisierung eines jederzeit abrufbaren Leistungsangebotes erscheint“. Vgl. auch vom Stereotypen- bzw. Standardbegriff her argumentierend nochmals Silva-Sánchez, in: Eser / Huber / Cornils, Einzelverantwortung und Mitverantwortung im Strafrecht, S. 205, 210 f.; Rogat, S. 122, fasst dieses Kriterium Schumanns unter der Überschrift des „äußeren Eindrucks von Normalität“. 241 Vgl. dazu auch den Versuch einer Anwendung auf zahlreiche Fälle (die u. a. auch den Bereich berufsbedingten Verhaltens betreffen) bei Wohlleben, S. 32 ff. 233 234

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genständen aller Art, die Erteilung von Rat und Auskünften sowie der Transport) im Stadium der Vorbereitung erbracht werden, so dass auch eine Solidarisierung unter dem Gesichtspunkt der (zeitlichen) Tatnähe ausscheidet. Entscheidend wäre damit vielfach, ob sich die Handlungen „im gewöhnlichen Gang des Lebens“ bewegen. Dieser wird bei beruflichen Massengeschäften durch Art und Umstände der professionellen Leistung näher bestimmt und daher eingehalten, wenn sich die Leistung insoweit im Bereich des Üblichen bewegt und nicht in ungewöhnlicher Weise an die Bedürfnisse des unmittelbaren Verletzers angepasst wird. Strafbar wäre nach Schumann dagegen stets der Berufsträger, der von den deliktischen Plänen durch den Täter selbst erfahren hat; im Übrigen spielt es nach Schumanns (objektiver, an Rechtsklarheit ausgerichteter) Konzeption wohl keine Rolle, welchen Vorsatzgrad der Täter verwirklicht (wenngleich er selbst seine Beispiele zumeist mit Fällen sicherer Kenntnis des Täters bildet242). Er selbst resümiert nach einer kritischen Auseinandersetzung mit einem auf absichtliches Handeln begrenzten Ansatz Lenckners zur Strafvereitelung243 jedenfalls: „In dieser (sc.: stärker an einem objektiven Ansatz bei v. Bar orientierten244) – von Art und Grad des Vorsatzes des Handelnden unabhängigen – Fassung dürfte das Moment der Solidarisierung mit fremdem Unrecht ( . . . ) auch bei der Beihilfe das richtige treffen und als – tatbestandseinschränkendes – Auslegungskriterium verwendbar sein.“245 (3) Das Konzept der Solidarisierung als gleichsam ungeschriebenes Merkmal der Beihilfe hat in der Literatur zwar große Resonanz, dabei aber wenig Gefolgschaft gefunden. Zwar wird dem Solidarisierungsgedanken teilweise zugestanden, dass er den Leitgedanken für das bilde, was die strafbare Teilnahme ausmache.246 Allerdings wird der Begriff der „Solidarisierung“ mit den unterschiedlichen Fallgruppen als zu unscharf empfunden,247 und auch Schumanns Differenzierungen 242 Vgl. die Auflistung von Beispielen bei Wohlleben, S. 16 (dort Fußn. 39), der allerdings zutreffend darauf hinweist, dass diese Frage bei der Mitteilung durch den Täter und im Regelfall wohl auch der zeitlichen und sachlichen Nähe zur Tat keine große Rolle spielt, da der Unterstützende hier de facto zumeist um die Tat wissen wird. Das Gleiche dürfte oft (wenngleich nicht notwendig) in den Fällen der Anpassung der Leistung an die deliktischen Pläne (und damit des Abweichens vom „Gang des vernünftigen und gewöhnlichen Tuns“) gelten. 243 Vgl. Lenckner, Schröder-GS, S. 339 ff., insb. 355 ff. 244 Vgl. v. Bar, Gesetz und Schuld, S. 749 ff. 245 Vgl. Schumann, Selbstverantwortung, S. 60. 246 So etwa Weigend, Nishihara-FS, S. 193, 203; Rogat, S. 128 („viele richtige Ansätze“); grundsätzlich kritischer Niedermair, ZStW 107 (1995), S. 507, 513, nach dem die Solidarisierungsmetapher in ihrer „Akzentverschiebung vom Erfolgs- zum Handlungsunrecht zu weit“ geht. Immerhin werde „der Rechtsfrieden ( . . . ) doch am stärksten dadurch erschüttert, daß der Gehilfe den Täter erst in die Lage versetzt, erfolgreich fremde Rechtsgüter angreifen zu können“. 247 Vgl. Meyer-Arndt, wistra 1989, 281, 285; Niedermair, ZStW 107 (1995), S. 507, 514; Otto, Lenckner-FS, S. 193, 206; Tag, JR 1997, 49, 53; Rabe von Kühlewein, JZ 2002, 1139, 1142; Weigend, Nishihara-FS, S. 193, 203. Teilweise setzt sich freilich diese Kritik nicht genügend damit auseinander, dass Schumann sehr wohl (zwar möglicherweise angreifbare, aber

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2. Teil: Bestandsaufnahme

für Einzelfälle werden vielfach kritisch bewertet.248 Darüber hinaus wird als genereller Einwand vorgebracht, der grundsätzliche Ausschluss der Verantwortlichkeit für Taten Dritter (und damit das Erfordernis einer besonderen Legitimation einer Strafbarkeit) sei logisch jedenfalls nicht zwingend und entspreche auch nicht ohne weiteres der gesetzlichen Konzeption der §§ 25 II – 27 StGB.249 Als Folge daraus wird – wie oben bereits erwähnt – auch eine Reihe von Ergebnissen, die Schumann zur Lösung von Beispielsfällen vorträgt, in Frage gestellt.250 Kritik wird aber auch an den einzelnen konkretisierenden Indizien für eine Solidarisierung geübt. So wird hinsichtlich des Verstoßes gegen Verbotsnormen (wie auch schon bei anderen Ansätzen) vorgebracht, dass deren Bedeutung überschätzt werde, da nur der kleinste Bereich möglicherweise deliktsfördernder Handlungen spezialgesetzlich normiert sei.251 Zum Kriterium der (insbesondere zeitlichen) Nähe wird bemängelt, dass es für den Grad der Förderung der Haupttat häufig gleichgültig sei, ob die Unterstützungshandlung im Vorbereitungs- oder erst im Ausführungsstadium erbracht werde, es sei daher auch inkonsequent, beide Fälle unterschiedlich zu behandeln bzw. die Annahme einer Solidarisierung oder einer „rechtserschütternden Wirkung“ davon abhängig zu machen.252 In eine ähnliche Richtung geht auch die Kritik Rogats, es fehle in Schumanns Konzeption eine ausreichende „Qualifizierung und Quantifizierung der Risiken“.253 Dabei dürfte es Rogat weniger darum gehen, dass er seine eigenen Termini bei Schumann – wenig überraschend – nicht findet, sondern dass die Schumann’schen Kriterien seiner Ansicht nach zu pauschal sind. Sie berücksichtigen nämlich nicht, dass einerseits in Konstellationen, die anhand von Schumanns Maßstäben gleich zu behandeln wären (gleiche Nähe zur Tat, ähnliche Anpassung an den Plan des Täters, gleiche vom Täter erlangte Kenntnis), der Unterschied zum Grundrisiko und auch das konkrete Ausmaß der Gefährdung durchaus unterschiedlich sein jedenfalls) Kriterien liefert, die das Schlagwort von der Solidarisierung erheblich enger bestimmen; vgl. auch Rogat, S. 128 (dort Fußn. 455). 248 Vgl. etwa Beckemper, Jura 2001, 163, 167; Niedermair, ZStW 107 (1995), S. 507, 514; Otto, Lenckner-FS, S. 193, 206; Rogat, S. 120; Tag, JR 1997, 49, 53; Weigend, Nishihara-FS, S. 197, 203 (dort mit Fußn. 22); Wohlleben, S. 34, 43 f. (letztere Ausführungen allerdings zu Zweifeln an der Berücksichtigung immaterieller Interessen, die für die hier interessierende Frage weniger relevant sind). 249 Vgl. Wohlleben, S. 74 f.; ferner Rogat, S. 119 i.V.m. S. 110 f., sowie (wenngleich nicht explizit gegen Schumann) Schall, Meurer-GS, S. 103, 114; ähnlich auch Wohlers, SchwZStrR 117 (1999), 425, 432, wenn er Schumann vorwirft, von einem unrichtigen Strafgrund der Beihilfe auszugehen. 250 Vgl. die Nachweise oben in Fußn. 248. Unabhängig davon, ob man nun dieser Kritik im Einzelnen folgen will oder nicht, so macht sie doch deutlich, dass sich Schumann entgegen seinem eigenem Anspruch nicht ohne weiteres immer darauf stützen kann, dass seine Ergebnisse zwar von der scheinbar geltenden Dogmatik abweichen, aber vom Rechtsgefühl geboten seien (vgl. nochmals Schumann, Selbstverantwortung, S. 56). 251 Vgl. Tag, JR 1997, 49, 53. 252 Vgl. Niedermair, ZStW 107 (1995), 507, 514; Otto, Lenckner-FS, S. 193, 206; Roxin, Miyazawa-FS, S. 501, 514 f. 253 Vgl. Rogat, S. 129 ff.

B. Wichtige Lösungsaspekte in der bisherigen Diskussion

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können, dass aber andererseits in Konstellationen, die eigentlich unterschiedlich behandelt werden müssten, eine vergleichbare Risikosteigerung vorliegt.254

Schließlich werden auch die Trennschärfe und Geeignetheit der von Schumann als Kriterium herangezogenen Stereotypizität des Verhaltens angezweifelt. Zum einen sei diese für das Maß des Risikos im konkreten Einzelfall oftmals nicht ausschlaggebend.255 Zum anderen gebe es gerade auch im Bereich berufsbedingten Verhaltens Fälle, in denen die Leistung „qua Eigenart der Leistungserbringung ( . . . ) ganz ausschließlich nach individuellen Kundenvorgaben und nicht ,stereotyp‘ ( . . . ) gefertigt wird.“256 Dann stelle sich aber die Frage, ob die betreffenden Berufsträger (z. B. Möbelschreiner) sich nie auf die Stereotypizität berufen könnten, oder aber ob das Eingehen auf individuelle Kundenwünsche für sie so selbstverständlich und damit wieder stereotyp werde, dass darin nie eine Indizwirkung gesehen werden könnte.

c) Wahrnehmung des Unrechtspakts durch den Täter Einen eher beiläufig formulierten Lösungsvorschlag für „die problematischen Fälle sozialadäquater Beistandshandlungen“, der speziell auf den Prinzipien der Beihilfe beruht, macht schließlich in neuerer Zeit Heghmanns.257 Er beschäftigt sich zwar nicht zentral mit dieser Frage, betont aber ausdrücklich, dass die von ihm „vorgeschlagene Interpretation“ auf der Basis des von ihm ausgemachten Strafgrundes der Teilnahme diese problematischen Fälle lösen solle. (1) Ausgangspunkt der Überlegungen ist der Versuch, das „Unrecht von Anstiftung und Beihilfe“ neu zu bestimmen. Die bisherigen Versuche sowohl einer Ableitung des Teilnahmeunrechts aus dem Haupttatunrecht als auch der Begründung eines eigenständigen Unrechts des Teilnehmers geraten nach Ansicht von Heghmanns unter verschiedenen Aspekten vielfach in Begründungsnot.258 Ein Grund dafür sei das „Axiom der Einheit des Teilnahmestrafgrundes“, das den „völlig andersartigen Strukturen“ von Anstiftung und Beihilfe nicht gerecht werde.259 Der deshalb eigenständig zu bestimmende Strafgrund der Beihilfe liege – ähnlich wie bei den der Beihilfe als auxilium post delictum nahestehenden Fällen der Begünstigung und der Strafvereitelung – in der „Isolierung des Haupttäters“. Die Intensivierung des Rechtsgüterschutzes werde dadurch erreicht, dass der Haupttäter 254 Rogat, S. 130, vergleicht hier Schumanns Beispiel eines Waffenverkäufers (bei dem dieser unter entsprechender Auslegung des Waffengesetzes zu einer Solidarisierung durch einen Gesetzesverstoß bzw. eine „normative Abweichung“ vom üblichen Lebensverlauf kommt) mit dem Verkauf eines zu Tötungszwecken eingesetzten Pflanzengiftes. 255 Vgl. Rogat, S. 129, 131. 256 Vgl. Wohlleben, S. 44 (dort Fußn. 94). 257 Vgl. GA 2000, 473, 480 f. 258 Vgl. Heghmanns, GA 2000, 473 f. 259 Vgl. Heghmanns, GA 2000, 473, 475 f.

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2. Teil: Bestandsaufnahme

durch die akzessorische Strafandrohung von potentiellen Gehilfen isoliert wird. Wer diese Isolierung durchbreche, ließe die Tat „attraktiver, durchführbarer oder risikoärmer“ erscheinen und erleichtere oder stärke damit den Tatentschluss. Dies setze aber voraus, dass der Haupttäter „die Hilfeleistung wahr- und annimmt“, mithin also einen „Beistandspakt zwischen Gehilfen und Täter“.260 (2) Die – man ist geneigt zu sagen: verblüffend einfache – Lösung der Fälle „sozialadäquater“ (und damit auch vieler Fälle „berufsbedingter“261) Beistandslösungen sieht Heghmanns nun darin: „Solange der Täter die Beistandshandlung nicht als verbotene, weil vorsätzliche Unterstützung registriert, geht er weiterhin davon aus, wie jeder andere auf sich allein gestellt zu sein. Weiß er indes, dass ihm das Werkzeug in Kenntnis seines Zwecks überlassen wird, so tritt neben die objektive, aber austauschbare und ( . . . ) ersetzbare Besserstellung eine spezifische, nämlich die durch freundliche Überbrückung seiner Isolierung in einer ihm feindlich gesinnten Gesellschaft mitbewirkte psychische Bestärkung seines Tatentschlusses.“262 Nähere Kriterien dafür, wann die „vorsätzliche Unterstützung“ eine „verbotene“ sein soll, werden nicht genannt. Daher muss wohl für berufsbedingte (wie auch für jede andere Form von) Unterstützungshandlungen davon ausgegangen werden, dass der Berufsträger strafbar ist, wenn seine – auch völlig den beruflichen Gepflogenheiten entsprechende, nicht an die Deliktspläne angepasste und in gleicher Weise überall leicht erhältliche – berufliche Leistung im Falle einer Verwendung bei der Tat eine strafbare Beihilfe darstellt, falls nur der Haupttäter erkennt, dass der Verkäufer eine deliktische Verwendung für möglich hält.263 (3) Eine intensivere Auseinandersetzung mit Heghmanns Konzept vom Strafgrund der Beihilfe im Allgemeinen und der Auswirkungen auf die Problematik der „neutralen Beihilfe“ im Besonderen hat – soweit ersichtlich – in der Literatur noch nicht stattgefunden. Die Bedenken, die gegen die Überbetonung der psychischen Beihilfe und damit des Erkennens der Beihilfe durch den Haupttäter allgemein bestehen, wurden allerdings zu einem insoweit ganz ähnlichen Ansatz in der schweizerischen Literatur264 formuliert: So äußert Roxin in der Besprechung der einschlägigen Untersuchung von Schild Trappe Zweifel, ob es angebracht ist, wenn derjenige straffrei bleibt, der „z. B. einen Diebstahl ermöglicht, indem er – vom Täter unbemerkt – den argwöhnisch gewordenen Eigentümer durch Versperren der Tür am Eingreifen hindert“, während sich derjenige strafbar macht, der Vgl. Heghmanns, GA 2000, 473, 477 ff. Heghmanns spricht diese Problematik nicht explizit an, bildet aber immerhin sein Beispiel des „Verkaufs eines Schraubendrehers im Werkzeugladen an den Einbrecher“ gerade an einem Fall beruflichen Handelns. 262 Heghmanns, GA 2000, 473, 480. 263 Ähnlich in der schweizerischen Literatur bereits Schild Trappe, Harmlose Gehilfenschaft. S. 29, 97. 264 Vgl. soeben Fußn. 263. Schild Trappes Monographie wird freilich trotz der deutlichen Parallelität in den Ergebnissen von Heghmanns in dem Abschnitt über das „Unrecht der Beihilfe“ offenbar nicht herangezogen. 260 261

B. Wichtige Lösungsaspekte in der bisherigen Diskussion

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„zur Tat überhaupt nichts beigetragen und sich auf Beifallklatschen beschränkt“ hat.265 Darüber hinaus kann aber Heghmanns – unabhängig davon, wie man seine Überlegungen und Ergebnisse letztlich bewertet – kaum in Anspruch nehmen, die (von ihm selbst als solche bezeichneten!) „problematischen Fälle sozialadäquater Beistandshandlungen“266 zu lösen. Denn weder die „Normalität“ des Verhaltens noch die berechtigten Interessen des Berufsträgers oder die unter Berücksichtigung hypothetischer Reserveursachen geringe Gefahrerhöhung durch „neutrale“ Beihilfehandlungen werden bei dieser Konzeption in irgendeiner Weise berücksichtigt. Man mag dies bei einer starken Betonung des Rechtsgüterschutzes267 für richtig halten – das „Problem“ wird damit aber nicht „gelöst“, sondern letztlich gar nicht als ein solches behandelt. Wertungsmäßig überzeugend ist das freilich kaum, wie zwei Varianten eines schon öfters zitierten Lehrbuchbeispiels zeigen: Verkauft ein Bäcker ein gewöhnliches Brötchen, obwohl er es – wie der Haupttäter erkennt – in einer dolus eventualis begründenden Weise für möglich hält, dass der Kunde damit seine Frau vergiftet, wäre er nach Heghmanns Lösung strafbar. Dies ist jedenfalls dann wenig überzeugend, wenn umgekehrt der Bäcker, der genaue Kenntnis vom Tatplan hat, straflos sein soll, nur weil der Haupttäter in Überschätzung seiner Überzeugungskraft irrtümlich davon ausgeht,268 der Bäcker habe ihm geglaubt, dass die in Auftrag gegebene, teilweise mit vom Kunden zur Verfügung gestelltem Rattengift gebackene Torte nur benötigt werde, weil die zu erlegenden Ratten eine Vorliebe für Süßspeisen hätten.

265 Vgl. Roxin, JZ 1996, 29, 30. Roxin zustimmend Wohlleben, S. 96. Zuzugeben ist Heghmanns Konzept zwar, dass es manche gesetzliche Vorgaben sowie verbreitet für richtig gehaltene Ergebnisse mit seiner Deutung leichter erklären kann. Ob allerdings diese leichtere Erklärbarkeit den Preis solcher Konsequenzen wert ist, darf bezweifelt werden. 266 Vgl. nochmals Heghmanns, GA 2000, 473, 480. 267 Wohlers spricht schon bei dem insoweit sogar noch weniger weit reichenden Modell von Niedermair, ZStW 107 (1995), 507 ff., davon, dass der Rechtsgüterschutz „verabsolutiert werde“, vgl. NStZ 2000, 169, 170 (dort Fußn. 15). Die Strafbarkeit wird im Übrigen nach Heghmanns Vorschlag umso weiter ausgedehnt, falls für das „Erkennen“ durch den Täter „dolus eventualis“ genügt, dass er den Vorsatz des mittelbaren Verursachers für möglich hält und billigend in Kauf nimmt. Nach Heghmanns eigenen Kriterien des „Erscheinens“ der Tat als „attraktiver, durchführbarer oder risikoärmer“ (vgl. o. bei Fußn. 260) wäre es nur konsequent eine solche, dem dolus eventualis vergleichbare innere Einstellung des Täters für den Unrechtspakt genügen zu lassen. 268 In einem etwas abgewandelten Fall, in dem sich der mittelbare Verursacher (etwa wie im hier gebildeten Beispiel auf Grund der deutlichen äußeren Umstände) zumindest vorstellt, der Täter würde seine vorsätzliche Unterstützung als solche erkennen, würde nach Heghmanns Konzept konstruktiv ein Versuch vorliegen, der allerdings bei der Beihilfe straflos wäre. Umgekehrt – und auch das überzeugt zumindest nicht spontan – wäre ein Täter wegen eines Irrtums nach § 16 I 1 StGB straflos, wenn er irrtümlich davon ausgeht, der Haupttäter würde seine (und sei es nach außen hin auch klar erkennbare) Unterstützungshandlung nicht als solche erkennen.

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II. Gemischt objektiv-subjektive Modelle Die bisher dargestellten Sachgesichtspunkte wurzelten im Wesentlichen269 rein im objektiven Bereich. Sie wären daher in der Deliktsprüfung im Rahmen des objektiven Tatbestands anzusprechen und werden – das ist viel wesentlicher – ohne Rückgriff auf die subjektive Beziehung des mittelbar Verursachenden zur Tat entschieden. Demgegenüber kombinieren andere Autoren – sowie insbesondere Roxin folgend teilweise auch die neuere Rechtsprechung des BGH – objektive und subjektive Gesichtspunkte. Um diese spezielle Abhängigkeit gerade auch des Problems der berufsbedingten Unterstützung von objektiven wie subjektiven Merkmalen zu kennzeichnen, wird hier der Überbegriff der gemischt objektiv-subjektiven Modelle gewählt. Auf zwei Punkte sei zur Klarstellung hingewiesen: Natürlich benötigen auch die Vertreter der hier „objektiv“ genannten Lösungsansätze den subjektiven Tatbestand, nämlich in Gestalt des Vorsatzes (insbesondere auch hinsichtlich der Merkmale, die objektiv gegebenenfalls für eine Strafbarkeit sprechen). Umgekehrt muss auch nach den im Anschluss unter III. (S. 138 ff.) dargestellten Lösungsansätzen der objektive Tatbestand der täter- oder gehilfenschaftlichen Tatbegehung festgestellt werden, bevor der für sie zentralere subjektive Tatbestand geprüft wird; auch wohnt diesen „subjektiven Theorien“ ein objektives Element inne, soweit – wenngleich teilweise nicht explizit ausgesprochen – die besonderen Einschränkungen auf der subjektiven Ebene vielfach überhaupt nur diskussionswürdig erscheinen, wenn die Unterstützungshandlungen objektiv eine bestimmte Qualität haben. Insoweit mag man an der Berechtigung oder zumindest Notwendigkeit einer Zwischenkategorie „gemischt subjektiv-objektiver Modelle“ zweifeln.270 Im Rahmen der vorliegenden Systematisierung wird sie gleichwohl eingeführt, um zum Ausdruck zu bringen, dass nach den folgenden Ansätzen kein klares Übergewicht des objektiven oder subjektiven Tatbestandes besteht, soweit es speziell um die Berücksichtigung der hier interessierenden Problemkonstellation geht.271 269 Eine gewisse Ausnahme ist etwa das Schumann’sche Solidarisierungsindiz des Erfahrens des deliktischen Plans vom Täter selbst; freilich ist auch dieses Kriterium nicht in erster Linie ein subjektives nach dem Grad der Kenntnis, da sonst andere Fälle zuverlässiger Kenntnis genauso behandelt werden müssten. Auch Ransieks Konkretisierungskriterium für die Pflichtwidrigkeit in Form der Sicherheit der Tatbegehung aus Sicht des mittelbaren Verursachers (vgl. wistra 1997, 41, 44 sowie oben S. 96) wird von ihm selbst explizit nicht als subjektives gesehen; vielmehr komme es darauf an, „ob sich objektiv unter Berücksichtigung des Wissens des Tatfördernden die Straftatbegehung hinreichend sicher“ ergebe (Hervorhebung hier). 270 Eine entsprechende Kategorie fehlt etwa in dem ebenfalls „nach der Deliktsprüfung“ gegliederten Überblick bei Hillenkamp AT, S. 181 ff.; dagegen ist bei Tag, JR 1997, 49 ff., die Kategorie einer „gemischt subjektiv-objektiven Theorie“ aufgenommen, der sie sich selbst als nahestehend erweist (vgl. S. 54; bei Hillenkamp AT, S. 192, wird Tag ebenso wie der hier im Folgenden dargestellte Ansatz Roxins unter dem Stichwort „subjektive Theorien“ behandelt); ebenfalls eine gemischt objektiv-subjektive Kategorie eröffnet Müller, Subjektive Zurechnung, S. 133 (wenngleich er selbst sich im Ergebnis für eine fast rein subjektive Lösung entscheidet). Vgl. zum Ganzen auch MüKo / StGB-Joecks, § 27 Rn. 65. 271 Ein anschauliches Beispiel für eine gemischt objektiv-subjektive gesetzliche Regel bietet aus dem Ausland (nicht speziell beschränkt auf die vorliegende Sachfrage) eine frühe Entwurfsfassung des American Model Penal Code: danach ist strafbar entweder die bezweckte

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1. Deliktischer Sinnbezug und erkennbare Tatgeneigtheit Der am ausführlichsten entwickelte Ansatz in dieser Gruppe rührt von Roxin her. Schlagwortartig wird auch sein Ansatz teilweise als „Theorie vom deliktischen Sinnbezug“ bezeichnet,272 wobei der Begriff des deliktischen Sinnbezugs hier im Verhältnis zur Verwendung bei Frisch nicht nur modifiziert verstanden wird, sondern im Gegensatz zum Ansatz Frischs auch kein allein entscheidendes objektives Datum ist; vielmehr ist er nur eine wichtige Weichenstellung in einem System mit mehreren objektiven und subjektiven Komponenten. Im Unterschied zu Frisch wird das Kriterium auch nicht anhand allgemeiner (grundsätzlich für Täterschaft und Teilnahme geltender, wenngleich vielleicht für die Teilnahme besonders relevanter) Grundsätze abgeleitet, sondern in engem Zusammenhang gerade mit der Beihilfe gesehen.273 (1) Roxins Überlegungen haben ihre Wurzeln in seinem Verständnis vom Strafgrund der Teilnahme. Zwar sei entgegen einzelnen anders lautenden Ansätzen eine „völlige“ Verselbständigung des Teilnahmeunrechts vom Unrecht der Haupttat nicht möglich;274 allerdings enthalte die Teilnahme durchaus auch ein eigenständiges Unrecht, das in einem „selbständigen ,Rechtsgutsangriff‘ des Teilnehmers“ liege.275 Es müsse also gefragt werden, ob nur der unmittelbare Verletzer oder daneben auch der Unterstützende (nicht nur für die Verletzung durch den Täter kausal werde, sondern) das Rechtsgut angreife.276 Dieser, „über die akzessorische Verursachung hinausgehende Unwert“ liege nun bei der Beihilfe nur vor, wenn die kausale Risikosteigerung rechtlich missbilligt sei.277 Förderung der Tat („with the purpose of promoting or facilitating the commission of a crime“) oder aber die wissentliche Förderung, wenn diese ausreichend intensiv ist („acting with knowledge . . . substantially facilitating its commission“), vgl. Sec. 2.04 (3) MPC im Draft Nr. 1 / 1953, mittlerweile als Sec. 2.06, in dem die Variante der wesentlichen Förderung bei bloßer Kenntnis (ohne Förderungszweck) gestrichen wurde; vgl. Brumbaugh, Criminal Law, S. 728, nach dem hier auch der MPC zitiert wird. 272 Vgl. etwa Hillenkamp AT, S. 191; Niedermair, ZStW 107 (1995), 507, 528 (nicht in der Überschrift, aber im Text); Rogat, S. 143 (für Fälle von dolus directus). 273 Schon die Titel seiner Beiträge in den Festschriften für Stree und Wessels bzw. für Miyazawa („Zum Strafgrund der Teilnahme“ bzw. „Was ist Beihilfe?“), in denen Roxin seine Konzeption wesentlich entfaltet, weisen auf den engen Zusammenhang mit den Grundsätzen gerade der Beihilfedogmatik hin; insoweit ist sein Ansatz also zunächst ebenso ein „beihilfespezifischer“ wie die oben S. 107 ff. dargestellten. Wie im Folgenden gezeigt werden wird, macht allerdings auch Roxin selbst einzelne Gedanken seiner Gesamtkonzeption (wenngleich nicht den Topos des deliktischen Sinnbezugs) für Fragen der Fahrlässigkeitsstrafbarkeit fruchtbar. 274 Vgl. Roxin, Stree / Wessels-FS, S. 365 ff. 275 Vgl. Roxin, Stree / Wessels-FS, S. 365, 369, sowie ders., AT II, § 26 Rn. 1 ff., 11. 276 Vgl. die Formulierung bei Roxin, Stree / Wessels-FS, S. 365, 379: „Die Auftragserteilung an einen Handwerker (sc. der vorhat, Steuern zu hinterziehen) hat keinen deliktischen Sinnbezug; allein der Handwerker, nicht der Kunde greift das Steuerrecht an.“ (Hervorhebung durch den Verf.). 277 Vgl. Roxin, Stree / Wessels-FS, S. 365, 378, sowie ders., Miyazawa-FS, S. 501, 512.

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2. Teil: Bestandsaufnahme

(2) Wohl als Folge aus dem Erfordernis gerade der rechtlichen Missbilligung der Risikosteigerung278 kommt Roxin bei der Behandlung alltäglicher (und damit oft auch berufsbedingter279) Handlungen zu einer Differenzierung zwischen zwei Konstellationen: Im strafrechtsdogmatischen Normalfall eines Helfers mit dolus directus begründender Kenntnis könne selbst bei Kausalität für den Erfolg der Haupttat und erhöhtem Risiko ihrer Begehung bei alltäglichen oder neutralen Handlungen eine rechtliche Missbilligung der Tat nur erfolgen, wenn der Beitrag einen eindeutigen „deliktischen Sinnbezug“ habe; denn erst dieser mache „aus dem neutralen Verhalten ( . . . ) einen Rechtsgutsangriff“.280 Ein solcher Sinnbezug liege vor, „wenn er für den Täter nur unter der Voraussetzung der geplanten Straftat von Wert ist und der ,Beiträger‘ dies auch weiß.“281 Habe der Unterstützende dagegen keine sichere Kenntnis von der geplanten Tat, sondern halte diese nur in einer Eventualvorsatz begründenden Weise für möglich, so genüge der (objektive) deliktische Sinnbezug nicht. Vielmehr dürfe derjenige, der alltägliche Handlungen vornehme, grundsätzlich darauf vertrauen, dass sich auch die übrigen Rechtsgenossen rechtstreu verhalten. Es gelte also der vor allem aus der Fahrlässigkeitsdogmatik bekannte „Vertrauensgrundsatz“. Eine Beihilfestrafbarkeit setze daher darüber hinausgehend voraus, dass der Empfänger der Leistung „erkennbar tatgeneigt“ sei.282 Auf der Grundlage dieser Differenzierung und seiner ergänzenden Kriterien folgt Roxin etwa der Auffassung des Reichsgerichts, das die Lieferung von Brot und Fleisch an einen Bordellinhaber – auch bei dolus directus – nicht als Beihilfe zum (strafbaren) Betrieb eines Bordells ansah.283 Der Genuss dieser Speisen sei nämlich auch unabhängig von einem sol278 Eine explizite schrittweise Ableitung der im Folgenden dargestellten differenzierenden Bewertung aus dem Gesichtspunkt des „Auch-eigenständigen-Teilnahme-Unrechts“ bzw. der „rechtlich missbilligten Risikosteigerung“ als Voraussetzung der Beihilfe findet sich bei Roxin nicht; vielmehr argumentiert er selbst eher induktiv von einzelnen Fällen und deren als „(nicht) einleuchtend“ empfundenen Lösungen (vgl. Stree / Wessels-FS, S. 378 f. und noch deutlicher Miyazawa-FS, S. 521 f.). Nicht zufällig umfasst die Darstellung der „Grundlegung“ von Roxins Theorie in der Dissertation selbst seines Schülers Wohlleben weniger als die Hälfte des Umfangs, in dem die „Grundlegungen“ etwa von Jakobs und Frisch dargestellt werden. Der Sache nach dürften aber die im Folgenden dargestellten, bei Roxin selbst zwischen den illustrierenden Beispielen verteilten Gedankenschritte ausschlaggebend sein. 279 Es spricht viel dafür, dass jedenfalls nicht alle in einem weiten Sinne verstandenen „berufsbedingten“ Verhaltensweisen auch alltäglich im von Roxin verwandten Sinne sind. Auf eine nähere Beschreibung dessen, welche Handlungen „alltäglich“ sind, verzichtet Roxin jedoch soweit ersichtlich. Dies ist zwar auf den ersten Blick konsequent, da er betont, dass es „keine Alltagshandlungen per se“ gebe (vgl. Miyazawa-FS, S. 501, 515); allerdings verwendet er den Begriff der „Alltäglichkeit“ in einem vagen, eher phänomenologischen Sinne selbst zur Problembeschreibung. Zumindest teilweise wählt er als Beispiele solcher (vermeintlich) alltäglichen Verhaltensweisen solche aus dem Berufs- und Wirtschaftsleben. 280 Vgl. Roxin, Stree / Wessels-FS, S. 365, 379; ders., AT II, § 26 Rn. 221 ff. 281 Vgl. Roxin, Miyazawa-FS, S. 501, 513; ähnlich ders., Stree / Wessels-FS, S. 365, 379 f. 282 Vgl. Roxin, Stree / Wessels-FS, S. 365, 380; ähnlich ders., Miyazawa-FS, S. 501, 516, sowie ders., AT II, § 26 Rn. 241 ff. 283 Vgl. RGSt 39, 44, 48.

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chen Betrieb sinnvoll.284 Das Gleiche gelte für die Lieferung von Materialien an einen Fabrikanten, der bei der Herstellung seiner Waren „ständig gegen Umweltschutzvorschriften verstößt“.285 Demgegenüber sei die nächtliche Fahrt mit einem Taxi an den Tatort für den Taxifahrer eine Beihilfe, da eine solche Fahrt „ohne die Delikte ( . . . ) keinen Sinn für die Täter (sc. hätte) und ( . . . ) nicht stattfinden“ würde.286 Gleiches soll für den Verkauf eines Schraubenziehers an einen Einbrecher dann gelten, „wenn der Verkäufer weiß, daß der Käufer ihn nur zur Durchführung eines Einbruchsdiebstahls“ erwirbt.287 Wenn der Verkäufer dies dagegen nicht wisse, aber „infolge des verdächtigen Aussehens (sc. des Erwerbers) für möglich hält und in Kauf nimmt“ (d. h. dolus eventualis hat), sei er straflos, „weil ein auf subjektiven Eindrücken beruhendes ,verdächtiges Aussehen‘ zur Begründung erkennbarer Tatgeneigtheit nicht genügt“. Etwas anderes würde gelten, „wenn Teilnehmer einer erbittert geführten Straßenschlacht in einem in Sichtweite gelegenen Geschäft Waffen kaufen“.288

Eine ganz ähnliche Abgrenzung muss nach Roxin auch bzw. sogar erst recht bei Fahrlässigkeitsdelikten gelten. Bei diesen ist der Vertrauensgrundsatz im besonderen Maße (und – anders als in Fällen bedingten Vorsatzes – auch weitgehend unstreitig) zu beachten.289 Die Grenzen des durch den Vertrauensgrundsatz erlaubten Risikos seien dort zu ziehen, wo ein erkennbar (d. h. nicht notwendig als solcher erkannter) Tatgeneigter unvorsätzlich unterstützt wird, wobei für eine solche Unterstützung nicht eine „willkürliche Bedingungsverknüpfung“ durch den Vorsatztäter genüge.290 Diese Erkennbarkeit der Deliktsbegehung sei zu fordern, weil allein die Möglichkeit einer Deliktsbegehung für einen „normalen Menschen“ kein Grund sei, die Straftat auch zu verwirklichen und sich daher „bei einem derartigen Verbrechen nicht (sc. ohne weiteres, auch ohne erkennbare Tatgeneigtheit) die Gefahr verwirklicht, die durch die Erstursache geschaffen worden war“.291 Damit würde im Ergebnis auch eine Fahrlässigkeitshaftung für „Alltagshandlungen“ ausgeschlossen, da bei solchen eine erkennbare Tatgeneigtheit praktisch nicht vorkomme. Wo dies aber der Fall sei (insbesondere bei hinreichend konkretem Sonderwissen des mittelbaren Verursachers), greife der Vertrauensgrundsatz ohnehin nicht mehr ein.292 284 Vgl. Roxin, Miyazawa-FS, S. 501, 515; die Differenzierung des RG, das demgegenüber die Lieferung von Wein (auf Kredit) als Beihilfe ansah, hält Roxin zu Recht für zweifelhaft. 285 Vgl. Roxin, Stree / Wessels-FS, S. 365, 379. 286 Vgl. Roxin, Stree / Wessels-FS, S. 365, 379. 287 Vgl. Roxin, Miyazawa-FS, S. 501, 514. 288 Vgl. Roxin, Miyazawa-FS, S. 501, 516; zum ersten Beispiel ähnlich ders., Tröndle-FS, S. 177, 187, zum letzten Beispiel ähnlich ders., Stree / Wessels-FS, S. 365, 380. 289 Vgl. zum Folgenden Roxin, Tröndle-FS, S. 177, 186 f. 290 Vgl. Roxin, Tröndle-FS, S. 177, 190 f. Hinsichtlich der zuletzt genannten Ausnahme hat Roxin etwa Fälle vor Augen, in denen „Desperados bei Weiterführung eines Prozesses die Ermordung eines Politikers in Aussicht stellen und auch durchführen“; das Strafrecht dürfe nämlich nicht „Nötigern und Erpressern in untragbarer Weise Vorschub leisten.“ Etwas anderes soll nach Roxin bei Garanten gelten, vgl. Tröndle-FS, S. 177, 197. 291 Vgl. Roxin, Tröndle-FS, S. 177, 194. 292 Vgl. Roxin, Tröndle-FS, S. 177, 196 f.

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2. Teil: Bestandsaufnahme

(3) Die Idee eines objektiv und subjektiv differenzierenden Ansatzes hat verbreitet Zustimmung gefunden.293 Auch speziell die Kriterien Roxins werden teils befürwortet,294 teilweise aber auch in ihrer Grenzziehung oder aber hinsichtlich ihrer Ergebnisse295 in Frage gestellt: (a) So wird zunächst dem Kriterium des deliktischen Sinnbezugs in Roxins Deutung als Werthaftigkeit der Leistung für den Täter nur unter der Voraussetzung der geplanten Straftat in mehrfacher Hinsicht die Tauglichkeit zu einer sachgerechten Differenzierung abgesprochen. Zunächst sei fraglich, ob in Fällen positiver Kenntnis (für die Roxin ja gerade das Merkmal postuliert) überhaupt noch zusätzlich das Vorliegen eines bestimmten Sinnbezugs gefordert werden müsse.296 Des Weiteren sei ein eindeutig deliktischer Sinnbezug bereits theoretisch, jedenfalls aber praktisch kaum vorstellbar.297 Dies gelte insbesondere für Leistungen, mit denen der unmittelbare Verletzer mehrere Zwecke verfolgen könne.298 Scheide man diese aus den Fällen des deliktischen Sinnbezuges aus, so werde der Leistungserbringer dadurch unangemessen privilegiert, weil man ihm gestatte, aus dem „legalen Teil“ der späteren Verwendung Profit zu schlagen, indem man von dem „illegalen Teil“ abstrahiere.299 Wird nun als Konsequenz aus diesen Schwierigkeiten der Anwendungsbereich des deliktischen Sinnbezugs durch eine stärker wertende Betrachtung, wann die Leistung keinen legalen Zweck mehr hat, ausgedehnt (was in der Sache auch Roxin selbst bei der Lösung seiner Beispiele tut), so werde das Kriterium seinerseits unscharf.300 Schließlich wird ganz grundsätzlich eingewendet, dass es bei der Beihilfestrafbarkeit weniger um den „deliktischen Sinn“ des Handelns (und damit mittelbar um deliktische Gemeinschaften zwischen Täter und Teilneh293 Vgl. neben der Darstellung auf S. 124 ff. etwa Schönke / Schröder-Cramer / Heine, § 27 Rn. 10. 294 So gesteht Roxins Schüler Wohlleben, S. 92 f., dessen Lösung zu, dass sie „als einzige eine akzentuierte Berücksichtigung sowohl innerer als auch äußerer Merkmale der Unterstützungshandlung“ ermögliche und dabei hinsichtlich der „Unterscheidung im Subjektiven“ „richtungsweisend“ sei sowie hinsichtlich der „im Objektiven“ „Maßstäbe“ setze. 295 Lesch, Verbrechensbegriff, S. 260, dort Fußn. 173, bzw. ders., JR 2001, 383, 386, dort Fußn. 43, bezeichnet diese gar als „aleatorisch und axiologisch ungereimt“ bzw. ihre Grenzziehungen als „beliebig“. 296 Vgl. Tag, JR 1997, 49, 54; krit. zum Abstellen auf den Sinn der Hilfeleistung (statt auf die Qualität der Unterstützungshandlung) auch Schönke / Schröder-Cramer / Heine, § 27 Rn. 10. 297 In diesem Sinne etwa Amelung, Grünwald-FS, S. 9, 18 i.V.m. S. 13; Beckemper, Jura 2001, 163, 167; Niedermair, ZStW 107 (1995), 507, 531; Otto, Lenckner-FS, S. 193, 207; Rabe von Kühlewein, JZ 2002, 1139, 1140 f. (bezogen auf die insoweit am Konzept Roxins anknüpfende neuere Rechtsprechung des BGH). 298 Vgl. Beckemper, Jura 2001, 163, 167. 299 Näher mit Beispielen Niedermair, ZStW 107 (1995), 507, 529 f., 532. 300 Vgl. Wessing, NJW 2003, 2265, 2266 f. (bezogen auf die insoweit am Konzept Roxins anknüpfende neuere Rechtsprechung des BGH); zumindest mittelbar auch bei Otto, Lenckner-FS, S. 193, 208.

B. Wichtige Lösungsaspekte in der bisherigen Diskussion

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mer), sondern um den „Schutz gegen mittelbare Angriffe auf das geschützte Rechtsgut“ gehe.301 (b) Hinsichtlich der Begrenzung der Strafbarkeit bei dolus eventualis auf Fälle „erkennbarer Tatgeneigtheit“ wird bereits ihre Grundlegung insoweit in Frage gestellt, als dort auf den Vertrauensgrundsatz zurückgegriffen wird. Dieser sei nämlich ein Element der Fahrlässigkeitsdogmatik, dessen Übertragbarkeit auf Vorsatzdelikte nicht überzeuge.302 Des Weiteren sei noch nicht hinreichend geklärt, wann überhaupt von einer erkennbaren Tatgeneigtheit ausgegangen werden könnte.303 Schließlich erfülle das Kriterium auch keine, jedenfalls aber keine in sich stimmige, Abgrenzungsfunktion: In Fällen, in denen der mittelbar Verursachende nämlich die deliktische Verwendung seiner Leistung nur in ganz genereller Weise für „möglich“ halte, liege noch gar kein bedingter Vorsatz vor;304 wo dagegen „konkret mit der Möglichkeit der Tatbestandsverwirklichung zu rechnen, sie ernstlich für möglich zu halten“ sei, werde regelmäßig auch die Tatgeneigtheit des Täters erkennbar sein.305 (c) Ein letzter Einwand schließlich betrifft das Verhältnis der beiden von Roxin unterschiedenen Konstellationen und ihrer Anforderungen zueinander: Wird nämlich bei Vorliegen von dolus eventualis eine Strafbarkeit angenommen, wenn der Haupttäter „erkennbar tatgeneigt“ ist, so ist nicht recht einsichtig, weshalb die erkennbare Tatgeneigtheit bei Vorliegen von dolus directus nicht auch dann eine Strafbarkeit begründen können soll, wenn kein ausschließlicher deliktischer Sinnbezug vorliegt.306 Es ist nämlich durchaus vorstellbar, dass eine Leistung für den Täter nicht nur zur deliktischen Verwendung sinnvoll ist, dennoch aber seine Geneigtheit zur (und sei es nur auch) deliktischen Verwendung erkennbar ist. Hier bestünde also ein Wertungswiderspruch, der in dreierlei Weise auflösbar wäre: Der einfachste Weg ist, bei erkennbarer Tatgeneigtheit erst recht auch eine Strafbarkeit anzunehmen, wenn der Unterstützende mit dolus directus handelt. Als alternativer Weg zu denselben Ergebnissen wäre vorstellbar, den deliktischen Sinnbezug – freilich in gewisser Abweichung von der Formel von der alleinigen Werthaftigkeit des Beitrags für die Begehung einer Straftat – so weit zu definieren, dass auch seine Voraussetzungen stets erfüllt sind, wenn der Haupttäter erkennbar tatgeneigt ist. Schließlich könnten aber auch – mit der Folge einer gegenüber den ersten beiden Wegen stärkeren Einschränkung der Strafbarkeit – die Voraussetzungen an die „erVgl. Otto, Lenckner-FS, S. 193, 208. Vgl. Amelung, Grünwald-FS, S. 9, 18 f.; Beckemper, Jura 2001, S. 163, 168; Otto, Lenckner-FS, S. 193, 209. 303 Vgl. Beckemper, Jura 2001, 163, 168. 304 Vgl. auch Schall, Meurer-GS, S. 103, 111. 305 Vgl. Rogat, S. 150 f. (Hervorhebungen dort; letztlich allerdings offen lassend, ob dies in allen Fällen gelten solle); ferner Otto, Lenckner-FS, S. 193, 209 (Tatgeneigtheit als das Element aus Sicht des Außenstehenden, auf das sich sein dolus eventualis gründet); dem zustimmend auch Beckemper, Jura 2001, 163, 168. 306 Ebenso Schall, Meurer-GS, S. 103, 112. 301 302

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2. Teil: Bestandsaufnahme

kennbare Tatgeneigtheit“ so weit heraufgeschraubt werden, dass eine solche nur zu bejahen ist, wenn der Beitrag auch erkennbar ausschließlich für die deliktischen Zwecke des Tatgeneigten sinnvoll erscheint, so dass der deliktische Sinnbezug zusätzliche Voraussetzung auch bei Vorliegen von dolus eventualis ist.307

2. Kollisionen und Kooperationen bei der Ausübung von Freiheiten Eine Roxin im Ergebnis zwar nahestehende, in Einzelheiten und vor allem der Grundlegung jedoch abweichende Konzeption verfolgt Tag. Auch sie kombiniert – zumindest vorgeblich – objektive und subjektive Kriterien: (1) Ausgangspunkt von Tags Darstellung ist zunächst eine Auseinandersetzung mit einer Vielzahl von zu der Problematik vertretenen Ansichten, die mehr oder weniger kritisch bewertet werden.308 Anhand von diesen kommt sie zu dem Ergebnis, dass in den problematischen Fällen der „janusköpfigen Unterstützungshandlungen“309 die „Widmung“ bzw. „Indienststellung“ der Handlung als Deliktsunterstützung „weder rein objektiv noch rein subjektiv bestimmt werden“ könne.310 Um nun die maßgeblichen objektiven und subjektiven Kriterien zu bestimmen, geht Tag davon aus, dass bei der Ausübung von Freiheiten durch mehrere Personen Kollisionen und Kooperationen auftreten können und dass je nach Interaktionsform eine Abwägung der grundrechtlich geschützten Handlungsfreiheiten stattzufinden hätte.311 Dabei seien Fälle der Kollision dadurch gekennzeichnet, dass „Handlungen mit unterschiedlichen Zweckbestimmungen ( . . . ) aufeinanderprallen“, während – unterschiedlich intensive – Kooperationen vorliegen, wenn „die mit den Handlungen verfolgten Zwecke zumindest teilidentisch sind“. Konsequenz 307 Dieser Weg könnte sich insofern am besten in Roxins Konzeption einfügen, als er den deliktischen Sinnbezug in einigen Formulierungen auch als allgemeine Voraussetzung der Beihilfe nennt, vgl. insb. die Abschnittsüberschrift in Stree / Wessels-FS, S. 365, 378. 308 Vgl. im Einzelnen jeweils die Hinweise auf den Beitrag von Tag, JR 1997, 49 ff., bei der Erörterung der Kritik an den bis hier und im Anschluss dargestellten Ansichten. 309 Vgl. Tag, JR 1997, 49, 55; von diesen grenzt Tag a. a. O. solche Fälle der „geborenen“ Beihilfe ab, „wenn der Sinn einer Handlung bereits aus den objektiven Einsatzmöglichkeiten sowie der subjektiven Zwecksetzung allein in der Verwirklichung eines Delikts liegen kann“. 310 Vgl. Tag, JR 1997, 49, 55: „Ersteres nicht, da lediglich das Wissen um die mögliche Ausnutzung einer Handlung zum Zwecke einer Straftat der Unterstützungshandlung noch keine Gefährlichkeit verleiht und die nach außen nicht erkennbare und wenn überhaupt nur vage Bedrohung des Rechtsfriedens nicht die strafrechtlich sanktionierte Beschränkung der Handlungsfreiheit des Unterstützenden rechtfertigt. Letzteres nicht, da die soziale Bedeutung eines Verhaltens ohne Berücksichtigung des Willensinhalts des Handelnden nicht beurteilt werden kann.“ 311 Vgl. zum Folgenden Tag, JR 1997, 49, 55 f. Daneben nennt Tag noch den Fall, dass sich die Freiheitsausübungen „nicht tangieren“, misst dem aber überzeugend grundsätzlich keine strafrechtliche Relevanz zu.

B. Wichtige Lösungsaspekte in der bisherigen Diskussion

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einer „Kollision“ sei die grundsätzlich alleinige Verantwortung jedes Handelnden für sein Tun. Aber auch bei der Kooperation dürfe jeder „Partner“ grundsätzlich darauf vertrauen, dass der andere die geltenden Normen beachte; dies gelte sogar, „wenn der potentielle Gehilfe mit dolus eventualis im Hinblick auf die Haupttat handelt.“ (2) Die Konsequenzen dieser Unterscheidung für alltägliche, berufsbedingte Unterstützungshandlungen werden bei Tag nur vage deutlich, da sie zwar einige wenige Beispiele mit ihren Lösungen anführt, die objektiven und subjektiven Beihilfevoraussetzungen jeder Interaktionsform aber nicht systematisch und vollständig darstellt. Die Gesamtschau ihrer Ausführungen legen jedoch folgendes Verständnis nahe: Ist die subjektive Zwecksetzung (die nach Tag vom Vorsatz unabhängig und zu unterscheiden ist312) eine undeliktische, von der tatsächlichen Verwendung des Gegenstandes durch den Verletzer verschiedene und hält sich die Handlung objektiv in eventuellen spezialgesetzlichen Grenzen, so liegt grundsätzlich keine strafbare Beihilfe vor. Wenn und soweit sich dagegen subjektive Zwecksetzung des Berufsträger und seines Kunden von der Verwendung der Leistung decken, scheidet eine Strafbarkeit aus, wenn der Unterstützende hinsichtlich einer Haupttat nur mit dolus eventualis handelt; handelt er dagegen mit dolus directus, macht er sich wegen Beihilfe strafbar. Wie man sich die Unterscheidung vorstellen soll, wann bei der (als solchen undeliktischen) Zwecksetzung eine Abweichung, wann eine partielle Übereinstimmung vorliegt, wird bei Tag nicht recht klar. Möglicherweise lässt sich ihr Ansatz aber – induktiv aus den von ihr gewählten Beispielen abgeleitet – folgendermaßen interpretieren: Eine „reine“ Kollision liegt vor, wenn die Art der Verwendung einer Leistung an sich nicht der entspricht, zu der sie erbracht wird. Dies könnte man etwa annehmen, wenn vom Berufsträger geliefertes Frostschutzmittel Wein zugesetzt313 oder von ihm verkauftes Pflanzengift einem Menschen ins Essen gemischt314 wird, denn eine solche Verwendung ist schon nach ihrer Art eine von der Zwecksetzung des Berufsträgers vollständig abweichende. Eine partielle Übereinstimmung könnte dagegen angenommen werden, wenn die Leistung zwar ihrer Art nach der Zwecksetzung des Berufsträgers entsprechend verwendet wird, dabei aber auf Grund der konkreten Umstände eine Straftat darstellt. Dies könnte man etwa annehmen, wenn ein Farbkopierer (zwar bestimmungsgemäß zum farbigen Kopieren, aber) illegalerweise zum Kopieren von Banknoten315 verwendet oder Antilopenfleisch (zwar bestimmungsgemäß zum Verzehr, aber) illegalerweise als europäisches Wildbret angeboten wird.316

312 Vgl. Tag, JR 1997, 49, 55 li. Sp. oben, wenn sie eine subjektiv undeliktische Zwecksetzung auch in Fällen für möglich hält, in denen der mittelbare Verursacher mit der deliktischen Verwendung rechnet oder sie sogar genau kennt. 313 Beispiel in Anlehnung an OLG Koblenz MDR 1984, 780 (wo es allerdings gerade um die Lieferung von Flüssigzucker ging; und dass dieser Nahrungsmitteln zugesetzt wird, ist wiederum „an sich bestimmungsgemäß“). 314 Beispiel nach Arzt, NStZ 1990, 1, 3. 315 Beispiel nach Hefendehl, Jura 1992, 374 ff. 316 Beispiel nach schweizBGE 119 IV 289.

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2. Teil: Bestandsaufnahme

Darüber hinaus komme in beiden Konstellationen eine Strafbarkeit in Betracht, wenn ein nach § 138 StGB geschütztes Rechtsgut angegriffen wird, wenn der Unterstützende Garant für das verletzte Rechtsgut ist317 oder wenn „der eindeutige Wille des potentiellen Gehilfen dahin geht, unter dem Deckmantel der Alltäglichkeit Straftaten zu begehen“. Für Letzteres könne die „durch die Zweckbestimmung des Unterstützenden konkretisierte Qualität des Beitrages“ ein Indiz sein.318 (3) Soweit ersichtlich ist Tags Konzeption bisher noch nicht Gegenstand einer näheren Auseinandersetzung in der Literatur gewesen. Hinsichtlich einzelner Elemente, die in ganz ähnlicher Weise bei anderen Autoren zu finden sind, lassen sich aber die dort vorgetragenen Einwände selbstverständlich übertragen. Daneben sind aber auch Einwände gegen die schwerpunktmäßig von ihr entwickelten Kriterien vorstellbar: (a) Weniger in der Sache als in der Darstellung ist – wie oben bereits angedeutet wurde – zu kritisieren, dass eine klare Systematisierung zu der Frage fehlt, wann ein Fall der Kollision und wann ein solcher der Kooperation vorliegen (und welche Konsequenzen dies im Übrigen haben) soll. Damit wird die möglicherweise vielversprechende Grundlegung der Differenzierung nach Kollision, Kooperation und Nicht-Berührung nicht konsequent und nutzbringend fortgeführt. Die hier unternommene Interpretation mit einer Differenzierung zwischen vollständiger Abweichung von der Zwecksetzung des mittelbaren Verursachers einerseits und partieller Übereinstimmung der Zwecksetzungen andererseits319 könnte sich sogar auf ein allgemeines Prinzip berufen, soweit der Grad der Abweichung von der Vorstellung auch beim Vorsatzdelikt als ein Kriterium der Zurechenbarkeit anerkannt ist. Allerdings bleiben auch bei einem solchen Interpretationsversuch Fragen offen. Zum einen wird durch das explizite Abstellen auf die subjektive Zwecksetzung des mittelbaren Verursachers der Eindruck erweckt, als ob in seiner konkreten Ausgestaltung bei diesem objektiv-subjektiv gedachten Ansatz letztlich doch fast rein subjektiv (zwar nicht auf der Vorsatzebene, aber über die Zwecksetzung) entschieden wird.320 Des Weiteren ist die (hier unterstellte) Differenzierung nach Verwendung der Leistung „noch ihrer Art nach oder bereits nicht mehr“ in vielen anderen als den hier gewählten Beispielen wesentlich weniger klar durchzuführen.321 317 Tag, JR 1997, 49, 56, verweist dort in Fußn. 79 ff. u. a. auf Frisch, Verhalten und Zurechnung; insoweit sei auch hier für die Begründung dieser Ausnahmen auf die Darstellung oben S. 103 f. verwiesen. 318 Vgl. Tag, JR 1997, 49, 56. 319 Vgl. o. bei Fußn. 313 – 316. 320 Insofern ordnet Hillenkamp AT, S. 192, das Konzept seiner Schülerin Tag nicht umsonst bei den „subjektiven Theorien“ ein. 321 Dies wird deutlich, wenn man nochmals auf das oben in Fußn. 313 genannte Beispiel des OLG Koblenz zurückkommt: Zwar ist der Zusatz von Flüssigzucker an Nahrungsmittel (anders als der von Kühlmittel, vgl. o.) „an sich“ bzw. „seiner Art nach“ noch eine übliche Verwendung; ob aber der Zusatz von Flüssigzucker an Wein seiner Art nach noch in diese Kategorie fällt, ist schon weniger eindeutig.

B. Wichtige Lösungsaspekte in der bisherigen Diskussion

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(b) Die von Tag fast „nebenbei erwähnte“ und nicht näher begründete Ausnahme von der häufigen Straflosigkeit alltäglicher Verhalten in Gestalt des „eindeutigen Willens ( . . . ) unter dem Deckmantel der Alltäglichkeit Straftaten zu begehen“ ist zunächst nicht ganz leicht handhabbar. Die Figur ist vage, und konkrete (etwa auch nur beispielhafte) Kriterien dafür, wann nicht nur (ein nach Tag u.U. ja unschädlicher) Vorsatz, sondern ein „eindeutiger deliktischer Wille“ vorliegt, werden nicht genannt.322 Soweit zumindest als „Indiz dieser inneren Verknüpfung von Beihilfehandlung und Haupttat“ auf die „durch die Zweckbestimmung des Unterstützenden konkretisierte Qualität des Beitrages“ abgestellt wird, ist dies ebenfalls nicht ganz klar. Einerseits könnte die „Qualität des Beitrags“ als objektive Größe zu verstehen sein (was freilich einen gewissen Widerspruch zur subjektiven Zwecksetzung als Tags Ausgangspunkt bilden würde); andererseits könnte der Hinweis auf die „Zweckbestimmung des Unterstützenden“ so zu verstehen sein, dass es wieder nur auf den von ihm verfolgten Zweck ankommt (was dem Vorwurf eines „Gesinnungsstrafrechts“ noch stärker ausgesetzt wäre als die auf der kognitiven Ebene differenzierenden Theorien, denen Tag eben diesen macht323). (c) Hinsichtlich der Berücksichtigung der „Vor-Wertungen“ des § 138 StGB schließlich sind die gleichen Einwände denkbar, die oben im Zusammenhang mit dem Konzept Frischs referiert wurden, welches insofern von Tag auch als Vorbild herangezogen wird.324 3. Die neuere Rechtsprechung des BGH a) Die Entscheidungen aus jüngerer Zeit im Überblick Abhandlungen, die sich mit der Problematik „berufsbedingter Unterstützungshandlungen“ oder „neutraler Beihilfe“ beschäftigten, mussten für Aussagen der deutschen325 höchstrichterlichen Rechtsprechung – von einigen knappen Ausfüh322 Der Sache nach handelt es sich also um den Vorwurf des „Missbrauchs“ der an sich alltäglichen Verhaltensweise durch den mittelbaren Verursacher selbst (nicht erst durch den Täter); dies verdeutlich auch die Metapher des Handelns „unter dem Deckmantel der Alltäglichkeit“, die in ähnlicher Weise bei der vielfach als Missbrauch des Notwehrrechts gedeuteten Absichtsprovokation bei § 32 StGB verwendet wird (vgl. zur Notwehrprovokation grundlegend etwa Roxin, ZStW 75 [1963], 541 ff.). An ein solches Missbrauchsurteil freilich sind im Recht generell hohe Begründungsanforderungen zu stellen (vgl. zu den methodischen Grundlagen des Missbrauchsurteils im Recht Kudlich, Strafprozeß und allgemeines Mißbrauchsverbot, S. 60 ff., sowie Christensen / Kudlich, in: Feldner / Forgó, Norm und Entscheidung, S. 189 ff.); wo es um einen so wenig vorstrukturierten Bereich wie den des „alltäglichen Verhaltens“ geht, wird dies umso schwieriger. 323 Vgl. Tag, JR 1997, 49, 51. Dazu, dass dieser Vorwurf aber auch für diese Theorien nicht ohne weiteres zutrifft, näher unten S. 462 ff. 324 Vgl. dazu oben S. 106. 325 Das schweizBG hatte schon in den Jahren zuvor eine Reihe von Fällen zu beurteilen, in denen sich das Problem stellte; vgl. zu dieser Rechtsprechung den knappen Überblick bei Wohlers, NStZ 2000, 169, 171 f.

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2. Teil: Bestandsaufnahme

rungen in nebenstrafrechtlichen Entscheidungen abgesehen – bis vor kurzem im Wesentlichen auf Judikate des Reichsgerichts zurückgreifen.326 Diese Situation änderte sich durch einen Beschluss des 5. Strafsenats vom 20. 09. 1999,327 in dem der BGH erstmalig explizit und unter Verweis auf die (auch schon vor der Entscheidung im Anwachsen befindliche) Literatur das Problem einer „neutralen Beihilfe“ erörterte. In der Folgezeit kam es noch zu zwei weiteren Entscheidungen des BGH, in denen die Problematik eine Rolle spielte und mehr oder weniger ausführlich behandelt wurde:328 – In der ersten (im Folgenden „Rechtsanwalt-“) Entscheidung beschäftigte sich der 5. Senat mit einem Rechtsanwalt, der – rechtlich zutreffende – Informationsbroschüren für ein Unternehmen unterstellte, das mit diesen für letztlich betrügerische Anlagekonzepte warb. – In der nachfolgenden viel beachteten „Bankenentscheidung“ vom 01. 08. 2000 befasste sich erneut der 5. Strafsenat mit dem Problem. Anlass war der Fall eines Bankmitarbeiters, der für seine Kunden über CpD-Konten anonymisierte Kapitaltransfers ins Ausland durchführte, obwohl er ahnte oder sogar als sicher voraussah, dass diese die dort anfallenden Kapitalerträge nicht zu versteuern beabsichtigten. – Der 4. Strafsenat schließlich hatte sich in einer Entscheidung vom 08. 03. 2001 („Jahresbefehlentscheidung“) mit dem Fall zweier Mitglieder des Grenzkommandos Nord der ehemaligen DDR zu befassen, die thematisch begrenzte Teilentwürfe der sog. Jahresbefehle für die Grenzsicherung an der innerdeutschen Grenze erarbeitet hatten. In diesen Jahresbefehlen waren auch die Anordnungen über die Verlegung, Instandhaltung und Bedienung der entlang der Grenze verlegten Minensperren enthalten. Die Entwurfsteile der Angeklagten betrafen allerdings inhaltlich nicht die Minensperren, sondern flossen nur mit anderen (u. a. auch die Minensperren betreffenden) Teilen zusammen in den umfassenden Jahresbefehl ein.

326 Vgl. dazu etwa die Zusammenstellung bei Wolff-Reske, S. 41 ff., (sowie zu einigen dieser Entscheidungen knapp auch unten S. 138 ff.); die auf S. 46 ff. genannten Entscheidungen des BGH betreffen im Wesentlichen Sonderfälle aus dem anwaltlichen Bereich oder (teilweise auch untypische) Konstellationen, in denen der BGH das Problem nicht näher erörtert hat. 327 BGH 5 StR 729 / 98 = NStZ 2000, 34 = StV 2000, 479 = wistra 1999, 459 = BGHR StGB § 27 I Hilfeleisten 20 = BGHR StGB § 263 I Täuschung 15. 328 Zum Stand 01. 03. 2003 handelt es sich – soweit ersichtlich – um die Entscheidungen BGH 5 StR 624 / 99 = BGHSt 46, 107 = NJW 2000, 3010 = StV 2000, 492 = wistra 2000, 340 = JR 2001, 381 ff. = BGHR StGB § 27 I Hilfeleisten 21 m. Anm. Behr, BB 2000, 2240 f.; Jäger, wistra 2000, 344 ff.; Kudlich, JZ 2000, 1178 ff.; Lesch, JR 2001, 383 ff.; ders., JA 2001, 187 ff.; Samson / Schillhorn, wistra 2001, 1 ff. sowie BGH 4 StR 453 / 00 = NJW 2001, 2409 = NStZ 2001, 364 = wistra 2001, 251 m. Anm. Kudlich, JuS 2002, 751 ff. Die genannten Entscheidungen werden im Folgenden in den Fußnoten jeweils nach der ersten hier aufgeführten Fundstelle zitiert.

B. Wichtige Lösungsaspekte in der bisherigen Diskussion

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In einer schon am 26. 10. 1998 ergangenen Entscheidung hatte sich darüber hinaus der 5. Strafsenat in einer wenig zur Kenntnis genommenen Entscheidung329 schon einmal am Rande mit dem Problem beruflicher Unterstützungshandlungen befasst. Es ging dabei um einen Notar, der an als Untreue bewerteten Geschäften von zwei Rechtsanwälten beteiligt war. Nach den Feststellungen des Tatgerichts war der Angeklagte dabei aber über das reine Beurkunden und die Abwicklung von Geschäften über sein Notaranderkonto hinaus etwa durch Vermittlung eines Anlageberaters, Mitwirkung an verschiedenen Verträgen u. a. in das Geschäft involviert. Der 5. Senat sah sich daher – vertretbarer Weise – nicht genötigt, generelle Aussagen über die Behandlung „neutraler“ Unterstützungshandlungen zu machen. Ebenso überraschend wie in der Sache unzutreffend schließlich wurde die Problematik der neutralen Beihilfe auch in zwei zusammengehörenden Entscheidungen des 3. Senats vom 14. 07. 2000 nicht vertieft, obwohl der dort zu entscheidende Fall dazu durchaus Anlass gegeben hätte:330 Die Angeklagten betreuten als (Anwalts-)Notare einen Mandanten, der verschiedene Kreditinstitute über den Wert von Grundstücken und die Werthaltigkeit der Sicherheiten täuschte und auf diese Weise „überfinanzierte“ Darlehen erlangte. Diese bediente er in der Folgezeit nicht, und die Kreditinstitute konnten ihr Geld wegen der Unterdeckung auch nicht im Wege der Zwangsvollstreckung vollständig wieder erlangen. Die Beiträge der Angeklagten beschränkten sich darauf, dass sie in Kenntnis oder trotz der Vermutung331 der Unterdeckung die auf ihrem Notaranderkonto eingegangenen Darlehensbeträge an ihren Mandanten auskehrten. Obwohl die Angeklagten damit dem betrügenden Mandanten gegenüber keine andere Dienstleistung erbrachten als gegenüber jedem legal Handelnden Darlehensnehmer und ihm das ihm auf Grund des – zivilrechtlich möglicherweise anfechtbaren, aber doch zunächst wirksamen – Darlehensvertrages zustehende Geld auszahlten, begnügt sich der 3. Senat mit der lapidaren Feststellung, der Tatbeitrag sei „nicht als berufstypische, neutrale Handlung anzusehen“.332 Dass damit nicht einmal eine Überprüfung anhand der vom 5. Senat aufgestellten Grundsätze erfolgen sollte, verwundert doch etwas, da die Leistung der Angeklagten in keiner Weise auf die Bedürfnisse des Haupttäters zugeschnitten wurde und genau dem für ihre Berufsausübung üblichen Bild entsprach.333

329 BGH 5 StR 746 / 97 = NStZ-RR 1999, 184 ff. = StV 2000, 474 ff. = wistra 1999, 103 ff. = PStR 1999, 1 f. 330 Vgl. BGH wistra 2000, 459. Achenbach, NStZ 2001, 525, sieht in der Entscheidung eine Übernahme der vom 5. Senat entwickelten Kriterien durch den 3. Senat. Das ist zwar nicht ausgeschlossen, da der 3. Senat immerhin das Problem der Neutralität erwähnt, diese aber wegen der Solidarisierung mit dem Haupttäter verneint. Eine verbindliche Aussage über die Linie des 3. Senats ist allerdings anhand dieser Entscheidung nicht möglich, die nicht einmal die Obersätze des 5. Senats zustimmend zitiert, geschweige denn eine – vom Sachverhalt ohne weiteres angezeigte – nähere Auseinandersetzung enthält. 331 Der 3. Senat hält hier also offenbar für möglich, dass zumindest teilweise nur dolus eventualis vorlag. 332 Vgl. BGH wistra 2000, 459, 460. 333 Dass eine solche Überprüfung hier u.U. ebenfalls eine Strafbarkeit der Angeklagten erbracht hätte, steht auf einem anderen Blatt. Zumindest in den Fällen, in denen sie von der Unterdeckung wussten und daher mit dolus directus handelten, ließe sich auf der Linie der Grundsätze des 5. Senats argumentieren, die jeweiligen Vorgänge hätten jeweils allein betrügerischen Geschäften gedient und die Angeklagten hätten dies auch gewusst. Im Übrigen könnten sich besondere Sorgfaltspflichten auch aus § 14 II BNotO ergeben, vgl. dazu näher unten S. 488 ff.

9 Kudlich

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2. Teil: Bestandsaufnahme

b) Ausgangspunkte, Konsequenzen und Einwände (1) Sucht man entsprechend dem Vorgehen bei der Darstellung der unterschiedlichen Ansätze in der Literatur nach den „Ausgangspunkten“ oder „Grundlagen“ des Lösungsmodells, wird man in den genannten Entscheidungen kaum fündig. Eine vertiefende eigene Grundlegung oder auch nur eine intensive Auseinandersetzung mit der (1999 bereits umfangreich dokumentierten) Diskussion in der Literatur wird vom BGH in seinen Entscheidungen zur „neutralen Beihilfe“ nicht geleistet. Vielmehr wird zunächst in der „Rechtsanwaltentscheidung“ der Lösung nur lapidar und in einer letztlich nicht entscheidungserheblichen Passage der Satz vorangestellt:334 „Für den Beihilfevorsatz eines herangezogenen firmenexternen Beraters wie des Angeklagten sind grundsätzlich folgende – allgemein für berufstypische ,neutrale‘ Handlungen geltende – Grundsätze zu beachten.“335 In der „Bankenentscheidung“ wird zwar zur speziellen (und insbesondere in der wirtschaftsrechtlichen Spezialliteratur im Vorfeld kontrovers diskutierten) Frage der Strafbarkeit von Bankmitarbeitern wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung eine Reihe von Ansichten referiert.336 Dieser Darstellung folgt allerdings keine Auseinandersetzung mit dem Meinungsstand; vielmehr beschränkt sich der Senat auf den Hinweis auf die in der „Rechtsanwaltentscheidung“ aufgestellten „allgemein für berufstypische ,neutrale‘ Handlungen geltenden Grundsätze“.337 Der auf diese Weise statuierten „Linie“ des BGH schließt sich dann einige Monate später auch der 4. Strafsenat in der Jahresbefehlentscheidung an. Er konzediert zwar, dass es „insbesondere in Fällen, die sog. ,neutrale‘ Handlungen ( . . . ) betreffen, einer bewertenden Betrachtung im Einzelfall“ bedürfe; für die Kriterien dieser Betrachtung verweist er dann aber ebenfalls ohne nähere Begründung auf die vom „Bundesgerichtshof ( . . . ) in Fällen derartiger berufstypisch ,neutraler‘ Handlungen“ aufgestellten „Grundsätze“338.

334 Die mangelnde Entscheidungserheblichkeit im konkreten Fall ergab sich daraus, dass der Senat den subjektiven Tatbestand der Beihilfe zum Betrug mangels Erwiesenheit eines ausreichenden Vorsatzes hinsichtlich der „betrügerischen Ziele“ des Haupttäters (insbesondere hinsichtlich der konkreten Risiken der mit dem Geld der Opfer getätigten Geschäfte) verneinte. Auf die Erwägungen des Senats zum (subjektiven) Beihilfetatbestand trotz der Berufsbedingtheit des Handelns des Angeklagten kam es deswegen nicht an. 335 Vgl. BGH NStZ 2000, 34. Bereits die Tatsache, dass die Problematik überhaupt erst als Frage des Vorsatzes angesprochen wird, ohne eine Beschränkung des objektiven Tatbestandes auch nur zu erörtern, zeigt, dass der Senat insoweit keinen größeren Wert auf eine Auseinandersetzung mit dem Meinungsstand in der Literatur legt. 336 Vgl. BGHSt 46, 107, 110 ff. 337 Vgl. BGHSt 46, 107, 112. Eine geringfügige Erweiterung findet sich noch in der Ergänzung, dass eine generelle Straflosigkeit „neutraler“ Handlungen nicht in Betracht komme, da jede Handlung in einen strafbaren (und damit gerade nicht mehr „neutralen“) Kontext gestellt werden könne. 338 Zu einer in der Entscheidung des 4. Senats auftretenden, allerdings nicht erläuterten Abweichung von den Grundsätzen des 5. Senats vgl. sogleich im Text.

B. Wichtige Lösungsaspekte in der bisherigen Diskussion

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(2) In der Sache verfolgt der BGH – auch wenn der 5. Senat seine Grundsätze in der Rechtsanwaltentscheidung im subjektiven Tatbestand verankert – ein gemischt objektiv-subjektives Modell. Dabei lehnt er sich in der Terminologie eng an die oben dargestellte339 Unterscheidung Roxins an, was zu einer Differenzierung zwischen Handeln mit direktem und bedingtem Vorsatz führt. Außerdem wird – wenngleich in unterschiedlicher Intensität– betont, dass es keine Verhaltensweisen oder Geschäfte gebe, die „an sich“, d. h. ohne Rücksicht auf den durch die subjektive Einstellung des Unterstützenden geprägten Kontext, „neutral“ und daher straflos seien.340 Damit ist der Weg zu (und sei es nur sektoralen) rein objektiven Lösungsansätzen verstellt. Ob es sich dabei – wie Wohlers vermutet341 – um eine Übernahme von Roxins Lösungsvorschlag „bis in die Formulierungen hinein“ handelt oder aber ob gerade in erster Linie die flexiblen, einer verfahrensabschließenden Instanz entgegenkommenden Formulierungen Roxins übernommen werden, lässt sich bislang noch nicht entscheiden. In den seither entschiedenen Fällen kam es aus verschiedenen Gründen zu keiner detaillierten Anwendung dieser Lösungsregeln auf problematische Grenzfälle.

(a) In Fällen sicheren Wissens ist der Unterstützende danach strafbar, wenn der Täter ausschließlich eine Straftat begehen möchte, was im Wesentlichen dem Roxin’schen Verständnis des deliktischen Sinnbezugs entspricht. Nahezu wortgleich übereinstimmend wird in allen drei Entscheidungen festgestellt: „Zielt das Handeln des Haupttäters ausschließlich darauf ab, eine strafbare Handlung zu begehen, und weiß dies der Hilfeleistende, so ist sein Tatbeitrag als Beihilfehandlung zu werten ( . . . ). In diesen Fällen verliert sein Tun stets den ,Alltagscharakter‘; es ist als ,Solidarisierung‘ mit dem Täter zu deuten ( . . . ) und dann auch nicht mehr als ,sozialadäquat‘ anzusehen ( . . . ).“342 (b) Liegt dagegen beim Unterstützenden nur dolus eventualis vor, ist die Situation weniger eindeutig: In den beiden ersten Entscheidungen des 5. Senats wird davon ausgegangen, dass das Risiko einer Straftat besonders hoch sein muss, wofür nicht zuletzt auf das Roxin’sche Kriterium der Tatgeneigtheit des Täters abgestellt wird. Es heißt hier zweimal: „Weiß der Hilfeleistende dagegen nicht, wie der von ihm geleistete Beitrag vom Haupttäter verwendet wird, hält er es lediglich für Vgl. o. S. 119 ff. In allen drei genannten Entscheidungen heißt es, dass das Tun bei positiver Kenntnis von der alleinig deliktischen Verwendung durch den Haupttäter seinen „Alltagscharakter“ und seine Sozialadäquanz „verliere“, vgl. BGH NStZ 2000, 34 sowie BGHSt 46, 107, 112; insoweit nur geringfügig anders formuliert in BGH NStZ 2001, 364, 365. Darüber hinaus stellt der 5. Senat in BGHSt 46, 107, 113, klar, dass es nach seiner Ansicht keine „generelle Straflosigkeit von ,neutralen‘, ,berufstypischen‘ oder ,professionell adäquaten‘ Handlungen“ gebe, da „fast jede Handlung ( . . . ) in einen strafbaren Kontext gestellt werden“ könne. 341 Vgl. NStZ 2000, 169, 170; vgl. auch Otto, JZ 2001, 436, 437. 342 Wortgleich in den Entscheidungen BGH NStZ 2000, 34 (Rechtsanwalt) und BGHSt 46, 107, 112 (Bank). In der Entscheidung BGH NStZ 2001, 364 (Jahresbefehl) finden sich insoweit nur geringfügige, zu vernachlässigende Unterschiede in Wortwahl und Interpunktion. 339 340

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2. Teil: Bestandsaufnahme

möglich, daß sein Tun zur Begehung einer Straftat genutzt wird, so ist sein Handeln regelmäßig noch nicht als strafbare Beihilfehandlung zu beurteilen, es sei denn, das von ihm erkannte Risiko strafbaren Verhaltens des von ihm Unterstützten war derart hoch, daß er sich mit seiner Hilfeleistung ,die Förderung eines erkennbar tatgeneigten Täters angelegen sein‘ ließ ( . . . ).“343 Demgegenüber weicht der 4. Senat hier von den aufgestellten Grundsätzen ab: Bei ihm folgt auf die Darstellung der Anforderungen an eine Beihilfestrafbarkeit bei dolus directus nicht der Hinweis auf diejenige bei „dolus eventualis und erkennbarer Tatgeneigtheit“, sondern die abschließende Feststellung „Anderenfalls kommt straflose Mitwirkung in Betracht.“344 Über die Tragweite dieser Abweichung lässt sich nur spekulieren. Einerseits ist auffällig, dass nach einer nahezu wörtlichen Wiederholung der ersten „Hälfte“ der vom 5. Senat aufgestellten Grundsätze die zweite Hälfte fehlt und sogar ausdrücklich auf die Möglichkeit einer straflosen Mitwirkung hingewiesen wird; dies könnte auf einen Ansatz des 4. Senats hindeuten, Fälle „neutraler Beihilfe“ bei dolus eventualis generell straflos zu belassen. Andererseits wäre zu erwarten, dass eine so generelle Abweichung zumindest als solche kenntlich gemacht würde. Dies gilt umso mehr, als kurz zuvor ausdrücklich auf die „vom Bundesgerichtshof“ aufgestellten Grundsätze hingewiesen wird. Auch ist der Verweis auf die Möglichkeit einer „straflosen Mitwirkung“ („. . . kommt . . . in Betracht“) nicht zwingend damit gleichzusetzen, dass in allen anderen als den im vorangegangenen Satz geschilderten Fällen keine Strafbarkeit bestehen soll. Insoweit spricht mehr dafür, dass der 4. Senat keine inzidenten Aussagen über die Behandlung von Dolus-eventualis-Fällen treffen wollte, zumal dieses Problem im von ihm zu entscheidenden Fall (scheinbar345) keine Rolle spielte. (c) In den zugrunde liegenden Fällen führten diese Grundsätze den BGH zu folgenden Ergebnissen (für welche allerdings jeweils fraglich ist, ob zur konkreten Entscheidung des Falles wirklich immer auf „Grundsätze zur Behandlung der neutralen Beihilfe“ zurückgegriffen werden musste): – In der Rechtsanwaltentscheidung sah der 5. Senat die Strafbarkeit nicht (wegen der Grundsätze eines berufsbedingten Handelns) eingeschränkt. Die werbende GmbH habe im konkreten Fall ausschließlich betrügerische Zwecke verfolgt. Daher komme es entscheidend darauf an, ob der Angeklagte von diesem Zweck 343 Wortgleich in den Entscheidungen BGH NStZ 2000, 34 und BGHSt 46, 107, 112; in der Sache dieses Kriterium billigend Frisch, Lüderssen-FS, S. 539, 552. 344 Vgl. BGH NStZ 2001, 364, 365. 345 „Scheinbar“, weil bei der vom 4. Senat zu beurteilenden Mitwirkung an der Erstellung des Jahresbefehls u.U. von dolus directus ausgegangen werden könnte; freilich wäre es nur konsequent, unter den Voraussetzungen, unter denen bei dolus eventualis eine Strafbarkeit begründet sein soll, auch bei dolus directus zur Strafbarkeit zu kommen. Dann aber wäre das freisprechende Ergebnis des 4. Senats nicht mehr ohne weiteres zu begründen, weshalb die für die Entscheidung scheinbar bedeutungslose Variante der Differenzierung des 5. Senats auch bewusst nicht explizit übernommen worden sein könnte.

B. Wichtige Lösungsaspekte in der bisherigen Diskussion

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Kenntnis hatte oder ihn zumindest für hochgradig wahrscheinlich hielt. Dies sei nahe liegend, falls – was der Senat noch nicht als ausreichend festgestellt erachtete – der Angeklagte überhaupt Kenntnis von den Risiken des Geschäfts hatte.346 Dass hier eine Statuierung entsprechender Grundsätze durch den BGH nicht zwingend erforderlich347 gewesen wäre, ergibt sich schon daraus, dass die Sache wegen ungenügender Tatsachenfeststellungen zurückverwiesen und die Grundsätze nur als obiter dicta aufgestellt worden waren.

– In der Bankenentscheidung sah der 5. Senat in der Berufsbezogenheit des Handelns ebenfalls keinen Grund dafür, eine Beihilfe zur Steuerhinterziehung abzulehnen. Sein Handeln könne nämlich nicht losgelöst von dem (wie der Senat wohl unterstellt: ausschließlich deliktischen Zwecken dienenden) Handeln der Kunden gesehen werden. Auch habe der Angeklagte zur Überzeugung des Senats die Absichten seiner Kunden gekannt oder sei auf Grund seiner Kenntnis in steuerlichen Fragen jedenfalls mit großer Sicherheit in der Lage gewesen, diese zu erahnen.348 Indes wäre auch in dieser Entscheidung eine verbindliche Aussage über die Behandlung der Fälle „neutraler Unterstützungshandlungen“ nicht erforderlich gewesen, da es von vorne herein ersichtlich an einer – wie auch immer genauer zu definierenden – „Neutralität“ des Verhaltens fehlte, welche „möglicherweise nicht ausreichende, jedenfalls aber notwendige Voraussetzung einer Privilegierung“ wäre.349 Die künstliche Aufspaltung in zwei Bargeschäfte unter zusätzlicher Verschleierung des Namens stellte vielmehr gerade eine speziell auf die deliktischen Bedürfnisse der Kunden zugeschnittene Modifizierung des „normalen“ Verhaltens eines Bankangestellten dar. Selbst im Dienstleistungsgewerbe, in dem nicht jeder individuelle Zuschnitt auf einen Kunden die Neutralität ausschließen kann, ist ein Vorgehen nicht mehr als „neutral“ zu erachten, das den wirtschaftlich gewollten Überweisungsvorgang erheblich „verkompliziert“, ohne dass ein plausibler legaler Zweck für dieses Vorgehen ernsthaft erkennbar wäre.

Vgl. BGH NStZ 2000, 34. Dass ein solches Vorgehen verfahrensökonomisch sinnvoll sein kann, damit die neue Tatsacheninstanz diese Vorgaben gleich beachten kann, steht außer Frage. Man begibt sich aber in die Gefahr eines gewissen „Spagats“ zwischen der großen faktischen Bindungswirkung auch solcher obiter dicta und den (gegenüber tragenden Urteilsgründen vielleicht) vermeintlich geringeren Anforderungen an ihre sorgfältige Begründung. 348 Vgl. BGHSt 46, 107, 113 f. 349 Vgl. Kudlich, JZ 2000, 1178, 1179 f., wo auch dargelegt wird, dass die meisten Beiträge in dieser Diskussion explizit (so etwa Tag, JR 1997, 49, 55: „Selbstverständlicher Ausgangspunkt der Überlegungen ist, daß zunächst eine neutrale Unterstützungshandlung vorliegen muß.“) oder zumindest der Sache nach von einer Neutralität oder geschäftsmäßigen Alltäglichkeit des Verhaltens als Kern des Problems ausgehen. Das gilt im Übrigen auch für den BGH, der zwar die Tragfähigkeit einer Einordnung als neutral bezweifelt, in allen Entscheidungen aber davon spricht, dass seine Grundsätze u. a. für „neutrale“ Unterstützungshandlungen aufgestellt seien. 346 347

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2. Teil: Bestandsaufnahme

– Dagegen verneinte der 4. Strafsenat in der Jahresbefehlentscheidung eine Beihilfestrafbarkeit unter Berufung auf die Grundsätze über eine „neutrale Beihilfe“.350 Er war zwar entgegen dem Landgericht der Auffassung, es liege eine für die Annahme einer Beihilfe grundsätzlich ausreichende Erleichterung der Erstellung des Gesamtjahresbefehls vor, der sich wiederum im maßgeblichen Zeitraum im Tod eines Menschen auswirkte. Die in ihrem Entstehen geförderten Jahresbefehle beträfen jedoch „nicht ausschließlich strafrechtlich relevantes Verhalten gegenüber sog. ,Grenzverletzern‘, sondern auch legitime Beiträge der Landesverteidigung der ehemaligen DDR sowie deren Grenzsicherung nach Außen“. Die auf ihren Aufgabenbereich beschränkten und mithin „,berufstypischen‘ und bezogen auf die den Verfahrensgegenstand bildenden Rechtsgutsverletzungen ,neutralen‘ “ Beiträge blieben deswegen „auch ohne die strafbaren Handlungen der Haupttäter ,sinnvoll‘ “.351 Insoweit ist einerseits fraglich, ob nicht die vorbereitenden Beiträge zum Jahresbefehl, die sich mit der Minensicherung befassten, den übrigen „vorbereitenden Verfassern“ nach den Grundsätzen des § 25 II StGB hätten zugerechnet werden müssen. Es würde sich hierbei um einen Fall der nur selten diskutierten „Mit-“ bzw. „gemeinschaftlichen Beihilfe“ handeln.352 Verneint man dies, ist andererseits zu erwägen, ob die Angeklagten dann nicht schon aus anderen als den vom Senat angeführten Gründen straflos sein müssten. Denn immerhin waren auch die Befehlsentwürfe, die anders als die der Angeklagten speziell die Minensicherung behandelten, Teile eines „nicht ausschließlich strafrechtlich relevanten Verhaltens“, sondern der „Landesverteidigung der ehemaligen DDR“, und auch ihre Ersteller wirkten damit berufsbedingt an einem nicht insgesamt und ausschließlich deliktischen Werk mit. Falls dies – und das kann auf Grund der mehrfachen Betonung des BGH, die Teile der Angeklagten hätten damit nicht zu tun gehabt, unterstellt werden – aber unbeachtlich sein soll, muss die Straflosigkeit in der Sache vielleicht doch stärker auf der „Harmlosigkeit“ ihrer eigenen Beiträge und dem Aspekt des von ihnen nicht zu verantwortenden „Zusammenfügens“ beruhen. Wollte man dies für unbeachtlich halten, müsste man etwa auch den (nicht berufsmäßig handelnden) Autor eines Leserbriefes zum Sportteil für einen tauglichen Gehilfen an einer Beleidigung halten, die – wie der Autor zufällig weiß – in der selben Ausgabe der Tageszeitung im Politikteil veröffentlicht werden soll – ein Er350 Für die Anwendung dieser Grundsätze auch auf solche Fälle der Systemkriminalität soweit ersichtlich als erster Rogall, BGH-FS (Wissenschaft), S. 383, 393 f. 351 Vgl. BGH NStZ 2001, 364, 365. 352 Während die Kombination von Beteiligungsformen in Fällen Ketten-, gemeinschaftliche oder mittelbare Anstiftung noch verbreitet in der Literatur zumindest Erwähnung finden (vgl. nur Kühl, AT, § 20 Rn. 193 f., Wessels / Beulke, Rn. 570), fehlen zur Übertragung dieser Überlegungen auf die Beihilfe oft Ausführungen (anders etwa bei Stratenwerth, AT, § 12 Rn. 222 f.). Zumeist sind entsprechende Fälle auch unproblematisch, da jede einzelne Handlung, die der Haupttat förderlich zugute kommt, schon für sich allein nach allgemeinen Grundsätzen eine Beihilfe darstellt (so auch Stratenwerth, AT, § 12 Rn. 223); freilich gilt dies aber eben nicht notwendig immer, wie der vorliegende Fall zeigt. Ist dies aber einmal nicht der Fall, weil bei mehreren koordinierten „zuarbeitenden Akten“ für einzelne von ihnen fraglich ist, ob sie den Beihilfetatbestand erfüllen, bei anderen dagegen nicht, spricht an sich nichts dagegen, die Grundsätze wechselseitiger Zurechnung nach § 25 II StGB auch auf die gemeinschaftliche Beihilfe zu übertragen.

B. Wichtige Lösungsaspekte in der bisherigen Diskussion

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gebnis, das einigermaßen absurd erscheint. Insoweit ist vorstellbar, dass das Ergebnis auch ohne den Rückgriff auf die neutrale Beihilfe plausibel begründbar gewesen wäre (wie es ja etwa auch das LG versucht hatte) und damit in einem weiteren Fall die „Grundsätze der Rechtsprechung“ ohne wirklich zwingenden Anlass (scheinbar) gefestigt wurden.

(3) Die neuere Rechtsprechung des BGH hat bislang noch kein allzu ausführliches literarisches Echo gefunden. Das Bild in den bereits erschienenen Anmerkungen zu den Entscheidungen ist geteilt. Neben deutlicher Zustimmung353 finden sich bloße „Kenntnisnahmen“354 sowie auch kritische Stimmen (die sich freilich nicht durchgehend gegen die Ergebnisse oder die zugrunde gelegten dogmatischen Grundsätze richten355). Die vorgebrachte bzw. vorstellbare Kritik betrifft dabei zwei Komplexe: Zum einen den Umgang des BGH mit der in der Literatur heftig umstrittenen Sachfrage auf dem Weg zu seinen „Grundsätzen“; zum anderen die in diesen Grundsätzen aufgestellten bzw. übernommenen Kriterien. (a) Wie oben bereits deutlich wurde, fehlt es in der bisherigen Rechtsprechung des BGH an einer ernsthaften Auseinandersetzung mit den in der Literatur kontrovers diskutierten Lösungsansätzen für die Problematik einer neutralen Beihilfe bzw. berufsbedingter Unterstützungshandlungen. Grundsätze zu einem schwierigen dogmatischen Problem werden zunächst in einer nicht entscheidungserheblichen Passage ohne nähere Begründung aufgestellt; in späteren Entscheidungen folgt dann – wohl wiederum „ohne Not“ – nur die Bezugnahme auf eben diese Grundsätze, allenfalls zum Schein verbunden mit der Aufzählung von im Weiteren nicht diskutierten abweichenden Modellen. Dass ein solches Vorgehen durchaus zu angemessenen Lösungen des konkreten Falles und sogar zu billigenswerten dogmatischen Strukturen führen kann, ist zwar ebenso unbestritten wie die Tatsache, dass es natürlich keine Pflicht der Gerichte gibt, sich stets mit dem vollständigen Meinungsspektrum in der Literatur auseinander zu setzen. Fehlt allerdings eine begründete Auseinandersetzung in einer so kontrovers und auch vielfach diskutierten 353 Vgl. etwa zur „Bankenentscheidung“ die Anmerkung des wissenschaftlichen Mitarbeiters am BGH Jäger, wistra 2000, 344, 345, der von einer „richtungsweisenden“ Entscheidung spricht; grundsätzlich zustimmend auch Baumann / Weber / Mitsch, AT, § 31 Rn. 32c, sowie (wenig überraschend, da die Rechtsprechung im Wesentlichen an seine Grundsätze anknüpft) Roxin, AT II, § 26 Rn. 224, 247 ff. 354 Vgl. etwa die Anmerkungen von Wohlers, NStZ 2000, 169 ff., der sich anlässlich der Rechtsanwaltentscheidung in allgemeiner Form mit der Thematik befasst, ohne ausführlich für oder gegen die Entscheidung selbst Stellung zu beziehen (wobei Wohlers’ eigener, stark objektiv geprägter Ansatz allerdings von dem des BGH abweicht). 355 Vgl. etwa zur „Bankenentscheidung“ Lesch, JR 2001, 382 ff. (der sich nicht gegen das Ergebnis, aber gegen den „auch-subjektiven“ Ansatz wendet), sowie Samson / Schillhorn, wistra 2001, 1 ff. (welche die Frage der neutralen Beihilfe hintanstellen und der Ansicht sind, dass bereits nach allgemeinen Grundsätzen der Beihilfedogmatik eine Strafbarkeit des Bankangestellten wegen der fehlenden Erhöhung des Risikos einer Steuerhinterziehung zu verneinen gewesen wäre). Siehe auch die Anmerkung des Verf., JZ 2000, 1178 ff. (die sich weniger gegen das Ergebnis des BGH als gegen die fehlende Auseinandersetzung mit der intensiven Diskussion in der Literatur richtet); ähnlich auch zur Jahresbefehlentscheidung ders., JuS 2002, 751 ff. Insgesamt ebenfalls eher kritisch MüKo / StGB-Joecks, § 27 Rn. 68 ff.

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2. Teil: Bestandsaufnahme

Frage in den Leitentscheidungen der höchstrichterlichen Rechtsprechung völlig, so wird diese nicht nur ihrer speziellen Funktion als Mittlerin zwischen Theorie und Praxis356 schwerlich gerecht, sondern löst selbst die an jede gerichtliche Entscheidungsbegründung aus methodischer Sicht zu stellende Forderung nach der angemessenen Auseinandersetzung mit Einwänden gegen die eigene Argumentation357 kaum ein. Dabei ist zwar nicht zu übersehen, dass in den Entscheidungen, in denen der BGH seine „Grundsätze“ aufstellte bzw. bekräftigte, keine problematischen Grenzfälle der „neutralen Beihilfe“ zu entscheiden waren, in denen eine ausführlichere Diskussion zur Entscheidung des konkreten Falles unumgänglich gewesen wäre. Insoweit kann man es durchaus auf der Habenseite des BGH verbuchen, wenn er sich trotzdem der Frage angenommen hat.358 Allerdings birgt dieses Vorgehen die Gefahr in sich, dass auf Grund der Überzeugungskraft des konkreten Ergebnisses die mangelnde inhaltliche Auseinandersetzung mit der Problematik aus dem Blickfeld gerät. Und dass an eine Rechtsprechung, die auf Grund ihrer schnellen „Verfestigung“ für zukünftige Entscheidungen durchaus maßgeblich ist, keine geringeren Maßstäbe an die Sorgfalt der Begründung anzulegen sind, nur weil die exponierten Rechtsfragen in obiter dicta behandelt werden, dürfte selbstverständlich sein.359 Kämen nämlich zukünftig wirkliche Problemfälle als „Prüfsteine“ vor den BGH (aber auch vor Instanzgerichte), erscheint es nicht ausgeschlossen, dass die mittlerweile schon mehrfach wiederholten und mehr oder weniger gefestigt erscheinenden „Grundsätze“ zur Anwendung kommen, ohne dass nochmals überdacht würde, auf welch dünnen argumentativen Füßen diese stehen.

(b) Was die inhaltliche Kritik an den Kriterien des BGH angeht, so kann hinsichtlich der Elemente, die im Wesentlichen auf die Roxin’sche Differenzierung zwischen deliktischem Sinnbezug bei dolus directus und erkennbarer Tatgeneigtheit bei dolus eventualis beruhen, grundsätzlich auf die dazu oben dargestellten Gesichtspunkte verwiesen werden.360 Dabei eignet sich speziell die Entscheidung zur Mitwirkung am Jahresbefehl, um gewisse Schwierigkeiten bei der Handhabung dieser Kriterien zu verdeutlichen. Der – sicher angreifbare (vgl. o.), aber für die folgenden Überlegungen hinzunehmende – Ausgangspunkt des 4. Senats war da356 Vgl. dazu in jüngerer Zeit aus strafrechtlicher Sicht die Überlegungen von Erb, ZStW 113 (2001), S. 1, 5 ff. 357 Vgl. zu dieser Forderung aus rechtstheoretischer Sicht ausführlich Christensen / Kudlich, Theorie richterlichen Begründens, insb. S. 241 ff., 256 ff. 358 Zutreffend Samson / Schillhorn, wistra 2001, 1 f. 359 Genauer betrachtet liegt bei letztinstanzlichen Entscheidungen die Bedeutung der Begründung sogar hauptsächlich in ihrer Auswirkung auf spätere Verfahren. Die Wurzel der Begründungspflicht, die von der nächstinstanzlichen Überprüfbarkeit herrührt, spielt bei letztinstanzlichen Entscheidungen (von der Möglichkeit einer Verfassungsbeschwerde einmal abgesehen), keine größere Rolle; dass letztinstanzliche Entscheidungen nicht noch weitergehend einer Begründungspflicht entzogen sind, hat daher seinen Grund vor allem in der rechtsvereinheitlichenden Funktion der höchstrichterlichen Rechtsprechung, vgl. allgemein Christensen / Kudlich, Theorie richterlichen Begründens, S. 338 f. sowie speziell für die Strafgerichtsbarkeit Kudlich / Christensen, Zum Relevanzhorizont strafgerichtlicher Entscheidungsbegründungen, GA 2002, 337, 342 f. 360 Vgl. S. 293 ff.

B. Wichtige Lösungsaspekte in der bisherigen Diskussion

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bei, dass die Mitwirkung auch an Teilen des Jahresbefehls ohne unmittelbaren Bezug zu den Minen an sich eine hinreichende Förderung der letztlich durch die Minen begangenen Verletzungshandlungen wäre. Weshalb nun die Tatsache, dass die Haupttäter bei der Abfassung des äußerst komplexen und umfangreichen Jahresbefehls u. a. auch legale Zwecke verfolgten, der Unterstützung des deliktischen Erfolges die Relevanz nehmen soll, ist nicht ohne weiteres klar. Auch in anderen Fällen ist es nämlich für die Rechtswidrigkeit eines Handelns (sowohl für den Täter als auch für den Gehilfen) gleichgültig, ob die Tat unter bestimmten Aspekten auch legal ist.361 Anders als im klassischen Beispielsfall des Werkzeugverkaufs gab es für den mit geförderten Befehlsteil der Verminung keine denkbare (rein) legale „Verwendung“. Des Weiteren führt wohl kein Weg daran vorbei, auf Grund der ständigen Übung an der innerdeutschen Grenze sowie der Kenntnisse der Angeklagten von Entstehung und Durchführung der Jahresbefehle eine erkennbare Tatgeneigt der Haupttäter sowie ein objektiv hohes Verwirklichungsrisiko anzunehmen. Nach den vom 5. Senat aufgestellten (und vom 4. Senat zwar nicht wiederholten, aber eben auch nicht in Frage gestellten362) Grundsätzen müsste daher schon bei dolus eventualis eine Beihilfestrafbarkeit begründet sein. Hier tritt nochmals die oben363 bereits in allgemeiner Form aufgeworfene Frage deutlich hervor, ob dann nicht erst recht auch bei positiver Kenntnis bzw. sicherer Voraussicht der Haupttat eine Beihilfe bejaht werden müsste, oder aber ob die Werthaftigkeit allein zu deliktischen Zwecken als zusätzliche Voraussetzung hinzutreten müsste. Eine weitere Schwäche der bisherigen Befassung mit dem Problem in der neueren Rechtsprechung liegt darin, dass der BGH nicht immer ganz klar zwischen der Frage nach dem Vorliegen einer „neutralen“ Handlung und ihren Folgen differenziert:364 So wird einerseits in Abrede gestellt, dass es „in jedem Fall neutrale“ Handlungen gibt, andererseits werden in allen Entscheidungen die „Grundsätze“ der Behandlung „berufstypischer neutraler“ Handlungen herangezogen. In der o.g. Notarentscheidung wiederum wird ein äußerlich genau den beruflichen Gepflogenheiten entsprechendes Verhalten recht ergebnisorientiert und ohne Begründung schon als „nicht berufstypische, neutrale Handlung“ eingeordnet. Diese unterschiedliche Verwendung des Leitbegriffs der Neutralität verdeckt teilweise die letztlich fallentscheidenden Wertungen und erschwert damit sowohl eine Überprüfung der Kriterien des BGH als auch eine Prognose von Entscheidungen in Grenzfällen.

361 Insoweit kann auf nochmals auf die Feststellung Amelungs, Grünwald-FS, S. 9, 13 f., verwiesen werden, wonach solche „Mischlagen“ i.d.R. nicht legal, sondern gerade illegal sind. Niemand käme wohl auf die Idee, die Unterstützung einer Gefährdung des Straßenverkehrs nach § 315c StGB deswegen als straflose Mitwirkung zu interpretieren, weil der Täter eine Fahrerlaubnis besitzt und insoweit auch eine legale Komponente bei der Benutzung des Fahrzeugs gegeben ist. 362 Vgl. bereits oben S. 132. 363 Vgl. in der Darstellung des Konzepts von Roxin oben S. 123. 364 Vgl. zu diesem Problem im Rahmen der Bankenentscheidung bereits Kudlich, JZ 2000, 1178, 1180.

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2. Teil: Bestandsaufnahme

III. Lösungsgesichtspunkte auf der Ebene des Vorsatzes Eine weitere Gruppe von Lösungsvorschlägen wird üblicherweise unter dem Oberbegriff der „subjektiven Theorien“ dargestellt.365 Auf die Problematik dieser Terminologie, insbesondere in Abgrenzung zu den „gemischt objektiv-subjektiven Ansätzen“, wurde oben bereits hingewiesen.366 Auf Grund der verbreiteten Bezeichnung und als Hinweis darauf, dass bei den folgenden Ansätzen die subjektive Komponente im Vordergrund steht, wird gleichwohl auch hier der Oberbegriff der „Lösungsgesichtspunkte auf der Ebene des Vorsatzes“ verwandt, um die Forderung nach dem Vorliegen eines speziellen voluntativen Elements (sogleich a) sowie die Beschränkung der Beihilfestrafbarkeit auf Fälle des unbedingten Vorsatzes (im Anschluss b) in die Systematik einzuordnen.367

1. Das Erfordernis eines Tatförderwillens bzw. der Absicht des Teilnehmers Ein historisch früher, insbesondere auf der Rechtsprechung des RG368 basierender und später teilweise in der Literatur aufgenommener Versuch, Fälle „neutraler“ Unterstützungshandlungen angemessen zu lösen, besteht in der Forderung nach einem speziellen Tatförderwillen für den Gehilfen. Eine gewisse Nähe dazu weist in jüngerer Zeit die Behandlung der Frage bei Hoyer auf, der eine Strafbarkeit bei absichtlichem (dolus directus I. Grades) Handeln des Teilnehmers bejaht:369 (1) Der Gedanke eines „Tatförderwillens“ wurde – soweit ersichtlich – erstmalig in einer Entscheidung des RG zur Strafbarkeit eines Rechtsanwaltes bei der Erteilung eines Rechtsrates entfaltet.370 Dabei findet sich keine nähere Grundlegung; die Prämissen des RG lassen sich aber aus seiner Argumentation im konkreten Fall ableiten.371 Obwohl bei der Beurteilung anwaltlichen Handelns im Einzelfall geVgl. die Bezeichnungen bei Hillenkamp AT, S. 189, sowie Tag, JR 1997, 49, 50. Vgl. S. 118 f. 367 Jedenfalls dann, wenn kombiniert sichere Voraussicht und Unterstützungswillen vorliegen, soll auch nach Stimmen in der englischen Literatur eine Strafbarkeit zu bejahen sein, vgl. Reed / Seago, Criminal Law, S. 130, sowie Smith / Hogan, Criminal Law, S. 134, jew. auch m. w. N. aus der Rechtsprechung. 368 Vgl. aber etwa auch noch BGH StV 1985, 279, wo wegen eines mit einer Handlung verfolgten anderen Motivs (Befriedigung der „Fahrleidenschaft“) ein Vorsatz zur Unterstützung des beförderten Mitfahrers abgelehnt wird. 369 Bei dolus directus II. Grades und dolus eventualis verlangt Hoyer „zusätzlich eine Sonderverhaltenspflicht“ (vgl. SK / StGB, § 27 Rn. 33), weshalb sein Modell auch als gemischt objektiv-subjektives bezeichnet werden könnte (vgl. zur Schwierigkeit dieser Abgrenzung soeben Fußn. 366). An dieser Stelle erörtert wird es auf Grund seiner Nähe zur reichsgerichtlichen Rechtsprechung sowie vor allem auf Grund seiner Betonung des voluntativen Elements (vgl. a. a. O. Rn. 32). 370 Vgl. RGSt 37, 321 ff. 371 Instruktiv dazu Wolff-Reske, S. 42. 365 366

B. Wichtige Lösungsaspekte in der bisherigen Diskussion

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wisse Besonderheiten zu berücksichtigen sein mögen,372 argumentierte das RG eher allgemein und führt aus, es sei bei der Erfüllung der anwaltlichen Berufspflicht „von vornherein und präsumtiv davon aus(zu)gehen“, „daß das Bewußtsein und der Wille des Anwalts in solchen Fällen lediglich darauf gerichtet ist, pflichtmäßig Rat zu erteilen.“373 Hier wie auch in anderen Fällen liege Beihilfe nur vor, wenn über die bloße Berufsausübung hinaus der Wille auf die Förderung der Straftat gerichtet sei. Demgegenüber wählt Hoyer als Ausgangspunkt seiner Überlegungen nicht Mutmaßungen über das übliche Vorliegen oder Fehlen besonderer Motivationen, sondern entwickelt sein Erfordernis zunächst aus einer Analyse anderer, auch objektiver Ansätze. Soweit diese nämlich „mit Rücksicht auf die geplante Haupttat ein Sonderverhalten“ (also eine Anpassung an die deliktische Planung) verlangten, sei dies nur „scheinbar (sc.: ein) objektives Kriterium“ und betreffe in Wahrheit „ein subjektives Element ( . . . ), nämlich die Motivation des potentiellen Teilnehmers“.374 Ferner beschreibe das subjektive Merkmal der Absicht gerade „ein Sonderverhalten zwecks Verursachung der Haupttat“, während in anderen Fällen (einschließlich dolus directus II. Grades) nur „ein Sonderverhalten zwecks Vermeidung der Haupttat“ unterlassen werde.375

(2) Aus dieser Argumentation lassen sich nun Gesichtspunkte zur Behandlung berufsbedingter Unterstützungshandlungen ableiten. Neben das kognitive Element der Kenntnis muss ein hinreichend qualifizierter Tatförderwille treten.376 Dieser lässt sich – zumindest bei beruflichem Handeln – nicht ohne weiteres allein aus der Kenntnis ableiten, sondern muss positiv festgestellt werden. Bei beruflichem Handeln aber besteht eine (widerlegliche) Vermutung für den Willen zur bloßen Erfüllung beruflicher Pflichten und damit gegen das Vorliegen eines (gewissermaßen motivdominierenden) Tatförderwillens. Bei der Anwendung dieser Grundsätze kommt es daher entscheidend darauf an, ob sich Argumente für die Widerlegung dieser Vermutung finden lassen. Das RG sah keine solchen Anhaltspunkte in dem o.g. Fall, in dem ein Anwalt bei der strafrechtlichen Begutachtung eines geplanten Sachverhalts einen einschlägigen Tatbestand übersah.377 Bejaht wurden dagegen ein Tatförderwille und damit eine 372 Zur prozessual begründeten Sonderstellung der Strafverteidiger bei der Frage nach einer Strafvereitelung, die nicht verallgemeinert werden kann und deshalb hier auch nicht vertieft behandelt wird, vgl. bereits knapp oben S. 45 ff.; auch zu anderen Delikten im Zusammenhang mit der Strafvereitelung instruktiv Wohlers, StV 2001, 420 ff., zur Beurteilung sonstiger anwaltlicher Tätigkeit vgl. ausführlich Rogat, insb. S. 178 ff. 373 Vgl. RGSt 37, 321, 322. 374 Vgl. SK / StGB-Hoyer, § 27 Rn. 29 f. 375 Vgl. SK / StGB-Hoyer, § 27 Rn. 32 (Hervorhebung hier). 376 In dieser Forderung übereinstimmend SK / StGB-Hoyer, § 27 Rn. 30. Insoweit besteht auch eine gewisse Parallele zu dem objektiven Kriterium der Solidarisierung, wie es sich später bei Schumann findet, vgl. o. S. 111 ff. 377 Ähnlich auch OLG Stuttgart NJW 1987, 2883, welches ebenfalls vom Fehlen des Willens eines Anwalts, „seine Mandantin zu einer strafbaren Handlung zu bestimmen“, ausging

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2. Teil: Bestandsaufnahme

Strafbarkeit wegen Beihilfe bei der Lieferung von Wein an ein Bordell auf Kredit (Beihilfe zur Kuppelei),378 bei der Beurkundung eines zu niedrigen Kaufpreises auf Wunsch der Parteien durch einen Notar (Beihilfe zur Steuerhinterziehung)379 sowie bei der Mitwirkung an der Anfertigung von Doktor- und Diplomarbeiten durch einen Repetitor (Beihilfe zur falschen Versicherung an Eides Statt, die bei der Einreichung der Arbeiten abzugeben waren).380 Der BGH bejahte später auf Grund einer nur noch schwächeren Betonung des voluntativen Elements des Beihilfevorsatzes die Beihilfe eines angestellten Fahrers, der weisungsgemäß einem Wagen hinterherfuhr, den sein Arbeitgeber mit Waffengewalt rauben wollte (Beihilfe zum schweren Raub).381 Bei Hoyer findet sich „nur“ die Ausformulierung seines Standpunktes dahingehend, dass „dolus directus 1. Grades ( . . . ) ohne weiteres ausreicht, um wegen neutraler Teilnahme belangt werden zu können“. Einzelbeispiele fehlen naturgemäß, da er zum einen keine der Rechtsprechung vergleichbare Kasuistik darstellt, zum anderen aber auch keine den ausfüllungsbedürftigen Begriffen der objektiven Theorien vergleichbare Exemplifizierung liefern muss. Die Schwierigkeiten seiner Lösung bestehen in der Praxis nicht darin zu begründen, welches Verhalten etwa als „Solidarisierung“ oder „Anpassung“ zu verstehen ist, sondern im Nachweis, ob Absicht vorgelegen hat oder nicht. Freilich ist dies im Einzelfall auch nur anhand von objektiven Anhaltspunkten möglich, was dann bei einzelnen Beispielsfällen ähnlich ausfallen mag wie für das Erfordernis eines Tatförderwillens.

(3) Das Erfordernis eines Tatförderwillens hat zumindest bis zu dem Zeitraum, in dem die Problematik neutraler, berufsbedingter Unterstützungshandlungen verstärkt in das Blickfeld des wissenschaftlichen Interesses gerückt ist und daher präzisere dogmatische Instrumentarien angeboten wurden, in der Literatur vor allem von Seiten der beratenden Berufe eine gewisse Zustimmung gefunden.382 Die überwiegende Ansicht in der neueren (insbesondere allgemein-strafrechtsdogmatischen) Literatur steht diesem Kriterium ablehnend gegenüber, und auch der BGH führt (wie oben dargestellt383) die vom RG begonnene Linie nicht mehr fort. Im Mittelpunkt der Kritik stehen dabei folgende, teilweise miteinander verzahnte, Gesichtspunkte, die wohl auch gegen das – soweit ersichtlich bisher noch nicht ausund deswegen ausdrücklich offen ließ, „ob die Erteilung einer – richtigen oder falschen – Rechtsauskunft durch einen Rechtsanwalt schon gar nicht tatbestandsmäßig ( . . . ) oder wenigstens gerechtfertigt ( . . . ) ist“. 378 Vgl. RGSt 39, 44; im Ergebnis zustimmend Wolff-Reske, S. 43; zweifelnd LK-Roxin, § 27 Rn. 20 (dort Fußn. 30) sowie ders., Miyazawa-FS, S. 501, 515. 379 Vgl. RGSt 60, 6. 380 Vgl. RGSt 75, 112; zustimmend Meyer-Arndt, wistra 1989, 281, 282, sowie Wolff-Reske, S. 45. 381 Vgl. BGHR StGB § 27 I, Vorsatz 3, unerwünschter Erfolg = NStE Nr. 4 zu § 27 StGB. 382 Vgl. etwa Baumgarte, wistra 1992, 41, 43 ff.; Blumers / Göggele, Handbuch des Verteidigers und Beraters im Steuerstrafverfahren, S. 21 f.; Dörn, DStZ 1993, 478, 486; Gräfe / Lenzen / Rainer, Steuerberaterhaftung, S. 471 ff., 476 ff., 480 ff.; weitere Nachweise bei Hillenkamp AT, S. 190 f., sowie Tag, JR 1997, 49, 50 (dort Fußn. 15). 383 Vgl. S. 127 ff.

B. Wichtige Lösungsaspekte in der bisherigen Diskussion

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führlich diskutierte – Absichtserfordernis Hoyers ähnlich vorgebracht werden könnten: (a) Aus grundsätzlichen Erwägungen heraus wird allgemein gegen subjektive Lösungen zunächst vorgebracht, dass diese „strafrechtsdogmatisch unsauber“ seien, da der subjektive Tatbestand verneint werde, bevor die Erfüllung des objektiven sorgfältig geprüft worden sei.384 Außerdem gerieten sie in eine bedenkliche Nähe zu einem unzulässigen Gesinnungsstrafrecht, da letztlich allein die subjektive Einstellung des Täters entscheidend sei.385 (b) Des Weiteren wird betont, dass eine rein subjektive Abgrenzung der Funktion eines (eben nicht der Pönalisierung verbrecherischer Gesinnungen, sondern) dem Rechtsgüterschutz verpflichteten Strafrechts nicht gerecht werden könne. Würden nämlich an sich unbedenkliche Verhaltensweisen nur deshalb bestraft, weil sie „in böser Absicht“ vorgenommen werden, erhöhe dies den Rechtsgüterschutz nicht, da der hilfesuchende Täter regelmäßig auf Personen ausweichen könne, denen die belastende Kenntnis fehlt.386 (c) Nun werden die Einwände des Gesinnungsstrafrechts und des fehlenden Nutzens zum Rechtsgüterschutz zwar dadurch etwas relativiert, dass bereits das RG in der Sache durchaus auch die äußeren, objektiven Gegebenheiten des Falles berücksichtigt hat, nämlich als Indizien zur Bestätigung oder Widerlegung der Vermutung eines fehlenden Tatförderwillens. Diese nur mittelbare Berücksichtigung führt aber nicht nur zu einer weniger klaren Systematisierung der Kriterien, sondern vor allem auch zu einer geringeren Verbindlichkeit. Wolff-Reske spricht deshalb davon, dass die reichsgerichtliche Rechtsprechung „den Willen des beruflich Handelnden dem gewünschten Ergebnis gemäß interpretierte“.387 (d) Ferner wird auf praktische „Misslichkeiten“ hingewiesen.388 Ein Abstellen auf die nicht nur in der dogmatischen Tatbestandsprüfung „späte“, sondern auch im Rahmen von praktischen Ermittlungen nur schwer überprüf- und erkennbare subjektive Beziehung des Handelnden führe dazu, dass Ermittlungsmaßnahmen anfangs „kaum zielgerichtet sein“ könnten; daher müsse unangemessen häufig zumindest – in durchaus belastender Weise – vertieft ermittelt werden. Außerdem seien die subjektiven Programme für den Richter mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden, die im Ergebnis „grundlose Zuschreibungen von Vorsatz befürchten“ ließen. 384 Vgl. Wolff-Reske, S. 58 f. (allerdings gegen die Lehre von der Straflosigkeit bei dolus eventualis; der Gedanke ist allerdings auf die Forderung eines Tatförderwillens übertragbar); als Argument gegen die subjektiven Theorien in ähnlicher Weise auch referiert bei Hillenkamp AT, S. 183 (4. Argument). 385 Vgl. etwa Hassemer, wistra 1995, 41, 43; Rabe von Kühlewein, JZ 2002, 1139, 1141; Tag, JR 1997, S. 49, 51. 386 Als Argument referiert bei Hillenkamp AT, S. 183 (5. Argument). 387 Vgl. Wolff-Reske, S. 45. 388 Vgl. Hassemer, wistra 1995, 41, 43: „eine Reihe mißlicher Konsequenzen“.

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2. Teil: Bestandsaufnahme

(e) Beckemper schließlich sieht in der Vermutung eines fehlenden Tatförderwillens bei Erfüllung beruflicher Pflichten eine ungerechtfertigte Privilegierung kommerziellen Handelns. Es sei nämlich nicht ersichtlich, „wieso ( . . . ) die Strafbarkeit eines im Rahmen seiner Berufsausübung Handelnden und einem Privatmann verschiedene Maßstäbe anzulegen sind“.389

2. Die Straflosigkeit bei dolus eventualis Ein dogmengeschichtlich zwar ebenfalls schon früher vertretener, in der hier interessierenden Diskussion aber vor allem in der jüngeren Zeit wieder mehrfach vertretener Ansatz besteht in einer Einschränkung der Beihilfestrafbarkeit bei dolus eventualis.390 Der Unterschied zur Differenzierung bei den gemischt objektivsubjektiven Ansätzen von Roxin und des BGH besteht hier darin, dass grundsätzlich das Fehlen des unbedingten Vorsatzes nicht durch ein korrigierendes objektives Merkmal der „erkennbaren Tatgeneigtheit“ gleichsam ausgeglichen werden kann: (1) Ausgangspunkt der Ansichten, die eine Straflosigkeit von neutralen Unterstützungshandlungen bei dolus eventualis postulieren, ist zunächst die Feststellung, dass nahezu jede Leistung von einem Dritten zum Bestandteil seines deliktischen Handelns gemacht werden kann.391 Aus diesem Grunde wird eine unakzeptable Aushöhlung392 des Rechts, diese Leistungen generell zu erbringen, darin gesehen, wenn allein die Vorstellung, die Leistung könnte möglicherweise deliktisch genutzt werden, ein Strafbarkeitsrisiko begründen würde. Denn eine solche Vorstellung könne bei realistischer Einschätzung möglicherweise nie auf Dauer verdrängt und das Strafbarkeitsrisiko damit letztlich nur durch die Aufgabe des Geschäfts völlig beseitigt werden.393 Zudem geriete ein solches Strafbarkeitsrisiko auch in Konflikt mit den Wertungen des Gesetzgebers, die Mehrzahl der Verhaltensweisen gerade keinem Verbot mit Erlaubnisvorbehalt zu unterstellen, sondern sie frei zuzulassen.394 Da aber auch der Gesetzgeber um die grundsätzliche Möglichkeit solcher 389 Vgl. Beckemper, Jura 2001, 163, 165 (sic; gemeint ist wohl, „wieso an die Strafbarkeit . . . und eines Privatmanns“). 390 Vgl. neben den im Folgenden vertieft behandelten Auffassungen von Amelung und Otto auch aus der österreichischen Literatur Fuchs, östAT I, Kap. 34 III 2b aa, der im Ergebnis ebenfalls zur Straflosigkeit bei dolus eventualis kommt; dies eher über eine gemischt objektiv-subjektive Begründung, da nach seiner Vorsatzdefinition ein an sich nahe liegender dolus eventualis bei der bloßen Kenntnis von an sich erlaubten Risiken ausscheiden soll. Diese Konzeption belegt noch einmal, dass die Einordnung in die Gruppen „gemischt objektiv-subjektiver“ einer- und „subjektiver“ Theorien andererseits vielfach fließend ist und daher nur beschreibend-systematisierende, nicht aber normativierende Bedeutung hat. 391 Vgl. Amelung, Grünwald-FS, S. 9, 21 („birgt so gut wie jede geschäftliche Leistung das Risiko in sich, daß der Leistungsempfänger sie für deliktische Zwecke nutzt“). 392 Vgl. Otto, Lenckner-FS, S. 193, 212 f. 393 Vgl. Amelung, Grünwald-FS, S. 9, 23.

B. Wichtige Lösungsaspekte in der bisherigen Diskussion

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Missbräuche wisse, ohne daraus Konsequenzen zu ziehen, sei „die Straffreiheit des bedingten Vorsatzes ( . . . ) der Punkt, in dem die Risikoeinschätzung der Gesellschaft und des Einzelnen zur Deckung kommen.“395 (2) Konsequenz für berufsbedingte Unterstützungshandlungen sei damit, dass diese straflos seien, soweit der Berufsträger nur mit dolus eventualis handele.396 Anders als dem Privatmann sei dem die rechtlichen Rahmenregelungen seines Handelns einhaltenden Berufsträger bei einem bloßen „Verdacht strafrechtsrelevanten Verhaltens“ ein Unterlassen seines beruflichen Handelns grundsätzlich nicht zuzumuten.397 Erst das positive Wissen398 bzw. die deliktische Zielsetzung (und somit dolus directus I. oder II. Grades) mache das berufsgemäße Handeln zu einem verbrecherischen,399 da bei sicherer Kenntnis das Verbot der Unterstützung in Gestalt einer Beihilfestrafbarkeit normalerweise aufrecht erhalten werden könne, „ohne daß dies ( . . . ) Breitenwirkung hat“,400 d. h. ohne dass jeder Berufsträger sein Handeln danach ausrichten und u.U. eine Vielzahl von Geschäften unterlassen muss. Für eine Strafbarkeit auch bei dolus eventualis spricht sich speziell Amelung aber in den Fällen aus, in denen trotz Fehlens eines direkten Vorsatzes keine „Breitenwirkung“ droht. Es seien dies Konstellationen, in denen das Für-möglich-Halten des Erfolges nicht auf den „generellen Risiken des betriebenen Geschäfts“ beruhe, sondern auf „konkreten Anhaltspunkten“ des Einzelfalles.401 Amelung nennt hier das – sehr weit gehende – Beispiel, dass „ein Messerverkäufer (sc.: weiß), daß sein Nachbar seine Ehefrau schon mit dem Tode bedroht hat“; hier dürfe dieser dem Nachbarn „das Messer selbst dann nicht verkaufen, wenn er nicht sicher ist, ob dieses als bloßes Kücheninstrument oder zum Töten eingesetzt werden wird.“402 Vgl. Amelung, Grünwald-FS, S. 9, 23, sowie Otto, Lenckner-FS, S. 193, 213. Vgl. Amelung, Grünwald-FS, S. 9, 23. 396 Vgl. Amelung, Grünwald-FS, S. 9, 23 f., sowie Otto, Lenckner-FS, S. 193, 213 f. 397 Vgl. Otto, Lenckner-FS, S. 193, 213 f. Vgl. auch Arzt / Weber, BT, § 29 Rn. 40, der auf die Gefahr hinweist, dass „ein solcher Verzicht ( . . . sc.: der Durchführung eines Geschäfts) oft den Verlust nicht nur eines einzelnen Geschäfts, sondern der Kundenbeziehung zur Folge“ hätte. 398 Für den Bereich des Steuerstrafrechts dezidiert Müller, Subjektive Zurechnung, S. 258 ff., 305 ff. 399 Vgl. Otto, Lenckner-FS, S. 193, 214, der auf S. 219 f. darlegt, weshalb die nach seiner Ansicht noch weiter gehenden Strafbarkeitsrestriktionen bei § 258 StGB (die auch Fälle direkten Vorsatzes erfassen können) auf § 27 StGB nicht übertragen werden kann, soweit nicht nur eine psychische Beihilfe in Form der Zusage einer tatbestandslosen Vereitelungshandlung vorliegt. 400 Vgl. Amelung, Grünwald-FS, S. 9, 23; zur Breitenwirkung auch Rabe von Kühlewein, JZ 2002, 1139, 1140. 401 Vgl. Amelung, Grünwald-FS, S. 9, 24 (Hervorhebungen dort). Die Trennlinie verlaufe daher „zwischen der Inkaufnahme einer konkreten Erfolgsgefahr und der Inkaufnahme des abstrakten Geschäftsrisikos“, vgl. a. a. O., S. 27. 402 Vgl. Amelung, Grünwald-FS, S. 9, 24; tendenziell kritisch Rabe von Kühlewein, JZ 2002, 1139, 1141. 394 395

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2. Teil: Bestandsaufnahme

Auch von den Vertretern des Ansatzes von der Straflosigkeit bei dolus eventualis werden im Übrigen Fälle anerkannt, in denen ausnahmsweise rein objektiv, ohne Rücksicht auf den Grad des Vorsatzes eine Strafbarkeit berufsbedingter Unterstützungshandlungen ausgeschieden wird.403 Hinsichtlich dieser Fälle bestehen interessante Parallelen zwischen Amelung und Otto: Es sollen dies zum einen zumindest grundsätzlich die Versorgungsgeschäfte des täglichen Lebens mit Gegenständen sein, die keine Tatmittel sind.404 Freilich steht hier wohl der von der Neutralität und vor allem Berufsbedingtheit des Verhaltens losgelöste Gedanke im Vordergrund, dass „Erhalt von Leben und Gesundheit (auch) eines Straftäters ( . . . ) kein rechtlich mißbilligtes Risiko“ ist.405 Zum anderen nennen sowohl Amelung als auch Otto im Steuerstrafrecht die Mitwirkung an der Entstehung eines Steueranspruches, selbst wenn der Mitwirkende weiß, dass die Steuer hinterzogen werden soll.406

(3) Die Einwände, die gegen den Ansatz der Straflosigkeit „neutraler“ Unterstützungshandlungen bei dolus eventualis vorgebracht werden, ähneln – zumindest auf den ersten Blick kaum verwunderlich407 – teilweise denen, die oben schon gegen das Erfordernis eines Tatförderwillens referiert wurden.408 Einige Autoren unterscheiden in der Kritik auch nicht explizit zwischen unterschiedlichen subjektiven Lösungsmodellen, vgl. etwa Hassemer, wistra 1995, 41, 43. Daneben werden aber auch weitere Prämissen und Aspekte dieses Ansatzes kritisiert:

403 Dass solche Fälle überhaupt anerkannt werden, spricht dafür, dass zumindest nach Amelung und Otto das Problem trotz der prüfungstechnisch-systematischen Verortung der Abgrenzung im subjektiven Tatbestand im Kern keine Vorsatzfrage, sondern eine solche der Grenzen des erlaubten Verhaltens bzw. Risikos ist (in diesem Sinne auch Otto, Lenckner-FS, S. 193, 214, dort Fußn. 74 a.E.). 404 Vgl. Amelung, Grünwald-FS, S. 9, 21 (mit möglichen Ausnahmen bei „zeitlich gestreckten Delikten“) sowie Otto, Lenckner-FS, S. 193, 219. 405 Vgl. Otto, Lenckner-FS, S. 193, 219. 406 Deutlich bei Amelung, Grünwald-FS, S. 9, 22; als Minus auch bei Otto, Lenckner-FS, S. 193, 223, der allerdings im Bankenbereich darüber hinausgehend noch weiter rein objektive Einschränkungen der Beihilfestrafbarkeit postuliert, wenn die einschlägigen Vorschriften eingehalten wurden, vgl. bereits oben S. 95 mit Fußn. 141. So zutreffend dabei ist, dass die Schaffung eines geschützten Rechtsgutes als solche keine Strafbarkeit wegen seiner (und sei sie auch sicher vorausgesehenen) Verletzung durch Dritte begründen kann, so wenig kann allerdings umgekehrt dem Schaffenden ohne weiteres gleichsam ein Freibrief für die Mitwirkung an der späteren Verletzung ausgestellt werden. Wer eine Sache für einen anderen herstellt und sie diesem übereignet, ist dadurch selbstverständlich in keiner Weise befugt, sie später zu zerstören. Allgemein kann man sagen: Die Begründung eines Rechtsgutes ist als solches nie ein relevanter Beitrag zu seiner Verletzung (ein Gedanke übrigens, den man auch mit dem in der Lehre von der objektiven Zurechnung diskutierten Stichwort der Gefahrverringerung begründen könnte), gewährt aber nicht ohne weiteres eine Befugnis, es später anders als durch die Begründung zu gefährden. 407 Bei näherer Überlegung drängt sich allerdings die Frage auf, ob von den Kritikern ausreichend berücksichtigt wird, dass der Ausgangspunkt dieses Ansatzes – wie soeben dargestellt – weniger in einer Überbetonung des subjektiven Unrechtsgehaltes liegt als in Überlegungen zum erlaubten Risiko oder zur Frage einer unerwünschten Breitenwirkung strafrechtlicher Verbote. 408 Vgl. o. S. 140.

B. Wichtige Lösungsaspekte in der bisherigen Diskussion

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(a) Ähnlich wie gegen das Erfordernis eines Tatförderwillens wird gegen die Abgrenzung nach dem Kriterium des bedingten oder unbedingten Vorsatzes die „Nähe zum Gesinnungsstrafrecht“ angeführt.409 Frisch spricht sogar davon, dass eine Abstufung nach dem Vorsatzgrad „Gesinnungsstrafrecht in Reinkultur“ sei.410 Auch der Vorwurf eines „Zirkelschlusses“ wegen der Prüfung subjektiver Elemente vor der Entscheidung über den objektiven Tatbestand411 sowie ihrer fehlenden Stütze im Wortlaut des § 27 StGB412 wird gegen die Differenzierung nach der Vorsatzform erhoben. (b) Des Weiteren wendet sich Beckemper gegen die Argumentation mit der Unzumutbarkeit der Unterlassung entsprechender Geschäfte und der drohenden „Pflicht zur Berufsaufgabe“. Sie betont, dass „nicht die grundsätzliche strafrechtliche Relevanz z. B. des Verkaufens von Schraubenziehern, sondern nur ein ganz bestimmter Verkauf ( . . . ) überhaupt Objekt strafrechtlicher Untersuchung sein“ könne.413

409 Vgl. Tag, JR 1997, 49, 51; Wohlers, SchwZStrR 117 (1999), 425, 428, 434 sowie WolffReske, S. 59. 410 Vgl. Frisch, Verhalten und Zurechnung, S. 298. Amelung wendet sich gegen diese Kritik mit dem Hinweis, dass von Gesinnungsstrafrecht keine Rede sein könne, da als Grund für eine Bestrafung immerhin die Mitverursachung einer Rechtsgutsverletzung angeführt werden könne. Er weist ferner darauf hin, dass der Gesetzgeber auch bei § 258 StGB auf subjektiver Seite das Vorliegen von dolus directus voraussetzt (was sich freilich nach h. M. nur auf die Vereitelungshandlung, nicht auf die Vortat bezieht, während vorliegend der Grad der subjektiven Kenntnis hinsichtlich der Haupttat im Mittelpunkt steht). Gegen die vorschnelle Bezeichnung subjektiver Abgrenzungen als Gesinnungsstrafrecht in anderem Zusammenhang auch bereits Kudlich, StV 2000, 23, 24; kritisch hierzu, allerdings ohne Argument in der Sache Rath, Gesinnungsstrafrecht, S. 49. 411 Vgl. Wolff-Reske, S. 58; gegen sie Otto, Lenckner-FS, S. 193, 115 (dort Fußn. 76): Natürlich stelle sich die Problematik des subjektiven Tatbestandes erst, „nachdem die objektive Risikoerhöhung durch das relevante Verhalten feststeht. Fehlt dies, so liegt eine Beihilfe bereits nach den anerkannten Voraussetzungen nicht vor.“ Ob diese Replik dem Einwand Wolff-Reskes gerecht wird, ist fraglich, da sie wohl nach ihrer Konzeption über die „objektive Risikoerhöhung“ hinaus noch weitere objektive Tatbestandseinschränkungen postuliert, so dass es auf die Vorsatzfrage nicht ankommt. Auslöser dieses möglichen Missverständnisses ist allerdings Wolff-Reskes Formulierung von einem „Zirkelschluss“, der im Sinne der üblichen Verwendung dieses Ausdrucks als ein Fall eines logischen Fehlers in der Argumentationslehre von den Vertretern der Straflosigkeit bei dolus eventualis jedenfalls (d. h. unabhängig davon, ob man nicht ihnen in der Sache zustimmen möchte oder nicht) nicht gemacht wird. In der Sache geht es eher um die Frage, ob der Vorsatz ausschließlich als subjektives Korrelat zum objektiv begründeten Unrecht zu verstehen ist, oder ob es objektiv indifferente Situationen gibt, in denen die Vorwerfbarkeit des Verhaltens wesentlich von der subjektiven Seite mit konstituiert wird. 412 Vgl. Tag, JR 1997, 49, 51; ferner Lesch, JR 2001, 383, 386, der eine „dogmatisch fundierte Begründung“ dafür vermisst, dass die Grenze gerade zwischen dolus eventualis und dolus directus 2. Grades (und nicht z. B. zwischen dolus directus 1. und 2. Grades) verlaufen soll. Dies konzediert zwar auch Amelung, Grünwald-FS, S. 9, 26, meint aber, das könne „kaum entscheidend sein“, da der „Beihilfevorsatz (sc. dem Sinn des Beihilfeverbotes) entsprechend modelliert“ werden könne.

10 Kudlich

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2. Teil: Bestandsaufnahme

(c) Schließlich reklamiert Wolff-Reske, dass eine Lösung erst auf der subjektiven Ebene den Fällen, in denen dolus directus anzunehmen ist, nicht immer gerecht werde. Immerhin bestehe auch „hier eine die Besonderheit dieser Fälle ausmachende Alltäglichkeit der Berufshandlung“.414 Damit zusammen hängt der Vorwurf, eine subjektive Abgrenzung orientiere sich nicht an der Gefährlichkeit einer Verhaltensweise, da diese von den damit verfolgten Zielen unabhängig sei.415

IV. Exkurs: Der Blick auf die Diskussion im Immaterialgüterrecht Schon die Schnittstellen zweier Rechtsgebiete werden in fachwissenschaftlichen Untersuchungen vielfach gemieden, vielleicht weil in ihnen das Risiko besonders groß erscheint, von den Spezialisten der jeweiligen Nachbardisziplin eines Besseren belehrt zu werden. Damit sowie mit der fehlenden Kenntnis der einschlägigen Probleme416 ist wohl zu erklären, dass in der Vielzahl z. T. durchaus umfangreicher Untersuchungen zu neutralen Unterstützungshandlungen – soweit ersichtlich – eine Parallele noch nie auch nur angesprochen wurde, die sich durchaus aufdrängt: Ein weitgehend mit unserer Fragestellung identisches Problem wird im Immaterialgüterrecht insbesondere unter dem Stichwort der „mittelbaren Patentverletzung“ diskutiert. Es geht dort um die Frage, ob patentrechtliche Abwehransprüche in Betracht kommen, wenn jemand einen Gegenstand in den Verkehr bringt, der selbst zwar nicht unmittelbar dem Schutz des Patents unterliegt, aber die Verletzung des Patentes ermöglicht.417 413 Vgl. Beckemper, Jura 2001, 163 f. Freilich berücksichtigt dieser Einwand zumindest in der vorliegenden Formulierung nicht ausreichend den von Amelung, Grünwald-FS, S. 9. 23 f. besonders hervorgehobenen Gesichtspunkt einer drohenden „Breitenwirkung“, den er gerade zum maßgeblichen Abgrenzungskriterium macht. 414 Vgl. Wolff-Reske, S. 58. Dem ist zwar zuzustimmen, soweit betont wird, dass auch bei dolus directus eine (eben zumindest „äußere“) Alltäglichkeit konstatiert werden kann, vgl. insoweit bereits Kudlich, JZ 2000, 1178, 1179 gegen Arzt, NStZ 1990, 1, 3. Ob diese Alltäglichkeit allerdings eine – strafrechtlich ohne Rücksicht auf die innere Tatseite berücksichtigungsfähige! – Besonderheit darstellt, ist damit noch nicht geklärt und daher an dieser Stelle bei Wolff-Reske eher eine programmatische Forderung als ein Argument gegen subjektive Abgrenzungen. 415 Vgl. Wolff-Reske, S. 60; ähnlich Frisch, Verhalten und Zurechnung, S. 298 sowie in anderem Zusammenhang Herzberg, JR 1986, 6, 7. Demgegenüber weist Amelung, GrünwaldFS, S. 9. 25, darauf hin, dass eine Differenzierung nach dem Vorsatzgrad zumindest die „bei weitem gefährlichere ( . . . ) Personengruppe“ treffe, die die Achtung vor dem geschützten Rechtsgut zugunsten der Vorteile eines einzelnen Geschäftes opfere (und nicht nur seine Verletzung als realistische Möglichkeit in Kauf nehme, um nicht den Geschäftszweig als Ganzen aufgeben zu müssen). 416 Der Verf. selbst dankt für den Hinweis auf die Parallelproblematik bei der mittelbaren Patentverletzung Herrn Prof. Dr. Hans-Peter Götting, LL.M., Dresden. 417 Einen sehr guten Überblick über das Problem der mittelbaren Patentverletzung (sowohl nach der früheren richterrechtlichen Regelung als auch nach der seit 1981 geltenden gesetzli-

B. Wichtige Lösungsaspekte in der bisherigen Diskussion

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1. Die Diskussion um die mittelbare Patentverletzung hat im Patentrecht eine lange Tradition und hat bereits früh (und bis heute in erheblichem Umfang) die Rechtsprechung beschäftigt.418 Dabei sind zwei Besonderheiten in der speziellen Interessenkonstellation der patentrechtlichen Abwehransprüche zu beachten, die eine Inanspruchnahme des mittelbaren Verletzers für den Berechtigten besonders attraktiv machen und daher wohl das Augenmerk stärker auf diese Frage lenken: Zum einen ist es für den Patentberechtigten oft viel effektiver, in großem Umfang erfolgende Lieferungen zu unterbinden, die eine Patentrechtsverletzung ermöglichen, als eine Vielzahl von – ihm oftmals nicht ohne weiteres bekannt gewordene – selbst patentrechtsverletzende Benutzungen. Zum anderen kann es für ihn auch langfristig wirtschaftlich „klüger“ sein, gegen den mittelbaren Patentverletzer vorzugehen, weil er die Vielzahl kleinerer unmittelbarer Patentverletzer möglicherweise selbst als Kunden gewinnen will.419 Man mag gegen diese Sichtweise einwenden, dass es im Strafrecht gar nicht um Attraktivität oder Unattraktivität der „Inanspruchnahme“ gehe und das Problem sich daher dennoch dringlicher stellen müsste. Denn wenn eine Strafbarkeit (auch bei mehreren Personen) zu bejahen ist, dann sind die Strafverfolgungsbehörden an sich auf Grund des Legalitätsprinzips gehalten, die Person, die sich strafbar gemacht hat, zu verfolgen. Tatsächlich darf aber nicht vernachlässigt werden, dass gerade bei neutralen, berufsbedingten Unterstützungshandlungen wohl nicht nur für die Verfolgungsbehörden, sondern auch für die Rechtsgemeinschaft eine gewisse „Befriedung“420 dadurch hergestellt werden kann, dass der unmittelbare Verletzer zur Verantwortung gezogen wird. Hinzu kommt, dass in den hier aus strafrechtlicher Sicht interessierenden Fällen – anders als bei der mittelbaren Patentverletzung – die Unterstützungshandlung zumeist nur eine Haupttat betrifft und daher auch in der Bedeutung hinter dieser zurücktritt. Insoweit mag trotz des Legalitätsprinzips der Ansporn zur Verfolgung neutraler Unterstützungshandlungen im Strafrecht geringer sein als im Patentrecht zum gerade erfolgversprechenderen Vorgehen gegen den mittelbaren Verletzer.

2. Bis 1981 war das Problem der mittelbaren Patentverletzung nicht gesetzlich geregelt, sondern wurde auf der Grundlage von zu Gewohnheitsrecht erstarktem Richterrecht behandelt.421 Der Vertrieb verletzungsermöglichender Gegenstände chen Regelung) vermittelt König, MitDPatA 2000, 10 ff. Vgl. neben den im Folgenden genannten Nachweisen ferner Meier-Beck, GRUR 1993, 1 ff. sowie Preu, GRUR 1980, 697 ff. Die Aussicht auf zusätzliche Impulse oder aber auch Bestätigung existierender Sichtweisen von außerhalb der strafrechtlichen Diskussion rechtfertigt das soeben skizzierte Wagnis, in den Details einen Spezialisten des Patentrechts mit der folgenden kurzen Skizze nicht befriedigen zu können. 418 Zahlreiche Nachweise zur frühen reichsgerichtlichen Rechtsprechung und der Übernahme der Grundsätze durch den BGH bei Busse-Keukenschrijver, § 10 Rn. 4. Aus der Zeit noch vor den dort genannten Nachweisen bereits zu Beginn des Jahrhunderts Kohler, Lehrbuch des Patentrechts, § 56 V = S. 191 („Was nicht Patentverletzung ist, kann unter Umständen dadurch in den Kreis des Patentrechts gezogen werden, dass es die Patentverletzung erleichtert“). 419 Auf diesen Aspekt weist zu Recht Meier-Beck, GRUR 1993, 1, hin. 420 Zum – nicht mit der Rechtssicherheit identischen – Rechtsfrieden als Ziel des Strafprozesses vgl. grundlegend Schmidhäuser, Eb. Schmidt-FS, S. 511, 515 ff. 10*

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2. Teil: Bestandsaufnahme

wurde dabei nicht als eigene patentrechtliche Benutzungsart betrachtet,422 sondern als akzessorische Teilnahme an einer fremden (mittelbaren) Patentverletzung. Sie setzte daher den tatsächlichen Eintritt einer Patentverletzung durch einen Dritten und die Überlassung von Teilen zur Herstellung der geschützten Vorrichtung bzw. zur Ausübung des geschützten Verfahrens voraus, ohne dass der Veräußerer den Erwerber auf die drohende Patentverletzung hinwies und ausreichende Vorsorge gegen eine patentverletzende Benutzung traf.423 Allerdings wurden bereits auf objektiver Ebene hohe Anforderungen dahingehend gestellt, dass nicht die Überlassung jedes Teiles als mittelbare Verletzung für ausreichend erachtet wurde, sondern nur solcher Teile, die „erfindungsfunktionell individualisiert“ waren. Dagegen wurde keine mittelbare Verletzung in der Lieferung von – so auch dort der gängige Terminus – „neutralen Teilen“ gesehen.424 Wenn die Teile jedoch objektiv „erfindungsfunktionell individualisiert“ waren, sollte – über die allgemeinen Grundsätze für eine Teilnahme hinaus – auch genügen, wenn der Lieferant fahrlässig handelte, d. h. damit rechnen musste, dass der Abnehmer eine Patentverletzung begehen werde.425 Durch das am 01. 01. 1981 in Kraft getretene Gemeinschaftspatentgesetz426 wurde (zunächst in § 6a PatentG 1968, dann nach einer Neubekanntmachung des PatentG 1981) in § 10 PatentG eine gesetzliche Sonderregelung für die mittelbare Patentverletzung geschaffen.427 Für nach dem 01. 01. 1981 angemeldete Patente wird in § 10 I PatentG auch dahingehend Schutz gewährt, „daß es jedem Dritten verboten ist, ohne Zustimmung des Patentinhabers im Geltungsbereich dieses Gesetzes anderen als zur Benutzung der patentierten Erfindung berechtigten Personen Mittel, die sich auf ein wesentliches Element der Erfindung beziehen, zur Benutzung der Erfindung im Geltungsbereich des Gesetzes anzubieten oder zu liefern, wenn der Dritte weiß oder es auf Grund der Umstände offensichtlich ist, daß diese 421 Vgl. zur Erstarkung dieser Grundsätze zu Gewohnheitsrecht die bis in die 30er Jahre zurückreichenden Nachweise bei Meier-Beck, GRUR 1993, 1, 2 (dort Fußn. 18). 422 Die Verbietungsrechte in Bezug auf Benutzungshandlungen sind nach h. M. im Gesetz enumerativ aufgezählt (vgl. auch zum geltenden Patentrecht Mes, PatentG, § 9 Rn. 10), weshalb es für unzulässig gehalten wurde, in der mittelbaren Verletzung eine eigene verbietbare Benutzung zu sehen, vgl. Busse-Keukenschrijver, PatentG, § 10 Rn. 4. 423 Vgl. zu den Voraussetzungen einer mittelbaren Patentverletzung nach altem Recht König, MitDPatA 2000, 10 ff., sowie Busse-Keukenschrijver, PatentG, § 10 Rn. 6 ff. 424 Vgl. etwa bereits BGH GRUR 1961, 466, 469 und Busse-Keukenschrijver, PatentG, § 10 Rn. 11. 425 Dogmatisch war dies – mit Blick auf die Konstruktion als Teilnahme – problematisch, was etwa den österreichischen Obersten Gerichtshofs dazu veranlasste, diese Haftungserweiterung für das österreichische Patentrecht abzulehnen, vgl. öOGH GRUR Int 1994, 324, 326. 426 Gemeinschaftspatentgesetz vom 26. 07. 1979, BGBl. I, 1269 ff. 427 Diese Regelung entspricht weitestgehend auch Art. 30 des Übereinkommens über das europäische Patent für den Gemeinsamen Markt. Dementsprechend sah der deutsche Gesetzgeber in § 10 PatentG auch eine Neudefinition zum Zwecke der Harmonisierung des europäischen Patentrechts und nicht eine Festschreibung des bisherigen Richterrechts.

B. Wichtige Lösungsaspekte in der bisherigen Diskussion

149

Mittel dazu geeignet und bestimmt sind, für die Benutzung der Erfindung verwendet zu werden.“428 Auf den ersten Blick besteht zwar eine ähnliche Regelungsintention, allerdings sind bei genauerer Betrachtung die (konstruktiven429) Unterschiede zum alten Richterrecht beträchtlich.430 Zunächst ist an die Stelle einer (nach h. M. für Patente nach dem 01. 01. 1981 nicht mehr anwendbaren431) akzessorischen Teilnehmerverantwortlichkeit ein „verselbständigter, einstufiger, nichtakzessorischer Gefährdungstatbestand“ getreten.432 Da Vergleichbares allerdings im Strafrecht de lege lata regelmäßig nicht der Fall ist433 und damit auch de lege ferenda in keinem Fall zu rechnen ist, kann dieser konstruktive Unterschied in den Hintergrund treten. Interessanter sind die einzelnen objektiven und subjektiven Voraussetzungen.

Objektiv gefordert wird also zunächst die Lieferung von „Mitteln, die sich auf ein wesentliches Element der Erfindung beziehen“. Diese Formulierung ist deutlich weiter als die früher geforderte „erfindungsfunktionelle Individualisierung“.434 Zwar soll nicht jeder irgendwie geartete Bezug zum Patent genügen, allerdings ist für das Merkmal des Mittels keine spezielle Anpassung erforderlich; vielmehr genügt (wie auch der subjektive Tatbestand zeigt) die Eignung zur patentverletzenden Benutzung, solange es sich nicht nur um „mitwirkende oder begleitende Arbeits- bzw. Hilfsmittel“,435 sondern um integrierte Bestandteile der Erfindung handelt. Einschränkend kommt jedoch nach § 10 II PatentG (gewissermaßen als wichtigste normative Ausformung des Erfordernisses der „Wesentlichkeit“ des Elements) hinzu, dass „allgemein im Handel erhältliche Erzeugnisse“436 aus dem 428 Eine vergleichbare Regelung findet sich auch in § 11 II GebrauchsmusterG, eine ähnliche auch in § 14 IV MarkenG. 429 Zu den ähnlichen Ergebnissen bei Schadensersatzansprüchen vgl. Meier-Beck, GRUR 1993, 1, 3. 430 Vgl. nochmals Fußn. 427 sowie zum Unterschied zwischen alter und neuer Regelung etwa König, MitDPatA 2000, 10 ff. 431 Vgl. König, MitDPatA 2000, 10, sowie Busse-Keukenschrijver, PatentG, § 10 Rn. 13. Nach allgemeinen dogmatischen Grundsätzen wäre freilich zweifelhaft, ob eine Teilnahmeregelung im Falle einer eingetretenen Verletzung tatsächlich durch einen „Vorfeldtatbestand“ verdrängt werden kann; begründbar ist dies aber wohl damit, dass in §§ 139 ff. PatentG für Verstöße gegen § 10 PatentG eigene Haftungsregeln getroffen werden. 432 Vgl. Busse-Keukenschrijver, PatentG, § 10 Rn. 13; ferner auch Mes, PatentG, § 10 Rn. 1. 433 In Einzelfällen bestehen zwar durchaus strafbewehrte Verbote des Vertriebes bestimmter gefährlicher Gegenstände (zumindest ohne Beachtung einschlägiger Bestimmungen); indes schließen diese regelmäßig eine Verantwortlichkeit für tatsächlich damit eingetretene Rechtsgutsverletzungen nicht aus (sondern werden – wie oben gesehen – im Gegenteil von einer verbreiteten Ansicht sogar als wichtiges Indiz für eine Verantwortlichkeit für mittelbare Erfolgsverursachungen jedenfalls in diesen Fällen angesehen). 434 So auch die Einschätzung von Busse-Keukenschrijver, PatentG, § 10 Rn. 19 m. w. N.; ausführlicher König, MitDPatA 2000, 10, 11 ff. 435 Vgl. König, MitDPatA 2000, 10, 12 (der insoweit als Beispiel Betriebsanleitungen, Modelle oder Zeichnungen ausschließt). 436 Unter Bezugnahme auf die Materialien (vgl. BT-Drs 8 / 2087, 1, 124) werden hier regelmäßig „Nägel, Schrauben, Bolzen, Draht, Chemikalien, Kraftstoff“ u.ä. genannt, vgl. dazu

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2. Teil: Bestandsaufnahme

Anwendungsbereich ausscheiden, wenn nicht der Lieferant den Belieferten bewusst zu einer patentwidrigen Handlung veranlasst (d. h. wenn nicht zugleich ein Fall einer – hier wieder akzessorisch ausgestalteten – Anstiftung zur Patentverletzung vorliegt). Subjektiv sind die Anforderungen gemessen an der früheren richterrechtlichen Regelung angehoben. Der Lieferant muss die objektiven Voraussetzungen hinsichtlich der gelieferten Ware sowie die patentwidrige Benutzungsabsicht des Belieferten positiv kennen437. Daneben lässt § 10 I PatentG auch die Offensichtlichkeit der Eignung und Bestimmung zur Patentverletzung „auf Grund der Umstände“ genügen, was die h. M. allerdings nur als Beweiserleichterung i.R. eines privatrechtlichen Patentprozesses versteht.438 Im Sinne der o.g. strafrechtlichen Lösungsmodelle könnte man also formulieren, dass grundsätzlich ein Ausschluss der Verantwortlichkeit bei dolus eventualis erfolgt. Das Institut der „Beweiserleichterung“ ist nicht ohne weiteres in übliche materiell-strafrechtliche Kategorien fassbar, erinnert aber im Ergebnis an Einschränkungen der Privilegierung wie sie unter Stichworten wie der erkennbaren „Tatgeneigtheit“ 439 oder eines „drastisch deliktischen Kontextes“ diskutiert werden.440 3. Ohne insoweit nun die Einzelmerkmale des Patentrechts zu vertiefen, wird mehrerlei deutlich:441 Ausgangspunkt des Problems ist auch im Patentrecht das Zusammenwirken mehrerer Personen, hier also des unmittelbaren und des mittelbaren Patentverletzers. Ausschlaggebendes Kriterium war dabei nach den früheren Grundsätzen der Rechtsprechung gerade die „Neutralität“, da einerseits bei „neutralen“ Teilen eine Haftung stets ausschied, andererseits bei „erfindungsfunktionell individualisierten“ Teilen eine Haftung schon bei Fahrlässigkeit möglich war. Entjeweils die Darstellung bei Busse-Keukenschrijver, PatentG, § 10 Rn. 22; König, MitDPatA 2000, 10, 21 f.; Mes, PatentG, § 10 Rn. 15. Entscheidend ist dabei freilich nicht der tägliche Bedarf von „jedermann“, sondern durchaus auch der einschlägigen Branchen, soweit „Ware ( . . . ) nicht durch einen speziellen Verwendungszweck vorgeprägt ist“ (König, a. a. O.), sondern vielfältig verwendbar ist. 437 Vgl. Preu, GRUR 1980, 697 und Villinger, GRUR 1981, 541, 545; wohl auch BusseKeukenschrijver, PatentG, § 10 Rn. 21 (dessen Verweis auf bedingten Vorsatz sich nur auf die Begehung im Inland beziehen dürfte) sowie König, MitDPatA 2000, 10, 20 (etwa unklar und widersprüchlich allerdings S. 21). 438 Dezidiert Busse-Keukenschrijver, PatentG, § 10 Rn. 21 und König, MitDPatA 2000, 10, 20. 439 Vgl. Roxin, Stree / Wessels-FS, S. 365, 380; ähnlich ders., Miyazawa-FS, S. 501, 516. 440 Vgl. Jakobs, GA 1996, 253, 264. 441 Daneben finden sich auch Parallelen zu den übrigen o.g. Grundfragen, die allerdings für die weiteren Überlegungen weniger ergiebig sind. Wenn oben nach der grundsätzlichen Unrechtsbegründung gefragt wurde, entspricht dies hier der Frage, wie das Verhalten in einen Zusammenhang mit den verbietbaren Benutzungshandlungen gestellt werden kann. Die Behandlung beruflichen Verhaltens spiegelt sich insoweit wieder, als einerseits auf Grund der besonderen Interessenlage im Immaterialgüterrecht (vgl. o. Text zu Fußn. 419) ohnehin nur gewerbsmäßiges Inverkehrbringen erfasst sein sollte, allerdings den Interessen des Wirtschaftsverkehrs durch die sehr engen objektiven Grenzen Rechnung getragen wurde.

B. Wichtige Lösungsaspekte in der bisherigen Diskussion

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scheidend für die Rechtsanwendung im Einzelfall war damit, ab wann man von einer „funktionellen Individualisierung“ (der in der Tendenz die in der strafrechtlichen Diskussion immer wieder angeführte „Anpassung der Leistung“ entspricht) sprechen konnte. Auch zeigt sich, dass objektive und subjektive Kriterien damit in einem gewissen reziproken Abhängigkeitsverhältnis standen: Mit den sehr hohen objektiven Maßstäben korrespondieren auf subjektiver Ebene geringe Anforderungen, bei denen systemfremd sogar Fahrlässigkeit für ausreichend gehalten wurde. Die gesetzliche Regelung dagegen hat die Anforderungen an eine Haftung im objektiven Tatbestand abgesenkt. Von der kompromisslosen Privilegierung von „allgemein im Handel erhältlichen Erzeugnissen“ und dem Ausschluss von Gegenständen rein anleitender oder begleitender Natur abgesehen, genügt grundsätzlich eine „Eignung“ zur Patentverletzung. Dies erfasst wesentlich mehr Gegenstände als diejenigen, die i. S. d. alten Richterrechts erfindungsfunktionell individualisiert waren. Im Gegenzug dazu wurden die nach dem Richterrecht relativ niedrigen subjektiven Anforderungen deutlich erhöht. Somit zeigt der kurze Exkurs zweierlei: Zum einen bestätigt er die im Strafrecht herangezogenen Kriterien insoweit, als auch im Patentrecht mit Topoi wie „positive Kenntnis“, „Ersetzbarkeit“ oder „Anpassung / Individualisierung einer Leistung“ gearbeitet wird.442 Zum anderen wird eine gewisse „reziproke“ Abhängigkeit von objektiven und subjektiven Faktoren deutlich; je weniger Einschränkungen bereits im objektiven Tatbestand erfolgen, umso höhere Hürden werden für die subjektive Beziehung zur Tat errichtet.443

V. Zwischenergebnis Die vorangegangenen Ausführungen illustrieren den schon einleitend erwähnten Befund, dass das Problem neutraler, speziell auch berufsbedingter, Unterstützungshandlungen umfangreich und kontrovers diskutiert wird. Die Lösung wird in Sachgesichtspunkten auf unterschiedlichen dogmatischen Ebenen gesucht, gegen die jeweils verschiedene Einwände vorgebracht werden. Eine kurze rechtsgebietsvergleichende Betrachtung zur im Immaterialgüterrecht intensiv behandelten Frage 442 Eine in dieser Form – soweit ersichtlich – in der strafrechtlichen Diskussion nicht explizit angesprochene Differenzierung betrifft im Patentrecht die Verwendung des Gegenstandes unmittelbar zur verletzenden Handlung einerseits und die bloße begleitende oder mitwirkende Verwendung andererseits. Allerdings zeigen sich auch hier gewisse Ähnlichkeiten mit den Ansätzen, die auch den zeitlichen Abstand zur Tat bzw. die Grenze zwischen Vorbereitungshandlung und Beginn der Tatausführung beim unmittelbaren Verletzer für beachtlich halten. 443 Bei der Diskussion im Strafrecht wird dies etwa daran exemplarisch deutlich, dass ein besonderer Tatförderwille als deutlichste zusätzliche subjektive Einschränkung gerade in der Rechtsprechung des RG zu einer Zeit gefordert wurden, in welcher der (objektive) Tatbestand bei der rein kausal-naturalistischen Betrachtung der klassischen Verbrechenslehre noch wenig Selektionskraft enthielt.

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2. Teil: Bestandsaufnahme

der mittelbaren Patentverletzung hat (wie auch die in der Darstellung des Meinungsstandes vereinzelt nachgewiesenen Stellungnahmen aus dem Ausland) im Übrigen bestätigt, dass das Problem der mittelbaren Verursachung unerwünschter Erfolge durch übliche Tätigkeiten kein von der (gar nur deutschen) Strafrechtswissenschaft „erdachtes“ Scheinproblem ist und dass die wesentlichen Probleme – d. h. die sinnvolle Begrenzung der Verantwortung, das Nebeneinander von objektiven und subjektiven Lösungsgesichtspunkten sowie deren wechselseitige Abhängigkeit – in einem anderen Rechtsgebiet ganz ähnlich diskutiert werden.

C. Analyse des Meinungsstandes zur Vorbereitung weiterer Überlegungen Der im vorangegangenen Abschnitt nachgezeichnete Meinungsstand zur Frage nach dem Strafbarkeitsrisiko berufsbedingter Unterstützungshandlungen bedarf freilich noch einer gewissen Analyse und Aufbereitung, damit bei der Erarbeitung eines eigenen Lösungsvorschlages (vgl. unten Teile 3 und 4) die wesentlichen Sachgesichtspunkte in den entscheidenden Kontexten näher beleuchtet werden können. Dazu werden in einem ersten Schritt die wichtigsten und meistgenannten Gesichtspunkte innerhalb des Meinungsspektrums gesammelt und nach ihrer Wirkungsweise bzw. Zielrichtung (Strafbarkeitsreduzierung oder -ausweitung) systematisiert, was zugleich auch einer Zusammenfassung dient (sogleich I.). Danach soll dargelegt werden, inwieweit trotz der umfänglichen und teilweise sehr speziellen Beschäftigung mit dem Problem in der Literatur und des Vorliegens einiger neuerer höchstrichterlicher Stellungnahmen noch Klärungsbedarf herrscht, aber auch realistische Aussichten auf eine weitere Klärung bestehen (im Anschluss II.). Schließlich wird versucht, auf dieser Grundlage die unter I. zusammengefassten Elemente auf möglichst wenige zentrale Fragestellungen zurückzuführen. Diese Reduktion wird Auskunft darüber geben, wo Hinweise auf eine angemessene Behandlung des Problems auch außerhalb des Bereichs der Strafrechtsdogmatik gefunden werden können (zuletzt III.).

I. Wichtige Gesichtspunkte in der Diskussion und ihre Auswirkungen auf das Strafbarkeitsrisiko Obwohl sich die Darstellung des Meinungsstandes unter B. (S. 74 ff.) soweit praktikabel an Sachgesichtspunkten orientiert, ergibt sich eine Reihe von Wiederholungen, und zwar sowohl bei den Begründungen für eine Beschränkung der Strafbarkeit als auch bei den Einwänden gegen die Begründungen. Dies liegt zum einen daran, dass bei den jeweiligen (prägenden) Sachgesichtspunkten die Konzeptionen einzelner Autoren zumindest in ihren Grundzügen vollständig dargestellt wurden, so dass Aspekte, die mehrere Autoren hervorheben, auch mehrfach zu-

C. Analyse des Meinungsstandes zur Vorbereitung weiterer Überlegungen

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mindest erwähnt werden mussten.444 Zum anderen wurde aber auch bereits deutlich, dass z.T. identische, zumindest aber einander nahe stehende Gesichtspunkte in unterschiedlichen Konzeptionen unter differierenden Namen445 oder in anderen Zusammenhängen auftauchen. Diese mehrfach auftauchenden, aber auch andere, trotz seltenerer Erwähnung besonders wichtig erscheinende Gesichtspunkte werden im Folgenden gleichsam als „Extrakt“ des Meinungsstandes noch einmal herausgestellt. Dabei erfolgt eine Gliederung nach solchen Gesichtspunkten, die für eine Einschränkung der Strafbarkeit berufsbedingter Unterstützungshandlungen sprechen sollen (sogleich 1.), solchen, die gegen eine solche Einschränkung (und damit im Ergebnis für eine Strafbarkeit) angeführt werden (im Anschluss 2.), und solchen, die von unterschiedlichen Autoren in unterschiedlicher Richtung argumentativ verwandt werden (zuletzt 3.). 1. Strafbarkeitseinschränkende Gesichtspunkte Als Argumente für eine Beschränkung der Strafbarkeit berufsbedingter Unterstützungshandlungen werden Gesichtspunkte angeführt, die Qualität und Motivation der unterstützenden Handlung selbst, ihr Verhältnis zur unterstützten Tat, das Verhältnis zum unmittelbaren Verletzer sowie die Folgen einer zu weit gehenden Pönalisierung betreffen. a) Hinsichtlich der Handlung selbst wird – wenngleich mit Unterschieden im Einzelnen – zunächst ihre „Üblichkeit“ angeführt. Diese wird bezogen auf die „geschichtlich gewordene Ordnung des Gemeinschaftslebens eines Volkes“ in Welzels Lehre von der Sozialadäquanz446 bzw. auf die bereichsspezifischen leges professionis zur sozialen Vorstrukturierung des Handelns bestimmter Berufsgruppen in Hassemers Fortentwicklung des Konzepts zur professionellen Adäquanz.447 In anderer Gestalt findet sich der Gedanke der Üblichkeit etwa bei Jakobs in Gestalt der „üblichen Austauschgeschäfte des täglichen Lebens“,448 bei Frisch unter dem Begriff der „normalen Geschäfte des täglichen Lebens“449 und bei Schumann im Bild der Stereotypizität des Handelns.450 Mit dieser Üblichkeit hängt auch zusammen, 444 So findet sich etwa die Vorwertung des § 138 StGB als Korrektiv der Straflosigkeit bei mehreren Autoren, die grundsätzlich eine eher strafbarkeitseinschränkende Linie vertreten, so etwa bei Frisch (S. 99 ff.), Tag (S. 124 ff.) und Wohlleben. 445 So findet sich der Gesichtspunkt eines deliktischen Sinnbezugs im Sinne von Roxins Konzeption (vgl. S. 119 ff.) teilweise ohne Verwendung dieses Begriffs in der neueren Rechtsprechung des BGH (vgl. S. 127 ff.), während der gleiche Begriff bei Frisch (S. 99 ff.) nicht völlig deckungsgleich verwendet wird. 446 Vgl. zu Welzel o. S. 78 ff. 447 Vgl. zu Hassemer o. S. 83 ff. 448 Vgl. zu Jakobs o. S. 86 ff. 449 Vgl. zu Frisch o. S. 99 ff. 450 Vgl. zu Schumann o. S. 111 ff.

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2. Teil: Bestandsaufnahme

dass hinsichtlich der konkreten Handlung keine anderslautende Verhaltenserwartung besteht, die nach Jakobs, Lesch und Wolff-Reske im Falle ihrer Enttäuschung einer kontrafaktischen Verhaltensstabilisierung bedürfte.451 Was die subjektive Komponente der Handlung angeht, so wird etwa von Amelung und Otto eine Strafbarkeit regelmäßig verneint452 bzw. von Roxin und der jüngeren Rechtsprechung des BGH von zusätzlichen Voraussetzungen abhängig gemacht,453 wenn es am direkten Vorsatz fehlt.454 Insbesondere die ältere Rechtsprechung hatte wegen der Üblichkeit der Handlung eine Vermutung gegen den für erforderlich gehaltenen Tatförderwillen angenommen. Als ungeschriebene Voraussetzung einer Strafbarkeit wird für die Handlung schließlich etwa von Ransiek gefordert, dass diese als pflichtwidrig zu bewerten sein müsse.455 Eine ähnliche (positiv festzustellende und näher auszufüllende) Bewertung der Handlung fordern Frisch und Roxin in Gestalt der Missbilligung der Gefahrschaffung bzw. Risikoerhöhung.456 b) Hinsichtlich des Verhältnisses der unterstützenden Handlung zur unterstützten Tat wird zum einen in unterschiedlichen Formulierungen gefordert, dass das eigene Handeln an dasjenige des unmittelbaren Verletzers angepasst wird bzw. seine Motivation daraus erhält. Jakobs kleidet dies in die Metapher der „Distanzierbarkeit“ der Handlung vom Erfolg,457 Roxin in diejenige des (ausschließlich) deliktischen Sinnbezugs.458 Die (nicht undeliktisch erklärbare) „Anpassung“ der Unterstützungshandlung an die Haupttat wird von Frisch und Löwe-Krahl,459 die „Abweichung vom gewöhnlichen Gang des Lebens“ von Schumann genannt.460 Zum anderen wird eine Strafbarkeit etwa von Rogat und Weigend verneint, wenn die Förderung der Tat keine wesentliche oder erhebliche sei.461 c) Hinsichtlich des Verhältnisses zum unmittelbaren Verursacher wird teilweise eine über die bloße Erbringung einer unterstützenden Wirkung hinausgehende Solidarisierung gefordert. Dies wird deutlich bei Schumann, der diesen Terminus selbst als zentralen verwendet,462 findet aber auch Anklänge im Erfordernis eines Vgl. o. S. 86 ff. Vgl. zu Amelung und Otto o. S. 142 ff. 453 Vgl. zu Roxin o. S. 119 ff., zur neueren Rechtsprechung des BGH o. S. 127 ff. 454 Zumindest im Ergebnis wird zumeist direkter Vorsatz vorliegen, wenn der Unterstützende die Kenntnis von der geplanten Tat vom Täter selbst erhalten hat, worauf Schumann (zu ihm o. S. 111 ff.) u. a. abstellt. 455 Vgl. zu Ransiek o. S. 93 ff., wo zu den Kriterien der Ausfüllung des Pflichtwidrigkeitsmerkmals auch Standpunkte verschiedener anderer Autoren genannt sind. 456 Vgl. zu Frisch o. S. 99 ff. und zu Roxin o. S. 119 ff. 457 Vgl. zu Jakobs o. S. 86 ff. 458 Vgl. zu Roxin o. S. 119 ff. 459 Vgl. zu Frisch o. S. 99 ff. sowie Löwe-Krahl, Steuerhinterziehung, S. 41 f. 460 Vgl. zu Schumann o. S. 111 ff. 461 Vgl. zu Weigend und Rogat o. S. 108 ff. 462 Vgl. zu Schumann o. S. 111 ff. 451 452

C. Analyse des Meinungsstandes zur Vorbereitung weiterer Überlegungen

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vom Täter wahrgenommenen Unrechtspakts bei Heghmanns463 und bei Jakobs, soweit die „Distanzierung“ nicht nur als eine solche von der Handlung, sondern auch von der Person des Täters verstanden wird.464 Des Weiteren wird als Ausfluss des Vertrauensgrundsatzes dem Unterstützenden etwa von Roxin und Tag zugestanden, dass er im Verhältnis zu seinen Mitmenschen (und damit auch zum unmittelbaren Verletzer) grundsätzlich darauf vertrauen darf, dass diese sich rechtmäßig verhalten und seine Leistungen nicht zu deliktischen Zwecken verwenden, sofern er keine positive Kenntnis vom Gegenteil hat.465 d) Ein wesentliches Sachargument für eine Privilegierung wird von einzelnen Autoren in den nicht erwünschten Konsequenzen einer extensiven Auslegung gesehen: Frisch erwähnt die Gefahr einer Misstrauensgesellschaft, wenn Handlungsverbote allein auf Grund objektiv erkennbarer Anhaltspunkte für deliktische Entschlüsse Dritter aufgestellt werden.466 Amelung sieht für den Berufstätigen keine andere Möglichkeit als die Aufgabe seines Gewerbes, wenn bereits das Erkennen der bloßen Möglichkeit einer deliktischen Nutzung zu einer strafrechtlichen Verantwortlichkeit führen könnte, und misst daher der Breitenwirkung eines Verbotes entscheidende Bedeutung zu.467

2. Argumente gegen Strafbarkeitseinschränkungen Die Argumente gegen den Versuch von Strafbarkeitseinschränkungen gehen in zwei unterschiedliche Richtungen: Teilweise richten sie sich „nur“ gegen die Begründungen einzelner Ansätze, um diese durch eigene Kriterien zu ersetzen. Teilweise soll aber auch aufgezeigt werden, dass die beabsichtigte „Entpönalisierung“ zu weit geht. Inhaltlich geht es um die Handhabbarkeit der Kriterien, um drohende Friktionen, Ungleichbehandlungen oder Lücken im Rechtsgüterschutz sowie um die Konsequenzen zu weitreichender Entpönalisierung. a) Hinsichtlich der praktischen Handhabbarkeit wird gegen eine Vielzahl von Ansätzen zunächst angeführt, dass diese zu unbestimmt seien: So werden etwa dem Gedanken der sozialen Adäquanz mangelnde Klarheit und Bestimmtheit von Beckemper, Frisch, Roxin und Tag vorgeworfen,468 in abgeschwächter Form auch der 463 Vgl. zu Heghmanns o. S. 115 ff.; dort auch Nachweise zu einem ähnlichen Gedanken im schweizerischen Schrifttum bei Schild Trappe, Harmlose Gehilfenschaft. 464 Vgl. zu Jakobs o. S. 86 ff.; Otto, Lenckner-FS, S. 193, 204, versteht Jakobs hier so, dass eine Art „kriminelles ,Gemeinschaftsverhältnis‘ zwischen Haupttäter und Gehilfen“ vorausgesetzt werde. 465 Vgl. zu Roxin o. S. 119 ff. sowie zu Tag o. S. 124 ff.; Rogat (zu ihm o. S. 108 ff.) möchte den Vertrauensgrundsatz grundsätzlich auf Fälle der Fahrlässigkeit beschränken, misst ihm aber eine gewisse Bedeutung im Rahmen des erlaubten Risikos zu (vgl. bei Rogat S. 116 ff.). 466 Zu Frisch vgl. o. S. 99 ff. 467 Zu Amelung vgl. o. S. 142 ff.

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2. Teil: Bestandsaufnahme

weiterentwickelten Lehre von der professionellen Adäquanz von Otto und LöweKrahl.469 Nicht unmittelbar als Bestimmtheitsproblem, aber doch damit verwandt als nachträgliche, komplizierte „theoretisch-kategoriale“ Überbauten zum jeweiligen Billigkeitsgefühl der Autoren (und damit als schwer anwendbar auf neue Fälle) kritisiert Weigend die Modelle von Frisch, Jakobs, Puppe, Roxin, Schumann und Tag,470 nicht ohne aber auch hinsichtlich seines eigenen Ansatzes der hinreichenden Förderungseffizienz zuzugestehen, dass „quantitativen Abschichtungen“ häufig der „Nachteil der mangelnden Vorhersehbarkeit (und intersubjektiven Verbindlichkeit) der Lösung von Einzelfällen“ anhaftet.471 Noch weiter gehend, sieht Tag Differenzierungen nach der Vorsatzform472 als nicht vom Wortlaut des § 27 StGB gedeckt an, was die Notwendigkeit anderer Kriterien zur Folge habe. b) Eine Reihe anderer, teilweise wiederholt und gegen unterschiedliche Ansätze vorgebrachter Argumente knüpft nicht nur an die praktische Handhabbarkeit, sondern bereits an die grundsätzliche Konzeption an. Dabei wird versucht darzulegen, weshalb bestimmte Verhaltensweisen nicht, jedenfalls aber nicht mit bestimmten Begründungen strafrechtlich privilegiert werden können, wenn kein Widerspruch zu anderen wichtigen Prinzipien auftreten soll. So vertritt Beckemper mit Blick auf alle einschränkenden Ansätze für „alltägliche Geschäftsvorgänge“ die Ansicht, dass es generell keine „überzeugende Begründung (sc. dafür gibt), warum überhaupt zwischen Handlungen, die im Rahmen der Geschäfte des täglichen Lebens vorgenommen werden, und Verhaltensweisen von Privatpersonen unterschieden werden muß“.473 Diese Kritik wird etwa von Beckemper selbst noch einmal zum Erfordernis eines Tatförderwillens in der früheren Rechtsprechung474 spezifiziert und von Löwe-Krahl und Tag gegen das Konzept der professionellen Adäquanz475 sowie andeutungsweise von Niedermair gegen das Kriterium eines deliktischen Sinnbezugs im Roxin’schen Sinne476 vorgebracht. Sie läuft in der Sache auf den Vorwurf einer nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung und damit – zumindest de lege lata – auf eine Verletzung des auch im Straf468

Zur sozialen Adäquanz vgl. o. S. 78 ff. (dort auch mit Nachweisen zu diesen Einwän-

den). 469 Zur professionellen Adäquanz vgl. o. S. 83 ff. (dort auch mit Nachweisen zu diesen Einwänden). 470 Vgl. Weigend, Nishihara-FS, S. 197, 204 (dort Text bei und in Fußn. 26). Zu Frisch vgl. o. S. 99 ff., zu Jakobs o. S. 86 ff., zu Roxin o. S. 119 ff., zu Schumann o. S. 111 ff. sowie zu Tag o. S. 124 ff. (wo allerdings der Einwand Weigends nicht jedes Mal nachgewiesen ist). 471 Vgl. Weigend, Nishihara-FS, S. 197, 208 f. 472 Vgl. o. S. 138 ff. Gemeint kann hier nur sein: allein nach der Vorsatzform, da Tag selbst ja auch subjektive Elemente in ihrem Lösungsansatz verwendet, vgl. zu ihr o. S. 124 ff. 473 Vgl. Beckemper, Jura 2001, 163, 169. 474 Vgl. zum Erfordernis eines Tatförderwillens o. S. 138 ff. (dort auch mit Nachweisen zu diesem Einwand). 475 Vgl. zur professionellen Adäquanz o. S. 83 ff. (dort auch mit Nachweisen zu diesen Einwänden). 476 Zu Roxin vgl. o. S. 119 ff. (dort auch mit Nachweisen zu diesem Einwand).

C. Analyse des Meinungsstandes zur Vorbereitung weiterer Überlegungen

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recht geltenden allgemeinen Gleichheitssatzes hinaus.477 Des Weiteren wird hinsichtlich einiger Ansätze eine gewisse Unstimmigkeit mit den allgemeinen Grundsätzen der Teilnahmelehre bemängelt: So wenden Otto gegen das Distanzierungsmodell von Jakobs478 und in ähnlicher Weise Rogat und Wohlleben gegen den Solidarisierungsgedanken Schumanns ein,479 die strikte Verantwortungsverteilung in Sphären werde der Konzeption insbesondere der §§ 26, 27 StGB nicht gerecht, da dort eine akzessorische Unrechtsbegründung durch mittelbare Gefährdung geschützter Rechtsgüter neben dem unmittelbaren Verletzer gerade vorausgesetzt werde.480 Einen Bruch mit elementaren Grundsätzen des modernen, rechtsstaatlichen Strafrechts sehen schließlich Frisch, Tag und Wolff-Reske in den nach der Vorsatzform differenzierenden Ansätzen, wenn sie insoweit den Vorwurf des Gesinnungsstrafrechts erheben.481 Neben diesen generellen Einwänden gegen Strafbarkeitsrestriktionen bzw. ihre Begründungen werden von unterschiedlichen Autoren auch Fälle anerkannt, in denen – unabhängig von sonstigen Grundsätzen – jedenfalls eine Strafbarkeit zur Vermeidung von Widersprüchen erforderlich sei. Dies soll zum einen nach Hefendehl, Frisch, Tag u. a. in den Fällen des § 138 StGB der Fall sein, da es widersprüchlich sei, wenn einer Person eine Anzeigepflicht auferlegt, sie für den eintretenden Erfolg aber nicht zumindest mitverantwortlich gemacht werde.482 Die gleichen Autoren (sowie für bestimmte Fälle auch Roxin) wollen ihre Konzeption zur Strafbarkeitsbeschränkung auch nicht angewendet wissen, wenn der mittelbar Verursachende garantenpflichtig ist.483

477 Der allgemeine Gleichheitssatz kann nicht nur durch den Gesetzgeber, sondern auch durch den Rechtsanwender verletzt werden, wenn dieser im Rahmen seiner Rechtsfindungsbemühungen ohne rechtfertigende Gründe unterschiedliche Maßstäbe bei der Subsumtion zugrunde legt. Insoweit erwächst aus Art. 3 I GG auch ein Grundrecht auf „Methodengleichheit“ bei der Rechtsanwendung; vgl. dazu näher Christensen / Kudlich, Theorie richterlichen Begründens, S. 289 ff. Auf Grund der an sich leicht zu erkennenden und daher auch zu vermeidenden Ungleichbehandlung durch den Gesetzgeber ist die Ungleichbehandlung durch den Anwender im gesetzesgebundenen Raum vielleicht sogar die praktisch größere Gefahr für die Gleichheitsgarantie. 478 Vgl. zu Jakobs o. S. 86 ff. (dort auch mit Nachweisen zu diesem Einwand). 479 Vgl. zu Schumann o. S. 111 ff. (dort auch mit Nachweisen zu diesen Einwänden). 480 Vgl. ferner die generelle Kritik an der Abgrenzung von Verantwortungssphären im Zusammenhang mit der Teilnahme bei Amelung, Grünwald-FS, S. 9, 16, sowie Beckemper, Jura 2001, 163, 167 f. 481 Vgl. zu den Lösungen auf der Ebene des Vorsatzes o. S. 138 ff. (dort auch mit Nachweisen zu diesem Einwand). 482 Zu Frisch vgl. o. S. 99 ff. sowie zu Tag o. S. 124 ff; zu Hefendehl vgl. Jura 1992, 374, 377. Zustimmend teilweise auch Wohlleben, S. 149, und als Grenze für Fälle, in denen berufliches Handeln als Rechtfertigungsgrund in Betracht käme, auch Amelung, Grünwald-FS, S. 9, 28. 483 Vgl. die Nachweise in Fußn. 157 sowie zu Roxin o. S. 119 ff. Teilweise (hinsichtlich sicherungspflichtiger Gegenstände) zustimmend auch Wohlleben, S. 156, 162.

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2. Teil: Bestandsaufnahme

c) Zuletzt werden nicht nur für,484 sondern auch gegen Strafbarkeitsbeschränkungen die vermeintlichen Konsequenzen gegenteiliger Ansätze (d. h. hier der Straflosigkeit berufsbedingter Unterstützungshandlungen) ins Feld geführt. Dabei wird etwa von Amelung und Wolff-Reske gegen die auf die (soziale oder professionelle) Adäquanz abstellenden Ansätze vorgebracht, diese könnten durch die Erhebung des „Üblichen“ zum Maßstab für das „Richtige“ dazu beitragen, dass „im Extremfall . . . allseits verbreitete Mißstände für tatbestandslos“ erachtet würden.485 In eine ähnliche Richtung zielt es, wenn Wohlleben (konkret mit Blick auf das Jakobs’sche Konzept der enttäuschten Verhaltenserwartung) in Frage stellt, ob eine Ausrichtung der Dogmatik als normativer Disziplin an der Realität der Gesellschaft und den soziologischen Beschreibungen der Funktion des Strafrechts sinnvoll ist486 und ob (mit Blick auf Frischs Verhältnismäßigkeitsüberlegungen) eine zu enge Ausrichtung am Rechtsgüterschutz in einem ganz konkreten Fall nicht die sozialpädagogische Wirkung des Strafrechts vernachlässigt.487 Ähnlich sieht Amelung jedenfalls in Fällen, in denen der Unterstützende mit dolus directus handelt, in diesem Verhalten einen „fast klassischen Fall eines ,unerträglichen Beispiels‘ der Normmißachtung“, dessen „normgeltungserschütternde Wirkung“ nicht unterschätzt werden dürfe.488 3. Ambivalente Gesichtspunkte Die hier unter 1. und 2. aufgeführten Aspekte werden in der Diskussion grundsätzlich einheitlich entweder zur Begründung oder zur Widerlegung bestimmter Strafbarkeitskorrektive verwandt.489 Daneben sind aber auch Sachgesichtspunkte bzw. dogmatische Strukturen aufgetreten, die teils für, teils gegen eine Strafbarkeitsbeschränkung vorgebracht werden. Dies beruht teilweise darauf, dass bestimmte Gesichtspunkte in unterschiedlichen Zusammenhängen in der Diskussion auftauchen (so die Problematik schutzgutbezogener Normen); teilweise besteht aber auch tatsächlich Uneinigkeit über dogmatische Grundsätze oder andere Sachfragen (so etwa über die Bedeutung hypothetischer alternativer Kausalverläufe oder die Möglichkeit einer abstrakten Unterscheidbarkeit zwischen neutralem und nicht neutralem Verhalten). Vgl. soeben o. S. 155. Vgl. Wolff-Reske, S. 65. Zu den Ansätzen der (sozialen oder professionellen) Adäquanz vgl. o. S. 77 ff. (dort auch mit Nachweisen zu diesen Einwänden). 486 Vgl. zu Jakobs o. S. 86 ff. (dort auch mit Nachweisen zu diesem Einwand). 487 Vgl. zu Frisch o. S. 99 ff. (dort auch mit Nachweisen zu diesem Einwand). 488 Vgl. Amelung, Grünwald-FS, S. 9, 15, 16; allgemein zu Amelung vgl. o. S. 142 ff. 489 Mittelbar könnten sich Argumente auch einmal anders auswirken, wenn ein Grund, der für die Strafbarkeit in bestimmten Konstellationen herangezogen wird, Kritik erfährt, zugleich aber die Konsequenz, dass selbst in diesen Konstellationen eine Unterstützung straflos bleibt, nicht gezogen werden soll, so dass letztlich das privilegierende Konzept insgesamt verworfen werden muss. Vgl. möglicherweise in diesem Sinne die Kritik Niedermairs an der Figur einer „Vorwertung“ der §§ 138, 323c StGB oben in und bei Fußn. 201. 484 485

C. Analyse des Meinungsstandes zur Vorbereitung weiterer Überlegungen

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a) In unterschiedliche Richtungen weist in recht komplexer Weise zunächst der Aspekt schutzgutbezogener Normen, d. h. solcher Vorschriften, die zumindest mittelbar das berufliche Handeln regeln und deren Einhaltung gerade dem Schutz der Güter dienen soll, die der unmittelbare Verletzer angreift. (1) Hier werden zunächst bereits aus der Existenz oder Nichtexistenz solcher Normen Folgerungen gezogen, die ihrerseits wiederum gegenläufig sind. So sieht etwa Puppe im Fehlen entsprechender Vorschriften zumindest ein starkes Indiz dafür, dass jedenfalls Beiträge im weiten zeitlichen Vorfeld der Tat straflos sind.490 Demgegenüber halten z. B. Beckemper und Niedermair diese Folgerung wegen des Fehlens und insbesondere auch der nicht zu empfehlenden Schaffung eines hinreichend engen Netzes entsprechender Vorschriften zur allgemeinen Verhaltenssteuerung für unzulässig.491 (2) Soweit Vorschriften existieren, wird deren Einhaltung unterschiedliche Bedeutung zugemessen und etwa im Bankenbereich von Hassemer und Otto regelmäßig bereits eine objektiv beihilfetatbestandsausschließende Wirkung zugesprochen.492 Dagegen richten sich Löwe-Krahl und Frisch mit den Argumenten der Umgehbarkeit der Vorschriften sowie des im Einzelfall möglichen „deutlich höheren Risikos“ „auch bei Einhaltung der ( . . . ) Gefahrenreduzierungsnormen“.493 (3) Schließlich wird auch die Verletzung einschlägiger Normen unterschiedlich beurteilt: Während Wohlleben sowie teilweise auch Amelung und Frisch einer Ableitung von Folgerungen für die strafrechtliche Vorwerfbarkeit aus außerstrafrechtlichen Normen kritisch gegenüber stehen,494 halten – neben anderen – Ransiek, Wohlers und Wolff-Reske die Verletzung schutzgutbezogener Normen für einen der klarsten Fälle der Pflichtwidrigkeit als ungeschriebene Voraussetzung auch einer Beihilfestrafbarkeit.495 Allerdings differenzieren auch diejenigen Autoren, die einen außerstrafrechtlichen Normverstoß für relevant halten, weiter nach dem Schutzzweck der jeweiligen Vorschrift. b) Von verschiedenen Autoren als Argument gerade in unterschiedliche Richtungen werden auch die Fragen nach der „Neutralität“ und der „Sinnzuschreibung“ eines Verhaltens verwendet: Während einerseits fast durchgehend von Beihilfe bzw. Unterstützungshandlungen durch neutrale Verhaltensweise gesprochen wird, besteht über die Reichweite einer solchen Neutralität offenbar Uneinigkeit. Dabei ist teilweise schwer zu bestimmen, ob diese konzeptioneller oder nur begrifflicher 490 Vgl. NK-Puppe, § 155 Rn. 155 f. sowie dies., Erfolgszurechnung I, S. 152 (wo es explizit um „Beihilfe [ . . . ] durch sozialadäquates Verhalten“ geht). 491 Vgl. zu dieser Kritik o. S. 97. 492 Vgl. zu Hassemer o. S. 78 ff. sowie zu Otto o. S. 142 ff., speziell zur Straflosigkeit bei Einhaltung der banktechnischen Vorschriften auch bereits S. 95. 493 Vgl. Löwe-Krahl, Steuerhinterziehung, S. 33 sowie Frisch, Verhalten und Zurechnung, S. S. 92. 494 Vgl. dazu o. S. 97. 495 Vgl. dazu o. S. 94.

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2. Teil: Bestandsaufnahme

Natur ist. Während einige Autoren wie etwa Frisch, Jakobs, Löwe-Krahl oder Wolff-Reske – wenngleich „vermittelt“ über andere Gesichtspunkte wie die leichte anderweitige Verfügbarkeit, die fehlende Erwartungsenttäuschung, die fehlende Anpassung an deliktische Pläne oder die fehlende Verletzung der Rolle – der Neutralität oder Alltäglichkeit letztlich ausschlaggebende Bedeutung zubilligen,496 wird von anderen stärker betont, dass eine Neutralität „als solche“ nicht vorstellbar sei, da jede Handlung in einen deliktischen Kontext gestellt werden könne497 bzw. da Beihilfe zu einer Straftat keine normale Geschäftstätigkeit mehr sei.498 Dies hindert freilich die teilweise gleichen Stimmen nicht, im Gegensatz dazu eine eindeutige deliktische Sinnzuschreibung in dem Sinne für möglich zu halten, dass eine berufliche Leistung dem unmittelbaren Verletzer allein zur Begehung seiner Tat von Nutzen sein soll.499 c) Uneinigkeit besteht ferner über die Bedeutung hypothetischer (alternativ unterstützender) Kausalverläufe: So betonen etwa Roxin, Amelung, Wohlleben und Niedermair nach allgemeinen Grundsätzen, dass hypothetische Ersatzursachen unter dogmatischen Gesichtspunkten unbeachtlich seien sowie auch keine vergleichbare rechtserschütternde Wirkung zeitigen könnten.500 Daher käme auch unter Wertungsgesichtspunkten der fast jederzeitigen Verfügbarkeit einer geschäftsmäßig erbrachten Leistung keine Bedeutung zu. Demgegenüber rücken vor allem solche Autoren, die auf eine „Quantifizierung“ der Unterstützungshandlung (wie Weigend oder Rogat) oder aber auf die Verhältnismäßigkeit eines Verbotes abstellen (wie Frisch), alternative hypothetische Reserveursachen in den Mittelpunkt ihres Interesses und sehen gerade in ihnen einen wesentlichen Grund für Strafbarkeitsbeschränkungen.501 d) Soweit überhaupt näher behandelt,502 wird schließlich noch dem Gesichtspunkt einer psychischen Beihilfe recht unterschiedliche Bedeutung zugemessen. 496 Vgl. zu den Genannten insb. o. S. 86 ff. sowie S. 99 ff. Ergänzend noch aus der schweizerischen Literatur etwa Seelmann, schwAT, S. 122, sowie Stratenwerth, schwAT I, § 13 Rn. 115, die den Aspekt der „allgemeinen Unverfänglichkeit“ hervorheben. 497 So etwa Roxin (zu ihm vgl. o. S. 119 ff.) und ihm folgend der BGH (zu ihm o. S. 127 ff.). Ergänzend noch aus der schweizerischen Literatur Forster, Schmid-FS, S. 127, 131, der die Bezeichnung der „Harmlosigkeit“ von Alltagsgegenständen kritisiert, und Schild Trappe, Harmlose Gehilfenschaft, S. 187, die zu dem Ergebnis kommt, eine „harmlose Gehilfenschaft“ gebe es begrifflich nicht. 498 Vgl. das schon häufiger genannte Zitat von Arzt, NStZ 1990, 1, 3. 499 Vgl. insb. Roxin (zu ihm vgl. o. S. 119 ff.) sowie diesem auch insoweit folgend den BGH (zu ihm o. S. 127 ff.). 500 Vgl. zu Roxin o. S. 119 ff., zu Amelung o. S. 142 ff., zu Niedermair o. S. 108 ff. sowie zu Wohllebens Kritik an der Beachtlichkeit hypothetischer Reserveursachen (bei Frisch) o. S. 106. 501 Vgl. zu Weigend und Rogat o. S. 108 ff. sowie zu Frisch o. S. 99 ff. 502 Die Frage nach einer psychischen Beihilfe wird erstaunlicherweise im vorliegenden Kontext nur selten näher erörtert, obwohl sie gerade für solche Autoren einer näheren Untersuchung wert sein dürfte, die den Gesichtspunkt der Neutralität als (und sei es auch nur mit-

C. Analyse des Meinungsstandes zur Vorbereitung weiterer Überlegungen

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Eine Reihe von Autoren steht – entsprechend der allgemeinen Diskussion – insbesondere dem Institut einer psychischen Beihilfe durch die bloße Stärkung des Tatentschlusses eher skeptisch gegenüber. Die Tatsache, dass der unmittelbare Verletzer durch das Verhalten des Unterstützenden in seinem Tatplan „bekräftigt“ wurde, spielt für sie demnach keine wichtige Rolle. Beschränkt sich die „Unterstützung“ auf eine solche Bekräftigung, wäre dies sogar ein Argument für die Straflosigkeit. Demgegenüber sieht Heghmanns mit seinem Abstellen auf die „Wahrnehmung des Unrechtspakts“ und die „Durchbrechung der Isolierung“ durch den Gehilfen in der psychischen Beihilfe im Ergebnis offenbar das wesentliche Element der Beihilfe überhaupt.503 Diesem kommt daher auch für die Lösung des Problems der neutralen Beihilfe zentrale Bedeutung zu, und zwar dahingehend, dass das Wahrnehmen der Unterstützung zugleich unverzichtbare wie hinreichende Voraussetzung einer Beihilfestrafbarkeit ist.

II. Erfordernis und Erfolgsaussichten weiterer Untersuchungen Trotz der hier referierten Stellungnahmen der Literatur und der scheinbar gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung zu dem vorliegenden Thema aus jüngerer Zeit ist in der Darstellung des Meinungsstandes erkennbar geworden, dass nicht nur noch weiterer Klärungsbedarf besteht (sogleich 1.), sondern dass eine solche weitere Klärung auch keinesfalls unrealistisch erscheint (im Anschluss 2.). 1. Einem weiteren Klärungsbedarf steht weder für die Praxis entgegen, dass der BGH in der jüngeren Vergangenheit rasch eine relativ gesicherte Linie zur Lösung einschlägiger Problemfälle gefunden zu haben scheint,504 noch besteht aus wissenschaftlicher Sicht in den Grundlinien oder auch nur in den Ergebnissen für die Lösung konkreter Fälle weitgehende Einigkeit: a) Der aktuelle Stand der höchstrichterlichen Rechtsprechung erscheint trotz der scheinbaren terminologischen Konsolidierung binnen weniger Monate noch keinesfalls in dem Sinne gefestigt, dass auch in der Sache bereits hinreichend Orientierungssicherheit besteht. Dies liegt weniger an der Tatsache, dass die Rechtsprechung wie häufig ein relativ „weiches“, leicht modellierbares Begriffsinstrumentarium gewählt hat, oder an der Beobachtung, dass sogar noch länger gefestigte und gegen Einwände in der Literatur verteidigte Grundsätze in der Rechtsprechung gelegentlich aufgegeben werden.505 Ausschlaggebend sind vieltelbaren) Sachgesichtspunkt einer Privilegierung ablehnen und stattdessen auf die fehlende kausale Risikoerhöhung des physischen Beitrags abstellen. Noch vergleichsweise ausführlich zur psychischen Beihilfe im hier interessierenden Zusammenhang Meyer-Arndt, wistra 1989, 281 ff. sowie Lüderssen, Grünwald-FS, S. 329 ff. 503 Zu Heghmanns vgl. o. S. 115 ff. 504 Vgl. zu dieser Rechtsprechung o. S. 127 ff. 505 Man denke im strafrechtlichen Bereich nur an die Anerkennung eines Verwertungsverbots bei unterlassener Beschuldigtenvernehmung nach § 136 I StPO durch BGHSt 38, 214 11 Kudlich

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2. Teil: Bestandsaufnahme

mehr drei, in der Darstellung der neueren Rechtsprechung des BGH bereits deutlich gewordene Punkte: – Das „Zustandekommen“ dieser Rechtsprechung,506 in dem eine Auseinandersetzung mit den zahlreichen und teils sehr elaborierten Stellungnahmen in der Literatur ebenso fehlt wie eine ausführlichere Begründung des eigenen Lösungsmodells. – Das Fehlen von echten „Problemfällen“, in denen es auf die Tragfähigkeit der Grundsätze der Rechtsprechung entscheidend angekommen wäre,507 als Prüfsteine für diese Lösungsgrundsätze. – Die – in ihren bezweckten Auswirkungen nicht offen gelegte – Abweichung des 4. Strafsenats in seiner Jahresbefehlentscheidung bei der „Obersatzbildung“ über die Behandlung der Dolus-eventualis-Fälle.

b) In gleicher Weise kann auch in der wissenschaftlichen Diskussion trotz oder gerade wegen der oben dargestellten Vielzahl und Vielfalt von Standpunkten von einer abschließenden Behandlung noch keine Rede sein. Obwohl im Ergebnis durchaus eine sehr starke Tendenz zu erkennen ist, neutrale Handlungen in Gestalt von Geschäften des täglichen Lebens in der einen oder anderen Weise strafrechtlich zu privilegieren, besteht Uneinigkeit bereits in den Grundlagen der einzelnen Konzeptionen: – Objektive treten neben stärker subjektive Modelle.508 – Sektorale Ansätze speziell für das berufliche Handeln (und sogar für das einzelner Berufsgruppen)509 treten neben quantitative, auf die Wesentlichkeit der Unterstützung abstellende Lösungen.510 – Rechtsgüterschutzorientierte Einschränkungen mit Blick auf die Geeignetheit511 treten neben Zuschreibungsmodelle, die auf dem Gedanken der kontrafaktischen Stabilisierung enttäuschter Verhaltenserwartungen basieren.512

oder an die Änderung der Rechtsprechung zum (lange gegen Einwände in der Literatur eisern verteidigten) Bandenbegriff durch BGH NJW 2001, 2266. Zur argumentationstheoretischen Struktur solcher Entwicklungen in der höchstrichterlichen Rechtsprechung vgl. anhand des zivilrechtlichen Beispiels der Sittenwidrigkeit persönlicher Sicherungsverpflichtungen durch mittellose Angehörige Christensen / Kudlich, Theorie richterlichen Begründens, S. 410 ff. 506 Vgl. o. S. 130 ff. 507 Vgl. näher bereits die Darstellung o. S. 136 ff. 508 Vgl. o. S. 75 ff. einerseits, S. 138 ff. andererseits. 509 Vgl. zur Konzeption der professionellen Adäquanz o. S. 83 ff. 510 Vgl. hier zum Ansatz Weigends o. S. 108 ff. (der ebenfalls dort dargestellte Ansatz von Rogat nimmt demgegenüber neben einer quantitativen auch eine qualitative Bewertung der Risiken vor). 511 So etwa bei Frisch und Löwe-Krahl, vgl. o. S. 99 ff. 512 So etwa bei Jakobs, Lesch und Wolff-Reske, vgl. o. S. 86 ff.

C. Analyse des Meinungsstandes zur Vorbereitung weiterer Überlegungen

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Auch auf der „Zwischenebene der dogmatischen Begründung“ wird eine Reihe von Sachfragen unterschiedlich beurteilt. Dies gilt etwa für die Beachtlichkeit hypothetischer alternativer Kausalverläufe,513 für die positive oder negative Indizwirkung der Einhaltung oder Verletzung schutzgutbezogener Normen514 sowie für die Beachtlichkeit der Vorwertungen der §§ 138, 323c StGB.515 Und trotz einer grundsätzlichen Tendenz in Richtung auf eine Privilegierung alltäglicher Geschäftstätigkeit gehen schließlich die Meinungen über Voraussetzungen und Reichweite dieser Privilegierungen weit auseinander. Dies gilt wieder für die bereits soeben genannten Fälle, in denen der Anwendungsbereich des § 138 StGB eröffnet ist, zudem aber auch für Fälle, in denen der Unterstützende mit direktem Vorsatz handelt516 oder in denen der unmittelbare Verletzer „erkennbar tatgeneigt“ war.517 Ferner fehlt es an klaren und überzeugenden Antworten auf Fragen wie diejenige nach der Berücksichtigung verschiedener vom Täter mit der Leistung des Berufsträgers verfolgter Zwecke,518 diejenige nach der Berücksichtigung der Anpassung der beruflichen Leistung in stark individuell arbeitenden Berufszweigen oder diejenige nach der Berücksichtigung automatisierter oder genau planmäßig zu erbringender Leistungen.519 2. Bei der Bewertung der Aussichten auf eine weitere Klärung darf man freilich nicht zu unbescheiden sein und sich auf den Idealfall einer „Klärung“ in Gestalt eines neuen Lösungsvorschlags beschränken, der auf der Grundlage möglichst einfacher Prämissen und griffiger Formeln alle Vorzüge der bisherigen Ansätze verbindet und ihre Schwächen vermeidet. Ein Fortschritt liegt durchaus auch in der Bestätigung bereits angestellter Überlegungen sowie in neuen Begründungen für Teilfragen. Auf der Grundlage der bisherigen Darstellung ergibt sich diesbezüglich 513 Vgl. dazu nochmals die zusammenfassende Darstellung o. S. 160 m.w. Verweisen in den referierenden Teil der Arbeit. 514 Vgl. dazu nochmals die zusammenfassende Darstellung o. S. 159 m.w. Verweisen in den referierenden Teil der Arbeit. 515 Vgl. hierzu insb. die Darstellung der Konzeption von Frisch (der diese Idee wohl begründet hat) mit den dagegen vorgebrachten Einwänden o. S. 99 ff. 516 Hier kommen i.d.R. nur die objektiven Lösungsansätze (vgl. o. S. 75 ff.) zur Annahme einer Straflosigkeit, und auch diese nicht durchgehend in allen Fällen (so z. B. nach Schumann nicht, wenn der direkte Vorsatz auf einer Einweihung gerade durch den Täter beruht). 517 Vgl. zu diesem Kriterium und den dazu zusammenhängenden Kriterien die Darstellung der Konzeption von Roxin o. S. 119 ff. 518 Vgl. nur den Streit bereits um die Möglichkeit (oder zumindest die praktische Relevanz von Fällen) ausschließlich deliktischen Sinnbezugs im Zusammenhang mit der Konzeption von Roxin (zu ihm o. S. 119 ff.). 519 Es geht in den letzten beiden genannten Fällen um Beispiele wie den Betreiber eines Lebensmittelautomaten (für den hinsichtlich einer Vergiftung der erworbenen Speisen und das Servieren an Bekannte durch einen Dritten durchaus noch einmal andere Kriterien gelten könnten als für einen Lebensmittelverkäufer mit direktem Kundenkontakt) oder den Führer eines Zuges (für den hinsichtlich des Transportes eines Fahrgastes an den Tatort durchaus noch einmal andere Kriterien gelten könnten als für einen Taxifahrer); vgl. zu einer entsprechenden Unterscheidung ansatzweise bereits Kudlich, JZ 2000, 1178, 1179.

11*

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2. Teil: Bestandsaufnahme

ein differenziertes Bild, das naturgemäß nicht nur den Stoff, sondern auch den Gang der Darstellung im dritten Teil beeinflussen wird: a) Unterschiedliche Ausgangspunkte, die auf mehr oder weniger differierenden Ansichten über Grundfragen staatlichen Strafens beruhen, werden kaum im Sinne einer Ansicht oder einer vermittelnden Lösung ausgeräumt werden können. Sich an solchen Diskussionen ernsthaft beteiligen zu wollen, würde den Rahmen dieser Untersuchung sprengen. Das führt aber nicht dazu, dass die allgemeinen (rechtstheoretischen und dogmatischen) Grundfragen im Folgenden vollständig ausgeblendet werden müssen. Denn immerhin kann versucht werden herauszuarbeiten, ob (und gegebenenfalls wo) unterschiedliche Grundannahmen sich überhaupt zwingend auf die hier interessierende Fragestellung auswirken. b) Soweit – gewissermaßen am anderen Ende der Skala – Uneinigkeit über die Lösung konkreter Fälle besteht, darf man realistischerweise ebenfalls nicht erwarten, Vorschläge anbieten zu können, die auf ungeteilte Zustimmung stoßen werden.520 Aber zum einen kann eine weitere „Klärung“ (im o.g. „bescheideneren“ Sinn) bereits dadurch gelingen, dass für oder gegen ein konkretes Ergebnis zusätzliche Argumente gefunden (und in der Begründung offen gelegt) werden. Zum anderen können zumindest für bestimmte Fallgruppen auch neue Lösungsvorschläge oder konsensfähige Begründungen entwickelt werden.

III. Zentrale Fragestellungen und Orte möglicher Lösungsansätze Abschließend stellt sich in der vorliegenden Analyse des Meinungsstandes die Aufgabe, angesichts der unter II. dargelegten weiteren Klärungserfordernisse, aber auch -möglichkeiten die unter I. zusammengefassten Einzelprobleme in der bisherigen Diskussion auf eine überschaubare Anzahl von zentralen Fragestellungen (gegebenenfalls mit Unterfragen) zu reduzieren (sogleich 1.). Eine gewisse „Abstraktionshöhe“ bietet nämlich die Chance, im weiteren Verlauf der Arbeit zwar auf die als wichtig herausgearbeiteten Probleme einzugehen, ohne sich aber den Blick durch eine zu starre Fixierung auf die gedanklichen Pfade der bisherigen Diskussion zu verstellen.521 Außerdem ermöglicht sie auch eher die Verortung der Einzel520 Dies im Übrigen auch deswegen, weil selbst bei einer hypothetischen Einigung über abstrakte „Lösungsregeln“ noch Unterschiede bei der Beurteilung konkreter Fälle bestehen können. Denn ebenso wenig wie der Gesetzgeber beim Verfassen des Normtextes kann ein Wissenschaftler bei der Definition gesetzlicher Begriffe bzw. dem Aufstellen von generellen Lösungsregeln eine vollständige lex ante casum formulieren. Vielmehr kann er nur Eingangsdaten zur Schaffung der Entscheidungsnorm durch den Rechtsanwender im konkreten Einzelfall vorgeben. Vgl. zu diesem – freilich noch nicht als h. M. zu bezeichnenden – Standpunkt näher Christensen / Kudlich, Theorie richterlichen Begründens, S. 151 ff. sowie dies., ARSP 2002, 230 ff. 521 Für eine solche Anbindung an höherrangige Prinzipien auch Frisch, Lüderssen-FS, S. 539, 543 f. Eine solche Weitung der Perspektive findet etwa auch in der „Charakterisierung

C. Analyse des Meinungsstandes zur Vorbereitung weiterer Überlegungen

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fragen in einem Gesamtzusammenhang, der außer der Strafrechtsdogmatik auch andere juristische Teildisziplinen und Nachwissenschaften beinhaltet (im Anschluss 2.).

1. Rückführung der Diskussion auf fünf Grundfragen a) Versucht man, im soeben genannten Sinne die Diskussion auf die wesentlichen, in ihren Unterfragen immer wiederkehrenden Grundfragen zu reduzieren, so betrifft dies naturgemäß zunächst den Anlass der Diskussion und damit im (zunächst rein) tatsächlichen Bereich das Phänomen „neutraler“ Verhaltensweisen. Für die hier im Mittelpunkt stehende Thematik lässt sich dies noch spezieller mit der Berufsbedingtheit des Verhaltens umschreiben. Diese führt zugleich zur Frage, inwiefern nicht nur „neutrale“ Handlungen im Allgemeinen, sondern ganz speziell „berufsbedingte“ Verhaltensweisen im Besonderen einer Privilegierung zugänglich sind. Der gleichsam im Hintergrund wirkende Sachgrund für diese Privilegierung könnte mit der in der bisherigen Diskussion mehrfach thematisierten Frage nach der Legitimation und den Aufgaben staatlichen Strafens zusammenhängen, muss sich zumindest aber auch in den Anforderungen an die strafrechtliche „Unrechtsbegründung“ eines Verhaltens niederschlagen. Freilich ist diese „Unrechtsbegründung“ nicht nur aus dem Blickwinkel gleichsam des „Normalfalls“ eines Alleintäters zu betrachten, sondern auch mit Blick auf die Besonderheiten beim Zusammentreffen mehrerer Verursacher, um die es in der Konstellation der „Unterstützung“ gerade geht. b) Diese bewusst ganz holzschnittartige Betrachtung führt mithin zusammengefasst zu fünf wesentlichen Problemkreisen bzw. Grundfragen: 1. die Bestimmbarkeit und Folgen der „Neutralität“ eines Verhaltens, 2. die Rechtfertigung einer Privilegierung beruflichen Verhaltens, 3. die Legitimation und Konsequenzen staatlicher Strafandrohungen, 4. die generellen Anforderungen an die Unrechtsbegründung eines Verhaltens sowie 5. die Besonderheiten bei einem Zusammentreffen mehrerer Verursacher i.w.S. eines tatbestandlichen Erfolges. Eine solche Zusammenfassung ist naturgemäß nie zwingend und damit stets auch anders vorstellbar. Die vorliegenden Obergesichtspunkte wurden formal danach ausgewählt, dass sich eine möglichst geringe Zahl von Grundfragen ergibt und dass nichts zu einem Obergesichtspunkt wurde, was auch ohne Not als Unterpunkt eines anderen dargestellt werden der Rahmenbedingung einer eigenen Lösung“ bei Wohlleben, S. 101 ff., statt, die leider aber bei Wohlleben zwischen der ausführlichen Diskussion früherer Ansätze und seinem – mit seinen Rahmenbedingungen wenig verknüpftem und als solchem etwas unübersichtlichem – Arsenal von 15, miteinander zu kombinierenden Lösungsregeln etwas untergehen.

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2. Teil: Bestandsaufnahme

könnte. Inhaltlich handelt es sich um die Fragen, die bei einer knappen Skizzierung der einzelnen Ansätze und ihrer Gegenpositionen die wichtigsten Strukturelemente wären, wobei auf der Hand liegt, dass nicht in jedem Ansatz zu jeder dieser Grundfragen explizit Stellung bezogen wird.

c) Betrachtet man diese Grundfragen etwas genauer, wird schnell deutlich, dass sie jeweils eine Vielzahl unterschiedlicher (teilweise dann auch miteinander verwobener) Facetten enthalten, die teilweise auf ganz unterschiedlichen Ebenen Bedeutung erlangen: (1) Neutralität: Bei der ersten Frage der „Neutralität“ eines Verhaltens geht es zunächst darum, ob sich rein tatsächlich trotz der in der Diskussion oft betonten Kontextabhängigkeit Verhaltensformen beschreiben lassen, die in einem bestimmten Sinne „neutral“ sind (bzw. als Kehrseite: ob sich umgekehrt auch Verhaltensformen beschreiben lassen, die ausschließlich für deliktische Zwecke nutzbar sind und wie sich gegebenenfalls beide Einordnungen zueinander verhalten). Allerdings kann die Betrachtung nicht auf einer solchen rein „tatsächlichen“ Ebene stehen bleiben, sondern muss die rechtlichen Implikationen einer solchen „Neutralität“ berücksichtigen. Dies wären – insoweit eng mit der tatsächlichen Beschreibbarkeit zusammenhängend – die Fragen nach einer ausreichenden Bestimmtheit der Beschreibungen und nach ihrer Verortung im jeweiligen Normtext des StGB522 (mithin also die Vereinbarkeit entsprechender Konzeptionen mit Art. 103 II GG). Strafrechtsdogmatisch i.e.S. schließlich stellt sich die Frage, über welche Figuren gegebenenfalls die „Neutralität“ zu berücksichtigen wäre. (2) Privilegierung beruflichen Verhaltens: Eine weitere Grundfrage ist die nach der Privilegierung beruflichen Verhaltens. Dieser Aspekt ist in doppelter Weise ein zentraler: Zunächst ist er – zumindest soweit es um berufsbedingte neutrale Unterstützungshandlungen geht – ein Auslöser der hier geführten Diskussion insoweit, als vielfach die Strafwürdigkeit einer Leistung gerade wegen ihrer Erbringung im beruflichen Kontext als problematisch empfunden wird. Dies führt unmittelbar zu der Frage, ob das Handeln als Berufsträger strafrechtlich eine Sonderbehandlung erfahren muss, zumindest erfahren kann oder gerade nicht erfahren darf. Die Antworten hierauf sind vielschichtig: Der Schutz beruflichen Handelns gegen staatliche Reglementierungen wird ebenso wie die Zulässigkeit von Ungleichbehandlungen in hohem Maße vom Verfassungsrecht bestimmt (Art. 12, 3 GG). Das Verhältnis strafrechtlicher Verbote speziell zu berufsregelnden nichtstrafrechtlichen Vorschriften betrifft das Grundverständnis staatlichen Strafens (als strafrechtstheoretisches Problem), aber auch die Dogmatik. Allein letztere ist gefragt, wenn es darum geht, wie eine gegebenenfalls für angemessen gehaltene Privilegierung umzusetzen wäre. 522 Die entsprechenden Normtexte wären in Beihilfefällen § 27 StGB (mit den beiden Worten „Hilfe leisten“), in Fällen täterschaftlicher Begehung die Straftatbestände des Besonderen Teils selbst. Hinzu kommt aber auch die Frage der Bestimmtheit solcher Normen, die abweichend von § 27 StGB für die Erlaubtheit des Verhaltens sprechen könnten, vgl. dazu anschaulich aus dem Bankenbereich Lohmar, Steuerstrafrechtliche Risiken, S. 193 ff.

C. Analyse des Meinungsstandes zur Vorbereitung weiterer Überlegungen

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(3) Legitimation und Konsequenzen staatlicher Strafandrohungen: Des Weiteren stellt sich im vorliegenden Zusammenhang besonders deutlich die Frage nach den Grenzen staatlichen Strafens. Diese ist zwar mittelbar bei jedem Auslegungsproblem betroffen, soweit es nicht um die Abgrenzung zweier Tatbestände, sondern um die Alternative zwischen strafbarem und straflosem Verhalten geht. Im Unterschied zu vielen anderen Konstellationen steht hier aber nicht zur Diskussion, ob ein bestimmtes, als gesellschaftlich unerwünscht empfundenes Verhalten unter die fragmentarischen Verbotsnormen des Strafrechts gefasst werden kann, sondern ob ein Verhalten, das zwanglos von der Formulierung eines Straftatbestandes523 erfasst würde, nicht aus übergeordneten Gründen straflos belassen werden soll. Die Antwort auf diese Frage hängt maßgeblich davon ab, welches Ziel man mit der Strafandrohung für ein Verhalten erreichen möchte und welche Konsequenzen man für eine weitreichende Pönalisierung in Kauf zu nehmen bereit ist. Entsprechende Überlegungen sind somit z.T. der Strafrechtstheorie zuzuordnen; soweit es um die Umsetzung entsprechender abstrakter Überlegungen für die Auslegung von einzelnen Straftatbeständen geht, sind wieder Methode und Dogmatik des Strafrechts gefragt. (4) Unrechtsbegründung: Eine ganze Reihe der oben nachgezeichneten Punkte in der Diskussion lässt sich dem Oberbegriff der Frage nach der Unrechtsbegründung oder der Pflichtwidrigkeit des Verhaltens im strafrechtlichen Sinne zuordnen und taucht auch in anderen Zusammenhängen in der Strafrechtsdogmatik auf. Das besondere Spannungsverhältnis in den hier untersuchten Fällen liegt auf der Hand: Der Berufsträger handelt äußerlich-abstrakt betrachtet pflichtgemäß und seiner Rolle entsprechend, sein Beitrag wird aber in der konkreten Situation (und möglicherweise subjektiv vorhergesehen) zu einem Bestandteil eines deliktischen Erfolges gemacht. Als Unterfragen sind damit zunächst leicht das Verhältnis von Erfolgs- zu Handlungsunrecht, das Verhältnis von objektiver und subjektiver Zurechnung sowie die Schlagworte „Vertrauensgrundsatz“ und „erlaubtes Risiko“ auszumachen. Aus der einfachen anderweitigen Verfügbarkeit beruflicher Leistungen sowie der teilweise bestehenden, teilweise fehlenden außerstrafrechtlichen Regelung beruflichen Handelns ergeben sich als weitere Unterfragen die nach der Berücksichtigung hypothetischer alternativer Kausalverläufe sowie die nach dem Verhältnis zwischen strafrechtlichen und außerstrafrechtlichen Regelungen. In speziellen Fällen stellen sich außerdem die Unterfragen, wie es sich auf die Pflichtwidrigkeit auswirkt, wenn besonders hochrangige Rechtsgüter bedroht sind (Vorwertung des § 138 StGB) oder wenn dem Unterstützenden nur ein Unterlassen zur Last fällt. (5) Zusammentreffen mehrerer Verursacher: Die Tatsache, dass die Leistung des Berufsträgers nicht unmittelbar zum deliktischen Erfolg führt, sondern „nur“ von einem Dritten dazu eingesetzt wird, führt schließlich zur letzten Grundfrage nach der Verantwortlichkeit speziell beim Zusammentreffen mehrerer Verursacher. Spe523

Als „Straftatbestände“ i.w.S. ist hier auch der „Beihilfetatbestand“ umfasst.

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2. Teil: Bestandsaufnahme

zifischstes Problem ist dabei, ob eine wie auch immer näher ausgestaltete Einteilung in „Verantwortungssphären“ mit dem System der §§ 25 II – 27 StGB zu vereinbaren ist. Soweit es – wie in der bisherigen Diskussion überwiegend – um eine Strafbarkeit wegen Beihilfe geht, können noch weitere Unterfragen diesem Oberpunkt zugeordnet werden: Gibt es eine Schwelle der Gefahrsteigerung, unterhalb derer eine Mitwirkung als Beihilfe unbeachtlich ist (Problem der Wesentlichkeit der Unterstützungswirkung)? Und: Ist eine besonders geartete psychische Verbindung zwischen dem mittelbaren Verursacher und dem unmittelbaren Verletzer erforderlich (u.U. aber auch ausreichend), um eine Beihilfe zu begründen (Probleme der Solidarisierung und der psychischen Beihilfe)? Soweit sich insofern sinnvolle und handhabbare Kriterien finden lassen, wäre allerdings zu fragen, ob diese wirklich auf die Beihilfe (oder wenigstens die Teilnahme i. S. d. § 28 II StGB) beschränkt sind oder ob es nicht sachgemäß wäre, sie auf denkbare Fälle etwa einer Nebentäterschaft524 zu übertragen.

2. Verortung der Grundprobleme und ihrer Einzelfragen im rechtswissenschaftlichen Gesamtkontext Darstellung und Analyse des Meinungsstandes haben nicht nur gezeigt, dass sich die bisherige Diskussion (zwar nicht zwingend, aber sinnvoll formulierbar) auf fünf wichtige Grundprobleme zurückführen lässt, sondern auch deutlich gemacht, dass diese Grundprobleme mit ihren „Unterfragen“ sich durch unterschiedliche Ebenen ziehen. Der Schwerpunkt der weiterführenden Überlegungen muss gewiss auf der Strafrechtsdogmatik liegen, da das hier formulierte Problem nicht nur gerade bei der Anwendung strafrechtlicher Vorschriften auftritt, sondern weil auch alle etwaigen Lösungsgesichtspunkte aus anderen Bereichen letztlich dogmatisch „umgesetzt“ werden müssten. Es lassen sich in diesen „anderen Bereichen“ (wie etwa der Rechtstheorie und dem Verfassungsrecht) aber durchaus zahlreiche Hilfestellungen vermuten; dies ist nicht nur in der Darstellung der bisherigen Diskussion immer wieder sichtbar geworden, sondern liegt auch nahe, wenn man berücksichtigt, dass gerade die Ergebnisse einer unbefangen-oberflächlichen Subsumtion teilweise als „unbefriedigend“ empfunden werden und damit den Blick überhaupt erst auf das Problem lenken. Dabei sind viele der Unterfragen zwar deutlich einzelnen Bereichen zugeordnet, wie etwa diejenige nach der Berücksichtigung hypothetischer Kausalverläufe der Dogmatik oder diejenige nach den Zwecken staatlichen Strafens der Strafrechtstheorie. Schon die bisherigen Überlegungen lassen aber vermuten, dass eben diese Unterfragen sich in zwar ähnlicher Weise, aber unterschiedlicher Gestalt auf den verschiedenen Ebenen wiederholen:525 So ist der Gesichtspunkt der anderweitig Vgl. dazu o. S. 66 f. Vgl. hierzu auf Basis der folgenden Grundlegungen dann auch noch einmal die Analyse zur Suche nach den wichtigen „Leitgesichtspunkten“ im 4. Teil, S. 424 ff. 524 525

C. Analyse des Meinungsstandes zur Vorbereitung weiterer Überlegungen

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leichten Erreichbarkeit einer Leistung nicht nur als Problem einer (berücksichtigungsfähigen?) hypothetischen Kausalität aufgetaucht, sondern wurde auch unter der verfassungsrechtlichen Perspektive der Geeignetheit zum Rechtsgüterschutz thematisiert. Für die im 3. Teil folgenden Grundlegungen einer eigenen Lösung, die vor allem über Antworten auf die als Grundprobleme erkannten Fragen entwickelt werden soll, bietet es sich daher an, nicht etwa aus ständig wechselnden Perspektiven die Grundfragen der Reihe nach abzuarbeiten, sondern das Gedankengebäude stattdessen „von unten nach oben“ über die verschiedenen betroffenen Ebenen zu errichten. Dies ermöglicht nicht nur eine übersichtlichere Darstellung der einzelnen Bereiche (wie etwa des Verfassungsrechts) im Zusammenhang. Vielmehr können auch die o.g. Chancen einer „gewissen Abstraktionshöhe“ noch besser ausgeschöpft werden.526

526

Vgl. o. S. 164.

3. Teil

Grundlegungen einer eigenen Lösung Betrachtet man die Bereiche, denen am Ende des 2. Teils die dort extrahierten Grundfragen mit ihren Unterfragen (S. 166 ff.) die Unterfragen zugeordnet wurden, so ergeben sich drei große Felder, die für die nachfolgenden Grundlegungen eine Rolle spielen werden: Dies ist zum einen als wichtigstes und sachnächstes die Strafrechtsdogmatik, der zahlreiche Unterfragen zuzuordnen sind und in der auch die Umsetzung der Ergebnisse für die Rechtsanwendung erfolgen muss. In der rechtsstaatlichen Normenhierarchie noch übergeordnet, dafür aber allgemeiner gehalten und vielfach umsetzungsbedürftig ist das Verfassungsrecht, in dem etwa die angesprochenen Bestimmtheitsprobleme, die Privilegierung beruflichen Verhaltens und die Prüfung der Eignung zum Rechtsgüterschutz teilweise wurzeln. Daneben findet sich schließlich noch eine Reihe von Gesichtspunkten, die vielfach nichtdogmatischer Art sind und noch allgemeiner – teils aus Sicht der Nachbarwissenschaften – den Betrachtungsgegenstand der „neutralen“ Handlungen, die Legitimation staatlichen Strafens und das Verhältnis des Strafrechts zu anderen (rechtlichen und sozialen1) Normen betreffen. Da die Erfahrung vermuten lässt, dass bei der jeweils allgemeineren Betrachtung zwar einige, im Einzelfall sogar sehr wichtige Weichenstellungen erfolgen können, der weitere Gang der Überlegungen aber durch speziellere Überlegungen noch „feingesteuert“ oder „umgeleitet“ werden kann, bietet es sich für die Darstellung im 3. Teil an, mit den allgemeinen Grundlagen zu beginnen (sogleich A.). Diese erscheinen in besonderem Maße von Bedeutung, wo über die Grenzen der Legitimierbarkeit staatlichen Strafens mit Blick auf gesellschaftliche Gepflogenheiten und Folgenabschätzungen diskutiert wird. Auf einer zweiten Ebene werden die verfassungsrechtlichen Grundlagen erörtert (im Anschluss B.). Diese stecken den zulässigen Rahmen staatlicher Strafrechtspflege ab und können von daher geeignet sein, einer insbesondere unter Berufung auf das Güterschutzdogma und teleologische Erwägungen drohenden Strafbarkeitshypertrophie entgegenzuwirken.2 Schließlich werden als für die Fragestellung besonders bedeutsam hervorgetretene strafrechtsdogmatische Grundlagen behandelt (abschließend C.). Diese bilden naturgemäß nicht nur den Schwerpunkt dieser strafrechtlichen Untersuchung, son1 Speziell dieser Gesichtspunkt hat freilich auch wieder eine dogmatische Dimension, was die Verknüpfung der Ebenen untereinander unterstreicht. 2 Treffend Schünemann, Bockelmann-FS, S. 117, 129 f. (wenngleich vor allem mit Blick auf die Strafvorschriften des Besonderen Teils).

A. Allgemeine Grundlagen

171

dern auch deshalb eine besonders wichtige Ebene, weil die Strafrechtsdogmatik als spezielleres System teilweise genauere Aussagen zulässt als die beiden vorangehenden Ebenen und – nicht minder wichtig – weil eventuelle Vorgaben aus jenen mit ihren Mitteln umgesetzt werden müssen. Auf eine Gesamtzusammenfassung des 3. Teils wird bewusst verzichtet. Denn zum einen müsste diese mit Blick auf die – ihrerseits schon auf Grund des Umfangs des 3. Teils und der jeweiligen Anknüpfung an die nachfolgende Ebene unumgänglich erscheinenden – Zusammenfassungen der Teile A. bis C. vielfach redundant sein. Zum anderen werden die jeweiligen Kernüberlegungen der verschiedenen Grundlagen selbstverständlich ohnehin in die Entwicklung einer eigenen Lösung im 4. Teil einfließen.

A. Allgemeine Grundlagen Die bisherige Untersuchung hat gezeigt, dass in der Diskussion zum hier interessierenden Problem auch nicht-dogmatischen Fragen besondere Bedeutung zukommt.3 Zahlreiche der oben dargestellten Ansichten argumentieren nicht nur (was noch wenig außergewöhnlich ist) mit dem Rechtsgüterschutz, sondern auch (was sonst deutlich seltener vorkommt) mit der Legitimität staatlichen Strafens oder Alternativkonzepten zum Rechtsgüterschutzdogma. Ideen wie die der professionellen Adäquanz, aber auch verschiedene Überlegungen aus anderen Bereichen berufsbedingter Strafbarkeitsrisiken4 werfen die Frage nach dem Verhältnis des Strafrechts zu – gesetzlichen ebenso wie zu untergesetzlichen – leges artis bzw. professionis auf. Zudem scheint in begrifflicher und rechtstatsächlicher Hinsicht eine gewisse Unklarheit darüber zu bestehen, über welche Phänomene bei der Diskussion über „neutrale Verhaltensweisen“ überhaupt gesprochen wird bzw. ob es diese überhaupt gibt. So gerne nämlich Begriffe wie Neutralität oder Alltäglichkeit (nicht selten in distanzierenden Anführungszeichen) gebraucht werden und so sehr – das zeigt die Ähnlichkeit der gewählten Beispiele – eine gewisse intuitive Einigkeit über Existenz und Gestalt entsprechender Sachverhalte zu bestehen scheint, so vehement wird auf der anderen Seite häufig die „Kontextabhängigkeit“ menschlichen Verhaltens betont. Da die vermeintliche „Neutralität“ des berufsbedingten Verhaltens nicht nur Gegenstand, sondern auch Ausgangspunkt der gesamten Untersuchung ist, bildet sie die Grundlage aller weiteren Überlegungen. Dazu soll im Folgenden zunächst kurz untersucht werden, ob begrifflich und tatsächlich eine Abschichtung neutraler berufsbedingter Handlungen möglich ist und ob für die „Beschreibbarkeit“ einer sol3 Da allerdings auch in diesem Abschnitt auf Grund des Sachzusammenhangs bereits einige Fragen aufgeworfen werden, für die u. a. die Mittel der Dogmatik Antworten anbieten, wurde auf die Benennung des Abschnittes als „Nichtdogmatische Grundlagen“ zugunsten der weiteren (wenngleich weniger aussagekräftigen) Bezeichnung der „Allgemeinen Grundlagen“ verzichtet. 4 Vgl. im 1. Teil insb. S. 53 ff.

172

3. Teil: Grundlegungen einer eigenen Lösung

chen Neutralität Überlegungen aus der philosophischen und soziologischen Handlungstheorie hilfreich sein können, deren Gegenstand ja ebenfalls u. a. die Bewertung von Handlungen ist (sogleich I.). Soweit sich in diesem Sinne ein handhabbarer Begriff der Neutralität formulieren lässt, stellt sich die Frage, inwieweit der Zugriff des Strafrechts auf solchermaßen „neutrale“ Verhaltensweisen bereits aus generellen Erwägungen besonderen Einschränkungen unterliegt. Die Antwort darauf hängt zunächst von einer allgemeinen Einschätzung der Aufgabe und Legitimation, aber insbesondere auch von den Grenzen staatlichen Strafens ab (im Anschluss II.). Da gerade berufsbedingte neutrale Verhaltensweisen (gerade in ihrer Beschreibung als „neutral“) auch wesentlich durch andere (z. B. berufs-)rechtliche und soziale Normen geprägt sind, stellt sich ferner die Frage, in welchem Abhängigkeits- und Stufenverhältnis Strafvorschriften zu anderen gesetzlichen, aber auch sozialen „Normen“ stehen, die für das berufsbedingte Handeln ja teilweise reiches Material enthalten (unten III.) Die abschließende Zusammenfassung (unten IV.) soll nicht nur die wichtigsten Gesichtspunkte noch einmal herausstreichen, sondern zugleich aufzeigen, welche Fragestellungen für die nachfolgenden, spezielleren Teile besonders in den Mittelpunkt gerückt sind.

I. Handlungsbeschreibungen: „Neutralität“ vs. „Kontextabhängigkeit“ Die hier untersuchte Problematik kreist geradezu um die Bewertung eines Verhaltens als „normal“, „neutral“ oder „alltäglich“. 5 Eine – offenbar relativ weit gehende – intuitive Übereinstimmung in der entsprechenden Bewertung mancher Verhaltensformen sowie auch über die zumindest rechtspolitische Fragwürdigkeit6 ihrer uneingeschränkten Pönalisierung in Fällen mittelbarer Erfolgsverursachung haben das Problem überhaupt erst hervortreten lassen.7 Zugleich erheben einzelne Vertreter diese Bewertung – mittels unterschiedlicher dogmatischer Transformationen – auch zur Grundlage der Problemlösung. Andererseits wird aber auch vor einer Überbewertung der Neutralität gewarnt, da es ein „neutrales Verhalten an sich“ nicht gebe, sondern die Bewertung menschlichen Verhaltens stets kontextgeprägt sei. Insoweit liegt als Einstieg in die Grundlegungen einer Problemlösung 5 Eine exakte Abgrenzung dieser und ähnlicher Begriffe ist vorliegend nicht erforderlich; denn das Strafgesetz verwendet weder den einen noch den anderen davon, und in der Literatur werden ähnliche Begriffe vielfach synonym oder nur mit unterschiedlichen Bedeutungsnuancen gebraucht. Im weiteren Verlauf wird – insbesondere auch, wenn Bezug auf die Ergebnisse dieses Abschnitts Bezug genommen wird – zumeist von „Neutralität“ gesprochen werden. 6 Auf dieses angesichts der Vielzahl von Untersuchungen offenbar bestehende rechtspolitische Bedürfnis nach einer Prüfung von Strafbarkeitseinschränkungen weist auch Weigend, Nishihara-FS, S. 197, 208, hin, obwohl er selbst im Ergebnis eine Berücksichtigung der Neutralität des Verhaltens nur sehr mittelbar anerkennt. 7 Vgl. dazu bereits Kudlich, JZ 2000, 1178, 1179 f.

A. Allgemeine Grundlagen

173

die Frage nahe, ob sich (zumindest im Bereich beruflichen Handelns) trotz der vielfach betonten Kontextabhängigkeit überhaupt Verhaltensweisen als Bezugspunkt der rechtlichen Überlegungen beschreiben lassen, die „als solche“ „neutral“ (oder zumindest „neutraler als andere“) sind. Zurückgestellt wird dagegen an dieser Stelle die Frage eventueller rechtlicher Konsequenzen auf Grund einer solchen „Neutralität“, 8 zumal sich diese nicht unmittelbar (kraft gesetzlichen Automatismus) aus der „Neutralität“ ergeben, sondern allenfalls aus Sachgesichtspunkten, die auch für die Einordnung eines Verhaltens als „neutral“ maßgeblich sind. Im Folgenden wird zunächst der Zusammenhang zwischen den in der bisherigen Diskussion oft verwendeten Begriffen „Neutralität“ und „Kontext“ kurz skizziert werden, was zugleich eine erste Annäherung an eine rechtstatsächliche Beschreibung „neutralen“ Verhaltens ermöglicht (sogleich 1.). Danach soll untersucht werden, ob eine solche Beschreibung auch mit Erwägungen aus Nachbarwissenschaften gestützt werden kann (im Anschluss 2.). Auf dieser Grundlage wird dann eine nähere Umschreibung von „neutralem“ Verhalten entwickelt und anhand der Besonderheiten berufsbedingten Handelns konkretisiert (zuletzt 3.).

1. Erste Annäherung: „Neutralität“ als Abstrahierbarkeit eines Verhaltens von Kontexten a) Nach der Etymologie des Wortes (lat. ne-uter = keiner von beiden) bezeichnet „Neutralität“ die Nichtzugehörigkeit zu einem von zwei oder mehr konkurrierenden Lagern. Im vorliegenden Zusammenhang freilich geht es keineswegs um die Losgelöstheit einer Verhaltensweise von sämtlichen Kontexten (zumal ja eine Verbindung insbesondere zum beruflichen Handeln gerade postuliert wird), die ohnehin nicht denkbar ist. Insoweit ist der Kritik am Neutralitätsbegriff durchaus zu konzedieren, dass es kein „an sich und in jeder Hinsicht“ neutrales Verhalten gibt. Soll nun menschliches Verhalten in mehr oder weniger sinngebender Weise beurteilt werden, so kann dies sogar nur in gewissen Kontexten geschehen. Dies lässt sich an einfachen Beispielen zeigen: Ob der gleiche (oder zumindest sehr ähnliche) motorische Bewegungsablauf mit einem Tennisschläger in der Hand und auf einen Ball gezielt oder ohne Schläger und auf einen Mitmenschen gezielt erfolgt, rechtfertigt rein tatsächlich eine andere Bewertung. Die bloße Beschreibung einer Armbewegung ohne die näheren Umstände ist einer sinngebenden Beschreibung kaum zugänglich. Aber selbst, wenn eine Bewegung näher beschrieben wird, etwa als eine Abwärtsbewegung mit einer Axt in der 8 Einen umgekehrten Ansatz wählt Hassemer, wistra 1995, 41, 42, der – mit Blick auf die Beihilfe – Verhaltensweisen dann als „neutral“ bezeichnet, wenn sie „die traditionellen Voraussetzungen des Unrechts der Beihilfe erfüllen, am Ende aber kein objektives Beihilfeunrecht sind“. Allerdings ist eine solche Definition vom Ergebnis her jedenfalls dann problematisch, wenn später wiederum rechtliche Konsequenzen aus dem Vorliegen einer solchen Neutralität gezogen werden sollen. Auch Hassemer selbst gelangt im Übrigen rasch zu weiteren, eher phänomenologischen Beschreibungen wie der Tatsache, dass eine Handlung „in der Sicht eines beliebigen Beobachters keine objektive Unrechtstendenz“ hat.

174

3. Teil: Grundlegungen einer eigenen Lösung

Hand, sind als nähere Umstände für die Bewertung von Interesse, ob die Axt in den Schädel eines Menschen oder einen Klotz mit Kaminholz fährt. Eine gewisse Kontextualisierung menschlichen Verhaltens ist also zu seiner sinnhaften Beschreibung – noch völlig jenseits seiner rechtlichen Qualifizierung – unerlässlich.

b) Damit ist aber noch nicht entschieden, dass es nicht sinnvoll wäre, eine „Neutralität“ in Bezug auf bestimmte (und was hier interessiert: deliktische) Kontexte zu beschreiben. Es geht hier also allein darum, dass ein bestimmtes Verhalten – um das nochmals zu betonen: auf dieser Stufe noch nicht im rechtlichen Sinne – nicht mit einem bestimmten deliktischen Erfolg „in Zusammenhang gebracht“ wird.9 Zur entscheidenden Frage wird mithin, wie weit entsprechende Kontextualisierungen auszuholen haben.10 Die Antwort darauf soll an dieser Stelle noch keine normative sein: Ebenso wie ein Verhalten, das in einem engen tatsächlichen Zusammenhang mit einer Rechtsgutsverletzung steht, bei rechtlicher Bewertung straflos sein kann (so die durch Notwehr gerechtfertigte Tötung des Angreifers), ist vorstellbar, dass solche Verhaltensweisen, die rechtstatsächlich vom deliktischen Kontext weit entfernt erscheinen, strafbar sind. Vielmehr geht es um den Versuch, gleichsam bei einer tatsächlichen Betrachtung ein Verhalten von einem deliktischen Erfolg so weit „zu trennen“, dass es in Bezug auf dieses als neutral bezeichnet werden kann. Ob bzw. welche Konsequenzen daraus dann rechtlich zu ziehen wären, ist eine andere Frage.11 Bei einer „vornormativen“ Betrachtung gibt es nun keine zwingende Regel, wie weit bei der Kontextualisierung zur Bewertung eines Verhaltens auszuholen ist. Ein – wohl allgemein konsensfähiger – Fixpunkt dürfte allerdings sein, dass es nicht genügen kann, den Blick eng auf den jeweiligen Moment des Verhaltens selbst zu beschränken. Vielmehr müssen nachfolgende Ereignisse in irgendeiner Weise mit in die Betrachtung einbezogen werden. Dies nicht nur, um überhaupt sinnvoll von „Kontextualisierung“ sprechen zu können, sondern insbesondere auch, weil bereits das StGB selbst (etwa in §§ 8, 9 I StGB) mit seiner Trennung zwischen Handlung und Erfolg von einer gemeinsamen Bewertung eines Verhaltens und davon abtrennbaren Ereignisses in der Außenwelt ausgeht; auch wenn die Entscheidung noch keine normative sein soll, müssen solche leicht abzusehenden 9 Zum „In-einen-Kontext-Stellen“ bzw. „Aus-einem-Kontext-Lösen“ eines Verhaltens als entscheidendem Schritt vgl. auch nochmals Hassemer, wistra 1995, 41, 42. 10 Lesch, Verbrechensbegriff, S. 261, fasst dies – allerdings schon nicht mehr rechtstatsächlich-phänomenologisch, sondern bereits rechtlich-zuschreibend – in die Frage: „Aber warum soll denn auch der strafrechtlich relevante Sinn des Geschehens überhaupt durch die deliktische Wendung des Zweithandelnden und nicht durch das rollenadäquate Verhalten des Ersthandelnden definiert werden? Warum muß sich der Ersthandelnde den normverletzenden Verhaltenssinn des anderen aufdrängen lassen? Warum darf etwa der Bäcker (bzw. der Messerhändler) nicht sagen ,Ich verkaufe hier Brötchen (bzw. Messer‘, sondern muß sich darauf festlegen lassen: ,Ich beteilige mich an fremder Sachbeschädigung (Vergiftung von Enten) oder Tötung (Vergiftung des Ehemanns bzw. Messerstecherei)‘?“ 11 Die im Übrigen – das wurde oben bereits betont – auch weniger in der Deskription als „neutral“, sondern in den dafür ausschlaggebenden Sachgesichtspunkten wurzeln wird.

A. Allgemeine Grundlagen

175

Anforderungen der dann anzuwendenden normativen Regeln sinnvollerweise berücksichtigt werden. Ob die Weite der Kontextualisierung dann aber auf Grund von objektiven, von subjektiven oder anhand einer Kombination objektiver und subjektiver Kriterien erfolgen muss und wie diese aussehen, ist weniger klar vorgezeichnet und muss näher begründet werden.

2. Vertiefung: Anhaltspunkte aus der philosophischen und soziologischen Handlungstheorie a) Die hier gestellte Aufgabe erfordert einen nicht ganz einfachen Spagat: Einerseits soll bewusst noch auf eine normative Bewertung verzichtet und nur eine nähere Beschreibung für das Phänomen „neutraler Handlungen“ gefunden werden. Andererseits aber liegt dennoch kein rein deskriptiver Akt vor (der sich darauf beschränken würde, etwa die Art der für oder gegen eine Kontextualisierung sprechenden tatsächlichen Umstände zu beschreiben). Vielmehr sollen die Merkmale für eine Kategorie von Verhaltensweisen festgelegt werden, die im Folgenden nicht nur verkürzt als „neutral“ bezeichnet werden können, sondern auch den Betrachtungsgegenstand bilden. Um dies zu bewerkstelligen, könnte die Perspektive zweier Nachbarwissenschaften hilfreich sein, in denen die Beschreibung (und nicht nur die normative Beurteilung) von Handlungen zum traditionellen Arbeitsfeld gehört und die daher gerade Kategorien zu einer solchen Beschreibung kennen: die Perspektive der philosophischen und der soziologischen Handlungstheorie.12 Auf den ersten Blick mag ein Abstellen auf die Handlungstheorien erstaunlich anmuten, da sich diese zu einem erheblichen Teil mit der Frage befassen, wann bzw. worin eine Handlung (vor-)liegt, was (mit Blick auf die strafrechtlichen Handlungslehren13) in den hier interessierenden Fällen außer Frage steht. Allerdings stellen sich in beiden Bereichen ähnliche „Kontextualisierungsfragen“: Für die philosophische Handlungstheorie diejenige, welche Arten von Entitäten Handlungen sind (d. h. nach der „Ausdehnung“ der jeweiligen Handlungen), und für die 12 Vgl. als Einstieg nur Büschges / Abraham / Funk, Grundzüge der Soziologie, S. 103 f.; Joas, Stichwort „Handlungstheorie“, in: Reinhold u. a. (Hg.), Soziologie-Lexikon, S. 253 ff.; Lorenz, Stichworte „Handlung“ und „Handlungstheorie“, in: Mittelstraß u. a. (Hg.), Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie, Bd. 2, S. 33 ff.; Lumer, Stichwort „Handlung / Handlungstheorie“, in: Sandkühler u. a. (Hg.), Enzyklopädie Philosophie, Bd. I, S. 534 ff.; Prechtl, Stichworte „Handeln, soziales“, „Handlung“ und „Handlungstheorien, Typen von“, in: ders. / Burkard (Hg.), Metzler Philosophie Lexikon, S. 224 ff.; Thieme, Stichworte „Handeln“ und „Handeln (im soziologischen Sinne)“, in: Reinhold a. a. O., S. 249 ff. Vertiefend etwa die Beiträge in Davidson, Handlung und Ereignis, passim; Esser, Soziologie, Bd. 3, passim; Haferkamp, Soziales Handeln, passim. 13 Vgl. nur den Überblick und die Nachweise bei Jescheck / Weigend, AT, § 23, sowie bei Roxin, AT I, § 8. Hier kann man von einer normbezogenen Handlungstheorie sprechen, vgl. Lumer, Stichwort „Handlung / Handlungstheorie“, in: Sandkühler u. a. (Hg.), Enzyklopädie Philosophie, Bd. I, S. 535, sowie Prechtl, Stichwort „Handlungstheorien, Typen von“, in: ders. / Burkard (Hg.), Metzler Philosophie Lexikon, S. 228.

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3. Teil: Grundlegungen einer eigenen Lösung

soziologische Handlungstheorie diejenige nach den Orientierungspunkten, an denen der sozial Handelnde sein Handeln ausrichtet. Außerdem geht es weniger um die – durchaus problematische 14 – Übertragung von Antworten als vielmehr darum, ob nicht die zur Handlungsbeschreibung gestellten Fragen (etwa nach Reichweite der Handlung, Motivation der Handlung u. a.) auch für unsere Zwecke fruchtbar zu machen sind. b) Aussagen über „die“ philosophische Handlungstheorie erscheinen auf den ersten Blick problematisch, weil hier – von Meinungsunterschieden im Einzelnen ganz abgesehen – ein breites Spektrum unterschiedlicher Fragerichtungen besteht (etwa deskriptive, normative, rationale oder analytische Handlungstheorien). Andererseits spricht nichts dagegen, hier aus der allgemeinen Handlungstheorie als zumindest teilweise universeller Grundlage gerade die Fragestellungen herauszugreifen, die für die weitere Untersuchung am ehesten Ertrag versprechen. Die Ausgangsfrage der philosophischen Handlungstheorie(n) zielt zunächst darauf, wann überhaupt ein Handeln vorliegt (und wird i.d.R. mit der Intentionalität des Verhaltens, d. h. seiner Handlungsabsicht und Zielgerichtetheit, beantwortet15). Indes ist dies bei den hier interessierenden Fallgestaltungen – auch und gerade nach dem dafür maßgeblichen strafrechtlichen Handlungsbegriff, der in all seinen Spielarten insoweit durchaus eine gewisse Eigenständigkeit besitzt16 – unproblematisch und muss daher nicht vertieft werden.17 Wichtiger sind dagegen Fragen, die in verschiedener Weise zur „Ausdehnung“ der Handlung aufgeworfen werden, da die Zusammengehörigkeit oder getrennte Bewertung von verschiedenen Einzelereignissen gerade ein paralleles Problem betreffen wie das hier beschriebene Begriffspaar von Neutralität und Kontextualisierung:18 14 Während eine geeignete Art der Fragestellung nämlich in den verschiedensten Bereichen auf den richtigen Weg führen kann, sind die darauf gegebenen Antworten auch von den Zielsetzungen eines Wissenschaftsbereichs abhängig. Und wenngleich es in diesem Abschnitt um keinen normativen, sondern eher einen phänomenologischen Begriff der Neutralität gehen soll, so ist doch schon hier zu beachten, dass der Betrachtungsgegenstand gerade mit Blick auf eine spätere strafrechtliche Behandlung festgelegt wird. 15 Vgl. Lorenz, Stichwort „Handlung“, in: Mittelstraß u. a. (Hg.), Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie, Bd. 2, S. 33; Lumer, Stichwort „Handlung / Handlungstheorie“, in: Sandkühler u. a. (Hg.), Enzyklopädie Philosophie, Bd. I, S. 534, sowie Prechtl, Stichworte „Handeln, moralisches“ und „Handlung“, in: ders. / Burkard (Hg.), Metzler Philosophie Lexikon, S. 224 f. 16 Dem widerspricht nicht, dass die Handlungsbegriffsbildungen der Strafrechtslehre teilweise mehr oder weniger explizit an bestimmten philosophischen Handlungstheorien angelehnt werden, so etwa Kindhäusers „Intentionale Handlungen“ unter Rückgriff auf den Intentionalismus bei Wright. 17 Dies gilt – darüber besteht mittlerweile weitgehend Einigkeit – auch für fahrlässiges Verhalten, mit dessen Subsumtion unter den Handlungsbegriff bekanntlich vor allem der Finalismus erhebliche Schwierigkeiten hat(te). Eine bemerkenswerte Synthese zwischen Fahrlässigkeit und Intentionalität gelingt Kindhäuser, Hollerbach-FS, S. 627, 637, der zur Haftungsbegründung auf „die (individuelle) intentionale Vermeidbarkeit des unerlaubten Verhaltens und seiner Folgen“ abstellt.

A. Allgemeine Grundlagen

177

(1) Hinsichtlich der ersten Frage der „Beschreibungsfeinheit“ geht ein wichtiger Ansatz innerhalb der philosophischen Handlungstheorie davon aus, dass bei der Betrachtung eines Ereignisses mit einer unterschiedlich weiten Fokussierung jeweils nur eine Handlung vorliegt, die unterschiedlich beschrieben werden kann.19 Ein anschauliches Beispiel sind hier die „Schüsse von Sarajevo“: Je nach Weite der Perspektive können diese nur als Anspannen von Sehnen und Muskeln, als Abgabe eines Schusses, als Ermordung des österreichischen Thronfolgers, als Auslöser des Zweiten Weltkrieges oder gar als Einleitung des Endes der historischen Epoche des europäischen Imperialismus beschrieben werden. Diese Überlegung, für die in der Handlungstheorie auch die anschauliche Metapher der „Ziehharmonika“ verwendet wird,20 bestätigt das, was oben zur grundsätzlich unbeschränkt vorstellbaren Kontextualisierung gesagt wurde. Sie verdeutlicht aber zugleich – etwa auch mit Blick auf die Kritik an dieser Ansicht durch die Vertreter einer sog. „feinkörnigen Position“21 – Klärungsbedarf: Insbesondere ist fraglich, welche Rolle insoweit der Eigeninterpretation des Handelnden zukommt. Auf Grund der Intentionalität als zentralem Element des Handlungsbegriffs scheint es zunächst nahe liegend, dass gerade die Perspektive zu wählen ist, die der Sinninterpretation des Handelnden entspricht.22 Wegen der damit verbundenen Unsicherheiten ist es aber – jedenfalls für den vorliegenden Zweck – hilfreicher, grundsätzlich eine objektive Entscheidung über die Reichweite der Kontextualisierung zu treffen (für die freilich gegebenenfalls eine bekannte Intention eine Rolle spielen kann). Da die nachfolgende strafrechtliche Beurteilung gerade bestimmte Perspektiven im Blick hat,23 wird sie – zumindest für ihre Zwecke – gewissermaßen verbieten, andere und insbesondere engere Perspektiven einzunehmen. Um dies dann bei der späteren rechtlichen Beurteilung nicht nachträg-

18 Vgl. zu den drei ontologischen Problemen der Beschreibungsfeinheit, der kausalen Ausdehnung und der zeitlichen Ausdehnung von Handlungen den Überblick bei Lumer, Stichwort „Handlung / Handlungstheorie“, in: Sandkühler u. a. (Hg.), Enzyklopädie Philosophie, Bd. I, S. 537 f. 19 Vgl. etwa Davidson, in: ders., Handlung und Ereignis, S. 73, 87 ff.; Feinberg, in: Meggle / Ulkan (Hg.), Analytische Handlungstheorie 1, S. 186 ff. 20 Vgl. zum Bild des „accordion effect“ grundlegend Feinberg, in: Black (Hg.), Philosophy in America, S. 134, 146. 21 Diese gehen davon aus, dass mehrere Handlungen vorliegen, die aber immerhin in einer näher zu bestimmenden Weise zusammenhängen, vgl. Lumer, Stichwort „Handlung / Handlungstheorie“, in: Sandkühler u. a. [Hg.] Enzyklopädie Philosophie, Bd. I, S. 538 m. w. N. 22 Kindhäuser, Intentionale Handlungen, S. 158 f., geht davon aus, dass auf der Menge an Phasen, auf welche die Handlungsbeschreibung Bezug nimmt, eine oder mehrere beliebig als Intentionsobjekt herausgewählt werden können: So komme es auf die Intention des Handelnden an, ob er gerade auf einen Schalter drücke, wodurch der Schalter umgelegt werde und das Licht angehe, ob er durch Drücken auf den Schalter diesen gerade umlege, wodurch das Licht angehe, oder aber ob er durch Drücken und damit Umlegen des Schalters das Licht anmache. 23 Diese Perspektive ist oft zunächst einmal der in der Außenwelt eingetretene Erfolg, auch wenn der Täter selbst gerne einen anderen, regelmäßig engeren Fokus bevorzugen mag.

12 Kudlich

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3. Teil: Grundlegungen einer eigenen Lösung

lich revidieren zu müssen, spricht viel dafür, einen stärker objektiven Maßstab bereits bei der Beschreibung des Betrachtungsgegenstandes anzulegen. (2) Für die Frage nach einem objektiven Kriterium zur Begrenzung des Fokus hilft dagegen die Diskussion um Fein- und Grobkörnigkeit der Betrachtung kaum weiter. Weil es insbesondere um die Kontextualisierung mit fremden Verhalten geht, können etwa Aspekte der Beherrschbarkeit24 keine entscheidende Rolle spielen. Anhaltspunkte kann man aber den Überlegungen entnehmen, die zur zeitlichen Ausdehnung von Handlungen angestellt werden.25 Hier geht es darum, ob bzw. wie „kleinere Handlungen“ – wie sie hinsichtlich des Verhaltens unterschiedlicher Handlungssubjekte ja naturgemäß auch stets vorliegen – zu größeren Handlungen zusammengefasst werden können. Obwohl die Möglichkeit der Zusammenfügung von Detail- zu Gesamthandlungen prinzipiell unbestritten ist, gilt eine präzise Definition als schwierig. Als erste Annäherung wird aber betont, dass es nicht auf die zeitliche Kontinuität, sondern auf die koordinierende Absicht ankommen soll.26 Während der Gesichtspunkt der prinzipiellen Unerheblichkeit der zeitlichen Kontinuität unproblematisch übertragbar ist, bereitet derjenige der koordinierenden Absicht beim Nacheinanderhandeln von zwei Personen Schwierigkeiten. Eine gewisse Nähe dazu bestünde allerdings bei gemeinschaftlichen Handlungsplänen oder Einflussnahmen auf den Willen des Zweithandelnden durch den Ersthandelnden. Vor allem aber kann auch die stärker objektive Komponente der „Koordination“ allein stärker betont werden. Eine Handlung wirkt – unabhängig von der Intention der Handelnden – objektiv betrachtet vor allem dann mit einer anderen koordiniert, wenn sie auf deren Ermöglichung zugeschnitten bzw. angepasst ist. c) Die Grundlagen der soziologischen Handlungstheorie finden sich insbesondere bei Max Weber. In § 1 seiner „Soziologische(n) Grundbegriffe“ definiert er zunächst – ähnlich wie aus der philosophischen Handlungstheorie bekannt – Handeln als „menschliches Verhalten ( . . . ), wenn und insofern als der oder die Handelnden mit ihm einen subjektiven Sinn verbinden“, und speziell als „soziales Handeln“ ein solches, das „seinem ( . . . ) gemeinten Sinn nach auf das Verhalten anderer be24 Für seinen intentionalen Handlungsbegriff schlägt Kindhäuser, Intentionale Handlungen, S. 209 ff. vor, die Grenze dort zu ziehen, wo der Handelnde eine Folge beherrschen kann. 25 Die dritte Frage nach der „kausalen Ausdehnung“, die sich mit den Phasen von Bewegungshandlungen beschäftigt (vgl. Lumer, Stichwort „Handlung / Handlungstheorie“, in: Sandkühler u. a. [Hg.] Enzyklopädie Philosophie, Bd. I, S. 538), spielt demgegenüber vorliegend keine Rolle. 26 Vgl. Lumer, Stichwort „Handlung / Handlungstheorie“, in: Sandkühler u. a. (Hg.) Enzyklopädie Philosophie, Bd. I, S. 538: Ein Beispiel wäre etwa ein langer Arbeitstag an einem Text, der durch Mittagessen, Kaffeepause und Abendessen unterbrochen wird: Obwohl das Kaffeetrinken zeitlich viel näher am Mittagessen liegt, als die letzte nächtliche Arbeitsstunde am morgendlichen Arbeitsbeginn, ist es danach eher möglich, die auf einer koordinierenden Absicht („heute werden der 2. und der 3. Teil des Textes verfasst“) beruhenden Arbeit an dem Text als Gesamthandlung zu sehen als das Mittagessen und den späteren Kaffee.

A. Allgemeine Grundlagen

179

zogen wird und daran in seinem Ablauf orientiert ist“.27 Diese Orientierung am „Verhalten anderer“ begründet die Besonderheit des soziologischen Handlungsbegriffs (etwa gegenüber dem sonst durchaus nahestehenden Typus der „logischen Handlung“ etwa bei Pareto28) und kann nach Weber in vier Orientierungsmodalitäten als „zweckrationales“, „wertrationales“, „affektuelles“ oder „traditionales“ Handeln vorkommen.29 Vorliegend kommt es allerdings nicht auf eine nähere Erläuterung dieser Orientierungsmodalitäten im Einzelnen an, da das Vorliegen einer relevanten Handlung – wie oben bereits betont – in den einschlägigen Fällen unstreitig ist. Wichtiger sind zwei mit Webers Gesamtkonzeption zusammenhängende Feststellungen: Erstens, dass die Orientierung einer Handlung am Verhalten anderer im Allgemeinen und unter speziellen Orientierungskriterien im Besonderen taugliche Parameter für eine erste Beschreibung des Handelns bilden können. Für die vorliegende Frage wird es darauf ankommen, eine Orientierung an den Erwartungshaltungen des Durchschnittskunden von derjenigen an den speziellen Bedürfnissen eines kriminellen Kunden abzuschichten. Zweitens wird zutreffend betont, dass eine Handlung selten nur in einer der vier genannten Arten orientiert ist und vielmehr Mischmotivationen den Regelfall bilden.30 Dies bestätigt die oben geäußerte Annahme unterschiedlichster Kontextualisierungsmöglichkeiten.31 Dieses Bild bestätigt sich, wenn man auf die Fortentwicklung der soziologischen Handlungstheorie insbesondere durch Talcott Parsons32 blickt. Parsons entwickelte für die Orientierung des Handelnden in bestimmten Situationen ein Schema möglicher, miteinander vernetzter Orientierungsalternativen („pattern variables“), die (in ihrer – später fortentwickelten – Grundfassung) hinsichtlich der Situationseigenschaften und der Handlungsmotive jeweils unterschiedliche Gegensatzpaare enthalten. Handelnder und Handlungssituation gewinnen in ihrer Beziehung zueinander durch Beschreibung innerhalb des Schemas den spezifischen, für das „Verstehen der Handlung“ relevanten Sinn.

Vgl. Weber, Soziologische Grundbegriffe, S. 1. Pareto hatte einige Jahre vor Weber solche Handlungen als „logische“ bezeichnet, „die aus für ihren Zweck geeigneten Mitteln bestehen und die logisch die Mittel mit dem Zweck verbinden“. Vgl. zu Paretos “Konzept des rationalen Handelns“ Büschges / Abraham / Funk, Grundzüge der Soziologie, S. 104 ff. 29 Vgl. Weber, Soziologische Grundbegriffe, S. 12, sowie dazu Büschges / Abraham / Funk, Grundzüge der Soziologie, S. 106 ff.; Henecka, Grundkurs Soziologie, S. 49 ff. 30 Vgl. bei Weber selbst Soziologische Grundbegriffe, S. 13, sowie Büschges / Abraham / Funk, Grundzüge der Soziologie, S. 107 f. 31 Vgl. o. S. 173 f. 32 Dessen 1937 erschienenes Werk „The Structure of Social Action“ wird von Joas, Stichwort „Handlungstheorie“, in: Reinhold u. a. (Hg.), Soziologie-Lexikon, S. 254, als der „eigentliche Klassiker der soziologischen Handlungstheorie“ bezeichnet (Hervorhebung dort). Guter Überblick über Parsons Theorie und insbesondere die von ihm entwickelten „pattern variables“ bei Büschges / Abraham / Funk, Grundzüge der Soziologie, S. 108 ff. 27 28

12*

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3. Teil: Grundlegungen einer eigenen Lösung

Auch der Ansatz einer solchen „Klassifizierung“ macht deutlich, dass es sehr verschiedene Aspekte geben kann, unter denen eine Handlung beschrieben werden kann (und dass je nach Fragestellung unterschiedliche Aspekte von Bedeutung sein können). Sie zeigt aber noch mehr: Die Beachtung einer solchen Vielzahl von Orientierungsalternativen ist für das Handeln des Einzelnen und insbesondere für den jeweils Handelnden selbst – mit Blick auf seine Intentionen – vielleicht noch relativ einfach möglich. Dagegen ist bei Interaktionsprozessen das Fremd-“Verstehen“ keineswegs selbstverständlich gewährleistet.33 Dies spricht dafür, für die Bewertung von „Inter-Aktionen“ (also von „Handlungen zwischen“ mehreren Personen) weniger auf die subjektiven Motive als auf die objektiven, situativen Umstände abzustellen. Eine besondere Rolle spielt hier wieder die (zwar auch subjektiv erfolgende, aber ebenso wie oben zur philosophischen Handlungstheorie erläutert) auch objektiv bewertbare Koordination von Handlungsentwürfen.34

3. Konkretisierung: Neutralität, insbesondere bei berufsbedingtem Verhalten Führt man nun die allgemeinen Erwägungen zu Neutralität und Kontextualisierung mit den Fragestellungen der philosophischen und soziologischen Handlungstheorie mit Blick auf das Ziel einer späteren normativen Beurteilung des Betrachtungsgegenstandes zusammen, so lässt sich daraus eine erste äußere Beschreibung „neutraler Handlungen“ entwickeln. Diese kann im Anschluss durch die Besonderheiten beruflichen Handelns noch konkretisiert werden: a) Entwicklung eines Neutralitätsbegriffs (1) Zur grundsätzlichen Möglichkeit der Beschreibung „neutralen“ Verhaltens haben parallele Fragestellungen in der philosophischen und soziologischen Handlungstheorie gezeigt, dass grundsätzlich eher fein- oder eher grobkörnige Betrachtungen einer Handlung möglich sind und dass für das Verhalten unterschiedliche (meist in einer „Mischform“ vorliegende) Orientierungsrichtungen bestehen. Das bestätigt, dass ein Verhalten zwar nicht „kontextlos“ ist, dass es aber – insbesondere bei entsprechend feinkörniger Betrachtung – aus bestimmten Kontexten durchaus herausgelöst (und dann in Bezug darauf als „neutral bezeichnet) werden kann. (2) Für die Frage nach dem Maßstab für die Weite der Kontextualisierung bzw. die Einstellung des Fokus wurde dargelegt, dass – trotz der zentralen Bedeutung der Intentionalität für den Handlungsbegriff – eine Beschreibung phänomenologisch-äußerlich „neutralen Verhaltens“ für die hier interessierenden Zwecke am ehesten allein durch das äußere Geschehen, unabhängig von den weiteren35 Vor33 34

Vgl. Eßbach, Studium Soziologie, S. 137 f. Vgl. Eßbach, Studium Soziologie, S. 139.

A. Allgemeine Grundlagen

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stellungen und Absichten des Handelnden, erfolgen sollte.36 Damit wird nicht nur das Problem des „Fremdverstehens“ entschärft, sondern auch eine klare und vom Sonderwissen des Betrachters unabhängige Beurteilung ermöglicht. Da der Gedanke einer Kontextualisierung von Ereignissen auch in einer zeitlichen Dimension notwendig voraussetzt, nachfolgende, insbesondere kausal hervorgerufene Entwicklungen zumindest potentiell mit zu berücksichtigen, ist also eine objektive, auf die äußere Wahrnehmung beschränkte Ex-post-Perspektive entscheidend. (3) Auf dieser Grundlage dürfte Konsens darüber bestehen, dass ein Verhalten grundsätzlich von dem Kontext der Ereignisse geprägt wird, die unmittelbar (d. h. ohne Vermittlung durch ein Dazwischentreten einer anderen Person oder andere wertungsmäßig beachtliche, neue Kausalketten) durch das Verhalten verursacht werden. Dabei ist wegen der untergeordneten Bedeutung zeitlicher Kontinuität nicht primär entscheidend, wie lange der Zeitraum zwischen Verhalten und Ereignis ist.37 Dies ergibt sich aus dem Zweck einer späteren Nutzung der hier gewonnenen Perspektive für die strafrechtliche Bewertung: Da das Strafrecht oft gerade bestimmte deliktische Erfolge vor Augen hat, die durch ein Handeln des Täters verursacht wurden (vgl. zum Begriffspaar von Handlung und Erfolg nur §§ 8, 9 I StGB), verbietet sich ein Fokus, der so eng ist, dass er a priori die Folgen einer Handlung außer Acht lässt. Wird dagegen ein Ereignis erst durch das Handeln eines Dritten vermittelt,38 so bedarf es einer näheren Begründung, weshalb das Ersthandeln noch durch den Kontext des nachfolgenden Ereignisses geprägt sein und der Erfolg nicht vielmehr (ausschließlich) aus einer Perspektive über den Zweithandelnden als unmittelbaren Verletzer betrachtet werden soll. Da in diesen Fällen zweier handelnder Personen auch stets zwei Handlungen vorliegen, sind die Grundsätze über die Zusammenziehung zweier Handlungen nach der philosophischen Handlungstheorie hilfreich, die vor allem auf eine koordinierende Absicht abstellt. Auf dieser Grundlage kann eine Prägung der Ersthandlung durch den Kontext der Zweithandlung zunächst bejaht 35 Damit ist natürlich nicht gemeint, dass auf die Intentionalität des „Handelns“ – im Unterschied zu unwillkürlichen Verhaltensweisen – verzichtet werden soll, sondern dass darüber hinausgehende Motivationen bzw. begleitende Kenntnisse auf dieser Stufe unberücksichtigt bleiben. 36 Vgl. o. S. 177. Das bedeutet keineswegs eine Vorentscheidung darüber, ob diese Ziele nicht für die rechtliche Bewertung von Bedeutung sein können. 37 Vgl. zur Frage, inwieweit im strafrechtlichen Sinne die Zurechnung davon beeinflusst werden kann, dass der Zeitraum zwischen Handlung und Erfolg zu groß wird, etwa Frisch, Verhalten und Zurechnung, S. 500 ff., sowie ausführlich aus jüngerer Zeit Gómez Rivero, GA 2001, 283 ff. (m. w. N. und Zusammenfassung des Meinungsstandes). Ähnliche Überlegungen mögen auch auf tatsächliche oder handlungstheoretische Überlegungen zur Kontextualisierung einer Handlung übertragbar sein. Allerdings handelt es sich dann jeweils um Extremfälle (Stichwort: Spätschäden), die keinen spezifischen Bezug zur vorliegend interessierenden Frage haben. 38 Der Begriff des „Vermittelns“ soll hier wieder rechtstatsächlich (etwa im Sinne eines Kausalnexus) und nicht im Sinne einer bestimmten Beteiligungsform verstanden werden.

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werden, wenn schon entweder ein gemeinsamer, abgestimmter Handlungsentschluss vorliegt39 oder aber nach dem äußeren Geschehensablauf der Ersthandelnde den Zweithandelnden zum Handeln auffordert;40 denn in beiden Fällen wirkt die Intention des Ersthandelnden in der des Zweithandelnden unmittelbar fort. Wichtiger ist aber die objektive Komponente der „Koordination“, die auch in der soziologischen Handlungstheorie unter dem Gesichtspunkt koordinierter Handlungsentwürfe bei Interaktionen (um die es hier ja gerade geht) betont wurde. Eine solche „objektive Koordination“ ist anzunehmen, wenn ein Verhalten durch ein späteres äußerlich wahrnehmbar dahingehend geprägt ist, dass die Ersthandlung erkennbar nur im Interesse der Zweithandlung erfolgt ist bzw. an diese angepasst wurde. Fasst man diese Überlegungen zur Ausdehnung der Kontextualisierung bei unmittelbar und mittelbar verursachten Folgen einer Handlung zusammen, so führen sie zur Bezeichnung einer Handlung als neutral in Bezug auf einen späteren Erfolg, wenn – sie diesen nicht unmittelbar herbeigeführt hat, – durch sie der unmittelbar Handelnde nicht objektiv-äußerlich aufgefordert worden ist und wenn – sie nach einer objektiven Ex-post-Betrachtung nicht in prägender Weise an die Zweithandlung angepasst wurde.41 39 Dies würde dazu führen, dass eine Neutralität im hier verstandenen Sinne regelmäßig ausscheidet, wenn Mittäterschaft zwischen Erst- und Zweithandelndem anzunehmen ist. 40 Dieser „äußere Ablauf“ ist natürlich nicht nur „optisch“ zu bestimmen, sondern auch durch andere äußerlich (etwa akustisch) wahrnehmbare Vorgänge, z. B. den Inhalt eines Gesprächs. Kein Aufforderungscharakter nach dem äußeren Ablauf liegt dagegen vor, wenn sich der Ersthandelnde durch den Zweithandelnden nur subjektiv inspiriert fühlt. Teilt man diese Ansicht, so ergibt sich daraus zugleich, dass eine Anstiftung (zumindest im enger verstandenen Sinn einer kommunikativen Beeinflussung nach der auch als „Theorie des geistigen Kontaktes“ bezeichneten h. L.) regelmäßig nicht im hier verstandenen Sinne „neutral“ sein kann (zurückhaltend gegenüber einer Retsriktion der Anstifterstrafbarkeit auf Grund der „Neutralität“ eines Verhaltens auch von anderen, kommunikationstheoretischen Überlegungen her auch Schobloch, SchwZStrR 121 (2003), 77, 81 ff.). Das oben S. 45 mit Fußn. 72 gebildete Beispiel (Verkauf von Kennzeichen-Schutz-Folie mit „Antiblitzeffekt“) betraf insoweit nicht umsonst die Schaffung einer tatanreizenden Lage, deren Subsumierbarkeit unter § 26 StGB ja gerade streitig ist (vgl. nur Kühl, AT, § 20 Rn. 170 ff.). Das bedeutet nicht zwangsläufig, dass „berufsbedingte Anstiftungshandlungen“ stets strafbar sein müssen, wie etwa die im Ergebnis überzeugende Entscheidung BGH NJW 2000, 2433 m. Anm. Kudlich / Roy, JA 2001, 15 ff. (keine Anstiftung zur Falschaussage durch einen Verteidiger; krit. zur Argumentation des BGH aber Scheffler, JR 2001, 294 ff.) zeigt: Bei einer tatsächlichen, „nicht-normativen“ Betrachtung lässt sich die Aufforderung zur Änderung einer Zeugenaussage gegen In-Aussicht-Stellen eines Schmerzensgeldes beim besten Willen nicht aus dem Kontext der Tätigung dieser Aussage lösen. Wenn die Straflosigkeit des Verteidigers im Ergebnis trotzdem zu billigen ist, bestätigt dies nur die oben bereits angedeutete Ansicht, dass die Strafbarkeit des Verteidigers im Zusammenhang mit prozessualem Handeln ein Sonderproblem ist, dessen Lösung zumindest teilweise eigenen Regeln folgt und bei dem die Grenzen der Strafbarkeit tendenziell höher anzusetzen sind.

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(4) Trotz der prinzipiellen Kontextabhängigkeit jedes Verhaltens lässt sich somit in Bezug auf bestimmte andere Ereignisse der Grad der Abhängigkeit durchaus abstufen. Insoweit macht es auch Sinn, von „neutralem“ Verhalten zu sprechen, wenn damit keine juristische Kategorie mit feststehenden Rechtsfolgen gemeint wird. Die Aussage, es gebe kein „neutrales“ Verhalten, weil jedes Verhalten in einen strafbaren Kontext gestellt werden könne, verdunkelt daher mehr als sie erhellt: Es wird damit suggeriert, hinsichtlich der Kontextualisierungsmöglichkeiten seien alle Verhaltensweisen grundsätzlich äquivalent, während es – wie gezeigt – in Wahrheit durchaus Verhaltensweisen gibt, die weniger leicht in einen Zusammenhang mit dem konkret in Rede stehenden kriminellen Kontext gebracht werden können als andere. Die hier beschriebenen Unterscheidungen dürften sich zwar dadurch auszeichnen, dass sie über ein gewisses Maß an Plausibilität prima facie verfügen und dass sie sich vor allem sowohl in ihrer Grundlegung als auch in ihrer praktischen Anwendung verhältnismäßig trennscharf treffen lassen. Allerdings können sie sich eben nicht auf normative (insbesondere gesetzliche), sondern nur auf argumentative Prämissen stützen. Wen diese nicht überzeugt haben, der wird die Differenzierungen daher möglicherweise nicht nachvollziehen; damit bringt er zugleich zum Ausdruck, dass er die tatsächlichen Unterschiede42 – deren Existenz niemand ernsthaft leugnen dürfte – a priori für rechtlich in jedem Fall bedeutungslos hält. Hier wird dagegen ein anderer Weg gewählt: Obwohl mögliche rechtliche Konsequenzen dieser Unterschiede nahe liegen, wird an dieser Stelle noch nichts Endgültiges über ihre rechtliche Bewertung ausgesagt, sondern nur ein begriffliches Instrumentarium für die folgende Untersuchung geschaffen und der Betrachtungsgegenstand näher festgelegt. Erst in einem weiteren Schritt wird dann im Folgenden geprüft, ob bzw. unter welchen näheren Voraussetzungen den Differenzierungen und Abstufungen rechtliche Konsequenzen normativ zugeschrieben werden können.

Der Anwendungsbereich von solchermaßen als „neutral“ bezeichneten Handlungen im privaten Bereich hängt maßgeblich davon ab, wie weit man insbesondere das Kriterium der fehlenden Anpassung an die Zweithandlung verstehen möchte: Sieht man in der Vornahme einer sonst gänzlich unterbliebenen Handlung gerade auf den Wunsch eines anderen hin gewissermaßen die stärkste Form der Anpassung, wenn kein entsprechender genereller Handlungsentschluss vorgefasst war, so bleiben im Alltagsleben als „neutral“ vielfach Verhaltensweisen, bei denen der strafrechtliche Vorwurf eher auf dem Unterlassen liegt.43 Schließt man dagegen 41 Stärker auf die Person des Zweithandelnden richtet sich der Blick bei der von Wohlleben, S. 4, herangezogenen Definition, nach der eine Handlung als neutral zu bezeichnen ist, wenn sie „der Ausführende einem jeden anderen in der Lage des Täters gegenüber vorgenommen hätte, weil er mit der Handlung – im vorhinein (auch) – tat- und täterunabhängige eigene, rechtlich nicht mißbilligte Zwecke verfolgt.“ Wohllebens teilweise unterschiedliche und einfachere Formulierung rührt auch daher, dass er sich von vornherein auf den Bereich der Beihilfe beschränkt. 42 Also mittelbare oder unmittelbare Verursachung, objektiv auffordernder Charakter und objektive Anpassung an die Zweithandlung. 43 Deutlich etwa im (Hobby-)Rosenzüchterbeispiel von Jakobs, AT, Abschn. 24 Rn. 12 f., aufgegriffen bei Wohlleben, S. 3, 9.

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die Neutralität nicht deswegen aus, weil ein Verhalten zwar speziell auf den Wunsch eines Dritten, aber eben in seiner Ausführung in einer üblichen, nicht näher angepassten Form erfolgt, ist der Neutralitätsbereich auch bei alltäglichen Gefälligkeiten deutlich weiter gezogen. In jedem Fall klarer und im Ergebnis auch weiter aber ist der Bereich „neutralen Handelns“ bei berufsbedingtem Verhalten.

b) Konkretisierung der Neutralität bei berufsbedingtem Verhalten (1) Eine klarere Abschichtung als bei rein privaten Verhaltensweisen ist bei beruflichem Handeln denkbar. Dies gilt insbesondere für das – oben als schwierigstes, aber auch wichtigstes genannte – dritte Kriterium der fehlenden Anpassung an die Zweithandlung nach einer objektiven Ex-post-Betrachtung. Dafür sind zwei Gründe maßgeblich: Zum einen existieren im beruflichen Bereich gegenüber den Verhaltensregeln des privaten Alltags griffigere und verbindlichere leges artis bzw. professionis, und der einzelne Berufsträger wird i.d.R. in einer weitaus größeren Zahl von Vergleichsfällen tätig. Damit lässt sich bei seinem Handeln wesentlich klarer der Inhalt „normalen“ Tätigwerdens als Bezugsgröße zur Frage nach einer „Anpassung“ bestimmen. Zum anderen kann man bei beruflichem Handeln i.d.R. davon ausgehen, dass der generelle Entschluss zum Tätigwerden bereits abstrakt relativ fest und unterschiedslos „vorgefasst“ ist. Daher fällt es viel leichter, in einer „Aktualisierung“ dieses vorgefassten Entschlusses auf Grund des Abrufens der Leistung durch einen Kunden immer noch ein „unangepasstes“ und daher „neutrales“ Verhalten zu sehen als in der Gewährung einer Gefälligkeit im privaten Bereich, die sich oben als schwierigerer Grenzfall erwiesen hat. (2) Insoweit ist es im beruflichen Bereich vergleichsweise einfacher, verschiedene Fallgruppen differenzierend nach dem „Grad der Neutralität“ oder eben der Anpassung des Handelns zu benennen.44 Solche Fallgruppen sind – durchaus mit der Konzession, dass in den Randbereichen die Abgrenzungen schwierig sein können – insbesondere – das bloße Zur-Verfügung-Stellen einer (überwiegend ordnungsgemäß arbeitenden, jedoch im Einzelfall) missbrauchbaren Infrastruktur ohne individualisierten Kontakt mit dem Täter, – die zwar individuell erbrachte, aber der sonstigen Typik des Handelns entsprechend ausgeführte und nicht speziell angepasste Leistung an den Täter sowie – die an deliktische Zwecke des Täters angepasste individuell zugeschnittene Leistungserbringung. Man kann dies am hier bereits vielfach genannten und besonders plastischen Beispiel des Brötchenverkaufs demonstrieren: Der ersten Stufe würde der Betreiber eines „Brötchen44 Zum Folgenden auch bereits knapp Kudlich, JZ 2000, 1178, 1179. Vgl. auch Schall, Meurer-GS, S. 103, 113, der davon spricht, dass der Täter „zunächst einmal nur ,seinen Job macht‘, genauer: eine für sich gesehen neutrale ( . . . ) Handlung vornimmt“.

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automaten“ entsprechen, aus dem sich einer von vielen Kunden die Brötchen für das Giftattentat besorgt; der zweiten Stufe ein Bäcker, der aus seinem großen Brötchenkorb eine Anzahl beliebig herausgegriffener Brötchen an den Mörder aushändigt; der dritten Stufe schließlich ein Bäcker, der im Auftrag des Kunden zwei spezielle Brötchen backt, die in ihrer besonderen Konsistenz des Gift unauffällig aufnehmen und auf Grund eines sonst nicht üblichen Geschmacksverstärkers auch den Geschmack des Giftes überdecken.45

Legt man die allgemeinen Überlegungen zum Verhältnis zwischen „Neutralität“ und „Kontextabhängigkeit“ zugrunde und präzisiert dies mittels der unter (1) genannten Bezugsgrößen beruflichen Handelns, verläuft die Grenze zwischen „berufsbedingtem neutralem Verhalten“ zwischen der zweiten und dritten Stufe. Allgemeiner kann man formulieren: Bei einer rein äußeren Betrachtungsweise ist ein berufsbedingtes Verhalten dann als gegenüber seiner späteren deliktischen Ausnutzung durch Dritte neutral zu erachten, wenn es für die Ausübung des Berufes typisch und in der Weise durch den Beruf motiviert ist, dass ein abstrakter Entschluss, die jeweiligen Tätigkeiten bei etwaiger Nachfrage in der entsprechenden Form durchzuführen, unabhängig von konkreten deliktischen Anforderungen des Täters bereits „vorgefasst“ ist.46 Diese Beschreibung verdeutlicht zugleich eine Besonderheit des berufsbedingten gegenüber anderen, äußerlich scheinbar neutralen Handlungen: Die tat- und täterunabhängige Vorgefasstheit eines Handlungsentschlusses wird beim Verkäufer eines potentiell einbruchsfördernden Werkzeuges praktisch immer und damit erheblich öfter vorliegen als beim auf den ersten Blick ebenfalls „neutralen“ Verleihen eines solchen Gegenstandes an Nachbarn oder Bekannte.47 Anders als beim Verkäufer erfolgt die leihweise Überlassung unter Privaten regelmäßig nicht unabhängig von der Person des Nachfragenden, sondern wird im Gegenteil gerade von dieser abhängig gemacht.48 Somit besteht jedenfalls phänomenologisch ein klarer 45 Beispielsreihung bereits bei Kudlich, JZ 2000, 1178, 1179. Dort zur Verdeutlichung auch folgende, entsprechende Reihung: „In einem anderen Beispiel würde – wieder jeweils identischen Vorsatz unterstellt – die gleiche Stufung etwa beim Straßenbahnfahrer beginnen, der einen Bankräuber mit ordnungsgemäß gelöstem Fahrschein zwei Stationen mitnimmt, beim Taxifahrer weitergehen, der den Räuber vor der Bank absetzt und schließlich bei dem Taxifahrer enden, der illegal in die Fußgängerzone einfährt und dort im absoluten Halteverbot mit wartendem Motor auf den Räuber wartet.“ 46 Einen ganz ähnlichen Definitionsversuch hat der Verf. bereits im Zusammenhang mit den banklichen Tätigkeiten in der Entscheidung BGHSt 46, 107 in JZ 2000, 1178, 1179 angestellt. 47 Diese Überlegung spricht entschieden gegen die von Beckemper, Jura 2001, 163 ff., mehrfach aufgestellte Behauptung, ein Unterschied zwischen beruflichem und privaten (z. B. Gefälligkeits-)Handeln sei nicht auszumachen. Man mag geteilter Meinung darüber sein, ob dieser Unterschied rechtlich relevant ist; er kann aber nicht schlechterdings geleugnet werden, und wenn man die Unterschiedslosigkeit behauptet, besteht jedenfalls ein gewisser Begründungsbedarf. 48 Die Fälle, die Wohlleben, S. 9, unter der Rubrik „Verfolgung anderer – nichtberuflicher oder -rechtlicher – Interessen“ aufzählt, nehmen demgegenüber eine gewisse „Zwitterstellung“ ein (was im Übrigen wieder ein Indiz dafür ist, dass eine thematische Verengung der Fragestellung auf berufsbedingte Verhaltensweisen zwar nicht notwendig wäre, aber durchaus sinnvoll erscheint): Soweit etwa eine Privatperson eine andere gegen Unkostenersatz mit

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Unterschied zwischen derartigen berufsbedingten Unterstützungshandlungen, die eine gesonderte Untersuchung rechtfertigt. Ob sich dieser phänomenologische Unterschied strafrechtsdogmatisch dahingehend umsetzen lässt, dass auch eine unterschiedliche Behandlung angemessen erscheint, muss die nachfolgende Untersuchung gerade erst zeigen.

(3) Gegenüber einer solchen Definition könnte eingewendet werden, dass als Folge einer solchen Abstufung in den Branchen, in denen jeweils ein stärker individueller Zuschnitt der Leistung üblich ist, „weniger neutral“ gehandelt würde als in anderen Bereichen, in denen der nicht-individualisierte Massenverkehr vorherrscht. Halte man nun eine Privilegierung neutralen berufsbedingten Verhaltens für möglich und knüpfe hierbei an der „Neutralität“ an, so würde dies zu einer gewissen Benachteiligung von Branchen mit stärker individualisierten Leistungen führen. Dies lässt sich gut an einer Gegenüberstellung der Wirtschaftssektoren „Handel“ und „Dienstleistung“ veranschaulichen: Im Bereich des Handels (insbesondere an den Endabnehmer) betrifft der größte Teil der Leistungen (zivilrechtlich gesprochen) Gattungsschulden, zu deren Erfüllung standardisierte Produkte an Kunden verkauft werden; soweit überhaupt Sonderwünsche erfüllt werden, müssen diese oftmals wiederum aus einer sehr beschränkten Palette von vorgegebenen Möglichkeiten gewählt werden49 (die im Übrigen ihrerseits mit Blick auf deliktische Nutzungsmöglichkeiten weitgehend äquivalent sind50). Im Bereich der Diensthandlungen dagegen gibt es bereits bei relativ preisgünstigen Leistungen (wie etwa einem Haarschnitt) die Möglichkeit, ganz individuelle Wünsche zu äußern; und bei vielen (insbesondere etwa beratenden) Leistungen ist ein mehr oder weniger ausführliches Gespräch mit dem Kunden über seine Ziele als Grundlage der späteren Leistung ebenso selbstverständlich wie ein zumindest hinsichtlich verschiedener Merkmale individueller Zuschnitt. Auf einer eher formalen Ebene könnte der Einwand eines ungleichen Strafbarkeitsrisikos mit der Begründung zurückgewiesen werden, dass an dieser Stelle noch keine normative, automatisch mit bestimmten Rechtsfolgen verknüpfte Kategorisierung, sondern nur eine Beschreibung beabsichtigt ist. Die Unterscheidung nach dem Grade der Anpassung ist „rein tatsächlich“ solide möglich. Und falls für „neutrale“ Berufsausübungen im hier verstandenen Sinne überzeugende dogmatische Gründe für eine Privilegierung gefunden werden könnten, bleibt selbstverständlich die Möglichkeit zu prüfen, inwiefern diese Gründe auch für (insbesondere branchenbedingt und im Rahmen des Branchenüblichen gehaltene) speziell angepasste Leistungen Geltung beanspruchen. Indes würde eine solche formale Betrachtung nicht wirklich weiter helfen. Denn wenn im Folgenden (zwar keine Rechtsfolgen „automatisch“ nach Amsterdam nimmt, obwohl sie damit rechnet, dass die andere Person dort Drogen erwirbt, ist zumindest der Grad der „Vorgefasstheit“ geringer, da ein Privatmann auf der Suche nach einem Mitfahrer sich innerlich einen weiterreichenden Entscheidungsvorbehalt vor der Mitnahme eines Unbekannten zugestehen wird als etwa ein Taxifahrer für eine übliche Tour zum Flughafen. 49 Man denke exemplarisch an die Wahlmöglichkeiten für Sonderausstattungen eines Pkw. 50 Um das Beispiel aus Fußn. 49 nochmals aufzugreifen: Zumeist wird es für die deliktische Verwendung des Pkw keine nennenswerte Rolle spielen, ob das Fahrzeug mit oder ohne Schiebedach, Automatikschaltung oder Klimaanlage geliefert wird.

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aus dem Begriff der Neutralität abgeleitet, aber doch immerhin) gewisse Konsequenzen mit bestimmten Eigenschaften „neutraler“ berufsbedingter Handlungen begründet werden, sollte die Reichweite des dann zur verkürzten Beschreibung dieser Leistungen herangezogenen Neutralitätsbegriff etwas genauer bestimmt sein.

Indes lässt sich der Terminus der „Anpassung“ durchaus so verstehen, dass er für verschiedene Arten von beruflichen Leistungen zwar prima facie geringfügig unterschiedliche, für den hier verfolgten Zweck dann aber gerade äquivalente Verhaltensweisen erfasst. Wenn man sich auf den Ausgangspunkt der Überlegungen zurückbesinnt, so stellt der Grad der „Anpassung“ dadurch ein wichtiges Kriterium für das Vorliegen „neutraler“ Handlungen dar, dass er über die Weite der Kontextualisierung entscheidet: Ein Verhalten, das nicht unmittelbar zum deliktischen Erfolg führt, ist nur dann durch den Kontext dieses Erfolges geprägt, wenn es sich in seiner äußeren Gestaltung durch die Verwendung zu der deliktischen Handlung des unmittelbaren Verletzers erklären lässt. Dies ist bei Leistungen, die üblicherweise stereotyp in immer gleicher Weise erbracht werden, bereits bei geringfügigen Abweichungen der Fall. Leistungen dagegen, die typischerweise individuell auf die Bedürfnisse des Kunden zugeschnitten werden, lassen sich in ihrer äußeren Gestaltung auch ohne die deliktische Verwendung erklären, so lange sie sich entweder irgendwo im Spektrum üblicherweise erbrachter Leistungen bewegen oder aber (bei neu auftretenden Problemstellungen51) von einem objektiven Vertreter des Berufsstandes für den legalen Gebrauch des Kunden typischerweise übernommen würden.52 Eine insoweit differenzierende Betrachtungsweise ist auch nicht außergewöhnlich, sondern z. B. bei verschiedenen Vertragstypen im Zivilrecht ganz selbstverständlich. So kann zivilrechtlich ein Mangel (und damit eine Abweichung vom der Neutralität vergleichbaren Regelfall) einer auf Grund eines Werkvertrages hergestellten Sache durchaus vorliegen, wo man bei einem Gattungskauf noch eine ordnungsgemäße Erfüllung annehmen würde, soweit keine anderweitigen Absprachen getroffen wurden.53 Zugegebenermaßen bleibt die Grenzziehung in solchen Bereichen (insbesondere bei seltener nachgefragten Leistungen oder im o.g. Sinne neuartigen Fragestellungen) etwas unsicherer, so dass das Strafbarkeitsrisiko etwas größer ist. Allerdings wird dies durch die bessere Möglichkeit zu einer Prüfung der geschehensprägenden Kontexte teilweise kompensiert, die bei stärker individualisierten Leistungen bestehen. Auch werden stärker individualisierte Leistungen i.d.R. besser bezahlt, 51 Etwa in beratenden Berufen kann es durch Änderungen der tatsächlichen oder rechtlichen Rahmenbedingungen immer wieder dazu kommen, dass ein spezieller Leistungszuschnitt erstmalig verlangt wird, weil sich ein Problem neu darstellt. Ähnliches wäre etwa bei der werkvertraglichen Individualfertigung einer Maschine vorstellbar, wenn technische Fortschritte erzielt oder neue Anwendungsgebiete für die Maschine erschlossen worden sind. 52 Insoweit formuliert der Einwand gegen die „Stereotypizität der Handlungsvornahme“ als wichtiges Strukturprinzip der vorliegenden Fälle bei Wohlleben, S. 105, zwar eine berechtigte Frage, greift aber im Ergebnis nicht wirklich durch. 53 Vgl. nur § 434 I S. 2 Nr. 2, S. 3 BGB.

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so dass der mit der Prüfung verbundene Aufwand wirtschaftlich eher zuzumuten ist. Schließlich wird durch die Verweigerung einer individuell angepassten Leistung in einem Einzelfall mit erkennbar deliktischem oder auch nur zweifelhaften Kontext der Tätigkeitsablauf im Einzelnen weniger beeinträchtigt, als wenn im Massenverkehr jeweils umfangreichere Prüfungen erfolgen müssten.

II. Legitimationen:54 Grund und Grenzen staatlichen Strafens Im 2. Teil wurde mehrfach deutlich, dass in der bisherigen Diskussion auffällig oft in unterschiedlicher Weise auf Topoi aus der Legitimationsdiskussion (insbesondere den Rechtsgüterschutz, sein Verständnis und seine Grenzen) zurückgegriffen wird. Zwar dürfte insoweit für alle Überlegungen zu den allgemeinen Legitimationsmöglichkeiten staatlichen Strafens gelten, was Stratenwerth einzelnen gesellschaftstheoretischen Ansätzen zur Bestimmung eines materialen Verbrechensbegriffs attestiert: „Auf der Basis solcher Hypothesen lassen sich bezüglich der Unentbehrlichkeit bestimmter Verhaltensnormen und der Notwendigkeit, sie strafrechtlich abzusichern, günstigstenfalls Vermutungen äußern, aber nicht scharfkantige Kriterien angeben.“55 Allerdings spricht dies ebenso wie die notwendig nur sehr selektive Behandlung des Legitimationsproblems nicht dagegen, sich zumindest seinen Grundlagen zu widmen. Denn zum einen ist an dieser Stelle auch nicht viel mehr beabsichtigt als die Suche nach groben Anhaltspunkten. Zum anderen ist eine zumindest kurze Bezugnahme auf die einschlägige Grundlagendiskussion unumgänglich, wenn die im 2. Teil referierten Äußerungen in einen größeren Kontext eingeordnet werden sollen. Und selbst wenn nicht erwartet werden kann, dass sich hieraus all zu konkrete „positive“ Aussagen ableiten lassen, so erscheint durchaus vorstellbar, dass die diesbezüglichen Argumente in der bisherigen Diskussion auf dieser Folie eher auf ihre Tragfähigkeit hin überprüft werden können. Von dem im Folgenden behandelten Legitimationsproblem zu unterscheiden56 ist die Frage nach den Strafzwecken.57 Diese ist darauf gerichtet, welche Zwecke Strafandrohung und Strafvollzug in Abhängigkeit von der dem Strafrecht zugewiesenen Aufgaben erfüllen oder anders ausgedrückt: wie Strafandrohung bzw. -vollzug dazu beitragen können, dass diese Aufgaben erfüllt werden. Aus dieser Abhängigkeit ergibt sich, dass die Strafzwecklehre insbesondere von den Rechtsgütern, deren Schutz dem Strafrecht in einem konkreten gesellschaftlichen System obliegen soll, weitgehend unabhängig ist. Verfolgt man etwa den (spezi54 In bewusster Anlehnung an den Titel des ersten der fünf von Lüderssen herausgegebenen Bände über „Aufgeklärte Kriminalpolitik oder Kampf gegen das Böse?“. 55 Vgl. Stratenwerth, AT I, § 2 Rn. 14. 56 Vgl. etwa auch Gropp, AT, § 1 Rn. 92 ff. einerseits und Rn. 98 ff. andererseits. 57 Zum Streitstand aus der Lehrbuchliteratur statt vieler nur Köhler, AT, S. 37 ff.; Roxin, AT I, § 3. Anschauliche und kritische Darstellung auch bei Lesch, JA 1994, 510 ff., 590 ff.; zu neueren Entwicklungen aus jüngerer Zeit Calliess, Müller-Dietz-FS, S. 99 ff., sowie Roxin, Müller-Dietz-FS, S. 701 ff.

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alpräventiven) Zweck, dass eine einmal begangene Rechtsverletzung auf Grund der verhängten Strafe und der Androhung einer erneuten Strafe nicht wiederholt wird, spielt es letztlich keine Rolle, ob diese Rechtsverletzung in der (weithin als grundsätzlich strafwürdig angesehenen) Tötung eines Menschen, in der (historisch vielfach als Straftat angesehenen, in modernen Strafrechtssystemen aber ganz selbstverständlich unberücksichtigten) Betätigung als Zauberer oder in der (bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts zumindest nicht als strafrechtliches Problem gesehene, gegenwärtig aber in vielen Rechtsordnungen dem Kernstrafrecht zugehörigen) Verschmutzung der Umwelt liegt. Die Strafzwecklehre betrifft also weniger die Legitimation staatlichen Strafens als vielmehr die Funktionalität der Strafe zur Erreichung der in einer Rechtsordnung jeweils mit dem Strafrecht verfolgten Aufgaben. Auf Grund dieser „Akzessorietät“ und Indifferenz der Strafzwecklehren58 sind sie auch für das hier untersuchte Problem nicht aussagekräftig. Sie geben nämlich keine Antwort darauf, ob die berufsbedingte Unterstützung fremder Straftaten etwa eine Sühne verlangt oder ob die Gesellschaft oder der einzelne für die Zukunft von solchen Unterstützungshandlungen abgehalten werden sollte. Vielmehr setzen die Strafzwecklehren bereits eine Antwort auf die hier erst gestellte Frage voraus: Wenn man in der berufsbedingten Unterstützung eine schwere Verfehlung und ein zukünftig zu unterlassendes Verhalten sieht, dann kann man darüber diskutieren, ob dieses Verhalten gesühnt werden muss bzw. ob Täter und Gesellschaft durch das Mittel der Strafe davon abzuhalten sind. Wenn nicht, dann sind naturgemäß auch die Strafzwecke nicht einschlägig. Ob es so ist, dafür lässt sich aus der Strafzweckdiskussion an sich nichts herleiten.59 Allenfalls machen die – im gegenwärtigen Meinungsbild klar überwiegenden – präventiven Strafzwecke ein Problem der Strafbarkeit berufsbedingter Unterstützungshandlungen besonders plastisch: Sieht man die präventiven Strafzwecke etwas vereinfachend darin, den Einzelnen und die Gesellschaft (durch Abschreckung, Sozialisierung oder Bestärkung normkonformen Verhaltens) von der Vornahme der unter Strafe gestellten Handlungen abzuhalten, so kann bei (insbesondere im engen o.g. Sinne60) berufsbedingtem neutralem Verhalten das Ziel vernünftiger Weise kaum darin liegen, dass der Berufsträger Tätigkeiten dieser Art überhaupt nicht mehr vornimmt (sondern sie nur unterlässt, wenn dadurch die Förderung einer Straftat droht). Hier besteht durchaus ein Unterschied zu klassischen Beihilfehandlungen, an deren grundsätzlicher Vornahme entweder überhaupt so gut wie nie („Schmierestehen“ während 58 Vgl. dazu auch Appel, Verfassung und Strafe, S. 442 f.; Haffke, Tiefenpsychologie und Generalprävention, S. 82; Vogler, ZStW 90 (1978), 132, 141. 59 Einen gewissen Zusammenhang zwischen der Aufgabe des Strafrechts und der Strafzwecktheorie postuliert in jüngerer Zeit Lesch, Verbrechensbegriff (der allerdings für die hier interessierende Frage auch zu keinem unmittelbaren Erkenntniswert der Strafzwecktheorien führt). Nach Ansicht von Lesch kann wegen der „polizeirechtlichen Position der überkommenen Strafrechtsdogmatik“, die sich an der Idee des Rechtsgüterschutzes orientiert, die Beziehung zwischen Straftat und Strafe bei gleichzeitiger Betonung relativer (spezial- und generalpräventiver) Strafzwecke stets nur eine kategoriale, nicht aber eine funktionale sein; eine strafrechtsfunktionale Neuorientierung setze deswegen entweder ein Bekenntnis zu absoluten Straftheorien oder aber eine Neubewertung menschlicher Sozialbeziehungen voraus, nach der die Aufgabe des Strafrechts nicht mehr in der Verhaltenssteuerung, sondern in der Erwartungssicherheit liege (vgl. a. a. O., S. 175 ff., 184 ff.). Das strafrechtliche Unrecht liege dann nicht mehr (wie im Zivil- und Polizeirecht) im Verstoß gegen den Norminhalt, sondern gegen das Normsollen selbst (vgl. a. a. O., S. 190 ff.). 60 Vgl. o. S. 184 ff.

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eines Einbruchs61) oder zumindest in aller Regel kein (Versorgung eines Nicht-Berechtigten mit einem Nachschlüssel) gesellschaftliches Interesse besteht. Mit anderen Worten: Die Wurzel des Problems liegt zwar gewiss nicht in den Strafzwecken. Die von den (insbesondere relativen) Straftheorien postulierten Wirkungen der Strafe verdeutlichen jedoch die Schwierigkeiten, die damit verbunden sind, wenn die Ausübung eines an sich sozial erwünschten und notwendigen Verhaltens durch eine Strafdrohung für den Fall erschwert wird, dass es von einem Dritten eigenverantwortlich zur Begehung von Straftaten ausgenutzt wird.

1. Rechtsgüterschutz durch Strafrecht Die Frage nach der Legitimation staatlichen Strafens ist eng mit den Aufgaben des Strafrechts verbunden. Wird von Seiten des Staates durch die Aufstellung von Verboten und durch die Verhängung massiver Sanktionen im Falle ihrer (nachgewiesenen) Verletzung in die Rechtssphäre seiner Bürger eingegriffen, so ist das ganz grundsätzlich (d. h. losgelöst von allen Betrachtungen spezieller Einzelfälle) nur akzeptabel, wenn mit diesem Vorgehen auch irgendein Nutzen i.w.S. verbunden ist, zu dem das Strafrecht einen Beitrag leistet.

a) Einführende Grundlagen zum Rechtsgüterschutzgedanken Üblich und weit verbreitet ist die Verortung der Aufgabe des Strafrechts im Schutz von Rechtsgütern. Sie entspricht nicht nur – freilich durchaus mit Unterschieden im Detail – der fast einhelligen Ansicht in der Lehre,62 sondern wird auch 61 Selbst wenn man nicht auf den Bezug zum Einbruch selbst abstellt und nur die äußere Handlung betrachtet, dürften Konstellationen, in denen jemand nachts vor fremden Räumlichkeiten steht und beobachtet, ob der Berechtigte, friedliche Passanten oder Streife gehende Polizisten vorbeilaufen, allenfalls ganz selten gesellschaftlich nützlich sein. 62 Vgl. aus der Literatur statt vieler nur Jescheck / Weigend, AT, § 1 III 1 = S. 7; Armin Kaufmann, Die Aufgabe des Strafrechts, S. 5 („In der Strafrechtswissenschaft (wird) nicht ernsthaft bestritten, daß Rechtsgüterschutz die Aufgabe des Strafrechts ist.“); Kindhäuser, in: Lüderssen (Hg.), Aufgeklärte Kriminalpolitik oder Kampf gegen das Böse? Bd. I, S. 263 („Strafrecht dient nach fast einhelliger Auffassung dem Schutz von Rechtsgütern.“); ders., in: Lüderssen / Nestler-Treml / E. Weigend (Hg.), S. 29 ff.; Krüger, Die Entmaterialisierungstendenz beim Rechtsgutsbegriff, S. 16 m. w. N.; Pott, KritV 1999, 91, 95; Roxin, AT I, § 2, Rn. 1; Baumann / Weber / Mitsch, AT, § 3 Rn. 10 („Rechtsgutsverletzung als grundlegendes Strafwürdigkeitskriterium“). Zahlreiche weitere Nachweise bei Appel, KritV 1999, 278 (dort Fußn. 1). In dem aus der Wissenschaft hervorgegangenen und daher ebenfalls der Lehre zuzurechnenden Alternativentwurf AE 1966 lautet § 2 I: „Strafen und Maßregeln dienen dem Schutz der Rechtsgüter ( . . . )“. Auch Autoren, die (daneben) um gesellschaftstheoretische Fundierungen des Strafrechts bemüht sind (vgl. dazu unten S. 198 ff.), stellen überwiegend den Güterschutzgedanken nicht völlig in Abrede. Eine zwar von der Schutzfunktion ausgehende, aber in den geschützten Objekten sehr restriktive Ansicht vertritt in neuerer Zeit Naucke, in: Institut für Kriminalwissenschaften Frankfurt / M. (Hg.), Vom unmöglichen Zustand des Strafrechts, S. 483 ff., der den Schutz auf individuelle Freiheitsrechte und den Bestand des Staates beschränken möchte. Einen konzentrierten Überblick und zahlreiche Nach-

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vom BVerfG geteilt.63 Historisch wird die Begründung des Gedankens eines „Gutes“ als Objekt des Verbrechens gemeinhin Birnbaum zugeschrieben,64 der in einem Beitrag im Jahre 1834 zwar noch nicht den Begriff des „Rechtsgutes“, aber den des „Gutes“ als Gegenstand des Verbrechens prägte65 und damit über die damals verbreitete (von Feuerbach vertretene) Auffassung hinaus ging, wonach Objekt des Verbrechens stets ein subjektives Recht sein müsste.66 Nachdem das Denken im Begriff des Gutes in der Mitte des 19. Jahrhunderts auch in der Jurisprudenz durch den Einfluss des deutschen Idealismus, insbesondere der Hegelianer, einige Zeit lang in den Hintergrund geraten war,67 war es dann Binding, der die Figur des Rechtsguts wieder aufnahm und auch dem Begriff selbst einen festen Platz in der Strafrechtswissenschaft verschaffte.68 Wenngleich mit unterschiedlichen Konnotationen und Konzeptionen69 hat die Vorstellung vom Rechtsgut als Objekt eines materiellen Verbrechensbegriffs und damit vom Rechtsgüterschutz als Aufgabe des Strafrechts seitdem die Strafrechtswissenschaft – von politisch geprägten Angriffen auf den Rechtsgutsbegriff während der NS-Zeit abgesehen70 – weise zu unterschiedlichen Rechtsgutskonzepten in der geschichtlichen Entwicklung geben Hefendehl, Kollektive Rechtsgüter, S. 9 ff., sowie Staechelin, Strafgesetzgebung im Verfassungsstaat, S. 35 ff., einen Überblick zu „Paradigmen der Rechtsgutslehre nach 1945“ ferner Müssig, Schutz abstrakter Rechtsgüter und abstrakter Rechtsgüterschutz, S. 25 ff.; für einen Vergleich des deutschen Rechtsgüterbegriffs mit der Figur des „harm principle“ im angloamerikanischen Strafrecht vgl. v. Hirsch, GA 2002, 2 ff. 63 Vgl. statt vieler nur BVerfGE 45, 187, 253: Es sei „allgemeine Aufgabe des Strafrechts ( . . . ), die elementaren Werte des Gemeinschaftslebens zu schützen.“ Differenzierend allerdings Hefendehl, Kollektive Rechtsgüter, S. 49 f., der aber der Rechtsprechung des BVerfG immerhin auch den Charakter des Strafrechts als „Schutzrecht“ entnimmt. 64 Zur Dogmengeschichte des Rechtsgutsbegriffs im Strafrecht vgl. knapp Marx, Zur Definition des Begriffs ,Rechtsgut‘, S. 5 ff., sowie ausführlicher Sina, Die Dogmengeschichte des strafrechtlichen Begriffs „Rechtsgut“, passim, sowie Amelung, Rechtsgüterschutz, S. 16 ff. und Staechelin, Strafgesetzgebung im Verfassungsstaat, S. 35 ff. 65 Vgl. Birnbaum, Archiv des Criminalrechts, Neue Folge BD. 15 (1834), 149 ff. 66 Sina, Die Dogmengeschichte des strafrechtlichen Begriffs „Rechtsgut“, S. 19 ff., sieht darin nur eine Akzentverschiebung gegenüber dem subjektiven Recht; krit. dazu Amelung, Rechtsgüterschutz, S. 11, der darin einen qualitativen Sprung sieht, da allein damit z. B. Religionsdelikte dem Strafrecht (und nicht nur wie bei Feuerbach dem Polizeirecht) unterstellt werden können; vgl. zu diesem Zusammenhang auch Schulz, in: Lüderssen (Hg.), Aufgeklärte Kriminalpolitik oder Kampf gegen das Böse? Bd. I, S. 208, 216. 67 Vgl. auch Sina, Die Dogmengeschichte des strafrechtlichen Begriffs „Rechtsgut“, S. 28 ff. 68 In „Normen und ihre Übertretung“, Bd. I, S. 189; vgl. zu Bindings Einfluss und der Debatte um den Rechtsgutsbegriff mit von Liszt die Darstellung bei Amelung, Rechtsgüterschutz, S. 52 ff., und bei Sina, Die Dogmengeschichte des strafrechtlichen Begriffs „Rechtsgut“, S. 41 ff.; zusammengefasst auch bei Koriath, GA 1999, 561, 569 ff. 69 Vgl. zur Entwicklung insb. nach dem 1. Weltkrieg ausführlich Amelung, Rechtsgüterschutz, S. 125 ff. (speziell für die Zeit ab Inkrafttreten des GG S. 258 ff.). 70 Vgl. dazu Amelung, Rechtsgüterschutz, S. 216 ff., 231 ff.; Sina, Die Dogmengeschichte des strafrechtlichen Begriffs „Rechtsgut“, S. 70 ff., 79 ff. Die damalige (Über-)Betonung der Pflichtverletzung als Kern jeder Rechtsgutsbeeinträchtigung hat natürlich in erheblich abge-

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3. Teil: Grundlegungen einer eigenen Lösung

beherrscht. Die große Bedeutung, die dem „geschützten Rechtsgut“ zugemessen wird, zeigt sich nicht nur an der oben (nur ganz auszugsweise) dokumentierten nahezu einhelligen Ansicht vom Rechtsgüterschutz als Aufgabe des Strafrechts, sondern z. B. auch daran, dass viele Strafrechtskommentatoren ihre Erläuterungen (insbesondere von Vorschriften aus dem Besonderen Teil) mit Ausführungen über das geschützte Rechtsgut beginnen. Eine zumindest vorübergehend intensiver diskutierte Modifikation des Rechtsgutsverständnisses geht auf Welzel zurück: Im Sinne einer material-ethischen Argumentation71 formulierte er (zumindest scheinbar) als vorrangige Aufgabe des Strafrechts nicht den Schutz von Rechtsgütern, sondern den von „elementaren sozialethischen Gesinnungs-(Handlungs-)wert(en)“.72 Damit steht Welzels Ansatz an der Grenze zu den unten (S. 198 ff.) dargestellten gesellschaftstheoretischen Ansätzen. Die Nähe zur Rechtsgüterschutzkonzeption besteht aber bei Welzel nicht nur darin, dass er diese Werte immerhin (auch) als Schutzobjekte beschreibt, sondern dass er letztlich den Werteschutz als „Funktion des Rechtsgüterschutzes“ sieht.73 Daher spielen individuelle Schutzinteressen für Welzel offenbar doch eine größere Rolle als teilweise nach den gesellschaftstheoretischen Ansätzen.

Die Rechtsgutslehre ist ihrer langen Tradition und ihrem Bezug zu den Grundlagen des Strafrechts entsprechend ein weites, viel behandeltes Feld74 (wenngleich durchaus offen ist, ob ihre Erträge vollständig dem Aufwand und Scharfsinn entsprechen, der von vielen Autoren darauf verwandt worden ist75). Ihren Hauptanwendungsbereich hat sie allerdings in den hier weniger interessierenden Feldern des Besonderen Teils, also der einzelnen Straftatbestände. Dort leistet sie wertvolle Hinweise zur Systematisierung der Tatbestände76 sowie im Einzelfall zur Ausschwächter Form durchaus ihre Bedeutung und wird auch heute noch (in Gestalt des Handlungsunwerts neben dem Erfolgsunwert) anerkannt. Der positive Einfluss auf die auch innere Respektierung der Rechtsgüter ist auf Dauer sicher der erfolgversprechendste Weg, wiederum die Rechtsgüter zu schützen, vgl. Jescheck / Weigend, AT, § 1 III 2 a.E. = S. 8. 71 So die Einordnung bei Koriath, GA 1999, 561, 571. 72 Vgl. Welzel, S. 4. Zur Einordnung in die Dogmengeschichte auch Amelung, Rechtsgüterschutz, S. 273 ff. 73 Vgl. Welzel, S. 4. „Nur über die Sicherung der elementaren sozialethischen Handlungswerte ist ein wirklich dauerhafter und durchgreifender Schutz der Rechtsgüter zu erreichen.“; überzeugend zur Interpretation Welzels im hier verstandenen Sinne bereits Hassemer, Theorie und Soziologie des Verbrechens, S. 88 ff. 74 Vgl. als monographische Behandlung in der jüngeren Zeit neben den Nachweisen in den vorausgegangenen Fußnoten noch Müssig, Schutz abstrakter Rechtsgüter und abstrakter Rechtsgüterschutz. 75 Differenzierend zur Leistungsfähigkeit der Rechtsgüterschutzkonzeptionen etwa Frisch, Stree / Wessels-FS, S. 69, 71 ff., Jakobs, AT, Abschn. 2 Rn. 14, 16; Pawlik, Das unerlaubte Verhalten beim Betrug, S. 46 ff.; Roxin, AT I, § 2 Rn. 5 ff.; Scheerer, in: Lüderssen (Hg.), Aufgeklärte Kriminalpolitik oder Kampf gegen das Böse? Bd. I, S. 179 f.; Schulz, in: Lüderssen (a. a. O.), S. 208, 221; Wohlers, GA 2002, 15 ff.; einige Einwände gegen die Rechtsgüterschutzlehre finden sich kurz zusammengestellt auch bei Staechelin, in: Lüderssen (a. a. O.), S. 239, 241 ff. 76 Damit hängt auch die rechtspolitische Bedeutung des Rechtsgüterschutzgedankens zusammen: Wird deutlich, dass für ein – vielleicht neu entstandenes oder erst neu klar entdeck-

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legung der Tatbestände, und dort liegt im Wesentlichen auch – wenn überhaupt – ihre vielfach beschworene „kritische Potenz“ zum Ausscheiden von zwar strafrechtlich geschützten, aber „eigentlich“ (i.S. einer systemtranszendenten Rechtsgüterlehre77) nicht schützenswerten Gütern. Daraus ergibt sich aber auch, dass die gegenwärtigen Schwerpunktfragen der Rechtsgutslehre – nämlich ihre kritische Potenz i.S. einer Leistungsfähigkeit zur Strafrechtsbegrenzung78 sowie die Wandelbarkeit des Rechtsbegriffs79 und dessen Entmaterialisierungstendenz80 – für die vorliegende Frage kaum von Bedeutung sind.81

tes – Rechtsgut noch keine (oder jedenfalls keine den veränderten Bedrohungsmöglichkeiten adäquaten) Schutzmechanismen bestehen, muss sich der Gesetzgeber die Frage stellen, ob die entsprechenden Güter gegen die jeweiligen Bedrohungswege auch strafrechtlich geschützt werden müssen; vgl. dazu am Beispiel der Computerkriminalität Sieber, Computerkriminalität und Strafrecht, passim, vertiefend zum Rechtsgutsbegriff insb. S. 254 ff. 77 Zur Unterscheidung von systemimmanenten und systemtranszendenten Rechtsgutskonzepten vgl. Hassemer, Theorie und Soziologie des Verbrechens, S. 19. 78 Vgl. neben den Nachweisen in den vorangegangenen Fußnoten exemplarisch für spezielle Deliktsbereiche Pott, KritV 1999, 91, 97 ff. (für die zuletzt mehrfach reformierten Sexualdelikte) sowie Bloy, ZStW 100 (1988), 485 ff. und Hohmann, GA 1992, 76 ff. (jeweils für die erst 1980 ins Kernstrafrecht des StGB aufgenommenen und hinsichtlich ihrer Schutzgegenstände – vor allem auf dem Boden einer personalen Rechtsgutslehre, wie Hohmann sie verfolgt – nicht ganz eindeutigen Umweltdelikte; vgl. dazu auch Kühl, in: Nida-Rümelin / v.d. Pforten [Hg.], Ökologische Ethik und Rechtstheorie, S. 245 ff., sowie speziell zu den Strafvorschriften des Naturschutzrechts Hefendehl, NuR 2001, 498 ff.). Differenzierend zur „kritischen Potenz“ im Laufe der Dogmengeschichte Amelung, Rechtsgüterschutz, S. 235 f. 79 Vgl. dazu etwa Appel, Verfassung und Strafe, S. 366 f.; Hassemer, Theorie und Soziologie des Verbrechens, S. 25 f. (der deswegen dem Ertrag dogmengeschichtlicher Untersuchungen zu diesem Thema auch kritisch gegenübersteht); Jakobs, AT, Abschn. 2 Rn. 21; Kindhäuser, in: Lüderssen (Hg.), Aufgeklärte Kriminalpolitik oder Kampf gegen das Böse? Bd. I, S. 263, 265; Otto, AT, § 1 Rn. 34; Roxin, AT I, § 2 Rn. 15; Scheerer, in: Lüderssen (a. a. O.), S. 179, 181 ff.; Stratenwerth, AT, § 2 Rn. 15, sowie ders., Lenckner-FS, S. 377 ff. (dort vor allem auch zur Unklarheit darüber, was der Begriff „Rechtsgut“ überhaupt umfassen soll). 80 Krit. zu dieser Entmaterialisierung etwa Hassemer, ZRP 1992, 278, 383, sowie ders., ZRP 1997, 316, 320; monographisch dazu zuletzt Krüger, Die Entmaterialisierungstendenz beim Rechtsgutsbegriff, der die Bereiche Wirtschafts-. Umwelt- und Straßenverkehrsstrafrecht sowie die Vorschriften zur Bekämpfung der Organisierten Kriminalität untersucht. 81 Dies gilt im Wesentlichen auch für die drei Wege zur „Begründung strafbarkeitsbegrenzender Rechtsgüter“ in der sorgfältigen Untersuchung von Appel, Verfassung und Strafe, S. 357 ff. (sowie im Wesentlichen identisch bei ders., KritV 1999, 278, 285 ff.). Auf die Möglichkeit einer „Anbindung an die tatsächliche Struktur und die Systembedingungen der Gesellschaft“ (a. a. O., S. 365 ff.) sowie einer „Anknüpfung an die Wert(e)ordnung des Grundgesetzes“ (a. a. O., S. 372 ff.; vgl. dazu auch Hefendehl, Kollektive Rechtsgüter, S. 48 ff.) wird allerdings mittelbar bei der Darstellung gesellschaftstheoretischer Legitimationskonzepte (unten S. 198 ff.) bzw. bei den verfassungsrechtlichen Grundlagen (unten S. 303 ff.) noch eingegangen. Speziell zu letzterer ist zu betonen, dass Appels Kritik an den vorhandenen (vermeintlichen) Ausrichtungen des Rechtsgutskonzepts an der verfassungsrechtlichen Werteordnung (vgl. dazu ferner auch krit. Naucke, in: Lüderssen (Hg.), Aufgeklärte Kriminalpolitik oder Kampf gegen das Böse? Bd. I, S. 156 ff.) in vielen Teilen überzeugen kann. 13 Kudlich

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Konkret: Soweit durch die berufsbedingte Handlung eine Straftat unterstützt wird, die sich – wie in vielen gängigen Lehrbuchfällen82 und teilweise auch in den Beispielsfällen aus der Rechtsprechung83 – gegen Rechtsgüter richtet, über deren Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit im Allgemeinen und gegen die vom unmittelbaren Verletzer gewählten Angriffsrichtung im Besonderen Einigkeit besteht, liegt insoweit kein Problem der Rechtsgutslehre vor. Soweit dagegen eine Haupttat einmal eine solche wäre, deren Bewertung als spezifisch strafrechtliches Unrecht bei einem kritischen Rechtsgutsverständnis problematisch erschiene,84 so ist zwar sicher auch die Strafbarkeit einer berufsbedingten Unterstützungshandlung zu dieser Tat sub specie einer kritischen Rechtsgutslehre bedenklich; es handelt sich dann aber eben um kein spezifisches Problem berufsbedingter Unterstützungshandlungen.

b) Konkreter und abstrakt-ideller Rechtsgüterschutz Aus dem Bereich der traditionell aufgeworfenen Fragen der Rechtsgutslehre könnte daher vor allem eine interessant sein: Was genau ist im Einzelfall das geschützte bzw. durch die Tat tangierte Rechtsgut oder aus anderem Blickwinkel: wer ist Träger des geschützten Rechtsgutes? Übereinstimmung besteht, dass das „Rechtsgut“ i. S. d. Rechtsgutslehre nicht das Tat- bzw. Handlungsobjekt ist (also nicht die weggenommene Sache, der getötete Mensch etc.).85 Weit weniger klar ist dagegen, ob Rechtsgut der „positive Zustand“ (also das Leben, das Selbstwertgefühl, das Eigentum etc.) einer individuellen natürlichen Person oder aber derjenige aller natürlichen Personen einer Rechtsordnung ist.86 Hierzu wurden und wer82 Man denke an die zu vergiftenden Brötchen (Rechtsgut Leben), den Schraubenzieher für den Einbrecher (Rechtsgut Eigentum) oder die Taxifahrt zum Ort eines Kapitaldelikts oder Einbruchdiebstahls. 83 In der Entscheidung BGH NStZ 2000, 34 war die Haupttat ein Betrug. Dass auch das Vermögen grundsätzlich als geschütztes Rechtsgut in Betracht kommt, dürfte heute weitgehend unbestritten sein und liegt – bei systemimmanenter Betrachtung – ersichtlich auch den §§ 253 ff. StGB zugrunde; die konkrete Angriffsrichtung eines Betrugs, der nicht zuletzt das blinde Gewinnstreben unerfahrener Geschäftsleute ausnutzte, könnte dagegen schon wieder kritischer gesehen werden. In der Entscheidung BGHSt 46, 107 ging es um Steuerhinterziehung. Hier haben zwar personale Rechtsgutskonzepte einigen Ableitungsaufwand zu leisten, aber auch die fiskalische Leistungsfähigkeit und Steuergerechtigkeit sind weitgehend akzeptierte Rechtsgüter. In der Entscheidung BGH NStZ 2001, 364 schließlich ging es um Tötungs- und Körperverletzungsdelikte und damit – von der Besonderheit einer staatlich organisierten Tötung in Unrechtsregimen einmal abgesehen – geradezu um das klassische, allgemein anerkannte Rechtsgut schlechthin. 84 Um in der Literatur als Problemfelder erachtete Bereiche zu wählen: Die Taxifahrt wird an einen Ort ausgeführt, an dem eine Tat nach § 264a StGB eingeleitet wird (Vorfeldtatbestände im Wirtschaftsstrafrecht), oder der Schraubenzieher soll verwendet werden, um ein Ölfass zu öffnen, das in einen Fluss geschüttet wird (Umweltschutzdelikte). 85 Statt vieler nur (diesen Unterschied ausdrücklich betonend) Otto, AT, § 1 Rn. 42. 86 Vgl. auch die Formulierung der Frage bei Koriath, GA 1999, 561, 566, sowie die Darstellung bei Jakobs, AT, Abschn. 2 Rn. 7 ff., der die Frage nach drei Unterfragen (Einzelner oder Staat als letztlich Begünstigter des „Schutzbetriebes“? Perspektive, aus der Schutzwürdigkeit festgelegt wird? Verfügungszuständigkeit über die Güter?) differenziert.

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den einerseits unterschiedliche Ansichten vertreten,87 andererseits ist auch die Verwendungsweise oft nicht genau festgelegt bzw. der Sprachgebrauch eher ein beide Möglichkeiten vereinigender als klar trennender.88 Letztlich dürften sich aber insoweit auch im Ergebnis keine Unterschiede ergeben, so dass diese Frage nicht entschieden werden muss (oder vielleicht gar keine echte Frage ist).89 Denn zum einen ist – worauf Jakobs zu Recht hinweist – mit der Entscheidung des durch ein Gut Begünstigten noch nicht die Verfügungszuständigkeit präjudiziert, die ja bei den sog. Individualrechtsgütern auch einhellig beim Einzelnen gesehen wird.90 Zum anderen ändert ein stärker überindividualistischer Rechtsgutsbegriff nichts daran, dass etwa für das Maß der Bedrohung die konkrete Situation des Einzelnen nicht außer Betracht bleiben kann: Ist z. B. in einer bestimmten Situation das Leben des Einzelnen nicht oder nicht in einer strafrechtlich relevanten Weise bedroht, so ist es wenig sinnvoll zu sagen, das „Rechtsgut Leben“ i. S. d. Lebens aller Mitglieder einer Rechtsgemeinschaft wäre relevant bedroht, wenn auch jeder andere in der Situation des „Opfers“ keine (strafrechtlich relevante) Bedrohung seines Lebens fürchten müsste bzw. geltend machen könnte. Wird in einer bestimmten Situation das Eigentum einer Person in einer strafrechtlich nicht relevanten Weise (etwa durch bloße vorübergehende Sachentziehung) tangiert, kann auch nicht ein überindividuelles Rechtsgut Eigentum in strafrechtlich relevanter Weise bedroht sein. Allgemeiner ausgedrückt: Wenn danach gefragt wird, ob ein bestimmtes Verhalten ein Rechtsgut beeinträchtigt, kann die Antwort nicht unterschiedlich danach ausfallen, ob man auf das konkrete Gut der als Opfer in Betracht kommenden Person oder auf das überindividuelle Gut der Rechtsgemeinschaft abstellt. Das überindividuelle Gut ist ebenfalls nur dann in strafrechtlich relevanter Weise tangiert, wenn es auch ein Gut einer konkreten Person ist; oder andersherum: in einer Situation, in der das Gut einer konkreten Person (oder auch beliebig anderer Personen, die sich in der vergleichbaren Lage befinden würden) nicht (strafrechtlich relevant) gefährdet wird, wird auch der strafrechtliche Geltungsanspruch eines überindividuellen Rechtsguts nicht bedroht. Diese Aussage bedarf freilich zweier Prämissen, die aber konsensfähig sein dürften und nur Selbstverständliches zur Vorwegnahme oberflächlicher Einwände klarstellen sollen:

87 Besonderes deutlich etwa – wie oft – Binding: „Angriffsobjekt der Tötung ist fremdes Leben, nicht ,das Interesse der Hinz oder Kunz an ihrem Leben‘ “, vgl. Die Normen und ihre Übertretung, Bd. I, S. 360. 88 Vgl. nur die Definition Roxins, AT, § 2 Rn. 9 (Hervorhebungen hier), der einerseits auf „Gegebenheiten und Zwecksetzungen, die dem einzelnen“ nützlich sind, abstellt, diese Aussage aber durch den „Rahmen eines auf dieser Zielvorstellung aufbauenden sozialen Gesamtsystems“ relativiert, so dass letztlich beide Komponenten zusammenspielen. 89 Ähnlich auch Koriath, GA 1999, 516, 566, jedenfalls wenn „die unterschiedlichen Designate stets beachtet werden“ und daher keine Verwechslungsgefahr besteht. 90 Vgl. Jakobs, AT, Abschn. 2 Rn. 11; anders wäre etwa die zumindest für eine Reihe von Delikten einhellig anerkannte Möglichkeit der (nach h. M. rechtfertigenden) Einwilligung nicht denkbar.

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(a) Wenn hier vom „Gut einer konkreten Person“ gesprochen wird, sind damit natürlich alle möglicherweise (konkret) betroffenen Personen gemeint. Ist durch eine Tat zwar das Leben des X nicht in strafrechtlich relevanter Weise bedroht worden, wohl aber des Y, so spricht deshalb nicht gegen die oben im Text getroffene Aussage, dass zwar nicht das konkrete Leben des X, wohl aber ein überindividuell gedachtes Rechtsgut „menschliches Leben“ betroffen ist. (b) Bei sog. abstrakten Gefährdungsdelikten91 wird die Beurteilung der Gefährdung eines „Gutes einer konkreten Person“ u.U. dadurch anschaulicher, dass eine hypothetische Person X hinzugedacht wird, die der („abstrakt gefährlichen“92) Situation ausgesetzt ist.93 Hinsichtlich des überindividuellen Rechtsgutes (das ja in gleicher Weise nur „abstrakt gefährdet“ ist), stellt sich dieses Anschaulichkeitsproblem nicht oder genauer gesagt: bei abstrakten Gefährdungsdelikten nicht in einer spezifisch anderen Weise als sonst, da hier ohnehin schon eine abstrakte Betrachtung vorgenommen wird; die „doppelte Abstraktion“ führt hier deshalb zu keinem Unterschied.

Dies hat gewisse Konsequenzen für die hier untersuchte Fragestellung. Soweit man dem Gedanken folgt, dass wegen der zumeist ubiquitären Verfügbarkeit der Leistungen, die bei berufsbedingten Unterstützungshandlungen dem unmittelbaren Verletzer zugute kommen, eine nennenswerte Steigerung der Gefahr für das Rechtsgut nicht vorliegt,94 kann dem nicht entgegengehalten werden, dass dies ein „zu konkret verstandener Rechtsgüterschutz“ sei95 oder die „normgeltungserschütternde Wirkung einer solchen Unterstützung vernachlässigt werde“.96 Auf die Konkretheit oder Abstraktheit des Rechtsgüterschutzverständnisses kommt es nämlich – wie gezeigt – gerade nicht an, weil beim Fehlen einer individuellen Gefährdung (bzw. umgekehrt: Chancenverbesserung durch die Strafandrohung) auch eine überindividuelle Gefährdung (bzw. umgekehrt: Chancenverbesserung durch die Strafandrohung) entfällt. Es kann nicht Aufgabe des Strafrechts sein, überindividuell ein Rechtsgut gegen Bedrohungen zu schützen, die in einer individuellen 91 Gemeint sollen hier diejenigen Delikte sein, die üblicherweise als „abstrakte Gefährdungsdelikte“ bezeichnet werden, wie z. B. §§ 231, 306a oder 316 StGB. Ob diese Bezeichnung und die damit zusammenhängenden tradierten Kategorien nicht kritisch überdacht werden sollten (weiterführend dazu Wohlers, Deliktstypen des Präventionsstrafrechts – zur Dogmatik „moderner“ Gefährdungsdelikte, insb. S. 281 ff., 296 ff., sowie Zieschang, Die Gefährdungsdelikte, insb. S. 346 ff.), muss hier nicht vertieft werden. 92 Krit. zum Begriff der „abstrakten Gefahr“ Hilgendorf, ZStW 113 (2001), 650, 662 f. 93 Also dass man sich z. B. zur Verdeutlichung des Gefahrenpotentials der Tathandlungen § 316 StGB gerade eine Person vorstellt, die sich in der Nähe des betrunkenen Fahrers auf der Straße befindet (was für die Vollendung des Tatbestandes keineswegs erforderlich ist). 94 Ob man diesem Gedanken folgen muss, ist damit freilich noch nicht entschieden; man könnte dies gerade unter dem Gesichtspunkt eines optimierten Rechtsgüterschutzes auch ablehnen. Zur Frage, ob sich hieraus aus der allgemeinen Rechtsgüterlehre etwas ableiten lässt, vgl. auch den weiteren Text. 95 So der Einwand Wohllebens, S. 75 ff., dazu schon o. S. 105. 96 So der Einwand Wohllebens, S. 80 f. (Vernachlässigung der sozialpädagogischen Wirkung des Strafrechts) und Amelungs, Grünwald-FS, S. 9, 15. Dazu ebenfalls schon o. S. 105.

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Ausprägung niemals strafrechtliche Relevanz hätten.97 Daraus ergibt sich auch, dass die Normtreue nicht (jedenfalls aber nicht in zu berücksichtigender Weise) dadurch gestärkt wird, dass Verhaltensweisen verboten würden, die als solche das Rechtsgut nicht relevant bedrohen. Es wäre sinnlos, „Normtreue“ mit Blick auf ein Verhalten einzuüben, das Rechtsgüter in der konkreten, anhand der Norm zu beurteilenden Situation, nie (strafrechtlich relevant) tangieren kann. Denn selbst wenn sich alle Bürger in der vergleichbaren Situation genauso verhalten, würden dadurch keine strafrechtlich relevanten Rechtsgutsbeeinträchtigungen erfolgen oder in der Terminologie Jakobs’: keine Strafrechtsgüter verletzt.98

c) Konsequenzen für das Problem neutraler Unterstützungshandlungen Neben dieser Frage nach eher konkretem oder überindividuellem Rechtsgüterund damit auch Rechtsgüterschutzverständnis sind nur noch ganz allgemeine Konsequenzen aus dem Rechtsgüterschutzdogma für unseren Untersuchungszweck zu ziehen. Strafrecht dient dem Schutz von Rechtsgütern. Wenn ein geschütztes Rechtsgut in einer strafrechtsrelevanten Weise angegriffen wird, folgt daraus nach gängiger Überzeugung grundsätzlich die Strafbarkeit des Verhaltens.99 In den hier interessierenden Fällen liegt nun zum einen eine (Haupt-)Tat des unmittelbaren Verletzers und damit (zumindest bei systemimmanenter Betrachtung) eine Rechtsgutsverletzung vor. Zum anderen ist in den hier interessierenden Fällen das „Verhältnis“ des mittelbar verursachenden Berufsträgers zu dieser Verletzung – sei es die vorsätzliche Unterstützung dieser Verletzung, sei es die fahrlässige Mitverursachung des Verletzungserfolges100 – auch eines, das üblicherweise einen strafrechtsrelevanten Angriffsweg101 auf das geschützte Rechtsgut darstellt. In solchen Fällen 97 Vgl. auch Amelung, Rechtsgüterschutz, S. 175: Die unterschiedliche Auffassung, ob speziell das „Menschenleben des X“ oder das „menschliche Leben überhaupt“ geschützt werde, sei jedenfalls insoweit unerheblich, als Letzteres nicht mehr als die „Summe“ aller Einzelleben darstellen könne. Offenbar (vgl. soeben Fußn. 96) zieht Amelung aus dieser zutreffenden Erkenntnis aber nicht die gleichen Schlüsse, wie es hier geschieht. 98 Vgl. Jakobs, AT, Abschn. 2 Rn. 2 – 5. 99 Differenzierend in neuerer Zeit Lesch, Verbrechensbegriff, passim, der in diesem „Hintereinander“ von Rechtsgutsverletzung und Strafe nur einen kategorialen, nicht aber einen funktionalen Zusammenhang sieht, da die konkrete Beeinträchtigung des Rechtsguts in diesem Moment ja bereits abgeschlossen und Schutz daher nicht mehr möglich sei, vgl. bereits o. Fußn. 59. 100 Also anders ausgedrückt: all die Beteiligungsmöglichkeiten, die im 1. Teil (zusammenfassend S. 66 f.) als denkbare Fälle einer strafbaren „Unterstützung“ aufgezeigt wurden; dies waren die Teilnahme, die fahrlässige Verursachung neben einem anderen (insb. vorsätzlich handelnden) Täter sowie bei einzelnen entsprechend formulierten Tatbeständen auch die eigenständige täterschaftliche Begehung trotz Abhängigkeit von fremdem deliktischen Verhalten. 101 Zum Bild des „Angriffsweges“ vgl. Staechelin, in Lüderssen (Hg.), Aufgeklärte Kriminalpolitik oder Kampf gegen das Böse?, Bd. I, S. 239 ff.

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einer „normalerweise“ strafrechtlich relevanten Beziehung zu einer eingetretenen Rechtsgutsverletzung besteht daher prima facie durchaus ein gewisser „Hinweis“ auf die Strafbarkeit, oder anders ausgedrückt: die „Argumentationslast“ liegt eher bei demjenigen, der die Straflosigkeit „behauptet“.102 Andererseits hat bereits eine nur wenig vertiefte Betrachtung des Rechtsgüterschutzdogmas gezeigt, dass Rechtsgüter strafrechtlich nicht umfassend geschützt sind. Es besteht kein Automatismus zwischen Rechtsgutsbeeinträchtigung und Strafbarkeit; und dies bezieht sich nicht nur auf die Auswahl der Rechtsgüter, sondern ganz selbstverständlich auch auf die Angriffswege.103 Es wäre daher keine Kadijustiz contra legem, sondern durchaus ein Vorgehen mit anderen Vorbildern in der Strafrechtsdogmatik, berufsbedingte Unterstützungshandlungen unter bestimmten Voraussetzungen straffrei zu stellen, falls sich begründen lässt, dass es sich insoweit um nicht strafwürdige bzw. -bedürftige „Angriffswege“ auf das Rechtsgut handelt.104 Dies könnte gerade wegen des Prinzips des Rechtsgüterschutzes und seiner legitimierenden Funktion insbesondere dann der Fall sein, wenn durch eine Strafdrohung der Schutz nicht oder zumindest nicht nennenswert verbessert wird. Insoweit spricht unter Rechtsgüterschutzaspekten durchaus manches dafür, den verfassungsrechtlich geprägten Verhältnismäßigkeitsüberlegungen105 ebenso wie der Frage der Berücksichtigungsfähigkeit hypothetischer Ersatzursachen nochmals besonderes Augenmerk zu widmen und zu prüfen, ob diese nicht zu Strafbarkeitsbeschränkungen führen könnten.

2. Gesellschaftstheoretische Ansätze Ergänzend neben106 die Rechtsgutslehre sind in der Vergangenheit immer wieder stärker gesellschaftstheoretische Ansätze zur Erklärung der Aufgabe des Strafrechts getreten. Sie betonen die Bedeutung des Strafrechts nicht (nur) für den Schutz von Gütern, sondern für den Bestand bzw. das „Funktionieren“ der Gesellschaft. Zwei einflussreichere Konzeptionen, die auch einen gewissen Ertrag für unser Sachproblem versprechen, sollen im Folgenden kurz skizziert werden: 102 In diesem Sinne auch – ausgehend vom Wortlaut des § 27 StGB, von dessen grammatischer Auslegung die Fälle erfasst würden und dessen systematische und historische Auslegung wenig gegenteilige Aussagekraft entfalten – Wohlleben, S. 126 f. 103 Ein schon im Gesetzestext leicht erkennbares Beispiel bietet das Eigentum. Dieses ist zwar durchaus strafrechtlich geschützt, aber – von wenigen Ausnahmen abgesehen – nicht gegen die bloße vorübergehende Entziehung (was dagegen z. B. im Zivilrecht für einen Schadensersatzanspruch nach § 823 I BGB wegen Eigentumsverletzung unproblematisch genügen würde, wenn die übrigen Voraussetzungen nachgewiesen werden können). 104 Zu den formal-verfassungsrechtlichen und methodischen Grenzen, die insoweit dann noch zu berücksichtigen sind (aber im Ergebnis keine unüberwindbare Hürde darstellen), vgl. näher unten S. 246 ff. 105 Vgl. näher unten S. 289 ff. 106 Vgl. jeweils den Text zu Fußn. 114 und zu 126.

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a) Die Sozialschädlichkeit einer Handlung als Legitimation In seiner umfangreichen Monographie über „Rechtsgüterschutz und Schutz der Gesellschaft“ entwickelt Amelung nach einer ausführlichen, dogmengeschichtlich fundierten Auseinandersetzung mit der Rechtsgutslehre sein Modell eines Verbrechensbegriffs107 auf der Grundlage des Gedankens der „Sozialschädlichkeit“. 108 Im Vordergrund steht dabei nicht die Verletzung von Gütern, sondern die Schädigung der Gesellschaft in ihrer Selbsterhaltungsfunktion. Damit ist Amelungs Ansatz auch Teil (bzw. Vorreiter) einer größeren Entwicklung innerhalb der Rechtsgutslehre, die sich um die Berücksichtigung empirischen Wissens bemüht (und sich deshalb u. a. auch für die Sozialschädlichkeit interessiert).109 Ausgangspunkt von Amelungs Überlegungen ist die soziologische Beschreibung der Gesellschaft als Interaktionssystem. Wie alle sozialen Systeme löse auch sie ihr „Bestandsproblem“ durch die Bildung selbsterhaltender Strukturen.110 Die Strukturmerkmale des Systems (z. B. die Normen in der Gesellschaft) seien also nach ihrer Funktion auf deren Erhaltung gerichtet. Dysfunktional dazu und damit sozialschädlich sei deshalb „ein Sozialphänomen, das es verhindert oder erschwert, daß das Sozialsystem der Gesellschaft die Probleme seines Fortbestandes bewältigt.“ Die Aufgabe des Strafrechts sei in diesem Zusammenhang, solchen Sozialphänomenen „als ein Mechanismus der sozialen Kontrolle entgegenzuwirken.“111 Da 107 Der Zusammenhang zwischen Definition des Verbrechensbegriffs und Legitimation des Strafrechts ergibt sich zwanglos daraus, dass „Verbrechen“ und „Strafe“ gewissermaßen zwei Stufen eines gesellschaftlichen Geschehens bezeichnen. So wird das heute in Deutschland von seiner Rechtsfolge her als „Strafrecht“ bezeichnete Gebiet in anderen Ländern (und wurde auch in Deutschland in früheren Epochen) von seinem Gegenstand her als „Kriminalrecht“ bezeichnet (vgl. z. B. im Englischen die Bezeichnung „criminal law“). 108 Vgl. Amelung, Rechtsgüterschutz, S. 330 ff., insb. S. 350 ff. Kritisch zu Amelungs im Folgenden kurz nachgezeichneten Überlegungen Koriath, GA 1999, 561, 572 f., der zwar eine gewisse Plausibilität der globalen soziologischen Schemata anerkennt, die Kausalzusammenhänge zwischen singulären Verbrechen und gesellschaftlichen Veränderungen aber nicht ausreichend dargetan sieht. Solle es sich demgegenüber um eine solche Zusammenhänge nicht thematisierende „Soziologische Makrotheorie“ handeln, würde ihr die Pragmatik der Rechtsgüterlehre weitgehend fehlen. 109 Zu dieser allgemeinen Tendenz Hassemer, Einführung in die Grundlagen des Strafrechts, S. 25 f., sowie Sieber, Computerkriminalität und Strafrecht, S. 264. Kennzeichnend für diese Tendenz zur Berücksichtigung empirischen Wissens soll nach Hassemer sein, dass überhaupt über das Strafrecht hinaus (und dabei insbesondere auf die Sozialwissenschaften) geblickt wird, dass Auswirkungen über das Opfer hinaus verlangt werden (was u. a. zum Gesichtspunkt der Sozialschädlichkeit führt) und dass dadurch ein Forschungsbedarf zur Erlangung solcher empirischer Kenntnisse entstanden ist. Eine gesonderte Darstellung gerade von Amelungs Konzept rechtfertigt sich aber nicht nur auf Grund der relativ frühen und ausführlichen Begründung dieser Sichtweise, sondern auch, weil Amelung gegenüber der Rechtsgutslehre i.e.S. stärker systemtheoretisch argumentiert. 110 Vgl. Amelung, Rechtsgüterschutz, S. 356 f.; zu diesem Gedanken aus strafrechtlicher Sicht auch Schmidhäuser, AT, Kap. 1 Tz. 6 („Sachzwänge, [ . . . ], die die Existenz jeder Großgesellschaft mit sich bringt, soweit sie ihre eigene Fortexistenz sichern will.“)

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auch die Anwendung des Strafrechts sich an dieser Aufgabe orientieren müsse, ergebe sich aus einem an den konkreten Gegebenheiten der jeweiligen Gesellschaft orientierten „objektivierbaren Begriff der Sozialschädlichkeit“ eine Auslegungshilfe für strafrechtliche Normen.112 Weil eine einzelne Tat in aller Regel nicht geeignet sein könne, das Sozialgefüge zu erschüttern und damit den Bestand der Gesellschaft zu gefährden, sei schließlich stets zu fragen, ob das betreffende Verhalten bei einer „Generalisierung“ zur gesellschaftlichen Desorganisation führen könne.113 Das Verhältnis seiner Sozialschadenslehre zur Rechtsgutslehre beschreibt Amelung selbst so,114 dass erstere zwar in manchen Bereichen vorzugswürdig, aber kein vollständiger Ersatz für letztere sei, da der Zweck einer Norm (der von der von Amelung selbst in den Vordergrund gestellten Funktion zu unterscheiden ist) und die Bewertung als Gut in der Rechtsgüterlehre besser zu treffen sei. Daher sei die Rechtsgutslehre grundsätzlich beizubehalten. Wo unscharfe Ränder bestünden, könnte sie aber durch Überlegungen einer sozialen Funktionsanalyse ergänzt werden. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass die Orientierung an festen Gütern im Einzelfall die Diskussion darüber verhindert, ob die Tötung eines bestimmten Menschen oder die Zerstörung einer bestimmten Sache denn wirklich „sozialschädlich“ sei – eine Diskussion, die ihrerseits zumindest geeignet ist, den sozialen Frieden zu stören und damit selbst schädlich wirkt.115 b) Die kontrafaktische Stabilisierung von Verhaltenserwartungen als Legitimation Einen weiteren, ergänzenden gesellschaftstheoretischen Ansatz zur Aufgabe des Strafrechts hat Jakobs formuliert,116 der dabei auf rechtssoziologischen Über111 Vgl. Amelung, Rechtsgüterschutz, S. 361. Vgl. auch a. a. O., S. 386: „Sozialschädlich ist das Verbrechen als Störung eines sozialen Systems, und alle Folgen einer Straftat müssen daher in die Kategorien des sozialen Systems übersetzt werden.“ (Hervorhebung dort). 112 Vgl. Amelung, Rechtsgüterschutz, S. 268, 370, 372; zweifelnd gegenüber der Möglichkeit eines solchen „objektivierbaren Begriffs der Sozialschädlichkeit“ Frisch, Stree / WesselsFS, S. 69, 77: Entweder sei sozialschädlich mit verbotswidrig gleichzusetzen, da auch das Recht eine soziale Erscheinung sei; dann aber liege darin kein zusätzlicher Erkenntnisgewinn. Oder aber die Sozialschädlichkeit bezeichne die „maßgebliche qualitative Gemeinsamkeit jenes engeren Kreise verbots- oder gesetzeswidrigen Verhaltens, das Strafeinsatz legitimiert“; dann fehle dem Begriff aber mangels ausreichend scharfer Konturen ebenfalls ein Erkenntniswert, jedenfalls gehe dieser nicht über die tradierten Kriterien der Strafwürdigkeit und Strafbedürftigkeit (vgl. zu diesen auch Otto, ZStW 96 [1984], 339, 346, 348; skeptisch zum Wert dieser Unterscheidung Volk, ZStW 97 [1995], 871, 894 ff.) hinaus. 113 Vgl. Amelung, Rechtsgüterschutz, S. 387 f. 114 Vgl. Amelung, Rechtsgüterschutz, S. 393 ff. 115 Vgl. auch Jakobs, AT, Abschn. 2 Rn. 24. 116 Vgl. aus mehreren einschlägigen Beiträgen hier die prägnante Darstellung in seinem Lehrbuch zum Allgemeinen Teil, Abschn. 2 Rn. 4 ff.

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legungen insbesondere von Luhmann aufbaut und dessen Konzeption Jakobs’ Schüler Lesch in der jüngeren Vergangenheit zu einer „funktionalen Revision des Verbrechensbegriffs“ ausgebaut hat.117 Im vorliegenden Zusammenhang ist die Konzeption nicht zuletzt deswegen interessant, weil sie – wie oben schon dargestellt118 – von Jakobs (sowie in neuerer Zeit auch von Lesch119) gerade auch in ihren Auswirkungen auf die hier interessierende Fragestellung „weitergedacht“ wurde. Ausgangspunkt von Jakobs’ Überlegungen ist die Annahme, der Mensch könne sich in seiner Umwelt nur zurechtfinden, wenn er gewisse Regelmäßigkeiten erkenne. Damit nicht jeder Kontakt innerhalb einer Gesellschaft zu einem „unkalkulierbaren Risiko“ werde, müssten bestimmte Erwartungen (zumindest regelmäßig) erfüllt werden.120 Werde eine solche Erwartung nun enttäuscht, entstehe ein Konflikt, der in irgendeiner Weise gelöst werden müsse. Die Besonderheit an normativen Erwartungen sei nun, dass sie im Falle ihrer Enttäuschung nicht ohne weiteres preisgegeben werden müssten, sondern kontrafaktisch stabilisiert werden könnten. Dazu müsse der Verantwortliche für den Konflikt gefunden und der Konflikt „auf seine Kosten“ ausgetragen werden. Dies geschehe dadurch, dass durch die Zurechnung als Delikt „die Ursache eines Konfliktes durch Vereinzelung des Urhebers . . . auszumachen, genauer, zu definieren“ sei; „denn dem Zurechnungsadressaten wird bei voller Zurechnung die immer gegebene Möglichkeit eines weiteren Regresses auf die Genese seines Wollens . . . nicht gestattet.“121 Und wenn der Verantwort117 Vgl. Lesch, Verbrechensbegriff, insb. S. 186 ff: Aufgabe des Strafrechts sei nicht Verhaltenssteuerung, sondern Erwartungssicherung. Jakobs in weiten Teilen ebenfalls zustimmend Müssig, Schutz abstrakter Rechtsgüter und abstrakter Rechtsgüterschutz, S. 141 ff. (Strafe als „Mechanismus der kontrafaktischen Stabilisierung von Verhaltenserwartungen“ und Mittel zur „Garantie der Norm bzw. Rechtsgeltung“) und Pawlik, Das unerlaubte Verhalten beim Betrug, S. 56 ff. (Straftat als „Gegen-Weltentwurf“), der aber seinerseits in einer Verschiebung der Beobachterperspektive „innerrechtliche“ Erklärungen noch stärker gegenüber „außerrechtlichen“ berücksichtigen will (vgl. S. 61). 118 Vgl. o. S. 86 ff. Im Folgenden wird Jakobs’ Konzeption auch nur recht knapp dargestellt, soweit etwa ihre soziologischen Grundlagen oben schon erwähnt wurden. Ein kurzer Abriss soll aber dennoch erfolgen, da die Darstellung oben etwas andere Ziele verfolgte als hier. 119 Vgl. Lesch, JR 2001, 383 ff. Zur Entscheidung BGHSt 46, 238 (Beihilfe zur Steuerhinterziehung durch Bankmitarbeiter) sowie – allerdings unter weniger starker Anknüpfung an diese theoretischen Prämissen – ders., JA 2001, 986 ff. 120 Vgl. Jakobs, AT, Abschn. 2 Rn. 4. Insoweit besteht eine Übereinstimmung mit Standpunkten der neueren Rechtsethologie, die zu den evolutionsbiologischen Grundlagen des Rechts darauf hinweist, dass die kulturelle Normschöpfung für den Menschen erforderlich wurde, um die Unberechenbarkeit seiner Artgenossen auszugleichen, die entwicklungsgeschichtlich auf Grund der Zunahme an neuronaler Plastizität und damit zugleich der Befreiung von genetisch vorprogrammierten Verhaltensweisen entstand. Neuronal gesteuerte „Regelbildung wird somit zu einem funktionalen Äquivalent der genetischen, instinktfixierten Verhaltensregelung.“, vgl. m. w. N. von Rohr, Evolutionsbiologische Grundlagen des Rechts, S. 124 f. 121 Vgl. Jakobs, ZStW 89 (1977), 1, 19 unter Bezugnahme auf Luhmann.

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liche so gefunden wurde, „sperrt (sc. man) den Übeltäter zur Demonstration der Fehlerhaftigkeit seines Verhaltens ein.“122 Diese starke Betonung einer „Integrationswirkung“ des Strafrechts bzw. die Aufgabe der Gewährung von Orientierungssicherheit werden teilweise als Anzeichen dafür gesehen, dass Jakobs’ Konzeption gegenüber der bloßen Rechtsgutidee weniger kritische Potenz hätte und durch die Verbreiterung des Aufgabenfeldes des Strafrechts auch eine weiterreichende Legitimation staatlichen Strafens ermögliche.123 Dies ist – wenn man die Legitimation alternativ über den Schutz eines Rechtsgutes oder die Sicherung von Erwartungen zulässt – wohl teilweise richtig, soweit es um die Schutzgegenstände geht; hier kann der Strafrechtsschutz von Werten, deren Einordnung als „Rechtsgut“ grenzwertig ist, legitimiert werden, wenn diese ausreichend tief in einer Gesellschaft verwurzelt sind, so dass eine Erwartungshaltung hinsichtlich ihrer Beachtung besteht, die im Falle ihrer Enttäuschung desorientierend zu wirken droht.124 Umgekehrt zeigt aber gerade Jakobs’ sehr weitreichende Haltung zur Straflosigkeit von Alltagshandlungen,125 dass seine Sichtweise im Einzelfall eher ermöglicht, bei der Frage nach einem strafrechtlich relevanten Angriffsweg auf einen möglichst lückenlosen Schutz der jeweiligen Güter zu verzichten, wenn mangels sozialer Zuständigkeit das Unterlassen eines im Ergebnis schadensverursachenden Verhaltens nicht erwartet werden kann.

Auch Jakobs sieht – ebenso wie Amelung – in seinem Ansatz möglicherweise eher eine Ergänzung als eine Ablösung der Rechtsgutslehre, da es nach seiner Ansicht trotz ihrer prinzipiellen Mängel „keinen Gewinn (sc.: verspricht), diese Lehre überhaupt zu verwerfen“.126 Vielmehr billigt er der Rechtsgutslehre etwa ihren Nutzen dabei zu, im Einzelfall keine Frage über den Wert des verletzten Gutes aufkommen zu lassen. Darüber hinaus dürfte das von Jakobs in den Mittelpunkt Vgl. Jakobs, AT, Abschn. 2 Rn. 6 Vgl. Scheerer, in: Lüderssen (Hg.), Aufgeklärte Kriminalpolitik oder Kampf gegen das Böse? Bd. I, S. 179, der Jakobs infolge dessen als „Vertreter von eher autoritär-etatistischen und technokratischen Grundhaltungen“ bezeichnet. 124 Als Beispiel sei hier der in Einzelfällen strafrechtlich abgesicherte Tierschutz (vgl. § 17 TierschutzG) genannt, bei dem die traditionelle Rechtsgutslehre erhebliche Einordnungsschwierigkeiten hat und selbst ein sonst so begnadeter Vermittler und Erklärer wie Roxin auf die etwas nebulöse Formel von „fremden Brüdern“ zurückgreifen muss, die der Gesetzgeber in einer „Art von kreatürlicher Solidarität“ einem besonderen Schutz unterworfen habe, vgl. AT, § 2 Rn. 21. 125 Vgl. o. S. 88 f. 126 Vgl. Jakobs, AT, Abschn. 2 Rn. 24. Freilich betont Jakobs – was in der Sekundärliteratur zumeist unterschlagen wird – diesen Nutzen der Rechtsgutslehre nicht gegenüber seinem Modell der Erwartungssicherheit, sondern gegenüber dem Versuch „stets und ohne Vermittlung über ein Rechtsgut das Delikt durch die Sozialschädlichkeit des Verhaltens zu bestimmen“. Für die hier vorgenommene Interpretation spricht im Übrigen aber auch, dass Jakobs sein Modell nicht im unmittelbaren Zusammenhang mit seiner Kritik an der Rechtsgutslehre, sondern in einer Passage über generalpräventive Straftheorien darstellt. Noch kritischer wohl Jakobs’ Schüler Müssig, Schutz abstrakter Rechtsgüter und abstrakter Rechtsgüterschutz, S. 170 ff., der den klassischen Rechtsgüterbegriff als „positivistisch verkürzt“ empfindet, da er die für das Strafrecht besonders wichtige kommunikative Ebene vernachlässige und stattdessen die „Sozietät in ihre Güter (sc. atomisiert)“, allerdings das Rechtsgut zumindest als „dogmatischen Begriff“ noch zulässt. 122 123

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gerückte Interesse an stabilen und zutreffenden Verhaltenserwartungen zumindest nicht allein (wahrscheinlich sogar nicht einmal in erster Linie) in einer grundsätzlichen „Ordnungsliebe“ und einem „Stabilitätsbedürfnis“ des Menschen begründet liegen, sondern gerade in der Furcht, dass die Erwartung in einer Weise enttäuscht wird, die zu einer Einbuße an Gütern führt.127 Das liegt beim persönlichen Sicherheitsbedürfnis hinsichtlich persönlicher Güter auf der Hand; aber selbst bei einzelnen Straftaten gegen den öffentlichen Frieden mag die (zugegebenermaßen manchmal etwas irrationale) Befürchtung bestehen, dass jemandem, „dem gar nichts heilig“ ist, auch vor einem Übergriff auf die eigenen Rechtsgüter nicht zurückschreckt.

c) Konsequenzen für das Problem neutraler Unterstützungshandlungen Sowohl dem Gedanken der Sozialschädlichkeit als auch dem der Erwartungsstabilisierung kann sicher eine ergänzende Bedeutung zum Rechtsgüterschutzdogma zukommen. Denn unabhängig davon, wie man zum Modell von Interaktion und Destrukturierungsgefahr im Allgemeinen steht, dürfte zunächst weitgehend konsensfähig sein, dass die Frage nach der Sozialschädlichkeit i.S. eines zusätzlichen, über die bloße Wertwidrigkeit hinausgehenden128 Kriteriums sinnvoll ist,129 um die Festlegung von geschützten Gütern argumentativ zu unterstützen;130 und wo diese vorstrafrechtlich schwer fassbar sind, kann der Gedanke einer Erwartungsstabilisierung wertvolle Erklärungsdienste leisten. Beide Gedanken könnten ferner in ihrer Abweichung von bzw. Ergänzung der Rechtsgutslehre gewisse Hinweise auch speziell für die hier interessierende Frage liefern. Freilich sind sie dazu jeweils näher auf ihre Stichhaltigkeit zu überprüfen: 127 Ähnlich die Einschätzung bei Roxin, AT I, § 2 Rn. 45. Ganz krass ausgedrückt: Mein Interesse an erwartungssicherem Verhalten meiner Mitmenschen besteht viel stärker darin, dass diese aus meinem versehentlich unverschlossenen Wagen nicht Ausweise, Kamera und Geld entwenden, als darin, dass sie nicht eine zweite Kamera und ein Bündel Bargeld dazu legen. Im letzteren Fall könnte man auch kaum von einer „Enttäuschung“ der Verhaltenserwartung sprechen! 128 Vgl. zum Begriffspaar sozialschädlich / wertwidrig Jakobs, AT, Abschn. 2 Rn. 25, der anschaulich von einem „zusätzlichen Filter“ spricht. 129 Dies mag auch der Kern des Sozialschädlichkeitsgedankens sein, den Hassemer (vgl. o. Fußn. 109) generell in der neueren Rechtsgutsdiskussion zu erkennen glaubt. 130 Eine solche „Unterstützung“ erscheint umso wichtiger, als diese Festlegungen mit den Mitteln der Logik nicht vollständig begründbar sind, wenn man zwei Prämissen zugrunde legt: Zum einen die praktische Unmöglichkeit einer letztverbindlichen Argumentation mit den Mitteln des rationalen Diskurses (vgl. zur allgemein-philosophischen Kritik daran Lueken, Inkommensurabilität als Problem rationalen Argumentierens, insb. S. 348; speziell zur juristischen Argumentation Christensen / Kudlich, Theorie richterlichen Begründens, S. 58 ff., 236 f.); zum anderen die empirische Unbegründbarkeit von ethischen Forderungen (vgl. dazu grundlegend Dubislav, in: Hilgendorf [Hg.], Wissenschaftlicher Humanismus, S. 236 ff.).

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(1) Zwar ist die Sozialwidrigkeit sicher kein dem sozialen Frieden dienendes Korrektiv, wenn bei jedem tangierten Gut in Frage gestellt würde, ob sein Träger ausreichend sozialnützlich ist;131 und selbstverständlich erlaubt auch dieser Begriff keine einfache Deduktion zu unantastbaren Ergebnissen.132 Es spricht aber nichts dagegen, wenn bestimmte verbreitete Verhaltensweisen in der Gesellschaft darauf hin überprüft werden, ob sie als sozialschädlicher Angriffsweg auf das geschützte Rechtsgut erachtet werden. Insoweit handelt es sich gerade um einen – wie das Ausmaß der Diskussion zeigt – unscharfen Randbereich, in dem i.S. Amelungs eine Auslegungshilfe erfolgen könnte. Legt man dies zugrunde, ist bei den berufsbedingten Verhaltensweisen wieder zu beachten, dass ihre Ausübung als solche (d. h. losgelöst von dem deliktischen Erfolg) regelmäßig gerade in hohem Maße sozial erwünscht ist.133 Ihre Erschwerung durch die weite Ausdehnung der Strafbarkeit wäre daher sogar ihrerseits in gewisser Weise sozialschädlich, während umgekehrt der gesellschaftsstabilisierende Wert einer strafrechtlichen Intervention relativiert wird, soweit der unmittelbare Verletzer die für seine Tat u.U. erforderliche Leistung des Berufsträgers anderweitig leicht erlangen kann. (2) Eher ambivalent ist dagegen der Aspekt der hypothetischen „Breitenwirkung“ eines Verhaltens. Zwar ist zunächst plausibel, wenn Amelung für die Legitimation und die Anwendung von generell-abstrakten Regeln des staatlichen Strafrechts nicht allein auf die Auswirkungen einer einzelnen Tat, sondern auf eine Breitenwirkung blicken will. In diesem Sinne – also nicht auf die Auswirkungen eines überindividuell verstandenen Rechtsgüterschutzes,134 sondern auf die gesellschaftliche Destabilisierung abstellend – könnte sich eine allgemeine, sehenden Auges erfolgende Unterstützung fremder Straftaten theoretisch sozialschädlich auswirken; dies zwar – wie oben gezeigt – nicht im Sinne mangelnder Normtreue, aber doch immerhin im Sinne zunehmender Gleichgültigkeit gegenüber fremden Rechtsgütern. Andererseits müsste die Breitenwirkung auch hinsichtlich einer dann erfolgenden Sanktionierung oder genauer: ihrer Androhung berücksichtigt werden. Und hier ist gerade sie unter dem Gesichtspunkt von Sozialschädlichkeit und Sozialnützlichkeit ein entscheidendes Argument gegen die Annahme einer Strafbarkeit von neutralen, berufsbedingten Handlungen. Um Strafbarkeitsrisiken zu minimieren, müsste nämlich der Berufsträger bei jedem einzelnen geschäftlichen Kontakt besondere Überlegungen anstellen oder Sicherheitsvorkehrungen treffen, während nur in einer verschwindend geringen Zahl von Fällen tatsächlich eine deliktische Ausnutzung der beruflichen Leistung durch den Leistungsempfänger geplant ist (und selbst in diesen wegen der leichten anderweitigen Erlangbarkeit die gesellVgl. bereits oben Text in und zu Fußn. 115. Vgl. nochmals die Kritik von Frisch, Stree / Wessels-FS, S. 69, 76 f. (dazu schon oben Fußn. 112). 133 Ein ähnlicher Gedanke wurde bereits oben zur Strafzwecklehre angedeutet, vgl. S. 189. 134 Vgl. zu oben Text zu und in Fußn. 96 und 97, S. 196 / 197. 131 132

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schaftsstabilisierende Wirkung einer konkret unterlassenen Leistungserbringung nur gering wäre). (3) Hinsichtlich der Erwartungssicherung liegt der für die hier untersuchte Frage interessanteste Punkt wohl in Folgendem: Kann das (grundsätzlich sicher plausible) Abstellen auf Erwartungssicherheit dazu führen, dass potentiell rechtsgutsbeeinträchtigende Verhaltensweisen deswegen hinzunehmen sind, weil mit ihrem Unterlassen135 tatsächlich nicht ohne weiteres gerechnet werden kann? Oder muss nicht – wie etwa Wohlleben meint136 – die Verhaltenserwartung normativ, am Rechtssystem orientiert „aufgeladen“ werden, um zu verhindern, dass reale gesellschaftliche Wertungen und rechtlich geschützte Erwartungen gleichsam im Wechselschritt voranschleichend erodieren? Die Antwort darauf muss differenzierend ausfallen: Soweit es um die „Eingangsdaten“ geht, die der Gesetzgeber fest vorgibt, können reale Verhaltenserwartungen de lege lata jeweils keine (oder allenfalls eine ganz geringe) Rolle spielen. Ein anderes Verständnis würde nicht nur der Gesetzesbindung der Strafjustiz nicht gerecht, sondern würde vernachlässigen, dass der Gesetzgeber im Einzelfall auch gewissen wertebezogenen Erosionsprozessen in der Gesellschaft entgegentreten wollen könnte. Auch wenn real daher im Einzelfall keine ernst zu nehmende Erwartung (mehr) bestehen mag, dass in Not geratenen Mitmenschen Hilfe geleistet wird oder dass der unerkannt gebliebene Verursacher eines Unfalls sich darum bemüht, Feststellungen zugunsten des Geschädigten zu ermöglichen, kann in diesen Konstellationen eine entsprechende Pflicht zur Hilfeleistung bzw. Feststellungsermöglichung nicht als „lebensfremd“ völlig außer Acht gelassen werden. Gerade wegen der großen Versuchung, „weg zu sehen“ oder „sich davon zu stehlen“, hat der Gesetzgeber das Unterlassen von Verhaltensweisen, die eigentlich selbstverständlich sein sollten, unter Strafe gestellt.137 Um eine solche Konstellation geht es hier aber nicht. Vielmehr steht hier in Frage, ob in bestimmten Fällen, deren Behandlung nach Gesetz und Dogmatik auch im Übrigen nicht ganz zweifelsfrei ist,138 allein wegen einer eingetretenen Rechtsgutsbeeinträchtigung die „Zuständigkeit“ für „rechtsgutsschonendes“ Verhalten normativ weiter gezogen werden muss, als diese Zuständigkeit in der Gesellschaft 135 Bzw.: mit dem Ausbleiben des Erfolges gerade in Ermangelung eines solchen Verhaltens – darum geht es letztlich, wenn Jakobs die rhetorische Frage stellt, ob man ernsthaft erwarten kann, dass ein Einbruch in Ermangelung eines ordinären Schraubenziehers unterbleibt. 136 Vgl. Wohlleben, S. 89. 137 Eine andere Frage ist, ob nicht bei fortschreitenden generellen Zweifeln in der Bevölkerung an der Sinnhaftigkeit und Berechtigung von Vorschriften wie § 323c StGB (vgl. dazu instruktiv Pawlik, GA 1995, 360 ff.) irgendwann der Zeitpunkt kommt, an dem de lege ferenda über deren Modifikation nachgedacht werden wird. 138 Dass dem hier so ist, wird nicht zuletzt daran deutlich, dass auch andere Autoren als Jakobs mit ganz anderen Argumentationsfiguren die Strafbarkeit für problematisch halten und in bestimmten Fällen ausschließen.

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vielleicht üblicherweise gesehen wird. Stellt man die Frage so, wäre sie an sich zu verneinen. Wenn man akzeptiert, dass der Rechtsgüterschutz kein lückenloser ist (und dies bei einem repressiven Schutzsystem wie dem Strafrecht, bei dem „das Kind“ zum Zeitpunkt staatlichen Handelns „schon in den Brunnen gefallen ist“139, auch nicht sein sollte), können sich die Grenzen erlaubter sozialer Kontakte in dogmatisch nicht eindeutigen Bereichen durchaus aus gesellschaftstheoretischen Überlegungen ergeben. Zweifel liegen eher darin begründet, dass – wie die Überlegungen zum Rechtsgüterschutzgedanken oben gezeigt haben140 – die Argumentationslast hier bei demjenigen liegt, der für die Straflosigkeit eintritt. Hier lässt sich aber oft gar nicht ohne weiteres sagen, ob bzw. welche gesellschaftliche Erwartung besteht oder eben nicht: In dem von Jakobs angeführten Schraubenzieherbeispiel mag man eine solche Erwartung intuitiv verneinen; in dem ebenfalls von ihm genannten Beispiel des Bäckers, der zu einem Giftmord bestimmte Brötchen verkauft, mag diese Erwartung angesichts des größeren drohenden Schadens schon wieder zweifelhafter sein (obwohl dieser an sich nichts an der Zuständigkeit des Verkäufers von Alltagsgegenständen ändert). Und im von Roxin in die Diskussion eingeführten Beispiel des Messerverkaufes während einer blutigen Auseinandersetzung vor dem Laden dürfte die gesellschaftliche Erwartung sogar eher in Richtung auf ein Unterlassen des Verkaufes gehen.141 Die fehlende Erwartungsenttäuschung allein dürfte daher nur in wenigen – entweder extrem gelagerten oder aber doch wieder normativ zumindest vorstrukturierten – Fällen als Argument für eine Straflosigkeit genügen.142

3. An den Grenzen des Strafrechts143 Sowohl die Rechtsgutslehre als auch die gesellschaftstheoretischen Ansätze von „Sozialschädlichkeit“ und „kontrafaktischer Erwartungsstabilisierung“ dienen auf 139 Hier liegt ein richtiger Kern der Kritik von Lesch, Verbrechensbegriff, insb. S. 186 ff., an funktionellen Defiziten präventiver Strafrechtskonzeptionen. 140 Vgl. o. S. 198. 141 Jakobs’ Schüler Lesch hält derartige Beispielsfälle dennoch für uneingeschränkt vergleichbar, vgl. Verbrechensbegriff, S. 257 ff. (während Jakobs selbst in einem dem letztgenannten Beispiel vergleichbaren Fall eine Verantwortung des Verkäufers offenbar für ernsthaft diskussionswürdig hält, vgl. GA 1996, 253, 264). Leschs kompromisslose Sichtweise mag mit Blick auf die sich nicht ändernde speziell zu definierende „Zuständigkeit“ überzeugend sein, aber nicht unbedingt mit Blick auf die Verhaltenserwartung. 142 Im Übrigen ist auch damit noch nicht entschieden, ob eine auf dieser Grundlage vielleicht „wünschenswerte“ Straflosigkeit sich mit der strafrechtlichen Verbotsnorm de lege lata verträgt. Hierfür kommt es auch auf das Verhältnis von sozialen Normen und Strafgesetzen an, das unten noch näher beleuchtet wird, vgl. S. 226 ff. 143 In bewusster Anlehnung an den gleichlautenden Titel des Beitrags von Frisch, Stree / Wessels-FS, S. 69 ff., der darin einen häufig aufgenommenen Versuch einer solchen Grenzziehung unternommen hat, an dem sich auch die folgenden Ausführungen teilweise orientieren. Viele der dort in konzentrierter Form präsentierten Gedanken finden sich im Übrigen

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der einen Seite der Legitimation staatlichen Strafens, sollen aber auf der anderen Seite auch gerade seine Begrenzung gewährleisten, wenn ein ausreichend schutzwürdiges Rechtsgut sich nicht finden, eine Sozialschädlichkeit sich nicht feststellen oder eine enttäuschbare Erwartungshaltung sich nicht ausmachen lässt. Die hierzu angestellten Überlegungen haben zwar gezeigt, dass sich daraus gewisse Leitlinien einer einschränkenden Anwendbarkeit des Strafrechts ableiten lassen; an einzelnen Stellen wurde aber deutlich, was verschiedentlich auch in der Literatur geäußert wird: Gerade diese zweite, „negative“ Funktion wird von den Legitimationsmodellen teilweise nur unzureichend erfüllt. Insbesondere der Rechtsgutslehre wird vorgeworfen, dass sie bei einem engen, auf ihre Kernsubstanz beschränkten Verständnis weit weniger „kritische Potenz“ habe,144 als gerne angenommen würde, aber eine zu weite Ausdehnung und Aufladung des Rechtsgutsbegriffs (die dann abschließende Aussagen über die Strafwürdigkeit ermöglichen könnte) diesen „konturlos und im ganzen unbrauchbar“ mache.145

a) Verhaltensmissbilligung und Strafbedürfnis Solche Überlegungen legen es nahe, über den „status negativus“ von eigentlich der Legitimation staatlichen Strafens dienenden Topoi hinaus nach Kriterien zu fragen, die gewisse „Grenzen des Strafrechts“ skizzieren können.146 Mit Frisch147 lassen sich dabei – neben den verfassungsrechtlichen Grenzen der Verhältnismäßigkeit148 und dem Gebot der Konsistenz staatlicher Strafandrohung149, die hier jeweils in eigenen Abschnitten behandelt werden sollen – zwei Ebenen unterscheiden: bereits bei ders., „Vorsatz und Risiko“ und „Verhalten und Zurechnung“, wo in detaillierter und scharfsinniger Form um „Grenzen des Strafrechts“ (insb. durch die Konturierung einer von der Erfolgszurechnung losgelösten Lehre vom tatbestandsmäßigen Verhalten) gerungen wird. 144 Vgl. Frisch, Stree / Wessels-FS, S. 69, 72 ff.; Wohlers, GA 2002, 15 ff. 145 Vgl. Staechelin, in: Lüderssen (Hg.), Aufgeklärte Kriminalpolitik oder Kampf gegen das Böse? Bd. I, S. 239, 249; ähnlich Hassemer, Grundlinien einer personalen Rechtsgutslehre, S. 87 (insgesamt weniger skeptisch allerdings wohl noch ders., Theorie und Soziologie des Verbrechens, S. 230 f.). Krit. zu den strafeinschränkenden Möglichkeiten der Rechtsgutslehre auch Appel, Verfassung und Strafe, S. 356, 381 ff., sowie (im Wesentlichen inhaltsgleich) ders., KritV 1999, 285, 296 ff. 146 Vgl. neben den folgenden Nachweisen deutlich bereits Schünemann, Bockelmann-FS, S. 117, 129, der dem tradierten teleologischen Denken vorwirft, „die Fülle der relevanten Abwägungsgesichtspunkte auf den Rechtsgüterschutz“ zu reduzieren. Dem müsse „durch eine systematische Verarbeitung auch der Strafeinschränkungsinteressen“ entgegengewirkt werden (Hervorhebung dort). 147 Stree / Wessels-FS, S. 69, 82 ff. 148 Vgl. u. S. 289 ff. 149 Bei Frisch, Stree / Wessels-FS, S. 69, 88 ff. Hier wird dieser Aspekt im Zusammenhang mit dem Verhältnis des Strafrechts zu anderen Normen (unten S. 215 ff.) angesprochen.

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3. Teil: Grundlegungen einer eigenen Lösung

Dies ist zum einen die Frage, ob das jeweilige Verhalten überhaupt „missbilligt“ werden kann.150 Diese Frage wird zwar im Strafrecht eher selten problematisiert, da sich der Strafgesetzgeber insoweit an vorstrafrechtlichen Primärordnungen orientiert,151 so dass bereits auf dieser Ebene gelegene Grenzfälle eher selten auftreten. Sie sind aber insbesondere bei der Rechtsanwendung (hier verstanden im Gegensatz zur Setzung strafrechtlicher Normen durch die Legislative) nicht ausgeschlossen. Im Unterschied zu den „holzschnittartigen Regelungen“ des Gesetzgebers, „die im grundsätzlichen zweifellos mißbilligtes Verhalten beschreiben“, muss der Rechtsanwender gerade die genauen Umstände des Einzelfalles betrachten und hier die widerstreitenden Interessen abwägen. Diese können sich aber von den typischen, dem Gesetzgeber vor Augen liegenden Interessenkonstellation unterscheiden: So ist der Eingriff in fremde Güter grundsätzlich zu missbilligen. Ob dies aber auch der Fall ist, wenn nur ein relativ geringfügiges Risiko geschaffen (bzw. das bestehende nur geringfügig erhöht) wird, die Verletzung erst durch einen eigenverantwortlich handelnden Dritten oder besonders riskantes Verhalten des Opfers vermittelt wird und der mittelbar Verletzende eigene schützenswerte Interessen verfolgt, ist bereits weniger klar.152 Um Missverständnissen vorzubeugen: Es soll hier keinesfalls einer vom Gesetz mehr oder weniger losgelösten Entscheidung allein auf der Grundlage von Abwägungen153 das Wort geredet werden;154 und auch Frisch möchte dies wohl nicht. Wenn aber über die Grenzen der Legitimierbarkeit staatlichen Strafens gesprochen wird, darf dieser Punkt nicht ausgeblendet werden. Ob man dann im Einzelfall ein Verhalten als missbilligenswert erachtet oder nicht (und vor allem, wie gegebenenfalls eine zur Straflosigkeit führende Entscheidung zu begründen wäre), ist damit zwar noch nicht entschieden. Unterschiedliche „Wertigkeiten“ auch von im Ergebnis rechtsgutsverletzenden Verhaltensweisen lassen sich aber nicht leugnen, und das Legitimationsproblem stellt sich umso dringlicher, je fraglicher die Missbilligung ist. 150 Vgl. Frisch, Stree / Wessels-FS, S. 69, 82; zustimmend Appel, Verfassung und Strafe, S. 434. Vgl. auch Kindhäuser, GA 1989, 493, 494 f., der das Vorliegen einer „gerechten Verhaltensnorm“ zur Legitimation der Strafe fordert. 151 Was m.E. nicht heißt, dass in diesen stets bereits auch die in die Strafnorm integrierte Verhaltensnorm exakt vorzufinden wäre, vgl. u. S. 218 Text zu Fußn. 199, 200. 152 Vgl. zum Vorangehenden Frisch, Stree / Wessels-FS, S. 69, 82 f. 153 Nicht umsonst werden widerstreitende Interessen üblicherweise auf der Rechtfertigungsebene behandelt und folgen hier näheren Vorgaben über das Regel-Ausnahme-Verhältnis von Rechtfertigung oder Rechtswidrigkeit des Eingriffs, die eine Interessenabwägung im rechtsfreien Raum gerade verhindern sollen; vgl. nur die unterschiedlichen Regelungen in § 32 StGB, § 228 BGB, § 34 StGB sowie § 904 BGB. Allerdings können diese Rechtfertigungsgründe auch in Situationen eingreifen, die im Übrigen dem vom Gesetzgeber gerade untersagten Normalfall der Rechtsgutsverletzung entsprechen, insb. bei unmittelbaren und zielgerichteten Eingriffen in fremde Güter, die durch keine vom konkreten Tatgeschehen losgelösten Strukturen motiviert sind. 154 Auch Schünemann, Bockelmann-FS, S. 117, 128 f., entwickelt seine Skizze von Strafeinschränkungsinteressen auf dem Boden, der seiner Meinung nach durch das „strikte(n) Gebot(s), die legislatorische Entscheidung im Kernbereich zu respektieren und ohne jede Veränderung anzuwenden, sowie ( . . . sc.: das) strikte(n) Verbot(s), die den Bedeutungshof abschließende Wortlautgrenze zu überschreiten“, bereitet wird.

A. Allgemeine Grundlagen

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Aber selbst wo man Gründe für eine Missbilligung des Verhaltens angeben kann, bleibt die Frage, ob darauf wirklich mit Strafe reagiert werden muss.155 Die Antwort darauf hängt selbstverständlich davon ab, wie weit man den Begriff der Strafe fasst,156 insbesondere, ob man der Strafe neben einer steuernden Funktion auch einen – womöglich sogar besonders gravierenden – sozialethischen Vorwurf beimisst. Geht man hier davon aus, dass mit der Strafe als „letztem und gewichtigstem Mittel zur Disqualifikation von Fehlverhaltensweisen“ auch ein „Ausdruck eines gewichtigen (mit einem Rechtseingriff verbundenen) sozialethischen Vorwurfs“ einhergeht,157 so muss sie nach Ansicht von Frisch auf solche Verhaltensweisen beschränkt bleiben, die schon „selbst“, als solche „in besonderem Maße die Anforderungen des Gemeinschaftslebens“ verletzen und denen mit Blick auf das beeinträchtigte Rechtsgut eine „qualifizierte Entscheidung zugrunde liegt, die die Anforderungen des Gutes negiert“.158 In dogmatischen Kategorien gedacht, kann dies wohl nicht dazu führen, dass letztlich allein der Handlungsunwert entscheidend wäre und Erfolgsdelikte nur noch „strafbegründende Erfolgsqualifikationen“ schon als solcher strafwürdiger Betätigungsweisen wären.159 Umgekehrt kann aber durchaus danach gefragt werden, ob ein Verhalten – obwohl es mittelbar zur Erfolgsverursachung beiträgt und in den „thematischen“ Anwendungsbereich einer gesetzlichen Strafvorschrift fallen würde – sich so weit von dem Regelbild des strafbaren Verhaltens entfernt, dass ihm eine qualifizierte Entscheidung gegen die Anforderungen des Gutes nicht zugeschrieben werden kann.160

b) Gefahr von Sekundärschäden und Angriffswege auf das Rechtsgut als Kriterien So überzeugend die Forderung nach steter Vergewisserung über die generelle Missbilligung des Verhaltens sowie über das Erfordernis gerade des Einsatzes des Strafrechts ist, so schwierig ist es, die Kriterien anzugeben, die hierfür jeweils als Maßstab anzulegen sind.161 Dies gilt umso mehr, als die in der Literatur in diesem 155 Zum Folgenden Frisch, Stree / Wessels-FS, S. 69, 85 ff.; Frisch fragt nach der „Adäquität des Einsatzes der Strafe selbst“. 156 Vgl. dazu instruktiv aus neuerer Zeit Appel, Verfassung und Strafe, S. 207 ff., sowie Schild, Lenckner-FS, S. 287 ff. 157 Dieses Verständnis bezeichnet Frisch, Stree / Wessels-FS, S. 69, 86, als „in Deutschland wohl herrschende“ Ansicht (mit Nachweisen dort Fußn. 65); ähnlich etwa Kindhäuser, GA 1989, 493, und Otto, ZStW 96 (1984), 339, 346; krit. Appel, Verfassung und Strafe, S. 482 ff. 158 Vgl. Frisch, Stree / Wessels-FS, S. 69, 86 f. 159 Zum Verhältnis von Erfolgs- und Handlungsunwert hier näher u. S. 317 ff. 160 Dies würde dann nicht ausschließen, entsprechende Verhaltensweisen auf nicht-strafrechtlicher Ebene auch mit rechtlichen Mitteln zu verhindern; vgl. hierzu näher im Zusammenhang mit dem Verhältnis des Strafrechts zu anderen Normen u. S. 215 ff.

14 Kudlich

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3. Teil: Grundlegungen einer eigenen Lösung

Zusammenhang genannten Beispiele bislang vor allem die grundsätzliche Frage nach der Berechtigung bestimmter Straftatbestände (und damit nach gesetzgeberischem Verhalten) betreffen,162 und weniger die Schwierigkeit der Rechtsanwendung im Einzelfall vor Augen haben. Aus den vorgeschlagenen Kriterien163 seien an dieser Stelle164 zwei hervorgehoben: die Vermeidung von Sekundärschäden bzw. unerwünschten Nebenfolgen sowie die Auswahl unter verschiedenen denkbaren Angriffswegen auf ein Gut. Beide scheinen sich zwar auf den ersten Blick ebenfalls in erster Linie an den Gesetzgeber zu richten, der auch die nachteiligen Folgen seiner Regelungen in den Entscheidungsfindungsprozess mit einzubeziehen hat und sich Gedanken darüber machen muss, gegen welche Angriffswege er ein Gut schützen möchte. Jedoch können beide Kriterien (trennschärfer als etwa der allgemeine Grundsatz des fragmentarischen Charakters des Strafrechts oder des ultima-ratio-Prinzips 165) auch bei der Rechtsanwendung sinnvoll herangezogen werden: – Der Gedanke einer rechtsfolgenorientierten Auslegung ist auch sonst als methodisches Instrument bekannt.166 Da negative Konsequenzen aus der Anwendung 161 Dabei dürften diese Kriterien – falls es sie überhaupt in aussagekräftiger Form gibt – für beide Fragen (d. h. die generelle Missbilligung und den Einsatz gerade von Strafe) von Bedeutung sein, da insoweit ein gewisses Stufenverhältnis besteht: Kommt man zu dem Ergebnis, dass bereits kein missbilligenswertes Verhalten vorliegt, so ist dieses erst recht i.S. Frischs strafinadäquat; soweit dagegen der sozialethische Vorwurf massiv genug ist, um eine Strafe zu fordern, ist das Verhalten auch zu missbilligen. Dazwischen liegt der Grenzbereich, in dem eine Missbilligung zwar (schon) zu bejahen, eine Strafwürdigung aber (noch) zu verneinen ist. 162 Vgl. bei Frisch, Stree / Wessels-FS, S. 69, 90 ff., der vor allem folgende Felder anspricht: Zurückführung der abstrakten Gefährdungsdelikte (S. 91 f.), Pönalisierung des Besitzes von Rauschmitteln zum Eigenbedarf (S. 93 ff. als Beispiel der Vernachlässigung des Wertungsprinzips der eigenverantwortlichen Selbstgefährdung; zu diesem Beispiel auch Scheerer, in: Lüderssen [Hg.], Aufgeklärte Kriminalpolitik oder Kampf gegen das Böse? Bd. I, S. 179 ff.), Pönalisierung des Handelns ohne verwaltungsrechtliche Genehmigung (S. 95 ff.), Strafbarkeit leichtester Fahrlässigkeit (S. 97 f.) und prozessuale Erledigungsmöglichkeiten (Einstellung, Privatklage und Strafbefehl, S. 98 ff.). 163 Vgl. neben der Darstellung bei Frisch, Stree / Wessels-FS, S. 69, 90 ff., etwa die Darstellung verschiedener „Modelle der Strafrechtsbegrenzung“ (von denen manche hier in anderem Zusammenhang angesprochen werden) bei Appel, Verfassung und Strafe, S. 391 ff., die Überlegungen bei Schünemann, Bockelmann-FS, S. 117, 129 f., sowie den Überblick mit anschließender Zusammenstellung bei Staechelin, in: Lüderssen (Hg.), Aufgeklärte Kriminalpolitik oder Kampf gegen das Böse? Bd. I, S. 239, 241 ff., 249. 164 Zu den ebenfalls häufiger genannten verfassungsrechtlichen Grenzen der Verhältnismäßigkeit und der Konsistenz normativer Wertungen vgl. u. S. 214 ff. bzw. 289 ff. 165 Auch diese beiden Kriterien sind etwa bei Staechelin, in:, Lüderssen (Hg.), Aufgeklärte Kriminalpolitik oder Kampf gegen das Böse? Bd. I, S. 239, 249, aufgelistet. Mehr als eine allgemeine Mahnung vor zu extensiver Auslegung dürften sie jedoch für die Rechtsanwendung kaum hergeben. 166 Vgl. etwa Deckert, JuS 1995, 480 ff.; Freund, JZ 1992, 993 ff.; Lübbe-Wolff, Rechtsfolgen und Realfolgen; Sambuc, Folgenerwägungen im Richterrecht; Wälde, Juristische Fol-

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einer Norm sich u.U. auch nur in Einzelfällen (oder in mehr oder weniger eng eingrenzbaren Fallgruppen) ergeben können, ist die Orientierung an der Vermeidung von Sekundärschäden auch auf der Rechtsanwendungsebene sinnvoll, insbesondere, wenn die gesetzliche Regelung weit genug formuliert ist, um auch eine diese Konsequenzen vermeidende Auslegung zu erlauben. – Das Abstellen auf den „Angriffsweg“, der – soweit ersichtlich – vor allem von Staechelin als kriminalpolitisch relevanter Topos neben dem Rechtsgutsbegriff in die Diskussion eingebracht wurde,167 differenziert nach den „Modalitäten der Verletzung des für wertvoll erachteten Gutes“, also etwa nach „Vorsatz und Fahrlässigkeit, Vorbereitung, Versuch und Vollendung, Tun und Unterlassen, Täterschaft und Teilnahme“.168 Nun sind diese „verschieden intensiven Grade des ,fehlenden Respekts‘ gegenüber der Integrität des Gutes“ zwar primär auch ein Problem, das der Gesetzgeber zu beachten hat. Denn er muss entscheiden, wann z. B. eine fahrlässige oder versuchte Verletzung unter Strafe gestellt wird.169 Man kann diesen Gedanken aber noch fortführen und auf die Anwendung der Strafgesetze zuschneiden: Bei Regelungen, die auf Grund ihrer weiten Formulierung die Verletzung eines Rechtsgutes nahezu umfassend zu verbieten scheinen, ist die Frage zumindest nicht fernliegend, ob das strafbewehrte Verbot wirklich für alle erdenklichen, dem Normtext subsumierbaren Angriffswege gelten soll.

c) Konsequenzen für das Problem neutraler Unterstützungshandlungen Betrachtet man unter diesen Gesichtspunkten die hier in Frage stehenden neutralen berufsbedingten Unterstützungshandlungen, lassen sich durchaus Gründe für eine einschränkende Auslegung der entsprechenden Tatbestände170 finden: (1) Fragt man zunächst nach Sekundärschäden oder unerwünschten Nebenfolgen,171 so ist zu erwarten, dass sich in dem Maße, in dem die Verantwortlichkeit für die deliktischen Folgen neutralen Berufshandelns verschärft wird, die „Aufwendungen“ zur Minimierung des Strafbarkeitsrisikos durch den Berufsträger ergenorientierung. Letztlich bildet er den Ausgangspunkt auch der sog. ökonomischen Analyse des Rechts, vgl. dazu nur die instruktiven Einführungen bzw. Überblicke bei Burow, JuS 1993, 8 ff. und Ott / Schäfer, JZ 1988, 213 ff. 167 Vgl. Staechelin, Strafgesetzgebung im Verfassungsstaat, insb. S. 55 f. und 90 ff. 168 Vgl. Staechelin, Strafgesetzgebung im Verfassungsstaat, S. 55, 56. 169 Auch Staechelin selbst ordnet die Frage – dem Thema seines Werkes entsprechend – vor allem als eine die Legislative betreffende ein, vgl. etwa Strafgesetzgebung im Verfassungsstaat, S. 56. 170 D. h. also insb. des Beihilfetatbestandes, potentiell einschlägiger Fahrlässigkeitstatbestände sowie der Tatbestände solcher Vorsatzdelikte, die eine eigenständige täterschaftliche Begehung trotz Abhängigkeit von fremdem deliktischen Verhalten zulassen (vgl. o. S. 66 f.). 171 Zu diesem Kriterium auch Schünemann, Bockelmann-FS, S. 117, 129. 14*

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3. Teil: Grundlegungen einer eigenen Lösung

höhen. Als solche „Aufwendungen“ kommen einerseits bei der Durchführung der beruflichen Tätigkeit die Institutionalisierung von Kontroll-, Nachforschungs- und Dokumentationsmechanismen 172 in Betracht; andererseits ist aber auch das Unterlassen von Tätigkeiten zu erwägen, die risikobehaftet sind. Solche Konsequenzen sind zwar nicht einseitig als „nachteilig“ zu bewerten, da sie im Einzelfall die Integrität des bedrohten Rechtsgutes erhöhen können. Für den Berufsträger allerdings bedeuten sie eine mehr oder weniger erhebliche Erschwerung und damit verbunden u.U. auch eine Verteuerung seiner Leistung. Um insoweit dem Vorwurf eines „Primat(s) der Ökonomie“ und damit auch dem „Ende des Rechts“173 entgegenzutreten: Selbstverständlich gilt nicht das Postulat eines um jeden Preis von Verantwortlichkeit befreiten Wirtschaftens zur ungestörten Profitmaximierung. Sind aber in diesem Sinne negative Auswirkungen zu befürchten, so besteht zumindest Anlass, genau zu prüfen, wie groß der Nutzen für das geschützte Rechtsgut am Ende ist. Dies gilt umso mehr für solche Strafbarkeitsrisiken, die bei realistischen Kontrollvorkehrungen nicht oder nur minimal verringert werden können. Sie drohen nämlich nicht nur zu peripheren Beeinträchtigungen des wirtschaftlichen Handelns, sondern zu regelrechten Existenzgefährdungen zu führen. Hinzu kommt eine weitere Überlegung, die nicht dem Verdacht eines unangemessenen Primats der Ökonomie ausgesetzt ist: So besteht bei der Pönalisierung neutralen, nur missbrauchbaren Handelns die Gefahr, dass in der Gewissheit, die strafrechtliche Verantwortlichkeit dem relativ leicht erreichbaren Berufsträger aufbürden zu können, die Anstrengungen zur Bekämpfung des Missbrauchenden als primärem Schädiger verringert werden.174

(2) All dies hängt auch bereits eng mit der Frage nach den pönalisierten Angriffswegen auf ein Gut zusammen. Die aufgezeigte Gefahr von Sekundärschäden beruht nämlich vor allem auf zwei Spezifika des Angriffsweges „Unterstützung durch berufsbedingtes, neutrales Verhalten“. Zum einen ist der Angriffsweg hier nur ein sehr mittelbarer,175 nicht in erster Linie durch den „fehlenden Respekt“ vor 172 Ein anschauliches Beispiel ist aus dem Bereich beruflichen Handelns – wenngleich hier für Fälle der eigenständigen täterschaftlichen Begehung – das (zivil- und strafrechtliche) Arzthaftungsrecht. Einer zunehmenden Erhöhung der Anforderungen an Sorgfalt der Behandlung und vor allem Aufklärung durch die Gerichte entspricht der Zuwachs an Dokumentation durch die Beschäftigten im Gesundheitswesen. 173 So die Kritik von Hilgendorf, ZStW 113 (2001), 650, 652, an einzelnen Tendenzen, die Dienstleister im Bereich der „Neuen Medien“ aus der Verantwortung für den Missbrauch dieser Medien zu entlassen. 174 Dies gilt sicher nicht in den Lehrbuchbeispielen des Schraubenzieherverkaufs, ist aber in manchen die Praxis beschäftigenden Bereichen vorstellbar. So wird etwa bei der Bekämpfung illegaler Inhalte im Internet die Befürchtung geäußert, dass die Bemühungen um ein verbessertes Auffinden und Belangen der Urheber hinter der gleichsam symbolische Bestrafung „großer“ Provider zurückzutreten droht (vgl. Sieber, MMR 1998, 438, 447 f. m. w. N.). Auch das (straf- oder haftungsrechtliche) Vorgehen gegen große Tabakkonzerne wegen der angeblichen Unterstützung von Steuerhinterziehungen durch Lieferungen an steuerunehrliche Händler im Ausland könnte dazu verführen, die Bekämpfung der wesentlich schwerer zu belangenden Schmuggler hintanzustellen, wenn erst einmal Personen belangt wurden. 175 Staechelin, Strafgesetzgebung im Verfassungsstaat, S. 90 ff. differenziert selbst zwischen Handlungen, die ein Rechtsgut verletzen, konkret oder sogar nur abstrakt gefährden.

A. Allgemeine Grundlagen

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dem Rechtsgut, sondern durch andere Kontexte geprägter.176 Dies führt dazu, dass seine Unterbindung nicht allein dem Schutz des bedrohten Rechtsgutes nützt, sondern sich auch in anderen Kontexten auswirkt. Zum anderen sind diese Auswirkungen deshalb teilweise als negative einzustufen, weil die übrigen prägenden Kontexte als solche positiv besetzt sind. Auf eine kurze allgemeine Formel gebracht: Wird eine eng mit anderweitigen positiven Auswirkungen verbundene Angriffsmodalität umfassend unterbunden, ist die Gefahr von Sekundärschäden in Gestalt einer Beeinträchtigung dieser positiven Auswirkungen besonders groß. Ein zweites Argument für eine zurückhaltende Pönalisierung mittelbarer Erfolgsverursachungen liegt in einem Zusammenhang zwischen Rechtsgutsdefinition und Angriffsweg.177 Geht man – was konsensfähig sein dürfte – davon aus, dass die Rechtsgüterlehre wenig hilfreich ist, wenn man die Rechtsgüter so „diffus“ wählt, dass eine kaum sinnvoll begrenzbare Anzahl von Verhaltensweisen diese Güter beeinträchtigen kann,178 so gilt dies umgekehrt in gleicher Weise bei zwar konkreten Rechtsgütern, aber „diffusen“ Angriffswegen. In beiden Konstellationen werden Verhaltensweisen unter Strafe gestellt, die in ihrer konkreten Gestalt nur in einem wenig engen Zusammenhang mit einem geschützten Rechtsgut stehen.179 Ob man die „Diffusität“ des Rechtsguts oder des Angriffsweges in den Mittelpunkt stellt, ist dabei teilweise sogar nur eine Frage der Perspektive. Aber selbst bei ersteren liegt nach seinem stark personal geprägten Rechtsgutsverständnis „eigentlich“ ein abstraktes Gefährdungsdelikt vor, wenn kein „fundamentales“ Rechtsgut „im Sinne der personalen Lehre“, sondern nur „ein ,Zwischenrechtsgut‘ oder das Medium eines personalen Gutes“ betroffen ist (vgl. S. 91; zur von Staechelin zugrunde gelegten Rechtsgutskonzeption insb. S. 60 ff., 69 ff.). Staechelins Abstufung orientiert sich also primär nach dem Grad der Beeinträchtigung der in seinem Sinne „fundamentalen“ personalen Rechtsgüter. Vorliegend geht es aber selbst dann um eine nur „mittelbare“ Beeinträchtigung, wenn z. B. (wie im Brötchen-Fall) das fundamentale Rechtsgut Leben durch den Tod eines Menschen ganz zentral betroffen ist, soweit auf Zahl und Gewichtung der zwischen Verhalten und Verletzungserfolg erforderlichen Zwischenschritte abgestellt wird. 176 Vgl. zur Prägung eines Verhaltens durch Kontexte näher bereits o. S. 173 ff. 177 Dieser „Zusammenhang“ bedeutet natürlich nicht, dass beide Fragen nicht zu trennen wären; im Gegenteil ist es gerade wichtig festzustellen, dass „die Frage ( . . . ), ob überhaupt ein schutzwürdiges Rechtsgut vorliegt, von der bis heute nur ansatzweise erörterten Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Handlung dieses Rechtsgut in hinreichender Weise beeinträchtigt“, zu unterscheiden ist, wie bereits Schünemann, Bockelmann-FS, S. 117, 130 (dort Fußn. 51) zutreffend betont. Der nachfolgend beschriebene „Zusammenhang“ soll vielmehr vor allem zeigen, dass beide Fragen auch ähnlich wichtig sein können. 178 Vgl. Staechelin, Strafgesetzgebung im Verfassungsstaat, S. 67: „Eine Rechtsgutstheorie setzt für sich genommen dem Gesetzgeber keine Grenzen.“ Erst wenn es gelinge „zu begründen, warum manche Interessen zu Strafrechtsgütern werden können, andere dagegen nicht, so kommt der dies konturierenden Rechtsgüterlehre begrenzende Kraft zu“. 179 Insoweit bestehen auch gegenseitige Abhängigkeiten von Rechtsgüter- und Zurechnungslehre: Wenn ein Rechtsgut nicht gegen alle Beeinträchtigungen geschützt ist, wird zur entscheidenden Frage, wann einem Verhalten ein eingetretener Erfolg zurechenbar ist; vgl. zum Erfordernis einer solchen Fragestellung, ohne die eine Güterdefinition allein noch wenig hilfreich ist, zutreffend von Hirsch, GA 2002, 2, 9 f.

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3. Teil: Grundlegungen einer eigenen Lösung

Dies sei noch einmal anhand eines verbreiteten Lehrbuchbeispiels verdeutlicht: Unterstellt man, dass das Eigentum ein schützenswertes, ausreichend konkretes (d. h. nicht „diffuses“) Rechtsgut ist, dann ist gegen die Pönalisierung einer Wegnahme fremder Sachen in der Absicht der rechtswidrigen Zueignung durch § 242 StGB als sehr konkretem Angriff auf dieses Rechtsgut nichts einzuwenden. Würde man aber zum Schutz des Eigentums vor Einbruchsdiebstählen auch in einem entsprechenden Vorfeldtatbestand die Veräußerung von bestimmten Werkzeugen (Schraubenziehern, Stemmeisen etc.) generell oder ohne besonderen Zuverlässigkeitsnachweis unter Strafe stellen, weil damit ja u.U. einmal das Eigentum angegriffen werden könnte, wäre das damit geschützte Rechtsgut „Freiheit von das Eigentum potentiell bedrohenden Gegenständen“ in der Tat recht „diffus“, der Angriffsweg darauf aber in der Veräußerung entsprechender Werkzeuge ein sehr direkter. Genauso gut könnte man den Verkauf aber auch als „diffusen“, weil nur sehr mittelbaren Angriffsweg auf das ausreichend konkrete Rechtsgut Eigentum verstehen. Wenn man daher Bedenken hätte, die Veräußerung dieser Werkzeuge generell unter Strafe zu stellen, so wird ihre Pönalisierung wegen einer tatsächlich erfolgten mittelbaren Verletzung des Rechtsguts mittels solcher Werkzeuge durch einen Dritten umso problematischer, je weniger sie sich für den mittelbaren Verletzer hinsichtlich seines Strafbarkeitsrisikos und hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf seine Verhaltensanforderungen von einer generellen Strafbewehrung des Verkaufs unterscheidet.

Diese Überlegungen führen nun nicht dazu, dass eine Pönalisierung berufsbedingter mittelbarer Erfolgsverursachungen generell unzulässig oder in einem rechtsstaatlichen Strafrecht systemwidrig sein müsste. Dies ist ebenso wenig der Fall, wie auch keineswegs alle in der Diskussion z.T. kritisch beurteilten Vorfeldtatbestände als abstrakte Gefährdungsdelikte im Bereich der Wirtschaftskriminalität bei systemtranszendenter Betrachtung unzulässige Ausdehnungen des Strafrechts bedeuten. Es ist aber deutlich geworden, dass gegen mittelbare Angriffswege in Gestalt von neutralen und nur „missbrauchten“ Berufsausübungen ähnliche Bedenken erhoben werden können wie gegen weit ins Vorfeld der Rechtsgutsverletzung gerichtete Strafbarkeitsausdehnungen – und zwar umso mehr, je stärker die Wirkungen für den Berufsträger sich einander annähern.

III. Abhängigkeiten: Das Verhältnis des Strafrechts zu anderen rechtlichen und sozialen Normen Als ein weiterer zentraler Punkt in der bisherigen Diskussion hat sich herausgestellt, dass in einer extensiven Bejahung der Strafbarkeit berufsbedingter Unterstützungshandlungen ein drohender Widerspruch in zwei Richtungen gesehen wird:180 Zum einen mit Blick auf andere, nichtstrafrechtliche Normen, die das berufliche Verhalten mehr oder weniger engmaschig regeln, ohne über die Verbotenheit der missbrauchbaren und damit potentiell erfolgsbegünstigenden Leistung ein 180 Dieser drohende Widerspruch einer Strafandrohung mit Blick zum einen auf andere gesetzliche, zum anderen auf soziale Normen wird von Zipf, ZStW 82 (1970), 633, 638, aus anderem Blickwinkel durch die „zwei unterschiedlichen Verhaltensmodelle ( . . . ) rechtskonformes Verhalten ( . . . sc. und) sozialadäquates Verhalten“ beschrieben. Damit ist das Problem benannt, allerdings noch nicht ohne weiteres gelöst.

A. Allgemeine Grundlagen

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Wort zu verlieren.181 Zum anderen aber auch mit Blick auf „soziale Normen“ im Sinne alltäglicher Gepflogenheiten, die das berufliche Handeln auf Grund seiner Üblichkeit und regelmäßigen Ungefährlichkeit als selbstverständlich erlaubt auffassen.182 Im Folgenden ist daher zu untersuchen, im welchem Verhältnis strafrechtliche Verbotsnormen hinsichtlich ihrer Geltung und Auslegung zu sonstigen gesetzlichen (dazu sogleich 1.), aber auch sozialen Regeln (dazu im Anschluss 2.) im Allgemeinen stehen und ob sich daraus für das hier interessierende Problem im Besonderen weitere Anhaltspunkte ableiten lassen.

1. Zur Stellung des Strafrechts in der Gesamtrechtsordnung: Sekundärer Charakter strafrechtlicher Normen? Über Stellung und Aufgabe des Strafrechts in der Gesamtrechtsordnung scheint weniger Einigkeit zu herrschen, als man gemeinhin vermuten möchte. So einig man sich auf den ersten Blick nämlich über Schutzzweck,183 fragmentarischen Charakter und Einordnung als ultima ratio ist,184 so unterschiedliche Konsequenzen werden auf den zweiten daraus gezogen:185 Einerseits wird nämlich gerade wegen der Einordnung als ultima ratio davon ausgegangen, das Strafrecht habe sich an den Vorgaben der übrigen Rechtsgebiete zu orientieren,186 während andererseits wegen der spezifischen, unvergleichbar stärker eingreifenden Mittel des Strafrechts seine Eigenständigkeit auch in den Voraussetzungen betont wird. Zu einer Auflösung dieses scheinbaren Widerspruchs sind zwei Fragen zu unterscheiden: die Subsidiarität des Strafrechts als Instrument der Sozialkontrolle und das Verhältnis strafrechtlicher zu außerstrafrechtlichen Vorschriften. 181 Vgl. etwa oben im Zusammenhang mit der Frage nach einer Pflichtwidrigkeit bei Verstoß gegen eine einschlägige Schutznorm, S. 94. 182 Vgl. etwa oben im Zusammenhang mit der Idee der sozialen Adäquanz, S. 78 ff. 183 Vgl. dazu im Zusammenhang mit dem Rechtsgüterschutzdogma näher o. S. 190 ff. 184 Vgl. zu den zu unterscheidenden Fragen nach Lückenhaftigkeit strafrechtlichen Schutzes, Verhältnis des Strafrechts zur Gesamtrechtsordnung sowie Verhältnis des Strafrechts zur „sozialethischen Wertwidrigkeit“ zutreffend Maiwald, Maurach-FS, S. 9 ff. 185 Instruktiv Maurach / Zipf, AT I, § 2 Rn. 8 ff. 186 Vgl. etwa das Vorwort der 1. Auflage, wiedergegeben in der 2. Auflage bei Kindhäuser, Strafrecht Besonderer Teil II / 1, S. 7: „In diesem Lehrbuch wird eine Lehre vertreten, die sich auf die Formel bringen läßt: Das Strafrecht ( . . . ) soll – als ultima ratio des Rechts – die Bestandskraft von Recht durch Recht gewährleisten, um gerechte soziale Integration zu ermöglichen und zu sichern. Die Auslegung strafrechtlicher Normen erfolgt daher strikt (gesamt-)rechtsakzessorisch; ( . . . )“. (Hervorhebung hier). Für eine Einordnung des Strafrechts als „sekundäres und akzessorisches Schutzrecht“ etwa auch Appel, Verfassung und Strafe, S. 431 ff., und Frisch, Verwaltungsakzessorietät und Tatbestandsverständnis im Umweltstrafrecht, S. 7 ff. Dieser Gedanke wurde schon sehr früh formuliert von Binding (dessen Grunddifferenzierung zwischen Verhaltens- und Sanktionsnorm für dieses Verständnis auch maßgeblich ist), Systematisches Handbuch der deutschen Rechtswissenschaft, S. 9 f., sowie Bierling, Juristische Prinzipienlehre, Bd. I, S. 133 ff.

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3. Teil: Grundlegungen einer eigenen Lösung

a) Die strafrechtlichen Sanktionen als subsidiäre Instrumente der Sozialkontrolle Die Betonung der sekundären Natur des Strafrechts ist zutreffend, wenn es um die Frage geht, wann als Instrument der staatlichen Sozialkontrolle gerade das Strafrecht zum Einsatz kommen soll.187 Dieses Stufenverhältnis ist sowohl rechtspolitisch anerkannt188 als auch verfassungsrechtlich abgesichert.189 Um dieses Verhältnis der Funktion der unterschiedlichen Teilgebiete des Rechts sowie um die Frage, wann die Rechtsordnung welches Mittel einsetzen sollte, geht es an dieser Stelle190 allerdings nicht zentral. Freilich ist eine gewisse Rückwirkung dieser unterschiedlichen Funktionen191 der verschiedenen Teilgebiete auch auf das Verhältnis der Vorschriften dieser Teilgebiete zueinander vorstellbar. So legt bereits das Verhältnis der Rechtsgebiete zueinander und dabei speziell der sekundäre Charakter des Strafrechts nahe, dass hinsichtlich der Berücksichtigung etwa verwaltungsrechtlicher „Vorwertungen“ durchaus eine differenzierende Betrachtung angezeigt sein wird. Nicht jede Verletzung eines (etwa verwaltungs-)rechtlich geschützten Gutes muss dazu führen, dass auch ein strafrechtlich relevanter Angriff auf dieses Gut (oder in der Terminologie Jakobs’: auf ein Strafrechtsgut) vorliegt.192 Es ist daher durchaus vorstellbar, dass ein rechtswidriger (und damit sogar strafrechtlich notwehrfähiger) Angriff oder ein zivil- oder sicherheitsrechtlich untersagbares Verhalten vorliegt, ohne dass dabei jeweils auch strafwürdiges Unrecht verwirklicht wäre. Diese Überlegungen lassen sich an einem kontrovers diskutierten aktuellen Beispiel verdeutlichen, das überdies den Vorteil hat, in engem Zusammenhang mit unserer zentralen Fragestellung zu stehen: §§ 9 – 11 TDG enthalten (insoweit ähnlich wie § 5 II, III TDG a.F.) für gewisse Internetdiensteanbieter rechtsgebietsübergreifende Haftungsprivilegierungen, wenn diese nur fremde Inhalte zur Nutzung bereit halten oder den Zugang zu ihnen vermitVg. hierzu Maurach / Zipf, AT I, § 2 Rn. 11 ff. Vgl. zum rechtspolitischen Grundsatz des mildesten Mittels SK / StGB-Rudolphi, vor 1 Rn. 14, zum Strafrecht als „letzter Verteidigungslinie des Rechts“ Schultz, ZStW 92 (1980), 611, 626. 189 Vgl. insb. zur Geltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes näher u. S. 289 ff. 190 Die Funktion des Strafrechts selbst wurde bereits o. S. 190 ff. näher erörtert. 191 Vgl. in diesem Zusammenhang auch Günther, Strafrechtswidrigkeit und Strafunrechtsausschluß, S. 55 ff., 83 f., der sich für die Begründung der von ihm vertretenen rechtsgebietsspezifischen Strafrechtswidrigkeit gerade auf die verschiedenen von unterschiedlichen Rechtsgebieten verfolgten Ziele und angeordneten Rechtsfolgen stützt; ferner Roxin, HonigFS, S. 133, 145, der hinsichtlich eines normativen Zurechnungsmaßstabes im Zivil- und Strafrecht fordert, dass dieser „der Natur der Sache nach überall dort verschieden sein (sc.: muss), wo die divergierenden Ziele gerechten Schadensausgleichs auf der einen und kriminalpolitisch sachgemäßer Reaktion auf der anderen Seite abweichende Lösungen fordern“ (Hervorhebung hier). 192 Vgl. nochmals Günther, Strafrechtswidrigkeit und Strafunrechtsausschluß, S. 99 ff., der überzeugend darlegt, dass hier durch unterschiedliche Bewertungen nicht zwingend Normwidersprüche auftreten. 187 188

A. Allgemeine Grundlagen

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teln.193 Innerhalb des Strafrechts ist dieser rechtsgebietsübergreifende „Vorfilter“ nach vorzugswürdiger Ansicht bereits auf Tatbestandsebene zu berücksichtigen, d. h. er schließt die Tatbestandsmäßigkeit des Verhaltens unter den dort genannten Voraussetzungen auch dann aus, wenn das Verhalten zur Verwirklichung eines Straftatbestandes beiträgt. Eine Ausnahme zu diesen Privilegien (sogar für die bloße Zugangsvermittlung) enthält § 8 II 2 TDG, wonach „Verpflichtungen zur Entfernung oder Sperrung der Nutzung von Informationen nach den allgemeinen Gesetzen“ unberührt bleiben. Zu dessen – nach dem Willen des Gesetzgebers ganz ähnlichen194 – Vorläufervorschrift § 5 IV TDG a.F. ging die in der Literatur wohl vorherrschende Ansicht davon aus, dass dieser nur verschuldensunabhängige Verpflichtungen auf Grund von zivil- oder verwaltungsrechtlichen Einzelverfügungen im Auge hatte. Legte man dies zugrunde, ergab sich genau die oben angesprochene Situation: Bestimmte Verhaltensweisen wurden zwar – zumindest nach einer entsprechenden Einzelverfügung – zivil- und verwaltungsrechtlich missbilligt; auf Grund des ultima-ratio-Prinzips195 griff das Strafrecht dagegen nicht ein. Ein Rechtsgut wird durch das Verhalten zwar beeinträchtigt, aber eben nicht in strafrechtlich relevanter Weise. Für das Verhältnis der Vorschriften der unterschiedlichen Rechtsgebiete folgt daraus, dass die außerstrafrechtlichen Vorwertungen gerade nicht dazu führen, dass das Verhalten auch strafrechtlich missbilligt würde.

b) Die unterschiedliche Beeinflussung des Strafrechts durch andere Rechtsvorschriften und das Prinzip des größeren Inhaltsreichtums Im Mittelpunkt steht an dieser Stelle jedoch die zweite Frage, wie die Gestalt der strafrechtlichen Ordnung durch andere, nicht-strafrechtliche Rechtsnormen beeinflusst wird. Maurach / Zipf bezeichnen dieses „Verhältnis des Strafrechts zu seinen Nachbargebieten“ zu Recht als „sehr komplex“.196 Diese Komplexität ergibt sich aus zweierlei: Zum einen sind – soweit vorhanden – die expliziten Entscheidungen des Gesetzgebers in unterschiedlichen Fällen durchaus gegenläufig; zum anderen stellen sich in den (zahlenmäßig häufigeren) Fällen ohne eine solche explizite Entscheidung schwierige Auslegungsprobleme, die einer allgemeinen Lösung nur sehr bedingt zugänglich sind. Im Einzelnen: (1) Einerseits stellt das Strafrecht in vielen „Vergleichsfällen“ – entsprechend seiner schärferen Rechtsfolgen – höhere Anforderungen an die Erfüllung eines Unrechtstatbestandes. Dies zeigt etwa der Vergleich von §§ 242, 303 StGB (Vorsatzerfordernis; Zerstörung oder Beschädigung der fremden Sache bzw. Wegnahme in Vgl. ausführlicher u. S. 504 f. Vgl. BT-Drs. 14 / 6098, S. 23: „Absatz 2 Satz 2 (sc.: des § 8) entspricht dem bisherigen § 5 Abs. 4“. Zur Frage nach der Beurteilung nach neuer Rechtslage vgl. u. S. 505. 195 Ein weiterer Grund ist allerdings, dass dem Zivil- und Verwaltungsrecht vergleichbare Einzelverfügungen mit Blick auf zukünftiges Verhalten im Strafrecht nicht bekannt sind. 196 Vgl. Maurach / Zipf, AT I, § 2 Rn. 17; das dort in Rn. 18 ff. vertiefte Problem der Rechtsfolgen (also etwa des Verhältnisses zwischen Strafe und Schadensersatz) spielt vorliegend keine Rolle. 193 194

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3. Teil: Grundlegungen einer eigenen Lösung

Zueignungsabsicht erforderlich) zu § 823 I BGB (Fahrlässigkeit genügt; vorübergehende Sachentziehung oder gar bloße Nutzungsbeeinträchtigung können ausreichen) oder von § 266 StGB (Voraussetzung einer qualifizierten Treuepflicht) zur Haftung aus c.i.c. (Verletzung einer Nebenpflicht genügt).197 Insoweit sind die strafrechtlichen Normen von den zivilrechtlichen unabhängig, wobei allerdings regelmäßig – gerade umgekehrt als scheinbar in den hier in Frage stehenden Fällen – das Gefälle in die andere Richtung weist. Normalerweise werden in Fällen strafbaren Verhaltens erst recht die weniger voraussetzungsvollen außerstrafrechtlichen Verantwortlichkeitsmaßstäbe erfüllt sein,198 während in den Fällen berufsbedingter Unterstützungshandlungen eine Strafbarkeit im Raume steht, obwohl möglicherweise die außerstrafrechtlichen Anforderungen an das Verhalten erfüllt sind. Zumindest im vorliegenden Zusammenhang wenig ertragreich ist es, auch in solchen Fällen (und sogar in anderen Fällen, in denen die Regelungen außerhalb des Strafrechts nicht einmal als Vergleichsgegenstand taugen) gleichwohl die Abhängigkeit des Strafrechts zu betonen, wie dies etwa Appel tut.199 Dies ist zwar normtheoretisch möglich (und mag für saubere Begriffsverwendungen an anderer Stelle hilfreich sein), wenn in Anlehnung an Binding zwischen Verhaltensnorm und Sanktionsnorm differenziert und nur letztere unmittelbar dem Strafrecht zugerechnet wird (was systematisch vorstellbar ist, da selbst ausschließlich in den Straftatbestand integrierte Verhaltensnormen ihrer Natur nach noch nichts anderes sind als solche anderer Rechtsgebiete). Wenn aber nach der Auswirkung von außerstrafrechtlichen Vorschriften auf die Auslegung von Strafgesetzen gefragt wird, spielt die „bedingte Abhängigkeit“ von Verhaltensnormen, die nicht in anderen Rechtsgebieten niedergelegt sind, keine Rolle;200 entscheidend bleibt in diesem Fall vielmehr allein die strafrechtliche Vorschrift (die in diesem Falle nicht nur die Sanktionsnorm, sondern auch die einzige Formulierung der Verhaltensnorm in dieser Form enthält201).

(2) Andererseits kennt das Strafrecht auch Fälle einer weitgehenden202 Abhängigkeit von der außerstrafrechtlichen Rechtslage. Besonders deutlich ist dies in Fällen, 197 Weitere Beispiele bei Maurach / Zipf, AT I, § 2 Rn. 30. In dieser Konsequenz liegt auch die Annahme eines eigenständigen „Strafrechtswidrigkeitsbegriffs“ durch Günther, Strafrechtswidrigkeit und Strafrechtsausschluß, insb. S. 89 ff., 251 ff., 379 ff. 198 Darauf weisen auch Maurach / Zipf, AT I, § 2 Rn. 30 hin. 199 Vgl. Appel, Verfassung und Strafe, S. 443 f.; ähnlich auch Freund, AT, § 1 Rn. 5 ff., 12, der den nur „mittelbaren“ Schutz durch die strafrechtliche Sanktionsnorm betont. 200 Nebenbei bemerkt: Ob es sich wirklich – wie von Appel, Verfassung und Strafe, S. 569 angenommen – um die Ausnahme handelt, dass die Verhaltensnorm „nicht schon außerhalb der strafrechtlichen Vorschriften geregelt ist“, erscheint fraglich (und letztlich davon abhängig, wie konkret man die Erkennbarkeit dieser Verhaltensnorm in anderen Gebieten fordert). Völlig unklar bleibt, welchem „anderen Rechtsgebiet“ außer dem Zivilrecht und dem öffentlichen Recht (so Appel, a. a. O., S. 444, Hervorhebung hier) eine Verhaltensnorm noch entnommen werden können soll. 201 Vgl. zu der Zusammenfassung von Verhaltensnorm und Sanktionsnorm in einem Deliktstatbestand, bei der sich durch Auslegung der Strafrechtsnorm die zur Strafandrohung kontradiktorisch formulierte Verhaltensnorm ergibt („Wer . . . tötet, wird bestraft.“ wird damit zur Verhaltensnorm „Du sollst nicht töten.“) etwa Kindhäuser, Gefährdung als Straftat, S. 29. 202 Nur „weitgehend“ deswegen, weil häufig gewisse Abweichungen in Randbereichen durchaus existent sind. Dies gilt selbst bei der Verwaltungsakzessorietät des Umweltstraf-

A. Allgemeine Grundlagen

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in denen wie z. B. im Umweltstrafrecht des StGB203 sowie in weiten Gebieten des Nebenstrafrechts204 ausdrücklich auf den Verstoß gegen verwaltungs- oder auch zivilrechtliche Vorschriften bzw. gegen den Inhalt von Genehmigungen abgestellt wird. Daneben ist die Abhängigkeit aber auch eine ähnlich große, wo eine Strafnorm ohne ausdrückliche Inbezugnahmen Tatbestandsmerkmale enthält, deren nähere Bedeutung sich nach den Regelungen anderer Rechtsgebiete bestimmen sollen. So ist im Bereich des Kernstrafrechts etwa der Begriff der „Fremdheit“ bei den Vermögensdelikten i.w.S. nach einhelliger Ansicht ebenso grundsätzlich nach den Vorgaben des Zivilrechts zu bestimmen wie die zur Legaldefinition des Angehörigenbegriffs in § 11 I Nr. 1a StGB genannten Personen (z. B. „Verwandte und Verschwägerte gerader Linie“, welche sich näher nach §§ 1589, 1590 BGB bestimmen). (3) Während insbesondere die unter (2) genannten Fälle wenig Probleme aufwerfen, stellt sich die Frage nach dem Verhältnis des Strafrechts zu außerstrafrechtlichen Regelungen in Fällen, in denen weder eine klare Selbständigkeit noch eine ausdrückliche Abhängigkeit besteht, wesentlich schwieriger dar. Klar dürfte insoweit sein, dass kein genereller Vorrang einer Norm nach den Grundsätzen der lex superior205 oder posterior206 besteht. Vielmehr muss die Abgrenzung eine inhaltliche sein. Dafür spricht auch, dass die Problemlösungen in den unterschiedlichen Rechtsgebieten (nicht stets historisch, aber doch rechtstheoretisch) letztlich Ausdifferenzierungen einer rechtlichen Ordnung sind.207 Auf der einen Seite spricht die Zielvorstellung der Einheit der Rechtsordnung dafür, möglichst einen Gleichlauf herzustellen, auf der anderen Seite können außerstrafrechtliche Normen eigenständige Ziele verfolgen, für die eine Auswirkung auf die strafrechtliche Bewertung ohne Belang ist. Hat man die Problemstellung erst einmal so benannt, so wird die Parallelität zu ähnlichen, in anderem Zusammenhang bereits diskutierten Fragen deutlich. Dies gilt namentlich für das Verhältnis von materiellem und prozessualem Strafrecht in Fällen, in denen beide miteinander (zumindest scheinbar) kollidieren.208 Bekannrechts durch die Missbrauchsklausel des § 330d Nr. 5 StGB, die verwaltungsrechtlich wirksame Genehmigungen unter bestimmten Umständen für strafrechtlich unbeachtlich erklärt (vgl. dazu speziell unter dem Gesichtspunkt der Verwaltungsrechtsakzessorietät Wohlers, JZ 2001, 850 ff.). 203 Vgl. hierzu statt vieler Frisch, Verwaltungsakzessorietät und Tatbestandsverständnis im Umweltstrafrecht, passim; Kühl, Lackner-FS, S. 815 ff; Lackner / Kühl, vor § 324 Rn. 3, § 324 Rn. 9 – 13 sowie § 325 Rn. 4 – 12. 204 Um nur zwei Beispiele zu nennen: §§ 106 ff. UrhG, §§ 94, 95 TKG. 205 Vgl. dazu auch sogleich unten Text zu Fußn. 217. 206 Dies nicht zuletzt, weil für das im Folgenden aufgenommene Modell des „Vorrangs“ der inhaltsreicheren Regelung im Verhältnis zum Prinzip der lex posterior mutatis mutandis gelten muss, was für den – letztlich ebenfalls auf dem Gedanken des Inhaltsreichtums beruhenden – Grundsatz der Spezialität gilt: lex posterior generalis non derogat legi priori speciali, vgl. m. w. N. Mangoldt / Klein / Starck-März, § 31 Rn. 14. 207 Treffend Maurach / Zipf, § 2 Rn. 25. 208 Vgl. dazu zuletzt ausführlich Sieber, Roxin-FS, S. 1113 ff.

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3. Teil: Grundlegungen einer eigenen Lösung

testes Beispiel ist dabei die Frage nach der Strafbarkeit des Strafverteidigers wegen Strafvereitelung durch die Wahrnehmung strafprozessualer Befugnisse;209 eine weitere umfangreiche Fallgruppe betrifft das Verhältnis materiell-rechtlicher Geheimhaltungsvorschriften zu prozessrechtlichen Offenbarungsbefugnissen oder sogar -pflichten. Exemplifiziert an dieser letzten Fallgruppe hat sich in jüngerer Zeit namentlich Sieber mit dem Problem der Kollision von materiellem und prozessualem Strafrecht auseinandergesetzt.210 Die dort unter Rückgriff auf allgemeine Überlegungen der Normlogik sowie vor allem der (strafrechtlichen) Konkurrenzlehre211 entwickelten Überlegungen können auch hier fruchtbar gemacht werden. Die grundsätzlich überzeugende Grundaussage ist dabei, dass einer Norm im Verhältnis zu einer anderen immer dann Vorrang zukommt, wenn sie die inhaltsreichere Regelung ist, da „eine inhaltlich reichere Aussage den Willen des ,Sprechenden‘ vorrangig vor einer inhaltlich ärmeren wiedergibt“.212 Für das Verhältnis der einzelnen Normen des Strafgesetzbuches zu anderen, außerstrafrechtlichen Regelungen gilt daher (wie auch für das Verhältnis anderer Vorschriften unterschiedlicher Rechtsgebiete zur Regelung eines Sachverhaltes): Soweit überhaupt ein (zumindest scheinbarer213) Bewertungskonflikt der kollidierenden Normen besteht, ist vorrangig die Wertung der Norm zu beachten, die in der konkreten Situation inhaltsreicher ist. Eine noch klarere Formulierung lässt sich unter Rückgriff auf die Binding’sche Differenzierung von Verhaltens- und Sanktionsnorm214 erreichen: Zu vergleichen sind die im Strafgesetz sowie die in der außerstrafrechtlichen Vorschrift liegende Verhaltensnorm. Die inhaltsreichere Verhaltensnorm ist dann bei der Auslegung der inhaltsärmeren möglichst so zu berücksichtigen, dass im Ergebnis der Konflikt vermieden wird. Es soll also nicht auf Vgl. hierzu bereits die umfangreichen Nachweise o. S. 45 ff. Vgl. Sieber, Roxin-FS, S. 1113 ff. 211 Sieber bezieht sich u. a. auf konkurrenzrechtliche Vorarbeiten von Puppe, Idealkonkurrenz und Einzelverbrechen, sowie von Geerds, Die Lehre von den Konkurrenzen im Strafrecht. 212 Vgl. Jakobs, AT, Abschn. 31 Rn. 12, auf den Sieber, Roxin-FS, S. 1125, dort Fußn. 33, Bezug nimmt. 213 Man könnte den Konflikt als nur „scheinbaren“ bezeichnen, wenn es gelingt, ihn durch Auslegung der inhaltsärmeren Norm im Ergebnis sofort „beizulegen“. Freilich handelt es sich hier nur um eine terminologische Frage. In anderen Zusammenhängen, in denen die Behandlung des Kollisionsproblems bereits eine lange judikative und wissenschaftliche Tradition hat, wird auf das Attribut „scheinbar“ verzichtet. Dies gilt insb. bei „kollidierenden Grundrechten“, die gerade auch als solche bezeichnet werden, obwohl zwischen ihnen immer in die eine oder andere Richtung über den Gedanken der verfassungsimmanenten Schranken nach dem Prinzip der praktischen Konkordanz ein Ausgleich geschaffen wird. Im Ergebnis überzeugt diese Terminologie auch, denn der Konflikt ist kein scheinbarer, sondern durchaus ein realer; die Lösung (in Gestalt einer grundrechtsimmanenten Schranke bzw. vorliegend: einer einschränkenden Auslegung der inhaltsärmeren Vorschrift) ist nämlich in der letztlich „zurücktretenden“ Norm allenfalls in nuce angelegt, wird aber erst durch das Zusammentreffen mit der letztlich „vorgehenden“ aktualisiert. 214 Vgl. grundlegend Binding, Die Normen und ihre Übertretung, Bd. I, S. 3 ff. 209 210

A. Allgemeine Grundlagen

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Grund der inhaltsärmeren Norm ein Verhalten angeordnet (oder zumindest erlaubt) werden, das dem Verhaltensverbot der inhaltsreicheren Norm widerspricht, umgekehrt aber auch nicht auf Grund der inhaltsärmeren Norm ein Verhalten verboten werden, das die inhaltsreichere Norm gerade zulässt. Zum Anwendungsbereich dieser „allgemeinen Formel“ seien noch einige erläuternde Anmerkungen hinzugefügt, die deutlich machen, dass die hier interessierenden Fälle regelmäßig nach ihr gelöst werden müssen: Ein Konflikt im o.g. Sinne besteht, wenn die Rechtsfolge, die nach einer Norm eintreten müsste, mit den Wertungen der anderen Norm nicht in Einklang zu bringen ist. Kein Konflikt wird also insbesondere erzeugt, wenn an einen Sachverhalt nur in mehreren Rechtsgebieten jeweils bestimmte (womöglich sogar mehr oder weniger gleich gerichtete) Rechtsfolgen geknüpft werden. So kollidiert die Anordnung eines Schadensersatzanspruches in § 823 I BGB an ein bestimmtes deliktisches Verhalten nicht mit einer staatlichen Strafdrohung z. B. nach §§ 212, 223, 242, 303 StGB für dasselbe Verhalten; auch kollidiert die Strafandrohung für die Tötung eines Menschen nicht mit dem gesamtrechtsnachfolgerischen Vonselbsterwerb des Vermögens des Getöteten durch seine Erben oder mit dem gegenüber den Erben daraus entstehenden Erbschaftsteueranspruch. Dagegen tritt der Konflikt deutlich hervor, wenn z. B. die Benennung eines Zeugen auch dann prozessrechtlich nicht zu beanstanden ist (sondern vielmehr sogar geboten sein kann), wenn der Verteidiger nicht sicher weiß, ob dieser die Wahrheit sagen wird, obwohl hierin nach allgemeinen Grundsätzen auch eine bedingt vorsätzliche (versuchte) Anstiftung zum Meineid liegen könnte.215 Im hier interessierenden Zusammenhang geht es vor allem um Fälle, in denen ein erfolgsunterstützendes Verhalten an sich einer Strafvorschrift subsumiert werden könnte, obwohl die einschlägigen Regeln des Berufsrechts kein entsprechendes Verbot enthalten.216 Die o.g. Formel wird auch nicht in nennenswerter Weise durch die Grundsätze vom Vorrang einer Regelung auf Grund der Normenhierarchie im Rechtsstaat oder des föderalen Prinzips eingeschränkt: Ein Vorrang einer Norm vor einer anderen auf Grund der rechtsstaatlichen Normenhierarchie besteht insbesondere im Verhältnis des Verfassungsrechts zu einfachem Gesetzesrecht sowie im Verhältnis von Gesetzen im formellem Sinne zu untergesetzlichen Rechtsvorschriften. Außer dem an anderer Stelle separat behandelten Verfassungsrecht217 spielt ein solcher Vorrang der mit der Strafnorm kollidierenden Norm hier keine Rolle, da die einschlägigen Strafvorschriften stets auf der Stufe formellen Gesetzesrechts und damit zumindest gleichrangig zu den kollidierenden Vorschriften stehen. Umgekehrt könnte sich allenfalls die Frage stellen, ob eine Erlaubnis, die in die Gestalt einer untergesetzlichen Norm gekleidet ist, eine formell-gesetzliche Strafdrohung „verdrängen“ kann. Allerdings ist vorstellbar, dass die einfachgesetzliche (mit der Strafdrohung also gleichrangige) Ermächtigungsgrundlage für den konkreten Fall als solche zumindest „gleich inhaltsreich“ wie die Strafnorm ist, so dass in einer solchen „Pattsituation“ der weitergehende untergesetzliche Inhalt doch ausschlaggebend sein könnte. Ein Vorrang einer Norm vor einer anderen auf Grund 215 So die Grundkonstellation in BGHSt 46, 53 m. Anm. Scheffler, JR 2001, 294 ff., sowie Kudlich / Roy, JA 2001, 15 ff. 216 Auch bei den gleichsam umgekehrten Fällen, in denen ein Verhalten außerstrafrechtlich untersagt ist, kann sich die Frage nach einer strafrechtlichen Relevanz stellen, hier in Gestalt der oben bereits mehrfach angesprochenen Bedeutung einer Schutznormverletzung. Allerdings liegt insoweit kein wirklicher Konflikt vor, da beide Rechtsfolgen darauf gerichtet wären, dass das betreffende Verhalten unterbleiben soll. 217 Vgl. dazu insgesamt näher u. S. 303 ff., insb. S. 274 ff.

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3. Teil: Grundlegungen einer eigenen Lösung

des föderalen Prinzips besteht im Bundesstaat zwar nach der Vorschrift des Art. 31 GG im Verhältnis von Bundesrecht zu Landesrecht. Auch hier gilt allerdings vergleichbar wie zur rechtsstaatlichen Normenhierarchie: Ein Vorrang der Erlaubnisvorschrift vor der Strafandrohung nach diesen Grundsätzen ist kaum vorstellbar, da von praktischer Relevanz allein Strafvorschriften des Bundes sind. Aber auch bundesrechtliche Strafandrohungen haben vor landesrechtlichen Erlaubnisnormen dann grundsätzlich keinen Vorrang, wenn sie die inhaltsärmeren sind. Denn Art. 31 GG gilt nur für Regelungen derselben Rechtsfrage218 und lässt grundsätzlich eine Auslegung von Bundesrecht zu, die den Widerspruch zum Landesrecht vermeiden hilft.219

c) Konsequenzen für das Problem berufsbedingter Unterstützungshandlungen Wendet man diese Grundsätze auf das Problem berufsbedingter Unterstützungshandlungen an, könnte man einerseits darauf abstellen, dass die außerstrafrechtlichen Normkomplexe, die das jeweilige berufliche Verhalten regeln,220 sachnäher und – da gerade auf den jeweiligen Leistungsgegenstand221 zugeschnitten – inhaltsreicher sind als die allgemeinen, unterschiedlichste Verhaltensweisen regelnden Strafnormen. Andererseits behandeln die außerstrafrechtlichen Normen zumindest regelmäßig den unzweifelhaft legalen Umfang mit den jeweiligen Leistungsgegenständen und haben dabei (wenn nicht gerade ebenfalls eine Verbotsnorm vorliegt) den Normalfall vor Augen, in dem es im Zusammenhang mit der Leistungserbringung zu keinem deliktischen Erfolg kommt. Insoweit könnte man auch die Strafnorm als inhaltsreicher erachten, wenn es zu einem der in ihr umschriebenen Erfolge kommt. Eine generelle Aussage lässt sich daher nicht ohne weiteres treffen, sondern es kommt maßgeblich auf den Inhalt der Straf- und vor allem der außerstrafrechtlichen Norm an. Gewisse Tendenzen können allerdings durchaus skizziert werden. Dabei ist zu differenzieren: (1) Zunächst sind Fälle denkbar, in denen zwar eine rudimentäre Regelung des beruflichen Verhaltens vorliegt, dort allerdings keine Aussage über das ganz konkrete Verhalten getroffen wird. Die Übereinstimmung mit außerstrafrechtlichem Recht erschöpft sich hier also darin, dass mangels Existenz einschlägiger Bestim218 Zum – bislang offenbar noch wenig aus dem Blickwinkel der Normentheorie untersuchten – Anwendungsbereich des Art. 31 GG Mangoldt / Klein / Starck-März, Art. 31 Rn. 14, 41; Dreier-Dreier, Art. 31 Rn. 39; von Münch / Kunig-Gubelt, Art. 31 Rn. 3. 219 Vgl. Dreier-Dreier, Art. 31 Rn. 37. Wo ein offener, nicht durch Auslegung zu behebender Konflikt bestehen bleibt, geht freilich Bundesrecht vor. Nach verbreiteter Ansicht soll auch der Vorrang der lex specialis im Anwendungsbereich des Art. 31 GG nicht gelten (vgl. Dreier a. a. O.). 220 Sei es in Gestalt von Berufsrecht i.e.S., sei es als stärker gegenstands- bzw. leistungsbezogenes Recht (z. B. in Regelungen des Waffen-, Arzneimittel- oder Lebensmittelrechts), das den Umgang mit bestimmten Gegenständen bzw. die Zulässigkeit bestimmter Leistungen regelt und damit naturgemäß vor allem die Personengruppen betrifft, die beruflich damit zu tun haben. 221 Hier im umfänglichen Sinne gemeint.

A. Allgemeine Grundlagen

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mungen kein Verstoß dagegen vorliegt. Solche nicht-existenten Normen können nun offensichtlich nie inhaltsreicher sein als das strafrechtliche Verbot.222 Hier trifft sich die Bewertung nach dem „Inhaltsreichtum“ der Normen mit der bereits oben dargestellten Kritik, die in der Literatur an bestimmten Pflichtwidrigkeitskonzeptionen geübt wird.223 Ergänzend kann man speziell für die Beihilfestrafbarkeit darauf verweisen, dass im Ausgangspunkt Verhaltensweisen jeder Art – und nicht etwa nur solche, die bereits per se untersagt sind – als Beihilfehandlungen denkbar sind.224 Vielmehr wird die deliktische Dimension einer Beihilfehandlung oftmals erst durch ihren Bezug zur Haupttat eröffnet – ein Umstand, der sich dogmatisch in der Akzessorietät der Beihilfe widerspiegelt. All dies schließt im Übrigen natürlich nicht aus, dass es dennoch gute Gründe geben kann, die für eine Straflosigkeit sprechen – nur liegen diese Gründe eben nicht vorrangig im fehlenden Verstoß gegen außerstrafrechtliche Verhaltenspflichten.

(2) Daneben ist aber auch vorstellbar, dass für ein bestimmtes Verhalten mehr oder weniger detaillierte Regelungen bestehen und diese auch eingehalten wurden. Hier scheint auf den ersten Blick durchaus ein Indiz dafür vorzuliegen, dass der Gesetzgeber die potentielle Gefährlichkeit bzw. Missbrauchsanfälligkeit eines Verhaltens gesehen hat, dieses aber unter Abwägung der betroffenen Interessen bei Einhaltung bestimmter formeller oder materieller Voraussetzungen bewusst in Kauf nimmt.225 Die „Vorwertung“ wäre hier also eine ungleich stärkere als beim bloßen Fehlen einer Verbotsnorm, die eingehaltene Norm naturgemäß inhaltsreicher als eine nicht-existente. Doch kann auch hier nicht uneingeschränkt der Schluss auf die Straflosigkeit gezogen werden. Um eine auch gegenüber dem strafrechtlichen Verbot inhaltsreichere Vorschrift annehmen zu können, müsste ihre Auslegung ergeben, dass sie zum einen auch ein Verhalten, das einen deliktischen Erfolg zeitigt, überhaupt regeln will, und dass dabei das Verhalten zum anderen auch dann akzeptiert werden soll, wenn die vom Strafgesetz vorgesehene innere Einstellung (je nach Fall Vorsatz oder Fahrlässigkeit) vorliegt. Dies ist aber keineswegs stets der Fall. So erschiene es z. B. (trotz der Einhaltung strengerer existierender Vorschriften) prima facie wenig stringent, den Verkäufer eines Hammers für den damit begangenen Totschlag des Käufers an seiner Ehefrau wegen Beihilfe zur Verantwortung zu ziehen, wenn er die Tat für möglich hält oder gar als sicher voraussieht, den Verkäufer 222 Vgl. als interessante Parallele für die Genehmigung eines (mehr oder weniger) gefährlichen Betriebes Rehberg, Zur Lehre vom „Erlaubten Risiko“, S. 214, nach dem „der voraussetzungslosen außerstrafrechtlichen Gestattung bestimmter gefährlicher Tätigkeiten ( . . . ) keine Bedeutung zukommen“ kann. 223 Vgl. o. S. 95. 224 So ist weder das Halten einer Leiter noch das Mitnehmen eines Freundes mit dem Wagen „als solches“ untersagt. Anders sieht dies aber aus, wenn der Freund nachts zu einem allein stehenden Haus gefahren und ihm anschließend die Leiter gehalten wird, mit der dieser in das Haus einsteigt und einen Diebstahl begeht. 225 Vgl. hierzu auch nochmals Frisch, Verhalten und Zurechnung, S. 92.

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3. Teil: Grundlegungen einer eigenen Lösung

einer Handfeuerwaffe bei jeweils gleichem Vorsatzgrad dagegen straflos zu belassen, nur weil er sich davon überzeugt hat, dass der Erwerber einen Waffenschein besitzt.226 Des Weiteren bestehen in vielen Fällen für ein bestimmtes Verhalten zwar Regelungen. Diese sind aber nicht abschließend in dem Sinne, dass sie alle damit verbundenen Risiken berücksichtigen sollen, die sich durch den Missbrauch einer Leistung durch Dritte ergeben können. Vor allem aber kann allein daraus, dass der Gesetzgeber in bestimmten Fällen bei Einhaltung der von ihm gesetzten formellen und materiellen Anforderungen ein für ein Rechtsgut riskantes Verhalten zulässt, nicht ohne weiteres geschlossen werden, dass er auch seine (vorsätzliche) Verletzung billigen möchte. Um Letzteres an einem Beispiel zu verdeutlichen: Die Vorschriften zum Verhalten im Straßenverkehr sind vom Gesetzgeber so ausgestaltet, dass unter ihrer Geltung die (unzweifelhaft verbleibenden) Risiken für Leib und Leben anderer soweit reduziert werden, dass sie unter Abwägung dieser Schutzinteressen und dem Interesse an einem flüssigen Vorankommen im Verkehr hingenommen werden. Daraus kann aber kaum geschlossen werden, dass die Schädigung eines Dritten, die bei Einhaltung dieser Regeln bewusst vorgenommen wird, ebenfalls vom Gesetzgeber akzeptiert werden soll.227

Mit anderen Worten: es kommt entscheidend auf die Auslegung der (eingehaltenen) nicht-strafrechtlichen Norm(en228) an. Hinsichtlich der Herbeiführung eines deliktischen Erfolges mit einem bestimmten Grad der subjektiven Beziehung zum Erfolg (Vorsatz oder Fahrlässigkeit) ist sie nur dann inhaltsreicher – und eine Strafbarkeit gerade deshalb ausgeschlossen –, wenn die Auslegung ausnahmsweise ergibt, dass die ausdrückliche Gestattung eines Verhaltens unter bestimmten gefährlichen Umständen auch in Konstellationen gelten soll, die im Übrigen die Voraussetzungen eines Strafgesetzes erfüllen. Dies wird man allerdings i.d.R. nur annehmen können, wenn (wie im wichtigen Beispiel der unten noch näher dargestellten §§ 9 ff. TDG229) ausdrücklich eine Verantwortlichkeitsfreistellung erfolgt oder aber wenn die Gestattung anderenfalls in einer Vielzahl ihrer Anwendungsfälle sinnlos wäre. 226 Frisch, Verhalten und Zurechnung, S. 92, spricht (wohl) mit Blick auf solche drohenden Paradoxien anschaulich davon, dass in bestimmten Konstellationen „auch bei Einhaltung der ( . . . ) Gefahrenreduzierungsnormen noch ein deutlich höheres Risiko als das ( . . . ) typische Grundrisiko zu konstatieren ist“ (Hervorhebung dort). 227 Der BGH (StV 2000, 22) sieht bei einem absichtlich verursachten Unfall unter Einhaltung der Verkehrsregeln sogar den Anwendungsbereich des § 315b StGB eröffnet. Das erscheint allerdings fraglich, da sich § 315b StGB nicht auf einen Verursachungsvorgang beschränkt, sondern eine bestimmte Qualität auch des Verhaltens voraussetzt, vgl. näher Kudlich, StV 2000, 23 ff.; ausführlich (und im Ergebnis noch kritischer) zu dieser Entscheidung Rath, Gesinnungsstrafrecht, S. 3 ff., 47 ff. 228 Gibt es mehrere formale Vorschriften, die ein Verhalten regeln, so liegt in der kumulativen Einhaltung von allen von ihnen zwar sicher ein stärkeres Indiz für die Erlaubtheit des Handelns. Allerdings kann dieses umso leichter widerlegt werden, je grobmaschiger das Regelungssystem für den jeweiligen Lebenssachverhalt ist. 229 Vgl. u. S. 503 ff.

A. Allgemeine Grundlagen

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Das Stufenverhältnis insoweit möglicher Regelungen sei noch einmal an einem Beispiel verdeutlicht: In § 469 östStGB a.F. war unter Strafe gestellt, wenn Schlosser „für unbekannte Personen oder ( . . . ) ohne Vorsicht und gehörige Erkundigungen nicht bekannten Leuten Schlüssel nachmachen oder Schlösser aufsperren.“ In dieser Bestimmung wurde also für ein Einbruchsdiebstähle potentiell unterstützendes Verhalten sogar ein Vorfeldstraftatbestand geschaffen, dessen Verletzung bei Erfüllung der weiteren Voraussetzungen auch eine Strafbarkeit wegen Beihilfe zum Diebstahl nach sich ziehen konnte. Ist das Verhalten selbst verboten, kann es tatbestandlich keine „Sperrwirkung“ entwickeln, es liegt bereits keine Kollision im o.g. Sinne vor. Die bloße Streichung dieser Vorschrift allein führt noch zu keiner nennenswerten Indizwirkung gegen die Annahme einer Beihilfestrafbarkeit – dass ein Verhalten nicht per se strafbar ist, schließt seine Tauglichkeit zur Beihilfe nicht aus, eine nicht (mehr) existente Norm ist nicht inhaltsreicher als die Strafandrohung der Beihilfe. Etwas anderes könnte nun gelten, wenn der Gesetzgeber positiv regeln würde, dass „Schlosser beim Nachmachen von Schlüsseln keinerlei Erkundigungs- oder Überprüfungspflichten treffen“ o.ä. Hier dürfte hinsichtlich eventueller Fahrlässigkeitsstrafbarkeiten eine inhaltsreichere Regelung einer Strafbarkeit entgegenstehen, soweit die Fahrlässigkeit allein mit einer mangelnden Überprüfung der Berechtigung des Schlüsselinhabers begründet werden kann. Ob eine so formulierte Vorschrift allerdings auch einer Strafbarkeit wegen Beihilfe als einer Vorsatztat im Wege stehen würde, ist weniger klar; jedoch spricht einiges dafür, dass zumindest dolus eventualis nicht genügen würde. Um eine völlige Straffreiheit sicher zu stellen, müsste eine Formulierung geschaffen werden, wonach den Schlosser, für „Straftaten, die mit“ eventuell nur unter Einhaltung bestimmter Formalien „nachgemachten Schlüsseln begangen werden, keine Verantwortung trifft.“

(3) Dagegen kann im entgegengesetzten Fall der Feststellung eines Verstoßes eine größere Bedeutung zukommen. Dies gilt dann, wenn der Schutzzweck der verletzten Vorschrift gerade darin besteht, zu verhindern, dass eine bestimmte Leistung zu deliktischen Zwecken eingesetzt wird bzw. die Gefahr einer Verletzung des von der Haupttat betroffenen Rechtsgutes einzudämmen. In einem solchen Fall wirken strafrechtliche und außerstrafrechtliche Vorschrift zusammen. Es gibt kein Konkurrenzproblem, sondern das Strafrecht verschärft die Verhaltensnorm der nicht-strafrechtlichen Vorschrift.230 Werden etwa Waffen oder toxische Substanzen unter Verstoß gegen einschlägige Vorschriften veräußert und dann vom Erwerber zur Begehung eines Verbrechens genutzt, ist der Verstoß ein Argument für eine Verantwortlichkeit für die Unterstützung dieser Taten. Dagegen ist ein Verstoß gegen eine nicht-strafrechtliche Norm unbeachtlich, soweit der Schutzzweck der verletzten Norm die spätere Verletzung nicht erfasst: Verkauft also – um ein oben bereits mehrfach genanntes Beispiel aufzugreifen – ein Bäcker ein Brötchen, das der Erwerber mit Gift versetzen und seiner Frau zum Abendessen servieren möchte, so kann man zwar unterschiedlicher Ansicht darüber sein, ob dies zu einer Beihilfestrafbarkeit führt; jedenfalls kann man sie aber nicht damit begründen, 230 Dagegen kann man in diesen Fällen nicht sagen, das StGB enthalte unmittelbar die Sanktionsnormen für außerhalb des Strafrechts existierende Verhaltensnormen. Denn die außerstrafrechtliche und die vom Erfolg des Straftatbestandes her formulierte Verhaltensnorm sind ja verschieden (z. B. „Verkaufe keine giftigen Substanzen!“ und „Fördere nicht die Tötung anderer Menschen!“).

15 Kudlich

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3. Teil: Grundlegungen einer eigenen Lösung

dass der Verkauf unter Verstoß gegen das Ladenschlussgesetz erfolgt ist, da dessen Schutzrichtung die Verwendung der verkauften Gegenstände in keiner Weise berührt.231 Gewisse Modifikationen der vorangegangenen Überlegungen könnten sich für Fahrlässigkeitsdelikte ergeben, welche ja auch als Fälle einer berufsbedingten Unterstützungshandlung vorstellbar sind.232 Fahrlässigkeitsdelikte sind durch das (bei ihnen weithin anerkannte) Erfordernis eines Sorgfaltspflichtverstoßes, der gerade nicht in der Verursachung des Erfolges allein liegt, im hier interessierenden Sinne „inhaltsärmer“ als Vorsatzdelikte, da in spezifischer Weise ergänzungsbedürftig. Solche Normen, die für die Ausfüllung der Sorgfaltspflicht herangezogen werden können, könnten dann mit Blick auf die ganz konkrete Situation und Sorgfaltspflicht inhaltsreicher und spezieller sein als das Fahrlässigkeitsdelikt, so dass ihre Wertung zu berücksichtigen wäre. Allerdings wird in der neueren Literatur233 darauf hingewiesen, dass die „Sondernormen“ als Sorgfaltspflichten nur „Eingangsdaten“ sind, die durch die Beurteilung des konkreten Falles noch ergänzt werden müssen. Insoweit besteht auch hier keine völlige Abhängigkeit des Straftatbestandes von außerstrafrechtlichen Vorschriften. Wegen der spezifischen Verankerung dieses Problems in der Fahrlässigkeitsdogmatik, soll auf diese Frage unten in Abschnitt C. noch einmal zurückgekommen werden.

2. Zum Einfluss sozialer Normen: Soziale Vorstrukturierung und Auslegung von Strafgesetzen Vielfach sind berufsbedingte (ebenso wie andere „alltägliche“) Verhaltensweisen nicht, jedenfalls aber nicht ausreichend dicht, durch (außerstrafrechtliche) Rechtsnormen geregelt, die das Verhalten erlauben würden. Wenn auch in solchen Bereichen die Strafbarkeit „neutraler“ Unterstützungshandlungen teilweise als „unangemessen“ empfunden wird, so liegt dies dann also nicht an einer unterschiedlichen Bewertung des Verhaltens in anderen Rechtsgebieten, sondern an den üblichen sozialen Gepflogenheiten. Das legt die Frage nahe, in welcher Art soziale Vorstrukturierungen eines Verhaltens vorstellbar sind und wie sich diese auf die Auslegung der Strafgesetze auswirken. An dieser Stelle soll es dabei – ähnlich wie oben zum Verhältnis zwischen Strafrecht und außerstrafrechtlichen Normen – noch nicht um eine abschließende Antwort gehen, die auch dogmatische Figuren, wie das erlaubte Risiko oder die soziale Adäquanz, miteinbeziehen und daher den strafrechtsdogmatischen Grundlagen vorbehalten sein muss. Vielmehr geht es vorliegend allein um das allgemeine Verhältnis zwischen (straf-)rechtlichen und sozialen Normen und damit um Zulässigkeit und Art des Einflusses sozialer Normen auf die Auslegung von Strafgesetzen.

231 Vgl. zu dieser Problematik und der Differenzierung nach dem Schutzzweck der Norm im hier interessierenden Zusammenhang auch bereits Wolff-Reske, S. 143 ff. 232 Vgl. o. S. 53 f., 66 f. 233 Vgl. Duttge, Fahrlässigkeitsdelikte, zusammenfassend etwa S. 353 f.

A. Allgemeine Grundlagen

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a) Strukturelle Gemeinsamkeiten und Unterschiede von (straf-)rechtlichen und sozialen Normen Grundsätzlich haben soziale und (straf-)rechtliche Normen234 vergleichbare äußere Strukturen, so insbesondere hinsichtlich des Auseinanderfallens von Sein und Sollen mit der Konsequenz einer Sanktion.235 Nach Regelungsumfang und -inhalt dagegen bestehen im Einzelnen gewichtige Unterschiede: (1) Zunächst unterscheiden sich die Folgen eines Verstoßes. Hinsichtlich der Formalisierung, Schärfe und Legitimität der Sanktion nimmt die Strafe eine Sonderstellung nicht nur innerhalb des Rechtssystems, sondern erst recht im Vergleich zu nichtrechtlichen sozialen Normen ein. Wie auch schon beim Verhältnis strafrechtlicher zu außerstrafrechtlichen Regeln236 spielen allerdings diese Unterschiede in den Folgen hier keine weitere Rolle, so dass die Frage nicht vertieft werden muss. (2) Was ihren jeweiligen Inhalt (Regelungsgegenstand) angeht, lässt sich das Verhältnis von Strafnormen und sozialen Normen zueinander nicht eindeutig beschreiben: Einerseits wird nämlich traditionell betont, dass das Recht nicht alles regeln und insbesondere das Strafrecht nicht alles sanktionieren kann, was gegen sozialethische Wertvorstellungen verstößt; insoweit käme dem Recht die Sicherung sozialethischer Mindeststandards zu.237 Andererseits gibt es – selbst im grundsätzlich mit einem besonderen sozialethischen Vorwurf verbundenen238 Bereich strafbaren Handelns –Verhaltensweisen, die vom Recht untersagt werden, ohne zumindest eine allgemeine sozialethische Missbilligung zu erfahren, wie die Redensart von den sog. Kavaliersdelikten deutlich zeigt. Der Bereich des Rechts ist damit (zwar oft, aber eben) nicht notwendig enger als der von sozialen Normen, um insbesondere auch seiner „Schrittmacherfunktion“ nachkommen zu können, wenn die sozialen Wertvorstellungen hinter den gesellschaftlichen, wirtschaftlichen oder technischen Entwicklungen noch zurückgeblieben sind.239 Konsequenz 234 In einem weiter verstandenen Sinne sind strafrechtliche Normen sogar zugleich soziale (so auch NK-Hassemer, vor § 1 Rn. 117), die in einem gewissen engen Ausschnitt unter besonders formalisierten Voraussetzungen einen besonders sanktionierten Geltungsanspruch besitzen. Soziale Normen im hier verstandenen engeren Bereich sind daher vor allem sozialethische Wertvorstellungen sowie anerkannte Gepflogenheiten des Zusammenlebens. 235 Vgl. auch NK-Hassemer, vor § 1 Rn. 121, der zusätzlich noch das „Verfahren“ nennt. Ein solches ist zur Durchsetzung strafrechtlicher Normen im Falle ihrer Überschreitung stets erforderlich, aber auch bei sozialen Normen – wenngleich in weniger streng formalisierter Form – häufig zu beobachten. 236 Vgl. o. Fußn. 196. 237 Vgl. dazu bereits die Formel vom Recht als „ethischem Minimum“ bei Jellinek, Die sozialethische Bedeutung von Recht, Unrecht und Strafe, S. 45, sowie aus neuerer Zeit statt vieler Stratenwerth, AT I, § 2 Rn. 2. 238 Vgl. dazu bereits o. S. 209 m. w. N. 239 Vgl. NK-Hassemer, vor § 1 Rn. 119 m. w. N. (zu den „Kavaliersdelikten“), sowie Stratenwerth, AT I, § 2 Rn. 3 (zur „Schrittmacherfunktion“).

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3. Teil: Grundlegungen einer eigenen Lösung

aus dieser Beobachtung, die sich in das Bild von zwei sich überschneidenden (und nicht vollständig konzentrischen) Kreisen fassen lässt, ist, dass jedenfalls kein Erst-Recht-Schluss des Inhalts möglich ist, Verhaltensweisen, die nach verbreiteter sozialethischer Beurteilung allenfalls indifferent sind, müssten automatisch und ohne Ausnahme straflos sein. (3) Ein wesentlicher Unterschied zwischen Strafnormen und sozialen Normen besteht schließlich im Umfang ihres Geltungsanspruches. Während Strafnormen typischerweise stets gegenüber jedermann gelten und Sonderdelikte nach Systematik sowie auch nach tatsächlicher Bedeutung Ausnahmen darstellen, sind soziale Normen gerade typischerweise segmentärer Natur, d. h. in hohem Maße sowohl bezugsgruppen- als auch situationsabhängig.240 Zwar gibt es durchaus einige zentrale sozialethische Gebote, die – zumindest innerhalb eines Kulturkreises – einen fast universellen Geltungsanspruch haben (und insoweit im Wesentlichen mit den bekannteren Tatbeständen des Kernstrafrechts deckungsgleich sein dürften). Jenseits dessen – und damit auch in dem Bereich, der hier interessieren könnte – „sind die sozialen Normen jeweils andere: für Kinder und Erwachsene, Gymnasiasten und Auszubildende, Bankleute und Professoren, in der Straßenbahn, im Operations- oder im Konzertsaal, in der Kneipe.“241 Was in einer ganz bestimmten Situation von einer ganz bestimmten Person (eines jeweiligen Geschlechts, Alters, Bildungsstandes, Berufes etc.) üblicherweise getan wird und dementsprechend auch (real) erwartet werden muss, kann sich erheblich unterscheiden. Dieser segmentäre Charakter könnte – das kann schon an dieser Stelle als Hypothese geäußert werden – Auswirkungen haben, falls es auch für die Bedeutung von sozialen Normen auf ihren „Inhaltsreichtum“ ankommen sollte.

b) Grundsätzliche Berücksichtigungsfähigkeit von sozialen Vorstrukturierungen bei der Auslegung von (Straf-)Gesetzen Auf Grund dieses – je nach betrachtetem Kriterium – sehr differenzierten Verhältnisses zwischen rechtlichen und sozialen Normen, wohl aber auch auf Grund unterschiedlicher rechts- und systemtheoretischer Prämissen, ist die Frage, ob und bejahendenfalls: auf welchem Weg soziale Vorstrukturierungen auch auf die Anwendung rechtlicher Normen durchschlagen können, von einer generellen Klärung noch weit entfernt. Eine solche Klärung ist hier im Rahmen einer unter mehreren Vorfragen weder möglich noch beabsichtigt. Vielmehr sollen an dieser Stelle einige knappe Skizzen anhand von früheren Stellungnahmen speziell zum hier interessierenden Problem genügen:

240 Hassemer, wistra 1995, 81, bezeichnet diesen Umstand als „in den Sozialwissenschaften längst ein Gemeinplatz, von den Juristen aber nur marginal rezipiert“. 241 Hassemer, wistra 1995, 81.

A. Allgemeine Grundlagen

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(1) Unter den Konzeptionen, die sich mit der Strafbarkeit berufsbedingter oder allgemein „neutraler“ / „alltäglicher“ Unterstützungshandlungen befasst haben, findet sich – dies ist der wichtigste Grund für die nachfolgenden Ausführungen – eine ganze Reihe von Überlegungen, welche die Strafbarkeit relativ eng an die Prämissen aus sozialen Normen anbinden.242 Zu nennen ist hier zunächst Jakobs, der u. a. unter Rekurs auf Luhmann die Aufgabe des Strafrechts in der kontrafaktischen Stabilisierung enttäuschter Erwartungen sieht243 und für den daher die realen sozialen Erwartungen und „Erwartbarkeiten“ eine zentrale Rolle bei der strafrechtlichen Zurechnung spielen. Ähnlich ist der Ansatz von Wollf-Reske,244 die speziell für den Bereich berufsbedingten Verhaltens die „erwartbaren“ Verhaltensweisen mit Hilfe der soziologischen Rollentheorie245 bestimmt, so dass Überschreitungen der (Normen der) sozialen Rolle zur strafbarkeitsrelevanten Verhaltensmodifikation werden. In Hassemers Konzept der professionellen Adäquanz schließlich werden normative soziale Vorstrukturierungen für eine einschränkende Auslegung des objektiven Unrechtstatbestandes fruchtbar gemacht.246 (2) An der Einbeziehung sozialer Normen in die Auslegung von Straftatbeständen und noch weitergehend an der Übernahme soziologischer Perspektiven für die Strafrechtsdogmatik wird in verschiedener Weise Kritik geübt. So wird zum einen – stärker ergebnisorientiert – davor gewarnt, dass über den Hebel der „sozialen (regionalen) Akzeptanz . . . allgemein verbreitete Mißbräuche in das Strafrecht Eingang finden“,247 dass also die segmentäre Nichtbefolgung von Strafrechtsnormen schleichend auch deren Verständnis und Gültigkeit in Frage stellt.248 Zum anderen wird – stärker grundsätzlich-systematisch – aus systemtheoretischen Erwägungen davor gewarnt, die dogmatische Innenperspektive zu eng an der soziologischen Außenbetrachtung anzulehnen. Wohlleben weist dabei darauf hin, dass sogar in der 242 Noch weniger stark als bei den nachfolgend Genannten ist dies trotz des Terminus der sozialen Adäquanz bei Welzel (vgl. zu ihm o. S. 78 ff.) ausgeprägt, der insoweit zwar grundlegende Überlegungen anstellte, sich aber noch weniger stark an soziologischen Fragestellungen orientierte. 243 Vgl. dazu o. S. 86 ff. sowie S. 200 ff. 244 Vgl. dazu ebenfalls o. S. 86 ff., wo der Ansatz Wolff-Reskes im Zusammenhang mit dem von Jakobs behandelt wird. 245 Vgl. dazu aus der (rechts-)soziologischen Literatur etwa Coburn-Staege, Der Rollenbegriff, passim; Dahrendorf, Homo Sociologicus, S. 33 ff.; Döpfer, Die Ontologie der sozialen Rolle als Grundlage strafrechtlicher Entscheidungen, S. 50; teilweise krit. zur Übertragung dieser Theorie in das Strafrecht Schünemann, Grund und Grenzen der unechten Unterlassungsdelikte, S. 126 ff., 133. 246 Zu Hassemer vgl. o. S. 83 ff. 247 So Hassemer selbst in wistra 1995, 81, 82, unter Verweis auf Roxin, AT I, § 10 Rn. 4. 248 Nach Appel, Verfassung und Strafe, S. 370, ist dies nicht nur wegen der daraus resultierenden Ergebnisse bedenklich, sondern die gesamte Ausrichtung der strafrechtlichen Rechtsgüterschutzordnung an die gesellschaftlichen Systembedingungen berge argumentativ die Gefahr eines naturalistischen Fehlschlusses. Dieser Einwand ist überzeugend, soweit diese Ausrichtung zugleich einen Rechtsgutsbegriff generiert, der seinerseits wieder einen kritischen Maßstab für das Strafrecht bilden soll.

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3. Teil: Grundlegungen einer eigenen Lösung

Rechtssoziologie selbst die soziologische Theorie des Rechts strikt von den selbstbeschreibenden Disziplinen des Rechtssystems (wozu insbesondere auch die Rechtsdogmatik gehöre) unterschieden werde.249 Eine kritische Hinterfragung aus einer Außenperspektive sei in einem funktionierenden Rechtssystem nicht vorgesehen (bzw. allenfalls dem Gesetzgeber vorbehalten).250 Anderenfalls sei die Eigenständigkeit des Rechtskodes durch eine zu weit gehende Internalisierung von Fremdbeschreibungen gefährdet, und die Dogmatik könne ihre selbstreferentielle Funktion als Teil eines autonomen Rechtssystems nicht mehr erfüllen, gerade auch eine normative Differenz zur Umwelt zu schaffen.251 Ein faktischer Konsens – hier offenbar auch im Sinne von: zwischen gesellschaftlichen und rechtlichen Normen – könne nicht Aufgabe der Dogmatik sein. Ihn zu erreichen, sei dem dafür effektivsten sowie damit nicht nur demokratisch vorzugwürdigsten,252 sondern auch systemtheoretisch funktionalen Verfahren der Gesetzgebung vorbehalten. (3) Die an der Berücksichtigung sozialer Standards und soziologischer Beschreibungsmodelle geäußerte Kritik ist zwar teilweise berechtigt. Die Rechtsdogmatik hat einen Stand erreicht, gegenüber dem manche soziologische Konzepte trotz oder gerade wegen ihrer umfassenden Erklärungsansprüche wenig greifbar und gewinnbringend zu Einzelfragen wirken. Auch kann es der Rechtsordnung nicht grundsätzlich untersagt sein, eine bewusste Entscheidung gegen die Erlaubtheit eines bestimmten Verhaltens zu treffen, selbst wenn dieses sozial „normal“ ist. Schließlich ist der Hinweis berechtigt, dass ein in der Gesellschaft real stattfindender und zumindest segmentär akzeptierter Normbruch nicht auch noch strafrechtsdogmatisch „reingewaschen“ werden sollte. Das ändert aber nichts daran, dass – zugegebenermaßen nicht in erster Linie von Seiten der Rechtsanwendung, sondern der Rechtspolitik – durchaus immer wieder kritisch hinterfragt werden sollte, ob die rechtliche Pönalisierung eines allgemein als Kavaliersdelikt empfundenen Verhaltens unumgänglich ist. Liegt wirklich ein Fall von unnötiger Kriminalisierung vor, so erschüttert die permanente und gesellschaftlich akzeptierte Verletzung entsprechender Normen nicht nur langfristig allgemein das Normgeltungsbewusstsein, sondern es werden auch Ressourcen zur Bewältigung der entsprechenden Kriminalität ineffektiv eingesetzt. Umgekehrt kann die segmentäre Anerkennung auch mit der Häufigkeit und Leichtigkeit der Begehung zusammen hängen, was den Gesetzgeber – in Fällen wirklich verdienten Strafrechtsschutzes – dazu motivieren sollte, kriminogene Faktoren soweit möglich zu beseitigen.253 Wohlleben, S. 88, verweist hier ausführlich auf Luhmann, Soziale Systeme, S. 35 f. Vgl. Wohlleben, S. 84 ff. 251 In diesem Sinne Habermas, Faktizität und Geltung, S. 576, auf den Wohlleben, S. 86, verweist. Zu Erzeugung und Erhaltung einer Differenz zur Umwelt als Voraussetzung der Selbstreferenz auch Luhmann, Soziale Systeme, S. 35. 252 Zu diesem Aspekt auch Appel, Verfassung und Strafe, S. 368, der betont, dass die Definitionsmacht für strafbares Verhalten allein beim demokratisch legitimierten Gesetzgeber liege. 253 Ein eindrucksvolles Beispiel hierfür findet sich im Bereich der EG-Subventionsbetrügereien. Der hohe Anteil der EG-Fördermittel, der zweckwidrig verwendet wird (vgl. dazu 249 250

A. Allgemeine Grundlagen

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Gleichwohl erscheinen unter bestimmten Voraussetzungen eine Berücksichtigung sozialer Normen durchaus sinnvoll und die damit verbundenen „Gefahren“ – teils generell, teils zumindest hinsichtlich der hier interessierenden Fragestellung – überschaubar. So lässt sich rein tatsächlich eine gewisse, auch normative, soziale Vorstrukturierung nicht von der Hand weisen.254 Dies zeigen die unstreitig vorhandenen leges professionis,255 die bei weitem nicht alle rechtlicher Natur sind, sondern teilweise auch „nur“ den Charakter sozialer, bezugsgruppenspezifischer Normen haben. In vielen Feldern der Strafrechtsdogmatik werden die sozialen Vorstrukturierungen – wie im ersten Teil ja teilweise schon sichtbar wurde – auch nahezu ohne jegliches Bedenken herangezogen, sei es etwa im Bereich der Fahrlässigkeitsdelikte (bei der Bestimmung von Sorgfaltspflichten256), der Unterlassungsdelikte (bei der Bestimmung der Garantenstellungen257), bei der Bestimmung der Niedrigkeit von Beweggründen i. S. d. § 211 StGB258 oder bei der Bestimmung des Gewahrsams als Voraussetzung einer Wegnahme i. S. d. § 242 StGB.259 die Mitteilung verschiedener Schätzungen zwischen 15 und 20% bei Sieber, SchwZStrR 114 (1996), 357, 358 f., sowie die Zahlen der Kommission der Europäischen Gemeinschaften aus dem Jahre 1999 im „Grünbuch zum strafrechtlichen Schutz der finanziellen Interessen“, S. 8 ff.), lässt auf eine gewisse segmentäre Akzeptanz solcher Betrügereien in den beteiligten Kreisen schließen. Da die Schädigung der Finanzinteressen der Gemeinschaft nun aber sicher kein Verhalten ist, dessen Kriminalisierung überflüssig erscheinen würde, wäre der Abbau kriminogener Strukturen im Bereich der Subventionsverwaltung ein wichtiger Schritt nicht nur der Strukturprävention, sondern auch zu einer möglichen Veränderung des Bewusstseins der betroffenen Kreise, vgl. zutreffend Otto, in Huber (Hg.), Das Corpus Juris als Grundlage eines Europäischen Strafrechts, S. 141, 143 f., sowie Sieber a. a. O.; aus jüngerer Zeit zum Problemkreis Mertens, Subventionskriminalität zum Nachteil der Europäischen Gemeinschaften, passim. 254 Und eine „Freiheit“ der Dogmatik von soziologisch fundierten Argumenten dürfte auch der Ansicht Luhmanns nicht in dem Sinne entsprechen, wie Wohlleben anhand einzelner Zitate offenbar zu erkennen glaubt. 255 Mit diesen beschäftigt sich sogar ein eigener Forschungszweig in Gestalt der Professionssoziologie, vgl. nur Frommer, Rechtstheorie 32 (2001), 273 ff.; ferner Bora, Rechtstheorie 32 (2001), 259 ff., sowie Gröschner, Rechtstheorie 32 (2001), 213 ff., m. w. N. 256 Vgl. nur Kühl, AT, § 17 Rn. 23, der neben rechtlichen „Sondernormen“ auch die „Regeln der ärztlichen Kunst“ oder die „Sportnormen“ exemplarisch nennt. 257 Zu soziologisch (nicht zuletzt wieder mit Rückgriff auf die Rollentheorie) begründeten Garantenlehren vgl. m. w. N. Otto, AT, § 9 Rn. 30 ff., sowie Brammsen, Die Entstehungsvoraussetzungen der Garantenpflichten, S. 114 ff.; enger für das Minimalerfordernis eines „normativen Schlussmodus“ Vogel, Norm und Pflicht bei den unechten Unterlassungsdelikten, S. 316 ff., 319 ff. (an den freilich keine übertrieben hohen Anforderungen gestellt werden, da der Blick auf das „Recht als Ganzes“ mit dem „kompossiblen Maximum“ aus Schutzpflichten und Integritätsansprüchen genügen soll, vgl. a. a. O., S. 320 ff.). 258 Was nach den „in der Rechtsgemeinschaft als sittlich verbindlich anerkannten Anschauungen ( . . . ) nicht nur als verwerflich ( . . . ), sondern auf tiefster Stufe stehen(d) und als besonders verachtenswert“ erscheint (vgl. statt vieler Schönke / Schröder-Eser, § 211 Rn. 18), ist in erster Linie durch soziale Bewertungen geprägt. 259 Vgl. statt vieler Schönke / Schröder-Eser, § 242 Rn. 23 f. zum „sozial-normativen Maßstab“ bei der Bestimmung des für den Gewahrsam erforderlichen tatsächlichen Herrschaftsverhältnisses; ferner Kindhäuser, Strafrecht BT II / 1, § 2 Rn. 42: „Hier ist dann für den

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3. Teil: Grundlegungen einer eigenen Lösung

Überdies sind die sozialen Normen vielfach Reaktion auf „die Wirklichkeit“ i. S. d. tatsächlichen (und auch von der Norm geregelten) Verhältnisse. Dass aber „die Wirklichkeit“ bei der Auslegung berücksichtigt werden muss,260 ist ein überzeugendes Postulat,261 das – unter verschiedenen Namen – oft erhoben wird. Da aber selbst die Jurisprudenz keinen privilegierten Zugang zur Realität für sich reklamieren sollte, ist es nur nahe liegend, hier insbesondere auch auf die Nachbarwissenschaften – und damit neben Psychologie, Ökonomie usw. eben auch auf die Soziologie – zurückzugreifen. Auf die noch weitergehende Frage, inwiefern speziellen systemtheoretischen Bedenken gegen eine Verquickung verschiedener Beobachtungsperspektiven in der soziologischen Forschung bei einer vor allem an der Dogmatik interessierten Untersuchung überhaupt Rechnung getragen werden muss, braucht nach all dem nicht näher eingegangen zu werden.262 Dazu kommt ein Weiteres: Eine Konstellation der Art, von der häufig die als „Kavaliersdelikt“ bezeichneten Sachverhalte sind, liegt dem hier interessierenden Problem gar nicht zugrunde. Dort geht es nämlich zumeist um ganz geringfügige Schäden263 oder mehr oder weniger diffuse Rechtsgüter, deren (strafbewehrte)

Gewahrsam entscheidend, welche dieser (sc. mehreren unterschiedlichen Personen zustehende) Zugriffsmöglichkeit sozial anerkannt ist.“ (Hervorhebungen hier). 260 Dies fordert ungeachtet der oben in Fußn. 257 genannten Einschränkungen etwa auch Vogel, Norm und Pflicht bei den unechten Unterlassungsdelikten, S. 319. 261 Ein anschauliches Beispiel für diese Rolle der „Wirklichkeit“ ist erneut die gegenwärtige Diskussion im Bereich des Informationsrechts. Wo über die „Verantwortlichkeit im Internet“ diskutiert wird (vgl. bereits die Titel der Monographien von Bleisteiner, Rechtliche Verantwortlichkeit im Internet, und Sieber, Verantwortlichkeit im Internet), treten rasch gewisse technische Grundvoraussetzungen dieses Mediums in den Vordergrund, etwa die bewusst hierarchische Struktur, die weltweite Abrufbarkeit von Informationen und die angesichts der riesigen Datenmengen sehr beschränkten Überwachungsmöglichkeiten bei einer Durchleitung. Vgl. geradezu exemplarisch die auf technische Gegebenheiten gestützten „Gründe und Auslegungsprinzipien der unterschiedlichen Verantwortlichkeitsregelungen“ bei Sieber, a. a. O. Rn. 279, 280 ff. 262 Natürlich sollten die Chancen der Interdisziplinarität gesucht werden, solange man sich auch ihrer Risiken bewusst ist (vgl. ebenso eindringlich wie zutreffend Max Baumann, Gesetzgebung heute, 1995 / 3, 11 ff.; aus fachübergreifenden Untersuchungen in neuerer Zeit ferner die Mahnungen bei von Rohr, Evolutionsbiologische Grundlagen des Rechts, S. 16, sowie bei Christensen / Kudlich, Theorie richterlichen Begründens, S. 46 f.). Erkenntnisse aus anderen Wissenschaftsbereichen dürfen im Recht nicht ignoriert oder die Dogmatik dagegen immunisiert werden. Allerdings dürfte es sich beim systemtheoretischen Postulat der Grenzerhaltung eher um eine analytische Forderung im Interesse klarerer Beschreibbarkeit handeln als um eine Erkenntnis im o.g. Sinne (wie es etwa die bei von Rohr, a. a. O., beschriebenen neurogenetischen Grundlagen sind). Denn tatsächlich gibt es ja – wie oben gezeigt – sehr wohl soziale Vorstrukturierungen, die auch in bestimmten Fragen der Strafrechtsdogmatik nach dem rechtswissenschaftlichen Selbstverständnis fruchtbar angewendet werden. Vielleicht ist dieses Vorgehen sogar noch stärker interdisziplinär als der Versuch, nicht nur gewonnene Erkenntnisse zu berücksichtigen, sondern auch fachspezifisch-programmatische Selbstbindungen der Nachbarwissenschaften auf die Rechtswissenschaften zu übertragen.

A. Allgemeine Grundlagen

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Schutzwürdigkeit nicht immer sofort einleuchtet. Hier dagegen sind – je nach Sachverhalt – durchaus zentrale und gewichtige Rechtsgüter betroffen: In den in der Literatur beispielhaft diskutierten Bäcker- und Schraubenzieherbeispielen geht es um Leib und Leben bzw. das Eigentum, und selbst in den Konstellationen einer Beihilfe zur Steuerhinterziehung wird eine Straflosigkeit nicht etwa wegen mangelnder Einigkeit über die Schutzwürdigkeit des staatlichen Steueranspruchs, sondern allein wegen des nur mittelbaren und durch weiteres deliktisches Verhalten Dritter geprägten Angriffsweges des beruflichen Handelns erwogen.

c) Voraussetzungen einer konkreten Berücksichtigung von sozialen Vorstrukturierungen bei der Auslegung von (Straf-)Gesetzen Einer Berücksichtigung sozialer Normen stehen daher keine grundsätzlichen, durch System und Aufgabe der Rechtsdogmatik bedingten Einwände entgegen. Von Interesse ist vielmehr, wann und auf welche Weise ein solcher Rückgriff erfolgen kann, ohne dass rechtliche Strukturen durch „allgemein verbreitete Missbräuche verwässert“ oder – kaum weniger misslich – klare rechtliche Vorgaben durch vage Mutmaßungen des „Alltagswissens“ ersetzt werden: (1) Zur Frage, wie das Risiko eines „Reinwaschens“ von verbreiteten Missbräuchen verringert werden kann, hat Hassemer den Aspekt der Herkunft einer sozialen Norm hervorgehoben: Sind soziale Normen i.d.R. bezugsgruppenspezifisch, so ist für ihre Akzeptabilität für das Rechtssystem nicht ohne Bedeutung, in welcher Gruppe sie sich entwickelt haben. Es liegt auf der Hand, dass Normen, die sich in der Subkultur einer Haftanstalt herausbilden, problematischer sind als solche, die etwa der Praxis von Behörden oder Kreditinstituten entstammen. Zwar ist damit noch keine letztverbindliche Entscheidung verbunden, aber es spricht doch eine gewisse Vermutung dafür, dass Regelungen, die sich in gesellschaftlich erwünschten und grundsätzlich rechtstreuen Umfeldern bilden, weniger in der Gefahr stehen, illegale Verhaltensweisen abzusichern. Insoweit spielt für die hier untersuchte, speziell auf berufsbedingtes Verhalten beschränkte Fragestellung erneut die Gefahr einer schleichenden Auflösung der gesetzlichen Werte nur eine untergeordnete Rolle. Dies gilt umso mehr, wenn man sich auf solche beruflichen „Sozialnormen“ beschränkt, die im o.g. Sinne tatsächlich „neutral“ sind,264 d. h. die vor allem nicht 263 Selbst bei der oft als Beispiel genannten Steuerhinterziehung dürfte es – ob zu recht oder nicht, sei hier dahingestellt – für die öffentliche Meinung durchaus einen Unterschied machen, ob ein Durchschnittsverdiener die Zusatzverdienste, die er an zwei Samstagnachmittagen von einem Nachbarn bekommen hat, sowie die rechnerisch vernachlässigenswerten Guthabenzinsen seines Girokontos in der Erklärung nicht mit angibt, oder ob ein Großunternehmer durch aufwendige Verschleierungsaktionen im großen Umfang Umsatzsteuer hinterzieht und durch systematische Bilanzfälschungen seine Einkommensteuerschuld zu drücken versucht. 264 Vgl. näher o. S. 173 ff., insb. 184 ff.

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3. Teil: Grundlegungen einer eigenen Lösung

unter Abweichung von den üblichen Gepflogenheiten an die deliktischen Pläne angepasst wurden. Immerhin ist wenig wahrscheinlich, dass sich generell, unabhängig von einzelnen Unterstützungshandlungen deliktisch handelnder Kunden, Verhaltensweisen einbürgern, die als Missbräuche vom Recht geächtet werden müssten. (2) Soziale Normen aus dem Bereich beruflichen Handelns begründen damit – soweit das Handeln im oben näher beschriebenen Sinne „neutral“ ist – eine gewisse Vermutungswirkung bzw. Argumentationslastumkehr265 dahingehend, dass sie als Gründe für eine Strafbarkeitseinschränkung berücksichtigungsfähig sind.266 Wer sie generell nicht berücksichtigen will, müsste also bereits auf dieser Ebene Argumente dafür vortragen, dass die Normen trotz ihrer für eine Legalität streitenden Herkunft den Strafgesetzen explizit zuwiderlaufen. Die Gründe dafür können in all den Kontexten liegen, die üblicherweise als Kanones der Auslegung zur Norminterpretation herangezogen werden,267 also etwa in Wortlaut oder Genese des Strafgesetzes. Hassemer nennt gegen die Berücksichtigung zur Strafbarkeitseinschränkung nicht nur Indizien aus dem Bereich der Gesetzesauslegung, sondern auch solche aus der Analyse der Handlungsfelder und dabei insbesondere die Anpassung an fremde deliktische Pläne.268 Diese wurden hier bereits „eine Stufe eher“ berücksichtigt, da nach hier vertretener Auffassung nur „neutrale“, nicht angepasste Verhaltensweisen überhaupt die Vermutung der „Berücksichtigungsfähigkeit“ begründen können. Im Ergebnis unterscheiden sich hier beide Konzepte zwar nur wenig. Dennoch erscheint die hier vertretene Zuordnung argumentationsstrukturell vorzugswürdig, soweit sie die „deliktische Unangepasstheit“ des beruflichen Verhaltens noch zur Argumentationslast desjenigen zählt, der die Berücksichtigungsfähigkeit der sozialen Norm zur Strafbarkeitseinschränkung behauptet (und nicht wie bei Hassemer die „Angepasstheit“ zur Last desjenigen, der die Berücksichtigungsfähigkeit bestreitet). Denn selbst im Bereich beruflichen Handelns ist es eben nicht selbstverständlich, dass sich soziale Strukturen herausbilden, die für das Recht von Bedeutung sind – eine Vermutungswirkung kann nur eintreten, wenn dargetan wird, dass das Verhalten auch neutral und berufsbedingt i.e.S. ist.

(3) Kommt man nun zu dem Zwischenergebnis, dass eine soziale Norm generell berücksichtigungsfähig ist, stellt sich als letzte Frage, in welchem Verhältnis sie zu einem – zumindest scheinbar – widersprechenden Strafgesetz steht. Obwohl „nur“ soziale und nicht rechtliche Norm, bietet es sich hier an, im Ausgangspunkt auf das Kriterium abzustellen, das auch für das Verhältnis des Strafrechts zu außerstrafrechtlichen Erlaubnissätzen herausgearbeitet wurde, nämlich auf den größeren So Hassemer, wistra 1995, 81, 85. Was noch nicht heißt, dass sie wirklich für die strafrechtliche Bewertung ausschlaggebend wären – dazu muss noch ihr Vorrang nach den im Anschluss genannten Kriterien kommen; anders insoweit wohl Hassemer, wistra 1995, 81, 85, der offenbar bereits eine Beweislast für die auch strafrechtliche Adäquanz des Handelns sieht. 267 Zu den Auslegungskanones als Kontextualisierungsmöglichkeiten für unterschiedliche Lesarten des Normtextes näher Christensen / Kudlich, Theorie richterlichen Begründens, S. 361 ff. 268 Vgl. wistra 1995, 81, 86. 265 266

A. Allgemeine Grundlagen

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Inhaltsreichtum.269 Die Strafgesetze dienen der Steuerung des sozialen Lebens in einer bestimmten Weise, und die gleichen Aufgaben erfüllen soziale Normen und Gepflogenheiten. Soweit daher letztere mit den Strafgesetzen nicht unvereinbar sind und die inhaltsreichere Regelung enthalten, erscheint es durchaus angebracht, die Strafnormen in ihrem Sinne auszulegen. Zieht man zur Bestimmung der inhaltsreicheren (Strafrechts- oder eben sozialen) Norm die Kriterien heran, die oben auch für das Verhältnis von Strafnorm und außerstrafrechtlicher gesetzlicher Regelung zugrunde gelegt wurden, so folgt aus dem segmentären Charakter der sozialen Normen zweierlei: Einerseits sind solche „Bezugsgruppennormen“ gegenüber den ubiquitär geltenden Strafnormen i.d.R. erheblich inhaltsreicher, soweit es um das konkrete Verhalten geht. Dieses ist in vielen Straftatbeständen überhaupt nicht (bzw. genauer gesagt: nur mittelbar über den von ihm verursachten oder geförderten Erfolg) oder zumindest nur sehr grob beschrieben,270 während die sozialen Normen feinere und exakt auf unterschiedliche Situationen zugeschnittene Verhaltensmuster kennen. Andererseits haben aber die meisten sozialen Normen gerade den statistischen Normalfall vor Augen, in dem an das Verhalten ein „normaler“, schadensfreier und vor allem nicht deliktischer, Fortgang des täglichen Lebens anknüpft. Ob daher die soziale Norm auch als inhaltsreicher betrachtet werden kann, wenn ausnahmsweise – erkennbar oder sogar erkanntermaßen – ein deliktischer Verlauf droht, ist durchaus fraglich. Letztlich ist hier ähnlich wie oben bei gesetzlichen, aber außerstrafrechtlichen Erlaubnissätzen auf den Einzelfall abzustellen. Um die grundsätzlich anerkennenswerten Vorstrukturierungen durch soziale Normen einerseits und die bei deliktischen Erfolgseintritten grundsätzlich einschlägigen strafrechtlichen Verbote andererseits jeweils angemessen zu berücksichtigen, bietet sich als führendes Auslegungskriterium die

269 Auf den Inhaltsreichtum stellt auch Hassemer, wistra 1995, 81, 83, ab, der allerdings davon auszugehen scheint, dass dieser praktisch stets auf Seiten der sozialen Norm liegt – dies würde auch den oben in Fußn. 266 angesprochenen Unterschied zwischen seiner und der hier entwickelten Konzeption erklären. 270 So sagen etwa die §§ 222 und 27 StGB nichts über eine bestimmte Verhaltensweise aus, sondern formulieren ihr Handlungsverbot (hier i. S. d. aus der Sanktionsnorm abzuleitenden Verbotsnorm) im Wesentlichen nur vom Ergebnis her, dass nicht durch Unachtsamkeit der Tod eines Menschen verursacht oder dass nicht vorsätzlich eine fremde Tat unterstützt werden soll – dazu, worin das pönalisierte unachtsame bzw. unterstützende Verhalten liegen kann, enthalten die Vorschriften keine Aussage. Andere Delikte (die etwa auch im Bereich der Unterlassungsdogmatik als „verhaltensgebundene“ bezeichnet werden, vgl. nur Schönke / Schröder-Stree, § 13 Rn. 4), erhalten zwar detailliertere Aussagen, reichen dabei aber ebenfalls nicht an die Ausdifferenziertheit sozialer Normen heran. So untersagt § 263 StGB die Vermögensschädigung mittels einer (eine Vermögensverfügung hervorrufenden) Täuschung; wo aber etwa im Bereich werbender Angaben die Grenzen zur Täuschung zu ziehen sind, ist nicht näher bestimmt, und letztlich spielen die unterschiedlichen Gepflogenheiten bei verschiedenen Erscheinungsformen des Handels eine große Rolle dafür, was an unwahren Äußerungen noch hinzunehmen ist und wo die Täuschung beginnt; vgl. zu all dem näher Kühne, Geschäftstüchtigkeit oder Betrug?, passim; Müller-Christmann, JuS 1988, 108, 109 ff.; Pawlik, Das unerlaubte Verhalten beim Betrug, S. 94 ff.

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3. Teil: Grundlegungen einer eigenen Lösung

Prüfung an, wie jede der beiden Handlungsanweisungen möglichst befolgt werden kann, ohne die jeweils andere grundsätzlich in Frage zu stellen. Ob und gegebenenfalls welche Einfallstore für eine solche Prüfung die Strafrechtsdogmatik bietet, muss vor allem der Untersuchung der strafrechtsdogmatischen Grundlagen vorbehalten bleiben. Abschließend sei jedoch noch auf einen – zunächst möglicherweise etwas überraschenden – Unterschied zum oben behandelten Bereich der gesetzlichen Regelungen hingewiesen: Anders als bei diesen wird es jedenfalls im Bereich ungeschriebener sozialer Normen regelmäßig darum gehen, dass nicht nur gegen keine Vorschrift verstoßen, sondern dass zugleich auch positiv eine entsprechende Handlungsnorm eingehalten wurde. Dies ergibt sich daraus, dass man insbesondere bei ungeschriebenen sozialen Normen häufig auch eine Gepflogenheit positiv (als dann eingehaltene Handlungsanweisung) formulieren kann, auf deren Explikation der Gesetzgeber verzichtet hat. Da nun im Zusammenhang mit den gesetzlichen Vorschriften der positiven Einhaltung einer Norm eine stärkere Vorwertung zugesprochen wurde als dem bloßen Fehlen eines negativen Verstoßes gegen eine Norm, könnte auf den ersten Blick der Eindruck entstehen, der Bereich der sozialen Normen übe insgesamt größeren Einfluss auf die Auslegung der Strafgesetze aus, als andere, nichtstrafrechtliche Normen es tun. Tatsächlich muss man differenzieren: Rein „mengenmäßig“ ist nahe liegend, dass mehr Bereiche durch soziale Normen teilweise vorstrukturiert sind als durch relevante einfachgesetzliche Vorschriften. Dies nicht zuletzt auch deshalb, weil in vielen Feldern mit gesetzlichen Regeln zusätzlich noch ergänzende soziale Normen zu beachten sein können. Hinsichtlich der Bedeutungskraft der Vorwertungen bzw. des Reichtums an Inhalt sieht dies dagegen etwas anders aus. Denn gerade bei ungeschriebenen sozialen Normen i.S. bloßer Gepflogenheiten sind umgekehrt die Handlungsanweisungen i.d.R. wesentlicher vager und weniger fest auf eine einzelne Handlungsalternative festgelegt.

IV. Zusammenfassung und weiterführende Fragen Die vorangegangene Untersuchung der hier als „allgemeine Grundlagen“ bezeichneten, vielfach nicht-dogmatischen Fragen hat vor allem zweierlei geleistet: Zum einen wurden in der bisherigen Diskussion mehrfach verwendete, sehr „grundsätzliche“ (und daher zweifelsohne wichtige, aber eben auch weite) Argumentationstopoi etwas näher untersucht. Dabei wurde zu problemrelevanten Fragen auch Stellung in bestimmte Richtungen bezogen und so teilweise das eigene Verständnis vom Strafrecht, seiner Funktion in der Gesellschaft sowie seiner Bedeutung innerhalb des Systems sozialer und rechtlicher Normen offen gelegt. Dies erscheint für das Verständnis wichtig, wenn im weiteren Verlauf der Arbeit bei der Entwicklung eines eigenen Lösungsansatzes ebenfalls vereinzelt verkürzt und schlagwortartig mit diesen grundsätzlichen Topoi argumentiert werden soll. Zum anderen wurde gezeigt, was auf der Grundlage dieser – notwendig noch recht unscharfen – Gesichtspunkte für bzw. gegen eine Privilegierung berufsbedingter Unterstützungshandlungen spricht und welche Interessenkonflikte bei der Ziehung einer Grenze berücksichtigt werden sollten. Von den am Ende des 2. Teiles herausgearbeiteten Grundfragen wurden insbesondere die nach der Be-

A. Allgemeine Grundlagen

237

stimmbarkeit von „Neutralität“ und nach der Bedeutung der Legitimation staatlichen Strafens ersten Lösungen zugeführt, aber auch Material zu den übrigen271 gefunden (vgl. dazu im Folgenden unter 1 – 3 jeweils a). Allerdings haben sich aus diesen Überlegungen auch weitere Fragen ergeben, die auf der spezielleren verfassungsrechtlichen bzw. strafrechtsdogmatischen Ebene weiter vertieft werden müssen (vgl. dazu im Folgenden unter 1 – 3 jeweils b). Für die drei in diesem Unterabschnitt behandelten Hauptthemen ergibt dies folgendes Bild: 1. „Neutralität“ vs. „Kontextabhängigkeit“ Unumgängliche Ausgangsfrage der Überlegungen über „neutrale“ berufsbedingte Unterstützungshandlungen ist, ob überhaupt auf tatsächlicher Ebene ein „neutrales“ Verhalten beschreibbar ist oder ob der zentrale Begriff der Neutralität auf Grund der Kontextabhängigkeit jeder Beurteilung von vornherein ins Leere geht und damit ein bloßes Scheinproblem ist: a) Stellt man diese Frage, so ist zunächst in der Tat jedes menschliche Verhalten, zumal jedes Sozialverhalten in komplexen Gesellschaften, „kontextgeprägt“; ein „absolut“ neutrales Verhalten gibt es daher nicht. Sehr wohl möglich ist es aber, von einer Neutralität mit Blick auf bestimmte Kontexte zu reden. „Neutralität“ eines Verhaltens im hier verwendeten Sinn bedeutet daher „rein tatsächlich neutral mit Blick auf den deliktischen Kontext, mit dem es durch die Prüfung einer Strafbarkeit in einen hypothetischen Zusammenhang gebracht wird“. Entscheidend ist damit, wie weit die Kontextualisierung zur Beschreibung und Einordnung getrieben wird. Ein durch Rückgriff auf Überlegungen der philosophischen und soziologischen Handlungstheorie fundiertes und zugleich trennscharfes äußeres Abgrenzungskriterium fragt danach, ob durch das fragliche Verhalten ein bestimmtes Ereignis unmittelbar verursacht wurde, der unmittelbar Handelnde dazu aufgefordert wurde oder aber die Ersthandlung bei objektiver Ex-post-Betrachtung angeglichen wurde. Diese Abschichtung ist zwar insbesondere hinsichtlich des letzten Kriteriums noch konkretisierungsbedürftig; allerdings ist dies gerade im hier interessierenden Bereich berufsbedingten Verhaltens auf Grund der leges artis und der reichhaltigen Vergleichsmasse gut möglich. Stellt man hier auf die Typik für die Ausübung des Berufes und vor allem auf die „Vorgefasstheit“ eines abstrakten Entschlusses zur Leistungserbringung ab, so kann berufliches Handeln im Spannungsfeld zwischen dem bloßen Zur-Verfügung-Stellen einer Infrastruktur und der Erbringung einer genau auf die Pläne des Kunden abgestimmten Leistung auf Anfrage skaliert werden. 271 Dies war etwa zur Privilegierung gerade beruflichen Verhaltens die Feststellung, dass „neutrales“ Verhalten im beruflichen Bereich vergleichsweise klar umschreibbar ist, oder zum Zusammentreffen mehrerer Verursacher der Topos des – bei mehreren Verursachern für den Ersthandelnden u.U. nur mittelbaren – Angriffsweges als Anknüpfungspunkt von Strafeinschränkungsinteressen.

238

3. Teil: Grundlegungen einer eigenen Lösung

b) Ist damit die Neutralität des Verhaltens bei den hier in Frage stehenden berufsbedingten Verhaltensweisen eine rechtstatsächlich beschreib- und mehr oder weniger klar abgrenzbare Größe, so stellen sich für die folgenden Überlegungen vor allem zwei Fragen: Gibt es über das vage Gefühl der „Unangebrachtheit“ einer Strafe hinaus Sachgesichtspunkte oder rechtliche Vorgaben, die eine Privilegierung eines solchen neutralen Verhaltens einfordern? Und bejahendenfalls: Würde sich eine solche Privilegierung methodisch und dogmatisch lege artis umsetzen lassen? Während die Antworten auf die zweite Frage im Wesentlichen den folgenden Überlegungen zum Verfassungsrecht und zur Strafrechtsdogmatik272 vorbehalten sind, findet sich zur Frage nach Sachargumenten für oder gegen eine Privilegierung neutralen berufsbedingten Verhaltens bereits in den Untersuchungen zu den Grundlagen staatlichen Strafens beachtliches Material. 2. Legitimationen: Grund und Grenzen staatlichen Strafens Erste Anhaltspunkte für einen angemessenen Umgang mit neutralem, aber zugleich straftatenförderndem berufsbedingten Verhalten können die elementaren Grundüberlegungen zur Legitimation des Strafrechts und zu den ihm gesetzten Grenzen liefern: a) Als wichtigster Aspekt zur Legitimation staatlichen Strafens wurde hier – insoweit in Übereinstimmung mit der nicht unbestrittenen, aber doch herrschenden Meinung – der Rechtsgüterschutz genannt.273 Dabei spielt für die hier interessierende Frage das Hauptproblem der Güterschutzdiskussion, nämlich die „kritische Potenz“ des Rechtsgutsbegriffs, keine Rolle. Auch die individualistische oder kollektivistische Bestimmung des geschützten Rechtsguts erwies sich als zweitrangig. Denn ein Verhalten, das die Schutzposition des Einzelnen in einer konkreten Situation nicht zu beeinträchtigen vermag, bedroht auch kein überindividuell verstandenes Rechtsgut. Daher bestehen keine Einwände gegen ein „konkretes“ Rechtsgutsverständnis, für das beachtlich ist, ob das konkrete Rechtsgut statt mittels der strafrechtlich verbotenen ohne weiteres durch eine jederzeit (auch legal) zu erlangende Leistung angegriffen werden kann. Ergänzend neben den Rechtsgutskonzepten werden gesellschaftstheoretische Ansätze zur Legitimation des Strafrechts diskutiert,274 die gerade bei Grenzfragen wie der hier vorliegenden zusätzliches Argumentationsmaterial liefern können: Dies ist zum einen der maßgeblich bei Amelung entwickelte Verbrechensbegriff am Maßstab der „Sozialschädlichkeit“, bei der nicht die Verletzung von Gütern, sondern die Schädigung der Gesellschaft in ihrer Selbsterhaltungsfunktion im Vordergrund steht. So wenig dadurch bei der Verletzung jedes einzelnen Rechtsguts 272 Vgl. dazu insb. B.I. (zur methodischen Umsetzbarkeit). und C. (zu dogmatischen Konsequenzen). 273 Vgl. o. S. 190 ff. 274 Vgl. o. S. 198 ff.

A. Allgemeine Grundlagen

239

(etwa bei der Tötung eines Menschen) die Frage aufgeworfen werden sollte, ob darin wirklich ein Schaden für die Gesellschaft vorliegt, so kann doch für bestimmte Verhaltensformen die Frage gestellt werden, ob diese generell als sozialschädlich untersagt werden sollten. Zum anderen wurde das insbesondere bei Jakobs ausgebreitete Konzept von der Strafe als kontrafaktischer Verhaltens- und Erwartungsstabilisierung näher betrachtet. Dieses berücksichtigt in hohem Maße, welches Verhalten (bzw. Unterlassen eines Verhaltens) auf Grund gesellschaftlicher „Zuständigkeiten“ erwartet werden kann. Allerdings wurde gezeigt, dass herabgesetzte gesellschaftliche Erwartungen allein – selbst wenn man sie auch ohne normative Aufladung durch die Vorgaben der Rechtsordnung für beachtlich hält – nur von geringerer Bedeutung sind, da die Erwartungshaltungen insoweit zu heterogen sind. Neben solchen Grenzen, die sich gewissermaßen als „status negativus“ strafrechtslegitimierender Überlegungen ergeben, wird zunehmend aber auch das Bedürfnis gesehen, davon unabhängig den „Strafeinschränkungsinteressen“ mehr Aufmerksamkeit zu schenken.275 Nicht nur bei der Gesetzgebung, sondern auch im Rahmen der Gesetzesanwendung ist daher zu berücksichtigen, ob das zu bewertende Verhalten grundsätzlich (d. h. „vorstrafrechtlich“) überhaupt Missbilligung verdient und ob gerade der Einsatz des Strafrechts als schärfster staatlicher Eingriff gerechtfertigt ist. Gründe, die auch bei einer drohenden Beeinträchtigung eines an sich schützenswerten Rechtsgutes dagegen sprechen können, liegen u. a. in der Gefahr von Sekundärschäden durch strafrechtliche Interventionen und in der genaueren Analyse des Angriffsweges. Für die hier interessierende Unterstützung fremder Straftaten durch berufsbedingtes Verhalten führt dies dazu, dass der sehr indirekte (letztlich nur über selbstverantwortliches deliktisches Verhalten eines Dritten vermittelte) Angriffsweg nicht in einer Weise strafrechtlich versperrt werden sollte, die für Sekundärschäden in Gestalt der Beeinträchtigung berechtigter Interessen der Berufsträger in hohem Maße anfällig ist. b) Von den beiden oben (S. 238) aufgeworfenen Fragen nach Sachgesichtspunkten, die eine Privilegierung neutralen Verhaltens einfordern, sowie nach deren methodischer und dogmatischer Umsetzbarkeit kann damit die erste bereits bejaht, die zweite an die nachfolgende Untersuchung der verfassungsrechtlichen und strafrechtsdogmatischen Grundlagen weitergereicht werden. Für diese ergibt sich aber noch eine Reihe weiterer präzisierungsbedürftiger Punkte: Wenn im Zusammenhang mit der Sozialschädlichkeit des Verhaltens betont wurde, dass einerseits ein (sozial unerwünschter) deliktischer Erfolg, andererseits ein als solches sozial durchaus erwünschtes Verhalten vorliegt, ist der Frage nachzugehen, in welchem Verhältnis die Beurteilung des Verhaltens und des Erfolges zueinander stehen. Zur Abwägung zwischen dem Gewinn an konkret verstandenem Rechtsgüterschutz und der Vermeidung von Sekundärschäden an anderen Interessen könnten sich wichtige Anhaltspunkte aus dem – auf Grund der Weite seiner Gewährleistungen 275

Vgl. o. S. 206 ff.

240

3. Teil: Grundlegungen einer eigenen Lösung

geradezu auf Interessenabwägungen „spezialisierten“ – Verfassungsrecht ergeben. Dabei wird vor allem auch auf die hier bewusst hintangestellten Strafeinschränkungsinteressen der Grundrechtsbindung und des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes einzugehen sein. 3. Abhängigkeit und Selbständigkeit des Strafrechts Weitere Überlegungen galten dem Verhältnis des Strafrechts zu anderen rechtlichen und sozialen Normen, da die Vereinbarkeit mit diesen in mannigfaltiger Gestalt als Argument für die Straflosigkeit neutraler und insbesondere berufsbedingter Verhaltensweisen herangezogen wird: a) Das Verhältnis zwischen dem Strafrecht an sich und anderen rechtlichen Steuerungsinstrumenten ist durch den Grundsatz vom Strafrecht als ultima ratio und damit subsidiärem Mittel relativ klar geprägt. Darin findet sich nicht nur der o.g. Gesichtspunkt wieder, dass stets geprüft werden muss, ob gerade der Einsatz des Strafrechts erforderlich ist. Vielmehr wird auch deutlich, dass die Annahme einer Straflosigkeit nicht automatisch dazu führen müsste, das unterstützende Verhalten positiv als rechtmäßig (und damit auch als nicht privat- oder verwaltungsrechtlich untersagbar) einzuordnen. Das Verhältnis strafrechtlicher Normen zu denen anderer Rechtsgebiete stellt sich dagegen als komplexer dar.276 Neben Fällen gesetzestechnischer Abhängigkeit (besonders deutlich bei der Verwaltungsakzessorietät) und eindeutig engeren Regelungen des Strafrechts (so etwa im Verhältnis von § 303 StGB zu § 823 I BGB) ist für den zahlenmäßig größten Teil der Kollisionen zwischen straf- und außerstrafrechtlichen Normen ein Vorrang der einen oder anderen Vorschrift nicht ohne weiteres erkennbar. Als Leitgedanke für die Auflösung solcher Kollisionen wurde der des größeren Inhaltsreichtums aufgegriffen. Dieser führt zu einer Auslegung der inhaltsärmeren Norm, dass ihre Rechtsfolge die Anordnung der inhaltsreicheren nicht konterkarieren darf. Dieses Verhältnis zu bestimmen, ist allerdings schwierig, da die außerstrafrechtlichen Normen einerseits vielfach spezieller auf eine bestimmte Materie als „Lebensbereich“ (also etwa auf das berufliche Handeln) bezogen sind, andererseits aber gerade nicht (wie die Vorschriften des Strafrechts) explizit den Fall regeln, in dem es „aus diesem Lebensbereich heraus“ mittelbar zu einer (gar vorsätzlichen) Rechtsgutsverletzung kommt. Als grobe Leitlinie konnte festgehalten werden, dass dem fehlenden Verstoß gegen außerstrafrechtliche Verbotsnormen kaum eine Vorwertung für die Frage der Strafbarkeit zukommt, während die positive Einhaltung entsprechender außerstrafrechtlicher Verhaltensanordnungen von größerer Bedeutung sein kann. Insgesamt größeren Einfluss hat die Übereinstimmung mit außerstrafrechtlichen Normen im Bereich der Fahrlässigkeitsdelikte.

276

Vgl. o. S. 217 ff.

A. Allgemeine Grundlagen

241

Auch für das Verhältnis strafrechtlicher Vorschriften zu sozialen Normen277 ist davon auszugehen, dass es trotz des ultima-ratio-Charakters des Strafrechts möglich ist, dass im Einzelfall Strafandrohungen weiter zu gehen scheinen als die Missbilligung eines Verhaltens nach Maßgabe sozialer Gepflogenheiten. In solchen Fällen sollte ein strafbarkeitsreduzierender Einfluss der sozialen Norm zwar nicht aus systemtheoretischen Erwägungen generell ausgeschlossen werden, allerdings steht schon die generelle Berücksichtigungsfähigkeit solcher Normen unter gewissen Bedingungen. Auch für das Verhältnis zu sozialen Normen muss daher letztlich auf den größeren Inhaltsreichtum abgestellt werden. Unter diesem Gesichtspunkt kann für deren Beachtlichkeit angeführt werden, dass sie im Unterschied zu den ubiquitär geltenden Strafgesetzen segmentären Charakter haben und insoweit meist eine speziellere Anweisung für das konkrete Verhalten zu geben scheinen. b) Die Überlegungen insbesondere zu den Anforderungen an die generelle Berücksichtigungsfähigkeit sozialer Normen sowie zum Inhaltsreichtum als Leitprinzip für die Lösung von Kollisionen zwischen strafrechtlichen Vorschriften einerseits und außerstrafrechtlichen bzw. sozialen Normen andererseits dürften wichtige Grundlagen für die Lösung einzelner Problemfälle bereitet haben. Allerdings führen sie in ihrer gegenwärtigen Gestalt auch zu weiteren Fragen in den anschließenden verfassungsrechtlichen und strafrechtsdogmatischen Überlegungen. Zum einen bietet das Kriterium des „Inhaltsreichtums“ zwar ein Leitprinzip i.S. einer „Metanorm“. Allerdings ist diese – etwa im Vergleich zu Metanormen wie denen der lex superior oder der lex posterior – noch relativ ausfüllungsbedürftig, da größerer oder kleinerer Inhaltsreichtum letztlich nur für den Einzelfall im Wege der vergleichenden Norminterpretation bestimmt werden kann. Das führt zur methodisch-verfassungsrechtlichen Frage, welche Anforderungen an solche Einzelfallentscheidungen gestellt werden müssen, um den Anforderungen an den strafrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz gerecht zu werden. Zum anderen beinhalten außerstrafrechtliche und soziale Normen meist speziellere Anordnungen hinsichtlich des konkret in Rede stehenden Verhaltens; allerdings betreffen sie eben nicht in erster Linie die von den Strafgesetzen gerade ins Auge gefasste Konstellation, dass es in Folge eines solchen Verhaltens zu einem deliktischen Erfolg kommt. Für die Entscheidung über den größeren Inhaltsreichtum ist daher bedeutsam, ob insoweit die genauere Verhaltensbeschreibung, die explizite Erfassung des Erfolges oder aber mal das eine, mal das andere Merkmal ausschlaggebend ist. Darin wird teilweise die oben bereits als wichtig erachtete Frage an die strafrechtsdogmatischen Grundlagen nach dem Verhältnis von Verhalten(sunrecht) und Erfolg(sunrecht) fortgeführt.

277

Vgl. o. S. 226 ff.

16 Kudlich

242

3. Teil: Grundlegungen einer eigenen Lösung

B. Verfassungsrechtliche Grundlagen Anders als im Strafprozessrecht, das Sax schon 1959 mit einer danach vielfach ähnlich aufgenommenen Wendung als „angewandtes Verfassungsrecht“ bezeichnet hat,278 sind die verfassungsrechtlichen Aspekte des materiellen Strafrechts279 – zumindest hinsichtlich der materiellen, (nicht Verfahrens-)Grundrechte280 – erst in der jüngeren Vergangenheit in den Mittelpunkt281 des wissenschaftlichen Interesses gerückt.282 Dies ist durchaus erstaunlich, da strafrechtliche Sanktionen ebenso wie 278 Vgl. Sax, in: Bettermann / Nipperdey / Scheuner (Hg.), Die Grundrechte, Bd. III / 2, S. 909, 967; auf S. 910 spricht Sax (ohne Nachweis) davon, dass schon damals die Einordnung der StPO als „Ausführungsgesetz zum Grundgesetz“ verbreitet gewesen sei. Das Bild des „angewandten Verfassungsrechts“ wird später auch vom BVerfG (etwa E 32, 373, 383) aufgenommen. Eine andere Metapher mit gleicher Bedeutung benutzen etwa Pfeiffer in seiner Einleitung zum Karlsruher Kommentar (Rn. 23) und (mit einem Ausrufezeichen hervorgehoben) Roxin, Strafverfahren, § 2 Rn. 1, mit der Redensart vom Strafverfahren als „Seismograph der Staatsverfassung“. Aus jüngster Zeit dazu Amelung / Wirth, StV 2002, 161 ff., sowie Gusy, StV 2002, 153 ff. 279 Interessanterweise war es wiederum Sax (vgl. auch bereits Fußn. 278, dort a. a. O., S. 911 f.), der in seinem Beitrag über „Grundsätze der Strafrechtspflege“ den Blick bereits früh auch auf das materielle Recht gelenkt hatte; eine – soweit ersichtlich vereinzelt gebliebene – frühe Aufnahme dieses Gedankens findet sich bei Hamann, Grundgesetz und Strafgesetzgebung. 280 Vgl. auch Lagodny, Strafrecht vor den Schranken der Grundrechte, in seinem Vorwort (S. V), der auf das bisher (d. h. in seinem Fall: bis 1995) weitgehende Fehlen eines „Dialog(s) hinsichtlich der materiellen Grundrechte ( . . . ) zwischen Strafrecht und Verfassungsrecht“ hinweist (Hervorhebung dort); ähnlich speziell mit Blick auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Weigend, Hirsch-FS, S. 917. Dem entspricht, dass auch in der Rechtspraxis das Strafrecht vor dem BVerfG zumindest dann unterrepräsentiert ist, wenn man davon ausgeht, dass es auf Grund seines klaren und massiven Eingriffscharakters eine besondere Rolle spielen müsste; vgl. zu statistischem Material bis Ende 1990 Paulduro, Die Verfassungsmäßigkeit von Strafrechtsnormen, insb. der Normen des Strafgesetzbuches, S. 59 ff. 281 Untersuchungen, die zu einzelnen Problemfeldern auch vertiefend auf verfassungsrechtliche Lösungsansätze zurückgreifen, liegen auch schon aus der vorangegangenen Zeit vor, vgl. statt vieler nur Kohlmann, Der Begriff des Steuergeheimnisses und das verfassungsrechtliche Gebot der Bestimmtheit von Strafvorschriften (1969), Lemmel, Unbestimmte Strafbarkeitsvoraussetzungen und der Grundsatz nullum crimen sine lege (1970) und Stree, Deliktsfolgen und Grundgesetz (1960). Zahlreiche weitere Nachweise auch bei Naucke, in: Lüderssen (Hg.), Aufgeklärte Kriminalpolitik oder Kampf gegen das Böse? Bd. I, S. 156, 158 ff. (dort insb. Fußn. 6 – 14). Ein Problemkreis, zu dem im besonderen Maße seit jeher eine verfassungsrechtliche Argumentation (insb. sub specie Art. 103 II GG) erfolgt, bildet die Strafbarkeit der unechten Unterlassungsdelikte, vgl. dazu statt vieler nur Schünemann, Grund und Grenzen der unechten Unterlassungsdelikte, S. 46 ff.; Vogel, Norm und Pflicht bei den unechten Unterlassungsdelikten, S. 313 ff., sowie Welp, Vorausgegangenes Tun als Grundlage einer Handlungsäquivalenz der Unterlassung, S. 140 ff. 282 Als neuere Monographien seien besonders hervorgehoben Appel, Verfassung und Strafe; Lagodny, Das Strafrecht vor den Schranken der Grundrechte; Paulduro, Die Verfassungsmäßigkeit von Strafrechtsnormen, insb. der Normen des Strafgesetzbuches, sowie Staechelin, Strafgesetzgebung im Verfassungsstaat; vgl. ferner auch Schütz, Strafe und Strafrecht im demokratischen und sozialen Verfassungsstaat. Als Vorreiter der Diskussion sind auch die Kurz-

B. Verfassungsrechtliche Grundlagen

243

auch schon die strafrechtlichen Verhaltensnormen283 allemal „durchweg in die grundrechtlich gesicherten Freiheiten Einzelner eingreifen“.284 Eine Betrachtung der verfassungsrechtlichen Grundlagen erscheint vorliegend angezeigt, da die Darstellung und Analyse des Meinungsstandes im 2. Teil eine Reihe von Fragen aufgeworfen haben, die zumindest auch verfassungsrechtlicher Natur sind, so etwa zur (Un-)Bestimmtheit einzelner Lösungsansätze oder zur Geeignetheit der Strafandrohung für neutrale Unterstützungshandlungen. Zudem kommt dem Verfassungsrecht in der hier verfolgten Gedankenführung eine „Mittlerfunktion“ zu: Angestrebt wird teilweise eine Konkretisierung der groben Richtungsweisungen aus den „Allgemeinen Grundlagen“; zugleich wird es aber auch nur um Annäherungen gehen, die durch die Betrachtung der „Strafrechtsdogmatischen Grundlagen“ weiter konkretisiert werden müssen. Dazu werden im Folgenden die Bedeutung der Garantie des Art. 103 II GG als äußerer Rahmen eines zu findenden Lösungsansatzes (unten II.) sowie als inhaltliche Vorgaben für die strafrechtliche Sanktionierung beruflichen Verhaltens der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sowie das Grundrecht aus Art. 12 GG (unten III.) dargestellt. Die wichtigsten Ergebnisse und die daraus resultierenden weiteren Fragestellungen werden auch die verfassungsrechtliche Betrachtung abschließen (zuletzt IV.). Zuvor sollen jedoch kurz einige Einwände beleuchtet werden, die in grundsätzlicher Weise den Ertrag verfassungsrechtlicher Erwägungen in Frage stellen (sogleich I.).

I. Zum grundsätzlichen Nutzen verfassungsrechtlicher Überlegungen Die Zulässigkeit einer verfassungsrechtlichen Argumentation ist (anders als etwa beim obigen Beispiel sozialer Normen285) allenthalben unbestritten. Nach monographie von Tiedemann, Verfassungsrecht und Strafrecht, sowie zum speziellen Punkt des Art. 103 II GG Krahl, Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs zum Bestimmtheitsgrundsatz im Strafrecht (Art. 103 Abs. 2 GG), zu nennen; vgl. ferner auch bereits 1993 in der österreichischen Literatur die Habilitationsschrift von Lewisch, Verfassung und Strafrecht. Naucke, in: Lüderssen (Hg.), Aufgeklärte Kriminalpolitik oder Kampf gegen das Böse? Bd. I, S. 156, 163 zieht die Grenze früher und sieht den Beginn der „Debatte ,GG und Strafrecht‘“ an der Wende der 50er zu den 60er Jahren, als nach der Naturrechts-Renaissance der Nachkriegszeit die Zeit für eine Rückkehr zum Positivismus reif, zugleich aber vorstrafrechtliche (aber nicht offen als überpositiv bezeichnete) Wertungen erforderlich gewesen seien. 283 Vgl. auch Schütz, Strafe und Strafrecht im demokratischen und sozialen Verfassungsstaat, S. 56, der auf die (vollzogene) Strafe sowie die Strafandrohung abstellt. Da die Strafandrohung aber losgelöst von dem Verhalten, für das sie besteht (keinen Sinn macht, aber auch) keine fassbare Belastung darstellt, dürfte auch Schütz die Verhaltensnorm im Auge haben. 284 So zu Recht Appel, Strafe und Verfassung, S. 373. 285 Vgl. o. S. 226 ff. 16*

244

3. Teil: Grundlegungen einer eigenen Lösung

Art. 20 III, 1 III GG bindet die Verfassung im Allgemeinen und binden die Grundrechte im Besonderen die staatliche Gewalt.286 Gewisse Zweifel könnten dagegen an ihrer Ergiebigkeit bestehen, insbesondere bei einem Vergleich der relativ allgemein gehaltenen, zumeist die verschiedensten Rechtsgebiete betreffenden Normen des GG mit den z.T. sehr detaillierten Vorschriften des Strafrechts und seiner ausdifferenzierten und elaborierten Dogmatik.287 Eine kritische Auseinandersetzung mit verfassungsrechtlichen Argumenten hat in jüngerer Zeit Naucke vorgelegt.288 Obwohl dem Titel seines Beitrags nach nur die Legitimation strafrechtlicher Normen behandelnd, wendet er sowohl gegen strafbarkeitsausdehnende als auch gegen strafbarkeitsbegrenzende Rückgriffe auf das GG ein, dass beide Linien sich nur „verfassungsrechtlich ein(kleideten)“.289 In Wahrheit gehe es um überpositive Argumentationsstränge, bei der die Verfassung die „Überpositivität gegenüber dem relativistischen Positivismus“ vertrete. Für alle weitergehenden Ansätze besitze die Verfassung zu wenig argumentatives Potential.290 Nauckes Analyse ist sicher zutreffend, soweit sie etwa bemängelt, dass der Verfassungstext sehr knapp gehalten und dass die verfassungsrechtlichen Maßstäbe, mit denen strafrechtliche Probleme (z. B. sub specie des Bestimmtheitsproblems) in der Gerichtspraxis behandelt werden, schwankend sind. Dennoch macht dies die Rückbesinnung auf die Verfassung nicht überflüssig. Zunächst ist Nauckes Reduzierung der Verfassung gegenüber dem „Naturrecht“ auf die „kümmerliche Rolle ( . . . ), die Probleme zu Problemen von Textinterpretationen zu vereinfachen“,291 entgegenzuhalten, dass in einem verfassten Rechtsstaat mit geschriebenem Gesetzesrecht „Textinterpretationen“ eben das zentrale Problem der Gesetzesanwendung (und damit der Arbeit von Judikative und Exekutive) sind. Dass diese die dahinter stehenden Sachprobleme zu berücksichtigen haben und dass juristische „Textarbeit“292 stets Sprachnormierung (und damit gerade nicht nur Interpretation in einem streng positivistisch verstandenen Sinne) ist,293 soll keinesfalls bestritten wer286 Vgl. zur Grundrechtsbindung im Bereich des Strafrechts auch Lagodny, Das Strafrecht vor den Schranken der Grundrechte, S. 3. 287 Vgl. die Nachweise bei Lagodny, Das Strafrecht vor den Schranken der Grundrechte, S. 3 f., sowie Lagodny selbst mit dem Befund, dass grundrechtliche Argumentationen als Einstieg in eine Begründung oft beliebig wirkten und zu gegenläufigen Ergebnissen führen könnten, a. a. O., S. 50. 288 Vgl. Naucke, in: Lüderssen (Hg.), Aufgeklärte Kriminalpolitik oder Kampf gegen das Böse? Bd. I, S. 156 ff.; knapp auch nochmals ders., Hassemer-FG, S. 132, 134. 289 Deutlich Naucke, in: Lüderssen (Hg.), Aufgeklärte Kriminalpolitik oder Kampf gegen das Böse? Bd. I, S. 156, 164 f. 290 Vgl. Naucke, in: Lüderssen (Hg.), Aufgeklärte Kriminalpolitik oder Kampf gegen das Böse? Bd. I, S. 156, 164 f. 291 Vgl. Naucke, in: Lüderssen (Hg.), Aufgeklärte Kriminalpolitik oder Kampf gegen das Böse? Bd. I, S. 156, 174. 292 Vgl. den programmatischen Titel bei Müller / Christensen / Sokolowski, Rechtstext und Textarbeit.

B. Verfassungsrechtliche Grundlagen

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den. Ebenso wenig darf aber vernachlässigt werden, dass judikative Gewalt nur in ihrer Einhegung durch Recht und Gesetz (und damit eben auch: durch die Verfassung) legitim ausgeübt wird.294 Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass der zugegebenermaßen oft knappe Verfassungstext insbesondere durch die Spruchpraxis des BVerfG mittlerweile vielfach in einem Maße an Substanz gewonnen hat, das – zumindest bei Orientierung an dieser (teilweise mit Gesetzeskraft ausgestatteten, vgl. § 31 I BVerfGG) Rechtsprechung – durchaus reichhaltiges Argumentationsmaterial an die Hand liefert.295 Auch sind einzelne Bestimmungen des GG – auf die Naucke allerdings seine Kritik auch nicht bezogen haben dürfte – geradezu auf die Steuerung strafrechtlichen Arbeitens zugeschnitten, wie Art. 103 II GG in aller Deutlichkeit zeigt. Zuletzt gilt es die (zwar existente, aber eben) beschränkte Leistungsfähigkeit einer verfassungsrechtlichen Beurteilung realistisch einzuschätzen und diese Beschränktheit auch bei der Bewertung des argumentativen Gewichts redlich zu berücksichtigen.296 Selbstverständlich kann die Verfassung i.d.R. bei einem konkreten einfachgesetzlichen Auslegungsproblem die Entscheidung nicht determinieren.297 Nicht umsonst beschränkt sich auch das BVerfG – zumindest nominell – bei Urteilsverfassungsbeschwerden auf die Prüfung, ob „spezifisches Verfassungsrecht verletzt“ wurde und unterzieht die fachgerichtliche Entscheidung nicht als „Superrevisionsinstanz“ einer umfassenden Prüfung.298 Andererseits ist auch die Erkenntnis, wie ein Auslegungsergebnis auf keinen Fall aussehen darf, zur Minimierung verfassungsrechtlicher „Risiken“ möglichst nicht aussehen sollte oder zu einer möglichst optimalen Verwirklichung verfassungsrechtlich begründeter Postulate sogar wünschenswert wäre, schon ein Fortschritt. Und gewisse sub specie constitutionis wünschenswerte Eckdaten dürften sich auch auf der Basis des knappen Verfassungstextes eher mit größerer intersubjektiver Überzeugungskraft angeben lassen als allein auf der Basis des von Naucke beschworenen Naturrechts.299 293 Vgl. zur „sprachnormierenden“ Tätigkeit der Juristen in der Praxis Christensen / Kudlich, Theorie richterlichen Begründens, insb. S. 151 ff. 294 Vgl. zum Vorhergehenden bereits Kudlich, JZ 2003, 127 ff. 295 Vgl. darüber hinaus auch den zutreffenden Gedanken bei Gusy, StV 2002, 153, 155, der feststellt, dass das GG nur zu sehr punktuellen Einzelfragen des Strafverfahrensrecht Vorgaben enthält, dass seine Bedeutung aber insgesamt dennoch gar nicht überschätzt werden könne. 296 Unter anderem diesem Zweck dient auch die hier erfolgende Behandlung der verfassungsrechtlichen Grundlagen en bloc. Diese lässt eher Raum, auf verbleibende Ungewissheiten hinzuweisen, und lenkt den Blick auch stärker auf die nicht selten ambivalent verlaufenden verfassungsrechtlichen Argumentationsstränge als die Erwähnung eines (scheinbar unumstößlichen) verfassungsrechtlichen Arguments, das allein unter vielen anderen in eine im Übrigen strafrechtsdogmatische Argumentation eingebettet ist. 297 Allerdings kann dies realistischerweise in aller Regel auch die zur Entscheidung herangezogene einfachgesetzliche Vorschrift nicht. 298 Grundlegend in der Lüth-Entscheidung, BVerfGE 7, 198, 207; vgl. ferner etwa BVerfGE 43, 130, 137; 61, 1, 7; 89, 276, 286; Pieroth / Schlink, Rn. 1174.

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3. Teil: Grundlegungen einer eigenen Lösung

II. Äußere Anforderungen an die Problemlösung durch das strafrechtliche Gesetzlichkeitsprinzip (Art. 103 II GG) Die spezielle strafrechtliche Gesetzesbindung des Art. 103 II GG und ihre Anforderungen sind eine Frage, die letztlich für jedes Interpretationsproblem im materiellen Strafrecht mehr oder weniger relevant sein kann. Wenn das strafrechtliche Gesetzlichkeitsproblem hier dennoch im Rahmen der verfassungsrechtlichen Grundlagen explizit und exponiert angesprochen wird, dann erfolgt dies deswegen, weil in der Darstellung des Meinungsstandes mehrere Positionen referiert wurden, die an der einen oder anderen Stelle Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit mit dem Gesetzeswortlaut und / oder der Bestimmtheit von einzelnen Lösungsmodellen anmeldeten. Im Folgenden sollen daher zunächst die denkbaren Problemfelder der hier interessierenden Frage unter dem Blickwinkel des nulla-poena-Grundsatzes benannt werden (dazu sogleich 1.). Sodann können kurz die Anforderungen, die Art. 103 II GG an Gesetzestexte und Rechtsfindung im Strafrecht nach traditioneller Ansicht stellt, sowie ein möglicher Grund für deren vielfach beklagte praktische Einlösung skizziert werden (im Anschluss 2.). Da die vorliegende Frage zumeist aus der Perspektive einer „Strafbarkeitseinschränkung“300 und dabei oft als Problem der allgemeinen Strafrechtsdogmatik diskutiert wird, soll abschließend erörtert werden, ob (und gegebenenfalls: welche) Besonderheiten insoweit für strafbarkeitseinschränkende Regelungen des Allgemeinen Teils gelten (zuletzt 3.).

1. Denkbare Problemfelder sub specie Art. 103 II GG a) In der Darstellung des Meinungsstandes im 2. Teil wurde gegen bestimmte Lösungsvorschläge eine Reihe von Einwänden referiert, welche mit dem strafrechtlichen Gesetzlichkeitsgrundsatz in Art. 103 II GG, § 1 StGB zumindest zusammenhängen. Um diese Einwände in ihrem Gehalt erfassen zu können, ist eine knappe Rückbesinnung auf den wesentlichen Inhalt des Art. 103 II GG hilf299 Ähnlich Hefendehl, Kollektive Rechtsgüter, S. 48 ff., der es zu Recht nicht bei dem Befund, „wonach das Verfassungsrecht nicht in der Lage ist, den Aufgabenbereich des Strafrechts umfassend, präzise und damit subsumtionsfähig zu umschreiben“, belassen möchte, da die „Aufgaben des Verfassungsrechts“ etwa auch darin lägen, „Mindestbedingungen zu formulieren, die ein verfassungsrechtlich legitimer Straftatbestand zu erfüllen hat“. Ferner Staechelin, Strafgesetzgebung im Verfassungsstaat, S. 81, dort Fußn. 291, der es für „ergiebiger“ hält, „den Versuch zu unternehmen, Argumente durch Verfassungsstellen zu stützen, anstatt frei darauf zu verzichten“. Zuzustimmen ist auch Staechelins Überlegung (a. a. O., S. 81, im Text), dass der Verfassungstext zumindest der Interpretation durch die anerkannten Instrumente der Methodenlehre zugänglich ist und damit in der Argumentation, die „natürlich das gesamte rechtstheoretisch gedachte Arsenal und Potential an Argumenten bemühen“ kann, zumindest gewisse Fixpunkte zu setzen (oder anders ausgedrückt: die freie naturrechtliche Argumentation zu „irritieren“) vermag. 300 D. h. also eines Grundes für die Straflosigkeit, obwohl eine unbefangene Subsumtion unter den Wortlaut der Strafnorm möglich erscheinen würde.

B. Verfassungsrechtliche Grundlagen

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reich.301 Art. 103 II GG bestimmt in wörtlicher Übereinstimmung mit § 1 StGB,302 dass eine Tat nur bestraft werden kann, „wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde“. Die – wohl zuerst von Feuerbach latinisierte303 – Garantie des „nullum crimen, nulla poena sine lege“ gehört ideengeschichtlich zum Gedankengut der klassischen Vertreter der naturrechtlichen Staatsvertragslehren und ist eine zentrale Errungenschaft der liberalen Verfassungsbewegung. Eine Rezeption der allgemeinen staatsrechtlichen Wurzel des Gesetzesvorbehalts in das Strafrecht erfolgte insbesondere durch Beccaria, eine zweite theoretische Grundlage erarbeitete abermals Feuerbach mit der general-präventiven „Theorie des psychologischen Zwangs“.304 Auf dieser historischen Basis erfüllt Art. 103 II GG nach heute verbreiteter Auffassung in Rechtsprechung und Lehre zwei Funktionen:305 Zum einen soll sichergestellt werden, dass für die Normadressaten vorhersehbar ist, welches Verhalten (nicht nur verboten, sondern) mit Strafe belegt ist (Vertrauensschutzaspekt);306 301 Ausführlicher zu den Anforderungen im Einzelnen sodann im Anschluss unter 2., S. 250 ff. 302 Insofern beinhaltet § 1 StGB letztlich „Verfassungsrecht“ (vgl. Tröndle / Fischer, § 1 Rn. 1), so dass ihm auf Grund der rechtsstaatlichen Normenhierarchie de constitutione lata keine eigenständige Bedeutung zukommt. Im Folgenden wird daher grundsätzlich allein Art. 103 II GG zitiert. 303 Vgl. Feuerbach, Lehrbuch des gemeinen in Deutschland gültigen Peinlichen Rechts, § 20. Feuerbach war es auch, der diesen Grundsatz zum Bestandteil seines Entwurfes zum „Strafgesetzbuch für das Königreich Bayern“ von 1813 machte, dessen Art. 1 zum Vorbild für viele weitere Kodifikationen des 19. Jahrhunderts wurde (so insb. auch für das „Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten“ von 1851, das wiederum Grundlage für das Reichsstrafgesetzbuch von 1871 war), vgl. Schreiber, Gesetz und Richter – Zur geschichtlichen Entwicklung des Satzes nullum crimen, nulla poena sine lege, S. 162 ff.; ein Neuabdruck des Strafgesetzbuchs für das Königreich Bayern von 1813 findet sich etwa bei Buschmann (Hg.), Textbuch zur Strafrechtsgeschichte der Neuzeit, S. 447 ff. 304 Zur Geschichte dieses Grundsatzes vgl. umfassend aus älterer Zeit Schottlaender, Die geschichtliche Entwicklung des Satzes: Nulla poena sine lege; später Krey, Keine Strafe ohne Gesetz, passim; Schreiber, Gesetz und Richter – Zur geschichtlichen Entwicklung des Satzes nullum crimen, nulla poena sine lege, passim; ausführlich ferner etwa Dannecker, Das intertemporale Strafrecht, S. 63 ff.; knapper Überblick etwa bei Dreier-Schulze-Fielitz, Art. 103 II Rn. 1 ff., sowie bei Stratenwerth, AT, § 3 Rn. 2 ff., und Schünemann, Nulla poena sine lege?, S. 1 ff. 305 Vgl. aus der Rechtsprechung des BVerfG statt vieler BVerfGE 47, 109, 120; 71, 108, 114; 92, 1, 12; 95, 96, 130 f.; aus der Literatur statt vieler Appel, Verfassung und Strafe, S. 117 f. (die Rechtsprechung des BVerfG referierend m. w. N. dort in Fußn. 266); Mangoldt / Klein / Starck-Nolte, Art. 103 II Rn. 140; Otto, AT, § 2 Rn. 2; Paulduro, Die Verfassungsmäßigkeit von Strafrechtsnormen, insb. der Normen des Strafgesetzbuches, S. 364; M / D / H-Schmidt-Aßmann, Art. 103 II Rn. 179; Dreier-Schulze-Fielitz, Art. 103 II Rn. 33. 306 Einschränkend dazu Schünemann, Nulla poena sine lege?, S. 16, welcher der Auffassung ist, dass der subjektive Aspekt des Vertrauensschutzes keine eigenständige Bedeutung gegenüber den objektiven Gewährleistungen hat. Allerdings betont Schünemann neben dem Gewaltenteilungsaspekt noch stärker den auf Feuerbach zurückgehenden (vgl. o. Fußn. 303), in der aktuellen Diskussion eher vernachlässigten Aspekt der Generalprävention.

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3. Teil: Grundlegungen einer eigenen Lösung

zum anderen soll gewährleistet sein, dass die Entscheidung über strafwürdiges Verhalten (im Voraus) durch den Gesetzgeber und nicht erst durch (Exekutive oder) Judikative getroffen wird (Gewaltenteilungsaspekt). Darüber, welcher dieser beiden Aspekte im Vordergrund steht, herrscht keine Einigkeit (wobei eine Entscheidung auch insoweit weniger drängend erscheint, als beide Funktionen selten in entgegengesetzte Richtungen weisen dürften307). Die in neuerer Zeit erfolgende Betonung des BVerfG, dass es sich bei Art. 103 II GG um einen besonders strengen Gesetzesvorbehalt handle,308 deutet mehr in die Richtung des Gewaltenteilungsaspektes.309 Die „Schwierigkeit, diesen theoretischen Anspruch plausibel umzusetzen“,310 vor allem aber der Grundrechtscharakter des Art. 103 II GG sprechen allerdings dafür, (zumindest auch) dem – allerdings noch näher zu bestimmenden311 – Vorhersehbarkeitscharakter besondere Bedeutung zuzumessen. Zur Erfüllung dieses doppelten Zwecks beinhaltet Art. 103 II GG in seiner heutigen Form nach einhelliger Auffassung die vier Garantien der lex scripta, der lex praevia, der lex certa und der lex stricta. Da Rückwirkungs- oder Gewohnheitsrechtsprobleme sich vorliegend nicht stellen, wird im Folgenden das Augenmerk vorrangig auf die Gebote der lex certa und stricta, also den Bestimmtheitsgrundsatz und das Analogieverbot zu richten sein. Es ist kein Zufall, dass gerade diese beiden Garantien gemeinsam eine Rolle spielen könnten, da sie funktional besonders eng zusammenwirken. Das an den Gesetzgeber gerichtete Bestimmtheitsgebot wird dadurch abgesichert, dass der Rechtsprechung verboten ist, eine Sanktionsnorm über den für den Adressaten erkennbaren Anwendungsbereich hinaus auszudehnen.312 Anders gewendet: wenn der Gesetzgeber seiner Pflicht zu einer ausreichend bestimmten Tatbestandsformulierung nachkommt und dadurch Lücken entstehen, sollen diese nicht von der Rechtsprechung geschlossen werden dürfen; oder aus nochmals anderem Blickwinkel: die Einhaltung des Analogieverbotes durch die Rechtsprechung soll nicht dadurch nutzlos werden, dass durch unbestimmte Gesetzesformulierungen ohnehin „alles und nichts“ dem Tatbestand subsumiert werden kann. Daneben hat der Bestimmtheitsgrundsatz

307 Deshalb versteht etwa M / D / H-Schmidt-Aßmann, Art. 103 II Rn. 181 beide Aspekte auch als gleichgewichtig. 308 Soweit ersichtlich beginnend mit BVerfGE 71, 108, 114; auf dieser Grundlage erscheint es konsequent, wenn für den allgemeinen Gesetzesvorbehalt im Einzelfall zu prüfen ist, ob nicht innerhalb seines Anwendungsbereichs auch ähnliche Garantien wie die des Art. 103 II GG einschlägig sind; vgl. dazu am Beispiel der Beschränkung strafprozessualer Beteiligungsrechte Kudlich, Strafprozeß und allgemeines Mißbrauchsverbot, insb. S. 129 ff., 147 ff. 309 Vgl. aber auch Jähnke, BGH-FS (Praxis), S. 393, 399, der die Rechtsprechung des BVerfG so interpretiert, dass der „Gedanke des Vertrauensschutzes beherrschend in den Vordergrund“ gestellt sei. 310 Darauf weist Mangoldt / Klein / Starck-Nolte, Art. 103 II Rn. 140, zutreffend hin. 311 Vgl. u. S. 258. 312 Vgl. BVerfG JZ 1987, 138, 139; Mangoldt / Klein / Starck-Nolte, Art. 103 II GG Rn. 155; Schmidhäuser, Martens-GS, S. 231, 232; zum Zusammenhang von Bestimmtheitsgrundsatz und (untechnisch zu verstehendem, vgl. unten Text bei Fußn. 338) Analogieverbot auch Jähnke, BGH-FS (Praxis), S. 393, 394 f.

B. Verfassungsrechtliche Grundlagen

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aber auch für die Rechtsprechung Bedeutung. Sie darf Begriffe (die als solche einer engeren, ausreichend bestimmten Auslegung zugänglich wären) nicht in einer Weise definieren, die ihrerseits den Anforderungen des Bestimmtheitsgrundsatzes widersprechen.313

b) Als möglicherweise in diesem Zusammenhang relevanter Einwand wird zunächst gegen Modelle, die bei der Beihilfe zwischen verschiedenen Vorsatzformen bzw. -graden differenzieren, vorgebracht, diese Unterscheidung finde im Wortlaut des § 27 StGB keine Stütze. Das ist ein Vorwurf, der Art. 103 II GG berühren könnte, falls eine nicht ausreichend gesetzlich bestimmte Differenzierung dazu führt, dass die Auslegung allgemein – oder zumindest in den strafbarkeitsbejahenden Fällen – nicht mit dem Bestimmtheitsgrundsatz zu vereinbaren ist (vgl. näher unten 2.). Jedenfalls aber betrifft er das methodische Vorgehen der entsprechenden Ansätze, das im materiellen Strafrecht immer in einem gewissen Zusammenhang mit Art. 103 II GG steht. Der Vorwurf, „contra legem“ zu judizieren, ist – wie Krey zutreffend festgestellt hat314 – nicht nur „vom Boden der Methodenlehre her“ zu beantworten, sondern auch ein Problem des Verfassungsrechts.315 Mangelnde Bestimmtheit – und damit möglicherweise ebenfalls eine Beeinträchtigung des Art. 103 II GG – wird ferner unter den objektiven Lösungsmodellen insbesondere solchen vorgeworfen, die auf dem Adäquanzgedanken beruhen.316 In eine ähnliche Richtung geht auch der Vorwurf der „Dezision“ durch den Normanwender, den Murmann in seiner Besprechung der Monographie Wohllebens macht;317 ist doch der Gedanke richterlicher Dezision nach traditionellem Verständnis gewissermaßen gerade das Gegenmodell des Positivismus, zu dessen Betonung Art. 103 II GG in besonderem Maße zu ermahnen scheint. Aber auch über diese punktuellen expliziten Erwähnungen hinaus, stellt sich bei allen differenzierenden Lösungsansätzen318 die Frage, welche Anforderungen an 313 Vgl. dazu BVerfGE 92, 1, 14 ff., zur Auslegung des Gewaltbegriffes in § 240 StGB durch die höchstrichterliche Rechtsprechung. Zwar stellt das BVerfG zunächst scheinbar auf den – für die Überprüfung der Rechtsprechung typischeren – Gesichtspunkt des Verbots tatbestandsausweitender Interpretation (und damit wohl eher auf das Gebot der lex stricta) ab; im Nachfolgenden wird allerdings deutlich, dass das Gericht vor allem die weite Definition des Gewaltbegriffs als Grundlage späterer nicht mehr hinreichend bestimmter Einzelentscheidungen rügt, so wenn es von der „Entgrenzung“ des Merkmals Gewalt spricht (S. 17) oder – noch deutlicher – wenn es die sonst typischerweise für die Bestimmtheit einer Vorschrift herangezogene Frage nach einer Bestimmbarkeit des weiten Gewaltbegriffs durch die Vorgaben einer gesicherten Rechtsprechung aufwirft und letztlich verneint (S. 18 f.). 314 Vgl. Krey, JZ 1978, 361, 363. 315 Vgl. zu den methodenbezogenen Normen des GG ausführlich Christensen / Kudlich, Theorie richterlichen Begründens, S. 287 ff. m. w. N., speziell zu Art. 103 II GG S. 305 f. 316 Vgl. o. S. 468. 317 Vgl. GA 1999, 406, 408. 318 So gesteht Weigend, Nishihara-FS, S. 197, 208 f. (vgl. dazu o. S. 108 ff.) selbst die mangelnde Vorhersehbarkeit der Lösungen nach seinem Modell quantitativer Abschichtung ein, aber ähnliche Vorwürfe könnten auch gegenüber vielen qualitativ differenzierenden Modellen formuliert werden.

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3. Teil: Grundlegungen einer eigenen Lösung

strafbarkeitseinschränkende Verantwortlichkeitskorrektive unter dem Gesichtspunkt der Bestimmtheit zu stellen sind. Die Antwort darauf ist daher auch eine wesentliche Grundlage für die Entwicklung eines eigenen Lösungsvorschlages. Denn nur Kriterien, die nach den (im Folgenden näher zu explizierenden) Anforderungen des Art. 103 II GG zum einen hinreichend bestimmt sind, zum anderen „mit dem Wortlaut der entsprechenden Vorschriften vereinbar“ sind,319 können einen praktikablen Lösungsansatz de lege lata ergeben. Zu Recht keine Rolle spielt in der bisherigen Diskussion der Vorwurf, die einschlägigen Strafbestimmungen – nach dem bisherigen Hauptaugenmerk auf der Beihilfe also insbesondere § 27 StGB – würden ihrerseits gegen den Bestimmtheitsgrundsatz verstoßen, wenn sie nicht einschränkend ausgelegt würden. Denn eine Auslegung, nach der – um im Beispiel des § 27 StGB zu bleiben – jegliches zumindest bedingt vorsätzlich straftatenunterstützende Verhalten ohne Rücksicht auf Üblichkeit, alternative Verfügbarkeit der Leistung etc. unter den Beihilfetatbestand fällt, ist durchaus „klar“. Sie führt möglicherweise zu weit, und könnte vielleicht verfassungsrechtlich als überkriminalisierend und daher unverhältnismäßig eingestuft werden, aber nicht als unbestimmt;320 auch könnte man sicher nicht sagen, eine entsprechende Auslegung verstoße gegen die „Wortlautgrenze“. Gewisse Zweifel werden – zwar auch bei berufsbedingten Verhaltensweisen im Einzelfall einschlägig, aber nicht problemspezifisch – nur hinsichtlich der psychischen Beihilfe durch bloße Bestärkung des Tatentschlusses geäußert.321 Auf diese Figur wird unten322 noch einmal zurückzukommen sein; so viel sei hier allerdings schon vorweggenommen: Ein „Wortlautproblem“ besteht insoweit nicht.

2. Allgemeine Anforderungen an die Rechtsfindung durch Art. 103 II GG – zugleich ergänzende methodische Bemerkungen Um beurteilen zu können, ob einzelne Strafbarkeitseinschränkungen „zu unbestimmt“ seien oder „im Wortlaut des § 27 StGB keine Stütze“ fänden, müssen die Anforderungen an die Rechtsfindung durch Art. 103 II GG etwas näher entfaltet werden. Erforderlich, aber auch ausreichend ist dabei als Grundlegung für einen eigenen Lösungsvorschlag ein kurzer Abriss von zwei Punkten: Dem Umfang der 319 Zur Problemformulierung wird an dieser Stelle noch auf die gängige Metapher von der Wortlautgrenze zurückgegriffen, obwohl diese nach hier vertretener und im Anschluss kurz entfalteter Auffassung falsche Assoziationen zu wecken geeignet ist. 320 Vgl. zur ähnlichen Frage einer Unbestimmtheit des Unterschlagungstatbestandes auf Grund der Änderungen durch das 6. StrRG Kudlich, JuS 2001, 767, 768. Bestimmtheit und Verhältnismäßigkeit sind insoweit zwei häufig gegenläufige Bewertungsmaßstäbe (vgl. auch Günther, Strafrechtswidrigkeit und Strafunrechtsausschluß, S. 231), wie auch aus dem Verwaltungsrecht bekannt ist: Je bestimmter etwa die Anordnungen eines Verwaltungsaktes sind, desto eher gerät er in die Gefahr der Unverhältnismäßigkeit, weil dem Adressaten kein Spielraum bei der Erfüllung der ihm behördlich auferlegten Pflichten mehr bleibt. 321 Zweifel an der Vereinbarkeit mit § 27 StGB mit Blick auf den Wortlaut „Hilfeleisten“ etwa bei Hruschka, JR 1983, 177, 178 f. 322 Vgl. u. S. 369 ff.

B. Verfassungsrechtliche Grundlagen

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Garantien der lex stricta und certa auf der Grundlage der h. M.323 und einiger ergänzender Überlegungen zu diesen Grundsätzen anhand neuerer Erkenntnisse der Sprachtheorie. Die Frage nach etwaigen Besonderheiten, die sich hier daraus ergeben könnten, dass es sich (jedenfalls im Wesentlichen) um Rechtsfragen des Allgemeinen Teils sowie im Kern um Strafeinschränkungsüberlegungen handelt, werden im folgenden Abschnitt (S. 259 ff.) untersucht.

a) Die Garantien der lex stricta et certa Art. 103 II GG soll angesichts der Schärfe des staatlichen Eingriffs bei Verhängung einer Strafe der strikten Einhaltung der lex scripta dienen. Gleichwohl fordert er kein Montesquieu’sches Verständnis der strafrichterlichen Tätigkeit, sondern steht im gesamtgrundgesetzlichen Kontext, das „nicht die Augen davor (sc.: verschließt), daß Gesetze keine Speicher vorgefertigter Antworten sind“.324 Dementsprechend werden seine Anforderungen insbesondere von der Praxis in einer Weise verstanden, die das erforderliche Zusammenwirken von Legislative und Rechtsanwendung durchaus sinnvoll ermöglichen. Die Annahme einer unzulässigen „Überschreitung des Wortlauts“ ist daher ebenso wie diejenige einer verfassungswidrigen Unbestimmtheit325 von recht hohen Voraussetzungen abhängig:326 (1) Das Bestimmtheitsgebot verpflichtet den Gesetzgeber zwar, „die Voraussetzungen der Strafbarkeit so konkret zu umschreiben, daß Tragweite und Anwendungsbereich der Straftatbestände zu erkennen sind“.327 Doch soll etwa die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe und selbst in hohem Maße auslegungsbedürftiger Generalklauseln nicht unzulässig sein328 (wenngleich für diese eine restriktive Auslegung als geboten erachtet wird329). Auch im Strafrecht muss es 323 Vgl. dazu jüngst auch die ausführliche Zusammenstellung einschließlich der geschichtlichen Wurzeln bei Duttge, Fahrlässigkeitsdelikte, S. 146 ff. 324 So die einführende Einschätzung bei M / D / H-Schmidt-Aßmann, Art. 103 II Rn. 224. 325 Hinsichtlich der Anforderungen an das Gebot der lex certa spricht Schünemann, Nulla poena sine lege?, S. 6, vom „Tiefpunkt“ der Behandlung dieses Grundsatzes in Praxis und Lehre. 326 Vgl. auch die Einschätzung sowie die Darstellung der Judikatur des BVerfG zu Art. 103 II bei Paulduro, Die Verfassungsmäßigkeit von Strafrechtsnormen, insb. der Normen des Strafgesetzbuches, S. 364 ff. 327 Vgl. BVerfGE 75, 329, 341 und öfters mit ähnlichen Formulierungen. 328 Vgl. m. w. N. aus der Rechtsprechung des BVerfG Dreier-Schulze-Fielitz, Art. 103 II Rn. 35, sowie Mangoldt / Klein / Starck-Nolte, Art. 103 II Rn. 143; ebenso Appel, Strafe und Verfassung, S. 118. Schünemann, Nulla poena sine lege?, S. 35 ff., entwickelt ein Modell, nach dem unbestimmte Begriffe nur 50% des Tatbestandes ausmachen dürfen; krit. dazu Ransiek, Gesetz und Lebenswirklichkeit, S. 60 ff., sowie Staechelin, Strafgesetzgebung im Verfassungsstaat, S. 223 f. 329 Vgl. die Nachweise aus der Rechtsprechung bei Appel, Verfassung und Strafe, S. 122; dem BVerfG zustimmend auch Tiedemann, Verfassungsrecht und Strafrecht, S. 41 ff.; das

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3. Teil: Grundlegungen einer eigenen Lösung

dem Gesetzgeber angesichts der „Vielgestaltigkeit der möglichen Lebenssituationen“ möglich sein, so flexibel zu legisferieren, dass mit abstrakten Regelungen der Bereich des Strafwürdigen weitgehend erfasst wird.330 Dies muss umso mehr gelten, solange „schwer greifbare Rechtsgüter wie die ,Ehre‘ oder schwer umschreibbare Angriffsformen ( . . . ) als strafrechtliche fassbar betrachtet werden“ sollen.331 Das BVerfG lässt sogar genügen, dass der Einzelne in Grenzfällen wenigstens das Risiko einer Bestrafung erkennen kann.332 Damit nähert es sich – wie im Übrigen auch viele Vertreter der Literatur – im Ergebnis einer Auffassung an, die nur eine relative Bestimmtheit sowie „die Vertretbarkeit des jeweiligen Richterspruchs in seiner Begründung aus dem Strafgesetz“ verlangt.333 Die Maßstäbe, die daran angelegt werden, sind differenzierender Natur, wobei im Einzelnen vieles umstritten ist: So anerkennt das BVerfG unter weitgehender Billigung der Literatur ausdrücklich eine Abhängigkeit von der Abstraktheit oder Konkretheit des Regelungsgegenstandes.334 Dagegen wird die Abhängigkeit von der Schwere der Strafandrohung („Je höher die angedrohte Strafe, desto höher die Bestimmtheitsanforderungen.“335) in der Literatur verbreitet kritisiert.336 Die Bedeutung der Kriterien des „Adressatenhorizonts“ (jedenfalls in dieser Allgemeinheit) und der „Funktion des Normbestandteils“337 schließlich sind in der Rechtsprechung des BVerfG selbst noch nicht abschließend geklärt. Gebot einer engen Auslegung soll keine generelle Auslegungsregel im Strafrecht sein, vgl. dazu auch unten Text zu und in Fußn. 344. 330 Vgl. Appel, Strafe und Verfassung, S. 118, mit zahlreichen Nachweisen aus der Rechtsprechung des BVerfG dort Fußn. 270. 331 Zutreffend Mangoldt / Klein / Starck-Nolte, Art. 103 II Rn. 143. 332 Vgl. BVerfGE 71, 108, 115; 87, 209, 224; 91, 1, 12; krit. Schroeder, NJW 1995, 2586, 2587; vorsichtig zustimmend etwa Mangoldt / Klein / Starck-Nolte, Art. 103 II Rn. 141. 333 Vgl. Schmidhäuser, Martens-GS, S. 231, 242, 243. 334 Vgl. BVerfGE 71, 108, 116; 17, 306, 314 ff. sowie bereits oben: Dass die Grenzen beim Schutz der persönlichen Ehre gegen abträgliche Werturteile (§ 185 StGB) weiter zu ziehen sind als beim Schutz des viel klarer zu definierenden Rechtsgutes Leben (etwa § 212 StGB), liegt auf der Hand. Grundsätzlich ähnlich Schönke / Schröder-Eser, § 1 Rn. 20; Lenckner, JuS 1968, 304, 305; krit. etwa Schünemann, Nulla poena sine lege?, S. 33 f. 335 In diesem Sinne etwa BVerfGE 14, 245, 251; 26, 41, 45; 75, 329, 342. 336 Vgl. Appel, Verfassung und Strafe, S. 120; Krahl, Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs zum Bestimmtheitsgrundsatz im Strafrecht, S. 317 ff.; von Münch / Kunig-Kunig, Art. 103 Rn. 29; Paulduro, Die Verfassungsmäßigkeit von Strafrechtsnormen, insb. der Normen des Strafgesetzbuches, S. 379; Roxin, AT I, § 5 Rn. 70; Schünemann, Nulla poena sine lege?, S. 32 f.; differenzierend Mangoldt / Klein / Starck-Nolte, Art. 103 II Rn. 145. Für die hier interessierende Frage spielt dieser Gesichtspunkt keine besondere Rolle, da insb. die Strafandrohung in Fällen der Beihilfe auf Grund ihrer Abhängigkeit von der jeweiligen Haupttat (vgl. § 27 II StGB) das gesamte Spektrum abdeckt, das § 49 I StGB noch offen lässt. 337 Zu beiden m. w. N. Mangoldt / Klein / Starck-Nolte, Art. 103 II Rn. 146 f., sowie teilweise noch näher u. S. 265 ff.

B. Verfassungsrechtliche Grundlagen

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(2) Hinsichtlich der Garantie der lex stricta soll Art. 103 II GG zwar entgegen der geläufigen, aber irreführenden338 Bezeichnung als „Analogieverbot“ nicht nur Analogien im rechtstechnischen Sinne einer bestimmten Schlussform,339 sondern „jede Form ( . . . ) einer den Norminhalt überschreitenden Auslegung“ verbieten.340 Allerdings sind hier die Anforderungen (insbesondere auch der Rechtsprechung) ebenfalls nicht zu streng. Entscheidend ist, wann der „Norminhalt überschritten“ wird und damit nach traditionellem Verständnis: wo die „Wortlautgrenze“ liegt. Diese zieht insbesondere die Rechtsprechung aber nicht zu eng,341 was teilweise zu Ergebnissen führt, die in der Literatur als „Sündenfälle“ bezeichnet werden342 (ungeachtet dessen aber verbreitete Billigung finden). Aber auch in Zutreffend Mangoldt / Klein / Starck-Nolte, Art. 103 II Rn. 156. Die klare Unterscheidung von Analogie und Auslegung wird bekanntlich von einem nicht zu vernachlässigenden Teil der Literatur generell bezweifelt, da auch der Auslegung vergleichende Elemente zu Eigen seien, vgl. nur NK-Hassemer, § 1 Rn. 95; Arthur Kaufmann, Analogie und „Natur der Sache“, S. 40; Sax, Das strafrechtliche Analogieverbot, S. 94 ff., insb. 148 f.; Schroth, Theorie und Praxis subjektiver Auslegung im Strafrecht, S. 106 ff. Dass dies kaum zu dem Ergebnis führen kann, jede Interpretation von Strafgesetzen sei verboten (was im Übrigen seinem Anwendungsverbot gleich käme), hat nicht zwangsläufig die Preisgabe des „Analogieverbotes“ zur Konsequenz. Immerhin besteht die Möglichkeit des Verbots einer „unzulässig übertrieben extensiven Interpretation“, vgl. Hassemer, Tatbestand und Typus, S. 164; zustimmend Schroth, a. a. O., S. 109; von Münch / Kunig-Kunig, Art. 103 Rn. 26, sowie der Sache nach wohl auch Jähnke, BGH-FS (Praxis), S. 393, 397. Dies ist freilich kaum trennschärfer als die Redensart vom Analogieverbot, bringt aber nach Ansicht von Sax, a. a. O., S. 154, den Vorteil, dass statt mit der Berufung auf ein Schlagwort („Analogieverbot“) mit der Angabe von Sachargumenten („unzulässige Extension oder nicht?“) begründet werden muss, warum ein bestimmtes Ergebnis gegen Art. 103 II GG verstößt; vgl. auch NK-Hassemer, § 1 Rn. 99 ff., der in Art. 103 II GG vorrangig ein Argumentationsgebot und eine „Programmsicherung“ sieht, sowie Schroth, a. a. O., S. 110 ff., der sich um Kriterien bemüht, wann eine Auslegung „zu extensiv“ sei. 340 Vgl. Dreier-Schulze-Fielitz, Art. 103 II Rn. 40 unter Berufung auf BVerfGE 71, 108, 115; 92, 1, 13 f.; ähnlich in einer Analyse der Rechtsprechung des BVerfG Appel, Strafe und Verfassung, S. 118. Dies ist an sich nur selbstverständlich, da Art. 103 II GG weder explizit von einer „Analogie“ spricht noch sich auf ihre Voraussetzungen im technischen Sinne bezieht. Anschaulich die Metapher von Jakobs, AT, Abschn. 4 Rn. 33 ff., der von einem „Generalisierungsverbot“ spricht: Das Niveau der Generalisierung darf durch den Rechtsanwender gegenüber dem des Gesetzgebers nicht angehoben werden. 341 Schünemann, Nulla poena sine lege?, S. 4, spricht anschaulich von der „in der Rechtswirklichkeit vorherrschenden Geringschätzung“, die in einem gewissen Widerspruch zu der grundsätzlichen Anerkennung der Wortlautgrenze steht. 342 Begriff bei Krey, ZStW 101 (1989), 838, 849; aufgenommen bei Scheffler, Jura 1996, 505, 507. Letzterer zählt etwa auf die Subsumtion einer Säure unter „Waffe“ (i. S. d. § 223a a.F. = § 224 I Nr. 2 StGB), einer Niere unter „Glied“ (i. S. d. § 224 a.F. = § 226 I Nr. 2 StGB), eines Lkw unter „bespanntes Fuhrwerk“, von zwei Personen unter „Bande“ (was der Große Senat BGH(GS) NJW 2001, 2266 m. Anm. Erb, NStZ 2001, 561 ff., mittlerweile aufgegeben, dabei aber zutreffend darauf hingewiesen hat, dass die alte Auslegung nicht gegen Art. 103 II GG verstoßen hatte; ausführlich speziell unter dem Aspekt der „Wortlautgrenze“ Christensen / Kudlich, Theorie richterlichen Begründens, S. 384 ff., sowie Kudlich / Christensen, JuS 2002, 144 ff.), eines versuchten Suizids unter „Unglücksfall“ (i. S. d. § 323c StGB), das Verzögern einer Bestrafung als „Strafvereitelung“ (i. S. d. § 258 StGB), 338 339

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3. Teil: Grundlegungen einer eigenen Lösung

der Literatur wird durchaus überwiegend anerkannt, dass das Konzept einer solchen festen Wortlautgrenze problematisch ist.343 Breite Einigkeit besteht außerdem, dass auch im Strafrecht extensive Auslegungen grundsätzlich erlaubt sind, mithin aus Art. 103 II GG kein generelles Gebot einer benigna interpretatio abgeleitet werden kann.344 Entscheidend soll auch hier letztlich sein, dass die Strafbarkeit des Verhaltens sich innerhalb des aus der Sicht des Laien zu bestimmenden Wortsinnes einer Norm bewegt. Insoweit treffen sich Bestimmtheitsgebot und Analogieverbot.

b) Die eingeschränkte Grenzfunktion natürlicher Sprache Fraglich ist nun allerdings worauf sich „der Laie“ bei der „Bestimmung des Wortsinnes“ stützen kann bzw. anders formuliert: was garantieren soll, dass der Laie „die Bedeutung“ des Normtextes richtig verstehen kann. Die tradierte Vorstellung neigt hier dazu, die feste Bindung, die „dem Laien“ eine solche Orientierung ermöglichen soll, in der Sprache selbst zu sehen, welcher damit ein normativer Charakter beigemessen wird. Diese Annahme beruht aber auf einer mit den Bedingungen natürlichen Sprechens345 kaum zu vereinbarenden Vorstellung vom Zusammenhang zwischen Normtext und Bedeutung346 und ist (ohne dass damit alle

nennt aber daneben auch Beispiele aus der Literatur. Teils die gleichen, teils weitere Beispiele bei Schünemann, Nulla poena sine lege?, S. 4. Sehr krit. zum „Zustand“ des Art. 103 II GG auch Naucke, Hassemer-FG, S. 132, 133 f. 343 Vgl. neben den nachfolgenden Überlegungen und Nachweisen (zu und in Fußn. 349 ff.) aus den knapperen Darstellungen statt vieler nur Stratenwerth, AT, § 3 Rn. 32 f. 344 Vgl. nur Dreier-Schulze-Fielitz, Art. 103 II Rn. 39 m. w. N. Eine gewisse Ausnahme wird allerdings für unbestimmte Rechtsbegriffe und Generalklauseln gemacht, vgl. bereits oben Text zu und in Fußn. 329. 345 Auch die Rechtssprache und die Sprache des Gesetzes sind in diesem Sinne „natürliche Sprache“, hier im Sinne der Abgrenzung von Kunstsprachen etwa in der Mathematik oder Informatik. Vgl. dazu aus linguistischer Sicht Wimmer, Sprache und Literatur, Heft 91 / 1989, S. 8, 10, nach dem es „die juristische Semantik und die linguistische Semantik mit derselben natürlichen Sprache zu tun (haben); und der Geltungsanspruch juristischer Sprachnormierungen bezieht sich ja letztlich auf den Sprachgebrauch natürlichsprachlicher Sprecher.“ Auch Schünemann, Klug-FS, S. 169, 176, weist – obwohl er selbst im Ergebnis der Sprache mehr normative Substanz zumisst, als es die neuere Sprachwissenschaft tut – darauf hin, dass „die Möglichkeit, durch Normsetzung künftige Entscheidungen zu steuern“ durch die „Leistungsgrenze des vom Gesetzgeber benutzten Steuerungscodes“ auch ihre Grenzen findet: „Solange sich der Gesetzgeber in großem Umfang der naturwüchsigen Termini der Umgangssprache bedient, kann er sich also von der Leistungsgrenze der Umgangssprache nicht prinzipiell emanzipieren.“ (Hervorhebungen dort). 346 Vgl. knapp zu den Problemen im Zusammenhang mit Art. 103 II GG und der Unbestimmtheit der natürlichen Sprache auch Müller-Dietz, Lenckner-FS, S. 179, 184 ff.; Staechelin, Strafgesetzgebung im Verfassungsstaat, S. 213 f. (der deshalb den Gesetzgeber aber zutreffend nicht von der Pflicht entbunden sieht, seine Regelungen so gut zu treffen, wie eben möglich) sowie Schmidhäuser, Martens-GS, S. 231, 232.

B. Verfassungsrechtliche Grundlagen

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„Sündenfälle“ entschuldigt werden könnten) ein Grund für die Schwierigkeiten mit dem Bestimmtheitsgebot ebenso wie mit dem Analogieverbot. Es ist auffällig, dass Analogieverbot und Bestimmtheitsgrundsatz (und damit die Garantien des Art. 103 II GG, die mit der „bestimmten“ bzw. „vom Wortlaut erfassten“ Bedeutung der im Normtext verwendeten Zeichenketten zusammenhängen) allgemein als Achillesfersen des nulla-poena-Grundsatzes angesehen werden. Mit dem Rückwirkungsverbot gibt es vergleichsweise weniger Schwierigkeiten; und dort, wo Streit besteht, weiß man zumindest genauer, worüber man streitet, und hat exaktere Vorstellungen, wie die Lösung in die eine oder andere Richtung aussehen könnte. Dies mag daran liegen, dass für die Frage nach einer verbotenen Rückwirkung i.d.R. keine Aussagen darüber erforderlich sind, was die „Wörter“ im Gesetzestext denn genau „bedeuten“. Eine gewisse Ausnahme gilt für die Frage nach einem Rückwirkungsverbot von Änderungen der (höchstrichterlichen) Rechtsprechung zumindest in bestimmten Konstellationen, da hier tatsächlich die Frage nach „der Bedeutung“ bzw. genauer: nach ihrem Zustandekommen bei der juristischen Arbeitsteilung eine Rolle spielt. Insoweit kann nicht überraschen, dass in jüngerer Zeit die scharfsinnigen Überlegungen von Hettinger / Engländer347 eine (m.E. sehr überzeugende) Antwort auf dem Boden ähnlicher sprach- und methodentheoretischer Prämissen erarbeiten, wie sie hier zur Erklärung der Schwierigkeiten mit den Garantien der lex certa und stricta zugrunde gelegt werden. Das Gleiche gilt für das Verbot von strafbegründendem Gewohnheitsrecht. Auch hier ist relativ klar, was im Einzelnen unzulässig sein soll, da es nicht um „die“ (vermeintliche) Bedeutung des Normtextes geht. Anders ist dies nur dort – und gerade da liegen auch die Schwierigkeiten beim Gebot der lex scripta – wo fraglich ist, ob sich bestimmte Rechtsinstitute noch als Teil der lex scripta erfassen lassen (ob sie also noch „von der Bedeutung umfasst“ sind) oder ob es sich gerade schon um unzulässiges Gewohnheitsrecht handelt.348

Nach der in der tradierten Auslegungslehre vielfach zum Ausdruck kommenden juristischen „Sprachtheorie“ ist die Bedeutung eines Begriffs – wenngleich mit Schwankungen im Randbereich349 – im Wesentlichen vorgegeben. Die hinter dem Normtext stehende Bedeutung muss vom Rechtsanwender im Wege eines Erkenntnisaktes ans Tageslicht gebracht werden. Demgegenüber entspricht es dem gesicherten Erkenntnisstand der modernen Sprachwissenschaft, dass die Bedeutung einzelner Worte nicht isoliert werden kann,350 sondern dass sich eine funktionierende Sprache nur als Gesamtheit beschreiben lässt.351 Die Bedeutung eines einMeyer-Goßner-FS, S. 145 ff. Vgl. auch Jähnke, BGH-FS (Praxis), S. 393, 394 f., der Analogieverbot und Bestimmtheitsgrundsatz „auf längere Sicht auch mit dem Verbot von Gewohnheitsrecht verzahnt“ sieht. 349 Also in dem Bereich, der im Anschluss an Heck verbreitet als „Begriffshof“ bezeichnet wird und der bei sog. „unbestimmten Rechtsbegriffen“ im Verhältnis zum „Begriffskern“ besonders groß sein soll (vgl. dazu Looschelders / Roth, Juristische Methodik im Prozeß der Rechtsanwendung, S. 135). 350 Zutreffend dabei Jakobs, AT, Abschn. 4 Rn. 35, wenn er darauf hinweist, dass dies nicht nur für unscharfe oder „mehrdeutige“ Begriffe gilt, sondern im Grunde bei (zumindest nahezu) jedem verwendeten Begriff. 351 Vgl. dazu neben den Nachweisen in den folgenden Fußnoten Christensen / Kudlich, Theorie richterlichen Begründens, S. 139 ff., sowie dies., ARSP 2002, 230 ff. 347 348

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3. Teil: Grundlegungen einer eigenen Lösung

zelnen Wortes verweist auf die entwicklungsoffene Gesamtheit aller anderen und kann daher nur im Zusammenhang gemeinsamer Überzeugungssysteme bestimmt werden (sog. semantischer Holismus).352 Vor allem die Sprachgeschichte hat gezeigt, dass die Ordnung der Sprache nach dem Muster des Marktes als „invisiblehand-Phänomen“ entsteht353 und damit einem Netz gleicht, dessen Architektur vom einzelnen Nutzer – mehr oder weniger relevant – mitgestaltet wird. Die Annahme einer durch die Sprache in Gestalt der Bedeutung sprachlicher Ausdrücke vorgegebenen Grenze ist damit höchst problematisch. Realistischer erscheint demgegenüber das Bild einer in der Sprache hergestellten Grenze in Gestalt einer Sprachnormierung durch den Rechtsanwender.354 Vor dem Hintergrund des semantischen Holismus erscheint das Konzept des sprachlichen Fehlers355 dann auch in einem anderen Licht, als es für das Ziel einer Begründung juristischer Entscheidungen durch Sprache zunächst wünschenswert wäre. Sprachliche Fehler markieren hier nicht mehr als einen „Grenzwert des Verständlichen“, „d. h. ihr Bereich beginnt dort, wo es nicht mehr möglich wäre, eine Wortgebrauchs- und Urteilspraxis als konsistent zu verstehen.“356 Von diesen seltenen Fällen abgesehen kann die Bedeutung sprachlicher Ausdrücke keinen Grund dafür liefern, dass eine ihr konforme Verwendung des betreffenden Ausdrucks zwingend ist. Vielmehr muss über die Grenze des Zulässigen seiner Verwendung immer wieder erst befunden und entschieden werden.357 Durch ihre Beschreibung und Erklärung kann Bedeutung daher jedenfalls nicht als normative Größe ausgezeichnet werden. Natürlich hat Sprache mit Normativität zu tun. Sie ist – jedenfalls auf der Grundlage des Wittgenstein’schen 352 Der sogenannte Holismus der heutigen Sprachwissenschaft ist keineswegs eine radikale Neuerung. Besonders in der deutschen von Humboldt herkommenden Tradition war er immer anerkannt: „Es gibt nichts einzelnes in der Sprache, jedes ihrer Elemente kündigt sich nur als Teil eines ganzen an“, vgl. Humboldt, Über das Vergleichen des Sprachstudiums in Beziehung auf die verschiedenen Epochen der Sprachentwicklung, in: ders., Schriften zur Sprachphilosophie, S. 10. Der neuerliche Akzent auf diesen Holismus knüpft vor allem an die Sprachphilosophie Donald Davidsons an: vgl. dazu Schaedler-Om, Der soziale Charakter sprachlicher Bedeutung und propositionaler Einstellungen, S. 35 ff., sowie V. Mayer, Semantischer Holismus, passim. 353 Grundlegend dazu Keller, Sprachwandel, vor allem S. 87 ff. 354 Vgl. dazu eingehend Christensen / Kudlich, Theorie richterlichen Begründens, S. 151 ff. Vgl. auch Jakobs, AT, Abschn. 4 Rn. 35: „die ermittelte Wortbedeutung (kann) die strafrechtliche Interpretation nicht mehr begrenzen, weil die Wortbedeutung selbst schon durch diese Interpretation bestimmt ist.“ 355 Oder gar eines – in den Worten der oben in Fußn. 342 genannten – „Sündenfalls“. 356 Vgl. Glüer, Sprache und Regeln, S. 28, 65. 357 Dies stellt nicht die „profunde Orientierungsleistung der Umgangssprache“ (oder vielleicht präziser: einer natürlichen Sprache) in Frage, die Schünemann, Klug-FS, S. 169, 177, zu Recht als „elementare Alltagserfahrung“ bezeichnet. Denn für die Orientierungsleistung im Alltag ist kein Grad an Bestimmtheit erforderlich, wie er für die Vorentscheidung über einen ausgetragenen Bedeutungskonflikt durch die Sprache benötigt würde. Im Alltagssprachgebrauch wird die Kommunikation auf Grund des „Prinzips der Nachsicht“ (dazu nur Schädler-Om, Der soziale Charakter sprachlicher Bedingungen und propositionaler Einstellungen, S. 54 ff., sowie Davidson, in: ders., Wahrheit und Interpretation, S. 183, 199) i.d.R. auch bei Bedeutungsspielräumen ermöglicht, die beim „Streit ums Recht“ allein keine Entscheidung zwischen zwei unterschiedlichen Lesarten legitimieren könnten.

B. Verfassungsrechtliche Grundlagen

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Regelbegriffs – tendenziell normativ. Wenn ein Sprecher das Wort ergreift, beansprucht er mit seiner Sprachverwendung Korrektheit. Gerade juristisches Arbeiten beginnt aber regelmäßig erst im Moment des Kommunikationskonflikts, wo unterschiedliche Lesarten des Normtextes antagonistisch aufeinander treffen. In dieser Situation kann man sich nicht darauf beschränken, auf die Normativität als implizite Tendenz der Sprecher zu verweisen.

Sprache entscheidet nur über Verständlichkeit. Ob aber ein verständlicher Sprachgebrauch angemessen, korrekt usw. ist, wird durch die normativen Einstellungen der an der jeweiligen sozialen Praxis Beteiligten entschieden. Das Normativitätsproblem verweist also nicht auf eine in der Sprache vorhandene normative Bedeutungssubstanz, sondern auf eine Praxis des Forderns und Lieferns von Gründen.358 Juristisches Entscheiden ist die Entscheidung von Bedeutungskonflikten zur Festlegung auf Sprachnormen. Solange Äußerungen überhaupt verständlich sind, ist jeder Versuch zu ihrer Korrektur oder Zurückweisung bereits der Einstieg in einen Normierungsvorgang, der auf bestimmte Standards der Legitimierung359 pocht.

c) Die Verschiebung von der Bestimmtheit zur Bestimmbarkeit Kann somit die Sprache allein schon für den Juristen nicht – und damit für den „Laien“ noch umso weniger – gleichermaßen verbindliche wie praktisch brauchbare360 Grenzwerte der Bedeutung festsetzen, stellt sich die Frage, woher sich stattdessen die von den Geboten der lex stricta und certa geforderte Orientierungssicherheit ergeben soll. Nun kann an dieser Stelle auf ausführlichere Überlegungen zu dem – soweit ersichtlich noch nicht vertieft behandelten – Problem verzichtet werden, ob bzw. wie auf der Grundlage solcher Erkenntnisse der einschlägigen Nachbarwissenschaften das Programm des Art. 103 II GG in einer gegenüber der allgemeinen Gesetzesbindung361 strengeren Form realisiert werden kann; denn es 358 Vgl. dazu auch nochmals die Einordnung von Art. 103 II GG als „Argumentationsgebot“ bei NK-Hassemer, § 1 Rn. 99 ff. 359 Vgl. auch nochmals Jakobs, AT, Abschn. 4 Rn. 37, der auf Grenzen der Interpretation anhand „der praktizierten Interpretationskultur“ verweist. In diesem Sinne auch Christensen / Kudlich, Theorie richterlichen Begründens, S. 116 f., wo auf die „Argumentationskultur“ als „abstrakte Alternative von Positivismus und Dezisionismus“ verwiesen wird. 360 Selbstverständlich gibt es auch in der natürlichen Sprache – wie aus der Prototypensemantik bekannt ist – Begriffsverwendungen, die argumentativ kaum erfolgreich durchsetzbar erscheinen, weil sie sich vom Prototyp der mit dem Begriff bezeichneten Begriffe zu weit unterscheiden (vgl. dazu knapp m. w. N. Christensen / Kudlich, Theorie richterlichen Begründens, S. 376) : Obwohl man etwa umgangssprachlich durchaus noch versteht – also die Grenzen des Verständlichen nicht überschritten sind –, wenn jemand nach einem Unfall erzählt, er habe „leider sein Auto getötet“, wird man eine Lesart von § 212 StGB, wonach die vorsätzliche Zerstörung eines Autos einen Totschlag darstellt, nicht durchsetzen können. Aber über solche Extrembeispiele wird – realistisch betrachtet – auch praktisch nicht gestritten. 361 Zur Einlösung des allgemeinen Gesetzesbindungspostulats der Art. 97 I, 20 III GG vgl. ausführlich Christensen, Was heißt Gesetzesbindung?, passim; auf die Notwendigkeit, eine

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3. Teil: Grundlegungen einer eigenen Lösung

geht um keine Vorschriften, die generell der Unbestimmtheit verdächtigt würden. Einige Anhaltspunkte sollen aber gleichwohl skizziert werden. Ausgangspunkt kann dabei noch einmal die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung zum Bestimmtheitsgrundsatz im Allgemeinen und zu Art. 103 II GG im Besonderen sein. In einschlägigen Entscheidungen aus der neueren Zeit fällt auf, dass die Theorie einer abstrakten Bestimmtheit des Textes schon vor seiner Verwendungssituation oft gleichsam nur im Vorspruch erscheint,362 für die eigentliche Fall-Lösung dann aber beiseite geschoben363 und durch ein Konzept von anwendungsbezogener Bestimmbarkeit ersetzt wird.364 Hält man es mit dem BVerfG zur Erfüllung des Bestimmtheitserfordernisses aber für ausreichend, wenn „sich dies (sc.: die Frage ob die tatsächlichen Voraussetzungen für die in der Rechtsnorm ausgesprochene Rechtsfolge vorliegen) im Wege der Auslegung der einschlägigen Bestimmung mit Hilfe der anerkannten Auslegungsregeln feststellen lässt“,365 nähert man sich auf einmal auch bei der Lösung des Problems wieder der Sprachtheorie an, die es maßgeblich mit aufgeworfen hat. Denn auch dort wird für die Bedeutungsfestsetzung auf den Vorgang des Lesens eines Textes und dabei wieder auf den „impliziten“ bzw. „informierten“ Leser abgestellt366 – und das ist eben der, der (nicht nur hier zusätzlich noch die leges artis des jeweiligen Berufes, sondern insbesondere) die juristischen Auslegungsmethoden kennt. Oder wie Herzberg formuliert: „( . . . ) nützen kann die Bestimmtheit ja nur dem, der sich durch Gesetzeslektüre informieren kann, also verständig und belehrbar ist. Solch ein Bürger weiß aber, daß die Rechtssprache, mag sie sich auch um Allgemeinverständlichkeit bemühen, doch eine Fachsprache ist.“367 M.a.W.: wird solche Rückkopplung zu den vom demokratisch legitimierten Gesetzgeber geschaffenen Normtexten auch trotz der auf Grund der neueren Sprachtheorie erkannten Unhaltbarkeit eines rein syllogistischen Deduktionismus nicht aus dem Auge zu verlieren, weist zutreffend Schünemann, Klug-FS, S. 169, 173 hin. 362 Deutlich in der Nötigungsentscheidung BVerfGE 92, 1, 11 (vgl. dazu und zur nachfolgenden Rechtsprechung des BGH etwa Altvater, NStZ 1995, 278 ff.; Herzberg, GA 1996, 557 ff.; GA 1997, 251 ff. und GA 1998, 211 ff.; Hoyer, GA 1997, 451 ff.): Art. 103 II GG verpflichte „den Gesetzgeber ( . . . ), die Voraussetzungen der Strafbarkeit so konkret zu umschreiben, dass Anwendungsbereich und Tragweite der Straftatbestände sich aus dem Wortlaut ergeben ( . . . )“. (Hervorhebung hier). 363 Vgl. nochmals BVerfGE 92, 1, 11 f.: die Bestimmtheit ergebe sich entweder aus dem Text oder müsse sich „jedenfalls durch Auslegung ermitteln lassen“. 364 Vgl. zu den sprachtheoretischen Gründen, aus denen der Wechsel vom Konzept der Bestimmtheit zu dem der Bestimmbarkeit unvermeidlich ist, Müller / Christensen, Juristische Methodik I, Rn. 163 ff.; durchaus nahestehend aus spezifisch strafrechtlicher Sicht Schmidhäuser, Martens-GS, S. 231, 239 ff. 365 Vgl. zuletzt BVerfGE 102, 254, 337; ähnlich etwa bereits BVerfGE 21, 209, 215; 79, 106, 120. 366 Vgl. grundlegend Iser, Der implizite Leser, passim; weiterführend Gross, Lese-Zeichen, passim, sowie Jauß, Poetika 7 (1975), 325 ff.; teils krit., teils fortführend auch Nünning, DVjs 67 (1993), 1 ff. 367 Vgl. Herzberg, GA 1997, 251, 252.

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auf die ausreichende Verständnismöglichkeit und Vorhersehbarkeit einer bestimmten Lesart abgestellt, ist dies zwar ganz zutreffend. Der „Laie“, der insoweit ins Spiel gebracht wird, muss aber ein (zwar nicht über den Stand der Rechtsprechung, aber doch) über die juristische Argumentationstechnik ansatzweise informierter sein. Freilich ist dabei zu berücksichtigen, dass diese Argumentationstechnik mit Blick auf Art. 103 II GG im Strafrecht eine strengere, grammatische Argumente etwa stärker betonende und nicht auf Lückenfüllung bedachte ist. Legt man dies zugrunde, sind insoweit viele Akte der Rechtspraxis (wenngleich sicher nicht alle „Auswüchse“) auch theoretisch weniger eindeutig falsch, als gelegentlich behauptet wird.368 Schon nach allgemeinen Grundsätzen wäre daher keine der in der bisherigen Diskussion vorgebrachten Lösungen mit Art. 103 II GG schlechterdings unvereinbar; exemplarisch anhand von § 27 StGB: Mit dem Normtext des „Hilfeleistens“, der insoweit nur einen sehr schwachen grammatischen Kontext liefert, wäre für den „informierten Leser“ sowohl die uneingeschränkte Pönalisierung berufsbedingter Unterstützungshandlungen als auch eine weitgehende Freistellung von Geschäften des täglichen Lebens vereinbar. Dementsprechend sind auch die Grenzen einer eigenen Lösung weit gesteckt, was andererseits nicht ausschließt, dass es Lösungskriterien geben könnte, die sub specie Art. 103 II GG besonders geeignet erschienen.

3. Besonderheiten bei strafbarkeitseinschränkenden Regelungen des Allgemeinen Teils? Konstellationen, in denen nach der Schutzfunktion und den Anforderungen des „nulla-poena-Grundsatzes“ gefragt wird, sind zumeist durch zwei Umstände gekennzeichnet: Es geht um „belastende“, also strafbarkeitsbegründende Merkmale, denen enge Grenzen gesteckt werden sollen; oft sind dabei speziell (Merkmale von) Tatbestände(n) des Besonderen Teils betroffen.369 Hier dagegen stellt sich – was in den bisherigen Ausführungen noch zurückgetreten ist – die Situation unter beiden Aspekten anders dar. Zum einen geht es in der hier interessierenden Frage nicht primär um Tatbestandsmerkmale aus Straftatbeständen des Besonderen Teils, sondern vorrangig um Vorschriften bzw. Lehren der Allgemeinen Strafrechtsdogmatik. Zum anderen stehen keine möglicherweise nicht hinreichend bestimmten Strafbegründungs- oder wenigstens Verschärfungsvorschriften in Frage, sondern Beschränkungen der Strafbarkeit, obwohl der Normtext eine solche zu gestatten scheint. Beides könnte dazu führen, dass der durch Art. 103 II GG gesteckte Rahmen auch dann ein relativ weiter bleibt, wenn man die Leistungsfähigkeit einer 368 Prominente Beispiele sind hier das Anerkennen eines Zwei-Personen-Zusammenschlusses als Bande (dazu bereits oben Fußn. 342) oder die Annahme eines vollendeten Absetzens / Absetzenhelfens bei bloßen Absatzbemühungen. 369 Nicht umsonst entstammen diesem auch die o.g. „Sündenfälle“ hinsichtlich des „Analogieverbots“.

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3. Teil: Grundlegungen einer eigenen Lösung

Wortlautgrenze und die normative Substanz der Gesetzestexte in Weise des tradierten Methodenverständnisses höher einschätzt, als es hier erfolgt; aber auch für den vorliegend skizzierten „informierten Leser“ mag dieser Unterschied eine Rolle spielen.

a) Die Bestimmtheitsanforderungen an Vorschriften des Allgemeinen Teils Die hier interessierende Fragestellung nach der Unterstützung fremder Straftaten macht schon deutlich, dass eine Lösung im Wesentlichen in den Lehren des Allgemeinen Teils liegen muss. Dies liegt auf der Hand, soweit es um die Prüfung einer Beihilfe nach § 27 StGB geht, und zwar unabhängig davon, ob man die Wurzeln der Lösung etwa im Strafgrund der Beihilfe oder in teilnahmespezifischen Ausformungen der Lehre von der objektiven Zurechnung sieht. Aber auch in sonstigen Fällen potentiell strafbarer Unterstützung ist das nicht anders, obwohl dort Tatbestände des Besonderen Teils in Rede stehen. Denn sowohl die Anforderungen an eine gegebenenfalls strafbarkeitsbegründende Fahrlässigkeit als auch die in den anderen Fällen relevanten potentiellen Zurechnungseinschränkungen gehören zu den allgemeinen Lehren. Kurz gesagt: Im Mittelpunkt steht jeweils nicht die Frage, welchen Tatbestand des Besonderen Teils der unmittelbare Verletzer erfüllt, sondern inwiefern diese Verletzung auch dem berufsbedingt mittelbar Verursachenden zugerechnet werden kann. (1) Ob und in welchem Umfang nun für den Allgemeinen Teil die Garantien des Art. 103 II GG – und hier insbesondere die Gebote der lex stricta und certa – gelten, wurde und wird durchaus unterschiedlich gesehen.370 Während in der Literatur bis in die 60er Jahre hinein vielfach davon ausgegangen wurde, dass die Auslegung auf dem Gebiet des Allgemeinen Teils nicht durch das „Analogieverbot“ beschränkt sei,371 wird heute seine zumindest grundsätzliche Geltung auch im All370 Vgl. m. w. N. zuletzt den Überblick bei Jähnke, BGH-FS (Praxis), S. 393 ff. Ein Beispiel für eine differenzierende Lösung findet sich bei Jakobs, AT, Abschn. 4 Rn. 43 ff. (Zurechnungslehre nicht erfasst, aber Mindestbedingungen – wie §§ 26, 27 StGB – und sogar abschließende Regelungen – wie § 30 StGB – als gewisse „Inseln“ innerhalb der Zurechnungslehre möglich). Bezeichnend für eine gewisse Unsicherheit in diesem Zusammenhang ist auch, dass etwa Paulduro in ihrer breit angelegten Untersuchung bei der Überprüfung einer Reihe von Vorschriften des StGB an den (von ihr analysierten) Maßstäben des BVerfG zu Art. 103 II GG ausschließlich solche des Besonderen Teils herausgreift (vgl. dies., Die Verfassungsmäßigkeit von Strafrechtsnormen, insb. der Normen des Strafgesetzbuches, S. 382 ff.) – sie sieht diese ungleiche Verteilung zwar auch selbst, nennt aber keinen Grund für ihr Vorgehen. 371 Vgl. nur Hardwig, ZStW 78 (1966), 1, 8 (unter zutreffender Berufung auf RGSt 56, 161, 168); LK (8. Aufl.)-Jagusch, § 2 Anm. I 1 b bb sowie I 1 c; v. Liszt / Schmidt, Lehrbuch des deutschen Strafrechts, S. 110 (dort Anm. 6 [damals noch zu den entsprechenden Normen der § 2 StGB, Art. 116 WRV]); für die Zulässigkeit von Gewohnheitsrecht vor allem in Fragen des Allgemeinen Teils auch Welzel, S. 23.

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gemeinen Teil anerkannt.372 Der BGH hat in zwei jüngeren Entscheidungen sogar ausdrücklich betont, dass Art. 103 II GG „in gleicher Weise bei der Auslegung von Bestimmungen des Allgemeinen Teils des Strafgesetzbuches“ zu beachten sei wie bei solchen des Besonderen Teils.373 (2) Richtigerweise müssen hier unterschiedliche Sachprobleme auseinandergehalten werden, welche zu (teilweise nur scheinbar) widersprüchlichen Stellungnahmen bei verkürzt-pauschalierenden Aussagen über die Geltung des Art. 103 II GG im Allgemeinen Teil führen. Aus der Betrachtung zunächst einmal auszuscheiden ist der Gesichtspunkt, dass die Regelungen im Allgemeinen Teil (zwar nicht durchgehend, aber) im Vergleich zu denen des Besonderen Teils vielfach zu Strafbarkeitseinschränkungen führen, so etwa die Vorschriften über den Irrtum, die Notwehr oder die Notstände. Inwieweit Art. 103 II GG für solche begünstigenden Regelungen gilt, ist ein Sonderproblem, das genuin nicht damit zusammenhängt, dass sich die Vorschriften im Allgemeinen Teil finden.374 Die damit verbundene Problematik wird im Anschluss unter b) noch eigens vertieft. Im Übrigen gibt es keinen überzeugenden Grund, die Geltung des Art. 103 II GG für den Allgemeinen Teil grundsätzlich in Abrede zu stellen.375 Wenn Jähnke demgegenüber vorbringt, der Wortlaut des Art. 103 II GG besage dazu wenig,376 ist das nur bedingt richtig. Zum einen wird die „gesetzliche Bestimmung der Strafbarkeit“ i. S. d. Art. 103 II GG in wohl gleichberechtigter Weise auch von den Vorschriften des Allgemeinen Teils getragen, so dass die „Fassung der Grundgesetznorm“ durchaus grammatische Hinweise auf eine Einbeziehung auch des All372 Vgl. statt vieler nur NK-Hassemer, § 1 Rn. 72, mit Beispielen sowie Schönke / Schröder-Eser, § 1 Rn. 26 m.w.N und Roxin, AT I, § 5 Rn. 41 (anders nur zu den Rechtfertigungsgründen, Rn. 42; dazu auch unten Fußn. 393). Zu einer zwischen unterschiedlichen Instituten des Allgemeinen Teils differenzierenden, am Schutzzweck des Art. 103 II GG orientierten Ansicht aus jüngerer Zeit Jähnke, BGH-FS (Praxis), S. 393 ff. 373 Insoweit wortgleich BGHSt 42, 158, 161 und 42, 235, 241; soweit Jähnke, BGH-FS (Praxis), S. 393 einen Widerspruch zur eigenen Rechtsprechung des BGH darin sieht, dass der BGH in früheren Entscheidungen ausdrücklich die gewohnheitsrechtliche Entstehung von Rechtfertigungsgründen anerkannt habe, ist dies – so anmaßend dieser Vorwurf gegenüber der Einschätzung der Rechtsprechung des BGH durch seinen Vizepräsidenten klingen mag – nicht ganz richtig bzw. beruht dies auf einer (wohl bewussten) Missinterpretation der genannten Entscheidungen. Die Formulierung, der Grundsatz gelte „in gleicher Weise bei der Auslegung von Bestimmungen des Allgemeinen Teils des Strafgesetzbuches“, soll gewiss nicht die weitere Billigung von gewohnheits- oder auch richterrechtlich anerkannten Rechtfertigungsgründen wie insb. der Einwilligung in Frage stellen. Hier einen Widerspruch zu sehen, setzt (neben anderem) speziell Jähnkes Sicht zur Bedeutung des Art. 103 II GG für Entscheidungen zugunsten des Täters voraus (vgl. a. a. O., S. 398 sowie hier sogleich unten), die keineswegs einhellig geteilt wird und auch nicht unproblematisch ist. 374 Dies zeigen deutlich etwa die im Besonderen Teil verstreuten Vorschriften über die tätige Reue, denen eine ganz ähnliche Funktion zukommt wie den im Allgemeinen Teil platzierten Vorschriften über den Rücktritt vom Versuch. 375 Ähnlich Schönke / Schröder-Eser, § 1 Rn. 26. 376 Vgl. Jähnke, BGH-FS (Praxis), S. 393, 398.

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3. Teil: Grundlegungen einer eigenen Lösung

gemeinen Teils enthält. Zum anderen und vor allem sagt Art. 103 II GG genauso wenig Spezifisches darüber, dass er für den Besonderen Teil gelten soll, so dass dieses Argument vollends in die Leere führt. Auch die von Jähnke in der Konsequenz der angeblichen Offenheit des Verfassungstextes vorgenommene Differenzierung nach dem Schutzzweck des Art. 103 II GG überzeugt nicht überall. Zwar erscheint der Ansatz, nach den Funktionen des nulla-poena-Grundsatzes seinen Anwendungsbereich zu bestimmen, zunächst methodisch durchaus überzeugend. Aber zum einen ist schon fraglich, ob die Auslegung eines Rechtssatzes, der strengen Formalismus und Rigorismus anordnet, nicht auch etwas stärker formal und rigoros erfolgen sollte, statt auf eine Einzelfallabwägung für jedes Rechtsinstitut abzustellen. Zum anderen sind auch Jähnkes damit erzielte Ergebnisse durchaus zweifelhaft; wenn er etwa zur Bedeutungslosigkeit des Grundsatzes für die Frage nach der Zulässigkeit der Rechtsfigur der a.l.i.c. ausführt, „der im Schuldteil enthaltene persönliche Tadel“ sei „dadurch vermeidbar, dass der Täter die strafbare Handlung unterläßt“ (nebenbei: welches Merkmal eines Tatbestandes ist dadurch nicht vermeidbar?) und die Schuldfähigkeit sei eine „vom Willen“ des Täters „im allgemeinen unabhängige Bestrafungsvoraussetzung“, so mag dies strafrechtssystematisch begründbar sein – dem Prinzip des Vertrauensschutzes entspricht es jedoch nicht, da die laienhafte Kenntnis von der „strafbarkeitsausschließenden“ Wirkung eines „Rausches“ in der Bevölkerung durchaus präsent ist.

Konsequenz ist daher im Grundsatz, dass auch für den Allgemeinen Teil Art. 103 II GG zu beachten ist. Der Gesetzgeber dürfte also etwa nicht mit rückwirkender Kraft die Privilegierung des Rücktritts vom Versuch aufheben; ähnlich ist es der Rechtsprechung auch im Bereich des Allgemeinen Teils verwehrt, zum Nachteil des Täters – über die Grenzen des ihr hier zugestandenen Auslegungsspielraums hinaus – strafschärfende Vorschriften anzuwenden bzw. strafbeschränkende Vorschriften unangewendet zu lassen. Erhebliche Einschränkungen erfährt allerdings – mit entsprechenden „Rückwirkungen“ auch auf die übrigen Garantien377 – das Bestimmtheitsgebot. Es lässt sich nicht leugnen,378 dass viele Vorschriften des Allgemeinen Teils in einer Weise weit gefasst sind, dass sich auf der einen Seite dem Gesetzestext nur Eingangsdaten zur Rechtsfindung entnehmen lassen, andererseits aber ein weites Spektrum an Lesarten jedenfalls in keinen offenen Widerspruch dazu tritt. Mit Blick auf den o.g. „informierten Leser“379 könnte man auch sagen: Die „richtige“ Lektüre von Vorschriften des Allgemeinen Teils ist „voraussetzungsvoller“380 als die der meisten Tatbestände des Besonderen Teils, oder Vgl. auch schon o. S. 254 f. Insofern dürfte Jakobs, AT, Abschn. 4 Rn. 44 zuzustimmen sein, dass dieser Unterschied „nicht kaschiert werden“ sollte, da die Behauptung eines völligen Gleichlaufs an dieser Stelle insgesamt zu einer Aufweichung des Bestimmtheitsgrundsatzes führen würde. 379 Vgl. o. S. 258 380 Unterstellt man einmal, dass die größere Unbestimmtheit auf Grund der dann erweiterten Deutungsmöglichkeiten und der größeren Argumentationslast dazu führen muss, dass unbestimmtere Regeln entsprechend ausführlicherer Diskussion und Erläuterung in einem Lehrbuch bedürfen, dann bestätigt sich dieser Befund: Allein die wenigen Vorschriften über die Verbrechenslehre (ohne die zumeist nicht behandelten Rechtsfolgen der Tat) werden bei 377 378

B. Verfassungsrechtliche Grundlagen

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aus anderem Blickwinkel: der „informierte Leser“ weiß, dass die im Allgemeinen Teil verwandten Begriffe vielfach ausführlicherer Erläuterungen und Auslegungsbemühungen bedürfen. Diese in der Tendenz größere Unbestimmtheit der Vorschriften des Allgemeinen Teils dürfte ernsthaft niemand bestreiten. Plastisch wird sie beispielsweise bei den Grenzfällen der mittelbaren Täterschaft: Ob und unter welchen Voraussetzungen im Einzelnen in Fällen einer „Organisationsherrschaft“ (staatlicher Machtapparat? parastaatliche kriminelle Vereinigung? Befehlshierarchie innerhalb einer Firma?) oder eines vermeidbaren Verbotsirrtums ein Fall der mittelbaren Täterschaft („hinter dem Täter“) angenommen werden soll, erschließt sich beim besten Willen nicht aus der Semantik des Wörtchens „durch“ in § 25 I Alt. 2 StGB381 – dies wird auch der hartnäckigste Leugner des semantischen Holismus382 spontan eingestehen. Aber auch beispielsweise die Einzelheiten der Dogmatik zum unmittelbaren Ansetzen bei mehreren Beteiligten oder der Bestimmung des beendeten Versuchs bei korrigiertem Rücktrittshorizont lassen sich kaum ohne weiteres aus den Vorschriften der §§ 22, 24 I 1 StGB ableiten. Von den im Gesetz nicht einmal genannten Regelungen über Kausalität und objektive Zurechnung ganz zu schweigen. Dass einzelne Regelungen des Allgemeinen Teils trotz des Erfordernisses, für alle Tatbestände zu passen, sehr konkret sind,383 sei unbestritten. Allerdings stellen sich dort eben i.d.R. auch weniger Streitfragen bzw. soweit die konkrete Regelung reicht,384 werden auch Standpunkte, die zu einem klaren Widerspruch zum Gesetzestext stehen, nicht ernsthaft diskutiert.

(3) Dennoch sollte sub specie Art. 103 II GG nicht auf die Forderung verzichtet werden, dass – unter Beachtung weiter Einschätzungsprärogativen des Gesetzgebers, aber eben auch unter dem Eindruck dieser Forderung – die Vorschriften des Allgemeinen Teils so bestimmt formuliert werden wie angesichts der dort erforderlichen Flexibilität eben möglich.385 Allerdings sind die ohnehin großzügigen

Lehrbüchern jeweils vergleichbaren Zuschnitts oft in Bänden behandelt, die allein ähnlich umfangreich sind, wie alle Delikte gegen das Vermögen oder gar der gesamte Besondere Teil. 381 Freilich enthält das Wörtchen einen deutlichen Hinweis darauf, dass die Figur einer mittelbaren (d. h. nicht eigenhändigen) Täterschaft generell möglich ist und lässt sich auch als Anhaltspunkt für das grundsätzliche Erfordernis einer „Werkzeugqualität“ des Tatmittlers deuten (deren Voraussetzungen dagegen – ist ein Verantwortungsdefizit des Tatmittlers erforderlich oder genügt bereits ein Verantwortungsgefälle im Vergleich zum Hintermann? – schon wieder im Unklaren bleiben). 382 Vgl. dazu o. S. 255 f. Dort auch dazu, dass tatsächlich die Semantik allein praktisch nie verbindliche Grenzen festsetzt. Indes ist dies eben in anderen Fällen oft weniger deutlich bzw. der semantische Relevanzhorizont wichtiger. 383 So Jähnke, BGH-FS (Praxis), S. 393, 397, der exemplarisch die Regelung des Irrtums nennt. 384 Dies ist etwa bei den in Fußn. 383 genannten Irrtümern schon nicht mehr der Erlaubnistatbestandsirrtum, der durchaus einer expliziten Regelung zugänglich gewesen wäre. 385 Vgl. auch Staechelin, Strafgesetzgebung im Verfassungsstaat, S. 213 f. (allerdings nur allgemein im Zusammenhang mit der Unbestimmtheit natürlicher Sprache und nicht mit Blick auf das Sonderproblem des Allgemeinen Teils). Denkbares Beispiel für eine möglicherweise unzulässige Formulierung wäre etwa eine Fassung des § 22 StGB, die den Versuchsbeginn mit den Worten regelt: „Eine Tat versucht, wer ihrer Vollendung nahe genug ist.“ –

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3. Teil: Grundlegungen einer eigenen Lösung

Maßstäbe hier noch einmal in zweierlei Richtung zu erweitern: Zum einen müssen die Regelungen der Allgemeinen Strafrechtsdogmatik zumindest teilweise schon deswegen weiter gefasst sein, weil sie nicht nur für alle Straftatbestände „passen“,386 sondern auch mit relativ wenigen Vorschriften die ganze denkbare Bandbreite menschlichen Verhaltens (aktiv wie passiv, allein wie zu mehreren, wissentlich wie unwillkürlich) in ihrem Verhältnis zum (erfolgten oder auch nur geplanten) Eintritt eines deliktischen Erfolges regeln sollen.387 Zum anderen hat der Gesetzgeber hier eine Reihe von Fragen bewusst der näheren Ausgestaltung durch den Rechtsanwender (d. h. die Judikative unterstützt durch die Wissenschaft) überlassen,388 so dass die gewaltenteilende Funktion des Art. 103 II GG zumindest zurücktritt. Umgekehrt sind damit auch die Grenzen für die Rechtsprechung weit gezogen. Gerade bei Instituten wie der Zurechnungs- oder Beteiligungslehre ist deshalb die Gefahr eines Verstoßes gegen Art. 103 II GG – ungeachtet der unterschiedlichen Überzeugungskraft der einen oder anderen Lösung – gering. Dem Programm des Art. 103 II GG können die Auslegungsbemühungen des Rechtsanwenders allerdings trotzdem im unterschiedlichen Maße dienlich sein. Der damit bezweckten Orientierungssicherheit kommen tendenziell Lösungen umso mehr entgegen, je klarer und je weniger überraschend ihre Kriterien sind. Die Erfordernisse der „Klarheit“ und der „Vorhersehbarkeit“ der strafbarkeitsbegründenden Kriterien zur Konkretisierung von ausfüllungsbedürftigen Regelungen des Allgemeinen Teils haben in zwei Dimensionen den Adressaten der Strafgesetze vor Augen. Der – wohl realere – Bürger, der keine exakte Kenntnis der Strafgesetze hat, wohl aber eine gewisse Vorstellung davon, was erlaubt und was verboten sein „müsste“, wird durch unvorhersehbare Kriterien überrascht, weil er sein Handeln nicht an den von ihnen gezogenen Grenzen erlaubten Verhaltens ausrichtet. Der – wohl in praxi irrealere, aber der Vorstellung vom Strafgesetzbuch als magna charta des Verbrechers und damit teilweise dem Programm des Art. 103 II GG zugrunde liegende – Bürger, der die Strafgesetze kennt, müsste sich als „informierter Leser“ (vgl. o. S. 258) bei konkretisierungsbedürftigen Regelungen die möglichen Auslegungsergebnisse erschließen können;389 dann aber wäre die Klarheit der Kriterien wichtige Voraussetzung für eine „Bestimmtheit auf zweiter Stufe“.

Freilich steht nicht einmal fest, dass eine solche Regelung letztlich vom BVerfG für verfassungswidrig erachtet würde. 386 Vgl. nur Erb, ZStW 108 (1996), 266, 272 f. 387 Vgl. auch Jakobs, Hirsch-FS, S. 45, 52 (dort Fußn. 25), der die – freilich nicht im Gesetz geregelten, aber das spielt hier für die Vergleichbarkeit hinsichtlich der allgemeinen Geltung keine Rolle – Voraussetzungen der Lehre von der objektiven Zurechnung gegen den Vorwurf der Unschärfe verteidigt; eine solche bestehe zwar „an den Rändern“ in der Tat in erheblichem Umfang, sei aber – wie Jakobs überzeugend darlegt – durchaus „sachangemessen“. 388 Vgl. nur Schönke / Schröder-Eser, § 1 Rn. 14 a.E. 389 Noch weiter gehend Hettinger / Engländer, Meyer-Goßner-FS, S. 145, 149 ff., die sogar im durch die Rechtsprechung konkretisierten Gesetz ein von Art. 103 II GG in dieser Form geschütztes sehen.

B. Verfassungsrechtliche Grundlagen

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b) Die Bestimmtheitsanforderungen an Straffreistellungsgründe Besonderheiten für die Anforderungen und die Anwendung des Art. 103 II GG könnten sich zuletzt auch noch daraus ergeben, dass es sich bei der hier interessierenden Frage letztlich um eine der Strafeinschränkung handelt. Diese Abgrenzung ist zwar mitunter schwierig, weil ein bestimmtes Merkmal entweder positiv oder negativ bzw. als strafbegründend oder als strafeinschränkend formuliert werden kann. Dass hier materiell die Strafeinschränkung im Vordergrund steht, wird aber daran deutlich, dass sich – wie im 2. Teil deutlich geworden – eine Vielzahl von Lösungen als Versuche verstehen, dem zu weit geratenen (bzw. auch weiter interpretierbaren) Wortlaut der strafbarkeitsbegründenden Normen sowie einem zu naturalistischen Verständnis der Haftung kraft mittelbarer Mitverursachung entgegenzuwirken. (1) Verbreitet wird davon ausgegangen, dass Art. 103 II GG für die Anerkennung von Straffreistellungsgründen i.w.S. keine Sperre enthält.390 Entscheidungen zugunsten des Täters391 könnten demnach etwa auf analoge Gesetzesanwendungen ebenso gestützt werden wie auf Gewohnheitsrecht. Eine allgemeine – nicht allein auf Art. 103 II GG gestützte – Grenze ergebe sich auf Grund des Postulats der Gesetzesbindung (Art. 20 III, 97 GG) aus dem Verbot des Judizierens contra legem.392 Nicht ganz unproblematisch erscheint die postulierte Nichtgeltung des Art. 103 II GG allerdings auf einen zweiten Blick insofern, als u.U. durch die ungeschriebene Begründung einer Straffreiheit für einen Beteiligten die Strafbarkeit des anderen Beteiligten wegen des Entfallens eines Notrechts begründet werden könnte. Jähnke bringt dies für die Frage nach einer Schaffung von Rechtfertigungsgründen393 durch Analogien in das anschauliche Bild: „Was man dem einen gibt, 390 Vgl. nur m. w. N. Schönke / Schröder-Eser, § 1 Rn. 14, und LK-Tröndle, § 1 Rn. 39, sowie ferner Erb, ZStW 108 (1996), 266, 271; Roxin, AT I, § 5 Rn. 44 (speziell zum Analogieverbot), Welzel, S. 23 (zu Gewohnheitsrecht und Analogieverbot) und Zipf, ZStW 82 (1970), 633, 637 (dort Fußn. 4, zur Sozialadäquanz); weitere Nachweise (u. a. zu den Rechtfertigungsgründen) bei Günther, Strafrechtswidrigkeit und Strafunrechtsausschluß, S. 298 (dort Fußn. 30). 391 Entscheidungen materiell zugunsten des Täters sind zu unterscheiden von materiell benachteiligenden Regelungen „zum vermeintlich Besten des Täters“, wie sie im Rechtsfolgenbereich teilweise diskutiert werden, vgl. dazu überzeugend Krey, ZStW 101 (1989), 838, 860 f. 392 Vgl. dazu näher Krey, ZStW 101 (1989), 838, 861 ff. 393 Davon zu unterscheiden ist die – im Grundsatz zu bejahende – Frage, ob Rechtfertigungsgründe ihrerseits den Schutz des Art. 103 II GG dahingehend genießen, dass ihre Geltung nicht durch Analogien oder Gewohnheitsrecht verkürzt werden darf (vgl. dazu etwa differenzierend Lenckner, GA 1968, 1, 8). Bekanntlich werden hier teilweise Bedenken der Art geäußert, dass sich die Garantie des Art. 103 II GG nicht auf andere Rechtsgebiete erstrecken lasse, in denen aber Rechtfertigungsgründe grundsätzlich nach dem Prinzip der Einheit der Rechtsordnung auch Geltung beanspruchen würden (vgl. Amelung, JZ 1982, 617, 620; Roxin, AT I, § 5 Rn. 42, sowie ausführlich Günther, Grünwald-FS, S. 213 ff.). Allerdings scheint

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3. Teil: Grundlegungen einer eigenen Lösung

nimmt man dem anderen weg; die Rechtslage kann nur insgesamt ( . . . ) betrachtet werden.“394 So richtig diese Feststellung im Ergebnis zunächst ist, so fraglich ist auf der anderen Seite, ob dies wirklich ein Problem des Art. 103 II GG ist. Denn die Einschränkungen der Notrechte sind eher „Reflexe“, die „Art. 103 II GG ( . . . ) nach seinem auf die Konstituierung der Strafbarkeitsvoraussetzungen beschränkten Sinn und Zweck nicht erfaßt“.395 Jedenfalls aber ist es ein Problem, das sich in voller Schärfe allenfalls396 bei Rechtfertigungsgründen stellt: Soweit Straffreistellungsgründe auf Schuld- oder gar nur Strafaufhebungsebene betroffen sind, wird das Notwehrrecht des anderen Beteiligten nicht betroffen, sofern man dem Gesetzestext entsprechend nur einen rechtswidrigen Angriff fordert. Aber auch soweit spezielle Tatbestandsausschließungsgründe anerkannt werden, schließt dies nicht notwendig die Notwehr des anderen Beteiligten aus, da Voraussetzung einer Notwehrlage ja kein (straf-)tatbestandliches Verhalten ist. Auch wenn man das Verhalten daher nicht als tatbestandsmäßig erachtet, wäre nicht von vornherein ausgeschlossen, dass es die Möglichkeit einer Notwehr eröffnet. (2) Sind somit Straffreistellungsgründe auch ohne ausdrückliche Anerkennung im Gesetz (bis zu den Grenzen eines Judizierens contra legem397) zulässig, so ist damit eine zweite Frage noch nicht entschieden, die Art. 103 II GG zumindest thematisch berührt. Die Frage nämlich, ob für die Kriterien einer solchen Freistellung nicht auch gewisse Bestimmtheitsanforderungen gelten (oder zumindest bestimmte Standards wünschenswert wären). Wenn – wie hier nach den meisten der oben dargestellten Ansichten – die Lösung bei einer mehr oder weniger restriktiven Auslegung einzelner Tatbestandsmerkmale oder bei der Zurechnungslehre verdieser Widerspruch dadurch auflösbar, dass man in den wenigen entsprechenden Grenzfällen – ungeachtet einer generellen Anerkennung einer eigenständigen Strafrechtswidrigkeit im Sinne Günthers (vgl. insb. Strafrechtswidrigkeit und Strafunrechtsausschluß, passim, v.a. S. 251 ff. zu ihrer Konzeption) – die Rechtfertigung in anderen Rechtsgebieten (etwa bei der Frage nach einem Schadensersatz) versagt, für die strafrechtliche Beurteilung aber gleichwohl anerkennt; vgl. auch Erb, ZStW 108 (1996), 266, 272. 394 Jähnke, BGH-FS (Praxis), S. 393, 398; krit. aus dem Blickwinkel des Rechtswidrigkeitsverständnisses der h. L. auch Günther, Strafrechtswidrigkeit und Strafunrechtsausschluß, S. 298 (der allerdings auf dem Boden seines Konzepts von Strafunrechtsausschließungsgründen für diese ebenfalls dazu kommt, dass Art. 103 II GG ihrer analogen oder gewohnheitsrechtlichen Anwendung nicht entgegenstehen, da es ihnen an der „Analogie-Ambivalenz“ fehle). 395 Vgl. Schönke / Schröder-Eser, § 1 Rn. 14 m. w. N.; ablehnend Jähnke, BGH-FS (Praxis), S. 393, 398. 396 Auch hier wäre eine Entschärfung im Übrigen möglich, indem man bei der Prüfung der Rechtswidrigkeit als Notwehrvoraussetzung für den zweiten Beteiligten wiederum – da ihm hinsichtlich seines Notwehrrechts Art. 103 II GG wieder im vollen Umfang zugute kommen muss – die ungeschriebenen Erweiterungen des Rechtfertigungsgrundes des ersten Beteiligten (die für den zweiten ungeschriebene Einschränkungen der Notwehr brächten) unbeachtet lässt. Dass die Rechtswidrigkeit des Angriffs in Grenzfällen etwas anders beurteilt wird als diejenige, die Voraussetzung der Strafbarkeit des Täters ist, wird auch in anderen Konstellationen erwogen (vgl. etwa Kühl, AT, § 7 Rn. 64). 397 D. h. wenn nicht der klare Wille des Gesetzgebers missachtet wird.

B. Verfassungsrechtliche Grundlagen

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ankert wird, erscheint dies schon deswegen angemessen, weil gerade dort398 die Abgrenzung zwischen strafbarkeitsbegründenden und straffreistellenden Merkmalen schwierig ist. Wollte man etwa das Erfordernis der Kausalität bei den Erfolgsdelikten völlig aufgeben und es durch eine Zurechnung zwischen Handlung und Erfolg ersetzen, lägen in diesen „Zuschreibungsgrundsätzen“ strafbarkeitsbegründende Merkmale, die dem Bestimmtheitsgrundsatz genügen müssten. Kommt nun der Zurechnungslehre stattdessen die Rolle eines Korrektivs nach der Kausalität zu, so kann dies allein nicht dazu führen, dass sie von jeglichen Bestimmtheitsanforderungen befreit ist. Anders gewendet: Zurechnungsaspekte oder zusätzliche Kriterien aus einer restriktiven Tatbestandsauslegung lassen sich nicht ohne weiteres als strafbarkeitsbegründend oder -befreiend einordnen, sondern nur als in einem umfassenden Sinne „strafbarkeitsbeeinflussend“. Schon dies zwingt dazu, auch an solche Kriterien gewisse Bestimmtheitsanforderungen zu stellen. Selbst wenn man dies anders sieht, wäre jedoch ein weiterer Gesichtspunkt zu beachten: Es ist – das zeichnet gerade die Funktion des nulla-poena-Grundsatzes als „magna charta des Verbrechers“ bzw. des Bürgers aus399 – von (Straf-)Rechts wegen zunächst nicht zu beanstanden, wenn der Bürger den Bereich des Erlaubten „ausreizt“. Eine gewisse Orientierungssicherheit über das, was er darf und nicht darf bzw.: wo das Risiko einer Strafbarkeit signifikant steigt, ist nur möglich, wenn auch die Straffreistellungsgründe ein gewisses Maß an Bestimmtheit erreichen. Nach allgemeinen rechtsstaatlichen Grundsätzen ebenso wie im generalpräventiven Interesse einer sozialen Steuerung durch das Strafrecht sollten daher auch ungeschriebene Straffreistellungsgründe möglichst bestimmt sein, und je bestimmter und überblickbarer in ihren Voraussetzungen sie für den Bürger sind, desto besser ist dies. Erreicht werden kann dies bei Straffreistellungsgründen i.e.S. ebenso wie bei den hier als „strafbarkeitsbeeinflussende“ bezeichneten Komplexen (wie insbesondere der Zurechnungslehre) u. a. durch Systembildung,400 d. h. durch eine Auslegung des Gesetzes im Einzelfall mit einer Begründung, die „ohne Schaden für das Gesamtsystem generalisierbar“ ist. Insoweit gilt auch unter dem Gesichtspunkt der täterbegünstigenden Wirkung (ähnlich wie unter dem o.g. der Zugehörigkeit zum Allgemeinen Teil): Die Bestimmtheitsanforderungen sind tendenziell geringer als für rein strafbarkeits398 Hier besteht ein gewisser Unterschied zu Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgründen, da diese zumindest nach der gängigen Tatbestandslehre schon systematisch Strafbarkeitseinschränkungen gegenüber der strafbarkeitsindizierenden Funktion der Erfüllung des Tatbestandes darstellen. 399 Die Kennzeichnung als „magna charta des Verbrechers“ geht bekanntlich zurück auf von Liszt (vgl. Strafrechtliche Aufsätze und Vorträge, Bd. II, S. 80). Schünemann, Nulla poena sine lege?, S. 1, dort Fußn. 2, hält dem (wie schon Robert von Hippel, Deutsches Strafrecht, Bd. II, S. 36 Fußn. 3) entgegen, dass derjenige, der sich außerhalb des Bereichs strafrechtlich verbotener Handlungen bewegt, gerade kein Verbrecher (im formellen Sinne) ist, so dass richtiger von der „magna charta des Bürgers“ zu sprechen wäre. 400 Vgl. zu diesem Aspekt als Konsequenz von Art. 103 II GG für den Gesetzesanwender Jakobs, AT, Abschn. 4 Rn. 37 ff., insb. Rn. 38 f.

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3. Teil: Grundlegungen einer eigenen Lösung

begründende Merkmale einzelner Tatbestände; soweit möglich, sollten aber auch strafbegrenzende Überlegungen „bestimmt“ i.S. von anzustrebender Klarheit und Vorhersehbarkeit sein. Vermieden werden sollten umgekehrt zu unübersichtliche Konzepte zur Trennung strafbaren von straflosem Verhalten sowie auch solche, deren Maßstäbe den allgemeinen Erwartungshaltungen widersprechen.

III. Inhaltliche Anforderungen an die Problemlösung durch Berufsfreiheit (Art. 12 GG) und Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (Art. 20 III GG) Die vorangegangenen Überlegungen zu Art. 103 II GG haben einen „äußeren“ Rahmen für die argumentative Gestaltung einer Lösung sowie für den notwendigen Zusammenhang zwischen ihr und dem Normtext gespannt, der in gewissem Maße auch auf ihren Inhalt zurückwirken könnte. Exaktere inhaltliche Vorgaben – insbesondere als Konkretisierung oder auch Modifizierung der inhaltlichen Tendenzen, die auf der Grundlage der allgemeinen Überlegungen als wünschenswert erachtet wurden401 – sind damit aber naturgemäß nicht möglich, da Art. 103 II GG insoweit kaum regelungstranszendent ist. Weitere verfassungsrechtliche Argumente ergeben sich aus einer Beschäftigung mit den materiellen Grundrechten sowie dem für die moderne Grundrechtsdogmatik als Grenze staatlicher Grundrechtseingriffe zentralen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Um diese offen zu legen, werden im Folgenden nach einigen grundrechtsdogmatischen und methodischen Vorbemerkungen (sogleich 1.) zunächst die Einschlägigkeit von Art. 12 GG als speziellem Prüfungsmaßstab für eine Strafbarkeit berufsbedingter Verhaltensweisen (im Anschluss 2.) und sodann die Frage nach einer Verhältnismäßigkeit entsprechender Pönalisierungen (abschließend 3.) untersucht.

1. Grundrechtsdogmatische und methodische Vorbemerkungen a) Berufsfreiheit und Schranken-Schranken als Anknüpfungspunkt verfassungsrechtlicher Überlegungen Die grundrechtlichen Schutzbereiche korrespondieren häufig mit bestimmten Lebensbereichen.402 Da es vorliegend weniger um die letztlich eintretenden deliktischen Erfolge als um den Zurechnungszusammenhang zwischen dem Eintritt eines solchen Erfolges und dem Verhalten im Lebensbereich „Beruf“ geht, liegt ist es nahe, nach dem Einfluss des diesem Bereich zugeordneten Grundrechts des Art. 12 GG zu fragen. Da des Weiteren strafrechtliche Pönalisierungen i.d.R. allein auf einem Gesetz im formellen Sinne beruhen (und schon wegen Art. 103 II GG 401 402

Vgl. dazu insb. die Zusammenfassung o. S. 236 ff. Vgl. nur Pieroth / Schlink, Rn. 195.

B. Verfassungsrechtliche Grundlagen

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auch beruhen müssen), ist ferner zu erwarten, dass die Problematik sich teilweise auf der Ebene der sog. Schranken-Schranken bewegen wird, d. h. dass die Grenzen zu thematisieren sind, die ihrerseits der Rechtfertigung von Grundrechtseingriffen auch auf der Grundlage eines formellen Gesetzes gesetzt sind. b) Verhaltensnorm und Sanktionsnorm in der verfassungsrechtlichen Beurteilung In jüngerer Zeit sind diese, vor allem grundrechtlichen, Beschränkungen staatlicher Strafgewalt – wie oben bereits erwähnt – zunehmend auch Gegenstand vertiefter Untersuchungen geworden.403 Dabei wird als wichtiger Gesichtspunkt betont, dass bei der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit genau zwischen der Verhaltensnorm und der Sanktionsnorm, bei letzterer wiederum zwischen Primär- und Sekundärsanktion (also zwischen dem Ausspruch des strafrechtlichen Vorwurfs und der Übelszufügung), zu differenzieren sei.404 Als Konsequenz daraus hinsichtlich des Prüfungsmaßstabes wird von einigen Autoren offenbar davon ausgegangen, dass die unterschiedlichen Bestandteile exklusiv an jeweils unterschiedlichen Garantien des GG zu messen seien:405 Die Verhaltensnorm am Maßstab des jeweils thematisch einschlägigen Grundrechts (bzw. subsidiär an dem der allgemeinen Handlungsfreiheit nach Art. 2 I GG); die Primärsanktion in Gestalt des spezifisch strafrechtlichen sozialethischen Vorwurfes am allgemeinen Persönlichkeitsrecht nach Art. 2 I, 1 I GG;406 zuletzt die Sekundärsanktion in Gestalt der tatsächZusammenfassend aus jüngerer Zeit Kudlich, JZ 2003, 127 ff. Vgl. Appel, Verfassung und Strafe, S. 559 ff. (dort auch auf S. 167 f. Nachweise zur Rechtsprechung des BVerfG, das diese Unterscheidung zwar nicht immer explizit trifft [und selten alle Ebenen vollständig prüft], aber offenbar auch zugrunde legt); Lagodny, Das Strafrecht vor den Schranken der Grundrechte, S. 6, 72 ff. (der von Verhaltens- und Sanktionsvorschriften spricht, da er „nicht normtheoretisch“ argumentieren wolle; ein Unterschied zu den Autoren, die in der Binding’schen Tradition von Verhaltens- und Sanktionsnormen sprechen, ist damit soweit ersichtlich jedenfalls nicht auf Grund dieser Abweichung verbunden); Paulduro, Die Verfassungsmäßigkeit von Strafrechtsnormen, insb. der Normen des Strafgesetzbuches, S. 112 sowie dann in der Darstellung S. 178 ff. bzw. 181 ff. und 195 ff. bzw. 198 ff. (welche allerdings noch nicht deutlich zwischen Primär- und Sekundärsanktion differenziert) sowie Staechelin, Strafgesetzgebung im Verfassungsstaat, S. 111 ff, teilweise kritisch Hefendehl, Kollektive Rechtsgüter, S. 89 ff. 405 In den in Fußn. 404 genannten Werken wird im vorliegenden Zusammenhang als Prüfungsgegenstand nicht Art. 103 II GG genannt (obwohl er mit Ausnahme der Monographie von Lagodny mehr oder weniger ausführlich behandelt wird). Der Grund liegt darin, dass auch diese Autoren – ähnlich wie hier – offenbar die Garantie des Art. 103 II GG auf einer anderen (eher formalen) Ebene ansiedeln. Einen – soweit ersichtlich sonst kaum verfolgten – Sonderweg beschreitet Appel, Verfassung und Strafe, S. 560 ff., der Art. 103 II GG nicht als (zwar anders strukturiertes, aber im Grunde gleichwertiges) „Prozess-“Grundrecht anerkennt, sondern darin eine Schranken-Schranke für Grundrechtseingriffe durch Strafgesetze sieht. 406 Vgl. Appel, Verfassung und Strafe, S. 574 ff.; Lagodny, Das Strafrecht vor den Schranken der Grundrechte, S. 96 ff., sowie Staechelin, Strafgesetzgebung im Verfassungsstaat, S. 112 ff. 403 404

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3. Teil: Grundlegungen einer eigenen Lösung

lich zu verhängenden Strafe als Freiheitsstrafe an der Freiheit der Person nach Art. 2 II GG bzw. als Geldstrafe an der wirtschaftlichen Handlungsfreiheit, die ebenfalls von Art. 2 I GG geschützt sein soll.407 Daran ist zwar zutreffend, dass sich auf den ersten Blick die strafrechtliche (oder genauer: die letzten Endes strafbewehrte) Verhaltensnorm von anderen Verhaltensnormen nicht – oder jedenfalls nicht mit Blick auf die Grundrechtsdogmatik – unterscheidet.408 Dies wird besonders deutlich an akzessorischen Straftatbeständen (vor allem des Nebenstrafrechts), bei denen die Verhaltensnorm als eigenständige verwaltungsrechtliche Regelung existiert und z. B. Gegenstand einer Verwaltungsvollstreckung sein kann,409 während die Sanktionsnorm in ihrem Tatbestand explizit den schuldhaften Verstoß gegen diese Verhaltensnorm beschreibt. Dennoch muss die Strafnorm nicht insgesamt – also gerade als strafbewehrte Verhaltensnorm – trotz der analytischen Trennung ihrer Elemente auch als eine Einheit gesehen werden.410 Denn einerseits ist die isolierte Prüfung der Sanktionsnormen anhand der – teilweise recht wenig randscharfen – Garantien aus dem Umfeld des Art. 2 I GG problematisch, wenn zugleich nach verbreiteter Auffassung der Zweck der Sanktionsnorm ebenfalls die Sicherung der bereits durch die Verhaltensnorm geschützten Rechtsgüter (und zumindest nicht allein die allgemeine Normrehabilitierung) sein soll.411 Andererseits ist es auch für das von der Verhaltensnorm berührte Grundrecht ein Unterschied, welche Rechtsfolge eine Verletzung der Verhaltensnorm nach sich zieht. Es ist eben – um es exemplarisch am Grundrecht aus Art. 5 I GG zu benennen – durchaus auch für die Meinungsfreiheit relevant, ob eine bestimmte Meinungsäußerung auf Grund einer zivilrechtlichen Vorschrift kraft einstweiliger Verfügung untersagt werden, nach einer verwaltungsrechtlichen Vorschrift zum Verlust einer Genehmigung führen oder nach § 185 StGB mit Freiheitsstrafe sanktioniert werden kann. Oder allgemeiner: wenn eine grundrechtlich geschützte Tätigkeit bei Strafe untersagt wird, beeinträchtigt diese Strafandro407 So Appel, Verfassung und Strafe, S. 590 f. und Lagodny, Das Strafrecht vor den Schranken der Grundrechte, S. 133 f.; Staechelin, Strafgesetzgebung im Verfassungsstaat, S. 114, sieht dagegen bei Geldstrafen die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG verletzt; legt man die Judikatur des BVerfG zum Steuerrecht zugrunde, dürften allerdings Zahlungspflichten bei der Geldstrafe nicht das Eigentum, sondern i.d.R. nur das von Art. 14 GG nicht geschützte Vermögen betreffen (vgl. zur Problematik auch Lagodny a. a. O., der auch auf das Tagessatzsystem bei der Geldstrafe verweist, das einer Relevanz sub specie Art. 14 GG grundsätzlich entgegenstehe). Anders könnte dies dagegen bei der Vermögensstrafe nach § 43a StGB oder anderen Maßnahmen der Gewinnabschöpfung sein, vgl. hierzu nur Berg, Beweiserleichterung bei der Gewinnabschöpfung, S. 227 m. w. N. 408 Appel, Verfassung und Strafe, S. 569, nennt sie „für sich genommen strafrechtsneutral“. 409 Vgl. speziell Lagodny, Das Strafrecht vor den Schranken der Grundrechte, S. 85 ff., für den maßgeblich ist, dass allein die Existenz der Verhaltensnorm stets eine polizeirechtliche Zuständigkeit begründen könne. 410 Vgl. überzeugend (in etwas anderem Zusammenhang) Staechelin, Strafgesetzgebung im Verfassungsstaat, S. 163 f., sowie zum Folgenden bereits Kudlich, JZ 2003, 127, 128 f. 411 So ausdrücklich Appel, Verfassung und Strafe, S. 578.

B. Verfassungsrechtliche Grundlagen

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hung die Verwirklichung des schützenden Grundrechts und nicht nur das allgemeine Persönlichkeitsrecht.

Letztlich braucht jedoch diese Frage vorliegend nicht entschieden zu werden, da bei der hier interessierenden Problemstellung ein wesentlicher Unterschied zur Perspektive der bisherigen Untersuchungen besteht: Während sich diese im Wesentlichen auf die Überprüfung der Strafgesetze als solche beschränken, geht es hier weniger um die abstrakte Verfassungsmäßigkeit der einschlägigen Vorschriften selbst als um verfassungsrechtliche Vorgaben für die Auslegung derselben. An einem konkreten Beispiel: Fraglich ist nicht, ob § 27 StGB das Grundrecht aus Art. 12 I GG verletzt, sondern ob die Berufsfreiheit bei der Auslegung von § 27 StGB zu berücksichtigen ist, wenn berufliches Verhalten in Rede steht. Auf den ersten Blick ist etwas überraschend, dass die meisten Untersuchungen eine solche eher abstrakte Perspektive wählen, zumal das BVerfG – soweit ersichtlich – noch keine Strafbestimmung des StGB wegen der Verletzung eines Grundrechts als solche für nichtig erklärt hat. Dies erklärt nicht nur, weshalb die entsprechenden Untersuchungen zumindest im Bereich des Kernstrafrechts zwar einige problematische Regelungsbereiche ausmachen zu können glauben, letztlich aber wenige als „hart verfassungswidrig“ bemängeln. Vielmehr ist auch hier nicht ernsthaft diskutabel, ob § 27 StGB oder eine der vorliegend in Betracht kommenden täterschaftlich zu verwirklichenden Tatbestände als solche verfassungswidrig seien, weil sie auch berufliches Handeln erfassen könnten. Aber auch ganz vom Gegenstand der vorliegenden Untersuchung unabhängig dürfte die konkrete Betrachtung der Grenzen einer sub specie constitutionis zulässigen Interpretation ergiebiger sein412; dies nicht zuletzt auch deswegen, weil – wie im Anschluss noch näher gezeigt werden wird – hier auch eine abgestufte Bewertung möglich ist.

Bei dieser Fragestellung aber ist eine Berücksichtigung des thematisch einschlägigen Grundrechts in jedem Falle erforderlich (obwohl mit der Auslegung mittelbar zugleich über die Erfüllung auch der Sanktionsnorm entschieden wird). Es steht ja gerade nicht zur Debatte, ob eventuell die Verhaltensnorm mit einer anderen als der strafrechtlichen Absicherung aufrecht erhalten werden soll, sondern es kann nur einheitlich entschieden werden, ob das Verhalten trotz seines beruflichen Charakters der speziellen strafbewehrten Vorschrift unterfallen soll. Für die folgenden Überlegungen bedeutet dies: Entgegen den Postulaten für die Prüfung von gesetzlichen Straftatbeständen müssen die vorliegenden verfassungsrechtlichen Überlegungen nicht explizit zwischen Verhaltens- und Sanktionsnorm unterscheiden und insbesondere auch nirgends die thematisch einschlägigen Grundrechte etwa zugunsten des allgemeinen Persönlichkeitsrechts unberücksichtigt lassen. Verglichen werden kann das Verhalten bei der Subsumtion ohnehin 412 Nicht umsonst bemängelt die wichtigste Verfassungsgerichtsentscheidung zum Kernstrafrecht der letzten Jahre zum Gewaltbegriff des § 240 StGB weniger die Gesetzesfassung als vielmehr die Auslegung der Vorschrift, vgl. BVerfGE 92, 1, 13 (zur Unbedenklichkeit des § 240 StGB selbst), 14 ff. (zu seiner weiten Auslegung durch die Strafgerichte). Dafür, dass die Gesichtspunkte, die den Gesetzgeber „bei der Konzipierung von Tatbeständen leiten“ sollten, auch den „Richter ( . . . ) im Rahmen der Auslegung ( . . . ) des tatbestandmäßig-mißbilligten Verhaltens“ beeinflussen müssen, auch Frisch, Verhalten und Zurechnung, S. 80.

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3. Teil: Grundlegungen einer eigenen Lösung

stets nur mit der Verhaltensnorm, und deren Auslegung ist mit der Tatsache der Strafbewehrung und den thematisch einschlägigen Grundrechten jeweils untrennbar verwoben.

c) Die „Richtlinien-Funktion“ der Grundrechte bei einer systematisch-grundgesetzlichen Interpretation des Strafrechts Die Tatsache, dass es nicht um die abstrakte Prüfung einer Strafvorschrift, sondern um die Überprüfung ihrer Anwendung auf konkrete Fälle geht, hat noch eine weitere Konsequenz: Während eine Vorschrift nur verfassungsgemäß sein kann oder eben nicht,413 können verschiedene Lesarten der Vorschrift aus grundgesetzlicher Sicht wünschenswerter oder bedenklicher sein. D. h. aber, dass die verfassungsrechtliche Perspektive nicht nur zu einer verfassungskonformen Auslegung i.e.S. herangezogen werden kann,414 welche nur in Fällen „harter Verfassungswidrigkeit“ eine Ergebniskontrolle bei mehreren nach anderen Kriterien vorstellbaren Auslegungsergebnissen liefert. Vielmehr kann die Ausstrahlungswirkung der Verfassung auch – bei genauerer Einordnung dann als Akt der systematischen Auslegung – als Argument bei der Entscheidung für die eine oder andere Lesart auch diesseits des Verdikts der Verfassungswidrigkeit herangezogen werden.415 Lagodny spricht einen ähnlichen Gedanken unter dem Stichwort der „Richtlinien- oder Impulsfunktion“ der Grundrechte an.416 Freilich ist Lagodnys Sichtweise und Argumentation dort – seinem abstrakteren Abstellen auf die jeweiligen Strafvorschriften selbst durchaus entsprechend – eher eine kriminalpolitische, während hier wegen des Blicks auf die konkrete Rechtsanwendung die methodische Perspektive im Vordergrund steht. Dagegen wird der Gedanke einer systematisch-grundgesetzlichen Auslegung von Weigend offenbar ausgeblendet, obwohl er in seinem Beitrag über den „Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als Grenze staatlicher Strafgewalt“ teilweise recht ähnliche Standpunkte einnimmt, wie sie auch hier vertreten werden.417 Dies dürfte freilich damit zusammenhängen, dass Weigend die Bedeutung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes vor allem für die Höhe der zur verhängenden Strafe unter413 Das wird besonders plastisch, wenn man sich die Entscheidungssituation des BVerfG vorstellt, und zwar unabhängig davon, ob es sich um eine inzidente oder eine prinzipale Normenkontrolle handelt. Das Gericht muss hier eine (nach § 31 II BVerfGG teilweise mit Gesetzeskraft wirkende) Entscheidung treffen und das Gesetz bei der Annahme der Verfassungswidrigkeit (regelmäßig) für nichtig erklären (vgl. § 78 BVerfGG). Einer etwaigen Differenzierung auf dem Spektrum zwischen „verfassungsrechtlich in jeder Hinsicht unbedenklich“ und „verfassungsrechtlich bedenklich, aber gerade noch hinnehmbar“ kommt dann allenfalls politische Appellfunktion, nicht aber rechtliche Bedeutung zu. 414 Vgl. zur verfassungskonformen Auslegung knapp Larenz / Canaris, Methodenlehre, Kapitel 4 Abschnitt 2e. 415 Vgl. zum Konzept einer grundrechtsorientierten (als Ausprägung einer verfassungsrechtlich-systematischen) Auslegung im materiellen Strafrecht Kudlich, JZ 2003, 127 ff. 416 Das Strafrecht vor den Schranken der Grundrechte, S. 511 ff. insb. 518 ff. 417 Vgl. Hirsch-FS, S. 917 ff. (insb. zur Leistungsfähigkeit des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes für das Strafrecht, S. 918, 931).

B. Verfassungsrechtliche Grundlagen

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sucht. Hier ist tatsächlich in Fällen, in denen die Vorgaben des Gesetzgebers nicht „tief“ genug gehen, nur eine Richtervorlage nach Art. 100 I GG oder eine zusätzliche Strafmilderung ex constitutione (zugleich allerdings wohl contra legem) denkbar,418 da der Auslegungsspielraum bei den numerischen Angaben zur Rechtsfolge doch äußerst gering ist.419

Wenn durch eine bestimmte Interpretation die Wirkkraft der tangierten Grundrechte möglichst optimiert wird, kann dies ein Argument für diese Interpretation sein. Dieses Argument ist dann freilich – worin ein Unterschied zur verfassungskonformen Auslegung i.e.S. liegt – nicht zwingend bzw. unüberwindbar, sondern muss mit den anderen Argumenten, die für oder gegen eine bestimmte Lesart sprechen, abgewogen und diskursiv verarbeitet werden.420 Die Intensität der systematisch-grundgesetzlichen Argumentation wird dabei umso größer, je problematischer eine bestimmte Interpretation sub specie constitutionis wird.421 Denn das Grundgesetz gebietet nicht kategorisch immer eine optimale Verwirklichung eines Grundrechtes422 (was auf Grund der steten Kollisionen verfassungsrechtlicher Rechtspositionen ohnehin nicht möglich ist), sondern verbietet nur negativ die völlige Vernachlässigung eines Grundrechts zugunsten anderer Interessen. Um den Unterschied zwischen verfassungskonformer und systematisch-grundgesetzlicher Argumentation noch einmal an zwei Beispielen aus dem Bereich des Strafprozessrechts zu verdeutlichen: In der bekannten Liquorentnahme-Entscheidung423 kam das BVerfG zu dem Ergebnis, dass eine Auslegung von § 81a StPO dahingehend, dass auch zur Verfolgung einer Bagatellstraftat die Entnahme von Gehirn- und Rückenmarksflüssigkeit zulässig sein soll, verfassungsrechtlich unzulässig sei, da der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht gewahrt werde. Geboten ist also eine verfassungskonforme restriktive Interpretation, da das anders lautende Ergebnis schlicht verfassungswidrig wäre. Dagegen wird man die Einschränkungen, die der Ermittlungsrichter am BGH für den Zugriff auf Daten in einer Mailbox dahingehend

Vgl. Weigend, Hirsch-FS, S. 917, 937 f. Dieser Spielraum darf nicht mit demjenigen beim Akt der Strafzumessung verwechselt werden. Konkret: Bei einem Strafrahmen von einem Jahr bis zu fünfzehn Jahren besteht zwar zwischen 1 und 15 ein weites Feld, und im Einzelfall kann durchaus ein Rechtsfolgenausspruch zwischen vier und sechs Jahren gleichermaßen unangreifbar sein. Ein Auslegungsversuch dahingehend, dass eine schuldangemessene Strafe von sechs Monaten sich noch innerhalb des Strafrahmens bewegt, wäre dagegen relativ wenig erfolgversprechend. 420 Deshalb kommt es hier auch nicht darauf an, ob und inwieweit auch dem Rechtsanwender eine „Einschätzungsprärogative“ zugestanden wird (für die in ähnlichem Umfang wie für den Gesetzgeber Weigend, Hirsch-FS, S. 917, 938, hinsichtlich einer verfassungsgerichtlichen Überprüfung plädiert). Denn genauso wenig, wie sonst mit der Stellungnahme zu einem dogmatischen Problem stets der Vorwurf verbunden sein müsste, alle anderen Auffassungen seien unvertretbar und methodisch de lege lata schlechterdings nicht zu begründen, würde das systematisch-grundgesetzliche Argument besagen, ein abweichendes Verständnis sei mit dem GG unvereinbar. 421 Man könnte auch sagen: in dem Moment, in dem die Interpretation dann verfassungswidrig wird, schlägt die Argumentation in eine verfassungskonforme Auslegung um, die zumindest ein bestimmtes Ergebnis zwingend verbietet. 422 Vgl. auch Michael, JuS 2001, 148, 149 f. 423 Vgl. BVerfGE 16, 194 ff. 418 419

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3. Teil: Grundlegungen einer eigenen Lösung

gemacht hat, dass dieser Zugriff auf die bereits gespeicherten Daten wegen der Berührungspunkte zum Schutzbereich des Art. 13 GG hinsichtlich des Mailboxbetreibers jeweils nur einmal erfolgen darf,424 eher als systematisch-grundgesetzliche Argumentation zu verstehen haben. Eine Auslegung, die auch zwei oder drei Zugriffe gestattet, dürfte kaum als verfassungswidrig betrachtet werden. Vielmehr ist die Wertung des Art. 13 GG nur ein Argument, das (neben etwa dem Vergleich mit der Situation bei einer Durchsuchung oder der fehlenden Erforderlichkeit eines mehrfachen Zugriffs) für eine solche enge Auslegung streitet. Der Rechtsanwender ist also nicht gezwungen abzuwarten, bis ein Auslegungsergebnis sicher ein Grundrecht verletzt, um dieses dann „verfassungskonform“ aus dem Kreis der vorstellbaren Lesarten zu eliminieren. Vielmehr ist auch schon vor dieser Schwelle eine restriktive Auslegung mit Blick auf die Ausstrahlungswirkung der Grundrechte möglich.425

2. Überprüfbarkeit einer Pönalisierung berufsbedingter Unterstützungshandlungen am Maßstab des Art. 12 GG? Wie oben gezeigt, sind jedenfalls bei der Auslegung eines (aus Verhaltens- und Sanktionsnorm bestehenden) Straftatbestandes insgesamt die thematisch einschlägigen Einzelgrundrechte (und nicht nur die von Primär- und Sekundärsanktion i.e.S. betroffenen Grundrechte) zu berücksichtigen. Dies könnte für die Frage nach einer Subsumierbarkeit berufsbedingten Verhaltens unter entsprechende Strafvorschriften die Berufsfreiheit nach Art. 12 I GG sein. Die mögliche Einschlägigkeit dieser Grundrechtsgewährleistung wird in der bisherigen Diskussion in einer eigentümlichen Weise diametral entgegengesetzt behandelt: Während verbreitet die Frage nach einer grundrechtlichen Dimension der Fragestellung (und insbesondere der Einschlägigkeit von Art. 12 GG) offenbar überhaupt nicht gesehen wird,426 Vgl. BGH NJW 1997, 1934 m. Anm. Kudlich, JuS 1998, 209 ff. Genauer betrachtet dürften daher gerade im Bereich des Strafprozessrechts eine Vielzahl von als „verfassungskonform einschränkend“ bezeichneten Auslegungen in Wahrheit keine „verfassungskonforme Auslegung“ i.e.S. sein, da damit nicht notwendig das Urteil verbunden ist, dass jede weitere Auslegung tatsächlich unvereinbar mit der Verfassung wäre. Vielmehr handelt es sich um systematisch-grundgesetzliche Argumentationen, bei denen der Kontext der Verfassung – so wie der Kontext anderer einfachgesetzlicher Vorschriften bei der „normalen“ systematischen Auslegung – mit berücksichtigt wird. An dieser Grenzlinie verläuft im Übrigen auch die Abschichtung der Kompetenzen von BVerfG und Fachgerichtsbarkeit. Während ersteres bei der Überprüfung von Urteilen auf die Verletzung spezifischen Verfassungsrechts und damit auf die Rüge verfassungsrechtlich unzulässiger Interpretationen beschränkt ist (vgl. dazu Appel, Verfassung und Strafe, S. 166 m. w. N.), wäre ein übergeordnetes Gericht nicht gehindert, eine verfassungsgemäße Auslegung durch das Instanzgericht zu korrigieren, wenn es selbst auf Grund systematischgrundgesetzlicher Interpretation eine andere Lesart für zutreffend hält. 426 Deutlich etwa Beckemper, Jura 2001, 163, 168, die pointiert hervorhebt, für eine unterschiedliche Behandlung des berufsbedingt und des aus sonstigen Motivationen Handelnden sei kein Grund ersichtlich, ohne Art. 12 I GG auch nur zu erwähnen. Vgl. ferner Niedermair, ZStW 107 (1995), 507, 537, der allein auf die allgemeine Handlungsfreiheit nach Art. 2 I GG rekurriert. Eine besondere Bedeutung des Art. 12 GG ohne Begründung ablehnend auch Rabe von Kühlewein, JZ 2002, 1139 (dort. Fußn. 6). 424 425

B. Verfassungsrechtliche Grundlagen

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nennen andere summarisch Art. 12 GG,427 ohne näher darzulegen, ob diese Grundrechtsgarantie bei strafrechtlichen Verboten überhaupt weiter führt. Ähnliche Schwankungen, bei denen die „ausgewogene Mitte“ einer gründlichen Darlegung der Voraussetzungen und Anforderungen von Art. 12 I GG fehlt, finden sich im Übrigen auch in der strafrechtlichen Literatur, die sich (unabhängig vom hier interessierenden Problem berufsbedingter Unterstützungshandlungen) spezifisch mit dem Verfassungsrecht befasst.428 So behandelt Lagodny in seiner Monographie über „Das Strafrecht vor den Schranken der Grundrechte“ die Berufsfreiheit soweit ersichtlich nirgends vertieft, und das Stichwort fehlt sogar völlig im (gründlichen und umfangreichen) Sachwortverzeichnis einer immerhin 535 Textseiten starken Abhandlung. Auch Appel behandelt das Problem auf den annähernd 600 Textseiten seiner Untersuchung zu „Verfassung und Strafe“ nicht vertiefend, nennt aber Art. 12 I GG immerhin exemplarisch als ein durch strafbewehrte Verhaltensnormen möglicherweise tangiertes Grundrecht in einer Fußnote.429 Staechelin schließlich setzt sich in seiner Monographie über „Strafgesetzgebung im Verfassungsstaat“ zwar ebenfalls nicht näher mit Art. 12 GG auseinander, bezeichnet seinen Schutzbereich aber (unter Bezugnahme auf ein einziges Beispiel aus der Rechtsprechung des BVerfG) als für die strafrechtliche Diskussion „gleichfalls zentral“.430

Unbestritten dürfte sein, dass Art. 12 GG prima facie thematisch als möglicherweise einschlägig erscheint. Weiterhin dürfte auch Einigkeit darüber bestehen, dass die Frage, ob Art. 12 I GG oder „nur“ die allgemeine Handlungsfreiheit des Art. 2 I GG als Prüfungsmaßstab in Betracht kommt, nicht nur zum Zwecke einer verfassungsrechtsdogmatischen korrekten Anknüpfung an das speziellere Grundrecht von Interesse ist, sondern im Einzelfall auch für die Rechtsanwendung bedeutsam sein kann.431 Dogmatisch wäre hier ein denkbarer Anknüpfungspunkt für die Unterschiede, die sich oben auch unter dem Stichwort der Neutralität zwischen „allgemein alltäglichen“ und speziell „berufsbedingten“ Verhaltensweisen gezeigt 427 Vgl. Ambos, JA 2001, 721, 724 f., sowie Otto, Lenckner-FS, S. 193, 212 f. (der immerhin eine knappe, wenngleich nicht spezifisch grundrechtsdogmatische Begründung liefert), und Schall, Meurer-GS, S. 103, 104.. 428 Vgl. neben den im Anschluss Genannten noch Paulduro, Die Verfassungsmäßigkeit von Strafrechtsnormen, insb. der Normen des Strafgesetzbuches, die sich aber der Anlage ihres Werkes entsprechend auf S. 321 ff. auf die Wiedergabe der bislang nicht umfangreichen Rechtsprechung des BVerfG beschränkt, ohne ausführliche weitergehende Überlegungen anzustellen. 429 Vgl. Appel, Verfassung und Strafe, S. 570 f., dort Fußn. 139. 430 Vgl. Staechelin, Strafgesetzgebung im Verfassungsstaat, S. 108, dort mit Fußn. 30. Einer korrekten Einschätzung wegen muss man allerdings hinzufügen, dass Staechelin (a. a. O., S. 107) ausdrücklich betont, sich mit „einigen Andeutungen“ zu begnügen. 431 Dies gilt, obwohl die Rechtsprechung des BVerfG bisweilen den Eindruck vermittelt, es käme letztlich weniger auf die Zuordnung zu einem speziellen grundrechtlichen Schutzbereich als vor allem auf die Prüfung der Verhältnismäßigkeit i.w.S. an (vgl. auch mit Nachweisen zur verfassungsgerichtlichen Judikatur Appel, Verfassung und Strafe, S. 169 f.). Gerade die subsidiäre allgemeine Handlungsfreiheit ist besonders leicht einschränkbar, und bei den erforderlichen Abwägungsvorgängen ist materiell durchaus von Bedeutung, welche verfassungsrechtlichen Positionen auf beiden Seiten in die Waagschale geworfen werden können.

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3. Teil: Grundlegungen einer eigenen Lösung

haben.432 Bevor man allerdings davon ausgehen kann, dass der Schutzbereich des Art. 12 GG grundsätzlich eröffnet ist, sind mehrere denkbare Einwände näher zu überprüfen. Es geht dabei um die Fragen, ob strafrechtlich verbotenes Verhalten zum einen überhaupt (dazu sogleich a) sowie zum anderen auch speziell nach Art. 12 GG (dazu im Anschluss b) grundrechtlichen Schutz genießen kann und welche Konsequenzen sich aus der bei Art. 12 GG restriktiven Eingriffsdogmatik ergeben (dazu zuletzt c).

a) Die Grundrechte als Maßstab für Strafnormen Noch relativ einfach bejahen lässt sich die Frage, ob die Grundrechte überhaupt ein Maßstab für Strafgesetze sind,433 wenngleich dies in der Literatur (zwar nicht generell, aber mit Blick zumindest auf einzelne Tatbestände) vereinzelt in Frage gestellt wird.434 Zur Begründung wird angeführt, dass auf Grund des naturrechtlichen Gedankens des „neminem laedere“ „vorpositivistische rechtsethische Schranken“ bestünden, die keine Rechtsgarantie für illegitime Verletzungen ermöglichten.435 Zumindest alle Strafrechtsnormen für solche Delikte, die „sich im Bewußtsein der Volksgenossen als ,crimen‘ darstellen“, seien „immanente Schranken“ aller Grundrechte.436 Es sei nämlich nicht nur paradox, wenn eindeutig kriminelles Handeln Grundrechtsschutz genieße und die staatliche Reaktion darauf unter Rechtfertigungsdruck gerate, sondern eine solche „vorläufige“ Schutzgewährung sei auch sinnlos, wenn ohnehin feststehe, dass auf der Schrankenebene der staatliche Eingriff gerechtfertigt sei.437 Eine solche Restriktion des Schutzbereiches schon a priori kann trotz der Suggestivkraft der herangezogenen Beispiele – besonders beliebt in diesem Zusammenhang: Grundrechtsschutz auch für den „kaltblütigen Killer“? – nicht überzeugen. Dass eine generelle „grundrechtliche Immunität“ des gesetzlich unter Strafe gestellten Verhaltens angesichts der umfassenden Grundrechtsbindung der öffentlichen Gewalt nach Art. 1 III GG nicht in Betracht kommt, ist evident. AnderenVgl. o. S. 184 ff. Diese Frage stellt sich selbstverständlich auch, wenn wie hier keine prinzipale Normenüberprüfung, sondern die Auslegung von Straftatbeständen im Mittelpunkt steht. Wäre nämlich der gesamte (oder auch nur ein Teil-)Bereich strafbaren Verhaltens den grundrechtlichen Maßstäben entzogen, so wäre schwer verständlich, weshalb bei der Auslegung der Strafnormen auf einmal auf Grundrechte als Begrenzungen zurückgegriffen werden sollte. 434 Vgl. zur Diskussion auch Lagodny, Das Strafrecht vor den Schranken der Grundrechte, S. 92 ff., sowie Staechelin, Strafgesetzgebung im Verfassungsstaat, S. 103 ff., von denen ersterer vorsichtig, zweiterer entschieden für die Möglichkeit eintritt, auch strafbares Verhalten an den Schutzbereichen der Grundrechte zu messen. 435 Vgl. Isensee, in: ders. / Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Bd. V, § 111 Rn. 103, 105. 436 Vgl. M / D / H-Dürig, Art. 2 I Rn. 76. 437 Vgl. Mangoldt / Klein / Starck-Starck, Art. 1 Rn. 203. 432 433

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falls läge es allein in der Interpretationsmacht des einfachen Gesetzgebers, die Reichweite der Grundrechte in verfassungsrechtlich kaum überprüfbarer Weise zurückzuschneiden, und das noch mit dem schärfsten Schwert, das der staatlichen Gewalt zur Verfügung steht. Eine Beschränkung der nicht schutzbereichszugehörigen Delikte auf Handlungen, die den „Volksgenossen“ als „crimen“ erscheinen, ist in ihrer mangelnden Klarheit438 nicht nur für eine so grundlegende Weichenstellung schon zu Beginn der Prüfung methodisch ungeeignet; sie widerspricht wegen ihrer unklaren Schutzbereichsbeschränkungen auch dem allgemeinen Prinzip, dass grundrechtliche Schutzbereiche in Zweifelsfällen eher freiheitssichernd weit auszulegen sind, um dem Grundrechtsschutz bestmögliche Effektivität zu verschaffen.439 Solchermaßen unerwünschte bzw. systemfremde Konsequenzen sind im Übrigen auch in keiner Weise erforderlich, da sich die vielleicht intuitiv für richtig gehaltenen Ergebnisse unproblematisch auch bei einem weiten Schutzbereichsverständnis mit der gesicherten Grundrechtsdogmatik begründen lassen. Es wäre mehr als erstaunlich, wenn sich gerade für Verhaltensweisen, die einem erhöhten sozialethischen Vorwurf ausgesetzt sind bzw. sein sollen, keine überzeugende Begründung für die Zulässigkeit und Angemessenheit ihrer Beschränkung finden ließe.440 Letztlich ist es die Konsequenz des – im Ausgangspunkt nicht in Frage gestellten – Modells einer „weiten (Grundrechts-)Tatbestandslösung“,441 wenn auf der ersten Prüfungsstufe auch einmal Annahmen gemacht werden müssen, die mehr oder weniger contraintuitiv erscheinen.442 438 Lagodny, Das Strafrecht vor den Schranken der Grundrechte, S. 93 f. weist zutreffend darauf hin, dass man sich jenseits des „kaltblütigen Killers“ relativ rasch in Bereichen bewegt, die alles andere als klar sind und bei denen eine Schutzbereichsrestriktion in gleicher Weise mit einer Abwägung im Einzelfall verbunden wäre wie eine Prüfung der Rechtfertigung eines Grundrechtseingriffs. Deutlich ist dies etwa bei der Strafbarkeit wegen eines unechten Unterlassungsdelikts, wo etwa Detailfragen der Garantendogmatik kaum ohne weiteres ex constitutione entschieden werden können (obwohl z. B. bei den §§ 212, 211, 13 StGB durchaus der Kernbereich des Strafrechts betroffen ist). 439 Vgl. nur BVerfGE 14, 19, 22; 39, 1, 38; 59, 231, 265; 68, 272, 281; aus der Literatur statt vieler v. Münch / Kunig-v. Münch, Vorb. Art. 1 – 19 Rn. 51, sowie Suerbaum, DVBl. 1999, 1690. 440 In diesem Sinne auch Staechelin, Strafgesetzgebung im Verfassungsstaat, S. 104. Zu ergänzen wäre: und wo das doch nicht so einfach der Fall ist, scheint die Immanenz der Grundrechtsschranke und die Berechtigung der strafrechtlichen Sanktionierung doch weniger selbstverständlich zu sein, als die Gegenmeinung glauben machen will. 441 Dem steht im Übrigen nicht entgegen, dass bei bestimmten Grundrechten bereits im Verfassungstext angelegte Einschränkungen auch schon die Reichweite des Schutzbereichs abstecken sollen, so etwa die Beschränkung auf „friedliche“ Versammlungen in Art. 8 I GG (vgl. dazu etwa BVerfGE 69, 315, 359 f. und 73, 206, 248). Diese Fälle einzelner Tatbestandsanforderung bei speziellen Einzelgrundrechten unterscheiden sich evident von einer Beschränkung des Schutzbereichs mit Blick auf einfachgesetzliche Pönalisierungen. 442 Vgl. Staechelin, Strafgesetzgebung im Verfassungsstaat, S. 104, unter Hinweis auf Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 297 f. Gerade ein im strafrechtlichen Denken beheimateter Interpret dürfte damit keine Schwierigkeiten haben, da er z. B. die Tatbestandlichkeit

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b) Der Schutz des Art. 12 I GG für strafbewehrte Handlungen Gewissermaßen eine Ebene spezieller stellt sich das Problem der (strafrechtlichen) Verbotenheit des Verhaltens in zwar ähnlicher, aber nicht ganz so leicht zu beantwortender Weise noch einmal speziell beim Berufsbegriff: (1) Der Begriff des Berufes ist das zentrale Merkmal des Schutzbereichs des Art. 12 I GG. Nach verbreiteter und tradierter Definition ist dabei in Anlehnung an die ständige Rechtsprechung des BVerfG der „Beruf“ – wie eingangs schon einmal erörtert – jede erlaubte, auf eine gewisse Dauer berechnete Tätigkeit, die der Einzelne zur Schaffung und Erhaltung seiner Lebensgrundlage erwählt.443 Diese Einschränkung auf „erlaubte“ Tätigkeiten nun wird aber zunehmend als „systematisch verfehlt“ kritisiert, da der Gesetzgeber den Schutzbereich des Art. 12 I GG nicht ohne die Schranken der Verhältnismäßigkeit durch einfachgesetzliche Verbote einengen dürfe.444 Freilich hat sich auch das BVerfG nicht etwa dahingehend festgelegt, den – zugegebenermaßen allerdings missverständlichen und auch in seiner Rechtsprechung nicht näher erläuterten – Begriff der „Erlaubtheit“ so zu verstehen, dass mittels eines einfachgesetzlichen Verbots des beruflichen Handelns der Schutzbereich des Grundrechts verkürzt werden könnte.445 Eine im Vordringen verbreitete Auffassung versteht das Merkmal der Erlaubtheit daher enger i.S. einer „absoluten Gemeinschaftsschädlichkeit“ des Verhaltens selbst, d. h. einer Ausgrenzung von solchen Tätigkeiten aus dem Schutzbereich des Art. 12 I GG, die auch sonst, bei nicht beruflicher Ausübung ohnehin schon verboten sind.446 Art. 12 I GG schützt danach nicht das Recht, verbotene Tätigkeiten zum Gegenstand seiner beruflichen Aktivität zu machen.447 Selbst diese einschränkende Definition wird in der verfassungsrechtlichen Literatur vereinzelt noch als unzulässige Verengung des Schutzbereichs der Berufsfreiheit verstanden:448 Jedenfalls unzulässig sei es nämlich zunächst, wenn die entgeltliche Erbringung einer Leiseines Verhaltens i.d.R. auch nicht in Frage stellen wird, obwohl ein evidenter Fall der Notwehr vorliegt. 443 Std. Rechtsprechung des BVerfG seit BVerfGE 7, 377, 397; aus späterer Zeit statt vieler E 81, 70, 85; aus der Literatur v. Münch / Kunig-Gubelt, Art. 12 Rn. 8 (differenzierend); Pieroth / Schlink, Rn. 810. 444 So Dreier-Wieland, Art. 12 Rn. 51; krit. zum Merkmal der Erlaubtheit etwa auch Manssen, Rn. 514, sowie ausführlich Suerbaum, DVBl. 1999, 1690 ff. 445 Vgl. näher Suerbaum, DVBl. 1999, 1690, 1691 ff. m. w. N. 446 So – mit Unterschieden im Detail – die Interpretation bei v. Münch / Kunig-Gubelt, Art. 12 Rn. 9, Manssen, Rn. 514; M / D / H-Scholz, Art. 12 I Rn. 27 f.; Pieroth / Schlink, Rn. 810 (abstellend auf die berufstypische „Bündelung“ von Verhaltensweisen, während diese selbst nur durch andere Grundrechte geschützt würden); in der Rechtsprechung in diese Richtung weisend etwa BVerwG 22, 268, 269. 447 Vgl. Gusy, JA 1992, 257, 258 f. 448 Vgl. zum Folgenden Suerbaum, DVBl. 1999, 1690, 1693 f.; weniger streng, aber ebenfalls einschränkend abstellend auf die „traditionell durch Strafvorschriften allgemein verbotenen Tätigkeiten“ Bleckmann, § 33 Rn. 15 (Hervorhebung hier).

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tung zum Ausscheiden aus dem Schutzbereich führe, da derjenige, der es „sich nicht leisten“ könne, „sich auf das Gebrauchmachen von der negativen Berufsfreiheit zu beschränken, ( . . . ) darauf angewiesen“ sei, „seine Tätigkeit als entgeltliche“ auszuüben. Somit blieben ausgrenzbar allenfalls solche Tätigkeiten, die auch unabhängig von ihrer gewinnorientierten Ausübung untersagt sind. Aber selbst dies gehe noch zu weit, da der Gesetzgeber dann bei bestimmten Tätigkeiten, die etwa auf Grund einer anspruchsvollen und zeitaufwendigen Vorbereitung „stets oder jedenfalls typischerweise professionell betrieben werden“, durch ein Verbot ihrer „hobbymäßigen“ Ausübung zugleich auch die Berufsfreiheit in nicht überprüfbarer Weise treffe. Die „letzte Bastion“ des schlechterdings sozial unwertigen oder gemeinschädlichen Verhaltens schließlich sei zu unbestimmt, um eine Verengung des Schutzbereiches rechtfertigen zu können.449

Im Wesentlichen konsensfähig ist wohl, dass eine Auslegung des Merkmals „erlaubt“, die zur Möglichkeit der einfachgesetzlichen Verengung des Schutzbereichs führen würde, nicht akzeptabel ist. Eine solche „Verkehrung des Verhältnisses von grundrechtlicher Freiheitsgewährleistung und einfachgesetzlicher Beschränkung widerspricht“ nicht nur – wie oben auch schon zur Frage eines Grundrechtsschutzes für straftatbestandliches Verhalten betont wurde450 – „Funktion, Geltungsrang und Bindungswirkung der Grundrechte.“451 Vielmehr wird sie auch von solchen Autoren, die das Merkmal der Erlaubtheit grundsätzlich anerkennen,452 kaum noch vertreten und hat auch in der neueren Rechtsprechung des BVerwG keine Gefolgschaft mehr gefunden.453 Ob das Merkmal der Erlaubtheit mit der wohl h. M. im Verfassungsrecht wenigstens insoweit aufrecht zu erhalten ist, als die Tätigkeiten als solche (d. h. unabhängig von ihrer beruflichen Verrichtung) nicht verboten sein dürfen, bedürfte dagegen einer vertieften verfassungsrechtlichen Untersuchung. Jedenfalls lässt sich diese Sichtweise nicht ohne weiteres gleichsam in Analogie zur oben behandelten Frage nach der generellen Grundrechtsfähigkeit strafrechtlich untersagten Verhaltens widerlegen. Denn für die entsprechenden Tätigkeiten bliebe ja jenseits ihrer beruflichen Ausübung und Bündelung das jeweils thematisch einschlägige Einzelgrundrecht (bzw. jedenfalls subsidiär Art. 2 I GG) übrig, und es ist 449 Vgl. zum Problem auch die entsprechende Fragestellung auf Gemeinschaftsrechtsebene, dargestellt bei Wunderlich, Das Grundrecht der Berufsfreiheit im Europäischen Gemeinschaftsrecht, S. 70 ff. m. w. N. Der EuGH lehnt offenbar ab, die Garantien des EWG-Vertrages von einer „sittlichen“ Bewertung unter dem Aspekt der „Gemeinschädlichkeit“ abhängig zu machen, neigt aber dazu, sie solchen Betätigungen vorzuenthalten, die als solche in allen Mitgliedstaaten gesetzlich verboten sind. 450 Vgl. o. S. 276, Text zu Fußn. 433 ff. 451 Vgl. Suerbaum, DVBl. 1999, 1690, 1691 unter Verweis auf Breuer, in: Isensee / Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, § 147 Rn. 44 und Schoch, DVBl. 1991, 667, 669. 452 Vgl. etwa Pieroth / Schlink, Rn. 810. 453 Vgl. BVerwGE 96, 293, 296 f., wo aus dem Verbot des § 284 StGB gerade nicht abgeleitet wurde, dass der Betrieb einer Spielbank nicht von der Berufsfreiheit umfasst werde; vgl. auch BVerwGE 96, 302, 309 und 97, 12, 22. Auch das BVerfG selbst hat im Übrigen in der Entscheidung E 47, 109 zu § 184 I Nr. 7 StGB (entgeltliche Vorführung pornographischer Filme) das Verbot an der Berufsfreiheit der Filmvorführer gemessen, ohne den Umstand der Verbotenheit dieser Tätigkeit gegen Entgelt auch nur zu problematisieren.

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nicht in gleichem Maße wie oben evident, weshalb Verhaltensweisen, die generell verboten sind, durch ihre gehäufte Ausübung zur Gewinnerzielung in den Genuss zusätzlichen Schutzes kommen sollten. (2) Für die hier interessierende Frage kommt es darauf aber letztlich nicht an, da es sich vorliegend – anders in den gerne verwendeten Beispielen des „Profikillers“ oder des „Berufseinbrechers“454 – um gar keine Tätigkeit handelt, die „generell“ bzw. „als solche“ unabhängig von ihrer beruflichen Ausübung verboten wäre. Selbst wenn man nämlich einmal eine potentielle Strafbarkeit vergleichbarer Verhaltensweisen außerhalb des Bereichs berufsbedingten Verhaltens unterstellt,455 ist nicht „das Verhalten als solches“ unter Strafe gestellt. Denn als „Verhalten als solches“ in diesem Sinne sind nicht strafrechtsdogmatisch verallgemeinernd „die Beihilfe zu Straftaten“, „die fahrlässige Körperverletzung“, „die Verbreitung illegaler Inhalte“ o.ä. als Vergleichsbasis heranzuziehen (welche alle selbstverständlich bei nichtberuflicher Verwirklichung strafbar sind). Angezeigt ist vielmehr eine phänomenologisch verallgemeinernde Vergleichsbasis, die z. B. fragt, ob das (hypothetisch nicht-berufliche) „Verkaufen eines alltäglichen Gebrauchsgegenstandes“, „die Beförderung von Punkt A zu Punkt B“ o.ä. als solche verboten sind (was ebenso selbstverständlich zu verneinen ist). Freilich bedarf diese Behauptung einer näheren Begründung, geht es doch – auf verfassungsrechtlicher Ebene – im Kern gerade um die Frage, die auch strafrechtlich entscheidend ist, nämlich ob das Verhalten losgelöst von dem mittelbar mit verursachten Erfolg beurteilt bzw. „eingeordnet“ werden kann.456 Ein erstes (zugegebenermaßen nur schwaches) Argument liegt darin, dass die Vertreter der entsprechenden Unterscheidung allgemeiner und berufsspezifischer Verbote selbst regelmäßig von verbotenen bzw. gemeinschaftsschädlichen „Tätigkeiten“457 bzw. „Handlungen“458 oder entsprechendem „Verhalten“459 sprechen. Dies ist zwar 454 Bei diesen kann die „Berufseigenschaft“ über das Merkmal der Gewerbsmäßigkeit in § 243 I 2 Nr. 6 bzw. § 244a StGB oder das Mordmerkmal der Habgier sogar strafschärfend wirken; zu diesem Gesichtspunkt auch Paulduro, Die Verfassungsmäßigkeit von Strafrechtsnormen, insb. der Normen des Strafgesetzbuches, S. 328. 455 Das ist nicht für alle Konstellationen selbstverständlich, da bekanntlich das Problem „neutraler“ Unterstützungshandlungen über das Feld der Berufsbezogenheit hinaus diskutiert wird; soweit freilich ein Verhalten bereits unabhängig von der Berufsbedingtheit als straflos (oder genauer: als nicht verboten) erachtet wird, stellt sich das Problem nicht, und der sachliche Schutzbereich des Art. 12 I GG (zum funktionellen Schutzbereich vgl. u. S. 282 ff.) ist bei beruflicher Erbringung auf jeden Fall eröffnet. 456 Der ganz zentrale Charakter dieser Frage zeigt sich daran, dass sie sich – wie spätestens an dieser Stelle sichtbar wird – durch alle drei Ebenen der „Grundlegungen“ zieht: Auf der Ebene der allgemeinen Grundlagen trat sie in Gestalt der „Neutralitätsdiskussion“ auf (und wurde dort letztlich bejaht), vorliegend spiegelt sie sich in der „Erlaubtheit“ i. S. d. Berufsbegriffs wieder und bei den strafrechtsdogmatischen Grundlagen wird sie unter dem Gesichtspunkt der „Pflichtwidrigkeit beim vorsätzlichen Erfolgsdelikt“ noch einmal auftauchen. 457 So Bleckmann, § 31 Rn. 15; Manssen, Rn. 514; ähnlich M / D / H-Scholz, Art. 12 Rn. 28 („Betätigungen“). 458 So Pieroth / Schlink, Rn. 810.

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sicher nicht überzubewerten, da diese Formulierungen insoweit nicht nur zufällig gewählt sein könnten, sondern wohl auch keinesfalls verbindliche Definitionen darstellen sollen. Die einheitliche Verwendung entsprechender allein auf das Verhalten abstellender Formulierungen legt aber zumindest nahe, dass sie von den entsprechenden Autoren auch so verstanden werden sollen. Deutlicher tritt dieses Verständnis jedoch in den Beispielen hervor, die für nicht generell verbotene Tätigkeiten trotz Erfüllung eines Verbotes bei der Berufsausübung genannt werden: Dies sind etwa immer wieder im Wege der Schwarzarbeit verrichtete Arbeiten (da das Renovieren von Wohnungen und das Reparieren von Autos per se nicht verboten seien).460 Entsprechendes müsste etwa für den Verkauf von Gegenständen unter Missachtung gesetzlicher Ladenöffnungszeiten gelten. Zwar geht es bei diesen Beispielen nicht um das Abstrahieren einer „beruflichen“ Tätigkeit von einem „real abtrennbaren“ deliktischen Erfolg; wohl aber geht es darum, dass das Verhalten als solches in gleicher Art und typischerweise erlaubt vorstellbar ist, wenn man die besonderen Umstände,461 die zu seiner Illegalität führen, einmal gedanklich ausblendet. Auch dort wird also – wie oben (S. 280) als Vergleichsbasis postuliert – phänomenologisch und nicht rechtlich verallgemeinert; denn auch die Schwarzarbeit eines Privatmannes (bei dem es für das Vorliegen eines Berufes an der Dauerhaftigkeit fehlt) wäre verboten. Insoweit sind also die genannten Beispielsfälle in der hier interessierenden Struktur durchaus den berufsbedingten Unterstützungshandlungen vergleichbar. Denn letztere sind ebenso als erlaubt vorstellbar, wenn als besonderer Umstand der Eintritt des mittelbar mitverursachten Erfolges ausgeblendet wird. Zuletzt kann unabhängig von Begriffsverwendung und offenbarem Vorverständnis der Vertreter einer Differenzierung zwischen allgemeinen und berufsspezifischen Verboten auch noch auf allgemeine grundrechtsdogmatische Gesichtspunkte rekurriert werden. Es ist nämlich nur schwer erklärbar, weshalb das eigenverantwortliche Anknüpfen an ein Handeln durch einen Dritten (hier also durch den unmittelbaren Verletzer) dazu führen sollte, dass der Staat im Verhältnis zum Grundrechtsträger schon auf der Ebene des Schutzbereiches von seinen Verpflichtungen entbunden wird. Jedenfalls aber erscheint die Frage nach der Berechtigung einer solchen „Verpflichtungsentbindung“ so offen und von den näheren Umständen des Falles abhängig, dass der Grundsatz der weiten Auslegung der grundrechtlichen Schutzbereiche für die Einbeziehung unter Art. 12 I GG spricht und dass die erforderliche Einzelfalluntersuchung präziser mit dem dafür vorgesehenen InstruSo v. Münch / Kunig-Gubelt, Art. 12 Rn. 9. Vgl. zum Beispiel der Schwarzarbeit Gusy, JA 1992, 257, 259, Pieroth / Schlink, Rn. 811; M / D / H-Scholz, Art. 12 Rn. 29, sowie Siekmann / Duttge-Siekmann Rn. 579. 461 Vgl. zum Aspekt der „besonderen Umstände“ auch nochmals M / D / H-Scholz, Art. 12 Rn. 29, der strafrechtliche Verbote gerade an Art. 12 GG messen möchte, wenn das Verhalten nicht als solches, sondern „nur im Einzelfall, unter besonderen Bedingungen“ gemeinschaftsschädlich ist. Dies wäre hier der Fall, weil die Verknüpfung mit einem deliktischen Erfolg in den hier interessierenden Fällen geradezu eine krasse Ausnahme ist. 459 460

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3. Teil: Grundlegungen einer eigenen Lösung

mentarium von Eingriff und Rechtfertigung, insbesondere dem elaborierten System der Schranken-Schranken durchgeführt werden kann.

c) Die berufsregelnde Tendenz strafrechtlicher Verurteilungen für berufliches Verhalten Im Ergebnis spricht damit alles dafür, dass berufsbedingte Unterstützungshandlungen in den sachlichen Schutzbereich des Art. 12 I GG fallen. Eine verfassungsrechtliche Rechtfertigung ist aber nur erforderlich (und aussagekräftiges Material für die o.g. verfassungsrechtliche Interpretation fällt damit auch nur an), wenn eine entsprechende Pönalisierung auch einen Eingriff in diesen Schutzbereich darstellt bzw. aus umgekehrtem Blickwinkel formuliert: wenn auch der funktionelle Schutzbereich des Art. 12 GG eröffnet ist. (1) Diese Prüfung stellt die höchste Hürde auf dem Weg zu einer verfassungsrechtlichen Überprüfung sub specie Art. 12 I GG dar. Denn abweichend von der allgemeinen modernen grundrechtlichen Eingriffsdogmatik werden nach der verbreitet auch in der Literatur gebilligten Rechtsprechung des BVerfG bei Art. 12 GG nicht alle Regelungen als Eingriff in den Schutzbereich erachtet. Vielmehr sollen als Eingriffe nur Regelungen in Betracht kommen, denen entweder eine subjektive berufsregelnde Tendenz innewohnt oder die in engem Zusammenhang mit der Berufsausübung stehen, einiges Gewicht haben und eine objektiv berufsregelnde Tendenz deutlich erkennen lassen.462 Ihre praktische Wurzel hat diese Diskussion vor allem im Steuerrecht. Hier soll nach Auffassung des BVerfG nicht jede Besteuerung am Maßstab des Art. 12 I GG gemessen werden, obwohl Anknüpfungspunkt der Besteuerung vielfach berufliches Handeln ist und die Steuerlast damit mittelbar auch oft auf die Berufsausübung (Gewinnaussichten, erforderliche Kalkulationen etc.) zurückwirkt.463 Vielmehr soll eine Steuer (die nicht bereits subjektiv als Lenkungssteuer ausgerichtet ist) nach den o.g. Kriterien nur dann einen Eingriff in die Freiheit der Berufswahl darstellen, wenn sie „erdrosselnde Wirkung“ entfaltet und „die betroffenen Berufsangehörigen in aller Regel und nicht nur in Ausnahmefällen wirtschaftlich nicht mehr in der Lage sind, den gewählten Beruf zur Grundlage ihrer Lebensführung ( . . . ) zu machen.“464 Weitere „klassische“ Problemfälle sind Zwangsmitgliedschaften in Berufskammern465 oder die Verpflichtung von Verlagen, sich an der Künstlersozialversicherung zu beteiligen.466 462 Vgl. etwa BVerfGE 13, 181, 185 f.; 47, 1, 21; 61, 291, 308; 70, 191, 214; 81, 108, 121 f. Wohl zustimmend etwa Bleckmann, § 33 Rn. 55 ff.; Dreier-Wieland, Art. 12 Rn. 79 ff. 463 Vgl. aber auch M / D / H-Scholz, Art. 12 GG Rn. 415, der zumindest für bestimmte einkommensteuerrechtliche Vorschriften generell eine objektiv berufsregelnde Tendenz annimmt. 464 Vgl. BVerfGE 38, 61, 81, 85 ff. 465 Vgl. BVerfG NJW 1983, 2651, das einen Eingriff in Art. 12 I GG verneint und nur Art. 2 I GG als Prüfungsmaßstab heranzieht. 466 Vgl. BVerfGE 75, 108, 153 f., das auch hier einen Eingriff in Art. 12 I GG verneint.

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Ob diese Anforderungen insgesamt überzeugend sind, kann durchaus bezweifelt werden.467 Dagegen spricht nicht nur eine gewisse Vagheit der Abgrenzung durch die Kombination mehrerer wertungsbedürftiger Kriterien,468 sondern vor allem das Abweichen von der modernen, eher großzügigen Eingriffsdogmatik. Diese höhere Eingriffsschwelle und damit tendenzielle Verringerung des Grundrechtsschutzes ist umso fragwürdiger in einem Lebensbereich, der für die Existenz des Einzelnen von herausgehobener Bedeutung ist (und daher kaum weniger Schutz verdienen sollte, als etwa die vom BVerfG in der Kollision mit dem Schutz der persönlichen Ehre ausufernd geschützte Meinungsäußerungs- und Kunstfreiheit). Selbst wenn man der h. M. insoweit folgt,469 sollten daher die Anforderungen an das Vorliegen einer berufsregelnden Tendenz keinesfalls überspannt werden. (2) Eine genauere Analyse zeigt dann auch, dass diese Beschränkungen des funktionellen Schutzbereiches im vorliegenden Zusammenhang letztlich einer Prüfung am Maßstab des Art. 12 I GG nicht entgegenstehen. Zunächst ist zu beachten, dass die Rechtsprechung des BVerfG zur objektiv berufsregelnden Tendenz ursprünglich weniger der Restriktion des Grundrechtsschutzes, sondern seiner (aber eben moderaten) Erweiterung dienen sollte, und zwar gerade auch auf solche Fälle, in denen es nicht um berufsrechtliche Regelungen i.e.S. geht.470 Wenn Strafvorschriften daher nicht unmittelbar an die Berufstätigkeit als Tatbestandsmerkmal anknüpfen und auch ersichtlich keine berufspolitischen Zwecke verfolgt werden, steht dies einer Bewertung als Eingriff noch keinesfalls entgegen. Des Weiteren wird – was in der Diskussion teilweise vernachlässigt wird – die erdrosselnde Wirkung von mittelbaren Beeinträchtigungen nur zur Voraussetzung eines Eingriffs in die Berufswahlfreiheit gemacht, während ein Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit gerade auch bei weniger gravierenden Beeinträchtigungen für möglich gehalten wird.471 Damit stimmt auch überein, dass die Kommentarliteratur teilweise ohne ausdrückliches Abweichen von der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung einen umfassenden Schutz auch gegen mittelbare Beeinträchtigungen postuliert,472 zumindest wenn diese für die Berufstätigkeit von einigem Gewicht sind.473 Dabei Krit. etwa Manssen, Rn. 529. Diese Ungewissheit spiegelt sich etwa im unten (S. 288) noch kurz vertieften Beispiel der Geldwäschestrafbarkeit von Rechtsanwälten wieder: Während Burgler / Peglau, wistra 2000, 161, 162, eine berufsregelnde Tendenz meinen zweifelsfrei ablehnen zu können, meint Müther, Jura 2001, 318, 320 f., dass deren Voraussetzungen an sich „keiner weiteren Erörterung“ bedürften bzw. sich „schwerlich verneinen“ ließen. 469 Auch wenn man diese h. M. für zweifelhaft hält, würden im Übrigen die unten entwickelten Lösungen etwas „in der Luft hängen“, wenn sich die Darstellung an einer wichtigen Weichenstellung grundsätzlich über eine gesicherte Rechtsprechung des BVerfG hinwegsetzen würde. 470 Deutlich BVerfGE 13, 181, 185 f. In diese Richtung auch M / D / H-Scholz, Art. 12 GG Rn. 16. 471 Vgl. BVerfGE 13, 181, 187. 472 Vgl. M / D / H-Scholz, Art. 12 Rn. 302. 473 Vgl. Dreier-Wieland, Art. 12 Rn. 81 f. 467 468

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könnte dann bedeutsam werden, dass die Androhung einer strafrechtlichen Sanktion in ihrer Intensität sicher anders zu beurteilen ist als die Erhebung einer Gebühr für Zwangsmitgliedschaften. 474 Letztlich entscheidend ist aber ein weiterer Punkt: Im Unterschied etwa zu einer Besteuerung und ähnlichen Belastungen führt die konkrete Umsetzung der Strafgesetze in Gestalt einer Verurteilung sogar zu einem „klassischen“ finalen Eingriff. Es handelt sich also gerade um keine wirklich „mittelbare“475 Beschränkung der Berufsfreiheit, sondern es folgt unmittelbar auf das berufliche Handeln eine Sanktion. Das berufliche Handeln wird nicht nur Anknüpfungspunkt bestimmter standesorganisatorischer, fiskalischer u. a. Interessen, die vom Einzelnen subjektiv als unangenehm und deswegen als Beeinträchtigung seines beruflichen Handelns empfunden werden. Vielmehr ist die staatliche Reaktion hier gerade darauf gerichtet, das konkret erfolgte berufliche (und trotz mittelbarer deliktischer Folgen auch im Übrigen vom Schutzbereich des Art. 12 I GG erfasste, vgl. o. S. 281 f.) Verhalten zu tadeln und eine Wiederholung solcher Verhaltensweisen zu vermeiden. Hier liegt ein wesentlicher Unterschied zu einem Besteuerungstatbestand, bei dem in aller Regel das staatliche Interesse schon aus fiskalischen Gründen selbstverständlich nicht darauf gerichtet ist, dass das steuerbare Verhalten in der Zukunft unterbleibt und die Einnahmequelle versiegt. Da es, wie oben betont, vorrangig um die Anwendung der strafrechtlichen Vorschriften im Einzelfall geht476, könnte man daran auch hinsichtlich der Eingriffsfrage denken, nicht auf die gesetzliche Vorschrift, sondern auf eine eventuelle Verurteilung abzustellen: Auch die (Interessen des Berufsträgers berücksichtigende oder eben vernachlässigende) Interpretation stellt – wenn sie nicht nur am „Grünen Tisch“ der Wissenschaft durchgeführt wird, sondern Bestandteil einer verurteilenden Entscheidung ist – einen maßgeblichen Teil einer Regelung dar. Und dass diese Regelung in Fällen, in denen es um die Beurteilung beruflichen Handelns geht, nicht nur eine erhebliche objektive, sondern sogar eine subjektive berufsregelnde 474 In diesem Zusammenhang ist unbeachtlich, dass auch Strafdrohungen nicht unbedingt dazu führen, dass der Berufsträger auf Grund des Strafbarkeitsrisikos sein Geschäft aufgibt. Denn es erschiene nicht nur zu streng, im Falle einer Kriminalstrafe einen so einschneidenden Eingriff schon als Minimalvoraussetzung für den Eingriff in den Schutzbereich anzusehen; vielmehr wird die erdrosselnde Wirkung eben – vgl. o. zu Fußn. 471 – ohnehin nur als Voraussetzung eines Eingriffs in die Berufswahl-, nicht aber in die Berufsausübungsfreiheit gefordert. 475 Gerade unter diesem Terminus wird die Frage nach der berufsregelnden Tendenz teilweise in der Literatur diskutiert, vgl. etwa die Abschnittsüberschriften vor Bleckmann, § 33 Rn. 55, und vor Dreier-Wieland, § 12 Rn. 79, sowie den einleitenden Satz bei Manssen, Rn. 528. 476 Dass Vorschriften wie §§ 27 (Beihilfe), 130 (nebentäterschaftliche Begehung vorstellbar), 222 (fahrlässige Unterstützung) StGB u. a. als solche verfassungsrechtlich sub specie Art. 12 GG im Ergebnis unbedenklich sind, steht völlig außer Frage: Denn sie lassen nach ihrer Formulierung jederzeit eine Auslegung zu, in der die berechtigten Interessen des Berufsträgers ohne weiteres angemessen berücksichtigt werden können.

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Tendenz haben kann, ist jedenfalls dann nicht zweifelhaft, wenn Gegenstand der Verurteilung ein Verhalten ist, das als solches gerade in der (mehr oder weniger typischen) Erbringung beruflicher Leistungen besteht. Auf dieser Grundlage könnte man also offen lassen, ob den Vorschriften des StGB selbst eine objektive oder subjektive berufsregelnde Tendenz zukommt und allein auf die „berufsregelnde Verurteilung“ und die Auslegung der Straftatbestände in ihr abstellen.477 Eine solche Betrachtung wäre aber angreifbar und griffe wohl auch zu kurz:478 Auf Grund des Gesetzesvorbehalts für Eingriffe in der Berufsfreiheit wäre eine Verurteilung, die in den Schutzbereich des Art. 12 I GG eingreift, nicht gestattet, wenn nicht auch die Vorschriften, auf welche die Verurteilung gestützt werden, einen solchen Eingriff erlauben würden. Aus einer anderen Perspektive formuliert: schon nach allgemeinen rechtsstaatlichen Grundsätzen muss sich (zumal im hochgradig grundrechtsinvasiven Bereich des Strafrechts) jede Entscheidung einem Normtext zurechnen lassen. Das hat nun aber eine weitere Konsequenz: Wenn ein Normtext – jedenfalls als Arbeitshypothese für die weitere Prüfung479 – eine solche Entscheidung zulässt, liegt eine im klassischen Sinne finale Berufsregelung auch schon in Gestalt des Gesetzes vor. Damit stimmt auch überein, wenn das BVerfG es für möglich hält, dass einer Vorschrift dann ein objektiv berufsregelnder Charakter zuzubilligen ist, wenn sie im Rechtsverkehr so ausgelegt wird, dass denjenigen, die eine bestimmte Tätigkeit beruflich ausüben, Nachteile daraus entstehen.480 Dasselbe muss dann aber entsprechend auch gelten, wenn eine strafrechtliche Regelung von den Gerichten so ausgelegt werden kann, dass ein i.e.S. berufliches Verhalten Gegenstand einer Sanktion und damit eines finalen Eingriffs wird. 477 Die Entscheidungen des BVerfG, in denen die berufsregelnde Tendenz problematisiert oder im Ergebnis sogar abgelehnt wurde, betreffen – soweit ersichtlich – insoweit durchgehend die Beurteilung der gesetzlichen Vorschriften selbst, vgl. nur BVerfGE 13, 181, 185 f.; 47, 1, 21; 70, 191, 214; 81, 108, 121 f. 478 Für die Möglichkeit einer differenzierenden Betrachtungsweise zwischen der Kontrolle von Normen und von einzelnen Entscheidungen (die in der Rechtsprechung des BVerfG – soweit ersichtlich – nicht ausdrücklich diskutiert wird) könnte freilich die Rechtsprechung des BVerwG sprechen, die (im Fall staatlicher Informationspolitik) auch schon „faktische“ Eingriffe in den Schutzbereich des Art. 12 I GG bejaht hat (vgl. BVerwGE 71, 183, 189 ff. [Veröffentlichung von „Transparenzlisten“ im Gesundheitswesen] sowie BVerwGE 87, 37, 41 ff. [Warnung vor glykolhaltigem Wein]; näher zum Problem des faktischen Eingriffs und insb. staatlicher Informationen etwa DiFabio, JuS 1997, 1 ff., sowie Murswiek, DVBl. 1997, 1021 ff.; monographisch Spaeth, Grundrechtseingriff durch Information, passim). Bei diesen gibt es gerade keine berufsregelnde Tendenz einer Vorschrift, sondern es kann nur der unmittelbare Eingriffsakt selbst auf seine Auswirkungen hin untersucht werden. Es ist dann aber keinesfalls selbstverständlich, wenn ein strafrechtlicher Schuldspruch als schärfster Akt staatlicher Machtausübung nur unter erschwerten Voraussetzungen einer verfassungsrechtlichen Kontrolle unterliegen soll. 479 Ob dann eine entsprechende Lesart auch sub specie constitutionis vertretbar erscheint, ist eine andere Frage, die gerade erst beantwortet werden muss. 480 Vgl. BVerfGE 70, 191, 214.

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3. Teil: Grundlegungen einer eigenen Lösung

Bei der Beschränkung des funktionellen Schutzbereiches auf das soeben genannte „i.e.S. berufliche Verhalten“ wird auch der eventuell berechtigte Kern des Erfordernisses einer berufsregelnden Tendenz angemessen berücksichtigt: Gerade weil fast jede Tätigkeit in einem mehr oder weniger engen Zusammenhang mit dem Beruf ausgeübt werden kann, könnten bei einer zu weiten Auslegung fast alle Verhaltensbeschränkungen am Maßstab der Berufsfreiheit zu messen sein.481 Diese Verhaltensweisen sind dann aber in ihrer konkreten Form482 vielfach nicht gerade typischer Gegenstand der beruflichen Leistung, so dass ihr Verbot keine berufsregelnde Tendenz hat. Dies ist jedoch anders, wenn das Verhalten unmittelbarer und typischer Gegenstand des beruflichen Tätigwerdens ist, wofür nicht einmal eine vollständige „Neutralität“ im oben beschriebenen Sinne erforderlich ist: Auch die Herstellung eines verstärkten und gehärteten Schraubenziehers, der sich zum Aufbrechen von Türen besonders gut eignet, oder das Erstellen eines sehr komplizierten Gutachtens, mit denen der Auftraggeber des Berufsträgers seine Kunden auf Grund der schweren Verständlichkeit effektiver täuschen kann, ist Gegenstand einer beruflichen Tätigkeit. Ausgeschieden sind dagegen Verhaltensweisen, die als solche nicht die berufliche Leistung darstellen, sondern in der im 1. Teil beschriebenen Weise483 nur „bei Gelegenheit der Berufsausübung“ erbracht werden.484

(3) Im Ergebnis ist daher die Pönalisierung neutraler berufsbedingter Unterstützungshandlungen weder frei von klaren berufsregelnden Tendenzen noch eine nur mittelbare Beeinträchtigung. Da somit beide Ausgangspunkte eines restriktiven Eingriffsverständnisses nicht einschlägig sind, ist von einem rechtfertigungsbedürftigen Grundrechtseingriff auszugehen. Diese Sichtweise ist auch mit der – zugegebenermaßen spärlichen – Rechtsprechung des BVerfG zu Art. 12 GG und strafrechtlichen Fragen jedenfalls kompatibel (ohne dass diese freilich so eindeutig wäre, dass eine Berufung darauf allein genügen könnte): So wird in der oben bereits genannten Entscheidung zur Strafbarkeit der entgeltlichen Vorführung pornographischer Filme nach § 184 I Nr. 8 (= Nr. 7 a.F.) StGB das strafrechtliche Verbot als „Regelung zur Berufsausübung“ (i. S. d. Drei-StufenTheorie) eingeordnet,485 ohne dass das Vorliegen eines Eingriffs mangels „be481 Plastisches Beispiel: Viele Menschen sind beruflich mit dem Auto unterwegs. Trotzdem erschiene es außerordentlich kontraintuitiv, alle Geschwindigkeitsbeschränkungen, die Gurtpflicht, die Straftatbestände der §§ 315c, 316 StGB usw. an Art. 12 GG zu messen. Um vernünftige Ergebnisse zu erzielen, ist freilich die restriktive Ausgestaltung des Schutzbereiches nicht unverzichtbar, da gerade die genannten Beispiele (und vergleichbar „berufsferne“ Regelungen) stets allenfalls eine untergeordnete Randmodalität der Berufsausübung betreffen, so dass der entsprechende Eingriff schon unter minimalen Voraussetzungen gerechtfertigt ist. 482 Um die Beispiele in Fußn. 481 aufzugreifen: Also gerade in der Form des zu schnellen, des nicht angegurteten oder des betrunkenen Fahrens. 483 Vgl. o. S. 32. 484 Vgl. etwa das Beispiel BVerfG NStZ 1998, 29, zur Strafbarkeit eines Kassenarztes nach § 263 StGB wegen betrügerischer Kassenabrechnungen. Interessant ist dabei auch, dass zum einen betont wird, bei der Gesetzesanwendung dürften die Grenzen der Verfassung nicht überschritten werden, und dass zum anderen die mangelnde Einschlägigkeit des Art. 12 I GG nicht etwa mit Blick auf eine generell fehlende berufsregelnde Tendenz des § 263 StGB, sondern mit der Unmöglichkeit einer verfassungskonformen Auslegung sub specie Art. 12 I GG im konkreten Fall begründet wird.

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rufsregelnder Tendenz“ auch nur mit einem Wort in Frage gestellt worden wäre. Zwar besteht ein Unterschied zu den hier interessierenden Fällen darin, dass § 184 I Nr. 8 StGB gerade auf die entgeltliche Vorführung (und damit regelmäßig auf berufliches Handeln) abzielt. Die eigentliche Stoßrichtung der Vorschrift ist aber auch keine berufspolitische, sondern vor allem der Jugendschutz, und die Entgeltlichkeitsklausel sollte nur der Vermeidung von Wertungswidersprüchen dienen, indem die nicht gesondert entgeltpflichtige Filmvorführung in „Nachtklubs“ ebenso straflos gestellt wird wie die dort dargebotenen „Live-Vorführungen sexueller Handlungen“.486 Daneben finden sich zwar in der verfassungsgerichtlichen und höchstrichterlichen Rechtsprechung auch Entscheidungen, die auf den ersten Blick als Präjudiz für eine andere Sichtweise verstanden werden könnten, indes zwingen auch diese nicht zu einer Änderung des gefundenen Ergebnisses: Dies ist zum einen eine Entscheidung des BVerfG aus dem Jahre 1997, in der ein Eingriff in den Schutzbereich des Art. 12 I GG durch eine zivilgerichtliche Entscheidung verneint wurde, durch die ein Arzt wegen einer fehlgeschlagenen Sterilisation zu Schadensersatz in Form der Freistellung vom Kindesunterhalt verurteilt worden war.487 Das BVerfG führte hier aus, dass das Vertrags- und Deliktsrecht weder als solches488 noch in seiner Anwendung auf den konkreten Fall eine berufsregelnde Tendenz habe.489 Hier scheint es sich auf den ersten Blick um eine Konstellation zu handeln, die mit der hier interessierenden Frage in gewisser Weise vergleichbar ist. Ein wesentlicher Unterschied besteht aber jedenfalls insoweit, als es dort um eine unmittelbare Schädigung Dritter gerade durch eine Verletzung der beruflichen lex artis ging. Wenn es nicht in den funktionellen Schutzbereich der Berufsfreiheit fallen soll, den Berufsträger vor Ersatzansprüchen Dritter wegen einer solchen Verletzung zu schützen,490 sagt dies noch nichts über die Reichweite dieses Grundrechts auch 485 BVerfGE 47, 109, 116. Der Klarheit wegen sei noch einmal darauf hingewiesen, dass die Rechtsprechung zum restriktiven Eingriffsbegriff bei Art. 12 I GG schon wesentlich vor dieser Entscheidung verfolgt wurde (vgl. nur E 13, 181, 185 f.) und daher durchaus ein Thema hätte sein können. 486 Vgl. BVerfGE 47, 109, 110 unter Hinweis auf die Gesetzesmaterialien. 487 Vgl. BVerfG NJW 1998, 519. 488 Hier wird zugleich noch einmal die ganze Fragwürdigkeit der restriktiven Auslegung des funktionellen Schutzbereichs deutlich, wenn man diese so verstehen möchte, dass auch eine Prüfung der konkreten Rechtsanwendung am Maßstab des Art. 12 GG ausscheidet. Dass das Deliktsrecht (dort in Gestalt der §§ 823, 1004 BGB analog) zwar hinsichtlich seiner konkreten Auslegung am Maßstab der Meinungsfreiheit gemessen werden können soll (wie es im berühmten „Lüth-Urteil“ erfolgte), nicht aber am Maßstab des Art. 12 GG, ist schlechterdings nicht plausibel erklärbar. 489 Vgl. BVerfG NJW 1998, 519, 520. 490 Im Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer sehen im Übrigen der Große Senat des BAG und der BGH sogar dies anders: In Grundsatzentscheidungen im Zusammenhang mit einer Vorlage an den Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes (BAG [GS] NZA 1993, 547, sowie NJW 1995, 210, 212, und BGH NJW 1994, 856) wird der innerbetriebliche Schadensausgleich für alle von Arbeitnehmern nur (leicht oder normal) fahrlässig verschuldete Schäden des Arbeitgebers ohne Einschränkung auf gefahrgeneigte Tätigkeiten u. a. mit der Wertung des Art. 12 I GG begründet. Dies setzt aber voraus, dass hier die Anwendung vertrags- oder deliktsrechtlicher Vorschriften durchaus in den Schutzbereich des Art. 12 I GG einzugreifen geeignet wäre.

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in Fällen aus, in denen eine Sanktion wegen der Ausnutzung eines Verhaltens ohne berufsspezifischen Verstoß durch Dritte geknüpft wird. Zum anderen ist an die Grundsatz-Entscheidung des 2. Strafsenats des BGH zur Strafbarkeit wegen Geldwäsche durch die Entgegennahme von Verteidigerhonoraren zu denken:491 In ihr hat der BGH immerhin ausdrücklich festgestellt, dass die „Strafbarkeit der Annahme von Verteidigerhonorar in Kenntnis seiner bemakelten Herkunft ( . . . ) das durch Art. 12 I GG geschützte Recht ( . . . ) nicht berührt“, und mit dem Hinweis auf das Erfordernis eines ausreichend engen Zusammenhangs mit der Berufsausübung sowie einer ausreichend deutlichen berufsregelnden Tendenz schon das Vorliegen eines Eingriffs abgelehnt.492 Statt einer Begründung für diese doch recht frühe Weichenstellung begnügt sich der Senat aber mit der apodiktischen Feststellung: „Das (sc. eine ausreichende berufsregelnde Tendenz) ist hier nicht der Fall“ und verweist auf zwei Literaturstellen, die allerdings kaum weiterführen.493 Dieses Fehlen jeglicher Auseinandersetzung mit dem Problem ist nicht nur eine Stil- und Methodenfrage, sondern zusammen mit dem nachfolgenden – zumal vergleichsweise ausführlichen – ergänzenden Hinweis auf die Unvereinbarkeit mit dem Berufsbild des Verteidigers und seiner Stellung als Organ der Rechtspflege möglicherweise auch ein Hinweis darauf, dass dem Senat die Ablehnung bereits einer berufsregelnden Tendenz wohl selbst (zwar für Es wäre zwar unredlich, allein diese Entscheidungen ohne nähere Überprüfung als Maßstab heranzuziehen, da man durchaus darüber diskutieren kann, ob insb. das BAG die Besonderheiten in der verfassungsrechtlichen Rechtsprechung zu Art. 12 GG nicht einfach übergangen hat. Umgekehrt sollte man aber dem Großen Senat eines obersten Bundesgerichts nicht völlige Unkenntnis der gängigen Dogmatik des Grundrechts unterstellen, das thematisch mit „seinem“ Rechtsgebiet verwoben ist wie kein anderes. Deshalb machen diese Entscheidungen doch deutlich, dass die Konsequenzen der Rechtsprechung zur berufsregelnden Tendenz keineswegs in ihren Details schon dahingehend gefestigt wären, dass die Berücksichtigung von Art. 12 GG bei der Auslegung in Fällen ausgeschlossen wäre, in denen über eine negative Sanktion für im konkreten Fall berufliches Handeln zu entscheiden ist. 491 Vgl. BGH NStZ 2001, 535 ff. (= NJW 2001, 2891) sowie zum Problem der Geldwäsche durch Entgegennahme eines Verteidigerhonorars auch bereits oben S. 48 ff. 492 Vgl. BGH NStZ 2001, 535, 536. Anders denn als Verneinung schon eines Eingriffs kann dieser Passus nicht verstanden werden, wenn der Senat davon spricht, dass das Grundrecht nicht berührt sei und kurz danach ergänzend fortfährt: „Zudem liegt ein Eingriff schon deshalb nicht vor, weil . . .“. Dem BGH zustimmend Scherp, NJW 2001, 3242, 3242, der damit „die Befürchtung des OLG Hamburg und einiger Kommentatoren, die freie Berufsausübung des Strafverteidigers werde durch Entziehung der wirtschaftlichen Grundlage der Wahlverteidigung massiv eingeschränkt“, auf ein „Normalmaß reduziert“ sieht; sehr krit. dagegen Nestler, StV 2001, 641 ff. 493 Der Senat verweist zum einen auf Hefendehl, Roxin-FS, S. 145 ff., der sich allerdings auf der zitierten Seite 165 seinerseits mit dem Hinweis begnügt: „Bei der Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit der Norm ist der Kritik im Hinblick auf Art. 12 GG als Prüfungsmaßstab Recht zu geben.“ sowie in den Fußnoten einige Verfassungsgerichtsentscheidungen zum Erfordernis einer berufsregelnden Tendenz aufzählt und damit zur Begründung nichts beiträgt. Die „Kritik“, der Recht zu geben sei, ist dabei wohl die auf S. 162 f. nur ganz knapp zitierte von Burgler / Peglau, wistra 2000, 161, 162, die als zweite Referenz auch vom Senat genannt werden. Diese nun bemängeln zwar mit Recht, dass das HansOLG das Problem der berufsregelnden Tendenz nicht einmal anspricht, und skizzieren auch einige wesentliche Aussagen des BVerfG dazu. Eine nähere Begründung – auch mit Blick auf die hier erwähnten Besonderheiten bei Strafvorschriften und bei der Ausstrahlungswirkung der Grundrechte für die Auslegung – wird aber auch dort nicht einmal ansatzweise geleistet.

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sein Ergebnis gelegen kommt, aber völlig zu Recht) etwas nebulös erscheint. Unabhängig von der Frage, ob diese Ablehnung vielleicht bei § 261 StGB noch eher begründbar ist, weil die Sanktion nicht an die Vornahme der beruflichen Tätigkeit, sondern nur an Modalitäten der Bezahlung anknüpft,494 drängt sich aber der Eindruck auf, dass der BGH bei der pauschalen Verneinung der berufsregelnden Tendenz die Mühe gescheut hat, über Grund und Grenzen dieser restriktiven Eingriffsdogmatik bei Art. 12 GG nachzudenken. Statt dessen wird auf ein Schlagwort verwiesen, dessen vordergründige Überzeugungskraft im Übrigen auch schnell verblasst, wenn man nicht nur die Vorschrift als solche, sondern ihre Auslegung und Anwendung im Einzelfall in den Blick nimmt.495 Dies gilt umso mehr, als gerade bei § 261 StGB der besondere Bezug zum beruflichen Tätigwerden besonders deutlich erkennbar ist.496

3. Verhältnismäßigkeitsüberlegungen bei der Pönalisierung berufsbedingter Unterstützungshandlungen Da also die Pönalisierung einer neutralen berufsbedingten Unterstützungshandlung einen rechtfertigungsbedürftigen Eingriff in die Berufsfreiheit des Art. 12 I GG darstellt und die grundsätzliche Verfassungsmäßigkeit der hier potentiell einschlägigen Straftatbestände als Gesetze im formellen Sinne nicht in Frage steht, konzentriert sich die Rechtfertigungsprüfung auf die sog. Schranken-Schranken und dabei insbesondere auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.497 Dieses in der staats494 Wirklich überzeugend wäre dieses Differenzierungskriterium aber nicht, weil Art. 12 GG gerade auch das Tätigwerden zur Sicherung der Lebensgrundlage schützt; vgl. etwa BVerfGE 90, 145, 159 zur Überprüfung einer „Vergütungsregel“ am Maßstab des Art. 12 I GG. 495 In der Sache befindet sich der BGH freilich in Übereinstimmung mit der aktuellen rechtspolitischen Tendenz, wie die Europäische Richtlinie zur Reform des Geldwäscherechts (RL 2001 / 97 / EG v. 04. 12. 2001 zur Änderung der Geldwäsche-Richtlinie 91 / 308 / EWG, ABlEG L 344 vom 28. 12. 2001, S. 76 ff.) zeigt, die in Art. 2a Nr. 5 eine Erstreckung der bislang vor allem Kreditinstitute und Finanzdienstleister treffenden Auskunftspflichten auch auf rechtsberatende Berufe fordert; vgl. dazu Wegner, NJW 2002, 794 ff. 496 Ergänzend ist hier darauf hinzuweisen, dass es sich gerade bei § 261 StGB um eine besondere Situation handelt, die mit anderen Anschlussdelikten nicht vergleichbar ist, wie insb. ein Vergleich mit § 259 StGB zeigt. Dieser steht – auch wegen der Straflosigkeit der Ersatzhehlerei, wegen § 935 II BGB (gutgläubiger Erwerb auch bei gestohlenen Zahlungsmitteln) und vor allem wegen der üblicherweise erfolgenden Zahlung von Geldbeträgen durch Überweisungen – praktisch nicht zur Diskussion. Und wenn eine Hehlereistrafbarkeit im Raume steht, würde es sich gerade nicht um den „üblichen Zahlungsverkehr“, sondern um „angepasstes Verhalten“ halten (krasses Beispiel: Annahme von mehreren Autoradios ohne Originalverpackung an Erfüllung Statt), dessen Untersagung die Berufsfreiheit nicht entscheidend trifft; für einen Eingriff in den Schutzbereich des Art. 12 GG durch § 261 StGB nun auch BVerfG vom 30. 03. 2004 (BvR 1520/01 und 1521/01). 497 Zu den Schranken-Schranken werden – mit unterschiedlicher schematischer Zuordnung im Einzelnen – auch noch etwa die Wesensgehaltsgarantie des Art. 19 II GG, das Verbot einschränkender Einzelfallgesetze nach Art. 19 I 1 GG oder das Zitiergebot nach Art. 19 I 2 GG angeführt. Auch die sog. qualifizierten Gesetzesvorbehalte oder die grundrechtlichen Ein-

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rechtlichen Literatur vor allem von Lerche498 grundlegend entwickelte und durch die Rechtsprechung des BVerfG geprägte499 Prinzip besagt, dass Eingriffe in verfassungsrechtlich geschützte Positionen nur erlaubt sind, wenn sie zur Verfolgung eines legitimen Zwecks geeignet, erforderlich (d. h. das relativ mildeste Mittel) und angemessen (verhältnismäßig i.e.S.500) sind (vgl. unten a – d).501 Dabei unterscheidet sich die Prüfung der Verhältnismäßigkeit im Strafrecht – insbesondere hinsichtlich der Verhaltensnorm502 – grundsätzlich nicht von der Überprüfung staatlicher Hoheitsakte in anderen Rechtsgebieten. Auch die zu Art. 12 I GG vom BVerfG entwickelte und in der Literatur weithin übernommene „Drei-Stufen-Lehre“503 steht im Folgenden einer Orientierung der Darstellung am „normalen“ Verhältnismäßigkeitsschema nicht entgegen: Denn die Drei-Stufen-Lehre ist nur „ein Ergebnis strikter Anwendung des Prinzips der Verhältnismäßigkeit“,504 deren Kategorisierungen teilweise sogar anhand desselben noch einmal überprüft werden müssen.505 Des Weiteren bringt ihre wesentliche Aussage keine nennenswerte Erleichterung, wenn – wie bei Pönalisierungen berufsbedingter Unterstützungshandlungen – zweifelsfrei nur Berufsausübungsregelungen und keine Berufswahlregelungen vorliegen. Zuletzt hat diese Darstellung auch den Vorteil, dass sich ihre Aussagen – mutatis mutandis und unter Einschränkung des besonderen Gewichts der Berufsfreiheit – auch auf eine Prüfung am Maßstab des Art. 2 I GG übertragen lassen, soweit man die oben (S. 278 ff.) ausführlich begründete Einschlägigkeit des Art. 12 I GG als Maßstab nicht mittragen will.

richtungsgarantien könnten als Schranken-Schranke interpretiert werden. Da all die genannten Punkte hier aber keine Probleme aufwerfen, kann sich die Erörterung auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz beschränken. 498 Lerche, Übermaßverbot und Verfassungsrecht. Ausführlich aus neuerer Zeit etwa Remmert, Verfassungs- und verwaltungsrechtliche Grundlagen des Übermaßverbots, und zuletzt Clérico, Die Struktur der Verhältnismäßigkeit, sowie Michael, JuS 2001, 148 ff., und ders., JuS 2001, 654 ff., 764 ff. 499 Vgl. aus der Rechtsprechung des BVerfG statt vieler nur BVerfGE 19, 342, 348 f.; 23, 127, 133; 55, 159, 165; 65, 1, 44; 80, 109, 120; krit. zur Bedeutung, die dieser Grundsatz dort mittlerweile erlangt hat, etwa AK / GG-Bäumlin / Ridder, Art. 20 Rn. 64 ff. 500 Zum Sprachgebrauch im weiteren Verlauf der Arbeit: Ist nur vom „Verhältnismäßigkeitsgrundsatz“ die Rede, so wird darunter i.d.R. die Verhältnismäßigkeit i.w.S. verstanden. Für die sog. Verhältnismäßigkeit i.e.S. wird dagegen der (an sich vielleicht weniger treffende, aber dafür trennschärfere) Terminus der Angemessenheit verwendet. 501 Diese Unterpunkte und ihre Prüfungsreihenfolge sind in der Sache völlig unstreitig, vgl. statt aller nur Pieroth / Schlink, Rn. 279. Zur Anwendung auf das Strafrecht anhand des hier behandelten Beispiels bereits Kudlich, JZ 2003, 127, 130 ff.; vgl. ferner Hefendehl, Kollektive Rechtsgüter, S. 83 ff., 95 ff. 502 Zum grundsätzlichen Erfordernis der Differenzierung von Verhaltens- und Sanktionsnorm, aber auch dem Zusammenhang zwischen beiden bei der verfassungsrechtlichen Überprüfung der Rechtsanwendung vgl. bereits oben S. 269 ff. 503 Grundlegend BVerfGE 7, 377 ff. (Apothekenurteil). Zur Darstellung der Drei-StufenLehre statt vieler (mit Unterschieden im Detail) Manssen, Rn. 540 ff., sowie Pieroth / Schlink, Rn. 846 ff. 504 So explizit des BVerfG selbst in E 13, 97, 104. 505 Beispielsweise, wenn eine Berufsausübungsregelung von so einschneidender Bedeutung ist, dass sie ihrer Wirkung nach mit einer Berufswahlregel gleichzustellen ist.

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a) Die Rechtsgüterdiskussion und der legitime Zweck Zunächst müsste mit der Pönalisierung berufsbedingter Unterstützungshandlungen ein legitimer Zweck verfolgt werden. Das Verhältnis dieser Voraussetzung zu der strafrechtstheoretischen Rechtsgüterschutzdiskussion506 bei der Prüfung von Verhaltens- und Sanktionsnorm ist nicht ganz geklärt, muss allerdings hier auch aus zwei Gründen nicht vertieft werden:507 Zum einen wurde oben gezeigt, dass bei der Überprüfung der Gesetzesinterpretation die Trennung von Verhaltens- und Sanktionsnorm ohnehin weniger schematisch verläuft; zum anderen können für die vorliegend interessierenden Delikte i.d.R. ausreichende Rechtsgüter benannt werden,508 deren Schutz dann jedenfalls auch als legitimer Zweck i. S. d. Grundrechtsdogmatik genügt.

Zu letzterer näher oben S. 190 ff. Knapp skizziert geht es um folgendes Problem: Die Voraussetzungen des verfassungsrechtlich geforderten „legitimen Zwecks“ sind deutlich niedriger, da dieser – anders als der strafrechtliche Rechtsgutsbegriff – nur negativ dahingehend abgegrenzt wird, dass die verfolgten Zwecke keine von vornherein illegitimen bzw. verfassungswidrigen sein dürfen (vgl. jeweils m. w. N. aus der Rechtsprechung des BVerfG Bleckmann, § 12 Rn. 114; Gentz, NJW 1968, 1600, 1602; Manssen, Rn. 147). Von den aus der Strafrechtstheorie bekannten Anforderungen in Gestalt von „elementaren Werten des Gemeinschaftslebens“ oder der Anerkennung überindividueller Interessen nur bei ausreichend engem Bezug zu personalen Rechtsgütern ist hier noch keine Rede. Lagodny, Das Strafrecht vor den Schranken der Grundrechte, S. 145 ff., 157, geht daher davon aus, dass die Rechtsgüterlehre für die Prüfung der Verhaltsnorm noch keine Rolle spiele; da aber die Zwecksetzung von Verhaltens- und Sanktionsnorm die gleiche sei bzw. der legitime Zweck einer sanktionsrechtlichen Absicherung von Verhaltensnormen sich schon aus den Strafzwecken ergebe (vgl. a. a. O., S. 424 ff.; insoweit zustimmend Appel, Verfassung und Strafe, S. 577 f.), sei die Rechtsgüterlehre für das Verfassungsrecht praktisch unerheblich, zumal der Rechtsgutsbegriff strafrechtstheoretischer Prägung stets auf die Verhaltensnorm bezogen werde. Auch wenn man Lagodnys strikter Trennung von Verhaltensnorm und Sanktionsnorm folgt, wird man aber das Anliegen der strafrechtlichen Rechtsgutslehre zumindest mit Staechelin, Strafgesetzgebung im Verfassungsstaat, S. 163 f., auf der Ebene der Angemessenheit der Sanktionsnorm zu berücksichtigen haben: Denn auch wenn gefragt wird, ob die von der Verhaltensnorm geschützten Güter „strafrechtsadäquat“ sind, steht dahinter doch gerade die Überlegung, ob es angemessen ist, wenn „das rechtsgüterschützende Verhalten mit dem Mittel des Strafrechts erzwungen werden soll“, ob also das durch die Verhaltensnorm „zu schützende Interesse dem Ernst und der Gewalt des Strafrechts proportional ist“ (Staechelin, a. a. O., S. 164). Damit bestätigt sich, was schon oben angedeutet wurde: Die strikte Trennung von Verhaltens- und Sanktionsnorm ist zwar dogmatisch im Ansatzpunkt zutreffend, birgt aber die Gefahr, mehr zu verschleiern als zu erhellen, wenn die Teile nicht wieder zusammengefügt werden. 508 Vgl. bereits oben S. 194. 506 507

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b) Die Geeignetheit des Verbots berufsbedingter Unterstützungshandlungen Weniger offensichtlich ist dagegen, ob eine solche Pönalisierung zur Erreichung dieses Schutzzweckes geeignet ist. Dies setzt kurz gesagt voraus, dass das Mittel den Zweck fördert.509 Wie im 2. Teil bereits erwähnt, wird teilweise – in expliziter Anknüpfung an die verfassungsrechtlichen Kategorien510 – die Geeignetheit des (strafrechtlichen) Verbots511 insbesondere der Erbringung von Leistungen des täglichen Lebens in Frage gestellt, weil solche Leistungen meist von einem anderen Berufsträger auch bei normtreuem Verhalten und damit leicht „legal“ erreichbar wären.512 Die Gegenauffassung513 sieht solche Geeignetheitserwägungen kritisch und wirft ihnen zum einen ein zu konkretes Rechtsgutsverständnis,514 zum anderen eine Überschätzung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes vor. Ausgangspunkt einer verfassungsrechtlichen Beurteilung sollte – selbst wenn man insoweit etwas weniger Zurückhaltung für wünschenswert halten sollte – sein, dass das BVerfG bei der Überprüfung der Geeignetheit einer Maßnahme sehr großzügig ist515 und die „Zwecktauglichkeit“ nur verneint, wenn die Mittel „objektiv“ und „schlechthin ungeeignet“ sind.516 Dies gilt zunächst einmal hinsichtlich der Strafvorschrift selbst sowohl für ihren Verhaltens- als auch für ihren Sanktionsteil,

509 Vgl. Pieroth / Schlink, Rn. 283. Ausführlicher und präziser wird verlangt, „daß der Zustand, den der Staat durch den Eingriff schafft, und der Zustand, in dem der verfolgte Zweck als verwirklicht zu betrachten ist, in einem durch bewährte Hypothesen über die Wirklichkeit vermittelten Zusammenhang stehen.“ 510 Stärker aus strafrechtsdogmatischem Blickwinkel wird ein ähnlicher Sachgesichtspunkt unter dem Stichwort der Berücksichtigung hypothetischer alternativer Kausalverläufe diskutiert, vgl. dazu nochmals Rogat, S. 100 f., sowie noch näher unten S. 361 ff. 511 Bei der Geeignetheit bestehen mit Blick auf das primär verfolgte Interesse (d. h. das geschützte Rechtsgut) noch keine Unterschiede zwischen Verhaltens- und Sanktionsnorm. Ob das angeordnete Unterlassen einer bestimmten Handlung geeignet ist, eine Rechtsgutsverletzung zu verhindern, ist zunächst einmal davon unabhängig, wie die Nichteinhaltung dieser Anordnung sanktioniert wird. 512 Vgl. Frisch, Verhalten und Zurechnung, S. 71, 286; ders., Lüderssen-FS, S. 539, 555; Löwe-Krahl, Steuerhinterziehung, S. 37 ff. 513 Vgl. Wohlleben, S. 77 f. 514 Zu diesem Punkt wurde oben S. 196 f. bereits Stellung genommen und nachgewiesen, dass es auf „Konkretheit oder Abstraktheit“ des Rechtsgüterverständnisses hier letztlich nicht ankommt, so dass der Kritik Wohllebens an Frisch insoweit nicht gefolgt werden kann. 515 Vgl. hierzu näher mit zahlreichen Nachweisen aus der Rechtsprechung des BVerfG Paulduro, Die Verfassungsmäßigkeit von Strafrechtsnormen, insb. der Normen des Strafgesetzbuches, S. 139 ff., 155, sowie Günther, Strafrechtswidrigkeit und Strafunrechtsausschluß, S. 183 f., und Vogel, StV 1996, 110, 113; für ein strengeres Verständnis Hefendehl, Kollektive Rechtsgüter, S. 93, 95 f. 516 Vgl. als Beispiel einer das Strafrecht betreffenden Entscheidung BVerfGE 47, 109, 117 m. w. N. aus der vorangegangenen Verfassungsrechtsprechung.

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wobei dem Gesetzgeber eine weitreichende Einschätzungsprärogative eingeräumt wird. Letztlich kann aber auch für die Überprüfung der Normanwendung nichts anderes gelten, solange dabei nur diese Einschätzungsprärogative umgesetzt wird.517 Zurückstehen müssen also insbesondere all die (vorliegend auch problemunspezifischen) Bedenken hinsichtlich der empirisch kaum belegten und belegbaren Effektivität des Strafrechts zum Rechtsgüterschutz.518 Selbst wenn man nun aber die grundsätzliche Eignung strafrechtlicher Sanktionen bzw. Sanktionsandrohungen zur Verhinderung bestimmter deliktischer Handlungen unterstellt, ist die Effizienz für den Rechtsgüterschutz gering, wenn die dadurch verhinderte Handlung leicht anderweitig eingeholt werden kann. Deshalb ist auch bei neutralen, berufsbedingten Leistungen zu differenzieren: Wenn es etwa auf die sofortige Verfügbarkeit eines Gegenstandes ankommt519 oder aber der Berufsträger eine tatsächliche oder annähernde Monopolstellung hat, ändern Neutralität und berufsmäßige Erbringung der Leistung nichts daran, dass sie nicht oder nur unter Schwierigkeiten so, wie sie benötigt wird, anderweitig erlangt werden kann. Wird dann weiter unterstellt, dass die konkrete Erbringung durch das Strafrecht verhindert werden kann, wäre dies zum Rechtsgüterschutz in hohem Maße effektiv und geeignet. Anders könnte sich die Situation dagegen darstellen, wenn die Leistung auf Grund der Häufigkeit ihres Angebotes und des ausreichenden zeitlichen Rahmens anderweitig tatsächlich einfach zu bekommen wäre: Hier könnte man an der Geeignetheit zunächst zweifeln, weil vielleicht andere Berufsträger weniger skrupulös wären und die Leistung trotz Strafandrohung erbringen würden. Allerdings sollte dieser Fall gewissermaßen „normativ ausgeblendet“ werden, da für die Eignung der Maßnahme eben zu unterstellen wäre, dass sie generell greift. Die mögliche Nichteinhaltung oder sogar Umgehbarkeit einer Vorschrift ist auch nach Ansicht des BVerfG grundsätzlich kein Grund gegen die Annahme ihrer Geeignetheit, sondern vielmehr Ausdruck der fragmentarischen strafrechtlichen Sozialkontrolle.520 Nicht ohne weiteres „normativ ausblenden“ lässt sich dagegen die Möglichkeit der Erlangung der Leistung durch ein legales (weil zumindest bei berufsbedingtem Verhalten i.d.R. vorsatzloses und auch nicht fahrlässiges) Verhalten. Indes gilt natürlich auch hier, dass bei einer Strafandrohung nie völlig ausgeschlossen werden kann, dass das zu schützende Rechtsgut durch schuldloses Handeln oder gar ohne menschlichen Einfluss verletzt wird. Da aber zumindest in einem Teil der Fälle die Erbringung der vom unmittelbaren Verletzer benötigten Handlung verhindert (oder Vgl. auch Weigend, Hirsch-FS, S. 917, 924. Vgl. zu diesem Aspekt unter Geeignetheitsgesichtspunkten knapp m. w. N. Günther, Strafrechtswidrigkeit und Strafunrechtsausschluß, S. 186 f. 519 Man denke hier an Roxins Beispiel des Messerverkaufs an einen erregten Teilnehmer einer Schlägerei vor dem Messergeschäft. 520 Vgl. BVerfGE 47, 109, 117 ff. 517 518

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durch das Erfordernis der Verdeckung seiner Pläne zumindest erschwert) wird, dürfte selbst in diesen Fällen nach den großzügigen Maßstäben des BVerfG kein „justiziabler“ Fall der völligen Ungeeignetheit eines entsprechenden Verbotes vorliegen. Zusammenfassend lässt sich zur Geeignetheit damit festhalten: Keine diesbezüglichen Bedenken bestehen, soweit die Unterstützungsleistung – trotz ihrer Neutralität – in der für die Tatbegehung benötigten Art und zu der erforderlichen Zeit nicht ohne gewisse Schwierigkeiten auch durch legal handelnde Berufsträger zu erlangen wäre. Aber auch soweit dies der Fall ist, kann die Geeignetheit nach den großzügigen Maßstäben des BVerfG bejaht werden. Freilich ist – insbesondere hinsichtlich dieser letzten Fallgruppe – wieder daran zu erinnern, dass es weniger um die Geeignetheit der entsprechenden Strafvorschrift (für die nur Fälle „harter Verfassungswidrigkeit“ interessant sind), sondern um die einer Auslegung geht, die berufsbedingte Unterstützungshandlungen unterschiedslos pönalisiert. Soweit dies dann i.S. eines „mehr oder weniger“ irgendwann von der Tatbestandsbejahung in eine Tatbestandsverneinung umschlagen kann, sind die oben skizzierten Stufen „unterschiedlicher Geeignetheit“ durchaus im Auge zu behalten: Je geeigneter eine Pönalisierung ist, desto weniger spricht unter dem systematisch-grundgesetzlichen Aspekt für eine restriktive Auslegung und umgekehrt.

c) Die Erforderlichkeit des Verbots berufsbedingter Unterstützungshandlungen Das Kriterium der Erforderlichkeit verlangt kurz gesagt, dass der verfolgte Zweck nicht durch ein gleich wirksames, aber weniger belastendes Mittel erreichbar sein darf.521 Dieses Gebot des mildesten Mittels ist in vielen Fällen Hauptansatzpunkt der Verhältnismäßigkeitsprüfung,522 wird allerdings in der bisherigen Diskussion um neutrale, berufsbedingte Unterstützungsleistungen – soweit ersichtlich – nicht (explizit oder der Sache nach) ins Feld geführt. Speziell mit Blick auf die Stufenlehre des Art. 12 GG kann hier nochmals kurz festgehalten werden, dass in der Pönalisierung berufsbedingter Unterstützungshandlungen die mildeste Eingriffsform in Gestalt einer bloßen Berufsausübungsregelung vorliegt. Indes entbindet diese Feststellung nicht von weiteren Prüfungen der Erforderlichkeit. Dabei ist auch hier für eine Bewertung im Blick zu behalten, dass dem Gesetzgeber eine 521 Vgl. Pieroth / Schlink, Rn. 285. Ausführlicher und präziser wird verlangt, „daß es keinen anderen Zustand gibt, den der Staat ohne großen Aufwand ebenfalls schaffen kann, der für den Bürger weniger belastend ist und der mit dem Zustand, in dem der verfolgte Zweck als verwirklicht zu betrachten ist, ebenfalls in einem durch bewährte Hypothesen über die Wirklichkeit vermittelten Zusammenhang steht.“ 522 Vgl. die zahlreichen Beispiele aus der Rechtsprechung des BVerfG bei Paulduro, Die Verfassungsmäßigkeit von Strafrechtsnormen, insb. der Normen des Strafgesetzbuches, S. 177 ff., insb. 183 ff.; vgl. zur Erforderlichkeitsprüfung bei Strafnormen ferner Hefendehl, Kollektive Rechtsgüter, S. 101 ff.

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erhebliche Einschätzungsprärogative hinsichtlich der Effektivität unterschiedlicher Mittel zugestanden wird,523 die sich notwendigerweise z. T. auch auf die Gesetzesanwendung auswirkt, soweit die Effektivitätsprognose des Gesetzgebers sich in der Anwendung niederschlägt. Für die nachfolgenden Überlegungen zur Erforderlichkeit sind nun zweimal je zwei Aspekte besonders bedeutsam: Hinsichtlich des Betrachtungsgegenstandes die Verhaltensnorm und die Sanktionsnorm, bei denen sich hier eher Unterschiede ergeben könnten als bei der Geeignetheit. Hinsichtlich des Inhalts des Erforderlichkeitsmerkmals die geringere Eingriffsintensität und dieselbe Effektivität eines alternativen Mittels. Die einschlägige Verhaltensnorm wäre – generalisierend formuliert – das Verbot, vorsätzlich oder hinsichtlich bestimmter deliktischer Erfolge auch fahrlässig durch die eigene berufsbedingte Tätigkeit die Begehung von Straftaten Dritter zu fördern. Das gleiche Ziel könnte zunächst durch ein generelles – dann nicht notwendig strafbewehrtes – Verbot der Erbringung bestimmter beruflicher Leistungen erreicht werden. Ein solches Verbot ist jedoch für die meisten Fälle (Verkauf von Werkzeugen und Lebensmitteln, Angebot der Personenbeförderung, Erbringung von Bankdienstleistungen) praktisch unvorstellbar, im Übrigen aber unabhängig von einer Strafbewehrung sicher kein milderes Mittel. Vorstellbar wären des Weiteren für ausgewählte Bereiche beruflichen Handelns die Statuierung von Kontrollpflichten u.ä. Allerdings ist auch eine solche wirtschaftsverwaltungsrechtliche Regelung unter Erforderlichkeitsgesichtspunkten keinesfalls vorzuziehen: Es dürfte nämlich im Rahmen der Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers liegen, solche Maßnahmen der Strukturprävention jedenfalls allein nicht für ebenso effektiv wie Strafandrohungen zu halten. Darüber hinaus ist aber auch schon die geringere Intensität des Eingriffs fraglich, wenn unabhängig von einer deliktischen Weiterverwendung auch für die bei weitem größere Anzahl von Fällen, in denen keine Straftat droht, zusätzliche Handlungseinschränkungen statuiert werden (selbst wenn deren Einhaltung nicht straf-, sondern nur ordnungswidrigkeitenrechtlich abgesichert wäre).524 523 Vgl. nochmals die Beispiele bei Paulduro, Die Verfassungsmäßigkeit von Strafrechtsnormen, insb. der Normen des Strafgesetzbuches, S. 183 ff. sowie 194 f. 524 Vgl. zu diesem Problem auch schon Lagodny, Das Strafrecht vor den Schranken der Grundrechte, S. 345 ff., mit Verweis auf Tiedemann, ZStW 87 (1975), 253, 266 ff.; Hefendehl, Kollektive Rechtsgüter, S. 101; Staechelin, Strafgesetzgebung im Verfassungsstaat, S. 133 f.; krit. zu dieser Sichtweise, soweit sie dazu genutzt werden soll, das Strafrecht als „milderes Mittel zu verkaufen“, Herzog, Gesellschaftliche Unsicherheit und strafrechtliche Daseinsvorsorge, S. 120 f. Im Grunde genommen geht es hier um die Verteilung von Freiheit und Verantwortung (vgl. auch Staechelin a. a. O., S. 134 ff., der „Modelle der gesellschaftlichen Freiheitsverteilung“ untersucht): Je mehr Freiheit dem Einzelnen zugestanden wird, desto mehr muss er auch für die Ausübung dieser Freiheit die (etwa haftungs- oder auch strafrechtliche) Verantwortung tragen; wo umgekehrt Freiheiten schon a priori beschnitten werden, mag es seltener zu Missbräuchen kommen, für die jemand die Verantwortung zu tragen hat. Aber selbst wenn im

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Schließlich wäre auch eine hypothetische Regelung, die zwar ebenfalls nur an tatsächlich für Straftaten ausgenutzte berufsbedingte Handlungen anknüpft, als Sanktion aber auf das Strafrecht verzichtet und z. B. nur ordnungswidrigkeitenrechtliche oder gar allein zivilrechtliche Ansprüche zur Verfügung stellt,525 jedenfalls im Rahmen der gesetzgeberischen Einschätzungsprärogative als weniger effektiv einzustufen als kumulative zusätzliche Strafandrohungen. Zusammenfassend ergeben sich daher hinsichtlich der Erforderlichkeit keine spezifischen Bedenken. Freilich ist zu beachten, dass eine Maßnahme, die nicht geeignet ist, auch nicht erforderlich sein kann.526 Damit gelten die oben angedeuteten Differenzierungen hinsichtlich mehr oder weniger geeigneter Maßnahmen und ihrer argumentativen Bedeutung für die Auslegung auch für die Erforderlichkeit. Allerdings kommt dem kein eigenständiges Gewicht zu. d) Die Angemessenheit des Verbots berufsbedingter Unterstützungshandlungen (1) Als letzter Prüfungsschritt ist schließlich nach der Angemessenheit (= Verhältnismäßigkeit i.e.S.) der Pönalisierungen berufsbedingter Unterstützungshandlungen zu fragen. Dieses Kriterium verlangt kurz gesagt, dass Grundrechtseingriff und Ertrag für den verfolgten Zweck nicht außer Verhältnis zueinander stehen. Im Unterschied zu den etwas formalen und durch eine erhebliche Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers geprägten Kriterien der Geeignetheit und Erforderlichkeit wird hier eine – zumindest auf den ersten Blick – strengere Kontrolle vorgenommen.527 Dies gilt zwar nur eingeschränkt für die Strafbewehrung und damit die „nackte Sanktionsnorm“.528 Die Verhaltensnorm (d. h. das Verbot als solches), aber auch ihre Durchsetzung gerade mit dem Mittel des Strafrechts, unterliegt aber nach allgemeinen Grundsätzen einer etwas engeren Kontrolle, in die eine Vielzahl von Erwägungen mit einbezogen werden kann. Einzelfall die Folgen einer solchen Verantwortlichkeit (in Gestalt z. B. von Strafe oder hohen Schadensersatzverpflichtungen) sehr eingriffsintensiv sind, ist der Eingriff zumindest gesamtgesellschaftlich geringer, als wenn Freiheitsbeschränkungen für alle auferlegt werden. Dies gilt umso mehr, als eine generelle Regelung stets auch die Vielzahl von Rechtssubjekten in ihrer Freiheit einschränkt, die diese angemessen nutzen würden. Vgl. zu diesen Zusammenhängen näher anhand von Beispielen aus unterschiedlichen Rechtsgebieten Kudlich, Schlüchter-FG, S. 13, 14 ff. 525 Vgl. zu den alternativen Möglichkeiten einer Sanktionierung generell den informativen Überblick bei Staechelin, Strafgesetzgebung im Verfassungsstaat, S. 137 ff., insb. S. 140 ff. 526 Vgl. Pieroth / Schlink, Rn. 288. Dabei handelt es sich auch nicht etwa nur um einen kategorialen Zusammenhang, weil die Prüfungsstufe der Erforderlichkeit derjenigen der Geeignetheit nachfolgt. Vielmehr ist es ein Postulat der Logik, dass ein Eingriff nicht „notwendig“ zur Erreichung eines Ziels stattfinden muss, wenn er ihm ohnehin nicht dienen kann. 527 Vgl. BVerfGE 92, 277, 326 ff. (gerade mit Blick auf die Prüfung einer Strafvorschrift), sowie Vogel, StV 1996, 110, 113, 114, und Weigend, Hirsch-FS, S. 917, 924 (letzterer allerdings vor allem mit Blick auf die Sanktion). 528 Vgl. Appel, Verfassung und Strafe, S. 182 ff.

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(2) Eine solche weiter ausgreifende und weniger durch Einschätzungsprärogativen beschnittene Abwägung birgt natürlich gewisse Gefahren. Insoweit verwundert zunächst nicht, wenn Lagodny in seiner Monographie über „Das Strafrecht vor den Schranken der Grundrechte“ – durchaus mit Vorbildern in der Staatslehre – gleichwohl zu einer zurückhaltenden Prüfung der Angemessenheit auffordert. Da dieser Maßstab besonders vage sei und den Subjektivismen des Rechtsanwenders zu große Bedeutung einzuräumen drohe, seien die Sachprobleme der Prüfung möglichst nicht dort zu entscheiden, sondern schon auf den Prüfungsstufen „vorher“ abzuarbeiten.529 Diese Mahnung ist zwar grundsätzlich berechtigt. Allerdings darf man die Augen nicht davor verschließen, dass eine solche vorherige Abschichtung eben nicht immer möglich ist – oder jedenfalls nicht, ohne auf den vorherigen Stufen versteckt solchen subjektiven Wertungen Raum zu verschaffen, was dann aber nicht einmal als Abwägungsvorgang offen gelegt wird. Dies zeigt deutlich ein bei Pieroth / Schlink genanntes Beispiel:530 Zum Liquor-EntnahmeFall des BVerfGE, der oft geradezu als Schulbeispiel für die Bedeutung der Angemessenheit als dritter Prüfungsstufe genannt wird,531 gehen sie davon aus, dass sich die „Unsinnigkeit (sc.: jemanden einer Bagatellstraftat zu überführen, indem man ihn einem derart empfindlichen und gefährlichen Eingriff aussetzt) vom Kriterium der Notwendigkeit (d. h. in der hier verwendeten Terminologie: der Erforderlichkeit, der Verf.) her“ entwickeln lasse. Da nämlich hinter dem gesetzlichen Zweck der Klärung der Schuldfrage der „Strafzweck der tatschuldangemessenen Übelszufügung“ stehe, sei die Liquorentnahme unzulässig, „weil sie als tatschuldunangemessene Übelszufügung zur Erreichung des Strafzwecks ungeeignet und unnötig ist.“ Von der Ungenauigkeit abgesehen, dass einmal als Übelszufügung (i. S. d. Strafzwecks) auf die zu verhängende Sanktion, das andere Mal auf den Eingriff durch die Zwangsmaßnahme abgestellt wird, ist zweierlei zu beachten: Zum einen muss der Zweck der prozessualen Eingriffsbefugnis (in hier zwar zutreffender, aber eben doch begründungsbedürftiger Weise) über die Prozesszwecke i.e.S. mit dem Zweck der „schuldangemessenen Strafe“ normativ aufgeladen werden. Zum anderen liegt in der Feststellung, dass die Liquorentnahme tatschuldunangemessen ist (zwar einigermaßen evident, aber eben) letztlich auch bereits das Ergebnis einer ganz ähnlichen Abwägung, wie sie sonst auf der Ebene der Angemessenheit erfolgen müsste – mit dem Unterschied, dass sie dort als solche sichtbar würde, während sie hier in der normativen Zweckaufladung der Ermöglichung einer tatschuldangemessenen Strafe versteckt wird.

Mithin besteht zwar durchaus Grund für eine selbstkritische Zurückhaltung, nicht aber für eine übertriebene Scheu vor Erwägungen zur Angemessenheit.532 529 Vgl. Lagodny, Das Strafrecht vor den Schranken der Grundrechte, S. 14, sowie Pieroth / Schlink, Rn. 293 f.; zahlreiche Nachweise von kritischen Stimmen zur Angemessenheitsprüfung auch bei Günther, Strafrechtswidrigkeit und Strafunrechtsausschluß, S. 226 f. (dort Fußn. 3 – 13). 530 Vgl. Rn. 295. 531 BVerfGE 16, 194 ff. 532 Vgl. dazu auch in der staatsrechtlichen Literatur aus jüngerer Zeit Michael, JuS 2001, 148 ff., sowie ders., JuS 2001, 654 f., der zutreffend darauf hinweist, dass eine Reihe von Prüfungsschritten, welche die abschließende Abwägung vorbereiten, noch in hohem Maße objektiv überprüfbar sind; ferner Clérico, Die Struktur der Verhältnismäßigkeit, passim, die

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Dies gilt umso mehr, als eine Prüfung auf der letzten Stufe des Schemas zumindest teilweise auch Folge des Zugeständnisses mehr oder weniger großer Einschätzungsprärogativen auf den Ebenen der Geeignetheit und Erforderlichkeit ist. Der überprüften öffentlichen Gewalt wird damit dann also nicht wirklich etwas „genommen“, sondern allenfalls ein Teil des gewährten Vertrauensvorschusses noch einmal kritisch in Frage gestellt. Wichtig ist dabei freilich, dass die Begründung eines Angemessenheitsurteils, die diesen Namen verdienen soll, sich nicht auf das Schlagwort der „Angemessenheit“ oder „Verhältnismäßigkeit“ beschränken, sondern an der jeweiligen Normstruktur orientierte Sachargumente liefern muss. Dass es für diese Begründung – wie Pieroth / Schlink kritisieren – keinen letztlich „verbindlichen Maßstab“ gibt,533 ist nichts Ungewöhnliches, sondern gilt realistischerweise für jede gesellschaftliche534 und zumal juristische535 Diskussion. Entscheidend für die Rationalität der Argumentation ist dann die Beachtung bestimmter anerkannter Standards des Argumentierens.536 Dies alles gilt umso mehr, als es hier – daran sei noch einmal erinnert – nicht primär um die Überprüfung einer Vorschrift, sondern um Vorgaben für ihre Auslegung geht. Dabei ist es aber völlig normal, wenn eigene Einschätzungen über die Angemessenheit einfließen, solange sie nur als solche offen gelegt und lege artis begründet werden.

(3) Sollte man deshalb auf eine Angemessenheitsprüfung nicht verzichten, diese aber in ihrem Ablauf möglichst klar und nachprüfbar strukturieren, so empfiehlt sich ein Abschichten mehrerer Prüfungsebenen:537 Auf einer ganz abstrakten Ebene können der Wert538 der durch die Pönalisierung berufsbedingter Unterstützungshandlungen geschützten Rechtsgüter und der Berufsfreiheit hier nur schwer den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (insgesamt) gegen die Kritik der Vagheit verteidigt und ihn schärfer zu strukturieren versucht. Speziell mit Blick auf das Strafrecht Hefendehl, GA 2002, 21, 24, sowie ders., Kollektive Rechtsgüter, S. 104 ff., der die Leistungsfähigkeit des Rechtsgutsbegriffs in der strafrechtlichen Literatur unterschätzt sieht, sowie Weigend, Hirsch-FS, S. 917, 918, der von einem „differenzierten und durchaus rational handhabbarem Instrumentarium zur Kontrolle der staatlichen Strafe“ spricht; positiver wohl auch Günther, Strafrechtswidrigkeit und Strafunrechtsausschluß, S. 228 ff., der die Bedeutung der Angemessenheitsprüfung als Rechtsprinzip betont. 533 Vgl. Pieroth / Schlink, Rn. 293, Hervorhebung hier. 534 Vgl. aus der philosophischen Argumentationstheorie die klare Darstellung von Lueken, Inkommensurabilität als Problem rationalen Argumentierens, insb. die realistische Einschätzung der Argumentationspraxis auf S. 348, sowie zum Problem argumentativer Geltung auch ohne solche Maßstäbe Wohlrapp, in: ders. (Hg.), Wege der Argumentationsforschung, S. 280 ff. 535 Vgl. Christensen / Kudlich, Theorie richterlichen Begründens, insb. S. 234 ff. 536 Vgl. zur Einordnung der juristischen Auslegungsinstrumente als solche argumentative Standards Christensen / Kudlich, Theorie richterlichen Begründens, S. 360 ff., dort allerdings bezogen auf die Gesetzesinterpretation und nicht auf Abwägungsvorgänge. Beide Vorgänge berühren sich allerdings, wenn – wie hier – die Abwägung Bestandteil einer Überprüfung nicht der legislativen Normsetzung, sondern der Rechtsanwendung ist. 537 Ähnlich der Prüfungsvorschlag bei Michael, JuS 2001, 148, 150. 538 Zum Wert der betroffenen Güter als Kriterium der Verhältnismäßigkeitsprüfung vgl. mit zahlreichen Nachweisen aus der Rechtsprechung des BVerfG Paulduro, Die Verfassungsmäßigkeit von Strafrechtsnormen, insb. der Normen des Strafgesetzbuches, S. 221 ff.

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verglichen werden. Dies hat seinen Grund darin, dass die Verhaltensform des „Unterstützens“ sich grundsätzlich gegen jedes Rechtsgut richten kann, das durch einen Straftatbestand geschützt ist.539 Pauschalierend kann man aber wohl die Hypothese aufstellen, dass für den überwiegenden Teil der Straftatbestände des StGB eher ein Vorrang im abstrakten Wert für das jeweils geschützte Rechtsgut als für die Berufsfreiheit besteht, dass aber ihr Wert – anders als insbesondere bei der allgemeinen Handlungsfreiheit, an der jede Strafnorm zu messen ist – gegenüber vielen geschützten Gütern auch nicht völlig vernachlässigenswert zurücktritt. Aussagekräftiger ist daher erst eine konkretere Betrachtung, bei der die Intensität der Beeinträchtigung der jeweiligen Interessen ins Blickfeld gerät. Betrachtet man auf dieser konkreteren Ebene die Tatbestände des StGB und das Interesse, im Rahmen der Berufsausübung ohne Rücksicht auf strafrechtliche Verbote tätig werden zu dürfen, scheint ein klarer Vorrang der strafrechtlich geschützten Güter zu bestehen: Diese werden durch viele im Gesetz verbotene Verhaltensweisen mehr oder weniger irreparabel beeinträchtigt, jedenfalls aber in signifikanter Weise gefährdet und damit in ihrem Kernbestand betroffen. Die Berufsfreiheit dagegen scheint nur in Randmodalitäten, nämlich hinsichtlich einiger weniger deliktisch relevanter Anschlusshandlungen betroffen zu sein. Doch darf die Betrachtung auch auf dieser Ebene noch nicht stehen bleiben, weil damit für die Interpretation im konkreten Einzellfall die Besonderheit des „neutralen“ berufsbedingten Verhaltens, vor allem aber die Vielgestaltigkeit denkbarer Konstellationen unangemessen vernachlässigt würde: Auf der Seite des geschützten Rechtsguts ist zu berücksichtigen, dass dieses (zwar vielleicht in hohem Maße schützenswert ist, aber eben) nur in sehr unterschiedlichem Maße durch die Pönalisierung neutraler beruflicher Leistungen im allgemeinen Wirtschaftsverkehr vor Beeinträchtigungen geschützt werden kann. Besonders in den Fällen, in denen oben die Geeignetheit zwar auf Grund der Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers noch bejaht wurde, aber nur schwach ausgeprägt war, sollten die Eingriffe in die Berufsfreiheit nicht zu intensiv erfolgen, damit Eignung und Eingriff noch in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen. Umgekehrt lassen sich auch auf der Seite der Berufsfreiheit als Eingriffsgegenstand unterschiedliche Schweregrade ausmachen, die wiederum von verschiedenen Faktoren abhängig sind: Ein solcher Faktor ist zunächst die Art der Tätigkeit. Sie 539 Dies ist bei der Beihilfe klar, da § 27 StGB nur eine vorsätzliche rechtswidrige Haupttat voraussetzt, an deren Charakter keine näheren Voraussetzungen gestellt werden. In den Fällen, in denen eine „fahrlässige“ Unterstützung als fahrlässig täterschaftlicher Rechtsgutsangriff unter Strafe steht, dürfte sogar regelmäßig ein abstraktes Überwiegen des geschützten Rechtsguts vorliegen, da insb. im Kernstrafrecht nur an wenigen Stellen eine Fahrlässigkeitsstrafbarkeit statuiert wird, an denen es meist um den Schutz von Leib oder Leben geht. Für die Konstellationen täterschaftlicher (vorsätzlicher) Begehung trotz Abhängigkeit von fremdem deliktischen Verhalten wiederum lässt sich keine generelle Aussage treffen, da diese Möglichkeit maßgeblich von der Formulierung der Tathandlung abhängt und hier kein durchgängiger Zusammenhang zwischen Weite der Tathandlungsformulierung und Gewichtigkeit des Rechtsguts im StGB besteht.

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3. Teil: Grundlegungen einer eigenen Lösung

ist entscheidend dafür, wie aufwendig und wie betriebswirtschaftlich vertretbar eventuelle erfolgsverhindernde Differenzierungen bei der Erbringung von Leistungen sind. Hier spiegelt sich die oben im Zusammenhang mit der Neutralität im beruflichen Sektor aufgezeigte Abstufung wieder:540 So wäre eine zusätzlich erforderliche Überwachung der jeweiligen Nutzung einer vom Berufsträger geschaffenen Infrastruktur oder einer ohne persönlichen Kontakt abgerufenen Leistung kaum möglich oder zumindest mit immensem zusätzlichen Aufwand verbunden, während (gewissermaßen am anderen Ende der Skala) im Rahmen einer ausführlich vorbesprochenen und ganz individuell zugeschnittenen Leistung die feste Überzeugung von der Verfolgung eines legalen Zweckes möglicherweise im Gespräch gleichsam nebenbei erlangt werden kann. Hinzu kommt die geforderte subjektive Einstellung zum Erfolg: Eine Strafbarkeit bei positiver Kenntnis des deliktischen Verwendungszwecks, die relativ selten vorkommen wird und dann i.d.R. nur ein konkretes Geschäft betrifft, beeinträchtigt die Berufsfreiheit weniger als eine Strafbarkeit bei dolus eventualis oder Fahrlässigkeit, die deutlich häufiger vorkommen und dabei auch viele Fälle betreffen, in denen es dann zu keinem deliktischen Erfolg kommt. Außerdem wird das Strafbarkeitsrisiko in seiner „Breitenwirkung“ auch umso größer, je niedriger die Anforderungen an die jeweilige subjektive Beziehung zur Tat angesetzt werden, d. h. je strenger der Fahrlässigkeitsmaßstab ist und je weniger tatsächliche Anhaltspunkte für das kognitive Element des dolus eventualis für ausreichend erachtet werden. Zwar kommt es in den Fällen, in denen kein deliktischer Erfolg eintritt, i.d.R. auch zu keiner Strafbarkeit des berufsbedingt mittelbaren Verursachers. Denn nach h.M. gibt es keinen Versuch eines Fahrlässigkeitsdelikts, und auch eine versuchte Beihilfe ist nicht strafbar. Indes weiß ja – außerhalb der Fälle des dolus directus – der Berufsträger im Voraus gerade nicht mit Gewissheit, ob es zu einem solchen Erfolg kommen wird oder nicht. Um sein Strafbarkeitsrisiko zu minimieren, müsste er daher seine berufliche Leistung (aus Rechtsgüterschutzgesichtspunkten noch dazu: ganz umsonst) in einigen Fällen verweigern, in denen sein Kunde überhaupt keinen deliktischen Zweck verfolgt, wenn er nur für möglich hält (dolus eventualis) oder halten müsste (Fahrlässigkeit), dass eine Straftat begangen wird.

Zu diesen beiden Faktoren der Intensität des Eingriffs in die Berufsfreiheit einerseits und der Eignung zum Rechtsgüterschutz andererseits lassen sich nun einige Zusammenhänge benennen, welche die Angemessenheitsprüfung entscheidend prägen:541 – Mit Blick auf die Berufsfreiheit sicher unzulässig, da unangemessen (oder sogar schon nicht erforderlich) wäre eine vollständige Untersagung alltäglicher neutraler beruflicher Verhaltensweisen, nur weil diese in seltenen Einzelfällen auch Vgl. o. S. 184 f. Diese Zusammenhänge könnten – soweit sie allgemeine Geltung beanspruchen und nicht von dem Phänomen der „Neutralität“ abhängig sind – den Kern einer verfassungsrechtlich beeinflussten Tatbestandslehre bilden, wie Tiedemann, Verfassungsrecht und Strafrecht, S. 57 f., sie in gewissen Grenzen für möglich hält. Eine solche hier näher zu entfalten, ist allerdings nicht Ziel der vorliegenden Arbeit. 540 541

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einmal zum Bestandteil eines deliktischen Planes gemacht werden können. Je näher nun eine Pönalisierung berufsbedingter Verhaltensweisen in seiner „Breitenwirkung“ für die Ausrichtung des Verhaltens des Berufsträgers einem solchen totalen Verbot kommt, desto mehr spricht dafür, an seiner Angemessenheit zu zweifeln. – Aber auch dort, wo der Eingriff etwas weniger intensiv, dafür aber die Eignung für den Rechtsgüterschutz in hohem Maße fraglich ist, nähert sich die Gesamtbeurteilung der Stelle, wo die Angemessenheit in eine Unangemessenheit umzukippen droht.

Sind nun aber für die Angemessenheit die Auswirkungen auf die Berufsfreiheit einerseits und die Eignung zum Rechtsgüterschutz andererseits die entscheidenden Parameter, wird i.V.m. den vorangegangenen Überlegungen die Bedeutung der Neutralität i. S. d. „Alltäglichkeit“ und „Unangepasstheit“ des berufsbedingten Verhaltens deutlich: In Bezug auf eine so verstandene Neutralität stehen die beiden Parameter in einem reziproken Verhältnis. Je „neutraler“ das Verhalten ist, desto geringer ist nämlich grundsätzlich (auf Grund der umso leichteren anderweitigen Verfügbarkeit) die Geeignetheit zum Rechtsgüterschutz und desto schwerer wiegt umgekehrt der Eingriff in die Berufsfreiheit (weil umso mehr Verhaltensweisen von der „Breitenwirkung“ einer Strafbarkeitsdrohung betroffen sind). Daher steigen die Zweifel an der Angemessenheit mit dem „Grad an Neutralität“ gewissermaßen nicht nur linear, sondern exponentiell an – aber auch umgekehrt.

IV. Zusammenfassung und weiterführende Fragen Die verfassungsrechtlichen Untersuchungen haben erwartungsgemäß Zwischenergebnisse aus den allgemeinen Grundlagen z.T. aufgegriffen und konkretisiert sowie einer ersten dogmatischen Betrachtung zugeführt. In diesen Überlegungen sind zwei Stoßrichtungen zu unterscheiden: Zum einen die „äußeren“ Anforderungen an eine Lösung, die verfassungsrechtlich durch die Vorgaben des Art. 103 II GG geprägt sind; zum anderen stärker inhaltliche Aspekte im Zusammenhang mit der Grundrechtsbindung der staatlichen Strafgewalt. Von den am Ende des 2. Teiles herausgearbeiteten Grundfragen542 ergaben sich daraus insbesondere zur Privilegierungsbedürftigkeit berufsbedingten Verhaltens und zu den Bestimmtheitsanforderungen denkbarer Lösungen wichtige Anhaltspunkte, aber auch Material zu den übrigen Punkten543 (vgl. dazu im Folgenden unter 2. und 3. jeweils a). Dennoch besteht weiterer Klärungsbedarf für die strafrechtsdogmatischen Grundlagen, insbesondere in Gestalt der dogmatischen UmsetVgl. o. S. 165 ff. Dies waren etwa zur „Neutralität“ ihre besondere „Hebelwirkung“ im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung und zu den Grenzen staatlichen Strafrechts die Freiheitssicherungen der Grundrechte. 542 543

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3. Teil: Grundlegungen einer eigenen Lösung

zung von genuin verfassungsrechtlichen Erkenntnissen durch spezielle strafrechtliche Überlegungen (vgl. dazu im Folgenden unter 2. und 3. jeweils b). 1. Zum grundsätzlichen Nutzen verfassungsrechtlicher Überlegungen Trotz der Stellung der Verfassung in der rechtsstaatlichen Normenhierarchie werden gegen ihre (vertiefte) Berücksichtigung Einwände vor allem mit Blick auf die Vagheit der Verfassungsbestimmungen bzw. ihre mangelnde Aussagekraft für konkrete Probleme geltend gemacht. Allerdings ist im Vergleich allein zu ungeschriebenen (naturrechtlichen) Grundsätzen in einem auf schriftlichen Kodifikationen aufbauenden Rechtsstaat nicht nur „etwas Text“ besser als gar keiner; vielmehr sind die einzelnen Grundrechte und Prinzipien des GG durch eine teilweise umfangreiche Rechtsprechung des BVerfG erheblich mit Inhalt und Leben gefüllt worden. 2. Äußere Anforderungen an die Problemlösung durch das strafrechtliche Gesetzlichkeitsprinzip (Art. 103 II GG) Die (äußeren) Anforderungen an das erforderliche Verhältnis zwischen dem jeweiligen Normtext und der Lösung unseres Problems sind vor allem in Art. 103 II GG verankert: a) Das Prinzip „nullum crimen, nulla poena sine lege“ verfolgt mit seinen vier Garantien der lex scripta, praevia, stricta und certa zwei Funktionen: Die eines besonders hervorgehobenen und eng einzuhaltenden Gesetzesvorbehalts sowie die einer Garantie für den individuellen Vertrauensschutz in der Vorhersehbarkeit der Grenzen strafbaren Verhaltens. Im Mittelpunkt der bisherigen Diskussion544 stehen vor allem die eng miteinander verwobenen Garantien der lex stricta und certa. Die Anforderungen, die von der Gerichtspraxis aus Art. 103 II GG abgeleitet (und in ihren Ergebnissen ungeachtet weiter gehender Lippenbekenntnisse auch in der Literatur verbreitet akzeptiert) werden, sind dabei allerdings nicht sehr hoch. Jedoch zeigt der Blick auf die moderne Sprachwissenschaft, dass diese Zurückhaltung hinsichtlich einer Bindungswirkung der „Bedeutung“ der verwendeten Begriffe durchaus berechtigt ist. Aufgabe des Gesetzgebers kann es nur sein, das Gesetz so exakt zu formulieren, dass der „informierte Laie“ (bei unterstellter Gesetzeslektüre) erkennen könnte, ob ein bestimmtes Verhalten strafbar ist; Aufgabe des Richters ist es, dieses Gesetz auch so auszulegen, dass diesen Laien kein überraschendes Ergebnis trifft und dass seine Entscheidungen für zukünftiges Verhalten eine ausreichende Orientierungssicherheit ermöglichen. Dies gilt umso mehr bei vielen Vorschriften und Prinzipien des Allgemeinen Teils sowie bei Strafeinschränkungsgründen (deren Abgrenzung von Strafbegründungsvoraussetzungen freilich gerade im Bereich der Zurechnungslehre nur bedingt trennscharf möglich ist). Insoweit 544

Vgl. o. S. 246 ff.

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wären daher alle in der bisherigen Diskussion vertretenen Lösungsansätze mit den Anforderungen des nulla-poena-Grundsatzes vereinbar. Immerhin ist aber nach Art. 103 II GG unumgänglich, dass das Strafbarkeitsrisiko (und damit die Auslegung im Einzelfall) vorhersehbar ist. Dies erfordert in der gerichtlichen Konkretisierung klare Abgrenzungen und Systematisierungen. Das könnte etwa dafür sprechen, in gewissem Umfang Vorwertungen anderer Normen zu übernehmen, da den bewusst normüberschreitenden Täter auch der strafrechtliche Vorwurf weniger unvorbereitet trifft als den penibel alle ergänzenden Vorschriften einhaltenden. Auch eine Abstufung nach der subjektiven Beziehung des Täters zur Tat könnte im Hinblick darauf sinnvoll sein. Denn obwohl es um zwei unterschiedliche Ebenen geht (Kenntnis der Tatsachen und rechtliches Erkennen Können einer Strafbarkeit), sind diese hinsichtlich der Motivation des Täters nicht völlig zu trennen, da sich erst aus beiden zusammen das Erfassen eines Strafbarkeitsrisikos ergibt. b) Diese Überlegungen machen aber auch ihrerseits wieder weiteren Klärungsbedarf sichtbar: An die Strafrechtsdogmatik stellt sich zunächst die zentrale Frage, wie die auch sub specie Art. 103 II GG bedeutsame Systembildung aussehen könnte (wobei es auch jenseits der verfassungsrechtlichen Schranke der Unbestimmtheit Lösungen geben wird, die dem Ziel des Art. 103 II GG besser oder schlechter gerecht werden). Sowohl die inhaltlich-verfassungsrechtliche als auch die spezifisch strafrechtliche Darstellung müssen außerdem andeuten, wo die Argumente für oder gegen eine Straflosigkeit liegen könnten, die Art. 103 II GG in seinem Verständnis als Gebot eines bestimmten argumentativen Standards für den Einzelfall verlangt. 3. Inhaltliche Anforderungen an die Problemlösung durch Berufsfreiheit (Art. 12 GG) und Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (Art. 20 III GG) Noch viel ergiebiger für die Vorbereitung einer eigenen Lösung sind die materiellen Gewährleistungen der Berufsfreiheit und des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes.545 Dies gilt insbesondere, wenn man sich nicht auf die Frage nach einer verfassungskonformen Auslegung i.e.S. (d. h. die Prüfung, ob eine strafbarkeitsbejahende Auslegung im konkreten Fall „hart verfassungsmäßig“ wäre) beschränkt, sondern die Möglichkeiten einer systematisch-grundgesetzlichen Interpretation nutzt. a) Danach ist zum einen auch jenseits des Votums der Verfassungswidrigkeit im Kontext des Grundgesetzes diejenige Auslegung jeweils vorzugswürdiger, die den Wertungen des GG, speziell der Effektuierung von Grundrechten, besser gerecht wird. Zum anderen geht es nicht mehr nur um die (prinzipiell unstreitige) Verfassungsmäßigkeit einzelner Tatbestände, sondern um verfassungsrechtliche Argumente für oder gegen die Subsumtion bestimmter Verhaltensformen unter einen Straftatbestand. 545

Vgl. o. S. 268 ff.

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3. Teil: Grundlegungen einer eigenen Lösung

Bei der Frage nach dem grundrechtlichen Prüfungsmaßstab gilt es, eine Reihe von Einwänden gegen das Vorliegen eines Eingriffs in den Schutzbereich des Art. 12 I GG abzuarbeiten.546 Im Ergebnis sprechen jedoch die besseren Gründe dafür, dass auch Verhaltensweisen, die potentiell unter einen Straftatbestand subsumierbar sein können, grundrechtlichen Schutz im Allgemeinen und den des Art. 12 I GG im Besonderen genießen können und dass auch das Vorliegen eines Eingriffs in den (funktionalen) Schutzbereich zu bejahen ist.547 All dies hat zur Folge, dass sub specie constitutionis durchaus eine Privilegierung von berufsbedingtem gegenüber anderweitig „neutralem“ Verhalten begründbar wäre. Ob im konkreten Fall aber ein solcher Eingriff in den Schutzbereich der Berufsfreiheit verfassungsrechtlich bedenklich ist (und damit Argumente für eine systematisch-grundgesetzliche Auslegung liefert), hängt davon ab, ob (und wie „klar“ oder „nur mit Mühe“) er gerechtfertigt ist. Dabei ist die Verfolgung eines verfassungsrechtlich legitimen Zwecks i.d.R. kein besonderes Problem. Auch auf den Prüfungsstationen der Geeignetheit und Erforderlichkeit ergeben sich normalerweise keine Bedenken, was allerdings teilweise Folge der weiten Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers insbesondere zur Geeignetheit von Strafbestimmungen ist. Gerade hinsichtlich dieser Geeignetheit bestehen nämlich gewisse Zweifel, die umso größer sind, je leichter eine benötigte Leistung anderweitig legal ebenfalls erlangt werden kann. Das argumentative Gewicht der Geeignetheitszweifel wird bei einer systematisch-grundgesetzlichen Auslegung in der Angemessenheitsstation umso größer, wenn mit einer geringen Geeignetheit auch noch ein verhältnismäßig intensiver Eingriff in die Berufsfreiheit einhergeht. Diese Intensität hängt von der Art der pönalisierten Tätigkeit sowie von der erforderlichen subjektiven Einstellung dazu ab, welche damit die Koordinaten spannen, zwischen denen die unterschiedlichen Angriffswege auf ein Rechtsgut eingeordnet werden können. Da Eingriffsintensität in die Berufsfreiheit und Eignung zum Rechtsgüterschutz bei „zunehmender Neutralität“ immer weiter (gleichsam reziprok) auseinander streben, wiegt das systematisch-grundgesetzliche Argument gegen die Bejahung der Strafbarkeit zunehmend schwerer. b) Obwohl damit schon wichtige Anhaltspunkte erarbeitet sind (die bei einer konkreten Fallprüfung noch mit viel mehr Leben gefüllt werden können), bleibt auch hier noch eine Reihe von Punkten (zumindest teilweise) offen. Zu ihrer näheren Klärung sollen die anschließenden strafrechtsdogmatischen Überlegungen fruchtbar gemacht werden: Diese könnten in die „doppelte Je-desto-Abstufung“ (nämlich hinsichtlich Geeignetheit zum Rechtsgüterschutz und Intensität des Eingriffs) feste – i.S. einer klaren Systematisierung nach Art. 103 II GG wünschenswerte – Entscheidungslinien einziehen; solche könnten z. B. in der strafrechtlichen Lehre von Vorsatz und Fahrlässigkeit verortet werden. Des Weiteren gilt es in der sachnäheren und insoweit ausgefeilteren Strafrechtsdogmatik auch die Bedeutung 546 547

Vgl. o. S. 274 ff. Vgl. o. S. 282 ff.

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der Verursachung durch mehrere Beteiligte klarer zu entfalten, die hier nur im Rahmen der Geeignetheitsprüfung kurz angedeutet wurde.

C. Strafrechtsdogmatische Grundlagen Die Überlegungen in den „Allgemeinen“ und „Verfassungsrechtlichen Grundlagen“ haben – wie insbesondere in den beiden Abschnittszusammenfassungen auf S. 236 ff. und 301 ff. deutlich wird – bereits wichtige Erträge gebracht. Allerdings wurde ebenso vielfach darauf hingewiesen, dass eine handhabbare Antwort erst durch eine Berücksichtigung spezifisch strafrechtsdogmatischer Erwägungen formuliert werden kann. Der Strafrechtsdogmatik kommen dabei drei Funktionen zu: Zunächst beschreitet sie auch Wege, die für die bisher eingenommenen Perspektiven grundsätzliche ohne Bedeutung sind.548 Des Weiteren könnten auf dem weiten Feld der Strafrechtsdogmatik für einzelne Probleme auch schon breitere, ausdifferenziertere Pfade vorgezeichnet sein, die eine genauere Orientierung ermöglichen als etwa grobe Wegweiser aus der Rechtsgüterlehre. Schließlich – und hier liegt eine besonders wichtige Aufgabe – müssen die Wege, die bisher in ihrer Richtung als „wünschenswert“ bewertet wurden, daraufhin untersucht werden, ob sie strafrechtsdogmatisch auch gangbar sind, oder anders ausgedrückt: Was sich an Vorgaben aus allgemeinen oder verfassungsrechtlichen Überlegungen ergeben hat, muss erst noch strafrechtlich umgesetzt werden. Dabei wird in den nachfolgenden Überlegungen unter I. – III. noch weitgehend darauf verzichtet, „Gesamtlösungen“ zu entwickeln. Vielmehr ist dieser Schritt im Wesentlichen dem 4. Teil549 vorbehalten. Exemplarisch: Die Untersuchung des erlaubten Risikos wird ebenso Hinweise auf die Beantwortung der Ausgangsfrage erbringen wie die weiter unten behandelten Anforderungen an die Tatförderung bei der Beihilfe. Dennoch werden bei der Darstellung der Tatförderung die Ergebnisse zum erlaubten Risiko noch nicht – was durchaus möglich wäre – unmittelbar mit „eingebunden“, sondern beide Aspekte erst im Rahmen der „Gesamtschau“ zusammengeführt. Dieses Vorgehen hat zwei Vorteile: Zum einen bleibt die Darstellung der jeweiligen Einzelfragen übersichtlicher; zum anderen können die Ergebnisse, zu denen die Untersuchung der Einzelfragen kommt, auch von demjenigen klarer nachvollzogen und herangezogen werden, der vielleicht den Resultaten an anderen Stellen nicht folgen mag.

Eine genaue Trennung dieser drei beschriebenen Aufgaben ist dabei freilich nicht möglich, so dass die folgenden Überlegungen im Wege einer Gesamtschau drei zentrale Problemkreise im gebotenen beschränkten Umfang behandeln sollen. Da es letztlich um die Entscheidung darüber geht, ob an ein Verhalten, das in einem rein tatsächlichen Sinn „unterstützend“ für die Straftat eines Dritten wirkt, 548 Dies gilt etwa für die Frage nach der Verursachung durch mehrere, die in verschiedenen Facetten ein zentrales Thema der Strafrechtsdogmatik ist, dagegen für die vorgenommenen verfassungsrechtlichen Untersuchungen grundsätzlich keine Rolle spielte. 549 Vgl. u. S. 424 ff.

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3. Teil: Grundlegungen einer eigenen Lösung

strafrechtliche Sanktionen anknüpfen können, steht dabei in unterschiedlicher Weise im Mittelpunkt, nach welchen Kriterien bei verschiedenen Verhaltensformen eingetretene deliktische Erfolge einem Handeln zugerechnet werden können: Zunächst wird deshalb der Frage nachgegangen, an welche Voraussetzungen ganz allgemein gesprochen das Unrechtsurteil beim vorsätzlichen Begehungsdelikt geknüpft ist (sogleich I.): Dies nicht nur, weil dieses gewissermaßen die Grundform des Verbrechens darstellt, sondern weil letztlich auch die in der bisherigen Diskussion im Mittelpunkt stehende Beihilfe in gewisser Weise ein vorsätzliches Begehungsdelikt – wenngleich eigener Art – darstellt. In einem zweiten Schritt wird erörtert, welche Prinzipien für die Zurechnung bei einer Beteiligung mehrerer Personen und dabei insbesondere für den Unterstützer als mittelbaren Verursacher gelten und ob sich aus diesen allein oder in Kombination mit den allgemeinen Grundsätzen Anhaltspunkte für die Abgrenzung zwischen strafbaren Unterstützungshandlungen und strafloser Berufsausübung ergeben (im Anschluss II.). Zuletzt wird erörtert, wie sich gegenüber diesen „Normalfällen“ verringerte oder erhöhte Anforderungen an eine strafrechtliche Verantwortlichkeit auswirken, etwa soweit eine Fahrlässigkeitsstrafbarkeit gesetzlich statuiert ist oder soweit der Berufsträger nur durch ein Unterlassen agiert (danach III.). Auch der vorliegende Abschnitt endet mit einer Zusammenfassung (zuletzt IV.), die allerdings mit Blick auf den größeren Umfang des Abschnitts durch ein kurzes Zwischenergebnis am Ende eines jeden mit einer arabischen Ziffer benannten Unterabschnittes vorbereitet und dadurch entlastet wird. Noch mehr als schon in den bisherigen Überlegungen zu den Grundlagen gilt auch hier, dass selbstverständlich Komplexe wie die Zurechnungs- oder Teilnahmelehre nicht annähernd umfassend dargestellt werden können. Vielmehr kann es nur darum gehen, einige Gedanken zu skizzieren und in dem Gesamtzusammenhang einzuordnen, die spezifisch zur Lösung des hier interessierenden Problems beizutragen geeignet sind. Nicht nur aus Gründen der Vereinfachung oder der Hoffnung auf breitere Akzeptanz, sondern vielfach wegen der Überzeugungskraft in der Sache werden im Folgenden häufig die Strukturen nach dem Verständnis der herrschenden Lehre dargestellt werden. Bei zentraleren Weichenstellungen, vor allem aber auch, soweit diese herrschende Lehre in Frage gestellt wird, soll aber dennoch begründet werden, wo die Vorzüge der hier dann letztlich zugrunde gelegten Sichtweisen liegen.

I. Begründung des Unwerturteils beim vorsätzlichen Begehungsdelikt Die Diskussion um die Verantwortlichkeit für berufsbedingte Unterstützungshandlungen ist u. a. durch zwei interessante Phänomene geprägt, die auch in der Darstellung des Meinungsstandes deutlich hervorgetreten sind: Zum einen wird sie in den Lösungswegen wie den Ergebnissen gleichermaßen kontrovers geführt; zum anderen wird gerne darauf verwiesen, dass bestimmte (insbesondere: strafbarkeitsbejahende) Ergebnisse kontraintuitiv seien, obwohl sie sich „eigentlich“ auf der

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Grundlage allgemeiner dogmatischer Grundsätze ergeben müssten. Das macht es notwendig, sich über diese scheinbar selbstverständlichen „Grundsätze“ Gewissheit zu verschaffen. Die „grundsätzlichsten“ Regeln sind dabei jene, die über die Begründung des Unwerturteils beim vorsätzlichen Begehungsdelikt entscheiden (wenngleich auch diese rasch in kompliziertere und gar nicht mehr unumstrittene Verästelungen führen). Den Blick darauf zu richten, ist mit zwei wichtigen Chancen verbunden: Zunächst erleichtert es zumindest eine vorübergehende „Emanzipation“ von den Argumentationsmustern der bisherigen Diskussion, was die zu deren Bewertung unumgängliche kritische Distanz fördert. Darüber hinaus und vor allem ermöglicht es einen interessanten Perspektivenwechsel. Statt erst danach zu fragen, mit welchen Überlegungen eine „eigentlich doch zu bejahende“ Strafbarkeit eventuell doch zu verneinen ist, kann umgekehrt untersucht werden, wie ein äußerlich völlig unauffälliges Verhalten auf einmal zu einer Straftat und damit zu etwas objektiv Unrechtem werden kann. Möglicherweise kann der (hier dogmatisch verstandene550) Grund für das Unrechtsurteil zugleich auch Argumente für seine Begrenzung liefern. Angesichts dieser Aussichten erscheint auf den ersten Blick etwas erstaunlich, dass in der bisherigen Diskussion eine solche Rückbesinnung auf die Grundlagen des Unwerturteils nur eine untergeordnete Rolle spielt. Selbst Roxin, der ohne Übertreibung als einer der geistigen Väter der modernen Zurechnungslehren bezeichnet werden kann, entwickelt (wie auch oben gezeigt) sein Lösungsmodell weitgehend ohne solche Rückgriffe. Allerdings gibt es bei näherem Hinsehen zwei Gründe für diese Abstinenz: Zum einen sind einem solch weitem Ausholen schon mit Blick auf den Umfang Grenzen gesetzt, die ein solches Vorgehen fast nur in Monographien möglich machen.551 Zum anderen knüpft eine Reihe von Untersuchungen vorrangig oder sogar ausschließlich an die Beihilfedogmatik an und diskutiert dann einzelne Sachgesichtspunkte (etwa der Risikoquantifizierung und -qualifizierung) stärker unter diesem Blickwinkel.552

Aus der unübersehbaren Vielzahl der damit zusammenhängenden Fragen sollen dem Zweck der Untersuchung entsprechend folgende Punkte herausgegriffen wer550 Zu den Gründen i. S. d. Strafzweckdiskussion bzw. einer Betrachtung der Aufgaben des Strafrechts vgl. o. S. 188 ff. 551 Nicht zufällig wird in dem einschlägigen Werk von Wolff-Reske ein noch verhältnismäßig ausführlicher Einstieg über die Lehre von der objektiven Zurechnung gewählt, vgl. S. 85 ff., wo zunächst auf 10 Seiten die Grundlagen der objektiven Zurechnung erörtert und dann auf weiteren rund 30 Seiten auf die Beihilfe übertragen wird. Auch die breiten Ausführungen zu „Tatbestandsmäßigem Verhalten und Zurechnung des Erfolges“ bei Frisch, die teilweise den Hintergrund seines Lösungsansatzes bilden (vgl. zu diesem nochmals oben S. 99 ff.), sind nur in einer monographischen Darstellung möglich. 552 Der Zusammenhang zwischen Zurechnungs- und Beteiligungslehre wird besonders deutlich, wenn man die Beteiligungsregeln schon formal als Bestandteil der objektiven Zurechnung einordnet; dafür insb. Bloy, Die Beteiligungsform als Zurechnungstypus im Strafrecht, passim, sowie Jakobs, Hirsch-FS, S. 45, 49, dort Fußn. 15 und wohl auch ders., AT, Abschn. 21, welches das 4. Kapitel des „Buches: Zurechnungslehre“ bildet.

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3. Teil: Grundlegungen einer eigenen Lösung

den: Zunächst werden kurz die Grundelemente tatbestandsmäßigen rechtswidrigen Verhaltens in Erinnerung gerufen, um das Verhältnis der denkbaren Anknüpfungspunkte nach hier vertretenem Verständnis offen zu legen (sogleich 1.). Danach wird skizziert, welche Bedeutung beim vorsätzlichen Begehungsdelikt dem Handlungsunrecht zukommt (im Anschluss 2.), bevor abschließend die vorliegend bedeutsamen Topoi des „erlaubten Risikos“ und des (konkretisierten) „Sonderwissens“ näher behandelt werden (zuletzt 3.)

1. Grundelemente tatbestandsmäßigen rechtswidrigen Verhaltens beim vorsätzlichen Begehungsdelikt Die Grundelemente, die das Unwerturteil über die Tat beim vorsätzlichen Begehungsdelikt begründen, sind Tatbestand und Rechtswidrigkeit. Sie bilden die denkbaren Anknüpfungspunkte einer Lösung des Problems der berufsbedingten Unterstützungshandlungen. Dagegen ist eine – soweit ersichtlich auch nicht ernsthaft vertretene553 – Lösung auf Schuldebene von vornherein nicht überzeugend vorstellbar: Das Problem ist ein strukturelles, das jeden Berufsträger in der entsprechenden Situation in gleicher Weise trifft und ganz ohne Blick auf persönliche Eigenschaften oder (anders als durch diese Struktur bedingte) Zwangslagen des Berufsträgers gelöst werden muss. Daher ist bereits die Bewertung der Tat und nicht ein Urteil über die persönliche Vorwerfbarkeit gegenüber dem Täter554 gefragt und somit spätestens die Rechtswidrigkeitsebene betroffen.

a) Die objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmale Im Rahmen der Tatbestandsmäßigkeit unterscheidet beim Vorsatzdelikt bekanntlich die heute ganz h. M. – insoweit noch übereinstimmend zwischen stärker finalistisch und moderneren teleologisch geprägten Auffassungen – grundsätzlich zwischen dem objektiven und dem subjektiven Tatbestand. Die Verwirklichung des Tatbestandes – als Indiz für die Rechtswidrigkeit und damit als erster Teilschritt zur Begründung des Unwerturteils – setzt dabei die Erfüllung aller objektiven und subjektiven Merkmale voraus. Die objektiven Tatbestandsmerkmale bezeichnen vor allem Gegenstände der Außenwelt oder genauer gesagt: alles, was außerhalb 553 Zur Frage nach einer Straflosigkeit für anwaltliche Beratungstätigkeit im Fall RGSt 37, 321 spricht Galli, GS 97 (1906), 370, 373 einmal von einem „Schuldausschließungsgrund“. Ob damit aber wirklich eine Lösung auf einer Ebene gemeint ist, die der heutigen Schuldprüfung entspricht, ist nicht nur fraglich, weil Entscheidung und Anmerkung noch auf der Grundlage des klassischen Verbrechensbegriffs basieren, sondern weil Galli selbst a. a. O. alternativ dazu auch von der „legalisierenden“ Wirkung des Berufsrechts spricht. 554 Zur Rechtswidrigkeit als Bewertung der Tat und der Schuld als persönliche Vorwerfbarkeit an den Täter vgl. statt aller nur Jescheck / Weigend, AT, § 39 I 1 = S. 425, sowie Kühl, AT, § 10 Rn. 2.

C. Strafrechtsdogmatische Grundlagen

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des seelischen Bereichs des Täters gelegen ist. Es sind also die Merkmale des Tatbestandes, welche Handlung, Handlungsobjekt, gegebenenfalls Erfolg, äußere Umstände der Tat und Person des Täters umschreiben.555 Für die hier gestellte Frage nach berufsbedingten Unterstützungshandlungen ist von diesen Merkmalen vor allem die Tathandlung (d. h. das Hilfeleisten i. S. d. § 27 StGB bzw. die Tathandlung entsprechender eigenständiger Delikte) von Interesse. Demgegenüber gehört zum subjektiven Tatbestand – neben den vorliegend nicht interessierenden „sonstigen subjektiven Merkmalen“ – der Vorsatz, den § 15 StGB für eine Strafbarkeit verlangt, wenn nicht ausnahmsweise556 fahrlässiges Handeln ausdrücklich im Gesetz unter Strafe gestellt ist. Für das hier untersuchte Problem hat die Darstellung des bisherigen Meinungsstandes das Problem in den Vordergrund gerückt, ob auch ohne ausdrücklich gesetzliche Anordnung ein bestimmter Vorsatzgrad gefordert werden kann. Wird diese Frage verneint, so ist ferner von Interesse, ob bei den Anforderungen an das Vorliegen bestimmter Vorsatzarten (und dabei insbesondere des dolus eventualis) die Besonderheiten berufsbedingten Verhaltens eine Rolle spielen könnten.

b) Die Verortung ungeschriebener Zurechnungskorrektive, insbesondere die Lehre von der objektiven Zurechnung (1) Neben diesen in den jeweiligen Tatbeständen bzw. den Vorschriften des Allgemeinen Teils (insbesondere §§ 27, 15 StGB) genannten Merkmalen gehört zum Tatbestand auch eine Reihe ungeschriebener Voraussetzungen. Dabei besteht Einigkeit darüber, dass die Kausalität zwischen Handlung und Erfolg bei Erfolgsdelikten zum objektiven Tatbestand zu zählen ist. Bis heute nicht gänzlich unumstritten ist in der Literatur557 dagegen, wo weitere Zurechnungskorrektive ihren Platz haben.558 Während die heute bei weitem herrschende Lehre ein Konzept der objektiven Zurechnung verfolgt,559 sieht die Gegenansicht in finalistischer Traditi555 Vgl. Jescheck / Weigend, AT, § 27 I 1 = S. 273 ff. mit Verweis bereits auf Zimmerl, Zur Lehre vom Tatbestand, S. 12 und Beling, Die Lehre vom Verbrechen, S. 76, 81. 556 Dieses Regel-Ausnahmeverhältnis gilt jedenfalls für das Kernstrafrecht, während im Nebenstrafrecht häufiger akzessorische Strafbewehrungen Vorsatz und Fahrlässigkeit nebeneinander stellen. In der jüngeren gesetzgeberischen Entwicklung zugenommen haben außerdem auch im Kernstrafrecht Fälle, in denen eine (Erfolgs-)Qualifikation von Vorsatztatbeständen an die mindestens fahrlässige oder leichtfertige Verursachung bestimmter schwerer Folgen anknüpft, vgl. zu dieser Entwicklung speziell durch das 6. StrRG Küpper, ZStW 111 (1999), 785 ff. 557 Die Rechtsprechung nimmt insoweit eine Zwischenstellung ein, als sie einzelne Problemfälle als „Irrtum über den Kausalverlauf“ auf der subjektiven Ebene behandelt, während sie andere als „Kausalität im Rechtssinne“ im objektiven Tatbestand loziert und in einigen wenigen Fallgruppen (insb. bei der eigenverantwortlichen Selbstgefährdung) der Sache nach das Institut einer objektiven Zurechnung anerkennt. 558 Einen guten Überblick über den Streit – unter Anknüpfung an die Lehre von der Sozialadäquanz – gibt Cancio Meliá, GA 1995, 179 ff.

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3. Teil: Grundlegungen einer eigenen Lösung

on den Platz für weitere Zurechnungskorrektive vor allem im subjektiven Tatbestand.560 Erörtert wird der Unterschied zwischen beiden Auffassungen immer wieder anhand von Beispielsfällen der folgenden Art561 (welche auf den ersten Blick mit dem hier interessierenden Problem nichts zu tun zu haben scheinen, bei genauerem Hinsehen aber mit Blick auf die objektiv geringe Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts sowie auf die „äußere Üblichkeit“ durchaus wichtige Gemeinsamkeiten haben): T schickt O auf eine Flugreise, obwohl er für möglich hält oder sogar hofft, dass das Flugzeug abstürzt. Oder in abgewandelter Form: Er ermuntert O zu einem Spaziergang bei Gewitter, obwohl er für möglich hält oder sogar hofft, dieser werde vom Blitz erschlagen. Schließlich: T lässt ein technisches Großprojekt erstellen, obwohl er auf Grund statistischer Erfahrungen damit rechnet oder sogar hofft, dass Arbeiter O trotz Einhaltung aller Vorsichtsmaßnahmen bei der Planung einen körperlichen Schaden erleidet. Die Lehren von der objektiven Zurechnung würden hier mangels einer objektiv unerlaubten Gefahr sowie unter Gesichtspunkt der eigenverantwortlichen Selbstgefährdung bereits den objektiven Tatbestand verneinen, während die finalen Handlungslehren das Problem im subjektiven Tatbestand sehen. Der Vorsatz setze als Verwirklichungswille nämlich voraus, dass der Täter sich eine Einwirkungsmöglichkeit auf das reale Geschehen zuschreibe, woran es in den Fällen der vorliegenden Art fehle. Deshalb liege nur eine Hoffnung oder ein Wunsch, nicht aber ein tatbestandsrelevanter Vorsatz vor.

(2) Für das Ergebnis in einem konkreten Fall mag es nun i.d.R. keine Rolle spielen, ob die Tatbestandsmäßigkeit des Verhaltens auf objektiver oder subjektiver Ebene abgelehnt wird.562 Da aber nicht nur als Grundlage der hier erfolgenden 559 Grundlegend zur modernen Zurechnungslehre Roxin, Honig-FS, S. 133 ff.; vgl. ferner statt vieler nur (mit Unterschieden im Einzelnen) Erb, JuS 1994, 449 ff.; Frisch, GA 2003, 719 ff.; Jescheck / Weigend, AT, § 28 II, III = S. 284 ff.; Kühl, AT, § 4 Rn. 36 ff.; Otto, AT, § 6 (als „Risikoerhöhungsprinzip“); Puppe, Die Erfolgszurechnung im Strafrecht I, passim; Roxin, AT, § 10 Rn. 55 und § 11 Rn. 39 ff.; Schünemann, GA 1999, 207 ff.; Wessels / Beulke, Rn. 176 ff. Ein System der objektiven Zurechnung liegt außerdem in der Sache auch dem Lehrbuch von Stratenwerth, AT, § 8 Rn. 25 ff. zugrunde. 560 Vgl. als heute noch wichtige Vertreter Hirsch, etwa Köln-FS, S. 399 ff., und (teilweise vermittelnd) ders., Lenckner-FS, S. 119 ff.; Küpper, (vgl. Grenzen der normativierenden Strafrechtsdogmatik, passim, insb. S. 44 ff.), sowie Struensee (vgl. JZ 1987, 53 ff., 541 ff. sowie GA 1987, 97 ff., allerdings mit Schwerpunkten auf dem Fahrlässigkeitsdelikt); krit. zur Bedeutung der objektiven Zurechnung beim Vorsatzdelikt auch Samson, ZStW 99 (1987), 617, 633, sowie LK-Schroeder, § 16 Rn. 25 ff. 561 So bei Hirsch ZStW 74 (1962), 72, 78, 98, 100 (wo freilich die Lösung teilweise noch im objektiven Tatbestand – wenngleich nicht als Zurechnungsproblem i.e.S. – gesucht wird), sowie bei ders., in: LK (10. Aufl.), vor § 32 Rn. 32, ders., Köln-FS, S. 399, 405 f., bei Küpper, Grenzen der normativierenden Strafrechtsdogmatik, S. 92 f. und bei Welzel, S. 66 einerseits sowie bei Jakobs, Hirsch-FS, 45, 46 ff. und Roxin, Kaufmann-GS, 237, 238 ff. andererseits. Dort jeweils auch – m. w. N. und in Nuancen jeweils unterschiedlich – die Lösungen auf der Grundlage der finalen Handlungslehre und der objektiven Zurechnungslehre. 562 Vgl. auch Bustos Ramíres, Kaufmann-GS, S. 213, 216, der in der „Überwindung des ( . . . ) Kausalismus“ das „wichtigste Element“ sieht, „in dem diese beiden Richtungen (sc. Finalismus und teleologische Verbrechenslehre) Übereinstimmung erzielen“, sowie Jakobs, Hirsch-FS, S. 45, 60: „Letztlich entscheidet freilich nicht, ob man die Zurechnungsfrage eher umständlich oder eher elegant angeht, sondern ob die Trennung in zurechenbare und nicht

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Begriffsverwendung, sondern auch aus Gründen der systematischen Klarheit563 eine Entscheidung zwischen beiden Ansätzen für die nachfolgende Darstellung hilfreich erscheint, soll hier der Ansatz der „objektiven Zurechnung“ i.w.S. verfolgt werden. Dieser bringt nicht nur die Vorteile mit sich, dass er einer Reihe von Stellungnahmen zum Problem berufsbedingter Unterstützungshandlungen ohnehin zugrunde liegt und dass die folgenden Ausführungen terminologisch enger an die gewohnten Begrifflichkeiten der h. L. angelehnt sind. Vielmehr erscheint er – was an dieser Stelle nicht abschließend begründet werden soll – auch in der Sache überzeugender. Zwar spricht für den finalen Ansatz, dass der auf den ersten Blick sehr klare objektive Tatbestand der kausalen Konzeptionen übernommen wird und dass wertende Elemente sich in das ohnehin notwendig normative Erfordernis des Vorsatzes564 besser integrieren zu lassen scheinen. Auch konnte Armin Kaufmann mit Recht feststellen, dass eine weitere Kategorie der objektiven Zurechnung auf der Grundlage des finalen Handlungsbegriffs und entsprechend verengter Vorsatzanforderungen nicht „notwendig“ sei.565 Umgekehrt könnte man aber auch sagen, dass man zur Prüfung eines solchen erweiterten Vorsatzbegriffes (der ja allein aus der Formulierung des § 15 StGB keineswegs „automatisch“ folgt) gar nicht mehr kommt, wenn man ein Haftungskorrektiv der objektiven Zurechnung verfolgt. Die „Überflüssigkeit“ ist daher ein schwaches Argument, weil sie jeweils wechselseitig mit der Anerkennung des jeweils anderen Instituts steht und fällt. In der Sache ist nun aber die Lehre von der objektiven Zurechnung die überzeugendere. Denn wie schon die o.g. Formel von einem auf eine „Einwirkungsmöglichkeit“ gerichteten Vorsatz nahe legt und wie etwa Roxin überzeugend dargelegt hat,566 muss die vom Finalismus bevorzugte Lösung auf der Ebene des Vorsatzes letztlich mit einer Verschiebung der objektiven Gegebenheiten in den subjektiven Tatbestand (bzw. der Hineindeutung von allgemeinen Kriterien der objektiven Zurechnung in den jeweizurechenbare Risiken überhaupt erfolgt.“ (wobei man unterstellen darf, dass Jakobs wohl die objektive Lösung für die „eher elegante“ hält). 563 Zu deren grundsätzlichen Wert vgl. Frisch, Verhalten und Zurechnung, S. 44 f. und Roxin, AT, § 7 Rn. 32. 564 Dass der Vorsatz nicht rein psychologisierend zu verstehen ist, wird für den Finalismus schon dadurch deutlich, dass Welzel bereits in seinen Grundlegungen (ZStW 58 [1939], 491, 496 f.) „die ganze Handlung“ als „eine vom zwecksetzenden Willen beherrschte reale Sinneinheit“ und „Verwirklichung des vom Willen gesetzten Handlungssinnes“ bezeichnet. Aber auch wenn man auf der Grundlage objektiv zurechnungskorrigierender Modelle den Vorsatz vor allem auf die innere Einstellung des Täters zu den den objektiven Tatbestand bildenden Umständen reduziert (vgl. etwa bei Herzberg, JZ 1987, 536, 537 ff.), fehlt ihm nicht jedes normatives Element. Denn die Frage, welchen Grad an kognitiver und vor allem voluntativer Beziehung zum Geschehen der Täter haben muss, um einen Vorsatz bejahen zu können, kann man nicht anders als wertend festlegen. Deshalb ist es keinesfalls abwegig, diese Anforderungen an ein äußerlich ohnehin nicht greifbares Faktum noch weiter normativ aufzuladen. 565 Vgl. Armin Kaufmann, Jescheck-FS, S. 251 ff., insb. 267. 566 Vgl. Roxin, Kaufmann-GS, S. 237, 247; ähnlich auch Bustos Ramíres, Kaufmann-GS, S. 213, 228 („Freilich gelangt auch der Finalismus hinsichtlich der Tatbestandsmäßigkeit nicht bis zu den letzten Konsequenzen, da diese nicht als etwas angesehen werden kann, das ausschließlich vom Innenleben des Täters herrührt, sondern als etwas betrachtet werden muß, das direkt und unmittelbar von der Beschaffenheit des Rechtsguts ausgeht.“).

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3. Teil: Grundlegungen einer eigenen Lösung

ligen Einzeltatbestand) arbeiten.567 Dass sich der Vorsatz des seine objektiven Beherrschungsmöglichkeiten realistisch einschätzenden Täters dann auch darauf bezieht, steht dem nicht entgegen, sondern ist die Konsequenz daraus, dass es sich – wie Jakobs zutreffend hervorhebt – bei der „objektiven und subjektiven (oder subjektiven und objektiven) Tatohnmacht“ grundsätzlich um objektive Gegebenheiten und ihre „subjektive Spiegelung“ handelt.568 Wenn man nun aber einen Verbrechensaufbau verfolgt, in dem der objektive vor dem subjektiven Tatbestand geprüft wird, sind gegen die Zuordnung eines Problems, das auch seine Wurzeln im ohnehin zuerst zu prüfenden objektiven Bereich hat, zum objektiven Tatbestand keine schlagenden Argumente ersichtlich. Daran würde nicht einmal etwas ändern, wenn sich einzelne unter dem Titel der „objektiven Zurechnung“ firmierenden Probleme nicht ganz ohne Rückgriff auf die subjektive Sicht des Täters lösen ließen.569 Dies gilt ohnehin, soweit dieser Rückgriff nur für „scheinbar“ notwendig gehalten wird, da es um Situationen „verobjektivierter Unkenntnis des Täters“ gehe, die allein für den objektiven Tatbestand von Belang seien und diesen auch ausschlössen, wenn ausnahmsweise Vorsatz zu bejahen sei.570 Aber auch wenn man fallweise die subjektive Sicht des Täters tatsächlich zu benötigen glaubt, weil diese dazu führen könne, dass der Täter kraft Sonderwissens zur Rücknahme eines Sonderrisikos verpflichtet sei,571 spricht dies nicht gegen eine Verortung im objektiven Tatbestand; denn daneben ist ja durchaus anhand von objektiven Umständen zu ermitteln, ob es sich überhaupt um „Sonderwissen“ (oder um ein Wissen, zu dessen Verschaffung der Täter verpflichtet ist) handelt.572 D. h. es liegt eine gewisse Mischform vor, die zumindest ebenso im objektiven Tatbestand behandelt werden kann. In diesem Sinne auch Puppe, Die Erfolgszurechnung im Strafrecht I, S. 1. Vgl. Jakobs, Hirsch-FS, S. 45, 47, 51. Ferner Roxin, AT I, § 11 Rn. 39 (Für das Beispiel völlig atypischer Kausalverläufe: „Wenn wir eine Bestrafung gleichwohl nicht für richtig halten, so liegt das primär an der objektiven Zufälligkeit des Geschehens. Nur weil wir eine rein zufällige Todesverursachung schon objektiv nicht als Tötung im Rechtssinne beurteilen, ist ein darauf abzielender Vorsatz kein Tötungsvorsatz, sondern auf etwas Strafloses gerichtet.“). Dem widerspricht auch nicht, wenn Küpper, Grenzen der normativierenden Strafrechtsdogmatik, S. 96 f. (in der Sache durchaus zutreffend!) darauf hinweist, dass die „finale Tatmacht in generellen Erfahrungssätzen ihre Grenzen findet“ und das „objektive Adäquanzurteil ( . . . ) psychologisch realisiert“ wird.“ Damit wird zwar aufgezeigt, dass der finalistische Ansatz keineswegs unstimmig ist, allerdings nicht begründet, warum solche objektiven Fragen (vor ihrer „psychologischen Realisierung“) grundsätzlich bei der Prüfung des objektiven Tatbestandes ausgeblendet bleiben müssten. 569 So für das Fahrlässigkeitsdelikt überzeugend analysiert von Struensee, JZ 1987, 53 ff. Für das Vorsatzdelikt offenbar bei sicherer Kenntnis in einem Beispiel ähnlich Herzberg, JZ 1987, 536, 539 (li. Sp. unten: „Denn hätte der Mann gewußt, daß er das Virus in sich habe und im Geschlechtsakt auf seine Frau übertrage, wäre an einer vorsätzlichen Körperverletzung nicht zu zweifeln.“). Vgl. ferner Mir Puig, Kaufmann-GS, S. 253, 265 ff., sowie Wohlleben, S. 108 f. 570 So für eine Reihe von Fällen (m.E. in gewissem Widerspruch zu den in Fußn. 569 zitierten Äußerungen) Herzberg, JZ 1987, 536, 539 (re. Sp. oben): „( . . . ) der Gedanke des erlaubten Risikos (sc. Verobjektiviert) die Unkenntnis des Täters ( . . . ). Er nimmt ihr sozusagen den Makel des Defizitären, den der Tatbestandsirrtum i. S. d. § 16 StGB stets hat“. 571 So für bestimmte, näher gekennzeichnete Fälle Jakobs, Kaufmann-GS, S. 271, 286. 572 Zur Frage, ob und in welchen Fällen ein Wissen wirklich als „Sonderwissen“ für den Täter unbeachtlich sein sollte, vgl. näher unten S. 333 ff. 567 568

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(3) Zentrales Anliegen der Lehre von der objektiven Zurechnung573 ist es, die strafrechtliche Verantwortung auf solche Erfolge574 zu begrenzen, die sich in einem strafrechtlichen Sinne auch „wertungsmäßig“ als „Werk“ des Täters darstellen.575 Zentrales Kriterium dafür, ob ein bestimmter Erfolg einer Person „in seiner spezifischen und vom Kausalurteil grundsätzlich verschiedenen Eigenart“576 zugerechnet werden könne, war bei Honig im Anschluss an Larenz die Frage, ob die „Bewirkung ( . . . ) des Erfolges als zweckhaft gedacht werden kann“.577 Denn da die Rechtssubjekte nur durch rechtliche Ge- und Verbote beeinflussbar seien, soweit die „Bewirkung bzw. Vermeidung“ des Erfolges für sie möglich sind,578 scheide eine Zurechnung von irregulär-unbeherrschbaren Kausalverläufen aus, selbst wenn sie wunschgemäß verliefen. Für die moderne Zurechnungsdiskussion grundlegend aufgenommen und fortgeführt wurde dieser Gedanke von Roxin, der die Figur der „Bezweckbarkeit“ durch die Setzung eines „rechtlich relevanten Risikos“ zu präzisieren versuchte und um den Schutzbereich der Norm ergänzte.579 Daraus ergibt sich eine allgemeine „Grundformel“, nach der für die Zurechnung zu fordern ist, dass die „Handlung eine rechtlich verbotene Gefährdung des geschützten Handlungsobjekts geschaffen und die Gefahr sich in dem tatbestandsmäßigen Erfolg verwirklicht hat.“580 573 Zur Dogmengeschichte, die sich von Pufendorf und Hegel über Larenz und Honig bis Roxin zieht, vgl. Hruschka, ZStW 96 (1984), 661 ff.; Schünemann, GA 1999, 207, 208 m. w. N.; allgemein zur Imputationenlehre in der Rechtsphilosophie der Aufklärung Seelmann, ZStW 97 (1985), 241 ff.; zu dieser Lehre in jüngerer Zeit instruktiv ders., MüllerDietz-FS, S. 857 ff. Eine längere „Unterbrechung“ der Zurechnungslehre war allerdings durch den strafrechtlichen Naturalismus und die von ihm forcierte Kausalitätsdiskussion erfolgt, vgl. nur v. Buris wichtige Schriften „Über Causalität und deren Verantwortung“ und über „Die Causalität und ihre strafrechtlichen Beziehungen“ sowie Birkmeyer, GerS 37 (1885), 257 ff. 574 In einem weiteren, das tatbestandsmäßige Verhalten mit umschließenden Sinne (vgl. näher unten S. 320 f.) kann auch bei Delikten, die keinen Erfolg voraussetzen, die „Zurechnung“ entfallen. Die im Folgenden skizzierten dogmengeschichtlichen Wurzeln haben freilich vorrangig den Erfolg i.e.S. vor Augen, was ein Grund für die von Frisch, Verhalten und Zurechnung, S. 23 ff., 33 ff. beklagte Hypertrophie der Zurechnungslehre gegenüber einer Lehre vom tatbestandsmäßigen Verhalten sein könnte. 575 Vgl. Kühl, AT, § 4 Rn. 4. 576 Vgl. Honig, Frank-FG, S. 174, 181. 577 Vgl. Honig, Frank-FG, S. 174, 188; zu den Wurzeln der Lehre bei Honig auch Frisch, GA 2003, 719, 720 f. 578 Vgl. Honig, Frank-FG, S. 174, 187 f. 579 Vgl. grundlegend Roxin, Honig-FS, S. 133 ff., der die Fallgruppen der Risikoverringerung, der Schaffung eines rechtlich irrelevanten Risikos und die Nichtsteigerung des erlaubten Risikos (S. 136 ff.) auf die „objektive Bezweckbarkeit“ zurückführt und den Schutzbereich der Norm mit dem Gedanken der Risikoabnahme erklärt (S. 143). Eine fortentwickelte Darstellung der Zurechnungslehre Roxins findet sich in seinem AT I, § 11 Rn. 39 ff. 580 Vgl. Jescheck / Weigend, AT, § 28 IV vor 1 = S. 287, sowie – teils fast wörtlich, teils in der Sache übereinstimmend – statt vieler nur Kühl, AT, § 4 Rn. 43; Otto, AT, § 6 Rn. 52; Roxin, Honig-FS, S. 135; ders., AT I, § 11 Rn. 41; Wessels / Beulke, Rn. 179.

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Rückt man die Anbindung an rechtsphilosophische Grundlagen einmal in den Hintergrund,581 geht es also um die Frage, wie sich die Beziehung eines Menschen zu einem deliktischen Erfolg582 über eine ontische Beschreibung hinaus durch normative Korrektive derart präzisieren lässt, dass der Verwirklichung des Tatbestandes die ihr zugedachte Funktion als Unrechtstypus vollständig zukommt, dass also nur strafrechtliches Unrecht erfasst, bloßes Unglück (in dessen Verursachung der Täter mit involviert war) dagegen ausgeschieden wird.583 Strafrechtlich relevante, nicht erlaubte und schutzzweckrelevante Risiken werden daher geschaffen oder erhöht, wenn das rechtsgutsgefährdende Verhalten des Täters nach der Funktion des Strafrechts, das nicht nur nachträglich „schadensverteilend“, sondern vor allem auch präventiv verhaltenssteuernd wirken soll, sinnvoller Weise verboten werden muss. Von dieser Einschätzung aus ist es nicht mehr weit zum Standpunkt Schünemanns, der danach fragt, ob die Verbotsnorm in der konkreten Situation ein kriminalpolitisch sinnvolles Instrument ist, d. h. ob der Verbotsnorm ein generalpräventiver Nutzen dahingehend zukommt, dass sie ex ante „gerade auch zur Verhinderung des konkret eingetretenen Erfolges ( . . . ) zweckmäßig war und auch in der Rückschau zweckmäßig geblieben ist.“584

c) Die Bedeutung der Rechtswidrigkeitsprüfung Nach ganz überwiegender Ansicht wirkt die Erfüllung des objektiven und subjektiven Tatbestandes indiziell für die Rechtswidrigkeit des Verhaltens. Der zweite große Schritt zur Begründung des Unwerturteils über die Tat beim vorsätzlichen Begehungsdelikt ist das Fehlen von Rechtfertigungsgründen.585 Auf den ersten Blick wäre durchaus vorstellbar, die Lösung des Problems berufsbedingter Unterstützungshandlungen unmittelbar auf der Rechtfertigungsebene zu sehen.586 Dafür 581 Diesen Ansatz wählte auch bereits Honig, Frank-FG, S. 174, 184, der meint, dass seine Überlegungen unabhängig von einer stärker hegelianischen oder neukantianischen Grundlage seien; zustimmend Roxin, Honig-FS, S. 133, 134. 582 Vgl. die Anmerkung Fußn. 574. 583 Vgl. Frisch, Verhalten und Zurechnung, S. 12 f. 584 Vgl. Schünemann, GA 1999, 207, 215. Krit. Puppe, Die Erfolgszurechnung im Strafrecht I, S. 5, der zuzugestehen ist, dass diese Beschreibung natürlich konkretisierungsbedürftig ist; ob diese Konkretisierung allerdings notwendig durch eine Analyse der Kausalbeziehungen erfolgen muss, erscheint fraglich. 585 Vgl. zu dieser Systematik statt aller Jescheck / Weigend, AT, § 31 I, II = S. 322 ff. Vertiefend zur Frage nach dem „Unrechtstatbestand“ Schmidhäuser, Engisch-FS, S. 433 ff., insb. S. 438 ff. 586 Vgl. zum Parallelproblem der Geldwäsche durch Alltagsgeschäfte Arzt / Weber, BT, § 29 Rn. 39 ff. i.V.m. § 26 Rn. 10. Zu nahestehenden Konzeptionen zu verwandten bzw. speziellen Problemen die Nachweise bei Hillenkamp, AT, S. 193; auch Otto, Lenckner-FS, S. 193, 214, dort Fußn. 74, spricht davon, dass sich „das Problem (sc. der Beihilfe durch berufsbedingtes Verhalten) ( . . . ) als Problem des noch erlaubt riskanten Verhaltens, d. h. auf der Rechtfertigungsebene“ stelle, macht die entscheidende Abgrenzung aber „prüfungstech-

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würde nicht nur der für Rechtfertigungsgründe typische und – wie gesehen – auch hier wichtige587 Aspekt der Güterabwägung sprechen,588 sondern auch die Parallele zum Zivilrecht, wo die Rechtsprechung das verkehrsgerechte Verhalten auf der Rechtswidrigkeitsebene berücksichtigt.589 Allerdings wird ein solches Verständnis der Problematik in mehrerlei Hinsicht nicht gerecht. Im Unterschied zum Tatbestand als erster Wertungsstufe setzt die Prüfung von Rechtfertigungsgründen normalerweise erst an, wenn in Fällen, in denen typischerweise Unrecht verwirklicht wird, ausnahmsweise die Rechtswidrigkeit wieder ausgeschlossen wird.590 Nun ist ein solches Regel-Ausnahme-Verhältnis zwar nur schwer präzise zu fassen, da es immer darauf ankommt, welche Vergleichsgruppen herangezogen werden, wofür die Rechtfertigungsgründe selbst wiederum keine klaren Vorgaben machen.591 Allerdings wäre eine Straflosigkeit berufsbedingter Unterstützungshandlungen zumindest für die relativ große und in sich heterogene Gruppe der „Berufsträger“ (unter bestimmten, noch näher zu klärenden Umständen) typisch, so dass insoweit wohl mehr dafür spricht, von einer generellen als von einer nur ausnahmsweisen, situativ bedingten Straflosigkeit auszugehen. Dies gilt umso mehr, als die unterschiedlichen Berufsträger als Vergleichsgruppe sich untereinander auch nicht (wie etwa die fiktive Gruppe der „Notwehr Übenden“) mit Blick auf bestimmte rechtliche Bedrohungslagen hinsichtlich eines Rechtsgutes ähneln, sondern eher hinsichtlich einer tatsächlichen Ausrichtung ihres Verhaltens. Hinzu kommt, dass gerade das äußere Verhalten hier als zumindest scheinbar normal oder nicht-deliktisch empfunden wird, wenn ein Fall einer Neutralität im hier verstandenen Sinne vorliegt. Selbst falls es darauf letztlich nicht entscheidend ankommen sollte,592 so wäre diese Normalität doch zumindest für das äußere Erscheinungsbild prägend (das sich insoweit von einem in Notwehr ausgeführten Beilhieb auf den Kopf des Opfers oder von einem mit der Einwilligung des Eigentümers erfolgten Zerschmettern seiner kostbaren Vase doch deutlich unterscheidet).

nisch“ selbst auf der Vorsatzebene fest; außerdem ist durchaus offen, ob das erlaubte riskante Verhalten als Rechtfertigungsproblem zu erfassen ist, vgl. dazu auch näher unten S. 333 ff. 587 Vgl. zur Abwägung, die insb. mit der Angemessenheitsprüfung verbunden ist, oben S. 298 ff. 588 Vgl. auch Frisch, Lüderssen-FS, S. 539, 550 ff., der die Lösung zwar wie gezeigt auf der Ebene des tatbestandsmäßigen Verhaltens sucht, allerdings zu dessen Konturierung auf die Abwägungsregeln des rechtfertigenden Notstandes zurückgreift. 589 Vgl. BGHZ 24, 21; krit. allerdings (auch eher in Richtung auf eine Berücksichtigung bei der Verletzungshandlung) etwa Soergel-Zeuner, § 823 Rn. 3, 266. 590 Vgl. statt vieler nur Jescheck / Weigend, AT, § 31 I = S. 322 ff., sowie Roxin, AT I, § 7 Rn. 55 ff. 591 So könnte man etwa für die Notwehr als unumstrittenen Rechtfertigungsgrund anführen, dass typischerweise jeder, der angegriffen wird, bei der Abwehr rechtmäßig handelt. 592 Vgl. zur Bedeutung von Verhaltens- und Erfolgsunrecht sofort im Anschluss S. 317 ff.

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Freilich sind hier auch andere Fälle vorstellbar. Ein Angestellter, der im Auftrag seines Chefs Belege „frisiert“, die dieser zur Erzielung steuerlicher Vorteile dem Finanzamt vorlegen will, handelt nicht im hier verstandenen Sinne „neutral“ oder „äußerlich korrekt“; vielmehr ist sein Handeln speziell auf die deliktischen Zwecke seines Chefs zugeschnitten, während in legalen Betrieben dem „Frisieren“ von Belegen normalerweise keine Bedeutung zukommt. Wollte man nun unter bestimmten Umständen erwägen, dass dieser Angestellte gleichwohl nicht rechtswidrig handle, wenn er all dies nur tun würde, um seinen akut gefährdeten Arbeitsplatz zu behalten, so käme als Begründung dafür allenfalls ein rechtfertigender Notstand nach § 34 StGB in Betracht. Das heißt, der „Berufsbezug“ führt nicht zwingend zu einer Berücksichtigung auf Tatbestandsebene, sondern könnte durchaus auch einmal für die Rechtswidrigkeitsprüfung eine Rolle spielen. Indes macht gerade dieser Fall und sein Unterschied zu den hier primär interessierenden auch noch einmal den Unterschied in der Einordnung von Tatbestand und Rechtswidrigkeitsprüfung deutlich. Während bei Unterstützungshandlungen durch neutrales Verhalten das berufsbedingte Handeln in seiner konkreten Art normalerweise nicht rechtsgutsgefährdend wirkt (und die Abwägung, die zu seiner Erlaubtheit führen würde, eine ganz generelle wäre), ist ein Verfälschen von Unterlagen generell rechtsgutsgefährdend und würde nur auf Grund einer sehr speziellen Abwägung in einem engen Ausnahmefall hingenommen. Während Letzteres für Rechtfertigungskonstellationen typisch ist, steht die Existenz einer solchen globalen Abwägung der Annahme einer Tatbestandsrelevanz nicht entgegen. Denn Abwägungen dieser Art593 liegen letztlich jeder Tatbestandsbildung zugrunde. Im Ergebnis lässt sich daher festhalten, dass die hier vorrangig interessierenden Fälle „neutraler“ berufsbedingter Unterstützungshandlungen i.d.R. eine sorgfältige Prüfung und ggf. Privilegierung auf der Ebene der Tatbestandsmäßigkeit verdienen und Rechtfertigungslösungen nur ausnahmsweise einmal vorstellbar erscheinen.

d) Zwischenergebnis Obwohl die berufliche Motivation eines strafrechtlich relevanten Verhaltens sich auch einmal auf der Ebene der Rechtswidrigkeit auswirken kann, wird über die Strafbarkeit berufsbedingter Unterstützungshandlungen regelmäßig auf Tatbestandsebene entschieden werden. Mit Blick auf das Nebeneinander von objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmalen könnte auch die Entscheidung über die Strafbarkeit stärker auf objektiven, stärker auf subjektiven oder auf einer Mischung aus beiden Elementen beruhen. Soweit ungeschriebene Verantwortlichkeitskorrektive unter dem Stichwort der „objektiven Zurechnung“ entscheidend sind, geht es darum, ob dem Täter der Erfolg als „sein strafrechtliches Werk“ zugerechnet werden kann, was wiederum die Schaffung einer rechtlich relevanten Ge593 Also grob gesagt: „Welches Rechtsgut erscheint um welchen Preis noch schützenswert?“, vgl. auch nochmals oben S. 298 ff.

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fahr voraussetzt. Eine solche liegt mit Blick auf die generalpräventive Funktion des Strafrechts vor, wenn das Verbot der für den späteren Erfolg kausalen Handlung ex ante und ex post sinnvoll erscheint.

2. Erfolgsunrecht und Handlungsunrecht beim Vorsatzdelikt Das Unwerturteil, das durch die Erfüllung der o.g. Stufen der objektiven und subjektiven Tatbestandsmäßigkeit sowie des Fehlens von Rechtfertigungsgründen hinsichtlich der Tat begründet wird, enthält nach h. M. eine Erfolgs- und eine Handlungskomponente. Für die vorliegende Untersuchung von Interesse ist die Komponente des Handlungsunrechts (d. h. der Art und Weise des Angriffs auf das Handlungsobjekt594), was sich aus verschiedenen bereits erörterten Punkten ergibt: Zunächst soll ja gerade das Handeln in Gestalt des „neutralen“ berufsbedingten Verhaltens das Urteil der Korrektheit möglicherweise für sich reklamieren können, während der dadurch mittelbar verursachte Erfolg keineswegs als „rechtmäßig“ postuliert wird, nur weil sie u. a. eine solche berufsbedingte Wurzel hat. Damit passt zusammen, dass – wie oben gezeigt595 wurde – weniger die Beeinträchtigung eines Rechtsguts durch den unmittelbaren Angriff in Frage steht, als die (normativ zu bestimmende) Rechtsgutsrelevanz ganz bestimmter Angriffswege. Schließlich ergaben sich Angemessenheitsbedenken bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung auch weniger auf den (mit dem Erfolgsunwert gewissermaßen korrespondierenden) Ebenen des abstrakten Vergleichs der betroffenen Güter und ihrer Beeinträchtigung, sondern auf der (stärker mit dem Handlungsunrecht korrespondierenden) Ebene der Bewertung des konkreten Verhaltens und der Eignung seiner Unterbindung zum Rechtsgüterschutz.

a) Das grundsätzliche Erfordernis eines Handlungsunrechts Der Meinungsstand zur Bedeutung einer Komponente „Handlungsunrecht“ hat sich in der historischen Entwicklung gewandelt. Während dem klassischen Verbrechensbegriff die Unterscheidung zwischen rein objektiv verstandenem Unrecht und rein subjektiver Schuld zugrunde lag und sich somit das Rechtswidrigkeitsurteil im Erfolgsunrecht erschöpfte, wurde besonders durch die Finalisten die Lehre gefördert, dass nicht nur der rechtlich missbilligte Zustand, sondern auch seine final determinierte Herbeiführung als solche zum Unwerturteil über die Handlung beitrage.596 Diese Anerkennung auch des Handlungsunrechts als unwerturteilbegründendem Element blieb aber auch über den Finalismus hinaus anerkannt und Vgl. Jescheck / Weigend, AT, § 7 I 1 b = S. 51. Vgl. S. 190 ff. 596 Vgl. zu dieser Entwicklung Jescheck / Weigend, § 24 III 1 = S. 239; Roxin, § 10 Rn. 89; näher zur Dogmengeschichte Krauß, ZStW 76 (1964), 19, 20 ff. 594 595

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wird in der modernen Dogmatik im Wesentlichen nicht mehr in Frage gestellt. Die Überzeugungskraft einer Handlungsunrechtskomponente wird schon daran deutlich, dass bei einer Vielzahl von Delikten ausdrücklich nicht jede Herbeiführung des tatbestandlichen Erfolges (und damit nicht jede Beeinträchtigung des geschützten Rechtsguts) unter Strafe gestellt ist, sondern nur Erfolgsverursachungen durch bestimmte Verhaltensweisen, die ihrerseits für die Missbilligung des Verhaltens von Bedeutung sind.597 Es erscheint also auch für die vorliegende Fragestellung durchaus angebracht, das Vorliegen eines Handlungsunrechts (und eventuelle Konsequenzen aus seinem abgeschwächten Vorliegen) genauer zu prüfen. Noch weiter geht der Ansatz, nach dem letztlich nur das Handlungsunrecht das Unwerturteil begründet und dem Erfolgsunrecht materiell gar keine Bedeutung zukommt.598 Diese Überlegungen enthalten ohne Zweifel einen richtigen Kern: So ist das Element des letztendlichen Erfolgseintritts in viel höherem Maße vom Zufall abhängig als die das Handlungsunrecht begründenden Elemente. Geht man ferner davon aus, dass – wie etwa Schünemann anschaulich nachgezeichnet hat599 – die Entwicklung des Strafrechts von der archaischen zur modernen Gesellschaft immer stärker von rein objektiv eingetretenen, äußeren Geschehen hin zu einer Mitberücksichtigung subjektiver Verantwortung verläuft, könnte man es auf den ersten Blick vielleicht nur für konsequent halten, im aufgeklärten Strafrechtssystem der Gegenwart einen monistischen Subjektivismus zu vertreten,600 der sich allein am Handlungsunrecht orientiert und das tatbestandliche Erfordernis eines Erfolgseintritts in vielen Tatbeständen auf die äußere Begründung des Strafbedürfnisses601 bzw. Beweiszwecke reduziert. Im Ergebnis ist ein so weit gehender Ansatz aber weder stringent mit der lex lata vereinbar noch überzeugend. So zeigt das Gesetz selbst an vielen Stellen, dass es den Unwertgehalt einer versuchten oder vielleicht sogar nur beabsichtigten Tat geringer einstuft als ihre Vollendung (vgl. etwa die – zwar fakultative, dann aber – erhebliche Strafrahmenmilderung für den Versuch in § 23 III StGB). In der Sache ist der Eintritt des Erfolges überdies ein deutliches Indiz für die Intensität des deliktischen Vorgehens und damit für einen besonderen Handlungsunwertgehalt. Vor allem aber ist eine zu starke Vernachlässigung des Erfolgsein597 Besonders deutlich ist dies bei den Kerndelikten gegen das Vermögen als Ganzes, wo es gerade kein umfassendes Vermögensschädigungsdelikt gibt, sondern nur bestimmte Verhaltensmodalitäten unter Strafe gestellt sind, wenn sie zu einem Vermögensschaden führen: Die Täuschung (§ 263 StGB), die Nötigung (§§ 253, 255 StGB) und die Verletzung von Vermögensbetreuungspflichten (§ 266 StGB) – alles drei Verhaltensweisen, die (obwohl mit Ausnahme der Nötigung als solche allein nicht unter Strafe gestellt) geeignet sind, den Vorwurf der Missbilligung zu begründen. Insoweit wäre es auch wenig überzeugend, diesen Verhaltensmodalitäten für die Unrechtsbegründung keinerlei Funktion zuzumessen und ihren Sinn etwa nur darin zu sehen, ein gegenüber einem allgemeinen Vermögensschädigungsdelikt größeres Maß an Bestimmtheit zu erzielen (ihre Funktion mithin weniger inhaltlich als rein „normtechnisch“ zu sehen). 598 Deutlich vor allem bei Zielinski, Handlungs- und Erfolgsunwert im Unrechtsbegriff, S. 128 ff., 143. Ansätze hierzu aber auch etwa bei Lüderssen, ZStW 85 (1973), 288, 292. 599 Vgl. Schünemann, in: ders. / Hsü (Hg.), Die Verwirrung zwischen dem Subjektiven und dem Objektiven – Chengchi Law Review Vol. 60, S. 259, 260 ff. 600 Vgl. auch ähnlich Zielinski, Handlungs- und Erfolgsunwert im Unrechtsbegriff, S. 203 (dort Fußn. 14). 601 Vgl. Zielinski, Handlungs- und Erfolgsunwert im Unrechtsbegriff, S. 205 ff.

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tritts auch mit der – herrschenden und auch hier zu Grund gelegten – Rechtsgüterschutzkonzeption nur schwer zu vereinbaren.602 Insbesondere aus der nicht zu vernachlässigenden Sicht des Opfers (um dessen Willen ja letztlich der Rechtsgüterschutz betrieben wird) macht es eben jedenfalls bei Verletzungsdelikten einen ganz erheblichen Unterschied, ob der Erfolg eingetreten ist oder nicht. Auch in den vorliegend interessierenden Fällen mittelbarer Verursachung durch berufsbedingtes Verhalten darf daher nicht völlig aus dem Blickfeld geraten, dass es immerhin zu einem deliktischen Erfolg gekommen ist.

b) Die objektiven und subjektiven Handlungsunwertelemente Kann damit vorausgesetzt werden, dass auch beim Vorsatzdelikt ein Verhaltensunrecht vorliegt, so ist damit noch nicht geklärt, welche Voraussetzungen dazu erfüllt sein müssen oder anders formuliert: welche geschriebenen oder ungeschriebenen Bestandteile des Tatbestandes dafür von Bedeutung sind. Grundsätzlich werden zum Handlungsunrecht tatbezogene und täterbezogene (personale) Elemente gerechnet.603 Aus diesen Elementen sollen vorliegend nur zwei näher betrachtet werden: (1) Kern des Handlungsunrechts beim Vorsatzdelikt ist nach neuer Lehre der Vorsatz.604 Diese Einordnung wurde bekanntlich nicht immer geteilt, da der Vorsatz im klassischen, aber auch noch im neoklassischen System ausschließlich im Bereich der Schuld angesiedelt wurde. Gleichwohl erscheint es überzeugend, ihn mit der h. L. auch als unrechtskonstituierend zu betrachten: Dies nicht nur wegen der qualitativen Prägung, die das Geschehen durch die unterschiedliche subjektive Einstellung erlangen kann, sondern wegen der Beziehung von Rechtswidrigkeit und Willen des Täters:605 Strafnormen sind gerade darauf ausgerichtet, den Willen des Täters in Richtung auf die Nichtverletzung von Rechtsgütern zu prägen. Wo dies nicht gelingt und eine Willensbetätigung stattfindet, die sich bewusst gegen diese Rechtsnormen entscheidet, muss das Rechtswidrigkeitsurteil als Bewertung des Geschehens auch die innere Tatseite erfassen. Konsequenz dieser Tatsache (und insbesondere des letztgenannten Begründungsstranges) ist, dass das Maß des Handlungsunrechts durchaus durch den Vorsatzgrad und dabei insbesondere durch die Intensität des gegen den Normbefehl gerichteten Willens geprägt wird. (2) Daneben wird aber das Handlungsunrecht aber auch durch objektive Bestandteile geprägt bzw. sogar erst begründet. Dies sind zum einen – soweit im TatVgl. auch Bustos Ramíres, Kaufmann-GS, S. 213, 230 f. Vgl. nur Jescheck / Weigend, § 24 III 3 a.E. = S. 240. 604 Vgl. Jescheck / Weigend, § 24 III 4 c = S. 242 m. w. N. dort in Fußn. 34, 36; Kühl, AT, § 5 Rn. 4. 605 Vgl. Jescheck / Weigend, § 24 III 4 c = S. 241; Stratenwerth, § 8 Rn. 63 ff., insb. 66; krit. zu dieser Argumentation Hirsch, ZStW 93 (1981), 831, 844 ff., der aber als Vertreter des Finalismus im Ergebnis den Vorsatz ebenfalls als Bestandteil des Handlungsunrechts einordnet. 602 603

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3. Teil: Grundlegungen einer eigenen Lösung

bestand enthalten – besondere Verhaltensformen, sei es bei den schlichten Tätigkeitsdelikten, sei es in Gestalt von besonderen Verhaltensmodalitäten zur Herbeiführung des Erfolges.606 Daneben gibt es aber offenbar noch Merkmale, die auch bei reinen, nicht i.e.S. verhaltensgeprägten Erfolgsdelikten neben die verursachende Handlung und den Vorsatz treten müssen. Dies zeigt die Vielzahl von Fällen, in denen es zum Erfolg kommt und auch der Vorsatz in Form von „Wissen und Wollen der Tatbestandsverwirklichung“ bejaht werden könnte, gleichwohl aber nach einhelliger Ansicht kein tatbestandsmäßiges Verhalten angenommen wird. Es sind dies – nach dem auch hier bevorzugten System der h. L. – vor allem Fälle, bei denen die objektive Zurechnung zu verneinen sein soll.607 Formuliert man dies so, erscheint freilich sofort schon wieder fraglich, ob es wirklich um das Handlungsunrecht geht. Die Zurechnung des Erfolges könnte nämlich eine Frage sein, die eher mit dem Erfolgs- als mit dem Handlungsunrecht zu tun hat. Selbst wenn man aber das Handlungsunrecht so eng verstehen (und nicht ohnehin alles, was außerhalb des bloßen Erfolgseintritts liegt, mit einbeziehen) möchte, so würde eine Zuordnung der Problematik zum Erfolgsunrecht gleichwohl mehr auf einer etwas missverständlichen terminologischen Konvention beruhen. Genau genommen geht es nämlich – wie insbesondere Frisch mit großer Klarheit und systembildender Kraft dargelegt hat608 – in der wohl sogar größeren Zahl der Fallgruppen, die üblicherweise unter dem Stichwort der „objektiven Zurechnung“ (des Erfolges) firmieren, gar nicht um die Erfolgszurechnung i.e.S., sondern bereits um eine „Lehre vom tatbestandsmäßigen Verhalten“.609 Dies wird schon ohne Rekurs auf einzelne Fallgruppen und Beispiele610 an der o.g. „allgemeinen Grundformel“ zur objektiven Zurechnung deutlich:611 Ob die Handlung eine Gefahr (die von dem Erfolg, in dem sich die Gefahr erst verwirklichen muss, zu unterscheiden ist) schafft oder erhöht und insbesondere ob diese Gefahrschaf606 Vgl. nochmals oben Fußn. 597 zu den (teilweise zwar auch subjektiv gefärbten, aber dennoch im Kern) objektiven Merkmalen, die bei den Delikten gegen das Vermögen als Ganzes zum Erfolg einer Vermögensbeschädigung hinzutreten müssen. 607 Vgl. nochmals oben S. 313 ff. m. w. N. 608 Vgl. Frisch, Verhalten und Zurechnung, S. 9 ff., insb. S. 33 – 67 (als theoretische Fundierung sowie dann in den unterschiedlichen Exemplifizierungen S. 69 ff. einer- und S. 507 ff. andererseits) sowie ansatzweise bereits ders., Vorsatz und Risiko, S. 74 ff. („Prolegomena zum ,tatbestandsmäßigen Verhalten‘ “) und S. 118 ff. („Grundlinien des ,tatbestandsmäßigen Verhaltens‘ “). Daran anknüpfend auch Frisch, GA 2003, 719, 733 ff. Deutlich auch in der Darstellung von Frischs Schüler Freund, AT, § 2 Rn. 1 ff. (zur Tatbestandlichkeit) und 62 ff. (zur Zurechnung). 609 Ähnlich für eine Beschränkung der „objektiven Zurechnung“ zugunsten einer Betrachtung des „Interaktionsprozesses“ der tatbestandsmäßigen Handlung Bustos Ramírez, Kaufmann-GS, S. 213, insb. 217 ff., 224 ff. 610 Vgl. zu solchen ausführlich Frisch, Verhalten und Zurechnung, S. 90 ff.; speziell zum hier noch ausführlicher behandelten Prinzip des „erlaubten Risikos“ (vgl. u. S. 333 ff.) auch Bustos Ramíres, Kaufmann-GS, S. 213, 225. 611 Vgl. o. S. 313, vor Fußn. 580.

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fung eine unerlaubte ist, hängt noch nicht mit dem Erfolg(sunrecht) und seiner Zurechnung i.e.S. zusammen, sondern betrifft noch die Frage nach einer Qualifizierung des Verhaltens als tatbestandsmäßiges und damit den Unwertgehalt der Handlung.612 Noch deutlicher wird dies etwa, wenn danach gefragt wird, ob die Verletzung der tatbestandlichen Verhaltensnorm ex ante und ex post betrachtet zur Schadensverhütung sinnvoll ist.613 Die (insbesondere ex-ante-)Eignung zur Schadensverhütung ist allein eine Eigenschaft des Verhaltens und damit der tatbestandsmäßigen (oder eben nicht tatbestandsmäßigen) Handlung, nicht des deliktischen Erfolges. Entgegen der ebenso engagierten wie dezidierten Stellungnahme614 von Frisch dürfte es sich freilich letztlich „nur“ um ein terminologisches Problem handeln.615 Solange z. B. das Erfordernis einer missbilligten Gefahrschaffung als Voraussetzung einer strafrechtlichen Haftung anerkannt ist, dürfte es keinen Unterschied machen, ob man es als Problem des „tatbestandsmäßigen Verhaltens“ bezeichnet und die objektive Zurechnung allein auf den Zusammenhang zwischen einem als tatbestandlich festgestellten Verhalten und dem eingetretenen Erfolg beschränkt oder ob man unter dem Terminus der „objektiven Zurechnung“ in einem weiter verstandenen Sinne Probleme sowohl des tatbestandsmäßigen Verhaltens als auch der Zurechnung des Erfolges zu diesem fasst.616 Es ist eben nur eine sekundäre Frage, wie viele im Gesetz nicht vorgesehene Kategorien man zur Erfassung einzelner Fallgruppen eröffnet, was man dann konsequenterweise als Subkategorien erfasst und wie man diese bezeichnet.617 So auch dezidiert Bustos Ramíres, Kaufmann-GS, S. 213, 226. Vgl. nochmals Schünemann, GA 1999, 207, 215. 614 Vgl. Frisch, Verhalten und Zurechnung, S. 44 ff., der zunächst zu Recht den Wert einer „richtigen Rubrizierung“ betont, daneben aber auch Vorteile seiner Einordnung in der Sache vorträgt; dagegen Schünemann, GA 1999, 207, 216 („Scheinproblem“) sowie auch sogleich Fußn. 615. 615 Das heißt aber umgekehrt nicht, dass es nur „ein Streit um Worte“ wäre, wie Wohlleben, S. 79, offenbar annimmt. Ob man die mit Tatbestandlichkeit eines Verhaltens im von Frisch verstandenen Sinne mit als Fallgruppen des tradierten und bekannten Begriffs der „objektiven Zurechnung“ erfasst, spielt in der Tat keine Rolle; ob konkret das Verhalten untersucht oder der Zusammenhang zwischen Verhalten und Erfolg betrachtet werden, ist dagegen sehr wohl von Bedeutung; vgl. zuletzt auch nochmals Frisch, GA 2003, 719, 739. 616 Einen solchen Weg einer terminologischen Anpassung sieht offenbar auch Jakobs, Hirsch-FS, S. 45, wenn er (u. a. auch mit Bezug auf Frisch) von der „Möglichkeit“ spricht, „die Lehre von der objektiven Zurechnung in den Teilen, die nicht die Erfolgszurechnung betreffen, vom Zurechnungszusammenhang, so man will, zu lösen und auf eine bestimmte Norminterpretation zu reduzieren“. (Hervorhebung hier). Einen Schritt weiter gehend Roxin, AT I, § 11 Rn. 46, der Frischs Terminologie für ungenau hält, da „es im Ergebnis immer um Zurechnung oder Nichtzurechnung des Erfolges geht“ (Hervorhebung dort). 617 Deutlich wird dies etwa beim von Frisch, Verhalten und Zurechnung, S. 45 ff., mit großer Vehemenz vorgetragenen Beispiel der Versuchsdogmatik: Er selbst hält es dabei für richtig, dass das Ansetzen zu einem Verhalten, das mangels missbilligter Gefahrschaffung beim Erfolgseintritt nicht zur Vollendungsstrafbarkeit führen würde (also etwa das Überlassen eines Gegenstandes zur eigenverantwortlichen Selbstgefährdung, aus der dann aber keine Verletzung hervorgeht), keine Versuchsstrafbarkeit begründet. Denn auch für den Versuchstatbestand liege ein tatbestandsmäßiges Verhalten nur vor, „wenn der Täter nach seiner Vorstellung mit der Vornahme seines Verhaltens eine mißbilligte Gefahr setzt.“ Dagegen hält er 612 613

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Dies alles ändert freilich nichts daran, dass Frischs Differenzierung nicht nur begrifflich klar ist, sondern vor allem auch besser zum Ausdruck bringt, worum es in den einschlägigen Fallgruppen geht: nicht primär (sondern allenfalls als Folge) darum, ob der Erfolg zugerechnet werden kann, sondern schon eine Ebene höher darum, ob das Verhalten nach seiner Ausgestaltung und im konkreten Kontext überhaupt als tatbestandsmäßiges in Betracht kommt.

Entscheidend zur Bestimmung des Handlungsunrechts ist daher – und insoweit besteht wieder (auch terminologische) Einigkeit zwischen der Lehre von der objektiven Zurechnung i.w.S. und dem auf das tatbestandsmäßige Verhalten abstellenden Ansatz von Frisch – die Frage, ob der Täter ein missbilligtes Risiko für das geschützte Rechtsgut geschaffen hat. Während dabei das Merkmal des Risikos sich i.d.R. noch mehr oder weniger klar empirisch fassen lässt, ist das Element der Missbilligung normativ durch eine Bewertung des Verhaltens zu bestimmen. Als Kriterium dafür nennt Frisch in seinen allgemeinen Erwägungen618 vor allem die Verhältnismäßigkeit des Einsatzes staatlichen Strafens, die er auch als Keimzelle spezieller strafrechtlicher Aspekte sieht.619 Da die Vorgaben des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes hier bereits näher untersucht wurden,620 soll im Folgenden überlegt werden, welche Anforderungen an eine Missbilligung des Verhaltens aus spezifisch strafrechtsdogmatischer Sicht (und hier wieder speziell beim Vorsatzdelikt) zu stellen sind.

c) Der objektive Handlungsunwert durch missbilligenswerte Verhaltenselemente Obwohl das Erfordernis zusätzlicher Verhaltenselemente zur Missbilligung einer vorsätzlichen Rechtsgutsverletzung nicht selbstverständlich ist und insbesondere dem stark kausalistisch geprägten Denken des klassischen Verbrechensbegriffs fremd war,621 ist die Annahme, dass sich das Verhaltensunrecht im Vorsatz es gar für „indiskutabel“ zum gleichen Ergebnis zu kommen, indem „man den Tatbestandsvorsatz auf das Erfordernis der Erfolgszurechnung bezieht – so daß bei zu verneinender Erfolgszurechnung auch der Vorsatz ausgeschlossen wäre“. Zumindest wenn man die objektive Zurechnung terminologisch als Oberkategorie verwendet, zu der auch Fallgruppen gehören, die von Frisch dem Problem „tatbestandlichen Verhaltens“ zugeschlagen werden, unterscheiden sich beide Lösungen m.E. nicht. Konkret: Wenn man das Setzen einer missbilligten Gefahr (begrifflich sicher nicht ganz klar, aber weithin verbreitet) als Problem der objektiven Zurechnung bezeichnet, sind die Aussagen „Der Täter hat nach seiner Vorstellung keine missbilligte Gefahr geschaffen.“ und „Der Täter hat nach seiner Vorstellung keinen Erfolg intendiert, der objektiv zurechenbar wäre.“ im Grunde austauschbar. Zumindest für diese Fallgruppen dürfte dann auch kaum gelten, dass die entsprechenden Voraussetzungen nicht Bezugspunkte des Vorsatzes sein können (wie Frisch es für die Erfolgszurechnung i.e.S. postuliert). 618 In den Überlegungen zu Einzelfragen in Verhalten und Zurechnung, S. 90 ff., führt er noch eine Vielzahl weiterer Kriterien ein, vgl. speziell zum hier interessierenden Problem auch bereits oben S. 99 ff. 619 Vgl. die Andeutung in Verhalten und Zurechnung, S. 71. 620 Vgl. o. S. 289 ff.

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erschöpft,622 mit der hier verfolgten Lehre von der objektiven Zurechnung nicht zu vereinbaren. Fraglich ist dagegen, welche Voraussetzungen genauer erfüllt sein müssen, damit das Handlungsunrecht des vorsätzlichen Delikts verwirklicht wird. (1) „Fahrlässigkeit“ als Voraussetzung jedes Vorsatzdelikts? Die extremste und voraussetzungsvollste Position ließe sich damit beschreiben, dass auch beim Vorsatzdelikt das Handlungsunrecht in identischer Weise begründet werden muss wie beim Fahrlässigkeitsdelikt. Bei diesem entspricht es seit langem der einhelligen Auffassung, dass eine Fahrlässigkeit nicht nur als Schuldform, sondern auch als objektives Verhaltensmoment erforderlich ist,623 um den Unrechtstatbestand zu begründen.624 Eine Gleichschaltung des Handlungsunrechts bei Fahrlässigkeits- und Vorsatzdelikt würde nun dadurch erreicht, dass – wie insbesondere von Herzberg immer wieder pointiert gefordert wird – „Fahrlässigkeit (sc. zur) Voraussetzung jeder Vorsatzhaftung“ gemacht würde. Es könnte dann keine Strafbarkeit wegen eines Vorsatzdeliktes bejaht werden, wenn der Täter durch das gleiche Verhalten – den Vorsatz hinweggedacht – nicht auch ein Fahrlässigkeitsdelikt begangen hätte.625 Die verschiedenen Zurechnungskriterien, in die sich das Merkmal der „Sorgfaltspflichtverletzung“ bei der Fahrlässigkeitsprüfung bei genauerer Betrachtung aufgliedern ließe,626 seien auch beim Vorsatzdelikt Voraussetzungen ei621 Als objektiv verstandenes Merkmal wurde es darüber hinaus auch von den Anhängern des Finalismus nicht für erforderlich erachtet, vgl. die Darstellung bei Frisch, Verhalten und Zurechnung, S. 37 ff., mit Nachweisen zu Stellungnahmen von Hirsch, Horn, Armin Kaufmann, Welzel und Zielinski sowie sogleich die Nachw. in Fußn. 622. 622 So pointiert Armin Kaufmann, Jescheck-FS, S. 251, 261, 270, wonach „mit der Vorsätzlichkeit der Verwirklichung des objektiven Tatbestandes die ganze Tatbestandsmäßigkeit ( . . . ) vorliegt. ( . . . ) Jeden vorsätzlich Tötenden geht sein Opfer etwas an.“ Krit. Herzberg, JR 1986, 6, 7. 623 Zu dieser Entwicklung „Von der Schuldform zum tatbestandlichen Deliktstyp“ anschaulich Roxin, AT I, § 24 Rn. 3 f.; ferner zur Dogmengeschichte der Fahrlässigkeitsstrafbarkeit Schlüchter, Grenzen strafbarer Fahrlässigkeit, insb. S. 28 ff., und aus neuerster Zeit Duttge, Fahrlässigkeitsdelikte, S. 43 ff. (ab dem späten 19. Jahrhundert) und 91 f. (für die neuere Zeit). Knapp ferner Jescheck / Weigend, AT, § 54 I = S. 5563 ff. 624 Umstritten ist freilich, inwieweit im Einzelnen das hierzu geprägte Merkmal der Sorgfaltspflichtverletzung noch eine eigene Bedeutung hat oder ob es nicht letztlich in einer Prüfung der objektiven Zurechnung aufgehen muss; vgl. zur Dogmatik der Fahrlässigkeitsdelikte, soweit sie im vorliegenden Zusammenhang von Interesse ist, noch näher unten S. 390 ff. 625 Deutlich Herzberg, JuS 1996, 377, 381; ähnlich auch bereits ders., JR 1986, 6, 7, sowie JZ 1987, 536, 537 („Beim Fahrlässigkeitsdelikt werden die Voraussetzungen heute im allgemeinen richtig gedeutet und geordnet; das Vorsatzdelikt ist es, welches ( . . . ) der prinzipiellen Anpassung bedarf. Es kann nicht seinerseits auf eine objektive Unrechtsvoraussetzung verzichten, die für sein Fahrlässigkeitspendant gilt.“ (Hervorhebung hier); Herzberg explizit zustimmend auch Roxin, AT I, § 11 Rn. 44; möglicherweise noch differenzierender ders., Honig-FS, S. 133, 144, wo er zumindest unterschiedliche Schutzbereiche von Vorsatz- und Fahrlässigkeitstatbeständen für möglich hält. 626 Vgl. dazu auch unten S. 399 ff.

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ner objektiven Zurechnung.627 Ganz ähnlich klingt das etwa auch bei Jakobs, wenn er feststellt, dass „eine ( . . . ) sorgfaltsgemäße Vorsatztat ( . . . ) eine contradictio in adiecto“ wäre,628 und schon rund 30 Jahre früher bei Krauß, der meint, dass „niemand wegen einer vorsätzlichen Tat bestraft werden kann, der nicht auch ohne Vorsatz bei entsprechender Strafdrohung wegen fahrlässiger Begehung bestraft würde.“629 Einen ganz anderen Ansatz scheint auf den ersten Blick630 Kindhäuser zu verfolgen. Er sieht nicht nur ein Problem der „h. M.“631 darin, dass „sie bei der Fahrlässigkeitshaftung Normen heranzieht, die bei der Vorsatzhaftung völlig irrelevant sind“, sondern bildet ein Beispiel, das seiner Meinung nach gerade die Unabhängigkeit der Vorsatzhaftung von Sorgfaltswidrigkeiten belegt: Analysiere man das „Verbot der Brandstiftung durch unsorgfältigen Umgang mit Streichhölzern“, sei offensichtlich die Eigenschaft „ ,unsorgfältig‘ nicht verbotskonstitutiv, wenn man das merkwürdige Ergebnis vermeiden will, daß Brandstiftung durch sorgfältigen Umgang mit Streichhölzern erlaubt sei.“632 Ohne hier von den Betroffenen selbst betonte Unterschiede nivellieren zu wollen, so scheint es doch, dass zumindest ein Teil der Differenzen sich auch aus einer (bewusst oder unbewusst) unterschiedlichen Wortwahl ergibt. Während Kindhäuser in seinem Beispiel die sorgfältige (und damit nicht sorgfaltswidrige) i. S. d. genau überlegten Benutzung der Streichhölzer in den Mittelpunkt rückt (die beim Anzünden eines Hauses in gleicher Weise vorliegen kann wie beim Anzünden der Kerze an einem Adventskranz), würden Herzberg oder Jakobs wohl die (Sorgfalts-) Pflichtverletzung bei der vorsätzlichen Brandstiftung in der Verwendung der Streichhölzer im konkreten sozialen Kontext sehen. Es geht also um unterschiedliche (Sorgfalts-) Pflichtbegriffe. Das vorsätzliche Entzünden eines fremden Hauses kann daher ohne weiteres „sorgfältig“ vorgenommen werden, ohne dass das Verhalten deswegen pflichtgemäß wäre. Macht man sich dies klar, führt das schon nahe zum hier präferierten Verständnis:

Wie schon an anderer Stelle und in anderen Zusammenhängen knapp angedeutet,633 ist mit dieser Übertragung der in der Fahrlässigkeitsdogmatik schon länger bekannten Elemente auf das Vorsatzdelikt sowohl für die konkreten Ergebnisse als auch für das Verständnis einzelner Fallgruppen der objektiven Zurechnung zwar ein großer Erkenntnisgewinn verbunden, allerdings ist eine völlige Gleichsetzung nicht überzeugend. Dass nicht in jedem Fall, in dem eine Vorsatzstrafbarkeit zu bejahen ist, ohne Vorsatz zugleich auch eine Fahrlässigkeit bejaht werden kann, Vgl. Herzberg, JuS 1996, 377, 381. Vgl. Jakobs, Hirsch-FS, S. 45, 53, der jedoch im Gesamtzusammenhang etwas stärker zu differenzieren scheint, wenn er schreibt, dass die Voraussetzungen einer Missbilligung des Risikos „üblicherweise am genauesten zum Fahrlässigkeitsdelikt beschrieben“ werden, „ohne freilich darauf beschränkt zu sein“. 629 Vgl. Krauß, ZStW 76 (1964), 19, 48. 630 Kindhäusers in diesem Zusammenhang entwickelte Begründung der Sorgfaltspflichtverletzung als vorsatzsurrogierendes Element wird hier geteilt, vgl. u. S. 331 bei und in Fußn. 661 sowie S. 396. 631 Die von Kindhäuser, GA 1994, 197, 206, geäußerte Kritik geht dabei weit über die Vertreter der in Fußn. 625 – 629 beschriebenen Ansätze hinaus. 632 Vgl. Kindhäuser, GA 1994, 197, 211. 633 Vgl. Kudlich, JuS 1998, 596, 598 f., sowie ders., StV 2000, 23, 24. 627 628

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zeigt ein schon verschiedentlich (ähnlich) verwendetes Beispiel:634 Läuft einem Autofahrer ein Kind aus einer Lücke zwischen zwei parkenden Fahrzeugen so knapp vor den Wagen, dass selbst ein Idealfahrer nicht mehr bremsen kann, ist eine Fahrlässigkeitsstrafbarkeit mangels Sorgfaltspflichtverletzung regelmäßig zu verneinen. Hätte aber der Fahrer in Tötungsabsicht das Kind, das jeden Tag zur gleichen Zeit unachtsam über die Straße läuft, genau so „abgepasst“, dass er es an einer Stelle „erwischt“, an der er selbst als Idealfahrer nicht mehr bremsen kann, erschiene es wenig überzeugend, eine Strafbarkeit nach § 212 StGB zu verneinen, und äußerst gekünstelt, diese erst mittels Hilfskonstruktionen wie der actio illicita in causa, einer mittelbaren Täterschaft o.ä. (und damit letztlich einem Anknüpfen an ein anderes Verhalten als das Überfahren des Kindes) zu begründen.635 Auch die gesetzliche Regelung in § 16 I 1, 2 StGB wird man als Argument für diese Sichtweise verstehen können:636 Nach § 16 I 1 StGB handelt der Täter im Tatbestandsirrtum (nur) ohne Vorsatz, d. h. aber gleichzeitig - in den Begrifflichkeiten des herrschenden Verbrechensaufbaus beschrieben - regelmäßig objektiv tatbestandsmäßig. Nach § 16 I 2 StGB bleibt die Strafbarkeit wegen fahrlässiger Begehung unberührt. Dies bedeutet aber nach einhelliger Auffassung nicht etwa, dass der irrende Täter sich stets wegen eines Fahrlässigkeitsdelikts strafbar gemacht hat (falls es ein solches jeweils gibt), sondern nur dass zu prüfen ist, ob der Irrtum bei Erfüllung aller Sorgfaltspflichten vermeidbar gewesen wäre. Damit geht das Gesetz offenbar davon aus, dass in bestimmten Konstellationen zwar der objektive Tatbestand des Vorsatzdelikts, nicht dagegen der Tatbestand des Fahrlässigkeitsdelikts erfüllt sein kann. Soweit man demgegenüber mit Herzberg in Fällen eines „verobjektivierten“ – und das soll

634 Vgl. Kudlich, JuS 1998, 596, 599, sowie ders., StV 2000, 23, 24, dort Fußn. 16. Einen ähnlichen (aber hinsichtlich des Problems etwas „entschärften“) Fall bildet etwa Herzberg, JR 1986, 6, 7; vgl. zum vorsätzlich einen Unfall verursachenden Autofahrer auch Zipf, ZStW 82 (1970), 633, 634. In der hier gewählten Form des „Abpassens“ wird man auch nicht davon sprechen können, dass sich das Kind selbst ausreichend vor der Gefahr schützen kann, so dass der gegen andere Gestaltungen vorgebrachte Einwand von Schünemann, GA 1999, 207, 221 insoweit nicht verfangen dürfte. Zur vergleichbaren Problematik bildet Schünemann den Fall, dass einerseits auf einer Jagd ein Schuss abgegeben wird, der zufällig ein weit entferntes Opfer trifft (keine Fahrlässigkeit, da erlaubtes Risiko) und andererseits der gleiche Schuss in Tötungsabsicht abgegeben wird. Jedenfalls in einem Beitrag aus dem Jahre 1970 hält auch Roxin eine abweichende Behandlung noch für möglich, wenn nicht gar vorzugswürdig, so etwa in den „Retterfällen“, in denen er eine Fahrlässigkeitshaftung für Schäden eines Retters grundsätzlich ablehnt, während „der Tod des Hilfeleistenden, wenn er vom Unfallverursacher beabsichtigt ist, in den Schutzbereich der Norm einzubeziehen“ sein könne, vgl. Roxin, Honig-FS, S. 133, 146, 148. 635 Auf den ersten Blick mag man gegen dieses Beispiel (ebenso wie gegen das von Schünemann, vgl. Fußn. 634) einwenden, dass ein Täter, der ursprünglich die Kenntnisse des Vorsatztäters hatte, aber konkret nicht mehr an die Gefährlichkeit dachte oder auf einen guten Ausgang vertraute, natürlich doch wieder fahrlässig handeln würde. Bei dieser Blickweise, welche die (sonst fehlenden) Voraussetzungen des Vorsatzdelikts in das Fahrlässigkeitsdelikt implementiert, würde aber nicht nur die Aussage, dass in jedem Vorsatz- zugleich ein Fahrlässigkeitsdelikt steckt, ihre informative Substanz weitgehend verlieren. Vielmehr würde dann auch eine Voraussetzung des subjektiven Tatbestandes benötigt, um (über den „Hebel“ der dann bejahbaren Fahrlässigkeit) über die objektive Tatbestandsmäßigkeit zu entscheiden. 636 Ähnlich wohl Mir Puig, Kaufmann-GS, S. 253, 270.

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3. Teil: Grundlegungen einer eigenen Lösung

wohl angesichts des Verweises auf das Defizitelement bei § 16 I StGB auch bedeuten: eines unvermeidbaren – Irrtums bereits den objektiven Tatbestand verneint,637 ist das sicher ein in sich schlüssiger Systementwurf.638 Die gesetzliche Regelung des § 16 I 1, 2 StGB lässt er aber in einem ziemlich ungewohnten Licht erscheinen,639 da die nach § 16 I 2 StGB unberührt bleibende Fahrlässigkeitsstrafbarkeit dann allein von der Existenz eines Fahrlässigkeitstatbestandes abhinge und in der Vorschrift keinerlei Verweis auf die Frage nach der Fahrlässigkeit des Irrtums zu sehen wäre: Entweder der Irrtum ist vermeidbar; dann greift zwar § 16 I 1 StGB ein, aber es besteht eben auch stets ein Fahrlässigkeitsvorwurf. Oder der Irrtum ist unvermeidbar; dann kommt es zu keinem Fahrlässigkeitsvorwurf, aber da – mangels Erfüllung bereits des objektiven Tatbestands – § 16 I 1 StGB nicht eingriffe, würde § 16 I 2 StGB keine Rolle spielen. M.a.W.: der üblicherweise in § 16 I 2 StGB gesehene Appell, nach der Feststellung eines vorsatzausschließenden Irrtums gemäß § 16 I 1 StGB dessen Vermeidbarkeit zu prüfen, käme nie zur Anwendung.

Scheint mithin in manchen, nicht aber in allen Fällen ein „fahrlässigkeitsäquivalenter Verhaltensvorwurf“ Voraussetzung auch einer Vorsatzstrafbarkeit zu sein, so ergeben sich daraus zwei Hypothesen: Zum einen müsste der aus der Fahrlässigkeitsdogmatik bekannte Maßstab zwar beim Vorsatzdelikt grundsätzlich ähnlich gelten, aber in bestimmten Fällen weniger streng sein.640 Zum anderen scheint entscheidend zu sein, aus welchem Grund eine entsprechende Fahrlässigkeitsstrafbarkeit scheitern würde. (2) Weitere Zurechnung beim Vorsatzdelikt mangels „Drohens einer Überforderung“ Eine Lösung, die mit beiden Hypothesen kompatibel ist, kann wie folgt differenzieren:641 Ein Grund für das Ausscheiden auch einer Vorsatzstrafbarkeit ist nicht 637 Vgl. Herzberg, JZ 1987, 536, 539, sowie wohl auch (in der Konsequenz seiner dortigen Ausführungen zum unvermeidbaren Irrtum bei einem reinen Tätigkeitsdelikt) ders., JuS 1996, 377, 382. 638 Den freilich Herzberg selbst – soweit seine Beispielsfälle hier richtig interpretiert werden – nicht völlig konsequent durchzuhalten scheint, vgl. bereits oben Fußn. 569, 570. 639 Zum „gängigen“ Verständnis, das (auch) die Frage nach der Vermeidbarkeit des Irrtums bzw. der Fahrlässigkeit beim Irrtum in den Mittelpunkt stellt, vgl. statt vieler nur Jescheck / Weigend, AT, § 29 V 4 = S. 310 („Ist der Tatbestandsirrtum auf Fahrlässigkeit zurückzuführen, [ . . . ].“); Kühl, AT, § 13 Rn. 13 (Die „Voraussetzungen des jeweiligen Fahrlässigkeitsdelikts ( . . . ) dürfte(n) bei Vorwerfbarkeit des Irrtums regelmäßig“ erfüllt sein.); Schönke / Schröder-Cramer / Sternberg-Lieben, § 16 Rn. 12 („[ . . . ] kommt nach § 16 I S. 2 nur eine Fahrlässigkeitsstrafbarkeit in Betracht, sofern dem Täter die Unkenntnis vorgeworfen werden kann [ . . . ]“). 640 Diese Hypothese teilt auch Mir Puig, Kaufmann-GS, S. 253, 270; für möglich hält eine solche Differenzierung hinsichtlich des Schutzbereiches der Norm auch noch Roxin, HonigFS, S. 133, 144, der zu einer Differenzierung danach tendiert, ob der Zurechnungsausschluss auf „mangelnder Bezweckbarkeit“ beruht (und dann auch für Vorsatzdelikte gilt) oder andere Gründe hat, die bei einer „Erfolgsbezweckung“ nicht geltend gemacht werden können. 641 Vgl. bereits Kudlich, JuS 1998, 596, 598 f.; ders., StV 2000, 23, 24, sowie Schünemann, GA 1999, 207, 220 mit ganz ähnlichen Überlegungen.

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ersichtlich, soweit eine Fahrlässigkeit nur ausscheiden würde, weil (insbesondere bei inadäquaten oder nur schwer exakt vorhersehbaren Gefahren) anderenfalls die Anforderungen an die Sorgfaltspflicht überspannt würden. Während ein zu strenger Maßstab für eine Fahrlässigkeitshaftung die Handlungsfreiheit angesichts drohender Strafbarkeitsrisiken unzumutbar einschränken würde,642 wird der Täter mit mehr oder weniger sicherer Voraussicht des Erfolgseintritts nicht übermäßig belastet. Denn die Fälle, in denen der Täter Kenntnis von einem an sich kaum vorhersehbaren Kausalverlauf hat, machen nur einen weitaus kleineren Teil aus. Hier trifft sich die Differenzierung – vielleicht könnte man sagen: aus umgekehrtem Blickwinkel – mit den o.g. Überlegungen Kindhäusers: Dieser betont im Zusammenhang mit dem oben (bei Fußn. 632) genannten Brandstiftungsbeispiel, dass die Verhaltensnormen „Lege keinen Brand“ und „Verhalte Dich nicht unsorgfältig brandgefährdend“ nicht identisch seien. Zwar verfolge die zweite durchaus ein ähnliches Ziel wie die erste, dies aber nicht als „Derivat der Verbotsmaterie“, sondern mit Bezug „auf die Fähigkeit zur Verfolgung des Verbots“:643 Wenn die – als vorsätzliche untersagte – Herbeiführung eines Brandes auch in solchen Situationen vermieden werden solle, in denen der Täter mangels Vorsatzes nur eingeschränkt „vermeidefähig“ sei, müssten auch solche Verhaltensweisen vermieden werden, die zur Einschränkung dieser Vermeidepflicht führten. Dies bedeutet aber für die hier interessierende Frage nach notwendigen Fahrlässigkeitselementen beim Vorsatzdelikt: Die Verletzung solcher (vorsatzsubstituierender) Pflichten, die nur statuiert werden, um auch in Fällen fehlender „Vermeidemacht“ kraft Vorsatzes vor dem Erfolg zu schützen, ist keine Strafbarkeitsvoraussetzung, wenn diese Vermeidemacht gerade vorliegt.

Dagegen kann auch eine Vorsatzstrafbarkeit überzeugend abgelehnt werden, soweit eine Fahrlässigkeitsstrafbarkeit ausscheidet, weil etwa der Schutzzweck der verletzten Norm nicht betroffen ist, ein Fall der eigenverantwortlichen Selbstgefährdung vorliegt oder für die Straflosigkeit Sozialüblichkeit und die Geringfügigkeit der Gefahr ausschlaggebend sind. M.a.W.: Von den Verantwortlichkeitseinschränkungen, welche die Fahrlässigkeitsdogmatik kennt, sind nur diejenigen auf das Vorsatzdelikt übertragbar, die mit der Schutzbedürftigkeit des betroffenen Rechtsguts zu tun haben644 oder die das regelmäßige, objektive Gefährdungspotential des Verhaltens betreffen.645 Dagegen sind solche Einschränkungen nicht übertragbar, die auf der drohenden Überforderung des Bürgers durch das Strafrecht beruhen.646 Zutreffend Schünemann, GA 1999, 207, 220. Vgl. Kindhäuser, GA 1994, 197, 211. 644 Dies wären etwa die Gesichtspunkte der Geringfügigkeit und der eigenverantwortlichen Selbstgefährdung. 645 Dies wären etwa die Gesichtspunkte des atypischen Kausalverlaufs und der sozialen Üblichkeit. 646 Mit ein wenig „gutem Willen“ bei der Zuordnung wäre es möglich, diese beiden Gruppen von Gesichtspunkten zu unterteilen in solche, die das Vorliegen einer Sorgfaltspflichtverletzung begründen, und solche, die über die objektive Zurechnung (einschließlich des tatbestandlichen Verhaltens im Sinne von Frisch) entscheiden. Dann aber könnte man weiter formulieren, dass die generellen (spezifisch fahrlässigkeits-)haftungsbegründenden Elemente 642 643

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3. Teil: Grundlegungen einer eigenen Lösung

Um diesen Unterschied noch einmal in Anlehnung an ein von Herzberg verwendetes Beispiel in mehreren Variationen zu demonstrieren:647 Man stelle sich die Sekretärin S vor, die auf einer Reise im Herbsturlaub trotz eines Aufenthaltes ausschließlich auf dem Hotelgelände mit einem sehr seltenen und gefährlichen Tropenvirus infiziert wurde. Als sie einige Tage nach ihrer Rückkehr leichte grippeartige Symptome bemerkt, begibt sie sich zu einem Tropenmediziner, der die Erkrankung diagnostiziert und S Medikamente verschreibt, ihr aber auf Grund eines Versehens nachdrücklich versichert, eine Übertragung käme nur über eine in Deutschland nicht lebende Mückenart in Betracht, so dass sie bedenkenlos alle sozialen Kontakte pflegen und auch arbeiten gehen könnte. S schenkt dem Glauben, da sie an einem Abend ziemlich „zerstochen“ worden war, geht zur Arbeit und steckt ihren Chef C an, da die Krankheit tatsächlich eine hoch infektiöse „Tröpfcheninfektion“ ist. In diesem Fall wird man der S auf Grund ihres sofortigen Ganges zum Arzt und der Auskunft eines vermeintlichen Fachmannes nicht ohne weiteres eine Sorgfaltspflichtverletzung vorwerfen können.648 Wüsste S dagegen auf Grund ihrer zahlreichen Fernreisen und der damit einhergehenden Lektüre einschlägiger medizinischer Bücher mit Gewissheit, dass die bei ihr diagnostizierte Erkrankung hoch infektiös ist und im Grunde mit jedem Händeschütteln übertragen werden kann, bestünden weniger Bedenken gegen die Annahme einer Vorsatzstrafbarkeit, wenn sie in voller Kenntnis dieser Umstände in das Büro geht, sich stets in der Nähe des C aufhält und ihm so oft wie möglich in der Hoffnung die Hände schüttelt, ihn zu infizieren, was ihr dann auch gelingt. Handelt es sich dagegen um einen harmlosen Schnupfen, wäre nicht nur eine Fahrlässigkeitsstrafbarkeit der gedankenlosen S zu verneinen, sondern man müsste wohl mit Herzberg auch eine vorsätzliche Straftat selbst dann ablehnen, wenn es der verschnupften S gerade darauf ankam, C anzustecken. Der Vergleich mit dem Beispiel oben zeigt aber, dass die Straflosigkeit hier nicht auf einer drohenden Überspannung der Sorgfaltsanforderungen, sondern letztlich auf der Harmlosigkeit und Üblichkeit des drohenden Schadens beruht.

Diese – stark von der Fahrlässigkeitsdogmatik her argumentierenden – Überlegungen treffen sich auch mit den Grundsätzen, die oben als wesentlich für die objektive Zurechnung beim Vorsatzdelikt herausgearbeitet wurden:649 Das lässt sich zwar noch nicht ohne weiteres bei der gängigen Grundformel vom Schaffen eines rechtlich relevanten bzw. unerlaubten Risikos650 zeigen, da in dieser der Maßstab für die rechtliche Relevanz bzw. für die Unerlaubtheit selbst nicht klar hervortritt. auf das Vorsatzdelikt nicht zu übertragen sind, während die nur ausnahmsweise vorliegenden zusätzlichen Haftungskorrektive hier wie da gelten. Erkennt man dies aber an, so wird deutlich, dass es jedenfalls auf der Grundlage der traditionellen Begriffsverwendung eher verzerrend als erhellend wirkt, wenn teilweise behauptet wird, dass die Fahrlässigkeitsstrafbarkeit sich letztlich in der Frage der objektiven Zurechnung erschöpfe. 647 Vgl. JuS 1995, 379, 381. 648 Hier unterscheidet sich der gebildete Beispielsfall von der Risikoeinschätzung, die etwa im Fall von Roxin / Schünemann / Haffke, Strafrechtliche Klausurenlehre, Fall 7 (S. 137), vorzunehmen ist. 649 Vgl. o. S. 313 ff. Dies bestätigt im Übrigen zunächst die Auffassung Herzbergs, der (etwa in JuS 1996, 377, 381) die Voraussetzungen des Fahrlässigkeitsdelikts beim Vorsatzdelikt gerade beim Stichwort der objektiven Zurechnung verorten möchte. Es zeigt aber auch, dass eben die Voraussetzungen für Vorsatz- und Fahrlässigkeitsdelikt doch nicht die exakt identischen sind. 650 Vgl. o. S. 313 bei Fußn. 580.

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Es wird aber bei allen Kriterien deutlich, die oben als Leitgedanken der Lehre von der objektiven Zurechnung formuliert worden waren: – Eine objektive Bezweckbarkeit i.S. Honigs mag zwar oftmals beim Fehlen von Fahrlässigkeit ausscheiden.651 Sie kann aber in Fällen, in denen die Gefahr üblicherweise kaum erkennbar ist und daher Sorgfaltspflichtverletzungen nicht vorliegen, durchaus zu bejahen sein, wenn der Täter die Gefahr ausnahmsweise kennt und deshalb beherrscht.652 – Auch die Eignung zur generalpräventiven Verhaltenssteuerung kann bei fehlender Fahrlässigkeit zu verneinen sein.653 Sie ist aber bei Kenntnis des Erfolgseintritts typischerweise eher gegeben als bei bloßer Fahrlässigkeit, da das Verhalten hier viel leichter an der Verbotsnorm ausgerichtet werden kann.654 – Zuletzt mögen übertriebene Verhaltensanforderungen kriminalpolitisch sinnlos, da unerfüllbar sein.655 Soweit aber vorsätzlich – und damit konkret und bewusst vermeidbar – gehandelt wird, kann ein erwünschter Rechtsgüterschutz auch i.S. Schünemanns kriminalpolitisch sinnvoll durch strafrechtliche Sanktionen gewährt werden.656

Das macht deutlich, dass zwar auch aus den Grundsätzen zur objektiven Zurechnung beim Vorsatzdelikt selbst eine Reihe von Gründen, die einer Fahrlässigkeitsstrafbarkeit entgegenstehen, bei vorsätzlichem Handeln ebenso gegen eine Strafbarkeit streitet. Zugleich waren die hinter dem Zurechnungsausschluss stehenden Sachgesichtspunkte alle nicht einschlägig, soweit es nur um die drohende Überspannung der Sorgfaltspflichten und damit die übermäßige Beschneidung der Handlungsfreiheit ging.

651 So etwa bei der mangelnden Beherrschbarkeit bestimmter Phänomene (etwa einer Naturkatastrophe oder eines Verkehrsunglücks), die in der Fahrlässigkeitsdogmatik dazu führen mag, dass für diese Phänomene keine Sorgfaltspflichten statuiert werden. 652 Das ist im o.g. Fall des Autofahrers (vgl. bei Fußn. 634) evident, gilt aber wohl auch für einen – wenngleich aus größerer Entfernung abgegebenen – gezielten Schuss wie im Beispiel von Schünemann in Fußn. 634. 653 So etwa bei der eigenverantwortlichen Selbstgefährdung des Opfers, an deren Straflosigkeit ein Vorsatz des Täters ebenso wenig ändert wie seine Fahrlässigkeit. 654 Auch hierfür können die beiden in Fußn. 634 bzw. 652 genannten Fälle als Beispiel dienen. 655 So ist – um noch einmal das Autofahrerbeispiel aufzugreifen – ein generelles Verbot, mit dem Auto auf irgendeine Weise einen Menschen zu gefährden, nicht durchzuhalten. 656 Dass bei Geltung und Einhaltung des Verbots des gezielten Schießens auf andere Menschen auch auf größere Entfernungen, aus denen nicht immer getroffen wird, das Rechtsgut Leben besser geschützt ist, als wenn solche Schüsse zugelassen würden, liegt auf der Hand.

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(3) Zusammenwirken von objektiven und subjektiven Handlungsunwertelementen Für die Frage nach der Missbilligung des Verhaltens bei vorsätzlicher Erfolgsherbeiführung und damit nach der Bestimmung des Handlungsunrechts führt dies zu folgendem Zwischenergebnis: Das Handlungsunrecht des Vorsatzdelikts wird durch objektive Elemente der Art und Weise des Verhaltens sowie durch subjektive Elemente657 und dabei insbesondere den Vorsatz geprägt. Dabei sind auch beim Vorsatzdelikt die objektiven Komponenten nicht generell oder vollständig durch vorhandene (und vielleicht sogar besonders stark ausgeprägte) subjektive Komponenten ersetzbar.658 Ein Verzicht auf jegliches objektives Handlungsunrecht allein wegen des Vorliegens von Vorsatz würde nicht nur der h. L., die entsprechende Zurechnungskorrektive anerkennt, widersprechen und dem durch die unterschiedlichen Strafrahmen verdeutlichten Unrechtsgefälle zum Fahrlässigkeitsdelikt nicht gerecht werden. Vielmehr würden auch ganz unterschiedlich gefährliche, mittelbare oder unmittelbare, nahe sichere und ganz unwahrscheinliche Verletzungshandlungen „über einen Kamm geschoren“, wenn nur ein entsprechender Vorsatz vorliegt.659 Dennoch müssen umgekehrt auch nicht immer alle objektiven und subjektiven Komponenten gleich und in jeweils vollem Ausmaß und Umfang ausgeprägt sein. Insbesondere ist nicht selbstverständlich, dass trotz der erhöhten subjektiven Komponente jeweils in völlig identischer Weise auch der objektive Handlungsunwert erfüllt sein müsste. Sowohl die Vorstellung eines qualitativ gesamtbewertenden Urteils660 als auch das Bild einer additiven Zusammenfügung von objektivem und subjektivem Handlungsunrecht lassen zu, dass ein Plus des einen Elementes gewisse Defizite des anderen ausgleicht, insbesondere soweit diese funktionsäquivalent sind.661 Ganz konkret erscheint ein Verzicht auf solche objektiven Komponenten Vgl. Mir Puig, Kaufmann-GS, S. 253, 266 f. Deswegen ist auch die Tendenz der Rechtsprechung nicht unbedenklich, Zweifel über das Vorliegen einzelner objektiver Unrechtsmerkmale durch die Berufung auf eine deliktische Absicht gleichsam zu kompensieren, so den fehlenden Unrechtsgehalt eines „gefährlichen Eingriffs“ gemäß § 315b StGB bei objektiv verkehrsgerechtem Verhalten wegen der Absicht, andere Verkehrsteilnehmer zu schädigen (vgl. BGH StV 2000, 22), oder die Unwahrheit einer vorgetragenen Tatsache bei der Frage nach einer Täuschung gemäß § 263 StGB wegen der Hoffnung, der Vertragspartner werde etwas missverstehen (vgl. BGH NStZ 2001, 430). Krit. dazu schon Kudlich, StV 2000, 23 ff., ders., JR 2001, 516, sowie Rath, Gesinnungsstrafrecht, passim. 659 Insoweit ist es zu weit formuliert, wenn Samson, ZStW 99 (1987), 617, 633 davon ausgeht, dass stets „die Würfel ( . . . ) im subjektiven Tatbestand fallen.“ 660 Sehr weitgehend in diesem Sinne Lesch, Das Problem der sukzessiven Beihilfe, S. 255 ff., insb. S. 258, sowie ders., Verbrechensbegriff, S. 256 (dort auch Fußn. 153): „Unrecht kann ( . . . ) nur ganzheitlich, als ( . . . ) subjektiv-objektive symbolische Sinneinheit verstanden werden“. 661 In durchaus ähnlichem Zusammenhang zur (wenngleich dort nicht explizit so bezeichneten) „Funktionsäquivalenz“ von Vorsatz und Fahrlässigkeit Kindhäuser, GA 1994, 197, 657 658

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i.S. eines gewissen Grades an Sorgfaltspflichtverletzung und Vorhersehbarkeit möglich, wenn der Vorsatz des Täters zu bejahen ist. Denn diese Grenzen für eine Fahrlässigkeitshaftung bestehen ja gerade nur im Interesse des Nicht-Wissenden, um dessen Sorgfalts- und Nachprüfungspflichten nicht maßlos überzustrapazieren. Speziell mit Blick auf die bisherige Diskussion der berufsbedingten Unterstützungshandlungen erscheint ein weiterer Aspekt besonders interessant: Die Zusammenschau von objektiven und subjektiven Handlungsunrechtselementen legt nahe, dass (bei näherer Begründung der gegenseitigen funktionellen Abhängigkeit) bei verschiedenen objektiven Handlungsunwerten auch ein unterschiedlicher Grad an subjektivem Handlungsunwert erforderlich ist bzw. genügen kann. Ganz konkret: Es wäre durchaus vorstellbar, dass auf Grund der besonderen objektiven Gegebenheiten beim neutralen berufsbedingten Handeln (stets oder in bestimmten Konstellationen) auch unter Gesichtspunkten der Unrechtsbegründung möglicherweise abweichend von allgemeinen Grundsätzen bedingter Vorsatz nicht (immer) ausreichend ist. Blickt man auf dieser Grundlage noch einmal auf die oben kurz aufgeworfene Frage zurück, „wie ein ( . . . ) Verhalten auf einmal zu einer Straftat (und damit zu etwas objektiv Unrechtem) werden kann“ (vgl. S. 307), so lässt sich darauf folgende vorläufige, abgestufte Antwort geben: Wird durch eine Handlung ein Rechtsgut beeinträchtigt, so begründet dies das Erfolgsunrecht. Ist diesbezüglich Vorsatz des Handelnden zu bejahen, dann spricht auf Grund der großen Bedeutung der subjektiven Handlungsunrechtskomponente ein erster „Hinweis“662 für das Vorliegen auch des Handlungsunrechts.663 Dies beruht darauf, dass einige typischerweise unrechtsbegründende objektive Handlungsunrechtselemente des Fahrlässigkeitsdelikts beim Vorsatzdelikt verzichtbar sind,664 und stimmt auch mit der unrechts211: „Die Sorgfaltswidrigkeit ist das Moment an Rechtsuntreue, das den fehlenden Vorsatz als Sanktionsvoraussetzung substituiert.“ Ein Unterschied zum hier vertretenen Ansatz liegt allerdings darin, dass Kindhäuser offenbar die Sorgfaltswidrigkeit nicht als unrechtsbegründendes Element der Fahrlässigkeitsdelikte, sondern allein als „Kriterium der Zurechnung“ (und nicht als Teil des Zurechnungsgegenstandes) verstehen will (vgl. a. a. O., S. 206, 208). 662 Der Begriff des „Hinweises“ soll zum Ausdruck bringen, dass die Wertung hier noch unvollständiger ist als die des vollständig verwirklichten Tatbestandes, der seinerseits – wegen der Möglichkeit einer Rechtfertigung – ja ebenfalls erst ein „Indiz“ für die Rechtswidrigkeit sein soll. Über eine „Prüfungsreihenfolge“ bzw. ein bestimmtes systematisches Verhältnis der objektiven und subjektiven Handlungsunwertelemente untereinander ist damit noch nichts ausgesagt. 663 Es geht also nicht darum, (gar letztverbindlich) vom Eintritt eines Erfolges automatisch auf ein objektiv pflichtwidriges Verhalten zu schließen, was Otto, Hirsch-FS, S. 291, 304 (in anderem Zusammenhang) zu Recht als „mit den Grundsätzen der heute weithin anerkannten personalen Unrechtskonzeption ( . . . ) nicht vereinbar“ bezeichnet. Da aber neben der vorsätzlichen Herbeiführung eines Erfolges zumeist nicht mehr viel an (objektiven) Elementen zur Begründung des Handlungsunwertes hinzukommen muss (oder anders formuliert: weil das Fehlen des Handlungsunwertes dann die begründungspflichtige Ausnahme darstellt), kann im Sinne einer Regel-Ausnahmebeschreibung von einem wichtigen Hinweis auf das Handlungsunrecht ausgegangen werden.

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indizierenden Wirkung der Verletzung von Rechtsgütern „auf grundsätzlich strafrechtlich relevanten Angriffswegen“ (hier also des vorsätzlichen Handelns) überein.665 Dieser vorläufige Hinweis kann aber durch bestimmte objektive Gesichtspunkte widerlegt werden, die auf Grund ihrer Existenz – unabhängig von der subjektiven Einstellung des Täters – einer Missbilligung des Verhaltens und damit dem Handlungsunrecht entgegen stehen. Diese Gesichtspunkte bilden die Fallgruppen der „objektiven Zurechnung“ bzw. des „nicht tatbestandsmäßigen Verhaltens“, soweit bei diesen (einhellig) die Kenntnisse des Täters für unbeachtlich gehalten werden.666 Daneben könnte es aber auch Fälle geben, in denen das Handlungsunrecht ausgeschlossen ist, weil die objektiven und subjektiven Handlungsunwertkomponenten jeweils nur abgeschwächt vorliegen und daher entgegen dem ersten Hinweis zusammen nicht in der Lage sind, tatsächlich das Unrecht der Tat zu begründen. Der Gedanke des „Zusammenwirkens“ von objektiven und subjektiven (Handlungs-)Unrechtskomponenten findet sich in ganz ähnlicher Weise auch bei Roxin, wenn er (mit Blick auf die Möglichkeit eines unterschiedlichen objektiven Zurechnungsmaßstabes bei vorsätzlichem und fahrlässigem Verhalten) ausführt: „Das hat nichts Befremdliches, wenn man sich einmal klarmacht, daß die einzelnen ,Elemente‘ des äußeren oder inneren Geschehens ( . . . ) nicht gleich Bausteinen unverrückbar an eine bestimmte Stelle des Systems ,gehören‘, sondern daß die Frage nur dahin gestellt werden darf, ob und inwieweit ein subjektives oder objektives Merkmal unter dem Gesichtspunkt der Handlungs-, Unrechts- oder Schuldzurechnung relevant ist. Dabei kann es durchaus so sein, daß z. B. ein Element wie die Finalität für die Handlungszurechnung hier bedeutsam und dort unerheblich ist, ( . . . ). Eben darin liegt der prinzipielle Unterschied zwischen einem ( . . . ) die Straftat aus Geschehenspartikeln zusammensetzenden und einem an Zurechnungsmaßstäben orientierten teleologischen System. Bei der letztgenannten Systembildung liegt die Einheit nicht in der Identität des ( . . . ) Materials, sondern in der teleologischen Zusammengehörigkeit von Zurechnungsprinzipien ( . . . )“.667

Zur weiteren Präzisierung ist im Folgenden noch zu untersuchen, ob gerade die Berufsbedingtheit und „äußerlich völlige Unauffälligkeit“ das objektive Handlungsunwertmoment ausschließen oder zumindest eine differenzierende Behandlung hinsichtlich des subjektiven Handlungsunwertmoments begründen kann. Als Fallgruppe bzw. Schlagwort in der allgemeinen Zurechnungsdiskussion, bei der das Risiko eines Missbrauchs von „äußerlich völlig unauffälligen“ Handlungen loziert werden kann, bietet sich das „erlaubte Risiko“ samt den mit ihm verwandten 664 Vgl. o. Fußn. 646 zu einer groben Unterscheidung von haftungsbegründenden und haftungskorrigierenden Prüfungspunkten. 665 Vgl. o. S. 198. 666 Ein Beispiel wäre die eigenverantwortliche Selbstgefährdung des Opfers. 667 Vgl. Roxin, Honig-FS, S. 133, 147. Insoweit erscheint es daher in dieser Allgemeinheit zu kurz gegriffen, wenn etwa Schall, Meurer-GS, S. 103, 110, für die Fragestellung der neutralen Beihilfe eine (auch) subjektive Lösung schon deswegen ablehnt, weil innerhalb des Bereichs dessen, was üblicherweise als Vorsatz genüge, eine weitere Abschichtung systematisch nicht mehr möglich sei.

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Figuren an.668 Dass gerade dort auch eine Diskussion um die Beachtlichkeit von „Sonderwissen“ (und damit also ausnahmsweisen Vorsatzes) geführt wird, überrascht angesichts der bisherigen Überlegungen nun nicht mehr und nährt auch die Hoffnung auf weitere Erkenntnisse zum subjektiven Handlungsunwertelement.

d) Zwischenergebnis Die Verantwortlichkeit wegen eines vorsätzlichen Begehungsdelikts setzt Erfolgs- und Handlungsunrecht voraus. Das Erfolgsunrecht liegt unproblematisch in der unterstützten Tat bzw. ihrem Erfolg, so dass es vorliegend um die Frage des Handlungsunrechts geht. Das rückt die Frage nach dem „tatbestandlichen Verhalten“ in den Vordergrund der Betrachtung, die allerdings vorliegend terminologisch (vielleicht zwar etwas ungenauer, dafür jedoch der überwiegenden Diktion entsprechend) als Subproblem der objektiven Zurechnung gefasst wird. Das Handlungsunrecht besteht aus objektiven und subjektiven Elementen, die zwar beide unverzichtbar sind, sich in der erforderlichen Intensität aber teilweise kompensieren können. Konkret bedeutet dies u. a., dass nicht alle objektiven Voraussetzungen auch des Fahrlässigkeitsdelikts erforderlich sind, um den objektiven Tatbestand des Vorsatzdelikts zu begründen. Der Grund dafür liegt darin, dass bei vorsätzlichem Handeln die Gefahr einer „Überforderung“ des Bürgers weniger groß ist; deshalb sind die Begrenzungen der Sorgfaltspflicht, die beim Fahrlässigkeitsdelikt aus Rücksicht auf diese drohende Überforderung getroffen werden, nicht übertragbar. In der vorsätzlichen Herbeiführung des Erfolgsunrechts liegt daher ein erster Hinweis auch auf das Handlungsunrecht, der allerdings ausgeräumt werden kann.

3. Erlaubtes Risiko und konkretisiertes Sonderwissen Die bisherigen Überlegungen haben ergeben, dass für die Tatbestandsmäßigkeit eines Verhaltens eine Missbilligung auf Grund von subjektiven und objektiven Handlungsunwertelementen erforderlich ist. Dabei kommen verschiedene „objektive“ Aspekte in Betracht, die den von der Vorsätzlichkeit des Handelns ausgehenden „Hinweis“ auf das Vorliegen des Handlungsunrechts widerlegen oder doch zumindest abschwächen können. Unter den – teils unter verschiedenen Bezeichnungen und in wechselnden Über- und Unterordnungsverhältnissen genannten – Gesichtspunkten, die insoweit diskutiert werden,669 bieten sich für die hier interes668 Vgl. hierzu auch Kindhäuser, GA 1994, 197, 198, der in vorbildlicher Klarheit betont, dass das „erlaubte Risiko ( . . . ) das Erfolgsunrecht unberührt“ lässt, so dass es sich insoweit nur um eine Frage des Handlungsunrechts handeln kann. 669 Vgl. statt vieler (überwiegend sich überschneidend, teilweise aber auch einander ergänzend) die Fallgruppen bei Jescheck / Weigend, AT, § 28 IV; Frisch, Verhalten und Zurechnung, S. 90 ff.; Kühl, AT, § 4 Rn. 36 ff., insb. 43 ff.; Puppe, Die Erfolgszurechnung im Strafrecht I, S. 101 ff., und Roxin, AT I, § 11 Rn. 39.

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sierende Frage diejenigen für eine vertieftere Untersuchung an, die unter den Stichworten des „erlaubten Risikos“ oder der „rechtlich nicht relevanten Gefahrschaffung“ diskutiert werden.670 Dass es vorliegend gerade um diesen Gedanken geht, wird deutlich, wenn man sich als Kern des Problems vergegenwärtigt, dass das Risiko im Mittelpunkt steht, das aus jedem (nicht nur als solchem unverbotenen, sondern) an sich sozial-nützlichen und üblichen Standards entsprechenden Verhalten erwachsen kann. a) Die generellen Grundsätze des „erlaubten Risikos“ Die Grundsätze, die üblicherweise mit dem Stichwort des „erlaubten Risikos“ verknüpft werden, wurden ursprünglich vor allem im Zusammenhang mit dem Betrieb mehr oder weniger gefährlicher Einrichtungen (Anlagen, öffentliche Verkehrsmittel, bestimmte Betriebe) entwickelt;671 insoweit könnte man den Gedanken eines „erlaubten Risikos“ als „Kind der Industriegesellschaft“ bezeichnen.672 Betrachtet man diese Wurzel, liegt eine Übertragung auf das berufliche Verhalten im hier interessierenden Zusammenhang scheinbar nahe, denn hier wie dort geht es um die Gestattung von Verhaltensweisen um ihrer sozialen Normalität und Nützlichkeit willen,673 obwohl sie potentiell einen Beitrag zu einem deliktischen Erfolg darstellen können. Für die Fälle berufsbedingter Unterstützungshandlungen müssten diese Überlegungen sogar noch umso mehr gelten, als die Tätigkeiten „an sich“ sogar noch wesentlich ungefährlicher zu sein scheinen als etwa der (gerne als Beispiel genannte) Bau eines Tunnels, bei dem ein Arbeiter zu Tode kommt. Zudem tritt ein deliktischer Erfolg nur wegen des zusätzlichen deliktischen Tätigwerdens eines Dritten ein, der dafür auch strafrechtlich verantwortlich gemacht werden könnte. 670 Vgl. zum Zusammenhang zwischen „erlaubtem Risiko“ und „rechtlich relevanter Gefahrschaffung“ nur Kühl, AT, § 4 Rn. 43, wo auf die unterschiedlichen Terminologien, aber auch Qualifizierungen hingewiesen wird; für den dort nicht explizit erwähnten Terminus des „erlaubten Risikos“ verweist das Sachwortverzeichnis (S. 895) ausdrücklich auf diese Randnummer. 671 Vgl. etwa Kienapfel, Das erlaubte Risiko im Strafrecht, S. 7; Preuß, Untersuchungen zum erlaubten Risiko im Strafrecht, S. 15 ff.; Roeder, Die Einhaltung des sozialadäquaten Risikos und ihr systematischer Standort im Verbrechensaufbau, S. 30; Schünemann, in: Casabona (Hg.), Responsabilidad penal y responsabilidad civil de los profesionales, S. 49, 55. 672 Vgl. die auch heute noch instruktive Einführung zum „erlaubten Risiko“ und seinem Verhältnis zur Wirtschaftsordnung bei Preuß, Untersuchungen zum erlaubten Risiko im Strafrecht, S. 15 ff.; knapp auch bei Stratenwerth, AT, § 8 Rn. 32. Vgl. auch Schürer-Mohr, Erlaubtes Risiko, S. 29 ff., die zwar (unter Verweis auf das Hanse-Motto „navigare necesse est, vivere non necesse“) betont, dass der Gedanke der bewussten und gesellschaftlich akzeptierten Eingehung einer Gefahr zur Erreichung bestimmter Ziele schon älter ist, aus der älteren Literatur aber letztlich ebenfalls nur Fundstellen aus der Zeit seit der Industrialisierung nennt. 673 Vgl. dazu auch Schürer-Mohr, Erlaubtes Risiko, S. 71 ff., die freilich nachweist (a. a. O., S. 68), dass zunehmend eine Verschiebung der Berücksichtigung von Allgemeininteressen hin auch zu der von berechtigten Partikularinteressen erfolgt.

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Insoweit mag man die Frage stellten, ob der Terminus des „erlaubten Risikos“ für unser Problem tatsächlich sehr anschaulich ist, wenn es um als solches wenig gefährliche ganz übliche Alltagshandlungen geht.674 Allerdings hat sich ein sehr weiter Gebrauch des Begriffs eingebürgert, wie nicht zuletzt das Beispiel des Straßenverkehrs zeigt. Außerdem geht es ja gerade um die – zwar geringen, aber eben verbleibenden – Risiken eines solchen Verhaltens.

Dennoch ist eine Lösung mit dem bloßen Verweis auf ein „erlaubtes Risiko“ natürlich nicht möglich. So sind bereits Erfordernis bzw. Berechtigung dieser Kategorie umstritten,675 und es wird vertreten, dass sie an sich überflüssig sei und nur eine Bezeichnung für dogmatisch anders und klarer fassbare Zusammenhänge enthalte.676 Freilich handelt es sich dabei eher um eine terminologische Frage, und immerhin werden auf der Grundlage der historischen Entwicklung des Begriffs ähnliche Fälle unter das „erlaubte Risiko“ gefasst, die darin übereinstimmen, dass die Rechtsgutsverletzung an sich nicht gebilligt wird677, das Handlungsunrecht aber herabgesetzt ist oder sogar entfällt. Insoweit kommt dem Begriff durchaus eine gewisse Systematisierungsfunktion zu,678 die seine Verwendung rechtfertigt. Dabei soll hier im Folgenden der Terminus „erlaubtes Risiko“ – entsprechend der wohl gängigen Verwendung – auf solche Fälle beschränkt werden, in denen eine Überprüfung der Tatbestandsmäßigkeit von „Rechtsgutsbeeinträchtigungen auf Grund einer Bewertung der sie bewirkenden Handlungen nach der Zulässigkeit der mit ihrer Vornahme verbundenen Risiken hin“ geboten ist.679 Das kann aber nichts daran ändern, dass das „erlaubte Risiko“ ein Formalbegriff ist,680 der zunächst nur zum Ausdruck bringt, dass eine riskante Handlung erlaubt ist, nicht aber weshalb. Auch die Formel von der „Bewertung der (sc.: die Rechtsgutsbeeinträchtigung) bewirkenden Handlungen nach der Zulässigkeit der mit ihrer Vornahme verbundenen Risiken hin“ hilft insoweit nicht entscheidend weiter, da nicht ausgesagt wird, nach welchen Kriterien diese „Handlung“ bewertet und wesSo zu Recht in anderem Zusammenhang Schroeder, JZ 1989, 776, 777. Vgl. Roxin, AT I, § 11 Rn. 59, sowie die knappe, aber instruktive Einführung in den Meinungsstand m. w. N. bei Rogat, S. 69 f. 676 Deutlich Kienapfel, Das erlaubte Risiko im Strafrecht, S. 28 f.; auch Jescheck / Weigend, AT, § 36 I = S. 401 anerkennen das erlaubte Risiko beim Vorsatzdelikt nur als Strukturprinzip für einige wenige spezielle Rechtfertigungsgründe (dazu auch Gropp, AT, § 6 Rn. 198) bei bestimmten Tatbeständen, wollen es aber immerhin i.R.d. Fahrlässigkeitsdelikts bei der Auslegung der Sorgfaltspflicht beachtet wissen. Dezidiert a.A. aber Schürer-Mohr, Erlaubtes Risiko, S. 208 f. 677 Jakobs, AT, Abschn. 7 Rn. 37, hält das erlaubte Risiko für mit einer vorrangig am Güterschutz orientierten Strafrechtskonzeption überhaupt kaum vereinbar. 678 Vgl. zur systematisierenden Funktion dieses Begriffs Maiwald, Jescheck-FS, S. 405, 420 ff., sowie auch Jescheck / Weigend, AT, § 36 I = S. 401, die immerhin ein gemeinsames Strukturprinzip bestimmter Rechtfertigungskonstellationen annehmen. 679 Vgl. diese Definition zum Regelungsinhalt des „erlaubten Risikos“ bei Rehberg, Zur Lehre vom „Erlaubten Risiko“, S. 54. 680 Grundlegend Maiwald, Jescheck-FS, S. 405, 409 ff.; krit. dazu Jakobs, AT, Abschn. 7 Rn. 35. 674 675

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3. Teil: Grundlegungen einer eigenen Lösung

halb mit ihr verbundene Risiken zulässig sein sollen. M.a.W.: die Erlaubtheit des Risikos muss durch einen Sachgrund gerechtfertigt sein.681 Der nicht nur für das vorliegende Problem nächstliegende, sondern wohl auch verbreitetste Sachgrund für die Erlaubtheit des Risikos wird darin gesehen, dass „die Vornahme bestimmter, grundsätzlich sozial erwünschter, aber risikogeneigter Handlungen“ ermöglicht werden soll, die „wegen ihres sozialen Nutzens auch auf die Gefahr hin vorgenommen werden“ dürfen, „daß sich die in ihnen enthaltene Gefahr verwirklicht“.682 Dieser Gedanke verweist auf Überlegungen aus der Lehre von der sozialen Adäquanz,683 die in den so beschriebenen Situationen der Kern des Sachgrunds für die Erlaubtheit des Risikos ist,684 führt aber über diese noch hinaus: Denn auch der „Begriff der Sozialadäquanz“ ist – worauf Maiwald zutreffend hinweist – in gewisser Weise noch ein formaler, weil er „die Gründe nicht bezeichnet, die dazu geführt haben, daß die betreffenden Handlungen im Sozialleben allgemein akzeptiert werden.“685 Dieser Grund nun liegt gerade in der sozialen Erwünschtheit bestimmter Handlungen trotz der mit ihnen verbundenen Risiken. Damit ist nun zweierlei angesprochen: Zum einen eine dogmatische Begründung für die Straflosigkeit, da ein sozial erwünschtes Verhalten nicht zugleich den sozial-ethischen Vorwurf auslösen kann, der mit der Erfüllung des Tatbestandes verbunden ist; oder in den Worten Zipfs: „Ebenso wie Straftatbestände negative ,Verhaltensmuster‘ sind, gibt es positive Verhaltensmodelle ( . . . ). Ein bestimmtes menschliches Verhalten kann nicht gleichzeitig einem positiven und einem negativen Verhaltensmodell entsprechen. ( . . . ) Die unrechtsindizierende Wirkung der Tatbestandserfüllung rechtfertigt sich daraus, daß in den Straftatbeständen das Erfahrungswissen um die Sozialschädlichkeit bestimmter Verhaltensweisen nieder681 Vgl. zu dieser Gegenüberstellung von Formalbegriff und Sachgrund nochmals Maiwald, Jescheck-FS, S. 405, 409 ff., der eine ganze Reihe möglicher Gründe anführt. 682 Vgl. Jescheck / Weigend, AT, § 36 I = S. 401. Dass Jescheck / Weigend hier eine Definition bereit halten, die ein weiteres Verständnis des erlaubten Risikos gut beschreibt, obwohl sie selbst seinen Anwendungsbereich an sich begrenzen wollen, zeigt umso deutlicher, dass hier eine gewisse communis opinio besteht. 683 Vgl. Kienapfel, Das erlaubte Risiko im Strafrecht, S. 9 f.; ähnlich Herzberg, Täterschaft und Teilnahme, S. 53, sowie zum Zusammenhang zwischen erlaubtem Risiko und sozialer Adäquanz auch Schürer-Mohr, Erlaubtes Risiko, S. 78 f., und Welzel, S. 132; nicht umsonst ist die Metaphorik von Welzel bei der Begründung der Lehre von der Sozialadäquanz trotz letztlich unterschiedlicher Bilder eine ähnliche wie in Überlegungen zum erlaubten Risiko bei Binding: Welzel spricht von der falschen Vorstellung, die Rechtsgüter seien „Museumsstücke, die sorgfältig vor schädlichen Einflüssen in Vitrinen verwahrt, nur dem Blick der Beschauer freigegeben sind“ (vgl. ZStW 58 [1939], 491, 514), während Binding erlaubte Risiken nur in einem Staatswesen für unvermeidbar hält, in dem „absolute Ruhe und Untätigkeit ( . . . ) erste Bürgerpflicht“ sind (vgl. Die Normen und ihre Übertretung, Bd. IV, S. 200). 684 Vgl. auch Armin Kaufmann, Jescheck-FS, S. 251, 267. Aus diesem Grund können im Folgenden zu einzelnen Punkten auch Beiträge, die sich (jedenfalls ihrem Titel nach) stärker mit der sozialen Adäquanz befassen, und solche, die stärker auf das erlaubte Risiko abstellen, parallel zitiert werden. 685 Vgl. Maiwald, Jescheck-FS, S. 405, 409, dort Fußn. 18.

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gelegt ist. ( . . . ) Diese Unrechtsindizierung ist aber von vornherein mit Fehlerquellen bzw. Ungenauigkeiten behaftet: Sie ist ( . . . ) nicht so exakt möglich, daß sie nicht auch atypische Fälle erfassen würde ( . . . ). Die Strafnorm ist dann nicht so geraten, dass sie die Selektionsfunktion zwischen sozialschädlichen und wertneutralen Verhaltensweisen zuverlässig erfüllen kann.“686 Diese Erklärung setzt freilich bestimmte Prämissen voraus, die hier als erfüllt unterstellt gelten müssen. Dies gilt insbesondere für die Beachtlichkeit der jeweiligen (vermeintlich) positiven sozialen Bewertung im Verhältnis zu den gesetzlichen Vorschriften.687 Die jeweiligen sozialen Standards müssen also (etwa hinsichtlich ihrer Herkunft) grundsätzlich berücksichtigungsfähig sein, dürfen expliziten strafrechtlichen Regelungen nicht zuwiderlaufen und müssen inhaltsreicher sein.688 Wenn dies alles aber erfüllt ist, beschreiben die sozialen Standards die soziale Adäquanz bzw. liefern den Grund für Erlaubtheit des Risikos. Hierdurch wird auch die oben noch offen gelassene Frage beantwortet, wie die dogmatische Umsetzung der Wertungen aus sozialen Normen erfolgen kann:689 Als Standards der sozialen Adäquanz bzw. als Gründe für Erlaubtheit des Risikos finden sie Eingang in allgemeine Strukturprinzipien, die bei der restriktiven Auslegung von Tatbeständen zu berücksichtigen sind.

Zum anderen wird durch den Verweis auf die „Erwünschtheit trotz drohender Gefahren“ deutlich, dass der Bewertung eines Risikos als erlaubt eine „Abgrenzung der in einem polaren Spannungsverhältnis stehenden privaten und öffentlichen Interessen an der Betätigungsfreiheit einerseits und am Schutz persönlicher Güter andererseits“690 und damit eine Abwägung vorausgeht.691 Dies fügt sich nicht nur harmonisch in die Ergebnisse aus den allgemeinen strafrechtstheoretischen Überlegungen zu den Grenzen des Rechtsgüterschutzes692 ein. Vielmehr spiegelt sich damit auch auf strafrechtsdogmatischer Ebene die Bedeutung solcher Abwägungen wieder, die in der verfassungsrechtlichen Untersuchung stattgefunden haben693 und insoweit auch als Vorbild für die strafrechtlichen Überlegungen dienen können. Dass dabei auf der verfassungsrechtlichen Ebene durchaus zu Vgl. ZStW 82 (1970), 633, 647, 648. Vgl. dazu auch bereits oben S. 226 ff. 688 Dabei wurde bereits oben, S. 235, auf das Problem hingewiesen, ob der größere Inhaltsreichtum auch bejaht werden kann, soweit es zu einem – vielleicht sogar vorsätzlich herbeigeführten – Schadenseintritt kommt. Auf die dogmatische Ebene der Geltung des Prinzips des „erlaubten Risikos“ bei Vorsatzdelikten übertragen vgl. dazu sogleich die Überlegungen unter b) und c). 689 Vgl. dazu auch Cancio Meliá, GA 1995, 179, 184 f., der in der „Erkenntnis, daß das von strafrechtlichen Normen bezeichnete Geschehen ( . . . ) als soziale Sinnhaftigkeit ( . . . ) verstanden werden“ kann, „den entscheidenden Schritt der Kategorie der sozialen Adäquanz zur Entnaturalisierung des objektiven Tatbestandes“ sieht, der ermöglicht, „daß die Tatbestände (sc.: nach Ausblendung des sozial adäquaten Geschehens) vertyptes Unrecht seien.“ 690 So prägnant und zutreffend Rehberg, Zur Lehre vom „Erlaubten Risiko“, S. 52. 691 Vgl. auch Jakobs, AT, Abschn. 7 Rn. 35: „Die Begründung des erlaubten Risikos ist insoweit der Interessenabwägung beim Notstand verwandt.“ 692 Vgl. o. S. 190 ff. und 206 ff. 693 Vgl. o. S. 289 ff. 686 687

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berücksichtigen war, dass nicht nur die allgemeine Handlungsfreiheit, sondern auch die Berufsfreiheit tangiert ist,694 findet in der Strafrechtsdogmatik wiederum seine Fortsetzung in den Überlegungen Hassemers, dass aussagekräftige Aussagen über die „soziale Adäquanz“ nur auf sektoraler Ebene gemacht werden können, was speziell für das hier interessierende Problem zur Figur der professionellen Adäquanz geführt hat.695

b) Das „erlaubte Risiko“ beim Vorsatzdelikt (1) Ist somit grundsätzlich die Möglichkeit anzuerkennen, das Argument des „erlaubten Risikos“ im hier verstandenen Sinne bei bestimmten sozial nützlichen, gleichwohl aber gefährlichen Verhaltensweisen für eine restriktive Auslegung heranzuziehen, so wird dadurch sein Anwendungsbereich jedoch noch nicht hinreichend umschrieben. Gerade für die hier interessierende Unterstützung fremder Straftaten durch berufsbedingtes Verhalten tritt dabei eine Frage in den Mittelpunkt, die im Zusammenhang mit der sozialen Adäquanz und dem erlaubten Risiko kontrovers diskutiert wird: ihre Bedeutung für die Vorsatzdelikte. Während bei Fahrlässigkeitsdelikten entsprechende Strafbarkeitskorrektive in der Sache – und sei es nur als Maßstäbe für die Bestimmung von Sorgfaltspflichten – anerkannt sind696, besteht über ihre Anwendung im Vorsatzbereich Streit:697 Während sich etwa Roeder und Zipf entschieden dagegen aussprechen, die „Sozialadäquanz“ als „Deckmantel für absichtliche Rechtsverletzungen“ zuzulassen,698 sieht Krauß geradezu „das Wesen der sozialen Adäquanz“ darin, dass sie in ihren Grenzen „jedermann“ gestattet, „seinen verwerflichen Zielen nachzugehen“,699 und Maiwald erVgl. o. S. 274 ff. Vgl. zu diesem Konzept Hassemers oben S. 83 ff. 696 Und insoweit auch beim hier interessierenden Problem wichtige Lösungsaspekte versprechen, vgl. zur Fahrlässigkeitsstrafbarkeit näher unten S. 390 ff. 697 Schon bei Welzel selbst finden sich hier gegenläufige Hinweise, vgl. ZStW 58 (1939), 491, 519 (Schwängerung der lungenkranken Ehefrau, um diese umzubringen) einerseits und 557 („Sozialadäquate Handlungen [ . . . ], sind niemals rechtswidrig ( . . . ). Sie sind daher auch nicht tatbestandsmäßig im Sinne der vorsätzlichen Delikte [ . . . ].“) andererseits sowie dazu Cancio Meliá, GA 1995, 179, 186 ff. 698 Vgl. Zipf, ZStW 82 (1970), 633, 635; ähnlich Roeder, Die Einhaltung des sozialadäquaten Risikos und ihr systematischer Standort im Verbrechensaufbau, S. 35 ff., 40: „Wer bereit ist, das Risiko eines verpönten Erfolges selbst im Fall hypothetischer Gewißheit auf sich zu nehmen, bekundet damit eine Gleichgültigkeit, ( . . . ), die jede Privilegierung ausschließt.“ Von seiner Konzeption des „erlaubten Risikos“ als „spezifisches Kriterium des Ausschlusses von Fahrlässigkeitshaftung“ durch Entbindung „der Vermeidung (abstrakt) gefährlicher Verhaltensweisen“ aus sieht auch Kindhäuser, GA 1994, 197, 221 ff., zwischen Vorsatz und Handeln „im erlaubten Risiko“ offenbar ein Verhältnis wechselseitiger Exklusivität. Gegen die Anwendbarkeit des „erlaubten Risikos“ beim Vorsatzdelikt auch (allerdings auf der Grundlage des finalen Handlungsbegriffs und teilweise mit ähnlichen Ergebnissen über die Auslegung einzelner Tatbestände) Rehberg, Zur Lehre vom „Erlaubten Risiko“, S. 97 ff., sowie auch bereits Welzel, ZStW 58 (1939), 491, 520 (dort Fußn. 41). 694 695

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blickt die gemeinsame Struktur der als „erlaubtes Risiko“ zu bezeichnenden Fälle gerade darin, „daß vorsätzliches Handeln im Rahmen des erlaubten Risikos stets straflos bleiben muß“.700 Auch Jescheck / Weigend sehen einen – wenngleich beschränkten – Anwendungsbereich des Strukturprinzips des erlaubten Risikos bei einzelnen vorsätzlichen Delikten,701 und Herzberg meint sogar, es erkenne „heute fast jeder an, der sich mit dieser Frage ernsthaft befaßt“, dass „das ,erlaubte Risiko‘ ( . . . ) nicht nur das Fahrlässigkeits-, sondern ebenso das entsprechende Vorsatzdelikt einschränkt“.702 (2) Angesichts dieser auch heute noch703 unterschiedlichen Ansichten, aber auch der unterschiedlichen terminologischen Verwendung der jeweiligen Kategorien704 erscheint es sinnvoll, sich noch einmal genau zu vergegenwärtigen, um welches Sachproblem es sich handelt: Besinnt man sich auf die historischen Wurzeln des „erlaubten Risikos“ zurück, so war Ausgangspunkt der Überlegungen das Führen gefährlicher Betriebe i.w.S. Hier ging es zunächst um Einschränkungen einer Fahrlässigkeitshaftung,705 die mit dem Argument begründet hätte werden können, dass Vgl. ZStW 76 (1964), 19, 48. Vgl. Jescheck-FS, S. 405, 423 (Hervorhebung dort); vgl. auch Roxin, AT I, § 11 Rn. 60 (Die Rechtsgüterverletzung unter Einhaltung des erlaubten Risikos ist „keine Tatbestandshandlung. Das gilt für fahrlässige und vorsätzliche Delikte gleichermaßen.“). Etwas vorsichtiger Stratenwerth, AT, § 8 Rn. 32 a.E.: „Wenn es zulässig ist, bestimmte Risiken herbeizuführen, so muss das prinzipiell auch für vorsätzliches ( . . . ) Handeln gelten.“ (Hervorhebung hier: Stratenwerth relativiert also durch die Einschränkung „prinzipiell“ und spricht – bewusst oder unbewusst – auch nur von der Herbeiführung des Risikos, nicht des Erfolges). 701 Vgl. zu ihrer Konzeption o. Fußn. 676 ff. 702 Vgl. JR 1986, 6, 7. 703 Dass für die Ansicht, die das erlaubte Risiko bei Vorsatzdelikten nicht anerkennen will, hier v.a. Stellungnahmen aus den 60er und 70er Jahren angeführt werden, ist kein Hinweis darauf, dass heute – vielleicht sogar noch mehr als 1985 / 86 zum Zeitpunkt des Zitats von Herzberg – tatsächlich Einigkeit bestehen würde, sondern liegt vor allem daran, dass „erlaubtes Risiko“ und „soziale Adäquanz“ in den letzten Jahren weniger stark als „Modethemen“ diskutiert wurden und generell die Dogmatik des Unrechtsbegriffs etwas in den Hintergrund der Diskussion getreten ist. Vielmehr zeigen auch in neuerer Zeit Stellungnahmen wie die von Jescheck / Weigend oder Roxin (vgl. AT I, § 10 Rn. 33 ff., welcher der sozialen Adäquanz als allgemeinem Grundsatz eine Absage erteilt), dass keineswegs Klarheit über Grund und Grenzen entsprechender Tatbestandsrestriktionen besteht. Letztlich ist die im 2. Teil ausführlich nachgewiesene Diskussion gerade zum hier interessierenden Thema auch ein beredter Beleg dafür, dass gerade die Vorsatzproblematik keineswegs im von Herzberg genannten Sinne entschieden ist: Die dort oft geäußerte Einschätzung, bei Kenntnis des Unterstützenden verliere die Handlung ihren neutralen Charakter, kann eigentlich nicht anders gedeutet werden, als dass eine Handlung bei Schädigungsvorsatz auch ihre soziale Adäquanz, das Risiko mithin seine Erlaubtheit verliere. 704 Vgl. hierzu etwa nochmals Fußn. 676 zum eingeschränkten Verständnis des Begriffs bei Jescheck / Weigend, Kühl, AT, § 4 Rn. 43 (zu den unterschiedlichen Formulierungen und ihrem Bezug zum „erlaubten Risiko“), sowie Herzberg, JR 1986, 6, 7 (der offenbar das „erlaubte Risiko“ generell mit der „Einhaltung der gebotenen Sorgfalt“ gleichsetzt, was wiederum für Krauß, ZStW 82 [1970], 19, 48, mehr oder weniger auch ein Synonym für sozial-adäquates Verhalten ist). 699 700

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bei diesen Betrieben Unglücksfälle – sogar mit einer gewissen statistischen Wahrscheinlichkeit – vorhersehbar sind. Stellt man nun für solche Fälle die „Vorsatzfrage“, sind zwei Konstellationen zu unterscheiden: Da ist zum einen der – wohl vorrangig in Kathederbeispielen agierende – Betreiber, der in Kenntnis der abstrakten Risiken den Betrieb fortführt nicht obwohl, sondern gerade weil er die Gefahren kennt und dabei hofft, dass sich trotz ordnungsgemäßer Sicherungen das (abstrakte) Restrisiko realisiert und die ungeliebte Belegschaft bzw. ein einzelner verhasster Arbeiter verletzt wird. Hier stellt sich bereits die Frage, ob es überhaupt um ein Vorsatzproblem geht oder ob nicht – in Anlehnung an einen beliebten Topos der älteren Lehre706 – nur ein rechtlich unbeachtliches „Wünschen“ oder „Hoffen“ vorliegt. Aber auch bei einer stärker objektiven Argumentation kommt man zum selben Ergebnis, da die Gefahr in nichts anderem liegt als im generellen Ablauf des Betriebs, der sich gerade in den Grenzen dessen hält, was an Gefahrschaffung toleriert wird, oder anders ausgedrückt: Rechtsgutsverletzungen auf diesem Angriffsweg (bei dem der „Angriff“ nur in der generellen Führung des Betriebs liegt) werden von der Rechtsordnung akzeptiert. Anders sieht es dagegen in der Konstellation aus, in welcher der Betreiber seine Arbeiter einer konkreten Gefahr aussetzt, von der er Kenntnis hat, also z. B. einen Tunnelarbeiter in einen ursprünglich ordnungsgemäß abgesicherten Schacht schickt, obwohl er von einem Bruch mehrerer Stützbalken weiß, auf Grund dessen der Tunnel in naher Zukunft einzustürzen droht: Hier geht es tatsächlich um ein Vorsatzproblem.707 Stärker objektiv argumentierend wird man sagen müssen, dass das Schicken des Arbeiters in den aktuell einsturzgefährdeten Tunnel eine konkrete Gefahrschaffung darstellt,708 die nicht mehr tolerabel ist. Dies liegt daran, dass das erlaubte Risiko im hier verstandenen Sinne zumindest grundsätzlich nicht von Erfolgsvermeidepflichten suspendiert, und der Umfang dieser Vermeidepflichten hängt von der konkreten Situation ab:709 So wie an den gefährlichen Betrieb als solchen gewisse abstrakte Sicherungsanforderungen gestellt werden, damit das Risiko zu einem erlaubten wird, können sich solche auch situationsabhängig für spezielle Betriebshandlungen ergeben.710 Diese situationsspezifischen Sicherheits705 Vgl. auch Schünemann, in: Casabona (Hg.), Responsabilidad penal y responsabilidad civil de los profesionales, S. 49, 55. 706 Diesen Weg gingen für vergleichbare Fälle sowohl im Bereich der Schuld Vertreter des klassischen Verbrechensbegriffs (Nachweise bei Preuß, Untersuchungen zum erlaubten Risiko im Strafrecht, S. 52, dort Fußn. 186) als auch im Bereich des subjektiven Tatbestands solche des Finalismus (vgl. die Nachweise oben in Fußn. 561). 707 Vgl. auch Kindhäuser, GA 1994, 197, 222, der auf den Unterschied zwischen dem „Wunsch“ nach dem Eintritt eines statistisch gesehenen unwahrscheinlichen Schadens und der vorsatzrelevanten Konkretisierung hinweist. 708 Vgl. nochmals Kindhäuser, GA 1994, 197, 219, 221 f., zum Unterschied zwischen erlaubten abstrakten Gefahren mit ihren risikoimmanenten Folgen und konkreten Gefahren. 709 Vgl. auch bereits Maiwald, Jescheck-FS, S. 405, 421. 710 Dies führt auch dann zu keiner Überforderung des nicht-wissenden Täters, wenn man die o.g. Unterscheidung zwischen „Vorsatz“ und „Wünschen“ nicht anerkennt bzw. zumin-

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anforderungen lassen sich aber häufig nicht sinnvoll unabhängig vom Kenntnisstand des Täters formulieren.711 Eine solche Differenzierung zwischen dem „Betrieb an sich“ und konkreten „Betriebshandlungen“ ist in der Diskussion um das erlaubte Risiko nicht neu.712 Ihr kommt nicht nur Bedeutung für den Vorsatz-, sondern insbesondere auch für den Fahrlässigkeitsbereich zu. Da sich die (objektiven) Vermeidepflichten nach der konkreten Situation und der darin erkennbaren Gefahr richten,713 kann auch der einzuhaltende Sorgfaltsmaßstab ein unterschiedlicher sein: Grundsätzlich ist die im Verkehr erforderliche Sorgfalt eingehalten, wenn der gefährliche, aber erlaubte Betrieb lege artis geführt und gegen die abstrakt bekannten Gefahren gesichert wird. In besonderen Situationen muss aber auf zusätzliche Gefährdungen Rücksicht genommen werden, wenn solche erkennbar sind.714

Andererseits werden im Zusammenhang mit dem erlaubten Risiko i.w.S. auch Beispiele genannt, bei denen fraglich ist, ob konkrete Kenntnisse und subjektive Einstellungen die Erlaubtheit des Risikos beeinflussen sollen: So führt Herzberg dest bei Vorliegen von Absicht auch ganz unwahrscheinliche Kausalverläufe zurechnen will (so grundsätzlich überzeugend Mir Puig, Kaufmann-GS, S. 253, 270, Roxin, Honig-FS, S. 133, 148, sowie Schünemann, GA 1999, 207, 220 f.): Wer die speziellen Umstände nicht kennt, die abweichende Vermeidepflichten begründen, hat keinen Vorsatz hinsichtlich eines tatbestandlichen (weil das erlaubte Risiko überschreitenden) Verhaltens. Er ist deswegen auch dann nicht wegen eines Vorsatzdeliktes strafbar, wenn er in Unkenntnis der gebrochenen Stützbalken noch immer für möglich hält und sich wünscht, ein verhasster Arbeiter möge verschüttet werden, also hinsichtlich des Erfolgseintritts möglicherweise vorsätzlich handelt. 711 Vgl. (allgemein zur möglichen Abhängigkeit des objektiven Tatbestandes vom Vorsatz) Mir Puig, Kaufmann-GS, S. 253, 267 ff., insb. 269, sowie auch – wenngleich im Ergebnis wohl abweichend (vgl. u. Fußn. 752) – Cancio Meliá, GA 1995, 179, 188 (dort Fußn. 60: „Deshalb kann oft einem Verhalten ohne Kenntnis der Vorstellungen des Agierenden keine [objektive] Bedeutung entnommen werden“). Daher ist zwar Maiwald, Jescheck-FS, S. 405, 423, darin zuzustimmen, dass auch „vorsätzliches Handeln im Rahmen des erlaubten Risikos ( . . . ) straflos bleiben muß“ (Hervorhebung hier). In vielen (aber nicht allen, vgl. sogleich Text zu Fußn. 715 ff.) Fällen wird aber gerade dieser Rahmen der Erlaubtheit durch die Kenntnisse des Täters bzw. durch die objektiven Umstände, die diese Kenntnisse bedingen, gegenüber einer ersten allgemeinen Beurteilung enger gezogen. 712 Vgl. etwa bereits Rehberg, Zur Lehre vom „Erlaubten Risiko“, insb. S. 211 ff.; Roeder, Die Einhaltung des sozialadäquaten Risikos und ihr systematischer Standort im Verbrechensaufbau, S. 33 f. 713 Vgl. zum Verhältnis von (allgemeinen) „Sicherheitsvorschriften“ (etwa bei der Führung eines Betriebes) und konkreten Sorgfaltsanforderungen auch Rehberg, Zur Lehre vom „Erlaubten Risiko“, S. 219. 714 Um dies noch einmal an einem Beispiel zu verdeutlichen: Der Betrieb eines Atomkraftwerkes kann als solches ein erlaubtes Risiko darstellen, wenn er lege artis erfolgt und alle Genehmigungsvoraussetzungen und Auflagen erfüllt werden. Dies entbindet aber nicht davon, bei bestimmten Betriebshandlungen (Austausch von Brennelementen o.ä.) jeweils die – den Umständen der konkreten Situation entsprechenden – angemessenen Sicherheitsvorkehrungen zu treffen. Außerdem könnte in einer konkreten Situation auch die Sorgfaltspflicht entstehen, den Reaktor – unterstellt, dies bringe zusätzliche Sicherheitsreserven – vorübergehend abzustellen und weitere Vorsichtsmaßnahmen zu treffen, wenn es glaubhafte Hinweise darauf gibt, dass ein Attentat auf den Reaktor unmittelbar bevorsteht.

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den Fall eines Boxers an,715 der mit regelgerechten Schlägen das Ziel verfolgt, seinen (im konkreten Kampf auch als besonders schlecht verteidigend erkannten) Gegner zu töten.716 Eine Strafbarkeit abzulehnen erscheint hier im Ergebnis ebenso gut vertretbar wie im von Maiwald in Anlehnung an Niese gebildeten Fall eines Arztes, der bei einer kunstgerechten Operation „im Innersten“ hofft, dass „der von ihm gehaßte Patient durch die Operation“ – man darf ergänzen: was, wie er sieht, ohne weiteres im Bereich des Möglichen liegt – „zu Tode kommen werde“.717 Von der in den beiden genannten Fällen nicht zufällig auch einschlägigen „Einwilligungsstruktur“718 abgesehen haben diese weitere Gemeinsamkeiten, die sie von dem „Betriebsbeispiel“ oben unterscheiden. Während oben ausgeführt wurde, dass die Anerkennung eines erlaubten (abstrakten) Risikos die Erfolgsabwendungsbzw. Verletzungsvermeidungspflicht (bei konkreten Gefahren) unberührt lässt, geht es in den zuletzt genannten Beispielen gewissermaßen um die Zulässigkeit „formalisierter Verletzungshandlungen“. Der Boxer hat sich nicht über das Regelwerk hinaus so zu verhalten, dass er Schaden von seinem Gegner so gut wie möglich abhält, sondern ihm ist durch dieses Regelwerk gerade erlaubt, ihn auf eine bestimmte formalisierte Weise zu verletzen. M.a.W.: Im Rahmen eines weiter verstandenen Phänomens „erlaubtes Risiko“ (das über die klassischen Fälle des gefährlichen Betriebes und der Teilnahme am Straßenverkehr hinausgeht) kann unterschieden werden: Zum einen gibt es Fälle, in denen das Risiko erlaubt ist, wenn es bestimmten begrenzten719 Sicherheitsanforderungen genügt, die eine weitergehende Vermeidepflicht im Übrigen aber unberührt lassen, wenn diese konkret erforderlich ist. Zum anderen gibt es die – im Interesse des Rechtsgüterschutzes seltener anzunehmenden – Fälle, in denen das Risiko stets erlaubt ist, wenn es durch bestimmte formalisierte Verletzungsformen 715 Zu gefährlichen Sportarten als Fallgruppe des erlaubten Risikos auch Kienapfel, Das erlaubte Risiko im Strafrecht, S. 7, sowie zur Lösung über den Aspekt der Sozialadäquanz Dölling, ZStW 96 (1984), 37 ff. (zu ihm teilweise kritisch Rössner, Hirsch-FS, S. 313, 320 f.) und Maiwald, Jescheck-FS, S. 405, 408. 716 Vgl. Herzberg, JR 1986, 6, 7. 717 Vgl. Maiwald, Jescheck-FS, S. 405, 422 in Anlehnung an Niese, Streik und Strafrecht, S. 31, der eine Straflosigkeit kraft Sozialadäquanz annimmt. Für einen ähnlichen Fall für eine Straflosigkeit auch Roxin, Honig-FS, S. 133, 144, der dieses Ergebnis mit dem Schutzbereich der Norm begründet. 718 Auch wenn die Lösung nicht über die Auslegung und Grenzen der Einwilligung gesucht wird (welche bei einer beabsichtigten Tötung zumeist auch eine bloße Fiktion wäre), dürfte die hier als „Einwilligungsstruktur“ bezeichnete Situation, dass sich das Opfer der Grundgefahr freiwillig und eigenverantwortlich aussetzt, zumindest insoweit für die Bewertung eine Rolle spielen, als bei der im Folgenden durchgeführten Bestimmung der Erlaubtheit eine gewisse herabgesetzte Schutzwürdigkeit zu bestehen scheint. 719 Vgl. o. S. 326 f. Dies wird auch deutlich bei Binding, Die Normen und ihre Übertretung, Bd. IV, S. 200, der im Zusammenhang mit dem erlaubten Risiko davon spricht, dass es der sonst drohenden „grössten Überspannung der Diligenzpflicht des einzelnen Falles“ entgegenwirken soll – dies ist letztlich genau der Gedanke, der hier oben S. 326 f. zur Begrenzung der Sorgfaltspflichten formuliert wurde.

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geschaffen wird. Im Bereich berufsbedingter Unterstützungshandlungen wird zumeist ein Fall der ersten Gruppe (d. h. fortbestehender Vermeidepflicht) vorliegen. Dass freilich bei entsprechend formalisiertem Regelwerk auch Fälle der zweiten Gruppe (formalisierte Verletzungshandlungen) vorstellbar sind, zeigt aus dem thematischen Umfeld unseres Problems die Frage nach der Strafvereitelung durch den Strafverteidiger: Dieser darf unter Einhaltung der Prozessordnung auf formalisierten Wegen die effektive Strafverfolgung beeinträchtigen und ist nicht etwa gehalten, solche Beeinträchtigungen zu vermeiden, wenn er den „Prozesserfolg“ durch sein Handeln in Gefahr sieht.720 (3) Dies wiederum führt aber dazu, dass bei berufsbedingten Unterstützungshandlungen zumindest regelmäßig die Berufung auf ein erlaubtes Risiko ausscheiden müsste, wenn der Berufsträger Kenntnis hat.721 Noch vor den im Folgenden zu behandelnden Fragen, ob dies auch bei rollenüberschreitendem Sonderwissen722 und bei der Vermittlung des Erfolges durch Dritte gilt,723 ist es allerdings eine Überlegung wert, ob diese Einschränkung der „Erlaubtheit“ des Risikos bei Vorsatzdelikten unabhängig vom exakten Vorsatzgrad gilt. Eine vorsatzbewehrte „verbleibende Vermeidepflicht“ wird nämlich gerade aktiviert, weil der Täter auf Grund seiner Kenntnisse nun nicht mehr der Privilegierung bedarf, bestimmte Risiken eingehen zu dürfen, um sein sozial nützliches Verhalten überhaupt ausüben zu können. Nicht umsonst wurden die Beispiele zur erhöhten Vermeidepflicht – in Übereinstimmung mit der einschlägigen Literatur – stets mit Fällen „sicherer Kenntnis“ bzw. „sicherer Voraussicht“ gebildet. Eine vergleichbare Erhöhung der Vermeidepflicht tritt dagegen nicht notwendig in Fällen ein, die für die Annahme von dolus eventualis genügen könnten. Lässt man das bloße verstärkte „Ins-Bewusstsein-Rücken“ der generellen Möglichkeit eines Schadenseintritts ohne konkrete Anhaltspunkte bei gleichzeitiger Billigung im Rechtssinne überhaupt für die Annahme von dolus eventualis genügen (was ohnehin nicht zwingend ist724), so ist wenig überzeugend, deshalb bereits geänder720 Dies einmal ganz abgesehen davon, dass natürlich auch kein „Prozesserfolg“ vereitelt wird, wenn es zu einem prozessordnungsgemäß erkämpften Freispruch – selbst eines schuldigen Angeklagten – kommt. Vgl. Kudlich, Strafprozeß und allgemeines Mißbrauchsverbot, S. 208, sowie bereits Weigend, Deliktsopfer und Strafverfahren, S. 191. 721 Ein solches Ergebnis stünde jedenfalls nicht im Widerspruch zu den oben angestellten Überlegungen zur Neutralität des Verhaltens, die auch bei entsprechender Kenntnis bejaht werden könnte, vgl. o. S. 173 ff. Denn dort ging es um eine rein tatsächliche Beurteilung, und es wurde betont, dass es dem Gesetz u.U. durchaus möglich ist, auch äußerlich neutrale Verhaltensweisen zu pönalisieren. 722 Vgl. sogleich S. 345 ff. 723 Vgl. unten S. 350 ff.: Es ist jedenfalls nicht selbstverständlich, dass die Grundsätze, die hier anhand von allgemeinen Überlegungen und von Beispielen mit nur einem Verletzer erarbeitet werden, auch uneingeschränkt gelten, wenn ein weiterer Verletzer mitwirkt und sogar näher am Geschehen steht. 724 Vgl. etwa Roeder, Die Einhaltung des sozialadäquaten Risikos und ihr systematischer Standort im Verbrechensaufbau, S. 35 f., der überzeugend darauf hinweist, dass in den meis-

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3. Teil: Grundlegungen einer eigenen Lösung

te (vorsatzstrafbewehrte) Vermeidevorrichtungen zu fordern. Es käme dann – in den Worten Kienapfels – zu einer „eigenartigen Kombination von ,Unglück‘ und ,bösem Vorsatz‘ “.725 Auf Grund der schmalen Grenze zwischen bedingtem Vorsatz und bewusster Fahrlässigkeit726 würde die Wertung der grundsätzlichen Erlaubtheit des Risikos zu stark zurückgedrängt, und das daraus resultierende Strafbarkeitsrisiko würde gerade verhindern, was die Idee des erlaubten Risikos erreichen soll: dass im Interesse der sozialen Nützlichkeit jedenfalls ohne Anhaltspunkte für konkrete Gefahren das Verhalten trotz seiner abstrakten Gefährlichkeit durchgeführt werden kann. Dies trifft sich im Ergebnis auch mit den scharfsinnigen Überlegungen, die Arzt (am Beispiel der Aussagedelikte mit bedingtem Vorsatz hinsichtlich der objektiven Falschheit der Aussage, aber explizit über dieses Feld hinausweisend) für den bedingten Vorsatz anstellt:727 Er äußert generell Zweifel am Ausreichen des bedingten Vorsatzes zur Strafbarkeitsbegründung, wenn zugleich bedingter Vorsatz hinsichtlich des Vorliegens von Rechtfertigungs- oder Tatbestandsausschließungsgründen für ausreichend erachtet wird. Auf Grund der Reziprozität des unrechtsbegründenden und des unrechtsausschließenden subjektiven Elementes728 müsse an sich „denknotwendig die reziproke Situation beim (sc.: unrechtsbegründenden – H.K.) Vorsatz ( . . . ) aus der allgemeinen dolus-eventualis-Doktrin ausgeklammert werden“, d. h. der dolus eventualis straflos bleiben, wenn man für die unrechtsausschließende Tatsache „weniger als das sichere Wissen“ genügen lasse.729

Auch aus diesem Blickwinkel spricht also (letztlich auf Grund ähnlicher Wertungen) einiges für die schon in anderem Zusammenhang diskutabel erscheinende Möglichkeit, für eine Vorsatzstrafbarkeit wegen berufsbedingter Unterstützungshandlungen dolus eventualis nicht (oder nicht in jeder Form begründet730) genügen zu lassen oder aber die Anforderungen an dessen Bejahung angemessen hoch anzusetzen. ten praktischen Fällen, in denen für die konkrete Betriebshandlung dolus eventualis vorstellbar erscheint, in Wahrheit nur bewusste Fahrlässigkeit vorliegt. 725 Vgl. Kienapfel, Das erlaubte Risiko im Strafrecht, S. 12. 726 Treffend insoweit Preuß, Untersuchungen zum erlaubten Risiko im Strafrecht, S. 214. Im Ergebnis in eine ähnliche Richtung tendierend wohl auch schon Welzel, ZStW 58 (1939), S. 491, 520 (dort Fußn. 41), wenn er für die Frage nach der Beachtlichkeit des erlaubten Risikos bei bedingtem Vorsatz zu dem Ergebnis kommt, dass die diskutierten Fälle „in der Wirklichkeit“ nur solche bewusster Fahrlässigkeit seien. 727 Vgl. Arzt, Jescheck-FS, S. 391 ff. (und zur allgemeinen Bedeutung seiner Überlegungen insb. S. 400). 728 Am Beispiel der Aussagedelikte (nach einer streng verstandenen objektiven Theorie): Vorsatz hinsichtlich Richtigkeit und Falschheit der Aussage: Wer nur für (mehr oder weniger entfernt) möglich hält, dass seine Aussage falsch ist, geht offenbar eher davon aus, dass sie richtig ist – und mehr als eine Aussage, die an sich für richtig gehalten werde, könne nicht verlangt werden. 729 Vgl. Arzt, Jescheck-FS, S. 391, 399. 730 Vgl. zu den verschiedenen Gründen, aus denen ein bedingter Vorsatz begründet sein kann, auch nochmals vertiefend im Zusammenhang mit dem Vertrauensgrundsatz unten S. 383 ff.

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c) Die Beachtlichkeit rollenüberschreitenden Sonderwissens (1) Darüber hinaus könnte man aber auch (dolus directus begründende) sichere Kenntnis für die Erlaubtheit des Risikos für unbeachtlich halten, wenn es sich bei diesem um „rollenüberschreitendes Sonderwissen“ handelt und ein solches nicht zur Rücknahme der an sich gegebenen Risikoerlaubnis führt.731 Dabei wird unter dem Begriff der „Rolle“ hier in Anlehnung an seine Verwendung in der Soziologie732 die jeweilige Position verstanden, die der einzelne in der sozialen Interaktion einnimmt und die daher als Komplex normativer Verhaltenserwartungen die an ihn gestellten Erwartungen bündelt. Da nun jeder Mensch eine Vielzahl unterschiedlicher Rollen bekleidet, ist durchaus vorstellbar, dass er in einer „Rolle“ Erfahrungen macht, von denen fraglich ist, ob sie ihn in einer anderen „Rolle“ überhaupt interessieren müssen. Zur Verdeutlichung des Phänomens eines „rollenüberschreitenden Sonderwissens“ sei zunächst noch einmal ein oben schon verwendetes Beispiel herangezogen: Gehört es zu den Pflichten des Tunnelbauunternehmers, die abstützenden Balken regelmäßig vor dem Beschicken des Tunnels mit Arbeitern zu prüfen bzw. prüfen zu lassen, so handelt es sich um Kenntnisse, die er sich grundsätzlich verschaffen muss. Auch wenn er diese Kenntnisse nun im konkreten Fall nicht auf Grund einer Überprüfung, sondern auf anderem Wege (etwa durch eine private Besichtigung am Wochenende mit seiner Familie) erhalten hat, gehören sie zu seiner „Rolle“, es handelt sich also um kein rollenüberschreitendes Sonderwissen. Es besteht fraglos die normative Verhaltenserwartung, dass er alle Informationen über die Sicherheit des Tunnels heranzieht, die er von irgendwo her bekommt.733 Als Gegenbeispiel lässt sich ein von Jakobs angeführter Fall nennen:734 Ein Biologiestudent arbeitet als Aushilfskellner und entdeckt in einem exotischen Salat eine seltene giftige Frucht, die ihm nur auf Grund seiner im Studium erworbenen besonderen Kenntnisse bekannt ist. Wenn er nun den Salat dennoch serviert, kommt eine Strafbarkeit nur in Betracht, wenn ihn auch in seiner Rolle als Kellner das davon völlig unabhängige (und hier nur sogar nur Experten zugängliche) Wissen aus seiner Rolle als Biologiestudent „belastet“. Ob dies der Fall ist, soll an dieser Stelle noch nicht entschieden werden; immerhin wird man aber von einem Kellner, zumal von einem Aushilfskellner, normativ nicht erwarten können, dass er über vertiefte Kenntnisse in der Botanik exotischer Pflanzen verfügt, so dass – anders 731 Zur Metapher der „Rücknahme einer Risikoerlaubnis“ Jakobs, Kaufmann-GS, S. 271, 276. Sachlich dürfte dies mit dem „Fortbestehen der Vermeidepflicht“ und der deswegen erforderlichen Anpassung der Verhaltenspflicht übereinstimmen oder anders ausgedrückt: der Fortbestand der Vermeidepflicht ist der Sachgrund für die Rücknahme der Risikoerlaubnis. 732 Vgl. dazu bereits die Nachweise oben Fußn. 245 auf S. 229. 733 Das wird in unserem Beispiel umso deutlicher durch die Tatsache, dass die private „Wochenendbesichtigung“ eines im Bau befindlichen Tunnels auch sicher nicht jedermann möglich ist. 734 Vgl. Jakobs, Kaufmann-GS, S. 271, 273. Der Fall betrifft zwar kein typisches Beispiel des „erlaubten Risikos“, beschreibt aber das „rollenüberschreitende Wissen“ anschaulich.

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als bei dem Tunnelbauunternehmer – durchaus von einem „Sonderwissen“ gesprochen werden kann. (2) Verbreitet wird die Frage nach einem „Sonderwissen“ beim Vorsatzdelikt nicht (jedenfalls aber nicht explizit) gestellt. Sei es, weil von der Bestimmung des Vorsatzbegriffes her rein psychologisierend auf die eben existenten Kenntnisse abgestellt und deshalb das Problem der Herkunft von bzw. der „Zuständigkeit“ für diese(n) Kenntnisse(n) nicht gesehen wird; sei es, dass für völlig selbstverständlich gehalten wird, im Interesse des Rechtsgüterschutzes735 alles an Kenntnissen zu berücksichtigen, was einer Schadensabwendung dienen kann. Armin Kaufmann fasst das in die prägnante Formel: „Der ( . . . ) Satz, daß ,nicht jeden alles angeht‘, ist gewiß ( . . . ) kein allgemeines Prinzip. ( . . . ) im Bereich des Tötungsverbots gilt doch wohl: Jeden vorsätzlich Tötenden geht sein Opfer etwas an.“736 Ein solches Verständnis liegt im Übrigen auch auf der Linie der h. M. in der Fahrlässigkeitsdogmatik. Dort werden trotz damit verbundener Begründungsschwierigkeiten737 überwiegend Sonderwissen und verbreitet auch Sonderfähigkeiten bei der Konturierung des vom Täter objektiv einzuhaltenden Sorgfaltsmaßstabes herangezogen.738 Auch in diesem Kontext könnte man von „rollenüberschreitendem Wissen“ sprechen, da es gerade über die als Fahrlässigkeitsmaßstab herangezogene „Rolle“ des „durchschnittlichen gewissenhaften und besonnenen Angehörigen des jeweiligen Verkehrskreises“ hinausgeht.

Demgegenüber wendet sich namentlich Jakobs gegen eine generelle Berücksichtigung von (rollenüberschreitendem) Sonderwissen beim Vorsatzdelikt. Zu dem o.g. Fruchtsalat-Fall stellt er die Frage: „Was geht den Biologiestudenten der Gast an, anders formuliert, warum sollte bei der Interaktion zwischen Kellner und Gast zum Kellner ein Wissen aus seiner Rolle als Biologiestudent gehören?“739 und bietet auch zugleich eine Antwort an:740 Weil es widersprüchlich wäre, wenn man einerseits nicht verpflichtet sei, „die bedrohliche Lage zur Kenntnis zu nehmen“ (d. h.: niemand erwartet von einem Aushilfskellner eine botanische Expertise der Zutaten eines Fruchtsalats), andererseits aber bei (letztlich zufälliger) Kenntnis „voll zu haften“, müsse man sich darüber klar werden, dass auch nicht jeder Bege735 Zum Rechtsgüterschutzargument beim Problem des Sonderwissens in der Fahrlässigkeitsdogmatik vgl. Kühl, AT, § 17 Rn. 31, 33 m. w. N. 736 Vgl. Jescheck-FS, S. 251, 270. 737 Diese Schwierigkeiten liegen darin begründet, dass im Übrigen überwiegend auf der Unrechtsebene ein objektiver Sorgfaltsmaßstab gewählt wird; dieses Problem stellt sich hier schärfer (jedenfalls aber deutlicher) als beim Vorsatz, da beim Fahrlässigkeitsdelikt zumeist explizit auf die Sorgfaltspflichtverletzung und damit zwangsläufig auf die anzuwendende Sorgfalt rekurriert wird. Zur Begründung zieht sich die h. M. gewissermaßen auf einen Perspektivenwechsel von der „einzuhaltenden Sorgfalt“ auf das „Einhalten der Sorgfalt“ und damit auf die Anforderungen an den Täter zurück: Der Täter mit Sonderwissen bzw. -fähigkeiten werde nicht benachteiligt, da von ihm keine „Zusatzanstrengung“ verlangt werde. 738 Vgl. nur jeweils m. w. N. Jescheck / Weigend, AT, § 55 I 2 b = S. 579; Kühl, AT, § 17 Rn. 26 a.E., 31 ff. 739 Jakobs, Kaufmann-GS, S. 271, 273. 740 Vgl. zum Folgenden Jakobs, Kaufmann-GS, S. 271, 284 ff.

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hungstäter „schon immer dann haftet, wenn er vermeidbar verursacht, sondern nur, wenn er (sc. wie bei den Unterlassungsdelikten, wo dies allgemein anerkannt ist) auch Garant dafür ist, nicht vermeidbar zu verursachen“. Eine Haftung treffe nur den, der „zur Rücknahme des Sonderrisikos verpflichtet ist ( . . . ), von sich aus sein Sonderwissen in seine Beziehung zum Opfer einbringt ( . . . )“ und „kraft einer Institution verpflichtet ist, die den Bereich umgreift, aus dem das Sonderwissen entstammt“. (3) Dass nicht jeder, der vorsätzlich und „vermeidbar verursacht“, für eine Vorsatztat haftet, ist unbestritten. Ob allerdings jenseits von auch sonst in der Zurechnungslehre anerkannten Fallgruppen eine Haftungsfreistellung durch das Deklarieren von Kenntnissen des Täters als „Sonderwissen“ anerkannt werden sollte, erscheint (jedenfalls außerhalb der Fälle vermittelter Verursachungen, dazu sogleich741) fraglich.742 So sind zwar gewisse Abgrenzungsschwierigkeiten bei der Umsetzung eines theoretischen Modells meist unvermeidbar und daher kein genereller Einwand gegen ein solches. In Jakobs angeführtem Fruchtsalat-Beispiel erscheinen mir aber schon die Kriterien für diese Abgrenzungen kaum klar benennbar: Das Servieren des an einen Tisch bestellten Salats selbst sieht Jakobs offenbar als straflos an, da der Kellner sein Sonderwissen nicht einbringen müsse; anders soll das aber liegen, wenn er den speziellen Teller zurückhält, „bis ein Gast kommt, dem er den Schaden gönnt, dann ist dieser Verlauf seine eigene Organisation“.743 Damit beginnen aber die Schwierigkeiten erst:744 Wie soll der Fall entschieden werden, wenn der Kellner gleichzeitig drei Salate an einen Tisch zu bringen hat und dort bei der Verteilung auf die Plätze nach seinen Sympathien vorgeht? Das Abstellen auf einem der Plätze in einer letztlich selbst gewählten Reihenfolge ist gewiss auch „ohne das Sonderwissen ( . . . ) verstehbar“.745 Und wie ist es, wenn der Biologiestudent zu Hause nach dem Kauf einer Frucht zufällig bemerkt, dass diese giftig ist und sie dann einem nur entfernten Bekannten (zu dem keine Beschützergarantenstellung besteht746) serviert? Es gehört sicher nicht zur „Rolle“ jedes Gastgebers, vertiefte biologische Kenntnisse zu haben; und würde es sich um einen Studenten der Rechtswissenschaft handeln, würde man gewiss auch keine 741 Vgl. u. 350 ff. Jakobs, Kaufmann-GS, S. 271, 284, betont explizit, dass „die Problematik ( . . . ) auch nicht vermitteltes Verursachen“ betrifft. Die dort im Folgenden genannten Beispiele, in „denen jemand einen begrenzten Teil der Organisation eines anderen übernimmt“, haben allerdings vor allem dort hohe Überzeugungskraft, wo sie sich in der Sache doch vermitteltem Verursachen zumindest annähern (so beim Austräger einer Zeitung mit beleidigendem Inhalt). 742 Für eine Berücksichtigung des Sonderwissens – teils mit in der Sache ähnlichen, teils mit anderen Argumenten – auch (ebenfalls in Auseinandersetzung mit Jakobs) Wohlleben, S. 164 ff. 743 Vgl. Jakobs, Kaufmann-GS, S. 271, 286. 744 Vgl. auch mit anderen Beispielen Wohlleben, S. 113 f. 745 Dieses Kriterium (für eine Haftung) nennt Jakobs, Kaufmann-GS, S. 271, 286. 746 Jakobs, Kaufmann-GS, S. 271, 286, selbst bildet einen ähnlichen Fall auf Unterlassensebene bezeichnenderweise mit einem Verwandten.

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„Überschreitung eines unerlaubten Risikos oder eine sonst wie bestimmte ,Sorgfaltswidrigkeit‘ aus(zu)machen“,747 wenn er die im Supermarkt erworbenen Früchte nicht mehr anhand eines botanischen Bestimmungsbuches untersucht. Dennoch dürfte nicht ernsthaft vertreten werden, dass der kenntnisreiche Biologiestudent straflos bleibt, wenn ihm diese Erkenntnis gerade recht kommt und er dem ohnehin verhassten Bekannten – wie von Anfang an zunächst auch ohne deliktische Ziele geplant748 – einen Fruchtsalat serviert, an dem dieser dann verstirbt. Aus all dem scheint sich zu ergeben, dass sich für die unterschiedliche Behandlung von Sonderwissen allein aus der jeweiligen „Rolle“ kaum (und wenn, dann allenfalls in bestimmten Sonderfällen) Kriterien benennen lassen, die eine überzeugende Differenzierung erlauben. Dieser praktische Befund ist auch theoretisch nachvollziehbar: Niemand kann für alle objektiv existenten Risiken haften, wenn er nicht allwissend ist. Es ist nicht erst eine Frage der persönlichen Vorwerfbarkeit (und damit nach üblicher Einordnung: der Schuld), sondern betrifft schon die Anforderungen, welche die Rechtsordnung realistischerweise an das Verhalten stellen kann, dass solcherlei Unmögliches nicht verlangt wird. Wenn aber die Kenntnis einer (nicht unter anderen Gesichtspunkten ausnahmsweise erlaubten) Gefahrenquelle tatsächlich vorliegt, ist schwer einzusehen, weshalb man sein Tun nicht daran ausrichten sollte.749 Dass dies beim Unterlassen von der Rechtsordnung anders gesehen wird, ist durchaus interessengerecht: denn hier wird ein Zusammenhang zwischen der Untätigkeit und dem Erfolgseintritt überhaupt erst normativ qua Zuschreibung hergestellt. Bei einem kausalen Tun dagegen besteht dieser Zusammenhang nach ganz natürlichem menschlichen Empfinden750 tatsächlich und wird u.U. nur unterschiedlich bewertet.

Eine soziale Rolle, die generell von den Vorgaben des Strafrechts suspendiert, erscheint kaum begründbar.751 Bei den meisten Interaktionen bekleidet man parallel mehrere Rollen, und dabei enthält auch das Strafrecht selbst Rollenbeschreibungen und -bewertungen, denen Rechnung zu tragen ist. Damit das 747

Dieses Kriterium (für einen Haftungsausschluss) nennt Jakobs, Kaufmann-GS, S. 271,

284. 748 Denn dann ist auch in diesem Fall das Verhalten äußerlich „ohne das Sonderwissen ( . . . ) verstehbar“ (vgl. nochmals Fußn. 745). Anders wäre dies nur, wenn man von einer „Nicht-Verstehbarkeit“ schon dann ausgehen möchte, wenn der Täter in Kenntnis der Gefahr handelt (statt – was bei einer solchen Kenntnis „normal“ wäre – die Frucht sicher zu entsorgen); möchte man aber diesen Schritt gehen, dann wären gerade wieder alle Handlungen in Kenntnis der Giftigkeit nur deliktisch verstehbar. 749 Es liegt dann grundsätzlich ein unproblematischer Fall einer „(individuellen) intentionalen Vermeidbarkeit des unerlaubten Verhaltens und seiner Folgen“ vor, die eine subjektive Zurechnung begründet, vgl. Kindhäuser, Hollerbach-FS, S. 627, 637 (Zitat grammatikalisch angepasst). 750 Vgl. zur entwicklungsgeschichtlich-neuronal verankerten Kausalitätserwartung und ihrer Bedeutung für das Recht auch von Rohr, Evolutionsbiologische Grundlagen des Rechts, S. 120 ff. 751 Vgl. auch NK-Puppe, vor § 13 Rn. 157.

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Recht das soziale Leben steuern kann, müssen gute Gründe benannt werden können, weshalb seine Rollenbewertungen zurückzutreten haben; solche sind hier aber nicht ersichtlich und werden – mit Verbindlichkeit für ein auf dem Rechtsgüterschutzgedanken aufbauendes Strafrecht – auch nicht formuliert.752 Ein „Sonderwissen“ i.S. einer positiven Kenntnis, die allein auf Grund ihres „rollenüberschreitenden“ Charakters die Risikoerlaubnis unberührt lässt, ist daher nicht anzuerkennen.753 Dieses Verständnis ist in gewisser Weise zugegebenermaßen ein „naturalistisches“ und auch „psychologisierendes“. Doch dürfte eine solche Sichtweise durchaus eine tragfähige Grundlage bilden.754 Diese ist zwar einer normativierenden Korrektur durchaus zugänglich, allerdings sind Wertungen, die eine solche Korrektur einfordern würden, hier eben nicht sichtbar geworden. Sieht man das Bedürfnis dafür freilich mit Jakobs schon dadurch begründet, dass „das Subjekt als Teilnehmer des gesellschaftlichen Zusammenhangs“ betrachtet wird und die Strafnormen es deshalb generell nur in bestimmten Rollen ansprechen, liegt darin in der Tat ein – hier nicht geteilter – Ansatz, zu dem die „Kluft ( . . . ) sich“ in dieser strikten Konsequenz „nicht eskamotieren“ lässt.755

d) Zwischenergebnis Unter dem Stichwort des „erlaubten Risikos“ werden auf Grund einer KostenNutzen-Abwägung um ihrer sozialen Nützlichkeit willen gewisse risikoträchtige Verhaltensweisen toleriert, obwohl sie potentiell einen Beitrag zu einem deliktischen Erfolg darstellen können. Dabei ist allerdings – in die Terminologie der ursprünglichen Anwendungsfelder gefährlicher Betriebe und Gerätschaften gefasst – zu unterscheiden zwischen dem gefahrenträchtigen Betrieb an sich und der einzelnen Betriebshandlung. Bei letzterer ist zu beachten, dass die Anerkennung eines stets durch Sachgründe zu rechtfertigenden erlaubten Risikos zumeist die „Erfolgsvermeidepflicht“ unberührt lässt, soweit sich eine solche konkret ergibt. Etwas anderes gilt nur, wenn ausnahmsweise anzunehmen ist, dass (nicht nur Risiken, son752 Selbstverständlich ist daher also z. B. Cancio Meliá, GA 1995, 179, 188 (dort Fußn. 60), zuzustimmen, wenn er betont, die „interessierende Frage“ sei, „wie dieses gesellschaftlich handelnde Subjekt definiert wird ( . . . ), d. h., welche seiner Kenntnisse oder Vorstellungen als für die objektive Interpretation seines Verhaltens relevant bestimmt werden“ – einen Grund dafür, warum tatsächliche Kenntnisse über strafrechtlich relevante Umstände auf Grund einer „sozialen Bedeutung“ unbeachtlich sein soll, nennt er aber soweit ersichtlich nicht. 753 Vgl. auch NK-Puppe, vor § 13 Rn. 157: „Auch die Ausübung des Berufes oder sonst einer sozialen Rolle gibt kein Recht auf Ignoranz.“ 754 Vgl. auch nochmals Wohlleben, S. 107 ff., 112 ff., der anhand einer Reihe von Beispielen aufzeigt, dass die objektive Zurechnung im Allgemeinen häufig von den (sicheren) Kenntnissen des Täters abhängt und dass für das vorliegende Problem im Besonderen eine Reihe von Autoren diese Kenntnisse – trotz äußerer Betonung eines objektiven Ansatzes – in irgendeiner Weise berücksichtigen. 755 Vgl. Jakobs, Kaufmann-GS, S. 271, 288.

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3. Teil: Grundlegungen einer eigenen Lösung

dern) auch Verletzungserfolge durch bestimmte, formalisierte Verletzungshandlungen gestattet sein sollen. Soweit Vermeidepflichten fortbestehen, ist bei – zumindest direkt – vorsätzlichem Handeln ein erlaubtes Risiko grundsätzlich nicht anzuerkennen. Denn es liegt keine unzumutbare Beeinträchtigung des riskanten Betriebes vor, wenn eine Betriebshandlung bei sicherer Voraussicht eines konkreten Erfolges unterlassen werden muss. Wo dieses sichere Wissen herrührt, ist grundsätzlich unbeachtlich, d. h. auch „rollenüberschreitendes Sonderwissen“ belastet den Täter. Auch das Strafrecht enthält nämlich konkurrierende Rollenbeschreibungen, denen zur Verwirklichung seiner sozialen Steuerungsfunktion im Regelfall der Vorrang zukommen muss.

II. Sonderfragen beim Zusammentreffen mehrerer Verursacher Die vorangegangenen Überlegungen zum Bereich der Strafrechtsdogmatik haben sich in allgemeiner Form mit der Begründung des Unrechtsurteils beim vorsätzlichen Begehungsdelikt befasst. Sie sind dabei insbesondere der Frage nachgegangen, wie sich die soziale Nützlichkeit und Üblichkeit eines „Verhaltens an sich“ auf die Verbotenheit oder Erlaubtheit des Handelns auswirkt und damit die Begründung des Handlungsunrechts beeinflusst. Nun sind die hier untersuchten Fälle „berufsbedingter Unterstützungshandlungen“ aber nicht nur durch das damit vorrangig angesprochene Attribut der „Berufsbedingtheit“ gekennzeichnet, sondern auch durch die bloße „Unterstützung“, d. h. – weit formuliert – die nicht allein und unmittelbar durchgeführte Deliktsverwirklichung. Ob sich unter diesem Gesichtspunkt des Zusammenwirkens mehrerer i.w.S. Besonderheiten ergeben, wurde in den bisherigen strafrechtsdogmatischen Überlegungen noch im Wesentlichen ausgeblendet und soll nunmehr untersucht werden. Angesichts des Facettenreichtums der Frage nach dem Zusammentreffen mehrerer bei der Deliktsverwirklichung ist selbstverständlich wieder keine umfassende Darstellung in diesen Grundlegungen möglich, aber auch nicht erforderlich. Vielmehr wird der Blick auf einige Grundfragen gerichtet, die speziell für das hier interessierende Problem von Bedeutung sein könnte. Ein gewisser Schwerpunkt wird der bisherigen Diskussion entsprechend auf Fragen der Beihilfestrafbarkeit liegen. Im Folgenden wird daher zunächst kurz untersucht, ob allgemeine Strukturen zu berücksichtigen sind, damit bei der Verursachung eines deliktischen Erfolges überhaupt von einem „Zusammenwirken“ (und nicht nur von einem „zufälligen Zusammentreffen“) gesprochen werden kann (sogleich 1.). Im Anschluss werden einige Grundfragen der Beihilfedogmatik kurz erörtert (im Anschluss 2.). Zuletzt wird die Frage gestellt, ob es allgemeine (oder zumindest strukturell äquivalente) Verantwortungsbegrenzungen gibt, die möglichst generell für die unterschiedlichen Formen des „Zusammenwirkens“ Geltung beanspruchen können (zuletzt 3.).

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1. Allgemeine Strukturen beim Zusammentreffen mehrerer Verursacher Im Verlauf der bisherigen Untersuchung wurde mehrfach deutlich, dass sich die Frage berufsbedingter Unterstützungshandlungen zwar vorrangig, aber eben nicht notwendig stets als Beihilfeproblem darstellt und dass deswegen die Lösung möglicherweise auch nicht allein in der Beihilfedogmatik gesucht werden kann. Dies legt es nahe zu fragen, ob sich allgemeine Aussagen darüber machen lassen, was aus dem „zufälligen Zusammentreffen“ bzw. „Nacheinander“ zweier Verhaltensweisen ein im Rechtssinne gemeinschaftliches Handeln macht. Dabei ist interessant, ob sich außer den in gesetzlichen Regelungen über die Beteiligung mehrerer steckenden „Assoziierungsphänomene(n) (mit der entsprechenden Verantwortungsbegründung)“ auch „Phänomene der Dissoziierung (mit dem entsprechenden Ausschluß der Verantwortung für das von den anderen [ . . . ] gesetzte Verhalten)“ benennen lassen.756

a) „Gemeinsame Organisation“ vs. „zufälliges Zusammentreffen“ Vor wenigen Jahren hat Jakobs verschiedene Probleme der Teilnahmedogmatik – von Problemen der limitierten Akzessorietät bis hin zu den hier interessierenden Sachfragen – unter dem Titel „Akzessorietät. Zu den Voraussetzungen gemeinsamer Organisation“ behandelt.757 Wesentlich für das Vorliegen einer strafrechtlich relevanten Beteiligung758 soll danach das Zusammenwirken auf einer „Sinnebene“ oder in den Worten Jakobs’: die „Produktion von gemeinsamem Sinn“ durch „Beteiligung an einem ( . . . ) sinnhaften ( . . . ) Vorgang“ sein.759 Eine solche „Produktion von gemeinsamem Sinn“ scheitere aber nicht nur, wenn es (in der Jakobs’schen, zwischen „Sinn“ und „Natur“ unterscheidenden, Terminologie) beim Handelnden am „Sinn“ fehlt,760 sondern auch, wenn keine „Produktion von gemeinsamem“ Sinn vorliegt. 756 Vgl. Silva-Sánchez, in: Eser / Huber / Cornils, Einzelverantwortung und Mitverantwortung im Strafrecht, S. 205. 757 Vgl. Jakobs, GA 1996, 253 ff. Insofern erfolgt auch die Überschrift dieses Abschnitts in bewusster Anlehnung an den Titel dieses Beitrags. 758 Nach Ansicht von Jakobs, GA 1996, 253, 266, ist nach diesen Regeln auch eine „fahrlässige Beteiligung“ an fremden Taten zu beurteilen, die insoweit „nur den Namen einer fahrlässigen Täterschaft trägt.“ Dabei geht es aber nach Jakobs, a. a. O. nicht nur um eine terminologische Frage, sondern nur solche Fälle der fahrlässigen „Mitverursachung“, die auch diesen Voraussetzungen entsprechen, sollen als Fahrlässigkeitsdelikt strafbar sein; ein ähnlicher Gedanke findet sich bereits bei Otto, JuS 1974, 702, 704 f. 759 Vgl. Jakobs, GA 1996, 253, 254 (Das zweite Zitat, zu finden auf S. 253, ist um die Verneinung [„nicht sinnhaften, sondern natürlichen Vorgang“] gekürzt. Da Jakobs damit aber gerade eine Situation beschreibt, bei der er die Anwendung der Teilnahmevorschriften für fraglich hält, kann die nicht negierte Fassung wohl als Beschreibung einer tauglichen Beteiligungssituation herangezogen werden).

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3. Teil: Grundlegungen einer eigenen Lösung

Grundlage dieser insbesondere auch terminologisch etwas ungewohnten Perspektive ist Jakobs’ Konzeption der Straftat: Er definiert sie – wie in anderem Zusammenhang oben bereits näher erläutert761 – weniger von der Rechtsgüterverletzung her, sondern beschreibt sie als einen „in ihrem expressiven Gehalt ( . . . ) kommunikativ relevanten Sinnausdruck, aber einen solchen falschen Inhalts, so daß ihm widersprochen werden muß.“762 Dieser „kommunikative Sinn“ der Straftat liegt darin, dass den Täter „der Geltungsgrund der Norm“ nichts angehe,763 und er ist für Jakobs so wichtig, dass bei seinem Fehlen mangels Äußerung zum Geltungsgrund „strafrechtlich nichts zu veranlassen“ sei, „wie groß auch immer der ansonsten zu ermittelnde Schaden, etwa als Rechtsgutsverletzung, sein mag“.764 Daraus ergibt sich nicht nur, dass jeder einzelne Beteiligte für seine strafrechtliche Verantwortung „sinnhaft“ (d. h. etwa schuldfähig, nicht relevant irrtumsbehaftet etc.) handeln muss, sondern dass eine „gemeinsame“ strafrechtliche Verantwortung gemeinsamen Sinn voraussetzt.

Unabhängig davon, ob man Jakobs’ theoretische Prämissen teilt oder wie hier stärker vom Rechtsgüterschutzgedanken als von einem „expressiven Gehalt hinsichtlich des Geltungsanspruchs des Rechts“ ausgeht,765 führen diese Überlegungen zu einer ebenso richtigen wie wichtigen Frage: ob nämlich eine allgemeine Differenzierung zwischen einem „zufälligen Nacheinander“ zweier Handlungen und ihrem „verantwortungsbegründendem Miteinander“766 möglich ist.767 Wäre dies der Fall, läge die Bedeutung für die vorliegende Fragestellung auf der Hand: Könnte nämlich der Berufsträger geltend machen, durch die unterstützend wirkenden, aber eben berufsbedingten und berufsadäquaten Handlungen keinen „gemeinsamen Sinn“, keine „gemeinschaftliche Organisation“ mit dem unmittelbaren Ver760 Dies soll nach Jakobs insb. bei schuldlosem Handeln der Fall sein. Die Regelung der limitierten Akzessorietät der §§ 28, 29 StGB in ihrem verbreiteten, auf schuldhaftes Handeln des Täters verzichtenden Verständnis entpuppe „sich damit als eine seltsame Konstruktion“, vgl. GA 1996, 253, 254. 761 Vgl. S. 200 ff. 762 Dieser „Widerspruch“ dürfte es dann sein, der im oben näher dargelegten Sinne Jakobs’ zur kontrafaktischen Stabilisierung einer Verhaltenserwartung führen soll. 763 Vgl. zu dieser „expressiven Stellungnahme zur Norm“, die das „Strafrecht mit der Sanktion“ beantwortet, „deren Verhängung ihrerseits in kommunikativ relevanter Weise die Unmaßgeblichkeit der Erklärung des Täters zum Ausdruck bringt“, auch Kindhäuser, Hollerbach-FS, S. 627, 637 f. 764 Vgl. Jakobs, GA 1996, 253 (Zitat grammatikalisch verändert). 765 Im Folgenden wird bewusst auf eine umfassende Auseinandersetzung mit Jakobs’ Methode der „Sinnzuschreibung“ auf einer Metaebene verzichtet und das Augenmerk nur auf die hier interessierenden Ausprägungen und Konsequenzen gerichtet. Ansätze einer grundsätzlicheren Kritik finden sich bei Schünemann, Roxin-FS, S. 1, 13 ff. 766 Anschaulich auch Silva-Sánchez, in: Eser / Huber / Cornils, Einzelverantwortung und Mitverantwortung im Strafrecht, S. 205, 207, der das Problem in der Alternative „Gemeinsames oder (sc.: nur) unmittelbar aufeinander folgendes Handeln“ stellt. 767 Ein „verantwortlichkeitsbegründendes Miteinander“ im hier verstandenen Sinne schließt selbstverständlich auch die Mittäterschaft mit ein. Für eine Vergleichbarkeit der gemeinschaftlichen Unrechtsbegründung bei Mittäterschaft und Beteiligung etwa Lesch, JA 2000, 73.

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letzer zu begründen, würde sofort zweifelhaft, ob er dennoch für das von diesem verwirklichte Delikt verantwortlich gemacht werden könnte. b) Die gesetzlichen Beteiligungsvorschriften als Grundlagen einer gemeinsamen Organisation Indes legt ein Blick auf die gesetzlichen Regelungen zunächst eher eine andere Betrachtungsweise nahe. Denn diese scheinen davon auszugehen, dass beim Vorliegen bestimmter Formen des (vorsätzlichen) Zusammenwirkens – nämlich bei der arbeitsteiligen Begehung,768 der Förderung des Tatentschlusses769 und der Unterstützung der Tat770 (vgl. §§ 25 II – 27 StGB) – im strafrechtlichen Sinne genug „gemeinschaftliche Organisation“ vorliegt, um eine erforderliche Zurechnung zu begründen. Insoweit sind die entsprechenden Beteiligungsformen als „Zurechnungstypen“771 im Gesetz vorgesehen, und die Strafbarkeit scheint dadurch genauso gut legitimiert wie beim unmittelbaren Alleintäter. Zugegebenermaßen sind die im Gesetz zur Kennzeichnung der jeweiligen Beteiligungsform verwendeten Begriffe teilweise etwas „farblos“772 und bedürfen – wie oben im Zusammenhang mit Art. 103 II GG für die Vorschriften des Allgemeinen Teils generell betont773 – einer aufwendigeren Konturierung durch Rechtsprechung 768 Dazu, was eine „gemeinschaftliche Begehung“ i. S. d. § 25 II StGB voraussetzt, statt vieler Jescheck / Weigend, § 63 II und III = S. 678 ff.; Kühl, AT, § 20 Rn. 103 ff.; Schönke / Schröder-Cramer / Heine, § 25 Rn. 63 ff., sowie als Zurechnungstypus in der Abgrenzung von der Beihilfe Bloy, Die Beteiligungsform als Zurechnungstypus im Strafrecht, S. 367 ff. 769 Dazu, was ein „Bestimmen“ i. S. d. § 26 StGB voraussetzt, statt vieler Jescheck / Weigend, § 64 II 1, 2 = S. 686 ff.; Kühl, AT, § 20 Rn. 169 ff.; Schönke / Schröder-Cramer / Heine, § 26 Rn. 3 ff., sowie als Zurechnungstypus Bloy, Die Beteiligungsform als Zurechnungstypus im Strafrecht, S. 322 ff. und insb. 344 ff. in seiner Abgrenzung zur mittelbaren Täterschaft. 770 Dazu, was eine „Hilfeleistung“ i. S. d. § 27 StGB voraussetzt, zunächst statt vieler Jescheck / Weigend, § 64 III 2 = S. 691 ff.; Kühl, AT, § 20 Rn. 214 ff.; Schönke / SchröderCramer / Heine, § 27 Rn. 6 ff., sowie als Zurechnungstypus Bloy, Die Beteiligungsform als Zurechnungstypus im Strafrecht, S. 322 ff. und in der Abgrenzung von der Mittäterschaft S. 367 ff. 771 Vgl. zu diesem Verständnis der Beteiligungsformen ausführlich Bloy, Die Beteiligungsform als Zurechnungstypus im Strafrecht, passim, insb. S. 293 ff. 772 So für den Begriff des „Hilfeleistens“ explizit Schönke / Schröder-Cramer / Heine, § 27 Rn. 6. Der dort als Beispiel für einen schärferen Gegenbegriff genannte Terminus „einen anderen bestimmt“ in § 26 StGB ist im Übrigen auch allenfalls hinsichtlich des dort im Gegensatz zur Beihilfe unstreitigen Kausalitätserfordernisses klarer. Wie weit seine Deutungen auseinander gehen können, zeigt etwa die Frage nach der Schaffung tatanreizender Situationen ohne kommunikative Beeinflussung (dazu ausführlich aus neuerer Zeit Christmann, Zur Strafbarkeit sogenannter Tatsachenarrangements wegen Anstiftung, passim); hier liegt eine Situation vor, die phänomenologisch mit der „klassischen“ Anstiftung durch kommunikativen Kontakt kaum mehr gemein hat, als die bei der Beihilfe diskutierten Grenzfälle mit deren Prototypen. Nichts anderes gilt für die „gemeinschaftliche Begehung“ in § 25 II StGB oder die „Begehung durch einen anderen“ in § 25 I Alt. 2 StGB. 773 Vgl. o. S. 260 ff.

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3. Teil: Grundlegungen einer eigenen Lösung

und Lehre. Das heißt aber nicht notwendig, dass eine gemeinsame, zusätzliche ungeschriebene Voraussetzung in Gestalt der „Produktion von gemeinsamem Sinn“ hinzutreten muss.774 Erforderlich sind vielmehr „nur“ – und insoweit besteht kein Unterschied zu den Tatbeständen des Besonderen Teils in ihrer Formulierung für den Alleintäter – je nach Einzelfall detailliertere Erläuterungen und gewisse Zurechnungskorrektive, soweit die Beteiligungsvorschriften die Verantwortlichkeit zu weit ausdehnen.775 Auch der von Jakobs zutreffend betonte Aspekt, dass die Fragen ähnlich gelagert seien wie im Rahmen der objektiven Zurechnung beim Einzeltäter,776 führt – wenn man das hier entwickelte Bild der Begründung des Unrechts beim Alleintäter zugrunde legt – eher dazu, dass die Fälle, in denen trotz Erleichterung der Tat keine Beihilfe, trotz Aufforderung dazu keine Anstiftung etc. vorliegen, als Ausnahmen zur grundsätzlichen Strafbarkeit zu verstehen sind.777 Will man das Problem auch sprachlich stärker vom hier entscheidenden Handlungsunrecht her formulieren und mit Samson den „Aspekt der sinnvollen Normformulierung“ betonen,778 so geht es um Folgendes: Wenn man als Verhaltensnorm des § 212 StGB das Gebot „Du sollst nicht töten.“ formuliert, so ergibt sich z. B. für § 27 StGB zunächst einmal „Du sollst nicht anderen bei ihrer Straftat Hilfe leisten.“ Unabhängig nun von der genauen Interpretation des Hilfeleistens (z. B. einem Kausalitätserfordernis) beschränkt das Gesetz die Verhaltensnorm im Ausgangspunkt gerade nicht auf bestimmte Verhaltensweisen. Dass hier zur „Feinsteuerung“ und um einen angemessenen Ausgleich mit der Handlungsfreiheit zu finden, noch eine „Nachbesserung“ ebenso erforderlich ist, wie auch § 212 StGB nicht das umfassende Gebot statuiert: „Du sollst nicht kausal für den Eintritt des Todes eines anderen werden.“, ist unbestritten. Aber auch dabei ist es realistischer, diese Verfeinerung dadurch zu erreichen, dass bestimmte Verhaltensweisen trotz ihres fördernden Charakters mit irgendeiner Begründung nicht untersagt werden, als dass die verbotenen Verhaltensweisen gleichsam enumerativ aufgezählt werden oder in besonderer Weise positiv charakterisiert werden müssten.

774 M.E. ergibt sich dies auch nicht einmal zwingend aus Jakobs’ Prämissen (wobei hier selbstverständlich nicht vorgegeben werden soll, diese authentischer zu verstehen als er selbst): Denn selbst wenn man die Straftat vorrangig als „kommunikativen Akt“ versteht, könnte man einen solchen (an die Rechtsgemeinschaft gerichteten!) Akt auch in dem etwa den Voraussetzungen der §§ 26, 27 StGB entsprechenden Verhalten sehen, unabhängig davon, ob die „Sinnproduktion“ der Beteiligten darüber hinaus in irgendeinem außerrechtlichen Sinne eine gemeinsame ist. 775 Dass dies keineswegs immer der Fall sein muss, zeigt etwa die Diskussion um die fahrlässige Mittäterschaft. Vgl. zum Meinungsstand die zahlreichen Nachweise bei Schönke / Schröder-Cramer / Heine, vor §§ 25 ff. Rn. 115, sowie aus neuerer Zeit ausführlich zum Problemstand (und dabei selbst gegenüber der Idee einer fahrlässigen Mittäterschaft aufgeschlossen) Kamm, Die fahrlässige Mittäterschaft, passim; knappe Übersicht bei Utsumi, Jura 2001, 538 ff. Zahlreiche Argumente für die Anerkennung einer solchen Figur finden sich etwa bei Renzikowski, Restriktiver Täterbegriff und fahrlässige Beteiligung, passim. Im Zusammenhang mit einem konkreten praktischen Bedürfnis zur Frage Knauer, Die Kollegialentscheidung im Strafrecht, S. 181 ff. 776 Vgl. Jakobs, GA 1996, 253, 258 f. 777 Unter dem Stichwort der Argumentationslast ähnlich Wohlleben, S. 126 f. 778 Vgl. Samson, ZStW 99 (1987), S. 617, 633.

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c) Normative Aufhebung statt normativer Herstellung der Gemeinsamkeit (1) Für ein am Rechtsgüterschutz orientiertes Modell des Strafrechts, wie es auch hier verfolgt wird, führt dies zu folgender Konsequenz: Sind die – auch in Orientierung am Schutz des gemeinsam angegriffenen Rechtsguts zu definierenden779 – Voraussetzungen der einschlägigen Vorschriften über die Beteiligung mehrerer erfüllt, so ist dies grundsätzlich zur Annahme einer Strafbarkeit ausreichend. In der Beschreibung des Regel- und Ausnahmeverhältnisses und damit der Begründungslast formuliert:780 Wer trotz der Förderung einer strafbaren Tat einen „harmlosen“ sozialen Sinn postuliert, ist dafür begründungspflichtig; und dieser Pflicht wird nicht mit dem Hinweis genügt, es sei nicht ausreichend dargetan, dass sich in der späteren Tat das Vorverhalten fortsetzt; vielmehr wäre darzulegen, warum es sich – obwohl es die Tat doch real fördert – normativ nicht darin fortsetzt. Die von Jakobs zutreffend betonte „normative“ Entscheidung über die „Gemeinsamkeit“ besteht deshalb nach vorliegendem Verständnis weniger in einem „normativen Herstellungsakt“,781 sondern in einer Prüfung, ob die real und durch die gesetzlichen „Eingangsdaten“ nahe gelegte Gemeinsamkeit ausnahmsweise „normativ aufgehoben“ werden muss. Dieses Prüfungsprogramm ist freilich keine (Vor-)Entscheidung darüber, dass konkrete Fragen in der Sache notwendig anders gelöst werden müssen. Und dieser Sichtweise liegt auch gewiss nicht zugrunde, dass an Stelle von (notwendigen!) Abgrenzungsschwierigkeiten etwa „mathematische Exaktheit“ eingefordert würde.782

(2) Eine solche Sichtweise verkennt keineswegs, dass menschliches Handeln durch verschiedene Kontexte und Rollen geprägt sein kann, die in der komplex verwobenen, arbeitsteiligen Gesellschaft im o.g. Sinne nach Dissoziierungskriterien verlangen können. Doch darf darüber nicht vergessen werden, dass auch die (Straf-)Rechtsordnung insoweit einen gewissen Kontext vorgibt bzw. eine Rolle beschreibt. Die soziale Steuerungsfunktion des Rechts verlangt aber gerade, dass im Falle von „Rollenkonflikten“ der „Rolle des strafrechtstreuen Bürgers“ der Vorrang zukommt.783 Unter diesem Blickwinkel ist dann auch nicht ungewöhnlich, wenn das Unterlassen eines Verhaltens gefordert wird, das eine fremde Straftat fördert; Vgl. dazu beispielhaft zur Beihilfe unten S. 361 ff. Deutlich und zutreffend herausgestellt auch bei Schmoller, Triffterer-FS, S. 223, 242 f. 781 Vgl. Jakobs, GA 1996, 253, 264: „Im Ergebnis wird die Gemeinsamkeit normativ hergestellt ( . . . )“. 782 Vgl. Jakobs, GA 1996, 253, 264. Soweit insb. zur Konzeption von Jakobs Abweichungen bestehen, liegen diese eher in der oben S. 349 (bei Fußn. 755) ausgeführten abweichenden Beurteilung der Beachtlichkeit von „Sonderwissen“ sowie in der Auffassung zur Aufgabe des Strafrechts begründet. 783 Vgl. auch (im freilich etwas anderem Zusammenhang der Handlungstheorie, aber durchaus übertragbar) Roxin, Honig-FS, S. 133, 148, der davon spricht, dass Qualität von Handlungen nach „andere(n) soziokulturelle(n) Wertsysteme(n)“ von den „strafrechtlich erheblichen Qualitäten bestimmter Geschehensabläufe“ abweichen kann, auf die es allein ankäme. 779 780

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ein solches Unterlassen ist aus dem Blickwinkel etwa des § 27 StGB keine besonders begründungsbedürftige Solidaritätsleistung, sondern nur Befolgung des Verbotes, an der Verletzung fremder Rechtsgüter mitzuwirken. So zutreffend es daher also ist, wenn etwa Samson hinsichtlich der Verteilung „normativer Handlungsfreiheit bei faktisch begrenzter Handlungsmöglichkeit“ eine gravierende Einschränkung für den „rechtstreuen Bürger“ darin sieht, wenn die „einschränkende handlungsleitende Funktion deliktischer Entschlüsse anderer ( . . . ) zum allgemeinen Prinzip“ gemacht würde,784 so unverkennbar ist auf der anderen Seite, dass insbesondere durch die Statuierung akzessorischer Teilnahmestrafandrohungen der Gesetzgeber dem Einzelnen durchaus auferlegt, solche deliktischen Entschlüsse anderer nicht wissentlich hervorzurufen oder zu fördern.785 Desgleichen mag zwar Jakobs als Voraussetzung einer strafrechtlichen Haftung konzediert werden, dass „die Obacht auf das Verhalten des später Handelnden zur Rolle des zuerst Handelnden gehört“;786 es bleibt dabei aber begründungsbedürftig, warum nicht schon §§ 26, 27 StGB eine solche „Obacht“ zum Inhalt der Rolle von jedermann machen, der das Verhalten des später Handelnden ebenso kennt wie seinen eigenen Beitrag zur Erleichterung dieses Handelns. Man könnte daher – eine von Jakobs aufgeworfene Fragestellung bereits als vorläufige Antwort aufgreifend – formulieren: Die Beteiligungsvorschriften beschreiben gerade „wie ein Verhalten im Vorfeld gestaltet sein muß, um die nachfolgende unerlaubte Ausführung durch einen anderen als dessen (sc.: des Vorverhaltens) sinnhafte Fortsetzung zurechnen zu können“.787 Oder anders gewendet: der Gesetzgeber selbst hat in Gestalt der Teilnahmehandlungen der §§ 26, 27 StGB bereits Verhaltensweisen umschrieben, die jedenfalls dann für eine akzessorische Mitverantwortung für fremdes Unrecht genügen, wenn kein begründungsbedürftiger Ausnahmefall vorliegt.

(3) Zuletzt hat der hier vertretene Ansatz den zumindest praktischen Vorteil, bei konkreten Fällen mit den „gewohnteren“ begrifflichen Kategorien arbeiten zu können. Es dürfte zwar noch relativ einfach sein, Einigkeit darüber zu erzielen, dass – wie von Jakobs als erstes Negativbeispiel gewählt – eine Zurechnung der „nachfolgenden unerlaubten Ausführung durch einen anderen“ ausscheidet, wenn eine nur willkürliche Verknüpfung mit dem Verhalten durch den Täter vorliegt, der es rein subjektiv als Anknüpfungspunkt seines Handelns wählt. Jakobs bildet hier das bekannte Beispiel der Terroristen, die den Prozess gegen einen Gesinnungsgenossen zum Anlass nehmen, den Justizminister zu ermorden.788 Dass hier – abgesehen von der Bewertung in politischen Agitationen – keine „gemeinsame Organisation“ der den Prozess führenden Richter mit den Terroristen angenommen werden kann, Vgl. Samson, ZStW 99 (1987), S. 617, 633, 632. Insoweit ist zwar Frisch, Lüderssen-FS, S. 539, 543, zu konzedieren, dass die „Gefahrvermeidungspflichten“, die gegenüber „Naturgewalten“ (d. h. wohl: gegenüber Kausalketten, die nach einem Ersthandeln naturgesetzmäßig ablaufen) postuliert werden, nicht unbedingt auch gegenüber einem Zweithandeln eigenverantwortlicher Dritter gelten müssten. De lege lata darf aber die relativ enge Verknüpfung zwischen bestimmten Teilnahmeformen und vorsätzlichen Straftaten Dritter nicht einfach übergangen werden. 786 Vgl. Jakobs, GA 1996, 253, 258. 787 Vgl. Jakobs, GA 1996, 253, 259. 788 Vgl. Jakobs, GA 1996, 253, 260, sowie bereits ders., AT, Abschn. 24 Rn. 16; in der Sache identisch der „Desperado“-Fall von Roxin, Tröndle-FS, S. 177, 191. 784 785

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liegt auf der Hand. Freilich führen Beispiele dieser Art nicht wesentlich weiter: Bei einer so gestalteten Verknüpfung wird man nämlich schon nach allgemeinen Grundsätzen kaum an eine strafbare Beteiligung denken, insbesondere wurde die Tatausführung objektiv in keiner Weise erleichtert.789 Aber schon Jakobs’ nachfolgendes Beispiel wirft gewisse Fragen auf: Wenn ein Grundstückseigentümer giftige, aber ortsübliche Pflanzen anpflanzt, obwohl er weiß, dass sein Nachbar damit einen Giftanschlag plant, gibt es sicher gute Gründe, eine Beihilfestrafbarkeit zu verneinen. Die Verknüpfung mit dem Verhalten des Anpflanzers ist aber nicht „willkürlich“: Die Pflanze ist ein notwendiger Bestandteil des Planes des Nachbars, und allein die „Willkür“, woher der Täter seine Tatmittel letztlich bezieht, kann einer Strafbarkeit kaum entgegenstehen – anderenfalls wäre keine Leistung eines Gehilfen ein tauglicher Beitrag, wenn er nicht ausnahmsweise Monopolcharakter hat. Der von Jakobs herangezogene „objektive soziale Sinn“ der Handlung790 wird zwar teilweise durch hilfreiche Sachgesichtspunkte konkretisiert, wie etwa den Transfer „objektiv gefährlicher Leistungen“ oder die Anpassung an die Pläne des Zweithandelnden. Dennoch ist fraglich, ob er allein überzeugende Abgrenzungen ermöglicht,791 zumal eine gewisse, unter Einbeziehung der tradierten dogmatischen Strukturen sogar recht weitgehende, Sinninterpretation eines Geschehens schon durch das Gesetz vorgegeben ist. Darauf aufbauend dürfte es dann im Fundus der Zurechnungs- und Beteiligungslehre inhaltsreichere Instrumente geben als die Betrachtung des „sozialen Sinnes“. Dabei ist zunächst an all die Aspekte zu denken, die auch schon für den Grundfall des Alleintäters zur Begründung des Unrechtsvorwurfs genannt wurden (und deren grundsätzliche Übertragung ja auch Jakobs selbst fordert). Des Weiteren findet sich in der Teilnahmedogmatik reichhaltiges, seinerseits wieder kontrovers diskutiertes, Material zur Auslegung insbesondere der Teilnahmevorschriften der §§ 26, 27 StGB.792 Zuletzt ist zu überlegen, ob 789 Auch die problematischen Fälle berufsbedingter Unterstützungshandlungen liegen anders. Das soeben genannte Terroristenbeispiel ist mit der Situation vergleichbar, in der ein Täter sein Verhalten vom Ausgang eines Fußballspiels, vom Wetter des nächsten Tages oder von der Reaktion seiner Freundin auf seinen Heiratsantrag abhängig macht. Der Erkenntniswert beschränkt sich damit auf das Monitum, bei der Anwendung abstrahierter Definitionen nicht aus den Augen zu verlieren, dass die Minimal-Anforderungen der jeweiligen Vorschriften (und das heißt bei der Beihilfe: zumindest der Förderung der Tat) jedenfalls vorliegen müssen. Zu lösen sind über die „Willkürformel“ allerdings viele der „Bewirtungsfälle“: Wer – subjektiv – vor einem Einbruch gerne noch eine warme Mahlzeit zu sich nehmen möchte, stellt zwischen dieser Mahlzeit und der späteren Tat regelmäßig einen völlig willkürlichen Zusammenhang her, wenn er nicht ausnahmsweise (und praktisch wohl nicht relevant) völlig entkräftet ist oder bei seiner illegalen Tätigkeit ohne „ordentliche Grundlage“ an einem „nervösen Magen“ leidet, der die Ausführung verhindert. 790 Vgl. Jakobs, GA 1996, 253, 262. 791 Zustimmend zum sozialen Sinn zwar teilweise Samson, ZStW 99 (1987), S. 617, 633, der allerdings im Anschluss an Armin Kaufmann für diesen Sinn eher auf den subjektiven Tatbestand abstellen will. 792 Vgl. speziell zu § 27 StGB unten S. 361 ff.

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sich nicht noch allgemeine Grenzen für die Haftung beim Zusammentreffen mehrerer benennen lassen793 Ähnlich wie oben zum Handlungsunrecht des Alleintäters beschrieben, liegt daher ein gewichtiger Hinweis auf eine – wenn man den Terminus so übernehmen will – gemeinsame Organisation vor, wenn rein äußerlich ein Verhalten den Entschluss zur späteren Tat hervorruft, deren Ausführung erleichtert oder Bestandteil eines arbeitsteiligen Tatgeschehens wird und der sich so Verhaltende alle äußeren Umstände richtig erkennt. Dies beruht darauf, dass diese Beschreibungen vom Gesetzgeber phänotypisch als Bestandteil einer „gemeinsamen Organisation“ bzw. einer sich fortsetzenden Sinnstiftung angesehen werden.794 Dieser vorläufige Hinweis kann aber wieder durch bestimmte objektive Gesichtspunkte oder aber die Kombination von abgeschwächten objektiven und subjektiven Handlungsunwertkomponenten widerlegt werden.

d) Zwischenergebnis Die Bewertung einer Straftat als gemeinschaftliches Werk bei der Beteiligung mehrerer an einer Tat und die damit verbundenen Zurechnungsakte setzen eine gewisse gemeinsame Organisation voraus, die das Zusammenwirken vom bloßen „Nacheinander“ voneinander unabhängiger Handlungen unterscheidet. Ein solches Zusammenwirken liegt insbesondere dann nicht vor, wenn eine rein subjektivwillkürliche Verknüpfung mit der Ersthandlung durch den Zweithandelnden hergestellt wird. Von diesen Fällen abgesehen, sind aber keine weiteren positiv festzustellenden Voraussetzungen über die ausfüllungs- und konkretisierungsbedürftigen Tatbestandsmerkmale der gesetzlichen Beteiligungsvorschriften hinaus erforderlich. Diese Vorschriften enthalten vielmehr bereits eine Beschreibung des Verhaltens, das der Gesetzgeber als „ausreichend gemeinsame“ Organisation eines Geschehens grundsätzlich anerkennt. Auch hier gilt, dass die durch das Gesetz (d. h. hier die Beteiligungsvorschriften) normierten allgemeinen „Verhaltenserwartungen“ grundsätzlich Vorrang vor anderen beliebigen sozialen Rollen (etwa als Berufsträger) haben.795 Die durch die §§ 25 II – 27 StGB hergestellte „Gemeinsamkeit“ muss daher eher in Ausnahmefällen „normativ aufgelöst“ als für den Regelfall zusätzlich „normativ hergestellt“ werden. Ähnlich wie beim vorsätzlich verursachenden Einzeltäter, liegt auch für denjenigen, der vorsätzlich eine fremde Tat – und sei es als Berufsträger – unterstützt, die Argumentationslast bei dem, der die Straflosigkeit behauptet.

Dazu unten S. 373 ff. Man könnte auch hier wieder sagen: Es handelt sich um Verhaltensweisen, die typischerweise als taugliche Angriffswege auf ein geschütztes Rechtsgut angesehen werden. 795 Vgl. auch nochmals NK-Puppe, vor § 13 Rn. 157. 793 794

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2. Grundfragen der Beihilfedogmatik Da ein großer Teil der Stellungnahmen in der bisherigen Diskussion speziell an der Beihilfe anknüpft, wurden viele wichtige Fragen der Beihilfedogmatik bereits im 2. Teil zumindest inzident erörtert. Nicht zuletzt aus diesem Grund kann sich auch die folgende Darstellung auf ausgewählte Probleme beschränken, mit denen zwei Ziele verfolgt werden: Zum einen sollen einige bisher in anderen, allgemeineren Zusammenhängen der Sache nach schon erwähnte Punkte noch einmal „verortet“ werden (und damit die – in den Zusammenfassungen der Abschnitte A und B mehrfach erwähnte – dogmatische „Umsetzung“ erfolgen). Zum anderen sollen solche Probleme angesprochen werden, die in der bisherigen Diskussion zwar eine Rolle spielen, in den vorliegenden Lösungsgrundlagen aber auf Grund ihres ganz spezifisch strafrechtsdogmatischen Charakters noch keine Erwähnung finden konnten. a) Zum Strafgrund der Beihilfe Grundlage aller folgenden Überlegungen über die Beihilfe ist naturgemäß der Strafgrund der Teilnahmestrafbarkeit. Zwar ist nicht zu erwarten, dass aus diesem allein eindeutige Ergebnisse abgeleitet werden könnten;796 jedoch ist stets darauf zu achten, dass einzelne postulierte Prinzipien oder gefundene Ergebnisse nicht in Widerspruch damit treten. Die Diskussion um diesen Strafgrund und auch ihr historischer Verlauf797 sind hinlänglich bekannt und sollen hier nicht ausführlich nachgezeichnet werden. Einige wenige Skizzen sollen genügen, soweit sie für unser Thema von Bedeutung sein könnten: Die ältere Schuldteilnahme wird heute mit Blick auf die Regelung des § 29 StGB sowie auf die generelle Unabhängigkeit des Maßes der Schuld des Teilnehmers von der des Täters798 zu Recht ganz überwiegend ebenso abgelehnt wie die Ansätze einer selbständigen Bestimmung des Strafgrundes der Teilnahme, die (auch in Gestalt eines eigenständigen „Teilnehmerdelikts“)799 angesichts der Entscheidung des geltenden Strafrechts für eine Akzessorietät der Beihilfe nur vereinzelt geblieben sind. Vielmehr sieht die h. M. – freilich mit deutlichen Unterschieden im Detail – das Unrecht der Teilnahme darin, dass der Teilnehmer die So auch Frisch, Lüderssen-FS, S. 539, 543. Vgl. zur älteren Dogmengeschichte Lange, Die notwendige Teilnahme, S. 36 ff.; zur späteren Diskussion vgl. etwa aus jüngerer Zeit den Überblick bei Osnabrügge, Beihilfe, S. 35 ff. 798 Vgl. zu den Argumenten Jescheck / Weigend, § 64 I 1 = S. 685; Schönke / Schröder-Cramer / Heine, vor §§ 25 ff. Rn. 19; SK / StGB-Hoyer, vor § 26 Rn. 7. 799 Vgl. zur selbständigen Bestimmung des Teilnahmeunrechts insb. Lüderssen, Zum Strafgrund der Teilnahme, passim, insb. S. 119 ff.; zur Vorstellung eines „Teilnehmerdelikts“ Herzberg, GA 1971, 1 ff. Weitere Nachweise zu Varianten nicht akzessorischer Lösungen bei Lesch, JA 2000, 73 (dort Fußn. 1). 796 797

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Tat eines anderen herbeiführt oder unterstützt. Sein Unrecht besteht also darin, dass er in akzessorischer Weise die Rechtsgutsverletzung mit verursacht (sog. [akzessorietätsorientierte] Förderungs- oder Verursachungstheorie).800 Eine stärkere Betonung der als solches kaum noch bestrittenen Tatsache, dass der Teilnehmer dabei aber auch einen eigenen Rechtsgutsangriff verwirklicht,801 erfolgt in einer als „Theorie vom akzessorischen Rechtsgutsangriff“ bezeichenbaren Variante der Verursachungstheorie.802 Ungeachtet weiterer Einzelheiten und Unterschiede im Detail werden von diesen Fixpunkten, welche die heute h. M. setzt, jedenfalls die wichtigsten Aspekte zutreffend benannt: Angesichts der nie aus dem Blickfeld zu verlierenden Aufgabe des strafrechtlichen Güterschutzes803 einerseits und der Entscheidung des Gesetzgebers für eine hinsichtlich des verwirklichten Unrechts grundsätzlich strenge Akzessorietät andererseits müssen auch die Teilnahmevorschriften dem Schutz von Rechtsgütern dienen, und zwar dem Schutz derjenigen Güter, die durch die Haupttat angegriffen werden (und nicht der sozialen Integration der Täter o.ä.). Damit sind auch die Teilnahmevorschriften teilweise vom geschützten Rechtsgut her auszulegen, wobei es dabei i.d.R. weniger um den Inhalt des Gutes (der ja allein von der Haupttat abhängt) als auf Effektivität des Schutzes, Angriffswege etc. ankommt. Für die hier interessierende Frage bedeutet dies (insbesondere mit Blick auf die bisherigen Ausführungen): Die Überlegungen, die oben grundsätzlich zum vorsätzlichen Begehungsdelikt und den Anforderungen an die Unrechtsbegründung angestellt wurden, müssen auch hier berücksichtigt werden. Darüber hinaus können sich – und darin spiegelt sich die stärkere Betonung des auch eigenen Rechtsgutsangriffs wider – Anforderungen an die Unrechtsbeschränkung und damit auch wieder eventuelle Strafbarkeitseinschränkungen aus den speziellen Tathandlungen der §§ 26, 27 StGB ergeben. Mit Blick auf die Beihilfe geht es speziell um die Auslegung des Merkmals Hilfeleisten, die davon abhängig ist, worin gerade der akzessorische Rechtsgutsangriff einer Unterstützungshandlung liegt.

800 Vgl. nur jeweils m. w. N. Jescheck / Weigend, § 64 I 2 = S. 685 f.; Kühl, AT, § 20 Rn. 132; Schönke / Schröder-Cramer / Heine, vor § 25 ff. Rn. 17; Wolff-Reske, S. 100. Als verwirrend rügt die Bezeichnung Stratenwerth, AT, § 12 Rn. 121 (dort Fußn. 138), der selbst – bei Übereinstimmung in der Sache – den Begriff Unrechtsteilnahmetheorie vorschlägt, welcher aber seinerseits eindeutig auch für andere Begründungsansätze verwendet wird (vgl. Wolff-Reske, S. 97; für den von ihr genannten Ansatz von Trechsel, Der Strafgrund der Teilnahme, passim, ist allerdings zu beachten, dass dieser selbst praktisch durchgehend von der Schuldteilnahme spricht). 801 Die damit zusammenhängenden Konsequenzen (die freilich teilweise auch auf andere Weise begründet werden könnten) zeichnet Roxin, Stree / Wessels-FS, S. 365, 370 ff., nach. 802 So bezeichnet von Wolff-Reske, S. 101. Wichtige frühe Vertreter dieser Variante waren vor allem Roxin (vgl. ausführlich nur Stree / Wessels-FS, S. 365, 369 ff.) und Samson (vgl. etwa SK / StGB-ders., vor § 26 Rn. 14 – 18 [mittlerweile allerdings kommentiert von Hoyer]); grds. zustimmend etwa auch Schönke / Schröder-Cramer / Heine, vor § 25 ff. Rn. 17a. 803 Vgl. o. S. 190 ff.

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Einen im 2. Teil bereits kurz vorgestellten Versuch, den Strafgrund der Beihilfe spezifischer zu bestimmen (und nicht wie sonst verbreitet im Ausgangspunkt Anstiftung und Beihilfe gleich zu behandeln) hat in jüngerer Zeit Heghmanns unternommen. Wie oben schon erläutert, sieht Heghmanns das Unrecht der Beihilfe nicht in dem Beitrag zur Verursachung, sondern in der gesteigerten Gefährlichkeit. Diese beruhe darauf, dass der Gehilfe die „Isolierung des Haupttäters“ durchbricht und damit die Tat „attraktiver, durchführbarer oder risikoärmer“ erscheinen lasse.804 Dass die konkreten Konsequenzen, die Heghmanns daraus für die „sozialadäquate Beihilfe“ zieht, wenig überzeugend sind, wurde oben bereits dargetan.805 Überdies ist aber auch noch fraglich, ob die „gesteigerte Gefährlichkeit“ als generelle Verhaltensform isoliert einen tauglichen Strafgrund darstellt.806 Gerade bei der Beihilfe wirkt dies etwas befremdlich, da es bei ihr als einziger vorsätzlicher Beteiligungsform generell und durchgehend keine Versuchsstrafbarkeit gibt. Letztlich dürfte es sich aber – auf der grundsätzlichen Ebene, jenseits von Heghmanns’ konkreten Folgerungen – eher um Unterschiede in der Perspektive als in der Sache handeln. Auch Heghmanns selbst betont immerhin, dass die Beihilfe dem „letztendlichen Zweck“ des Schutzes von Strafrechtsgütern diene,807 dieser Schutz richtet sich jedoch primär gegen ihre Verletzung (und allenfalls funktionell dazu gegen ihre Gefährdung). Jedenfalls zutreffend ist, wenn Heghmanns den Aspekt der größeren Gefährdung für die Beihilfestrafbarkeit hervorhebt. Denn dies macht deutlich, dass es nicht genügt, wenn sich die Beihilfehandlung nur „irgendwie“ in der späteren Rechtsverletzung niederschlägt, sondern dass sich in diesem Niederschlag gerade eine Gefahrsteigerung realisieren muss. Damit ist wieder auf den soeben genannten „akzessorischen Rechtsgutsangriff einer Unterstützungshandlung“ verwiesen, der bei der Auslegung der Tathandlung der Beihilfe besonders zu berücksichtigen ist.

b) Tatförderung als sich realisierende Gefahrerhöhung (1) Über die Auslegung der Tathandlung des Hilfeleistens i. S. d. § 27 StGB besteht seit jeher Streit. Dieser entzündet sich zunächst an der Frage nach dem Erfordernis der Kausalität. Bekanntlich wird eine solche von der Rechtsprechung nicht gefordert, von einem großen Teil der Literatur dagegen für nötig gehalten.808 ZuVgl. Heghmanns, GA 2000, 473, 476 ff. Vgl. o. S. 116; darüber hinaus gegen das von Heghmanns sogar als entscheidend postulierte Erfordernis der Wahrnehmung der Unterstützung generell bei der Beihilfe etwa Ebert, AT, S. 214. 806 Heghmanns, GA 2000, 473, 478, dort Fußn. 37, verweist auf die „anerkannte Möglichkeit eines vorgelagerten Rechtsgüterschutzes durch die Strafbewehrung abstrahierter Sicherheitsgüter.“ Dies ist an sich richtig, wie insb. die Untersuchung Kindhäusers, Gefährdung als Straftat, insb. S. 294 ff., zu einem Rechtsgut zeigt, das in der Möglichkeit der „sorglosen Verfügung über Güter“ liegt. Ob freilich eine Verallgemeinerung solcher, anhand bestimmter Tatbestände des Besonderen Teils entwickelter Erkenntnisse auf die strafbewehrten Verhaltensformen der allgemeinen Strafrechtsdogmatik ohne weiteres möglich ist, erscheint mir fraglich. 807 Vgl. Heghmanns, GA 2000, 473, 478. 808 Vgl. zum Meinungsstand nur die Nachweise bei Jescheck / Weigend, § 64 III 2 c = S. 693 f.; Otto, JuS 1982, 557, 562 f.; LK-Roxin, § 27 Rn. 1 ff.; ders., AT II, § 26 Rn. 184 ff.; Schönke / Schröder-Cramer / Heine, § 27 Rn. 7 f.; vertiefend Spendel, Dreher-FS, S. 167 ff.; 804 805

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gleich wird allerdings vielfach auch zutreffend betont, dass sich eine (Mit-)Verursachung, wie sie die Lehre grundsätzlich genügen lässt, und eine Förderung, wie sie die Rechtsprechung jedenfalls für nötig hält, im Ergebnis wenig unterscheiden809 (zumal wenn – am Strafgrund der Beihilfe orientiert – das Verursachungsmerkmal eher weit bzw. das Förderungsmerkmal eher eng ausgelegt werden). Zutreffenderweise sollte man von folgenden Fixpunkten ausgehen: Ein Verhalten, das ohne jede Auswirkung auf die Tatbegehung ist, d. h. weder den Eintritt des Erfolges noch die Durchführung der Tat auch nur irgendwie beeinflusst, kann sicher nicht als (physische810) Beihilfe genügen. Ein anderes Verständnis stünde mit der gesetzgeberischen Konzeption von der Straflosigkeit der versuchten Beihilfe nicht in Übereinstimmung, die irgendeine Auswirkung unverzichtbar macht.811 Interpretationen der Beihilfe als abstraktes Gefährdungsdelikt812 verdienen daher keine Zustimmung.813 Indes ist mit dieser Negativ-Abgrenzung noch nicht viel gewonnen, insbesondere auch nicht in den hier interessierenden Fällen berufsbedingter Unterstützungshandlungen: Wird der in einem Eisenwarengeschäft gekaufte Schraubenzieher zum Öffnen eines Fensters bei einem Einbruchsdiebstahl verwendet oder steigt der Täter nach der Taxifahrt am Tatort aus, so kann an einer Beeinflussung i.w.S. nicht gezweifelt werden. Inwieweit darüber hinaus Kausalität i. S. d. conditio-sine-qua-non-Formel verlangt werden muss, ist zu einem erheblichen Teil eine Frage, wie die Kausalität hier verstanden wird: Das zeigt zum einen die Reduktion der conditio-sine-quanon-Formel auf eine Modifikation des äußeren Bildes ohne Einfluss auf die Verwirklichung eines Tatbestandsmerkmals, wie sie Mezger vorgeschlagen hatte.814 Auf diesem Wege wird zwar einerseits das Erfordernis der „Kausalität“ nicht aufgegeben und andererseits keine Strafbarkeitslücke zugelassen. Jedoch wird damit – ausführlicher auch aus neuerer Zeit Baunack, Grenzfragen der strafrechtlichen Beihilfe, insb. S. 36 ff., sowie Osnabrügge, Beihilfe, S. 43 ff. (mit zahlreichen Beispielen); umfangreiche Nachweise bei Hillenkamp, AT, 175 ff. (27. Problem). 809 Vgl. Jescheck / Weigend, § 64 III 2 c = S. 693. Vgl. auch die – insoweit keinen „Meinungsstreit“ nachzeichnende – Darstellung bei Kühl, AT, § 20 Rn. 215, 219, der bei grundsätzlichem Festhalten am Erfordernis der Kausalität von einer „auf die Beihilfe zugeschnittenen Kausalität“ bzw. von der Rücknahme der „Anforderungen an die Kausalität gegenüber den Anforderungen, die an die Kausalität des Täterverhaltens gestellt werden“, spricht. 810 Vgl. zum Sonderproblem der psychischen Beihilfe ausführlich im Anschluss unter c). Das hier genannte Ausschlussmerkmal der völligen Einflusslosigkeit bereitet gerade bei der psychischen Beihilfe erhebliche Schwierigkeiten, da hier ein solcher Einfluss kaum objektiv gemessen werden kann. 811 Das spricht auch gegen die Lösung von Schaffstein, Honig-FS, S. 169, 173 ff. der (im Anschluss an seinen Schüler Salamon, Vollendete und versuchte Beihilfe, passim) auf jede Auswirkung auf den Taterfolg verzichten möchte, wenn es nur (ex ante) zu einer Risikoerhöhung gekommen ist. 812 Vorschlag einer solchen Konzeption bei Herzberg, GA 1971, 1, 6. 813 Vgl. zur Kritik näher LK-Roxin, § 27 Rn. 28. 814 Vgl. Mezger, Strafrecht, S. 224.

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worauf Schaffstein zutreffend hinweist – zugleich „das Kausalitätserfordernis als Zurechnungsprinzip ad absurdum geführt“.815 Zum anderen hängt es davon ab, wo man die Grenzen des „Verbots der Berücksichtigung hypothetischer Kausalverläufe“ zieht. Denn dies entscheidet darüber, ob man in Fällen, die der Beihilfephänotypik unzweifelhaft entsprechen,816 davon ausgehen muss, dass ohne die Gehilfenhandlung die Rechtsgutsverletzung insgesamt unterblieben wäre. So besteht noch verbreitete Einigkeit darüber, dass etwa das Tragen einer Leiter zum Ort des Diebstahls auch dann kausal ist, wenn der Dieb, der damit einsteigt, die Leiter selbst hätte tragen können. Denn dieses eigene Tragen darf nicht hinzugedacht werden. Umgekehrt wird man nicht genügen lassen, wenn eine Frau mit ihrem Kinderwagen auf dem Gehsteig einen Schritt zur Seite geht, damit der Betrüger auf dem Weg zum Verkaufsgespräch ungestört weitergehen kann, obwohl der sonst vom Betrüger gemachte Schritt zur Seite genau genommen auch bereits das Hinzudenken eines hypothetischen Kausalverlaufs wäre. Dazwischen liegt der Fall, in dem der Gehilfe nur neben dem Tresorknacker sitzt und ihm auf dessen Bitte den Handbohrer reicht, den der Täter mit einem – freilich wieder rein hypothetischen! – Handgriff auch ohne weiteres selbst aus der Tasche hätte nehmen können. Auch insoweit sind aber die hier interessierenden Fälle regelmäßig unproblematisch gelagert, wenn die berufliche Leistung zum Bestandteil des deliktischen Planes wird, so dass es sich um kein spezifisches Problem der vorliegenden Fragestellung handelt.817

(2) Wichtiger als dieser Streit ist vielmehr die Frage, ob andere, zusätzliche Anforderungen an die Beihilfehandlung gestellt werden müssen. Dafür spricht entscheidend, dass grundsätzlich die Kausalität als Zurechnungsprinzip – was jedenfalls bei der Täterschaft weitgehend anerkannt wird – eher zu weit als zu eng ist.818 Auch die vorangegangenen Überlegungen zum akzessorischen Rechtsgutsangriff als Strafgrund der Beihilfe haben überdies nahe gelegt, dass die Anforderungen, die an die Erfolgszurechnung bzw. an die Tatbestandsmäßigkeit des Verhaltens bei der täterschaftlichen Begehung gestellt werden, auch für die Beihilfe eine Rolle spielen müssen.819 Viel wichtiger als diese eher formalen Gründe sind aber die hinter der Zurechnungsprüfung stehenden Sachgesichtspunkte:820 Auch eine i.w.S. Vgl. Schaffstein, Honig-FS, S. 169, 176; Kritik auch bei LK-Roxin, § 27 Rn. 4. Dabei geht es nicht darum, mit angeblichen Strafbarkeitslücken zu argumentieren, was stets dem Vorwurf der Subjektivität sowie vor allem der Vermengung von Auslegung und rechtspolitischem Programm ausgesetzt ist. Das ändert aber nichts daran, dass die Teilnahmeformen gewisse Typen von Rechtsgutsangriffen verkörpern, wie nicht zuletzt Bloy, Die Beteiligungsform als Zurechnungstypus im Strafrecht, passim, ausführlich beschreibt. Dann liegt es aber noch im Bereich zulässiger teleologischer Interpretation, die Grenzen von Tatbestandsmerkmalen so zu ziehen, dass nicht eine Vielzahl von scheinbar geradezu prototypisch tatbestandserfüllenden Verhaltensweisen ausgeschieden werden. 817 Zur Frage, wie sich die hypothetische leichte anderweitige Erlangbarkeit der Leistung bei der Zurechnung auswirken kann, vgl. unten S. 366. 818 Treffend Wolff-Reske, S. 105 f. 819 Vgl. o. S. 360. Die sich daraus ergebenden Folgerungen machen – das wird sich gleich erweisen – im Übrigen auch den Streit um das Kausalitätserfordernis mehr oder weniger hinfällig; zum Zusammenhang zwischen Strafgrund der Teilnahme und Anwendung des Risikoerhöhungsprinzips auf die Beihilfe vgl. auch Roxin, AT II, § 26 Rn. 212. 815 816

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unterstützende Handlung sollte (zur Abschichtung von Unrecht und Unglück) strafrechtlich nur zugerechnet werden, wenn sich die Tat in ihrer unterstützten Form als „Werk“ auch des Teilnehmers darstellt und wenn eine Untersagung der unterstützend wirkenden Handlung generalpräventiv verhaltenssteuernd sinnvoll ist. Greift man die Forderung Schünemanns nach der Zweckmäßigkeit einer Verhaltensnorm ex ante und ex post nochmals auf,821 so genügt für eine zurechenbare Beihilfehandlung weder, dass ein Verhalten des Gehilfen zwar auf den konkreten Erfolg der Haupttat Einfluss nimmt, aber ex ante die Gefahr der Begehung nicht erhöht hat, noch dass zwar ex ante das Risiko der Tatbegehung vergrößert wurde, sich in der Haupttat aber dieses Risiko nicht niederschlägt. Somit lassen sich auch die Anforderungen an die Beihilfe als Anwendung der Grundsätze der objektiven Zurechnung822 formulieren: Wird bei der täterschaftlichen Begehung eine rechtlich relevante, d. h. unerlaubte Gefahrschaffung gefordert,823 die sich in dem Taterfolg realisiert, und wird dieser Gedanke durch die der Beihilfe eigene (nicht alleinige Verursachung des Erfolges, sondern) Unterstützung des Haupttäters konkretisiert, führt dies zum Erfordernis einer unerlaubten Risikoerhöhung, die sich wiederum im Erfolg der Haupttat niederschlagen muss.824 Dieses zweite Erfordernis des „Niederschlages“ im Erfolg entschärft zugleich das Kausalitätsproblem: Wenn ein Verhalten nicht in einem zumindest weit verstandenen Sinne kausal war, kann es sich auch nicht im konkreten Erfolg niederschlagen.825 Zugleich führt es aber zur gebotenen Verengung der Zurechnung, da eben Vgl. dazu nochmals oben S. 313 ff. Vgl. GA 1999, 207, 215, sowie hier oben S. 314. 822 Vgl. zu diesem Ansatz – wenngleich in den Ergebnissen nicht immer übereinstimmend – Ransiek, wistra 1997, 41, 42 („Aber auch beim vorsätzlichen Begehungsdelikt ist etwas versteckt die Pflichtwidrigkeit im Merkmal der objektiven Zurechnung des Erfolges eingebaut. [ . . . ] Dann ist es überzeugend, gleiches als Voraussetzung der Teilnahmestrafbarkeit zu verlangen.“); Roxin, Stree / Wessels-FS, S. 365, 381 (Es gehe darum, „die Lehre von der objektiven Zurechnung [ . . . ] für die Zurechnung zur Teilnahme fruchtbar zu machen.“); Schall, Meurer-GS, S. 103, 115; Schaffstein, Honig-FS, S. 169, 179 (die von ihm für wichtig gehaltenen Ziele werden „dadurch gewährleistet, daß man die Förderung als eine Erhöhung der Chancen für den Erfolg der Haupttat, das heißt also als eine Risikoerhöhung für das durch die Haupttat angegriffene Rechtsgut versteht.“) 823 Vgl. zur unerlaubten Gefahrschaffung bzw. ihrem Pendant des gerade erlaubten Risikos oben S. 333 ff. 824 Ähnlich auch etwa Geppert, Jura 1999, 266, 267; SK / StGB-Hoyer, § 27 Rn. 23; Murmann, JuS 1999, 548, 552; LK-Roxin, § 27 Rn. 4 f.; vgl. ferner Osnabrügge, Beihilfe, S. 192 ff. 825 Das gilt in gewisser Weise natürlich auch beim täterschaftlichen Erfolgsdelikt, was auf den ersten Blick dafür sprechen könnte, auch dort auf die Kausalität völlig zu verzichten und stattdessen „nur“ nach der objektiven Zurechnung zu fragen. Insoweit betont Puppe, Die Erfolgszurechnung im Strafrecht I, S. 15, zutreffend, dass die „Realisierung einer unerlaubten Gefahr im Erfolgseintritt ( . . . ) als eine Beziehung zwischen Eigenschaften der Handlung und dem Kausalverlauf zum Erfolg“ beschrieben werden kann, so dass insoweit ein Zusammenhang (und nicht nur ein Stufenverhältnis) zwischen Kausalitätsurteil und objektiver Zurechnung besteht. Der wesentliche Unterschied liegt aber darin, dass bei der täterschaftlichen 820 821

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zum einen nicht jedes (sondern nur risikoerhöhendes) Verhalten, zum anderen nicht jede Verursachung (sondern nur eine gerade das erhöhte Risiko verwirklichende) genügt.826 Diese Forderung nach der „Realisierung der Gefahrsteigerung“ steht in einem gewissen Gegensatz zu Ansichten, die für andere Konstellationen eine „Risikoerhöhungslehre“827 vertreten.828 So wird bei ihrer Anwendung im Bereich der Unterlassungsdelikte (dort auch als Risikoverminderungstheorie bezeichnet) und der Fahrlässigkeit gerade auf den Nachweis verzichtet, dass der Erfolg mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausbleibt829 bzw. dass der Erfolg gerade Folge der Pflichtverletzung ist.830 In Fahrlässigkeitskonstellationen freilich ist unabhängig von der Realisierung der Pflichtverletzung zumindest schon einmal festzustellen, dass das Verhalten des Täters jedenfalls kausal war,831 was bei der bloßen Förderung durch den Gehilfen dagegen außerhalb einer Realisierung seiner risikoerhöhenden Tätigkeit im Erfolg nicht ohne weiteres klar ist, vgl. oben. In der weitgehenden Formulierung für die Unterlassungsstrafbarkeit, bei der ja gerade ein (Quasi-)Kausalzusammenhang nicht feststeht, ist ein bloßes Abstellen auf die Risikoerhöhung auch nicht überzeugend.832

Für das hier interessierende Problem berufsbedingter Unterstützungshandlungen führt das – vorbehaltlich weiterer Beschränkungen durch die Erlaubtheit des Risikos833 – zu folgender Überlegung: In den problematischen Fällen berufsbedingter Unterstützungshandlungen, die nicht schon wegen der bloß willkürlichen Verknüpfung zwischen Beteiligtenverhalten und Täterhandlung ausscheiden,834 wird zuBegehung formulierbar die Voraussetzungen der Kausalität viel klarer sind als bei der „Förderkausalität“ der Beihilfe, so dass bei der Täterschaft eine erste grobe, leicht zu prüfende Zurechnungsstufe der „Kausalität“ i. S. d. Äquivalenztheorie methodisch durchaus sinnvoll ist. 826 Insoweit teilweise übereinstimmend Wolff-Reske, S. 108 ff.: Auch dort wird gefordert, dass „eine rechtlich mißbilligte Gefahr des Erfolgseintritts geschaffen“ (konkreter müsste man für die Beihilfe freilich sagen: erhöht) wurde und „diese sich im Erfolg realisiert hat“. Das „daneben“ geforderte Kausalitätskriterium spielt dagegen neben der Realisierung der Gefahr – wie soeben gezeigt – letztlich keine Rolle. 827 Vgl. dazu grundlegend Roxin, ZStW 74 (1962), 411 ff.; vgl. ferner Puppe, ZStW 99 (1987) 595 ff., sowie dies., Die Erfolgszurechnung im Strafrecht I, S. 92 ff.; Schaffstein, Honig-FS, S. 169 ff.; sowie knapp Schönke / Schröder-Lenckner, vor §§ 13 ff., Rn. 99a. 828 Deswegen dürfte ein so verstandenes Gefahrsteigerungskriterium auch nicht unter die Kritik bei Küpper, Grenzen der normativierenden Strafrechtsdogmatik, S. 113 ff., fallen, der die Umgestaltung der Beihilfe in ein Gefährdungsdelikt moniert. Vielmehr bringt die Forderung nach einer sich realisierenden Risikoerhöhung (eventuell sogar noch klarer) zum Ausdruck, was Küpper, a. a. O., S. 114 f., zutreffend als Ergebnis einer Auslegung des Begriffs der Hilfeleistung betont. 829 Vgl. die Nachweise und Auseinandersetzung damit bei Kühl, AT, § 18 Rn. 38 f. 830 Vgl. die Nachweise und Auseinandersetzung damit bei Kühl, AT, § 17 Rn. 52 ff. 831 Darauf abstellend auch Roxin, ZStW 74 (1962), 411, 430 ff.; gewichtige Einwände dagegen allerdings bei Puppe, Die Erfolgszurechnung im Strafrecht I, S. 93. 832 Zutreffend Jescheck / Weigend, AT, § 59 III 4 a.E. = S. 619. 833 Vgl. zum erlaubten Risiko zunächst nochmals oben S. 333 ff. sowie beide Aspekte zusammenführend die „Gesamtsynthese“ im 4. Teil, S. 443 ff. 834 Vgl. o. S. 356 ff.

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3. Teil: Grundlegungen einer eigenen Lösung

meist ein „Niederschlag“ des Verhaltens in dem Erfolg vorliegen. Fraglich ist dagegen, ob das Verhalten tatsächlich ein ex ante gefahrerhöhendes war,835 so dass sich der Erfolg auch als Resultat der gesteigerten Gefahr deuten lässt. Dies könnte trotz des späteren Niederschlags im Erfolg vor allem dann nicht der Fall sein, wenn bzw. weil die Leistung auch ohne Probleme anderweitig zu beschaffen wäre. Hiergegen wird nun freilich – das hat der Überblick über den bisherigen Meinungsstand gezeigt – das Argument des Verbotes der Berücksichtigung hypothetischer Reserveursachen vorgebracht. Zwar ist dieses Verbot im Rahmen der Kausalitätsfrage anerkannt und auch sinnvoll: Dort soll mehr oder weniger naturalistisch entschieden werden, ob ein ganz bestimmter Zusammenhang vorliegt oder nicht – tertium non datur: ein Verhalten kann weder „kausal und zugleich nicht kausal“ noch „nur ein bisschen kausal“ sein; daher ist es richtig, nicht danach zu fragen, ob ohne das Verhalten eine andere Kausalkette eingegriffen hätte. Für die Frage nach der Risikoerhöhung der Unterstützungshandlung ist dies dagegen anders: Es handelt sich um eine wertende Betrachtung, bei der zum einen schon durch die Frage nach der „Erhöhung“ eine quantitativ-vergleichende Perspektive eingeschlagen wird und bei der zum anderen für die Feststellung einer auch rechtlich relevanten Erhöhung (wo immer diese liegt) hypothetische Verläufe als Vergleichsmaßstab nicht ausgeschlossen bleiben können.836 Das gilt selbstverständlich, wenn man – mangels Anerkennung von qualitativen Kriterien der Neutralität und Üblichkeit – die Frage allein mit einer Risikoquantifizierung lösen will und ein näher zu bestimmendes Maß an „Erheblichkeit“ verlangt.837 Denn jedenfalls die „Erheblichkeitsfrage“ ist ohne die vergleichende Perspektive hypothetischer Kausalverläufe nicht sinnvoll zu beantworten. Aber selbst wenn man nur nach dem Vorliegen einer Risikoerhöhung als solcher fragen würde, müsste man wohl völlig marginale Ereignisse (wie im oben genannten Beispiel des zur Seite geschobenen Kinderwagens) durch eine hypothetische Betrachtung ausblenden, wenn dem Kriterium eine Berechtigung zukommen soll.

(3) Nimmt man nun einen solchen hypothetische Verläufe grundsätzlich mit einbeziehenden Vergleich vor, so hat man zwischen Fällen in einem breiten Spektrum zu unterscheiden. Die wichtigsten Trennlinien dürften dabei zwischen den folgenden Konstellationen verlaufen:838 Eine (auch ausreichend beachtliche) Risikostei835 Vgl. zum strikten Abstellen auf die Gefahrerhöhung auch nochmals die Konzepte von Rogat und Weigend, dazu oben S. 108 ff. 836 So im Ergebnis auch die Einschätzung von Frisch, Verhalten und Zurechnung, S. 294 (dort Fußn. 218). 837 So insb. Weigend, Nishihara-FS, S. 197, 208, sowie auch Rogat, insb. zum Vergleich mit hypothetischen Verläufen S. 100 f.; Rogat nimmt allerdings – wie gezeigt – ergänzend auch eine Risikoqualifizierung vor und argumentiert u. a. ebenfalls mit dem Topos des erlaubten Risikos. 838 Diese Differenzierung erfolgte ganz ähnlich auch bereits bei der verfassungsrechtlichen Betrachtung der Geeignetheit, vgl. o. S. 292 ff. Das ist aber nicht verwunderlich, da die Eignung zum Rechtsgüterschutz ja gerade dann besteht, wenn das untersagte Verhalten eine Gefahrsteigerung bewirkt; ist das nicht der Fall, trägt das Verbot nicht zum Güterschutz bei.

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gerung liegt vor, wenn trotz des Charakters als Geschäft des täglichen Lebens auf Grund der besonderen situativen Umstände eine äquivalente Leistung gerade nicht anderweitig zu erhalten wäre. Dies ist etwa vorstellbar, wenn die Leistung eilig benötigt wird und keine sinnvolle Gelegenheit existiert, den nächsten Berufsträger aufzusuchen.839 Besteht dagegen bei einer Unterstützungshandlung ausreichend weit im Vorfeld die Möglichkeit, sich diese Leistung ebenso gut anderweitig zu beschaffen, ist weiter zu differenzieren: Besteht diese Möglichkeit auch dann nur „illegal“ – etwa weil jedem Berufsträger die deliktische Verwendung sofort auffallen wird840 –, können und sollten solche hypothetischen Reserveursachen bei der hier vorgenommenen wertenden Betrachtung ausgeklammert werden. Anderenfalls könnte die Möglichkeit fremden deliktischen Verhaltens jeweils als Begründung für einen Zurechnungsausschluss angeführt werden. Damit bleiben als schwierigste Fälle diejenigen, in denen die Leistung anderweitig mit großer Wahrscheinlichkeit völlig legal (d. h. ohne Anlass für einen Verdacht des Berufsträgers) zu bekommen wäre: Hier ist die Gefahrsteigerung bei Berücksichtigung hypothetischer alternativer Kausalverläufe auf den ersten Blick oft gering. Andererseits darf auch nicht völlig vernachlässigt werden, dass real eben gerade die ganz konkrete Leistung in den deliktischen Geschehensablauf eingebunden wurde. Dabei kommt es für die Bewertung der Risikoerhöhung weniger darauf an, dass die „stärksten sozial wirksamen Folgen einer Tat ( . . . ) sich ( . . . ) immer daraus (sc. speisen), was wirklich passiert ist“841, sondern vielmehr auf Folgendes: Wenn man die Risikoerhöhung für das Rechtsgut durch eine ganz konkret bestimmte Haupttat anhand hypothetischer Abläufe bestimmt, muss man konsequenterweise auch das ganze Spektrum an möglichen anderen Kausalverläufen in diese Betrachtung miteinbeziehen. Anders als in den Schulbeispielen einer fest stehenden Reserveursache842 ist also hier zu berücksichtigen, 839 So in dem schon mehrfach in verschiedenen Varianten beschriebenen Beispiel der Schlägerei vor einem Messergeschäft. Hier trifft sich die Betrachtung der Risikoerhöhung mittels eines Vergleiches auch mit hypothetischen Verläufen teilweise mit der von Jakobs, GA 1996, 253, 264, vorgenommenen Bewertung des sozialen Sinnes, wo er ein Beispiel wegen ihres „drastisch deliktischen Kontextes“ einer „gemeinsamen Organisation“ zuzurechnen geneigt ist. Das zeigt, dass sich aus dem Fundus der gefestigten Dogmatik mitunter exaktere Kriterien benennen lassen, die auch sachlich zutreffender sein dürften. Denn in entsprechenden Beispielen ergibt sich die „Drastik“ des deliktischen Kontextes nicht – wie der Begriff zunächst vermuten lassen könnte – aus dem hohen Unrechtsgehalt der begangenen Taten, sondern tatsächlich aus der situativ besonders großen Risikosteigerung. 840 Dass dann auch die anderen Leistungen „illegal“ wären, ist selbstverständlich ein gewisser „Zirkelschluss“ – um diesen Vergleich ziehen zu können, muss aber insoweit ein solcher Vorgriff zulässig sein. 841 Vgl. Wohlleben, S. 79; soweit er fortfährt, die „ ,Inbeziehungsetzung‘ dieser tatsächlichen Handlung und ihrer Folgen zu denkbaren anderen Möglichkeiten von Realität“ habe ein „verschwindendes geradezu gegen Null tendierendes Interesse und damit abwägungsrelevantes Gewicht“, müsste diese keinesfalls selbstverständliche Behauptung das Ergebnis, nicht die Prämisse einer Begründung sein.

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3. Teil: Grundlegungen einer eigenen Lösung

dass bei der Ablehnung der Leistung durch einen Berufsträger die Erbringung durch andere durchaus mit Unsicherheiten behaftet ist: Der Täter könnte durch die Ablehnung so verunsichert sein, dass er den Weg zu anderen Berufsträgern scheut; er könnte sich auf dem Weg zu diesen aus anderen Gründen die Sache anders überlegen; durch die (nach dem ursprünglichen Plan eigentlich unschädliche) Verzögerung der Tat (bzw. ihrer Vorbereitung) wird diese auf Grund von zunächst unvorhergesehenen zusätzlichen Umständen vereitelt usw. M.a.W.: Wird die Leistung erbracht, steht fest, dass sie dem Täter zur Verfügung steht; wird sie verweigert, ist ihr Erhalt und damit ihre sinnvolle Einbindung in einen deliktischen Kontext zusätzlichen Ungewissheiten ausgesetzt. Schon in dieser „Sicherung“ liegt eine Risikoerhöhung, die grundsätzlich für die Annahme einer Beihilfe ausreichend sein kann;843 allerdings ist sie eine relativ geringfügige, die bei Hinzutreten weiterer unwertvermindernder Umstände dazu führen könnte, dass insgesamt kein strafbares Unrecht vorliegt. Eine Einschränkung der Strafbarkeit dürfte freilich in einer Gruppe von Fällen zu machen sein, die zwar im Ergebnis nicht wirklich umstritten sein sollten, aber als besonders plastische Beispiele für eine Straflosigkeit berufsbedingter Förderungshandlungen angeführt werden könnten (obwohl eigentlich die Berücksichtigung der Interessen des Berufsträgers im Hintergrund steht): Selbstverständlich wird die Wahrscheinlich- und Möglichkeit einer Straftat durch die fortbestehende Existenz des Täters erhöht. Seine Fortexistenz, vielleicht aber auch seine ausreichend stabile Gesundheit u.ä. mögen sogar unabdingbare Voraussetzung der späteren Tatbegehung sein. Allerdings ist die Sicherung dieser menschlichen Existenz – selbst wenn derselbe Mensch deliktisch tätig werden will – grundsätzlich kein missbilligenswertes Verhalten. In diesem Sinne ist der oben dargestellten Überlegung von Ransiek beizutreten, nach der die Sicherung der „allgemein grundlegenden Lebensbedürfnisse des Täters“ keine strafbare Beihilfe sei. Der Arzt wird also nicht Gehilfe des Täters, wenn er diesen versorgt, obwohl der Täter versichert, er werde ein Verbrechen begehen, sobald er wieder könne. Auch der Lebensmittelhändler macht sich – selbst wenn er am Ort allein ist – nicht wegen Beihilfe strafbar, wenn er dem Täter Nahrung für die nächsten Wochen verkauft, obwohl er weiß, dass der Täter in einem Monat einen Diebstahl begehen will. Und selbst „den Stadtwerken“ (bzw. ihrem Organ, § 14 StGB) dürfte kein Beihilfevorwurf zu machen sein, wenn sie die Wohnung des Täters im Winter weiterhin mit Gas und Strom versorgen, obwohl sie wissen, dass dies Voraussetzung ist, dass der Täter nicht vor klammen Händen und mangels Strom außer Stande ist, auf dem Computer seinen betrügerischen Schriftverkehr abzuwickeln. Freilich ist diese Ausnahme nicht auf alle Bedürfnisse eines „üblichen mitteleuropäischen Lebensstandards“ auszudehnen, zu der sicher auch die Versorgung mit allen Arten von Werkzeugen, der Transport mit dem Taxi zu jedem beliebigen Ort etc. gehören würden. Die von Tatplänen und deren Kenntnis unabhängige Privilegierung der Versorgung existentieller Grundbedürfnisse ist eng auszulegen und betrifft nur die Leistungen, die zur „Fortexistenz“ erforderlich sind.844 Aus 842 Typische Beispiele: A erschießt den O, so dass das O von B bereits verabreichte Gift nicht mehr zur Wirkung kommen kann. A erschießt auf dem Flughafen O, dessen Flugzeug kurz nach dem Start ohne Überlebende abstürzt. 843 Für die Annahme einer regelmäßig vorliegenden Förderung (ungeachtet der Frage, ob diese bereits zur Strafbarkeit führt) auch Frisch, Lüderssen-FS, S. 539, 542. Enger wohl die Ansichten, die eine mehr oder weniger „erhebliche“ Förderung verlangen, vgl. dazu nochmals oben S. 108 ff.

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diesem Grund ist umgekehrt Amelungs oben bereits erwähnter Einschränkung Recht zu geben,845 dass etwa bei „zeitlich gestreckten Delikten“ die Verpflegung eines Geiselnehmers mit einem Brotpaket nicht als Befriedigung grundlegender Lebensbedürfnisse des Täters straflos sein könne. Denn eine solche Versorgung ist nicht zur bloßen Sicherung der Fortexistenz erforderlich, (da es an sich „normal“ wäre, wenn der Geiselnehmer wie jeder andere sein Brot im Laden kauft), sondern in dieser Form nur zur Sicherung „der kriminellen Existenz“.

c) Psychische Beihilfe durch Bestärkung des Tatentschlusses Freilich würden all diese Fragen zur (objektiven) Risikoerhöhung in ihrer Bedeutung weit zurücktreten, wenn man unabhängig von deren Grad jedenfalls eine psychische Beihilfe annehmen könnte. Dabei geht es hier nicht um die „technische Rathilfe“, die dem Täter die zur Begehung erforderlichen Kenntnisse vermittelt.846 Denn diese – in ihrer Existenz und Strafbarkeit einhellig anerkannte – intellektuelle Unterstützung ist keine „Begleiterscheinung“ der physischen Beihilfe, sondern kann im Gegenteil gerade auch statt dieser Gegenstand der berufsbedingt erbrachten Handlung sein. Insoweit gelten gerade die gleichen Kriterien, die bislang vor allem an Beispielen aus der physischen Beihilfe entwickelt wurden. Plakativ ausgedrückt: Ob Schraubenzieher oder Rechtsrat „verkauft“ werden, spielt im Ausgangspunkt keine Rolle. In beiden Fällen kann es sich um – i.d.R. legal genutzte – „Arbeitsfaktoren“847 handeln, die zum Gelingen der Straftat beitragen. Beide haben auf die Ausführung der Tat und nicht ausschließlich auf die Bereitschaft des Täters zur Tatbegehung Einfluss. Dass gerade in dem praktisch für berufsbedingte technische Rathilfe besonders relevanten Bereich des Rechtsrates gründlich nach strafbarkeitseinschränkenden Risikoerlaubnissen zu suchen ist,848 kann man auf Grund der vergleichbaren Situation post delictum aus der Diskussion um die Strafbarkeit des Strafverteidigers wegen Strafvereitelung erahnen.

Gemeint ist vielmehr die psychische Beihilfe durch „Bestärkung des Tatentschlusses“.849 Eine solche könnte man nun immer schon darin sehen, dass eine (und sei es auch nur unerheblich) fördernde Leistung zur Verfügung gestellt wird. Denn der Täter – so könnte man argumentieren – wird dadurch in seinem Plan gefestigt, dass ihm jemand zuarbeitet, obwohl er deliktische Pläne verfolgt. Im Er844 Daher ist die oben S. 98 erwähnte Schwierigkeit der Grenzziehung hier eher in Richtung auf eine in Zweifelsfällen restriktive Handhabung zu lösen. 845 Vgl. o. S. 99. 846 Vgl. dazu Kühl, AT, § 20 Rn. 225. 847 Nicht umsonst werden in der Wirtschaft zu den Produktionsfaktoren nicht nur Rohstoffe, Maschinen und menschliche Arbeitskraft, sondern auch das „Know-how“ gezählt. 848 Vgl. näher unten S. 476 ff. 849 Vgl. dazu statt vieler Kühl, AT, § 20 Rn. 226 f.; Roxin, AT II, § 26 Rn. 197 ff.; Schönke / Schröder-Cramer / Heine, § 27 Rn. 12; zu Grenzfällen aus der Rechtsprechung (insb. in Fällen bloßen „Dabeiseins“) Stoffers, Jura 1993, 11 ff.; eingehend zur psychischen Beihilfe aus neuerer Zeit Baunack, Grenzfragen der strafrechtlichen Beihilfe, insb. S. 98 ff., sowie Osnabrügge, Beihilfe, S. 161 ff.

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gebnis freilich wird eine psychische Beihilfe durch die Erbringung berufsbedingter Leistungen jedenfalls dann ebenfalls nicht vorliegen, wenn auch eine physische Beihilfe aus Gründen ausscheidet, die spezifisch mit der Berufsbedingtheit zusammenhängen.850 Dies gilt ohnehin selbstverständlich, wenn man die Möglichkeit einer psychischen Beihilfe durch Bestärkung des Tatentschlusses generell ablehnt. Eine solche Ablehnung wird bekanntlich von einzelnen Stimmen in der Literatur vor allem mit drei Argumenten begründet:851 Zunächst sei schon fraglich, ob der Wortlaut des Hilfeleistens eine solche Bestärkung umfasse. Angesichts der grundsätzlich vorstellbaren motivierenden Wirkung von entsprechenden Ermunterungen und der weiten Fassung des § 27 StGB sind diese Bedenken allerdings überstreng und gehen von einer unrealistisch engen Grenzfunktion des „Wortlauts“852 (insbesondere in den Regelungen des Allgemeinen Teils) aus. Des Weiteren wird vorgebracht, die Kausalität des Verhaltens sei bei einer bloßen Einwirkung auf die Psyche nicht feststellbar.853 Indes weist Kühl zutreffend daraufhin, dass das grundsätzliche Faktum einer möglichen psychisch vermittelten Kausalität letztlich nicht bestritten werden kann,854 weshalb praktische Nachweisschwierigkeiten innerer Vorgänge (die es auch sonst gibt und z. B. nicht davon abhalten, den Vorsatz als Tatbestandsmerkmal anzuerkennen) ihre Beachtlichkeit nicht in Frage stellen, sondern nur zu einer besonders sorgfältigen und bei ihrer Bejahung angemessen zurückhaltenden Sachverhaltsfeststellung nötigen. Zuletzt wird aus der Systematik der §§ 26, 27 StGB geschlossen, dass die Einwirkung auf den Tatentschluss des Täters nur durch dessen Hervorrufen in § 26 StGB erfasst sei, weshalb hinsichtlich der „kleinen Anstiftung“ durch Bestärken des Entschlusses eine gewollte und hinzunehmende Strafbarkeitslücke bestehe. Jedoch ist dies nur eine mögliche Interpretation der §§ 26, 27 StGB, oder anders ausgedrückt: ein solches Verhältnis zwischen §§ 26 und 27 StGB würde vorliegen, wenn § 27 StGB die Bestärkung des Tatentschlusses nicht erfasst; dass er sie nicht erfasst, müsste erst auf andere Weise begründet werden. Die üblicherweise vorgebrachten Argumente stehen somit alle der Anerkennung einer psychischen Beihilfe durch Bestärkung nicht zwingend entgegen. Sie treffen allerdings insoweit einen richtigen Kern, als das Vorliegen einer strafwürdigen855 850 Vgl. dazu, was mit „spezifisch mit der Berufsbedingtheit Zusammenhängen“ gemeint ist, das kurze Beispiel unten zu Fußn. 860, in dem es an diesem Bezug fehlt und die physische Beihilfe dennoch ausscheidet. 851 Vgl. etwa Hruschka, JR 1982, 177 ff.; SK / StGB-Samson, § 27 Rn. 14 (in der aktuellen Bearbeitung von Hoyer [Rn. 13 f.] nicht mehr generell gegen die „voluntative Beihilfe“, aber immer noch einschränkend). 852 Vgl. dazu nochmals oben S. 250 ff., 259 ff. 853 Vgl. zu diesem Aspekt auch Baunack, Grenzfragen der strafrechtlichen Beihilfe, S. 99 f. 854 Vgl. Kühl, AT, § 20 Rn. 226; zustimmend Schönke / Schröder-Cramer / Heine, § 27 Rn. 12. 855 Vgl. hierzu nochmals Frisch, Stree / Wessels-FS, S. 69, 85 ff. sowie oben S. 209 f.

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Gefahrsteigerung durchaus fraglich ist, wenn der Täter ohnehin schon fest zur Tat entschlossen ist.856 Erkennt man deshalb eine psychische Beihilfe in dieser Form an, sind an ihre Voraussetzungen und an ihren Nachweis gleichermaßen strenge Anforderungen zu stellen.857 Insbesondere gilt auch für die „motivierende“ Wirkung, dass – wie für die Frage nach „gemeinschaftlicher Organisation“ allgemein betont wurde858 – eine willkürliche Verknüpfung durch den Täter nicht genügen kann. D. h. die Tatsache, dass sich der Täter subjektiv „bestärkt“ fühlt, ist nicht ausreichend, wenn dem Verhalten des Gehilfen objektiv keine bestärkende Tendenz innewohnt. Wollte man das anders sehen, würde dies zu wenig überzeugenden Ergebnissen führen: Wer einem Täter massiv von der Begehung abrät, würde den objektiven Beihilfetatbestand erfüllen, wenn der Täter sich aus Trotz sagen würde „Jetzt erst recht“. Hielte der Abratende dies für möglich und würde es – obgleich es ihm unerwünscht ist – in Kauf nehmen, um sich nicht umgekehrt alle Möglichkeiten zu nehmen, den Täter von seinem Plan abzubringen, wäre schon eine Strafbarkeit wegen bedingt vorsätzlich geleisteter Beihilfe vorstellbar. Dass durch dieses Erfordernis einer „objektiv bestärkenden Tendenz“ und damit letztlich der Betonung des sozialen Sinnes eine starke Annäherung an die Position erfolgt, die Jakobs allgemein für das Zusammenwirken und damit auch für die physische Beihilfe vertritt,859 ist nicht erstaunlich und auch kein Widerspruch gegenüber den oben teilweise von Jakobs abweichenden Ausführungen. Denn die von Jakobs im Ergebnis geforderte expressive Stellungnahme für den Täter durch das Verhalten ist ja gerade das, was die psychische Beihilfe durch Bestärkung des Tatentschlusses wesentlich kennzeichnet. Insoweit liegt ein Unterschied zu den Fällen der physischen Beihilfe vor. Denn in diesen ist – das zeigt schon die Tatsache, dass sie einhellig für möglich gehalten wird – der objektiv soziale Sinn bereits durch die physische Risikosteigerung stärker in Richtung auf eine gemeinschaftliche Organisation geprägt.

Legt man dies zugrunde, sind zwei Konstellationen vorstellbar: – Entweder es liegt bereits eine strafbare physische Beihilfe vor. Dass diese erfahrene Unterstützung zugleich auch den Entschluss des Täters stärkt, fällt nicht mehr ins Gewicht, denn eine entsprechende psychische Beihilfe würde – falls bejaht – hinter die physische als schwächer wirkende Begleitform subsidiär zurücktreten. – Oder aber es wird – aus Gründen, die spezifisch in der Berufsbezogenheit wurzeln – eine physische Beihilfe abgelehnt. Da dann eine rechtlich relevante För856 Insbesondere wenn einem angeblich bereits fest Entschlossenen nur Zweifel ausgeredet werden (dazu Kühl, AT, § 20 Rn. 227, mit Verweis auf Geppert, Jura 1999, 266, 270, und Murmann, JuS 1999, 548, 551 f.), ist sehr genau zu prüfen, ob nicht in Wahrheit doch eine Anstiftung vorliegt. Eine solche müsste man zutreffenderweise annehmen, solange der Täter sich auf Grund dieser Zweifel die letzte Entscheidung noch bewusst offen hält. 857 Zu den Anforderungen vgl. ausführlich Baunack, Grenzfragen der strafrechtlichen Beihilfe, insb. S. 127 ff. 858 Vgl. o. S. 356 f. 859 Vgl. dazu oben ausführlich S. 351 ff.

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3. Teil: Grundlegungen einer eigenen Lösung

derung der Tat nicht vorliegen würde, könnte sich der Täter auch nicht (in rechtlich relevanter Weise) durch eine solche Förderung bestärkt fühlen, sondern nur durch die expressive Stellungnahme des Gehilfen für ihn. Eine solche scheidet hier aber praktisch immer aus. Denn im expressiven Bereich ist die Berufsbezogenheit der Handlung und das primäre Interesse des Handelnden, seinem Beruf nachzukommen, absolut prägend. Wo schon trotz einer an sich vorliegenden „Förderkausalität“ bzw. objektiven Risikoerhöhung eine physische Beihilfe aus normativen Erwägungen heraus abgelehnt wird, kann keinesfalls eine objektive Stellungnahme zugunsten des Täters gesehen werden, die diesen ermuntern dürfte, seinen Plan weiter zu verfolgen. Ob er subjektiv daraus willkürlich eine Bestärkung „schöpft“, spielt – wie oben gezeigt – keine Rolle. Aus all dem ergibt sich: Die Berufsbedingtheit führt leichter dazu, dass – unter jeweiliger Erfüllung der Voraussetzungen im Übrigen – das Vorliegen einer psychischen Beihilfe abzulehnen ist als das Vorliegen einer physischen. Somit ist immer dann, wenn aus Gründen der Berufsbedingtheit keine physische Beihilfe vorliegt, auch keine psychische Beihilfe (i. S. d. Bestärkung eines Tatentschlusses) gegeben. Die grundsätzliche Möglichkeit einer psychischen Beihilfe ist deshalb kein Grund, der dagegen sprechen würde, die physische Beihilfe daraufhin zu überprüfen, ob sie nicht speziell aus Gründen der Berufsbezogenheit abzulehnen ist. Denn wenn dies der Fall ist, kann auch der psychischen Beihilfe keine „Auffangfunktion“ zukommen. Im Gegenteil bietet auch die psychische Beihilfe jeweils Anlass zu überprüfen, ob sie nicht ihrerseits aus spezifischen Gründen der Berufsbedingtheit in Fällen ausscheiden muss, in denen man bei der physischen Beihilfe wegen des Fehlens der allgemeinen Voraussetzungen gar nicht mehr zur Prüfung der Berufsbedingtheit kam. Um dies an einem kurzen Beispiel zu verdeutlichen: In dem vieldiskutierten Nachschlüsselfall860 stellte der „Gehilfe“ einem Einbrecher einen zur Öffnung der Tür ungeeigneten Nachschlüssel zur Verfügung; der Einbrecher musste daher das Schloss auf andere Weise öffnen. Hier gibt es sehr gute Gründe (gegen das Reichsgericht) eine hinreichende Förderung und damit eine Strafbarkeit wegen physischer Beihilfe abzulehnen.861 Würde man den Fall nun dahingehend abwandeln, dass die Aushändigung des Nachschlüssels eine berufsbedingte Tätigkeit wäre (etwa Verkauf durch einen Schlüsseldienst), würde das am Ergebnis nichts ändern, man müsste zur Begründung der Straflosigkeit auf diesen Aspekt gar nicht abstellen. Für die im Nachschlüssel-Fall hinsichtlich der allgemeinen Voraussetzungen durchaus diskutable psychische Beihilfe aber wäre zu prüfen, wie sich diese Berufsbedingtheit auswirkt. Entscheidend ist dann, ob der expressive Gehalt des Verhaltens in einer nicht nur willkürlich empfundenen Bestärkung liegt oder nicht.

860 Vgl. RGSt 6, 169, sowie dazu etwa die Auseinandersetzung bei Schaffstein, Honig-FS, S. 169, 175 ff. 861 Anders allerdings Schaffstein, Honig-FS, S. 169, 181, der damit den äußeren Anschein einer Gefahrerhöhung genügen lässt, jedenfalls aber auf die Realisierung der erhöhten Gefahr im Erfolg verzichtet.

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d) Zwischenergebnis Der Strafgrund der Beihilfe liegt in dem akzessorischen Rechtsgutsangriff des Teilnehmers. Der Beihilfestrafbarkeit kommt im System des strafrechtlichen Rechtsgüterschutzes also die Aufgabe zu, Chancenerhöhungen eines vorsätzlichen Rechtsgutsangriffs durch einen zweiten, dessen „Schlagkraft“ erhöhenden Angriff zu verhindern. Dem entspricht es, wenn als Tathandlung der Beihilfe in Umsetzung der allgemeinen Grundsätze der objektiven Zurechnung eine Gefahrerhöhung angenommen wird, die sich im eingetretenen Taterfolg auch realisiert. Um sinnvoll Aussagen über solche „Gefahrerhöhungen“ machen zu können, ist die Berücksichtigung hypothetischer alternativer Kausalverläufe unverzichtbar. Allerdings darf dabei nicht außer Acht gelassen werden, dass für den Täter der konkret erbrachte Unterstützungsbeitrag sicher zur Verfügung stand, während die Inanspruchnahme anderer Beiträge zumeist mit – wenngleich unterschiedlich großen – Unsicherheiten belastet gewesen wäre. Eine strafbare psychische Beihilfe i.S. einer bloßen Bestärkung des Tatentschlusses dürfte – trotz beachtlicher Einwände – nicht generell ausgeschlossen sein. Allerdings spielt sie in den vorliegenden Fällen keine eigenständige Rolle. Denn immer dann, wenn man erwägt, sogar eine physische Beihilfe aus spezifischen Gründen der Berufsbedingtheit abzulehnen, muss dies nach einem objektiven Maßstab erst recht für die – ganz wesentlich vom expressiven Gehalt des Verhaltens abhängige – Bestärkung des Tatentschlusses gelten.

3. Grenzen der Verantwortung beim Zusammenwirken mehrerer Die Grenzen der Verantwortung beim Zusammenwirken mehrerer ergeben sich selbstverständlich zunächst aus den allgemeinen und besonderen Voraussetzungen einer strafrechtlichen Haftung für ein solches Zusammenwirken (also in der Sprache des Gesetzes: in Fällen der Beteiligung). Was man als Voraussetzungen und was als Grenzen bezeichnet, ist weithin eine Frage der Perspektive.862 Das aus der zivilrechtlichen Schuldrechtsdogmatik bekannte Bild von der Anspruchsentstehung und seinem Erlöschen durch rechtsvernichtende Einwendungen passt insoweit also nicht gut.863 Wenn hier dennoch von den „Grenzen der Verantwortung 862 Insoweit ist zutreffend, wenn Jakobs, GA 1996, 253, 263, betont, dass etwa auch beim Regressverbot nicht im eigentlichen Sinne eine bestehende Verantwortung aufgehoben, sondern ein Verhalten „als per se nicht zur Haftung hinreichend“ erklärt wird; dezidiert in diesem Sinne auch Silva-Sánchez, in: Eser / Huber / Cornils (Hg.), Einzelverantwortung und Mitverantwortung im Strafrecht, S. 205, 213 f. 863 Vgl. zu dieser Systematik statt vieler nur Köhler, BGB. Allgemeiner Teil, § 18 Rn. 10; Larenz / Wolf, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, § 18 Rn. 50 ff.; Medicus, Allgemeiner Teil des BGB, Rn. 94. Im Zivilrecht werden die rechtshindernden Einwendungen ja gerade von den rechtsvernichtenden unterschieden, und dieser Unterschied spielt durchaus eine Rolle, wie der frühere Streit um die Rechtsnatur einzelner Widerrufsrechte in Verbraucher-

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beim Zusammenwirken mehrerer“ gesprochen wird, so ist damit zunächst im Sinne einer Systematisierung gemeint, dass es um Gesichtspunkte geht, die einer Strafbarkeit gewissermaßen „entgegenwirken“ und für welche die Argumentationslast eher bei demjenigen liegt, der sich auf diese Grenzen beruft. Daneben soll damit zum Ausdruck gebracht werden, dass solche „Grenzen“ nicht auf eine einzelne Form des Zusammenwirkens mehrerer beschränkt sind, sondern nach Art eines gemeinsamen Strukturprinzips zwar unterschiedlich leicht überschritten werden können, aber doch in allen Fällen gemeinsamer Kausalität zumindest bedacht werden sollten. a) Das Regressverbot als Ergebnis eines Zurechnungsvorgangs statt als Zurechnungsinstrument Da es bei der Frage nach strafbaren Unterstützungshandlungen um Konstellationen geht, die wesentlich durch die Struktur einer (i.w.S. „unterstützenden“) Erstsowie einer daran anschließenden (unmittelbar ausführenden) Zweithandlung geprägt sind, kommt als Grenze für ein solches Hintereinander-Handeln schnell das Schlagwort des sog. Regressverbotes in den Sinn. Dieses kann auf eine lange Tradition zurückblicken864 und besagt in seiner ursprünglichen Fassung, dass „die fahrlässige Mitwirkung an einer vorsätzlichen und voll verantwortlichen Tatbestandsverwirklichung straflos ist“.865 In der neueren Literatur wird „das“ Regressverbot allerdings zunehmend differenzierter betrachtet,866 so dass nicht stets eine Strafbarkeit des fahrlässigen Ersthandelnden ausscheidet, umgekehrt die Haftungsbeschränkung aber auch nicht notwendig auf die Konstellation des Nacheinanders gerade von Fahrlässigkeit und Vorsatz beschränkt ist. Die ursprünglichen Begründungen der klassischen Formulierung des Regressverbotes als generelle Straffreiheit unvorsätzlicher Förderung von Vorsatztaten können – wie Roxin nachgewiesen hat867 – nicht überzeugen. So liegt weder eine Unterbrechung des Kausalverlaufes vor, noch zwingt die „Straflosigkeit der fahrlässigen Teilnahme“ zur Anerkennung eines Regressverbots.868 Auch das auf Frank zurückgehende Konzept einer grundsätzlichen Unbeschutzvorschriften zeigte. Eine gewisse Berechtigung im Strafrecht besitzt das Bild vor allem beim Rücktritt vom Versuch, insbesondere wenn man ihn mit der h. M. als „Strafaufhebungsgrund“ interpretiert. 864 Dogmengeschichtliche Ausführungen sowie Hinweise auf die ältere Literatur finden sich etwa bei Wehrle, Fahrlässige Beteiligung am Vorsatzdelikt – Regressverbot?, passim; Nachweise zu früheren Formulierungen des Regressverbotes auch bei Jescheck / Weigend, § 54 IV 2 = S. 573, dort Fußn. 53. Geprägt wurde der Begriff des „Regressverbots“ wohl von Frank (vgl. ders., Das Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich, S. 15 f.); aus der reichsgerichtlichen Rechtsprechung zum Problemkreis vgl. etwa RGSt 61, 318, sowie RGSt 64, 370. 865 Vgl. Roxin, Tröndle-FS, S. 177; ähnlich Kühl, AT, § 4 Rn. 49. 866 Grundlegend insb. Jakobs, ZStW 89 (1977), 1 ff., und Roxin, Tröndle-FS, S. 177 ff. 867 Vgl. zum Folgenden Roxin, Tröndle-FS, S. 177 ff., teils m. w. N. Zustimmend aus der österreichischen Literatur Schmoller, Triffterer-FS, S. 223, 240.

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achtlichkeit psychisch vermittelter Kausalität außerhalb des Bereichs der Anstiftung ist nicht durchzuhalten. Neuere Begründungsansätze, wie sie sich etwa bei Otto, Welp oder Wehrle finden,869 sind teils Einwänden ausgesetzt,870 erkennen teils Ausnahmen an oder aber sind – gerade unter Berücksichtigung der anerkannten Ausnahmen – letztlich auch eher Konsequenzen aus allgemeiner formulierten Zurechnungsüberlegungen.871

Das „Regressverbot“ in diesem, auch hier im Folgenden verwendeten Sinn beschreibt (und nicht etwa: „begründet“) damit zunächst noch ohne Einkleidung in einer festen dogmatischen Struktur allgemein den Verantwortlichkeitsausschluss eines vor dem unmittelbaren Verursacher handelnden Dritten, obwohl dieser die Rechtsgutsverletzung durchaus hätte vermeiden können.872 Damit fügt es sich in die moderne Lehre von der objektiven Zurechnung ein873. Es beschreibt dabei die Konstellationen, in denen die Voraussetzungen der Tatbestandsmäßigkeit eines Verhaltens bzw. der Erfolgszurechnung gerade beim Zusammenwirken mehrerer für den Ersthandelnden nicht vorliegen. Um noch an einen anderen hier bereits näher untersuchten Terminus anzuknüpfen: Geht man davon aus, dass durch die Ersthandlung vermeidbar die Gefahr für ein Rechtsgut gesteigert wurde, eine Haftung dafür aber nicht erfolgt, werden letztlich die „erlaubten Risiken“ umschrieben, die hinsichtlich einer späteren „Fortführung“ durch das deliktische Handeln Dritter von der Rechtsordnung toleriert werden.874 Ein wesentlicher Unterschied zu den typischen Konstellationen des „erlaubten Risikos“ (wie sie oben S. 333 beschrieben wurden) liegt nun allerdings darin, dass über das Vorliegen eines Regressverbotes erst nach Kenntnis des gesamten Geschehens entschieden werden kann, während die Erlaubtheit des Risikos trotz aller Situationsabhängigkeit bereits stärker der eigentlich in Frage stehenden Handlung des Ersthandelnden anhängt. Dies ist aber nicht erstaunlich, wenn man die auch hier für zutreffend erachtete Einsicht berücksichtigt, dass das Regressverbot eben kein „Prinzip“, sondern viel868 Roxin, Tröndle-FS, S. 177, 178, begründet dies in der Sache mit der Geltung des Einheitstäterbegriffs beim fahrlässigen Erfolgsdelikt. 869 Vgl. Otto, Maurach-FS, S. 91, 99 (Prinzip der fehlenden Steuerbarkeit); Wehrle, Fahrlässige Beteiligung am Vorsatzdelikt – Regressverbot?, insb. S. 83 ff. (Prinzip des Unwertgefälles zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit), sowie Welp, Vorausgegangenes Tun als Grundlage einer Handlungsäquivalenz der Unterlassung, S. 274 ff. 870 Vgl. zu diesen Roxin, Tröndle-FS, S. 179 ff. 871 So deutlich bei Otto, Maurach-FS, S. 91 ff. 872 Vgl. auch Jakobs, GA 1999, 253, 260 f.: Das Bild des Regressverbots bezeichnet das „Verbot, zur Erledigung eines sozialen Konflikts auf ein Verhalten einer Person zurückzugreifen, von der die Tatausführung sehr wohl hätte verhindert werden können“ (Zitat auf S. 261); auch Roxin, Tröndle-FS, S. 177, 181, betont zutreffend, dass selbst in den vom klassischen Regressverbot bezeichneten Fällen „derjenige, der durch seine Unvorsichtigkeit die Begehung eines vorsätzlichen Delikts ermöglicht, durch sorgfältiges Verhalten den Erfolg durchaus hätte vermeiden können.“ 873 Deutlich nochmals Jakobs, GA 1999, 253, 258. 874 Zum Zusammenhang zwischen „(un)erlaubten Risiko“ und dem Regressverbot auch Kühl, AT, § 4 Rn. 49, der sogar im gleichen Kontext auch noch den hier sogleich im Anschluss ebenfalls herangezogenen Gedanken des Vertrauensgrundsatzes nennt.

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mehr das Ergebnis einer Zurechnungsprüfung ist; für diese Prüfung ist dann die Erlaubtheit des Risikos von Bedeutung.

b) Der Vertrauensgrundsatz als Sachgrund für ein erlaubtes Risiko und damit für ein Regressverbot (1) Sucht man nun nach einem Sachgrund875 für die Erlaubtheit des Risikos und damit für die Begründung eines Regressverbots speziell beim Zusammenwirken mehrerer Verursacher, bietet sich als haftungsbegrenzendes Prinzip das geschützte Vertrauen darauf an, dass andere keine (insbesondere vorsätzlichen) Straftaten begehen, also der im Vergleich zu seinem klassischen Anwendungsbereich erweiterte Vertrauensgrundsatz.876 Wie der Blick auf die thematischen Wurzeln des Vertrauensgrundsatzes im Straßenverkehr zeigt, wird das Vertrauen geschützt, weil ein „Nicht-Vertrauen-Dürfen“ auf Grund der potentiell bestehenden Gefahren zu Vorsichtsmaßnahmen zwingen würde, die einen fließenden Verkehr im Keim ersticken müssten. Wenn man diesen Gedanken allgemeiner fasst, so könnte man formulieren: Müsste man bei jeder Interaktion in Rechnung stellen, dass der Interaktionspartner sich nicht verkehrsgerecht bzw. sogar deliktisch verhält, wäre der soziale Kontakt mit Risiken behaftet, die ihn (wenn aus Gründen seiner Unverzichtbarkeit schon nicht zum Erliegen bringen, so doch) auf ein Minimum beschränken müssten. Auch alle Vorteile, die mit dem Sozialleben verbunden sein können, würden weitgehend vereitelt, wenn ein Misstrauenskonzept konsequent durchgehalten würde. (2) Es geht also letztlich auch hier wieder darum, den einzelnen mit den Worten Bindings vor der „grössten Überspannung der Diligenzpflicht“ zu schützen,877 ihm also keine übertriebenen und kaum realistisch erfüllbaren Sorgfaltspflichten abzuverlangen. Es ist daher wenig überraschend, dass nach weithin verbreiteter Ansicht der Vertrauensgrundsatz einen „Anwendungsfall“ des (oder besser vielleicht: einen Sachgrund für das) erlaubte(n) Risiko(s) bildet:878 Wenn auch in potentiellen Gefahrenlagen nicht alle denkbaren Vorsichtsmaßnahmen getroffen werden müssen, sondern grundsätzlich zulässig ist, die Möglichkeit fremden Fehlverhaltens mangels konkreterer Anhaltspunkte dafür gleichsam „auszublenden“, dann liegt darin 875 Dazu, dass das erlaubte Risiko ein formale Kategorie ist und weiterer Sachgründe bedarf, vgl. nochmals o. S. 335. 876 Zum gemeinsamen Kern von erlaubtem Risiko und Vertrauensgrundsatz auch Armin Kaufmann, Jescheck-FS, S. 251, 267. 877 Vgl. nochmals ders., Die Normen und ihre Übertretung, Bd. IV, S. 200 (im Zusammenhang mit dem erlaubten Risiko). 878 Vgl. Duttge, Fahrlässigkeitsdelikte, S. 466 m. w. N. (dort Fußn. 723 als „h. M.“ bezeichnet); Kühl, AT, § 4 Rn. 49 (Konkretisierung des erlaubten Risikos); Lackner / Kühl, § 15 Rn. 39; LK-Schroeder, § 16 Rn. 170 m. w. N.; Roxin, AT I, § 24 Rn. 22. Vgl. auch (unter dem Stichwort der vermeidepflichtigen Gefahren und damit stärker der Konturierung von Sorgfaltspflichten) NK-Puppe, vor § 13 Rn. 150 ff.

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die Erlaubnis zu einem – im Vergleich zur optimal möglichen Sorgfalt – riskanten Verhalten.879 Das Handeln auf dieser Grundlage ist also ein „erlaubtes Risiko“. Daneben besteht aber auch ein Zusammenhang mit dem Stichwort des „Regressverbots“: der Vertrauensgrundsatz kann zum Ergebnis eines Regressverbots führen, wenn der in seinem Vertrauen880 geschützte Ersthandelnde nicht für die Rechtsgutsgefährdung verantwortlich gemacht werden kann, obwohl er sie im Einzelfall auch hätte verhindern können.881 Wie oben bereits angedeutet wurde, wird der Begriff des Regressverbotes hier – seiner Verwendung in der neueren Literatur entsprechend – so verstanden, dass er das Ergebnis eines Zurechnungsvorganges bildet. Ein Streit darüber, ob der Vertrauensgrundsatz als Prinzip zur Zurechnungsbeschränkung ein „Unterfall“ des Regressverbotes ist oder umgekehrt,882 ist daher wenig sinnvoll: Die von den beiden Begriffen beschriebenen Phänomene stellen nach hier vertretener Auffassung und Begriffsverwendung Ursache und Ergebnis dar; weil der Vertrauensgrundsatz eingreift, (scheidet die Zurechnung aus und) deshalb steht am Ende ein Regressverbot. Wenn man das insoweit nicht genau passende Bild des Unterfalles überhaupt heranziehen will, wäre die Einordnung des Vertrauensgrundsatzes als Unterfall des Regressverbots883 noch die zutreffendere, weil es eben verschiedene Gründe gibt, aus denen es zu einem „Regressverbot“, i.e. zum Ausschluss der Zurechnung zum Ersthandelnden kommen kann. Damit ist auch Puppes pointiertes Statement, der Vertrauensgrundsatz gehöre „gar nicht in die Lehre der objektiven Zurechnung“,884 nur in einem bestimmten Sinn zutreffend: Er ist kein Zurechnungsinstrumentarium i.e.S., das den Zusammenhang zwischen einem „an sich“ tatbestandsmäßigen Verhalten und dem Erfolg regelt, sondern bestimmt bereits die zu beachtende Sorgfaltspflicht885 und damit das tatbestandsmäßige Verhalten. Im Ergebnis entscheidet aber auch die Anwendung des Vertrauensgrundsatzes darüber, ob ein eingetretener Erfolg im Rechtssinne als „Werk“ des Täters betrachtet werden muss und damit in einem weiter verstandenen Sinne über die Zurechnung.

879 Auch die klassische Begründung für den Vertrauensgrundsatz im Straßenverkehr, dass ohne ihn (etwa durch das Anhalten auch des Vorfahrtsberechtigten an jeder Kreuzung, da ja ein anderer Verkehrsteilnehmer die Vorfahrt missachten könnte) der zügige Verkehr zum Erliegen käme (aus der Rechtsprechung etwa BGHSt 7, 121 f.; aus der Literatur Roxin, AT I, § 24 Rn. 22, sowie Puppe, Die Erfolgszurechnung im Strafrecht I, S. 133) erinnert an die Begründungen für die Erlaubtheit des Risikos in den klassischen Fällen der gefährlichen Betriebe. 880 Interessante soziologische Überlegungen zum Vertrauensbegriff und seiner Nutzbarmachung für das Strafrecht referiert Duttge, Fahrlässigkeitsdelikte, S. 480 ff.; zur grundlegenden Funktion des Vertrauens für das menschliche Zusammenleben aus ethologischer Sicht und Konsequenzen für die Gestaltung der Rechtsordnung vgl. von Rohr, Evolutionsbiologische Grundlagen des Rechts, S. 141 ff. 881 Von einem Regressverbot zu reden, ist ungewöhnlich, wenn es sich um ein reines „Zweipersonen-Verhältnis“ zwischen Schädiger und Geschädigtem handelt; in der Sache geht es aber natürlich auch hier darum, dass – in etwas zivilistischer Diktion – der Geschädigte den Schädiger nicht „in Regress“ für die Rechtsgutsverletzung nehmen kann. 882 Vgl. dazu Duttge, Fahrlässigkeitsdelikte, S. 466, dort Fußn. 723, gegen Jakobs, AT, Abschn. 7 Rn. 51. 883 So Jakobs, AT, Abschn. 7 Rn. 51. 884 Vgl. Puppe, Die Erfolgszurechnung im Strafrecht I, S. 137. 885 Insoweit ähnlich auch Puppe, Die Erfolgszurechnung im Strafrecht I, S. 137.

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(3) Der Vertrauensgrundsatz scheint nun zwar aus zwei Gründen noch nicht ohne weiteres dazu geeignet, für das Problem berufsbedingter Unterstützungshandlungen Lösungsgesichtspunkte bereitzustellen: Zum einen hat er seine Wurzeln und seinen Hauptanwendungsbereich im Straßenverkehr, zum anderen steht hier das Vertrauen auf ein ordnungsgemäßes Verhalten des Opfers im Vordergrund. Bei genauerer Betrachtung ergeben sich aber aus beiden Gründen keine generellen Hindernisse, den Gedanken des Vertrauensgrundsatzes auch für das vorliegende Problem fruchtbar zu machen: (a) Zunächst kann – wie soeben unter (1) bereits angedeutet – der hinter dem Vertrauensgrundsatz stehende Gedanke durchaus allgemeiner i.S. einer nicht zu überspannenden „Diligenzpflicht“ sowie eines „risikolosen Aufrechterhaltens der sozialen Kontakte“ formuliert werden. Insoweit hat in jüngster Zeit Duttge überzeugend entfaltet,886 dass der Vertrauensgrundsatz letztlich immer dann als Haftungskorrektiv in Betracht kommen kann, wenn „sich im sozialen Leben die Verhaltensweisen mehrerer Personen berühren“.887 Selbst wenn man diese weite Anwendung nicht teilen wollte, ist aber jedenfalls ein nahezu einhellig anerkannter Anwendungsbereich des Vertrauensgrundsatzes das arbeitsteilige Zusammenwirken mehrerer Personen.888 Ein überzeugender Grund, die dort anerkannten Prinzipien dann nicht auch auf das differenzierte Wirtschaftsleben außerhalb von Produktionsprozessen o. ä. bzw. ganz konkret: auf die Ausnutzung berufsbedingt erbrachter Leistungen zur Begehung von Straftaten auszudehnen, ist nicht ersichtlich. In beiden Fällen geht es um die gleichen Interessenabwägungen. Ein ausdifferenziertes Wirtschaftsleben ist genauso wenig wie ein arbeitsteiliger Produktionsprozess möglich, wenn an den Erbringer einer beruflichen Leistung auf dem Markt bzw. an einen Teilnehmer am Produktionsprozess übertrieben hohe Sorgfaltsmaßstäbe angelegt werden, die ihn auch ohne hinreichenden Anlass permanent verpflichten, sich zu vergewissern, dass der Empfänger seiner Leistung bzw. der andere Teilnehmer am Produktionsprozess seinen „Beitrag“ nicht in einer deliktischen Weise i.w.S. „fortführt“. Hinzu kommt, dass die Auferlegung dieser Pflichten nicht nur für den einzelnen, sondern auch für die Gemeinschaft insgesamt von Nachteil wäre.889 Vgl. Duttge, Fahrlässigkeitsdelikte, insb. S. 468 ff. m. w. N. Vgl. Stratenwerth, AT, § 15 Rn. 66 a.E. Ob im Einzelfall tatsächlich der Vertrauensgrundsatz eingreifen kann, hängt freilich von den näheren Strukturen dieser „Berührungen“ ab; immerhin ist in bestimmten Über- / Unterordnungsverhältnissen vorstellbar, dass „soziale Rolle und Vertrauensgrundsatz“ miteinander nicht kompatibel sind (vgl. jeweils mit Blick auf unterschiedliche Konstellationen Herzberg, Die Verantwortung für Arbeitsschutz und Unfallverhütung im Betrieb, S. 171 ff.; Kuhlen, Fragen einer strafrechtlichen Produkthaftung, S. 133; Puppe, Die Erfolgszurechnung im Strafrecht I, S. 134, sowie Roxin, AT I, § 24 Rn. 25). 888 Vgl. statt vieler nur Schönke / Schröder-Cramer / Sternberg-Lieben, § 15 Rn. 151 ff. 889 Auch dies gilt nicht nur im Straßenverkehr (Stichwort: „Schrittverkehr“), sondern auch in Fällen des „arbeitsteiligen Zusammenwirkens“ und verwandten Konstellationen: Denn ohne die Zubilligung des Vertrauensgrundsatzes wäre eine „Teilung von Arbeit und Verantwor886 887

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Soweit darüber hinaus als zusätzliche – in den hier interessierenden Fällen regelmäßig nicht erfüllte – Voraussetzung für die Geltung des Vertrauensgrundsatzes gefordert wird, dass Einfluss- oder Kontrollmöglichkeiten bestehen,890 ist dies schon generell fragwürdig, da im anderen (noch) klassisch(er)en Anwendungsfall des Straßenverkehrs gerade solche Möglichkeiten zwischen den Verkehrsteilnehmern nicht bestehen.891 Jedenfalls ist diese Forderung aber höchstens verständlich, wenn man das arbeitsteilige Erledigen von per se als gesteigert riskant anerkannten Unternehmungen (Entsorgung von Atommüll, Operationen u.ä.) vor Augen hat. Dort mag das mit der Zusammenarbeit typischerweise verbundene Risiko Anlass dazu geben, sich auf den Partner erst zu verlassen, wenn man sich seiner Leistungsfähigkeit vergewissert hat. In den hier interessierenden Fällen ist es dagegen die absolute Ausnahme, dass eine berufliche Leistung vom Empfänger deliktisch ausgenützt wird, so dass ein solcher Anlass typischerweise gerade nicht besteht.

(b) Die grundsätzliche Anerkennung des Vertrauensgrundsatzes im Bereich der Arbeitsteilung ist aber zugleich ein beredter Beleg dafür, dass das Vertrauen in ein i.w.S. „verkehrsgerechtes“ Verhalten eben nicht nur gegenüber dem Opfer, sondern in ähnlicher Weise auch gegenüber anderen Personen grundsätzlich geschützt ist, mögen diese tatsächlich auch das Verhalten in einen deliktischen Erfolg fortführen. Die weite Formulierung von Roxin, dass „derjenige, der sich im Verkehr ordnungsgemäß verhält, darauf vertrauen darf, daß andere dies auch tun, solange nicht konkrete Anhaltspunkte für die gegenteilige Annahme vorliegen“,892 ist also nicht zufällig oder ungenau, sondern mit Bedacht und ganz zutreffend so gewählt, dass auch das Vertrauen in das Verhalten Dritter (und nicht nur in das des Opfers) geschützt wird. Auch insoweit kann der Vertrauensgrundsatz also für Fälle berufsbedingter Unterstützungshandlungen grundsätzlich Anwendung finden. Nur kurz erwähnt sei als weitere, im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr viel diskutierte Problematik die „Verwirkung“ des Vertrauensprivilegs bei eigenem „verkehrswidrigem“ Verhalten. Soweit damit – und dies entspricht in der Lehre der durchaus herrschenden und zutreffenden Ansicht893 – vor allem gemeint ist, dass eigenes verkehrswidriges Verhalten tung ( . . . ) nicht möglich“ (vgl. Puppe, Die Erfolgszurechnung im Strafrecht I, S. 133) – ein Resultat, das nicht nur für diejenigen, die ihre Arbeit teilen möchten, sondern auch für die Abnehmer der erst dadurch bezahlbaren und entsprechend ausdifferenziert sowie hochwertig möglichen Arbeitsleistung (und damit praktisch für das gesamte Gemeinwesen) von Nachteil wäre. 890 In diesem Sinne Schönke / Schröder-Cramer / Sternberg-Lieben, § 15 Rn. 151 auch m.N. zu abweichenden Ansichten; ohne diese Einschränkung wohl Roxin, AT I, § 24 Rn. 25, der umgekehrt bei Aufsichtspflichten „im Team“ die Geltung des Vertrauensgrundsatzes einschränken will (tendenziell ähnlich Puppe, Die Erfolgszurechnung im Strafrecht I, S. 134). 891 Hierauf weist zutreffend Duttge, Fahrlässigkeitsdelikte, S. 470, hin. Ein möglicher Erklärungsansatz mag darin liegen, dass im Straßenverkehr das relativ klare und detaillierte Regelwerk die konkrete Erwartbarkeit eines Verhaltens sehr stark vorprägen und damit Weisungen und Abhängigkeiten ersetzen könnten. 892 Vgl. Roxin, AT I, § 24 Rn. 21 ff. 893 Vgl. zur Diskussion Duttge, Fahrlässigkeitsdelikte, S. 473 f.; Kühl, AT, § 17 Rn. 39; Puppe, Die Erfolgszurechnung im Strafrecht I, S. 135 f.; Roxin, AT I, § 24 Rn. 24; Schönke / Schröder-Cramer / Sternberg-Lieben, § 15 Rn. 215, sowie vertiefend Krümpelmann, LacknerFS, S. 289 ff.

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3. Teil: Grundlegungen einer eigenen Lösung

i.d.R. Anlass dazu gibt, hinsichtlich solcher (und nur solcher!) Gefahren, die dadurch erhöht werden, wieder „misstrauischer“ bzw. „vorsichtiger“ zu sein, ist auch dieser Gedanke auf das Problem berufsbedingter Verhaltensweisen übertragbar: Liegt ein Verhalten vor, das geradezu als „Provokation“ zu einer Straftat zu verstehen ist, dürfte es nach den oben aufgestellten Grundsätzen regelmäßig schon an einem „neutralen“ Verhalten fehlen,894 so dass zumindest unter diesem Aspekt auch keine privilegierende Behandlung angezeigt wäre. Bei (leichteren) Verstößen gegen spezielle Regelungen des beruflichen Handelns entspricht es einer in der Literatur verbreiteten und auch hier im Grunde vertretenen Ansicht, dass diese gegen eine Privilegierung berufsbedingten Verhaltens sprechen, wenn – und auch dies ist eine Parallele – die verletzten Regelungen gerade der Gefahr einer missbräuchlichen Verwendung vorbeugen sollen. So fügt sich auch dieser Aspekt des Vertrauensgrundsatzes harmonisch in die bisherigen Überlegungen ein und verleiht ihnen eine zusätzliche Grundlage.

c) Der Vertrauensgrundsatz bei fahrlässigem und vorsätzlichem Handeln Kann somit der Vertrauensgrundsatz als Sachgrund für die Erlaubtheit eines (hier ohnehin nur mehr oder weniger) riskanten Verhaltens herangezogen werden, stellt sich die Frage nach seinen Konsequenzen für die Zurechnung bzw. Missbilligung des Verhaltens, welche letztlich darüber entscheiden, ob ein „Regressverbot“ zugunsten des ersthandelnden Berufsträger eingreift:

(1) Vertrauensgrundsatz und Fahrlässigkeit Seinen traditionellen Anwendungsbereich hat der Vertrauensgrundsatz im Bereich der Fahrlässigkeitsdelikte, die ja – soweit eine entsprechende Strafbarkeit statuiert ist – durchaus auch als Form der „Unterstützung“ in Betracht kommen. Die dort aus ihm zu ziehenden Folgerungen werden im Zusammenhang mit einer knappen Vertiefung der Fahrlässigkeitsstrafbarkeit im Anschluss dargelegt werden.895

(2) Vertrauensgrundsatz und direkter Vorsatz Fraglich ist dagegen, ob dem Vertrauensgrundsatz auch im Bereich der Vorsatzdelikte Bedeutung zukommt. Nähert man sich dieser Frage von seinen Grundlagen her an, führt dies zu gegenläufigen Indizien: So könnte die Tatsache, dass er seine Ableitung hier teilweise aus der Struktur des Zusammentreffens mehrerer erfahren hat, ebenso für seine Übertragbarkeit auf das Vorsatzdelikt heranzuziehen sein wie die Versuche, ihn auf das Prinzip der Selbstverantwortung oder eine Güterabwä894 895

Vgl. o. Fußn. 40. Vgl. u. S. 403 ff.

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gung zu stützen.896 Denn die Selbstverantwortung897 des Zweithandelnden scheint von der subjektiven Einstellung des Ersthandelnden auf den ersten Blick genauso wenig abzuhängen wie die Gewichtung der betroffenen Güter. Andererseits wird der Vertrauensgrundsatz zumeist im Zusammenhang mit der Fahrlässigkeitsstrafbarkeit erörtert und zur Begrenzung von „Sorgfaltspflichten“ herangezogen (deren explizite Bedeutung bei Vorsatzdelikten weniger klar ist als bei Fahrlässigkeitsdelikten). Auch scheint die darin zugrunde gelegte Zuteilung von Verantwortungsbereichen mit der Beteiligungslehre, insbesondere den §§ 26, 27 StGB, nicht ohne weiteres kompatibel zu sein; denn diese nennen die (akzessorische) Verantwortung für „Taten anderer“ in viel expliziterer Weise, als dies in den rudimentären bis nicht vorhandenen Regelungen der Fahrlässigkeitsstrafbarkeit der Fall ist. Eine Lösung kann also nicht formal auf die übliche Lozierung oder eine einzelne „Grundlage“ des Vertrauensgrundsatzes gestützt werden, sondern muss sich am Zweck des normativen898 Vertrauensschutzes orientieren. Dieser war oben in der möglichst unbelasteten Aufrechterhaltung sozialer Kontakte und im Schutz vor der „grössten Überspannung der Diligenzpflicht“ – und zwar nicht nur im Interesse des Einzelnen, sondern auch der Gemeinschaft – gesehen worden. Auf dieser Grundlage kann die Frage nach der Geltung des Vertrauensgrundsatzes bei vorsätzlichem Verhalten fundierter (und zugleich differenzierter) beantwortet werden: In den Fällen sicherer Voraussicht des Erfolgs899 ist ein „Vertrauen“ auf sein AusbleiVgl. dazu m. w. N. die Darstellung bei Duttge, Fahrlässigkeitsdelikte, S. 477 ff. Mit dem Prinzip der Selbstverantwortung sind freilich andere anerkannte Einschränkungen des Vertrauensgrundsatzes schwer zu erklären (vgl. Kuhlen, Fragen einer strafrechtlichen Produkthaftung, S. 131; Roxin, AT I, § 24 Rn. 23, sowie – teilweise in Abweichung von früheren Stellungnahmen – auch Stratenwerth, AT, § 15 Rn. 67), was dagegen spricht, ihn vorrangig auf diesen Grundsatz zurück zu führen. 898 Vgl. zutreffend Puppe, Die Erfolgszurechnung im Strafrecht I, S. 134, die unter Bezugnahme u. a. auf Frisch und Samson darauf hinweist, dass der Satz, man könne auf das verkehrsgemäße Verhalten anderer vertrauen, ein solcher des Rechts und nicht der Empirie ist; vgl. auch Jakobs, AT, Abschn. 7 Rn. 51 („Erlaubnis [ . . . ] zu vertrauen [verstanden nicht als psychisches Ereignis, sondern als Vertrauen-Dürfen]“, Hervorhebung dort). 899 Häufig wird auch – ohne dass damit Unterschiede in der Sache verbunden wären – von sicherer oder positiver Kenntnis gesprochen (vgl. zur Begriffsverwendung auch – allerdings im Zusammenhang mit der Fahrlässigkeitsdogmatik – LK-Schroeder, § 16 Rn. 128). Eine solche ist freilich streng genommen nur von schon präsenten Risiken, Absichten o.ä. oder aber von bereits abgeschlossenen Geschehen möglich. Dagegen ist eine „sichere Kenntnis“ der erst in der Zukunft stattfindenden (deliktischen) Handlung des unmittelbaren Verletzers bzw. des von ihm verursachten Erfolges eigentlich nicht möglich (vgl. auch – für eine generelle Kritik am gängigen Vorsatzbegriff – ganz wesentlich auf diesen Umstand abstellend Frisch, Vorsatz und Risiko, S. 57 ff.). Daher ist der Terminus der „sicheren Voraussicht“ bzw. der „Voraussicht als sicher“ in Bezug auf zukünftige Ereignisse genauer (krit. aber auch hiergegen Frisch a. a. O., S. 58, dort mit Fußn. 12). Gemeint ist aber jeweils der hohe Grad im kognitiven Bereich, der das Vorliegen von dolus directus II. Grades begründet und der Kenntnisse über regelmäßig in bestimmter Weise ablaufende Kausalketten sowie ganz konkrete Anhaltspunkte für die Einschlägigkeit dieser Ketten in einzelnen Fälle voraussetzt. Dass aber eine solche Kategorie sinnvoll für – aus der Perspektive der Handlungsvornahme – zukünftige Ereignisse und damit deliktische Erfolgseintritte formuliert werden kann, wird nicht nur 896 897

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3. Teil: Grundlegungen einer eigenen Lösung

ben schon begrifflich kein „echtes“ Vertrauen mehr, sondern nur noch ein irrationales Hoffen. Wichtiger ist noch, dass der Täter auch nicht mit „überspannten Diligenzpflichten“ belastet wird, wenn er sein Verhalten in den seltenen Fällen im Sinne einer Schadensverhinderung anpassen muss, in denen er den Verletzungserfolg als sicher voraussieht. Zuletzt fällt bei genauerer Betrachtung auch die o.g. Interessenabwägung bei sicherer Voraussicht anders aus: Versteht man diese nämlich nicht als bloße „Güterabwägung“,900 sondern als umfassende Interessenabwägung (ähnlich wie z. B. bei § 34 StGB901), so ist eben zu berücksichtigen, dass sich die Intensität einer Einschränkung der Handlungsfreiheit bedeutend anders darstellt, wenn nicht ohne Anlass immer, sondern nur bei sicherer Voraussicht auf Grund von bestimmten Tatsachen das eigene Verhalten im Sinne einer Erfolgsvermeidung zurückhaltender ausgerichtet werden muss. Letztlich sind damit ganz ähnliche Argumentationsmuster entscheidend, wie sie im bisherigen Verlauf der Arbeit schon zweimal aufgetreten sind, nämlich bei den Fragen nach der Geltung der Voraussetzungen des Fahrlässigkeitstatbestandes für das Vorsatzdelikt (S. 326 f.) sowie nach der Bedeutung des erlaubten Risikos beim Vorsatzdelikt (S. 338 ff., insb. 341 ff.).902 Dies ist aber auch nicht überraschend: Die Parallele zur ersten Frage liegt darin, dass der Vertrauensgrundsatz gerade den Umfang der Sorgfaltspflicht statuiert (nämlich genauer formuliert: festlegt, wann es zur erforderlichen Sorgfalt gehört, fremdes Fehlverhalten mit einzurechnen) und hier speziell für Konstellationen des Zusammenwirkens mehrerer Personen festlegt, wo die Handlungsfreiheit unzumutbar eingeschränkt wurde. Die Parallele zur zweiten Frage erklärt sich formal damit, dass der Vertrauensgrundsatz eine Erklärung für die Erlaubtheit des Risikos ist; außerdem geht es inhaltlich in beiden Fällen wieder um ein Verhalten, das trotz seiner Risiken hingenommen werden muss, um das soziale Leben nicht zum Erliegen zu bringen. Diese Wiederholungen in der argumentativen Struktur zeigen aber auch, dass dem dahinter stehenden Gedanken zentrale Bedeutung zukommt: Was bei Nichtkenntnis von konkreten Gefahren auf Grund drohender Überforderungen des Einzelnen903 (sowie teildurch ihre weitgehende Anerkennung in der Vorsatzdogmatik nahe gelegt, sondern ist auch in der Sache überzeugend: Natürlich ist über zukünftige Ereignisse immer nur eine Prognose möglich; aber auch diese kann sich aus Sicht des Täters eben als mehr oder weniger sichere darstellen. Überdies wäre die von Frisch stattdessen als Bezugsobjekt der Kenntnis vorgeschlagene (bereits gegenwärtige) „tatbestandliche Eignung“ (i.S. einer Gefahrsteigerung, vgl. auch a. a. O. S. 78 ff.) ein wenig überzeugendes Kriterium, wenn nicht auch darin die Sicherheit der Prognose über den weiteren Verlauf einflösse. 900 Eine bloße Güter- (und nicht auch Interessen-)Abwägung wäre im Übrigen ohnehin nur schwer in der Lage, den Vertrauensgrundsatz zu begründen. Denn beim Vergleich der abstrakten Wertigkeit dürfte es schwer sein, etwa das menschliche Leben hinter der Flüssigkeit des Verkehrs zurücktreten zu lassen. 901 Beeindruckende Darstellung zu den dort berücksichtigungsfähigen Gütern sowie dem Vorgehen in der Abwägung bei Roxin, AT I, § 16 Rn. 22 ff. 902 In ähnlicher Weise stellt – gerade für Fälle sicherer Kenntnis – Wohlleben, S. 111 f., einen Zusammenhang zwischen erlaubtem Risiko, Vertrauensgrundsatz und objektiver Zurechnung her (die ja mit der Frage nach dem Erfordernis einer fahrlässigkeitsgleichen Pflichtwidrigkeit eng zusammenhängt). 903 Vgl. auch Schall, Meurer-GS, S. 103, 122.

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weise zugleich gemeinschaftsabträglicher Einschränkungen der allgemeinen Lebensführung) an Risiken hingenommen werden muss, kann bei Kenntnis dieser Gefahren bzw. sicherer Voraussicht des Erfolges durchaus untersagt werden. Der materielle Kern dieser Überlegungen ist in der Abwägung bei der verfassungsrechtlichen Angemessenheitsprüfung bereits zum Ausdruck gekommen. Da bei einer Fahrlässigkeitsstrafbarkeit das für die Einschränkung der Handlungsfreiheit entscheidende Strafbarkeitsrisiko904 eine wesentlich größere „Breitenwirkung“ hat, müssen die Grenzen hier viel enger gezogen werden als in den selteneren und damit weniger belastenden Fällen sicherer Voraussicht. Konsequenterweise muss dann auch hier – ähnlich wie schon bei den allgemeinen Überlegungen zum erlaubten Risiko905 – grundsätzlich unbeachtlich sein, woher diese Kenntnisse stammen.

(3) Vertrauensgrundsatz und bedingter Vorsatz Gewissermaßen in der Mitte zwischen diesen beiden Fixpunkten steht auch hier wieder906 der bedingte Vorsatz. Dieser ist zum einen dadurch gekennzeichnet, dass der Täter den konkreten Erfolgseintritt aktuell für möglich hält (woran es zumindest bei der unbewussten Fahrlässigkeit fehlt), zum anderen aber auch dadurch, dass der Täter den Erfolg nicht sicher voraussieht. Nun scheinen die bereits o.g. traditionelle Verankerung des Vertrauensgrundsatzes in der Fahrlässigkeitsdogmatik sowie die Ablehnung seiner Geltung bei direktem Vorsatz dafür zu sprechen, ihn auch bei bedingtem Vorsatz nicht anzuwenden. Andererseits ist die Nähe zwischen dolus eventualis und bewusster Fahrlässigkeit bekannt. Sie wird nicht nur durch die Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen beiden eindrucksvoll dokumentiert, sondern zeigt sich auch darin, dass beide hinsichtlich des hier bisher entschieden betonten kognitiven Elements (sichere Voraussicht, positive Kenntnis) nach h. M. in Gestalt des „Für-möglich-Haltens“ die gleichen Anforderungen stellen. Der bedingte Vorsatz scheint mithin der (bewussten) Fahrlässigkeit in mancherlei Hinsicht näher zu stehen als dem direkten Vorsatz. Insoweit ist es keineswegs fernliegend, wenn gerade für die hier interessierenden Fälle namentlich Roxin beim bloßen Vorliegen von dolus eventualis grundsätzlich (d. h. wenn keine „Tatgeneigtheit“ vorliegt) den Vertrauensgrundsatz anwenden möchte, obgleich dieser Gedanke durchaus verschiedentlich auf Kritik gestoßen ist.907 Eine überzeugende Antwort muss sich abermals an den o.g. Zwecken eines normativen Vertrauensschutzes orientieren. Dabei ist zunächst zu vergegenwärtigen, dass das dolus eventualis begründende Für-möglich-Halten des Erfolges auf zwei unterschiedlichen Ursachen beruhen kann:

904 D. h. die Zahl der Fälle, in denen ex ante eine Strafbarkeit im Raume stehen könnte, nicht nur diejenigen, bei denen es ex post auch zu einem Erfolgseintritt gekommen ist. 905 Vgl. o. S. 345 ff. 906 Vgl. zu den ähnlichen Überlegungen im Zusammenhang mit dem erlaubten Risiko oben S. 344. 907 Vgl. Amelung, Grünwald-FS, S. 9, 18 f.; Beckemper, Jura 2001, S. 163, 168; Otto, Lenckner-FS, S. 193, 209.

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3. Teil: Grundlegungen einer eigenen Lösung

(a) Vergleichsweise einfach ist die Sachlage, wenn Grund für das „Für-möglichHalten“ das besonders sensible und vorsichtige Naturell des Handelnden bzw. ganz generelle Erwägungen sind, die für die Möglichkeit einer deliktischen Verwendung sprechen. Um dies an einem Beispiel aus dem „klassischen“ Bereich des Straßenverkehrs zu verdeutlichen:908 Hält ein ängstlicher und seiner Natur nach übervorsichtiger Autofahrer für möglich, dass eine Gruppe erwachsener Passanten eine rote Fußgängerampel überqueren will, weil sich an genau dieser Ampel wenige Tage vorher schon durch eben ein solches Geschehen ein tödlicher Unfall ereignete, darf er dennoch auf das verkehrsgerechte Verhalten vertrauen, selbst wenn er – etwa da selbst in Eile und über unvorsichtige Fußgänger schon oft erzürnt – deren Verletzung billigend in Kauf nehmen würde.

Eine strafbegründende Berücksichtigung dieses „Vorsatzes“ würde (wenn eine solche psychische Verfasstheit überhaupt als dolus eventualis genügen soll909) dazu führen, dass zur Vermeidung von Strafbarkeitsrisiken in einer großen Zahl von Fällen – oftmals sogar überflüssig – das Verhalten umgestellt werden müsste. Ein solches wenig befriedigendes und auch unter dem Gesichtspunkt der verfassungsrechtlichen Angemessenheit fragwürdiges910 Ergebnis kann freilich durch die Anwendung des Vertrauensgrundsatzes vermieden werden: Weil dieser weniger empirisch als vielmehr normativ begründet wurde, kommt es weniger darauf an, ob der Handelnde tatsächlich Vertrauen hatte, sondern ob er es haben durfte. Dies ist hier aber zu bejahen, da generell-abstrakte Gefahrerwägungen ebenso wenig wie nicht geforderte Vorsicht geeignet sind, ein normatives Vertrauendürfen einzuschränken. Hier treffen sich die Überlegungen zum Vertrauensgrundsatz mit denen zum erlaubten Risiko, da sich der dolus eventualis in den vorliegenden Fällen sozusagen nur auf die generelle Betriebsgefahr und nicht auf eine konkret gefährlichere Betriebshandlung bezieht.911 Die Erbringung einer neutralen berufsbedingten Leistung müsste nach diesen Grundsätzen dann straflos bleiben, wenn der Berufsträger die deliktische Verwendung seines Beitrags nur auf Grund besonderer Vorsicht und ohne spezielle Anhaltspunkte für möglich hält. (b) Wesentlich schwieriger sind dagegen Fälle zu lösen, in denen der bedingte Vorsatz auf konkreten, fallbezogenen Anhaltspunkten beruht, die zwar keine sichere Voraussicht ermöglichen, aber das Fehlverhalten des anderen zumindest näherliegend erscheinen lassen. Auf den ersten Blick erscheinen hier nur Fälle betroffen, in denen eine Anpassung der Handlung grundsätzlich zumutbar erscheint.912 908 Beispiele speziell zum Problem berufsbedingter Unterstützungshandlungen werden im weiteren Verlauf der Arbeit immer wieder noch in unterschiedlicher Weise gebildet werden. 909 Gegen die Annahme von dolus eventualis bei nur abstraktem Gefahrbewusstsein etwa Schall, Meurer-GS, S. 103, 111. 910 Vgl. o. S. 300. 911 Von einem anderen Ansatzpunkt her ähnlich Amelung, Grünwald-FS, S. 9, 27, der die „Inkaufnahme des abstrakten Geschäftsrisikos“ nicht genügen lassen will (anders als im Folgenden hier allerdings im Ergebnis die Inkaufnahme einer konkreten Erfolgsgefahr für eine Haftung zumeist und bereits unter sehr geringen Voraussetzungen für ausreichend hält).

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Um auch hier ein Beispiel aus dem Straßenverkehr heranzuziehen: Ein sonst durchaus forscher Fahrer hält für möglich, dass ein 17-jähriger Jugendlicher913 noch über die Ampel eilen wird, weil er sieht, wie dieser kurz nach dem morgendlichen Schulbeginn rasch auf den Fußgängerüberweg zuläuft und auf der anderen Seite sein Freund ihn offenbar zum Weiterlaufen anfeuert. Er fährt aber dennoch weiter, weil er mit einem Jugendlichen, der so unvernünftig ist, kein Mitleid hätte und seine Verletzung gleichsam als „Denkzettel“ in Kauf nimmt. Hier wird man – obgleich ebenfalls nur dolus eventualis vorliegen dürfte – einen Ausschluss der strafrechtlichen Haftung nach dem Vertrauensgrundsatz kaum bejahen wollen.

(aa) Man könnte die Annahme einer Haftung also durchaus plausibel damit begründen, dass in Fällen, in denen sich auf Grund von konkreten „misstrauensbildenden“ Tatsachen914 der (insbesondere bewusst) fahrlässig handelnde Täter nicht auf den Vertrauensgrundsatz berufen könnte, dies erst recht auch dem mit dolus eventualis Handelnden versagt sein müsse.915 Die Frage nach „der“ Geltung des Vertrauensgrundsatz in Fällen bedingt vorsätzlichen Handelns scheint damit oben eigentlich ungenau gestellt: Genauer müsste man danach fragen, ob es Konstellationen gibt, in denen sich der bedingt vorsätzlich Handelnde auf das Vertrauen berufen kann,916 seine Umwelt werde sich rechtmäßig verhalten – und die so gestellte Frage wäre differenzierend danach zu beantworten, ob es einen konkreten Hinweis auf die Gefahr eines deliktischen Erfolges gibt oder nicht.

912 So im Ergebnis auch Amelung, Grünwald-FS, S. 9, 27: „Die strafrechtlich maßgebliche Trennlinie verläuft auf der subjektiven Tatseite ( . . . ) zwischen der Inkaufnahme einer konkreten Erfolgsgefahr und der Inkaufnahme des abstrakten Geschäftsrisikos.“ Für eine grundsätzliche Haftung bei „konkret vorhersehbarem Fehlverhalten“ Dritter grundsätzlich auch Schmoller, Triffterer-FS, S. 223, 239 ff., 244 f. 913 Dabei sei unterstellt, dass ein 17-jähriger nicht per se aus dem Anwendungsbereich des Vertrauensgrundsatzes herausfällt, da in diesem Alter normalerweise eine gewisse Verkehrsreife unterstellt werden kann. 914 Duttge, Fahrlässigkeitsdelikte, spricht anschaulich von der „triftigen Veranlassung zum Misstrauen“, so etwa S. 466 (dort im Anschluss an Schumann, Selbstverantwortung, S. 12) und öfters. 915 Im Ergebnis in dieser Richtung offenbar NK-Puppe, vor § 13 Rn. 156 f. 916 Spontan mag man hier an den Einwand denken, „Vertrauen“ und „dolus eventualis“ würden sich dennoch ausschließen, da das Vertrauen auf den guten Ausgang gerade Wesensmerkmal der (nur) bewussten Fahrlässigkeit sei. Aber dieser Widerspruch ist nur ein scheinbarer, der auf der Verwendung desselben Begriffs mit etwas unterschiedlichen Konnotationen in zwei verschiedenen, nicht gesetzlichen Definitionen beruht: Das „Vertrauen“ i. S. d. Vertrauensgrundsatzes spricht stärker die kognitive Ebene an, was schon daraus deutlich wird, dass es durch äußere Einflüsse ausgeschlossen wird. Das „Vertrauen“ i. S. d. Vertrauens auf einen guten Ausgang bei der bewussten Fahrlässigkeit spricht dagegen eher die voluntative Ebene an, wie die Tatsache zeigt, dass sein Gegenbegriff beim bedingten Vorsatz im Abfinden bzw. billigenden Inkaufnehmen liegt. Es ist also jedenfalls kein logischer Widerspruch, wenn das „Vertrauen“ i. S. d. des „Nicht-zur-Grundlage-des-Handelns-machen-Müssens“ einer für möglich gehaltenen Gefahr geschützt wird, obwohl der Täter für den Fall des (möglicherweise durchaus unerwünschten) Erfolgseintritts denkt „na wenn schon“.

25 Kudlich

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3. Teil: Grundlegungen einer eigenen Lösung

Dieses Verständnis hat offensichtlich eine Reihe von Vorzügen: Es wird nicht nur den mit dem Vertrauensgrundsatz verfolgten Zwecken gerecht und berücksichtigt das in der Literatur zutreffend betonte Erfordernis einer „triftigen Veranlassung“917, um vom Vertrauensgrundsatz abzuweichen. Vielmehr wird auch eine Unterscheidung vermieden, die vorrangig nach der subjektiven Risikobewertung des Täters fragt und die Grenzen des durch den Vertrauensgrundsatz erlaubten Risikos werden stattdessen anhand des objektiv-normativen Kriteriums der „ausreichenden“ Veranlassung zum Misstrauen gezogen. Zuletzt umfasst eine solche Interpretation auch den Roxin’schen (wohl teilweise vom BGH adaptierten) Ansatz, soweit dieser in dolus-eventualis-Fällen den Vertrauensgrundsatz durch die „erkennbare Tatgeneigtheit“ begrenzt. Die erkennbare Tatgeneigtheit wäre ein solcher triftiger Anlass,918 nicht davon auszugehen, dass der andere sich „verkehrsrichtig“ bzw. hier: nicht deliktisch verhält.919 (bb) Trotz der nicht zu bestreitenden Attraktivität einer solchen Differenzierung bleiben aber auch Zweifel. Diese beginnen bei ihrer konkreten Umsetzung mit der Frage, wann (diesseits der Grenzen zur sicheren Voraussicht bzw. positiven Kenntnis) ein hinreichend konkreter Anhaltspunkt vorliegt. Ist dies – um einmal mehr das Brötchenverkaufs-Beispiel zu strapazieren – schon der Fall, wenn der Bäcker gehört hat, dass Käufer K und dessen Frau F in dauerndem Streit leben, dass K die F töten möchte, dass K die F vergiften will oder erst dass K die F an diesem Tag beim Frühstück vergiften will?920 Kann es wirklich richtig sein, dass der Messerverkäufer dem Kunden kein Küchenmesser verkaufen darf, wenn er weiß, dass dieser „seine Ehefrau schon mit dem Tode bedroht hat“?921 Und wäre dann auch – in Vgl. aus jüngerer Zeit insb. die sorgfältige Untersuchung von Duttge wie Fußn. 914. Dieses Zusammenfallen von „erkennbarer Tatgeneigtheit“ und „vertrauensgrundsatzausschließendem Anlass“ könnte auch erklären, dass es zu Kritik kommt, wo in der Sache (möglicherweise) die Differenzen geringer sind: Wenn hier in Übereinstimmung mit Roxin einmal unterstellt wird, dass es Anwendungsfälle des Vertrauensgrundsatzes auch bei dolus eventualis gibt und dass das Kriterium der erkennbaren Tatgeneigtheit den Vertrauensgrundsatz ausschließen kann, dann trifft sich das im Ergebnis vielfach mit dem Standpunkt von Otto, Lenckner-FS, S. 193, 209, obwohl dieser zum einen die Anwendung des Vertrauensgrundsatzes kritisiert und zum anderen das Kriterium der erkennbaren Tatgeneigtheit in dolus-eventualis-Fällen für unglücklich hält: Denn wenn der dolus eventualis durch konkrete Anhaltspunkte begründet wurde (vgl. das Beispiel oben zu Fußn. 913), wie gerade auch die erkennbare Tatgeneigtheit einer sein kann, führt dies dazu, dass der Täter sich nicht auf den Vertrauensgrundsatz berufen kann. 919 Damit wird Duttges Einschätzung von der erkennbaren Tatgeneigtheit als „eine dem Falltypus (sc. der unter dem Stichwort neutrale Beihilfe diskutieren Fälle) entsprechende Verfeinerung“ (vgl. Fahrlässigkeitsdelikte, S. 472) von Konzepten wie dem „konkreten Anhaltspunkt“ (vgl. dazu SK / StGB-Rudolphi, vor § 1 Rn. 72, auf den auch Roxin, Tröndle-FS, S. 177, 188 f. Bezug nimmt) oder der „triftigen Veranlassung“ bestätigt. 920 Selbst dieser Fall muss noch keine sichere Kenntnis der deliktischen Verwendung des Brötchens sein, denn eine solche liegt nicht vor, wenn K das Gift in den Kaffee oder das Müsli geben würde. 921 Für eine Beihilfestrafbarkeit in diesem Fall explizit Amelung, Grünwald-FS, S. 9, 24; zu Recht kritisch Rabe von Kühlewein, JZ 2002, 1139, 1141. 917 918

C. Strafrechtsdogmatische Grundlagen

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konsequenter Fortführung – der Schraubenzieherverkäufer strafbar, der zufällig gehört hat, dass sein Kunde am Stammtisch schon einmal davon gesprochen hat, einen „Bruch“ machen zu wollen? Nun ist eine solche Abgrenzungsschwierigkeit gewiss kein durchschlagender Einwand gegen ein Lösungsmodell. Dennoch hätte i.S. einer (auch unter dem Gesichtspunkt der rechtsstaatlichen Vorhersehbarkeit wünschenswerten922) möglichst klaren Systematisierung eine Abstufung ohne diese Probleme ihre Vorzüge. Sie könnte insbesondere dadurch erreicht werden, dass man die Trennlinie allein an der Stufe zur sicheren Voraussicht und damit zum direkten Vorsatz ziehen würde. Die theoretischen Grundlagen des Vertrauensgrundsatzes würden auch dieser Stufung nicht notwendig entgegenstehen. Denn wenn danach gefragt wird, ob der Handelnde auf das Ausbleiben einer Rechtsgutsbeeinträchtigung vertrauen darf, ist „formal“ durchaus möglich, die Grenze normativ regelmäßig erst bei sicherer Voraussicht zu ziehen. Zumindest in Fällen neutralen berufsbedingten Handelns könnte man einen „Anlass“ dann erst im o.g. Sinne als „hinreichend konkret“ einstufen, wenn dieser zu positiver Kenntnis führt. Dies gilt auch, wenn man das von Amelung mit dem konkreten Anlass und der Inkaufnahme von Risiken verknüpfte Kriterium der (größeren oder kleineren) „Breitenwirkung“ heranzieht,923 das in der Diskussion um die Grenzen des Strafrechts unter dem Stichwort der Vermeidung negativer Folgen als wichtig in Erscheinung getreten ist:924 Denn die Breitenwirkung des Strafbarkeitsrisikos auf eigentlich harmlose Fälle ist unbestrittenermaßen am geringsten, wenn die Strafdrohung auf Fälle sicherer Kenntnis beschränkt sind: Welcher Grad an Breitenwirkung nun noch als akzeptabel erachtet wird und welcher nicht mehr, ist aber eine durchaus offene Frage, die man auch abweichend von Amelungs Einschätzung beantworten könnte.925 Der damit verbundene „Psychologismus“ erschiene hinnehmbar. Denn zum einen würde eine Abgrenzung an der Schwelle zur positiven Kenntnis in ihren Konsequenzen sogar einer rein normativen Bewertung der Leistung nach ihrem expressivem Gehalt zumeist recht nahe kommen. Zum anderen kann – gerade wenn man auf den expressiven Gehalt einer Tat abstellt – die (einem idealen Beobachter bekannte) sichere Kenntnis bei der Bewertung nicht außer Betracht bleiben.926 Denn erst in ihr liegt die Entscheidung gegen das Rechtsgut begründet,927 während das Rechtsgut unterhalb dieser Schwelle „nur“ zum Objekt von Gefährdungs- und Wahrscheinlichkeitserwägungen gemacht wird.928 Vgl. o. S. 303. Vgl. Amelung, Grünwald-FS, S. 9, 26 f. 924 Vgl. o. S. 210 ff. 925 Man könnte sogar begründen, dass in den hier interessierenden Fällen neutralen beruflichen Handelns überhaupt nur bei sicherer Voraussicht eine genügend reduzierte Breitenwirkung auftritt. 926 Insoweit freilich dezidiert a.A. Silva-Sánchez, in: Eser / Huber / Cornils (Hg.): Einzelverantwortung und Mitverantwortung im Strafrecht, S. 205, 210 f. 927 Vgl. zur Sonderstellung des direkten Vorsatzes auch Frisch, Vorsatz und Risiko, S. 500 („selbst der Eindruck der intensivsten überhaupt denkbaren Gefahr [sc. kann] den Täter nicht zur Abstandnahme von der Tat bewegen“), der selbst freilich nicht die gleichen Konsequen922 923

25*

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3. Teil: Grundlegungen einer eigenen Lösung

(cc) Soll daher auf Grund der unter (aa) beschriebenen Vorzüge in bestimmten Fällen bedingt vorsätzlichen Handelns der Vertrauensgrundsatz unanwendbar (und damit eine Strafbarkeit in den hier interessierenden Fällen möglich) sein, so muss bei der Erarbeitung einer eigenen Lösung im 4. Teil das Kriterium des „hinreichenden Anlasses“ noch näher konkretisiert werden. Gefordert ist dabei Zweierlei: Zum einen die Berücksichtigung der gleichsam „doppelten Risikobrechung“, d. h. eine Zusammenführung der Überlegungen zum Vertrauensgrundsatz mit den Erwägungen, die spezieller auf die „Üblichkeit“ der Leistung und das erlaubte Risiko bezogen sind. Denn genau diese Kombination prägt die Problematik berufsbedingter Unterstützungshandlungen. Zum anderen die Bestimmung des „hinreichenden Anlasses“ in einer Weise, dass für die Lösung in ihrer praktischen Anwendung möglichst viele der Vorzüge erhalten bleiben, die unter (bb) für eine Trennlinie an der Grenze zur positiven Kenntnis festgestellt wurden. d) Zwischenergebnis Ein generelles „Regressverbot“ der Gestalt, dass ein Ersthandelnder durch das verantwortliche Verhalten des Zweithandelnden straflos würde, ist nicht anzuerkennen. Das ergibt sich für den Vorsatzbereich schon durch die Vorschriften über die Teilnahme, gilt aber auch bei fahrlässigem Ersthandeln. Vielmehr kann das „Regressverbot“ immer erst (wenngleich bei fahrlässigem Ersthandeln durchaus häufiges) Ergebnis eines Zurechnungsvorganges im Einzelfall sein. Beim Zusammentreffen mehrerer Verursacher ist bei diesem Zurechnungsvorgang und zugleich als möglicher Sachgrund für ein erlaubtes Risiko der Vertrauensgrundsatz zu beachten. Dieser entbindet normativ von der Verpflichtung, bei jeder Interaktion zu berücksichtigen, dass der Interaktionspartner sich verkehrswidrig (oder sogar deliktisch) verhalten könnte, und deswegen den sozialen Kontakt zur Verringerung von Strafbarkeitsrisiken auf das unverzichtbare Minimum zu beschränken. zen aus dieser Einsicht zieht. Anders wohl SK / StGB-Hoyer, § 27 Rn. 32, der die Entscheidung gegen das Rechtsgut erst bei dolus directus I. Grades annehmen dürfte, denn nur dieser führe zu einem „Sonderverhalten zwecks Verursachung der Haupttat“, während bei dolus directus II. Grades „nur“ ein „Sonderverhalten, das auf die Deliktspläne des potentiellen Täters Rücksicht nimmt“ unterlassen werde. Von der Frage, inwiefern das Unterlassen eines nach § 27 StGB untersagten Verhaltens wirklich – was bei Hoyers Unterscheidung mitschwingt – eine besondere Solidaritätsleistung ist, einmal abgesehen, trifft Hoyers Unterscheidung gerade bei den berufsbedingten neutralen Tätigkeiten nicht den Kern: Denn hier ist tatsächlich auch das Handeln mit dolus directus I. Grades gerade kein „Sonderverhalten zwecks Verursachung der Haupttat“, da die Handlung auf einem abstrakt vorgefassten und auch unabhängig von dem deliktischen Verhalten durchgeführten Entschluss beruht. Wichtiger als die voluntative Komponente muss deswegen hier die kognitive sein, denn gerade von dieser hängt ab, wie intensiv die Handlungsfreiheit durch ein gefordertes „Sonderverhalten“ beeinträchtigt wird. Vgl. in der Sache auch ähnlich Otto, Lenckner-FS, S. 193, 214. 928 Dass die Strafgesetze (insb. bei „schlechtem Ausgang“) auch eine solche Behandlung nach h. M. üblicherweise untersagen, ist unbestritten und hat gute Gründe für sich; das ändert aber nichts daran, dass sich der expressive Gehalt der Tat dadurch verändert.

C. Strafrechtsdogmatische Grundlagen

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Wichtigster Anwendungsbereich des Vertrauensgrundsatzes ist sowohl dogmengeschichtlich als auch strukturell die Fahrlässigkeitsstrafbarkeit. Dagegen scheidet seine Anwendung bei sicherer Kenntnis aus, da hier eine Rücksichtnahme ohne eine generelle Beeinträchtigung des sozialen Verkehrs möglich ist. Bei dolus eventualis findet er Anwendung, soweit es nur um die Voraussicht abstrakter Risiken geht (sofern man diese allein überhaupt zur Begründung bedingten Vorsatzes genügen lässt). Soweit dagegen der bedingte Vorsatz auf konkreten Hinweisen für ein Fehlverhalten beruht, spricht viel dafür, bei bedingtem Vorsatz gleichermaßen wie bei Fahrlässigkeit keinen Vertrauensschutz zu gewähren, wobei die Voraussetzungen der hinreichenden „Konkretheit“ eines Anlasses bei neutralem berufsbedingtem Handeln noch näher zu klären sind.

III. Zurechnungserleichterungen und -erschwerungen in besonderen Konstellationen In den bisherigen beiden Unterabschnitten I. und II. sind die allgemeinen Voraussetzungen der Begründung des Unwerturteils beim vorsätzlichen Begehungsdelikt sowie die Besonderheiten dargestellt worden, die sich insoweit aus dem Zusammentreffen mehrerer Personen ergeben. Abschließend sollen noch kurz einige, für eine zusammenhängende Erörterung bisher zurückgestellte, Fragen behandelt werden, die sich in besonderen Konstellationen ergeben und zu einer Zurechnungserleichterung oder -erschwerung führen können. Dabei wird an dieser Stelle noch nicht vertieft auf einzelne „verantwortlichkeitsbeeinflussende“ Vorschriften aus anderen Rechtsgebieten eingegangen, die ohnehin stets thematisch begrenzt sind und deren auszugsweise Untersuchung dem 4. Teil vorbehalten bleibt. Vielmehr geht es um Erwägungen, die ihre Wurzel unmittelbar im StGB haben. Es sind dies zum einen als Pendant zum vorsätzlichen Begehungsdelikt die Zurechnung bei nur fahrlässigem Handeln (dazu sogleich 1.) sowie bei (vorsätzlichem oder fahrlässigem) Unterlassen (dazu im Anschluss 2.). Damit wird für alle Verhaltensformen, die im 1. Teil als mögliche Formen einer „Unterstützung“ erkannt wurden,929 der Blick auf die grundsätzlichen Voraussetzungen einer Unrechtsbegründung komplettiert. Zum anderen ist auf konkurrierende Pflichten einzugehen, die selbst bei einem grundsätzlich berufsträgerfreundlichen Lösungsmodell zu einer Bejahung der Verantwortlichkeit führen könnten. Dies sind aus der bisherigen Diskussion insbesondere das Vorliegen einer Garantenstellung sowie die Erfüllung der Voraussetzungen der §§ 138, 323 c StGB (dazu zuletzt 3.).

929

Vgl. o. S. 66 ff.

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3. Teil: Grundlegungen einer eigenen Lösung

1. Erweiterte Zurechnung bei Fahrlässigkeitsstrafdrohungen a) Bedeutung der Fahrlässigkeit und allgemeine Voraussetzungen Berücksichtigt man, dass die berufsbedingte Unterstützung fremder Straftaten in einer arbeitsteiligen Gesellschaft als reiner „Kausalvorgang“ eigentlich der alltägliche Regelfall sein müsste, ist die Zahl der behandelten Fälle in der forensischen Realität daran gemessen äußerst gering. Ein Grund liegt – neben anderen930 – sicher darin, dass in den allermeisten Fällen der Berufsträger keinerlei auch nur entfernt vorsatzbegründende Vorstellung von den deliktischen Plänen seines Kunden hat. Wendet man den Blick von den bisher schwerpunktmäßig behandelten Fragen des Vorsatzdeliktes auf die Fahrlässigkeit, hat dies drei Konsequenzen: Zunächst einmal wird durch die Fahrlässigkeitsstrafbarkeit der Bereich strafbaren Verhaltens wesentlich erweitert (wobei diese Erweiterung natürlich ihrerseits wieder durch die relativ geringe Zahl von Fahrlässigkeitsdelikten gerade im Kernstrafrecht begrenzt ist). Dies könnte weiter dazu führen, dass der praktische Regelfall – gerade im Gegensatz zu seiner fast völligen Vernachlässigung in der theoretischen Behandlung – nicht die vorsätzliche, sondern die fahrlässige Unterstützung ist. Zuletzt kann allerdings auch dort, wo eine Fahrlässigkeitsstrafbarkeit statuiert ist, zur Begründung eines Fahrlässigkeitsvorwurfs offensichtlich nicht das Erkennen der abstrakten und generellen Möglichkeit genügen, dass nahezu jeder Gegenstand auch Bestandteil eines deliktischen Planes werden kann, da anderenfalls jeder soziale und berufliche Kontakt unterbleiben müsste. Soweit oben noch nicht teilweise bereits mitbeantwortet, ist daher im Folgenden von Interesse, welche Anforderungen an ein insofern fahrlässiges Verhalten zu stellen sind und wie sich insbesondere dort wieder die Berufsbedingtheit des Verhaltens auswirkt. Die allgemeinen Voraussetzungen der fahrlässigen (Erfolgs-)Delikte müssen hier – gleichsam als eine Vorfrage – relativ knapp behandelt werden. Denn zum einen dient die Untersuchung keiner grundsätzlichen Überprüfung der tradierten Erkenntnisse der h. M. in diesem Bereich;931 zum anderen sind die Unterschiede in den praktischen Ergebnissen für eine Reihe von Fragen geringer,932 als es auf den ersten Blick erscheinen mag. Über das zugrunde gelegte Verständnis der Fahrlässigkeitsdelikte muss aber zumindest dort Rechenschaft abgelegt werden, wo es für die Lösung der hier interessierenden Fälle von Bedeutung ist und wo zugleich gewichtige Stellungnahmen vorliegen, die teilweise von der h. M. abweichen.

930 Vgl. zu diesem Phänomen mit unterschiedlichen Erklärungsansätzen auch Wolff-Reske, S. 33 ff. 931 Vgl. hierzu vertiefend aus jüngerer Zeit zu einzelnen Aspekten die ebenso materialwie gedankenreiche Arbeit von Duttge, Fahrlässigkeitsdelikte, passim. 932 So etwa zum Streit um generelle und individualisierende Sorgfaltspflichtverletzung Otto, AT, § 10 Rn. 16 a.E.

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(1) Zumindest im Ergebnis Einigkeit besteht zunächst darüber, dass jedenfalls gesetzestechnisch933 bei den Fahrlässigkeitsdelikten das Modell des Einheitstäters gilt, d. h. dass als Täter eines Fahrlässigkeitsdelikts grundsätzlich jeder in Betracht kommen kann, der den Erfolg pflichtwidrig mit herbeigeführt hat. Dies ist für die vorliegende Frage insoweit von Interesse, als bei fahrlässigem Verhalten des Berufsträgers relativ einfach und ohne weitere Differenzierungen zwischen Täterschaft und Teilnahme eine Tatbestandsverwirklichung zu bejahen wäre. (2) Des Weiteren ist schnell einsichtig, dass vorliegend nur fahrlässige Erfolgsdelikte eine Rolle spielen können. Soweit der Haupttäter nämlich ein (schlichtes) Tätigkeitsdelikt begeht, ist eine (strafbare) fahrlässige Unterstützung in Gestalt des fahrlässigen Tätigkeitsdelikts praktisch nicht denkbar, selbst wenn das betreffende Delikt an sich auch fahrlässig begangen werden könnte (wie z. B. im Fall des § 316 StGB oder bei § 163 StGB zu den vorsätzlichen Haupttaten der §§ 154 bis 156 StGB). Die „fahrlässige Unterstützung“ in der Form eines gleichsam nebentäterschaftlich begangenen fahrlässigen Erfolgsdelikts (z. B. – vorbehaltlich der „Regressverbotsproblematik“ – § 222 StGB neben § 212 StGB) könnte mangels der gesetzestechnischen Möglichkeit einer fahrlässigen Teilnahme nur als zur Täterschaft führende pflichtwidrige Verursachung des Erfolges interpretiert werden. Einen solchen Erfolg gibt es aber bei den Tätigkeitsdelikten nicht. Oder anders formuliert: Wenn diese Delikte die Tätigkeit als solches (z. B. „das Schwören“, „das Fahrzeugführen“) und nicht die Verursachung eines Erfolges unter Strafe stellen, erfüllt der unterstützende Berufsträger (der im Fall des § 316 StGB etwa Auto oder Alkohol verkauft oder im Fall der §§ 154 bis 156 StGB den Zeugen zum Gericht fährt) durch seine Tätigkeit jedenfalls nicht die Tathandlung. Wer Alkohol verkauft, fährt deshalb noch nicht betrunken; wer Zeugen befördert, schwört dadurch nicht. Es handelt sich hier um die – in der Literatur zwar vereinzelt angegriffene,934 aber m.E. zwingende – Argumentation, mit der auch der 4. Strafsenat überzeugend die Begründung der actio libera in causa für Tätigkeitsdelikte über ein Modell der Tatbestandslösung abgelehnt hat.935

933 Dazu, dass die erfassten Konstellationen phänomenologisch eher als täter- oder teilnehmergleich beschrieben werden könnten und dass dies auch Auswirkungen auf die Grenzen strafbaren Verhaltens haben kann, vgl. bereits oben Fußn. 758. 934 Vgl. Hirsch, NStZ 1997, 230, 232; ders., JR 1997, 391, 392; Spendel, JR 1997, 133, 135 f., sowie ders., Hirsch-FS, S. 379, 386. Wenn Spendel meint, insoweit bestehe kein Unterschied zwischen § 315c und § 222 StGB, weil ersterer ebenfalls einen kausal verursachten Erfolg in Gestalt der konkreten Gefährdung voraussetzt und nur zusätzlich die näheren Handlungsmodalitäten („betrunken fahren“) beschreibt, dann ist das eben genau der Unterschied: Die Tatbestandsbeschreibung enthält eine ganz bestimmte Tätigkeit, die den Erfolg herbeiführen muss; und die ist nicht nur beiläufig erwähnt, sondern von der Garantie des Art. 103 II GG erfasst. Und nur wer diese Tätigkeit in schuldfähigen Zustand ausführt, kann sich auch strafbar machen. 935 Vgl. BGHSt 42, 235, 239 f.; insoweit im Ergebnis zustimmend etwa Mutzbauer, JA 1997, 97, 100; Neumann, StV 1997, 23, 25; Rönnau, JA 1997, 707, 715 f.

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(3) Näherer Betrachtung bedürfen dagegen die Voraussetzungen einer Fahrlässigkeitshaftung. Zwar gibt es – obwohl (anders als beim Vorsatzdelikt) nahezu jedes Lehrbuch ein in den Details unterschiedliches Prüfungsschema vorschlägt – durchaus einen verbreitet gebilligten Bestand, der die Elemente des kausal herbeigeführten Erfolgseintritts, der Sorgfaltspflichtverletzung, 936 der Vorherseh- bzw. Erkennbarkeit und der objektiven Zurechnung umfasst. Doch obwohl insbesondere auch die eigenständige Bedeutung eines Prüfungspunktes „Sorgfaltspflichtverletzung“ der h. L.937 und zumindest in ihren Obersätzen auch dem Prüfungsprogramm der Rechtsprechung938 entspricht, werden dazu alternative Modelle diskutiert, die an dieser Stelle nicht völlig übergangen werden sollen: (a) Keinen Verzicht auf das Erfordernis der Sorgfaltspflichtverletzung, wohl aber eine relevante Uminterpretation dieses Merkmals fordert in neuerer Zeit Duttge,939 der davon ausgeht, dass die nach allgemeiner Auffassung für die Statuierung von Sorgfaltspflichten ganz maßgeblichen Sondernormen deutlich überschätzt würden. Entscheidend sei vielmehr die Frage nach einer „konkreten Veranlassung zum Misstrauen“, mithin nach einem triftigen Anlass zu vorsichtigem Verhalten. Die über die h. M. hinausgehende Erklärungskraft dieses Ansatzes erscheint zwar relativierungsbedürftig (und nicht umsonst billigt auch Duttge selbst den allgemeinen Sorgfaltspflichten als „Sondernormen“ immerhin als erstem Einstieg eine gewisse Bedeutung zu). Denn einerseits wird eine solche Veranlassung zumeist bestehen, wenn die entsprechenden Sorgfaltspflichten verletzt und auch die Voraussetzungen der objektiven Zurechnung (in verbreiteter Terminologie: Pflichtwidrigkeitszusammenhang und Schutzzweck der Norm) erfüllt sind.940 Andererseits dürfte in vielen 936 Dabei wird im Folgenden in der (für das Ergebnis zumeist folgenlosen, vgl. soeben Fußn. 932) Frage nach der Individualisierung der Sorgfaltspflichtverletzung von einem generalisierenden Maßstab ausgegangen, für den die erhöhte Motivationswirkung standardisierter und plakativer Verhaltensrichtlinien sowie die systematische Einordnung des Nicht-andershandeln-Könnens bei der Schuld sprechen (vgl. näher Kühl, AT, § 17 Rn. 29 f.; Roxin, AT I, § 24 Rn. 50 f.; zustimmend Jescheck / Weigend, AT § 55 I 1 b und § 54 I 3, dort Fußn. 13 = S. 578 f. bzw. 565). Für diese Untersuchung ist die Frage im Übrigen schon deshalb ohne Bedeutung, da keine realen Fälle mit genauen Mitteilungen über die individuellen, von der Rolle als Berufsträger im Allgemeinen abweichenden Fähigkeiten beurteilt werden; daher kommen als erster Anhaltspunkt ohnehin immer nur generalisierte Maßstäbe in Betracht. 937 Vgl. aus der Lehrbuch- und Kommentarliteratur nur Jescheck / Weigend, AT, § 55 I = S. 577 ff.; Kühl, AT, § 17 Rn. 22 ff.; Lackner / Kühl, § 15 Rn. 36 ff.; Otto, AT, § 10 Rn. 11; Schönke / Schröder-Cramer / Sternberg-Lieben, § 15 Rn. 121 ff.; Stratenwerth, § 15 Rn. 11; Tröndle / Fischer, § 15 Rn. 16; Wessels / Beulke, Rn. 667 ff. 938 Eine umfassende Analyse der Rechtsprechung bietet Duttge, Fahrlässigkeit, S. 271 ff., der zum Ergebnis kommt, dass die Gerichte schwerpunktmäßig danach suchen, ob ein „triftiger Anlass“ zur Vorsicht vorgelegen habe, vgl. dazu auch sogleich im Text. 939 Vgl. Duttge, Fahrlässigkeitsdelikte, etwa zusammenfassend S. 353, 356. 940 Beispiel: Wer in einem Wohngebiet mit einer Geschwindigkeitsbegrenzung auf 30 km / h mit 85 km / h fährt und aus diesem Grund ein unachtsam auf die Straße laufendes Kind erfasst (dem er bei 30 km / h noch ohne weiteres hätte ausweichen können), wird sich nicht darauf berufen können, er habe angesichts der immensen Geschwindigkeitsüberschreitung keinen „triftigen Anlass“ gehabt, über die Gefahr eines Schadenseintritts nachzudenken.

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Fällen, in denen eine Fahrlässigkeitshaftung auf allgemeinen Konsens stößt, die Veranlassung in erster Linie daraus zu entnehmen sein, dass bestimmte Sorgfaltspflichten bestehen.941 Diese Überlegungen ändern aber nichts daran, dass die Metapher des „triftigen Anlasses“ als Ergänzung des „Sorgfaltspflichttopos“ gut geeignet ist und zusätzliches argumentatives Potential an die Hand geben kann, wie nicht nur Duttges Untersuchung eindrucksvoll belegt, sondern wie sich auch oben im Zusammenhang mit der Diskussion um den Vertrauensgrundsatz (insbesondere beim bedingten Vorsatz) gezeigt hat.942 (b) Aus einer anderen Richtung kommen die noch grundsätzlicheren Einwände, die namentlich Jakobs und Roxin gegen die Erforderlichkeit und sogar „Richtigkeit“ eines Prüfungspunktes der Sorgfaltspflichtverletzung vorbringen: Jakobs lehnt den „angeblich ( . . . ) die Fahrlässigkeit kennzeichnenden Sorgfaltsverstoß“ als Merkmal ab, da „es bei der Fahrlässigkeit – wie beim Vorsatz – keine andere Pflicht als die sich aus der Norm ergebende Pflicht“ gebe „und nur gegen diese Pflicht ( . . . ) verstoßen“ werde.943 Insbesondere die Redeweise von der „gebotenen Sorgfalt“ sei „normlogisch falsch: Der Täter hat beim Begehungsdelikt nicht sorgfältig zu handeln, sondern unsorgfältiges Handeln zu lassen. Beispiel: Im Begehungsbereich ist nicht etwa sorgfältiger Umgang mit Streichhölzern geboten, sondern sorgloser Umgang verboten; eine Pflicht zum Umgang besteht nicht.“ Strafbarkeitskonstituierend sei dagegen vielmehr die „Voraussehbarkeit eines Risikos, das außerhalb des erlaubten Risikos liegt und auch sonst objektiv zurechenbar ist.“944 Teils Jakobs ausdrücklich zustimmend, argumentiert auch Roxin ganz ähnlich: Es werde nämlich „der Tatbestand der fahrlässigen Delikte ( . . . ) allein durch die Lehre von der objektiven Zurechnung ausgefüllt“; hinter dem „Merkmal der Sorgfaltspflichtverletzung“ seien „verschiedene Zurechnungselemente“ verborgen, Die (nicht nur völlig geringfügige) Verletzung anerkannter und bekannter Verhaltensvorschriften sollte zumeist ein Anlass sein, darüber nachzudenken, ob diese Regeln nicht mit gutem Grund aufgestellt wurden. Dass man freilich im Einzelfall genau zu prüfen hat, ob wirklich jede beliebige „Formvorschrift“ als spezielle Sorgfaltspflicht in Betracht kommt (deren Schutzzweck auch einen Fahrlässigkeitsvorwurf gestattet), steht auf einem anderen Blatt – aber hier ist eine Differenzierung auch auf der Grundlage der tradierten h. M. möglich. 941 Beispiel: Wer zur Überwachung bestimmter Vorgänge in einem Atomkraftwerk turnusmäßig verpflichtet ist und diese Überwachungen aus Trägheit nicht vornimmt, da es immerhin in den ganzen letzten Jahren keinerlei kritische Zwischenfälle gab, hätte bei einem durch ordnungsgemäße Überwachung vermeidbaren Unfall eigentlich die „Veranlassung“, über die Gefährlichkeit seines Verhaltens nachzudenken, allein aus dem vorgeschriebenen Überwachsungsturnus gehabt. Frühere Störfälle o.ä. gab es nicht; und wenn man zur „Veranlassung“ hier auf eine allgemeine Güterabwägung und die bekannten Gefahren des Atomkraftwerks hinweist, finden sich diese doch gerade in den Sorgfaltsregeln unter Berücksichtigung des „erlaubten Risikos“ (Betrieb des Kraftwerkes ist nicht völlig verboten; Überwachungsturnus ist ein wöchentlicher, kein täglicher usw.) „niedergelegt“. 942 Vgl. o. S. 383 ff. 943 Vgl. Jakobs, AT, Abschn. 9 Rn. 6 (gemeint ist mit „der Norm“ wohl das jeweilige Fahrlässigkeitsdelikt). 944 Vgl. Jakobs, AT, Abschn. 9 Rn. 6 f.

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„die die Voraussetzungen der Fahrlässigkeit präziser bezeichnen als eine solche Generalklausel“. Auch Jakobs’ Vorwurf der normlogischen Unrichtigkeit wird geteilt, da dem Täter kein Unterlassen eines sorgfaltsgemäßen, sondern die Vornahme einer sorgfaltswidrigen Handlung vorgeworfen werde.945 Damit sind zweifelsohne wichtige Zusammenhänge angesprochen, die auch im traditionellen Fahrlässigkeitsschema berücksichtigungswürdig sind. Noch nicht entschieden ist damit aber, ob sie zu einem konzeptionellen und terminologischen Abweichen von der h. M. zwingen. Dass angesichts der rudimentären Vorgaben des Gesetzgebers ein solches abweichendes System möglich und in sich stimmig vorstellbar wäre, ist unbestritten. Um Vergleichbarkeit und Verständlichkeit der Überlegungen zu gewährleisten, sollten allerdings insbesondere terminologische Änderungen auf Fälle beschränkt bleiben, in denen dies einem Erkenntnisfortschritt in der Sache dienlich ist. Dies ist hier m.E. aber nicht der Fall: Zunächst einmal ist mit Blick auf Terminologie und Oberbegriffbildung zwar zu konzedieren, dass im Zusammenhang mit dem Sorgfaltspflichtverstoß in der Tat verschiedene Zurechnungselemente diskutiert werden können. Indes ist dies bei der von Roxin alternativ herangezogenen „objektiven Zurechnung“ nicht anders; vielmehr gilt gerade diese – trotz einer Art „Grundformel“946 – als in besonderem Maße durch Fallgruppen entfaltungsbedürftiger Oberbegriff.947 Des Weiteren fordert Roxin – insoweit in Übereinstimmung mit der ganz h. L. – selbst in der von ihm maßgeblich mitgeprägten Grundformel der objektiven Zurechnung eine „nicht durch ein erlaubtes Risiko gedeckte“, d. h. also unerlaubte Gefahrschaffung.948 Da nun der Maßstab für diese „Verbotenheit“ aber etwa bei der Frage nach einer fahrlässigen Tötung (zwar in der Tat in § 222 StGB zu suchen ist,949 aber) sich nicht im Verbot Vgl. Roxin, AT I, § 24 Rn. 10 ff. Zu einem Vorschlag für diese vgl. nur Roxin, AT I, § 11 Rn. 42; Jescheck / Weigend, AT, § 28 IV vor 1 = S. 287; Kühl, AT, § 4 Rn. 43; Gropp, AT, § 5 Rn. 42 (der vom „Leitgedanken“ spricht). 947 Vgl. dazu nur die jeweils nach der Grundformel aufgezählten Fallgruppen bei Roxin, AT I, § 11 Rn. 47 ff.; Jescheck / Weigend, AT, § 28 IV 1 – 6 = S. 287 ff.; Kühl, AT, § 4 Rn. 46 ff.; Wessels / Beulke, Rn. 179 ff., 182 ff. Silva-Sánchez, in: Eser / Huber / Cornils, Einzelverantwortung und Mitverantwortung im Strafrecht, S. 205, 206 spricht insoweit sogar davon, „daß diese Theorie der objektiven Zurechnung wohl noch keine echte ,Theorie‘, sondern vielmehr lediglich eine ,Topik‘ darstellt.“; ähnlich bereits (aber aus finalistischer Tradition noch kritischer) Armin Kaufmann, Jescheck-FS, S. 251, 271 sowie in der italienischen Literatur die Einschätzung von Fiandaca / Musco, Diritto Penale. Parte Generale, S. 190; vorsichtig zustimmend Puppe, Die Erfolgszurechnung im Strafrecht I, S. 1; krit. gegenüber dieser Einschätzung Schünemann, GA 1999, 207, 221. 948 Vgl. Roxin, AT I, § 11 Rn. 42; Jescheck / Weigend, AT, § 28 IV vor 1 = S. 287 sprechen etwa von einer „rechtlich verbotenen Gefährdung“, Kühl, AT, § 4 Rn. 43 referiert aus der Literatur darüber hinaus für die Gefahrschaffung die Attribute „rechtlich relevant“, „rechtlich missbilligt“ oder „unerlaubt“. 949 Das betonen Jakobs, AT, Abschn. 9 Rn. 6 und Roxin, AT I, § 24 Rn. 12 überzeugend: Die Fahrlässigkeitsdelikte sind strukturell keine Sanktionsnormen für die Überschreitung anderweitig statuierter Sonderpflichten. Dies war auch bereits den Überlegungen Duttges kon945 946

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der Todesverursachung erschöpfen kann,950 müssen weitere Kriterien gefunden und benannt werden, wann gerade eine verbotene Gefahrschaffung vorliegt. Ein überzeugender Grund, diese für den Bereich der Fahrlässigkeitsdelikte nicht (wenigstens teilweise) als „Sorgfaltspflichtverletzungen“ zu umschreiben, ist nicht ersichtlich. Auch dürfte die terminologische Verknüpfung zwischen „fahrlässig“ und „sorgfaltswidrig“ nicht nur dem allgemeinen Sprachgebrauch eher entsprechen als diejenige mit dem „verbotenen Risiko“, sondern wird vom Gesetzgeber etwa auch im Zivilrecht zugrunde gelegt (vgl. § 276 BGB).951 Im Übrigen ist ein begriffliches Abstellen (allein) auf die objektive Zurechnung umso weniger vorzugswürdig, wenn man der hier näher begründeten Ansicht folgt, dass es durchaus Konstellationen gibt, in denen ein vorsätzlich verursachter Erfolg sehr wohl objektiv zurechenbar wäre, ohne dass bei einem unvorsätzlichen Handeln notwendig ein Sorgfaltspflichtverstoß oder eine unerlaubte Gefahrschaffung vorgeworfen werden könnte. Aus umgekehrten Blickwinkel gelten die gleichen Überlegungen für die Ersetzung der Sorgfaltspflichtverletzung durch ein Abstellen auf ein Überschreiten des erlaubten Risikos. Auch wenn man davon ausgeht, dass ein rechtlich relevanter Sorgfaltspflichtverstoß bzw. eine rechtlich relevante Fahrlässigkeit immer dann nicht vorliegt, wenn ein eingegangenes Risiko erlaubt ist, bleiben doch die Gründe für die „Erlaubtheit“ des Handelns durchaus heterogene. Es kann eben sein, dass der Täter so sorgfältig handelt, dass „normalerweise nichts passieren kann“, oder aber, dass das zwar nicht gewährleistet ist, das Restrisiko aber auf Grund überwiegender Allgemeininteressen in Kauf genommen wird. Dabei kommt dem Risiko i.e.S. eine eigenständige Bedeutung dann zu, wenn die Gefährdungslage für ein Rechtsgut „eigentlich“ das Unterlassen eines gefährdenden Handelns verlangen würden, das Handeln aber gleichwohl gestattet ist. Letztlich ist es wohl eine Frage des Einzelfalls und dabei wiederum nicht zuletzt der „Konvention“, ob stärker auf den Aspekt der Sorgfaltspflichtverletzung oder auf die Überschreitung des erlaubten Risikos abgestellt wird: Stößt etwa ein Arbeiter auf einem Gerüst ganz unachtsam eine ungesicherte Kiste mit Werkzeug, die ohnehin teilweise über den Rand des Gerüstes ragte, hinunter auf die belebte Straße, wo ein Mensch verletzt wird, könnte man natürlich davon sprechen, sein Verhalten überschreite insgesamt das erlaubte Risiko. Üblicher

zediert worden, zu denen aber auch dargelegt wurde, weshalb im Ergebnis solchen Sondernormen durchaus Bedeutung zukommt, vgl. o. zu und in Fußn. 940 und 941. 950 Anderenfalls wäre jede kausal herbeigeführte Tötung zugleich eine i. S. d. § 222 StGB fahrlässige und damit strafbare. 951 Vollends verwischt werden die Grenzen zwischen beiden Terminologien sogar, wenn man die Grundformel der objektiven Zurechnung mit dem Begriff der „pflichtwidrigen Gefahrschaffung“ bildet, was zwar Roxin selbst nicht tut, wohl aber andere Autoren, vgl. nur Ransiek, wistra 1997, 41, 42, sowie ders., in: Amelung [Hg.], Organisationen, S. 95, 96 f.; ähnlich auch bereits Schünemann, GA 1999, 207, 217, nach dem die „Formulierung, daß der Täter durch das tatbestandsmäßige Verhalten ein rechtlich mißbilligtes Risiko geschaffen haben müsse“, nur „eine sachlich nichts Neues bringende Umformulierung der alten Forderung“ sei, dass „die für den Erfolg ursächliche Handlung objektiv sorgfaltswidrig sein muß“; a. a. O., S. 218.

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wäre aber wohl – auch nach dem natürlichen Sprachgebrauch – die Aussage, er habe sich in verschiedener Weise unsorgfältig verhalten.

Bislang scheinen also keine zwingenden Gründe für den Verzicht auf die (bzw. die begriffliche Ersetzung der) Sorgfaltspflichtverletzung als Element des Fahrlässigkeitstatbestandes zu sprechen, so dass auf eine Abkehr von der allgemeinen Terminologie verzichtet werden könnte. Etwas anderes würde nur gelten, wenn der von Roxin und Jakobs übereinstimmend erhobene Vorwurf zutreffend wäre, dass „keine Sorgfalt geboten“ sei, sondern nur unsorgfältiges Handeln verboten werde und deswegen das Merkmal einer Sorgfaltspflichtverletzung auch „normlogisch“ falsch sei. Allerdings ist dem – soweit es über die bisherigen, eher terminologischen Erwägungen hinausgeht – in mehrfacher Hinsicht zu widersprechen:952 Zwar wird – um ein Beispiel von Jakobs aufzugreifen – in der Tat nicht per se gefordert, sorgfältig mit Zündhölzern umzugehen, sondern den unsorgfältigen Umgang damit zu unterlassen. Wenn aber ein solcher unsorgfältiger Umgang mit Zündhölzern unterbleiben soll, gibt es nur zwei denkbare Verhaltensnormen: Entweder diejenige, jeden Umgang mit Zündhölzern zu unterlassen; oder diejenige, mit ihnen – wenn sie schon benutzt werden – sorgfältig umzugehen. Anders formuliert: Natürlich darf der Bürger jedes irgendwie gefährliche Verhalten unterlassen; wenn er das aber – wie es das praktische Leben so mit sich bringt – nicht kann oder will, muss er diese Gefahren grundsätzlich möglichst gering halten, d. h. es lassen sich durchaus normlogisch stimmig Sorgfaltspflichten formulieren. Wie wichtig eine sinnvolle Formulierung der Sorgfaltspflicht ist, kann abschließend noch einmal an einem oben schon erwähnten Beispiel Kindhäusers gezeigt werden. Nach seiner Ansicht kann beim „Verbot der Brandstiftung durch unsorgfältigen Umgang mit Streichhölzern“ die Eigenschaft „ ,unsorgfältig‘ nicht verbotskonstitutiv“ sein, da anderenfalls „Brandstiftung durch sorgfältigen Umgang mit Streichhölzern erlaubt“ sein müsse.“953 Wie oben bereits ausgeführt, kommt es hier eben nicht auf diejenige Sorgfaltspflicht an, durch genau überlegten und geplanten Umgang mit den Streichhölzern genau das anzuzünden, was man plant, sondern auf die Sorgfaltspflicht, eine Beschädigung fremden Eigentums oder das Herbeiführen einer Gemeingefahr durch ein Feuer dadurch zu vermeiden, dass man mit den Zündhölzern in einer Art hantiert, die dieses Risiko minimieren.

Die Argumente, die gegen das Festhalten am Merkmal einer Sorgfaltspflichtverletzung sprechen, sind somit keinesfalls zwingend. Umgekehrt erfüllt das Merkmal aber durchaus eine (nicht nur eine zurechnungseinschränkende, sondern auch) normlogisch sinnvolle Funktion: Wie Kindhäuser deutlich hervorgehoben hat, ist die Sorgfaltswidrigkeit „Surrogat des fehlenden Vorsatzes“.954 Wirft man dem Vorsatztäter vor, dass er ein konkret erkanntes Risiko des Erfolgseintritts auf Grund seines Tuns nicht vermeidet, muss man einen Grund finden, warum man auch dem 952 Gegen diesen Vorwurf auch (mit teilweise ähnlichen Argumenten) Herzberg, JuS 1996, 377, 380. 953 Vgl. Kindhäuser, GA 1994, 197, 211. 954 Vgl. Kindhäuser, GA 1994, 197, 208.

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Täter, der diese Gefahr (insbesondere im Fall der unbewussten Fahrlässigkeit) nicht als konkret erkennt, einen Vorwurf macht: Dieser Grund liegt darin, dass der Täter sich sorgfaltswidrig verhalten, d. h. dass er nicht solche Situationen vermieden hat, in denen ihm eine Vermeidemöglichkeit mangels konkreten Erkennens nicht zusteht. Die von Jakobs und Roxin zutreffend betonten Einschränkungen der Zurechnung (d. h. insbesondere, dass in den Grenzen des erlaubten Risikos nicht immer eine optimale Sorgfalt verlangt werden kann und dass die Fahrlässigkeitsdelikte nicht vorrangig der Strafbewehrung von pflichtbegründenden Sondernormen dienen) sind auch auf der Basis der traditionellen Fahrlässigkeitsdogmatik gut begründbar. Sie lassen sich etwa erreichen, indem man die Zurechnung durch den Schutzzweck der Norm oder bereits die gebotene Sorgfalt durch das erlaubte Risiko oder den Vertrauensgrundsatz eingeschränkt sieht. Die Vorstellung von bestimmten Sorgfaltspflichten und auch ihre maßgebliche erste Konkretisierung durch Sondernormen gewährt dabei eine wichtige Orientierungssicherheit. Denn schließlich muss – wie oben schon betont – irgendwie bestimmt werden, welches Risiko in einer konkreten Situation noch erlaubt ist,955 und diese Bestimmung ist in der Hand des Gesetzgebers sowie – beim Fehlen gesetzlicher Regelungen – in derjenigen der betroffenen Verkehrskreise gut aufgehoben.956 Die vorangegangenen Überlegungen lassen wenig überraschend erscheinen, dass hier auch – trotz z.T. beachtlicher Argumente957 – nicht dem insbesondere von Schroeder entwickelten Vorschlag gefolgt wird, auf das Merkmal der Sorgfaltspflichtverletzung mehr oder weniger vollständig ohne funktionsäquivalentes anderes Merkmal zugunsten der bloßen Erkennbarkeit zu verzichten.958 Dagegen sprechen nicht nur die für diesen Prüfungspunkt vorgebrachten Erwägungen. Vielmehr können auf der Basis einer bloßen Erkennbarkeitsprüfung Fälle erlaubt riskanten Verhaltens nicht immer ausreichend als nicht fahrlässig ausgeschieden werden.959 Zwar ist Schroeder zuzugestehen, dass eine Reihe von Konstellationen über das Erfordernis einer hinreichend konkreten Erkennbarkeit sinnvollen Lösungen zugeführt werden könnten.960 Dies allerdings nur um den Preis, dass an die „Konkretheit“ der Vorhersehbarkeit unterschiedliche Anforderungen gestellt werden, die in der Sache auch davon abhängig sind, ob das Verhalten erlaubt (bzw. sorgfaltsgemäß) war oder nicht: Denn weshalb die Vorhersehbarkeit eines Unfalls mit einem die Straße innerorts überquerenden erwachsenen Fußgänger

955 Vgl. auch Schünemann, JA 1975, 149, 151, der insoweit von gesetzlichen Sorgfaltsnormen, technischen Regeln und der Verkehrsauffassung als wichtigen Fixpunkten für die erforderliche Interessenabwägung spricht. 956 So wäre etwa auf einer innerörtlichen Durchfahrtsstraße ohne die Vorschriften der StVO oder entsprechende Beschilderungen kaum anhand allgemeiner Interessenabwägungen klar zu entscheiden, ob das erlaubte Risiko darin besteht, mit 30, 50 oder 70 km / h zu fahren, wenn man sich einen Fall vorstellt, in dem ein tödlicher Unfall mit einem Fußgänger bei einer Geschwindigkeit von 25, 40 oder 60 km / h noch hätte vermieden werden können. 957 Vgl. insb. LK-Schroeder, § 16 Rn. 157 ff. 958 Vgl. Schroeder, JZ 1989, 776 ff. und LK-ders., § 16 Rn. 127 ff., 157 ff. 959 Dazu in Auseinandersetzung mit Schroeders Ansatz Kühl, AT, § 17 Rn. 14 f., 17. 960 Vgl. Schroeder, JZ 1989, 776, 780.

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in rechtlich relevanter Weise bei einer Geschwindigkeit von 60 km / h „konkreter“ sein sollte als bei einer solchen von 45 km / h, während der Unterschied zwischen 20 und 45 km / h bzw. zwischen 65 und 85 km / h für die „Konkretheit“ ohne rechtliche Relevanz sein soll, ist durch empirisch-psychologisierende Skalierungen der Erkennbarkeit bzw. Vorhersehbarkeit kaum zu begründen.

Betrachtet man nun insbesondere die Merkmale der Vorhersehbarkeit und der Sorgfaltspflichtverletzung spezifisch unter dem Aspekt berufsbedingter Unterstützungshandlungen, so ergibt sich folgendes Bild:

b) Erkenn- bzw. Voraussehbarkeit des Erfolges Hinsichtlich der Erkenn- bzw. Voraussehbarkeit eines Erfolges (und d. h. hier: mit der Begehung durch den unmittelbaren Verletzer und des Einsatzes der beruflichen Leistung zu diesem Zweck) ist zu unterscheiden: Bei der weit überwiegenden Vielzahl beruflicher Leistungen, die frei erbringbar bzw. erhältlich sind, ist als Gefahr nur die generelle Möglichkeit vorhersehbar, dass es immer wieder einmal zu den unterschiedlichsten Straftaten kommen kann, für die alle möglichen Gegenstände oder Leistungen hilfreich verwendet werden könnten. Ebenso „voraussehbar“ i.S. von als theoretische Möglichkeit nie ausschließbar wäre es aber, dass bei der völlig ordnungsgemäßen Fahrt auf einer Straße plötzlich ein Passant aus einem Gebüsch vor das Fahrzeug läuft, dass beim Öffnen einer Bürotür in einer Behörde ein Windzug Papier vom Schreibtisch weht und der dort gerade beschäftige Fensterputzer dabei vor Schrecken aus dem Fenster stürzt usw. Eine so vage, ohne jeden (geschweige denn: „triftigen“) Anlass gewonnene Einsicht in die Unvollkommenheit unserer Welt und die Möglichkeit von Unglücksfällen kann als Anforderung an die Vorhersehbarkeit nicht genügen. Anderenfalls würde das Merkmal so seiner Substanz beraubt, dass ihm keinerlei Trennschärfe zur Unrechtsbegründung mehr zukäme. Vielmehr muss – ungeachtet der Frage, wie streng man hierbei im Detail wieder ist und insbesondere ob Bezugsobjekt nur der Erfolg oder auch der Kausalverlauf in seinen groben Zügen ist961 – für den Täter erkennbar sein, dass mit seinem Verhalten gerade eine „über das normale, tolerierte Lebensrisiko hinausgehende ( . . . ) Gefahr ( . . . ) verbunden ist.“962 Damit scheidet im Regelfall der „Geschäfte des täglichen Lebens“ einerseits eine Fahrlässigkeit des vorsatzlos handelnden Täters schon mangels Erkennbarkeit aus, ohne dass über den Umfang der Sorgfaltspflichten näher diskutiert werden müsste. Andererseits wird deutlich, dass nicht allein auf den beruflichen Charakter des Handelns oder die Alltäglichkeit der Leistung abgestellt werden darf, da die gesamten äußeren Umstände eben doch einen Anlass zu einer qualifizierten Gefahrerkennt961 Vgl. hierzu die Nachweise aus der eine Vorhersehbarkeit rasch bejahenden Rechtsprechung bei Jescheck / Weigend, AT, § 55 II 3 a.E. = S. 587. 962 Vgl. Frisch, Verhalten und Zurechnung, S. 636. Etwas strenger möglicherweise LKSchroeder, § 16 Rn. 138.

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nis geben könnten. So ist in Fällen, wie sie als Beispiele für „drastische deliktische Kontexte“ bzw. Sinnbezüge bei Jakobs und Roxin geschildert werden, die Erkennbarkeit eines gesteigerten Risikos als psychologisches Faktum regelmäßig zu bejahen, und es stellt sich nur noch die Frage nach der Sorgfaltswidrigkeit. Daneben sind aber auch Leistungen vorstellbar, die als solche erkennbar eine über das allgemeine Lebensrisiko hinausgehende Gefahr einer Straftatbegehung begründen. Es sind dies etwa die Lieferung besonders gefährlicher Stoffe (wobei für die gesetzgeberische Einschätzung als „besonders gefährlich“ die Statuierung spezieller Vorschriften für den Umgang mit solchen Stoffen spricht), aber z. B. auch fachliche Beratungen, die vom Beratenen nahe liegender Weise zur Begehung von Straftaten genutzt werden könnte. Beispiele wären die Auskunft eines Steuerberaters darüber, in welchen Ländern mit geringem Risiko Geld angelegt werden kann, ohne dass die Erträge den deutschen Steuerbehörden bekannt werden, oder die Erklärung eines Naturwissenschaftlers, bei Verwendung welcher Technik die Überschreitung von Schadstoffgrenzen von staatlichen Kontrollen schwer erfasst werden können. Die Beispiele zum Bereich der „fachlichen Beratung“ entbehren allerdings deshalb großer praktischer Relevanz, weil mit den dadurch unterstützen Taten vielfach keine Fahrlässigkeitsdelikte korrespondieren, wegen derer sich der fahrlässig unterstützende (täterschaftlich) strafbar machen könnte. Vorstellbar wären aber etwa Auskünfte über die Brennbarkeit von bestimmten Stoffen oder über Sprengstoffe (§§ 306d, 308 VI oder 222 / 229 StGB).

In solchen Fällen ist die Erkennbarkeit im Regelfall zu bejahen. Allerdings ist damit die Strafbarkeitsfrage noch nicht entschieden, sondern es wird auch hier die Pflichtwidrigkeit der Leistungserbringung relevant. Dass diese von der Erkennbarkeit zu trennen ist,963 macht gerade ihre eingeständige Bedeutung aus und ermöglicht die Berücksichtigung von Aspekten wie dem „erlaubten Risiko“ u. a.

c) Sorgfaltspflichtverletzung und objektive Zurechnung Der Vorherseh- oder Erkennbarkeit kommt mithin vor allem Bedeutung zu, wenn es darum geht, schon intuitiv mehr oder weniger eindeutig straflose Fälle auszuscheiden, ohne über die schwierigere und in den Details auch stärker umstrittene Voraussetzung der Sorgfaltspflichtverletzung nachdenken zu müssen. In den problematischeren Fällen, in denen die Erkennbarkeit zu bejahen wäre, könnte das Merkmal der Sorgfaltspflicht (in Verbindung mit den Grundsätzen der objektiven Zurechnung) darüber entscheiden, ob der Hinweis auf die Neutralität und Berufsbedingtheit des Verhaltens den Täter entlasten kann. Wie oben näher begründet, soll dabei hier am tradierten Topos der Sorgfaltswidrigkeit bzw. des Sorgfaltspflichtverstoßes festgehalten werden. Im Zusammenhang mit diesem verlaufen – das wurde oben eingeräumt – mehrere, teilweise mehrfach miteinander und auch 963

Vgl. auch oben zu Fußn. 958, 959.

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3. Teil: Grundlegungen einer eigenen Lösung

nochmals mit der Erkennbarkeit verwobene gedankliche Stränge, die es zum Zwecke ihrer Erklärung zu separieren gilt, ohne dass im Einzelfall aber jeder völlig unabhängig von den anderen verfolgt werden könnte: (1) Nur der Vollständigkeit halber noch einmal erwähnt werden soll an dieser Stelle der Topos des „Regressverbots“, da dieses in seiner klassischen Formulierung gerade eine Verantwortlichkeit wegen einer fahrlässigen Ermöglichung fremder Vorsatztaten generell ausschließen sollte. Wie oben aber bereits dargestellt,964 sprechen zwar gute Gründe dafür, ein „Regressverbot“ als (häufiges) Ergebnis eines Zurechnungsvorganges anzunehmen, wenn auf ein nur fahrlässiges Verhalten eine Vorsatztat folgt. Eine feste Regel in Gestalt eines Regressverbotes als Zurechnungsinstrument ist dagegen nicht überzeugend. (2) Ist damit aber auch beim Zusammenwirken von fahrlässigem Erst- und vorsätzlichem Zweithandelnden eine Verantwortung des Ersthandelnden nicht a limine ausgeschlossen, muss näher untersucht werden, ob bzw. wann eine berufsbedingte Unterstützung eine Sorgfaltspflichtverletzung darstellen kann, die den Erfolg zurechenbar mittelbar mitverursacht: Für das Vorliegen einer Sorgfaltspflichtverletzung kann zunächst sprechen, wenn eine das berufliche Handeln regelnde Sondernorm verletzt wurde. Die Verletzung solcher Vorschriften ist in der allgemeinen Fahrlässigkeitsdogmatik als wichtigstes Indiz einer Sorgfaltspflichtverletzung weithin anerkannt965 und wurde in der bisherigen Diskussion auch schon mehrfach als Kriterium zur Abgrenzung strafbarer und strafloser Unterstützungshandlungen (auch bei vorsätzlicher Begehung) erwähnt. Allerdings ist – insoweit wiederum in Übereinstimmung mit der allgemeinen Dogmatik der Fahrlässigkeitsdelikte966 – zu prüfen, ob der später eingetretene Erfolg im Schutzbereich der verletzten Vorschrift liegt. Besteht dieser darin, gerade die missbräuchliche Verwendung der beruflichen Leistung zu verhindern, ist der Erfolg dem sorgfaltswidrigen Verhalten zuzurechnen; werden damit exklusiv andere Zwecke verfolgt, liegt eine zurechnungsrelevante Sorgfaltspflichtverletzung jedenfalls nicht in diesem Verhalten. Geradezu klassisches Beispiel für einen insoweit irrelevanten Verstoß wäre der Verkauf eines Gegenstandes außerhalb der zulässigen Ladenöffnungszeiten. Ebenso wenig relevant für den später durch die Fahrgäste verursachten Erfolg ist es, wenn der Taxifahrer eigentlich die Fahrt noch nicht durchführen dürfte, weil die Erteilung seiner Lizenz erst kurz bevorsteht. Vgl. o. S. 374 f. m. w. N. Deutlich bei Schünemann, JA 1975, 575, 577 („besondere Dignität“); vgl. weiterhin (mit Unterschieden im Detail) nur Lackner / Kühl, § 15 Rn. 39; Schönke / Schröder-Cramer / Sternberg-Lieben, § 15 Rn. 135; selbst Duttge (zu ihm oben bei Fußn. 939 – 941, S. 392 f.) sowie Roxin akzeptieren ungeachtet ihrer Kritik eine mehr oder weniger indizielle Bedeutung von Verstößen gegen Sondernormen. 966 Vgl. Jescheck / Weigend, AT, § 55 II 2 b bb = S. 586; Kühl, § 17 Rn. 68 ff.; Lackner / Kühl, § 15 Rn. 43; Roxin, AT I, § 24 Rn. 10 i.V.m. § 11 Rn. 72 ff.; Schönke / Schröder-Cramer / Sternberg-Lieben, § 15 Rn. 157 ff.; Wessels / Beulke, Rn. 674; krit. zum Schutzzweckgedanken in jüngster Zeit Degener, „Die Lehre vom Schutzzweck der Norm“ und die strafgesetzlichen Erfolgsdelikte, insb. S. 509. 964 965

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Normverletzungen, denen spätere Erfolge zugerechnet werden könnten, können dagegen etwa Verstöße gegen die Gefahrstoffverordnung, das Betäubungsmittelgesetz oder das Waffengesetz sein.967

(3) Während in Fällen schutzbereichsrelevanter Sondernormverstöße weitgehend Einigkeit bestehen dürfte (und sogar das Vorliegen einer im hier verstandenen Sinne „neutralen“ Handlung fraglich ist968), sind die zahlreicheren Fälle weit weniger klar, in denen entweder keine Sonderregelungen bestehen oder aber diese eingehalten wurden. Einerseits wurde oben schon allgemein erörtert, dass dem Fehlen einer Verletzung von spezifischen Verhaltensnormen allein nur sehr eingeschränkte Bedeutung zukommt.969 Auch ist zu beachten, dass ein Verhalten regelmäßig mehreren Sorgfaltsnormen genügen muss, bei denen bereits die Verletzung einer einzigen zu seiner Bewertung als sorgfaltswidrig führt.970 Andererseits ändert dies nichts daran, dass die Sorgfaltspflichtverletzung, die dem Täter vorgeworfen werden soll, konkret benannt werden muss. Dies ist aber relativ schwierig; denn auch die Frage, wie sich ein sorgfältiger Dritter aus dem Verkehrskreis des Täters verhalten würde, ist nicht einfach zu beantworten. Zwar könnte insoweit unter bestimmten Voraussetzungen auf entsprechende soziale Normen zurückgegriffen werden,971 indes sind solche in den meisten hier interessierenden Fällen nicht auszumachen: Der Wille des Kunden, die Leistung zu deliktischen Zwecken auszunutzen, dürfte für den Berufsträger so selten in ausreichender Weise erkennbar sein, dass von einer allgemeinen sozialen Übung, wie man in solchen Fällen zu verfahren hat, keine Rede sein kann. Dies gilt umso mehr, als über die existierenden Fälle die Berufsträger i.d.R. gerade Stillschweigen bewahren werden. 967 Vgl. Wolff-Reske, S. 143 ff. (dort auch allgemein zum Verstoß gegen gesetzlich normierte Berufsregeln als haftungsbegründende „Rollenüberschreitung“). 968 Man wird – zumindest bei normativer Betrachtung – davon ausgehen können, dass ein Entschluss zur Erbringung beruflicher Leistungen unter Verstoß gegen berufsregelnde Vorschriften regelmäßig gerade nicht abstakt vorgefasst ist und in gleicher Weise gegenüber jedermann erbracht wird; vgl. auch SK / StGB-Hoyer, § 27 Rn. 26 (wobei freilich die dortige Formulierung, dass schon bei „Existenz der Schutznorm“ neutrales Verhalten ausscheide, zu weit geht und im Gesamtzusammenhang wohl auch eher der Verstoß gegen eine Schutznorm gemeint ist). Betont man ferner das Kriterium der Anpassung an den deliktischen Plan, lässt sich sogar der Unterschied zwischen schutzzweckrelevanten und -irrelevanten Verstößen teilweise erklären: Beim schutzzweckrelevanten Verstoß (Verkauf einer Waffe an einen nicht Besitzberechtigten) wird das Verhalten tatsächlich an den Plan (nämlich die Waffe rechtswidrig einzusetzen) angepasst; beim schutzzweckirrelevanten Verstoß (Verkauf einer Waffe an einen Besitzberechtigten, aber nach Ladenschluss oder unter wettbewerbswidriger Zugabe eines Rasiermessers) entspricht das Verhalten zwar vielleicht auch nicht unbedingt einem abstrakt vorgefassten Entschluss, wird aber nicht spezifisch an den Plan des Täters angepasst. 969 Vgl. o. S. 223. 970 Um ein Beispiel aus einem weitreichend durchnormierten Bereich zu wählen: § 3 StVO ordnet für einen Autofahrer an, wie schnell er (grundsätzlich) fahren darf, § 4 StVO, wie groß sein Abstand zum Vordermann sein muss, § 5 StVO, wie er sich beim Überholen zu verhalten hat, § 9 StVO, was beim Richtungwechseln zu beachten ist usw. 971 Vgl. ausführlich oben S. 226 ff.

26 Kudlich

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3. Teil: Grundlegungen einer eigenen Lösung

Dies gilt insbesondere für die in der bisherigen Diskussion und auch hier immer wieder in den Mittelpunkt gerückten Fälle des Handels mit alltäglichen Gegenständen. Dass sich in bestimmten Branchen für bestimmte Handlungen durchaus auch rechtlich relevante Gepflogenheiten herausbilden können, sei unbestritten. Auf diese, auch für eine Vorsatzstrafbarkeit nicht unwichtige Frage, wird im Zusammenhang mit Sonderkonstellationen im 4. Teil noch einmal einzugehen sein. Einstweilen sei nur noch einmal auf die insoweit durchaus vergleichbare Problematik beim Betrug hingewiesen, wo sich solche Gepflogenheiten etwa im Bereich werbender Angaben für die Grenze zwischen verbotener Täuschung und erlaubter „marktschreierischer“ Anpreisung herausgebildet haben, die für die Auslegung des § 263 StGB von Bedeutung sind.972

Versucht man deshalb, die einzuhaltenden Sorgfaltspflichten anhand allgemeiner Grundsätze – etwa durch eine Güterabwägung973 oder aber eben durch stärkere Akzentuierung des erlaubten Risikos – zu generieren, sind wiederum zwei Aspekte zu unterscheiden: die erbrachte Leistung an sich und die Tatsache der Interaktion mit einem anderen (der dann zum unmittelbaren Verursacher wird) bzw. damit korrespondierend die Gefährdungsfaktoren der Leistung an sich und die Gefährdungsfaktoren in der konkreten Situation. (a) Die Art des Verhaltens als solche kann im Falle neutraler, berufsbedingter Verhaltensweisen jenseits der Verletzung von Sondernormen grundsätzlich keine Sorgfaltspflichtverletzung begründen. Denn es handelt sich um Verhaltensweisen, die als solche weder eine unerlaubte Gefahr schaffen noch in ihrer beruflichen Erbringung den sozial üblichen Verhaltensformen widersprechen. Verkehrsinterne Sicherungsregeln über die Einhaltung etwa existenter Sondernormen bestehen nicht, und die Gefahren, die von Dritten – und sei es auch unter Einbeziehung beruflicher Leistungen anderer – drohen, fallen in das Lebensrisiko des Opfers.974 Das gilt grundsätzlich auch dann, wenn Produkte mit einem ihrer Natur nach erhöhten, über das allgemeine Lebensrisiko hinausführenden Gefährdungspotential verkauft werden (was oben ja als Voraussetzung bereits der Erkennbarkeit gefordert wurde): Wenn der Gesetzgeber dieses Gefährdungspotential entweder nicht zum Erlass spezieller Vorschriften für den Vertrieb der Produkte zum Anlass nimmt oder aber das zwar tut, der Berufsträger sie aber einhält, wird damit zum Ausdruck gebracht, dass das Zur-Verfügung-Stellen einer solchen Leistung als solche (unter Einhaltung etwa bestehender Regularien) noch kein pflichtwidriges Verhalten, sondern vielmehr ein damit eventuell verbundenes Risiko ein erlaubtes ist. Genau dies ist letztlich auch Inhalt des Vertrauensgrundsatzes.975

972 Vgl. bereits oben S. 235, dort Fußn. 270, sowie nochmals Müller-Christmann, JuS 1988, 108, 109 ff., und Pawlik, Das unerlaubte Verhalten beim Betrug, S. 94 ff. 973 Dazu aufschlussreich Schünemann, JA 1975, 575 ff. 974 Vg. zu den beiden Kriterien der Verfügbarkeit von Sicherungsvorkehrungen sowie der Möglichkeit und Zumutbarkeit verkehrsinterner Vorsichtsregeln i.R.d. Güterabwägung Schünemann, JA 1975, 575, 576. 975 Vgl. o. S. 376 ff.

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Etwas anderes kann allenfalls dann gelten, wenn die Leistung – und zwar situationsunabhängig – nahezu ausschließlich zu deliktischen Zwecken dienen kann. Dieses Kriterium erinnert auf den ersten Blick an den „deliktischen Sinnbezug“, wie ihn etwa Roxin (auch bei vorsätzlicher Begehung für die Beihilfe) fordert, ist aber etwas anders zu verstehen: Es geht nicht um die (realistischerweise überhaupt nie existierenden bzw. trennscharf zu begründenden) Fälle, in denen eine an sich alltägliche Leistung für den Täter nur für deliktische Zwecke von Interesse ist. Vielmehr geht es um solche Leistungen, die – obwohl denkbarer Gegenstand üblichen beruflichen Handelns – ihrer Natur nach nahe liegenderweise zu deliktischen Zwecken verwendet werden. Bei der Lieferung von Gegenständen u.ä. dürfte es solche Konstellationen – insbesondere in dem Bereich, der hier als „neutral“ bezeichnet wird – praktisch nicht geben. Vorstellbar wären sie aber im bereits o.g. Bereich der Erteilung von Auskünften und Erklärungen, da hier auf Grund der Verkehrssitte auch solche speziellen Leistungen noch als berufsbedingt und neutral bezeichnet werden könnten, die kaum einen legalen Anwendungsbereich haben. Hinzu kommt, dass für die Auskunftserteilung bei weitem keine so weitreichende Durchnormierung wie für das Inverkehrbringen von gefährlichen Gegenständen besteht. Anders als dort gibt es also kaum Fälle, in denen schon durch den Verstoß gegen solche Vorschriften der Vertrauensgrundsatz außer Kraft gesetzt werden könnte, und umgekehrt hat die bloße Nichtregelung keine vergleichbare vertrauensbildende Wirkung. Um dies an einigen Beispielen zu demonstrieren: Das Arzneimittelgesetz oder das Waffengesetz regeln zwar die Abgabe von Medikamenten bzw. von Schusswaffen, sagen aber nichts über die zulässige oder unzulässige Anleitung zum heimischen Mixen solcher Arzneimittel oder zum Eigenbau von Waffen.

Hier erscheint es für den Berufsträger zumutbar, von seinem Kunden eine zugleich plausible und glaubhafte Erklärung für eine legale Nutzung zu verlangen. Dies kann als eine Art verkehrsinterne Vorsichtsmaßnahme verstanden werden, die erforderlich ist, um das in Fällen der vorliegenden Art gegenüber den Interessen des Verkehrs überwiegende deliktische Risiko auszugleichen. Kann aber eine solche Erklärung gegeben werden, ist eine weitere Nachforschung nicht erforderlich. Wer eine – zwar gefährliche, aber nicht als solche verbotene – berufliche Leistung erbringt, für deren legale Verwendung der Kunde eine plausible Erklärung geben konnte, hat durch die Nachfrage seinen Teil dazu getan, das Risiko zu senken und setzt sich nicht dem Vorwurf eines nachlässigen Handelns aus. (b) Der zweite denkbare und gerade für die plakativen Beispiele der Geschäfte des täglichen Lebens näher liegende Ansatzpunkt für ein sorgfaltswidriges Verhalten liegt in der konkreten Situation oder anders ausgedrückt: im Moment der Interaktion mit Dritten begründet. In der Beschäftigung mit dem Vertrauensgrundsatz oben wurde deutlich, dass dieser nicht nur eine positive, sondern gleichsam auch eine negative Komponente beinhaltet. Er sagt nämlich nicht nur aus, dass bei begründeter Inanspruchnahme von Vertrauen keine Sorgfaltspflicht verletzt wird, sondern zeigt auch, dass in bestimmten Fällen konkreter Anhaltspunkte bzw. „triftiger Anlässe“ zum Misstrauen eine Pflicht zum sorgfältigen Verhalten gerade ak26*

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3. Teil: Grundlegungen einer eigenen Lösung

tiviert werden kann.976 Somit stellt sich die Frage, ob bei bestimmten in der konkreten Situation bzw. in der Person des Kunden liegenden Umständen besondere Sorgfaltspflichten auch bei der Erbringung an sich „unauffälliger“, neutraler berufsbedingter Verhaltensweisen erwachsen. Es wäre zumindest voreilig und verkürzt, für die Antwort auf diese Frage schlicht auf die obigen Erörterungen zu verweisen und zu argumentieren, dass die dort gezogenen Grenzen der Verantwortung erst recht auch bei Fahrlässigkeit gelten müssten. Denn immerhin bildet nach mittlerweile nahezu einhelliger Auffassung das Fahrlässigkeitsdelikt gegenüber dem Vorsatzdelikt einen eigenständigen Unrechtsgegenstand.977 Wird aber ein qualitativ verschiedener Vorwurf gemacht, ist keinesfalls ausgeschlossen, dass für dessen Begründung ein bestimmtes Kriterium (hier also der „triftige Anlass“ bzw. konkrete Hinweis) eine andere Bedeutung hat. Dies scheint vorliegend prima facie umso eher zu gelten, als für die fahrlässigkeitskonstituierende Erkennbarkeit im Verhältnis zur positiven Kenntnis ein konkreter Hinweis naturgemäß eine viel unmittelbarere Bedeutung hat, ja für die passivische Potentialität der Erkennbarkeit geradezu konstitutiv zu sein scheint. Allerdings übersieht eine solche Betrachtung, dass es auf vorliegender Ebene gerade nicht mehr um die (durchaus zu bejahende) Erkennbarkeit geht, sondern um die daneben erforderliche978 Sorgfaltspflichtverletzung bzw. Unerlaubtheit des Risikos. Bei der hier erforderlichen Abwägung979 ist aber wieder wie schon oben im Zusammenhang mit dem bedingten Vorsatz in die Waagschale zu werfen, dass die mit der Handlung verfolgten Ziele grundsätzlich auch sozial-nützliche und spezial grundrechtlich geschützte sind, während die Bedrohung des Rechtsguts im Moment der Handlung nur eine mittelbare ist, die noch dazu zumindest in vielen Fällen nicht erheblich verringert wird. Will man darüber hinaus – und darüber dürfte Konsens bestehen – dem Berufsträger bei der Erbringung seiner neutralen berufsbedingten Leistungen generell keine proaktiven Kontroll- (etwa „Erkundigungs-“) Pflichten auferlegen,980 ist es durchaus nahe liegend, diese auch dann zu verneinen, wenn zwar ein konkreter Verdachtsgrund besteht, dieser sich aber weder 976 Dies spricht u. a. dafür, dass Duttges starke Betonung des „triftigen Grundes zum Misstrauen“ (vgl. o. bei Fußn. 939) durchaus einen richtigen Punkt in den Mittelpunkt rückt – dies umso mehr, je schwächer ein Sachverhalt rechtlich vorstrukturiert ist und je weniger klare Verhaltensgepflogenheiten sich in dem betreffenden Verkehrskreis herausgebildet haben. 977 Zur historischen Entwicklung dieser Sichtweise knapp, aber anschaulich Roxin, AT I, § 24 Rn. 3 ff. Dieses Verständnis ist unabhängig davon, ob man Vorsatz und Fahrlässigkeit insgesamt als „aliud“ oder i.S. eines Plus-Minus-Verhältnisses sieht, vgl. zu dieser Frage nur m. w. N. LK-Schroeder, § 15 Rn. 9 ff., 12. 978 Selbst wenn man Erkennbarkeit und Sorgfaltspflichtverletzung als untrennbar miteinander verwobene Einheit versteht, ändert dies nichts daran, dass für den Bestandteil „Sorgfaltspflichtverletzung“ weitere Voraussetzungen erfüllt sein müssen, da diese sonst bedeutungsleer wäre. 979 Vgl. nochmals Schünemann, JA 1975, 575, 576. 980 Gegen solche Pflichten auch Rabe von Kühlewein, JZ 2002, 1139, 1144.

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konkret auf die Verwendung der erbrachten Leistung bezieht noch bereits die Schwelle zur Kenntnis erreicht ist. Zuletzt ist noch der wesentliche Unterschied zu den oben beschriebenen Fällen einer „aktivierten Sorgfaltspflicht“ trotz Vertrauensgrundsatzes (bzw. aus anderem Blickwinkel: der fortbestehenden Vermeidepflicht trotz grundsätzlich erlaubten Risikos) herauszustellen: Die größte Zahl der hier in Rede stehenden beruflichen Leistungen sind „als solche“ wesentlich weniger gefährlich als etwa das o.g. Sprengen eines Hauses, die Vornahme einer Operation oder sogar das Fahren mit einem Auto. Während den genannten Tätigkeiten als solchen schon eine gesteigerte Gefährlichkeit innewohnt (und es im Zusammenhang mit dem Vertrauensgrundsatz nur um die Frage gehen kann, ob die Sorgfaltsanforderungen zur Minimierung dieser Gefahren teilweise abgewälzt werden können), handelt es sich bei der Erbringung beruflicher Leistungen an den unmittelbaren Verletzer i.d.R. um Handlungen, die als solche über das allgemeine Lebensrisiko nicht hinausgehen. Auch dies spricht dafür, unterhalb der Kenntnisschwelle nur solche „Anlässe“ bzw. „konkreten Hinweise“ zu berücksichtigen, die auch die deliktische Verwendung der Leistung als solche betreffen.

d) Zwischenergebnis Es sprechen gute Gründe dafür, an der (objektiven) Vorhersehbarkeit und Sorgfaltspflichtverletzung als konstituierenden Merkmalen des Fahrlässigkeitstatbestandes festzuhalten. Dabei scheidet für den größten Bereich berufsbedingt erbrachter Leistungen bereits die Erkennbarkeit ihrer Nutzung zu deliktischen Zwecken aus, da hierfür keine „generelle Erkennbarkeit auch einer solchen Nutzungsmöglichkeit“, sondern eine konkrete Erkennbarkeit einer solchen Nutzung im betreffenden Fall erforderlich ist. Diese liegt jedoch für die meisten Leistungstypen jenseits zufälliger Sonderkenntnisse nicht vor. Hinsichtlich der kumulativ erforderlichen Sorgfaltspflichtverletzung ist zwischen dem Aspekt der Leistungserbringung an sich und demjenigen der Interaktion mit Dritten zu unterscheiden: Die Leistungserbringung führt nur ausnahmsweise zu weiteren Vergewisserungsund Überprüfungspflichten, deren Verletzung eine Sorgfaltswidrigkeit begründen könnte. Die Interaktion mit Dritten könnte zu einer Sorgfaltspflichtverletzung führen, wenn (noch näher zu spezifizierende) konkrete Anhaltspunkte für die deliktische Verwendung vorliegen. Allerdings ist der Anwendungsbereich dieser Fallgruppe sehr klein, da das Feld zwischen in diesem Sinne ausreichend konkreten Anhaltspunkten und sicherer Voraussicht (welche dann zur Vorsatzstrafbarkeit, zumindest wegen Beihilfe, führen würde) auch hier nur sehr schmal ist.

2. Erhöhte Zurechnungsanforderungen bei bloßem Unterlassen Bisher wurde in diesen Grundlegungen (teils unausgesprochen) immer vom aktiven Tun ausgegangen. Da jedoch – wie im 1. Teil dargelegt981 – eine „Unterstüt981

Vgl. zum Unterlassen S. 60 ff. sowie 66 f.

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3. Teil: Grundlegungen einer eigenen Lösung

zungshandlung“ im Einzelfall auch in einem Unterlassen liegen könnte, verdient auch die Frage eine kurze Betrachtung, unter welchen Voraussetzungen ein von einem anderen deliktisch herbeigeführter Erfolg einem Unterlassenden als Unrecht zugerechnet werden kann. Diese Frage hat nun zwei Dimensionen: Einerseits führt grundsätzlich die Anerkennung einer Strafbarkeit wegen (unechten) Unterlassens noch einmal zu einer möglichen Ausdehnung der Verantwortlichkeit. Andererseits ist auch eine gegenteilige, gewissermaßen zurechnungseinschränkende Perspektive vorstellbar und hier die interessantere: Da an die Straffreiheit wegen eines Unterlassens zusätzliche Anforderungen gestellt werden, könnte die Verantwortlichkeit auch eingeschränkt sein, soweit man ein bestimmtes Verhalten im Rechtssinne nicht als Tun, sondern als Unterlassen einordnet.

a) Allgemeine Grundsätze der unechten Unterlassensdelikte Die grundsätzlichen Voraussetzungen der Strafbarkeit wegen unechten Unterlassens müssen hier ebenso wie bei den Fahrlässigkeitsdelikten (vgl. o. S. 391) nicht in allgemeiner Form vertieft werden. Hingewiesen sei nur auf einige wichtige Schlagworte, insbesondere auf solche, die auch für die folgenden Überlegungen noch von Bedeutung sind:982 Ob überhaupt ein Unterlassen oder ein Tun vorliegt, wird bekanntlich von der wohl h. M. und insbesondere auch der Rechtsprechung normativ nach dem „Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit bestimmt“.983 Allerdings ist dieses Vorgehen verbreiteter Kritik ausgesetzt. Diese erhebt vor allem den Vorwurf, dass durch das Abstellen auf den Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit „in einer gleichsam oberflächlichen Gesamtprüfung das Ergebnis, das eine gründliche Deliktsprüfung erst aufdecken soll, vorweggenommen“ werde.984 Das sei umso bedenklicher, weil von dieser Entscheidung häufig nicht nur der Einstieg in die Prü982 So muss etwa auf den alten Streit um die Möglichkeit einer Kausalität des „Unterlassens“ nicht eingegangen werden (vgl. dazu nur Jescheck / Weigend, AT, § 59 III 2 – 4 = S. 617 ff.). Hier wird im Folgenden – insoweit wiederum in Überstimmung mit der Rechtsprechung und auch der weit überwiegenden Lehre – vom Erfordernis einer „Quasikausalität“ ausgegangen, nach der das Unterlassen kausal ist, wenn der Erfolg bei einem Handeln des Täters mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit entfiele (vgl. nochmals Jescheck / Weigend, AT, § 59 III 3, 4 = S. 619, sowie Gropp, AT, § 11 Rn. 71 und Wessels / Beulke, AT, Rn. 711). Die Anwendung der Risikoerhöhungslehre ist – wie schon oben (zu Fußn. 832) angedeutet wurde – besonders im Unterlassungsbereich Bedenken ausgesetzt, da es hier an einer ersten Vermittlung durch die feststehende Kausalität zwischen Verhalten und Erfolg gerade fehlt, vgl. zutreffend Jescheck / Weigend, § 59 III 4 a.E. = S. 620. 983 Vgl. statt vieler aus der Rechtsprechung bereits BGHSt 6, 46, 59; BGH NJW 1953, 1924; aus der Literatur Kühl, AT, § 18 Rn. 14, sowie Wessels / Beulke AT, Rn. 699 ff.; krit. etwa Otto AT § 9 Rn. 2 ff. und wohl auch Jescheck / Weigend, § 58 II 3 = S. 604 f. 984 So etwa die Formulierung bei Otto, AT, § 9 Rn. 2. Ausführlicher zur (durchaus differenzierenden) Kritik an der „Schwerpunktformel“ Stoffers, Die Formel „Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit“ bei der Abgrenzung von Tun und Unterlassen?, passim, sowie ders., JuS 1993, 23, 27 ff.

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fung, sondern die Strafbarkeit abhinge.985 Andererseits ist der h. M. zuzugestehen, dass Kriterien wie der Energieeinsatz oder die Kausalität teils zu willkürlichen, teils zumindest zu wertungsmäßig fragwürdigen Entscheidungen führen, wenn man sie nicht ihrerseits wieder dadurch relativiert, dass man etwa in bestimmten Konstellationen den Zurechnungszusammenhang zwischen dem kausalen Energieeinsatz und dem Erfolg verneint und damit dann gewissermaßen subsidiär zum Unterlassen kommt.986 Deshalb soll hier für die folgenden Überlegungen die Argumentation mit dem Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit jedenfalls nicht generell verworfen werden, wenn plausible Gründe für die Schwerpunktsetzung angegeben werden können.987 Kommt man auf dieser Grundlage zu einem Unterlassen, so ist – die übrigen Tatbestandsmerkmale vorausgesetzt – als zusätzliche Voraussetzung eine Garantenpflicht des Täters erforderlich, die sich aus einer speziellen Garantenstellung ergeben kann. Die möglichen Grundlagen solcher Garantenpositionen sind – trotz weiten Konsenses im Grundsätzlichen und in vielen einfach gelagerten Fällen – in ihren Details umstritten.988 Eine allgemeine Erörterung ist hier weder möglich noch erforderlich; ausreichend ist vielmehr, wenn im Anschluss auf einzelne spezifische Probleme im Zusammenhang mit berufsbedingten Unterstützungshandlungen eingegangen wird.

Vgl. Jescheck / Weigend, AT, § 58 II 3 = S. 605. Das zeigt etwa die Behandlung von klassischen „Problemfällen“ bei Otto, AT, § 9 Rn. 4 ff., der selbst die Schwerpunktformel ablehnt (vgl. Fußn. 984): So löst er den Fall des „Abschaltens eines Beatmungsgerätes“ (bei dem man nur über den „Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit“ zu einem Unterlassen kommen kann) ohne Entscheidung in der Sache mit der Möglichkeit einer Straflosigkeit bei Realisierung „des grundgesetzlich garantierten Rechts auf Behandlungsfreiheit des Kranken“. Dieser Gesichtspunkt ist sicher wichtig, umgeht aber das Problem. Noch deutlicher zeigt dies die Behandlung des „Abbruchs von Rettungsmaßnahmen“: Durch die Beschränkung der Annahme eines Tuns auf Fälle, in denen „eine bereits existent gewordene – objektivierte – Rettungschance“ besteht, darf mangels gegenteiliger Ausführungen unterstellt werden, dass im Ergebnis die Rücknahme von noch nicht konkretisierten Rettungshandlungen mit der h. M. als Unterlassen gedeutet werden soll. Aber auch das ist im Einzelfall (so beim Zurückziehen eines Rettungsringes, bevor das Opfer in dessen Nähe ist, den es aber sonst erreicht hätte) mit Kriterien wie dem Energieeinsatz und der Kausalität nicht ohne weiteres zu begründen, wenn nicht auf Wertungsebene ein Zurechnungszusammenhang verneint wird. 987 Insoweit ist Otto, AT, § 9 Rn. 2 durchaus zuzustimmen: Das intuitive Vorgehen danach, „wo diese Verhaltensweise als strafbare erlebt wird“, ist in der Tat als Begründung unzureichend. 988 Vgl. statt vieler nur die ausführliche Darstellung mit zahlreichen vertiefenden Nachweisen bei Otto / Brammsen, Jura 1985, 530 ff.; 592 ff.; 646 ff.; vertiefend und weiterführend aus späterer Zeit insb. Vogel, Norm und Pflicht bei den unechten Unterlassungsdelikten, S. 301 ff. 985 986

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3. Teil: Grundlegungen einer eigenen Lösung

b) Berufsbedingte Unterstützungshandlungen als bloßes Unterlassen von gebotenen Differenzierungen? Wie kann nun der Unterlassungsdogmatik eine begrenzende Funktion für unsere Fälle zukommen? Ausgangspunkt der Überlegungen ist, dass beim Unterlassungsdelikt in Gestalt der Garantenposition ein zusätzliches, in dieser Form nach h. M. beim Begehungsdelikt nicht erforderliches Merkmal erfüllt sein muss. Die Zurechnung könnte nun in all den Fällen, in denen es an einer solchen Garantenstellung fehlt, ausscheiden, soweit berufsbedingte Unterstützungshandlungen im Kern eigentlich als bloße Unterlassungen interpretiert werden müssten. Dieser Gedanke, der – soweit ersichtlich – im vorliegenden Zusammenhang noch nicht systematisch vertieft wurde,989 würde sich darauf stützen, dass (nach der Formel vom Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit) dem Berufsträger an sich nicht vorgeworfen werden kann, seine übliche Geschäftshandlung auszuführen. Vorwerfbar ist vielmehr, dass er bei diesen Handlungen nicht ausreichend danach „differenziert“, ob dadurch eine Straftat gefördert wird oder nicht. D. h. strukturell könnte man „bei regulären Geschäften ( . . . ) eine Unterlassungstat“ sehen, wenn man die Betonung darauf legt, „eine ,Ausnahme‘ zu fordern (Verbrechern kein Benzin zu verkaufen o. ä.)“.990 Ein spezielles, in seiner Struktur durchaus typisches und daher weiterführendes Beispiel, bei dem dieser Weg in der jüngeren Vergangenheit eingeschlagen wurde, betraf die nicht notwendig, aber praktisch doch zumeist beruflichen Aktivitäten von Internet-Providern. Hierbei ging es um die Frage, ob bei der Verbreitung illegaler Inhalte über das Internet neben den Urhebern dieser Inhalte auch die unterschiedlichen Internetdiensteanbieter 991 – sei es als Gehilfen, sei es als Nebentäter – strafrechtlich zur Verantwortung zu ziehen sind. Bevor in Deutschland relativ rasch eine ihrer Konzeption nach zwar nicht abschließende, de facto aber doch viel vorentscheidende Sonderregelung in Gestalt von § 5 TDG geschaffen wurde, begann eine Diskussion um die Grenzen der Providerverantwortlichkeit nach allgemeinen strafrechtsdogmatischen Grundsätzen.992 Erste (da die Verantwortlichkeit des Providers potentiell am klarsten begrenzende) Frage war dabei, ob dem Provider ein Tun (nämlich das Zurverfügungstellen einer – mehr oder weniger missbrauchsanfälligen – Infrastruktur) oder ein Unterlassen (nämlich entsprechender Überwachungs- und Filtermaßnahmen) vorzuwerfen ist. Nach dem „Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit“ spricht nun viel dafür, oft „nur“ von einem

989 Vgl. aber nochmals im Zusammenhang mit dem ähnlich gelagerten Problem bei § 258 StGB Arzt / Weber, BT, § 26 Rn. 10 (dort Fußn. 16) unter Hinweis auf Fletcher, Rethinking Criminal Law, S. 640 ff., 675 ff., sowie im Zusammenhang mit einer Strafbarkeit von Bankmitarbeitern wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung Lüderssen, Grünwald-FS, S. 329, 331, 333. 990 Vgl. nochmals Arzt / Weber, BT, § 26 Rn. 10 (dort Fußn. 16), Zitat grammatikalisch angepasst. 991 Also insb. die sog. Host-Service-Provider, die auf ihren Rechnern fremde Inhalte zum Abruf bereit halten, die Access-Provider, die den Zugang zum Internet vermitteln, und sogar die Network-Provider, welche die Netze und Knotenpunkte für den internationalen Datenverkehr zur Verfügung stellen. 992 Grundlegend Sieber, JZ 1996, 429 ff., 494 ff. Vgl. ferner ders., in Hoeren / Sieber, Kap. 19 Rn. 327 ff.; knapp zusammenfassend auch Kudlich, Jura 2001, 305, 309.

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Unterlassen des Providers auszugehen:993 Das Angebot einer „Infrastruktur“ für das Internet ist als solches nicht nur sozial-adäquat, sondern sogar mit Blick auf die vielfältigen Vorteile eines jedermann zustehenden Informations- und Kommunikationsmediums nützlich und wünschenswert. Vorgeworfen werden kann dem Provider daher nicht, dass er eine solche (zumindest in den meisten Bereichen ganz überwiegend legal genutzte) Infrastruktur zur Verfügung stellt, sondern allenfalls, dass er drohende Missbräuche nicht durch Kontroll- und Filtermaßnahmen wirkungsvoll unterbindet.

Bei genauerer Betrachtung wird deutlich, dass diesen Überlegungen tatsächlich ein gewisses Lösungs- und vor allem ein beträchtliches Differenzierungspotential zukommt, dass aber umgekehrt bei Weitem nicht alle problematischen Fälle damit gelöst werden können: (1) Das eben genannte Provider-Beispiel zeigt, dass es durchaus Konstellationen gibt, in denen jedenfalls nach der „Schwerpunktformel“ die Bewertung als „Unterlassen“ (von Kontrollen, Differenzierungen etc.) überwiegt. Strukturell zeichnen sie sich dadurch aus – und auch hierfür ist der Provider ein gutes Beispiel – dass das grundsätzlich sozial-nützliche Handeln des Berufsträgers nicht nur abstrakt vorgeprägt ist, sondern wegen des Erreichens einer Vielzahl von Kunden durch ein einheitliches aktives Handeln auch konkret unabhängig von dem (oder den) einzelnen Kunden vorgenommen würde, der (oder die) illegale Zwecke verfolgt (bzw. verfolgen). Die drei Strukturprinzipien – an sich sozialer Nutzen (bzw. zumindest soziale Üblichkeit), – gleichzeitiges Erreichen einer Vielzahl von Kunden durch eine einheitlich aktive Handlung und – zahlenmäßig starkes Überwiegen der legalen Nutzung der aktiven Handlung

machen in ihrer Kombination das Urteil plausibel, dass der Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit nicht auf der einheitlichen, typischerweise und auch konkret überwiegend legal genutzten aktiven Handlung liegt, sondern auf dem unterlassenen „Aussondern“ der Kunden, die mit der Leistung illegale Zwecke verfolgen. Gerade wegen des Moments der Nutzung einer einheitlichen aktiven Handlung ist es wenig erstaunlich, dass hier überwiegend Fälle einschlägig sind, in denen es wie oben im Providerbeispiel um die Schaffung einer Infrastruktur oder aber das automatisierte und dann nicht näher kontrollierte Zur-Verfügung-Stellen von Leistungen geht. Vergleichbar mit der Providerproblematik sind etwa der Verkauf von Waren an einem Automaten994 oder das Angebot eines öffentlichen Verkehrsmit993 Sieber, in: Hoeren / Sieber, Kap. 19 Rn. 334 kommt allerdings selbst bei einer Abgrenzung nach dem Kriterium des „Energiereinsatzes“ letztlich zu einem Unterlassen, da hinsichtlich des Tuns in Gestalt des Serverbetriebes der Zurechnungszusammenhang durch das eigenverantwortliche Tätigwerden des Urhebers unterbrochen werde, so dass nur noch das Unterlassen als Anknüpfungspunkt einer weiteren Prüfung übrig bleibe. Das bestätigt die oben zu und in Fußn. 986 gegebene Einschätzung. 994 Vgl. bereits oben S. 185 das „Brötchenautomatenbeispiel“, das jedenfalls hinsichtlich anderer – genauso gut „vergiftbarer“ – Nahrungsmittel durchaus keine Fiktion darstellt.

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3. Teil: Grundlegungen einer eigenen Lösung

tels:995 Wenn der Fahrer einer vollbesetzten Straßenbahn seine Fahrt zum zwei Haltestellen entfernten Bahnhof fortsetzt, obwohl er Kenntnis davon hat, dass ein soeben eingestiegener Fahrgast dort einen betrügerischen Geschäftstermin hat, wird man ihm auch kaum vorwerfen wollen, dass er die Fahrt fortgesetzt hat und nicht alle Gäste dieser und nachfolgender Bahnen über längere Zeit warten und ihre Züge verpassen ließ. Wenn ihm etwas vorgeworfen werden kann, dann allenfalls, dass er es unterlassen hat, die Fahrt gerade des Gastes mit deliktischen Plänen zu verhindern. Dieses Beispiel verdeutlicht auch das Differenzierungspotential des Ansatzes. Denn dass bei einem Taxifahrer, der nur einen Kunden zu dem allein von diesem bestimmten Ort bringt und daher die Fahrt ohne Schaden für andere Fahrgäste verweigern könnte, die Frage nach dem Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit mit guten Gründen anders entschieden werden könnte, liegt auf der Hand. Zuletzt können die Kriterien des „an sich sozialen Nutzens“ und vor allem des „Überwiegens der legalen Nutzung“ verhindern, dass durch die Errichtung einer (nicht nur vereinzelt missbrauchbaren, sondern zielgerichtet) illegalen Infrastruktur eine „Flucht in die Unterlassung“ gelingt. (2) Umgekehrt können aber eben nicht alle Fälle „neutraler, berufsbedingter Unterstützungshandlungen“ auf diese Weise zu einem Unterlassen „uminterpretiert“ werden. Denn es ist zwar zuzugeben, dass das Element einer „unterlassenen Differenzierung“ tatsächlich in all diesen (oder zumindest den allermeisten) Fällen auszumachen ist.996 Damit ist aber – und zwar nicht nur nach dem Kriterium des Energieeinsatzes, sondern auch nach der Schwerpunktformel – noch nicht entschieden, dass letztlich nur ein Unterlassen relevant ist. Anerkanntermaßen führt auch in anderen Fällen ein „Unterlassenselement“ allein noch nicht zwangsläufig dazu, dass ein Unterlassungsdelikt anzunehmen ist: So ist z. B. gerade bei Fahrlässigkeitsdelikten das „Außer-acht-Lassen“ der erforderlichen Sorgfaltspflicht konstitutives Merkmal auch in Fällen aktiven Tuns, so dass hierin allenfalls ein ganz schwaches Argument für die Annahme eines Unterlassens liegen kann.997 Das zeigt, dass die hier aufgestellten Forderungen insbesondere nach dem „gleichzeitigen Erreichen einer Vielzahl von Kunden durch eine einheitlich aktive Handlung“ nicht Grundlage, sondern bereits Ergebnis einer differenzierten Betrachtung sind. Natürlich könnte man konstruktiv bei allen reinen Erfolgsdelikten auf den Gedanken verfallen, nicht auf das aktive, erfolgsverursachende Tun, sondern auf die unterlassene Differenzierung abzustellen, ob das Tun konkret zu einem verbotenen Erfolg führen kann. Beispielhaft: der gezielte Schuss auf einen Menschen wäre dann nicht als Tun, sondern als UnterlasVgl. dazu auch bereits Kudlich, JZ 2000, 1178, 1179. Vgl. nochmals den Hinweis auf Fletcher (o. Fußn. 37). 997 Vgl. statt aller nur Jescheck / Weigend, AT, § 58 II 2 = S. 603 f.; Wessels / Beulke, Rn. 700. Deshalb ist auch zweifelhaft, ob man mit Lüderssen, Grünwald-FS, S. 329, 331, 333 tatsächlich davon ausgehen kann, dass – auf Grund der Üblichkeit und Sozialadäquanz einer „normal“ gestalteten Überweisung – in den Steuerhinterziehungsfällen (vgl. Fußn. 37) nur auf das Unterlassen der korrekten Dokumentation abgestellt werden könne. 995 996

C. Strafrechtsdogmatische Grundlagen

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sen der gebotenen Differenzierung zwischen Schüssen am Schießstand und auf den Ehegatten im heimischen Wohnzimmer zu bewerten. Dieses Beispiel zeigt aber zugleich, dass ein Abstellen auf das Unterlassen von Ausnahmen bzw. Differenzierungen nur dann im Mittelpunkt stehen (und das Abstellen auf den Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit nur dann zu überzeugenden Ergebnissen führen) kann, wenn gute Gründe dagegen sprechen, das völlige Unterlassen der Handlung selbst zu verlangen. Ist dies im konkreten Fall ohne Schwierigkeiten möglich und nicht mit nennenswerten Nachteilen verbunden, muss nicht auf Ausnahmen oder Differenzierungsmöglichkeiten zurückgegriffen werden. Wollte man dies anders sehen und generell nur auf die unterlassene Differenzierung zwischen schadensstiftenden und harmlosen Kausalverläufen abstellen, müsste man diesbezüglich zugleich eine umfassende Garantenpflicht des Einzelnen annehmen. Denn die Verhaltensnormen der strafrechtlichen Verbote fordern ja gerade dazu auf, in seinem Verhalten grundsätzlich diese Differenzierung zu treffen (und sich für harmlose Kausalverläufe zu entscheiden). Führt ein so erweiterter Unterlassungsbegriff aber zugleich zu einer spiegelbildlichen Ausweitung der Garantenstellung, ist durch diese umständliche Konstruktion nichts gewonnen. Hielte man dagegen auf dieser Grundlage zumindest fallweise eine entsprechende „Differenzierungsverpflichtung“ nicht für gegeben, ließe sich dies nur mit normativ begründeten Ausnahmen von der grundsätzlich bestehenden Garantenpflicht erklären. Wenn man solche aber in der Sache anerkennt, ist es kaum schwerer, diese wertenden Ausnahmen auch bei der Annahme von aktivem Tun zu begründen.

c) Zur Garantenstellung der Berufsträger für durch ihre Handlungen unterstützte Verhaltensweisen Soweit sich nun das berufsbedingte Verhalten als Unterlassen interpretieren lässt, wird die Frage nach einer Garantenpflicht entscheidend.998 Eine solche kann bei beruflichem Handeln durchaus bestehen, soweit es gerade generell zu den Aufgaben des Berufsträgers gehört, für ein bestimmtes Rechtsgut Sorge zu tragen (wie es z. B. bei den am Anfang der Arbeit erwähnten Amtsträgern im Umweltbereich denkbar ist999). Allerdings liegt in diesen Fällen das Unterlassen weniger in der „mangelnden Differenzierung“, sondern im fehlenden Eingreifen bei einer drohenden Gefahr (z. B. einer Umweltbeeinträchtigung, gegen die nicht eingeschritten wird) begründet. Es geht also um Fälle, die mit den sonst hier interessierenden strukturell nicht vergleichbar sind und in denen es – jedenfalls so weit die Garantenstellung reicht – auch gerade an der Neutralität des Verhaltens fehlt.1000 Von solchen Konstellationen einmal abgesehen, wird es jedoch – wenn eine im hier verstandenen Sinne neutrale Verhaltensweise vorliegt – an einer Garantenstel998 Vgl. zu den unterschiedlichen Garantenpflichten nochmals ausführlich Otto / Brammsen, Jura 1985, 530 ff.; 592 ff.; 646 ff. 999 Vgl. o. S. 40. 1000 Um noch einmal auf das Beispiel des Amtsträgers im Umweltbereich zurückzugreifen: Wenn er entgegen den gesetzlichen Vorgaben gegen eine Umweltbeeinträchtigung nicht einschreitet, handelt er i.d.R. nicht „neutral“, nämlich nicht in der für solche Fälle üblichen Weise auf Grund eines vorgefassten Handlungsentschlusses.

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3. Teil: Grundlegungen einer eigenen Lösung

lung gerade auf Grund der Berufsausübung regelmäßig fehlen:1001 Soweit man die Annahme einer Ingerenz erwägt, da die „Gefahr“ des späteren Missbrauchs auf der vorangegangenen Leistung des Berufsträgers beruht, spricht hiergegen gleich eine ganze Reihe von Gründen. Zunächst ist die Berechtigung dieser Möglichkeit einer Garantenposition in der Literatur schon grundsätzlich umstritten.1002 Hält man eine solche auf dem Boden der – in sich wieder stark differenzierenden – h. M.1003 grundsätzlich für möglich, kann an sich auch nicht auf die Erbringung der Leistung abgestellt werden (die ja in den hier konkret zu untersuchenden Fällen gerade nur unrelevante Begleiterscheinung des strafrechtlich bedeutsamen Unterlassens ist!), sondern nur auf das generelle Angebot entsprechender Leistungen.1004 Dass hierauf keine Ingerenz gestützt werden kann, wenn man mit der wohl überwiegenden Ansicht die Pflichtwidrigkeit des aktiven (Vor-)Verhaltens fordert,1005 liegt auf der Hand. Denn das generelle Angebot berufsbedingter neutraler Leistungen ist gerade nicht pflichtwidrig, sondern ebenso „normal“ wie sozial nützlich. Allerdings wird verbreitet und mit beachtlichen Argumenten insbesondere dann auf das Erfordernis der Pflichtwidrigkeit verzichtet, wenn dem Täter kein Eingriffsrecht (wie etwa die Notwehr1006) zusteht, sondern er „nur“ im „erlaubten Risiko“ handelt.1007 Für diesen Ansatz könnte geltend gemacht werden, dass derjenige, der seinen Handlungsspielraum auf Kosten bestimmter Personen erweitert und sie Gefahren aussetzen darf, diesen Personen gegenüber sicherungspflichtig sein sollte, wenn sich die Gefahr in erkennbarerer Weise verdichtet.1008 Diese Überlegung stimmt mit dem oben zum erlaubten Risiko mehrfach betonten Prinzip der 1001 Dass in Einzelfällen einmal aus anderen Gründen eine Garantenstellung bestehen kann (so z. B. wenn der verkaufte Schraubenzieher genutzt werden soll, um in die Wohnung der greisen Eltern des Verkäufers einzubrechen), ist natürlich möglich. Allerdings handelt es sich dann um kein spezifisches Problem der hier interessierenden Frage mehr. Vgl. aber unten im Zusammenhang mit der Frage, ob das Vorliegen einer Garantenstellung haftungsverschärfende Wirkung haben kann, S. 417 f. 1002 Ablehnend etwa Brammsen, Die Entstehungsvoraussetzungen der Garantenpflichten, S. 332 m. w. N.; Schünemann, GA 1974, 231 ff. 1003 Vgl. nur die – Ansichten mit unterschiedlichen Akzentuierungen berücksichtigenden – Nachweise bei Otto, Hirsch-FS, S. 291, 302, dort Fußn. 33. 1004 Anders gewendet: Es geht nicht etwa um Garantenpflichten, die nach dem Inverkehrbringen von gefährlichen Gegenständen möglicherweise auftreten (dazu in jüngerer Zeit: Otto, Hirsch-FS, S. 191 ff.), sondern um Garantenpflichten, die schon beim als Unterlassen einer Differenzierung interpretierten Inverkehrbringen selbst begründet sind. 1005 Zum grundsätzlichen Erfordernis einer pflichtwidrigen Gefahrschaffung vgl. etwa Baumann / Weber / Mitsch, AT, § 15 Rn. 64 ff.; Gropp, AT, § 11 Rn. 33; Jescheck / Weigend, AT, § 59 IV 4 a = S. 625 m.v.w.N. (auch zur Gegenansicht), dort Fußn. 53. 1006 Vgl. etwa BGHSt 23, 327 f., wo in der Rechtsprechung das Erfordernis der Pflichtwidrigkeit statuiert wurde. 1007 Vgl. nur dezidiert Otto, AT, § 9 Rn. 81 m. w. N. (dort Fußn. 54, 57) sowie sorgfältig begründet ders., Hirsch-FS, S. 291, 303 ff.; in der Tendenz auch (wenngleich abwägend) Stratenwerth, AT, § 13 Rn. 31 ff. 1008 Vgl. Otto, AT, § 9 Rn. 81 a.E.

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„fortbestehenden Vermeidepflicht“ überein. Ferner kennt die herrschende Garantendogmatik in Gestalt der Sachherrschaft über eine Gefahrenquelle durchaus auch selbst Fälle, in denen ein gefährliches, aber nicht pflichtwidriges „Vorverhalten“ eine Garantenstellung begründet. Insoweit ist keinesfalls selbstverständlich,1009 dass für die einmalige, eher akute Gefahrschaffung insoweit andere Regeln gelten müssen als für die dauernde Gefahrenquelle.1010 Andererseits wurde in der Rechtsprechung für das konkrete Beispiel eines sich völlig ordnungsgemäß verhaltenden Autofahrers – und damit immerhin für eine Verhaltensweise, deren generelle Gefährlichkeit im Zivilrecht eine verschuldensunabhängige Halterhaftung begründet1011 – betont, dass „ein sozial übliches und von der Allgemeinheit gebilligtes Vorverhalten regelmäßig nicht zu einer Garantenstellung führen kann.“1012 Zur Begründung weist Otto (der zum selben Ergebnis kommt wie die Rechtsprechung, obwohl er an sich außerhalb von Eingriffsrechten auf das Pflichtwidrigkeitserfordernis verzichten will) darauf hin, dass die „Gefahr, die sich im Erfolg realisiert hat, ( . . . ) nicht die Gefahr des Autofahrens gewesen“ sei, wenn – wie im Fall des BGH – das Opfer dem Fahrer seinerseits unaufmerksam vor dem Wagen gelaufen ist.1013 Roxin weist ergänzend darauf hin, dass bei einem Verhalten ohne Handlungsunwert letztlich „unter rechtlichen Gesichtspunkten“ ein „Unglückfall“ vorgelegen habe, der „aber ( . . . ) keine Garantenstellung“ begründe.1014 Beide Stellungnahmen weisen auf den richtigen Weg: Auch wenn man das Autofahren – wie es weit verbreitet getan wird – als „erlaubtes Risiko“ (und nicht als rechtlich völlig irrelevante Gefahrschaffung) einordnet, kann eine 1009 Eine Erklärung dahingehend, dass für die nur einmalige / kurzzeitige Gefahr im Übrigen höhere Anforderungen an eine Haftung gerechtfertigt seien, ist zwar vordergründig überzeugend, aber dennoch Einwänden ausgesetzt. Denn für das konkret betroffene Rechtsgut spielt es keine Rolle, ob die Gefahrenquelle schon länger oder kürzer bestand, bevor sie sich im konkreten Fall auszuwirken begann. 1010 Vgl. Otto, AT, § 9 Rn. 81, sowie allgemein mit dem Hinweis auf „Gefahrabwendungspflichten“ auch bei erlaubten Risikohandlungen Kühl, AT, § 18 Rn. 93, sowie Maiwald, JuS 1981, 473, 482 f. (mit dem Gedanken der „Konkretisierung der Gefahr“). 1011 Vgl. zum Zusammenhang zwischen Handlungsfreiheit, Risiko und rechtlicher Verantwortlichkeit mit Blick auf die Halterhaftung Kudlich, Schlüchter-FG, S. 13, 15 f. 1012 Vgl. BGHSt 25, 218, 221; explizit zustimmend trotz der generellen Gefährlichkeit des Autofahrens Roxin, Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Allgemeinen Teil des Strafrechts, S. 146 f., 212 f.; zweifelnd Kühl, AT, § 18 Rn. 101 m. w. N. 1013 Vgl. Otto, AT, § 9 Rn. 76, 82; vgl. auch ders., Hirsch-FS, S. 291, 302 mit der Forderung, das vorangegangene Tun müsse „gerade im Hinblick auf den Erfolg ein gefährliches, d. h. risikobehaftetes gewesen sein, so daß es die nahe – adäquate, unmittelbare – Gefahr des Erfolgseintritts begründet“: Diese Voraussetzungen liegen bei neutralem Verhalten regelmäßig gerade nicht vor. 1014 Vgl. Roxin, Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Allgemeinen Teil des Strafrechts, S. 146 f., 213. Der gleiche Gedanke liegt im Übrigen der Überlegung von Otto, Hirsch-FS, S. 291, 304 zugrunde, dass ein Rückschluss vom Erfolgseintritt auf die Pflichtwidrigkeit des Vorverhaltens allenfalls in einem strikt objektiven Unrechtssystem möglich, aber mit der personalen Unrechtskonzeption der ganz heute h. M. unvereinbar ist.

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3. Teil: Grundlegungen einer eigenen Lösung

Erfolgsabwendungspflicht bei pflichtgemäßem Vorverhalten allenfalls eintreten, wenn in der konkreten Gefahr gerade eine Realisierung der abstrakten Gefahr liegt, also des Verhaltens, das trotz des auf fremde Kosten erweiterten Handlungsspielraums wegen seiner Nützlichkeit hingenommen wird.1015 Das muss dann aber auch für die hier interessierende Frage berufsbedingter Unterstützungshandlungen gelten: Eine Rettungspflicht bestünde nur, wenn gerade die erbrachte berufliche Leistung typischerweise gefährlich ist. Dies ist aber zumeist nicht der Fall, sondern die Gefahr geht (entsprechend wie oben von der Unachtsamkeit des Opfers) primär von dem deliktischen Verhalten des Dritten aus.1016 Die Konsequenz aus diesen Überlegungen ist, dass beim Fehlen eines pflichtwidrigen Vorverhaltens wegen der Erlaubtheit des Risikos die Gefahrschaffung als solche nur dann eine Garantenstellung aus Ingerenz begründen kann, soweit sich im Erfolg eine gesteigerte Gefahr realisiert, die gerade dem Vorverhalten (d. h. hier: der erbrachten Leistung, z. B. der gelieferten Sache) innewohnt. Soweit dagegen das Vorverhalten nur von einem Dritten zum Bestandteil seines pflichtwidrigen Verhaltens gemacht wird, scheidet eine Garantenstellung aus.1017 Für die Stringenz dieser Lösung spricht, dass ganz ähnlich auch bei der Frage nach einer Garantenstellung aus Sachherrschaft argumentiert werden müsste, die gerade als Vergleichsfall für die Möglichkeit einer Ingerenz auch bei pflichtgemäßem (erlaubt riskanten) Vorverhalten angeführt worden war. Die Voraussetzungen einer Garantenpflicht kraft Sachherrschaft sind nämlich – wie etwa der uneinheitliche und stark differenzierende Meinungsstand zur Garantenpflicht des Wohnungseigentümers zeigt1018 – im Einzelnen besonders dann umstritten, wenn Objekt der Sachherrschaft eine „an 1015 Vgl. zum Umschlagen abstrakter und konkreter Gefahren beim erlaubten Risiko auch nochmals Kindhäuser, GA 1999, 197, 219, der wohl nur scheinbar ein gegenteiliges Konzept vertritt, wenn er die strafausschließende Wirkung des erlaubten Risikos auf solche Fälle beschränkt, in denen sich die abstrakte Gefahr durch Konkretisierung gleichsam realisiert. Letztlich dürften drei Konstellationen zu unterscheiden sein: Auf der einen Seite des Spektrums die (hier im Autofahrerfall von Otto und Roxin angesprochene) Möglichkeit, dass die Risikoerhöhung vom Täter schon abstrakt in keiner Weise vermeidbar ist und auch nicht aus dem Risiko herrührt, das erlaubt wurde (z. B. bei Unachtsamkeit des Opfers): hier scheiden Rettungspflichten aus. Auf der anderen Seite des Spektrums die von Kindhäuser wohl vorrangig ausgegrenzten Fälle, in denen die mangelnde konkrete Vermeidbarkeit nicht auf den erlaubten (sondern auf anderen) Risiken beruht (etwa der Unachtsamkeit des Fahrers): hier führt das erlaubte Risiko notwendigerweise zu keinen Haftungseinschränkungen. Und gleichsam in der Mitte der Fall, in dem sich gerade das (abstrakt) erlaubte Risiko konkretisiert (z. B. bei einem unvorhersehbaren technischen Defekt): hier ist der Täter zwar grundsätzlich straflos, allerdings bleibt die Pflicht zur Nutzung konkreter Rettungsmöglichkeiten unberührt. 1016 Ähnlich Jakobs, GA 1999, 253, 262: Das muss nicht verwundern, da Jakobs für alle Fälle des (auch aktiven) Zusammenwirkens gewissermaßen den Garantenpflichten ähnliche Sonderverantwortungen voraussetzt. 1017 Eine ähnliche Wertung steht hinter der Entscheidung BGHSt 3, 203 ff., in der – bei einem späteren Fehlverhalten Dritter – eine Ingerenz bzw. eine Sorgfaltspflichtverletzung des Ersthandelnden nur für möglich gehalten wird, wenn vorhersehbar ist, dass die Ersthandlung notwendigerweise zu einer erheblichen Gefährdung führt. 1018 Vgl. nur Schönke / Schröder-Stree, § 13 Rn. 54 m.v.w.N.

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sich ungefährliche“ (und nur missbrauchbare) und keine (etwa auf Grund ihres „Restrisikos“ bei technischen Fehlern oder menschlichem Versagen) schon „an sich gefährliche“ Sache ist. Darüber hinaus wäre in diesen Fällen selbst bei Bejahung des grundsätzliches Vorliegens einer Garantenstellung fraglich, ob nicht der Zurechnungszusammenhang durch das oft vorsätzliche deliktische Verhalten des unmittelbaren Verletzers unterbrochen wird. Legt man dies zugrunde, kann man den Berufsträger kaum generell zum Garanten hinsichtlich all seiner beruflich erbrachten Leistungen (also z. B. der von ihm verkauften Gegenstände oder erbrachten Dienstleistungen) erklären. Gerade wenn diese Leistungen außerhalb ihrer eigentlichen, legalen Zweckbestimmung ausgenutzt werden, würde man ihn sonst de facto zum Garanten für alle seine Kunden machen – ein offensichtlich unhaltbares Ergebnis.

d) Zwischenergebnis Wird einem Berufsträger die Unterstützung fremder Straftaten durch neutrales Verhalten vorgeworfen, steckt darin immer zugleich auch der Vorwurf der „mangelnden Differenzierung“ zwischen der Erbringung der beruflichen Leistungen an rechtstreue und an deliktisch handelnde Kunden. Dieses „Unterlassenselement“ führt allerdings nicht automatisch dazu, dass nur ein Unterlassen vorgeworfen werden kann. Wie insbesondere das Fahrlässigkeitsdelikt (das maßgeblich durch das Außerachtlassen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt geprägt ist) deutlich zeigt, prägt nicht jedes „Unterlassenselement“ das Verhalten insgesamt so, dass auch im Rechtssinne nur ein Unterlassen vorliegen würde. Entscheidend ist vielmehr nach h. M., ob gerade der Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit auf dem Unterlassen liegt. Dies ist aber in den hier interessierenden Gestaltungen nur dann der Fall, wenn bei einer als solchen sozial üblichen Leistung durch eine einheitlich aktive Handlung gleichzeitig eine Vielzahl von Kunden erreicht wird und dabei die legale Nutzung dieser aktiven Handlung zahlenmäßig stark überwiegt. Dies ist insbesondere bei einer „automatisierten“ Leistungserbringung, vor allem ad incertas personas, oder bei der Schaffung einer sozial nützlichen, wenngleich missbrauchbaren Infrastruktur der Fall. Kann nach diesen Grundsätzen nur ein (unechtes) Unterlassen angenommen werden, so ist für die Strafbarkeit eine Garantenstellung erforderlich. Blendet man die für das Problem unspezifischen Sondersituationen aus, in denen der Berufsträger berufsbedingt generell für ein bestimmtes Rechtsgut zuständig oder gar zufällig auch aus anderen Gründen Beschützergarant für das Opfer ist, fehlt es zumeist an einer solchen Garantenstellung. Eine Ingerenz ist auf dem Boden der h. M. mangels Pflichtwidrigkeit der Gefahrschaffung zu verneinen. Eine solche Pflichtwidrigkeit ist zwar nach vorzugswürdiger Ansicht in Fällen des erlaubten Risikos nicht uneingeschränkt erforderlich, wohl aber dann, wenn die Gefahr nicht „aus der Gefährlichkeit der Sache“, sondern erst aus ihrer deliktischen Nutzung durch Dritte er-

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3. Teil: Grundlegungen einer eigenen Lösung

wächst. Mit den gleichen Überlegungen ist regelmäßig eine Garantenstellung kraft Sachherrschaft über eine Gefahrenquelle abzulehnen.

3. Haftungsverschärfung durch überlagernde Sondernormen Die bisherigen Überlegungen sind – auch soweit Fahrlässigkeits- und unechte Unterlassungsdelikte untersucht wurden – durch das Bemühen geprägt, für die abschließende Synthese der Überlegungen zu einer eigenen Lösung1019 eine breite Basis für zwar differenzierende, aber doch möglichst allgemeingültige Lösungsansätze zu schaffen. Allerdings gibt es Konstellationen, in denen nicht nur von ihrer tatsächlichen Gestaltung, sondern vor allem von den dafür speziell geltenden Rechtsvorschriften her neben den bisherigen allgemeinen Erwägungen noch weitere Gesichtspunkte zu beachten sein könnten. Dass diese dann für solche speziellen Fällen zu abweichenden Ergebnissen führen können, liegt auf der Hand. Die bisherige, in der Bestandsaufnahme des Meinungsstandes näher dargestellte Diskussion beschäftigt sich vor allem mit der Frage, wie sich die „Unterstützungstatbestände“ überlagernde Pflichten auswirken. Hier ist von Interesse, ob sich aus gewissen, im Interesse des beeinträchtigten Rechtsgutes bestehenden Pflichten des Berufsträgers auch eine „Vorwertung“ für die Frage nach der Strafbarkeit von Unterstützungshandlungen ergibt. Eine ausführlichere Behandlung vorstellbarerer (haftungsverschärfender, aber auch -begrenzender) Sondernormen wäre für eine Behandlung in den Grundlegungen des 3. Teils vielfach zu speziell und punktuell. Aus diesem Grund beschränkt sich die Darstellung an dieser Stelle auf eine Erörterung der die allgemeinen Grundsätze überlagernden Pflichten unmittelbar aus dem StGB.1020 Dazu wird im Folgenden untersucht, ob etwaige Garanten- (vgl. dazu sogleich a) oder allgemeine strafbewehrte Solidaritätspflichten (insbesondere nach §§ 138, 323c StGB, vgl. dazu sogleich b) des Berufsträgers auch dann zu seiner Strafbarkeit führen, wenn man nach allgemeinen Grundsätzen ein Konzept verfolgt, das in der konkreten Situation eine Verantwortlichkeit ausschließen würde.1021

a) Garantenstellung des Berufsträgers Relativ klar (und soweit behandelt auch einhellige Ansicht1022) dürfte sein, dass eine Garantenstellung des Berufsträgers dazu führt, dass er auch UnterstützungsVgl. u. S. 424 ff., insb. 439 ff. Eine Reihe von weiteren spezielleren Einzelbeispielen findet sich in der Exemplifizierung im 4. Teil, S. 467 ff. 1021 Einige – u. a. auch auf den Erkenntnissen zur Garantenstellung und den §§ 138, 323c StGB aufbauende – kurze allgemeine Grundsätze zu verantwortlichkeitsbeeinflussenden Sondernormen sind dem eigenen Lösungsvorschlag im 4. Teil (S. 439 ff.) vorbehalten. 1019 1020

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handlungen – und seien diese „noch so neutral“ – zu unterlassen hat. Wer verpflichtet ist, ein Rechtsgut gegen Unfälle, Naturkatastrophen, Angriffe Dritter (auch wenn mit diesen keine „gemeinsame Organisation“ besteht) usw. zu schützen, dem ist auch untersagt, die Beeinträchtigung dieses Rechtsgutes in irgendeiner Weise zu fördern. Die Relevanz dieser Fälle ist allerdings aus mehreren Gründen gering: Fälle von Beschützergarantenstellungen (etwa: die mit dem vergifteten Brötchen zu ermordende Frau des Käufers ist zugleich die Schwester des Bäckers) dürften praktisch selten sein. Überwachergarantenstellungen für die erbrachte berufliche Leistung scheiden – wie oben im Zusammenhang mit der Unterlassungsstrafbarkeit gezeigt wurde1023 – bei den meisten als neutral vorstellbaren Tätigkeiten aus. Und soweit tatsächlich einmal eine Garantenstellung vorliegt, käme es regelmäßig ohnehin auch zu einer Unterlassungsstrafbarkeit, so dass der möglicherweise zugleich zu bejahenden Strafbarkeit durch aktives Tun (vom Ausschluss einer Strafmilderung nach § 13 II StGB abgesehen1024) keine größere Bedeutung zukommt.

b) Vorwertung der §§ 138, 323c StGB Weit weniger klar ist die Sachlage, wenn die konkurrierende Handlungspflicht nicht als Garantenstellung unmittelbar eine Sonderverantwortlichkeit für das gefährdete Rechtsgut begründet, sondern wenn nur allgemeine Solidaritätspflichten im Raume stehen. Die Literatur nennt hier häufig die Vorschriften der §§ 323c, 138 StGB (die freilich auf Grund ihrer engen Voraussetzungen auch nur einen beschränkten Anwendungsbereich haben). Wie im 2. Teil bereits deutlich geworden, sieht eine Reihe von Autoren in den §§ 138, 323c StGB „Vorwertungen“, die zur Strafbarkeit der neutralen Unterstützungshandlung führen können,1025 was freilich 1022 Vgl. nochmals etwa Frisch, Verhalten und Zurechnung, S. 356 ff., der hier eine „Missbilligung“ auch ohne den von ihm sonst geforderten deliktischen Sinnbezug annimmt; Jakobs, ZStW 89 (1977), 1, 23, der im Übrigen ebenfalls für eine weitgehende Straflosigkeit von Alltagsgeschäften eintritt; Löwe-Krahl, Steuerhinterziehung, S. 43; Tag, JR 1997, 49, 56, sowie Roxin, Tröndle-FS, S. 177, 197, der hier eine Ausnahme von der Unbeachtlichkeit „willkürlicher Verknüpfungen“ anerkennt. 1023 Vgl. o. S. 411 ff. 1024 Da es sich um eine fakultative Strafmilderung handelt, ist selbst die Bedeutung dieses Punktes gering; denn es würde nahe liegen, diese bei einer schuldhaften und objektiv unterstützenden Tätigkeit im Vorfeld des Unterlassens zu versagen, selbst wenn man wegen der Unterstützung zu keiner Strafbarkeit kommen wollte. 1025 Vgl. nochmals Frisch, Verhalten und Zurechnung, S. 313 ff.; Hefendehl, Jura 1992, 374, 377; Tag, JR 1997, 49, 56; Wohlleben, S. 149. Nicht näher vertieft werden sollen hier die weiteren Differenzierungen von Frisch, a. a. O., S. 316 f., der dann keine Missbilligung annehmen möchte, wenn (insb. bei erst in fernerer Zukunft drohenden Taten) durch die berufliche Leistung noch keine relevante Gefahrsteigerung eingetreten ist und die Anzeige ohne Nachteile noch nachgeholt oder die Gefährdung anderweitig kompensiert werden kann. Darauf kommt es nicht an, wenn man – wie hier im Folgenden begründet – eine „Vorwertung“

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3. Teil: Grundlegungen einer eigenen Lösung

auch aus verschiedenen Gründen auf Kritik gestoßen ist.1026 Der Entscheidung dieser Frage ist vorauszuschicken, dass entgegen der Ansicht von Frisch (der den Topos der „Vorwertung“ begründet haben dürfte) kaum von einer „schon ( . . . ) induktiv ( . . . ) augenscheinlich notwendigen Differenzierung“ zu solchen Fällen, in denen die §§ 138, 323c StGB nicht konkurrierend hinzutreten, gesprochen werden kann.1027 Denn von der dann schwer vorstellbaren verbreiteten Kritik einmal ganz abgesehen, mag ein anderer Betrachter spontan umgekehrt „induzieren“ und davon ausgehen, dass eine Strafbarkeit auf einem so unsicheren Terrain umso eher ausscheiden kann, wenn wenigstens ein Auffangtatbestand wie §§ 138, 323c StGB besteht. Die Entscheidung muss also durchaus stärker rational begründet werden. Vorweg: Da §§ 138 I und 323c StGB Vorsatzdelikte sind und auch der Leichtfertigkeitstatbestand des § 138 III StGB noch das „glaubhafte Erfahren“ von dem Vorhaben voraussetzt,1028 spielt die Frage nach einer „Vorwertung“ überhaupt nur eine Rolle, wenn man in bestimmten Konstellationen auch bei (möglicherweise sogar direktem) Vorsatz eine Straflosigkeit der Förderungshandlung für möglich hält.1029 Diese Prämisse einmal unterstellt, geht es also darum, ob die in §§ 138, 323c StGB statuierte Pflicht die bei sonst für straflos gehaltenen Gruppen von Geschäften nicht bestehende Verantwortung für das bedrohte Rechtsgut begründen kann. Dafür mag man anführen, dass es ein „Wertungswiderspruch“ sei, „wenn man jemanden, der glaubhaft von einem geplanten Mord Kenntnis erhalten hat und in bezug auf dieses Vorhaben anzeigepflichtig ist, im gleichen Atemzug uneingeschränkt die Vornahme von Handlungen oder die Erbringung von Leistungen erlauben wollte, die dem potentiellen Täter diese seine geplante Tat ermöglichen oder erleichtern.“1030 Allerdings ist dieser Wertungswiderspruch bei genauerem Hinsehen zumindest nicht so gravierend: Denn immerhin werden – das ist ja die hier unterstellte Prämisse – diese „Handlungen oder ( . . . ) Leistungen“ gerade nicht als per se missbilligenswerte Unterstützungen betrachtet. Wenn man das darauf stützt, dass keine allumfassende Pflicht zur Vermeidung von fremden Straftaten besteht, ist man schon nahe beim Gedanken einer fehlenden speziellen Zuständer §§ 138, 323c StGB generell ablehnt; dass damit zugleich alle Einschränkungen einer Vorwertung gegenüber einer unbeschränkten Berücksichtigung für vorzugswürdig gehalten würden, versteht sich von selbst. 1026 Vgl. nochmals Beckemper, Jura 2001, 163, 166; Niedermair, ZStW 107 (1995), 507, 519 ff., sowie Wolff-Reske, S. 181. 1027 So aber Frisch, Verhalten und Zurechnung, S. 311 (nicht nur auf diese Fälle bezogen; vgl. aber auch S. 314, wo von der ersichtlichen Relevanz auch für diese Fragestellung die Rede ist). 1028 Leichtfertigkeit genügt also nur hinsichtlich der Nichtanzeige. Nicht ausreichend ist demgegenüber, wenn leichtfertig eine Möglichkeit nicht genutzt wurde, von dem Vorhaben zu erfahren. 1029 Insoweit ist es völlig konsequent, wenn gerade Frisch, der einen weiten Bereich der Geschäfts des täglichen Lebens aus dem Bereich der Strafbarkeit herausnimmt, besonderen Wert auf dieses Kriterium legt. 1030 Vgl. Frisch, Verhalten und Zurechnung, S. 314.

C. Strafrechtsdogmatische Grundlagen

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digkeit, wie es beim Unterlassungsdelikt die Garantenstellung wäre.1031 Dort sieht aber bekanntlich niemand einen Widerspruch darin, in bestimmten Situationen die „Zuständigkeit zum Handeln“ einerseits zu verneinen (wenn es an einer Garantenstellung fehlt), eine Pflicht zum Handeln sub specie § 323c StGB aber gerade zu bejahen. Überzeugender ist es daher, konkurrierende allgemeine Solidaritätspflichten für die Frage, ob der „unterstützte“ Erfolg „zugerechnet“ werden kann, unberücksichtigt zu lassen. Gegen eine Auswirkung auf die Strafbarkeit sprechen Aspekte, die man mit Wolff-Reske unter das Stichwort eines „normativen Stufenverhältnis“ fassen könnte:1032 Dabei steht nicht einmal so sehr der niedrigere Strafrahmen und damit auch Unrechtsgehalt im Vordergrund, obwohl auch dieser zu denken geben sollte, wenn ein Tatbestand mit einer Höchststrafe von fünf Jahren eine verbindliche Vorwertung darüber abgeben soll, ob etwa eine Beihilfe zum Mord erfüllt ist. Entscheidend ist vielmehr, dass in den Fällen der §§ 138, 323c StGB – selbst wenn sie mittelbar auch dem Schutz der bedrohten Rechtsgüter dienen – dem Täter nicht vorgeworfen wird, dass er für die Verletzung eines Rechtsgutes originär (mit) zuständig ist, sondern „nur“, dass er allgemeinen Solidaritätspflichten nicht nachgekommen ist. §§ 138, 323c StGB richten sich an jedermann (also z. B. auch den Kunden, der dem Verkaufsgespräch lauscht), während eine Verurteilung wegen Beteiligung an der Tat eine spezifische Sonderbeziehung – in der oben verwandten Terminologie: eine gemeinsame Organisation – zu Tat und Täter zum Ausdruck bringt. Wie aber eine jedermann gleichermaßen treffende Pflicht eine sonst nicht bestehende Sonderbeziehung begründen soll, ist schwer verständlich. Insofern führt auch der (isoliert durchaus zutreffende) Hinweis nicht weiter, dass die strafbewehrten Solidaritätspflichten gerade zum Ausdruck brächten, dass der Gesetzgeber in diesen Fällen den „Eingriff in die Handlungsfreiheit – samt strafweiser Durchsetzung“ für geboten hält.1033 Denn zum einen sind es unterschiedliche Handlungen bzw. Unterlassungen, die etwa von § 138 StGB und vom Verbot der Erbringung beruflicher Leistungen gefordert werden, so dass in die Handlungsfreiheit durch die zusätzliche Pönalisierung durchaus noch einmal in qualifiziert gesteigerter Weise eingegriffen würde. Zum anderen müsste gerade Frisch, der an 1031 Zum Gedanken einer – dort sogar ebenfalls als Garantenstellung bezeichneten – entsprechend erforderlichen Zuständigkeit auch beim Begehungsdelikt vgl. Jakobs, AT, Abschn. 7 Rn. 52 ff. 1032 Vgl. Wolff-Reske, S. 181 f. Freilich sind nicht alle bei Wolff-Reske genannten Einzelaspekte überzeugend: Wenn sie auf den Unterschied hinweist, dass bei den hier grundsätzlich interessierenden Verletzungsdelikten auch ein Verletzungs-, bei der unterlassenen Hilfeleistung aber etwa nur ein Gefährdungsvorsatz erforderlich ist, so wird dabei übersehen, dass auf diese subjektive Ebene von den Vertretern dieser Ansicht gar nicht abgestellt werden muss. Selbstverständlich ist das Verletzungsdelikt (etwa die Beihilfe) nur vollendet, wenn auch seine eigenen subjektiven Voraussetzungen erfüllt sind. Es geht gerade Frisch ja vorrangig darum, ob das Verhalten beim Eingreifen etwaiger Solidaritätspflichten objektiv anders (nämlich missbilligenswerter) erscheint. 1033 So Frisch, Verhalten und Zurechnung, S. 314.

27*

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3. Teil: Grundlegungen einer eigenen Lösung

anderer Stelle die Bedeutung des Erfordernisses einer spezifisch strafwürdigen Missbilligung betont,1034 konsequenterweise auch noch differenzierter danach fragen, ob die Missbilligung eines begehungsförmigen (oder zumindest -gleichen) Verletzungsdelikts erforderlich ist oder ob nicht die einer unterlassenen Solidaritätsleistung genügt.

c) Zwischenergebnis In bestimmten Konstellationen kann parallel zur „neutralen Unterstützung“ eine Handlungspflicht zugunsten des bedrohten Rechtsguts aus allgemeinen Solidaritätsvorschriften (§§ 138, 323c StGB) oder kraft einer Garantenstellung bestehen. Beide Sonderverpflichtungen sind aber ohne große praktische Auswirkung auf das Problem neutraler Unterstützungshandlungen: Den §§ 138, 323c StGB ist keine – über allgemeine Grundsätze hinaus strafbegründende – Vorwertung zu entnehmen, da sie keine spezielle Zuständigkeit für ein Rechtsgut begründen und auf Grund des normativen Gefälles zu den entsprechenden Verletzungsdelikten deren Auslegung nicht vorentscheidend prägen können. Eine etwaige – berufsunabhängig1035 – bestehende Beschützergarantenstellung gerade für das gefährdete Rechtsgut kann zwar eine solche Vorwertung entfalten, dürfte aber praktisch ausgesprochen selten sein.

IV. Zusammenfassung Die Untersuchung der strafrechtsdogmatischen Grundlagen hat Wege aufgezeigt, auf denen Sachgesichtspunkte, die für eine Privilegierung berufsbedingter Unterstützungshandlungen sprechen, umgesetzt werden könnten. Das gefundene Instrumentarium erscheint dabei differenzierend genug, um die gegenläufigen, teils abgestuften Interessen zu berücksichtigen und um auch solche Punkte, die gegen ein Privilegierung (und damit für eine Strafbarkeit) streiten, aufzunehmen. Wie bereits zu erwarten war, hat die Strafrechtsdogmatik aber nicht nur diese „Transformatorenfunktion“, sondern kann auch auf Topoi zurückgreifen, die auf den vorhergehenden Ebenen kaum eine explizite Rolle spielten (wie etwa das Zusammenwirken mehrerer). Die wichtigsten Ergebnisse der strafrechtsdogmatischen Grundlegungen, deren Zusammenführung untereinander sowie mit den allgemeinen und verfassungsrechtlichen Grundlagen dem abschließenden 4. Teil vorbehalten bleibt, lassen sich in der gebotenen1036 Kürze wie folgt zusammenfassen: Vgl. Frisch, Stree / Wessels-FS, S. 69, 85 ff., sowie dazu bereits oben S. 209 f. Zu gerade beruflichen Garantenstellungen vgl. bereits oben Fußn. 1000. 1036 Eine – insbesondere im Verhältnis zum Umfang von Abschnitt C – relativ knappe Zusammenfassung rechtfertigt sich aus verschiedenen Gründen: Zunächst sind anders als in den Zusammenfassung der Abschnitte A und B (S. 236 ff., 301 ff.) keine expliziten Fragen 1034 1035

C. Strafrechtsdogmatische Grundlagen

421

1. Begründung des Unwerturteils beim vorsätzlichen Begehungsdelikt Gewissermaßen das Grundmodell strafrechtlicher Verantwortungszuschreibung und damit Keimzelle (aber in Gestalt der Beihilfe auch wichtigster Anwendungsfall) der Prüfung einer Strafbarkeit für berufsbedingte Unterstützungshandlungen ist das vorsätzliche Begehungsdelikt. Auf seiner Folie wurde die Frage gestellt, wie ein – insbesondere äußerlich zunächst unauffälliges – Verhalten zu einem strafrechtlich relevanten wird: Dabei wurde nachgezeichnet, welche Schritte insbesondere im objektiven und subjektiven Tatbestand die Prüfung zu durchlaufen hat. Für die auf Grund der bisherigen Diskussion als möglicherweise besonders relevant erscheinende „objektive Zurechnung“ wurde entscheidend darauf abgestellt, ob ein Verbot des Verhaltens ex ante und ex post zum Schutz des Rechtsguts sinnvoll ist.1037 Aus den unter dem Stichwort der objektiven Zurechnung diskutierten Fallgruppen hat sich vorliegend besonders das tatbestandliche Verhalten selbst als bedeutsam erwiesen. Somit ist zugleich die Frage nach dem Handlungsunrecht in den Vordergrund getreten, das aus objektiven und subjektiven Elementen besteht. Diese können sich zwar nicht vollständig, aber doch teilweise (d. h. in ihrer geforderten Intensität) wechselseitig kompensieren. Als wesentlich hat sich herausgestellt, dass beim vorsätzlichen Handeln (im Vergleich zum fahrlässigen) dem Bürger viel weniger die Gefahr einer „Überforderung“ droht, so dass die objektiven Anforderungen an die Verantwortlichkeit weniger eng gefasst werden müssen.1038 Dieser Gedanke wirkt sich auch auf die Beurteilung des erlaubten Risikos aus, bei dem auf Grund einer Interessenabwägung gewisse risikoträchtige Verhaltensweisen toleriert werden, obwohl sie potentiell einen Beitrag zu einem deliktischen Erfolg darstellen können. Die außerhalb der ausnahmsweisen Gestattungen formalisierter Verletzungshandlungen auch hier fortbestehende „Erfolgsvermeidepflicht“ trifft den Bürger bei vorsätzlichem Handeln weit weniger schwer. Dies gilt auch bei „rollenüberschreitendem Sonderwissen“, generell aber allenfalls eingeschränkt bei bloßem dolus eventualis, da das Ausrichten das Handelns auf ein bloßes „Fürmöglich-Halten“ eines Erfolges stets eine belastendere „Breitenwirkung“ hat.1039

an die jeweils nachfolgende(n) Ebene(n) zu formulieren; des Weiteren finden sich kurze Zwischenergebnisse auch jeweils bereits am Ende jedes mit arabischen Ziffern bezeichneten Unterabschnitts (vgl. S. 316, 333, 349, 358, 373, 388, 405, 415 und 420); zuletzt werden wichtige Aspekte – nicht nur, aber vor allem auch – der strafrechtsdogmatischen Grundlagen in aufbereiteter Form auch im Rahmen der an diese Zusammenfassung anschließenden Querschnittsanalyse zu Beginn des 4. Teils wieder auftauchen (S. 424 ff.). 1037 Vgl. o. S. 308 ff. 1038 Vgl. o. S. 317 ff. 1039 Vgl. o. S. 333 ff.

422

3. Teil: Grundlegungen einer eigenen Lösung

2. Sonderfragen beim Zusammentreffen mehrerer Verursacher Einen strafrechtsdogmatisch teilweise vom Ausgangsfall des Alleintäters abweichenden Sonderfall stellt das Zusammentreffen mehrerer Verursacher dar. Seinen Besonderheiten kommt Bedeutung zu, da bei „Unterstützungsfällen“ nicht nur schon definitionsgemäß stets ein weiterer, unmittelbarerer Verletzer hinzukommt, sondern weil die Verantwortungsverteilung zwischen den Betroffenen auch in der bisherigen Diskussion unseres Problems ein wichtiger Streitpunkt ist. Die mit der Bewertung einer Straftat als gemeinschaftliches Werk verbundenen Zurechnungsakte setzen eine gewisse gemeinsame Organisation voraus, die das Zusammenwirken vom bloßen „Nacheinander“ voneinander unabhängiger Handlungen unterscheidet. Eine Strafbarkeitsgrenze ergibt sich daraus aber zunächst nur bei rein subjektiv-willkürlichen Verknüpfungen mit der Ersthandlung durch den Zweithandelnden. Im Übrigen ist den – freilich konkretisierungsbedürftigen – Tatbestandsmerkmalen der gesetzlichen Beteiligungsvorschriften bereits eine Beschreibung des Verhaltens zu entnehmen, das der Gesetzgeber für eine „gemeinsame Organisation“ eines Geschehens grundsätzlich genügen lassen will. Wer begründen will, dass trotz vorsätzlicher Unterstützung einer fremden Tat keine Strafbarkeit eintritt, trägt dafür die Argumentationslast und muss die Gründe benennen, die den von den gesetzlichen Eingangsdaten nahegelegten Zusammenhang normativ wieder durchbrechen:1040 Ein solcher Zusammenhang liegt insbesondere im akzessorischen Angriff auf das geschützte Rechtsgut, der den Strafgrund der Beihilfe bildet.1041 Aufgabe der Beihilfestrafbarkeit ist damit, die Chancenerhöhung eines vorsätzlichen Rechtsgutsangriffs durch einen weiteren, dessen „Schlagkraft“ steigernden Angriff zu verhindern. Daraus ergibt sich in Umsetzung der allgemeinen Grundsätze der objektiven Zurechnung als Anforderung an die Tathandlung der Beihilfe eine Gefahrerhöhung, die sich im eingetretenen Taterfolg auch realisiert. Diese Gefahrerhöhung kann nur unter Berücksichtigung hypothetischer alternativer Kausalverläufe sinnvoll beurteilt werden.1042 Ein Grund für die normative Durchbrechung des Zusammenhangs liegt im grundsätzlichen „Vertrauendürfen“ darauf, dass andere sich verkehrsgerecht (und insbesondere nicht deliktisch) verhalten. Dieser sog. Vertrauensgrundsatz, der zur Aufrechterhaltung üblicher Sozialkontakte in der Sache unverzichtbar ist, gilt allerdings dogmengeschichtlich wie auch strukturell vor allem für die Fahrlässigkeitsstrafbarkeit. Bereits die gesetzliche Regelung der Teilnahmestrafbarkeit zeigt, dass er bei Vorsatzdelikten erheblich eingeschränkt ist. Allerdings ist seine Anwendung bei nur bedingtem Vorsatz unter noch näher zu konturierenden Voraussetzungen (und jedenfalls dann, wenn es nur um die Voraussicht abstrakter Risiken geht) sinnvoll.1043 1040 1041 1042 1043

Vgl. o. S. 351 ff. Vgl. o. S. 359 ff. Vgl. o. S. 361 ff. Vgl. o. S. 373 ff.

C. Strafrechtsdogmatische Grundlagen

423

3. Zurechnungserleichterungen und -erschwerungen in besonderen Konstellationen Die auf der Basis allgemeiner strafrechtsdogmatischer Überlegungen zu gewinnende Lösung wird nicht in allen Fällen gleichbleibend Geltung beanspruchen können. Neben – die Erlaubtheit des Risikos potentiell beeinflussenden – berufsrechtlichen Sondernormen können als relevante Besonderheiten aus dem Kernstrafrecht Verantwortungserweiterungen oder -einschränkungen auftreten, soweit eine Fahrlässigkeitsstrafbarkeit existiert, nur ein Unterlassen vorliegt oder das neutrale Verhalten durch Sonderpflichten überlagert wird: a) Strukturell mag man zunächst meinen, dass in der Praxis (im Gegensatz zur theoretischen Erörterung) der Fahrlässigkeitsstrafbarkeit gegenüber der Beihilfe und anderen Vorsatzdelikten zumindest zahlenmäßig größere Bedeutung zukommt. Dass dem tatsächlich nicht so ist, liegt mehr noch als an der geringeren Zahl entsprechender Fahrlässigkeitsdelikte (welche im Übrigen vor allem ein Phänomen des Kernstrafrechts ist) daran, dass gerade die beiden zentralen Voraussetzungen der objektiven Vorhersehbarkeit und der Sorgfaltspflichtverletzung bei neutralem berufsbedingtem Verhalten nur selten vorliegen. Soweit sie aber einmal erfüllt sein könnten, ist die Grenze zur Annahme einer sicheren Voraussicht (und dann oft zu einer Vorsatzstrafbarkeit) sehr schmal.1044 b) Obwohl bei jeder Unterstützung fremder Straftaten durch neutrales Verhalten ein gewisser Vorwurf der „mangelnden Differenzierung“ zwischen der Erbringung der beruflichen Leistungen an rechtstreue und an deliktisch handelnde Kunden steckt, liegt im strafrechtlichen Sinn der Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit nur dann auf dem Unterlassen, wenn durch eine einheitliche aktive Handlung gleichzeitig eine Vielzahl von Kunden erreicht wird und dabei die legale Nutzung dieser aktiven Handlung zahlenmäßig stark überwiegt. Die dann erforderliche Garantenstellung liegt regelmäßig nicht vor. Insbesondere kann – von Sonderkonstellationen abgesehen – keine Ingerenz angenommen werden, da es an der Pflichtwidrigkeit des Vorverhaltens fehlt und bei an sich ungefährlichen Leistungen auch keine „Ingerenz ohne Pflichtwidrigkeit nach Handeln im erlaubten Risiko“ zu bejahen ist. c) Überlagernde Handlungspflichten zugunsten des jeweils bedrohten Rechtsguts aus allgemeinen Solidaritätsvorschriften (§§ 138, 323c StGB) oder kraft einer Garantenstellung sind ohne große praktische Auswirkung auf das Problem neutraler Unterstützungshandlungen: Die §§ 138, 323c StGB, weil sie als bloße Solidaritätsvorschriften keine Zuständigkeit für das Rechtsgut begründen und daher entgegen verbreiteter Ansicht keine ergebnisrelevanten „Vorwertungen“ enthalten; die – strukturell durchaus ergebnisrelevanten – (Beschützer-)Garantenpflichten, weil sie praktisch selten sind und dann untypische, problemunspezifische Sonderfälle betreffen.

1044

Vgl. o. S. 390 ff.

4. Teil

Synthese – Strafbarkeit berufsbedingter Unterstützungshandlungen Die Grundlegungen im 3. Teil haben zahlreiche Lösungsaspekte und zentrale Wertungsgesichtspunkte zu Tage gebracht. Um diese zu einem kompletten Lösungssystem zusammenzuführen, werden im Folgenden zunächst die zentralen Ausgangspunkte für die eigene Lösung im Wege einer Querschnittsanalyse aus den bisherigen Überlegungen „herausfiltriert“. Dabei wird untersucht, ob und gegebenenfalls welche Lösungsaspekte als „Leitgesichtspunkte“ auf den verschiedenen Ebenen der Grundlegungen, aber auch in der bisherigen Diskussion und zurück bis zur Einordnung der Fragestellung im 1. Teil immer wieder eine Rolle spielen (sogleich A.). Von diesen Ausgangspunkten werden dann – gewissermaßen als Synthese der hier angestellten Überlegungen – die eigenen Regeln für die Behandlung berufsbedingter Unterstützungshandlungen entwickelt (im Anschluss B.). Zur Exemplifizierung, zugleich aber auch als Konkretisierung und Überprüfung dieser Grundsätze, wird abschließend eine Reihe von Fallgruppen aus den unterschiedlichsten Bereichen beruflichen Handelns darauf hin untersucht, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen sie eine strafbare Unterstützung fremder Straftaten bilden könnten (zuletzt C.).

A. Querschnittsanalyse der bisherigen Überlegungen: Die Leitgesichtspunkte der eigenen Lösung Am Ende des 2. Teiles waren in einer Analyse der bisherigen Diskussion fünf Kernfragen mit ihren Unterfragen herausgearbeitet worden.1 Da diese „Kernfragen“ aber nicht das eigentliche Ziel der Untersuchung bilden (sondern vielmehr ihrerseits nur die besonders wichtigen Facetten des eigentlichen Untersuchungsgegenstandes bezeichnen), kann hier darauf verzichtet werden, die Antworten auf sie noch einmal zusammenzufassen. Interessanter sind vielmehr die einzelnen Sachgesichtspunkte, die zur Antwort herangezogen wurden und damit zugleich die Lösung des Ausgangsproblems tragen. Im Folgenden wird kurz erklärt, wie mit dem Ansatz einer „Querschnittsanalyse“ die Leitgesichtspunkte der bisherigen Ausführungen herausgefunden werden sollen (sogleich I.). Danach werden auf die1

Vgl. o. S. 164 ff.

A. Querschnittsanalyse der bisherigen Überlegungen

425

se Weise zunächst der Rahmen, in dem sich eine Lösung abspielen kann (im Anschluss II.), sowie danach die wesentlichen Lösungsaspekte (zuletzt III.) erarbeitet.

I. Der gedankliche Ansatz Für eine breite Fundierung der Lösung sind solche Aspekte besonders interessant, die sich durch alle drei Ebenen der Grundlegungen und sogar noch über diese hinaus bis in die ersten beiden Teile dieser Untersuchung ziehen. Wenn Arzt zutreffend feststellt, die strafrechtliche Dogmatik sei so verfeinert, dass häufig „gleiche Sachgedanken in verschiedener konstruktiver Einkleidung wiederkehren“,2 so gilt dies auch und erst recht, wenn der Bereich der Strafrechtsdogmatik verlassen und andere Rechtsgebiete oder sogar Nachbarwissenschaften in die Betrachtung mit einbezogen werden. Wendet man den Blick auf die hinter einzelnen dogmatischen Instituten stehenden Wertungen, so finden sich diese (z.T. unter anderen Bezeichnungen) auch bei anderen Figuren oder in parallelen Feldern der (Rechts-) Wissenschaft. Ziel der nachfolgenden „Querschnittsanalyse“ ist es daher, solche „Querschnittstopoi“ als Leitgesichtspunkte herauszuarbeiten und zu abstrahieren, die auf verschiedenen Ebenen eine Rolle spielen und damit maßgebliche Wertungsgesichtspunkte für die Fallentscheidung liefern. Freilich ist dabei darauf zu achten, dass die Ebene, auf der diese Topoi verortet werden, nicht zu tief gewählt wird, d. h. dass die Aussagen nicht zu allgemein formuliert werden. Würde man auf diese Weise sämtliche Argumente auf die Aussage „herunterbrechen“, dass rechtliche Regelungen der (gerechten) Lösung sozialer Interessenkonflikte dienen sollen, wäre damit eine wichtige Aufgabe des gesellschaftlichen Subsystems „Recht“ zwar zutreffend umschrieben. Die Aussage wäre aber zu allgemein, um darauf im Anschluss maßgeblich den Entwurf einer Lösung zu stützen. Vielmehr müssen die Leitgesichtspunkte zumindest noch so speziell sein bzw. konkretisiert werden, dass sie bei der Lösungsbegründung argumentativ verarbeitet werden können und deutlich machen, wo sie auf den unterschiedlichen behandelten Ebenen parallel laufen, modifiziert sind oder sogar teilweise voneinander abweichen.

II. Der äußere Rahmen Als erste Annäherung an die Lösung eines Problems ist es hilfreich, sich zu vergegenwärtigen, wo diese angesiedelt sein kann, d. h. wie breit das Spektrum vorstellbarer Lösungsvorschläge ist. Der in diesem Sinne mögliche Rahmen ist vorliegend mit Blick auf die bisherigen Überlegungen in doppelter Weise weit gespannt: 2

Vgl. Arzt, Jescheck-FS, S. 391, 400.

426

4. Teil: Synthese – Strafbarkeit berufsbedingter Unterstützungshandlungen

1. Zum einen ist – um die Trennung, die im Anschluss an den herrschenden Verbrechensaufbau auch für die Darstellung des bisherigen Meinungsstandes gewählt wurde, wieder aufzugreifen – eine ganze Reihe von objektiven und subjektiven Aspekten zu berücksichtigen. Die Trennung, aber auch das Zusammenspiel von objektiven und subjektiven Kriterien zieht sich durch die gesamte Untersuchung: Dies beginnt bei der einleitenden Bestimmung der Berufsbedingtheit (die auf subjektive Motivation und objektive Typik abstellte3), dem Spektrum des bisherigen Meinungsstandes (mit stärker objektiven und stärker subjektiven Modellen4) sowie dem Exkurs zum Immaterialgüterrecht (wo bei der Behandlung der „mittelbaren Patentverletzung“ der Rücknahme objektiver Voraussetzungen jeweils erhöhte subjektive Anforderungen gegenüberstehen5) und setzt sich über die objektiven und subjektiven Kriterien der Handlungstheorien in den Nachbarwissenschaften6 bis hin zu den objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmalen und Handlungsunrechtselementen i.R.d. strafrechtsdogmatischen Grundlagen fort.7 Das hat zur Folge, dass auch objektive, subjektive oder – vielleicht sogar am nahe liegendsten – gemischt objektiv-subjektive Lösungsgesichtspunkte eine Rolle spielen können. Insbesondere in der neueren Literatur sind zwar vielfach Lösungen, die sich als (überwiegend) objektiv bezeichnen, „modern“, da sie sich vom Vorwurf eines Psychologismus oder gar des Gesinnungsstrafrechts weit entfernt wissen. Sie verorten die Lösung systematisch-aufbaumäßig an einer frühen Stelle und meinen, Zufälligkeiten und Nachweisschwierigkeiten aus dem Weg zu gehen.8 Die Vorzugswürdigkeit einer (rein) objektiven Lösung ist damit allein aber noch nicht belegt.9 Dies zeigt nicht nur ganz generell die Vielzahl von (im 2. Teil näher dargestellten) Ansätzen, die sich den stärker subjektiven oder zumindest gemischten Modellen zurechnen lassen.10 Vielmehr sind auch an verschiedenen Stellen die möglichen Auswirkungen der subjektiven Beziehungen zur Tat auf scheinbar ganz objektive Begründungsstränge deutlich geworden: So etwa beim Lösungsansatz Hoyers, nach dem ein Handeln in Unterstützungsabsicht Ausdruck eines (objektiv beurteilten) Sonderverhaltens ist,11 bei der (an sich objektiv verstandenen) Abwägung i.R.d. verfassungsrechtlichen Angemessenheit, für die der Grad an Gewissheit mitentscheidend ist,12 oder schließlich bei der Frage, „wie objektiv“ die objektive Zurechnung ist. Ob man den mit diesen Beispielen zusammenhängenden Begründungen im Einzelnen (vollständig) folgen will, ist vorliegend unerheblich; Vgl. o. S. 30 f. Vgl. die gesamte Gliederung von Abschnitt B des 2. Teils, S. 74ff. 5 Vgl. o. S. 146 ff. 6 Vgl. o. S. 175 ff. 7 Vgl. o. S. 308 ff. und 319 ff. 8 Vgl. außer den im 2. Teil referierten Einwänden insbesondere gegen die dort als „subjektiv“ bezeichneten Theorien (oben S. 138 ff.) statt vieler nochmals in einer monographischen Bearbeitung des Themas die Argumentation bei Wolff-Reske, S. 58 ff. 9 Berechtigte Antikritik bei Forster, Schmid-FS, S. 127, 130, 134. 10 Vgl. nochmals oben S. 138 ff. 11 Vgl. zu Hoyer nochmals oben S. 138 ff. 12 Vgl. o. S. 300. 3 4

A. Querschnittsanalyse der bisherigen Überlegungen

427

jedenfalls machen sie deutlich, dass auch auf den ersten Blick „objektive“ Entscheidungen durch subjektive Komponenten beeinflusst werden können.

2. Zum anderen ist auch der Spielraum groß, den die strafrechtlichen Normtexte (d. h. insbesondere § 27 StGB, aber auch die Formulierungen der einzelnen denkbaren Fahrlässigkeits- und Vorsatztatbestände) i.V.m. Art. 103 II GG und den anerkannten Grundsätzen der Auslegung den denkbaren Lösungsvorschlägen gewähren.13 Zwar ist die Rechtsfindung im Strafrecht durch den Grundsatz „nulla poena sine lege“ (Art. 103 II GG, § 1 StGB) nach traditionellem Verständnis schärfer begrenzt als in anderen Rechtsgebieten. Eine realistische Einschätzung der Steuerungs- und Bindungsmöglichkeit natürlicher Sprache führt allerdings dazu, dass die Grenzen einer zulässigen Lesart bei keiner der vielfältigen subjektiven oder objektiven Strafeinschränkungsbemühungen überschritten wären. Dies gilt umso mehr, als die Tatsache, dass vorrangig die Allgemeine Strafrechtsdogmatik und dabei tendenziell eher Strafeinschränkungs- (als Strafbegründungs- oder Strafverschärfungs-)Bemühungen betroffen sind, zwar nicht grundsätzlich von diesen Bindungen suspendiert, an die grammatische Konkretisierungsleistung des Normtexts aber dennoch geringere Anforderungen gestellt werden (müssen).14

III. Die inhaltlichen Leitgesichtspunkte Ein eigener Lösungsvorschlag kann mithin im Anschluss unter B. (S. 439 ff.) innerhalb eines sehr weit gesteckten (äußeren) Rahmens formuliert werden. Gewisse inhaltliche Fixpunkte werden aber durch drei Gruppen von Leitgesichtspunkten gesetzt, die sich – als wichtigster „Extrakt“ der bisherigen Ausführungen und insbesondere der Grundlegungen – in unterschiedlicher Gestalt durch die verschiedenen Betrachtungsebenen ziehen: die Berücksichtigung von „Betrachtungsweise und Begründungslast“ (sogleich 1.), die Analyse von „Freiheitseingriffen und Rechtsgutserhaltungseignung“ (im Anschluss 2.) sowie die Beachtlichkeit von „Normativen Risikoerlaubnissen und -verboten“ (zuletzt 3.).

1. Betrachtungsweise und Begründungslast a) Die primäre Formulierung der Fragestellung nach der Verantwortung für die „Unterstützung fremder Straftaten durch berufsbedingtes Verhalten“ führt geradezu unmittelbar auf den ersten Punkt, der die gesamte Untersuchung prägt: die unterschiedlichen möglichen Betrachtungsweisen eines Geschehens und die Entscheidung zwischen diesen. Steht bei der Unterstützung fremder Straftaten durch berufsbedingtes Verhalten die deliktische Unterstützung im Vordergrund (wobei 13 14

Vgl. dazu o. S. 246 ff. Vgl. o. S. 259 ff.

428

4. Teil: Synthese – Strafbarkeit berufsbedingter Unterstützungshandlungen

zweitrangig ist, wodurch sie erfolgt) oder das neutrale berufliche Handeln (bei dem sekundär ist, wie es sich auswirkt)? Besonders klar wird das Problem durch die bereits mehrfach erwähnte und in der Literatur vielfach zustimmend zitierte Aussage von Arzt beschrieben, wonach „Mordteilnahme ( . . . ) nun einmal nicht zur üblichen Geschäftstätigkeit“ gehört.15 Das klingt spontan plausibel, ist aber bei genauerer Betrachtung ohne nähere Begründung zirkulär: denn es ist ja gerade die Frage, ob es sich überhaupt um eine (strafrechtlich relevante) „Mordteilnahme“ handelt, wenn „geschäftsmäßiges Handeln“ vorliegt. Es scheint also darauf anzukommen, worauf der Blick zunächst konzentriert wird (und was dann als damit scheinbar unvereinbar verdrängt wird), mithin auf die gewählte Betrachtungsweise. En detail findet sich dann das Problem der „richtigen Betrachtungsweise“ auf allen Ebenen der Untersuchung: Dies beginnt beim hier zugrunde gelegten Begriff der „Neutralität“, für den – auch unter Rückgriff auf die Ergebnisse einschlägiger Nachbarwissenschaften – die erforderliche Weite der Kontextualisierung zwischen einer Handlung und anderen Geschehen als ausschlaggebend erachtet wurde16 und setzt sich fort bei der Berücksichtigung der Einhaltung sozialer Normen17 oder sozialer Rollen18; die Betonung einer solchen (jedenfalls äußerlichen) Einhaltung ist ebenso eine mögliche Beschreibung eines Verhaltens wie das Abstellen auf den Zusammenhang mit der bewirkten Rechtsgutsverletzung. Ähnliches gilt für das Verhältnis des Strafrechts zu außerstrafrechtlichen Vorschriften.19 Diese bewerten das Geschehen auf Grund seines Zusammenhangs mit einem bestimmten, von ihnen geregelten, Lebensbereich (insbesondere den äußeren Anforderungen an das berufliche Handeln), haben zumeist aber nicht – wie gerade das Strafrecht – den Eintritt eines deliktischen Erfolges im Blick. Ferner spielt die Betrachtungsweise auch in der Strafrechtsdogmatik eine Rolle. So wird der Einfluss des Erfolgsunrechts auf das Handlungsunrecht umso größer, je mehr das Gesamtgeschehen ex post vom Erfolg statt ex ante vom Verhalten her betrachtet wird.20 Zuletzt ist bei ambivalenten Verhaltensweisen zu entscheiden, ob diese strafrechtlich als Tun oder als Unterlassen (betrachtet und damit entsprechend) gewürdigt werden.21 Mit der Möglichkeit unterschiedlicher Betrachtungsweisen bzw. dem Problem der „richtigen Betrachtungsweise“ gehen oft auch Fragen der Begründungslasten einher: Wer muss begründen, dass seine Betrachtungsweise die „richtige“ ist und wie schwer wiegt jeweils die Argumentationslast gegenüber dem Verweis auf die Möglichkeit einer anderen Betrachtungsweise?

15 16 17 18 19 20 21

Vgl. Arzt, NStZ 1990, 1, 3. Vgl. o. S. 173 f. Vgl. o. S. 226 ff. Vgl. o. S. 345 ff. (beispielsweise bei rollenüberschreitendem Wissen). Vgl. o. S. 215 ff. Vgl. o. S. 317 ff. Vgl. o. S. 406 ff.

A. Querschnittsanalyse der bisherigen Überlegungen

429

b) Untersucht man die mit dem Stichwort der „Betrachtungsweise“ bezeichenbaren Fälle genauer, so sind zwei unterschiedliche Phänomene zu unterscheiden, die allerdings – wenngleich mit etwas unterschiedlichen Begründungen – letztlich zu ähnlichen Ergebnissen, auch hinsichtlich der Begründungslast, führen: aa) Das erste Betrachtungsproblem lässt sich mit der „Weite der Perspektive“ umschreiben. Es geht also um die Frage, welche Ergebnisse eines Handelns dieses noch mit prägen. So verhält es sich unter den o.g. Beispielen etwa bei der Weite der Kontextualisierung für neutrales Verhalten und beim Zusammenhang von Erfolgsund Handlungsunrecht. In diesen Fällen muss jedenfalls dann, wenn strafrechtliche Fragen betroffen sind, diese Weite von der Funktion des Strafrechts her bestimmt werden. Sieht man diese mit der auch hier geteilten h. M. im Rechtsgüterschutz, ist der Fokus gerade auf den Eintritt von Rechtsgutsverletzungen zu richten. So war zum Spannungsfeld zwischen Neutralität (als potentiellem Grund einer Haftungsprivilegierung) und Kontextabhängigkeit darüber zu entscheiden, ob zur Beurteilung einer Handlung auch spätere (dadurch verursachte) Ereignisse mit einzubeziehen sind, was grundsätzlich bejaht wurde.22 Ein „neutrales“ Verhalten23 wurde konkreter immer dann nicht angenommen, wenn der Erfolg gerade durch das Verhalten erklärt werden kann, d. h. wenn die Rechtsgutsverletzung unmittelbar durch ein Verhalten verursacht wurde oder wenn das Ersthandeln einen Zweithandelnden objektiv zur Verletzung aufforderte bzw. an dessen Zweithandeln angepasst war.24 In all diesen Fällen sind Verhalten und Erfolg wechselseitig in besonderem Maße miteinander erklärbar. Strafrechtstheoretisch gewendet wurde die Verursachung einer Rechtsgutsverletzung auf einem grundsätzlich vom Gesetz erfassten „Angriffsweg“ als erster (freilich in vielen Fällen widerlegbarer) Hinweis auf eine strafrechtliche Relevanz erachtet.25 Ähnliches gilt für das Verhältnis von Erfolgs- und Handlungsunrecht, bei dem sich die Frage nach speziellen (insbesondere objektiven) handlungsunwertbegründenden Merkmalen über den Erfolgsunwert hinaus stellte: Die Ausrichtung eines rechtsgüterschützenden Strafrechts an vermeidbaren Rechtsgutsverletzungen führte hier – gewissermaßen in strafrechtsdogmatischer Fortführung der eben genannten strafrechtstheoretischen Erwägungen – dazu, der vorsätzlichen Erfolgsverursachung bereits einen gewissen Hinweis auf das Handlungsunrecht zu entnehmen, der nur durch zusätzliche Gründe wiederlegt werden kann.26 Denn bei einer am Vgl. o. S. 173 ff. Dass dies bei einem allgemeinen Neutralitätsbegriff anders beurteilt werden kann, wurde oben bereits zugestanden. Davon abgesehen, dass sich ähnliche Abgrenzungen auf die philosophische und soziologische Handlungstheorie stützen ließen, wurde aber oben auch schon darauf hingewiesen, dass die Wahl einer vornormativen Betrachtungsperspektive sinnvollerweise zumindest teilweise daran ausgerichtet werden sollte, welche Beurteilungsmaßstäbe auf den ausgewählten Betrachtungsgegenstand angewendet werden sollen. 24 Vgl. o. S. 180 ff. 25 Vgl. o. S. 197 f. 26 Vgl. o. S. 331. 22 23

430

4. Teil: Synthese – Strafbarkeit berufsbedingter Unterstützungshandlungen

Rechtsgüterschutz orientierten Betrachtung spricht viel dafür, dass die Verursachung der Schutzgutverletzung auch ein typischerweise zu missbilligendes Handeln ist, wenn nicht Gegenargumente benannt werden können. Eine andere Perspektive wurde oben insbesondere bei der verfassungsrechtlichen Frage nach dem Schutzbereich des Art. 12 I GG gewählt. Bei der Prüfung, ob eine „an sich“, d. h. unabhängig von der beruflichen Ausübung, erlaubte Tätigkeit vorliegt, erfolgte die Verallgemeinerung nicht „rechtsgutsverletzungsorientiert“ und damit strafrechtsdogmatisch (also mit der Frage: „Ist die Unterstützung fremder Straftaten an sich erlaubt?“), sondern stärker phänomenologisch (also mit der Frage: „Ist die Erbringung der konkreten beruflichen Leistungen an sich erlaubt?“).27 Das ist aber auch nur konsequent, da es eben nicht unmittelbar um eine strafrechtliche, sondern um eine grundrechtsdogmatische Entscheidung ging. Die Grundrechte aber sind traditionell nicht nur möglichst freiheitssichernd auszulegen, sondern vor allem auch an bestimmten Lebensbereichen ausgerichtet (welche hier in der Erbringung von beruflichen Leistungen und nicht in der Begehung von Straftaten liegen).28

Für die Argumentationslast ergibt sich daraus, dass derjenige, der gegen die „strafrechtstypische“, die Rechtsgutsverletzung und ihre Verursachung im Zusammenhang sehende, Betrachtungsweise streitet (mithin also: der für eine engere Perspektive eintritt, die den Erfolg nicht mehr im Zusammenhang mit der Handlung sieht), die Durchbrechung des Zusammenhangs zu begründen hat: Auf der strafrechtstheoretischen Ebene des Rechtsgüterschutzdogmas formuliert, trifft die Begründungslast denjenigen, der die Straflosigkeit einer vermeidbaren Rechtsgutsverletzung behauptet.29 In der strafrechtsdogmatischen Betrachtung setzt sich dies darin fort, dass etwa die Verneinung der objektiven Zurechnung die begründungsbedürftige Ausnahme bei kausal hervorgerufenen Erfolgen ist30 oder dass bei einer vorsätzlichen Förderung fremder Straftaten der durch § 27 StGB nahegelegte Zusammenhang mit entsprechenden Gründen zwar normativ wieder durchbrochen werden kann, aber nicht stets erst normativ hergestellt werden muss.31 Etwas weniger klar scheint nach diesen Grundsätzen auf den ersten Blick auf der dogmatischen Ebene die Unterscheidung zwischen Tun und Unterlassen zu sein. Denn insoweit handelt es sich in beiden Fällen um strafrechtliche Bewertungen. Eine gewisse Begründungslastverteilung zugunsten des Rechtsgüterschutzes zeigt sich aber auch hier, wenn man davon ausgeht, dass in Zweifelsfällen eher an das (strafrechtlich weitergehend sanktionierte) Tun anzuknüpfen ist. Außerdem wurde gezeigt, dass das „Unterlassungselement“ der „fehlenden Vgl. o. S. 280 ff. Anders als in Fußn. 23 beschrieben, sind hier auch nicht die Maßstäbe der späteren strafrechtlichen Betrachtung „nach vorne zu übertragen“, da es nicht um die Festlegung des Betrachtungsgegenstandes geht, sondern die Grundrechte vielmehr ein gerade beabsichtigtes Gegengewicht zu staatlichen Eingriffen wie der Strafverfolgung bilden. 29 Vgl. o. S. 197 f. 30 Daran ändert nichts, dass diese Begründung in manchen Fällen („Zeugung des späteren Mörders durch seine Eltern“) einfach und eindeutig ist. Gerade in schwierigeren Grenzfällen wie den hier interessierenden ist es aber wichtig, ob eine Voraussetzung stets positiv begründet werden muss oder ob ihr Fehlen konstruktiv eine Ausnahme darstellt. 31 Vgl. o. S. 355 f. 27 28

A. Querschnittsanalyse der bisherigen Überlegungen

431

Differenzierung“ eben nicht immer, sondern nur in besonders gelagerten Fällen (etwa der Automatisierung oder der Schaffung einer Infrastruktur) ausschlaggebend ist, weil eine strafrechtsspezifisch-rechtsgüterschützende Betrachtungsweise die fehlende Differenzierung zwischen rechtsgüterschonender und rechtsgüterbeeinträchtigender Betätigung als eine Verpflichtung betrachtet, die grundsätzlich jedermann und nicht nur Garanten trifft.32

bb) Das zweite mit der Betrachtungsweise verbundene Problem betrifft nicht mehr die Weite des Fokus, sondern sozusagen die „Konkurrenz zweier paralleler Bewertungsmaßstäbe“. Es geht also um die Frage, welcher von zwei (oder mehreren) Maßstäben vorrangig ist, wenn das Verhalten (scheinbar) in den Anwendungsbereich beider fällt. Unter den einleitenden Beispielen waren dies etwa das Verhältnis des Strafrechts zu außerstrafrechtlichen oder sozialen Normen. Diese Frage scheint schwieriger zu beantworten, da der parallel existente Wertmaßstab sich nicht ohne weiteres durch eine Festlegung der Perspektive beseitigen lässt. Denn auch nach der Festlegung der „Weite des Fokus“ können ja an das „so fokussierte“ Verhalten beide Maßstäbe angelegt werden: Einer, der das Verhalten „als solches“ und den Vergleich zu vielen anderen, harmlosen Situationen vor Augen hat, in denen das Verhalten in ganz ähnlicher Weise erfolgt; und der zweite, der stärker den mittelbar verursachten Erfolg (und die diesen fördernde Wirkung des Handelns) betont. Es geht also um ein echtes Vorrangproblem, bei dessen Lösung zu differenzieren ist. Im Verhältnis zu außerrechtlichen Maßstäben verkörpert der zweite (die Verletzung nicht nur in den Blick nehmende, sondern auch als relevant erachtende) Maßstab die „stärker rechtliche“ Perspektive. Insoweit verlangt die Steuerungsfunktion des Rechts, dass dieser „stärker rechtlichen Perspektive“ im Regelfall der Vorrang eingeräumt wird. Dies gilt insbesondere auch mit Blick auf die Beachtlichkeit „sozialer Rollen“. Eine soziale Rolle, die von den Vorgaben des Strafrechts suspendiert, gibt es grundsätzlich nicht. Bei den meisten Interaktionen bekleidet man parallel mehrere Rollen, und dabei enthält auch das Strafrecht selbst – insbesondere in den Vorschriften über die Teilnahme – Rollenbeschreibungen und -bewertungen, denen Rechnung zu tragen ist.33 Für eine Berücksichtigung außerrechtlicher Bewertungsmaßstäbe müssen deswegen nicht nur besondere Sachargumente, sondern auch dogmatische „Einfallstore“ benannt werden können (was oben auch durch die mehrfach gestuften Voraussetzungen der grundsätzlichen Berücksichtigungsfähigkeit und zusätzlich der konkreten Berücksichtigung sozialer Normen unterstrichen wurde34). Dies schließt natürlich nicht aus (sondern wird im Rahmen der erforderlichen Argumentation gerade dazu führen), dass eine gewisse „Abwägung“ zwischen den vom Recht verfolgten und den von außerrechtlichen Maßstäben stärker berücksichtigten Interessen35 stattfinden kann. Die Begründungslast liegt dort aber 32 33 34 35

Vgl. o. S. 408 f. Vgl. o. S. 345 ff. Vgl. o. S. 228 ff. Zu diesen auch sogleich S. 433 ff.

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4. Teil: Synthese – Strafbarkeit berufsbedingter Unterstützungshandlungen

eben bei demjenigen, der rechtliche gegenüber anderen Wertungen zurückstellen möchte. Wo der Vorrang unklar ist, bleibt es bei der (straf-)rechtlichen Perspektive.36 Im Verhältnis zu anderen rechtlichen Maßstäben hilft der „Vorrang des Rechts“ als Instrument der sozialen Steuerung naturgemäß nicht weiter, und ein „Vorrang des Strafrechts“ kann nicht ohne weiteres postuliert werden. Insoweit lässt sich also keine „generell vom Recht bevorzugte Sichtweise“ ausmachen. Wie oben näher entfaltet wurde, ist die Entscheidung insoweit vielmehr nach dem Maßstab des „größeren Inhaltsreichtums“ zu treffen.37 Immerhin ist aber faktisch zu beachten, dass der Eintritt einer Rechtsgutsverletzung als das Geschehen prägende Ereignis das genuine Thema gerade strafrechtlicher Regelungen ist; deshalb liegt die Begründungslast wieder bei demjenigen, der trotz Eintritts eines deliktischen Erfolges den größeren Inhaltsreichtum anderer Regelungen behauptet.38 Für die Argumentationslast ergibt sich also auch hier, dass eine Beachtlichkeit des außerstrafrechtlichen Wertmaßstabs zwar durchaus begründbar ist. Dies wird umso leichter gelingen, je weiter das zu beurteilende Verhalten vom „Regelbild eines Normverstoßes“ abweicht. Durch die (straf-)gesetzlichen „Eingangsdaten“ gerät aber derjenige ins argumentative „Soll“, der davon (scheinbar) abweichen will. Daher ist zumindest bei einer ersten rechtlich Bewertung nicht ungewöhnlich, wenn das Unterlassen eines Verhaltens, das eine fremde Straftat fördert, gefordert wird. Ein solches Unterlassen ist aus dem Blickwinkel des § 27 StGB keine besonders begründungsbedürftige Solidaritätsleistung, sondern nur Befolgung des Verbotes, an der Verletzung fremder Rechtsgüter mitzuwirken. Vielmehr bedarf der Begründung, weswegen die erste, auf die Harmlosigkeit der Handlung „an sich“ verengte Sichtweise (aus deren Blickwinkel das Unterlassen einer solchen Handlung tatsächlich ein solidarisches Sonderverhalten wäre) die rechtliche überlagern soll. c) Zusammenfassend ist also bei verschiedenen Betrachtungsmöglichkeiten für die strafrechtliche Bewertung zunächst einmal diejenige zu wählen, die einen Zusammenhang zu einer festgestellten Rechtsgutsverletzung (insbesondere auf Grund der Kausalität des Handelns) potentiell möglich erscheinen lässt. Die Wahl einer anderen Perspektive ist eine begründungsbedürftige Ausnahme. Ist die zu beachtende Verursachungshandlung vorsätzlich oder fahrlässig erfolgt, trägt wiederum derjenige die Begründungslast, der den Zusammenhang „durchbrechen“ will. 36 Geht man davon aus, dass die von außerrechtlichen (etwa sozialen) Wertmaßstäben betonten Aspekte vielfach auch grundrechtlich geschützt sein und die Strafnormen insoweit Eingriffe darstellen können, spiegeln sich der regelmäßige Vorrang der rechtlichen Regeln und die Argumentationslastverteilung verfassungsrechtlich gewissermaßen in der oben mehrfach erwähnten Einschätzungsprärogative des (Straf-)Gesetzgebers wider. 37 Vgl. o. S. 217 ff. Auch das stimmt freilich wieder mit der sozialen Steuerungsfunktion überein: denn diese erfüllt das Recht am besten, wenn derjenige seiner Normbefehle befolgt wird, der am inhaltsreichsten ist. 38 Vgl. o. S. 222 f.

A. Querschnittsanalyse der bisherigen Überlegungen

433

Mögliche Gründe für eine solche ausnahmsweise Durchbrechung finden sich in den nachfolgenden Überlegungen unter 2. formuliert:

2. Freiheitseingriffe und Rechtsgutserhaltungseignung a) Ein zweiter Punkt, der sich durch die unterschiedlichsten Teile der vorangegangenen Darstellung zieht, betrifft die Frage, ob nicht konkret Strafbewehrungen berufsbedingter Unterstützungshandlungen in unzumutbarer Weise in die Freiheiten des Berufsträgers eingreifen (und – jedenfalls dadurch vermittelt – weitere negative Konsequenzen nach sich ziehen). Auch die große Bedeutung dieses Punkts ist nicht erstaunlich, da ja weniger in Frage steht, ob generell deliktische Handlungen Dritter unterstützt werden sollten, als vielmehr, ob die spezialgrundrechtlich geschützten Betätigungen des Berufsträgers unter Strafe gestellt werden sollen. Während also unter 1. hinsichtlich der grundsätzlich einzunehmenden Perspektive und der Begründungslast eine funktionell-teleologische Orientierung am Rechtsgüterschutz als Aufgabe des Strafrechts im Mittelpunkt stand, geht es vorliegend stärker um die Betonung etwaiger Gegeninteressen. Die denkbaren Gegeninteressen werden im Verlauf der Arbeit an den verschiedenen Stellen deutlich: Schon beim einordnenden Überblick über berufsbedingte Strafbarkeitsrisiken im 1. Teil wird etwa im Zusammenhang mit den §§ 258, 261 sowie mit den §§ 138, 139 StGB auf gegenläufige Interessen hingewiesen.39 Bei den Anschlussdelikten sind dies die „üblichen Freiheiten“ im Verkehr mit jedermann, die allerdings verbreitet als nachrangig eingestuft werden, soweit die entsprechenden Vorschriften (und dabei insbesondere diejenigen über die Geldwäsche) gerade auch eine „Isolierung“ des Täters und damit seinen Ausschluss von diesen „üblichen Freiheiten“ bezwecken. Die Privilegierung bestimmter Berufsträger bei der Nichtanzeige von Straftaten kann dagegen durch ihr überdurchschnittlich hohes Risiko einer Aktualisierung strafbewehrter Anzeigepflichten erklärt werden, das mit einer erheblichen persönlichen Belastung einhergeht, ohne dass die betreffenden Berufsträger irgendeine Form von „Zuständigkeit“ für die Verhinderung der Straftaten treffen würde. In den strafrechtstheoretischen Überlegungen zum Rechtsgüterschutzgedanken wird die Berücksichtigung von Gegeninteressen daran deutlich, dass strafrechtlicher Schutz nicht lückenlos gewährt wird (was ohne Gegeninteressen zu dem geschützten Rechtsgut schwer verständlich wäre).40 Besonders klar schließlich findet sich das Erfordernis einer Interessenabwägung im Verfassungsrecht,41 welches das Vgl. o. S. 45 ff. und 57 ff. Vgl. o. S. 213 f. 41 Hier findet sich die Interessenabwägung sogar in eine dogmatische Tradition eingebettet, zu deren Hauptfragestellungen die Legitimation staatlicher Gewaltausübung und deren Eignung zur Erreichung bestimmter Ziele zählen. 39 40

28 Kudlich

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4. Teil: Synthese – Strafbarkeit berufsbedingter Unterstützungshandlungen

Handeln des Berufsträgers trotz mittelbar mit verursachter deliktischer Folgen grundrechtlich schützt und daher eine Abwägung gegen die Rechtsgüterschutzinteressen der strafrechtlich geschützten Güter verlangt.42 Aber auch in der Strafrechtsdogmatik liegen Figuren wie dem „erlaubten Risiko“ oder dem „Vertrauensgrundsatz“ ebenso Abwägungen widerstreitender Interessen (Erliegen des sozialen Verkehrs und des technischen sowie gesellschaftlichen Fortschritts vs. optimierter Rechtsgüterschutz) zugrunde wie den hier nicht im Mittelpunkt des Interesses stehenden (aber auch nicht völlig aus den Augen zu verlierenden) Notstandsregeln.43 b) Die Ausführungen in den entsprechenden Passagen der Grundlagen haben dabei gezeigt, dass für die Abwägung zwei Faktoren entscheidend sind, die auf unterschiedlichen Ebenen Argumentationsverlauf und Ergebnisse geprägt haben: aa) Zum einen geht es um die Eignung zum Rechtsgüterschutz. Diese ist zwar keine hinreichende, jedenfalls aber eine notwendige Voraussetzung eines verhältnismäßigen Eingriffs in die geschützten Freiheiten. In den verfassungsrechtlichen Grundlagen ist dieser Punkt unter der Bezeichnung der „Geeignetheit“ Teil der Prüfung der Verhältnismäßigkeit i.w.S. (sowie auch wichtiger Abwägungsfaktor im Rahmen der Angemessenheitsprüfung).44 In den strafrechtsdogmatischen Grundlegungen wird der Gedanke45 in den allgemeinen Überlegungen zur objektiven Zurechnung mit dem Erfordernis der unerlaubten Gefahrschaffung46 ebenso aufgenommen wie in deren spezieller Ausprägung bei der Tathandlung der Beihilfe als Gefahrsteigerung durch einen akzessorischen Rechtsgutsangriff.47 Dabei wurde dargelegt, dass der komparative Gedanke der Gefahrsteigerung letztlich nicht ohne einen Rückgriff auf hypothetische alternative Kausalverläufe auskommen kann, welcher allerdings das gesamte Spektrum der möglichen Geschehensabläufe berücksichtigen muss (und sich nicht auf die Frage beschränken darf, ob ein bestimmter alternativer Kausalverlauf auch zum Erfolg geführt hätte).48 Zuletzt ist die Eignung zum Rechtsgüterschutz als Maßstab der Grund dafür, dass prinzipiell eine unerlaubte Gefahrerhöhung für das geschützte Rechtsgut wichtiger ist als etwa die Frage nach dem „expressiven Gehalt“ des Handelns, wenn nicht gerade dieser wie bei der psychischen Beihilfe die Gefahr vermittelt.49 bb) Zum anderen geht es darum, die (möglicherweise durchaus mit einem Gewinn an Rechtsgüterschutz verbundenen) negativen (Sekundär-)Folgen möglichst gering zu halten bzw. gegen die Güterschutzeignung abzuwägen. Solche Folgen Vgl. dazu o. S. 274 ff. Vgl. S. 333 ff., 314 f. und 376 ff. 44 Vgl. S. 292 ff. und 296 ff. 45 In seiner Ausprägung: „Ein Verbot ist jedenfalls nur dann zum Rechtsgüterschutz geeignet, wenn das verbotene Verhalten das Risiko der Rechtsgutsverletzung erhöht“. 46 Vgl. S. 309 ff. 47 Vgl. o. S. 361 ff. 48 Vgl. S. 109, 292 ff. und 361 ff. 49 Vgl. S. 369 f. 42 43

A. Querschnittsanalyse der bisherigen Überlegungen

435

liegen nicht nur unmittelbar in dem Eingriff in den grundrechtlichen Schutzbereich des Art. 12 I GG, der (durchaus gerechtfertigt sein kann, allerdings auch) bei einer zu strengen Verantwortungsregel existenzbedrohende Wirkungen haben könnte. Vielmehr wurde in den strafrechtstheoretischen Überlegungen zur Sozialschädlichkeit eines Verhaltens als Legitimation staatlichen Strafens darauf hingewiesen, dass die Erschwerung an sich sozial nützlicher Verhaltensweisen im Bereich der wirtschaftlichen Arbeitsteilung auch für die gesamte Gemeinschaft nachteilig sein kann.50 Damit korrespondiert der in der Darstellung des Meinungsstandes ebenso wie in den strafrechtsdogmatischen Grundlegungen aufgetretene Topos von der drohenden „Misstrauensgesellschaft“, die konsequent zu Ende gedacht zu einer rigiden Einschränkung sozialer Kontakte führen müsste, um strafrechtliche Risiken zu minimieren.51 Wieder stärker die individuelle Ebene betrifft dagegen der in den dogmatischen Überlegungen gleich mehrfach und ganz zentral zum Vorschein gekommene Gedanke der drohenden Überforderung durch zu strenge strafrechtliche Verhaltenskontrollen:52 Diese Überforderung ist nämlich nicht nur eine denkbare negative Sekundärfolge, die eng an den verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgedanken angelehnt ist,53 sondern eine dogmatisch überdurchschnittlich gut operable Größe. Das (oben S. 426) als wichtig betonte unterschiedliche Zusammenspiel von objektiven und subjektiven Verantwortlichkeitsvoraussetzungen hat nämlich großen Einfluss auf das Drohen oder Nichtdrohen einer Überforderung. Je klarer und verlässlicher die Folgen des eigenen Handelns überschaut werden (können), desto geringer ist die Gefahr einer Überforderung des Bürgers. Daher kann dieses Merkmal wichtige Lösungsgesichtspunkte für den Anwendungsbereich unterschiedlicher Zurechnungskorrektive bei Fahrlässigkeit, bedingtem und direktem Vorsatz liefern. c) Zusammenfassend ergeben sich daraus folgende Konsequenzen: Die durch eine Verhaltenssanktionierung betroffenen Freiheiten – hier insbesondere die Berufsfreiheit – sind bei der Auslegung der Strafnormen (als Gegeninteressen zum geschützten Rechtsgut) zu berücksichtigen, was jedenfalls in Grenzbereichen zu Abwägungen im Einzelfall führen kann. Die Reichweite des Eingriffs in die Freiheiten (und damit die Gefahr einer „Überforderung des Bürgers“) wird vor allem durch zwei Komponenten bestimmt: Die objektive Bandbreite des strafrechtlich erfassten (äußeren) Verhaltens und die erforderliche subjektive Beziehung zur Tat.54 Je weniVgl. S. 204. Vgl. S. 101 und 376 f. 52 Vgl. S. 326 ff., 341 ff. und 382. 53 Dass eine Überforderung durch das Recht oft „unverhältnismäßig“ sein wird, ist ebenso spontan einleuchtend wie die Tatsache, dass eine Abwendung der Überforderung durch dogmatische Hilfsmittel auch verfassungsrechtlich regelmäßig zumindest das Verdikt „harter Verfassungswidrigkeit“ vermeiden helfen kann. 54 Damit zeigt sich auch hier inzident nochmals das Zusammenspiel von objektiven und subjektiven Elementen, vgl. dazu o. S. 426 f. 50 51

28*

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4. Teil: Synthese – Strafbarkeit berufsbedingter Unterstützungshandlungen

ger Verhaltensformen objektiv erfasst und je höhere Anforderungen an die subjektive Beziehung zu einer drohenden Rechtsgutsverletzung gestellt werden, desto weniger intensiv ist der Freiheitseingriff (und desto geringer damit die Gefahr einer Überforderung). Für die als Ausgleich für solche Rechtseingriffe wichtige Eignung einer Sanktionierung zum Rechtsgüterschutz müssen für die Rechtsanwendung im Einzelfall jedenfalls dort hypothetische Kausalverläufe in die Bewertung mit einbezogen werden, wo es um die Frage einer Erhöhung der Gefahr geht. Überindividuell sind negative Sekundär-Folgen möglichst zu vermeiden, insbesondere das Entstehen einer Misstrauensgesellschaft. Diese droht umso weniger, je geringer die „Breitenwirkung“ von Verboten ist,55 d. h. je weniger Handlungen auch nur ein Strafbarkeitsrisiko bergen. Beeinflussbar ist dies über die selben objektiven (z. B. Grad der folgenlosen Anpassung des Verhaltens) und subjektiven (z. B. Erfordernis eines bestimmten Vorsatzgrades) Kriterien wie die subjektive Gefahr der Überforderung des Einzelnen.

3. Normative Risikoerlaubnisse und -verbote a) Der letzte übergreifende Punkt schließlich, der an verschiedenen Stellen der bisherigen Untersuchung seine Lösungsrelevanz zeigt, betrifft die Frage nach normativen Risikoerlaubnissen oder -verboten. Auch die Bedeutung dieses Punktes verwundert nicht: Denn die Existenz eines „Risikos“ durch die unterstützend wirkende Berufshandlung lässt sich oftmals empirisch kaum leugnen. Ihre als fragwürdig empfundene Pönalisierung drängt deshalb zu der Frage, ob die Risikoschaffung für den berufsbedingt Handelnden normativ erlaubt sein könnte. Umgekehrt könnten spezielle Risikoverbote die bei „neutralem“ Handeln vielfach als zweifelhaft empfundene Missbilligung eines Verhaltens begründen. Diese Missbilligung könnte in den einschlägigen Konstellationen auch dann eine Unterstützung bei Strafe untersagen, wenn man an sich dazu neigt, sie nach allgemeinen Grundsätzen in weiterem Maße, als es hier vertreten wird, straflos zu belassen. Auch der Gesichtspunkt der normativen Risikoerlaubnisse (oder -verbote) findet sich schon im einordnenden Überblick über berufsbedingte Strafbarkeitsrisiken: Wenn dort zu §§ 258, 261 StGB diskutiert wird,56 ob eine Pflicht zur Isolierung des Täters besteht oder ob ihm gegenüber die „üblichen Freiheiten“ ausgeübt werden dürfen, betrifft dies nicht nur den o.g. Aspekt der Freiheitsverkürzung, sondern vielmehr auch die Frage, ob aus diesen „üblichen Freiheiten“ Risikoerlaubnisse mit Blick auf den Taterfolg einer Strafvereitelung oder Geldwäsche erwachsen. Eine ausdrückliche Risikoerlaubnis mit Blick auf den Eintritt des Taterfolges und auf die Verletzung der geschützten Rechtsgüter gewährt § 139 StGB, wenn be55 Zum Terminus und Gedanken der „Breitenwirkung“ vgl. o. S. 142 ff. bei der Darstellung des Lösungsvorschlags von Amelung (bei ders., Grünwald-FS, S. 9, 23 f.). 56 Vgl. S. 45 ff.

A. Querschnittsanalyse der bisherigen Überlegungen

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stimmte (an sich anzeigepflichtige) geplante Taten nicht angezeigt werden müssen, obwohl dies das Risiko ihrer Ausführung nicht so vermindert, wie es § 138 StGB bezweckt.57 Auch diese Risikoerlaubnis ist Ausfluss einer – hier vom Gesetzgeber verbindlich getroffenen – Abwägung der widerstreitenden Interessen „Rechtsgüterschutz“ und „vertrauensvolle Berufsausübung“. Im 2. und vor allem 3. Teil der Arbeit diskutierte normative Risikoerlaubnisse finden sich etwa hinter Stichworten wie der „Selbstverantwortung der anderen“ (die eine Ermöglichung eines solchen Handelns in weiten Grenzen erlauben soll),58 dem rollenüberschreitenden Sonderwissen (soweit man dieses entgegen hier vertretener Ansicht von bestimmten Vermeidepflichten suspendiert),59 dem Vertrauensgrundsatz (der ein empirisch keinesfalls unproblematisch gerechtfertigtes normatives Vertrauendürfen auf das verkehrsgerechte Handeln anderer statuiert)60 und natürlich besonders deutlich dem Verhältnis des Strafrechts zu Normen anderer Rechtsgebiete und zu den überlagernden Verpflichtungen im StGB, die entweder einen Dispens von strafrechtlicher Verantwortung ermöglichen oder gerade eine spezielle „Zuständigkeit“ und damit ein weitergehendes Risikoverbot begründen können.61 b) Die praktische Bedeutung der Risikoerlaubnisse und -verbote hängt jeweils maßgeblich davon ab, wie eng oder weit man unabhängig von diesen (gewissermaßen also „nach allgemeinen Grundsätzen“) die Verantwortung bestimmt: aa) Normative Risikoerlaubnisse, also Vorschriften und Wertungen, die abweichend von allgemeinen Grundsätzen die Zuständigkeit für einen deliktischen Erfolg ausschließen, sind zwar durchaus möglich, wie in den strafrechtsdogmatischen Grundlagen besonders beim Vertrauensgrundsatz62 deutlich wurde. Sie sind aber – insbesondere auf spezialgesetzlicher Ebene – selten und an enge Voraussetzungen geknüpft, wie sich im Verlauf der bisherigen Arbeit an den unterschiedlichsten Stellen zeigte: So wurde im 1. Teil beschrieben, dass abgesehen von solchen Fällen, in denen eine Verletzung der lex artis bzw. professionis gerade wesentliches Merkmal einer Strafbarkeit ist, jedenfalls auch ihrer Einhaltung selten privilegierende Wirkung zukommt,63 sie also keine Risikoerlaubnis darstellt. Die Beschäftigung mit dem Verhältnis zwischen Strafrecht und sozialen Normen zeigte, dass letztere schon nur unter einschränkenden Bedingungen überhaupt berücksichtigungsfähig sind; selbst dann aber verdrängen sie selten als Risikoerlaubnisse das Strafrecht, weil sie – insoweit ähnlich wie außerstrafrechtliche Rechtsvorschriften – vielfach nicht „inhaltsreicher“ sind, soweit es wirklich zu einer Rechtsgutsbeeinträchtigung kommt. Darin wiederholt sich unter dem Gesichtspunkt der 57 58 59 60 61 62 63

Vgl. S. 57 ff. Vgl. S. 111 ff. zur Konzeption Schumanns. Vgl. zum Problem S. 345 ff. Vgl. S. 376 f. Vgl. insb. S. 215 ff. und 416 ff. Vgl. S. 376 f. Vgl. 35 ff.

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4. Teil: Synthese – Strafbarkeit berufsbedingter Unterstützungshandlungen

„Risikoerlaubnis“ ebenso ein bereits oben im Zusammenhang mit der „richtigen Betrachtung“ beobachteter Umstand,64 wie auch darin, dass die Einhaltung einer „Rolle“ meist keine Erlaubnis zur Verwirklichung einer Straftat (und damit zur Überschreitung einer anderen, zwingend vorgeschriebenen Rolle) gewährt.65 Allgemeine „normativ risikoerlaubende“ Institute wie das „erlaubte Risiko“ bzw. der „Vertrauensgrundsatz“ stehen regelmäßig unter dem Vorbehalt der fortbestehenden Vermeidepflicht bzw. eines triftigen Anlasses zum Misstrauen, und ihre Anwendbarkeit bei vorsätzlicher Tatbegehung ist stark eingeschränkt (was im Übrigen wieder belegt, dass ein Sachgrund dieser normativen Erlaubnisse im o.g. Prinzip der drohenden Überforderung liegt66). bb) Normative Risikoverbote sind demgegenüber Vorschriften und Wertungen, die abweichend von allgemeinen Grundsätzen die Zuständigkeit für einen deliktischen Erfolg gerade begründen können. Dass sie existieren und gegebenenfalls berücksichtigt werden müssen, legt nicht nur die Tatsache nahe, dass in der bisherigen Diskussion die „Verletzung schutzbereichrelevanter Sondernormen“ als einer der wichtigsten und klarsten Fälle angesehen wird, in dem eine berufsbedingte Unterstützung zu bestrafen ist.67 Vielmehr konnte dieses Ergebnis hier auch aus normtheoretischen Erwägungen heraus bestätigt werden.68 Ebenso ist die grundsätzliche Beachtlichkeit einer (etwa zufällig) bestehenden Beschützergarantenstellung ein Beispiel eines solchen Risikoverbots.69 Allerdings zeigen beide Bereiche auch die engen Grenzen solcher Verbote: Bei der Verletzung von Sondernormen wurde in Übereinstimmung mit der herrschenden Ansicht in der bisherigen Diskussion betont, dass diese nur ein Risikoverbot statuieren, wenn ihr Schutzzweck gerade auf die Verhinderung der späteren Verletzungshandlung gerichtet ist;70 in Abgrenzung zu den – praktisch seltenen – Garantenstellungen wurde ferner begründet, dass überlagernde Pflichten aus allgemeinen Solidaritätsvorschriften (wie insbesondere §§ 138, 323c StGB) keine spezielle Zuständigkeit für die Rechtsgutsverletzung statuieren.71 c) Zusammenfassend ergeben sich daraus folgende Konsequenzen: Spezielle, d. h. über allgemeine Grundsätze hinausgehende, Risikoerlaubnisse und -verbote sind durchaus vorstellbar. Die noch zu entwickelnden allgemeinen Regeln stehen daher unter einem „Vorbehalt“ anders lautender Risikoerlaubnisse und damit insbesondere verantwortungsbeeinflussender Sondervorschriften im Einzelfall. Ob allerdings tatsächlich ein(e) – auf den ersten Blick vielleicht als solche(s) erschei64 65 66 67 68 69 70 71

Vgl. o. S. 432. Vgl. o. S. 432 sowie ausführlicher S. 345 ff. Vgl. nochmals soeben S. 435 f. Vgl. o. S. 94. Vgl. o. S. 225 f. Vgl. o. S. 416 f. Vgl. o. S. 225 f. Vgl. o. S. 417 ff.

B. Die einzelnen Grundsätze der strafrechtlichen Verantwortlichkeit

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dende(s) – Risikoerlaubnis bzw. -verbot vorliegt, ist ebenso genau zu prüfen wie bejahendenfalls seine Reichweite. Insbesondere Risikoerlaubnisse, die nicht auf gesetzlichen Grundlagen beruhen, sind – dies wurde unter den Stichworten „Betrachtungsweise und Begründungslast“ schon betont – auf Grund der Steuerungsfunktion des (Straf-)Rechts nur zurückhaltend anzuerkennen.

B. Die einzelnen Grundsätze der strafrechtlichen Verantwortlichkeit für berufsbedingte Unterstützungshandlungen Allgemeine Grundsätze für die Verantwortlichkeit berufsbedingter Unterstützungshandlungen können – das wurde oben mehrfach deutlich – durch (insbesondere gesetzliche) Sondernormen überlagert sein, die besondere Risikoerlaubnisse gewähren oder aber eine gesteigerte Verantwortung begründen (dazu sogleich I.). Dennoch bleibt die Suche nach solchen allgemeinen Grundsätzen sinnvoll, wie sie sich beim Verfolgen der unter A. gefundenen „Leitgesichtspunkte“ jeweils bis auf ihre letzte Stufe der strafrechtsdogmatischen Umsetzung formulieren lassen. Denn wenn bzw. soweit Sonderregeln nicht bestehen, müssen allgemeine Regeln eingreifen. Diese werden nachfolgend zunächst für vorsätzliche Unterstützungshandlungen entwickelt (dazu im Anschluss II.), bevor – vielfach darauf aufbauend – eine Zusammenstellung der Grundsätze zur fahrlässigen Unterstützung erfolgt (dazu zuletzt III.).

I. Grundsätze für verantwortlichkeitsbeeinflussende Sondervorschriften 1. Im bisherigen Verlauf der Arbeit war in unterschiedlichem Zusammenhang von Sondervorschriften die Rede. Eine Auseinandersetzung mit solchen Sondernormen anhand konkreter Vorschriften erfolgte bislang dagegen nur für die am Ende des 3. Teils untersuchten Fälle einer Überlagerung allgemeiner Verantwortlichkeitsüberlegungen durch besondere Schutz- (so bei der Garantenstellung) oder allgemeine Solidaritätspflichten (so bei §§ 138, 323c StGB).72 Eine Betrachtung gerade dieser Konstellationen bot sich oben zwar an, da sie gerade auch in der bisherigen Diskussion schon verschiedentlich angesprochen wurden. Häufiger allerdings als solche Fälle, die von der jeweiligen Tätigkeit des Berufsträgers unabhängig und stattdessen von anderen Umständen (Verhältnis zum Opfer, Art der vom unmittelbaren Verletzer geplanten Tat) geprägt sind, dürften die Sachverhalte sein, in denen (nicht-strafrechtliche) Regelungen gerade für den entsprechenden Lebensbereich bzw. für die berufliche Tätigkeit bestehen. Entsprechende Vorschrif72

Vgl. o. S. 416 ff.

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4. Teil: Synthese – Strafbarkeit berufsbedingter Unterstützungshandlungen

ten könnten dabei theoretisch nicht nur – wie die Garantenpflichten oder nach teilweise vertretener (wenngleich hier nicht geteilter) Ansicht auch die §§ 138, 323c StGB – haftungsverschärfend wirken, sondern ebenso zu Privilegierungen führen. Als bekanntes Beispiel in einer zumindest strukturell vergleichbaren Frage sei hier nur nochmals auf das Haftungssystem des TDG für Internetprovider73 oder die Verteidigungsbefugnisse des Prozessrechts verwiesen, welche nach h. M. die Reichweite des § 258 StGB für Verteidigerhandeln einschränken.74 Eine ganze Reihe einzelner solcher verantwortungsbeeinflussender Sondervorschriften für bestimmte Tätigkeitsfelder wird im Rahmen der Exemplifizierungen im abschließenden Abschnitt C. (S. 467 ff.) benannt werden. Als Grundlage dafür sollen an dieser Stelle einige allgemeine Grundsätze zur Anwendung von verantwortungsbeeinflussenden Sondervorschriften und ihren Auswirkungen auf die Strafbarkeit berufsbedingter Unterstützungshandlungen entwickelt werden. Dazu kann auf die grundsätzlichen Ausführungen zum Verhältnis des Strafrechts zur übrigen Rechtsordnung,75 auf die zur Garantenpflicht und zu §§ 138, 323c StGB angestellten Überlegungen76 sowie schließlich auf die vorangehende Querschnittsanalyse (insbesondere der normativen Risikoregeln77) zurückgegriffen werden. Die „Ergebnisrelevanz“ entsprechender Sonderregelungen ist auch ohne nähere Darlegungen einleuchtend: Die praktische Bedeutung entsprechender – privilegierender oder aber verantwortlichkeitsmitbegründender – Sondervorschriften hängt maßgeblich von der Konzeption ab, die allgemein, d. h. also: vorbehaltlich der Sondervorschriften, zum Problem der berufsbedingten Unterstützungshandlungen vertreten wird. So wie oben betont wurde, dass die Annahme einer „strafbarkeitsbegründenden Vorwertung“ der §§ 138, 323c StGB sich vor allem dann auf das Ergebnis auswirkt, wenn man jenseits dieser Vorwertung berufliche Förderungshandlung in weitem Umfang für straflos (und nicht ohnehin zumeist für strafbar) hält, ist die Ergebnisrelevanz eventueller privilegierender Vorschriften umso größer, je eher man ohne sie eine Strafbarkeit bejaht (und nicht ohnehin mit Hinweis auf professionelle Adäquanz, erlaubtes Risiko etc. ablehnt). Da aber gerade über diese „allgemeine“ Behandlung Uneinigkeit besteht (und realistischerweise nicht erwartet werden kann, dass jedermann den hier im Anschluss unter II., S. 443 ff., formulierten Grundsätzen folgen mag), ist die Frage nach der Bedeutung von Sondervorschriften nicht zu unterschätzen.78

Vgl. u. S. 501 ff. Vgl. S. 45 ff.; eine Reihe weiterer Beispiele werden auch im abschließenden Abschnitt C dieses Teiles diskutiert, vgl. S. 467 ff. 75 Vgl. o. S. 215 ff. 76 Vgl. o. S. 416 ff. 77 Vgl. o. S. 436 ff. Der Terminus „Risikoregeln“ soll hier und im Folgenden als Überbegriff für Risikoerlaubnisse und -verbote verwendet werden. 78 Für die vorliegend verfolgte Konzeption, die in ihren Grundzügen ja schon aus den bisherigen Ausführungen abzusehen ist, hat die Frage sogar besondere Bedeutung: Da eine differenzierend-vermittelnde Lösung vertreten wird, die eine Strafbarkeit für Alltagsgeschäfte zwar einschränkt, aber nicht generell ablehnt, könnten sich in konkreten Fällen sowohl privilegierende als auch verantwortungsmitbegründende Vorschriften ergebnisrelevant auswirken. 73 74

B. Die einzelnen Grundsätze der strafrechtlichen Verantwortlichkeit

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2. Die Querschnittsanalyse zu den normativen Risikoregeln hat ergeben, dass solche zwar existieren, an die Qualifizierung einer Vorschrift als relevant aber tendenziell hohe Anforderungen zu stellen sind. Dem entspricht, dass sich bei der Untersuchung der Auswirkung von bestehenden Sonderpflichten kraft Garantenstellung oder nach §§ 138, 323c StGB diese teils für die Verantwortlichkeit wegen berufsbedingter Unterstützungshandlungen als potentiell ergebnisrelevant erwiesen haben, teils aber auch nicht. Wichtigstes Argument für eine Auswirkung der Garantenpflichten war die Zuständigkeit des Garanten für die Unversehrtheit eines Rechtsgutes, die eine Unterstützung seiner Verletzung in allen (auch äußerlich unauffälligen) Formen missbilligt. Andererseits wurde gegen eine entscheidende Vorwertung der §§ 138, 323c StGB vor allem auf das normative Stufenverhältnis sowie die unterschiedliche Schutzrichtung von allgemeinen Solidaritätspflichten und spezieller Verantwortung für die Beeinträchtigung eines Rechtsgutes abgestellt. Auch wenn man nun diese Topoi („Zuständigkeit“, „normatives Stufenverhältnis“) und die damit begründeten Ergebnisse in der Sache für überzeugend hält, erwecken sie freilich vordergründig den Anschein, eher ad hoc herangezogen zu werden als auf einem einheitlichen System des Einflusses von Sondervorschriften zu beruhen. Bei genauerer Betrachtung ist dies allerdings nicht der Fall. Vielmehr lassen sich die Argumente durchaus allgemeinen Grundsätzen zuordnen.79 Dabei kann und muss auf die Überlegungen zum Vorrang inhaltsreicherer Vorschriften zurückgegriffen werden.80 Deren zentraler Gedanke bestand darin, dass sich aus den Vorschriften des StGB, die eine mögliche Verantwortung für berufsbedingte Unterstützungshandlungen regeln, ebenso wie aus bereichsspezifischen Sondernormen in anderen Gesetzen gewisse Verhaltensnormen ergeben. Bei der Auslegung ist dann darauf zu achten, dass ein Verhaltensverbot bzw. umgekehrt eine Verhaltenserlaubnis, die von der inhaltsreicheren Verhaltensnorm statuiert werden, nicht durch die inhaltsärmere Vorschrift konterkariert werden. Betrachtet man unter diesem Blickwinkel die Grundsätze über die Garantenverantwortlichkeit einerseits und die Solidaritätspflichten der §§ 138, 323c StGB andererseits, so lassen sich die hier gefundenen Ergebnisse mit ihren Argumenten stimmig in das System des Vorrangs der inhaltsreicheren Regelung einordnen. Das Vorliegen einer Garantenstellung führt (insbesondere bei den hier vorrangig interessierenden Beschützergaranten) zu einer situationsunabhängigen Zuständigkeit für die Erhaltung eines Rechtsgutes; diese Zuordnung ist nun aber für das spezielle betroffene Rechtsgut inhaltsreicher als die etwaige Aussage, ein bestimmtes Verhalten sei generell nicht geeignet, Rechtsgüter in strafrechtlich relevanter Weise zu beeinträchtigen. Dass das Verhalten wegen seiner nicht-deliktischen Prägung 79 Dass ungeachtet dessen die Besonderheiten des Einzelfalles von Bedeutung bleiben und letztlich über das Ergebnis entscheiden, sei dabei konzediert, ist aber auch unschädlich. Wichtig ist die Verortung innerhalb eines allgemeinen Systems nämlich (weniger, um die anderweitig begründeten Entscheidungen zusätzlich zu legitimieren, sondern) vor allem, um Anhaltspunkte für die Behandlung weiterer Fälle zu erhalten. 80 Vgl. o. S. 217 ff. sowie i.R.d. Querschnittsanalyse S. 432, 437.

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grundsätzlich nicht missbilligt wird, ist eine weniger weit reichende und inhaltsärmere Aussage als diejenige, dass auf Grund der speziellen Zuständigkeit sogar die bloße Untätigkeit Gegenstand strafrechtlicher Missbilligung ist. Umgekehrt sind die §§ 138, 323c StGB für die Frage der Unterstützungsstrafbarkeit nicht inhaltsreicher. Denn sie betreffen zwar spezielle Konstellationen, ordnen für diese aber bereits Rechtsfolgen an, die gerade nicht Ausdruck einer speziellen Zuständigkeit für das Rechtsgut sind und entsprechend über eine solche auch nichts aussagen. Da die von ihnen angeordnete Sanktionierung allgemeiner Solidaritätspflichten dabei auch möglich bleibt, ohne für die Unterstützung fremder Straftaten eine spezielle Verantwortung anzuordnen, ist auch zur Verwirklichung ihrer partiell inhaltsreicheren Elemente nicht erforderlich, eine Vorwertung für andere Fragen anzunehmen.81 3. Damit wird bestätigt, was oben allgemein erarbeitet wurde. Das Kriterium des größeren Inhaltsreichtums hat sich insoweit als ebenso wichtig wie richtig erwiesen. Für andere Beispiele (insbesondere außerstrafrechtlicher Normen) lassen sich daraus gewisse Leitlinien ableiten, wobei zwischen tendenziell verantwortungsbegründenden und privilegierenden Normen zu unterscheiden ist: – Verantwortungsbegründend können Vorschriften wirken, die – und zwar nach ihrer Auslegung entweder situationsunabhängig oder zumindest auch in der konkreten Situation – eine Verpflichtung enthalten, für die Unversehrtheit des Rechtsguts einzustehen. Dabei ist wichtig, dass der Schutz des Rechtsguts nicht nur als Reflex bewirkt oder mittelbar bezweckt wird. Vielmehr muss die Auslegung hinsichtlich bestimmter Gefährdungen gerade für eine Zuständigkeit des Berufsträgers sprechen. – Privilegierend können dagegen Vorschriften wirken, die – explizit oder aber etwa im Gegenschluss zu abschließenden Verantwortungszuweisungen – den Berufsträger von einer Verantwortung freistellen. Es müssen sich der Norm also durch Auslegung Sondererlaubnisse für bestimmte (formalisierte) Angriffswege82 entnehmen lassen, die nicht nur Gefährdungen zulassen, sondern gerade auch gelten sollen, wenn es tatsächlich zu einem Schadenseintritt kommt. 81 Zugegebenermaßen ließe sich anhand dieser Kriterien hinsichtlich der Vorwertung der §§ 138, 323c StGB (wenngleich m.E. nur weniger überzeugend) auch das gegenteilige Ergebnis begründen. Dies liegt daran, dass das Kriterium des größeren Inhaltsreichtums seinerseits wieder eine gewisse Auslegung der Normen und vor allem eine Gewichtung ihrer Elemente erfordert. So mag man argumentieren, dass die fehlende spezielle Zuständigkeit weniger wichtig ist als der faktisch durch §§ 138, 323c StGB erreichte (oder zumindest beabsichtigte) Schutz für das Rechtsgut. Allerdings spricht dies nicht gegen die Tauglichkeit des größeren Inhaltsreichtums als methodische Leitlinie; immerhin sind etwa im Bereich der anerkannten Kanones der (grammatischen, systematischen, historischen, teleologischen usw.) Auslegung ebenso oftmals gegenläufige Argumentationen möglich (vgl. dazu allgemein aus methodentheoretischer Sicht Christensen / Kudlich, Theorie richterlichen Begründens, S. 363 ff.); insoweit spricht nichts gegen ein Verfahren, das ermöglicht und dazu anleitet, in geordneter Weise den argumentativen Reichtum der speziellen Situation und der diese regelnden Normen auszuschöpfen und dabei zugleich seine eigenen Gewichtungen offen zu legen.

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Insofern stehen die im Folgenden zu formulierenden allgemeinen Grundsätze über die Strafbarkeit oder Straflosigkeit neutraler berufsbedingter Unterstützungshandlungen gewissermaßen stets unter dem „Vorbehalt verantwortlichkeitsbeeinflussender Sondernormen“. Allerdings dürften die allgemeinen Grundsätze zumindest im statistischen Regelfall gelten.83 In einem allgemeinen Modell der Begründung des Unwerturteils durch (Erfolgseintritt und) strafrechtliche Missbilligung der Handlung wirken schließlich allgemeine Vorschriften und Sondernormen zusammen: Denn dass spezielle Risikoerlaubnisse oder aber Schutzpflichten gegebenenfalls ganz wesentliche Argumente für oder gegen die Missbilligung des Verhaltens liefern können,84 liegt auf der Hand.

II. Grundsätze für die Strafbarkeit vorsätzlicher Unterstützungshandlungen Im Mittelpunkt nicht nur der bisherigen Diskussion, sondern auch der vorliegenden Untersuchung steht die Strafbarkeit vorsätzlicher Unterstützungshandlungen. Sie bildet deswegen im Folgenden Ausgangspunkt und Kern der Entwicklung allgemeiner Lösungsregeln. Dazu wird zunächst dargelegt, weshalb für alle Formen der vorsätzlichen Beteiligung, die als „Unterstützung“ bezeichnet werden können, insoweit die gleichen Maßstäbe angelegt werden können (sogleich 1.). Danach werden diese Lösungsregeln aufgestellt, wobei zwischen objektiven (im Anschluss 2.) und subjektiven Zurechnungskorrektiven (zuletzt 3.) unterschieden wird.

1. Die vorsätzlichen Beteiligungsformen als Gegenstand gemeinsamer Grundsätze a) Soweit vorsätzliche Unterstützungshandlungen in Rede stehen, könnten diese in allen Gestalten des Vorsatzdelikts in einem weiteren Sinne und damit in sämtlichen Formen der (Vorsatz-)Täterschaft und der Teilnahme in Betracht kommen. Den Schwerpunkt der Überlegungen hier und in der bisherigen Diskussion bildet die Beihilfestrafbarkeit. Dies ist nicht weiter verwunderlich, stellt sie doch gewis82 Vgl. zum Gesichtspunkt der formalisierten Verletzungshandlung auch bereits oben S. 342 f. 83 Dies weniger, weil für so wenige Bereiche Sonderregelungen bestehen, sondern weil diese für den Eintritt eines strafrechtlich relevanten Erfolges eben nicht immer inhaltsreicher sind als die Strafnormen selbst. Dass aber in einer Reihe von Fällen gegenüber dem Regelfall zu berücksichtigende Besonderheiten (z.T. auch von außerhalb des Strafrechts) hinzutreten, ist nichts Außergewöhnliches und etwa von den Rechtfertigungsgründen oder den Garantenpflichten her gut bekannt. 84 Vgl. zu den normativen „Risikoregeln“ nochmals in der Querschnittsanalyse die Leitgesichtspunkte S. 436 ff. mit Verweis auf vorhergehende Überlegungen in dieser Arbeit.

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sermaßen den Prototyp der hier untersuchten „Unterstützungshandlungen“ dar. Daneben wurde aber bereits im 1. Teil gezeigt, dass – zumindest bei bestimmten Delikten – insbesondere auch Fälle der sog. vorsätzlichen Nebentäterschaft in einem phänomenologischen Sinne „Unterstützungshandlungen“ sein können. Eine solche liegt vor, wenn ein Vorsatztäter eigenständig täterschaftlich einen deliktischen Erfolg herbeiführt, wobei von einer „Unterstützung“ aber sinnvollerweise nur dann gesprochen werden kann, wenn diese täterschaftliche Begehung dennoch von einer anderen Straftat „abhängig“ ist.85 Berücksichtigt man, dass einerseits bei einem „gleichgewichtigen“ Zusammenwirken mehrerer oft auch eine Mittäterschaft in Betracht kommt, andererseits aber nach den allgemeinen Grundsätzen über Täterschaft und Teilnahme ein voll verantwortlicher unmittelbarer Verletzer oftmals allein die Tatherrschaft innehaben wird, bleiben für die vorsätzliche Nebentäterschaft vor allem Delikte mit besonderen Tathandlungen. Diese zeichnen sich dadurch aus, dass sie nach ihrer (ausreichend weiten) gesetzlichen Formulierung wie auch in den unterschiedlichen Möglichkeiten ihrer praktischen Ausführung viele verschiedene Verhaltensweisen als täterschaftliche Begehung zulassen, die aber hinsichtlich eines deliktischen „Erfolges“86 nebeneinander stattfinden können und von ähnlicher Bedeutung sind. Von einem „Unterstützen“ des Berufsträgers lässt sich dann sprechen, wenn zwar einerseits der unmittelbare Rechtgutsangriff von einem anderen begangen wird, ein (als täterschaftlich bewertbares) Verhalten des Berufsträgers aber dazu kommt, das diesen Angriff überhaupt erst ermöglicht oder doch zumindest erleichtert oder intensiviert.

b) Viel geringere Bedeutung hat das Problem demgegenüber aus unterschiedlichen Gründen für Anstiftung und Mittäterschaft. Da oben als ein Kriterium der „Neutralität“ (mit Blick auf den deliktischen Erfolg) genannt wurde, dass das Ersthandeln keinen objektiv auffordernden Charakter für das (unmittelbar verletzende) Zweithandeln hat, wird es bei einer Anstiftung, die im engeren Sinne der h. M. durch einen geistigen Kontakt geprägt ist, oft schon an der Neutralität im hier verstandenen Sinne fehlen.87 Nun löst zwar der oben erarbeitete Neutralitätsbegriff – wie mehrfach betont – kein rechtliches Konditionalprogramm aus; allerdings lässt sein Fehlen in der Sache viele der daran anknüpfenden Strafeinschränkungsinteressen entfallen. Bei einem als Mittäterschaft zu behandelnden Verhalten dagegen ist zu berücksichtigen, dass dem Berufsträger auch das Handeln des unmittelbaren Verletzers zuzurechnen wäre, so dass ebenfalls nicht mehr (nur) neutrales Verhalten in Rede stehen würde. Freilich ist hinsichtlich einer Mittäterschaft nicht ausgeschlossen, dass einmal zweifelhaft wird, ob – obwohl es „eigentlich“ den Anschein hat – angesichts der Neutralität des Verhaltens bei wertender Betrachtung tatsächlich von einer (gemeinsamen) Tatherrschaft ausgegangen werden kann. Und mit Blick auf die AnVgl. o. S. 39 ff., 66 f. Der Begriff des „Erfolges“ ist hier in Anführungszeichen gesetzt, da bei einer Reihe der sogleich besonders hervorgehobenen Äußerungsdelikte (die teilweise als abstrakte Gefährdungsdelikte verstanden werden) die Existenz eines Erfolges i.e.S. umstritten ist. 87 Vgl. o. S. 180 f. 85 86

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stiftung mögen insbesondere im Bereich der (rechtlichen) Auskunft auch Konstellationen als „neutral“ zu bewerten sein, obwohl in ihnen ein objektiv entschlussförderndes Verhalten vorliegt. Die Relevanz der Problematik bei diesen beiden Beteiligungsformen ist mithin zwar so gering, dass darauf hier nicht vertieft eingegangen werden musste;88 auch sie sollten aber nicht a priori ausgeklammert werden, wenn von Unterstützungshandlungen in Gestalt „vorsätzlicher Beteiligungsformen“ die Rede ist. c) Angesichts dieser Vielgestaltigkeit strafrechtlich relevanten vorsätzlichen Handelns mag die Frage auftauchen, ob man überhaupt einheitliche Grundsätze für all diese Formen aufstellen kann. Sie ist jedoch – mit Blick auf die Relevanz von Neutralität und Berufsbedingtheit und in der hier interessierenden Konstellation unterstützenden Handelns – durchaus zu bejahen.89 Die in der Querschnittsanalyse gefundenen Leitgesichtspunkte zeigen (näher noch illustriert durch die ausführlicheren Überlegungen im 3. Teil), dass die wesentlichen Wertungsgesichtspunkte für alle vorsätzlichen Beteiligungsformen gleichermaßen Geltung beanspruchen: Dies beginnt beim Erfordernis der Wahl einer „strafrechtlichen“ (d. h. an der Vermeidung von Rechtsgutsverletzungen orientierten) Perspektive, in der Durchbrechungen eines Zusammenhangs zwischen Handlung und deliktischem Erfolg begründungspflichtige Ausnahmen sind. Das gilt insoweit umso mehr, als phänomenologisch der Angriffsweg auf das Rechtsgut der gleiche (und damit gleich strafwürdig oder nicht strafwürdig und mit den selben negativen Sekundärfolgen verbunden oder nicht verbunden) ist, ganz gleichgültig, ob man einen Fall der Beihilfe oder der Nebentäterschaft annimmt. Auch die möglichen Gründe für solche Ausnahmen und damit für die Straflosigkeit beanspruchen übergreifend Geltung. Denn die zu berücksichtigenden Rechte in Gestalt der verfassungsrechtlichen Position des Berufsträgers sind bei den entscheidenden Abwägungen davon unabhängig, ob sein Verhalten strafrechtsdogmatisch als Gehilfe oder als Nebentäter eingeordnet wird. Ebenso beanspruchen die Überlegungen zur Erlaubtheit des in übli88 Die grundsätzlich geringere Beachtlichkeit des Problems bei Mittäterschaft und Anstiftung wird intuitiv auch deutlich, wenn man sich nur schlagwortartig einzelne Konzepte aus der bisherigen Diskussion noch einmal in Erinnerung ruft: So ist etwa eine „Distanzierung vom Erfolg nach der sozialen Bedeutung der Handlung“ im Sinne Jakobs’ (als einer Konzeption, die von allgemeinen Zurechnungsüberlegungen ausgeht) oder die Annahme einer „nur unwesentlichen Förderung“ einer Tat im Sinne Weigends (als einer Konzeption, die sich spezifischer am Wesen der Teilnahme orientiert) unwahrscheinlich, wenn dem Berufsträger zugleich Tatherrschaft attestiert wird oder aber von ihm überhaupt erst der Tatentschluss hervorgerufen wurde. 89 Dezidiert für eine solche Gleichbehandlung auch (obwohl von anderen Ausgangspunkten her argumentierend) Lesch, JR 2001, 383, 386. Die nachfolgende Begründung nimmt der Übersichtlichkeit und Schwerpunktsetzung wegen vor allem die beiden relevanteren Beteiligungsformen der Beihilfe und der vorsätzlichen Nebentäterschaft in Bezug. Aber auch soweit die hier interessierende Frage ausnahmsweise einmal für Fälle der Anstiftung oder der Mittäterschaft relevant wird, sind die aufgestellten Grundsätze relativ problemlos zu übertragen, da sie sich – wie sogleich näher belegt wird – in ihrer Herleitung nicht originär an der Beihilfe- oder Nebentäterschaftsdogmatik orientieren.

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chem beruflichem Handeln liegenden Risikos sowie der Vertrauensgrundsatz für ein nebentäterschaftliches berufliches Handeln mindestens in gleicher Weise Geltung wie für die Beihilfe;90 denn ihre Tathandlung wurde oben gerade von den in der Täterlehre entwickelten Grundsätzen der objektiven Zurechnung her näher konturiert.91 Dass zuletzt die Leitgesichtspunkte zu normativen Risikoregeln grundsätzlich von der dogmatischen Bestimmung der Beteiligungsform unabhängig sind, liegt ohnehin auf der Hand. Allenfalls auf den ersten Blick könnte man erwägen, ob nicht eine Verantwortung für ein nebentäterschaftliches Verhalten deshalb leichter zu begründen sein (und die Privilegierung des Berufsträgers in Fällen der Nebentäterschaft deshalb entfallen) könnte, weil kein Erfordernis einer „gemeinsamen Organisation“ besteht, d. h. also keine Zurechnung legitimiert werden muss. Aber davon abgesehen, dass die Anforderungen an eine solche gemeinsame Organisation vorliegend nicht als besonders hohe Hürde eingeschätzt wurden,92 muss gerade mangels „Zurechnungsakts“ die eigene Beziehung des Nebentäters zum Erfolg sogar „aufwendiger“ hergestellt und begründet werden als die des Gehilfen: Es genügt nicht einmal die Gefahrsteigerung i.S. einer „Förderkausalität“, sondern es ist sogar die grundsätzlich schwerer zu bejahende conditio sine qua non erforderlich.93 Die rechtliche Missbilligung einer Handlung als objektiv-(neben-)täterschaftliche ist insoweit sogar voraussetzungsvoller als eine solche als gehilfenschaftliche (was sich ja auch im Strafrahmen des § 27 II StGB niederschlägt). Insoweit besteht kein Grund zur Annahme, Privilegien, die einer Beihilfestrafbarkeit entgegenstehen, wären für die Frage nach einer Nebentäterschaft unbeachtlich.

Dass eine Gleichbehandlung von Beihilfe und Nebentäterschaft in seinen Auswirkungen gerechtfertig ist, zeigen schließlich auch die praktischen Beispiele: Im 1. Teil waren als wichtige Anwendungsfälle einer potentiell nebentäterschaftlich begangenen Unterstützung die Äußerungsdelikte des StGB, etwa im Bereich der illegalen politischen Agitation und der Verbreitung von Pornographie, genannt worden. Bei Vorschriften, die z. B. das „Zugänglichmachen“ von bestimmten Inhalten unter Strafe stellen (so in §§ 130 II Nr. 1b, 130a I, II Nr. 1, 131 I Nr. 2, 184 I Nr. 1 StGB), kann diese Tathandlung – außer vom Urheber – von unterschiedlichen Personen im Rahmen des Veröffentlichungsprozesses erfüllt werden. Bei einem Zugänglichmachen über die „klassischen“ Printmedien oder im Rundfunk,94 insbesondere aber auch bei einem Zur-Verfügung-Stellen der Daten im Internet,95 90 Beim Vertrauensgrundsatz ist dies besonders deutlich, denn er hat seine „Heimat“ und seinen Hauptanwendungsbereich ohnehin in der Fahrlässigkeitsdogmatik, wo gesetzestechnisch im Wesentlichen Nebentäter auftreten, während die Teilnahmelehre gerade weitreichende Ausnahmen vom Vertrauensgrundsatz statuiert. 91 Vgl. o. S. 361 ff. 92 Vgl. o. S. 351 ff. 93 In den konkret interessierenden Konstellationen kann diese freilich deswegen leichter zu bejahen sein, da bei ihr anerkanntermaßen hypothetische Ersatzursachen außer Betracht bleiben müssten. 94 Zu den (zivil- und strafrechtlichen) Verantwortungsstrukturen nach der Rechtsprechung im Bereich der Printmedien und des Rundfunks vgl. die Übersicht bei Sieber, JZ 1996, 429, 435 ff.

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kommt auf den ersten Blick eine Reihe von – auch berufsbedingt handelnden – Personen theoretisch als Täter in Betracht.96 Ebenso werden etwa bei strafbewehrten Verstößen gegen das Urheberrechtsgesetz (§§ 106 ff. UrhG) verschiedene (oftmals gerade auch beruflich handelnde) am Herstellungs- und Distributionsprozess mitwirkende Personen als Täter diskutiert.97 Der Streit darüber jedoch, ob „Inhaltsmittler“ (stets oder nach den Umständen des Einzelfalls) tatsächlich Täter oder aber immer nur Gehilfen sein können,98 macht nicht nur deutlich, dass die „neutrale Unterstützung“ kein reines Problem der Beihilfedogmatik ist, sondern zeigt auch, dass die im Einzelfall sehr „knappe“ Entscheidung, ob jemand noch als Gehilfe oder schon als Nebentäter betrachtet wird, keine Auswirkungen auf die prinzipielle Möglichkeit einer strafausschließenden Privilegierung haben sollte. Ist mithin davon auszugehen, dass die verschiedenen beteiligungsdogmatischen Teilnahmeformen vorsätzlicher Unterstützungshandlungen hinsichtlich der hier interessierenden Probleme gleich zu behandeln sind, stellt sich als nächstes die Frage, welche allgemeinen Lösungsregeln (vorbehaltlich etwaiger Sonderregelungen99) Anwendung finden. Dabei ist für die folgenden Überlegungen noch einmal an die zu Beginn des 3. Teils näher entfaltete Beschreibung „neutralen berufsbedingten Verhaltens“ zu erinnern. Dieses zeichnet sich dadurch aus, dass es „für die Ausübung des Berufes typisch und in der Weise durch den Beruf motiviert ist, dass ein abstrakter Entschluss, die jeweiligen Tätigkeiten bei etwaiger Nachfrage in der entsprechenden Form durchzuführen, unabhängig von konkreten deliktischen Anforderungen des Täters bereits ,vorgefasst‘ ist“.100 Für die Prüfung, ob dem Berufsträger für ein solches Verhalten ein dadurch mitverursachter deliktischer Erfolg zugerechnet werden kann, ist zwischen objektiven und subjektiven Zurechnungskorrektiven zu unterscheiden.

95 Vgl. nur Schönke / Schröder-Lenckner / Perron, § 184 Rn. 9, 15, 58, sowie für die Verbreitung von Pornographie im Internet Hörnle, NJW 2002, 1008 ff.; ferner Kudlich, JA 2002, 798, 800. 96 Nach dem natürlichen Sprachgebrauch mag man sogar beim verantwortlichen Redakteur oder dem Verleger (oder vielleicht sogar dem Verkäufer) einer Zeitschrift eher davon reden, dass er Schriften täterschaftlich zugänglich macht oder verbreitet als beim Autor selbst. 97 Vgl. den Überblick m.v.w.N. bei Hildebrand, Die Strafvorschriften des Urheberrechts, S. 293 ff. 98 Vgl. zur knappen Darstellung des Streitstandes und für w.N. Schönke / Schröder-Lenckner / Perron, § 184 Rn. 66h; allgemein zur Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme bei den in etwa § 184 StGB aufgezählten Verbreitungsformen auch a. a. O. Rn. 67. 99 Vgl. dazu oben S. 439 ff. sowie einzelne Beispiele in der Exemplifizierung unten S. 467 ff. 100 Vgl. zu dieser, als Ergebnis der Überlegungen zur Neutralität erarbeiteten Definition oben S. 185, vor Fußn. 46.

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2. Objektive Zurechnungskorrektive Die Vorteile, aber auch Schwierigkeiten objektiver Zurechnungskorrektive wurden in der vorangegangenen Untersuchung mehrfach verdeutlicht. Im Folgenden werden nun die vorliegend vertretenen zentralen Obersätze zu objektiven Begrenzungen der Zurechnung von berufsbedingt mitverursachten Erfolgen jeweils benannt und auf dem Boden der bisherigen Überlegungen sowie insbesondere der in der Querschnittsanalyse gefundenen Leitgesichtspunkte kurz begründet, bevor eine knappe Auseinandersetzung mit ausgewählten abweichenden Ansätzen bzw. vorstellbaren Einwänden erfolgt: a) Lösungsregeln Auf der Grundlage der bisherigen Überlegungen (insbesondere zum Prinzip des Rechtsgüterschutzes, zur sozialen Steuerungsfunktion des Rechts, zur Argumentationslast bei der Perspektivenwahl sowie zum Drohen bzw. Nichtdrohen von Überforderungen) ist als Ausgangspunkt davon auszugehen, dass auch neutrale berufsbedingte Verhaltensweisen grundsätzlich als objektive Tathandlung einer Beihilfe oder anderer Vorsatzdelikte in Betracht kommen. Ein genereller Ausschluss des objektiven Tatbestandes erfolgt mithin nicht. Allerdings sind als „allgemeine“ objektive Zurechnungskorrektive insbesondere die Möglichkeiten einer fehlenden Gefahrschaffung bei bloßer Mitwirkung an der Entstehung des Rechtsguts sowie einer Bewertung als bloßes Unterlassen von Kontroll- bzw. Differenzierungspflichten und das regelmäßige Ausscheiden einer (ergebnisrelevanten) psychischen Beihilfe zu beachten. b) Begründung (1) Die prinzipielle Tauglichkeit, den objektiven Tatbestand zu verwirklichen, wird durch die hier zugrunde gelegte Aufgabe des Strafrechts in Gestalt des Rechtsgüterschutzes bereits nahegelegt. Die daraus folgende erforderliche „Perspektivenwahl“ führt nicht nur dazu, dass das Handeln nicht „als solches“ beurteilt, sondern die spätere Rechtsgutsverletzung in die Beurteilung mit einbezogen werden muss. Vielmehr ist auch bei Eintritt einer solchen Rechtsgutsverletzung und einer Mitwirkung daran in einer strafrechtsdogmatisch erfassten Weise (insbesondere Förderung der Tathandlung) die strafrechtliche Verantwortlichkeit der Regelfall, der Ausschluss der Verantwortung eine begründungsbedürftige Ausnahme.101 Die nach den allgemeinen Grundsätzen der objektiven Zurechnung im Allgemeinen und als spezielle Ausformung davon für eine taugliche Beihilfehandlung im Besonderen erforderliche Gefahrsteigerung, die sich in der Rechtsgutsverlet101 Vgl. näher in der Querschnittsanalyse die Leitgesichtspunkte S. 427 ff. mit Verweis auf vorhergehende Überlegungen in dieser Arbeit.

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zung realisiert, ist in den vorliegenden Fällen zumindest grundsätzlich selbst dann erfüllt, wenn es sich um eine legal weit verbreitet erhältliche Leistung handelt:102 Denn eine (zwar geringe, aber) prinzipiell ausreichende Risikoerhöhung liegt jedenfalls darin, dass der Täter die erforderliche Leistung tatsächlich erhalten hat, während bei alternativen Beschaffungsvorgängen immer noch unvorhergesehene Schwierigkeiten auftreten könnten. Schließlich liegt in der „Neutralität“ und „Sozialüblichkeit“ der Leistung auch kein ausreichender Grund dafür, generell sowie ohne jede Rücksicht auf die innere Beziehung zur Tat eine Missbilligung des Verhaltens und damit den objektiven Tatbestand schlechterdings zu verneinen. Denn trotz des Vorzugs großer Klarheit und einiger respektabler Sachargumente dafür erscheint eine so weit reichende Privilegierung unangemessen. Hinsichtlich der Sachgründe aus dem thematischen Umfeld der sozialen Adäquanz ist – von grundsätzlichen (und zugegebenermaßen nicht immer überzeugenden) Einwänden gegen diese Rechtsfigur abgesehen – zu konstatieren, dass zumindest in dem größten Teil der vorstellbaren Fallkonstellationen103 überhaupt keine ausreichend verfestigten Gepflogenheiten dazu bestehen, wie zu verfahren ist, wenn durch das berufliche Handeln erkanntermaßen eine fremde Straftat gefördert wird. Die i.d.R. allenfalls vagen Vorstellungen oder Vermutungen über wahrscheinliche Handlungsmuster genügen nicht, um eine von der „Regelperspektive“ abweichende Betrachtungsweise zu rechtfertigen.104 Dies gilt umso mehr, als auch die entgegenstehenden Interessen des Berufsträges jedenfalls bei sicherer Kenntnis der deliktischen Verwendung zurücktreten: Es drohen weder individuelle (Überforderung) noch überindividuelle (Misstrauensgesellschaft) negative Sekundärfolgen,105 wenn in den seltenen Fällen sicherer Voraussicht des Erfolges eine Geschäftshandlung unterlassen und damit die Gefahr einer (in diesen seltenen Fällen auch recht) nahe liegenden Rechtsgutsbeeinträchtigung zumindest verringert wird. Diese Überlegungen gelten übrigens auch, wenn man grundsätzlich der Annahme zustimmt, das Strafrecht diene primär der kontrafaktischen Stabilisierung enttäuschter Verhaltenserwartungen, und an solchen fehle es hier. Denn ganz offensichtlich ist der (gesamt-)gesellschaftliche Erfahrungsschatz mit solchen Konstellationen zu gering, um verbindlich die normative Erwartung leugnen zu können, dass man als Berufsträger die vorsätzliche Förderung fremder Straftaten zu unterlassen hätte. 102 Dass dies umso mehr gilt, wenn etwa eine (fast) monopolartige Stellung des Berufsträgers vorliegt oder aber eine eilige Verschaffung der Leistung Voraussetzung für das Gelingen der Tat ist, liegt auf der Hand. Vgl. näher in der Querschnittsanalyse die Leitgesichtspunkte S. 434 mit Verweis auf vorhergehende Überlegungen in dieser Arbeit. 103 Sollte eine solche ausnahmsweise einmal feststellbar (bzw. auf Grund von entsprechenden gesetzlichen Vorgaben zu unterstellen) sein, würde es sich um einen der vorbehaltenen Fälle von speziellen Risikoerlaubnissen durch Sondernormen handeln. 104 Vgl. näher in der Querschnittsanalyse die Leitgesichtspunkte S. 427 ff. mit Verweis auf vorhergehende Überlegungen in dieser Arbeit. 105 Vgl. näher in der Querschnittsanalyse die Leitgesichtspunkte S. 434 f. mit Verweis auf vorhergehende Überlegungen in dieser Arbeit.

29 Kudlich

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(2) Allerdings sind „allgemeine“ objektive Zurechnungskorrektive (wie sie im Wesentlichen ebenso für den Alleintäter gelten106) natürlich auch in den hier interessierenden Fällen zu berücksichtigen. Unter diesen spielen einige strukturell gerade bei neutralen berufsbedingten Unterstützungshandlungen eine besondere Rolle: (a) Zunächst ist an Fälle zu denken, in denen der Berufsträger durch seine Leistung die Möglichkeit der Straftat allein dadurch „fördert“,107 als er an der Herstellung des Tatobjekts bzw. des geschützten Rechtsgutes mitwirkt. Hier liegt für das Rechtsgut keine Risiko-, sondern im Gegenteil eine Chancenerhöhung vor,108 so dass ein am Rechtsgüterschutz orientiertes Strafrecht keinen Vorwurf aussprechen kann. Ein Beispiel ist die (äußerlich ordnungsgemäße) Mitwirkung von Bankmitarbeitern bei der (durch den pauschalen Vorwegabzug der Kapitalertragssteuer im Inland praktisch bedeutungslos gewordenen) Anlage von Geld, selbst wenn sie wissen, dass der Kunde die Erträge nicht versteuern will:109 Denn die Mitwirkung an der Entstehung eines Steueranspruches allein ist keine strafbare Beteiligung an seiner Hinterziehung. Mit dem gleichen Argument kann auch der in der Literatur häufiger erwähnte Fall des Baus eines Hauses für den stadtbekannten „Wohnraummietenwucherer“ gelöst werden: Allein die Mitwirkung an der Schaffung von sonst nicht vorhandenem Wohnraum ist keine strafbare Unterstützung der späteren Ausnutzung von Wohnraumknappheit. Denn das geschützte Rechtsgut110 wird zunächst noch nicht dadurch gefährdet, dass eine Handlung vorgenommen wird, die potentiell erst einmal geeignet ist, die Notlage abzumildern. Das Gleiche gilt schließlich für den Arbeitnehmer, der weiß, dass der Betriebsinhaber bei den erwirtschafteten Gewinnen Steuern hinterzieht – und 106 Vgl. nur Schönke / Schröder-Cramer / Heine, § 27 Rn. 9a m. w. N. Ergänzend sei hier noch die Konstellation erwähnt, in der aus Gründen der Akzessorietät eine Beihilfestrafbarkeit ausscheidet, wenn bereits das Verhalten des Haupttäters nicht objektiv zurechenbar ist: Wenn also in den „Erbonkel-Gewitter-Lehrbuchfällen“ ein Taxifahrer den von seinem Neffen in der Hoffnung auf den Tod durch Blitzschlag zu einem Spaziergang geschickten Erbonkel einige Kilometer aus dem Stadtzentrum zu einem Spazierweg am Stadtrand fährt, wo der Onkel dann tatsächlich vom Blitz erschlagen wird, ist dieser Erfolg nach h. L. dem Neffen i.d.R. nicht objektiv zurechenbar. Es fehlt dann insoweit an einer teilnahmefähigen Haupttat; freilich ist dies kein spezifisches Problem unseres Fragenkreises, denn die fehlende Haupttat würde auch der aus Habgier privat handelnden Frau des Neffen zugute kommen, wenn diese ihren Schwiegeronkel fährt. 107 Dazu, dass daneben noch weitere, auf die Verletzung des Rechtsguts gerichtete Tätigkeiten hinzukommen können, die dadurch nicht etwa erlaubt sind, vgl. o. S. 144, dort Fußn. 406. 108 Für den Ausschluss einer Beihilfe auch noch bei einem „risikoneutralen Verhalten“ auch BGH StV 1985, 279. 109 Vgl. auch nochmals näher unten S. 493 f. 110 D. h. das Vermögen des Bewucherten (vgl. dazu m. w. N. etwa Mitsch, BT II / 2, § 5 Rn. 49) in der Ausprägung des Schutzes vor einer krassen Übervorteilung in einer Zwangslage, vgl. Tröndle / Fischer, § 291 Rn. 3 m. w. N. Betrachtet man als Rechtsgut primär das „Funktionieren des Wirtschaftsverkehrs“ (so Otto, BT, § 61 Rn. 124), ändert das daran nichts: Denn die Chancen für das Funktionieren einer marktwirtschaftlichen Preisentwicklung bei tendenziell knappen Gütern werden durch eine Vermehrung des Gutes (hier: Wohnraum) zunächst einmal verbessert.

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zwar (entgegen einem obiter dictum des BGH111) sogar dann, wenn der Betrieb nur durch die Umsatzsteuerhinterziehung rentabel arbeitet und insoweit darauf geradezu ausgerichtet ist. Denn auch das ändert nichts daran, dass der Arbeitnehmer zunächst einmal nur an der Entstehung des Steueranspruches mitwirkt.112

(b) Des Weiteren fehlt es regelmäßig am objektiven Tatbestand, wenn das Verhalten des Berufsträgers nach dem Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit nur als Unterlassen von Differenzierungen bei seinem Handeln anzusehen ist.113 Voraussetzung dafür ist, dass durch ein an sich sozial nützliches (bzw. zumindest übliches) einheitliches aktives Handeln gleichzeitig eine Vielzahl von Kunden erreicht wird und die legale Nutzung der aktiven Handlung zahlenmäßig stark überwiegt. Dies ist etwa der Fall beim Angebot von Waren oder Dienstleistungen durch einen Automaten oder beim Zur-Verfügung-Stellen von bloßen Infrastrukturen, die zu deliktischen Zwecken missbraucht werden. Hier liegt der Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit nicht auf dem Aufstellen bzw. Bestücken des Automaten oder der Errichtung der Infrastruktur (z. B. der Inbetriebnahme einer Straßenbahnlinie), sondern auf der unterlassenen Differenzierung bei der Erbringung der Leistung. Zu einer solchen Differenzierung besteht aber beim Angebot an sich ungefährlicher Leistungen keine Handlungspflicht, so dass es an der für eine Unterlassensstrafbarkeit erforderlichen Garantenpflicht fehlt.114 (c) Schließlich hat die psychische Beihilfe durch Förderung des Tatentschlusses für neutrales berufsbedingtes Verhalten keine eigenständige Bedeutung:115 Diese ist nämlich auf solche Fälle zu beschränken, in denen der Täter sich durch das Verhalten objektiv bestärkt fühlen durfte, wofür der expressive Gehalt des Verhaltens ausschlaggebend ist. Dieser liegt aber bei neutralem (d. h. auf einem abstrakt vorgefassten Beschluss beruhenden, den deliktischen Plänen nicht angepassten) berufsbedingtem Handeln nie in einer aufmunternden Bestärkung des Täters, sondern in der Ausübung der beruflichen Tätigkeit.

c) Auseinandersetzung mit abweichenden Konzepten Auf den vorangegangenen Seiten wurde vor allem die generelle Eignung auch berufsbedingter Handlungen zur Erfüllung des objektiven Tatbestandes positiv beVgl. BGH wistra 1988, 261 (wohl zustimmend Wohlleben, S. 174; Fall 23). Vgl. auch nochmals näher unten S. 511 ff. Dies ist natürlich anders bei einem Angestellten, der im Büro damit befasst ist, Einnahmen zu verschleiern, umso die Steuern hinterziehen zu können. 113 Vgl. o. S. 408 f. Es handelt sich insoweit um einen der in der Querschnittsanalyse angesprochenen Fälle, in denen der „Perspektivenwechsel“ (nämlich vom Tun auf ein Unterlassen) unter bestimmten Umständen (nämlich der Begründbarkeit einer entsprechenden Entscheidung über den Schwerpunkt) vom Gesetz gerade zugelassen wird. 114 Zur Begründung näher S. 411 ff. 115 Vgl. bereits näher oben S. 369 ff. 111 112

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4. Teil: Synthese – Strafbarkeit berufsbedingter Unterstützungshandlungen

gründet. Ergänzend dazu soll im Folgenden noch kurz auf einige abweichende Ansätze bzw. vorstellbare Einwände eingegangen werden.116 Eine solche Auseinandersetzung ist nicht nur den vielfach gedankenreich entwickelten Konzeptionen geschuldet, die bislang vielfach eher neutral referiert wurden,117 sondern kann die Begründung der eigenen Lösungsregeln noch zusätzlich (gleichsam im Wege einer negativen Abgrenzung) fundieren. (1) Gegen die hier gelieferte Begründung der generellen objektiven „Tatbestandstauglichkeit“ auch neutraler Unterstützungshandlungen könnte zunächst methodisch eingewendet werden, dass die objektive Tatbestandsmäßigkeit teilweise „im Rückschluss“ damit begründet wird, dass gegen eine Straflosigkeit bei sicherer Kenntnis Bedenken (bzw. dafür kein Bedürfnis) bestehen. Man mag dabei als unangemessen empfinden, dass grundsätzlich etwa jeder Verkauf eines noch so unauffälligen Gegenstandes, der völlig unvorhersehbar später einmal deliktisch genutzt wird, als objektives (Beihilfe-)Unrecht bewertet werden könnte. Solche Einwände sind nicht völlig von der Hand zu weisen. Und mancher mag ihr Gewicht nur unwesentlich durch die Tatsache relativiert sehen, dass diese (zwar letztlich unschädlichen, aber weniger „elegant“ wirkenden) Konsequenzen unvermeidbar sind, wenn man einerseits im Interesse des Rechtsgüterschutzes nicht jede wissentliche Förderung einer Straftat im berufsbedingten Bereich straflos stellen, andererseits aber auch nicht die Bewertung des objektiven Tatbestandes trotz scheinbarer klarer analytischer Trennung118 von subjektiven Vorstellungen abhängig machen will.119 Bei genauerem Hinsehen erweisen sich diese Konsequenzen aber als gar nicht so schwerwiegend, wenn man sich vergegenwärtigt, dass das Unrecht erst durch die Kombination aus objektiven und subjektiven Komponenten begründet wird. Der Vorwurf, sich unwissentlich (nur) objektiv „tatbestandsmäßig“ verhalten zu haben, ist daher keinesfalls übermäßig „stigmatisierend“. Im Übrigen ist der Vorwurf auch in den von ihm ausgelösten (bzw. vielmehr: nicht ausgelösten) Rechtsfolgen nicht problematisch. Dies zeigen die „Polizeirechts-“ und die Notwehrprobe, d. h. die Überlegung, welche eventuellen nachteiligen Konsequenzen für den nur-objektiv tatbestandsmäßig handelnden Berufsträger verbunden sein könnten (es im Ergebnis aber eben nicht sind): 116 Die Auswahl dieser nochmals aufgegriffenen Gedanken ist notwendig subjektiv, orientiert sich aber vor allem daran, ob die bisherigen Herleitungen zu ihnen noch keine expliziten Aussagen gemacht haben. 117 Dies gilt insbesondere für die Darstellung des Meinungsstandes im 2. Teil der Arbeit (S. 74 ff.), wo auf eine eigene Bewertung zumeist bewusst verzichtet wurde. 118 Dieses Vorgehen ist nicht mit dem hier verfolgten zu verwechseln, bei dem die analytische Trennung hinter funktional zusammenhängenden Zurechnungserwägungen zurückgestellt wird und daher in Abhängigkeit von der objektiven Verhaltensqualität besondere subjektive Anforderungen gestellt werden (vgl. unten S. 458 ff.). 119 So – zwar nicht explizit ausgesprochen, aber teilweise in der Lösung seiner Beispiele – etwa Herzberg, JZ 1987, 536 ff., insb. 539, der zwar die „situativ normale Unwissenheit“ als Grund anerkennt, den objektiven Tatbestand zu verneinen, gleichzeitig aber meint, bei sicherer Kenntnis „wäre an einer vorsätzlichen ( . . . sc: Deliktsbegehung) nicht zu zweifeln“.

B. Die einzelnen Grundsätze der strafrechtlichen Verantwortlichkeit

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(a) Der erste Nachteil der Annahme objektiver Tatbestandsmäßigkeit könnte für den Berufsträger darin liegen, dass er polizeirechtlich in Anspruch genommen (ihm also die Erbringung der Leistung untersagt) werden kann. Ob man allerdings einem über die geplante Verwendung der beruflichen Leistung informierten Polizisten gestatten würde, die Erbringung dieser Leistung unter Aufklärung des Berufsträgers über die Absichten seines Kunden zu untersagen, hängt von der (objektiven) Rechtswidrigkeit oder Tatbestandsmäßigkeit ohnehin nicht ab. Selbst wenn man aber unterstellt, dass ein objektiv tatbestandliches und damit gegen eine objektive Verhaltensnorm verstoßendes Verhalten leichter den Weg zur Anwendung der polizeilichen Generalklausel eröffnet, ist das nicht problematisch. Denn bei der Frage, ob die Erbringung der Leistung untersagt werden dürfte, wäre immerhin noch die Ermessensausübung bei der Störerauswahl zu prüfen. Und würde auch die ausnahmsweise ergeben, dass die Tat anderweitig (d. h. insbesondere durch Inanspruchnahme des unmittelbaren Verletzers) nicht verhindert werden kann oder aber dass ein Fall der „Zweckveranlassung“ durch den Berufsträger120 vorliegt, so wäre die polizeirechtliche Untersagung an den Berufsträger wertungsmäßig keinen Bedenken ausgesetzt und im Übrigen wieder unabhängig davon durchzuführen, ob man das Verhalten als objektiv tatbestandsmäßig erachtet. (b) Bei der aus anderen Zusammenhängen bekannten „Notwehr-“ bzw. „Nothilfeprobe“ dagegen wird gefragt, ob es angemessen erscheint, wenn das Opfer oder ein Dritter gegen ein bestimmtes Handeln (nicht) nach § 32 StGB gerechtfertigt vorgehen können, oder anders formuliert: wenn der Handelnde diesen Eingriff als gerechtfertigt dulden muss. Eine Nothilfe zugunsten des Opfers (zu der zumeist ohnehin nicht mehr als eine Information des Berufsträgers erforderlich) wäre nach wohl h. L. allerdings auch dann nicht zuzulassen, wenn man das Verhalten als (nur) objektiv tatbestandsmäßig erachtete. Denn mangels subjektiven Handlungsunrechts bei fehlendem Vorsatz bzw. mangels pflichtwidrigen Verhaltens ist das Verhalten insgesamt auch i. S. d. Notwehrvoraussetzungen nicht rechtswidrig.121 Dem Berufsträger droht also durch die Bejahung des objektiven Beihilfetatbestandes kein duldungspflichtiger Eingriff in seine Rechte durch Dritte.122 Stellt man 120 Vgl. zu dieser Figur etwa Berner / Köhler, PAG, Art. 7 Rn. 1 m. w. N.: Erforderlich wäre insoweit, dass der Berufsträger den Kunden bewusst und gewollt zu dem Rechtsgutsangriff veranlasst. 121 Vgl. statt vieler nur m. w. N. (insb. dort Fußn. 25) Roxin, AT I, § 15 Rn. 14: „Die Rechtswidrigkeit des Angriffs entspricht dem Rechtswidrigkeitsbegriff der allgemeinen Verbrechenslehre. Ein Angriff ist also nicht schon dann rechtswidrig, wenn er einen Erfolgsunwert herbeizuführen droht; er muss auch einen Handlungsunwert aufweisen.“ Zustimmend etwa Schönke / Schröder-Lenckner / Perron, § 32 Rn. 21; ausführliche Nachweise zum Streitstand (bis Beginn der 80er Jahre) Günther, Strafrechtswidrigkeit und Strafunrechtsausschluß, S. 380 f. Vgl. aus neuerer Zeit ausführlich auch Sinn, GA 2003, 96 ff. 122 Folgt man dem, sind die (in etwas anderem Zusammenhang geäußerten) offenbar bestehenden Zweifel von Kindhäuser, NStZ 1997, 272, 275 (dort Fußn. 3 i.V.m. S. 273) unbegründet. Der a. a. O. erwähnte drohende Einigriff nach § 34 StGB ist damit freilich „nicht vom Tisch“. Sollte dieser aber wirklich einmal in einer schärferen Form als der bloßen Belehrung des Berufsträgers zulässig sein (und nicht seine Interessen überwiegen, weil auch ein

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4. Teil: Synthese – Strafbarkeit berufsbedingter Unterstützungshandlungen

sich dagegen mit der früher herrschenden und auch heute noch vielfach vertretenen Gegenauffassung auf den Standpunkt, die Rechtswidrigkeit sei allein vom Erfolg her zu bestimmen,123 so wäre die Notwehr wohl nicht nur unabhängig davon zulässig, ob man das Verhalten als objektiv tatbestandsmäßig erachtet,124 sondern würde sich in dieses System auch stimmig einfügen: Wenn – um ein klassisches Beispiel zu dieser Frage aufzugreifen – gegen den verkehrsgerecht fahrenden Autofahrer, dem unvorherseh- und für ihn unvermeidbar ein Kind vor das Auto zu laufen droht, Nothilfe möglich sein soll, gibt es keinen Grund, diese gegenüber dem Verkäufer eines Gegenstandes grundsätzlich zu versagen, mit dem eine Straftat begangen werden soll. (2) In der Sache könnte man ferner erwägen, ob nicht berufliche Verhaltensweisen auch dann noch in den Genuss einer Privilegierung kommen sollten, wenn sie zwar i.w.S. berufsbedingt, aber über das für die jeweilige Leistung typische Maß an Individualisierung hinausgehend so an die deliktischen Pläne angepasst sind, dass sie dem üblichen Berufsbild nicht mehr entsprechen und nur durch eine unübliche (vor allem deliktische) Verwendung der Leistung erklärbar sind.125 Wenngleich hier der Gesichtspunkt der Adäquanz nur in geringerem Maße einschlägig ist, könnte doch immerhin auch ein angepasstes (aber eben berufsbedingtes) Verhalten in gleicher Weise den verfassungsrechtlichen Schutz des Art. 12 I GG genießen. Indes ist dies nicht der Fall, da selbst bei der Bejahung einer fortbestehenden Eröffnung des Schutzbereiches die Abwägung bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung und damit das wichtige Verhältnis von Freiheitseingriff und Rechtsgutsbewahrungseignung126 entschieden anders ausfallen würden. Wie oben näher dargelegt,127 spielt hierfür das Maß an Neutralität und fehlender Anpassung eine überragende Rolle, da sich bei Veränderungen dieser Faktoren die Eingriffsintensität einerseits und die Eignung zum Rechtsgüterschutz andererseits gleichsam diametral auseinanderbewegen. Da zudem bereits in der Forderung nach einer untypischen (potentiell deliktsermöglichenden128) Anpassung als solcher ein AnhaltsZugriff unmittelbar beim Täter möglich ist), dürften gegen ein Eingriffsrecht keine größeren Bedenken bestehen als in anderen von § 34 StGB gedeckten Fällen. 123 Vgl. nur LK-Spendel, § 32 Rn. 60 ff.; Jescheck / Weigend, AT, § 32 II 1 c = S. 341 (m. w. N. dort Fußn. 18); von Wessels / Beulke Rn. 331 noch als h. M. bezeichnet. 124 Denn die Feststellung des drohenden Eintritts des Erfolgsunrechts bleibt davon ja unberührt. 125 Zum Gesichtspunkt der Anpassung als „neutralitätsausschließend“ vgl. nochmals oben S. 182. Dass jedenfalls solche Handlungen, die nur „bei Gelegenheit der Berufsausübung“ erfolgen (dazu oben S. 32), keiner Privilegierung bedürfen, liegt demgegenüber auf der Hand: Sie fallen regelmäßig schon nicht in den Schutzbereich der Berufsfreiheit, so dass alle Überlegungen nicht einschlägig sind, die mittel- oder unmittelbar auf dem verfassungsrechtlichen Schutz des Art. 12 I GG basieren. 126 Vgl. in der Querschnittsanalyse die Leitgesichtspunkte S. 433 ff. mit Verweis auf vorhergehende Überlegungen in dieser Arbeit. 127 Vgl. o. S. 301 f.

B. Die einzelnen Grundsätze der strafrechtlichen Verantwortlichkeit

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punkt für mögliches Misstrauen liegt, kommt auch dem Vertrauensgrundsatz viel geringere Bedeutung zu. (3) Ferner stellt sich die Frage, ob nicht bei neutralen berufsbedingten Verhaltensweisen eine Strafbarkeit i. S. d. von Roxin (und ihm folgend auch von der Rechtsprechung des BGH) getroffenen Differenzierung auf Fälle mit „deliktischem Sinnbezug“ zu beschränken ist.129 Dies wären solche Fälle, in denen „der Tatbeitrag (sc.: hier also die berufliche Leistung) für den Täter nur unter der Voraussetzung der geplanten Straftat von Wert ist und der ,Beiträger‘ dies auch weiß“130 bzw. wenn „das Handeln des Haupttäters ausschließlich darauf ab(zielt), eine strafbare Handlung zu begehen“.131 (a) Diese Einschränkung geht jedoch einerseits zu weit, wenn sie gerade auch bei sicherer Voraussicht des Delikts und der Verwendung des Werkzeugs dazu eine Strafbarkeit nur deswegen ablehnt, weil der Täter die Leistung später noch zu einem anderen Zweck benützen kann. Wenn der Verkäufer – vielleicht sogar vom Käufer selbst – sicher weiß, dass mit dem erworbenen Hochleistungsschweißgerät bei einem Einbruch ein Tresor geöffnet werden soll, ist zweifelhaft, ob der Verkäufer überhaupt aus seiner Verantwortung entlassen werden kann. Jedenfalls kann aber kein Kriterium sein, ob der Täter (wie der Verkäufer weiß) das Gerät nur bei dem Einbruch benutzen oder zusätzlich noch das Treppengeländer in seinem Neubau anschweißen möchte. (b) Hielte man die Differenzierung in der Sache aber für berechtigt, wäre sie andererseits zu eng, da solche monistisch deliktischen Sinnbezüge mehr oder weniger Phantome sind:132 Zwar mag es (nicht im Bereich des Warenverkaufs, aber vielleicht im Bereich der Auskunftserteilung o.ä.) bestimmte Leistungen geben, die situationsunabhängig zumindest „fast nur“ deliktisch verwendet werden können. Die Aussage aber, ein Alltagsgegenstand sei in der konkreten Situation nur deliktisch verwendbar, ist genau genommen relativ sinnlos, da der Gegenstand nach der Tatbegehung immer noch gebraucht werden könnte. Jedenfalls aber wäre eine solche allein deliktische Verwendungsabsicht zumeist eine bloße Unterstellung bzw. die Trennlinie verliefe ziemlich willkürlich und auch zufällig.133 128 Insoweit dürfte etwas anderes gelten, wenn die Anpassung als solche zu keinerlei gesteigertem Gefährdungspotential führt. Dies entspricht – hier auf der Ebene der Abweichung – auch den allgemeinen Grundsätzen, wonach eine Beihilfe eine Risikosteigerung verlangt, die sich im Erfolg niederschlagen muss. 129 Vgl. zu diesen oben als gemischt objektiv-subjektiv bezeichneten Ansätzen S. 118 ff. 130 Vgl. Roxin, Miyazawa-FS, S. 501, 513; ähnlich ders., Stree / Wessels-FS, S. 365, 379 f. 131 Vgl. (insoweit wortgleich) BGH NStZ 2000, 34 und BGHSt 46, 107, 112. 132 Vgl. bereits die insoweit überzeugende, im 2. Teil (S. 122 ff.) näher dargestellte Kritik bei Amelung, Grünwald-FS, S. 9, 18 i.V.m. S. 13; Beckemper, Jura 2001, 163, 167; Niedermair, ZStW 107 (1995), 507, 531 und Otto, Lenckner-FS, S. 193, 207. 133 Sollte im Brötchen-Vergiftungsfall tatsächlich ausschlaggebend sein, ob der Bäcker ein Brötchen verkauft, das vollständig vergiftet werden soll (dann sicher deliktischer Sinnbezug),

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(4) Zuletzt könnte man eine (rein objektive) Zurechnungseinschränkung für berufsbedingtes Handeln in Fällen erwägen, in denen die Leistung nicht unmittelbar die Tatbegehung, sondern „nur“ eine Vorbereitungshandlung erleichtert. Entscheidend wäre insoweit nicht der Zeitpunkt der potentiellen Beihilfehandlung,134 sondern die Frage, wann der Leistungsgegenstand benutzt wird (nämlich vor oder nach dem Eintritt in das Versuchsstadium135). Der Anstoß für eine solche Differenzierung rührt zunächst aus der vergleichenden Perspektive des Patentrechts her. Dort wird über das Merkmal der „Mittel, die sich auf ein wesentliches Element der Erfindung beziehen“ (vgl. § 10 PatentG) und ihre Auslegung als „nicht mitwirkende oder begleitende Arbeits- bzw. Hilfsmittel“ ein Unterschied zwischen der Verwendung eines Gegenstandes unmittelbar zur (patent-)verletzenden Handlung einerseits und der bloß begleitenden oder mitwirkenden Verwendung andererseits gemacht. Stärker induktiv betrachtet ließen sich aber auch teilweise befriedigend erscheinende Ergebnisse relativ leicht damit begründen.136 Dagegen entspricht eine solche Differenzierung zumindest nicht ohne weiteres spezifisch strafrechtlichen Vergleichsgrößen: Dies beginnt damit, dass grundsätzlich eine Beihilfe nicht nur bereits im Vorbereitungsstadium geleistet werden,137 sondern sich auch auf eine bloße Vorbereitungshandlung beziehen kann, wenn sich diese Unterstützung im Erfolg auswirkt.138 Noch deutlicher wird dies im Recht der Einziehung, da eine solche für die instrumenta sceleris nach § 74 I StGB möglich sein soll, wenn „Gegenstände“ zur „Vorbereitung (sc. der Tat) gebraucht oder bestimmt gewesen sind“. Eine dem Patentrecht vergleichbare gegenständliche Differenzierung zwischen Einsatz vor oder nach Versuchsbeginn scheint also nach der Formulierung des § 74 I StGB im Strafrecht nicht stattzufinden. Zwar wird diese weite gesetzliche Gleichsetzung teilweise durchaus als problematisch empfunden und als Anlass für das Erfordernis einer restriktiven Auslegung gesehen. So kritisiert etwa Eser, dass damit „kaum noch eine Grenzziehung möglich ist“ und fordert daher

einen Laib Brot, von dem nur eine Scheibe vergiftet werden soll (dann nach Roxins Konzeption kein deliktischer Sinnbezug) oder aber zwei Brötchen, von denen nur eines vergiftet werden soll (dann fraglich, ob auf den Einzelgegenstand oder den gesamten Kaufgegenstand abgestellt wird)? 134 Für eine Differenzierung danach allerdings NK-Puppe, vor § 13 Rn. 157. 135 Um dies an einem Beispiel zu demonstrieren: Der Hammer, mit dem eine fremde Vase oder ein fremder Schädel zerschlagen werden sollen, käme im Ausführungsstadium zum Einsatz. Dagegen wird das verkaufte Benzin, das den Pkw des betrügerischen Händlers auf dem Weg in sein Geschäft bzw. zu seinem Opfer antreibt, noch in der Vorbereitungsphase eingesetzt: Die Fahrt zum Ort des Betruges ist in aller Regel nämlich noch kein unmittelbares Ansetzen zur Täuschung. 136 Vgl. nur die Beispiele in der vorangehenden Fußn. 135: Hier mag man – jeweils sichere Voraussicht vorausgesetzt – intuitiv durchaus geneigt sein, den Verkäufer des Hammers (und zwar unabhängig davon, ob eine Vase oder ein Kopf eingeschlagen werden soll!) eher bestrafen zu wollen als den Tankwart. 137 Praktisch unstreitig; vgl. statt vieler nur Kühl, AT, § 20 Rn. 232 m. w. N. 138 Vgl. Jescheck / Weigend, AT, § 64 III 2 b m. w. N. = S. 692.

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„sofern die Einziehung nicht von vornherein auf unmittelbare Tatwerkzeuge beschränkt wird“ einen unmittelbaren Tatbezug, der „bei mittelbaren Hilfsmitteln ( . . . ) allenfalls insoweit gewahrt (sc.: ist), als ihre Herstellung oder Benutzung bereits mit deliktischer Absicht erfolgt.“139 Eine klare Linie hat sich insoweit allerdings soweit ersichtlich noch nicht durchgesetzt, und insbesondere die Rechtsprechung ist schwankend und uneinheitlich: So soll zwar das Mobiltelefon, mittels dessen Verabredungen zum Handeln von Betäubungsmitteln getroffen wurden, einziehbar sein,140 nicht jedoch ein Computer, auf dem ein beleidigender Brief geschrieben wurde.141 Das Ticket für einen Flug, auf dem Drogen ins Land geschmuggelt wurden, soll nicht der Einziehung unterliegen,142 wohl aber die Feile, mit der ein bei der Tat benutzter Dietrich hergestellt wurde.143 Deutlich ist aber, dass auch im Recht der Einziehung nicht etwa generell (contra legem) Gegenstände, die nur Vorbereitungshandlungen betreffen, ausgeschieden werden. Die Grenzziehung ist eher eine (sehr vage und schwierige) zwischen mittelbarer und unmittelbarer Bedeutung für die Tat. Eine solche Abschichtung ist aber der Beihilfedogmatik generell fremd, wie sich schon daran zeigt, dass auch die Lieferung von unstreitig aus dem Anwendungsbereich des § 74 I StGB herausfallenden Beziehungsgegenständen144 ohne weiteres eine Beihilfe darstellen kann.

Schließlich darf nicht übersehen werden, dass – insoweit teilweise vielleicht anders als bei der Interessenlage im Patentrecht145 – Handlungen im Vorbereitungsstadium ganz unterschiedliche Bedeutung für die Tat haben können. Dabei ist ohne weiteres vorstellbar, dass die Unterstützung einer Vorbereitungshandlung für das Gelingen viel wichtiger bzw. unverzichtbarer ist als die Hilfestellung bei der eigentlichen Tatbegehung. Eine generelle Straflosigkeit von berufsbedingten Unterstützungshandlungen, die sich nur auf Vorbereitungshandlungen beziehen (sich aber im Erfolg niederschlagen), ist daher nicht geboten. Allerdings können andere Gründe für eine Straflosigkeit tendenziell umso leichter bzw. öfters eingreifen, je weiter die unterstützte Handlung im Vorfeld der Tat liegt und je größer damit der zeitliche Abstand zu Tatbegehung ist. Um dies an zwei Beispielen zu demonstrieren: Das vorliegend für erforderlich gehaltene positive Wissen bzw. die triftigen Anhaltspunkte für die konkrete Verwendung der beruflichen Leistung146 sind umso unwahrscheinlicher (und insbesondere umso schwerer nachweisbar147), je größer der zeitliche Abstand zwischen 139 Vgl. Schönke / Schröder-Eser, § 73 Rn. 12; ferner etwa Jescheck / Weigend, AT, § 76 II 1 = S. 796 (dort Fußn. 38), die eine einschränkende Tendenz „bezüglich ,neutraler‘ Gegenstände“ für begrüßenswert halten. 140 Vgl. BGHR § 74 I Tatmittel 5. 141 Vgl. OLG Düsseldorf NJW 1992, 3050. 142 Vgl. LG Frankfurt StV 1984, 518. 143 Vgl. BGHSt 8, 205, 212; 13, 311 ff. 144 Vgl. Schönke / Schröder-Eser, § 74 Rn. 12a: Anschaulichstes Beispiel wäre das ohne gültige Fahrerlaubnis geführte Kraftfahrzeug. 145 Dort kommt noch als weitere Besonderheit hinzu, dass es sich bei § 10 PatentG – wie oben gezeigt, vgl. S. 146 ff. – um einen weit ins Vorfeld der Rechtsverletzung reichenden Gefährdungstatbestand handelt. Hier erscheint es aber unbedenklich (wenn nicht sogar geboten) die Lieferung von Teilen, die noch nicht einmal dazu geeignet sind, eine Vorbereitungshandlung zu ermöglichen, auszuschließen. 146 Vgl. sogleich S. 458 f.

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4. Teil: Synthese – Strafbarkeit berufsbedingter Unterstützungshandlungen

Unterstützungshandlung und Tatbegehung ist. Ferner wurde oben148 betont, dass als Minimalvoraussetzung einer „gemeinsame Organisation“ immerhin eine „willkürliche Verknüpfung“ durch den Täter nicht genügt. Eine solche nur willkürliche Verknüpfung ist bei bestimmten Leistungen (deren Strafwürdigkeit auch intuitiv als besonders fraglich empfunden werden könnte) eher anzunehmen, wenn sie weit im Vorfeld erfolgen und „eigentlich“ (noch) gar nicht notwendig gewesen wären.149

3. Subjektive Zurechnungskorrektive Auch die subjektiven Zurechnungskriterien sollen im Folgenden zunächst zusammenfassend benannt, kurz begründet und gegen vorstellbare Einwände verteidigt werden: a) Lösungsregeln Kann mithin auch neutrales berufsbedingtes Verhalten grundsätzlich taugliche Tathandlung im objektiven Tatbestand sein, so führt dies unter Berücksichtigung der bisherigen Überlegungen dennoch nicht dazu, dass der deliktische Tatbestand bei jedem Vorsatzgrad insgesamt erfüllt würde. Vielmehr liegt auf Grund der besonderen Schutzwürdigkeit beruflichen Verhaltens einer- und der gegenüber anderen Unterstützungsleistungen deutlich herabgesetzten Förderungsintensität andererseits nur ein verringertes objektives (Handlungs-) Unrecht vor. Eine Tatbestandserfüllung i.S. eines typisierten strafrechtlichen (d. h. sozialethisch besonders vorwerfbaren) Unrechts kommt vielmehr nur in Betracht, wenn der Berufsträger hinsichtlich der deliktischen Nutzung mit dolus directus handelt oder aber konkrete Anhaltspunkte nicht nur für die Tatbegehung, sondern gerade für die deliktische Verwendung seiner Leistung hat. 147 In den schon mehrfach herangezogenen und auch in der Literatur als Beispiele beliebten Fällen der „Schlägerei vor dem Laden des Messerverkäufers“, wird ein Gericht im Rahmen der Beweiswürdigung nach § 261 StPO viel leichter die sichere Voraussicht als erwiesen erachten, wenn an den blutenden und aufgebrachten Schlägereiteilnehmer ein Messer verkauft wird, als wenn das Messer für eine schon lange geplante, aber erst Monate später stattfindende Tat erworben wurde. 148 Vgl. S. 356. 149 Um noch einmal auf das bereits in Fußn. 135, 136 erwähnte „Tankwartbeispiel“ zurückzugreifen: Tankt der Täter eine Woche vor dem geplanten Betrug sein Auto auf, liegt es näher, eine nur willkürliche Verknüpfung mit der langfristig geplanten Fahrt zu sehen (für die vielleicht als solche auch noch das Benzin gereicht hätte, das zum Tankzeitpunkt noch im Fahrzeug war), als wenn der Täter buchstäblich mit dem letzten Tropfen zur Tankstelle rollt, wo er tanken muss, um sofort die Fahrt zum 200 km entfernt wohnenden Betrugsopfer anzutreten. Dieses Beispiel verdeutlicht im Übrigen aber auch, dass „die Vorbereitung“ an sich kein taugliches Kriterium wäre, da die unmittelbar anstehende Fahrt ebenfalls eine bloße (wenngleich zeitlich viel näher an die Ausführung heranreichende) Vorbereitungshandlung wäre.

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b) Begründung (1) In Fällen von dolus directus I. oder II. Grades, d. h. also bei einem Handeln gerade um die fremde Tat zu unterstützen oder in sicherer Voraussicht der Tat unter Zuhilfenahme der Leistung des Berufsträgers durch den Täter, bestehen keine Bedenken, die objektiv taugliche Unterstützungshandlung (vgl. S. 448 ff.) auch subjektiv zuzurechnen. Handelt der Berufsträger – was freilich selten der Fall und noch seltener nachweisbar sein wird – gerade in der Absicht, die fremde Straftat zu fördern, erscheint er wenig schutzwürdig.150 Jedoch auch bei (Gleichgültigkeit auf voluntativer Ebene, aber) Voraussicht des Erfolges als sicher stößt eine Strafbarkeit – wie inzident auch im Zusammenhang mit dem objektiven Tatbestand begründet wurde – auf keine Bedenken. Der Berufsträger wird hier in seinem beruflichen Handeln nämlich nur in ganz seltenen Fällen beschränkt; und dies sind wiederum nur solche, in denen mit sehr großer Wahrscheinlichkeit durch das Verhalten tatsächlich eine fremde Straftat gefördert wird. Mit Blick auf die in der Querschnittsanalyse erarbeiteten Leitgesichtspunkte einer Abwägung zwischen Eingriff in die Freiheit und Eignung zum Rechtsgüterschutz151 besteht hier also kein Grund für eine vom Regelfall der üblichen Vorsatzdogmatik abweichende Bewertung.152 (2) Anders ist dies dagegen in Fällen bloßen Für-möglich-Haltens des Erfolges, also bei nur bedingtem Vorsatz (dolus eventualis). Den Berufsträger hier generell zu bestrafen, hieße nicht nur, die Ungewissheit über die konkrete Verwendung der erbrachten Leistung auf ihn abzuwälzen. Vielmehr würde ihm auch in einer größeren Zahl von Fällen aufgebürdet, zur Vermeidung von Strafbarkeitsrisiken sein berufliches Verhalten zu unterlassen. Auf Grund der größeren Ungewissheit würde diese Forderung dann aber auch in einer Reihe von Fällen an ihn gestellt, in denen es letztlich zum Schutz des Rechtsguts unnötig gewesen wäre. Ein solches Missverhältnis zwischen Freiheitseingriff und Rechtsgutserhaltungseignung i. S. d. obigen Querschnittsanalyse153 ist nicht nur kriminalpolitisch unbefriedigend, sondern stößt sogar auf verfassungsrechtliche Bedenken. Es ist daher eine differenzierende Beurteilung erforderlich: (a) Ein bedingter Vorsatz, der nur auf der generellen Verwendbarkeit nahezu jeder verfügbaren Leistung zu einer Straftat sowie auf der „übervorsichtigen“ Natur 150 Krit. zu einer unrechtsbegründenden Wirkung gerade der Absicht Wohlleben, S. 121 f., der aber m.E. (trotz beachtenswerter Argumente) zweierlei übersieht: Zum einen geht es nach dem hier entwickelten Regel-Ausnahme- bzw. Begründungslastenmodell weniger darum, ob die Absicht „besonders schlimm“ (vgl. auch die a. a. O., dort Fußn. 130, zustimmend zitierte Äußerung von Schall, JuS 1990, 623, 628) ist, sondern ob sie „so wenig schlimm“ ist, dass die Durchbrechung der Regel gerechtfertigt ist. Zum anderen begründet ein Handeln gerade in Unterstützungsabsicht – worauf insbesondere Hoyer zutreffend hinweist (vgl. SK-ders., § 27 Rn. 29 f., sowie dazu bereits oben S. 138 ff.) – auch objektiv bewertet ein „Sonderverhalten“. 151 Vgl. o. S. 434 ff. 152 Vgl. o. S. 427 ff. 153 Vgl. o. S. 433 ff.

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4. Teil: Synthese – Strafbarkeit berufsbedingter Unterstützungshandlungen

des Berufsträgers beruht, genügt keinesfalls zur Strafbarkeit. Das verringert die strukturell vorstellbaren Fälle bedingten Vorsatzes erheblich und scheidet überwiegend solche Konstellationen aus, in denen aus Rechtsgüterschutzgründen ohnehin kein Unterlassen der beruflichen Leistung geboten wäre. Die mit Blick auf das Verhältnis zwischen Freiheitseingriff und Rechtsgutserhaltungseignung problematischsten Fälle entfallen damit. (b) Für die zweite Möglichkeit der Begründung von dolus eventualis, nämlich dem – unterhalb der Schwelle zur sicheren Voraussicht liegenden – „konkreten Anlass zum Misstrauen“, war oben die Notwendigkeit zu einer näheren Präzisierung verdeutlicht worden, wann dieser Anlass hinreichend konkret ist. Das erforderliche „Maß an Evidenz“ ist dabei abstrakt kaum zu beschreiben und vom Einzelfall abhängig.154 Als spezifische Voraussetzung wird hier vorgeschlagen, dass sich der konkrete Anhaltspunkt gerade auf die Verwendung der Leistung des Berufsträgers beziehen muss (vgl. soeben S. 458). Diese Forderung beruht auf mehreren Gründen: Ergebnisorientiert ist darauf hinzuweisen, dass dieses Kriterium gerade die oben bemängelte Unbestimmtheit und Unsicherheit der Abgrenzung weitgehend beseitigt. Im Vergleich mit anderen Fallgruppen entspricht diese Einschränkung den Situationen, die dort für einen hinreichend konkreten Anlass angeführt werden. So liegt etwa im Standard-Beispiel des Straßenverkehrs ein den Vertrauensgrundsatz beschränkender konkreter Anlass zur Vorsicht regelmäßig in Fällen vor, in denen der Verkehrsteilnehmer relativ genau überblicken kann, was passiert, wenn der andere Verkehrsteilnehmer sich nicht verkehrsgerecht verhält. Gerade er würde diesen anderen Verkehrsteilnehmer auf eine relativ genau vorhersehbare Weise (nämlich mit dem Auto) unmittelbar verletzen. So ist der Fall bei berufsbedingten Unterstützungsleistungen aber meistens gerade nicht gelagert, weil der Berufsträger das Handeln seines Kunden nicht in der gleichen Weise überblickt. Es kann ja durchaus offen sein, ob der jeweilige Kunde sein Opfer mit dem verkauften Messer erstechen155 (oder anderweitig umbringen), die Tür mit dem verkauften Schraubenzieher aufbrechen (oder anders in das Haus gelangen) oder aber einen Betrug gerade im Anschluss an diese Taxifahrt (oder an einem anderen Tag) begehen möchte. Hier lässt sich also im Beispiel des vergifteten Brötchens tatsächlich der Unterschied zwischen dem (alle einschlägigen Regeln einhaltenden) Verkauf des Giftes und des Brötchens festmachen, der „gefühlsmäßig“ nahe liegen mag, dogmatisch aber nicht ganz einfach zu begründen ist.156 Wenn Otto meint, es mache keinen Unterschied, ob Brötchen oder Gift ge154 Das klingt vielleicht unbefriedigender, als es tatsächlich ist. Der Grad an subjektiver Wahrscheinlichkeit, der die Untergrenze des dolus eventualis bildet, ist ganz unabhängig von der vorliegenden Frage schwer zu bestimmen und in abstrakte (etwa nummerische) Begriffe zu fassen. Es handelt sich also um kein spezifisches Problem unserer Fallgruppe. 155 Daher ist die konkrete Lösung bei Amelung, Grünwald-FS, S. 9, 24 m.E. zu restriktiv und Ausdruck einer noch nicht überzeugenden Differenzierung. 156 Vgl. nur Lesch, JA 2001, 986, 990 (dort Fußn. 40) einer-, Otto, Lenckner-FS, S. 193, 204 andererseits.

B. Die einzelnen Grundsätze der strafrechtlichen Verantwortlichkeit

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liefert würden,157 ist das nach seinem, im Wesentlichen bei der sicheren Kenntnis abgrenzenden Konzept158 zutreffend: Bei positiver Kenntnis kann auch der Brötchenverkäufer Beihilfe begehen, bei bloß allgemeinem Für-möglich-Halten auch der Giftverkäufer straflos sein. Wenn dagegen ein konkreter Hinweis auf eine deliktische Verwendung gefordert wird, ist dieser umso leichter anzunehmen, je spezifischer die Bedeutung des verkauften Gegenstandes für die geplante Tat ist: Weiß ein Chemikalienverkäufer konkret, dass der Täter sein Opfer vergiften möchte, sollte das oft als konkreter Hinweis für die geplante Verwendung gerade von erworbenem Gift genügen.159 Dagegen muss ein Bäcker auf Grund derselben Kenntnis nicht unbedingt konkret damit rechnen, dass gerade seine Brötchen vergiftet und serviert werden sollen. Es gibt eben in den meisten Haushalten mehr unterschiedliche („vergiftbare“) Speisen, als Gifte zur Verfügung stehen.160

In der Sache schließlich stützen auch die in der Querschnittsanalyse erarbeiteten Leitgesichtspunkte eine Beschränkung auf konkrete Anhaltspunkte für die deliktische Verwendung gerade der beruflichen Leistung: Das Verhältnis zwischen Freiheitseingriff und Rechtsgutserhaltungseignung161 ist hier weiter „optimiert“, da ein Handlungsverbot in noch weniger Fällen besteht, in denen die Gefahr durch die Erbringung der beruflichen Leistung noch höher ist. Umgekehrt wird der Schutz des durch die Tat bedrohten Rechtsguts nicht unangemessen herabgesetzt, da dieser tatsächlich durch Unterlassen der beruflichen Leistung ohnehin nur verbessert werden kann, wenn gerade die erbrachte Leistung verwendet werden sollte. Zuletzt ist die dadurch erweiterte Abweichung von der „Regel“ einer Verantwortlichkeit bei (bedingt) vorsätzlich verursachter Rechtsgutsbeeinträchtigung durch die gleichsam „doppelte Risikobrechung“ gerechtfertigt, die sich ergibt, wenn der Berufsträger durch äußerlich neutrales Verhalten eine als solche harmlose Leistung an einen für den Regelfall als rechtstreu zu unterstellenden Dritten erbringt. Dagegen ist die „Regelabweichung“ weniger leicht zu legitimieren, wenn es konkrete Anhaltspunkte nur für das Fehlen dieser Rechtstreue (bzw. in der Terminologie Vgl. Otto, Lenckner-FS, S. 193, 204. Vgl. zum Standpunkt Ottos oben, S. 142 ff. 159 Dies, obwohl natürlich auch vorstellbar ist, dass ein anderes Gift verwendet wird. Fordert man aber noch weitergehend triftige Anhaltspunkte für die Verwendung konkret dieses Giftes, dürfte die Grenze zur positiven Kenntnis vollends nivelliert sein. Das mag anders beim Verkauf eines Messers trotz etwaiger Anhaltspunkte für ein geplantes Erstechen sein – denn in den meisten Haushalten werden mehr Messer als Giftsorten ständig verfügbar sein. 160 Die Überlegungen hier und soeben in Fußn. 159 führen zu einer objektiv-wertenden Beurteilung einer Leistung nach ihrem Charakter, die einer objektiven Interpretation des „sozialen Sinnes“ durchaus nahe kommt. Insoweit ist es nur konsequent, wenn Lesch, der sein Konzept in enger Anlehnung an Jakobs entwickelt, solche Differenzierungen, wie sie hier beschränkt auf die Frage des „konkreten Anlasses zum Misstrauen speziell mit Bezug auf die Verwendung der beruflichen Leistung“ getroffen werden, generell vornimmt, vgl. nochmals Fußn. 156. M.E. sind diese Überlegungen aber (nur) im vorliegenden Zusammenhang dennoch besser verortet, da der „objektive expressive bzw. soziale Sinn“ für die Frage nach einem (objektiven) „konkreten Anlass zum Misstrauen“ aussagekräftiger ist als für ein allgemeines objektives Zurechnungsprinzip in Fällen sicherer Kenntnis – liegt eine solche vor, ist zweitrangig, wie nahe liegend die Gefahr einem Nichteingeweihten erscheint. 161 Vgl. o. S. 433 ff. 157 158

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4. Teil: Synthese – Strafbarkeit berufsbedingter Unterstützungshandlungen

Roxins: für die „Tatgeneigtheit“), aber nicht für die konkret gefährliche Verwendung gerade der Leistung gibt.

c) Auseinandersetzung mit abweichenden Konzepten (1) Ein erster Einwand könnte sich wiederum methodisch gegen die Verwendung gemischt objektiv-subjektiver Faktoren und dabei konkret gegen die Abhängigkeit der subjektiven Anforderungen von Besonderheiten des objektiven Tatbeitrags richten. Diese ist zugegebenermaßen untypisch. Sie ist aber angesichts der nicht zuletzt in der Querschnittsanalyse festgestellten vielfältigen Kombinationen und wechselseitigen Abhängigkeiten objektiver und subjektiver Elemente162 gleichwohl nicht völlig ungewöhnlich. Wie insbesondere das Zusammenspiel von „Grad der Neutralität bzw. Anpassung“ einer- und subjektiven Anforderungen andererseits bei der Bewertung der Angemessenheit im Verfassungsrecht163 oder das Drohen der Überforderung in Abhängigkeit von den konkreten Kenntnissen des Berufsträgers zeigen, beruht die Art der Kompensation von objektiven Besonderheiten neutraler berufsbedingter Verhaltensweisen durch die genannten erhöhten Vorsatzanforderungen auf den Funktionen, welche die unterschiedlichen Komponenten bei der Unrechtsbegründung bekleiden. Ihr Zusammenspiel und ihre wechselseitige Abhängigkeit für das Urteil über die Missbilligung eines Verhaltens erlauben, aus bestimmten objektiven Prägungen des Geschehens erhöhte subjektive Anforderungen abzuleiten, damit das Verhalten als objektiv-subjektive Einheit insgesamt zu missbilligen ist bzw. vertyptes Unrecht i. S. d. Tatbestandsbegründung darstellt. Dies entspricht den von Roxin schon vor über 30 Jahren formulierten Anforderungen eines „an Zurechnungsmaßstäben orientierten teleologischen System(s)“, in dem „die Einheit nicht in der Identität des bei Handlung, Unrecht oder Schuld einzuordnenden Materials (sc.: liegt), sondern in der teleologischen Zusammengehörigkeit von Zurechnungsprinzipien, die bei ihrer Entfaltung am Rechtsstoff ganz verschiedenartige Sachgegebenheiten in das Blickfeld bringen können.“164 Die Kombination verschiedener Zurechnungskriterien mit Blick auf bestimmte Auswirkungen wird aber etwa auch dem Gebot einer generalpräventiv ex ante und ex post sinnvollen Verhaltenssteuerung gerecht, wie es Schünemann als Grundgedanke formuliert.165 Sogar die Fragen nach der Sozialschädlichkeit der verbotenen Handlung auf der einen und nach den Verbotsfolgen (Sekundärschäden) auf der anderen Seite oder nach der Vgl. o. S. 426 f. Vgl. o. S. 296 ff. 164 Vgl. nochmals Honig-FS, S. 133, 147; dass Roxin selbst in späteren Beiträgen – unmittelbar zum hier interessierenden Problem oder mittelbar zu damit zusammenhängenden Fragen – teilweise andere Positionen bezieht, als sie hier vertreten werden, soll nicht geleugnet werden, ändert aber nichts an der diesbezüglichen Ähnlichkeit im Ansatz der funktionellen Kombination verschiedener (gerade auch objektiver und subjektiver) Kriterien im Zurechnungssystem. 165 Vgl. nochmals Schünemann, GA 1999, 207, 215. 162 163

B. Die einzelnen Grundsätze der strafrechtlichen Verantwortlichkeit

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normativen Verhaltenserwartung,166 können in Abhängigkeit von einer Kombination unterschiedlicher objektiver und subjektiver Elemente beantwortet werden.167

(2) Ferner mag in der Sache die hier erfolgte Differenzierung (trotz ihrer objektiven „Komponenten“) auf den ersten Blick den Vorwurf heraufbeschwören, dass in den meisten einschlägigen Fällen letztlich ein (qualifizierter, nämlich direkter) „dolus malus“ ein „an sich neutrales“ Verhalten strafbar mache. Dies umso mehr, als in vielen Fällen168 ein ausreichender Hinweis auf die konkret deliktische Verwendung der Leistung unterhalb der Schwelle zur (jedenfalls nach § 261 StPO vertretbaren Annahme einer) sicheren Voraussicht schwer vorstellbar ist.169 Damit reicht die hier vertretene Lösung in ihren Ergebnissen nahe an einen generellen Ausschluss der Strafbarkeit bei dolus eventualis heran. Allerdings ist auch dieser Einwand in mehrerlei Hinsicht zu relativieren: Zunächst trifft der damit oft latent mitschwingende Vorwurf eines „Gesinnungsstrafrechts“ schon deswegen nicht zu, weil es in der konkreten Situation in einer durch das Verhalten geförderten Weise zu einer Rechtsgutsverletzung gekommen ist. Dass dies bei derartigen Verhaltensweisen „normalerweise“ nicht der Fall ist, darf den Blick auf die tatsächlich erfolgte Förderung und den tatsächlich eingetretenen Erfolg nicht verstellen. Es hätte wohl auch niemand Bedenken, dem Täter, der die seltene, aber schwere Allergie des Opfers auf ein bestimmtes, an sich gut verträgliches Gewürz kennt, eine vorsätzliche Tötung bzw. Körperverletzung vorzuwerfen, wenn er dem unwissenden Opfer in einem Gericht gerade dieses Gewürz hochdosiert vorsetzt. Auch dies gilt, obwohl „normalerweise“ nichts passiert, wenn man seinen Gästen ein gut gewürztes Essen serviert, und den Gastgeber insoweit auch keine generellen Erkundigungspflichten treffen, es sich also auch hier im soeben genannten Sinne um „ein ,an sich neutrales‘ Verhalten“ handelt. 166 Wie sie bei Amelung und Jakobs teilweise als Alternativkonzepte zum Rechtsgüterschutzdogma betont werden. 167 Vgl. zu diesen Konzepten oben S. 199 ff. und 200 ff. Zuzugeben ist freilich, dass dies dann nur eine mögliche Antwort auf diese Fragen ist. Amelung (Grünwald-FS, S. 9 ff., dazu oben S. 142 ff.) kombiniert solche Elemente methodisch ja durchaus ähnlich, wenngleich – wie in Fußn. 155 angedeutet – mit teilweise anderen Konsequenzen. Jakobs (insb. ZStW 89 [1977], 1 ff.) beantwortet dagegen die von ihm aufgeworfene Frage stärker objektiv-normativierend. 168 Das gilt freilich nicht uneingeschränkt: Bei manchen Berufen ist vorstellbar, dass ein konkreter Anlass zum Misstrauen zumeist nur in Fällen besteht, in denen zugleich ein konkreter Hinweis auf die deliktische Verwendung gerade der Leistung vorliegt; vgl. dazu auch nochmals bei der Exemplifizierung anhand verschiedener Fallgruppen unten S. 467 ff. 169 Prozessual gedacht, mag man sogar erwägen, ob solchermaßen konkrete Anhaltspunkte nicht generell bereits als Indiz für die Annahme einer sicheren Voraussicht gewertet werden könnte. Am Ergebnis würde dieser Begründungsweg nichts ändern. Konstruktiv erscheint es aber richtiger, bei ihrem Vorliegen den normativen Vertrauensschutz unabhängig davon auszuschließen, ob man sich zur Überzeugung i. S. d. § 261 StPO von einer solchen sicheren Voraussicht durchringen kann oder nicht.

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4. Teil: Synthese – Strafbarkeit berufsbedingter Unterstützungshandlungen

Daraus ergibt sich zugleich, dass nicht etwa eine Frage, die zwingend objektiv zu beantworten wäre, systemwidrig in den subjektiven Tatbestand verschoben wird. Dass eine rein objektive Lösung dogmatisch vorstellbar und – wenn überzeugend begründbar – nicht nur „eleganter“, sondern auch sachlich vorzugswürdig wäre, ist unbestritten. Allerdings haben die hier angestellten Überlegungen gezeigt, dass (jedenfalls auf dem Boden der hier zu einzelnen Grundfragen der Unrechtslehre vertretenen Auffassung) ein solcher genereller objektiver Ausschluss eben nicht konsistent und überzeugend konstruiert werden kann. Dies heißt dann aber nicht i.S. eines „tertium non datur“, dass eine Privilegierung überhaupt ausgeschlossen sein muss. So wie beim Fahrlässigkeitsdelikt die Sorgfaltsanforderungen selbstverständlich und unstreitig von der jeweiligen Situation abhängig sind, kann es in besonders gelagerten Fällen170 auch beim Vorsatzdelikt dazu kommen, dass die subjektiven Anforderungen für die Begründung des Unwerturteils angehoben sind, weil ein Handeln bei bloßem Für-möglich-Halten des Erfolges (anders als das in seiner sicheren Voraussicht) in der konkreten Situation kein typisches strafwürdiges Unrecht darstellt. Es geht also nicht etwa darum, dass – wie es in der neueren Rechtsprechung in verschiedenen Konstellationen angreifbar erfolgt171 – das Fehlen von objektiven Merkmalen, die im Tatbestand über die bloße Verursachung hinaus gefordert werden, durch einen direkten Vorsatz hinsichtlich des Schadenseintritts kompensiert werden soll. Vielmehr ist im Gegenteil trotz Erfüllung der vom Gesetzestext zunächst allein gestellten Voraussetzung einer Verursachung bzw. Förderung der Tat und damit des objektiven Tatbestandes der Unrechtsgehalt so weit herabgesetzt, dass ausnahmsweise bei nur bedingtem Vorsatz kein Handlungsunrecht begründet wird.

170 Dass die hier untersuchten Fälle der Unterstützung durch neutrales berufsbedingtes Verhalten „besonders gelagert“ sind, dürfte angesichts ihrer im bisherigen Verlauf der Arbeit aufgezeigten Eigenarten sowie der intensiven Diskussion über sie in der Literatur außer Frage stehen. 171 Der BGH hat in jüngerer Zeit diesen Weg etwa in den Entscheidungen StV 2000, 22 (Bewertung eines äußerlich ordnungsgemäßen Verhaltens im Verkehr als tatbestandlich i. S. d. § 315b I StGB, wenn der Täter dabei die Verursachung eines Unfalls erhofft [und nicht nur in Kauf nimmt]), und NStZ 2001, 430 (Bewertung eines inhaltlich zutreffend als Angebot formulierten, aber in der typischen äußeren Form einer Rechnung gestalteten Schreibens als Täuschung i. S. d. § 263 I StGB, wenn der Täter handelt, um beim Empfänger einen Irrtum hervorzurufen [und dies nicht nur billigend in Kauf nimmt]), und JZ 2002, 198 (Rechtsbeugung, wenn eine Entscheidung zwar vertretbar ist, dabei aber durch sachfremde Erwägungen motiviert ist) beschritten. Die erstgenannte Entscheidung hat (neben expliziter Zustimmung, vgl. etwa König, JA 2000, 777 ff.) verschiedentlich Kritik erfahren (vgl. Kudlich, StV 2000, 23 ff. sowie Wessels / Hettinger, Rn. 979); die zweitgenannte Entscheidung verdient wohl allenfalls dann Beifall, wenn man eben im entscheidenden Sinne keine „wahre“, sondern im Substrat des erklärten Gedankeninhalts doch eine falsche Tatsachenbehauptung annimmt (vgl. insoweit überzeugend Geisler, NStZ 2002, 86 ff.). Krit. zu diesem Vorgehen auch – im Unterschied zur (in der Rechtsprechung ja teilweise ebenfalls verfolgten) Differenzierung in den hier interessierenden Fällen – Kudlich, JR 2001, 516, sowie zuletzt ausführlich zu den drei genannten Entscheidungen Rath, Gesinnungsstrafrecht, passim.

B. Die einzelnen Grundsätze der strafrechtlichen Verantwortlichkeit

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Aus anderem Blickwinkel formuliert: Dass die Kenntnis des Täters über seine Strafbarkeit entscheidet, ist in einem Strafrechtssystem nichts Außergewöhnliches, in dem „die subjektive Beziehung des Täters ( . . . ) als Merkmal des Unrechtstatbestandes anerkannt“ ist.172 Damit stimmt überein, dass sogar eine konsequente Abstufung an der Grenze des direkten Vorsatzes mit den Leitgesichtspunkten zum Zusammenspiel von objektiven und subjektiven Elementen,173 zum Ausgleich von Freiheitseingriff und Rechtsgutserhaltungseignung174 sowie zur begründbaren Regel-Ausnahme-Verschiebung175 nicht schlechterdings unvereinbar wäre. Es wurde ja sogar im 3. Teil deutlich, dass eine solche systematisch besonders klare Trennung durchaus positive Seiten aufzuweisen hätte,176 die durch die vorliegende Lösung zumindest teilweise erhalten werden können.

III. Grundsätze für die Strafbarkeit fahrlässiger Unterstützungshandlungen 1. Als von den unterschiedlichen vorsätzlichen Möglichkeiten schon prinzipiell zu unterscheidende Form des „Unterstützens“ in einem phänomenlogischen Sinne wurde im 1. Teil die fahrlässige Erleichterung der vorsätzlichen Tat eines anderen genannt. Die bisherigen Überlegungen zeigen dabei aber, dass neutrales berufsbedingtes Handeln – vorbehaltlich spezieller verantwortlichkeitsmitbegründender Sonderregelungen, insbesondere der Verletzung schutzbereichsrelevanter Sondernormen – nur dann eine Fahrlässigkeitsstrafbarkeit begründen kann, wenn für den Berufsträger auf Grund von triftigen Anhaltspunkten vorhersehbar war, dass gerade seine berufliche Leistung vom unmittelbaren Verletzer zum Bestandteil seines deliktischen Planes gemacht wird. Nach allgemeinen Grundsätzen ist darüber hinaus eine Fahrlässigkeitsstrafbarkeit durch berufliches Handeln regelmäßig nur bei fahrlässigen Erfolgsdelikten vorstellbar. 2. Diese Grundsätze bedürfen keiner all zu ausführlichen Begründung, da sie teils bereits (detaillierter und expliziter als die Grundsätze zur vorsätzlichen Unterstützung) im 3. Teil entwickelt wurden,177 teils relativ klar aus den vorangegangen Überlegungen zur Vorsatzstrafbarkeit ableitbar sind. Insoweit können hier eine kurze Zusammenfassung der über die Arbeit verteilten Erwägungen sowie eine knappe Entfaltung der genannten Grundsätze genügen: a) Von der ohnehin sehr begrenzten Zahl von Fahrlässigkeitsdelikten (jedenfalls im Kernstrafrecht) sind für den Berufsträger i.d.R. a limine nur die fahrlässigen 172 173 174 175 176 177

Vgl. bereits Kudlich, StV 2000, 23, 24. Vgl. o. S. 426 f. Vgl. o. S. 433 ff. Vgl. o. S. 427 ff. Vgl. o. S. 386 f. Vgl. insb. die Zusammenfassung zur Fahrlässigkeitsstrafbarkeit auf S. 405.

30 Kudlich

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4. Teil: Synthese – Strafbarkeit berufsbedingter Unterstützungshandlungen

Erfolgsdelikte zu verwirklichen. Da er allenfalls einen mehr oder weniger indifferenten Kausalbeitrag setzen, aber keine spezifizierte Verhaltensform verwirklichen wird, fehlt es bei fahrlässigen reinen Tätigkeitsdelikten jedenfalls an der tatbestandlichen Handlung. b) Obwohl vorliegend die ältere Lehre vom „Regressverbot“, die eine fahrlässige Erleichterung einer Vorsatztat generell für straflos hält, abgelehnt und stattdessen in der Rechtsfolge „Eintritt eines Regressverbotes“ das Ergebnis eines Zurechnungsvorganges gesehen wird, ist der Bereich einer Fahrlässigkeitsstrafbarkeit sehr eng. In den allermeisten praktischen Fällen (in denen nicht auch zugleich Anhaltspunkte für einen Vorsatz bestehen) fehlt es bei berufsbedingtem Verhalten schon an der Vorhersehbarkeit des Erfolges, da insbesondere die allgemeine Kenntnis der Tatsache, dass „immer etwas passieren kann“ o.ä. nicht ausreichend ist. c) Auch soweit auf Grund der Leistung oder aber der äußeren Umstände der Erfolg vorhersehbar wäre, fehlt es aber an einer Sorgfaltspflichtverletzung, wenn sich diese Vorhersehbarkeit nicht auf Hinweise konkret auf die Verwendung der beruflichen Leistung stützen lässt. Zur Begründung für dieses Kriterium kann auf die ausführlichen Darlegungen zum dolus eventualis verwiesen werden. Denn die Interessenlage bei beiden Konstellationen ist – gerade auch mit Blick auf die Leitgesichtspunkte des Verhältnisses von Freiheitseingriff und Rechtsgutserhaltungseignung (und dabei insbesondere der drohenden Überforderung)178 – vergleichbar.

IV. Zusammenfassung Zusammengefasst gelten damit für die Unterstützung fremder vorsätzlicher Straftaten durch neutrales berufsbedingtes Verhalten, d. h. für Handlungen, die für die Ausübung des Berufes typisch und in der Weise motiviert sind, dass ein abstrakter Entschluss, sie bei etwaiger Nachfrage in der entsprechenden Form durchzuführen, unabhängig von konkreten deliktischen Anforderungen des Täters bereits „vorgefasst“ ist, folgende Grundsätze: Eine Strafbarkeit wegen vorsätzlicher Unterstützungshandlungen (und insbesondere wegen Beihilfe) setzt bei neutralen berufsbedingten Verhaltensweisen voraus, dass der Berufsträger hinsichtlich der späteren Tat entweder mit dolus directus (I. oder II. Grades) handelt oder aber sein Eventualvorsatz auf konkreten Anhaltspunkten nicht nur für die deliktischen Pläne des Täters (bzw. seine „Tatgeneigtheit“), sondern spezifisch auch für die deliktische Verwendung gerade der beruflichen Leistung beruht. Nur bei solcherlei spezifischen Anhaltspunkten (neben den allgemeinen Voraussetzungen) kommt auch eine Strafbarkeit wegen fahrlässiger Erfolgsdelikte in Betracht. Dagegen entfällt nach allgemeinen Grundsätzen insbesondere dann bereits der (objektive) Tatbestand, wenn eine nur willkürliche Verknüpfung der Tat mit der Leistung des Berufsträgers durch den Zweithandelnden 178

Vgl. o. S. 433 ff., insb. S. 435.

C. Exemplifizierung und Konkretisierung

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vorliegt, der Berufsträger ausschließlich an der Entstehung des später vom Täter beeinträchtigten Rechtsgutes mitwirkt oder nach dem Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit nur ein Unterlassen des nicht garantenpflichtigen Berufsträgers in Frage steht. Verschiebungen dieser Grundsätze können sich durch risikoregelnde Sondernormen ergeben, wenn diese entweder eine spezielle Zuständigkeit für die Erhaltung des Rechtsguts begründen oder dem Berufsträger Sondererlaubnisse für bestimmte (formalisierte) Angriffswege gewähren.

C. Exemplifizierung und Konkretisierung: Die Anwendung auf einzelne Fallgruppen Schon im bisherigen Verlauf der Untersuchung wurden die Ausführungen immer wieder durch Beispiele illustriert. Allerdings erfolgte dies zumeist punktuell und vorrangig beschränkt auf die in der Literatur immer wieder wiederholten „Schulfälle“ sowie die wenigen Konstellationen, zu denen höchstrichterliche Rechtsprechung vorliegt. Mit der nachfolgenden Beschäftigung mit verschiedenen Fallgruppen beruflichen Handelns werden mehrere Zwecke verfolgt: Im Vordergrund steht selbstverständlich die Überprüfung, ob die nunmehr entwickelten Grundsätze wertungsmäßig überzeugende Ergebnisse erzielen. Des Weiteren kann noch stärker verdeutlicht werden, dass das Strafbarkeitsrisiko durch berufsbedingte Unterstützungshandlungen auch Bereiche betrifft, die bislang nicht in diesem Zusammenhang erörtert wurden, dass aber umgekehrt die hier entwickelten Strafbarkeitsbeschränkungen auch für Tätigkeiten gelten, für die sie bislang noch wenig beachtet wurden. Ferner sollte eine solche Exemplifizierung auch die Bedeutung der – oben vielfach als wichtig betonten – Sonderregelungen oder speziellen sozialen Vorstrukturierungen näher erhellen, unter deren Vorbehalt die allgemeinen Lösungsregeln stehen. Schließlich kann bei der Behandlung einzelner Fälle auch gezeigt werden, welche Rolle allgemeine – d. h. mit der hier erörterten Problematik der Berufsbedingtheit nicht unmittelbar zusammenhängende und daher in der bisherigen Untersuchung nicht vertiefte179 – Zurechnungskorrektive spielen können. Diese „mittlere Ebene“ der Fallgruppen beruflichen Handelns ist in gewisser Weise die „schwierigste“: Einerseits kann man sich nicht mehr hinter allgemeinen Erwägungen „verstecken“ und die Beispiele gerade so wählen, wie sie in die allgemeinen dogmatischen Überlegungen zu passen scheinen; andererseits fehlt das argumentative Potential „wirklicher“, d. h. mit vollständigen Sachverhalten mitgeteilter Fälle. Insoweit mag die Argumentation im Folgenden trotz einer nunmehr größeren „Konkretheit“ teilweise noch durch die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles ergänzungsbedürftig erscheinen. Andererseits ist diese „schwie179 Vgl. etwa zu allgemeinen (Risikosteigerungs-)Überlegungen bei der Beihilfe, die mit „Berufsbedingtheit“ und „Neutralität“ nicht zusammenhängen, die sorgfältige Analyse bei Samson / Schillhorn, wistra 2001, 1 ff. Wenngleich hier ihren Ergebnissen nicht uneingeschränkt zugestimmt wird (vgl. auch unten S. 491 f.), so zeigen doch ihre Ausführungen deutlich, dass u.U. auch von ganz allgemeinen Grundlagen her Lösungsmöglichkeiten für bestimmte Fälle entstehen können.

30*

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4. Teil: Synthese – Strafbarkeit berufsbedingter Unterstützungshandlungen

rigste Ebene“ damit vielleicht der beste „Prüfstein“ für die Tragfähigkeit der hier entwickelten Lösungen. Außerdem können auch die noch allgemein formulierten Fallgruppen bereits ansatzweise zeigen, mit welchen verfeinernden Gesichtspunkten im Einzelfall argumentiert werden kann, was dann bei vollständig mitgeteilten Sachverhalten u.U. noch weiter auszudifferenzieren ist.

Für die Darstellung ergibt sich eine gewisse Schwierigkeit daraus, dass eine strikte Gliederung nach Kategorien wie „Beruf“, „Tätigkeit“ oder „Delikt“ nicht möglich ist, weil insoweit vielfältige Überschneidungen bestehen. So kommen etwa die unterschiedlichsten Tätigkeiten der Angehörigen verschiedenster Berufsgruppen als potentielle Beihilfe zur Steuerhinterziehung in Betracht. Umgekehrt können aber auch die gleichen Berufsträger durch verschiedene Handlungen Unterstützung zu ganz unterschiedlichen Delikten leisten. Daher ist die „Zusammensetzung“ der folgenden Unterabschnitte nicht völlig homogen, sondern differiert nach Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten ebenso wie Breite und Tiefe der jeweiligen Darstellung. Diese hängen auch davon ab, wie problematisch bestimmte Konstellationen erscheinen und wie viel im Rahmen der bisherigen Untersuchung schon dazu gesagt wurde. Es versteht sich von selbst, dass das Strafbarkeitsrisiko der entsprechenden Berufsgruppen für i.w.S. unterstützende Tätigkeiten in keiner Weise umfassend dargestellt werden kann. Nicht umsonst ist es mit seinen Detailfragen – wenngleich i.d.R. nicht unter dem hier zentral interessierenden Aspekt – Gegenstand unterschiedlicher monographischer Untersuchungen.180 Es geht vielmehr vorrangig darum, die Tragfähigkeit gerade der hier entwickelten allgemeinen Grundsätze für viele Bereiche durchzuspielen und auf etwaige Sondergesichtspunkte hinzuweisen. Vereinzelten weiterführenden Gedanken wird daher oft auch nur in den Fußnoten nachgegangen. Dabei ist freilich zu beachten, dass insbesondere zu nebenstrafrechtlichen Problemkomplexen eine exakte dogmatische Bearbeitung mancher Felder überhaupt noch gänzlich fehlt, so dass insoweit auch hier nicht auf wirklich anerkannte Lösungen verwiesen werden kann, sondern nur Probleme aufgezeigt und mögliche Richtungen für Lösungsvorschläge angedeutet werden können.

I. Herstellung und Vertrieb von Sachen, die zur Tatbegehung genutzt werden 1. Gewissermaßen den Standard-„Lehrbuch“-Fall für die vorliegende Problematik bildet der Handel mit Sachen,181 die vom Empfänger (in einem weit ver180 Vgl. etwa aus neuerer Zeit allein für den Bankenbereich und die Steuerhinterziehung Löwe Krahl, Steuerhinterziehung; für den Steuerberater unter dem speziellen Aspekt des Rechtsirrtums Stiller, Der Rechtsirrtum des Steuerberaters und sein Strafbarkeitsrisiko; (zumindest mittelbar und teilweise) für das Druckgewerbe unter dem Aspekt des Urheberstrafrechts Hildebrandt, Die Strafvorschriften des Urheberrechts; (zumindest mittelbar und teilweise) für Internet-Provider Sieber, Verantwortlichkeit im Internet. 181 An dieser Stelle wird mit Bedacht der wohl wenig elegant klingende Begriff der „Sache“ (und nicht der des vielleicht eher zu erwartenden „Gegenstands“) gewählt, um klar zu

C. Exemplifizierung und Konkretisierung

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standenen Sinne: als „Werkzeuge“) zur Tatbegehung genutzt werden. Neben den hier vielfach zitierten Schraubenziehern zur Begehung eines Einbruchsdiebstahls oder den zu vergiftenden Brötchen für den Giftmord wären dies als Beispiele, die bereits die Rechtsprechung beschäftigt haben, der Verkauf von Zucker an „panschende“ Winzer182 oder von Antilopenfleisch an Gastwirte, die dieses als einheimisches Wildbret anbieten.183 Zahlreiche weitere Beispiele184 lassen sich ohne all zu große Phantasie leicht ausdenken. In die gleiche Kategorie fallen aber nicht nur der Verkauf (von bereits fertigen Waren), sondern grundsätzlich185 auch die Herstellung entsprechender Sachen. Dies ist zum einen bei Sachen vorstellbar, die generell nicht „von der Stange“ verkauft, sondern individuell gefertigt werden,186 daneben aber auch bei Sachen, die der Händler an den (ihn dann deliktisch nutzenden) Endabnehmer veräußert,187 ohne sie selbst hergestellt zu haben. Von dieser Konstellation der Lieferung eines Tatwerkzeugs i.w.S. sind solche Fälle zu unterscheiden, in denen das Tatobjekt geliefert wird. Zwar wird streng genommen auch erst durch die Übereignung an das spätere Opfer ermöglicht, dass dieses später vom Täter bestohlen wird. Allerdings liegt keine unerlaubte Gefahrschaffung allein darin, dass das geschützte Rechtsgut in der Person des späteren Opfers begründet wird, so dass insoweit eine zurechenbare akzessorische Rechtsgutverletzung jedenfalls ausscheidet. Anders ist dies dagegen, wenn das Rechtsgut schon vorher in identischer Weise besteht und durch die Veräußerung erst der Gefährdung durch den Käufer ausgesetzt wird. So ist eine Beihilfe zu einer Straftat nach § 17 TierschutzG nicht schon nach den eben genannten allgemeinen Zurechnungsgrundsätzen ausgeschlossen, wenn ein Tierhändler ein Wirbeltier an jemanden verkauft, der es anschließend in strafbarer Weise behandelt.

Als eine erste Einordnung sind in diesen Fällen der Lieferung des Tatwerkzeuges in aller Regel wohl nur eine Beihilfe- oder Fahrlässigkeitsstrafbarkeit vorstellbar. Dagegen dürfte eine (nebentäterschaftliche) eigenständige Tatbegehung ausmachen, dass sich die Überlegungen in diesem Abschnitt – auch wenn dies nicht jedes Mal eigens erwähnt wird – zunächst nur auf körperliche Gegenstände (und nicht explizit etwa auf die Verschaffung von Rechten) bezieht. 182 Vgl. OLG Koblenz MDR 1984, 780 sowie BGH LRE 14, 9: Beihilfe zu Verstößen gegen das WeinG? 183 Vgl. SchweizBGE IV, 289 ff.: Beihilfe zum Betrug? 184 Zu solchen nochmals Geppert, Jura 1999, 266, 269 unter Verweis auf Wolff-Reske, S. 23 ff. 185 Dazu, dass es hier im Ergebnis zu zahlreichen Abweichungen kommen wird, weil die herausgearbeiteten Kriterien – in der Sache überzeugend – bei der Herstellung oftmals zu anderen Resultaten führen, vgl. im weiteren Text. 186 Prüft man die Strafbarkeit wegen Beihilfe zu den Betrügereien eines Heiratsschwindlers, kann der Verkäufer, der diesem einen schicken Anzug aus der aktuellen Kollektion für das nächste Rendezvous verkauft, kaum anders beurteilt werden als der Schneider, der dem Schwindler einen Anzug auf den Leib schneidert. Zu den bei der Lösung zu berücksichtigenden Überlegungen vgl. u. S. 469 in Fußn. 195. 187 In letzterem Fall wäre an eine „Beihilfe zur Beihilfe“ zu denken, die zugleich wieder eine Beihilfe zur Haupttat darstellt.

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4. Teil: Synthese – Strafbarkeit berufsbedingter Unterstützungshandlungen

scheiden denn die mit der gelieferten Sache zu begehenden Straftaten werden so gut wie nie Tathandlungsbeschreibungen einer Vorsatztat enthalten, die durch die Lieferung des Gegenstandes selbst erfüllt würden. Nach den oben (S. 439 ff., insbesondere zusammenfassend S. 466) skizzierten Grundsätzen macht sich der die Grenzen der Neutralität einhaltende Verkäufer bzw. Hersteller nur strafbar, wenn er positive Kenntnis von der Tat hat bzw. diese als sicher voraussieht188 oder aber sein bedingter Vorsatz hinsichtlich der späteren Begehung auf konkreten Anhaltspunkten für die Verwendung gerade der beruflichen Leistung beruht. Dies ist dann allerdings unabhängig davon, ob der gelieferte Gegenstand auch noch eine andere Verwendungsmöglichkeit für den Erwerber bietet. Bei konkreten Anhaltspunkten für die Verwendung gerade der beruflichen Leistung ist (unter den übrigen allgemeinen Voraussetzungen) daneben auch eine Fahrlässigkeitsstrafbarkeit möglich. Die erhöhten subjektiven Anforderungen sind das erste Kriterium, bei dem die Verantwortlichkeit des nur den Handel beliefernden Produzenten (praktisch) erheblich begrenzt wird: Ist schon beim Händler zumindest der Nachweis sicherer Kenntnis bzw. eines entsprechend spezifischen Anhaltspunktes meistens ausgeschlossen, gilt dies in noch stärkerem Maße beim Hersteller, da dieser regelmäßig keinen Kontakt mit dem (dann deliktisch handelnden) Endabnehmer hat.

2. Allerdings lassen sich im Bereich Handel und Herstellung auch einige Gründen vorstellen, die zu Verschiebungen der Verantwortlichkeit in die eine oder andere Richtung führen: a) Einerseits gibt es eine Reihe von Konstellationen, in denen nach den oben erarbeiteten Grundsätzen selbst bei sicherer Voraussicht eine Verantwortlichkeit des Berufsträgers ausscheidet:189 Es sind dies zunächst solche Fälle, in denen der Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit auf dem Unterlassen von Sicherungsvorkehrungen bzw. Differenzierungen, nicht aber auf dem aktiven Handeln liegt.190 Diese sind auch beim Verkauf von Waren vorstellbar, und zwar insbesondere, wenn ein solcher automatisiert an einen unbestimmten Kundenkreis erfolgt (also etwa das vielbeschworene Giftattentat nicht mit den vom Bäcker erworbenen Brötchen, sondern mit einem aus dem Automaten gezogenen Schokoriegel erfolgt oder wenn der Heiratsschwindler die erforderten Blumen nicht beim Floristen kauft, sondern aus dem entsprechenden Automaten am Bahnhof oder Friedhof herauslässt). Bei einem solchen Angebot wird der „Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit“ nur dann ausnahmsweise auf dem Tun in Gestalt des Aufstellens und Bepackens 188 Gemeint ist natürlich auch bei den Beispielen hier und im Folgenden: Kenntnis von der Begehung der Tat unter Nutzung gerade der berufsbedingt erbrachten Leistung. 189 Dies muss dann natürlich erst recht gelten, wenn der Berufsträger nur mit (auf die Verwendung der Tat spezifiziertem) Eventualvorsatz handelt. Wenn im Folgenden von einer objektiven Risikoerlaubnis auch in Fällen sicherer Kenntnis die Rede ist, gilt dies selbstverständlich immer auch für dolus-eventualis-Fälle, selbst wenn diese nicht ausdrücklich mit erwähnt werden. 190 Vgl. dazu nochmals oben S. 408 ff.

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des Automaten bestehen, wenn die in ihm erhältlichen Leistungen regelmäßig und überwiegend zu deliktischen Zwecken gebraucht werden, was allerdings selten vorstellbar ist. Dies ist das zweite Kriterium, bei dem eine Verantwortlichkeit der Hersteller im Hintergrund gegenüber derjenigen der Händler öfter ausgeschlossen sein kann. Beim Vertrieb einer großen Stückzahl von entsprechenden Gegenständen an diverse Händler dürfte selbst dann der Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit allenfalls auf einem Unterlassen liegen, wenn dem Hersteller bekannt wäre, dass ein Kunde bei irgendeinem Händler einen einzelnen dieser Gegenstände zu erwerben beabsichtigt. Ebenfalls nur ein im Ergebnis meist strafloses191 Unterlassen liegt natürlich vor, wenn zwar eine individuelle Betreuung der Leistung erfolgt, ein Vorsatz aber erst entsteht, wenn der Täter die Leistung bereits erhalten hat, also etwa seine Absichten dem Verkäufer erst beim Verlassen des Ladens mit der Ware preisgibt. Hier gilt für den Verkäufer nichts anderes als für jeden anderen Kunden, der im Laden zufällig von den Plänen hört.192

Eine Beihilfeverantwortung scheidet ferner mangels spezifisch auf dem Zusammenwirken mehrerer beruhender Gefahrsteigerung aus, wenn der Täter die Tatbegehung nur subjektiv mit der Erbringung der Leistung verknüpft.193. Als Beispiel wurde oben bereits auf die viel genannten „Bewirtungsfälle“ hingewiesen, in denen der Wirt dem Einbrecher vor der Tat noch etwas zu essen serviert. Gewisse Berührungspunkte damit, durchaus aber auch eigene Bedeutung besitzen schließlich die Fälle der bloßen Sicherung einer (eng verstandenen) Daseinsvorsorge.194 Zwar wird die Gefahr einer Straftat ohne Zweifel gefördert, indem die Existenz des Täters gesichert wird; allerdings ist diese Form der Förderung per se strafrechtlich nicht zu missbilligen, da Ziel des Strafrechts grundsätzlich nicht Schutz vor dem Täter durch dessen Existenzvernichtung ist.195 Dagegen haben vorrangige Sondernormen mit strafbarkeitsbegrenzender Funktion (anders als die haftungsverschärfenden schutzzweckrelevanten Sondernormen sogleich unter b) im Bereich des Handels keine große Bedeutung. Wie oben bereits mehrfach in unterschiedlichen Zusammenhängen dargelegt, sind – soweit überhaupt existierend – entsprechende Vorschriften, die den Handel mit Gegenständen unter verschiedenen Gesichtspunkten regeln, zumeist nicht inhaltsreicher als die entsprechenden Strafnormen. Denn sie haben gerade nur den ReZum regelmäßigen Fehlen von entsprechenden Garantenpositionen vgl. o. S. 411 ff. Dies ist allerdings wieder anders bei der Auslieferung speziell gefährlicher Produkte, vgl. dazu aus jüngerer Zeit zusammenfassend Otto, Hirsch-FS, S. 291 ff. 193 Vgl. dazu nochmals oben S. 356 194 Vgl. dazu nochmals oben S. 368 mit dem Beispiel der ärztlichen Behandlung eines nach der Genesung fest zur Begehung einer Tat entschlossenen Täters. 195 In der Kombination dieser beiden Gesichtspunkte mag auch eine Straflosigkeit in dem oben in Fußn. 186 gebildeten Beispiel des Anzugverkaufs an den Heiratsschwindler begründbar sein: Dass der elegante Anzug den Erfolg des Betruges wirklich in objektiv nachprüfbarer Weise steigert, wird selten nachweisbar sein; sollte der Betrüger sich in dem Anzug nur „attraktiver“ und damit „sicherer“ fühlen, könnte man dies als bloß willkürliche Verknüpfung beurteilen. Dass ihm durch den Verkauf von Kleidung im Übrigen generell ermöglicht wird, überhaupt in der Öffentlichkeit aufzutreten (und damit auch Opfer kennen zu lernen), mag man noch dem Bereich der Daseinsvorsorge zurechnen. 191 192

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4. Teil: Synthese – Strafbarkeit berufsbedingter Unterstützungshandlungen

gelfall vor Augen, in dem sich an den Handel kein, jedenfalls aber kein als sicher vorhergesehener deliktischer Erfolg anschließt. Eine Sondervorschrift mit einer ausnahmsweise so weit gehenden Wirkung könnte allerdings § 10 PatentG über die Voraussetzungen einer mittelbaren Patenverletzung sein.196 Da hier die Voraussetzungen einer mittelbaren Patentverletzung im Einzelnen normiert sind, könnte man erwägen, ob nicht auch eine Unterstützung der strafbewehrten Patentverletzung (vgl. § 142 PatentG) ausscheiden muss, wenn diese Voraussetzungen nicht vorliegen. Hier ist zu differenzieren: Der Tatbestand einer mittelbaren Patentverletzung als eigene Verletzungsform nach § 10 PatentG liegt außerhalb seiner Voraussetzungen selbstverständlich nicht vor. Freilich ist dies unmittelbar strafrechtlich ohne große Bedeutung, da § 10 PatentG gerade nicht von § 142 PatentG in Bezug genommen wird, d. h. da die mittelbare Patentverletzung als solche ohnehin kein patentstrafrechtlicher Tatbestand ist. Allerdings soll eine mittelbare Patentverletzung nach allgemeinen Vorschriften als Beteiligung an einer fremden Patentstraftat möglich sein.197 Insoweit ist also fraglich, ob z. B. eine solche Strafbarkeit nach § 142 I Nr. 1 i.V.m. §§ 9 PatentG, 27 StGB ebenfalls ausgeschlossen ist, wenn das Verhalten die Voraussetzungen des § 10 PatentG nicht erfüllt. In der patentrechtlichen Diskussion (in der strafrechtliche Fragen nur eine untergeordnete Rolle spielen198), wird diese Frage – soweit ersichtlich – nicht vertieft. Bei der Erläuterung, dass mittelbare Patentverletzungen als strafbare Beteiligungsformen in Betracht kommen, wird auf eine Sperrwirkung des § 10 PatentG jedenfalls nicht explizit hingewiesen,199 was dafür sprechen könnte, dass eine solche nicht besteht. Dieses Ergebnis könnte auch dadurch gestützt werden, dass § 10 PatentG einen erfolgsunabhängigen Gefährdungstatbestand enthält; wenn dieser nicht strafrechtlich sanktioniert wird, muss das nicht zwingend dazu führen, dass auch in Fällen, in denen ein Erfolg eingetreten ist, eine akzessorische Strafbarkeitsandrohung entfällt. Andererseits wird für den allgemeinen (zivilrechtlichen) Anwendungsbereich des § 10 PatentG darauf hingewiesen, dass dieser einen Rückgriff auf die (zwar nicht als exakte Teilnahme im strafrechtlichen Sinne, aber doch auch akzessorische Verletzungshandlung ausgestalteten) alten richterrechtlichen Grundsätze ausschließt,200 was zu einer abschließenden Sondernorm passen würde. Auch sprechen die einschlägigen Fundstellen nicht notwendig gegen das Verständnis einer Sperrwirkung.201 Vor allem aber dürften die in § 10 PatentG enthaltenen Tatbestandsmerkmale (insbesondere die in § 10 II statuierte konsequente Privilegierung von „allgemein im Handel erhältlichen Erzeugnissen“) einen allgemeinen Bereich des „patentrechtlich erlaubten Risikos“ umschreiben, der für eine akzessorische Sanktionsnorm ebenfalls Geltung beansprucht. Dies wird dadurch unterstriVgl. ausführlicher dazu den Exkurs im 2. Teil auf S. 146 ff. Vgl. Busse-Keukenschrijver, PatentG, § 142 Rn. 8, 23; Mes, PatentG, § 142 Rn. 2 . 198 Vgl. Busse-Keukenschrijver, PatentG, § 142 Rn. 1, der (zum Stand 1999) darauf hinweist, dass etwa die letzte höchstrichterliche Rechtsprechung zur Strafnorm des PatentG (heute § 142, in früheren Fassungen ab 1877 § 34, ab 1891 § 36, von 1936 bis 1981 § 49) im Jahr 1933 (!) veröffentlicht wurde (RG GRUR 1933, 288). 199 Vgl. die in Fußn. 197 genannten Nachweise. 200 Vgl. nur Busse-Keukenschrijver, PatentG, § 10 Rn. 13, sowie zu diesen Grundsätzen oben S. 146 ff. 201 Wenn etwa Mes, PatentG, § 142 Rn. 2 ausführt, dass die „mittelbare Patentverletzung gemäß § 10 ( . . . ) nicht ohne weiteres straflos“ ist, „sondern unter den Gesichtspunkten der ( . . . ) Beteiligung ( . . . ) strafbar“ sein kann, kann dies durchaus auch so gelesen werden, dass sie nur dann strafbar ist, wenn die Voraussetzungen des § 10 PatentG erfüllt sind. 196 197

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chen, dass § 10 II a.E. PatentG mit seiner Gegenausnahme der Anstiftung selbst wieder einen Bezug zu den akzessorischen Teilnahmeformen an der Patentverletzung herstellt. Insoweit sprechen einige Gründe dafür, dass jedenfalls für Fälle einer potentiellen Beihilfestrafbarkeit § 10 PatentG eine auch im Strafrecht zu beachtende Sperrwirkung entfaltet, die unterhalb der Schwelle seiner Haftungsvoraussetzungen eine Strafbarkeit nach § 142 PatentG i.V.m. § 27 StGB ausschließt.

b) Andererseits sind Fälle denkbar, in denen bereits dolus eventualis auch ohne spezifische Anhaltspunkte gerade für die deliktische Verwendung der Leistung des Berufsträgers für eine Beihilfestrafbarkeit genügen und die Vorhersehbarkeit der Tatbegehung auch eine Fahrlässigkeitsstrafbarkeit begründen könnte: Dies ist – in Übereinstimmung mit einem großen Teil der einschlägigen Literatur – dann der Fall, wenn beim Verkauf gegen schutzzweckrelevante Sondernormen verstoßen wird, also etwa solche des Waffengesetzes oder der Betäubungsmittelverschreibungs-Verordnung (wobei man in solchen Fällen mit guten Gründen behaupten könnte, dass schon kein „neutrales“ Verhalten im hier verstandenen und den Lösungsregeln zugrunde gelegten Sinne mehr vorliegt). Das Gleiche gilt, wenn aus anderen – nicht unmittelbar zu einem Gesetzesverstoß führenden – Gründen die Leistung in einer nicht mehr berufstypischen Weise an die deliktischen Zwecke angepasst erscheint. Dies wird beim Weiterverkauf von „fertigen“ Waren nur selten der Fall sein, ist aber vorstellbar, wenn der Veräußerer selbst noch mehr oder weniger intensiv an der Herstellung der Ware beteiligt ist (z. B. beim Einbacken von vom Kunden gelieferten Rattengift in eine Geburtstagstorte, das der Täter vornehmen lässt, weil das Opfer einer selbstgemachten Torte gegenüber misstrauisch wäre, und dabei dem Bäcker gegenüber äußert, die zu erlegenden Ratten hätten eine Vorliebe für Süßspeisen202).

II. Personen- und Gütertransport 1. Als typische Unterstützungshandlung kommt ferner der „Transport“ von Personen oder Sachen in Betracht. Beim Personentransport ist vor allem an die Beförderung zum Tatort zu denken, die regelmäßig nur als Beihilfe oder Fahrlässigkeitstat, nicht jedoch als nebentäterschaftliche Begehung vorstellbar ist. Der Transport von Sachen203 dagegen kann zwar ebenfalls ein eindeutig nicht-täterschaftliches Verhalten sein (so wenn Tatwerkzeuge zum oder Beute vom Tatort weggebracht werden). Es kommen aber auch Grenzfälle in Betracht, die eine neben- (oder sogar 202 Dieses letzte Beispiel zeigt im Übrigen, dass ab einem bestimmten Grad insbesondere der objektiven Anpassung der Leistung eine Tatbegehung so nahe liegen kann, dass ein Gericht auch i. S. d. § 261 StPO von der sicheren Voraussicht des Gehilfen überzeugt sein könnte, der ja genaue Details des Planes (wie Opfer, genaue Tatzeit etc.) nicht kennen muss, vgl. BGHSt 42, 135 m. Anm. Kindhäuser, NStZ 1997, 273 ff. (Edelsteinfall), so dass der Gehilfe „nur“ als sicher voraussehen muss, dass mit der Torte ein Verbrechen begangen werden soll. 203 Vgl. dazu auch zum Transport durch Postdienste und eine dadurch entstehende Verantwortung für die Verbreitung illegaler Inhalte die Übersicht bei Sieber, JZ 1996, 429, 438 f.

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4. Teil: Synthese – Strafbarkeit berufsbedingter Unterstützungshandlungen

allein-204)täterschaftliche Begehung möglich erscheinen lassen, so etwa bei Delikten, die wie § 34 Außenwirtschaftsgesetz205 oder § 96 Nr. 4 Arzneimittelgesetz 206 das Aus- oder Einführen bestimmter Güter unter Strafe stellen. Damit gelten – bei Einhaltung eventueller Sondervorschriften207 (z. B. zur Erfassung der transportierten Waren und der Ausfüllung entsprechender Transportpapiere208) – erst einmal die allgemeinen Grundsätze. Danach tritt eine Haftung zunächst in Fällen sicherer Voraussicht209 der Tat ein. Hinsichtlich der Verantwortung bei Vorliegen eines auf die Verwendung der Leistung des Berufsträgers spezifizierten dolus eventualis besteht in den Fällen des Transports zum Tatort die Besonderheit, dass hier bei konkreten Anhaltspunkten für die Begehung der Tat gerade im Anschluss an den Transport zugleich auch ein Anhaltspunkt dafür besteht, dass gerade dieser Transport als Leistung in den deliktischen Kontext gestellt wird. Insoweit scheint sich in diesen Konstellationen die Verantwortung für dolus eventualis strukturell etwas öfter auszuwirken als in den o.g. Verkaufsfällen. Allerdings liegen die hier einschlägigen Fälle oft auch besonders nahe an der sicheren Voraussicht (zumal wenn die Tat im sehr engen zeitlichen Zusammenhang mit der beruflichen Leistung erfolgt, was bei den Verkaufsfällen ja eher eine Ausnahme ist). Auch hier kann aber etwa das allgemeine Wissen, dass Eheleute in Streit leben und der Mann schon öfters seine Frau bedroht hat, keine Verantwortlichkeit auf Grund des Transports des Mannes vom Bahnhof nach Hause begründen, wenn keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass gerade im engen zeitlichen Zusammenhang danach der Frau etwas angetan werden soll.210 2. Gerade in Personentransportfällen ist oft daran zu denken, dass eine Verantwortlichkeit ausscheidet, weil tatsächlich nur ein Unterlassungsvorwurf gemacht werden kann. In nahezu allen Fällen des Nicht-Individual-Verkehrs ohne aufwendig personalisierte Einlasskontrolle211 kann ein Vorwurf allenfalls darauf gründen, 204 Wenn man den Transporteur als Alleintäter, den Auftraggeber dagegen als Anstifter bewertet, würde freilich die Unterstützungsmetapher nicht mehr passen. 205 Vgl. dazu einführend Mätzke, NStZ 1999, 541 ff. 206 Vgl. dazu aus jüngerer Zeit BayObLG NStZ 1998, 578 sowie dazu Achenbach, NStZ 1999, 549, 553. 207 Bei der gewöhnlichen Personenbeförderung existieren solche (schutzzweckrelevanten) Sondervorschriften nicht. 208 Vgl. als Grundregelung nur § 408 HGB. 209 Auf eine solche Voraussicht als sicher kann in Extremfällen auch wieder anhand von äußeren Indizien geschlossen werden, so wenn ein Taxifahrer einen Fahrgast zur Bank befördert, der ihn zwar selbst nicht explizit in seine Pläne einweiht, aber schon beim Besteigen des Fahrzeuges eine Strumpfmaske über dem Kopf trägt. 210 Eine Bejahung der Strafbarkeit selbst in diesem Fall würde aber in der Konsequenz der Ausführungen von Amelung, Grünwald-FS, S. 9, 24, liegen. 211 Eine Ausnahme bildet insoweit vor allem der Flugverkehr. Allerdings ist dort dafür vorstellbar, dass zum Zeitpunkt dieser individuellen Kontrolle, die mit der Aushändigung der Boarding-Pässe beim Einchecken beginnt, bereits eine zivilrechtliche Verpflichtung zur Leistungserbringung besteht, die noch in Unkenntnis der deliktischen Pläne eingegangen wurde. Zur Frage nach der Relevanz einer solchen Verpflichtung vgl. u. S. 508.

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dass die Inanspruchnahme dieser Leistung nicht verhindert wurde, nicht aber darauf, dass der Linienverkehr ordnungsgemäß durchgeführt wurde. Zur Verhinderung dieser Inanspruchnahme besteht aber regelmäßig keine Rechtspflicht und mithin keine Garantenstellung.212 Umgekehrt ist – zumindest in praxi – im öffentlichen Personenverkehr realistischerweise auch keine individuelle deliktsspezifische Anpassung an die Pläne des Täters vorstellbar, die nicht nur zu einer Verschiebung des Schwerpunkts der Vorwerfbarkeit auf diese Anpassung als aktives Tun führen, sondern auch eine Fahrlässigkeitshaftung bzw. eine Beihilfestrafbarkeit unter geringeren Anforderungen ermöglichen könnte. Aber auch im Individual-Personenbeförderungsgewerbe wird man nicht stets und ohne weiteres von einer insoweit relevanten (d. h. „neutralitätsausschließenden“) Anpassung ausgehen können. Vielmehr ist hier zu berücksichtigen, dass eine gewisse Anpassung der Leistung an die Wünsche des Fahrgastes (etwa hinsichtlich der Fahrtzeit, hinsichtlich der Route sowie – in gewissen Grenzen – vielleicht sogar hinsichtlich der Geschwindigkeit) durchaus üblich ist und noch einem abstrakt vorgefassten Entschluss zur Ausübung der beruflichen Tätigkeit entspricht. Eine Anpassung an die Pläne, die den anzuwendenden subjektiven Maßstab ändert, liegt vielmehr erst vor, wenn das vom Fahrgast verlangte Verhalten völlig unüblich ist und objektiv deliktsrelevant sein könnte.213 Demgegenüber gilt für den Gütertransport eine Reihe von Vorschriften, die auf den ersten Blick die Annahme einer strengeren Haftung möglich erscheinen lassen. So sind nach § 8 II PostG, § 6 PostVO und Abschn. 9 I Nr. 1 der AGB der Deutschen Post AG für den Briefverkehr Sendungen von der Postbeförderung ausgeschlossen, „deren Inhalt, äußere Gestaltung oder Beförderung gegen strafgesetzliche Bestimmungen verstößt“, wobei der Verstoß „erkennbar, eindeutig und schwerwiegend“ sein muss. Dies könnte – da die Erkennbarkeit genügt – dazu führen, dass der Weg für eine Fahrlässigkeitshaftung leichter eröffnet würde, was sich konsequenterweise auch auf die Vorsatzstrafbarkeit für dolus eventualis auswirken müsste. Allerdings sind diese Ausnahmeregelungen – wie schon die Reihung „erkennbar, eindeutig und schwerwiegend“ (und dabei insbesondere das Erfordernis der Eindeutigkeit) zeigt – eng auszulegen, und auch die bisherige (insbesondere zivilrechtliche) Literatur und Praxis ist mit der Annahme einer Haftung ausgesprochen zurückhaltend.214 Im Ergebnis laufen auch diese Stellungnahmen darauf hinaus, dass die Grenze zumindest sehr nahe bei der positiven Kenntnis liegt. Außerdem ist für die Auslegung noch zu berücksichtigen, dass der Wille der Post AG kaum dahin gehen dürfte, durch ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen strafbewehrte Kontrollpflichten für ihre Mitarbeiter zu schaffen. Auch der Sinn der Regelung im 212 Hier sind natürlich Ausnahmen denkbar, soweit insbesondere die Sicherheit der übrigen Fahrgäste bzw. Passagiere gefährdet ist, so bei der sehenden Auges erfolgenden Aufnahme eines Gastes, der das Transportmittel entführen und andere Passagiere als Geisel nehmen möchte. Selbstverständlich ist einigermaßen unwahrscheinlich, dass das Personal einen solchen Gast trotz entsprechender Kenntnis zulassen wird. Das Beispiel soll nur zeigen, dass die anerkannte Dogmatik für extreme Situationen durchaus noch Argumentationspotential im Einzelfall bereit hält. 213 Also etwa das Warten mit laufendem Motor vor einer Bank (womöglich sogar in der Fußgängerzone) und die anschließende „Fluchtfahrt“ mit überhöhter Geschwindigkeit. 214 Vgl. die Nachweise bei Sieber, JZ 1996, 429, 438.

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PostG bzw. der PostVO dürfte eher dahin gehen, eine Befugnis zur Ablehnung der Beförderung zu schaffen als eine rechtliche Zuständigkeit zu begründen und damit einen Hinweis auf eine gegenüber allgemeinen Grundsätzen strengere Pönalisierung zu geben. Dies führt dazu, dass für die hier interessierende Frage keine ausreichend eindeutig inhaltsreicheren Regelungen vorliegen, die über die allgemeinen Grundsätze hinaus eine strafrechtliche Verantwortung für die Unterstützung fremder Straftaten begründen können.

III. Rechtsanwaltliche Auskunft, Beratung und Gestaltung 1. Einen weiteren – auch bereits verschiedentlich (teils mit Bezug zur vorliegenden Fragestellung,215 teils weitgehend isoliert davon216) diskutierten – Bereich berufsbedingten Handelns, das leicht in den Verdacht geraten kann, fremde Straftaten zu unterstützen, ist die anwaltliche Beratung und Gestaltung in rechtlichen Fragen. Den Regelfall wird auch hier die Frage nach einer möglichen Beihilfestrafbarkeit bilden,217 soweit es tatsächlich um unterstützendes Verhalten geht. Die Begehung von Fahrlässigkeitsdelikten ist vorstellbar, soweit solche (als unterstützendes Handeln im hier verstandenen Sinne) existieren.218 Der dem anwaltlichen Handeln in vielen Feldern nahestehende Sonderfall des Steuerberaters wird unten in einem eigenen Unterabschnitt behandelt.219 2. Wie die Diskussion um die anwaltlich-strafverteidigende Tätigkeit post delictum zeigt220, erscheint gerade im Bereich der rechtlichen Beratung spontan die Frage nahe liegend, ob es nicht gegenüber den allgemeinen Grundsätzen Abweichungen – und zwar insbesondere zugunsten des Berufsträgers – gibt. Im bereits vergleichsweise ausführlich behandelten221 (und im vorliegenden Zusammenhang 215 So insb. bei Rogat, sowie in jüngerer Zeit bei Müller, Subjektive Zurechnung, S. 238 ff., als Vorfrage; ansatzweise auch bei Volk, BB 1987, 139 ff. 216 So bei Mallison, Rechtsauskunft als strafbare Teilnahme, der gerade das anwaltliche Handeln bewusst weitgehend ausblendet; Schlüchter, Steuerberatung im strafrechtlichen Risiko?, passim, behandelt zwar das berufliche Handeln des Steuerberaters (dazu unten S. 484 ff.), problematisiert aber die Berufsbedingtheit des Verhaltens nicht vertieft. 217 Deutlich etwa bei Mallison, Rechtsauskunft als strafbare Teilnahme; Rogat und Volk, BB 1987, 139 ff.; Baumgarte, wistra 1992, 41 ff. diskutiert auch Fälle der Anstiftung, schließt allerdings eine täterschaftliche Begehung der von ihm behandelten Sonderdelikte der § 84 I Nr. 2 i.V.m. § 64 GmbHG bzw. der §§ 130b, 177a S. 1 HGB (unterlassene Insolvenzanmeldung) gerade aus. 218 Die klassischen Fahrlässigkeitsdelikte des StGB (insb. §§ 222, 230 StGB) werden durch eine Beratung oder Gestaltung kaum einmal begangen werden. 219 Vgl. u. S. 484 ff. 220 Vgl. nochmals o. S. 45 ff. Um schon an dieser Stelle einem Missverständnis vorzubeugen: Potentiell strafrechtlich relevant sind keinesfalls nur Auskünfte im Bereich des Strafrechts, sondern (wohl sogar als praktischer Regelfall) solche im Bereich des Zivilrechts, vgl. nur die von Volk, BB 1987, 139 ff., gewählten Beispiele aus dem Wirtschaftsrecht sowie auch das Beispiel aus dem Zivilrecht bei Mallison, Rechtsauskunft als strafbare Teilnahme, S. 15.

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bei Weitem nicht erschöpfend dargestellten) Feld typischer anwaltlicher Tätigkeiten erscheint es sinnvoll, zwischen drei wichtigen Bereichen zu differenzieren:222 der bloßen Rechtsauskunft, der (darauf basierenden) Beratung sowie zuletzt der (z. B. Vertrags-)Gestaltung. a) Grundlage der folgenden Überlegungen bildet die reine Rechtsauskunft, da diese insbesondere regelmäßig auch Teil jeder Beratung sein wird.223 Hier besteht im Ergebnis weitgehende Übereinstimmung, dass eine – jedenfalls wahre – (reine) Rechtsauskunft straflos sein muss, selbst wenn sie den Auskunftsempfänger im Ergebnis zu einer Straftat verleitet, was z. B. bei der Aufklärung über ein Strafantragserfordernis beim Haus- und Familiendiebstahl oder über den persönlichen Strafausschließungsgrund der Angehörigenstrafvereitelung durchaus vorstellbar ist. (1) Als Grund wird zum einen auf das Verfassungsrecht verwiesen,224 das teils als spezieller Rechtfertigungsgrund,225 teils als Grund für eine restriktive Auslegung des Tatbestands oder als Sachgrund für ein erlaubtes Risiko angesehen wird226. Aus dem Rechtsstaatsprinzip ergebe sich nämlich ein Erkennbarkeitsgebot hinsichtlich des Rechts, da es das Verhalten des Bürgers nur beeinflussen könne, 221 Dies gilt insbesondere, wenn man die zahl- und umfangreichen Überlegungen zum Strafbarkeitsrisiko des Steuerberaters mitrechnet, die teilweise auch für das anwaltliche Handeln relevant sind. Vgl. neben den einschlägigen Darstellungen und Kommentierungen zum Steuerstrafrecht (statt vieler nur Joecks, Steuerstrafrecht; ders., Praxis des Steuerstrafrechts; Franzen / Gast-de Haan / Joecks, Steuerstrafrecht mit Steuerordnungswidrigkeiten und Verfahrensrecht) nur Stiller, Der Rechtsirrtum des Steuerberaters und sein Strafbarkeitsrisiko, als ein Beispiel dafür, zu welchen Detailfragen in diesem Gebiet monographische Bearbeitungen vorliegen (was angesichts der praktischen Bedeutung und des dogmatischen Reizes des Steuerstrafrechts ausdrücklich zu begrüßen ist). 222 Etwas anders Volk, BB 1987, 139, der nur zwei Bereiche („ ,Rat‘ und ,Tat‘ “) unterscheidet und dabei unter „Rat“ die reine Rechtsauskunft fasst und alle anderen Tätigkeiten zusammen behandelt. Rogat, S. 179 ff., unterscheidet ebenfalls auf der „ersten Ebene“ zwischen „Rechtsauskunft“ und „darüber hinausgehenden Tätigkeiten“, welche wiederum in Beratung und Gestaltung unterteilt werden; daneben erwähnt er (S. 222 ff.) das „Zur-VerfügungStellen der ,Infrastruktur‘ der Kanzlei“, für das er das einmalige Benutzen-Lassen des Telefons durch einen Mandanten oder das Abschreiben eines (illegalen Zwecken dienenden) handschriftlichen Zettels des Mandanten durch die Sekretärin als Beispiele anführt. Solche Fälle fallen schon a priori aus der hier verfolgten Fragestellung heraus, da es sich hier allenfalls um ein Handeln „gelegentlich“ der Berufsausübung, nicht aber um berufsbedingtes Verhalten handelt (vgl. näher zur Abgrenzung oben S. 32); insofern ist ganz zutreffend, wenn Rogat hier – vorbehaltlich der endgültigen Frage der Strafbarkeit – keine berufsrechtliche Legitimation für diese Tätigkeiten anerkennt (vgl. S. 223 ff.). 223 Rogat, S. 179, weist zutreffend darauf hin, dass hier die Begriffe auch unterschiedlich gebraucht werden und mitunter von „Raterteilung“ gesprochen wird, wo reine Rechtsauskunft gemeint ist. 224 Grundlegend Mallison, Rechtsauskunft als strafbare Teilnahme, insb. S. 120 ff.; insoweit auch zustimmend, Maiwald, ZStW 93 (1981), 885 ff., sowie – mit einer gelungenen Zusammenfassung der Überlegungen Mallisons – Rogat, S. 160 f. 225 So Mallison, Rechtsauskunft als strafbare Teilnahme, S. 120 ff., 134. 226 Für eine Berücksichtigung des Verfassungsrechts auf Tatbestandsebene Maiwald, ZStW 93 (1981), 885, 891 f., sowie zustimmend Rogat, S. 162 f.

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wenn es diesem auch bekannt sei.227 Dann könne aber auch ein Verhalten, das diese Kenntnis fördere, bei teleologischer Betrachtung dem Zweck der jeweils zur Kenntnis gebrachten Rechtsnorm nicht zuwider laufen.228 Zum anderen wird – vielfach freilich erst auf der Ebene der Rechtswidrigkeit – eine entsprechende Erlaubnis zur Auskunft aus dem anwaltlichen Berufsrecht abgeleitet.229 Die Einordnung des Rechtanwaltes als „der berufene unabhängige Berater und Vertreter in allen Rechtsangelegenheiten“ in § 3 I BRAO zeige ebenso wie auch die (amtliche) Überschrift „Recht zur Beratung“, dass es zugleich Aufgabe und Befugnis des Rechtsanwaltes sei, rechtlichen Rat zu erteilen. Den Kern dieses Rates aber stelle – denn gerade dazu sei der Rechtsanwalt auf Grund der durch § 4 BRAO für ihn vorgeschriebenen Rechtskunde prädestiniert230 – die Auskunft in Rechtsfragen dar. Im Ergebnis ist diesen Bemühungen um eine Straflosstellung der reinen Rechtsauskunft zuzustimmen, wobei beide Aspekte kombiniert werden können: Ist eine Rechtsauskunft die Kernkompetenz des Rechtsanwaltes und ist ferner (vgl. o.) davon auszugehen, dass die Kenntnis des Rechts durch den Bürger in einem Rechtsstaat gerade erwünscht ist, so wird man – sogar bereits auf tatbestandlicher Ebene – in § 3 I BRAO eine inhaltsreichere Regelung in dem Sinne sehen dürfen, dass die reine Rechtsauskunft von vornherein als taugliche Teilnahmehandlung ausscheidet. Denn es ist ein immanentes „Risiko“ jeder Rechtsauskunft (und bei der Ausgestaltung des Rechts durch den Gesetzgeber geradezu angelegt und in Kauf genommen), dass derjenige, der es kennt, es auch ausnutzt. Im Ergebnis liegt hier also eine beachtliche Sonderregelung vor, die unter Berücksichtigung verfassungsrechtlicher Vorgaben den objektiven Tatbestand ausschließt und damit sogar dann eingreift, wenn der Anwalt die Begehung der Tat als sicher voraussieht.231 Entsprechend kann bei einer richtigen Rechtsauskunft den Anwalt auch kein Fahrlässigkeitsvorwurf treffen, selbst wenn er die Begehung der Tat hätte voraussehen können. (2) Nach der ratio des § 3 I BRAO wird man dabei diese (objektive) Privilegierung auf eine „richtige“ Rechtsauskunft zu beschränken haben,232 denn nur diese sollte eigentlich sein „Kerngeschäft“ im o.g. Sinne sein. Auch dient nur ihre Kenntnis der Durchsetzung des Rechts im Sinne der verfassungsrechtlichen ArguVgl. Mallison, Rechtsauskunft als strafbare Teilnahme, S. 120 ff., 127. Vgl. Maiwald, ZStW 93 (1981), 885, 891 f. 229 Vgl. zum Folgenden knapp Volk, BB 1987, 139, 144, sowie ausführlich Rogat, S. 182 ff. 230 Vgl. zur „Rechtskundigkeit als Grundlage des anwaltlichen Berufsbildes“ auch Rogat, S. 183. 231 Eine seinerseits einschränkende Auslegung des § 3 I BRAO mit Blick auf § 45 Nr. 1 BRAO a.F. (keine Mitwirkung, wenn dadurch die Berufspflichten verletzt werden) oder eine Analogie zu § 1 II der 2. Verordnung zur Ausführung des Rechtsberatungsgesetzes wird von Mallison, Rechtsauskunft als strafbare Teilnahme, S. 103 ff., überzeugend zurückgewiesen (zustimmend auch Rogat, S. 197 ff.). 232 Vgl. zu diesem Problem auch nochmals ausführlicher Rogat, S. 185 ff. 227 228

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mentation. Dabei muss aber diese „Richtigkeit“ durchaus situativ unterschiedlich beurteilt werden: In (insbesondere höchstrichterlich) ungeklärten Rechtsfragen wird eine lege artis gewonnene Auskunft unter Berücksichtigung der wesentlichen Stellungnahmen und unter Hinweis auf bestehende Unsicherheiten ausreichen, während zu anderen Fragen eine gefestigte Rechtsprechung zumindest zu berücksichtigen ist233 und bei einem Abweichen auf sie hingewiesen werden muss.234 Diese Möglichkeit einer gewissen Kompensation von ex-post beurteilter „(Un-)Richtigkeit“ durch entsprechende Hinweise ist insoweit nicht systemfremd, weil hier letztlich der Aspekt der „Richtigkeit“ Sachgrund und Begrenzung für die Erlaubtheit des Risikos ist. In gewissen Grenzen können aber insoweit Defizite bei der „Richtigkeit“ durch die Erfüllung der Hinweispflicht als ebenfalls risikominimierendes Verhalten ausgeglichen werden. Ist eine Rechtsauskunft im hier verstandenen (auch situationsabhängigen) Sinne objektiv unrichtig und erfolgt auch kein entsprechender Hinweis, so stellt sich die Frage, wie es sich auf die Vorsatzstrafbarkeit auswirkt, wenn der Rechtsanwalt das nicht wusste. Das RG hatte in einem so gelagerten, oben bereits zitierten235 Fall den Vorsatz abgelehnt, weil „von vornherein und präsumtiv davon“ auszugehen sei, dass „das Bewußtsein und der Wille des Anwalts in solchen Fällen lediglich darauf gerichtet ist, pflichtmäßig Rat zu erteilen“, und begründete damit die oben näher dargestellte Theorie vom Erfordernis eines Tatförderwillens. Auf der Grundlage der bisherigen Überlegungen zur reinen Rechtsauskunft lässt sich dieser Gedanke noch klarer fassen: Weil die Erteilung einer richtigen Rechtsauskunft objektiv nicht tatbestandlich (bzw. nach anderer, wohl herrschender Ansicht gerechtfertigt ist), scheidet bei irrtümlicher Annahme einer objektiv richtigen Auskunft eine Vorsatzstrafbarkeit aus. Denn der Vorsatz des Auskunft Gebenden umfasst kein verbotenes Risiko, so dass dieser nicht vorsätzlich handelt236 (bzw. auf der Grundlage der tradierten Auffassung: weil er sich die tatsächlichen Voraussetzungen eines Rechtfertigungsgrundes vorstellt237). Es liegt bei der reinen Rechtsauskunft – anders als bei Empfehlung oder Gestaltung (dazu sogleich im Anschluss) – auch kein Abgrenzungsproblem zwischen vorsatzrelevanten und vorsatzirrelevanten (Rechts-)Irrtümern vor. Denn die Rechtmäßigkeit der Auskunft beruht hier nicht auf der 233 Vgl. zur methodischen Bedeutung von Präjudizien für eine Rechtsfindung lege artis auch Christensen / Kudlich, Theorie richterlichen Begründens, S. 411 ff. m. w. N. 234 Im Einzelnen sind solche Grenzen insbesondere in der zivilrechtlichen Literatur zur Anwaltshaftung behandelt und umstritten, vgl. statt vieler nur mit teils unterschiedlichen Anforderungen Borgmann / Haug, Anwaltshaftung, S. 79; Hübner, NJW 1989, 5, 8; Rinsche, Die Haftung des Rechtsanwalts und des Notars, Rn. I 72 f.; Vollkommer, Anwaltshaftung, Rn. 87 ff. sowie Wolfsteiner, DNotZ 1970, 51, 52 ff. 235 Vgl. RGSt 37, 321 sowie dazu o. S. 138 f. 236 Betrachtet man das erlaubte Risiko als tatbestandsausschließendes Element, führt die irrtümlich Annahme eines erlaubten Risikos nach allgemeinen Grundsätzen zu einem Tatbestandsirrtum; besonders deutlich ist dies naturgemäß, wenn man Frischs Konzeption folgt, nach der sich der Vorsatz gerade durch die Kenntnis von der Unerlaubtheit des Risikos auszeichnet, vgl. ders., Vorsatz und Risiko, passim. Im Ergebnis für eine Straflosigkeit eines „nach bestem Wissen und Gewissen“ erteilten Rechtsrat auch OLG Stuttgart NJW 1987, 2883. 237 Vgl. auch Mallison, Rechtsauskunft als strafbare Teilnahme, S. 139 f., der ebenfalls davon ausgeht, dass eine falsche Rechtsauskunft verfassungsrechtlich nicht geschützt ist, dass aber der gute Glaube daran beachtlich ist.

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Rechtmäßigkeit einer späteren Handlung, sondern auf dem „richtigen Auskunftgeben“. Damit wird aber die Richtigkeit zu einem Tatbestandsmerkmal, auf das sich der Tatvorsatz bezieht, und nicht zu einem allgemeinen Unrechtsmerkmal. Umgekehrt hat dies zur Folge, dass eine Fahrlässigkeitsstrafbarkeit in Betracht kommt, wenn der Rechtsanwalt ein bestimmtes Handeln des Mandanten zumindest voraussehen konnte238 und die Auskunft über die Rechtslage vorwerfbar falsch gegeben wurde.239

b) Wird die reine Rechtsauskunft um eine Verhaltensempfehlung ergänzt, liegt eine Beratung i.e.S. vor.240 Hier ist zu unterscheiden: Hinsichtlich des darin liegenden „Auskunftselements“ gelten die Ausführungen unter a) entsprechend. Das „Empfehlungselement“ kann sich grundsätzlich auf zwei unterschiedliche Bereiche beziehen (deren Abgrenzung im Einzelnen freilich schwierig sein mag): entweder auf eine bestimmte rechtliche Gestaltung oder auf ein bestimmtes tatsächliches Handeln. Um dies an zwei Beispielen aus dem Bereich des Erbrechts zu illustrieren: Lässt sich ein Ehepaar erbrechtlich über die Möglichkeiten der Verfügungen von Todes wegen und angestrebte wechselseitige Bindungen beraten, kann der Anwalt (nach der Rechtsauskunft insbesondere über die §§ 2265 ff. und 2274 ff. BGB) empfehlen, dass zur Erreichung der jeweils gewünschten Ziele entweder ein gemeinschaftliches Ehegattentestament oder ein Erbvertrag günstiger ist und daher auf diese Weise verfügt werden sollte.241 Lässt sich dagegen ein nichteheliches Kind beraten, wie seine erbrechtliche Stellung nach seinem Vater gegenwärtig ist, wie sich die vom Vater angekündigte Übertragung von Vermögensbestandteilen auf dessen Frau auswirkt und ob der Vater Chancen hat, rechtswirksam den Pflichtteil zu entziehen, kann der Anwalt (nach der Rechtsauskunft insbesondere über die §§ 1924 ff. BGB, Art. 227 EGBGB und § 2333 BGB) empfehlen, den Vater vor der Einleitung der angekündigten Schritte möglichst schnell umzubringen.

(1) Für die reine Empfehlung einer rechtlichen Gestaltung – im o.g. Beispiel die Errichtung eines gemeinschaftlichen Testaments bzw. der Abschluss eines Ehever238 Voraussetzung eines Pflichtwidrigkeitszusammenhangs ist insoweit selbstverständlich, dass der Mandant die Handlung unterlassen hätte, wenn ihm nicht irrtümlich deren Rechtmäßigkeit bescheinigt worden wäre. 239 Die Annahme einer Fahrlässigkeitsstrafbarkeit ist im Übrigen auch kein Wertungswiderspruch zu allgemeinen Grundsätzen oder zur Annahme einer Straflosigkeit der richtigen Auskunft unabhängig vom Verschuldensgrad (oben S. 477 f.): Zu letzterem nicht, weil es dort um das Verschulden hinsichtlich des Verhaltens des Mandanten (und nicht hinsichtlich der Falschheit der Auskunft) ging, zu ersterem nicht, da dem Erteilen falscher Auskünfte nicht ohne weiteres die Privilegierung „neutralen“ berufsbedingten Verhaltens zukommen muss – schließlich entspricht es ja gerade nicht der lex professionis. 240 Zur Beratung ausführlich auch Rogat, S. 202 ff., wenngleich mit einigen Unterschieden in Konzeption und Ergebnissen. 241 Möglicherweise sollte idealiter die Rechtsauskunft dazu führen, dass der Laie nunmehr selbst in der Lage ist, diese Entscheidung zu treffen, wodurch Auskunft und Beratung doch wieder ineinander verschwimmen würden. Allerdings wird dies bei komplexeren rechtlichen Problemen eben nicht ohne weiteres möglich sein, so dass der Rat (der dann aber eben nicht „blindlings“ befolgt wird, sondern mit einem gewissen Verständnis, warum er so erteilt wurde) gleichwohl noch neben die Auskunft tritt.

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trages – gelten die Grundsätze entsprechend, die auch für die Mitwirkung an dieser Gestaltung anzuwenden sind. Insoweit kann hier vorübergehend auf das sogleich im Anschluss unter c) behandelte Problem der Mitwirkung an rechtlichen Gestaltungen verwiesen werden. (2) Hinsichtlich der Empfehlung eines tatsächlichen Handelns ist dagegen zu berücksichtigen, dass es sich bei genauerer Betrachtung gar nicht um einen Fall der Rechtsberatung handelt.242 Daran ändert auch nichts, dass sich an das Verhalten rechtliche Konsequenzen knüpfen und dass es sogar gerade mit Blick auf diese empfohlen wurde. Selbst wenn man von einem „guten“ Anwalt eine gewisse Lebensklugheit und auf Grund seiner Erfahrungen auch „tatsächliche“ Empfehlungen in den betreuten Lebenssachverhalten erwarten mag, so gibt er solche Empfehlungen gleichwohl nicht gerade auf Grund seiner Rechtskunde. Er bringt dem Bürger damit nämlich nicht nur die Kenntnisse nahe, die im Rechtsstaat idealiter auch vorliegen sollten. Eine besondere Privilegierung speziell des anwaltlichen Handelns durch verfassungsrechtliche Gesichtspunkte oder § 3 I BRAO scheidet daher aus. Der Anwalt muss sein Handeln hinsichtlich der tatsächlichen Empfehlungskomponente deshalb an den allgemeinen Grundsätzen messen lassen, die im Beispielsfall zur Strafbarkeit nach §§ 212, 211, 26 StGB führen würden. Zu diesen allgemeinen Grundsätzen zählen allerdings auch die hier entwickelten über eine Haftungseinschränkung bei neutralem berufsbedingtem Verhalten.243 Denn die Erteilung gewisser tatsächlicher Ratschläge in einem engen inneren Zusammenhang mit der rechtlichen Beratung ist – wenngleich nicht als Rechtsberatung i.e.S. – durchaus noch als typisches, berufsbedingtes Handeln einzustufen. Erteilt daher der Anwalt dem Mandanten, der ihm einen angeblich unverschuldeten Verkehrsunfall schildert, Auskunft über die haftungs- und versicherungsrechtliche Lage und empfiehlt ihm zugleich eine Werkstätte zur Behebung des Schadens und zur Erstellung eines Gutachtens bzw. Kostenvoranschlags für die Versicherung, macht er sich nicht wegen Beihilfe zu einem Betrug an der Versicherung strafbar, selbst wenn es generell für möglich hält (aber nicht sicher weiß und auch keine ausreichend konkreten Anhaltspunkte dafür hat), dass der Unfallverlauf ein anderer war.

c) Neben der Auskunft und Empfehlung kann schließlich noch weitergehend eine (Mitwirkung an einer) rechtliche(n) Gestaltung durch den Anwalt erfolgen, etwa in Form eines Vertragsentwurfes, einer Gutachtenerstellung etc. Die Behandlung dieser Konstellation (und damit zugleich auch der Empfehlung rechtlicher Gestaltungen, vgl. o.) ist umstritten: Teils werden unter Betonung der Tatsache, dass jede Gestaltung im Kern praktisch angewandte Beratung und Auskunft sei, entsprechend der Beschränkung des § 3 I BRAO auf „richtige“ Rechtsauskünfte 242 Insoweit übereinstimmend Rogat, S. 204, sowie der Sache nach wohl auch Mallison, Rechtsauskunft als strafbare Teilnahme, S. 143 ff., der die Straflosigkeit bei mit der Auskunft verknüpften tatsächlichen Verhaltensempfehlungen einschränkt. 243 Ein solches scheidet im Beispiel der Empfehlung zur Tötung evident aus: Denn zum einen entsprechen solche Ratschläge kaum dem typischen Berufsbild eines „Organs der Rechtspflege“, vgl. § 1 BRAO, zum anderen fallen „anstiftende“ Verhaltensweisen schon aus dem hier entwickelten Neutralitätsbegriff, vgl. o. S. 180 f.

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ebenfalls nur „richtige“, d. h. objektiv rechtmäßige Gestaltungen, als straflose Beteiligung anerkannt.244 Eine andere Ansicht geht im Ergebnis offenbar davon aus, dass bei bloßen Zweifeln an der (tatsächlich auch nicht vorliegenden) Rechtmäßigkeit des Handelns mangels ausreichenden Vorsatzes bzw. mangels objektiver Zurechenbarkeit noch keine Strafbarkeit eintritt.245 Der Grund für diese unterschiedliche Beurteilung dürfte in Folgendem liegen: Einerseits enthält die Gestaltung (ebenso wie die rechtliche Empfehlung hinsichtlich einer bestimmten Gestaltung) ein Moment der Rechtsauskunft, was eine Parallele zu den dort gebilligten Grundsätzen plausibel machen würde. Andererseits kann eine Empfehlung und Gestaltung durchaus auf der zutreffend (und nach bestem Gewissen) erteilten Rechtsauskunft beruhen, dass eine bestimmte Konstellation „kritisch“ sei, aber noch für akzeptabel gehalten werde. Hinzu kommt (und letztlich entscheidend für eine angemessen differenzierende Lösung ist), dass die Problematik von zwei unterschiedlichen Bezugspunkten der „sicheren Kenntnis“ bzw. des „Für-möglich-Haltens“ überlagert wird.246 Bei der rechtlichen Empfehlung bzw. der Gestaltung betrifft die „Prognose“ (d. h. die Unsicherheit in den hierzu diskutierten Beispielen) ausschließlich die Rechtmäßigkeit des geratenen bzw. durchgeführten Handelns247 (während die Tatsache, dass auf eine bestimmte Weise gehandelt wird, vom Anwalt gerade zugrunde gelegt wird248). Bei der reinen Rechtsauskunft dagegen kann sich die Prognose auch darauf beziehen (und bezieht sich in den in der Literatur genannten Beispielen auch regelmäßig darauf), dass eine bestimmte tatsächliche Handlung vorgenommen wird oder nicht, über deren rechtliche Beurteilung Auskunft erbeten wird. Einigkeit sollte freilich über folgende Konstellation bestehen: Erläutert der Anwalt seinem Mandanten, dass er eine bestimmte Gestaltung für (wohl) rechtswidrig hält und ihm daher davon abrät, kann dies keine Strafbarkeit begründen, selbst wenn der Mandant sich dann entschließt, das Strafbarkeitsrisiko auf sich zu nehmen.249 Hinsichtlich der darin liegenden (bloSo Rogat, S. 220 f. So Volk, BB 1987, 139, 143, 144 f., der bewusst „ein wenig mäandernd“ (vgl. S. 141) zuerst auf der Vorsatzebene, danach auf der Ebene der objektiven Zurechnung berücksichtigt wissen möchte, dass der Anwalt nach seinem Berufsrecht nicht daran gehindert sei, eine rechtliche Gestaltung zu wählen, die er zwar für riskant, aber jedenfalls für möglich hält. Als Stellungnahme in Richtung auf eine Straflosigkeit bei bloßem Für-möglich-Halten lassen sich auch die Ausführungen bei Scholz-Tiedemann, GmbHG, § 82 Rn. 25 deuten. 246 Dieses Problem arbeitet auch Rogat, S. 212 ff. teilweise klar heraus, vermengt aber an anderen Stellen (etwa S. 196) offenbar auch beide Ebenen (zumindest terminologisch) miteinander. 247 Dass das Bild des „Handelns mit dolus eventualis“ hinsichtlich der Rechtmäßigkeit einer bestimmten Gestaltung gewisse Assoziationen zur allgemein nicht mehr vertretenen Vorsatztheorie weckt, konzediert zutreffend Volk, BB 1987, 139, 144. 248 Insoweit ist also Rogats Feststellung, dass die von ihm erarbeiteten Regeln auch bei „dolus directus“ hinsichtlich der Begehung der Haupttat gelten (vgl. dort S. 222), zutreffend, aber auch wenig erkenntnisfördernd. 249 Zu solchen Konstellationen auch (im Ergebnis weitgehend übereinstimmend) Volk, BB 1987, 139, 141 ff. 244 245

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ßen) Rechtsauskunft gelten die Ausführungen unter a); im Übrigen kann im Abraten von einer Gestaltung keine Risikoerhöhung, sondern i.d.R. nur eine Risikominderung liegen. Jedenfalls aber ist der Vorsatz nicht auf eine Risikoerhöhung gerichtet. Anders liegt es natürlich, wenn der Anwalt dann – auf Grund des Willens des Mandanten – bei der tatsächlichen Gestaltung dieser als rechtswidrig erachteten Möglichkeit aktiv wird. Hier kann ihm seine ursprüngliche Warnung nicht nützen, und er muss sich nach den nachfolgend behandelten Grundsätzen behandeln lassen.

Diese Verortung des Problems und vor allem die Trennung der beiden potentiellen Unsicherheitsfaktoren „zukünftiges Verhalten des Mandanten“ und „rechtliche Beurteilung“ führen auch zu seiner Lösung: (1) Eine Übertragung der Grundsätze zur reinen Auskunft scheidet aus. Denn die Verschaffung des Wissens um die Rechtmäßig- oder Rechtswidrigkeit eines Verhaltens und damit die Mitwirkung an der Realisierung der rechtsstaatlich gebotenen Normkenntnis durch die Rechtsunterworfenen kann nicht mit der Empfehlung gleichgesetzt werden, sich in der einen oder anderen Weise zu verhalten. Dass der bewusste Hinweis, eine rechtswidrige Gestaltung vorzunehmen, nicht allein deswegen tatbestandslos sein kann, weil darin zugleich eine Auskunft über die Rechtswidrigkeit stecken mag, liegt auf der Hand. Umgekehrt ist aber auch klar, dass – schon aus Akzessorietätsgründen – nur der Rat zu bzw. die Mitgestaltung an einem rechtswidrigen Handeln des Mandanten strafrechtlich relevant sein kann. (2) Da es also um Fälle geht, in denen das empfohlene bzw. mitgestaltete Arrangement ex-post als rechtswidrig bewertet wird und in denen zugleich eine sichere Voraussicht der entsprechenden Handlung des Mandanten vorliegt, kommt eine Straflosigkeit auf der Ebene des objektiven Tatbestandes nur in Betracht, soweit die Empfehlung trotz ihrer ex-post betrachteten Rechtswidrigkeit noch im Bereich des erlaubten Risikos liegt. Dafür kommt es entscheidend darauf an, bis zu welcher Grenze sie von § 3 I BRAO gedeckt ist. Dies setzt bei zweifelhafter Rechtmäßigkeit eines Vorhabens zunächst voraus, dass auf das Problem hingewiesen wurde. Wenn dies erfolgt, können aber solche Zweifel allein dem Anwalt nicht verbieten, einen entsprechenden Weg vor- und gegebenenfalls auch mit einzuschlagen, wenn dieser aus Sicht eines gewissenhaften Anwaltes zumindest ernsthaft vertretbar erscheint.250 Wollte man dies anders sehen, wären nicht nur jeglicher persönlicher kautelarjuristischer Kreativität bei der Beschreitung neuer Felder erhebliche Steine in den Weg gelegt, sondern auch der evolutive Beitrag der Anwaltschaft an der 250 Im Ergebnis ähnlich auch die Einschätzung von Volk, BB 1987, 139, 144, der freilich zunächst stärker auf die Einschätzung des Vorhabens abstellt (und damit in den Kategorien von dolus eventualis und dolus directus argumentiert), und bereits auf S. 143 konzediert, dass die Lösung beim Vorsatz „im Grunde auf der falschen Ebene“ gesucht wird. Freilich lassen sich beide Ebenen insofern schwierig trennen, als ein lege artis arbeitender Rechtsanwalt bei (gut) vertretbaren Empfehlungen (allenfalls) bedingten, bei kaum vertretbaren Lösungen eher direkten „Vorsatz“ (vgl. auch oben Fußn. 247 a.E.) hinsichtlich der Rechtswidrigkeit haben wird. Insoweit liegt die hier entwickelte Lösung wohl näher bei der von Volk als bei der von Rogat, S. 212 f., der bei Für-möglich-Halten einer ex-post betrachteten Rechtswidrigkeit in jedem Fall zur Strafbarkeit kommen will.

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Fortentwicklung der Rechtskultur würde durch Strafbarkeitsandrohungen insgesamt zurückgedrängt. Allein das Wissen um die Möglichkeit, dass eine Gestaltung als rechtswidrig beurteilt werden könnte,251 schließt daher die Erlaubnis zur Rechtsberatung (und deren Umsetzung durch Gestaltung) nach § 3 I BRAO nicht notwendig aus. Zuletzt bleibt auch hier ein Blick auf die Irrtumskonstellation zu werfen: Wie ist zu entscheiden, wenn eine ex-post rechtswidrig bewertete Gestaltung auch ex-ante unvertretbar war, der Anwalt dies aber auf Grund mangelnder Rechtskunde nicht erkannte? Anders als oben bei der reinen Rechtsauskunft spielt hier die Abgrenzung zwischen beachtlichem und unbeachtlichem Rechtsirrtum eine Rolle. Denn es wurde nicht nur eine Auskunft gegeben, sondern zu einer Handlung aufgerufen bzw. diese mit durchgeführt, von der auch das anwaltliche Handeln seine Rechtswidrigkeit her „bezieht“. Diese im Detail noch ungeklärte und umstrittene Frage252 soll hier nicht vertieft werden, da sie für unser Thema nur ein Randbzw. unspezifisches Problem darstellt. Als grobe Orientierung kann freilich die schon auf die reichsgerichtliche Rechtsprechung zurückgehende Unterscheidung zwischen (vorsatzrelevanten) außer- bzw. vorstrafrechtlichen Irrtümern und (vorsatzirrelevanten) strafrechtlichen Bewertungsirrtümern wertvolle Dienste leisten. Denn sie ermöglichen meist Rückschlüsse auf das Erkennen des (spezifisch strafrechtlich) sozialen Sinns253, wenn ausreichend genau herausgearbeitet wird, wo im Einzelfall der Irrtum des Täters begründet liegt.254 Wo ein vorsatzausschließender Irrtum vorliegt, bleibt auch hier – letztlich aus ähnlichen Gründen, wie oben zu und in Fußn. 238 und 239 ausgeführt – eine Fahrlässigkeitsstrafbarkeit vorstellbar, soweit entsprechende Delikte existieren.

IV. Steuerberatende Tätigkeiten 1. Gewissermaßen einen thematischen Sonderbereich255 der Auskunft, Beratung und Gestaltung in rechtlichen Fragen bildet das Berufsfeld des Steuerberaters, der nach § 3 I Nr. 1 StBerG – ebenso wie übrigens u. a. auch Rechtsanwälte, 251 Ergänzend könnte man noch einmal auf den oben (S. 344) referierten Gedanken von Arzt zur Reziprozität des unrechtsbegründenden und des unrechtsausschließenden subjektiven Elementes hinweisen: Mit einem nur bedingten Vorsatz hinsichtlich der Rechtswidrigkeit der Gestaltung ist oft zumindest ebenfalls ein (sogar stärkerer) bedingter, wenn nicht sogar ein direkter Vorsatz hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der Gestaltung verbunden. 252 Vgl. statt vieler nur Roxin, AT I, § 12 Rn. 89 ff., insb. 92 ff., sowie die ausführliche Darstellung der umgekehrten Konstellation bei der Abgrenzung von untauglichem Versuch und Wahndelikt bei Schönke / Schröder-Eser, Rn. 69, 82 ff. Monographisch Schlüchter, Irrtum über normative Tatbestandsmerkmale im Strafrecht, passim; den Anwendungsbereich des unbeachtlichen Rechtsirrtums (bzw. des Wahndelikts) gegenüber der h. M. dezidiert ausdehnend Burkhardt, JZ 1991, 681, 683 ff. 253 Die Erkenntnis dieses sozialen Sinnes betont zutreffend Roxin, AT I, § 12 Rn. 93. 254 Vgl. zur eigenen Auffassung knapp Kudlich, NStZ 1997, 432 ff. sowie ders., JuS 1997, 768. 255 Im Gegensatz zum Rechtsanwalt als – damit auch hinsichtlich des Haftungsrisikos – Generalisten (vgl. Wessing, NJW 2003, 2265, 2268 f. zum Anwalt als „Risikogeneralist“; zum Steuerberater dort 2267 f.).

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vgl. § 3 I Nr. 2 StBerG – zur geschäftsmäßigen unbeschränkten Hilfeleistung in Steuersachen befugt ist. Diese beinhaltet nach § 33 S. 1 StBerG die Beratung in Steuersachen, die Vertretung ihres Auftraggebers (vgl. auch § 62 FGO) sowie die Unterstützung bei der Bearbeitung von Steuerangelegenheiten und der Erfüllung steuerlicher Pflichten. Daneben – und durchaus auch strafrechtsrelevant – können Steuerberater nach § 33 S. 2 StBerG Tätigkeiten im Bereich der Buchführung und Bilanzierung ausüben (welche als solche für Anwälte eher untypische Tätigkeiten darstellen).256 Auch das steuerberatende Tätigkeitsfeld eröffnet in erster Linie (wenngleich nicht ausschließlich257) die Möglichkeit einer Strafbarkeit wegen Teilnahme an fremden Taten und nicht wegen täterschaftlich begangener Vorsatzdelikte.258 Dies gilt jedenfalls dann, wenn man mit der h. M. davon ausgeht, dass nach der vor allem relevanten Vorschrift des § 370 I Nr. 1 AO nur derjenige Täter sein kann, der die Angaben als Erklärender macht, was nach § 150 III AO regelmäßig der Steuerpflichtige selbst ist.259 Als Fahrlässigkeitsdelikt kommt insbesondere die leichtfertige Steuerverkürzung nach § 378 I AO in Betracht, die hier allerdings als bloßer Bußgeldtatbestand keine vertiefte Behandlung erfahren soll. 256 Gerade auf Grund des weit gespannten denkbaren Tätigkeitsfelds des Steuerberaters ist vorneweg genau zu prüfen, ob überhaupt gerade eine Beteiligung an der steuerstrafrechtsrelevanten Handlung des Täters vorliegt. Wird etwa die Buchhaltung übernommen und die Einkommenssteuererklärung bearbeitet, hat dies nicht notwendig mit Hinterziehungen zu tun, die der Steuerpflichtige hinsichtlich anderer Steuerarten begeht. Eine Pflicht, sich von einem steuerunehrlichen Kunden in jeder Hinsicht zu distanzieren, hat bereits das Reichsgericht zutreffend abgelehnt, vgl. RGSt 68, 411, 413. 257 Insbesondere ist § 370 I Nr. 1 AO kein Sonderdelikt, das a priori nur der Steuerpflichtige begehen könnte, vgl. nur Klein-Gast-de Haan, § 370 Nr. 5, zur täterschaftlichen Begehung durch den Steuerberater Nr. 5a sowie Franzen / Gast-de Haan / Joecks-Joecks, § 370 Rn. 19 (der freilich in: Steuerstrafrecht, S. 48, und in: Praxis des Steuerstrafrechts, S. 32 etwas konstruiert regelmäßig von einer mittelbaren Täterschaft ausgeht, bei welcher der Finanzbeamte Tatmittler sei). 258 Schlüchter, Steuerberatung im strafrechtlichen Risiko?, etwa S. 6 ff. erörtert zwar eine Reihe von eigenständig begehbaren Vorsatzdelikten, allerdings betreffen diese unmittelbar keine Unterstützungshandlung zu einer vom Haupttäter begangenen Vorsatztat, auf die sich die vorliegende Untersuchung beschränkt. 259 Vgl. Dörn, in: Flore / ders. / Gillmeister (Hg.), Steuerfahndung und Steuerstrafverfahren, S. 379, 385; Klein-Gast-de Haan, § 370 Nr. 5; Schlüchter, Steuerberatung im strafrechtlichen Risiko?, S. 50 m. w. N.; Stiller, Der Rechtsirrtum des Steuerberaters und sein Strafbarkeitsrisiko, S. 45 ff.; vgl. auch Dörn, DStZ 1993, 478, 486, der die „Fertigung unrichtiger Steuererklärungen“ durch den Berater (offenbar zumindest im Regelfall) ausdrücklich als Beihilfe zur Steuerhinterziehung einordnet; besonders intensiv diskutiert wird das Problem bei der § 370 AO in Bezug nehmenden Vorschrift des § 378 AO, da bei diesem Leichtfertigkeits(ordnungswidrigkeiten)tatbestand keine Beihilfe und mittelbare Täterschaft denkbar ist (vgl. hier grundlegend zur Problematik Reitz, DStR 1984, 91 ff. sowie ders., DStR 1984, 439; gegen ihn – allerdings nicht überzeugend – Bublitz, DStR 1984, 435 ff.); hier entspricht es auch der Ansicht der Rechtsprechung (vgl. BayObLG wistra 1994, 34 sowie OLG Braunschweig wistra 1996, 319), dass der nur im Innenverhältnis tätige Berater keine Angaben i. S. d. § 370 I Nr. 1 AO macht.

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2. Soweit die Tätigkeit des Steuerberaters mit der des Anwalts bei der Rechtsberatung und Gestaltung funktionsäquivalent ist, müssen auch die oben für anwaltliches Handeln entwickelten Grundsätze entsprechend gelten. Denn die verfassungsrechtlichen Erwägungen zum Erkennbarkeitsgebot müssen auch260 für das Steuerrecht gelten, und die bereits oben zitierten Vorschriften der §§ 3 I Nr. 1, 33 StBerG verleihen insoweit dem Steuerberater eine vergleichbare Stellung wie § 3 I BRAO dem Anwalt in den übrigen rechtlichen Angelegenheiten. a) Daraus ergibt sich Folgendes: – Eine „richtige“ Auskunft in Steuersachen ist – als solche – stets straflos, egal wie sie sich (z. B. bei Informationen über das Bankgeheimnis oder über die Verjährung bestimmter steuerlicher Ansprüche) auf den Entschluss des Täters auswirkt. Dagegen kann eine falsche Auskunft nicht privilegieren. Hält der Berater sie freilich für richtig, scheidet aber eine Vorsatzstrafbarkeit aus (was zugleich zur Möglichkeit eines Fahrlässigkeitsvorwurfs und damit insbesondere der Ordnungswidrigkeit nach § 378 AO führt).261 – Die tatsächlichen Komponenten von Empfehlungen (z. B. bestimmte Einnahmen einfach zu verheimlichen, sich selbst fiktive Belege zu schreiben, aber auch ein bestimmtes Objekt zu veräußern oder nicht) unterliegen den allgemeinen Grundsätzen.262 – Die rechtlichen Komponenten von Empfehlungen wie auch die Vorbereitung bestimmter Gestaltungen o.ä. bleiben (selbst wenn Finanzamt oder Finanzgerichte die entwickelten Auffassungen nicht teilen) straflos, soweit sie vertretbar sind,263 der Steuerberater sie „nur“ für „riskant“ hält264 und darauf hinweist (sowie bei Anfertigung einer Steuererklärung die Tatsachen wahrheitsgemäß vorträgt265). Bei einem Irrtum über die Richtigkeit bzw. Vertretbarkeit ist eine Ab260 Man ist sogar versucht zu sagen: gerade für das sich ständig ändernde, in weiten Teilen völlig unübersichtliche und für einen Laien schlechterdings nicht zu bewältigende Steuerrecht! 261 Vgl. zum Anwalt oben S. 477 ff. 262 Vgl. zum Anwalt oben S. 480 f. 263 Zur Methodengerechtigkeit als Kriterium für das erlaubte Risiko i.R.d. § 370 AO auch Stiller, Der Rechtsirrtum des Steuerberaters und sein Strafbarkeitsrisiko, S. 210 ff., der insoweit zutreffend unterscheidet zwischen Fällen, die in der Rechtsprechung noch nicht behandelt wurden, und solchen, zu denen eine (insbesondere gesicherte, höchstrichterliche) Rechtsprechung vorliegt. 264 Gegen ein Element der Straflosigkeit bei „dolus eventualis“ bei einem Rechtsirrtum Stiller, Der Rechtsirrtum des Steuerberaters und sein Strafbarkeitsrisiko, S. 208; dafür etwa Franzen / Gast de Haan / Joecks-Joecks, § 370 Rn. 238. Für die (zumindest kumulative) Berücksichtigung des Vorsatzgrades spricht, dass die Schutzwürdigkeit des Beraters gering ist, wenn er eine – wie er weiß – fragwürdige Gestaltung vorschlägt und dabei selbst subjektiv von der Rechtswidrigkeit überzeugt ist. 265 Zutreffend Schlüchter, Steuerberatung im strafrechtlichen Risiko?, S. 54 f., wenn sie darauf hinweist, dass der Berater seine eigene Rechtsmeinung nicht unterdrücken muss. Wenn der Steuerberater z. B. in einer durch Rechtsprechung oder Erlasse nicht geregelten

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grenzung zwischen vorsatzrelevanten und nichtrelevanten Rechtsirrtümern zu treffen.266 b) Daneben stellt sich bei anderen, nicht rechtsauskunfts- bzw. rechtsberatungsähnlichen Tätigkeiten, wie z. B. der Mithilfe bei der Bilanzerstellung, aber etwa auch bei der Mitwirkung an der Steuererklärung die Frage, wie es sich auswirkt, wenn der Steuerberater unrichtige tatsächliche Angaben seines Mandanten übernimmt. Bei genauerer Betrachtung ist diese mögliche Unzuverlässigkeit der Angaben des Mandanten – und nicht der mögliche Rechtsirrtum über steuerrechtliche Vorschriften – der Faktor, der auch dem schwer abzuschätzenden und deshalb problematischen Strafbarkeitsrisiko anderer berufsbedingter Unterstützungshandlungen entspricht: Die Ungewissheit darüber, was ein Kunde mit der „an sich legal erbrachten“ Leistung anfängt bzw. hier: darüber, ob er die zutreffende Tatsachengrundlage für die an sich lege artis durchgeführten Berechnungen liefert. Aus diesem Grund spricht viel dafür, hinsichtlich dieses Problems die hier entwickelten allgemeinen Grundsätze anzuwenden, die für neutrales berufsbedingtes Handeln eine Strafbarkeit bei dolus eventualis (nochmals: hier hinsichtlich der tatsächlichen Richtigkeit der Angaben des Mandanten zu Einnahmen) oftmals ausschließen. In der Literatur wird zwar teilweise für die Beihilfe zur Steuerhinterziehung auf die allgemeine Dogmatik und damit auch auf die Strafbarkeit bei bloßem dolus eventualis verwiesen.267 Interessanterweise werden dort dann aber Beispiele gewählt, die durchgehend sichere Kenntnis beinhalten,268 was wiederum für die hier vertretene Auffassung spricht. Dagegen können keine drohenden Strafbarkeitslücken angeführt werden. Denn es ist ja – auch für eine sichere Kenntnis hinsichtlich der unzutreffenden, steuerverkürzenden Angaben – nicht erforderlich, dass der Berater positiv weiß, wie viel der Kunde genau verdient. Konstellation die Auffassung verfolgt, bei der Anschaffung einer Gütergesamtheit handle es sich um lauter einzelne, sofort absetzbare geringwertige Wirtschaftsgüter (vgl. § 6 II EStG) und nicht um ein einzelnes nicht geringwertiges, nur über mehrere Jahre abschreibbares Gut (vgl. § 7 I EStG), so bestehen keine Bedenken dagegen, unter Hinzufügung eines wahrheitsgemäßen Belegs die gesamte Summe als Betriebsausgabe bzw. Werbungskosten anzusetzen, selbst wenn er für möglich hält, dass die Finanzbehörden dies anders beurteilen; vgl. auch Joecks, Steuerstrafrecht, S. 22. Zur objektiven Tatbestandsmäßigkeit bei verdecktem Zugrundelegen einer unzutreffenden Rechtsauffassung vgl. BGH wistra 1995, 69 sowie Stiller, Der Rechtsirrtum des Steuerberaters und sein Strafbarkeitsrisiko, S. 68 ff. 266 Vgl. monographisch Stiller, Der Rechtsirrtum des Steuerberaters und sein Strafbarkeitsrisiko, passim. Zur rechtlichen Empfehlung und Gestaltung bei der anwaltlichen Tätigkeit oben S. 481 ff. 267 So explizit Dörn, DStZ 1993, 478, 486. 268 Vgl. nochmals Dörn, DStZ 1993, 478, 486, Beispiele 7 – 10: „Belege, von denen er weiß, daß sie unrichtig sind“, „eine Rückstellung für Gewährleistung ( . . . ), obgleich er weiß, daß die Gewährleistungsklage des Abnehmers zwischenzeitlich rechtskräftig abgewiesen wurde“, „trägt Einkünfte des Mandanten wissentlich zu niedrig in die Steuererklärung ein“ (Hervorhebungen teilweise hier); auch in Beispiel 8 geht es um einen Fall sicherer Kenntnis, wenn die Rückstellungen in einem „sorgfältigen Erörterungsgespräch“ vorher nur halb (!) so hoch angesetzt wurden.

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4. Teil: Synthese – Strafbarkeit berufsbedingter Unterstützungshandlungen

Vielmehr genügt, wenn er als sicher erkennt oder konkrete Anhaltspunkte dafür hat, dass jedenfalls der angegebene Betrag zu niedrig angesetzt sein muss. Schließlich spricht auch die Anordnung einer Geldbuße für leichtfertige Steuerverkürzung nach § 378 AO nicht gegen ein solches Verständnis: Denn davon abgesehen, dass seine Anwendbarkeit für Berater ohnehin stark eingeschränkt ist,269 gibt es genug andere Gründe, aus denen ein Leichtfertigkeitsvorwurf erhoben werden kann, als das fehlende Misstrauen gegenüber den Angaben des Mandanten.

V. Notarielle Tätigkeiten 1. Das dritte, sich teilweise ebenfalls mit anwaltlichen Tätigkeiten überschneidende, Berufsfeld aus dem Bereich der rechtlichen Beratung ist das des Notars. Auch seine Tätigkeit bei Beurkundungen und dazugehörigen Beratungen und Vertragsbetreuungen270 kommt i.d.R. nicht als vorsätzlich-nebentäterschaftliche Tatbegehung in Betracht, sondern kann ebenfalls nur eine Beihilfe- oder gegebenenfalls Fahrlässigkeitsstrafbarkeit begründen. Nach allgemeinen Grundsätzen wäre allerdings auch der Notar bei neutralem Verhalten und bei Einhaltung etwaiger Sondervorschriften (etwa das BeurkG)271 nur bei sicherer Voraussicht einer Straftat oder bei konkreten Anhaltspunkten auf die deliktische Nutzung gerade seiner Tätigkeit zu bestrafen.272 2. Eine abweichende Sonderregelung könnte allerdings § 14 II BNotO enthalten. Dieser schreibt dem Notar vor, seine „Amtstätigkeit zu versagen, wenn sie mit seinen Amtspflichten nicht vereinbar wäre, insbesondere wenn seine Mitwirkung bei Handlungen verlangt wird, mit denen erkennbar unerlaubte oder unredliche Zwecke verfolgt werden.“ § 14 II BNotO kommt als inhaltsreichere und daher zu beachtende Vorschrift auf den ersten Blick vor allem deswegen in Betracht, weil er Vgl. o. in Fußn. 259, S. 485. Vgl. § 1 BNotO (Tätigkeiten „auf dem Gebiete der vorsorgenden Rechtspflege“) und § 24 I 1 BNotO („Anfertigung von Urkundenentwürfen und die Beratung der Beteiligten“). Hierzu gehört nach gängiger Praxis etwa das Stellen von erforderlichen Anträgen in Grundbuchsachen als Vertreter der Parteien von Grundstücksgeschäften (vgl. auch § 24 I 2 BNotO) oder auch die Abwicklung von Zahlungen über ein Anderkonto (vgl. auch zur sonstigen Aufbewahrung und Ablieferung von Wertgegenständen § 23 BNotO). 271 Vorstellbar wäre etwa, dass der Notar sich entgegen § 10 II BeurkG keine Gewissheit über die Person der Beteiligten verschafft hat (und damit illegale Geschäfte Nichtberechtigter ermöglicht) oder entgegen § 13 I BeurkG beim Verlesen der Urkunde Passagen auslässt, um einen betrügerischen Vertragsschluss zu ermöglichen. 272 Soweit daher in der im 2. Teil angesprochenen Entscheidung des 3.Strafsenats (wistra 2000, 459, dazu oben S. 129) von sicherer Kenntnis der Notare von den Betrügereien ihrer Mandanten auszugehen war, ist dem BGH auf der Grundlage der hier entwickelten allgemeinen Grundsätze also durchaus zuzustimmen. Das ändert aber nichts an der oben geübten Kritik insoweit, als zum einen in einigen Fällen offenbar nur von dolus eventualis ausgegangen wurde und zum anderen auch eine Auseinandersetzung mit den gewichtigen Ansätzen in der Literatur geboten gewesen wäre, die noch weitergehende objektive Strafbarkeitskorrektive vertreten. Zur Bedeutung des § 14 II BNotO sogleich im Text. 269 270

C. Exemplifizierung und Konkretisierung

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gerade die Situation vor Augen hat, in der eine „Mitwirkung“ an bestimmten Handlungen erfolgt, die „unerlaubte ( . . . ) Zwecke“ verfolgen. Eine solche Aufforderung, die Mitwirkung zu versagen, ist für andere Berufe kaum in dieser expliziten Form bekannt. Die Sonderregelung könnte in zwei entgegengesetzte Richtungen wirken: a) Einerseits könnte erwogen werden, ob ein Notar nicht selbst in den Fällen, in denen er – durch Zufall oder Einweihung durch einen Beteiligten – den verbotenen Zweck kennt, straflos an dem Geschäft mitwirken darf, wenn der verbotene Zweck an sich objektiv nicht erkennbar wäre. In diese Richtung würde es deuten, wenn man den Zweck der Vorschrift – was der Vergleich mit § 14 III 1 BNotO durchaus nahe legt273 – stärker im öffentlichen Ansehen des Notar(wesen)s, nicht aber vorrangig im Schutz von Rechtsgütern Dritter sähe.274 Indes scheint die h. M. innerhalb der notarrechtlichen Literatur zu Recht nicht zu einer solchen Lesart zu tendieren und bei tatsächlich erkannten Gesetzesverstößen jedenfalls die Verweigerung der Mitwirkung zu fordern.275 Denn zum einen ist die Mitwirkung in auch nur zufälliger Kenntnis der rechtswidrigen Ziele objektiv erst recht geeignet, dem Ansehen des Berufsstandes zu schaden, falls diese Kenntnis später bekannt würde. Zum anderen wird man einer Vorschrift, die in bestimmten Fällen sogar ausdrücklich eine Versagung der Mitwirkung anordnet, kaum eine inhaltsreichere privilegierende Wirkung für Fälle zubilligen können, in denen nach allgemeinen Grundsätzen für berufsbedingtes Handeln eine Strafbarkeit zu bejahen wäre. b) Andererseits ist vorstellbar, dass das für andere Berufe in dieser expliziten Form kaum bekannte „Mitwirkungsverweigerungsgebot“ haftungsverschärfend wirkt, insbesondere soweit i. S. d. allgemeinen Lösungsregeln nur Fälle bedingt vorsätzlichen oder fahrlässigen Handelns vorliegen würden. Zwar ist bei näherem Hinsehen sehr fraglich, ob § 14 II BNotO tatsächlich den Schutz der durch die dort genannten Handlungen bedrohten Rechtsgüter beabsichtigt. Zweifel ergeben sich hier nicht nur daraus, dass neben der Mitwirkung bei der Verfolgung „verbotener“ auch die Mitwirkung an der Verfolgung „unredlicher Zwecke“ zu vermeiden ist,276 273 Dieser fordert, dass der Notar „sich durch sein Verhalten innerhalb und außerhalb seines Amtes der Achtung und des Vertrauens, die dem Notaramt entgegengebracht werden, würdig“ zeigt. 274 Vgl. Arndt / Lerch / Sandkühler-Sandkühler, § 14 BNotO Rn. 61 (mit Betonung des Berufsrechts). 275 Deutlich bei Seybold / Schippel-Schippel, § 14 BNotO Rn. 20 („Der Notar muß [ . . . ] jedes Wissen, ein berufliches oder ein privates, verwerten [ . . . ]“); darauf deutet auch die einhellige Ansicht hin, dass der Notar den weiteren Vollzug eines Geschäfts nach Kräften unterbinden soll, wenn er nachträglich erfahren hat, dass illegale Zwecke verfolgt werden, vgl. Arndt / Lerch / Sandkühler-Sandkühler, § 14 BNotO Rn. 92 f., sowie Eylmann / Vaasen-Frenz, § 14 BNotO Rn. 35. 276 Vgl. zur „Unredlichkeit“ Seybold / Schippel-Schippel, § 14 BNotO Rn. 19 (der einen Bezug zum Gebot von Treu und Glauben herstellt), sowie Arndt / Lerch / SandkühlerSandkühler, § 14 BNotO Rn. 61 (der von der „berufsrechtlichen Ausformung der [ . . . ] Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten“ spricht).

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sondern auch aus der vor allem „ansehenswahrenden“ Funktion des § 14 BNotO, vgl. o. Indes ist nach der hier in den Leitlinien erarbeiteten Regel-Ausnahme- bzw. Argumentationslastverteilung in Fällen, in denen eine auch nur bedingt vorsätzliche Unterstützung einer fremden Straftat vorliegt, weniger eine zusätzliche Begründung für die strafrechtliche Missbilligung des Verhaltens erforderlich (welche § 14 II BNotO möglicherweise tatsächlich nicht leisten könnte) als vielmehr ein Grund, der gegen die Missbilligung spricht. Nun greifen aber all die Aspekte, die normalerweise bei berufsbedingtem Verhalten für eine Beschränkung der Verantwortlichkeit vorgebracht werden277, im Anwendungsbereich des § 14 II BNotO nicht ein: Denn wegen der berufsrechtlichen Aufforderung, von der beruflichen Handlung Abstand zu nehmen, kann ihre dennoch erfolgende Vornahme schon nicht als „üblich“ angesehen werden. Auch ist angesichts der hier zu vermutenden anderweitig schwereren Erlangbarkeit der Mitwirkung die Gefahrsteigerung keine nur geringfügige. Schließlich geht die Einschränkung der Handlungsfreiheit hier nicht über diejenige hinaus, die § 14 II BNotO ohnehin anordnet. Soweit nach § 14 II BNotO auf Grund konkreter Anhaltspunkte – zu deren Erlangung freilich keine Amtsermittlungspflicht besteht278 und die von den Parteien auch ausgeräumt werden können279 – die Mitwirkung zu versagen ist, besteht daher für eine Privilegierung berufsbedingter Unterstützungshandlungen kein Bedürfnis mehr. Mithin spricht viel dafür, im Anwendungsbereich des § 14 II BNotO für eine Beihilfe jedes Handeln mit bedingtem Vorsatz genügen zu lassen.280 Konsequenterweise ist auch eine Fahrlässigkeitsstrafbarkeit nicht a limine ausgeschlossen, wenngleich ihr Anwendungsbereich in der Praxis gering wäre. Denn zum einen liegt ja bei einer Missachtung des § 14 II BNotO gerade eine Verletzung einer Sondervorschrift vor; zum anderen knüpft die BNotO in § 19 BNotO daran selbst (wenngleich nur zivilrechtliche) Haftungsfolgen für Vorsatz und Fahrlässigkeit und begründet die Verfolgbarkeit als Dienstvergehen nach §§ 95, 96 ff. BNotO.281

277 Also Üblichkeit, geringe Gefahrsteigerung und unverhältnismäßige Einschränkung der Handlungsfreiheit. 278 Vgl. Arndt / Lerch / Sandkühler-Sandkühler, § 14 BNotO Rn. 88, 121, und Seybold / Schippel-Schippel, § 14 BNotO Rn. 20. 279 Vgl. Arndt / Lerch / Sandkühler-Sandkühler, § 14 BNotO Rn. 90, sowie auch Seybold / Schippel-Schippel, § 14 BNotO Rn. 20 („Die Beteiligten können erwarten, daß der Notar ihren Angaben vertraut.“). 280 Legt man dies zugrunde, so dürfte auch für die verbleibenden Fälle mit dolus eventualis in BGH wistra 2000, 459 (dazu oben Fußn. 272) das Ergebnis des 3. Strafsenats gut vertretbar sein (was aber die Begründungsmängel unberührt lässt). 281 Vgl. dazu im Zusammenhang mit § 14 BNotO auch Seybold / Schippel-Schippel, § 14 BNotO Rn. 70.

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VI. Ausgewählte Problemfelder im Bankenbereich 1. Ein weiterer Wirtschaftssektor, der im Zusammenhang mit der Diskussion um die Unterstützung fremder Straftaten Beachtung gefunden hat, ist der Bankenbereich. Auch hier ist keine umfassende Erörterung der bereits monographisch behandelten282 Spezialprobleme möglich. Vielmehr soll anhand einiger verschiedener Konstellationen gezeigt werden, zu welchen Ergebnissen die hier entwickelten allgemeinen Grundsätze kommen und wo eventuell Sonderregelungen zu beachten sind. Auf Grund der Vielzahl von sehr unterschiedlichen Dienstleistungen, die im Bankensektor erbracht werden, ist dabei eine generalisierende Einordnung der Tätigkeiten zwar problematisch. Dennoch wird man davon ausgehen können, dass auch hier der größte Teil vorstellbarer Unterstützungen potentielle Beihilfehandlungen und – soweit entsprechende Tatbestände vorhanden sind – Fahrlässigkeitsdelikte betreffen dürften.283 2. Zur Anwendung der hier erarbeiteten Grundsätze für berufsbedingte Unterstützungshandlungen und zur Prüfung der Erforderlichkeit von Sonderregelungen seien einige Sachverhaltskonstellationen kurz betrachtet,284 die Rechtsprechung und Literatur beschäftigt haben: a) Der meist diskutierte und auch schon vom BGH entschiedene Fall betrifft die Frage nach einer Beihilfe zur Steuerhinterziehung durch „anonymisierte“ Kapitaltransfers (insbesondere über CpD-Konten285 und vorgetäuschte Bargeschäfte) ins Ausland.286 Wie oben bereits angedeutet und an anderer Stelle ausführlicher dargelegt,287 fehlt es in diesen Fällen bereits an einer Neutralität der Handlung im hier verstandenen Sinne: Denn die Aufspaltung einer Überweisung in zwei Bargeschäfte, die Abwicklung dieser Geschäfte ohne Angabe von Namen und der Verstoß zumindest gegen Nr. 3 des AEAO zu § 154 AO lassen das Geschäft als keinesfalls „üblich“ erscheinen,288 sondern vielmehr als in ho282 Vgl. nur Löwe-Krahl, Verantwortung; ders., Steuerhinterziehung; Lohmar, Steuerstrafrechtliche Risiken; Otto, Bankentätigkeit und Strafrecht; aus der sonstigen Literatur etwa Gallandi, wistra 1989, 125 ff. 283 Einen sehr guten Überblick über vorstellbare Delikte im Bankenbereich, die als eigenständige Vorsatzdelikte von den Mitarbeitern verwirklicht werden könnten, gibt Otto, Bankentätigkeit und Strafrecht, S. 7 ff. Freilich handelt es sich dabei im Wesentlichen um Delikte, die keine unmittelbaren Unterstützungs- (sondern allenfalls „Begleit-“)Handlungen zu Vorsatztaten Dritter sind. 284 Zu weiteren Beispielen vgl. Löwe-Krahl, Steuerhinterziehung, S. 47 ff.; speziell zu steuerstrafrechtlichen Fragen vgl. auch Philipowski, in: Kohlmann (Hg.): Strafverfolgung und Strafverteidigung im Steuerstrafrecht, S. 131 ff. 285 Zu diesen vgl. Schebesta, WM 1985, 1329 ff. 286 Vgl. BGHSt 46, 107 ff., sowie dazu oben bereits ausführlicher S. 127 ff., insb. S. 133 m. w. N. Zum steuerrechtlichen und banktechnischen Hintergrund näher Müller, Subjektive Zurechnung, S. 47 ff. 287 Vgl. Kudlich, JZ 2000, 1178 ff.; zustimmend Frisch, Lüderssen-FS, S. 539, 545 (dort Fußn. 42). 288 A.A. allerdings Lohmar, Steuerstrafrechtliche Risiken, S. 127 ff., 205 ff.

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hem Maße an die deliktischen Ziele des Täters angepasst sowie ohne solche Ziele kaum erklärbar. Wie im Zusammenhang mit dem Neutralitätsbegriff mehrfach betont wurde, lassen sich aus seiner Bejahung oder Verneinung zwar keine unmittelbaren Rechtsfolgen ableiten. Allerdings lässt sich an diesem Beispiel noch einmal gut demonstrieren, dass die hinter der Bezeichnung als „neutral“ stehenden Wertungsgesichtspunkte auch an den Stellen durchschlagen, die als Sachgesichtspunkte für eine Privilegierung des Verhaltens sprechen: Der übliche Geschäftsablauf wird in keiner Weise erschwert (sondern genau genommen sogar erleichtert), wenn diese umständlichen, keinem legalen Zweck dienenden Transaktionen unterlassen bzw. „normal“ durchgeführt werden müssten. Die Gefahr, dass von einer Weigerung der Vornahme auch Kunden mit ausschließlich legalen Zwecken betroffen würden, ist realistisch betrachtet verschwindend gering. Es verwirklicht sich nicht die „normale Gefahr“ eines jeden Kapitaltransfers ins Ausland, sondern eine spezifisch erhöhte. Zugegebenermaßen ist die Frage nach einer Gefahrerhöhung umstritten, und zwar in einer Weise, die nicht „problemspezifisch“ für die vorliegende Untersuchung, aber entscheidend für Konstellationen der vorliegenden Art ist. Samson und Schillhorn haben in einer scharfsinnigen und detaillierten Untersuchung versucht darzulegen, weswegen eine solche Gefahrsteigerung gar nicht vorliege, da u. a. die Finanzbehörden wegen § 30a AO auch bei einer offenen und an sich leicht nachvollziehbaren Überweisung kaum eine Überprüfungsmöglichkeit hätten.289 Ob man nun dieser Auffassung wirklich mit Löwe-Krahl – immerhin ehemaliger Syndikusanwalt einer Großbank und später Hauptsachgebietsleiter einer Steuerfahndung – entgegenhalten kann, die „Risikosteigerung für den Steueranspruch“ sei „evident“,290 mag dahinstehen. Zuzugestehen ist aber, dass selbst misstrauensanfällige (und vielleicht von Schätzungen begleitete) Schutzbehauptungen im Einzelfall für den Steuersünder immer noch gegenüber einer (etwa im Rahmen einer Außenprüfung) nachgewiesenen Überweisung von Vorteil sein können. Auch die Reichweite des § 30a AO in der Rechtsprechung und de lege ferenda muss den Steuersünder, für den keine Belege mit Namensnennung bestehen, sicher weniger schrecken. Problematischer ist insoweit, dass der tatsächlich vielleicht eintretende Effekt dieser Unterstützung erst für einen Zeitpunkt geplant ist, zu dem die Haupttat bereits vollendet ist: Der Steuerhinterzieher erhält insoweit keine Unterstützung bei der unrichtigen Erstellung seiner Steuererklärung, sondern kann dies nur unbesorgter tun, da das Entdeckungsrisiko minimiert wird. Es spricht daher einiges dafür, diese Fallgruppen eher als psychische Beihilfe durch „vorgeleistete Strafvereitelung“ denn als physische Beihilfe zur eigentlichen Tathandlung einzuordnen.291

b) Als – wohl nicht nur akademisches – Kontrastbeispiel mag man sich einen Fall vorstellen, in dem ebenfalls Geld ins Ausland überwiesen wird, dies aber mit ordnungsgemäßen Buchungen. Dabei sei unterstellt, dass der Bankmitarbeiter in 289 Vgl. Samson / Schillhorn, wistra 2001, 1 ff.; ähnliche Überlegungen finden sich auch vorher schon bei Joecks, WM Sonderbeilage 1 / 1998, S. 15 f. 290 So Löwe-Krahl, Steuerhinterziehung, S. 55, freilich nur in Entgegnung auf Joecks, und noch nicht auf die sehr detaillierte Analyse bei Samson / Schillhorn. 291 So mit ausführlicher Begründung Lohmar, Steuerstrafrechtliche Risiken, S. 93 ff.

C. Exemplifizierung und Konkretisierung

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Kauf nimmt oder sogar aus Gesprächen mit dem Kunden weiß, dass dies nicht nur erfolgt, um durch Vermeidung der Quellenabzugssteuer Liquiditätsvorteile zu erzielen, sondern weil der Kunde auf Grund des geringen Entdeckungsrisikos auch vor hat, die Kapitalerträge dem Finanzamt völlig zu verschweigen.292 Nach unbefangener Subsumtion könnte man auf den ersten Blick unabhängig vom Vorsatzgrad eine Beihilfe zur Steuerhinterziehung annehmen. Nach den hier entwickelten allgemeinen Grundsätzen für berufsbedingtes Verhalten würde dagegen nur bei sicherer Voraussicht oder konkreten Anhaltspunkten für eine beabsichtigte Steuerhinterziehung gerade in Folge dieser Überweisung eine Strafbarkeit vorliegen, da das Verhalten des Bankangestellten hier als neutral zu beurteilen ist und es durchaus auch legale Gründe für eine Auslandsüberweisung geben kann. Fraglich ist aber, ob darüber hinaus nicht noch eine weitergehende, im objektiven Tatbestand wurzelnde (und damit vom Vorsatzgrad unabhängige) Straflosigkeit begründet werden kann.293 (1) Löwe-Krahl möchte mit der Begründung der mangelnden Anpassung an die deliktischen Pläne auch bei dolus directus Straflosigkeit annehmen.294 Diese Lösung mag auf den ersten Blick „nicht unsympathisch“ erscheinen und hat den – unbestrittenen – Reiz aller objektiven Lösungsmodelle. Allerdings besteht insoweit (d. h. vorbehaltlich anderer, unten noch zu untersuchender Gesichtspunkte) kaum ein dogmatisch überzeugend erklärbarer Unterschied zum Fall, in dem ein Waffenhändler unter Beachtung aller Förmlichkeiten nach dem WaffenG eine Waffe mit dolus directus an einen Mörder verkauft, was die spontane Sympathie geringer ausfallen lassen mag. Darüber hinaus wurde in den bisherigen Überlegungen auch gezeigt, weshalb nach hier vertretener Auffassung das neutrale Handeln allein (zwar zu einer Privilegierung, aber eben) zu keinem generellen Verantwortungsausschluss bei sicherer Voraussicht der Tat führt. Löwe-Krahls Lösung erscheint im Übrigen auch nicht ganz widerspruchsfrei,295 wenn er umgekehrt die Eröffnung eines Tochterinstituts im quellensteuerfreien Ausland als solche unter bestimmten Voraussetzungen bereits als Beihilfehandlung (durch die zuständigen Vorstände296) genügen lassen will.297 Wie dann nämlich die viel konkretere Überweisung auf diese Ähnlicher Fall bei Löwe-Krahl, Steuerhinterziehung, S. 49. Eine solche wäre ferner möglich, wenn man – wie im nachfolgenden Beispiel bei Fußn. 305 auf S. 496 – eine zivilrechtliche Verpflichtung zur Durchführung der Überweisung annehmen wollte; diese würde jedoch bei positiver Kenntnis des verbotenen Zweckes nicht unbedingt bestehen, vgl. näher unten vor Fußn. 383, S. 511. 294 Vgl. Löwe-Krahl, Steuerhinterziehung, S. 49 f. Dieses Ergebnis wäre auch nach anderen Ansätzen anzunehmen, die vor allem auf einen „äußeren sozialen“ Sinn abstellen; so müssten etwa Roxin, Frisch und Jakobs sowie auch der BGH in diesem Fall ebenfalls zur Straflosigkeit kommen, soweit ihre Konzeptionen konsequent durchgehalten werden. 295 Dies ist freilich kein Einwand, der unmittelbar die Beurteilung der vorliegenden Konstellation betrifft, da man den Widerspruch auch durch eine andere Behandlung anderer Konstellationen auflösen könnte. 296 Zur Verantwortlichkeit der Geschäftsleitung allgemein näher Lohmar, Steuerstrafrechtliche Risiken, S. 83 ff. 292 293

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4. Teil: Synthese – Strafbarkeit berufsbedingter Unterstützungshandlungen

Bank, in der sich zwar nicht das „ganze“ Risiko anonymisierter Kapitaltransfers, aber doch ein gewisses Risiko solcher ausländischen Niederlassungen realisiert, trotz positiver Kenntnis straffrei sein soll, ist nicht recht nachvollziehbar.

(2) Man könnte allerdings den Gesichtspunkt heranziehen, dass der Bankmitarbeiter hier durch seine Leistung die Möglichkeit der Straftat allein dadurch fördert, dass er an der Herstellung des geschützten staatlichen Steueranspruchs mitwirkt.298 Freilich liegt hier auf den ersten Blick ein Grenzfall vor: Denn die Förderung beschränkt sich gerade nicht darauf, dass der Bankmitarbeiter an der Entstehung des Anspruchs mitwirkt. Vielmehr bietet die – und sei es auch ordnungsgemäße – Überweisung auf ein quellensteuerfreies Konto praktisch eine erhöhte Chance der Nicht-Entdeckung einer fehlenden Versteuerung und entspricht insoweit den Zielsetzungen des deutschen Steuergesetzgebers gerade nicht. Dass dieses Verhalten „an sich“ harmlos wäre und oft auch in legalen Zusammenhängen erfolgt, steht dem nicht entgegen, sondern ist geradezu charakteristisch für alle hier interessierenden Fälle. Die Argumentation ist daher um einen weiteren Schritt zu ergänzen: Eine Betrachtungsweise, die auch auf eine Mitwirkung an der „Erschwerung der Durchsetzung des Steueranspruches“ abstellt, setzt unausgesprochen voraus, dass dieser anderenfalls in gleicher Weise, aber leichter durchsetzbar in Deutschland entstanden wäre. Das ist zwar durchaus vorstellbar, jedoch eine bloße Hypothese. Ein solches nur hypothetisches Aliud ist aber als Rechtsgut nicht zu berücksichtigen.299 Tatsächlich ist es nämlich zunächst einmal so, dass der Steueranspruch a limine erst in dieser, in seiner Durchsetzung im Vergleich zu inländischen Kapitalerträgen stärker gefährdeten, Form entstanden ist – und dazu hat der Bankmitarbeiter beigetragen. Das ist „nicht so gut“ wie ein Zinsanspruch bei inländischen Kapitalerträgen, zu deren Herbeiführung es jedoch keine Verpflichtung gibt, aber immerhin „besser als nichts“. Es liegt mithin auch hier die Mitwirkung am Hervorbringen 297 Vgl. Löwe-Krahl, Steuerhinterziehung, S. 63 f. Die dort vorgenommene Differenzierung nach dem Zeitpunkt der Gründung (schon vor längerer Zeit oder aber in Zeiten einer starken „Kapitalflucht“) ist dogmatisch kaum begründbar. Darüber hinaus ist bei der Gründung einer ausländischen Tochter fraglich, ob nicht im oben entwickelten Sinne (vgl. S. 408 f.) nur ein nachfolgendes Unterlassen von Kontrollen vorgeworfen werden kann, denn hier handelt es sich um den klassischen Fall einer nur missbrauchbaren Infrastruktur. Etwas anderes könnte nur gelten, wenn der wesentliche Zweck (und d. h. Hauptbeschäftigung und Hauptumsatzquelle) der ausländischen Tochter das Geschäft mit anonym transferierten Geldern wäre. 298 Vgl. vor allem oben S. 450 mit Verweis auf weitere Überlegungen in den vorangegangen Überlegungen in Fußn. 107. 299 Es geht hier also nicht um die – zur Beantwortung der Frage nach einer Risikosteigerung – durchaus beachtlichen hypothetischen Kausalverläufe dahingehend, ob auch andere Banken solche Überweisungen vorgenommen hätten. Vielmehr setzt die Frage bereits eine Stufe vorher an, ob der Kunde sein Geld anderenfalls in Deutschland angelegt hätte. Es geht nicht um hypothetische andere Angriffe auf das existente Rechtsgut, sondern um die hypothetische Möglichkeit, dass auch andere, leichter schützbare Schutzobjekte hätten entstehen können.

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eines (wenngleich von Anfang an stärker gefährdeten) Steueranspruchs vor, aber keine Handlung, die speziell diesen Steueranspruch stärker gefährdet, als er es vorher war oder als es notwendig ist. Etwas anderes müsste allerdings konsequenterweise dann gelten, wenn ohne die Ausführung der berufsbedingten Handlung (und ohne Hinzudenken von hypothetischen Alternativ-Ursachen) tatsächlich der gleiche Steueranspruch im Inland entstanden wäre.300 Dies ist dann der Fall, wenn ein Wertpapierbestand aus einem deutschen Depot auf ein ausländisches Depot übertragen wird.301 Hier fallen – wohl selbst bei stückeloser Verwahrung zumindest in der Sache – die gleichen Zinserträge, die vorher in Deutschland angefallen sind und ohne die Übertragung weiter dort angefallen wären, jetzt im Ausland an. Freilich ist hier eine andere Bewertung auch interessengerecht, da sich die Aussicht auf den (leichter zu verwirklichenden) Steueranspruch für inländische Erträge bereits konkretisiert hatte. (3) Lässt man die Auslandsüberweisung – generell oder jedenfalls in dem zuletzt genannten Fall – als Gefahrsteigerung genügen, ist eine Straflosigkeit nur unter zwei Aspekten erwägenswert: Zum einen nach dem Stichwort der bloßen Sicherung der Daseinsvorsorge.302 Da diese Ausnahme aber eng zu verstehen ist, wird man sie bei einem Depot auf einer ausländischen Bank nicht anwenden können.303 Zum anderen, wenn nach dem Bankvertrag die Ausführung von Aufträgen generell und ausnahmslos geschuldet würde (und nicht zurückgewiesen werden kann). Dies ist aber – wie oben schon erwähnt wurde und unten noch näher dargelegt wird304 – nicht der Fall. Die mit einer bestehenden Verpflichtung verbundenen Probleme können aber an einem weiteren Beispiel noch klarer verdeutlicht werden:

c) Als letzter Fall und zugleich als Beispiel für ein Sonderproblem stelle man sich den Fall vor, in dem ein Kunde von seinem Girokonto Geld abhebt und dabei dem Bankangestellten erklärt, er brauche diesen Betrag, um einen Beamten zu bestechen. Nach den hier entwickelten Grundsätzen käme eine Beihilfestrafbarkeit des auszahlenden Angestellten in Betracht, wenn er die Bestechung als sicher voraussieht oder konkrete Anhaltspunkte dafür hat, dass die Bestechung gerade mit diesen Geldmitteln erfolgen soll.305 Dieses Ergebnis erscheint spontan zumindest 300 Selbstverständlich geht es hier stets um einen Steueranspruch „im Inland“ in dem Sinne, dass Gläubiger der deutsche Fiskus sein soll. Gemeint ist mit dieser verkürzten Formulierung, dass die den Anspruch begründenden Kapitalerträge im Inland anfallen. 301 Vgl. auch die Fallbeispiele bei Löwe-Krahl, Steuerhinterziehung, S. 59, 62, der allerdings teilweise zu abweichenden Ergebnissen kommt. 302 Vgl. o. S. 368. 303 Dies wäre anders, wenn jemand in Deutschland ein Girokonto anlegen will und dabei äußert, dass er von diesem aus Bestechungsgelder zu überweisen gedenkt. Hier geht es darum, dass dem Täter nur die Teilhabe am heute selbstverständlichen Standard des Bankverkehrs gewährt wird, und diese „Existenz“ auch in banktechnischer Hinsicht kann natürlich missbraucht werden. 304 Vgl. o. in Fußn. 293 auf S. 493 sowie unten vor Fußn. 383 auf S. 511. 305 Fallalternative: Der Kunde hebt das Geld am Automaten ab. Schon beim Befüllen des Automaten ist dem Mitarbeiter aus irgendwelchen Gründen bekannt, dass dieser Kunde in der nächsten Stunde vorbeikommen und den Betrag für die Bestechung eines Beamten abheben wird. Hier läge unabhängig von allen anderen Erwägungen nur ein Unterlassen vor, da der Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit nicht auf der für viele Kunden sinnvollen und nützlichen

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nicht als unanfechtbar, und es stellt sich die Frage, ob die grundsätzlich unstreitig bestehende Verpflichtung zur Auszahlung des Geldes einer Strafbarkeit entgegensteht. Im privaten Bereich würde sich das ganz identische Problem stellen, wenn ein Darlehensnehmer bei Fälligkeit den empfangenen Betrag an den Darlehensgeber zurückbezahlt, obwohl er weiß, dass dieser mit den nun zur Verfügung stehenden Barmitteln eine Bestechung durchführen möchte. Dies ist bereits ein erster Hinweis darauf, dass eine abweichende Lösung für diese Fallgruppe nicht vorrangig in der Berufsbedingtheit wurzelt, sondern in der Verpflichtung zur Aus- bzw. Rückzahlung des Geldes.

Die Sachgesichtspunkte dafür könnten entweder in einen Rechtfertigungsgrund kraft Pflichtenkollision306 oder aber – nach den hier entwickelten Überlegungen vorzugswürdig – in einen Tatbestandsausschluss bei bloßer Erfüllung zivilrechtlicher Pflichten gekleidet werden. Fragt man nämlich nach der Beachtlichkeit der existierenden Forderung und damit im o.g. Sinne nach dem größeren Inhaltsreichtum307 der §§ 488 ff. BGB n.F. (bzw. §§ 607 ff. BGB a.F.), so wird die spezielle Situation „Handlung auf Grund einer bestehenden Zahlungsverpflichtung wegen eines Darlehens“ durch das Zivilrecht auf den ersten Blick sicher inhaltsreicher beschrieben als in § 27 StGB. Andererseits könnte man auch hier wieder hervorheben, dass die Wirkung „Förderung einer Straftat“ im konkreten Fall in § 27 StGB genauer beschrieben wird. Dennoch erscheint das Zivilrecht hier im Ergebnis „inhaltsreicher“ und daher berücksichtigungswürdig, denn die vermeintliche Förderung liegt hier allein in einem Zustand begründet, auf dessen Herbeiführung der Bankkunde als Gläubiger einen Anspruch hat. Die von § 27 StGB pönalisierte größere Verwirklichungsmacht des Täters besteht hier allein in der Schaffung eines Zustandes, den die Rechtsordnung (nicht nur als grundsätzlich neutral billigt, sondern) gerade fordert. Deshalb kann trotz der möglicherweise positiv erkannten Gefahrsteigerung nicht von einem unerlaubten Verhalten gesprochen werden308 oder anders formuliert: die Gefahrsteigerung ist nicht pflichtwidrig, sondern bloße Folge eines Zustandes, den das Recht gerade herbeigeführt wissen möchte. Insoweit besteht ein Unterschied zur Gewährung eines Darlehens: Auf ein solches besteht grundsätzlich kein Anspruch, d. h. mit seiner Gewährung wird ein Zustand herbeigeführt, Bestückung des Automaten liegt. Mangels entsprechender Garantenstellung entfällt die Strafbarkeit eines Bankmitarbeiters. Dieses Beispiel dürfte insgesamt sehr praxisfern sein, kann jedoch noch einmal das vorstellbare Zusammenspiel der hier aufgestellten Lösungsregeln in verwandten, aber in ihren Details unterschiedlich gelagerten Fällen demonstrieren. 306 Vgl. Frisch, Lüderssen-FS, S. 539, 555 f., der in sachlicher Übereinstimmung mit dem hier vertretenen Ergebnis die Straflosigkeit mit Hilfe der Wertungen der §§ 34 StGB, 904 BGB begründen will. 307 Vgl. o. S. 217 ff. sowie in der Querschnittsanalyse S. 432, 437. 308 Insofern besteht eine gewisse Parallele zu den Fällen der bloßen Mitwirkung an der Daseinsfürsorge: auch hier ist die vergrößerte Verwirklichungsmacht nicht „nur neutral“, sondern positiv besetzt.

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den die Rechtsordnung zwar zivilrechtlich als solches auch nicht missbilligt, aber eben auch nicht positiv fordert.309 Daher ist die Gewährung eines Darlehens in positiver Kenntnis der deliktischen Zwecke auf der Grundlage der hier erarbeiteten allgemeinen Grundsätze eine taugliche Beihilfehandlung. Löwe-Krahl möchte die Darlehensgewährung in Abhängigkeit davon beurteilen, ob auf Grund der Vermögenssituation auch bei anderen Banken ein Darlehen gegeben worden wäre.310 Ob dies aber überzeugender ist, erscheint durchaus fraglich: Denn einerseits müsste man bei einer rein objektiven Lösung in Fällen, in denen ein Darlehen eigentlich riskant ist (aber an einen langjährigen Kunden in der Hoffnung auf gute zukünftige Beziehungen in besseren Zeiten dennoch gewährt wird), schon eine Beihilfe annehmen, wenn der Bankmitarbeiter eine Bestechung auch nur vage für möglich hält. Andererseits und vor allem ist kaum zu erklären, weswegen bei sicherer Kenntnis der Bestechungspläne die Strafbarkeit des Darlehens z. B. davon abhängen soll, ob im konkreten Fall der Kunde ein abgezahltes Eigenheim (dann wirtschaftlich vernünftig, da kreditwürdig, und damit straflos) besitzt oder nicht (damit strafbar). Damit würden im Ergebnis Unterschiede bedeutsam, die auch für die von den Vertretern objektiver Theorien vielfach beschworene „soziale Betrachtung des Geschehens“ weit unwichtiger sind als die Frage, ob der Bankmitarbeiter sichere Kenntnis von den Plänen hat.311

VII. Verantwortlichkeitsstrukturen im Druckgewerbe 1. Ein weiteres Feld, das zwar in der allgemein-dogmatischen Diskussion um neutrale Unterstützungshandlungen bislang weitgehend vernachlässigt wurde,312 in der einschlägigen Spezialliteratur aber hinsichtlich seiner oft berufsbedingten Verhaltensweisen (dann allerdings nicht unter dem Neutralitätsgesichtspunkt) ausführlich behandelt wird,313 ist das Druckgewerbe. Hier kommen neben Verstößen 309 Dieser Unterschied zwischen „an sich Billigung“ und „positiver Bewertung“ eines Verhaltens bzw. Zustandes und seines Auswirkung auf die Strafbarkeit fügt sich harmonisch in die oben entwickelten Vorstellungen von der Entstehung des Handlungsunrechts ein. Es war dort die Rede davon, dass Erfolgsunrecht und Kausalität schon einen gewissen, aber widerlegbaren „Hinweis“ auf die Missbilligung des Verhaltens geben, die aber ausgeschlossen sein kann (wofür dann aber die Argumentationslast bei demjenigen liegt, der einen solchen Ausschluss behauptet): Dass nun ein „nur gebilligter“, neutraler Zustand nicht notwendig die gleiche „entmissbilligende“ Wirkung haben muss wie ein positiv bewerteter, vom Recht selbst geforderter, liegt beinahe auf der Hand. 310 Vgl. Löwe-Krahl, Steuerhinterziehung, S. 89 f., in durchaus konsequenter Umsetzung seiner Kriterien der Verhaltensanpassung und der Monopolstellung, vgl. dort S. 41 ff. 311 Der von Löwe-Krahl, Steuerhinterziehung, S. 89 f. betonte Aspekt der geringen Gefahrsteigerung bei alternativen Möglichkeiten, ein Darlehen zu bekommen, ist wichtig (und ja auch ein Grund für die erhöhten subjektiven Anforderungen), darf aber eben nicht verabsolutiert werden, da – wie oben erläutert – insoweit die ganze Bandbreite möglicher Kausalverläufe und die demgegenüber größere Sicherheit einer einmal erbrachten Leistung zu berücksichtigen sind. 312 Vgl. aber (im Zusammenhang mit § 130 StGB) in diese Richtung gehend ein Beispiel von Lesch, JR 2001, 383, 386. 313 Vgl. nur aus jüngerer Zeit speziell die Auflistung verschiedener Funktionen im Druckgewerbe bei Hildebrandt, Die Strafvorschriften des Urheberrechts, S. 293 ff., m.v.w.N. aus

32 Kudlich

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4. Teil: Synthese – Strafbarkeit berufsbedingter Unterstützungshandlungen

gegen urheberrechtliche Vorschriften insbesondere auch die Äußerungsdelikte des StGB (etwa §§ 130, 184 ff., 185 ff. StGB) in Betracht. Die Auswahl gerade dieses Berufsfeldes erscheint vielleicht auf den ersten Blick etwas willkürlich, rechtfertigt sich aber u. a.314 daraus, dass bei den genannten Delikten ein denkbarer Anwendungsbereich für eigenständige Tatbegehungen trotz Abhängigkeit von fremdem deliktischem Verhalten besteht. Es werden nämlich insbesondere in der urheberrechtlichen Diskussion um § 106 UrhG bei weitem nicht alle am Herstellungs- und Verbreitungsprozess beteiligten Personen neben dem Verfasser nur als Teilnehmer eingestuft.315 Vielmehr wird nicht nur die Tätigkeit des Verlegers, sondern auch die des Setzers und Druckers, des Buchbinders, des Verpackungsherstellers, des Transporteurs oder des Bibliothekars316 verbreitet als täterschaftliche Begehung einer oder mehrerer der strafbaren Handlungsalternativen angesehen.317 Eine begründete Entscheidung (insbesondere für eine Vielzahl der einschlägigen Tätigkeitsfelder) zwischen Täterschaft und Teilnahme würde den Rahmen dieser knappen Exemplifizierung sicher sprengen. Nach dem hier entwickelten Konzept spielt diese Abgrenzung jedoch hinsichtlich des spezifischen Problems der neutralen, berufsbedingten Unterstützung auch keine Rolle. Gerade die hier einschlägigen Beispiele zeigen im Übrigen, dass dieses Konzept überzeugend ist. Denn weswegen es für die Tätigkeit des Druckers oder Transporteurs – soweit man Privilegierungen etwa für bestimmte Fälle „neutraler Beihilfe“ anerkennt – nicht nur mit Blick auf die einschlägige Beteiligungsform, sondern hinsichtlich der generellen Entscheidung über die Strafbarkeit davon abhängen soll, ob man sie als Grenzfall der täterschaftlichen Begehung oder der Teilnahme erklärt, ist schlechterdings nicht überzeugend begründbar. Für die folgenden problemspezifischen Überlegungen zur Verantwortlichkeit für berufsbedingtes Verhalten muss daher nicht danach der bisherigen Diskussion. Hildebrandt selbst geht dabei freilich in diesem Zusammenhang (außer in einem kurzen Verweis auf Weber, in: Brack / Hübner / Oehler / Stern [Hg.], Wesen und Bekämpfung der Videopiraterie, S. 51, 65 f.) und – soweit ersichtlich – auch sonst nicht vertieft auf das hier sehr nahe liegende Problem der Berufsbedingtheit ein. 314 Neben der Täterproblematik sprechen für dieses Beispiel eine gewisse praktische Relevanz sowie die Möglichkeit, die Einschlägigkeit von Sondernormen zu diskutieren. 315 Für eine – vom Verleger abgesehen – weitgehende Beurteilung allenfalls als Teilnehmer in vielen Bereichen aber etwa Weber, Der strafrechtliche Schutz des Urheberrechts, etwa S. 320 ff., 327 ff., 336 ff. 316 Einschränkend allerdings, soweit es nicht um das Verleihen eines urheberrechtswidrigen Werkes, sondern nur um das Entleihen eines Werkes geht, das unberechtigt vervielfältigt werden soll, Heinrich, Die Strafbarkeit der unbefugten Vervielfältigung und Verbreitung von Standardsoftware, S. 244. 317 Vgl. näher mit umfangreichen Hinweisen zum jeweiligen Meinungsstand (und dabei selbst differenzierend) Hildebrandt, Die Strafvorschriften des Urheberrechts, S. 293 ff. Da die Einordnung eines Verhaltens als Täterschaft oder Teilnahme nicht unwesentlich auch von der Struktur der Tatbestandes und insbesondere der Formulierung der Tathandlung abhängt (vgl. dazu m. w. N. bereits Kudlich, JuS 2001, 767, 769 f.), ist fraglich, ob eine Handlung, die zwar als Vervielfältigung i. S. d. § 106 I Var. 1 UrhG angesehen wird, notwendigerweise zugleich auch z. B. ein täterschaftliches „Zugänglichmachen“ oder „Beleidigen“ sein muss.

C. Exemplifizierung und Konkretisierung

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unterschieden werden, ob eine bestimmte Tätigkeit eher als Täterschaft oder als Teilnahme einzustufen wäre. 2. Nach den hier entwickelten allgemeinen Grundsätzen nun käme es auf die positive Kenntnis von der Rechtswidrigkeit des Inhalts318 (bzw. konkrete Anhaltspunkte gerade für die deliktische Nutzung seines Beitrags) beim Berufsträger an. Grundsätzlich erscheint dies auf den ersten Blick und zumindest für einzelne der Tätigkeiten auch überzeugend: Wenn jemand Flugblätter auf der Grundlage einer nicht von ihm erstellten oder technisch bearbeiteten Vorlage „druckt“,319 verpackt oder transportiert, so ist durchaus ein wichtiger Unterschied, ob er dabei (zufällig) weiß, dass diese einen klar beleidigenden Inhalt haben,320 oder ob er nur generell bzw. aus bestimmten, aber nicht seine Arbeit betreffenden Gründen für möglich hält, dass der ihm nicht bekannte Inhalt rechtswidrig sein könnte.321 Dennoch könnten zumindest für einzelne Tätigkeitsfelder aus dem sehr heterogenen, hier pauschal als „Druckgewerbe“ bezeichneten Bereich gewisse Sonderregeln gelten.322 a) So ist einerseits zu erwägen, ob nicht über die allgemeinen Grundsätze hinaus Privilegierungen unter dem Gesichtspunkt der Pressefreiheit zu beachten sind. In der Tat wird der für die Erarbeitung der allgemeinen Grundsätze herangezogene Art. 12 I GG noch einmal maßgeblich durch Art. 5 I 2 GG ergänzt. Die Bedeutung der in Art. 5 I GG garantierten Grundrechte für die Auslegung der einfachen Gesetze i.S. einer Wechselwirkung ist seit der Lüth-Entscheidung des BVerfG anerkannt sowie ständige Rechtsprechung323 und speziell für die Strafgesetze durch die 318 Da insbesondere bei den Urheberdelikten außer der Kenntnis des tatsächlichen Inhalts auch noch die richtige Bewertung der u.U. schwierigen urheberrechtlichen Lage hinzukommen muss, stellt sich die Frage, welche Anforderungen hinsichtlich dieser Rechtsfrage zu stellen sind. Da es sich wieder im Wesentlichen um vorstrafrechtliche Rechtsfragen handelt, spricht erneut viel dafür, diese ähnlich wie tatsächliche Fragen als vorsatz- (und nicht nur schuld-)relevant einzustufen, vgl. in anderem Zusammenhang bereits oben S. 484, bei Fußn. 252 – 254. 319 D. h. hier: „den Ablauf des rein technischen Druckvorganges in Gang setzt bzw. überwacht“. 320 Für die Straflosigkeit des Transporteurs bei zufällig erkannten volksverhetzenden Inhalten aber grundsätzlich Lesch, JR 2001, 383, 386; gerade für den Transport dürfte die Straflosigkeit auch in der Konsequenz anderer „objektiver“ Modelle liegen. 321 Dagegen kann auch nicht eingewendet werden, dass es zumindest bei manchen Druckwerken den am Herstellungsvorgang Beteiligten leicht möglich wäre, vom Inhalt des Druckwerkes Kenntnis zu nehmen, wenn sie nur wollten; dass – vorbehaltlich etwaiger Sonderregelungen – keine allgemeinen proaktiven Kontrollpflichten für das berufsbedingte Handeln bestehen, wurde oben schon mehrfach betont. 322 Dabei soll auf den ganz urheberrechtsspezifischen, mit unserem Problem in keinem Zusammenhang stehenden Aspekt des „Erschöpfungsgrundsatzes“ nach § 17 II UrhG (zu dessen strafrechtlichen Auswirkungen insbesondere Hildebrandt, Die Strafvorschriften des Urheberrechts, S. 111 ff.) nicht eingegangen werden, obwohl dieser einer Strafbarkeit nach dem UrhG (auch für berufsbedingte Handlungen) durchaus entgegenstehen kann. 323 Vgl. BVerfGE 7, 198, 207 ff. (Lüth); in späterer Zeit etwa BVerfGE 25, 256, 263 (Blinkfuer); 30, 173, 188 (Mephisto) und 66, 116, 131, 135 (Wallraff / Bild).

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4. Teil: Synthese – Strafbarkeit berufsbedingter Unterstützungshandlungen

„Soldaten-sind-Mörder“-Diskussion – auch in ihrer problematischen Zurückdrängung der persönlichen Ehre – aus jüngerer Vergangenheit bekannt.324 Ferner kann die Kunstfreiheit nach Art. 5 III GG zu einer einschränkenden Auslegung der strafrechtlichen Normen (Stichworte etwa: „Beleidigung oder Satire?“, „Kunst oder Pornographie?“) führen.325 Allerdings handelt es sich hierbei weniger um spezifische Sonderregelungen für berufsbedingte Unterstützungshandlungen, sondern für Besonderheiten des öffentlichen Meinungskampfes im demokratischen Staat, die im Grundsatz auch für den „unmittelbaren Verletzer“ gelten. Freilich wird für möglich gehalten, dass der Art. 5 I GG konkretisierende Rechtfertigungsgrund des § 193 StGB in bestimmten Konstellationen zwar nicht dem Verfasser eines Artikels, wohl aber dem Redakteur zugebilligt wird.326

b) Andererseits könnten sich aber auch gegenüber den allgemeinen (insbesondere hier erarbeiteten privilegierenden) Regelungen Verantwortlichkeitsverschärfungen durch die spezielle Funktion eines Berufsträgers ergeben. So ist in den Pressegesetzen der Länder teilweise eine Vermutung statuiert, dass verantwortliche Redakteure von periodischen Druckwerken den Inhalt von unter ihrer Verantwortung erschienenen Texten kennen und den Abdruck gebilligt haben.327 Darüber hinaus gibt es für bestimmte Tätigkeitsfelder eigene (subsidiäre) landesrechtliche (Fahrlässigkeits-)Straftatbestände.328 Der Funktionsinhaber macht sich wegen solcher spezieller Pressedelikte strafbar, wenn er (ohne als Täter oder Teilnehmer einer Straftat nach den allgemeinen Strafgesetzen bestraft werden zu können) an der Verbreitung mitgewirkt hat, ohne seine pflichtgemäße Sorgfalt nachweisen zu können.329 Solche Regelungen können – insbesondere soweit sie dem Landesrecht angehören – zwar nur mittelbar für die Auslegung der Vorschriften des Kernstrafrechts 324 Vgl. BVerfGE 93, 266; Nachweise zur umfangeichen Literatur zu dieser Rechtsprechung bei Tröndle / Fischer, § 193 Rn. 19 f. sowie Wessels / Hettinger, Rn. 518. 325 Vgl. die Überblicke bei Tröndle / Fischer, § 193 Rn. 26 ff. sowie Wessels / Hettinger, Rn. 519 jeweils m. w. N. 326 Vgl. Tröndle / Fischer, § 193 Rn. 42 m. w. N.; allerdings soll auch der umgekehrte Fall denkbar sein. 327 Vgl. etwa § 11 II BayPresseG sowie § 11 I 1 HessPresseG. 328 Vereinzelt ist die Verantwortung als sog. Kaskadenhaftung ausgestaltet, nach der die Strafbarkeit des „Vormanns“ diejenige des „Nachmanns“ ausschließt (so die Regelung und Bezeichnungen in § 11 III 2 BayPresseG). Auf Grund der Systematik der entsprechenden Normen, aber auch aus Gründen der Gesetzgebungskompetenz kann dieser Ausschluss allerdings grundsätzlich nur den landesrechtlichen Fahrlässigkeitstatbestand und nicht andere als Beteiligter an einer Straftat verwirklichte Delikte (des Bundesstrafrechts) betreffen. 329 Vgl. nochmals § 11 III BayPresseG für den „verantwortlichen Redakteur, Verleger, Drucker oder Verbreiter“; ähnlich § 12 II SächsPresseG (für verantwortlichen Redakteur, Verleger, Herausgeber und Verfasser); § 20 NdsPresseG, § 20 II Nr. 1, 2 BaWürttPresseG (jeweils für verantwortlichen Redakteur und Verleger); § 21 II Nr. 1 NWPresseG. § 11 II HessPresseG statuiert sogar eine Strafbarkeit des Druckers, wenn dieser gegen den Widerspruch des verantwortlichen Redakteurs tätig wird.

C. Exemplifizierung und Konkretisierung

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(z. B. § 27 StGB) von Belang sein. Allerdings zeigen sie deutlich, dass die Vorstellung einer Verantwortlichkeit bestimmter Funktionsträger für den Inhalt besteht. Dabei handelt es sich bei Normen, die sogar noch eigene Strafbewehrungen enthalten, auch nicht nur um Ordnungs- oder Organisationsvorschriften für Zeitungsverlage, sondern gerade um die Zuweisung von (zumindest Kontroll-)Zuständigkeiten für rechtswidrige Inhalte. Soweit solche Vorschriften bestehen,330 spricht daher viel dafür, die hier erarbeiteten allgemeinen Grundsätze strafschärfend zu modifizieren: Derjenige, für den im Einzelfall eine Kenntnis des Inhalts sogar vermutet wird und der bei fahrlässiger Nichtkenntnis331 verantwortlich ist, kann sich bei keiner Form von Fahrlässigkeit oder dolus eventualis darauf berufen, ihn „gehe der Inhalt nichts an“. Oder unter Anknüpfung an die wesentlichen dogmatischen Figuren formuliert: Entsprechende Vorschriften schließen ein „Vertrauendürfen“ aus und machen das fortbestehende Risiko ersichtlich zu einem verbotenen, so dass weder der Vertrauensgrundsatz noch das Prinzip vom erlaubten Risiko eingreifen können. Es bleibt damit bei der Missbilligung wegen schuldhafter Mitverursachung, die durch die gesetzliche Wertung noch unterstrichen wird.

VIII. Verantwortlichkeitsstrukturen beim Internet-Providing 1. Als letztes oft berufliches Tätigkeitsfeld soll der Bereich des „Internet-Providing“ betrachtet werden, der gerade in der jüngeren Vergangenheit Gegenstand einer Vielzahl von Abhandlungen gewesen ist. Die damit verbundenen Fragen fügen sich – das wurde bereits an anderen Stellen deutlich – sehr gut in das hier interessierende Problem berufsbedingter Unterstützungshandlungen ein: Die Interessenlage zeichnet sich auch hier dadurch aus, dass die angebotenen Leistungen (insbesondere Speicherung und Durchleitung von Daten) zwar ganz überwiegend legal in Anspruch genommen werden, aber missbrauchbar sind. Ferner ist auch hier typisch, dass eine proaktive Einzelkontrolle des Kunden für bestimmte Dienstleitungen kaum möglich und zumutbar ist. 330 Angesichts zwar weitgehend ähnlicher, aber theoretisch durchaus differierend vorstellbarer (und z.T. auch differierender – so kennt etwa das thüringische PresseG gar keine entsprechende Sondernorm) landesrechtlicher Vorschriften, erwächst insoweit noch das Problem, wann man davon sprechen kann, dass „solche Vorschriften bestehen“. Da eine unterschiedliche Bestrafung nach Bundesstrafrecht in Abhängigkeit vom Begehungsort innerhalb der Bundesrepublik nicht nur „unelegant“, sondern auch kompetenzrechtlich problematisch wäre, dürfte darauf abzustellen sein, ob für eine bestimmte Tätigkeitsgruppe so überwiegend entsprechende Regelungen bestehen, dass man jedenfalls von einer „informell-sozialen“ bundesweiten Vorstrukturierung sprechen kann. 331 Dass dieser Fall geregelt ist, spricht dafür, dass die „Vermutung“, soweit sie angeordnet wird, eine widerlegliche ist (so auch ausdrücklich § 11 I 2 HessPresseG). Solche Vermutungsregeln zu Lasten des Angeklagten sind zwar unüblich und auch nicht unbedenklich, dürften aber einer verfassungsrechtlichen Nachprüfung noch eher standhalten als die Interpretation als unwiderlegliche Vermutung, die in der Sache zu einer „strict liability-Sanktion“ führen würde.

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4. Teil: Synthese – Strafbarkeit berufsbedingter Unterstützungshandlungen

Hinsichtlich der Einordnung als täter- oder aber teilnehmerschaftliches Verhalten gelten an sich ähnliche Überlegungen wie im vorhergehend untersuchten Printbereich des Druckgewerbes. Nach einer ersten Betrachtung erscheinen viele Provider-Tätigkeiten vielleicht nur als Beihilfe; allerdings lassen die z.T. weit gefassten Formulierungen der einschlägigen Tatbestände vielfach auch eine unmittelbare Subsumtion unter Tathandlungen wie Verbreiten, Zugänglichmachen etc. zu,332 so dass die Einordnung im Einzelnen umstritten ist.333 Wie bereits zum Druckgewerbe festgestellt und oben näher begründet, muss diese Abgrenzung hier nicht vertieft werden, da letztlich keine problemspezifischen Unterschiede bestehen. Vielmehr wäre es im Gegenteil höchst unbefriedigend, wenn eine nun einmal real bestehende Interessenlage des Berufs- bzw. Funktionsträgers334 nur in Abhängigkeit davon berücksichtigt würde, ob man das durch seine Funktion vorgeprägte technische Verhalten jeweils vertretbarerweise (und womöglich in Abhängigkeit vom jeweiligen Tatbestand differenzierend) als täter- oder teilnehmerschaftliches einordnet. 2. Stärker als alle anderen hier behandelten Bereiche ist das Internet-Providing allerdings durch eine explizite und speziell auf die Haftungsfrage zugeschnittene Sonderregelung geprägt.335 Diese hat mit ihrem raschen Inkrafttreten336 dazu geführt hat, dass das Problem der neutralen, berufsbedingten Unterstützung nicht in dem Maße diskutiert wurde, wie dazu auf Grund der Interessenlage ohne Sonderregelung eigentlich Anlass bestehen würde.337 Sie wurde in Gestalt von § 5 TDG / MDStV geschaffen, um die Entwicklung des Wirtschaftszweiges „elekVgl. bereits oben S. 444. Vgl. nur die Nachweise zum Meinungsstand bei Schönke / Schröder-Lenckner / Perron, § 184 Rn. 66h. 334 Solche Interessen, die hier abhängig von der jeweiligen Funktion innerhalb des Datentransfers im Internet bestehen, sind etwa die anfallende Datenmenge, die Speicherung auf eigenen Systemen, die technischen Kontrollmöglichkeiten, die durch eine Kontrolle hervorgerufenen Datenschutzprobleme usw. 335 Eine ähnliche Entwicklung ist auch in der Schweiz erfolgt, aus der oben mehrfach Stellungnahmen zum Problem neutraler Unterstützungshandlungen zitiert worden waren. Dort hat der Gesetzgeber in die Kernregelungen des schwStGB in Gestalt von Art. 27 (in seiner ab 01. 04. 1998 geltenden Fassung) eine spezielle Vorschrift über das Medienstrafrecht aufgenommen (vgl. dazu etwa den informativen Überblick bei Rehberg / Donatsch, schwAT, § 17). Diese enthält eine von den üblichen Bestimmungen über Täterschaft und Teilnahme teilweise abweichende Regelung für Delikte, die „durch Veröffentlichung in einem Medium“ begangen werden. 336 § 5 TDG / MDStV a.F. haben etwa hinsichtlich der Providerverantwortlichkeit in weiten Teilen bereits die am 17.7. 2000 in Kraft getretene sog. e-commerce-Richtlinie (Richtlinie 2000 / 31 / EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt – „Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr“, ABlEG 2000, Nr. L 178, S. 1 ff.) vorweggenommen; diese wurde mittlerweile durch das Elektronischer Geschäftsverkehr-Gesetz [EGG] vom 14. 12. 2001 umgesetzt. 337 Vgl. aber Sieber, Verantwortlichkeit im Internet, Rn. 240 a.E.; umgekehrt weist Otto, Lenckner-FS, S. 193, 214 (dort Fußn. 72) beiläufig auf die Wertung des § 5 II TDG a.F. hin. 332 333

C. Exemplifizierung und Konkretisierung

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tronischer Geschäftsverkehr“ nicht mit Unsicherheiten und unübersehbaren Haftungsrisiken zu belasten.338 Durch das EGG vom 14. 12. 2001339 wurde das TDG geändert, um die e-commerce-Richtlinie der EG umzusetzen. Die – inhaltlich nicht zu stark geänderten – Verantwortlichkeitsvorschriften finden sich nunmehr in §§ 8 ff. TDG.340 Im Einzelnen ordnen diese eine funktionsspezifische Verantwortlichkeitsabstufung an, die nach h. M. gleich einem „Filter“ der Haftungsprüfung des jeweiligen Rechtsgebietes vorgeschaltet ist341 und dabei im Strafrecht342 gegebenenfalls den Tatbestand entfallen lassen soll.343 a) Wer eigene Informationen zur Nutzung bereit hält, kommt nach § 8 I TDG überhaupt nicht in den Genuss von Haftungsprivilegierungen. Das erscheint in der Sache interessengerecht, da insoweit online und offline die gleichen Maßstäbe gelten müssen, berührt im Übrigen aber unsere Frage nicht zentral, weil es bei eigenen Angeboten ja gerade nicht zentral um einen Missbrauch beruflicher Leistungen durch einen Dritten geht. Interessanter sind demgegenüber §§ 8 II bis 11 TDG.344 Dabei ist generell zu beachten, dass die Diensteanbieter i. S. d. §§ 9 – 11 TDG für die fremden Inhalte nach § 8 II 1 TDG keine proaktiven Kontrollpflichten treffen.

338 Vgl. BT-Drs. 13 / 7385, S. 1. Dieses Ziel entspricht der oben (vgl. S. 274 ff.) im Rahmen der verfassungsrechtlichen Abwägung dargestellten allgemeinen Gefahr für die Berufsfreiheit, was die Parallelität beider Fragestellungen unterstreicht. 339 Elektronischer Geschäftsverkehr-Gesetz, BGBl. I 2001 S. 3721 ff. Vgl. zu den daraus entstandenen Neuerungen Hörnle, NJW 2002, 1008 ff., Kudlich, JA 2002, 798 ff., (nicht spezifisch, aber auch für das Strafrecht) Spindler, NJW 2002, 921 ff. 340 Bei den in den folgenden Fußnoten angegebenen Nachweisen handelt es sich vielfach noch um solche zu § 5 TDG a.F., was nicht jedes Mal betont wird, wenn in der Sache Übereinstimmung besteht. 341 Vgl. zur (Vorfilter-)Natur von § 5 TDG / MDStV a.F. Sieber, Verantwortlichkeit im Internet, Rn. 246 f. sowie ausführlicher Bleisteiner, Rechtliche Verantwortlichkeit im Internet, S. 153 ff.; zu §§ 8 ff. TDG n.F. auch BT-Drs. 14 / 6098, S. 23; krit. Spindler, NJW 2002, 921, 922. 342 Vgl. zum Regelungssystem des § 5 TDG / MDStV a.F. und dessen Problemen aus vor allem strafrechtlicher Sicht näher Barton, Multimediastrafrecht, S. 85 ff.; Heghmanns, JA 2001, 71 ff.; Park, GA 2001, 23, 27 ff.; Popp, Die strafrechtliche Verantwortung von Internet-Providern, S. 63 ff.; Sieber in: Hoeren / Sieber, Teil 19 Rn. 219 ff.; ders., Verantwortlichkeit im Internet, Rn. 215 ff.; ders., Beilage zu MMR 1999 / Heft 2, passim; Vassilaki, CR 1997, 297 ff.; dies., MMR 1998, 630 ff.; zusammenfassend auch schon Kudlich, Jura 2001, 305, 309 f., sowie ders., in: Merx / Tandler / Hahn (Hg.), Multimedia – Recht für die Praxis, S. 231, 234 ff. 343 Überzeugend für eine Einordnung in den Tatbestand („tatbestandsintegrierte Vorfilterlösung“) Sieber, Verantwortlichkeit im Internet, Rn. 240 ff. 344 Nicht vertieft werden im Folgenden die zahlreichen Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen den einzelnen Regelungen, wie z. B. beim „Zu-eigen-Machen“ eines Inhalts, beim Setzen eines Links (dazu etwa Boese, Strafrechtliche Verantwortlichkeit für Verweisungen durch Links im Internet, sowie Koch, MMR 1999, 704 ff.; auch bei der Reform des TDG wurde diese Frage bewusst offen ge- bzw. Rechtsprechung und Literatur zur Klärung überlassen, vgl. BT-Drs. 14 / 6098, S. 34 [Stellungnahme des Bundesrates], 37 [Gegenäußerung der Bundesregierung]), beim Betreiben einer Suchmaschine etc. Vielmehr soll es hier nur um die grundsätzlichen Strukturen gehen.

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4. Teil: Synthese – Strafbarkeit berufsbedingter Unterstützungshandlungen

b) Nach § 11 TDG sind Anbieter für Informationen, die zwar nicht von ihnen stammen, aber von ihnen für einen Nutzer gespeichert werden, verantwortlich, wenn sie von diesen Informationen Kenntnis haben (und die Information nicht unverzüglich entfernen oder den Zugang zu ihr sperren, vgl. § 11 S. 1 Nr. 2 TDG).345 Im Anschluss an die h. M. zu § 5 II TDG a.F. geht der Gesetzgeber davon aus, dass positive Kenntnis erforderlich ist,346 so dass also insbesondere dolus eventualis nicht genügt. Die gegenüber § 5 II TDG a.F. neu eingeführte Verantwortlichkeit schon bei „Offensichtlichkeit“ der Information gilt nur bei Schadensersatzansprüchen und damit für die zivilrechtliche Haftung.347 Das damit für die strafrechtliche Verantwortlichkeit statuierte „notice-and-take-down“-Verfahren ist also ein positiv-rechtliches Beispiel für den Ausschluss der Strafbarkeit bei (Fahrlässigkeit und) bedingtem Vorsatz, wie sie hier als zwar nicht uneingeschränkt geltendes, aber für viele Fälle interessengerechtes Modell postuliert wird. Wenn § 11 S. 2 TDG eine Ausnahme von dem Haftungsprivileg für Fälle statuiert, in denen „der Nutzer (sc.: von dem der Inhalt herrührt) dem Diensteanbieter untersteht oder von ihm beaufsichtigt wird“, stimmt dies wertungsmäßig mit der allgemeinen Überlegung überein, nach der Garanten auch für neutrale Unterstützungshandlungen verantwortlich sind.348 c) Noch weiter geht der Haftungsausschluss nach § 9 TDG für solche Anbieter, die nur den technischen Zugang zur Nutzung fremder Informationen ermöglichen, ohne diese selbst zu speichern.349 Betroffen sind von dieser Regelung die sog. Access- und Network-Provider (vgl. § 9 I: „in einem Kommunikationsnetz übermitteln oder [ . . . ] den Zugang zur Nutzung vermitteln“)350, die nach § 9 I S. 1 Nr. 1 – 3 TDG nur bei zusätzlichen, funktionsunspezifischen Tätigkeiten verantwortlich sind.351 Diese Privilegierung entfällt allerdings nach § 9 I S. 2 TDG, „wenn der Diensteanbieter absichtlich mit einem der Nutzer seines Dienstes zusammenarbeitet, um rechtswidrige Handlungen zu begehen“. Dabei deutet die Kombination der Merkmale „Absicht“ und „um . . . zu“ in Abgrenzung zu dem beim Hosting (vgl. o. b) verwendeten Begriff der Kenntnis darauf hin, dass nur dolus directus I. Grades genügt.352 Man könnte also in der oben verwendeten Terminologie353 davon sprechen, dass bestimmte 345 Die in § 5 II TDG a.F. weiter geforderte technische Möglichkeit und Zumutbarkeit einer Verhinderung der Nutzung (die bei selbst gespeicherten Inhalten auch nur geringe Bedeutung hatte), wird im neuen Text nicht erwähnt, dürfte aber nach Ansicht des Gesetzgebers selbstverständliches ungeschriebenes Merkmal sein, da auch hier der Grundsatz „ultra posse nemo continetur“ gilt, vgl. auch BT-Drs. 14 / 6098, S. 23, 25. 346 Vgl. BT-Drs. 14 / 6098, S. 25. Zum neuen Recht so nun auch Hörnle, NJW 2002, 1008, 1012. 347 Vgl. auch BT-Drs. 14 / 6098, S. 25. 348 Vgl. o. S. 416 f. 349 Ihnen gleichgestellt wird nach § 9 II TDG (wie schon nach § 5 III 2 TDG a.F.) allerdings die kurzfristige automatische Zwischenspeicherung von Informationen für Übermittlungszwecke. Diese ist zu unterscheiden von der Zwischenspeicherung auch für weitere Kommunikationsvorgänge (sog. Caching, vgl. sogleich unter d) sowie zur Abgrenzung auch Spindler, NJW 2002, 921, 923). 350 Anders für Access-Provider gegen die h. M. zu § 5 III TDG a.F. Popp, Die strafrechtliche Verantwortung von Internet-Providern, S. 59. 351 Genannt sind Veranlassung der Übermittlung, Auswahl des Adressaten oder Auswahl bzw. Veränderung der Information. 352 Wobei freilich fraglich ist, ob dieser wirklich genügen soll, wenn nicht zusätzlich auch eine positive Kenntnis hinzukommt.

C. Exemplifizierung und Konkretisierung

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„formalisierte“ Angriffswege (hier die Erleichterung des Zugriffs auf illegale Inhalte durch Bereithaltung des Übertragungsnetzes oder Ermöglichung des „Zugangs“ dorthin, ohne dass der Handelnde selbst diese Inhalte bereit hält) grundsätzlich straflos gestellt werden.354 Eine Ausnahme von diesem Grundsatz gilt nur bei zielgerichtetem Handeln zur Rechtsgutsverletzung. Nach vorzugswürdiger Ansicht muss diese Privilegierung nach Systematik und ratio der §§ 8 ff. TDG (gerade) auch für Teilnahmehandlungen gelten, d. h. neben § 9 TDG bleibt auch kein Raum für eine strafbare Beihilfe nach § 27 StGB.355 d) Gewissermaßen eine Zwischenstellung zwischen den Host- und den Access- bzw. Network-Providern nehmen in der gesetzlichen Behandlung schließlich solche Anbieter ein, die i. S. d. § 10 TDG eine „zeitlich begrenzte Zwischenspeicherung“ vornehmen, „die allein dem Zweck dient, die Übermittlung der fremden Information an andere Nutzer auf deren Anfrage effizienter zu gestalten“ (sog. Caching).356 Auch für sie gilt eine bedingte Haftungsfreistellung. Allerdings ist diese enger als bei den Access- und Network-Providern, da insbesondere nach § 10 S. 1 Nr. 5 TDG die Inhalte unverzüglich gelöscht werden müssen, wenn die zwischenspeichernden Diensteanbieter „Kenntnis davon erhalten haben, dass die Informationen ( . . . ) aus dem Netz entfernt wurden, oder der Zugang zu ihnen gesperrt wurde oder ein Gericht oder eine Verwaltungsbehörde die Entfernung oder Sperrung angeordnet hat“.357 Auch beim Caching ist außerdem der Verantwortungsausschluss nach § 10 S. 2 i.V.m. § 9 I S. 2 TDG aufgehoben, wenn mit einem Nutzer absichtlich zur Begehung rechtswidriger Handlungen zusammengearbeitet wird (vgl. o.). e) Keine strafrechtliche Bedeutung dürfte – wenn man sich an der wohl überwiegenden Ansicht in der Literatur zur Vorläufervorschrift358 des § 5 IV TDG a.F. orientiert359 – § 8 II 2 TDG haben, wonach „Verpflichtungen zur Entfernung oder Sperrung der Nutzung von Informationen nach den allgemeinen Gesetzen ( . . . ) auch im Falle der Nichtverantwortlichkeit des Diensteanbieters nach den §§ 9 bis 11 unberührt“ bleiben. Für das Strafrecht Vgl. o. S. 342 ff. Vgl. dazu auch die – gerade für die vorliegende Problemstellung – rechtstheoretisch interessanten und in der bisherigen Literatur m.E. zu Unrecht eher ablehnend rezipierten Überlegungen bei Vassilaki, MMR 1998, 630 ff., die § 5 TDG als spezielles „Telediensteinhaltsdelikt“ versteht. Hinter diesem etwas schwer verständlichen (und vielleicht auch deswegen kritisch aufgenommenen) Begriff dürfte genau der Gedanke stehen, dass § 5 TDG als allgemeine Vorschrift (natürlich keinen Deliktstyp i. S. d. Besonderen Teils, sondern) einen bestimmten „Angriffsweg“ auf etwa durch Äußerungsdelikte geschützte Rechtsgüter näher regelt und sie auf Grund einer gesetzgeberischen Abwägung insbesondere der eingeschränkten Kontrollmöglichkeiten der Internetdiensteanbieter teilweise straflos stellt. Die speziellen Angriffswege sind hier spezifische Mitwirkungen an einer missbrauchbaren Infrastruktur. 355 Vgl. zum Problem m. w. N. Sieber, Verantwortlichkeit im Internet, Rn. 370 ff. 356 Zur Zwischenspeicherung i.R. eines konkreten Übermittlungsvorgangs vgl. Fußn. 349. 357 Die Besserstellung gegenüber den Host-Providern besteht also vor allem darin, dass nicht jede positive Kenntnis von einem Inhalt genügt. 358 Vgl. BT-Drs. 14 / 6098, S. 23: „Absatz 2 Satz 2 (sc.: des neuen § 8 TDG) entspricht dem bisherigen § 5 Abs. 4“. 359 Vgl. Bleisteiner, Rechtliche Verantwortlichkeit im Internet, S. 205 ff.; Hoeren, MMR 1998, 97 f.; Lackner / Kühl, § 184 Rn. 7a; Schönke / Schröder-Lenckner / Perron, § 184 Rn. 66 f.; Sieber, Verantwortlichkeit im Internet, Rn. 390 ff. Zusammenfassend zum Problem bereits Kudlich, Jura 2001, 305, 310, sowie ders., in Merx / Tandler / Hahn, Multimedia-Recht für die Praxis, S. 231, 242 f. Eine ähnliche, aber nicht exakt identische Regelung wie § 5 IV TDG a.F. enthielt im MDStV dessen § 18 III; vgl. nunmehr § 6 II 2 MDStV. 353 354

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4. Teil: Synthese – Strafbarkeit berufsbedingter Unterstützungshandlungen

bliebe dann das Haftungssystem der §§ 8 I, 9 – 11 TDG abschließend. Dagegen hat insbesondere Hilgendorf zu § 5 IV TDG a.F. die auch vom Generalbundesanwalt vertretene Ansicht näher begründet, dass dieser auch auf strafrechtliche Normen anwendbar sei, so dass das Unterlassen einer Nutzungssperre auch über § 5 I-III TDG a.F. hinaus zur Strafbarkeit führen könnte.360 Dies liegt zwar den hier deutlich gewordenen allgemeinen Grundsätzen gar nicht fern, nach denen beim erlaubten Risiko eine Vermeidepflicht bestehen bleibt, die sich in § 8 II 2 TDG verkörpern könnte. Dennoch sprechen in diesem speziellen Fall die besseren Gründe für die h. L.361 § 8 II 2 TDG sollte als Ausnahmevorschrift insbesondere zu den §§ 9 und 10 TDG auf Fälle beschränkt bleiben, in denen auf Grund einer Abwägung im Einzelfall eine – auch verschuldensunabhängige – Sperrung angeordnet wird. Dies ist in einer behördlichen Verfügung oder in einem zivilrechtlichen Urteil möglich, nicht jedoch im Strafrecht, dessen Verbote ohne Anordnung im Einzelfall Geltung beanspruchen. Für diese Deutung spricht nicht nur, dass anderenfalls die gesamte Abstufung der Verantwortlichkeit weithin verwässert würde, sondern auch dass die e-commerce-Richtlinie in Art. 12 III, 13 II362 als einzige Ausnahmen zur Verantwortlichkeitsfreistellung von Zugangsvermittlern für reine Durchleitung solche Fälle anerkennt, in denen „ein Gericht oder eine Verwaltungsbehörde nach den Rechtssystemen der Mitgliedstaaten vom Diensteanbieter verlangt, die Rechtsverletzung abzustellen oder zu verhindern“. War schon zu § 5 IV TDG a.F. zu erwägen, ob diese Begrenzung nicht i.S. einer richtlinienkonformen Auslegung363 auch schon vor Umsetzung zu beachten gewesen wäre,364 so gilt dies umso mehr für eine Vorschrift, die vom Gesetzgeber explizit als Richtlinienumsetzung bezeichnet wird.365

Auch ohne eine nähere Behandlung der dennoch bestehen bleibenden zahlreichen Einzelfragen macht der vorangegangene Überblick deutlich, dass für diesen in den letzten Jahren intensiv diskutierten und praktisch sehr wichtigen Bereich eine berufsträgerfreundliche Sonderregel besteht, die über das Ergebnis wesentlich vorentscheidet.366 Dies gilt umso mehr, als die Wertungen der §§ 8 ff. TDG auch 360 Vgl. Hilgendorf, NStZ 2000, 518 ff.; zustimmend LK-v. Bubnoff, Ergänzende Erläuterungen zu §§ 130, 131 Rn. 12. Die Einstellungsverfügung des GBA ist abgedruckt in MMR 1998, 93 ff. 361 Vgl. näher Kudlich, JA 2002, 798 ff. Diese Sichtweise ist auch aus dem Blickwinkel des erlaubten Risikos unbedenklich: Denn dieses kennt eben nicht nur Fälle bestehen bleibender Vermeidepflichten, sondern auch privilegierter spezieller Angriffswege, vgl. dazu soeben zu und in Fußn. 354 mit Verweisen auf weitere Stellen innerhalb der vorliegenden Untersuchung. 362 Deren Umsetzung § 8 II 2 TDG ist, vgl. nochmals BT-Drs. 14 / 6098, S. 23. 363 Zur richtlinienkonformen Auslegung strafrechtlicher Vorschriften zuletzt umfassend Schröder, Europäische Richtlinien und deutsches Strafrecht, passim. 364 Dafür ausführlich und überzeugend Satzger, CR 2001, 109 f. 365 Man mag zwar erwägen, § 8 II 2 TDG dennoch (richtlinienwidrig) anders auszulegen, da die entsprechende Einschränkung gerade nicht ausdrücklich in den Gesetzestext übernommen wurde; allerdings geht aus der Begründung auch nicht hervor, dass sich der Gesetzgeber explizit gegen die Richtlinie stellen wollte. Daher ist eine richtlinienkonforme Auslegung vorzugswürdig, zumal wenn man berücksichtigt, dass es nach der norminternen Systematik möglich ist, die in § 8 II 2 TDG genannte „Verpflichtung“ und die (etwa strafrechtliche) „Verantwortlichkeit“ voneinander zu unterscheiden. 366 Obwohl diese Regelung in vielen Fragen auch mit den hier erarbeiteten allgemeinen Grundsätzen übereinstimmt, kann ihr aber kein Modellcharakter auch für andere Fälle berufs-

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zu berücksichtigen sind, wenn eine Haftung „nicht im Vorfilter hängen bleibt“. Wichtigster Fall ist in diesem Zusammenhang das Bereithalten eines fremden Inhalts durch einen Host-Service-Provider, wenn § 11 TDG wegen dessen positiver Kenntnis von der Information eine Haftung zulässt. In diesem Fall dürfte die gesetzgeberische Intention dahin gehen, auch – soweit für erforderlich gehalten – eine Garantenpflicht des Server-Betreibers (etwa aus Sachherrschaftsgesichtspunkten367) anzunehmen und eine Strafbarkeit nicht am Gesichtspunkt der Sozialadäquanz des Diensteangebots scheitern zu lassen.368 Trotz der geradezu beherrschenden Funktion der Sonderregeln der §§ 8 ff. TDG sei abschließend darauf hingewiesen, dass auch im Zusammenhang mit Inhaltsdelikten im Internet Fälle übrig geblieben, in denen die hier interessierende Frage eine Rolle spielt, ohne dass §§ 8 ff. TDG unmittelbar weiterhelfen würden. Dies gilt insbesondere in Fällen, in denen kein Teledienst (und auch kein Mediendienst i. S. d. MDStV) vorliegt (z. B. beim Betreiber eines Internet-Cafés369). Im Ausgangspunkt dürften dann die hier entwickelten allgemeinen Grundsätze für berufsbedingtes Unterstützen weiterhelfen, wobei Wertungswidersprüche zu den §§ 8 ff. TDG vermieden werden sollten. Außerdem ist – z. B. in dem soeben genannten Beispiel des Betreibers eines Internet-Cafés – gerade im Zusammenhang mit einer Bereitstellung der oder einer Anbindung an die technische(n) Infrastruktur daran zu denken, dass nach dem Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit häufig nur ein strafbares Unterlassen in Betracht kommen und die dann erforderliche Garantenstellung fraglich sein kann.

bedingter Unterstützungshandlungen in dem Sinne zukommen, dass sie ohne Rekurs auf eine breitere Basis (wie sie hier im 3. Teil zu schaffen versucht wurde) und ohne Einschränkung einfach hätte verallgemeinert werden können. Denn die §§ 8 ff. TDG haben nicht nur die Rechte der Berufsträger (also hier der Provider), sondern in einer spezifischen Weise auch die Rechte aller Nutzer im Blick; würde doch die Anordnung möglichst umfassender (proaktiver) Kontrollen etwa zu datenschutz- und fernmelderechtlichen Problemen führen und wäre u.U. nur auf Kosten einer erheblichen Beeinträchtigung der Garantien des Art. 5 I GG (Meinungs- und Informationsfreiheit) umsetzbar. 367 Vgl. auch Hörnle, NJW 2002, 1008, 1011; eine solche Sichtweise leitet nicht etwa eine Garantenstellung aus dem TDG ab (wogegen sich mit Recht Spindler, NJW 2002, 921, 922 richtet), sondern weist nur darauf hin, dass der Gesetzgeber offenbar in dieser durchaus nicht unstreitigen Frage (vgl. nochmals Hörnle, NJW 2002, 1008, 1011 einer-, Sieber, JZ 1996, 494, 502 andererseits) davon ausgeht, dass für den Regelfall eine Garantenstellung des HostService-Providers aus Sachherrschaftsgesichtspunkten bei Kenntnis der Inhalte angenommen werden kann. 368 Vgl. bereits Kudlich, Jura 2001, 305, 310. Diese Konstellation ist freilich im Bereich berufsbedingter Unterstützungshandlungen ein Sonderfall, weil die Unterstützung gerade darin gesehen wird, dass „etwas“ (hier der fremde Inhalt) in die eigene „Herrschaftssphäre“ aufgenommen wird, was eine (sonst gerade nicht ohne weiteres anzunehmende, vgl. o. S. 411 ff.) Garantenstellung aus Sachherrschaft begründbar erscheinen lässt; vgl. zur Besonderheit des Hostings gegenüber der Herrschaft über andere Gefahrenquellen auch unter anderen Gesichtspunkten nochmals Hörnle, NJW 2002, 1008, 1011. 369 Vgl. dazu Hörnle, NJW 2002, 1008, 1012, sowie ausführlicher Liesching / Günter, MMR 2000, 260 ff., und Liesching / Knupfer, MMR 2003, 562 ff.

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4. Teil: Synthese – Strafbarkeit berufsbedingter Unterstützungshandlungen

IX. Berufsgruppenübergreifende Sonderprobleme Nachdem in den vorausgegangenen acht Unterabschnitten (S. 468 ff.) eine Reihe verschiedener Berufe bzw. Berufsfelder dargestellt wurde, soll im Folgenden der Blick abschließend noch kurz auf drei berufsgruppenüberschreitende Probleme gerichtet werden. Diese haben nicht mit der spezifischen Tätigkeit des jeweiligen Berufes (Waren verkaufen, Transportieren, Rechtsrat geben etc.) zu tun, sondern können in vergleichbarer Weise bei nahezu jedem geschäftlichen Handeln auftreten. Soweit sie teilweise schon im Zusammenhang mit speziellen Berufen (bei denen sie eine besonders wichtige Rolle spielen oder besonders plastisch sind) angesprochen wurden, kann die Darstellung in diesem Unterabschnitt knapper erfolgen. Es handelt sich um die Erfüllung bestehender zivilrechtlicher Verpflichtungen durch die berufliche Tätigkeit (dazu sogleich 1.), die (i.w.S.) Ermöglichung von Steuerhinterziehungen durch geschäftliche Kontakte (dazu im Anschluss 2.) sowie zuletzt um die bislang weitgehend zurückgestellte (und auch in der bisherigen Diskussion vielfach nicht vertiefte370) Problematik der Mitarbeit als Arbeitnehmer (dazu zuletzt 3.).

1. Erfüllung von bestehenden zivilrechtlichen Verbindlichkeiten a) Für berufliche Leistungen ist es typisch, dass sie auf Grund eines schuldrechtlichen Vertrages erbracht werden. Sei dies auf Grund eines Arbeitsvertrages (was auf das unter 3. behandelte Sonderproblem der Tätigkeit im Arbeitnehmerverhältnis verweist, vgl. S. 514 ff.), sei es z. B. auf Grund eines Kauf-, Werk-, Dienstoder Geschäftsbesorgungsvertrages. Besteht aber auf Grund eines solchen Vertrages die zivilrechtliche Verpflichtung zum Tätigwerden, so stößt man auf die Frage, wie sich diese Pflicht auf der einen zu einer vorstellbaren Strafandrohung auf der anderen Seite verhält. Im Zusammenhang mit dem Bankensektor wurde diese Frage371 dahingehend beantwortet, dass die zivilrechtliche Verpflichtung zur Straflosigkeit der geschuldeten Erfüllungshandlung führt, weil mit ihr nur ein Zustand hergestellt wird, der zwar die Verwirklichungsmacht des Täters steigern mag, aber gleichwohl von der Rechtsordnung positiv als herzustellender bewertet wird.372

370 Eine Ausnahme bildet insoweit insbesondere Wohlleben, der immerhin seine Ausgangsfälle 19 – 25 (Sachverhalte auf S. 8, Lösungsvorschläge dazu auf S. 173 ff.) formal dieser Problematik widmet und auf S. 144 – 149 unter verschiedenen Blickwinkeln auch Besonderheiten der von ihm so genannten „Arbeitnehmerfälle“ behandelt. Zu weiteren punktuellen (vielfach allerdings nicht weiter begründeten) Stellungnahmen vgl. die Nachweise unten im Text. 371 Für den Spezialfall der Auszahlung eines bestehenden Guthabens in Kenntnis der Tatsache, dass das Geld für eine Bestechung benutzt werden soll, vgl. S. 496 f. 372 Im Ergebnis ebenfalls für eine mögliche Berücksichtigung zivilrechtlicher Verpflichtungen Rabe von Kühlewein, JZ 2002, 1139, 1145.

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Gegen eine maßgebliche Berücksichtigung von zivilrechtlichen Verpflichtungen wendet sich dezidiert Frisch: Er hält zwar einerseits offenbar für zwingend, dass die Erfüllung einer Leistung, zu der man „wirklich verpflichtet ist, ( . . . ) unmöglich als mißbilligtes Verhalten ausgewiesen werden“ kann. Allerdings sei vorstellbar (und wohl nach Ansicht von Frisch sogar nahe liegend), dass „für derartige Fälle schon – wenn auch auf der Basis ungeschriebener Prinzipien – im Zivilrecht (usw.) selbst eine Korrektur der an sich vorhandenen Verpflichtung ( . . . ) erfolgen“ kann. Nicht zu missbilligen sei daher „die Vornahme entsprechender Leistungen vielmehr erst dort, wo die (zivilrechtliche) Verpflichtung trotz der Möglichkeit einer deliktischen Ausnutzung der entsprechenden Handlung oder Leistung bestehen bleibt. Wo diese Grenze verläuft und durch welches Kriterium sie bezeichnet wird, das ist aber gerade die zu beantwortende Frage; für sie gibt der Gesichtspunkt einer an sich bestehenden (zivilrechtlichen) Verpflichtung nichts her.“373 Das ist zwar im Grunde zutreffend, aber wenig hilfreich, da Frisch – soweit ersichtlich – nicht mitteilt, welche (möglicherweise ungeschriebenen) Prinzipien eine Rolle spielen und welche Kriterien eine Grenze ziehen sollen. Im Zusammenhang mit der eingangs betonten Bedeutung einer tatsächlich bestehen bleibenden Verpflichtung enden die Überlegungen Frischs hier in einer Aporie, die – falls der bestehenden Verpflichtung wirklich Bedeutung zukommen sollte – methodisch schwer akzeptabel ist. Außerdem ist sie umso erstaunlicher, weil gerade Frisch in verschiedenen Zusammenhängen die Bedeutung vorstrafrechtlich statuierter Verhaltensnormen betont, welche hier allein durch eine Antwort auf die zivilrechtlichen Frage konturiert werden können. Obwohl die Frage im Detail schwierig ist (und daher ein Offenlassen als „einzelfallabhängig“ umso attraktiver wäre), soll daher im Folgenden in aller Kürze versucht werden, ein dogmatisch stringentes und interessengerechte Differenzierungen ermöglichendes System zu skizzieren.

b) Betrachtet man das Problem etwas allgemeiner, so sind einige weiter ausholende Überlegungen und Differenzierungen erforderlich, die freilich am Ende das oben gefundene Ergebnis bestätigen werden: Zunächst könnte nämlich fraglich sein, ob bzw. wann man im Einzelfall überhaupt von einer wirksamen Verpflichtung sprechen kann, denn naturgemäß kann nur eine solche eine strafeinschränkende Wirkung haben.374 Nahe liegende Gründe für die Unwirksamkeit eines entsprechenden Vertrages scheinen dabei die §§ 134, 138 BGB zu sein. Allerdings ist hier zu unterscheiden: Zwar sind Strafgesetze häufig Verbotsgesetze i. S. d. § 134 StGB; allerdings steht ja noch gar nicht fest, ob eine Strafbarkeit wirklich vorliegt, d. h. die Begründung über § 134 StGB wäre letztlich ein Zirkelschluss. Hinzu kommt, dass fraglich ist, ob ein auf eine übliche Geschäftstätigkeit gerichteter Vertrag überhaupt gegen ein Verbotsgesetz verstößt, da die Tatbegehung ja gerade nicht Vertragszweck und -inhalt, sondern i.d.R. nur ein begleitendes Motiv eines Vertragspartners ist.375

Vgl. Verhalten und Zurechnung, S. 273 f. (Hervorhebungen dort). Kennt der Berufsträger Umstände nicht, die zur Unwirksamkeit der zivilrechtlichen Verpflichtung führen (etwa eine unerkannte Geisteskrankheit des Kunden), so könnte ihm insoweit jedenfalls ein vorsatzausschließender Irrtum zugebilligt werden. 375 Zurückhaltend zur Anwendbarkeit des § 134 BGB auch Frisch, Verhalten und Zurechnung, S. 274. 373 374

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4. Teil: Synthese – Strafbarkeit berufsbedingter Unterstützungshandlungen

Etwas anders ist die Sachlage bei § 138 BGB. Da dieser nicht formal einen anderen Gesetzesverstoß voraussetzt, sondern selbst eine Bewertung des Verhaltens ermöglicht, könnte die Vorschrift durchaus zur Anwendung kommen. Allerdings setzt § 138 I BGB nach h. M. objektive und subjektive Komponenten voraus, von denen die stärkere Ausprägung der einen die schwächere der anderen kompensieren kann.376 Angesichts dieser Parallelität zum hier entwickelten Modell der Begründung des Verhaltensunwerts (und damit auch des strafrechtlichen Unrechts) erscheint es nahe liegend, unabhängig davon aber auch in der Sache überzeugend, insoweit ähnliche Maßstäbe heranzuziehen. Diese führen nur dann zu einem Verstoß gegen die guten Sitten, wenn der Berufsträger positive Kenntnis davon bzw. konkrete Anhaltspunkte dafür hat, dass (gerade) sein „neutraler“ (und daher objektiv für einen solchen Verstoß nur ganz am Rande heranzuziehender) Beitrag deliktisch verwendet werden soll. Dies wiederum hat folgende Konsequenz: Soweit der Berufsträger schon beim Abschluss des Vertrages weiß, dass seine Leistung zu deliktischen Zwecken missbraucht wird, steht § 138 BGB einem wirksamen Vertrag entgegen.377 Damit ergibt sich kein Unterschied zu den hier entwickelten allgemeinen strafrechtlichen Grundsätzen, denn mangels wirksamer zivilrechtlicher Verpflichtung kommt keine Begründung einer Privilegierung in Betracht.378 Daneben sind aber auch Fälle denkbar, in denen erst nach Eingehung der (mangels eine Sittenwidrigkeit begründender Kenntnisse bei Vertragsschluss wirksamen) Verbindlichkeit, aber vor Erbringung der – das sei hier nochmals betont: „neutralen“379 – Leistung eine positive Kenntnis bzw. sichere Voraussicht der deliktischen Verwendung eintritt.380 In diesen Fällen kann der ohne im strafrechtlichen Sinne belastende Kenntnisse eingegangene Vertrag dann in der Tat dazu führen, dass eine Leistungserbringung trotz (später hinzutretender) positiver Kenntnis vom deliktischen Zweck straffrei ist.381 Vgl. nur Palandt-Heinrichs, § 138 Rn. 34. Dazu, dass der Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäfts (hier also grundsätzlich der Vertragsschluss und kein späterer Zeitpunkt) maßgeblich ist, Palandt-Heinrichs, § 138 Rn. 9. 378 Insofern führt der Vertragsgedanke auch bei Fällen wie dem gedungenen Mörder o.ä. zu keinen Schwierigkeiten. Denn anders als bei neutralen Unterstützungshandlungen wird demjenigen, der sich zur unmittelbaren Rechtsverletzung verpflichtet, i.d.R. schon bei Vertragsschluss klar sein, was er macht. 379 Diese im Ergebnis sicher überzeugende Beschränkung auf die Verpflichtung zur Erbringung „neutraler“ Leistungen ist auch dogmatisch tragfähig: Sieht man nämlich in der Herbeiführung des vom Zivilrecht geforderten Zustandes den erforderlichen „Ausgleich“ für die vorsätzliche Gefahrsteigerung, der im Ergebnis zur Verneinung der rechtlichen Missbilligung und damit des Handlungsunrechts führt, dürfte plausibel sein, dass dieser ausgleichende Faktor nur hinreichend ist, wenn die Unrechtsbegründung auf Grund der objektiven Neutralität ohnehin weniger schwer wiegt. 380 Solche Fälle spielen freilich bei den oft herangezogenen Kaufverträgen des täglichen Lebens keine besondere Rolle, da hier schuldrechtliches Geschäft und Leistung meist zeitlich eng zusammenfallen. 376 377

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c) Allerdings muss hier noch einmal differenziert werden. Denn die Anwendung des § 138 BGB ist nicht auf Verträge beschränkt, sondern gilt für alle Arten von – auch einseitigen – Rechtsgeschäften.382 Dies hat zur Folge, dass bei Schuldverhältnissen, die einen größeren Rahmen spannen, der durch eine der Parteien mittels einzelner Aufträge, Weisungen etc. für Einzelfälle konkretisiert werden kann, die fehlende Sittenwidrigkeit des Rahmens nicht dazu führt, dass alle durch solche Einzelweisungen angeordneten Handlungen innerhalb dieses Rahmens zulässig wären. Vielmehr ist zu prüfen, ob die jeweils konkrete Ausgestaltung, Weisung o.ä. nach den o.g. Kriterien gegen die guten Sitten verstößt (und damit keine Verpflichtung begründen kann) oder nicht. Um dies an zwei Beispielen zu illustrieren: – Grundsätzlich sind Banken bei ausreichender Deckung (und innerhalb der Grenzen ihrer AGB sowie etwa der Vorschriften des GwG) verpflichtet, i.R. eines Kontoführungsvertrages einen (z. B. Überweisungs-)Auftrag auszuführen. Allerdings wird diese Pflicht innerhalb des Rahmens eines umfassenden Geschäftsbesorgungsvertrags jeweils erst durch einzelne Aufträge des Kunden konkretisiert. Verstößt nun eine solche Weisung gegen § 138 BGB, ist die Bank berechtigt, diese nicht auszuführen, obwohl sie dies normalerweise tun müsste. Dies ist der Sachgrund für die oben nur kurz festgestellte Tatsache, dass allein mit einer Verpflichtung durch den Kontoführungsvertrag keine Straflosigkeit der steuerhinterziehungsfördernden Auslandsüberweisung begründet werden kann.383 – Wird einem Arbeitnehmer eine Arbeit übertragen, deren Anordnung (zwar „an sich“ vom Direktionsrecht des Arbeitsgebers gedeckt wäre, aber) im konkreten Fall gegen die guten Sitten verstößt, ist diese Weisung unwirksam. Der Arbeitnehmer kann sich daher nicht auf eine strafentlastende zivilrechtliche Verpflichtung berufen, auch wenn die Wirksamkeit des Arbeitsvertrags insgesamt außer Zweifel steht.384

2. Ermöglichung der Steuerhinterziehung durch geschäftliche Kontakte Der zweite Problemkreis, der weitgehend unabhängig von der speziellen Art der Tätigkeit aktuell werden kann, ist die Ermöglichung der Steuerhinterziehung durch 381 Dies entspricht in der Sache auch einer weiteren strafrechtlichen Wertung, nämlich der Unbeachtlichkeit des dolus subsequens: Erlangt der Berufsträger die (im strafrechtlichen Sinne belastende) Kenntnis erst nach vollständiger Erbringung seiner Leistung, ist die Unschädlichkeit dieses Vorsatzes unstreitig, und es besteht auch weitgehend Einigkeit, dass zumindest nicht grundsätzlich oder regelmäßig eine Garantenstellung zur Verhinderung erwächst. Diese zeitliche Beachtlichkeitsschwelle wird durch die Begründung des Anspruchs noch etwas weiter nach vorne verlagert. 382 Vgl. nur Palandt-Heinrichs, § 138 Rn. 11, 91 (dort zur Sittenwidrigkeit von Kündigungen als einseitigen Rechtsgeschäften). 383 Vgl. o. in Fußn. 293 auf S. 493. 384 So im Ergebnis auch BGH NStE Nr. 4 zu § 27 StGB.

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4. Teil: Synthese – Strafbarkeit berufsbedingter Unterstützungshandlungen

geschäftliche Kontakte.385 Dabei sind unter einer solchen „Ermöglichung“ – im Unterschied zu den speziellen Fallgruppen bei Steuerberatung und Bankgeschäften386 – Verhaltensweisen gemeint, die nicht unmittelbar auf die Gestaltung der Steuererklärung einwirken, sondern nur kausal für die Entstehung möglicher Steuerpflichten und damit auch für die Möglichkeit eines Verstoßes gegen dieselben sind. Diese Kontakte müssen für den potentiell unterstützenden Teil nicht immer berufsbedingter Natur sein,387 sind es aber vielfach, was eine zusammenhängende Behandlung rechtfertigt. Dabei ist im Wesentlichen an zwei Konstellationen zu denken:388 a) Zum einen kann die Leistung eines Dritten entgeltlich in Anspruch genommen werden, obwohl der Abnehmer der Leistung damit rechnet oder sogar als sicher vorhersieht, dass dieser Dritte die erzielten Einkünfte nicht ordnungsgemäß versteuern wird.389 Zwar fördert der Abnehmer durch die Zahlung an den Dritten die Gefahr, dass eine entsprechende Steuer hinterzogen wird, denn ohne Umsatz bzw. Einnahmen entstehen keine hinterziehbaren Steuern. Allerdings wurde oben bereits allgemein390 (sowie unter gewissen Vorbehalten auch im Zusammenhang mit Tätigkeiten im Bankenbereich391) bereits darauf hingewiesen, dass eine unerlaubte Gefahrsteigerung für ein Rechtsgut jedenfalls nicht allein darin liegen kann, dass an der Herstellung des Tatobjekts bzw. des geschützten Rechtsgutes mitgewirkt wird. Genau dies erfolgt aber zunächst einmal, wenn eine Leistung bezogen und bezahlt wird und durch diese Bezahlung der staatliche Steueranspruch erwächst – und zwar unabhängig davon, ob der Preis dem Marktpreis entspricht oder nicht. Wenn Wohlleben hier mit – m.E. all zu – komplizierten Überlegungen über den „sozialpsychologischen Bereich“392 und über „gute und schlechte Umsätze“ in Abhängigkeit von „verschiedenen Formen der Marktgerechtigkeit“393 die gesamtgesellschaftlichen Vor- und Nachteile entsprechender Verhaltensweisen abwägt und damit zu Differenzierungen nach dem Verhältnis der verlangten zur marktangemessenen Bezahlung kommt, so übersieht er einen wesentlichen Punkt: Zwar mögen gesamtgesellschaftliche Kosten-Nutzen-Saldierungen für die Missbilligung 385 Als übergreifender Gesichtspunkt (und sogar als eigener regelbildender Faktor) auch behandelt bei Wohlleben, S. 135 ff. 386 Vgl. o. S. 484 ff., 491 ff. 387 Die bei Wohlleben, S. 135 ff., geschilderten bzw. in Bezug genommenen Beispiele betreffen z.T. auch private Handlungen auf Seiten des potentiell Unterstützenden. 388 Diese behandelt – neben den Angestelltenfällen (vgl. dazu allgemein unten Fußn. 415) – auch Wohlleben, S. 135 ff. als sog. „Käufer- und Zulieferer-Fälle“. 389 Also dass dieser etwa keine Umsatzsteuer abführen oder die Einkünfte bei der Einkommenssteuererklärung nicht angeben wird. 390 Vgl. o. S. 450. Ähnlich MüKo / StGB-Joecks, § 27 Rn. 66. 391 Vgl. o. S. 493. 392 Vgl. Wohlleben, S. 138, 143. 393 Vgl. Wohlleben, S. 139 f.

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einer Handlung durchaus beachtlich und damit ein taugliches Korrektiv sein.394 Sie können aber auch dann, wenn sie zu Lasten des Handelnden ausschlagen, nicht die Minimalvoraussetzungen der Erfolgszurechnung überspielen. Und eine über die Mitwirkung an der Entstehung hinausgehende Gefahrsteigerung fehlt in diesen Fällen, wenn nicht Faktoren wie fingierte Abrechnungen o.ä. hinzutreten. Eine nur unwesentlich anders gelagerte, im Ergebnis aber gleich zu lösende Konstellation betrifft den Fall, in denen es nicht um eigene Steuern des Vertragspartners geht, sondern um solche Steuern, die dieser für Dritte abzuführen hätte. So geht die h. M. für den Bereich der illegalen Arbeitnehmerüberlassung davon aus, dass der Entleiher sich (zwar als notwendiger Teilnehmer nicht an einer illegalen Arbeitnehmerüberlassung nach § 15 AÜG,395 sehr wohl aber) wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung strafbar machen kann, wenn er (insbesondere ausländische) Arbeitnehmer „zu so niedrigen Preisen entleiht, wie sie nach einer branchenüblichen Kalkulation nur auf Grund der Nichtabführung der Steuern angeboten werden können.“396 Aber auch hier gilt wieder (vorbehaltlich weiterer hinzutretender Faktoren): Durch das Entleihen wird sogar die Möglichkeit verbessert, dass die Verleiher als Arbeitgeber Leiharbeitnehmer anstellen und bezahlen, wodurch der Steueranspruch überhaupt erst besteht. Das sonst in der kriminalpolitischen Diskussion so beliebte Argument, es werde für das illegale Handeln überhaupt erst ein „Markt“ geschaffen, verfängt hier nicht – denn die „Schaffung des Marktes“ ist hier gerade Voraussetzung dafür, dass das geschützte Rechtsgut entstehen kann, und dies bleibt auch der einzige „Beitrag“ zu seiner anschließenden Verletzung durch den Dritten.

b) Zum anderen können von Berufsträgern Leistungen erbracht werden, die in sonstiger Weise das Geschäft des Steuerhinterziehenden ermöglichen, etwa durch die Lieferung von Arbeitsmaterialien, Rohstoffen etc. Hier gilt grundsätzlich das Gleiche wie für den Abnehmer des steuerunehrlichen Unternehmers: Wenn keine Handlungen vorgenommen werden, die speziell die Hinterziehung von Steuern erleichtern,397 liegt die Mitwirkung allein darin, dass die Chancen auf die Entstehung des Steueranspruchs verbessert werden. Diese Art von Förderung auch der Hinterziehungswahrscheinlichkeit ist keine zurechenbare, verbotene Gefahrerhöhung, da sie nur das Rechtsgut begründen hilft, ohne darüber hinaus die Gefahr seiner Beeinträchtigung zu vergrößern. Deswegen fehlt es auch hier am objektiven Beihilfetatbestand unabhängig davon, ob sozialpsychologische oder gesamtgesellschaftliche Nützlichkeitserwägungen für das Geschäft negativ ausfallen.398 394 Dies wird ja auch hier zugrunde gelegt, wenngleich gegenüber anderen Modellen eine stärkere Beachtlichkeit der schuldhaften Verursachung für die Missbilligung propagiert wird. 395 Eine Strafbarkeit des Entleihers kann nach § 15a AÜG bestehen, allerdings sind dessen Voraussetzungen nicht spiegelbildlich zu denen des § 15 AÜG: Zum einen setzt er nach h. M. gerade voraus, dass keine gegen § 1 AÜG verstoßende illegale Arbeitnehmerüberlasung vorliegt, zum anderen müssen Voraussetzungen hinzutreten, die § 15 AÜG so nicht kennt. 396 Vgl. nur Schüren-Feuerborn, AÜG, § 15a Rn. 45 m. w. N. 397 Z. B. durch den im Geschäftsleben unüblichen Verzicht auf das Ausstellen von Rechnungen o.ä., welches schon die Neutralität in Frage stellt; insoweit zutreffend Wohlleben, S. 147; vgl. auch OLG Köln NJW 1958, 2078 f. 398 Anders auch hier wieder Wohlleben, S. 146 f. Die von ihm herausgearbeiteten Punkte (etwa zur Zumutbarkeit) können alle (erst, allerdings immerhin dann umso wichtigere) Be-

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4. Teil: Synthese – Strafbarkeit berufsbedingter Unterstützungshandlungen

Ergänzend kann noch festgehalten werden, dass eine gesetzliche Vorwertung oder gar Sondernorm für eine grundsätzlich strengere Behandlung Tätigkeiten, die eine Steuerhinterziehung erleichtern, auch nicht etwa aus § 379 AO abgeleitet werden kann. Zwar handelt nach § 379 I Nr. 1 AO u. a.399 ordnungswidrig, wer vorsätzlich oder leichtfertig „Belege ausstellt, die in tatsächlicher Hinsicht unrichtig sind ( . . . ) und dadurch ermöglicht, Steuern zu verkürzen“. Wie die Erfolgsbeschreibung des Ermöglichens einer Steuerverkürzung deutlich zeigt, geht es hier auch tatsächlich gerade um eine eigenständige Pönalisierung einer Handlung als Unterstützung, die in Gestalt des Belege-Ausstellens häufig in einem beruflichen Kontext erfolgen wird. Allerdings führt die Tatsache, dass diese (typischerweise berufliche) Ermöglichung fremder Steuerhinterziehungen nicht nur eigenständig pönalisiert ist, sondern sogar Fälle der Leichtfertigkeit erfasst, nicht etwa dazu, dass allgemein besonders strenge Maßstäbe anzulegen sind, wenn es um die berufsbedingte Unterstützung von Steuerdelikten geht. Betrachtet man § 379 I Nr. 1 AO nämlich genauer, so fällt schnell auf, dass es sich im hier verstandenen Sinne gar nicht um neutrales Verhalten handelt. Das Ausstellen falscher Belege erfolgt eben nicht auf Grund eines generell gefassten Planes gegenüber jedermann und ist außerdem den (möglichen) deliktischen Zwecken der Steuerverkürzung gerade deutlich angepasst, d. h. am plausibelsten vor diesem Hintergrund zu erklären. Deshalb käme in Konstellationen, die tatbestandlich unter § 379 I Nr. 1 AO fallen, auch ohne diese Sonderregelung keine privilegierte „neutrale“ Unterstützung in Betracht, sondern umgekehrt hat auch die Tatsache, dass bei einem gerade nicht neutralen Unterstützungsverhalten eine eigenständige Pönalisierung erfolgt, keinerlei Aussagekraft hinsichtlich etwaiger „tatsächlich neutraler“ Unterstützungshandlungen zu Steuerverkürzungen.400

3. Tätigkeiten im Arbeitnehmerverhältnis Letztes berufsgruppenübergreifendes Sonderproblem ist das Handeln von Arbeitsnehmern. Bislang wurde oft von „dem Bäcker“, „dem Eisenwarenhändler“ etc. gesprochen, ohne dass danach unterschieden wurde, ob es sich um den Geschäftsinhaber oder einen Angestellten handelt.401 Die – wie schon erwähnt – oft nicht angesprochene Problematik bei Arbeitnehmern besteht darin, dass im Grunde mehrere Ebenen eine Rolle spielen und getrennt untersucht werden müssen:402 Der Arbeitnehmer kann nämlich – kumulativ oder alternativ – an einer im Außenverdeutung erlangen, wenn ein Fall einer Gefahrsteigerung vorliegt und in eine Abwägung zur Feststellung der Missbilligung eingetreten werden soll. 399 Die Überlegungen, die hier zu Nr. 1 (Ausstellen falscher Belege) angestellt werden, sind auf Nr. 2 (unrichtige Verbuchung) unschwer übertragbar. 400 Dies gilt übrigens mit Blick auf die allgemein entwickelten Grundsätze auch hinsichtlich der Anordnung einer Strafbarkeit bei Leichtfertigkeit: Dass objektiv fehlerhaftes, Steuerverkürzungen erheblich begünstigendes Verhalten auch nicht leichtfertig erfolgen soll, sagt nichts über die Vorsatzanforderungen bei einem an sich vorschriftsgemäßen Verhalten aus, wenn dieses einseitig vom Täter steuerverkürzend ausgenutzt wird. 401 In diesen und den meisten anderen Fällen spielte dies allerdings – wie sogleich verdeutlicht werden wird – auch keine Rolle. 402 Auch die oben Fußn. 370 insoweit als Ausnahme positiv hervorgehobene Untersuchung Wohllebens thematisiert hier zwar die meisten wesentlichen Aspekte, arbeitet aber das Verhältnis dieser Ebenen nicht klar heraus und leidet etwas darunter, dass diese stärker

C. Exemplifizierung und Konkretisierung

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hältnis neutralen Tätigkeit beteiligt sein und / oder sich im Innenverhältnis neutral verhalten. Des Weiteren ist (neben den in den allgemeinen Grundsätzen ergänzend entwickelten Zurechnungskriterien) möglicherweise sein gesteigertes Interesse am Erhalt des Arbeitsplatzes zu berücksichtigen, das mit der „Neutralität“ oder „Angepasstheit“ unmittelbar erst einmal nichts zu tun hat.403 Dies führt zu folgenden abgestuften Überlegungen: a) Soweit der Arbeitnehmer selbst im Außenverhältnis als ein entsprechender Berufsträger auftritt, gelten auf tatbestandlicher Ebene404 die hier entwickelten Grundsätze. Für die Annahme einer Neutralität im hier verstandenen Sinne (als wichtiger „allgemeiner“ Bezugspunkt), für die Verhältnismäßigkeit von Pönalisierungen (als wichtiger verfassungsrechtlicher Bezugspunkt) oder für die Erlaubtheit des Risikos und die normative Erlaubnis zum Vertrauen (als wichtige strafrechtsdogmatische Bezugspunkte) macht es keinen Unterschied, ob der Bäcker oder die Verkäuferin das Brötchen, ob die Ladeninhaberin oder der angestellte Eisenwarenverkäufer den Schraubenzieher verkauft, ob der selbständige oder ein angestellter Taxifahrer fährt. b) Schwieriger sind demgegenüber die Fälle, in denen der Arbeitnehmer nicht selbst nach außen auftritt, sondern den „Geschäftsherrn“405 bzw. einen anderen Arbeitnehmer gleichsam nur durch interne Tätigkeiten unterstützt. Dies ist sowohl in der Konstellation vorstellbar, dass der Geschäftsherr „eigene“ Straftaten begeht (und nicht unterstützend tätig wird406), als auch in Fällen, in denen der Geschäftsherr im Außenverhältnis einen Dritten (berufsbedingt) unterstützt.407 Im letztgenannten Fall liegt (für die Beihilfe formuliert) eine potentielle „Beihilfe zur Beihilfe“ und damit nach allgemeinen Grundsätzen ebenfalls potentielle Beihilfe zur Haupttat vor.408 Hier ist nun zu differenzieren: (1) Gerade in den Fällen der „Beihilfe zur Beihilfe“ ist vorstellbar, dass bereits der im Außenverhältnis auftretende Geschäftsherr wegen der neutralen berufs„nebeneinander“ als hierarchisch strukturiert in eine allgemeine abwägende Verhaltensbewertung einfließen. 403 Dagegen kann sich der Arbeitnehmer bei Vornahme einer ihm angeordneten illegalen Tätigkeit nicht ohne weiteres auf die Verpflichtung berufen, seinem Arbeitgeber Folge zu leisten, da die konkrete Weisung wegen Verstoßes gegen die guten Sitten, § 138 BGB, unwirksam sein kann; vgl. dazu nochmals oben S. 511. 404 Zur Frage nach einer Rechtfertigung vgl. u. S. 517 f. 405 Dieser Begriff sei hier im Folgenden übergreifend verwendet, gleichgültig ob es sich um Gewerbetreibende, freie Berufe o.a. Tätigkeiten handelt. Ebenso wird die Möglichkeit, dass statt seiner auch wieder ein anderer Arbeitsnehmer im Außenverhältnis handeln könnte, im Folgenden nicht immer wieder explizit mit erwähnt. 406 Einfaches Beispiel: Die Sekretärin tippt für den Chef einen betrügerischen Brief. Weiteres Beispiel in BGH NStE Nr. 4 zu § 27 StGB. 407 Einfaches Beispiel: Der Mitarbeiter in der Taxizentrale schickt einen Fahrer, der seinerseits den Täter zum Tatort bringt. 408 Unstreitig, vgl. statt vieler nur Jescheck / Weigend, AT, § 64 IV 1 = S. 697. 33*

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4. Teil: Synthese – Strafbarkeit berufsbedingter Unterstützungshandlungen

bedingten Unterstützung nach den hier entwickelten Grundsätzen nicht strafbar ist. Da diese Grundsätze nach hier vertretener Ansicht durchgehend den Tatbestand betreffen, scheidet insoweit bereits aus Akzessorietätsgründen eine Strafbarkeit des Helfers im Innenverhältnis grundsätzlich aus.409 (2) Dagegen muss in den Fällen, in denen sich der Geschäftsherr im Außenverhältnis strafbar macht, für den Arebeitnehmer im Innenverhältnis bei der Tatbestandsfrage410 auf die allgemein erarbeiteten Grundsätze zurückgegriffen werden. Dabei ist zwar wenig überzeugend, wenn unter mehr oder weniger pauschalem Hinweis auf die (ja durchaus heterogen geführte) Diskussion um berufsbedingte Verhaltensweisen heraus „freischwebend“ darauf hingewiesen wird, dass untergeordnete Angestelltentätigkeiten „wohl grundsätzlich straflos“ blieben.411 In der Sache kann allerdings für solche „internen“ Tätigkeiten wirklich eine Reihe von Sachgesichtspunkten herangezogen werden, die im Ergebnis meist zur Straflosigkeit führen werden: – Zunächst dürfte schon der Anwendungsbereich der „allgemeinen Grundsätze“ für neutrales berufsbedingtes Handeln weiter sein, da für Angestellte die Schwelle zur (neutralitätsausschließenden) Anpassung tendenziell höher anzusetzen ist. Das Direktionsrecht des Arbeitgebers führt zwar nicht dazu, dass jedes „an sich“ davon gedeckte Verhalten im hier verstandenen Sinne „neutral“ wäre. Allerdings ist die auch unhinterfragte Ausrichtung daran typischerweise größer als im Außenverhältnis zum Kunden, so dass die hier entwickelten Privilegierungen auf mehr Tätigkeiten Anwendung finden. – In der Praxis dürfte ferner eine sichere Voraussicht (oder Kenntnis konkreter Anhaltspunkte) des Arbeitsnehmers bei vielen internen Tätigkeiten412 noch viel seltener vorliegen bzw. nachweisbar sein als bei berufsbedingtem Handeln im „Außenverhältnis“. Da weniger unmittelbarer Kontakt mit dem Kunden besteht, ist die Wahrscheinlichkeit, das erforderliche (Sonder-)Wissen zu erlangen, deutlich herabgesetzt. – In weiteren Fällen wird der auf ein enges Tätigkeitsfeld spezialisierte Arbeitnehmer im Innenverhältnis sehr viele Leistungen erbringen (z. B. viele PCs „ein409 Unberücksichtigt soll hier die theoretisch denkbare Möglichkeit einer mittelbaren Täterschaft bleiben, die in Gestalt der Wissensherrschaft (vgl. statt vieler nur Jescheck / Weigend, AT, § 62 II 2 = S. 666 f.) vorstellbar wäre, wenn der Angestellte im Innenverhältnis, nicht aber der nach außen handelnde Geschäftsherr die hier teilweise geforderte sichere Voraussicht der Tat hat oder aber wenn nur der Angestellte im Innenverhältnis, nicht aber der nach außen handelnde Geschäftsherr Kenntnis von der objektiv (durch den Angestellten im Innenverhältnis bewirkten) Anpassung der Leistung hat. 410 Zur Frage nach einer Rechtfertigung vgl. u. S. 517 f. 411 So für die Schreibarbeiten einer Sekretärin Joecks, Steuerstrafrecht, S. 53 f. sowie ders., Praxis des Steuerstrafrechts, S. 38 f. 412 Dies gilt i.d.R. nicht für die Sekretärin, die einen Brief mit eindeutigem Inhalt schreibt, aber sicher für den Arbeiter an einer Maschine, den nur für die PC-Infrastruktur (die das Schreiben wiederum ermöglicht) zuständigen Informatiker usw.

C. Exemplifizierung und Konkretisierung

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richten“, viele Teile am Fließband zusammenschrauben etc.), ohne dass klar wäre, welche davon konkret in einen deliktischen Kontext gestellt werden. Hier mag im Einzelfall der Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit wieder nur beim Unterlassen einer Differenzierung, nicht aber im Erbringen einer großen Menge gleichartiger Arbeitsleistungen liegen. – Schließlich kann bei einem bestimmten Feld von internen Tätigkeiten die Gefahrsteigerung nicht messbar413 oder die Verknüpfung mit der deliktischen Leistung eine willkürliche sein,414 was teilweise ineinander verfließt.415

In den Fällen, die danach noch übrig bleiben, ist die Annahme einer tatbestandlichen Beihilfe auch wertungsmäßig nicht fernliegend, da der Arbeitnehmer immerhin einen spezifizierten und messbar gefahrsteigernden Beitrag leisten sowie zur Erlangung positiver Kenntnis bzw. hinreichend konkreter Anhaltspunkte auch ohne „Kundenkontakt“ i.d.R. eine recht zentrale, vertrauensvolle Stellung genießen muss. Zwar mögen Fälle bleiben, in denen eine Strafbarkeit dennoch problematisch erscheint.416 Nach dem hier vertretenen Konzept bleibt dann allerdings nur die Möglichkeit einer Rechtfertigung, die im Übrigen – wie sogleich zu zeigen sein wird – auch keineswegs die unangemessenere Lösung ist. c) Wird eine „interne“ Unterstützungshandlung eines Arbeitnehmers nach all dem als tatbestandlich erachtet, kommt eine Straflosigkeit – von atypischen Fällen, in denen die Schuld ausschlossen ist, abgesehen – nur noch in Betracht, wenn sie gerechtfertigt ist. Problemspezifische Bedeutung unter den Rechtsfertigungsgründen kommt dabei allein dem Notstand nach § 34 StGB zu. Bei dessen Prüfung wird berücksichtigt, dass für den Arbeitnehmer nicht nur die „Neutralität“ der Leistungserbringung, sondern auch sein Interesse am Erhalt seines Arbeitsplatzes streiten kann. Dieser wird als – zumindest grundsätzlich – notstandsfähiges Gut vereinzelt ausdrücklich anerkannt,417 was angesichts seiner gegenüber einzelnen Sach413 So z. B. bei einem Lehrling, der am Morgen den Ofen noch geputzt hat, in dem u. a. das später zu vergiftende Brötchen gebacken wird. 414 So z. B. bei einem angestellten Kellner, der eine Reihe von Tischen zu übernehmen hat, damit der Geschäftsherr selbst oder ein anderer Kellner dafür „frei“ ist, an einem anderen Tisch dem verhassten Gast ein tödliches Essen zu servieren. 415 Selbstverständlich gilt schließlich auch im „Innenverhältnis“ die Einschränkung, dass eine Beihilfe nicht vorliegt, wenn nur an der Schaffung des Rechtsguts mitgewirkt wird: Wer an der Maschine in der Produktion an Gegenständen mitarbeitet, bei deren Verkauf der Unternehmer Steuern hinterzieht, steigert (anders als natürlich der Buchhalter, der Bücher frisiert und Rechnungen fingiert) nicht das Risiko der Steuerhinterziehung, sondern hilft lediglich mit, den Steueranspruch entstehen zu lassen. Und dies – wie bereits erwähnt – entgegen BGH wistra 1988, 261 und Wohlleben, S. 146, 174 (Fall 23), unabhängig davon, ob nur geringfügig oder in so großem Umfang Steuern hinterzogen werden, dass der Betrieb nur dadurch lebensfähig ist. 416 Dies mögen durchaus die von Joecks (vgl. o. Fußn. 411) angesprochenen Schreibarbeiten ebenso wie die von Dörn, DStZ 1993, 478, 486 genannten Botengänge sein. 417 Vgl. OLG Oldenburg NJW 1978, 1869; Roxin, AT I, § 16 Rn. 9.

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4. Teil: Synthese – Strafbarkeit berufsbedingter Unterstützungshandlungen

werten unbestreitbar größeren Bedeutung für den Betroffenen auch Zustimmung verdient. Nun mag man – unter der Herrschaft des geltenden Kündigungsschutzrechts418 – selbst dann, wenn man eine anderweitige Abwendbarkeit der Gefahr nicht ohne weiteres für jeden Fall bejahen will, i.R.d. erforderlichen umfassenden Interessenabwägung spontan annehmen, die Gefahr für den Arbeitsplatz sei im Regelfall jedenfalls so gering,419 dass (unabhängig von der Wertigkeit der Güter) ein wesentliches Überwiegen ausscheidet. Allerdings würde diese Sichtweise außer Betracht lassen, dass hinsichtlich des geopferten Gutes durch die Arbeitsleistung im Innenverhältnis nur eine sehr geringfügige, oft durch andere Arbeitnehmer surrogierbare und erst noch durch den Geschäftsherrn „umzusetzende“ Gefährdung hervorgerufen wird. Dies kann jedenfalls in wenig schwerwiegenden Fällen und für Arbeitnehmer ohne schwer anderweitig zu findende Schlüsselqualifikation ein Überwiegen der Interessen an einem (auf Dauer sicheren) Arbeitsplatz begründen. Liegt aber umgekehrt eine solche Schlüsselrolle vor, erscheint es durchaus interessengerecht, den Arbeitnehmer auch zur Verantwortung zu ziehen, zumal umgekehrt die Sorgen um die Sicherheit seines Arbeitsplatzes umso geringer sein müssen. Bei genauerer Betrachtung dürfte für solche Fälle § 34 StGB tatsächlich auch die angemessene sedes materiae sein. Denn wenn die o.g. vielfältigen Gründe für einen Tatbestandsausschluss nach hier vertretener Auffassung nicht eingreifen, geht es in der Sache weniger um die Neutralität oder das generell erlaubte Risiko des Handelns, sondern allein darum, dass eine kollidierende Rechtsposition bei einer Abwägung als schützenswert erachtet wird. Genau das bringt § 34 StGB zum Ausdruck. Hinzu kommt, dass über die große Bedeutung der betroffenen Güter i.R.d. Interessenabwägung420 auch zwanglos und ohne „dogmatische Kunstgriffe“ solche internen Handlungen strafbar werden, bei denen man auf Grund des betroffenen Gutes wertungsmäßig kaum das Überwiegen des Interesses am Arbeitsplatz bejahen möchte: Erscheint das Tippen eines „maßvoll beleidigenden“ Briefes oder auch einer steuerverkürzenden Bilanz noch hinnehmbar zu sein, ist dies beim Abschreiben und Abschicken eines Mordplans an den Täter weit weniger selbstverständlich.

418 Hier liegt ein sicher nicht zu vernachlässigender Unterschied gegenüber den sozialen Verhältnissen, die im „Leinenfängerfall“ des RG(St 30, 25) aus dem Jahre 1897 die Unzumutbarkeit sorgfaltsgemäßen Verhaltens erwägenswert erschienen ließen. 419 Zur Beachtlichkeit der Intensität der Gefahr vgl. Roxin, AT I, § 16 Rn. 38 ff. 420 Vgl. nur Roxin, AT I, § 16 Rn. 23 ff.

C. Exemplifizierung und Konkretisierung

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X. Zusammenfassende und vergleichende Überlegungen zu den Fallgruppen Fasst man die Ergebnisse zu den acht untersuchten Fallgruppen sowie den berufsgruppenübergreifenden Sonderproblemen zusammen, so ergibt sich folgendes Bild: Die hier entwickelten objektiv-subjektiven Grundsätze mit einer Gewährung subjektiver Privilegien unterhalb der sicheren Voraussicht und ohne konkrete Anhaltspunkte für die deliktische Ausnutzung gerade der beruflichen Leistung für objektiv „neutrale“ Verhaltensweisen geben eine solide Grundlage für interessengerechte Lösungen ab. Nicht minder wichtig sind aber auch allgemeine Erwägungen wie die Möglichkeit einer Qualifizierung als Unterlassen, die Straflosigkeit der bloßen Mitwirkung an der Genese des Rechtsguts oder die Straflosigkeit bei willkürlicher Verknüpfung der Handlung mit der Haupttat durch den unmittelbaren Verletzer. Wo Sonderregelungen fehlen, lassen sich ebenso wie für einzelne gebietsübergreifende Fragen (etwa die Arbeitnehmerproblematik) damit praktikable Lösungen finden. Interessante Unterschiede haben sich bei der Anwendung auf einzelne Fallgruppen hinsichtlich der in den allgemeinen Grundsätzen aufgestellten Forderung ergeben. Danach setzt eine Strafbarkeit bei dolus eventualis voraus, dass konkrete Hinweise für eine deliktische Verwendung gerade der beruflichen Leistung (und nicht nur für deliktische Ziele im Allgemeinen) vorliegen. Hier wurde deutlich, dass bei einzelnen Berufen bzw. Tätigkeiten Anhaltspunkte für deliktische Pläne im Allgemeinen oft zugleich auch auf die deliktische Nutzung des Beitrags des Berufsträgers im Besonderen hinweisen werden. Dadurch scheint eine gewisse Verschiebung hinsichtlich der Relevanz des bedingten Vorsatzes stattzufinden. Allerdings spricht diese Verschiebung eher für als gegen dieses einschränkende Kriterium bei bedingtem Vorsatz. Denn hier geht es gerade um Fälle, in denen bei konkreten Anhaltspunkten die Schwelle zur positiven Kenntnis (bzw. in praxi: zur Überzeugung von ihrem Vorliegen, vgl. § 261 StPO) nicht zuletzt auf Grund der größeren zeitlichen Nähe zur Tat viel geringer ist. Sofern dagegen die Anhaltspunkte zwar „konkret“ sind, aber keinen Bezug zur beruflichen Tätigkeit haben, kommt es auch bei diesen Berufen zu keiner Strafbarkeit.421

Die Existenz und damit Bedeutung von beruflichen Sonderregelungen ist sehr unterschiedlich: So sind sie im Bereich des Handels oder Transportes von untergeordneter Bedeutung. Dagegen sind etwa die rechtliche Auskunft, Beratung und Gestaltung ebenso stark von besonderen Gesichtspunkten geprägt wie das eine explizite Verantwortlichkeitsregelung erfahrende Internet-Providing. Die „Wirkrichtung“ der Sonderregeln ist unterschiedlich, teils privilegierend, teils verantwortlichkeitsschaffend. Das mag im Einzelfall dem persönlichen Gerechtigkeitsempfinden nicht entsprechen.422 Im Grunde aber beruhen diesen Sonderregelungen auf 421 Beispiel: Ein Notar hat konkrete, dolus eventualis begründende Anhaltspunkte dafür, dass A den B – vielleicht sogar bei einem Grundstückgeschäft – betrügen möchte. Es gibt aber keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass der Betrug gerade bei dem konkret zu beurkundenden Geschäft erfolgen soll. Hier scheidet – trotz § 14 II BNotO – eine Strafbarkeit aus. 422 So etwa bei der weitgehenden Haftungsfreistellung einzelner Internet-Provider oder bei der Ungleichbehandlung von Notaren und Rechtsanwälten über § 14 II BNotO.

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4. Teil: Synthese – Strafbarkeit berufsbedingter Unterstützungshandlungen

gesetzgeberischen Wertungen,423 die für bestimmte Berufe aus bestimmten Gründen eben Zuständigkeiten zuschreiben sollen oder nicht. Diese Wertentscheidungen sollten in der Form, in der sie lege artis dem Gesetz zu entnehmen und strafrechtsdogmatisch umsetzbar sind, berücksichtigt werden. Jedenfalls ist aber deutlich geworden, dass jede allgemeine Lösung gegenüber Sonderregelungen in irgendeiner Form offen sein muss.424 Soweit sie gegenüber den hier entwickelten allgemeinen Grundsätzen privilegierend wirken, beschreiben sie den Bereich des erlaubten Risikos einer Tätigkeit präziser im Sinne einer Erweiterung. Dass dadurch für einige Fallgruppen (etwa im rechtsberatenden Bereich) Ergebnisse begründet werden, wie sie hier als allgemeine Grundsätze i.S. einer rein objektiven Lösung nach dem „expressiven“ oder „sozialen“ Gehalt einer Handlung abgelehnt werden, ist durchaus nicht inkonsequent. Vielmehr belegt es zum einen die Bedeutung des – auch hier ja grundsätzlich anerkannten, aber anders begrenzten – erlaubten Risikos. Zum anderen ist die abweichende Behandlung bestimmter Sonderfälle eben damit zu begründen, dass es bei diesen tatsächlich gesetzlich und / oder sozial hinreichend fest vorstrukturierte Risikoerlaubnisse gibt, die für einen großen Bereich rechtlich nur rudimentär geregelter Handlungen schlichtweg fehlen.

423 Um die Beispiele in Fußn. 422 aufzugreifen: Für Provider Haftungsfreistellungen, um einen neu wachsenden Wirtschaftsbereich nicht mit zu vielen Rechtsunsicherheiten zu belasten; für Notare strengere Anforderungen, die der privilegierten Stellung des Berufsstandes sowie seiner besonderen Vertrauensstellung entsprechen. 424 Dabei ist freilich der hier gewählte Weg der Frage nach dem größeren Inhaltsreichtum und der Berücksichtigung bei der Auslegung nur einer von mehreren möglichen.

Gesamtzusammenfassung und Ergebnisse In der vorangegangen Untersuchung sind an verschiedenen Stellen bereits (Zwischen-)Zusammenfassungen in funktionaler Weise für den jeweiligen weiteren Fortgang der Arbeit platziert. Der Leser, der sich einen ausführlicheren Überblick über einzelne Teile der Arbeit verschaffen möchte, sei darauf ausdrücklich verwiesen.1 Aus diesem Grund kann die nachfolgende Zusammenfassung, insbesondere des Inhalts der ersten drei Teile der Untersuchung, knapper ausfallen. Die Gesamtzusammenfassung beschränkt sich daher darauf, den äußeren und gedanklichen Gang der Arbeit noch einmal formal und zusammenhängend nachzuvollziehen (sogleich I.), um klar zu machen, in welchem Verhältnis die unterschiedlichen Gedanken zueinander stehen und auf welchem Weg die Lösung erarbeitet wurde. Des Weiteren soll ein Überblick über die wichtigsten Ergebnisse gegeben werden (im Anschluss II.), und zwar sowohl hinsichtlich der wichtigsten Grundlagen in Gestalt der gewonnenen Leitgesichtspunkte als auch hinsichtlich der konkreten Lösungssätze. Schließlich wird ein kurzes Resümee zur Themenstellung und zur hier vertretenen Lösung gezogen (zuletzt III.).

I. Gang der Darstellung Die vorliegende Untersuchung gliedert sich in vier Teile, wobei sowohl im Umfang als auch in der Bedeutung ein klares Schwergewicht auf den „Grundlegungen einer eigenen Lösung“ im dritten Teil liegt. Allerdings hätten die dort zu untersuchenden Sachgesichtspunkte einerseits nicht ohne die Einordnung und Begriffs1 Am Ende des 1. Teils (S. 63 ff.) werden die berufsbedingten Strafbarkeitsrisiken sowie die Strukturen entsprechender Strafbarkeitseinschränkungen zusammengefasst, um damit den phänomenlogischen Begriff der „Unterstützung“ präziser zu fassen und ihn bestimmten dogmatischen Kategorien zuzuordnen. In der Analyse des Meinungsstands am Ende des 2. Teils (insb. S. 152 ff.) werden die wichtigsten Argumente der bisherigen Diskussion zusammengefasst, um damit ihre Rückführung auf einige wenige Grundfragen vorzubereiten. Die drei Abschnitte des 3. Teils werden jeweils in einem Unterabschnitt IV (S. 236 ff., 301 ff., und 420 ff.) zusammengefasst und teilweise mit weiterführenden Fragen verknüpft. Darüber hinaus werden im (bei weitem ausführlichsten) Abschnitt der Arbeit über die strafrechtsdogmatischen Grundlagen am Ende eines jeden mit einer arabischen Ziffer benannten Unterabschnitts seine wichtigsten Gedanken mit ihrer Relevanz für die vorliegende Fragestellung zusammengestellt. Im ersten Abschnitt des 4. Teils (S. 424 ff.) werden im Rahmen einer Querschnittsanalyse noch einmal die „Leitgesichtspunkte“ systematisch aufbereitet, die in der Arbeit in unterschiedlicher Gestalt immer wieder eine Rolle gespielt haben, um unmittelbar den Boden für die eigenen Lösungsgrundsätze zu bereiten.

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Gesamtzusammenfassung und Ergebnisse

klärung im ersten sowie die Darstellung und Analyse des bisherigen Diskussionsstandes im zweiten Teil entwickelt werden können und wären andererseits die Grundlegungen ohne ihre Umsetzung zu einer eigenen Lösung und deren Exemplifizierung im vierten Teil notwendig unvollständig geblieben. Im Einzelnen lässt sich die Gedankenführung in den vier Teilen folgendermaßen kurz zusammenfassen:

1. Teil: Einordnung und Entfaltung der Fragestellung Nach einer kurzen Einleitung, in der die Problemstellung und die Ziele der Arbeit (und dabei insbesondere die Fokussierung auf berufsbedingte Verhaltensweisen) erläutert werden, beginnt die Arbeit im 1. Teil mit einer kurzen Klärung des Begriffs der „Berufsbedingtheit“ als zentralen Teils des Untersuchungsgegenstandes. Diese soll im Sinne einer ersten Annährung vorliegen, wenn das Verhalten durch den Beruf (zumindest mit-)motiviert und für die Berufsausübung typisch ist. Anschließend wird das Problem der Strafbarkeit wegen berufsbedingter Unterstützungshandlungen in den größeren Zusammenhang berufsbedingter Strafbarkeitsrisiken eingeordnet. Dabei werden zum einen Fälle „eigenständiger täterschaftlicher“ Begehung, der Unterstützung vor und nach der Tat sowie möglicher Fahrlässigkeits- und Unterlassungsdelikte durch berufliches Verhalten jeweils anhand einer Reihe von Beispielen aufgezeigt. Zum anderen wird danach gesucht, ob – und gegebenenfalls welche – Möglichkeiten einer Privilegierung beruflichen Handelns in diesen Konstellationen diskutabel erscheinen (oder gar allgemein anerkannt sind). Dabei wird deutlich, dass berufsbedingte Strafbarkeitsrisiken ein sehr weites Feld sind, und dass die Einhaltung der leges professionis vor allem dann strafbarkeitsausschließend wirken kann, wenn ihre Verletzung Anknüpfungspunkt der Sanktionierung ist, während ihr bei Verstößen gegen allgemein geltende Rechtspflichten tendenziell eher geringe Bedeutung zukommt. Allerdings wird bereits vom Gesetzgeber teilweise explizit eine darüber hinausgehende Privilegierung beruflichen Handelns ermöglicht, wenn das Strafbarkeitsrisiko hinsichtlich bestimmter Delikte sich besonders häufig aktualisieren würde, ohne dass eine entsprechende Zuständigkeit zu ihrer Verhinderung besteht (vgl. § 139 StGB). Schließlich zeigt die Einordnung in den Gesamtproblemkreis auch, dass als „Unterstützung“ fremder Straftaten nicht nur Fälle der Teilnahme (und insbesondere der im Mittelpunkt der bisherigen Diskussion stehenden Beihilfe) erfasst werden können, sondern auch Fälle der eigenständigen Begehung eines Vorsatzdeliktes trotz Abhängigkeit von fremden Straftaten sowie der fahrlässigen Erleichterung einer fremden Vorsatztat.

Gesamtzusammenfassung und Ergebnisse

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2. Teil: Bestandsaufnahme – Mittelbare Erfolgsverursachung durch sozial übliches, insbesondere berufsbedingtes Verhalten Im 2. Teil erfolgt eine ausführliche Bestandsaufnahme des bisherigen Diskussionsstandes, die nach einer knappen Skizzierung der verwendeten Methode möglichst viele Stellungnahmen nach Sachgesichtspunkten geordnet darstellt. Die unterschiedlichen Lösungsansätze werden dabei in der Prüfungsreihenfolge des herrschenden Verbrechensbegriffs nach objektiven, gemischt objektiv-subjektiven und subjektiven Modellen gegliedert. Bei der Darstellung innerhalb der einzelnen Ansätze werden deren Grundlagen kurz nachgezeichnet, ihre Konsequenzen für das vorliegende Problem skizziert sowie die dagegen in der bisherigen Diskussion vorgebrachten Einwände referiert. Auf diese Weise werden – in den Fußnoten teilweise ergänzt um ähnlich gelagerte Standpunkte aus der ausländischen Literatur – auf der Ebene des objektiven Tatbestandes der Gedanke der (sozialen bzw. professionellen) Adäquanz, die Distanzierbarkeit der Handlung vom Erfolg nach ihrem expressiven Gehalt, Begrenzungen der Strafbarkeit auf „pflichtwidriges“ Verhalten (mit sehr unterschiedlichen Details), der deliktische Sinnbezug (in der Fassung Frischs) sowie spezielle Merkmale des Beihilfetatbestandes (qualitative oder quantitative Wesentlichkeit der Unterstützung; Solidarisierung; Wahrnehmung eines Unrechtspakts durch den Täter) behandelt. Als „gemischt objektiv-subjektive Modelle“ werden insbesondere Roxins Konzept des deliktischen Sinnbezugs und der erkennbaren Tatgeneigtheit sowie die Grundsätze zur neutralen Beihilfe in der neueren Rechtsprechung des BGH dargestellt. Subjektive Modelle sind das in der reichsgerichtlichen Rechtsprechung entwickelte Erfordernis eines speziellen Tatförderwillens bei der Beihilfe, das vereinzelte Abstellen auf ein Handeln in Unterstützungsabsicht sowie die in der jüngeren Vergangenheit mehrfach vertretene Straflosigkeit bei dolus eventualis. Es folgt zuletzt ein Exkurs zum immaterialgüterrechtlichen Problem der sog. mittelbaren Patentverletzung, bei der es um die Frage geht, unter welchen Voraussetzungen ein Patentrechtsinhaber auch Ansprüche gegen denjenigen geltend machen kann, der ein unmittelbar patentverletzendes Verhalten durch die Lieferung von Zubehörteilen etc. unterstützt. Diese Diskussion zeigt nicht nur, dass es sich bei der berufsbedingten Unterstützung fremder Rechtsverletzungen um ein allgemeines Problem handelt, sondern weist auch inhaltliche Parallelen auf. Diese bestehen etwa im Zusammenspiel objektiver und subjektiver Elemente, im Spannungsverhältnis von Anpassung und Stereotypizität und in der Behandlung von handelsüblichen Massenartikeln. Der auf diese Weise referierte Meinungsstand wird anschließend einer Analyse unterzogen, an deren Ende fünf „Grundfragen“ stehen: Die „Neutralität“ eines Verhaltens, die Rechtfertigung einer Privilegierung beruflichen Verhaltens, die Legitimation und Konsequenzen staatlicher Strafandrohungen, die generellen Anforderungen an die Unrechtsbegründung eines Verhaltens und die Besonderheiten bei einem Zusammentreffen mehrerer Verursacher i.w.S. Dabei wird deutlich, dass

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Gesamtzusammenfassung und Ergebnisse

Antworten auf diese Grundfragen sich jeweils auf ganz unterschiedlichen Ebenen finden lassen, nämlich in allgemeinen nicht-dogmatischen Überlegungen ebenso wie im Verfassungsrecht und in der Strafrechtsdogmatik.

3. Teil: Grundlegungen einer eigenen Lösung Die drei zuletzt genanten Ebenen der allgemeinen, verfassungsrechtlichen und strafrechtsdogmatischen Grundlagen prägen auch das Vorgehen bei den Grundlegungen einer eigenen Lösung. Durch ihre zunehmende Spezialisierung ermöglichen sie, Lösungsgesichtspunkte auf einem sehr grundsätzlichen Niveau aufzunehmen, diese allerdings zunehmend zu verfeinern und dabei zu überprüfen sowie zu konkretisieren: Der erste Abschnitt (A) behandelt die „Allgemeinen Grundlagen“. In diesen wird zunächst der Begriff der „Neutralität“ näher geklärt. Allgemeine Überlegungen sowie Vergleiche mit der philosophischen und soziologischen Handlungstheorie (deren genuine Aufgabe die Beschreibung und Kategorisierung von Verhaltensweisen ist) zeigen dabei, dass ein Verhalten zwar immer kontextgeprägt ist, allerdings – nach sinnvoll zu wählenden Kriterien – durchaus von bestimmten, d. h. hier vor allem deliktischen Kontexten distanziert werden kann. Dies ist der Fall, wenn das Verhalten den deliktischen Erfolg nicht unmittelbar herbeigeführt hat, den unmittelbar Handelnden nicht objektiv-äußerlich dazu aufgefordert hat und es nach einer objektiven Ex-post-Betrachtung nicht an die unmittelbar verursachende Zweithandlung angepasst wurde. Bei berufsbedingtem Handeln ist die Auffüllung dieser Kriterien erheblich erleichtert, wobei freilich das Maß an Anpassung, das einer Bewertung als neutral entgegensteht, auch davon abhängt, in welchem Umfang die jeweilige Leistung üblicherweise stereotyp oder aber an die Wünsche des Kunden angepasst erfolgt. Im Anschluss werden verschiedene Ansätze zur Legitimation und zur Aufgabe staatlichen Strafens betrachtet. Ausgangspunkt bildet die herrschende Rechtsgüterschutzdoktrin, die zwar einerseits den fragmentarischen Charakter des Strafrechts betont, andererseits aber dazu führt, dass bei Verursachung einer Rechtsgutsverletzung die Begründungslast auf denjenigen übergehen kann, der die Straflosigkeit behauptet. Als alternative gesellschaftstheoretische Legitimationsmodelle werden Amelungs Theorie der „Sozialschädlichkeit“ sowie der insbesondere von Jakobs und seinen Schülern detailliert entwickelte und etwa auf soziologischen Vorarbeiten Luhmanns basierende Gedanke der kontrafaktischen Erwartungsstabilisierung skizziert und ihr über das Güterschutzdogma hinausweisendes Argumentationspotential (z. B. Berücksichtigung der sozialen Nützlichkeit der Arbeitsteilung sowie existenter gesellschaftlicher Einschätzungen bei der Auslegung) analysiert. Über das Erfordernis „positiver Legitimationsansätze“ hinaus sind aber auch Strafeinschränkungsinteressen, also „Grenzen des Strafrechts“, zu beachten. Solche sind insbesondere in Gestalt der kritischen Hinterfragung mittelbarer „Angriffs-

Gesamtzusammenfassung und Ergebnisse

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wege“ sowie der Minimierung von Sekundärschäden für die vorliegende Fragestellung besonders interessant. Die letzten „allgemeinen Grundlagen“ schließlich betreffen das Verhältnis des Strafrechts zu anderen rechtlichen sowie zu sozialen Normen. Die (scheinbare) Kollision von strafrechtlichen zu anderen rechtlichen Normen ist dadurch zu entschärfen, dass von den beiden aus den verschiedenen Vorschriften erwachsenden Verhaltensbefehlen derjenige Vorrang genießt, der für die spezielle Situation „inhaltsreicher“ ist. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die potentiell einschlägigen außerstrafrechtlichen Normen zwar i.d.R. das Lebensgebiet „berufliches Handeln“ spezieller regeln, allerdings oft nicht den tatsächlichen Eintritt einer verschuldeten Rechtsgutsverletzung vor Augen haben, welche genuiner Regelungsgegenstand der strafrechtlichen Normenordnung ist. Die gleichen Grundsätze – mit den nämlichen Einschränkungen – gelten auch für soziale Normen, bei denen jedoch zusätzlich geprüft werden muss, ob diese (etwa nach ihrer Herkunft und ihrem Verhältnis zur Strafrechtsordnung) überhaupt berücksichtigungsfähig sind. Der zweite Abschnitt (B) des 3. Teils behandelt die verfassungsrechtlichen Grundlagen. Dazu wird zunächst der grundsätzliche Nutzen verfassungsrechtlicher Erwägungen knapp dargelegt. Im Anschluss daran werden stärker formelle Probleme der Unbestimmtheit und Gesetzesbindung mit Blick auf Art. 103 II GG erörtert: Bedeutung für das vorliegende Problem haben unter den vier Garantien des „nulla-poena-Grundsatzes“ insbesondere das sog. Analogieverbot und der Bestimmtheitsgrundsatz, welche zugleich die neuralgischen Punkte dieser speziellen strafrechtlichen Gesetzlichkeitsgarantie sind. Freilich beruhen entsprechende Probleme teilweise auf Vorstellungen von der Begrenzungsfunktion natürlichen Sprechens, die – darüber besteht in der neueren Sprachwissenschaft Einigkeit – so nicht realisierbar sind. Verlangt werden kann daher „nur“, dass der „informierte“ Leser in der Lage ist, ein Strafbarkeitsrisiko vorauszusehen; das Postulat der Bestimmtheit verschiebt sich damit zur Bestimmbarkeit lege artis. Unter diesem Blickwinkel bestehen keine Bedenken gegen einen der bislang diskutierten Lösungsvorschläge. Auch der Rahmen für eigene Lösungsvorschläge ist weit gesteckt, zumal die Anforderungen bei strafbarkeitseinschränkenden Rechtsfiguren der allgemeinen Strafrechtsdogmatik noch großzügiger zu handhaben sind. Stärker inhaltlich sind die verfassungsrechtlichen Vorgaben, die aus der materiellen Grundrechtsprüfung erwachsen. Hierzu wird zunächst dargelegt, welche wichtige Bedeutung gerade eine grundrechtsorientierte Auslegung hat. Bei dieser kann auch diesseits der Grenzen „harter“ Verfassungswidrigkeit (und damit einer möglichen verfassungskonformen Auslegung i.e.S.) berücksichtigt werden, dass eine bestimmte Auslegung die Wirkkraft der Grundrechte besser oder schlechter berücksichtigt (was als systematisch-grundgesetzliche Auslegung bezeichnet werden kann). Im Anschluss wird geprüft, ob eine Pönalisierung neutraler berufsbedingter Unterstützungshandlungen den Schutzbereich des Art. 12 GG berührt. Trotz einiger auszuräumender Bedenken, vor allem hinsichtlich des sog. funktio-

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nellen Schutzbereichs, ist diese Frage im Ergebnis zu bejahen. Das macht eine Rechtfertigung des Eingriffs und damit insbesondere die Prüfung der Verhältnismäßigkeit erforderlich. Bei dieser ist bereits die Geeignetheit eines entsprechenden Verbots angesichts der u.U. leichten anderweitigen Erlangbarkeit der Leistung fraglich, aber (nicht zuletzt mit Blick auf die weite Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers) im Ergebnis zu bejahen. Allerdings kann bei der Prüfung der Angemessenheit (= Verhältnismäßigkeit i.e.S.) die vergleichsweise geringe Schutzwirkung nochmals eine Rolle spielen, insbesondere wenn zugleich der Eingriff in die Berufsfreiheit ein erheblicher ist. Für diese Erheblichkeit spielt nicht zuletzt auch die geforderte subjektive Beziehung zum Erfolg eine Rolle. Bei der Abwägung kommt schließlich der Neutralität bzw. fehlenden Anpassung eine „Hebelwirkung“ zu, da mit ihrem Zunehmen Eignung und Eingriffsintensität immer weiter auseinanderstreben und eine Sanktionierung verfassungsrechtlich immer problematischer wird. Der umfangreichste dritte Abschnitt (C) schließlich behandelt die strafrechtsdogmatischen Grundlagen, deren Bedeutung nicht nur in der größten Sachnähe, sondern auch in ihrer „Transformationsfunktion“ für die Sachargumente der vorhergehenden Ebenen liegt. Dabei werden zunächst die allgemeinen Voraussetzungen der Begründung des Unwerturteils beim vorsätzlichen Begehungsdelikt erörtert. Das beginnt mit einer Darstellung der Grundelemente des vorsätzlichen rechtswidrigen Begehungsdelikts, die insbesondere Prüfungsort und Voraussetzung ungeschriebener Zurechnungskorrektive (d. h. in der Terminologie der h. L.: vor allem der Fälle fehlender objektiver Zurechnung) näher behandelt. Darauf aufbauend wird das Verhältnis von Erfolgsunrecht und Handlungsunrecht näher entfaltet, da das vorliegende Problem vor allem als eine Frage des Letzteren einzuordnen ist. Das Handlungsunrecht des vorsätzlichen Begehungsdelikts wird dabei durch subjektive (insbesondere in Gestalt des Vorsatzes) und objektive Handlungsunrechtselemente geprägt. Letztere sind allerdings nicht völlig deckungsgleich mit denjenigen, die das Unrecht des Fahrlässigkeitstatbestandes begründen. Vielmehr sind – was gewissermaßen durch das stärkere subjektive Element kompensiert wird – beim Vorsatzdelikt deshalb etwas geringere objektive Voraussetzungen ausreichend, weil die Gefahr der Überforderung (und damit der unzumutbaren Beschränkungen der Handlungsfreiheit) geringer ist, wenn der Handelnde die jeweiligen Gefährdungen konkret und aktuell kennt. Dagegen laufen die Anforderungen bei Vorsatz- und Fahrlässigkeitsdelikten parallel, soweit Zurechnungseinschränkungen nicht mit der drohenden Überforderung, sondern z. B. mit der Selbstverantwortung des Opfers, der mangelnden objektiven Beherrschbarkeit o.ä. zu tun haben. Im Anschluss daran wird die Figur des erlaubten Risikos näher untersucht, der für die vorliegende Frage besondere Bedeutung zukommt: Zunächst stellt sich ja gerade die Frage, ob die Berufsbedingtheit des Verhaltens das – empirisch zu beurteilende und vorliegend zumeist zu bejahende – Risiko normativ erlaubt. Insoweit ist auch nicht verwunderlich, dass sich einzelne Topoi aus dem Umfeld des erlaubten Risikos als besonders vielversprechend erweisen. In der umstrittenen und bis

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heute wenig geklärten Frage, welche Bedeutung dem erlaubten Risiko beim Vorsatzdelikt zukommt, gelangt die Untersuchung zu einem differenzierenden Ergebnis: Im Regelfall des erlaubten Risikos, das die Vermeidepflicht unberührt lässt, wird eine Vorsatzstrafbarkeit nicht ausgeschlossen, soweit sichere Voraussicht des konkreten deliktischen Erfolges besteht. Gewisse Einschränkungen erscheinen dagegen bei bloßem bedingtem Vorsatz möglich. Außerdem ist der Vorsatz gänzlich unbeachtlich, wenn einer der seltenen Fälle einer noch weiter reichenden normativen Risikoerlaubnis für bestimmte formalisierte Verletzungshandlungen bzw. Angriffswege vorliegt. Wo es auf den Vorsatz ankommt, ist auch „rollenüberschreitendes Sonderwissen“ zu beachten. Der zweite Unterabschnitt der strafrechtsdogmatischen Grundlagen (C. II.) ist Problemen des Zusammentreffens mehrerer Verursacher gewidmet. Dabei wird zunächst der Frage nachgegangen, ob die bei vielen Beteiligungsformen erfolgende Zurechnung durch eine – in der Terminologie Jakobs’ – „gemeinsame Organisation“ legitimiert werden muss. Dies ist zwar zu bejahen, so dass insbesondere die willkürlich-subjektive Verknüpfung mit der Ersthandlung durch den Zweithandelnden nicht genügen kann. Von dieser Minimalvoraussetzung einmal abgesehen wird aber durch die Beschreibung der gesetzlichen Beteiligungsformen (Mittäterschaft, Anstiftung und Beihilfe) bereits hinreichend festgelegt, was der Gesetzgeber an gemeinsamer Organisation für eine Zurechnung ausreichen lassen wollte. Es geht mithin weniger um die „normative Herstellung“ von Gemeinsamkeiten, als eher um die „normative Aufhebung“ einer real und durch die gesetzlichen „Eingangsdaten“ hergestellten Gemeinsamkeit. Sodann wendet sich die Untersuchung Grundfragen der Beihilfedogmatik zu, die im vorliegenden Zusammenhang die meist diskutierte Beteiligungsform darstellt. Dabei wird der Strafgrund der Beihilfe in dem eigenständigen, aber rechtstechnisch akzessorisch gestalteten Angriff auf das geschützte Rechtsgut gesehen. Diese Erklärung vom Rechtsgüterschutz her führt dazu, dass in Fortführung und Konkretisierung der Überlegungen zur objektiven Zurechnung die Beihilfehandlung darin liegt, dass über eine weit verstandene Förderkausalität hinaus eine Risikoerhöhung durch die Beihilfehandlung stattgefunden haben muss, die sich im eingetretenen Erfolg realisiert hat. Die für diese Aussage unumgängliche vergleichende Perspektive muss – bei berufsbedingten Leistungen naturgemäß oft vorstellbare – hypothetische Ersatzursachen mit in die Bewertung einbeziehen. Allerdings ist dabei sogar in solchen Fällen, in denen die Leistung anderweitig leicht „legal“ (d. h. ohne Kenntnis des Berufsträges vom deliktischen Zweck) zu erlangen gewesen wäre, zu berücksichtigen, dass durch die Erbringung der Leistung eine Sicherung ihrer Nutzbarkeit eingetreten ist, die in gleicher Form aus den verschiedensten Gründen sonst nicht zwingend vorgelegen hätte. Die Gefahrsteigerung ist damit zwar eine geringe, aber keine generell unzureichende. Keine (eigenständige) Bedeutung kommt demgegenüber einer psychischen Beihilfe durch Bestärkung des Tatentschlusses zu. Selbst wenn man diese grundsätzlich unter engen Voraussetzungen anerkennt, ist nämlich zu beachten, dass der dafür ausschlaggebende

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expressive Gehalt neutralen berufsbedingten Handelns objektiv stets stärker durch die Berufstätigkeit als durch Sympathie mit dem Täter und seinen Taten geprägt wird. Den Schluss der Überlegungen zum Zusammenwirken mehrerer Verursacher bilden Gedanken zu den Grenzen der Verantwortung bei einem solchen Zusammenwirken, insbesondere durch den sog. Vertrauensgrundsatz. Nach einer Hinführung zu dessen Grundlagen wird auch für ihn die Frage nach der Beachtlichkeit der subjektiven Beziehung zur Tat gestellt. Während seine potentielle Anwendbarkeit bei Fahrlässigkeit ebenso wie seine Unabwendbarkeit bei sicherer Voraussicht relativ leicht und klar begründbar sind, ist bei dolus eventualis auch insoweit zu differenzieren: Wo der dolus eventualis nur auf der größeren persönlichen Vorsicht des Ersthandelnden (d. h. hier: des Berufsträgers) beruht, die sich auf generelle Risiken bezieht, ist der Vertrauensgrundsatz anwendbar. Problematischer ist dies dagegen, wenn der dolus eventualis auf einem konkreten Anhaltspunkt für eine mögliche Gefahr beruht. Hier werden verschiedene denkbare Positionen näher beleuchtet und gewürdigt, was zu dem Ergebnis führt, dass bei hinreichenden Anhaltspunkten (bzw. einem „triftigen Anlass zum Misstrauen“) eine Berufung auf den Vertrauensgrundsatz zwar ausscheidet, dass aber noch näherer Konkretisierung bedarf, wann gerade bei neutralen berufsbedingten Leistungen ein Anhaltspunkt in diesem Sinne hinreichend ist. Der letzte Unterabschnitt (III.) schließlich beschäftigt sich mit Situationen, die gegenüber den allgemeinen Überlegungen auf Grund ihrer Besonderheiten sowie der darauf zugeschnittenen Regelungen im StGB zu einer Zurechnungserschwerung oder -erleichterung führen könnten. Eine solche Erweiterung ist dabei zunächst vorstellbar, wenn auch fahrlässiges Verhalten strafbar ist. Von der geringen Zahl einschlägiger Delikte zumindest im Kernstrafrecht und der strukturellen Beschränkung auf fahrlässige Erfolgsdelikte einmal abgesehen, ist jedoch – auch ohne generelle Anerkennung eines Regressverbotes bei fahrlässigem Erst- und vorsätzlichem Zweithandeln – die Bedeutung der Fahrlässigkeitsdelikte gering. Denn die beiden zentralen Kriterien im fahrlässigen Unrechtstatbestand sind selten erfüllt. Zumeist wird es in Fällen, in denen nicht ohnehin Vorsatz nahe liegt, bereits an der Erkennbarkeit fehlen; die allgemeine Erkenntnis, dass nahezu jede Leistung theoretisch auch zum Bestandteil eines deliktischen Planes gemacht werden könnte, kann dafür nämlich nicht ausreichen. Wo dies einmal der Fall ist, muss eine Sorgfaltspflichtverletzung hinzukommen, die auch wieder allenfalls bei einem konkreten Anhaltspunkt für die Begehung der Tat bejaht werden kann. Dagegen führt es strukturell eher zur Verengung der Verantwortlichkeit, wenn kein Tun, sondern ein bloßes Unterlassen vorliegt, welches zur Begründung einer Strafbarkeit stets noch einer Garantenstellung bedarf. Obwohl in den vorliegend interessierenden Fällen zumeist ein Element der „Nichtdifferenzierung bei der Leistung“ vorliegt, kann der Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit nur ausnahmsweise dort gesehen werden, nämlich wenn durch ein einheitliches, an sich sozial nützli-

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ches aktives Handeln gleichzeitig eine Vielzahl von Kunden erreicht wird und die legale Nutzung der aktiven Handlung zahlenmäßig stark überwiegt (insbesondere also bei automatisierter Leistungserbringung sowie beim Zur-Verfügung-Stellen von missbrauchten Infrastrukturen). Die dann erforderliche Garantenstellung liegt in den hier interessierenden Fällen regelmäßig nicht vor. Insbesondere ist eine Ingerenz selbst dann abzulehnen, wenn man beim Handeln im erlaubten Risiko dafür keine Pflichtwidrigkeit des Vorverhaltens verlangt; denn diese Argumentation hat ersichtlich Leistungen vor Augen, die als solche gefahranfälliger sind als in den meisten hier einschlägigen Fällen. Von den aus dem StGB selbst diskutierten überlagernden Schutzpflichten für das betroffene Rechtsgut wird nur den (regelmäßig nicht bestehenden, vgl. o., aber „zufällig“ vorstellbaren) Garantenpflichten eine verantwortungsbegründende Funktion eingeräumt. Dagegen kommt entgegen einer in der Literatur vielfach vertretenen Ansicht den §§ 138, 323c StGB keine „Vorwertung“ zu, die eine spezielle Verantwortung für das Rechtsgut entfalten könnte.

4. Teil: Synthese – Strafbarkeit berufsbedingter Unterstützungshandlungen Der 4. Teil schließlich beinhaltet im engeren Sinne die Entwicklung eigener Lösungsgrundsätze auf der Basis insbesondere der Grundlegungen im 3. Teil sowie deren Exemplifizierung und Konkretisierung anhand einer Vielzahl unterschiedlicher Felder beruflichen Handelns: Um den Rückgriff auf die Ergebnisse des 3. Teils zu erleichtern und zu fundieren, wird im ersten Abschnitt (A) in einer Querschnittsanalyse insbesondere nach den „Leitgesichtspunkten“ gesucht, die sich in unterschiedlicher Gestalt durch alle drei Ebenen und teilweise sogar bereits durch die beiden ersten Teile der Untersuchung gezogen haben. Als solche haben sich neben dem weiten Rahmen, innerhalb dessen sich lege artis vertretbare und überzeugende Lösungen bewegen können, vor allem das Zusammenspiel von objektiven und subjektiven Aspekten, die Möglichkeit einer jeweils unterschiedlichen Betrachtungsweise und der damit verbundenen Begründungslasten, das Verhältnis von Freiheitseingriffen und Rechtsgutserhaltungseignung sowie die Abwägung zwischen ihnen und zuletzt die Suche nach normativen Risikoerlaubnissen und -verboten erwiesen. Die eigentlichen Lösungssätze werden im zweiten Abschnitt (B) entwickelt. Da die vorangegangen Überlegungen an verschiedenen Stellen gezeigt haben, dass jede Formulierung allgemeiner Grundsätze unter dem Vorbehalt von risikoregelnden Sondernormen stehen muss, werden zunächst einige allgemeine Überlegungen für verantwortlichkeitsbeeinflussende Sondervorschriften angestellt. Dabei wird betont, dass die Bedeutung von (privilegierenden oder aber verantwortungsmitbegründenden) Sondernormen immer davon abhängt, wie bestrafungsfreundlich 34 Kudlich

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oder -feindlich die allgemeine Konzeption gewählt wurde. Als Anforderungen werden für verantwortungsmitbegründende Vorschriften die (bezweckte und nicht nur als Reflex wirkende) spezielle Zuständigkeit für die Unversehrtheit des Rechtsgutes und für besondere Risikoerlaubnisse die Verantwortungsfreistellung gerade auch bei tatsächlichen Schadenseintritten genannt. Im Anschluss werden die Lösungsgrundsätze für vorsätzliche und fahrlässige Unterstützungshandlungen erarbeitet. Für die (insbesondere in Gestalt der Beihilfe) im Mittelpunkt der Diskussion stehenden vorsätzlichen Unterstützungshandlungen werden jeweils für objektive wie für subjektive Zurechnungskorrektive die Lösungsregeln formuliert, begründet und kurz gegen ausgewählte abweichende Ansätze verteidigt. Da die grundsätzlichen Überlegungen auch für das Fahrlässigkeitsdelikt von Bedeutung sind, werden deren Lösungsregeln nur abschließend kurz zusammengefasst. Der dritte Abschnitt (C) schließlich behandelt eine Reihe von berufsbedingten Handlungen, um die Lösungsgrundsätze (sowie insbesondere die Bedeutung von Sondernormen) zu exemplifizieren, weiter zu konkretisieren und ihre Überzeugungskraft zu überprüfen. Auf Grund der vielfältigen Überschneidungen und Verzahnungen kann diese Behandlung nicht völlig homogen nach Berufsfeldern, Handlungen oder bedrohten Rechtsgütern erfolgen, sondern muss diese Aspekte teilweise mischen. Insbesondere in wissenschaftlich bereits intensiv behandelten Bereichen (wie etwa der Verantwortlichkeit des Steuerberaters) kann dabei naturgemäß keine umfasssende Darstellung der damit zusammenhängenden Probleme erfolgen. Es wird aber jeweils versucht, einige wichtige Strukturen aufzuzeigen und diese speziell mit der vorliegend behandelten Thematik in Beziehung zu setzen. In diesem Sinne werden die Bereiche Herstellung und Vertrieb von Sachen, Personen- und Gütertransport, rechtsanwaltliche Auskunft, Beratung und Gestaltung, steuerberatende Tätigkeiten, notarielle Tätigkeiten, ausgewählte Problemfelder im Bankenbereich sowie schließlich Verantwortungsstrukturen im Druckgewerbe und beim Internet-Providing untersucht. Es folgen Überlegungen zu drei übergreifenden, praktisch in all den genannten Bereichen vorstellbaren Problemen: Zur Erfüllung von bestehenden zivilrechtlichen Verpflichtungen, zur Ermöglichung der Steuerhinterziehung durch geschäftliche Kontakte sowie zu Tätigkeiten im Arbeitnehmerverhältnis. Den Abschluss bilden knappe vergleichende Überlegungen zu den verschiedenen untersuchten Fallgruppen.

II. Überblick über die wichtigsten Ergebnisse Die hier vertretenen Ergebnisse zu verschiedenen „Vorfragen“ (etwa zur Eröffnung des Schutzbereiches des Art. 12 I GG oder zur Bedeutung von erlaubtem Risiko und Vertrauensgrundsatz bei verschiedenen Arten vorsätzlichen Handelns) wurden bereits im vorangegangenen „Gang der Darstellung“ nochmals mitgeteilt. Im Rahmen des vorliegenden „Überblicks über die wichtigsten Ergebnisse“ sollen daher nur die wichtigsten in der Querschnittsanalyse im 4. Teil gefundenen Leitge-

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sichtspunkte sowie die eigentlichen Lösungsregeln – jeweils auch unter Berücksichtigung ihrer Konkretisierung in der abschließenden Exemplifizierung – noch einmal kurz zusammengestellt werden:

1. Leitgesichtspunkte a) Die vorliegende Problematik ist in hohem Maße durch ein Zusammenspiel objektiver und subjektiver Elemente bestimmt, und zwar sowohl bei der Problembeschreibung als auch bei der allgemeinen Betrachtung denkbarer Lösungsgesichtspunkte. Insoweit ist nahe liegend, dass auch objektive, subjektive oder – vielleicht sogar am ehesten – gemischt objektiv-subjektive Lösungsgesichtspunkte eine Rolle spielen. b) Bei verschiedenen Betrachtungsmöglichkeiten eines Geschehens ist für die strafrechtliche Bewertung zunächst einmal diejenige zu wählen, die einen Zusammenhang zu einer festgestellten Rechtsgutsverletzung (insbesondere auf Grund der Kausalität des Handelns) potentiell möglich erscheinen lässt. Die Wahl einer anderen Perspektive ist eine begründungsbedürftige Ausnahme, für welche inhaltsreichere Regelungen als die des StGB sprechen müssten. Ist die zu beachtendende Verursachungshandlung vorsätzlich oder fahrlässig erfolgt, trägt wiederum derjenige die Begründungslast, der eine Durchbrechung des durch die schuldhafte Verursachung geschaffenen Zusammenhang behauptet. c) Die durch eine Verhaltenssanktionierung betroffenen Freiheiten – hier insbesondere die Berufsfreiheit – sind bei der Auslegung der Strafnormen (als Gegeninteressen zum geschützten Rechtsgut) zu berücksichtigen, was zumindest in Grenzbereichen zu Abwägungen im Einzelfall führen kann. In diese Freiheiten wird umso weniger eingegriffen (und die Gefahr einer „Überforderung des Bürgers“ ist dementsprechend umso geringer), je weniger weit objektiv das erfasste Verhalten reicht und je höhere Anforderungen an die subjektive Beziehung zu einer drohenden Rechtsgutsverletzung gestellt werden. Die als Ausgleich für solche Rechtseingriffe wichtige Eignung einer Sanktionierung zum Rechtsgüterschutz muss bei der Rechtsanwendung im Einzelfall jedenfalls auch anhand von hypothetischen Kausalverläufen bewertet werden, soweit es um die Frage einer Erhöhung der Gefahr geht. d) Mit Blick auf die Gesellschaft sind negative Sekundär-Folgen möglichst zu vermeiden, insbesondere das Entstehen einer Misstrauensgesellschaft. Diese droht umso weniger, je geringer die „Breitenwirkung“ von Verboten ist, d. h. je weniger Handlungen auch nur ein Strafbarkeitsrisiko bergen (insbesondere, wenn sie tatsächlich kein deliktisches Verhalten unterstützen). Beeinflussbar ist dies über die selben objektiven (z. B. Grad der folgenlosen Anpassung des Verhaltens) und subjektiven (z. B. Erfordernis eines bestimmten Vorsatzgrades) Kriterien wie die individuelle Gefahr der Überforderung des Einzelnen. 34*

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e) Spezielle, d. h. über allgemeine Grundsätze hinausgehende, Risikoerlaubnisse und -verbote sind durchaus vorstellbar. Allgemeine Lösungssätze stehen daher unter einem allgemeinen Vorbehalt anderslautender Risikoerlaubnisse bzw. -verbote und damit insbesondere verantwortungsbeeinflussender Sondervorschriften im Einzelfall. Ob allerdings tatsächlich eine – auf den ersten Blick vielleicht als solche erscheinende – Risikoregel vorliegt, ist ebenso genau zu prüfen wie bejahendenfalls seine Reichweite. Insbesondere Risikoerlaubnisse, die nicht auf gesetzlichen Grundlagen beruhen, sind auf Grund der Steuerungsfunktion des (Straf-)Rechts nur zurückhaltend anzuerkennen.

2. Lösungsregeln Für die Unterstützung fremder vorsätzlicher Straftaten durch im hier verstandenen Sinne neutrale Handlungen gelten folgende Grundsätze: a) Allgemeine Lösungsregeln zur Behandlung neutraler berufsbedingter Unterstützungshandlungen stehen unter dem Vorbehalt spezieller Risikoerlaubnisse oder Risikoverbote durch schutzbereichsrelevante Sondernormen. Verantwortungsbegründend können Vorschriften wirken, die situationsabhängig oder zumindest auch in der konkreten Situation eine Verpflichtung enthalten, für die Unversehrtheit des Rechtsgutes einzustehen. Privilegierend können dagegen Vorschriften wirken, die den Berufsträger von einer Verantwortung freistellen und ihm Sondererlaubnisse für bestimmte (formalisierte) Angriffswege auch im Falle eines Schadenseintritts gewähren. b) In Fällen vorsätzlicher Unterstützungshandlungen ist davon auszugehen, dass auch neutrale berufsbedingte Verhaltensweisen grundsätzlich als objektive Tathandlung einer Beihilfe oder anderer Vorsatzdelikte in Betracht kommen können. Ein genereller Ausschluss des objektiven Tatbestandes erfolgt mithin nicht. Allerdings ist bereits der objektive Tatbestand insbesondere ausgeschlossen, wenn – nach allgemeinen Grundsätzen eine beihilferelevante Förderung der Tat fehlt, insbesondere bei nur willkürlicher Verknüpfung der Tat mit der Leistung des Berufsträgers durch den Zweithandelnden, – der Berufsträger ausschließlich an der Entstehung des später vom Täter beeinträchtigten Rechtsgutes mitwirkt, – der Berufsträger eine bereits wirksam und konkret bestehende zivilrechtliche Verpflichtung erfüllt, oder wenn – nach dem Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit nur ein Unterlassen des nicht garantenpflichtigen Berufsträgers in Frage steht.

Der Berufsträger ist jedoch nur strafbar, wenn er hinsichtlich des späteren Taterfolges entweder mit dolus directus (I. oder II. Grades) handelt oder aber sein Eventualvorsatz auf konkrete Anhaltspunkte nicht nur für die deliktischen Pläne

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des Täters (bzw. seine „Tatgeneigtheit“), sondern spezifisch auch für die deliktische Verwendung gerade der beruflichen Leistung beruht. c) Dagegen kommt es auf den Zeitpunkt, in dem sich die Unterstützungshandlung auswirkt, und auf die Frage, ob die Leistung zusätzlich auch legal nutzbar ist, nicht entscheidend an. Auch außerhalb des Bereichs neutralen Verhaltens (d. h. insbesondere bei rollenüberschreitender Anpassung an die deliktischen Pläne des unmittelbaren Verletzers, was nicht notwendig direkten Vorsatz erfordert) tritt keine privilegierende Wirkung ein, selbst wenn das Verhalten noch als berufsbedingt eingeordnet werden kann. d) Neutrales berufsbedingtes Handeln begründet – vorbehaltlich spezieller verantwortlichkeitsmitbegründender Sonderregelungen – nur dann eine Fahrlässigkeitsstrafbarkeit, wenn für den Berufsträger auf Grund von triftigen Anhaltspunkten vorhersehbar war, dass gerade seine berufliche Leistung vom unmittelbaren Verletzer zum Bestandteil seines deliktischen Planes gemacht wird. Nach allgemeinen Grundsätzen ist darüber hinaus eine Fahrlässigkeitsstrafbarkeit durch berufliches Handeln regelmäßig nur bei fahrlässigen Erfolgsdelikten möglich. e) Ist nach den bisherigen Regelungen der Tatbestand nicht ausgeschlossen, kommt auch nur ausnahmsweise eine Rechtfertigung, insbesondere unter dem Gesichtspunkt des § 34 StGB, in Betracht. Ein möglicher (aber selten zu bejahender) Anwendungsfall dieser Vorschrift kann das Handeln als Arbeitnehmer sein, weil bei der umfassenden Interessenabwägung auch die oftmals geringe Rechtsgutserhaltungseignung einer „Arbeitsverweigerung“ und der nur sehr „mittelbare“ Angriff auf das geschützte Rechtsgut zu berücksichtigen sein können.

III. Resümee Die strafrechtliche Verantwortung für berufsbedingte Unterstützungshandlungen ist ein Problem. Dass ein allein auf Kausaldogma und traditionellen Vorsatzbegriff gestützter „spontaner dogmatischer“ Zugriff die betroffenen Interessen nicht erschöpfend berücksichtigt und offenbar auch das Rechtsgefühl nicht befriedigt, belegt die in dieser Arbeit umfänglich nachgewiesene Diskussion. Dass es sich dabei nicht nur um dogmatische Glasperlenspiele handelt, beweist gerade in der jüngsten Vergangenheit die mehrfache Beschäftigung mit der Frage durch die höchstrichterliche Rechtsprechung (die im Übrigen möglicherweise auch Katalysatorwirkung für die Strafverfolgungspraxis und die Instanzenrechtsprechung haben könnte). Dass es schließlich um kein „hausgemachtes“ (und von der Rechtsprechung vorschnell rezipiertes) Problem der als detailverliebt bekannten deutschen Strafrechtswissenschaft geht, ist nicht nur in einzelnen Nachweisen zur Diskussion im Ausland, sondern vor allem durch den Exkurs zu einem Parallelproblem im Immaterialgüterrecht unter dem Stichwort der mittelbaren Patentverletzung deutlich geworden.

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Eine überzeugende Lösung zu finden ist schwer – eine allseits akzeptierte wahrscheinlich sogar unmöglich: Die Schwierigkeiten beginnen im Tatsächlichen damit, dass ganz unterschiedliche, vielfach nur in dogmatisch schwer einzuordnenden Sachverhaltsdetails voneinander abweichende Konstellationen betroffen sind, für die man „gefühlsmäßig“ oft in unterschiedliche Richtungen tendieren mag. Sie setzen sich im Strafrechtstheoretischen fort, da die zentrale Frage nach der „Zuständigkeit“ für rechtsgutsverletzendes Verhalten Dritter maßgeblich davon abhängt, ob man etwa Individuum oder Gesellschaft, Selbstverantwortung oder Rechtsgüterschutz, ontologische oder normative Zusammenhänge in den Vordergrund stellt. Und sie enden im Dogmatischen, wo zahlreiche zwar verwandte, aber doch unterschiedliche Grundsätze aus den Bereichen der Zurechnungs- und der Teilnahmelehren zusammenwirken. Angesichts dieser Situation wurde in der vorliegenden Untersuchung besonderer Wert darauf gelegt, die eigenen Lösungsvorschläge möglichst breit zu fundieren und ihre Wertungen offen zu legen. Nur auf diese Weise können sie auch demjenigen einen Nutzen bringen, der einzelne Entscheidungen so nicht mittreffen will und deshalb bestimmte Folgerungen nicht mitziehen kann. Wichtige Fixpunkte sind dabei die Vorstellung eines am Rechtsgüterschutz ausgerichteten Strafrechts einerseits, der Schutz des Bürgers vor einer Überforderung dadurch andererseits. Denn natürlich dürfen Strafbarkeitsrisiken den Leistungsaustausch in einer arbeitsteiligen Gesellschaft nicht zum Erliegen bringen. Allerdings ist in einer Gesellschaft, in der die informelle Sozialkontrolle unverkennbar abnimmt und die rücksichtslose Verletzung fremder Interessen zunehmend enttabuisiert wird, das Recht auch aufgerufen, dafür zu sorgen, dass das Unterlassen der Mitwirkung an der Verletzung Dritter keine nur ausnahmsweise zu erwartende Solidaritätsleistung ist, sondern die Regel bleibt, für deren Durchbrechung bessere Gründe als ein „Was geht es mich an?“ angegeben werden müssen. Was die Ergebnisse angeht, so liegt die hier entwickelte Lösung, die für eine Vorsatzstrafbarkeit entweder unbedingten Vorsatz oder aber bei bedingtem Vorsatz „triftige Anhaltspunkte“ für die deliktische Verwendung gerade der erbrachten Leistung selbst verlangt, vielfach nahe bei solchen Modellen, welche die Grenzlinie überhaupt beim direkten Vorsatz ziehen wollen. Insoweit ist zwar mit Blick auf eine praktische Umsetzung zu konzedieren, dass der Nachweis positiver Kenntnis von den Plänen des Täters bzw. sicherer Voraussicht des Erfolges im Prozess regelmäßig schwer zu führen sein wird. Das ist allerdings – zumindest gegenüber der neueren Praxis des BGH und all den Stimmen in der Literatur, die ebenfalls besondere Folgen an das Vorliegen von dolus directus knüpfen – kein zusätzliches Manko; denn auch für sie ist der Nachweis des direkten Vorsatzes prozessual von Bedeutung. Darüber hinaus bilden die prozessualen Nachweisanforderungen in der Praxis auch ein gewisses Korrektiv für die – gegenüber manchen anderen Modellen – weniger weit reichenden (objektiven) Privilegierungen und beugen zugleich einer Vorsatzstrafbarkeit in Fällen vor, die eigentlich näher beim Fahrlässigkeitsvorwurf liegen.

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Damit bleiben für die praktische Anwendung oft nur Situationen übrig, in denen ein enger zeitlicher Zusammenhang und / oder ein „drastischer deliktischer Kontext“ vorliegen und die auch nach stärker objektiv privilegierenden Ansätzen eine Strafbarkeit begründen könnten. Insofern müsste der vorliegend vertretene, gemischt objektiv-subjektiv ausgerichtete Ansatz in den Ergebnissen seiner praktischen Umsetzung vielfach auch für die Befürworter stärker objektiv-normativierender Konzeptionen konsensfähig sein. Nun mögen diese Übereinstimmungen zu der provozierenden Frage verführen, welcher Ansatz die „richtigen“ Ergebnisse tatsächlich begründen kann und welcher von einem „falschen“ Ansatzpunkt aus nur „zufällig“ auf Grund des Rechtsgefühls auf diese Ergebnisse stößt. Doch dürfte die Frage so falsch gestellt sein: Näher liegt wohl, dass eine Reihe von Sachargumenten sich zwar nicht immer, aber eben oft letztlich „durchsetzt“, ganz gleich auf welcher Ebene man die Abgrenzung trifft. Über die größere Überzeugenskraft entscheiden dann eher die Fälle, in denen die Ansätze gleichwohl zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen. Wesentliches Anliegen dieser Untersuchung ist es gewesen, gerade auch für solche Fälle Lösungen anbieten zu können, die nicht nur systematisch stimmig, sondern auch praktisch handhabbar und für den rechtsunterworfenen Bürger akzeptabel sind – ganz gleich, ob als Opfer, als Täter oder als sonstiger Adressat einer generalpräventiven Strafrechtsordnung.

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Sachverzeichnis Absicht 181, 459 Amtsträger, im Umweltstrafrecht 54, 60 Angemessenheit der Strafdrohung 102 Angriffswege s. u. Rechtsgüterschutz Anpassung des Verhaltens an deliktische Zwecke 88 ff., 102, 112, 131, 140, 151, 154, 182, 184 f., 187, 454 Anstiftung 44 f., 444 Antiblitzfolie 44 f. Antilopenfleisch 125 anwaltliches Handeln 138 f. s.a. rechtsanwaltliches Handeln Arbeitnehmer, Tätigkeiten des 514 ff. – Außenverhältnis 515 – Direktionsrecht 516 – Innenverhältnis 515 ff. – Notstand 517 f. – Rechtfertigung 517 f. Arbeitsteilung 19 Argumentationslast 234, 427 ff., 430, 432 s.a. Begründungslast Arzt 35, 37, 53, 59, 60, 287, 342 Aufwendungsersatz 22 f. Aushilfstätigkeit 27 ausländisches Recht 73 f., 116, 125 Aussagedelikte 344 Austauschgeschäfte des täglichen Lebens 88, 102, 103 Bankenentscheidung 133 Bankentätigkeit 84, 491 ff. – anonymisierte Kapitaltransfers 491 f. – Auszahlungen von Geld 495 ff. – ordnungsgemäße Buchungen 492 ff. Begründung des Unwerturteils (insb. beim vorsätzlichen Begehungsdelikt) 306 ff. – Erfolgsunrecht und Handlungsunrecht 317 ff. – Finalismus 309 f.

– Grundelemente tatbestandsmäßigen Verhaltens 308 ff. – Handlungsunrecht s.d. – objektive Zurechnung s.d. – Rechtswidrigkeit 314 ff. Begründungslast 427 ff. Beihilfe 359 ff. – Gefahrsteigerung ex ante und ex post 364 – Kausalität 361 ff. – objektive Zurechnung 364 ff. – psychische s. psychische Beihilfe – Schuldteilnahmetheorie 359 – Strafgrund 359 ff. – Teilnehmerdelikt, Theorie vom 359 – Verursachungstheorie 360 – willkürliche Verknüpfung der Täterhandlung 365 – Zeitpunkt der B. 456 ff. Beratung, rechtsanwaltliche 480 ff. – Steuerberatung 484 ff. Beruf s. berufsbedingtes Verhalten; s. Berufsbegriff; s. Berufsfreiheit berufsbedingtes Verhalten 30 ff. – angepasstes Verhalten 454 – ausländisches Recht 73 f. – berufsbedingtes Unterlassen i.e.S. 62 – Berufsfreiheit 22 – Beschränkung der Untersuchung auf 21 ff. – Handeln bei Gelegenheit der Berufsausübung 32 – Konkretisierung der Neutralität 180 ff., 184 ff. – Meinungsstand 68 ff. – und Neutralität 23 – objektive Lösungsmodelle 75 ff. – phänomenologische Einordnung 25 ff. – Privilegierung gegenüber privatem Handeln 142, 156, 166

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Sachverzeichnis

– Strafbarkeitskorrektive (gemeinsame Strukturen) 64 ff. – Strafbarkeitsrisiken 33 ff., 64 s.a. Berufsbegriff Berufsbegriff 26 ff. – verfassungsrechtlicher 27 ff., 278 ff. s.a. berufsbedingtes Verhalten Berufsfreiheit – berufsregelnde Tendenz strafrechtlicher Verurteilungen 282 ff. – funktioneller Schutzbereich 282 ff. – Gemeinschaftsschädlichkeit 278 f. – mittelbare und unmittelbare Eingriffe 284 – Reichweite 278 ff. – Schutz der 274 ff. – Vergleichsbasis, phänomenologisch oder rechtlich verallgemeinernd 280 f. – Verhältnismäßigkeit der Einschränkungen s.d. berufsregelnde Tendenz bei Eingriffen in Art. 12 GG 282 f. berufstypische Verhaltensanforderungen 36 ff. Bestimmtheit 127 Betrachtungsweise, zutreffende 427 ff. – Konkurrenz paralleler Bewertungsmaßstäbe 431 f. – Weite der Perspektive 429 ff. Bewertungskonflikt kollidierender Normen 220 BGH, Lösung des 127 ff. – Bankenentscheidung 128, 133 – Entwicklung der Rechtsprechung 130 ff. – Jahresbefehlentscheidung 128, 134 – Kritik 135 ff. – neuere Entscheidungen 127 ff. – Rechtsanwaltentscheidung 128, 132 f. Bierlieferung 42 Bordell, Belieferung eines 120 f., 140 Breitenwirkung des Verhaltens 204 f. deliktischer Kontext, drastischer 89 deliktischer Sinnbezug (nach Frisch) 99 ff. – Entwicklung 100 ff. – Kritik 104 ff. – Risikoschaffung, missbilligte 100 ff. – Verdichtung der Gefahr 101 – Vorwertungen der §§ 138, 323c StGB s.d.

deliktischer Sinnbezug (nach Roxin) 403, 455 – Entwicklung 119 – Kenntnis, positive 122 – Kritik 122 ff. – Tatgeneigtheit, erkennbare 123 Distanzierbarkeit vom Erfolg 86 ff. – Entwicklung 86 ff. – Kritik 90 ff. Doktorarbeit, illegale Mithilfe an 43, 140 dolus eventualis 96 f., 131 f., 459 ff. – Straflosigkeit bei 142 ff. dolus malus 463 ff. drohende Überforderung s. Überforderung, drohende Druckgewerbe 497 ff. – Beteiligungsformen 497 ff. – Pressefreiheit 499 f. – Pressegesetze als Sonderregelungen 500 f. eigenständige Tatbegehung 34 ff., 55 f. – täterschaftliche 34 ff. – trotz Abhängigkeit von fremdem deliktischem Verhalten 39 ff., 56 Erfüllung von zivilrechtlichen Verbindlichkeiten 508 ff. – Kenntnis zur Zeit des Vertragsschlusses 510 – Sittenwidrigkeit 510 – Verbotsgesetz 509 Ergebnisse der Untersuchung 521 ff. erkennbare Tatgeneigtheit 123 erlaubtes Risiko s. Risiko, erlaubtes Exemplifizierung der Lösungsregeln 467 ff. – Bankentätigkeit 491 ff. – Druckgewerbe 497 ff. – Erfüllung von Verbindlichkeiten 508 ff. – Herstellung und Vertrieb von Sachen 468 ff. – Internetproviding 501 ff. – notarielle Tätigkeiten 488 ff. – Personen- und Gütertransport 473 ff. – rechtsanwaltliches Handeln 476 ff. – Steuerberatung 484 ff. – Steuerhinterziehung 511 ff. – Tätigkeiten als Arbeitnehmer 514 ff. – Verbindlichkeiten, Erfüllung von 508 ff.

Sachverzeichnis expressiver Gehalt s. Distanzierbarkeit vom Erfolg; s. u. psychische Beihilfe Fahrlässigkeitsstrafbarkeit 53 ff., 102, 121, 390 ff. – Erkennbarkeit des Erfolges 398 f. – Interaktion mit Dritten 403 f. – objektive Zurechnung 399 ff. – Sorgfaltspflichtverletzung 392 ff. – Verletzung von Sondernormen 400 f. – Verletzung von Sozialnormen 401 f. – Voraussetzungen 390 ff. – Vorhersehbarkeit des Erfolges 398 f. Fein- und Grobkörnigkeit der Handlungsbetrachtung 177 f. Finalismus 309 f. Flüssigzucker 42 Geeignetheit der Strafdrohung 102, 105 f. Gefahrsteigerung, ex ante und ex post bei der Beihilfe 364 Geldwäsche 48 ff. – durch Entgegennahme von Verteidigerhonorar 50 ff., 288 f. gemeinsame Organisation 351 Gemeinschaftsschädlichkeit als Grenze der Berufsfreiheit 29, 278 f. Gemeinschaftsverhältnis, kriminelles 92 gemischt objektiv-subjektive Lösungsmodelle 118 ff. – Bedeutung der „Zwischenkategorie“ 118 – deliktischer Sinnbezug (nach Roxin) 119 ff. – Kollisionen und Kooperationen (nach Tag) 124 ff. – Rechtsprechung des BGH 127 ff. Gesamtrechtsordnung, Stellung des Strafrechts in der 215 ff. gesellschaftstheoretische Ansätze zur Legitimation staatlichen Strafens 198 ff. – Breitenwirkung eines Verhaltens 204 f. – Konsequenzen für das Problem neutraler Unterstützungshandlungen 203 ff. – kontrafaktische Stabilisierung von Verhaltenserwartungen (Jakobs) 200 ff. – Sozialschädlichkeit (Amelung) 199 f.

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– Verhältnis zum Rechtsgüterschutzkonzept 202 f. Gesetzlichkeitsprinzip, strafrechtliches 246 ff. – im Allgemeinen Teil 259 ff. – Analogieverbot 253 f. – Anforderungen an die Rechtsfindung 250 ff. – Auslegung 258 – Ausprägung 248 – Bestimmtheit und Bestimmbarkeit 257 ff. – Bestimmtheitsgebot 251 f. – Entwicklung 246 f. – Funktion 247 ff. – lex certa 251 f. – lex stricta 253 f. – Sprache, natürliche s.d. – und Straffreistellungsgründe 265 ff. – Verhältnis zur Methodenlehre 249 ff. Gesinnungsstrafrecht, Gefahr des 141, 145, 157 Grundfragen, Rückführung der Diskussion auf 165 ff. – Legitimation staatlicher Strafandrohung 167 – Neutralität 166 – Privilegierung beruflichen Verhaltens 166 – Unrechtsbegründung 167 – Verortung im Gesamtkontext 168 f. – Zusammentreffen mehrerer Verursacher 167 f. Grundrechte – als Maßstab für Strafnormen 276 f. – systematisch-grundgesetzliche Auslegung 272 ff. s.a. Verfassungsrecht Handeln 175 ff. – affektuelles 179 – Ausdehnung 175 ff. – fein- und grobkörnige Betrachtung 177 ff. – pattern variables 179 – traditionales 179 – wertrationales 179 – zweckrationales 179 Handlung s. Handeln Handlungsbegriff 26 Handlungsentschluss, vorgefasster 185

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Sachverzeichnis

Handlungsfreiheit und Kollisionen 124 Handlungsunrecht 319 ff. – Fahrlässigkeit als Element des Vorsatzdeliktes 323 ff. – Gefahrschaffung 320 ff. – missbilligenswerte Verhaltenselemente 322 ff. – objektive Elemente 319 ff. – Überforderung, drohende 326 ff. – Zusammenwirken von objektiven und subjektiven Elementen 330 ff. Hehlerware, Transport von 43 Herstellung des geschützten Rechtsguts 450 f., 494 f., 513 Herstellung und Vertrieb von Sachen 468 ff. – Antilopenfleisch 469 – automatisierter Verkauf 470 – Gefahrsteigerung, Fehlen von 471 – Patentverletzung, mittelbare 472 f. – Schraubenzieher 469 – Verstoß gegen Sondernormen 473 – Winzer 469 Holismus, semantischer 256 hypothetische Reserveursachen 92, 110, 366 ff. – Feststehen der Leistungserbringung 368 f. Idealfahrer 325 illegale Inhalte im Internet s. Internet Immaterialgüterrecht s. Patentverletzung, mittelbare Individualisierungsgrad beruflicher Leistungen 186 f. Inhaltsreichtum, größerer 217 ff. – Konsequenzen für das Problem berufsbedingter Unterstützungshandlungen 222 ff. – rechtsstaatliche Normenhierarchie 221 f. – soziale Normen 235 f. Integrationswirkung des Strafrechts 202 Interaktionsverhältnis 93 Internet 39 ff., 54, 76, 408 f., 501 ff. Internetproviding 501 ff. – Access-Providing 504 f. – Beteiligungsformen 502 – Caching 505 – Content-Providing 503

– Entwicklung der Rechtslage 502 f. – Hosting 504 Jahresbefehlentscheidung 134 Kausalität – Beihilfe 361 ff. – hypothetische 92, 110, 366 ff. Kenntnis, positive 122, 125, 131, 150, 459, 507 Kollisionen und Kooperationen (nach Tag) 124 ff. – Entwicklung 124 f. – Kritik 126 f. kontrafaktische Stabilisierung von Verhaltenserwartungen 87 f.; 200 ff. Lebensbedürfnisse, grundlegende 96, 98 Lebensgrundlage, Schaffung und Erhaltung einer 28 Legitimation staatlichen Strafens 188 ff. – gesellschaftstheoretische Ansätze s.d. – Rechtsgüterschutz s.d. – Strafzwecklehre, Abgrenzung zur 188 ff. Lehrer 61 Leitgesichtspunkte der eigenen Lösung 424 ff. – äußerer Rahmen 425 ff. – Freiheitseingriffe und Rechtsgutserhaltungseignung 433 ff. – inhaltliche Leitgesichtspunkte 427 ff. – normative Risikoerlaubnisse und -verbote 436 ff. Lösungsmodelle – gemischt objektiv-subjektive Lösungsmodelle s.d. – Grundlegungen des eigenen L. 170 ff. – objektive Lösungsmodelle s.d. – strafbarkeitseinschränkende Gesichtspunkte 153 ff. – subjektive Lösungsmodelle s.d. – zusammenfassende Analyse 152 ff. Lösungsregeln – Exemplifizierung der L. 467 ff. – fahrlässige Unterstützungshandlungen 465 ff. – objektive Zurechnungskorrektive 448 ff. – subjektive Zurechnungskorrektive 458 ff.

Sachverzeichnis – verantwortlichkeitsbeeinflussende Sondervorschriften 439 ff. – vorsätzliche Unterstützungshandlungen 443 ff. mehrere Verursacher, Zusammentreffen von s. Zusammentreffen mehrerer Verursacher Mietwucher 43 missbilligtes Verhalten 322 ff. Misstrauensgesellschaft, Gefahr einer 101, 155 Mittäterschaft 444 mittelbare Patentverletzung s. Patentverletzung, mittelbare natürliche Sprache s. Sprache, natürliche Neutralität 133, 137, 150 f., 159 f., 172 ff. – Absicht, koordinierende 181 – Abstrahierbarkeit von Kontexten 173 f. – Etymologie 173 – ex-post-Betrachtung 182 – Handlungsbegriff s. Handeln – hypothetische Reserveursache 160 – Konkretisierung bei Berufsbedingtheit 180 ff., 184 ff. – Kontextualisierung 174 – Neutralitätsbegriff, Entwicklung eines 180 ff. – pattern variables 179 – philosophische Handlungstheorie 176 ff. – soziologischer Handlungsbegriff 178 ff. – vornormative Betrachtung 174 Nichtanzeigen geplanter Straftaten 57 ff. s.a. Vorwertung der §§ 138, 323c StGB notarielle Tätigkeiten 488 ff. – Mitwirkungsverweigerungsgebot 489 – Sonderregelungen in der BNotO 488 ff. Notwehrprobe 453 f. nulla poena sine lege s. Gesetzlichkeitsprinzip, strafrechtliches objektive Lösungsmodelle 75 ff. – deliktischer Sinnbezug (nach Frisch) 99 ff. – Distanzierbarkeit vom Erfolg 86 ff. – expressiver Gehalt des Handelns s. objektive Lösungsmodelle u. Distanzierbarkeit vom Erfolg

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– gemischt objektiv-subjektive Modelle 118 ff. – Pflichtgemäßheit des Verhaltens 93 ff. – professionelle Adäquanz 83 ff. – Solidarisierung 111 ff. – Sozialadäquanz 77 ff. – Wahrnehmung des Unrechtspakts 115 ff. – Wesentlichkeit der Unterstützungshandlung 108 ff. objektive Zurechnung 309 f. – Beherrschbarkeit des Verhaltens 313 f. – Bezweckbarkeit, objektive 329 – Eignung zur generalpräventiven Verhaltenssteuerung 329 – Fahrlässigkeitsdelikte 399 ff. – Risiko, erlaubtes 332 – Sonderwissen 312 ordnungsgemäßes Wirtschaften 37 Patentverletzung, mittelbare 146 ff., 472 f. – allgemein erhältliche Erzeugnisse 149 f. – Bedeutung des Rechtsinstitutes 147 – erfindungsfunktionelle Individualisierung 150 – gesetzliche Regelung 148 f. – positive Kenntnis 150 – richterrechtliche Regelungen 147 f. pattern variables 179 Personen- und Gütertransport 473 ff. – Beteiligungsformen 473 f. – Sondernormen 475 – Unterlassen 474 f. Pflanzenschutzmittel 82 Pflichtgemäßheit des Verhaltens – Entwicklung 93 f. – Konkretisierung der Pflichtwidrigkeit 94 ff. – Kritik 96 ff. Polizeirechtsprobe 453 pornographische Filme, entgeltliche Vorführung von 286 f. positive Kenntnis s. Kenntnis, positive professionelle Adäquanz 83 ff. – Entwicklung 83 f. – Kritik 85 f. psychische Beihilfe 160 f., 369 ff., 451 – expressive Stellungnahme für den Täter 371 f.

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Sachverzeichnis

Rechtsanwalt 43 s.a. rechtsanwaltliches Handeln Rechtsanwaltentscheidung 132 f. rechtsanwaltliches Handeln 476 ff. – Beratung 480 ff. – Beteiligungsformen 476 – Gutachtenerstellung 481 ff. – Rechtsauskunft 477 ff. – Richtigkeit der Rechtsauskunft 478 ff. Rechtsauskunft 477 ff. Rechtsberatung s. rechtsanwaltliches Handeln Rechtsgut s. Rechtsgüterschutz Rechtsgüterschutz 86 , 105, 117, 141, 190 ff., 300 f., 337, 513 – Angriffswege auf das geschützte Rechtsgut 197 f., 209 ff., 212 ff. – Eignung zum 102 – Entmaterialisierungstendenz 193 – Entwicklung und Grundlagen 190 ff. – Herstellung des geschützten Rechtsgutes 450 f., 494 f. – konkreter und abstrakt ideeller 194 ff. – Rechtsgutserhaltungseignung 433 ff. Rechtsgutserhaltungseignung 433 ff. Regressverbot 374 ff. – Vertrauensgrundsatz 377 Risiko, erlaubtes 332, 333 ff. – ärztliche Behandlung 342 – Betriebsgefahr, generelle 340 – Boxkampf 342 – Erwünschtheit der Gefahr 337 – formalisierte Verletzungsformen 342 f. – generelle Grundsätze 334 ff. – Sachgrund als Rechtfertigung 336 – Sonderwissen, rollenüberschreitendes 345 ff. – Verhaltensmuster, Straftatbestände als 336 – Vermeidepflicht, fortbestehende 342 – Vorsatzdelikt 338 ff. s.a. Sozialadäquanz Risikoerlaubnisse, normative 437 Risikoschaffung, missbilligte 100, 119 Risikoverbote, normative 438 Sanktionsnorm 269 ff. Schlüsseldienst 225

Schraubenzieher 42 Schuldteilnahmetheorie 359 Sekundärfolgen, negative 209 ff., 211 f., 434 f. Selbstverantwortung, Prinzip der 111 f. Sinnbezug, deliktischer (nach Frisch) s. deliktischer Sinnbezug (nach Frisch) Sinnbezug, deliktischer (nach Roxin) s. deliktischer Sinnbezug (nach Roxin) Solidarisierung 111 ff., 140, 154 f. – Entwicklung 111 f. – Konkretisierung der S. anhand unterschiedlicher Indizien 112 f. – Kritik 113 ff. Sondernormen 95 – berufstypische Verhaltensanforderungen 36 ff. – Einhaltung von 223 ff. – Garantenstellung 416 f. – Haftungsverschärfung durch überlagernde S. 416 ff. – mangelnde Existenz 222 f. – normative Risikoerlaubnisse 437 – normative Risikoverbote 438 – schutzgutbezogene 95, 159 – Verletzung von S. und Fahrlässigkeit 400 f. – Verstoß gegen 225 f. – Vorwertung der §§ 138, 323c StGB 417 ff. Sonderregeln für berufliches Handeln 22 Sonderverhalten 139 Sonderwissen und erlaubtes Risiko 345 ff. Sozialadäquanz, Lehre von der 77 ff. – Entwicklung 78 ff. – Kritik 81 ff. s.a. Risiko, erlaubtes soziale Kommunikation 87 soziale Normen 226 ff. – Berücksichtigung im Strafrecht 231 ff. – Geltungsanspruch 228 – Herkunft 233 f. – Inhaltsreichtum 235 f. – Missbräuche, verbreitete 229 – segmentäre 83 – soziale Vorstrukturierung 228 ff. – strafrechtliche Normen 227 f.

Sachverzeichnis – Verhältnis des Strafrechts zu 214 ff. – Verletzung von s. N. und Fahrlässigkeit 401 f. soziale Vorstrukturierung 228 ff. Sphärendenken 92 Sprache, natürliche 254 ff. – Bestimmtheit und Bestimmbarkeit 257 ff. – Fehler, sprachlicher 256 – Holismus, semantischer 256 – invisible-hand-Phänomen 256 – Sprachnormierung 256 – Sprachtheorie, juristische 255 Stabilisierung von Verhaltenserwartungen, kontrafaktische 87 f.; 200 ff. Stereotypizität 89, 112, 115, 153 Steuerberatung 484 ff. – Auskunft 486 – Beteiligungsformen 484 f. – Empfehlung 486 – Mitwirkung bei der Steuererklärung oder Bilanzerstellung 487 f. Steuerhinterziehung durch geschäftliche Kontakte 511 ff. – angemessene Bezahlung 512 f. – Belege, unrichtige 514 – Inanspruchnahme von Leistungen 512 f. – Lieferung von Arbeitsmaterialien 513 Strafdrohung – Angemessenheit 102 – Geeignetheit 102, 105 f. Strafeinschränkungsinteressen 208, 239 strafrechtliche Normen – andere Rechtsvorschriften 217 ff. – in der Gesamtrechtsordnung 215 ff. – sekundärer Charakter 215 ff. – subsidiäre Instrumente 216 f. Strafvereitelung durch Strafverteidigung 55 ff. Strafverteidiger s. Strafvereitelung subjektive Lösungsmodelle 138 ff. – absichtliches Handeln des Teilnehmers s. Tatförderwille – dolus eventualis, Straflosigkeit bei 142 ff. – praktische Nachweisprobleme 141 – Tatförderwille, Erfordernis eines 138 ff.

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tatbestandsmäßiges Verhalten 100 täterschaftliche Begehung von Straftaten s. eigenständige Tatbegehung, täterschaftliche Tatförderwille 138 ff. – Entwicklung 138 ff. – Kritik 140 ff. Tatgeneigtheit, erkennbare 123 Taxifahrer 35, 54 Teilnahme durch berufsbedingte Verhaltensweisen (Phänomenologie) 41 ff. Teilnehmerdelikt, Theorie vom 359 Überforderung, drohende 326 ff., 376 f., 381 ff. Überweisung, auf anonyme Auslandskonten 43 Unbestimmtheit 82, 155 Unterlassen 57 ff. – echtes 57 ff. – Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit 451 – unechtes 60 ff. s.a. Unterlassungsdelikte, unechte unterlassene Hilfeleistung 57 ff. Unterlassungsdelikte, unechte 405 ff. – allgemeine Grundsätze 406 f. – Garantenstellung von Berufsträgern 411 ff. – Ingerenz 412 – Sachherrschaft über eine Gefahrenquelle 413 f. – Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit 409 ff. – Unterlassen von gebotenen Differenzierungen 408 ff. Unwerturteil, Begründung des s. Begründung des Unwerturteils Verbindlichkeiten, Erfüllung von 508 ff. Verbrechensbegriff, funktionale Revision des 201 Verdichtung der Gefahr 101 Vereitelung der Zwangsvollstreckung 44 Verfassungsrecht 242 ff. – Berufsfreiheit, Schutz der 274 ff. – Gesetzlichkeitsprinzip s.d. – Grundrechte als Maßstab für Strafnormen 276 ff.

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Sachverzeichnis

– Richtlinienfunktion der Grundrechte 271 ff. – Strafrecht, Bedeutung des V. für das 243 ff. – Strafrechtsdogmatik 269 ff. – systematisch-grundrechtliche Auslegung 272 ff. – Überpositivität 244 – verfassungskonforme Auslegung 273 f. – Verhaltensnorm und Sanktionsnorm 269 ff. – Verhältnismäßigkeit von Einschränkungen der Berufsfreiheit s.d. Verhaltenserwartungen 154 – reale und normative 91 Verhaltensmissbilligung 207 ff. – Konsequenzen für das Problem neutraler Unterstützungshandlungen 211 ff. Verhaltensnorm 269 ff. Verhaltensstabilisierung, kontrafaktische 87 f., 200 ff. Verhältnismäßigkeit von Einschränkungen der Berufsfreiheit 289 – Angemessenheit 296 ff. – Drei-Stufen-Lehre 290 – Eingriffsintensität vs. Rechtsgüterschutzeignung 300 f. – Erforderlichkeit 294 ff. – Geeignetheit 292 ff. – legitimer Zweck und Rechtsgüterdiskussion 291 Verkehrsverbote 95, 97 Vertrauensgrundsatz 120 f., 123, 155, 376 ff. – Begründung 376 – bedingter Vorsatz 383 ff. – berufsbedingte Unterstützungshandlungen 378 ff. – direkter Vorsatz 380 ff. – Fahrlässigkeit 380 – konkrete Anhaltspunkte für fremdes Fehlverhalten 384 ff.

– Reichweite bei berufsbedingten Unterstützungshandlungen 378 ff. – Regressverbot 377 – verkehrsgerechtes Verhalten 379 – Verwirkung bei verkehrswidrigem Verhalten 379 f. Verursachungstheorie 360 Vollzugsbeamte 61 Vorstrukturierung, soziale 228 ff. Vorwertungen der §§ 138, 323c StGB 103 f., 106 f., 126, 127, 157, 417 ff. – normatives Stufenverhältnis 419 f. Wahrnehmung des Unrechtspakts 115 ff. – Entwicklung 115 f. – Kritik 116 f. Weinlieferung 42 Weltentwurf, deliktischer 88 Wesentlichkeit der Unterstützungshandlung 108 ff. – Entwicklung 108 ff. – Kritik 110 f. Widmung der Unterstützungshandlung 124 Zeugnisverweigerungsrecht 22 f. Ziele der Untersuchung 20 f. zivilrechtliche Verbindlichkeiten, Erfüllung von s. Erfüllung von z. V. Zurechnungslehre 100 – Schwäche der klassischen 86 f. s.a. objektive Zurechnung Zusammenfassung 521 ff. Zusammentreffen mehrerer Verursacher 350 ff. – Beihilfe s.d. – Beteiligungsvorschriften, gesetzliche 353 ff. – gemeinsame Organisation 351 – normative Aufhebung und normative Herstellung von Gemeinsamkeit 355 ff. – Regressverbot 374 ff. – Vertrauensgrundsatz 376 ff.