Die undefinierbare Verwaltung: Zerfall der vollziehenden Gewalt [1 ed.] 9783428508549, 9783428108541

Allgemein wird von einer vollziehenden Gewalt gesprochen und diese vor allem in der »Verwaltung« gesehen. Doch was ist d

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Die undefinierbare Verwaltung: Zerfall der vollziehenden Gewalt [1 ed.]
 9783428508549, 9783428108541

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WALTER LEISNER . DIE UNDEFINIERBARE VERWALTUNG

Die undefmierbare Verwaltung Zerfall der vollziehenden Gewalt

Von

Walter Leisner

DUNCKER & HUMBLOT / BERLIN

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Leisner, Walter: Die undefinierbare Verwaltung: Zerfall der vollziehenden Gewalt / Walter Leisner. - Berlin : Duncker und Humblot, 2002 ISBN 3-428-10854-X

Alle Rechte vorbehalten

© 2002 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübemahme: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union, Berlin Printed in Germany ISBN 3-428-10854-X Gedruckt auf alterungs beständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706@

Vorwort Eine kritische Untersuchung der tradierten Lehre von der "Gewaltenteilung" ist überfällig. Sie sollte sich nicht auf die vielbehandelte Trennung und Verschränkung der drei klassischen Pouvoirs beschränken, hat vielmehr anzusetzen bei dem, was diese jeweils konstituiert. Auch muss der rechtliche Zustand analysiert werden, in dem sich gegenwärtig Legislative, Exekutive und Judikative befinden, ihre Organisations- und funktionalen Wirkungsformen. In der im Jahre 2001 erschienenen Betrachtung "Krise des Gesetzes" hat sich der Verfasser mit der Lage der Gesetzgebenden Gewalt beschäftigt. Hier mussten Auflösungserscheinungen der Normenstaatlichkeit festgestellt werden, zwischen übersteigerter Flexibilität und Starrheit der Gesetze. Die nun vorgelegte Monographie setzt dies fort mit einer Analyse der Zweiten Gewalt. Allgemein wird von einer vollziehenden Gewalt gesprochen und diese vor allem in der "Verwaltung" gesehen. Doch was ist diese "Verwaltung"? Lässt sich mehr über sie aussagen, als dass sie "den Rest der Staatstätigkeit nach Abzug von Legislative und Exekutive" darstellt, und was bedeutet dies für den Begriff der "Exekutive"? Hier soll ein Dreifaches gezeigt werden: - "Die Verwaltung" lässt sich als solche nicht definieren. Weder gelingt dies aus Gesetzesvollzug oder Einsatz einer Hoheitsgewalt, noch aus einem "Sich kümmern um Eigenes" oder aus der Erfüllung wirtschaftlich sozialer Förderungsaufgaben. Verwaltung erweist sich als Konglomerat heterogener Staatstätigkeiten, mit einem gewissen Schwerpunkt bei einer "Fortsetzung der Gesetzgebung mit anderen Mitteln". - Organisationsrechtlich gibt es ebenfalls "die Verwaltung" nicht. In Deutschland ist sie föderal, kommunal und in Autonomien zersplittert. - Da es keine "Verwaltung" im rechtlichen Sinne gibt, kann auch nicht von einer "Zweiten", einer vollziehenden Gewalt gesprochen werden. Dies ist ein Relikt spätabsolutistisch-konstitutionalistischer Vorstellungen. Der fortschreitende Zerfall der Zweiten Gewalt könnte zu einem Verfassungszustand führen, in dem kleinere Organisationseinheiten Machtzentren in Gewaltenkonfusion bilden. Jedenfalls kann die - wohl von Anfang an missverstandene - Gewaltenteilungslehre kein überzeugendes Verfassungs-

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Vorwort

prinzip mehr sein, nachdem "das Gesetz" in der Krise, "die Verwaltung" unauffindbar ist. Herrn Professor Dr. h.c. Norbert Simon danke ich, in alter Verbundenheit, herzlich für die Übernahme der Arbeit in das Verlagsprogramm von Duncker & Humblot. München, den 7. März 2002

Waller Leisner

Inhaltsverzeichnis A. Die Problematik des GewaltbegrifTs - Verwaltung als "Gewalt"? . . . . .. 15 I. Die Vorstellung von einer "Verwaltung als Staatsgewalt" . . . . . . . . . . . .. 15 1. Gewalt: Organ oder Funktion - ein unaufgelöster Synkretismus. . .. 15 2. Die verfassungsrechtliche Gewaltenteilung: "Verwaltung als vollziehende Gewalt" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 17 3. Funktionalismus als Schwerpunkt - Verwaltung als "Restbestand" .. 18 11. Die Zweite Gewalt: Ein historisches Missverständnis. . . . . . . . . . . . . . . .. 21 1. Der Ursprung: die eine Summa Potestas und ihre Gegengewalten. .. 21 2. Gewaltenteilung: Momentaufnahmen zerfallender monarchischer Exekutivmacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 22 3. Das historische Glück der Gewaltenteilung: Die Entdeckung des "Gesetzes" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 23 III. Die organhafte Verortung der "Verwaltung als Exekutive" in der Verfassung - "Regierung" und Verwaltung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 25 1. Die Abwertung der "Regierung" in der französischen Entwicklung. 25 2. Die deutsche Gewaltenteilungstradition: Regierung als Organ der Vollziehenden Gewalt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 27 3. Regieren als Gesetzesvollzug? . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 28 IV. Die Unmöglichkeit einer organisationsrechtlichen Verankerung der Zweiten Gewalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 31 B. Verwalten als Gesetzesvollzug ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. I. "Verwaltung als Gewalt" und die Krise des Gesetzes. . . . . . . . . . . . . . . .. 1. Einheit der "Verwaltung" aus der "Einheit des Gesetzes"? . . . . . . . .. 2. Verwaltung vor der Krise des Gesetzes und als Phänomen derselben 3. Die Zweite Gewalt als Macht der faktischen Verwirklichung des Normbefehls . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 11. Gesetzesanwendung als "Verwaltung"? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 1. Gesetzesanwendung durch die Verwaltung - nur Gesetzeskonkretisierung...................................................... 2. Gesetzesgebundene Verwaltungstätigkeit - "Gesetzgebung im Einzelfall" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 3. Zweite Gewalt - reine Ermessensgewalt? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. III. Verwaltung als Normfortsetzung - ein Rückweg zur "Zweiten Gewalt nach Organisationsrecht" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 1. Das Fazit: die vollziehende Gewalt als Fortsetzung der gesetzgebenden......................................................

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Inhaltsverzeichnis 2. Also doch organisationsrechtliche Bestimmung der Zweiten Gewalt: nach demokratischer Legitimation - oder hoheitlicher Tätigkeit? . .. 53

C. Hoheitsgewalt als Wesen des Verwaltens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. I. Die beschränkte Bedeutung des Einsatzes der Hoheitsgewalt durch die Verwaltung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 1. Hoheitsgewalt als "Verwaltungsmarginalie" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. a) Das Fehlen einer Theorie der "Hoheitsgewalt" . . . . . . . . . . . . . . .. b) Der verwaltungsrechtliche Vertrag - Form eines "Verwaltens ohne Hoheitsgewalt" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. c) Andere Formen der Verwaltungstätigkeit ohne Hoheitsgewalt . .. d) Hoheitsgewalt als Reservernacht? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 2. Self executing-Normen - hoheitliches Verwalten nur als Gesetzessanktionierung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. a) Hoheitsgewalt durch Gesetz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. b) Einsatz der Hoheitsgewalt - kein Privileg der Verwaltung. . . . .. 3. Die Gewichtslosigkeit der Hoheitsgewalt der Verwaltung. . . . . . . . .. a) Hoheitsgewalt: Nur Ersparnis gerichtlicher Schritte. . . . . . . . . . .. b) Hoheitsgewalt - ein nur vorläufiges Selbsthilfeprivileg . . . . . . . .. 4. Hoheitsgewalt: Eine "Gewaltmarginalie" für die Verwaltung. . . . . .. a) Bürgergleiche Gesetzeskonformität des Verwaltungshandelns auch im Einsatz hoheitlicher Gewalt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. b) Nutzen einer Betrachtung des Einsatzes von Hoheitsgewalt in einzelnen Verwaltungsbereichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 11. Hoheitsgewalt und gesetzesfortsetzendes Verwalten; mit Beispielen aus dem Baurecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 1. Baurechtliche Normgebung - Die Satzungsgewalt . . . . . . . . . . . . . . .. a) Satzunggebung als "Verwaltung" - also doch "Verwaltung nach Organisation"? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. b) Bauplanungen als Akte der Kommunalparlamente . .. . . . . . . . . .. c) Normenhierarchie: Beweise für "Satzunggebung als Verwaltung"?................................................... d) Kommunalaufsicht über Satzunggebung: Ein Argument für "Verwaltung durch Satzung"? . .. . .. . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . .. e) Bauverwaltung ohne Satzungsgewalt? . . . . . . . .. . . . .. . . . . . . . . .. 2. Überwachung normkonformen Verhaltens des Bürgers ............ a) Präventive Tätigkeit des Staates als "Jedermanns Nachbar" - anstelle des Bürgers. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. b) Verwaltung als "vom Bürger angestoßene Gewalt".. . . ... . . .... 3. Verwaltung als Gesetzesergänzung und Gesetzesverfeinerung . . . . .. a) Beurteilungsspielraum: lediglich Normverfeinerung . . . . . . . . . . .. b) Der richterlich unnachprüfbare Beurteilungsspielraum . . . . . . . . .. c) Die Legitimation administrativer Beurteilung: Unnormierbarkeit. d) Verwaltung als "Gewalt der Ausnahmen"? . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 4. Verwaltung - Rezeption der Realität ins Recht? . . . . . . . . . . . . . . . . ..

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Inhaltsverzeichnis a) Übernahme von Wirklichkeitsmaßstäben - eine allgemeine Aufgabe der Staatsgewalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. b) Die rechtlichen Grenzen eines faktischen RealitätsbeurteilungsPrivilegs der Verwaltung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 5. Typisch verwaltungsrechtliche Grundsätze administrativen Handelns?...................................................... a) "Verwaltungsrechtliche Grundsätze" - für alle Staatsgewalten geltend................................................... b) "Effizienz" - ein typischer Verwaltungsgrundsatz? . . . . . . . . . . . .. c) Allgemeine Regelungen im Verwaltungsbereich: vor allem zu Organisation und Verfahren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. d) "Typisches Verwaltungsverhalten" - Aufgaben der Verwaltungslehre ..................................................... 6. "Verwaltung": judikativierbar oder privatisierbar.................. III. Bestätigung des Fehlens von Verwaltungsbesonderheiten im Polizeirecht ........................................................... 1. Polizei: keine "spezifische Verwaltungstätigkeit" - lediglich Normvollzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 2. Verwaltung als Vorsorge. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Opportunität: Ein polizeiliches Wesenskriterium des Verwaltungshandeins? .................................................... 4. Strenge Gesetzesbindung der Polizei: ein Beweis gegen eigenständige Verwaltungs-Gewalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

D. Verwaltung: "Sich kümmern um Eigenes" ............................ I. "Verwalten" nach allgemeinem Sprachgebrauch ..................... 1. "Verwalten" und "Verwaltung" ................................. 2. "Verwalten": Sich beschäftigen mit - sich kümmern um Eigenes oder Anvertrautes. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 3. Verwalten: nicht volles "Verfügen" .............................. 4. Verwalten: Profitorientiertes Management? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11. Die Entwicklung des staatlichen Verwaltens aus dem lehens/feudalrechtlichen Obereigentum und der Verantwortung für "Land und Leute" .......................................................... 1. Der lehens/feudalrechtliche Eigentumsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 2. Das feudalrechtliche Obereigentum ............................. 3. Die Abgaben-Regalien als Gegenstand des Verwaltens ............ 4. Die wohlfahrts staatliche Verwaltung: Sich-kümmern um "eigenes Land, eigene Leute" .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Brücken von der Verwaltung des feudalen Eigenen zu dem des Staatseigenen? ....................................................... 1. Das Berufsbeamtentum - eine überdauernde Verwaltungs-Institution 2. Staatseigentum als Gegenstand des Verwaltens? .................. 3. Das marxistisch-kommunistische Staatseigentum als Gegenstand eines "Verwaltens" .............................................

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Inhaltsverzeichnis IV. Unmöglichkeit einer Bestimmung von "Verwaltung" aus der "Befassung mit staatseigenem Verwaltungs-Gut" .......................... 1. Unterschiedliche Verwaltungszielsetzungen ...................... 2. Verwaltungsdefinition aus der "Erfüllung von Staatsaufgaben"? .... 3. Verwaltungsorganisation: nicht nach der "Betreuung eigener Angelegenheiten" .................................................

E. Privatisierung: Antiverwaltungsbewegung ............................ I. Privatisierung: Säkulare Entwicklung, nicht modische Forderung ...... 1. Die nur vordergründige Zeitgebundenheit der Privatisierungsdiskussion ......................................................... 2. Privatisierungsforderungen: wesentlich gegen die Verwaltung gerichtet. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. a) Privatisierung der Gesetzgebung? ............................ b) Privatisierung der Gerichtsbarkeit? .......................... H. Privatisierung als Gegenbewegung zu früherer Publifizierung . . . . . . . .. 1. Die Publifizierung: eine historisch kontingente frühere Entwicklung 2. Das Fortwirken der Regalien- und Woh1fahrtsstaatlichkeit ......... 3. Der Sozialismus als Fortsetzung der Wohlfahrtsstaatlichkeit. ....... 4. Die Stärkung der Verwaltung in Krieg und Kriegswirtschaft ....... 5. Die Parallelentwicklung von Wirtschaftsverwaltung und "Allgemeiner Verwaltung" ........................................... III. Der Niedergang der wirtschaftlichen Staatstätigkeit .................. 1. Die Auflösung der "Staatsproduktion" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das Ende der Staatsmonopole .................................. 3. Daseinsvorsorge in der Krise der Subsidiarität. ................... IV. Das Vordringen der Privatisierung in "klassische Verwaltungsbereiche" . 1. Hoheitsverwaltung - allgemein privatisierbar? . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 2. Die Problematik des Monopolbegriffs für die staatliche Verwaltung. 3. "Privatisierbarkeit" in traditionellen Bereichen der Hoheitsverwaltung ......................................................... 4. Schulen und Bildung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Gesetzesvollzug? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. b) Notwendiger Einsatz der Hoheitsgewalt? ..................... c) Schul- und Bildungsverwaltung nur durch staatliche Träger? .... 5. Das Gesundheitswesen ........................................ a) Gesundheit - ein Verwaltungsgegenstand? .................... b) Gesundheitsämter - Gesundheitsüberwachung ................. 6. Der Rückzug des staatlichen Verwaltens aus dem Militärbereich .... 7. Exkurs: Beschaffung von "Verwaltungsmitteln" im Wege der Enteignung - öffentliche Enteignungsverwaltung? ................... 8. Eine Grundfrage "öffentlichen Verwaltens": Privatisierungsfähigkeit auch noch der Polizei? ........................................ a) Der Sicherheitsbereich - weitgehend bereits privatisiert ........

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Inhaltsverzeichnis b) Die Abbürdung von Sicherheitsaufgaben auf den Bürger ....... c) Privatisierbarkeit von Vollstreckung und Strafvollzug .......... 9. Ergebnis: Weitestgehende Privatisierbarkeit - Ersetzbarkeit staatlicher Administrationen ......................................... a) "Virtuelle Privatisierbarkeit" ................................ b) Einschränkungsmöglichkeit des Verwaltungshandelns auf "Gewährleistung gesetzeskonformer Zustände". . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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F. Verwaltung als Förderungsgewalt, sozial und wirtschaftlich? .......... I. Verwaltung als Förderung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Einsatz eigener Mittel zur "Hilfe für den Nächsten? ........... . . . 2. Verwaltung: keine Förderung mit "eigenen Mitteln", sondern (Ver-) Sicherung auf Gegenseitigkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verteilung von Solidarrnitteln - nicht Einsatz eigener Mittel. . .. b) (Ver-)Sicherung als wesentliches Verwaltungskriterium? ........ H. Sozialverwaltung - Gesetzesvollzug ................................ 1. Maximale Vergesetzlichung auf der Ausgabenseite ................ 2. Gesteigerte Form der Gesetzesbindung auf der Einnahmenseite der Fördermittel. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. III. Subventionierung als Gesetzesvollzug .............................. 1. Die Einheit des Förderbegriffs. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 2. Kein Anspruch auf Subventionen - daher gerade hier "eigenständige Verwaltung"? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 3. Wirtschaftsförderung als eigenartiger Gesetzesvollzug? . . . . . . . . . . . . 4. Haushaltsvollzug als Gesetzesvollzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. IV. Sozialverwaltung zwischen Gesetzesvollzug und Privatisierung ........ 1. Sozialverwaltung: notwendig Administration? .................... 2. Sozialversicherung auf Wegen der Privatversicherung ............. 3. Neuere Wandlungen der Sozialversicherung in Richtung auf Formen der Privatversicherung .................................... 4. Privatisierungsentwicklungen anderer Sozialleistungen ............ 5. Sozialhilfe als "staatliche Verwaltung" .......................... 6. Auflösung einer eigenständigen "Sozialverwaltung" in der Entwicklung der "sozialen Marktwirtschaft" ............................. 7. Am Ende der unbezahlbaren Subventionen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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G. Verwaltung: die organisatorisch zersplitterte Gewalt .................. I. Gewaltbegriff und organisatorische Gewalteinheit ................... 1. Organisatorische Gewaltenteilung innerhalb der Gewalten ......... 2. Organisatorische Gewalteinheit der Gerichtsbarkeit ............... 3. Die Einheit der gesetzgebenden Gewalt im Föderalstaat . . . . . . . . . . . H. Die organisationsrechtliche Zersplitterung der "Zweiten Gewalt" - Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. III. Einheit der Verwaltung aus hierarchischen Direktiven. . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis 1. Keine "Einheit der Verwaltung" aus "einheitlichem Vollzug der Gesetze" ....................................................... 2. Und doch Notwendigkeit organisatorischer Einheit der Verwaltung - als einer "Staatsgewalt" ...................................... 3. Verwaltung: entstanden als "Gewalt aus Direktiven" .............. 4. Hierarchische Transformation politisch-extranormativer Direktiven als Wesen der "Verwaltung" .................................... IV. Die föderale Verwaltungszersplitterung ............................. 1. Die föderale Grundvorstellung: Verwaltung als Staatsrnacht - aber geteilt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Regierungszersplitterung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Föderale Auflösung der Einheit der Verwaltung .................. 4. "Durchregieren" vom Bund in die Länder? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Der Bundesrat: Verwaltung als Kondominium von Bund und Ländem ......................................................... 6. Verwaltung: Kondominium verschiedener politischer Machtträger... V. Kommunalisierung des Staates und "Verwaltung als eigenständige Staatsgewalt" .................................................... 1. Kommunalisierung: eine Entscheidung der "Machtverlagerung an die Basis", nicht für Gewaltenteilung ............................ 2. Kommunalisierung als Gewaltenkonfusion ....................... 3. Die Kommunalverwaltung als öffentliche Gewalt sui generis ....... 4. Einheit der Verwaltung durch Aufsicht über organisatorische Vielfalt? ........................................................ 5. Schwächung und Mutation zugleich der "Verwaltung" im Kommunalstaat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Autonomisierung innerhalb der Verwaltung - Antihierarchisierung ..... 1. Autonomisierung: ein vielfältiges organisationsrechtliches Phänomen enthierarchisierender Auflösung der Verwaltungseinheit . . . . . . . 2. Autonomisierung als organisationsrechtliche Freiheitssicherung. . . . . 3. Die "Vollautonomisierung": legislativer und administrativer Selbstand - das Kommunalmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Formen und Stufen der Autonomisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Anwendungsbereiche der Autonomisierung - die Selbstverwaltungsosmose ......................................................

H. Einheit der Verwaltung aus europäischem Recht? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die europäische Hoffnung: Integration der Vielheit. . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zusammenordnung in einheitlich-übergreifenden Institutionen. . . . . . 2. Administrative Euroskepsis .................................... 11. Gewaltenteilung in Europa? ....................................... 1. Föderale, nicht horizontale Gewaltenteilung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Kommission: Ein Organ der Gewaltenkonfusion . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Administrativierung der europäischen Gemeinschaftstätigkeit und doch keine typisch europäische Verwaltung. . . . . . . . . . . . . . . . . .

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III. Die weiten Beurteilungsspielräume der Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Unbestimmtheit der vertraglichen Regelungen. . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Beurteilungsräume der Kommission als rechtskonkretisierender Legislative ................................................... 3. Fazit: Allenfalls Stärkung einer Administrative als Para-Gesetzgeberin ..........................................................

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J. Verwaltung als faktische Gewalt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 I. H.

Verwaltung - die rechtlich unauffindbare Gewalt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verwaltung: Macht der vollendeten Tatsachen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Eindeutige Faktizität der Verwaltung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Realitätsveränderung durch die "zahlende Hoheitsmacht" . . . . . . . . . . 3. Der Staat: in Verwaltung "in Erscheinung tretend" ................ 4. Verwaltung: Organ der "normativen Kraft des Faktischen". . . . . . . . . 5. Militärische Machtentfaltung als Prototyp administrativen Wirkens . III. Verwaltung als die "nächste Staatsmacht" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die hohe "Feme" der Gesetzgebung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gerichtsbarkeit - die zeitlich feme Macht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Verwaltung: Die handelnde Staats-Person ...........................

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K. Ausblick: Eine Zukunft in "kleinen Gewalten" - in "Muftis" . . . . . . . . . . I. "Kleingewalten" - Allgemeines ................................... 1. Entscheidung par ordre de Mufti .............................. . 2. Muftismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . H. Kommunal- und Landesexekutive: Modell für Herrschaft in kleinen Einheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Muftismus gegen Einheit der Verwaltung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Kleinherrschaft als Ende der Exekutivgewalt ................. 2. Bürokratie: Apparat-Muftismus ................................. a) Verwaltungseinheiten als kleine Herrschaftsbereiche ....... . . . . b) Personalmuftismus ......................................... 3. Muftismus - Verschärfung der Krise des Gesetzes ................ 4. Muftismus - Degeneration der Gewaltenteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Der Verfassungsstaat ohne eine "Verwaltung als Gewalt" ............. 1. Am Ende der Gewaltenteilung: eine andere Verfassungsordnung .... 2. Das Ende der Verwaltung - Ende der Ordnungskraft des Öffentlichen Rechts, der Herrschaft des Rechts über die Macht . . . . . . . . . .

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Zusammenfassung der Ergebnisse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 Sachverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279

A. Die Problematik des Gewaltbegriffs Verwaltung als "Gewalt"? I. Die Vorstellung von einer "Verwaltung als Staatsgewalt" 1. Gewalt: Organ oder Funktion - ein unaufgelöster Synkretismus

Der Gewaltbegriff wird im Öffentlichen Recht mit einer erstaunlichen, weithin unkritischen, nicht selten naiven Selbstverständlichkeit gebraucht. Vorgegeben ist er von einem Verfassungsrecht, welches den Staat in "Gewalten" aufbaut und ordnet, ohne eindeutige Aussage jedoch darüber, was denn nun das Wesen dieses Begriffes ausmache. Sodann wird dieser, meist wiederum ohne dogmatische Vertiefung, als ein Oberbegriff ganzer Rechtsmaterien eingesetzt, ja einer Vielfalt von solchen, welche gerade in ihm eine gewisse Einheit finden sollten, in verfassungsrechtlicher Ordnung. AIledern wird, meist unausgesprochen, ein bestimmter Realitätsbezug zugrundegelegt, aus den Phänomenen heraus, in denen der Bürger, der Gewaltunterworfene, eben diesen "Gewalten" begegnet. Hier aber zeigt sich eine mögliche Zweiteilung in der Konstituierung einer solchen Gewalt: Sie kann gefunden werden, dem Bürger entgegentreten, entweder in der rechtlich-institutionell geordneten organisatorischen Einheit eines bestimmten Organ trägers oder einer zusammengeordneten Vielheit von solchen - oder in gewissen Wirkungsweisen der Staatsgewalt auf den Gewaltunterworfenen, also in der Zusammenschau von Machtäußerungen zu einer bestimmten Funktionalität, in der die Gewalt begegnet, zu einem rechtlichen Zweck, den sie verfolgt. Er aber liegt nicht in der Erfüllung bestimmter materiell umschriebener Aufgaben, zeigt sich vielmehr im Einsatz einer jeweils spezifischen Ordnungsform, in welcher die Rechteund Pflichtenlage der Rechtsträger, insbesondere der Bürger, gestaltet und verändert wird. Funktional ist daher die Erste Gewalt bestimmt durch die Ordnungsform der Normsetzung, die Dritte durch die der endgültigen Streitentscheidung im Einzelfall. Damit gewinnt ein weiteres Kriterium Bedeutung für den Begriff der Gewalt: das Verfahren, in dem seine Organe jeweils wirken. Insoweit ist es bei funktionaler Betrachtung eine im Wesentlichen verfahrensrechtliche Ordnung, welche den Gewaltbegriff konstituiert. Für die Dritte Gewalt bedeutet dies, dass sie entweder schwerpunktmäßig aus Gerichtsverfassungsrecht heraus zu begreifen ist, oder aber in der Besonderheit des gerichtlichen Verfahrens, etwa in der Kontradiktorietät seiner

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A. Die Problematik des Gewaltbegriffs - Verwaltung als "Gewalt"?

Abläufe, die zur Endgültigkeit seiner rechtskräftigen Entscheidungen des "Letzten Wortes" führen. Die Erste Gewalt sähe sich entweder konstituiert durch das Staatsorganisationsrecht des Parlaments, vom Wahlrecht bis zu den organisatorischen Entscheidungen der Geschäftsordnungen - oder durch Verfahren und Ergebnis parlamentarischer Tätigkeit, insbesondere im Gesetzgebungsverfahren. Hier zeigen sich zwar Unterschiede zwischen funktionaler und organisationsrechtlicher Bestimmung des Gewaltbegriffs: Bei einer funktionalen Betrachtung beschränken sich eben die Verfahrensregelungen, welche diese Gewalt, aus ihren Ergebnissen heraus, definieren, nicht mehr nur auf den Erlass von Parlamentsgesetzen; gesetzgebende Gewalt äußert sich dann auch etwa in jener abgeleiteten Normsetzungsgewalt, wie sie in der Verordnunggebung zum Ausdruck kommt. Immerhin ist jedoch eine gewisse Einheit von Verfahren und Organisation auch hier noch gewahrt. Was also die Erste und Dritte Gewalt anlangt, mag ihre Konstituierung im Staatsorganisationsrecht oder im Verfahrensrecht gesehen werden - stets ist sie doch organbezogen: Bestimmte organisatorisch determinierte Gewaltträger treten dem Bürger in gewissen Formen entgegen, die jedoch ihrerseits wieder auf die Organisation, auf die Organe zurückführen. Anders stellt sich jedoch die Lage gegenüber einer "Zweiten Gewalt" dar, welche zwar als Exekutive bezeichnet, aber gemeinhin als "Verwaltung" angesprochen und in diesem Begriff zusammengefasst wird. Hier fehlt sowohl die typische, durchgehend normativierte Vereinheitlichung des Verfahrens als auch, und im besonderen Maße, eine organbestimmte Einheit, wie sie sich etwa im Begriff des "Parlaments" als Organ oder des "Gerichts" als ein solches findet. Organ vielfalt im Bereich der Ersten und Zweiten Gewalt mag dann hinnehmbar sein, wenn sich funktionale Betrachtung auf eine gewisse Verfahrenseinheit und eine damit immerhin rahmenmäßig bestimmte Einheitlichkeit der im betreffenden Bereich erzielten Ergebnisse stützen kann. Doch eben daran fehlt es bei einer Administration, die trotz aller Anstrengungen zur Vereinheitlichung des Verwaltungsverfahrens noch immer gerade dort derart viele Besonderheiten aufweist, nach Verwaltungsspielarten, dass von einem einheitlichen Verwaltungsverfahren schlechthin nicht gesprochen werden kann. Dies wird bereits ausgeschlossen durch eine Vielfalt von Organträgem und deren Kompetenzen, die sich eben doch auch wiederfindet in der Vielfalt von Verfahrensgestaltungen, welche ja doch stets auf die jeweiligen organisatorischen Einheiten bezogen sind. Eine Betrachtung der Verwaltung als einer auch nur rahmenmäßig einheitlichen Gewalt sieht sich also erheblichen, längst nicht bewältigten, ja noch kaum erkannten Problemen gegenüber, sei es, dass sie die Einheit in

I. Die Vorstellung von einer "Verwaltung als Staatsgewalt"

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der Orientierung an gewissen organisationsrechtlichen Entscheidungen sucht, sei es, dass sie sich funktional an Verlahren und dadurch geprägten Ergebnissen, an Aufgaben ausrichten möchte. Bleibt dann aber nicht der Begriff der "Gewalt" in diesem Zusammenhang der Administration als solcher problematisch, und, vor allem, was ergibt sich daraus für die Möglichkeit des Rechts, diese machtnächste Äußerungsform der Staatlichkeit auch nur mit jenem Minimum von Einheitlichkeit normativ zu ordnen, ohne welche sie in ein Bündel heterogener Machtbefehle zerlallen müsste?

2. Die verfassungsrechtliche Gewaltenteilung: "Verwaltung als vollziehende Gewalt" Vor dieser verwirrenden Vielfalt der Verwaltungserscheinungen, der Gemengelage von Kriterien der Organisation und der Funktionalität, welche es zusammenzuordnen gilt, muss der Blick auf jene Verlassung fallen, deren Grundaussagen zur Gewaltenteilung sich doch klare Vorstellungen zu diesem Begriff der "Verwaltung als Gewalt" sollten entnehmen lassen, wenn auf ihm schon, mehr als auf einer definitorischen Umschreibung der anderen Gewalten, das gesamte System der Gewaltenteilung und damit des Rechtsstaats aufbaut. Hier muss die Betrachtung sich auf die Staatsgrundnorm des Art. 20 Abs. 3 GG konzentrieren. Zu den anderen beiden Gewalten enthält ja die Verlassung selbst eingehende organisationsrechtliche und funktionale Beschreibungselemente, deutlich bei der Gesetzgebung, ansatzweise wenigstens im Abschnitt über die Richter. Aus föderalen Gründen dagegen beschränkt sich der Abschnitt über "die Verwaltung" demgegenüber im Wesentlichen auf organisationsrechtliche Groß-Unterscheidungen, welche weder die Organisation dieser Gewalt im Einzelnen noch die Art und Weise ihrer Tätigkeit näher bezeichnen, sondern nur die Regelungskompetenzen beider Bereiche zwischen Bund und Ländern verteilen. Mehr lässt sich denn auch den Art. 83 ff. GG kaum entnehmen als die Feststellung, dass diese "Verwaltung" zu normieren ist in ihrer organhaften Struktur und in der verlahrensmäßigen Ausprägung ihrer Tätigkeit - doch dies hatte bereits die obige Fragestellung ergeben, unabhängig von verfassungsrechtlichen Erkenntnissen. An Art. 20 Abs. 3 GG wäre nun die Ausgangsfrage zu stellen: Ist "Verwaltung", ist jedenfalls der Kern dieses Begriffes zu verstehen in Anknüpfung an bestimmte Organe, wie sie die Verlassung vorsieht oder wenigstens "kennt", so dass eben all deren Tätigkeit eo ipso Verwaltung wäre - oder an eine Tätigkeit, an Funktionen, welche, aus Kompetenzen fließend, im Verlahren sich entfalten, in bestimmten Ergebnissen in Erscheinung treten, dem Bürger gegenüber vor allem? Die Antwort des Verlassungstextes auf 2 Leisner

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A. Die Problematik des Gewaltbegriffs - Verwaltung als "Gewalt"?

diese Frage nach organisationsrechtlicher oder funktionaler Bestimmung des Verwaltungsbegriffs fällt zwiespältig aus, ganz grundsätzlich. In einem Satz, einem Beschreibungsbegriff sogar, werden in Art. 20 Abs. 3 zwei Gesichtspunkte verbunden - eben der des Organisatorischen und der des Funktionalismus. Es beginnt zwar mit der Aussage, diese Zweite Gewalt sei die vollziehende, womit doch wohl Kompetenz, Verfahren und Ergebnis ihrer Tätigkeit, also ein durchaus funktionalistisches Verständnis, angesprochen wird. Doch an derselben Stelle ist von "besonderen Organen" auch dieser Gewalt die Rede - also kann es nicht nur die Tätigkeit irgendwelcher Instanzen sein, welche deren Zuweisung zur Zweiten Gewalt begründet, es muss diese in organisationsrechtlichen Entscheidungen fassbar werden. In diesem Begriff der "besonderen" Organe liegt gerade, so scheint es doch, jene Besonderheit der Gewalten-"Teilung": nicht ein Nebeneinander oder Synkretismus, wie er ja durchaus bei funktionaler Betrachtung vorstellbar wäre, wenn nämlich die Funktion ihre organisatorischen Anleihen in verschiedenen Bereichen nimmt. Erwartet werden sollte doch nun wirklich, dass auch die Verwaltung, ebenso wie die Gesetzgebung im Parlament, die Richterliche Gewalt in unabhängigen Entscheidungsträgern, in bestimmt organisierten Staatsinstanzen eine organisationsrechtliche sedes materiae findet. Dann also müsste beides vorliegen: eine bestimmte Tätigkeit - eben die "Vollziehung" - und deren, vielleicht auch verteilende, Zuweisung zu besonderen, darauf spezialisierten, ja beschränkten Organen. Verwaltung dürfte nicht als ein Begriff erscheinen, der in irgend einem unklaren Gemenge von Funktionalismen und Organisationsentscheidungen bestünde; diese beiden Elemente müssten, jedes für sich, ernst genommen, spezifisch mit Sinn erfüllt und sodann verbunden werden - eben zur Zweiten Gewalt. Darauf wird also die folgende Betrachtung sich zu konzentrieren haben: ob die Verfassung organhafte Anknüpfungspunkte für diese Zweite Gewalt bereitstellt, so wie dies mit dem "Parlament" im Bereich der Ersten geschehen ist, und/oder ob sich der Begriff des "Verwaltens" als solcher aus jenem "Vollzug" rechtlich fassbar ableiten lässt. 3. Funktionalismus als Schwerpunkt Verwaltung als "Restbestand" a) Die organrechtliche Zersplitterung der Verwaltung in einem herkömmlich föderalisierten und kommunalisierten Staat erschwert von vorneherein die Begriffsbestimmung einer einheitlichen "Verwaltung" in ganz anderer Weise, als wenn ihr Gegenstand sich in der Form der blockhaften Einheit der Administration, etwa des früheren französischen Zentralstaates, darstellt. Wie selbstverständlich fällt daher der Blick all jener Autoren, welche

I. Die Vorstellung von einer "Verwaltung als Staatsgewalt"

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sich um eine Definition oder auch nur um eine Beschreibung der Verwaltung bemühen, auf deren funktionale Erscheinungsformen, auf die Staatsaufgaben, auf den Gesetzesvollzug vor allem. Eine solche Sichtweise erscheint gerade dann als naheliegend, wenn nicht notwendig, wenn das Öffentliche Recht hier jener Prozessualisierung entsprechen will, welche heute in Grundrechtlichkeit ständig verstärkt wird, zum Schutze eines Bürgers, dem die Organisation einer Gewalt als solche wenig bedeutet, ihre Einwirkungen auf ihn alles. Da der organisationsrechtliche Freiheitsschutz im Rechtsstaat nur schwach, etwa in den Ansätzen eines gewissen "Rechts auf Verfahren", schon kaum mehr als ein "Recht auf Kompetenz" entwickelt ist, muss dies allein schon funktionalistische Betrachtung des Verwaltungsbegriffs entscheidend begünstigen. Funktionalistische Sicht bietet ja auch noch einen weiteren Vorteil: Sie ist wesentlich flexibler als das strenge, formalistische Organisationsrecht; ihre "Aufgaben" kann sie nahezu beliebig verschieben, jedenfalls aber erweiternd ergänzen. Hier mag mit den kaum je eindeutigen "Kembereichen" gearbeitet werden, um welche dann beliebiges Anderes anzuordnen ist, was sich eben in harter Begrifflichkeit nicht unterbringen ließe. Man vergleiche nur die Strenge des Staatsorganisationsrechts mit der nahezu molluskenhaften Wandlungsfähigkeit des Rechts der Staatsaufgaben; zum Ersteren gibt sogar die Verfassung noch manches vor, die Staatsaufgaben bleiben dem dogmatischen Einfallsreichtum, oft der begrifflichen Kühnheit der Interpreten vorbehalten. Funktionen lassen sich allemal beschreiben, konkretisieren auch im Rückgriff auf Herkommen, ja feme Geschichte; Organisationen gilt es zu normieren, zu konstruieren. Wenn also Hans Peters seine Lehre von der "Staatsgewalt Verwaltung" als einer einheitlichen entwickelte, so konnte dieser führende Kommunalrechtler seinerzeit nur aus Tätigkeit argumentieren, aus Verwaltungserfolgen, nicht aus Organisation. Dem föderal orientierten deutschen Staatsrecht mag die Dogmatik dieser Bundesstaatlichkeit ein schwieriges, weithin zu meidendes Gebiet sein - hic sunt leones - besetzt von Bürgermeistern, Landräten, Landesvätern und anderen politisch gefährlichen Löwen. So entwickelte sich eine deutliche Tendenz, jenes politisch nicht ungefährliche Organisationsrecht gewissermaßen zu umschiffen, es jedenfalls nicht an verfassungsrechtlichen Vorgaben scheitern zu lassen - dann aber mussten die Verfassungsgebote funktional gedeutet, wo notwendig gebogen werden. Von vorneherein sind also Zweifel begründet, ob die verbreitete funktionalistische Betrachtungsweise nicht doch nur etwas sucht wie ein leicht interpretier- und veränderbares Alibi, in dessen Namen man sich strengen verfassungsrechtlichen Geboten entziehen kann, zuallererst dem einer Gewaltenteilung, die eine Definition der Verwaltung verlangt. Wann jemals hätte sich denn auch aus "Funktionen" allein Organisation überzeugend definie2*

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A. Die Problematik des Gewaltbegriffs - Verwaltung als "Gewalt"?

ren lassen, muss sie nicht immer im Letzten der Formalität der Organisationsentscheidung folgen? b) Eine noch frühere und vielleicht als solche bereits klassische "Definition" der Verwaltung zeigt denn auch das ganze Dilemma des Begriffs dieser "Verwaltung" als "Gewalt": Gesehen wurde diese, von ihren rechtsstaatlichen Anfangen an, als ein "Restbestand von Staatlichkeit" nach Abzug von Gesetzgebung und Gerichtsbarkeit. Diese Restbestandstheorie war vielleicht die bisher am meisten überzeugende, ehrlichste darin, dass sie auf eigene inhaltliche Definitionskriterien verzichtete, sich hielt an etwas wie eine negative Organhaftigkeit, in welcher sogar noch die Strenge des Staatsorganisationsrechts auf die Verwaltung wirken konnte, wenn auch nur in abgrenzender Beschreibung, in wahrer Um-Schreibung des Begriffs. Dahinter stand die klare Erkenntnis, dass es der Gewaltenteilung wohl historisch vor allem um die Erste und um die Dritte Gewalt ging, um definitorische Herausarbeitung von deren Strukturen, dass aber diese ganze Theorie, vielleicht eine ganze historische Entwicklung, verfassungsrechtlich gesehen, etwas war wie "verwaltungsblind". So konnte denn auch die Theorie vom Restbestand letztlich die Entscheidung vermeiden zwischen organisationsrechtlicher und funktionaler Definition des Verwaltungsbegriffs: Durfte nicht dieser Restbestand sowohl gesehen werden in all jenen Instanzen, die eben nicht "besondere Organe" der Gesetzgebung oder der Rechtsprechung waren - als auch, vielleicht noch leichter, begriffen werden als ein Restbestand von Staatstätigkeit, der dann in der Tat nicht nur orientiert werden musste am Begriff eines "Vollzugs" oder gar arn "Vollzug der Gesetze"? Doppeldeutig aber zeigt sich das Verfassungsrecht in beiden Richtungen: "Besondere Organe" könnten auch nur diejenigen sein, welche eben durch die "Besonderheit einer bestimmten Tätigkeit" bestimmt würden, in Funktionalismus eben; und andererseits wäre es doch wohl vorstellbar, dass der "Vollzug" sich nicht nur auf Normen bezieht, sondern auch auf all jene Befehle, welche ein bestimmter Organisationsträger, die "Verwaltung", normfrei selbst geben darf, sich und dem Bürger. Das begriffliche Labyrinth verdichtet sich also, je mehr man auf bisherige Versuche der Betrachtung des Verwaltungsbegriffs blickt, oder gar den Leitfaden der Verfassung zu ihm sucht. Ein Befund allein drängt sich zunächst auf: Hier herrscht ein Synkretismus von Organisations-, Kompetenzund Verfahrensrecht. Soll sich nun wirklich daraus etwas formen lassen, was einen so anspruchsvollen Namen verdient wie den der "Gewalt"? Zunächst muss der historischen Entwicklung nachgegangen werden.

II. Die Zweite Gewalt: Ein historisches Missverständnis

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11. Die Zweite Gewalt: Ein historisches Missverständnis 1. Der Ursprung: die eine Summa Potestas und ihre Gegengewalten a) Im Begriff selbst der "Gewalt" liegt eine bestimmte Einheitsvorstellung, nicht die von einer Mehrzahl sich die Waage haltender Mächtigkeiten. Die Ironie, mit welcher Rousseau im Contrat social die Vertreter der Gewaltenteilungslehre bedachte, als japanische Scharlatane, welche den Körper des einen Staates zuerst zerstückelten, die in die Luft geworfenen Stücke sodann als einheitlichen Körper wieder auffingen - sie hat eines der großen, symbolträchtigen staatsrechtlichen Bilder gezeichnet. In der Tat lässt sich die Einheit der Staatsgewalt dogmatisch nicht aufteilen in nebeneinander wirkende Mächte. Dies mögen politische Kategorien sein, rechtsdogmatisch aber lässt sich das so Geteilte nur zusammenordnen in einer Über/Unterordnung, wie sie denn auch, und ganz natürlich, in der Bindung der Zweiten und Dritten Gewalt an die Erste von Anfang an zugrunde gelegt wurde. Diese Notwendigkeit einer Vertikalisierung der Gewalt, damit überhaupt von etwas gesprochen werden könne wie einem "Staat" und eben seiner "Gewaltausführung", die nur eine sein kann, wie auch er es ist, zeigt sich in dieser vertikalisierend versuchten Bewältigung der horizontalen Gewaltenteilung ebenso wie in den dogmatischen Schwierigkeiten der von Anfang an sogenannten vertikalen Gewaltenteilung, im Föderal- und Kommunalstaat. Auch kann die Einheit des Staates, über solchen Teilungsversuchen, nur mühsam aufrechterhalten werden, praktisch in Homogenitätsklauseln und wenig griffigen Kernvorstellungen gemeindlicher Selbstverwaltung, noch weniger befriedigend im ewigen Streit um den zwei- oder dreigliedrigen Bundesstaatsbegriff. Ist nun nicht doch der Gesamtstaat identisch mit seinem Oberstaat - weil eben alle Staatsgewalt hierarchisierend nur gedacht werden kann, nicht in irgendeiner Weise "nebeneinander gestellt?" Es ist fast, als wolle sich hier der alte Gewaltbegriff historisch an jenen rächen, die ihn "heilend verstümmeln", nicht den Mut haben, wie Rousseau, ihn in Radikaldemokratismus leben und wirken zu lassen, so wie es von Anfang an seinem Wesen entsprach. Im Begriff der Potestas ist eben das Summum der Souveränität bereits mitgedacht, eine andere als eine höchste Staatsgewalt ist nicht vorstellbar, von Bodin bis Hegel und bis in die Gegenwart. Der Gewaltbegriff ist ein Zwangs-, ein Befehlsbegriff, er kann nur untergeordnete kennen, nicht gleichgeordnete Gewalten. b) Eine Gewaltenteilung ist - historisches Paradox - horizontal und vertikal zugleich nicht praktiziert worden in den Ländern ihres geistigen Ursprungs, im England Lockes, im Frankreich Montesquieus, sondern zu eben diesen Zeiten im zerfallenden Heiligen Römisch-Deutschen Reich: im terri-

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A. Die Problematik des Gewaltbegriffs - Verwaltung als "Gewalt"?

torialen Fürstentum, welches aus vertikaler Gewaltenteilung emporwuchs in die Horizontale, oder in kommunalisierenden Verwirklichungen einer Macht, welche nun wirklich Gegengewalten aufbaute wider eine Summa Potestas, die sich nurmehr in den verdämmernden Höhen des Reichs und seines unwandelbaren Rechts halten konnte. Historisch ist hier, in einem langen Prozess, bewiesen worden, dass die eine Gewalt, die größte geradezu, eben wesentlich nicht teilbar ist, sondern nur auflösbar, und zwar vor allem in ihrem Vollzug, in jener Verwaltung, welche von aller Staatlichkeit der Gewalt am nächsten steht. Und diese mit neuem Machtanspruch sich entwickelnden Gewaltträger konnten denn auch in Deutschland nirgends als solche verstanden oder gar zusammengefügt werden in der westlichen Lehre von der Gewaltenteilung - sie waren ja eher ein historischer Beweis für deren staatsrechtliche Unvollziehbarkeit: eben ein monstro simile wie das zerfallende Reich, wie die zerstückelten Körper der japanischen Scharlatane des großen Schweizers. Umso weniger konnte hier die Teilbarkeit der einen Staatsgewalt bewiesen werden, als diese Gewaltenteilung selbst in Frankreich und England am Anfang und im Grunde nichts anderes war als ein historischer Beschreibungsbegriff - ein gewolltes, produktives dogmatisches Missverständnis.

2. Gewaltenteilung: Momentaufnahmen zerfallender monarchischer Exekutivmacht

Die Lehre von der Gewaltenteilung wird deshalb bei der Verwaltung die nicht umsonst einen zentralen Teil dieses Wortes aufnimmt - zum Problem, gerade bei ihr. Die Restbestandstheorie bedeutet dogmatische Resignation, aber sie ist zugleich List dogmatischer Vernunft: Nie war die Gewaltenteilung etwas anderes als Ausdruck der Forderung vordringender Gegengewalten wider die fürstliche Summa Potestas; gerade in ihren "klassischen Perioden" wird sie zur Momentaufnahme errungener Siege über diese einheitlich-höchste Gewalt, zu einem Bild von Zerfallsprodukten dieser Mächtigkeit. Aus ihr wurden gewissermaßen, im Laufe entabsolutierender und neu verabsolutierender Geschichte vom 17. bis zum 20. Jahrhundert, Stücke herausgebrochen, welche andere Mächtige besetzten, zu ihren kleineren Thronen werden ließen und zu immer höheren auftürmten, gegenüber den Thronen der Fürsten. Politische Siege waren dies, in englischen Experimenten und französischen Aufständen. Hinter ihnen stand nur selten dogmatisches Kalkül, keine durchgehende Theorie. Die Lehre von der Gewaltenteilung hat sie nicht hervorgebracht, sondern ratifiziert, post festurn - und es waren ja Blutfeste. Sodann konnte sie es, im Namen eines in ihr sich entwickelnden Öffentlichen Rechts unternehmen, diese Trümmer zu behauen, zusammenzufügen, aus ihnen ein neues Gebäude zu bauen.

II. Die Zweite Gewalt: Ein historisches Missverständnis

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Doch es waren nicht Randstücke, es waren Eckpfeiler, Gewölbeschlüssel der königlichen Gewalt, wie das unabhängige Richtertum, die souveräne Gesetzgebung. Frankreichs Dogmatik hat noch im 19. Jahrhundert den Begriff der "inneren Souveränität" verwendet und ihn bis in die Gegenwart hinein als Zeichen der einen Staatsgewalt Zerfallstendenzen der Gewaltenteilung entgegengehalten; wie in einer dogmatischen Vorahnung hat sie den Begriff der "Republique une et indivisible" noch über alle Gewaltenteilung gestellt. Doch die den Monarchen so entrungenen Stücke der einen Staatsgewalt, waren in sich von Anfang an keine stimmige Einheit, und am deutlichsten zeigte sich dies dort, wo der Fürst einiges noch festhalten konnte: im Namen eben jener Domaines reserves, in dem er auch der Herr der Verwaltung blieb, der Inhaber der Organisations gewalt. Sie aber konnte auf Dauer den Zerfallsprozess nur überleben als ein~ kupierte Gewalt, die sich zurückzog in bürgerfernere Bereiche, in die Außen- und Militärpolitik, aus der sich gewiss kein Verwaltungsbegriff aufbauen oder anreichern ließ. Von der Verwaltung blieben Beamte und Gebäude, Polizey, überall einsetzbar und doch in ihrem Wesen unsystematisch gewordene Macht - gerade deshalb immer odiosere "Gewalt", als welche sie der Liberalismus des 19. Jahrhunderts denn auch siegreich entlarven sollte. So hat diese Administration als Staatsgewalt keine Geschichte, nicht einmal in jenem Absolutismus Ludwig XIV, der sie nach herrschender Lehre und in richtiger Sicht geschaffen hat: Seinen Nachfolgern bereits wurde auch sie entzogen, grundsätzlich herausgelöst aus der Fülle der königlichen Gewalt, dort, wo sie den Bürger traf: in den Steuern vor allem. Mehr ist eben eine "Verwaltung als Gewalt" in solcher Sicht nicht als ein dogmatisches Missverständnis, als eine Rückprojektion späterer politischer Gewaltenteilung in die Zeit ihrer dogmatischen Entstehung. 3. Das historische Glück der Gewaltenteilung: Die Entdeckung des "Gesetzes" Eine Gewaltenteilung auf rein organisatorischer Grundlage hätte es wohl, jedenfalls im Frankreich Montesquieus, kaum geben können. Während sich in England immerhin die alten feudalen Gegenmächte wider das Königtum umformierten zu bürgerlich-kaufmannschaftlichem Selbstbewusstsein, auf diese Weise sich auch dieses Bürgertum also gewissermaßen soziologisch als Gegenmacht wider den König konstituierte, waren in Frankreich derartige Chancen organisatorischer Gewaltenteilung historisch vertan: Mit dem Sieg der Monarchie über die Fronde war die Organisation der Gegenkräfte wider die Monarchie als solche zerschlagen. Sie sollte auch im 18. Jahrhundert nicht wieder auferstehen, in jenen Parlements, die im Namen der

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A. Die Problematik des Gewaltbegriffs - Verwaltung als "Gewalt"?

neuen Gewaltenteilungs-Vorstellungen dem König zu trotzen versuchten. Vielmehr kam es, geistig bereits im Vorfeld der Revolution, deutlich in ihrem Verlauf, zu einer neuartigen funktionalistischen Sinnerfüllung der Gewaltenteilung: aus dem Begriff des Gesetzes. Die ursprüngliche Devise der an sich unorganisiert, gewissermaßen spontan "zusammengelaufenen" Revolutionäre in der Ersten Nationalversammlung war denn auch nicht etwa "König, Parlament, Gerichte" oder gar eine Proklamation von "Drei Gewalten"; im Namen von "La Loi et le Roi" gab die revolutionäre Macht ihre erste Gesetzessammlung heraus, ihre Gewaltenteilung war eine eigenartige Verbindung von Funktionalismus und organhaftem Verständnis, von Tätigkeit und Gewaltträger. Durchgesetzt hat sich darin aber letztlich nicht die organisatorische, sondern die funktionale Gewaltenteilung, gesiegt hat der Geist der Revolution - Montesquieus Geist der Gesetze. Damit schien jedoch von vorneherein der Begriff der "Gegengewalt" aufgegeben, welche eben eines Trägers bedurft hätte, neben dem König, auf gleicher Ebene mit ihm. Und wie hätte man auch damals etwas Derartiges denken können, mitten in den Stürmen und dem Schwung der Revolution: der König stand eben entweder an der Spitze, wie im Ancien Regime - oder er war zu enthaupten; neben ihn konnte und wollte sich "das Volk" nicht stellen. So konnte dann der Staat wirklich ein "ganz anderer werden", ein Staat der Funktionen, von vorneherein erneut hierarchisiert in einer Gewaltenteilung der Funktionen, nicht horizontalisiert in neuen Fronten von nebeneinander stehenden Organen. Für eine "Legislative" war in dieser ursprünglichen revolutionären Konzeption Platz nicht als "Gewalt", sondern nur als Funktion der Volksrnacht; ebenso wenig gab es eine wirkliche "Gewalt" unabhängiger Gerichtshöfe, ihnen wurde jede Einmischung in die Staats geschäfte sogleich bei schweren Strafen verboten. Und doch verschrieb sich diese revolutionäre Republik der Gewaltenteilung mit einer Strenge, die den Begriff durch das ganze 19. und 20. Jahrhundert getragen und ihn schließlich hat klassisch werden lassen. Aber es war eine funktionale Gewaltenteilung und zudem noch in einer deutlichen Hierarchisierung der Funktionen, welche so eigentlich zum Begriff der "Teilung" gar nicht passen wollte: An der Spitze stand das Gesetz, es folgte sein Vollzug im Öffentlichen Recht in der Zweiten Gewalt, seine Anwendung zwischen den Bürgern im Wirken der Dritten. Und gerade weil eine dieser Gewalt-Funktionen eine so eindeutig herausgehobene Stellung einnahm, die Gesetzgebung, konnte es eine "Zusammenarbeit" der Gewalten nicht geben, nicht ihre Verschränkung, sondern wieder nur Unterordnung; oder hätte man sich eine "Zusammenarbeit von Funktionen" vorstellen können? So war die Gewaltenteilung historisch gerettet, neu begründet und gestärkt ging sie aus der Französischen Revolution hervor - doch politisch

III. Die organhafte Verortung der "Verwaltung in der Verfassung"

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war ihr altes Problem, ihr traditioneller Gegenstand geblieben: die Beschreibung der Erosionszustände der niedergehenden monarchischen Macht. Daher kam es dann doch bald zu einer tatsächlich-politisch legitimierten Rückkehr von Vorstellungen der organhaften Gewaltenteilung: Dem Parlament gelang, langsam aber sicher, in allen europäischen Staaten die Besetzung der - organisationsrechtlich verstandenen - Spitzenposition im Staat, die Volksvertretung wurde zur organhaft verstandenen gesetzgebenden Gewalt. Die Gesetze gewannen ihre Kraft nicht mehr aus ihrem alten "Geist", wie in den Theorien des Montesquieu, sondern aus der organhaft-politischen Mächtigkeit der Vertreter des Volkssouveräns. So vollzog sich etwas wie eine organrechtliche Auffüllung des Gewaltenteilungsbegriffs; im Grundsatz blieb er funktionalistisch gedacht, und dies bis auf den heutigen Tag, er verstärkte sich aber doch auch immer mehr in organhaften Anknüpfungspunkten, in der Vorstellung von gewissen Staatsinstanzen als Hütern der Freiheit: von einem Parlament, welches diese mit seinen Gesetzen umhegte, einer Gerichtsbarkeit, welche administrativer Willkür entgegentrat. Dies ist der geistige Zustand der Gewaltenteilung bis heute geblieben: ein unklarer, historisch zu erklärender Synkretismus von Funktionalismen und staatsorganisatorischem Denken. Doch wo steht, im Raume dieser Gewaltenteilung, die Administration, die "Verwaltung" im heutigen Sinne, lässt sie sich funktionalistisch begründen oder organisationsrechtlich verorten - als Gewalt?

111. Die organhafte Verortung der "Verwaltung als Exekutive" in der Verfassung "Regierung" und Verwaltung 1. Die Abwertung der "Regierung" in

der französischen Entwicklung

a) Die französischen Revolutionäre hatten "das Gesetz" neu entdeckt für die Verfassungsentwicklung des Kontinents. Damit aber hatten sie dieses Verfassungsverständnis auch um einen neuen Begriff bereichert: Die "Verwaltung" sah sich als Exekutive in die Verfassung eingeführt, in einem Verfassungsterminus, in einer neuen Einheitlichkeit, wie sie eine solche früher kaum in ihrer organisatorischen Zusammenfassung in der Person des Königs gefunden hatte; die Rede war nicht mehr von "Verwaltungen", sondern nurmehr von "der Verwaltung". Diese neue Einheit war im Grunde nichts anderes als die verfassungsdogmatische Entsprechung zum Begriff der "Einheit des Gesetzes", dem die ganze "übrige" Staatstätigkeit unterworfen werden musste, die eben darin zu einer gesetzesentsprechenden Integration fand - in der "Administration". Verwaltung war nun alles, was gesetzesgebunden war und doch der Ver-

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A. Die Problematik des Gewaltbegriffs - Verwaltung als "Gewalt"?

wirklichung bedurfte mit Zwangsgewalt, nicht der Rechts-Erkenntnis durch den Richter. Geboren war also mit "dem Gesetz" nicht nur "die Verwaltung", sondern die Verwaltung als "Vollziehende Gewalt". Fand sie nicht auch darin gerade zu einer Einheit, dass "das Gesetz" als ein allgemeiner Imperativ, eben "dieses Vollzuges" im Einzelfall bedurfte, und lag nun nicht in diesem Vollzug selbst die Notwendigkeit der organisationsrechtlichen Anbindung an ein Organ, welches allein ihn sicherstellen konnte? Aus der Idee des neuen Verständnisses der Gewaltenteilung heraus war dies gewiss eine notwendige dogmatische Folgerung, und sie konnte nur zu einem organisationsrechtlichen Ergebnis führen: zu einer neuen Einheit "der Verwaltung" in "der Regierung" - damit zugleich in der Verankerung der Administration in der Constitution. Paradox mag es klingen: Mit "dem Gesetz" war "die Regierung" als Organisationseinheit der Verwaltung entstanden, entsprechend "dem Parlament" mit verfassungsrechtlicher, normativer Notwendigkeit. b) Doch dies musste sich nun dem politischen Zug des 19. Jahrhunderts stellen und seinen Macht-Kämpfen: auf der einen Seite eine geschwächte und doch noch immer vollzugsmächtige monarchische Gewalt - auf der anderen die vordringende, im Organisationsrecht des Parlaments verfestigte und laufend im Namen des "Gesetzes" gestärkte Volkssouveränität. Nicht eine statisch-dogmatische Ruhe erwartete also die Gewaltenteilung, gerade im Bereich des "Verwaltens", dieses sah sich von Anfang an in die organisationsrechtlichen Kämpfe um seine verfassungsrechtliche Verortung geworfen. Zum eigentlichen Pouvoir, im vollen Sinn des durch Kompetenz legitimierten, organisationsrechtlich bestimmten Organs hätte die "Verwaltung" werden können, wenn die Regierungsgewalt eine Stabilität auf Dauer hätte erreichen können, wie sie der deutsche Konstitutionalismus den siegreichen Monarchen des 19. Jahrhunderts für Generationen gesichert hat (i. Folg. 2). In Frankreich brach aber die königliche Exekutive mit dem verlorenen Krieg von 1870 zusammen, in England schob sich das Parlament, trotz beispielloser außenpolitischer Erfolge der Regierung, immer mehr in diese denn es waren bereits die Erfolge seiner Mehrheit geworden. In Frankreich war ein Grundgedanke der Revolution nie verloren, aus deren ursprünglichem Verständnis des beherrschenden Gesetzesbegriffes heraus: die "Regierung als Exekutivausschuss des Parlaments", als ein "Comite", hinter dem ein gewähltes Versammlungs-Plenum stehen musste, die gewählten Vertreter des Volks souveräns als Gesetzgeber. Dem König bescheinigten die siegreichen Liberalen alsbald, er habe zu regieren, nicht zu gouvernieren - damit sah er sich abgedrängt, nicht nur aus der hohen Militär- und Außenpolitik, seinen Domaines reserves, sondern auch, wenn auch mehr implizit, aus einem Gesetzesvollzug, der noch weiter entfernt

III. Die organhafte Verortung der "Verwaltung in der Verfassung"

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schien vom "Regieren" als etwa die außenpolitische Vertretung des Staats. Hinter diesem "Le Roi regne et ne gouverne pas" wird so letztlich eine eigentümliche Grundvorstellung des Liberalismus zur Gewaltenteilung sichtbar: dass Gesetzesvollzug sich gewissermaßen von selber ergebe, dass sich das Gesetz in der Verwaltung selbst fortpflanze. Die hierarchisierte französische Gewaltenteilung erreichte damit ihre letzten Konsequenzen: So einheitlich sie "die Administration" geschaffen hatte, so stark diese faktisch in diesem Einheitsstaat geworden war - so wenig hat sie gegen Ende des 19. Jahrhunderts hier zu einem "eigenen Organ" finden können, zur Verortung in einer "Regierung". Zwar hatte man noch in der III. Republik nach 1871 versucht, "die Exekutive" um jenen Präsidenten zu versammeln, der ihre Sitzungen leiten sollte. Doch er war eben zugleich bereits zum Pouvoir neutre geworden, zur gewaltlosen Person über den Gewalten, nicht zu einer von diesen. Und die parlamentarisch verantwortliche Exekutive wurde immer weiter geschwächt, in dauernden Regierungsstürzen, bis zur Machtergreifung de Gaulles; nur ungern und ohne tiefere Bedeutung behandelten Verfassungsrechtler überhaupt noch den Pouvoir executif als solchen, rasch schalteten sie um zur Behandlung einer "Administration", die noch stärker parlamentsunterworfen erschien, als dass sie organisationsrechtlich in eine "Regierung als Gewalt" hätte münden, diese konstituieren können. Ein organisationsrechtlicher "Gewaltträger Regierung" - das ist wirklich in Frankreich lange Zeit eine unauffindbare Rechtsfigur des Verfassungsrechts geblieben, in Italien, unter französischem Einfluss, bis in die Gegenwart. Verwaltung war Verwaltungsrecht geworden, eine unübersehbare organisatorische Vielzahl von Instanzen, die nurmehr eines zusammenschloss: der Vollzug der Gesetze. Da war dann eigentlich auch kein Platz mehr für eine entwickelte Lehre von der Gewaltenteilung, weil doch eine neue Einheit hergestellt war: zwischen Gesetzeserlass und Gesetzesvollzug, in voller Funktionalität. Nicht umsonst ist daher nirgends soviel von Gewaltenteilung die Rede gewesen, wie im französischen Verfassungsrecht bis in die neueste Zeit - und so wenig dazu ausgesagt worden. 2. Die deutsche Gewaltenteilungstradition: Regierung als Organ der Vollziehenden Gewalt Die deutsche Entwicklung ist dieser radikalen Funktionalisierung und der sich unter ihrem Deckmantel vollziehenden Parlamentarisierung der Administration - in der diese ihr Eigengewicht allenfalls in Bürokratismen auf niederer Ebene bewahren konnte - in diesen Formen nicht gefolgt. Der deutsche Konstitutionalismus war die eigentlich beherrschende und in sich konsequente Form verfassungsrechtlicher Gewaltenteilung in Deutschland, dort gewann diese mit ihm Realität und verfassungsrechtliche Vertiefung, in

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A. Die Problematik des Gewaltbegriffs - Verwaltung als "Gewalt"?

der Klassik des Staatsrechts von Laband. Der neuentdeckte Rechtsstaat stellte zugleich eine übergreifende Begrifflichkeit zur Verfügung, welche diese ganze Staatsform zusammenfassen konnte - und nicht von ungefähr ist diese Gewaltenteilung, von ihren konstitutionalistischen Anfängen an bis in die Gegenwart, stets im Zusammenhang mit dieser deutschen Form der Rechtsstaatlichkeit behandelt worden - es war eben nicht jene französische Legalität, welche alles auf die Funktionalität des Gesetzesbegriffs ausrichtete und seine Anwendung. So konnte Verwaltung von vorneherein nicht nur zu einem, sondern zum zentralen, wenn nicht eigentlichen Kapitel des deutschen Staatsrechts werden. Sie war bruchlos verbunden im 11. Reich, über den Reichskanzler, mit jenem Monarchen, der noch immer ihre eigentliche Machtquelle war, der zugleich, verfassungsrechtlich beschränkt, auch wirklich zum Träger der vollziehenden Gewalt erstarkte; und dies war umso leichter hinnehmbar, als der Föderalismus solche Macht vor allem den Territorialfürsten gewährte, nicht einer großen Reichsexekutive, welche auf Repräsentation und bürgerferne Staatsgewalten wie die Auswärtige sich zurückzog. Doch damit kam es in der deutschen Verfassungstradition zu einem Verständnis des Begriffs, der "Vollziehenden Gewalt", welcher später ins Grundgesetz einfließen sollte, und eben doch anders gedacht war, als der französische Pouvoir executif, der diesen Namen kaum mehr verdiente. Selbst über die Instabilitäten der Regierung von Weimar hinweg hat sich in Deutschland die Vorstellung von einer Regierung als Trägerin der vollziehenden Gewalt, wenigstens im Grundsatz, erhalten, schon weil dies in den Ländern ungebrochen blieb. Doch es fragt sich nun, ob damit etwas ausgesagt ist auch über die Grundfrage dieses Kapitels: eine "Verwaltung als Gewalt". 3. Regieren als Gesetzesvollzug? a) Gewiss liegt dies "irgendwie" dem deutschen Verständnis von der Zweiten Gewalt zugrunde, von der Regierung als einem organisatorisch bestimmten Träger derselben: dass sie ihr rechtliches und politisches Eigengewicht finde im Vollzug der Gesetze, so wie das Parlament als Organ in dessen Setzung. In Frankreich war dies Letztere zur unbestrittenen Realität geworden, bis zur Machtergreifung de Gaulles; in Deutschland hatte es sich festigen können, in der bereits beschriebenen eigenartigen Verbindung von Funktionalismen und organisationsrechtlichem Denken im Bereich der Ersten Gewalt. Sollte nun nicht auch Vergleichbares möglich werden im "Bereich der Regierung" und für sie? b) Doch gerade hier zeigt sich eine selten bemerkte, kaum vertiefte Problematik: Der Bereich der Regierung ist kein gewaltträchtiger Organisa-

III. Die organhafte Verortung der "Verwaltung in der Verfassung"

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tionsbegriff geworden im deutschen Staatsrecht. Ulrich Scheuners Versuche, ihn als einen solchen zu umschreiben, haben keine größere dogmatische Entwicklung einleiten können, aus der heraus gewichtige Entscheidungsmaterien, oder gar deren Zusammenfassung in einer einheitlichen Entscheidungsstruktur, "die Regierung" als Gewalt hätten konstituieren können. Lediglich "für die Organisationsgewalt im Bereich der Regierung" konnte Ernst-Wolfgang Böckenförde, in der Nachfolge Scheuners, Kompetenzen ausmachen, welche einerseits einen Anfang politischer Mächtigkeit bedeuten, zum anderen und vor allem sich dogmatisch in Zusammenhang bringen lassen mit Vorstellungen VOn einer "Vollziehenden Gewalt". Doch auch darin liegt eben nicht eine "Erfassung der Verwaltung als Gewalt". Gewiss beginnt der Vollzug der Gesetze mit verwaltungsorganisatorischen Entscheidungen; doch sie haben eben an sich, nach ihrer dogmatischen Struktur, eher etwas Gesetzesförmiges, bringen nicht eine besondere Staatsgewalt im Einzelfall zum Einsatz; gerade deshalb verstärkt sich denn auch, und dies noch im Namen der Rechtsstaatlichkeit und ihrer Gewaltenteilung, der Zug zu normativer Ausgestaltung der Staatsorganisation. Soweit diese im Verordnungswege erfolgt, unterliegt sie immerhin parlamentarischer Ermächtigungsentscheidung, in ihren Inhalten wirkt sie voll gesetzesförmig, und die Lehre erfasst sie als Ausdruck der Gesetzgebung, funktional als Erste Gewalt. Nicht anders steht es um jene Fortsetzung des Verwaltungshandeins, welches sich, aus organisationsrechtlich festgelegten Kompetenzen heraus, im Verwaltungsverfahren vollzieht. Hier hat die Erste Gewalt bereits weithin die Zweite verdrängt. Die Normförmigkeit des Verwaltungsverfahrens entspricht dessen Funktion, nicht den Vollzug gerade im Einzelfall zu gewährleisten, sondern den Gesetzesrahmen des Vollzugs zur Verfügung zu stellen. Dort mögen nun gewiss auch die Räume abgegrenzt sein, in denen sodann die Hoheitsgewalt den Einzelfall nach ihrem Ermessen entscheiden darf; doch im Sinne der Gewaltenteilung ist die Schaffung VOn Verfahrensrecht funktional zur Ersten Gewalt abgewandert, auch da ist nirgends eigentliche Regierungsgewalt; allenfalls konkretisiert sie Normen. c) "Die Regierung" ist denn auch gar nicht Träger einer Verwaltungsgewalt im eigentlichen Sinne; weder rechtlich noch tatsächlich liegt ihr Schwerpunkt im Gesetzesvollzug. Der Begriff einer "Regierung als Exekutive" ist daher verfassungsrechtlich, nach deutschem Staatsrecht jedenfalls, nicht korrekt. Jenes selbe Staatsrecht, welches die Regierungen in Bund und Ländern noch immer unter dem Begriff der Exekutive behandelt, hat im Grunde seit langem erkannt, dass der Bereich der Regierung im Schwerpunkt ein ganz anderer, nur in Randerscheinungen ein solcher des Verwaltens ist. "Regierungsakte" haben eine ausgebaute Dogmatik hervorgebracht - sie definieren

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A. Die Problematik des Gewaltbegriffs - Verwaltung als "Gewalt"?

sich gerade durch einen Gewalteinsatz, der nicht "der normalen Gesetzesbindung" unterliegt, den Bürger meist als Gewalt gar nicht erreicht, weithin sich in innerstaatlichen Organisationsfolgerungen erschöpft. Die zentralen Gegenstände der Regierungstätigkeit sind gewiss nicht Verwaltungsvorgänge. Dort werden Gesetze vorbereitet und Verordnungen formuliert; eine Außenpolitik wird gestaltet, die sich schon aus Gründen des völkerrechtlichen Territorialprinzips des Einsatzes verwaltender Hoheitsgewalt enthalten muss - es sei denn, diese wirke innerorganisatorisch. Landesverteidigung wird sichergestellt, Intervention in fernen Ländern betrieben - oder ganz einfach Krieg geführt, um es mit einem früheren, ehrlichen Wort zu sagen: all dies aber doch wieder fern von jedem Verwalten, in dem immer etwas Tagtägliches, etwas "Normales", etwas "Ordentliches" mitgedacht ist, wie es in Außen- und Militärpolitik gewiss keinen Raum findet. Soweit Finanzpolitik betrieben, Mittel im parlamentsbeschlossenen Rahmen verteilt werden - ist dies nun wirklich "Verwaltung", nicht nur Ermöglichung einer solchen? Sieht sich die "Regierung" hier nicht geradezu organisationsrechtlich gedrängt von jenen Instanzen, welche dann erst zulassen und abwickeln, darin die eigentliche Hoheitsgewalt, in oft weitem Belieben, einsetzen? Von der eigentlichen Verwaltung, von dem weit überwiegenden Teil dessen, was der Bürger darunter versteht, was ihm täglich begegnet, ist "die Regierung" geradezu organisationsrechtlich abgeschichtet, in einem Föderalismus, der ein "Durchregieren", jedenfalls der Bundesregierung, nicht gestattet. Gleiches erfolgt durch eine Kommunalisierung, welche selbst die Landesregierungen aus zahlreichen, entscheidenden Bereichen des Verwaltens ausschließt, durch gesetzliche Autonomisierungen, wie in den Fällen von Rechnungsprüfung und Zentralbank, in welchen materielles Verwalten fern vom politischen Regierungsbereich sich vollzieht. Es bleiben zwar "Spitzenbereiche", in denen innerorganisatorisch wirksames Administrieren sich in Regierungsentscheidung vollzieht, und auch wichtige bürgerwirksame Dezisionen auf Regierungsebene fallen. Und schließlich wird immer wieder "der besondere Einzelfall hierarchisch hochgespielt" bis zum zuständigen Minister, ja in die Ministerrunde hinein. Daraus ergibt sich für eine "Regierung als Organ der vollziehenden Gewalt": sie ist nur "ein exekutionelles Organ der Verwaltung". Diese nämlich zerfallt, bei einiger Vereinfachung, in zwei große Komplexe, das "tägliche Verwalten", im Vollzug der Normen, vielleicht auch noch in einer eigenartigen Gestaltung, immer aber doch auf regierungsfernen Ebenen, von der Regierung aus im allgemeinen nicht erreicht - und das, was man geradezu als "Verwaltung im Ausnahmefall" bezeichnen könnte, in einer Befehlgebung in exzeptionellen Fällen, solchen also, in denen gerade das Gesetz als solches sich "eben nicht ohne weiteres vollziehen lässt".

IV. Unmöglichkeit organisationsrechtlicher Verankerung der Zweiten Gewalt 31

Ein Paradox: Eine Gewalt soll organisationsrechtlich konstituiert werden durch ein Organ, das nach dem benannt wird ("Exekutive"), was es eigentlich nicht ins Werk setzt: die Vollziehung der Gesetze, in jenem "allgemeinen Fall", auf den sie aber gemünzt sind, aus dem sie ihre Legitimation, ja ihre Majestät gewinnen. Die Regierung dagegen übt eine Art von Ausnahmegewalt aus im Gesetzesvollzug, und nicht umsonst sieht sie sich ja gerade darin der Kontrolle des Parlaments ausgesetzt, das in solchen Fällen, der Mittelvergabe, der hochpolitischen Verwaltungsentscheidungen und des Durchgriffs in "besonderen Fällen", stets rasch auf den Plan tritt - um sich in jene Regierungstätigkeit einzumischen, mit der sich die Exekutive im Grunde eben nicht gesetzesvollziehend, sondern gesetzesergänzend, wenn nicht gesetzesüberschreitend betätigt hat.

IV. Die Unmöglichkeit einer organisationsrechtlichen Verankerung der Zweiten Gewalt Man mag nun die Regierungskompetenzen noch so weit in das tägliche Verwalten hineinwirken sehen - eine Folgerung erscheint unausweichlich: Mit Regierungstätigkeit schlechthin lässt sich Administration nicht identifizieren, die Regierung ist als solche, als Organ, nicht "vollziehende Gewalt" der Gesetze, und ihre Tätigkeit erfasst mit Sicherheit vieles, was allenfalls in einem Verständnis "Vollzug" sein könnte, das sich dann aber selbst aufhebt: im Vollzug ihrer eigenen Anordnungen. So bleibt eben doch nur eine Möglichkeit der Konstituierung einer Zweiten Gewalt: in funktioneller Betrachtung. Worauf aber soll sich diese beziehen, auf welche Art der Tätigkeit? Ist dies doch nur der "Vollzug der Gesetze", einschließlich der von der Verwaltung sich selbst gegebenen Normen, vielleicht gar noch jener Befehle, die sie sich selbst normfrei erteilt? Die Folgen eines solchen Verständnisses wollen bedacht sein: Es fehlt dann verfassungsrechtlich jede organisationsrechtliche Orientierung für die rechtliche Erfassung dieser Zweiten Gewalt, wie sie doch bei der Ersten in der Institution des Parlaments, bei der Dritten in den Instanzen der unabhängigen Gerichtsbarkeit verfassungsrechtlich deutlich vorgegeben ist. Schon Autonomisierung und Föderalisierung - auf welche noch vertiefend zurückzukommen ist - schließen es schlechthin aus, Verwaltung gerade in einem Regierungsbereich zu verorten, aus dem eben nicht in alle Räume des Exekutivbereichs "durchregiert" werden kann. Die Betrachtung einer "Verwaltung als Staatsgewalt", oder auch nur, um in herkömmlichen Kategorien zu bleiben, einer Zweiten, einer Vollziehenden Gewalt, sieht sich also vor einer Schwierigkeit, welche bei den anderen Gewalten nicht auftritt: Sie muss ihren Begriff in reinem Funktionalismus suchen. Doch da taucht sogleich das nächste Problem auf: Solcher Funktio-

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A. Die Problematik des Gewaltbegriffs - Verwaltung als "Gewalt"?

nalismus setzt voraus, dass das Gewalt-Typische eines derartigen Verwaltens auffindbar, dass es rechtlich definierbar ist, und dass es sich zu einer bestimmten Einheit zusammenfügen lässt - eben als Gewalt begriffen. Drei Wege eröffnen sich nun zu einem solchen gewaltkonstituierenden funktionalen Begriff des Verwaltens: - Entweder man sieht es eben doch, mit einer wohl noch immer herrschenden Auffassung, im Vollzug, in der Durchsetzung der Gesetzesbefehle. Dann aber müsste Verwaltung nicht nur mehr sein, sondern etwas anderes als Gesetzgebung, sich gerade aus der Besonderheit dieses ihres vollziehenden Gewalteinsatzes bestimmen lassen: Verwaltung als Gesetzesvollzug (i. Folg. B), - oder die Besonderheit des Verwaltens liegt, in diesem Gesetzesvollzug, aber gerade darin, dass hier eine besondere Machtform eingesetzt wird: Verwaltung als Gesetzesvollzug durch Hoheitsgewalt (i. Folg. C); - oder es gibt, unabhängig vom Gesetzesvollzug, oder sogar vom Einsatz der Hoheitsgewalt, Bereiche, die das Öffentliche Recht "in Verwaltung erfasst", oder wo dies jedenfalls gestattet ist: Verwaltung, als "sich Kümmern um Eigenes", unabhängig von Gesetzesvollzug und Hoheitsgewalt (i. Folg. D) oder Verwaltung als Gewalt des Förderns (i. Folg. F). In all diesen drei Richtungen geht es immer um dasselbe: um einen funktionalen Begriff des "Verwaltens", der dann als solcher den Begriff der Zweiten Gewalt konstituieren soll. Wenn er sich auf diesen Wegen nicht oder nicht voll überzeugend auffinden lässt, so hat dies eine schwerwiegende Folge: Es beweist Schwäche oder gar Auflösungserscheinungen einer "Machtordnung durch das Recht", welches dann nicht oder nicht mehr vollständig in der Lage ist, zentrale Formen der Machtausübung nach einheitlichen Kriterien zusammenzufassen, zu ordnen, zu begrenzen. Wenn dies nicht gelingt, so muss sich in diesen Bereichen eine Beliebigkeit der Macht in rechtlich nicht zusammenzuordnenden Formen entwickeln, es zerfallt dann die Zweite Gewalt als eine solche, sie löst sich auf in Organisationsund Verfahrensformen, die allenfalls noch vor einem Grundrechtsschutz durch die Gerichte Halt machen müssen - wie lange noch? Jedenfalls wirkt dann nicht mehr der organisatorische Freiheitsschutz der Gewaltenteilung und mit ihr der Rechtsstaatlichkeit als solcher. Es zeigen sich am Ende "kleine Mächte" in irgendwelchen Formen des Rechts, die ein solches für sich einsetzen, ihm aber nicht mehr gehorchen. Im Grunde geht es also im Folgenden um die Funktion der Zweiten Gewalt, um Verwalten als Gesetzesvollzug, ein mehr oder ein aliud jenseits von diesem, immer aber noch in der Einheit einer Gewalt. Sollte sie sich auflösen in Gewalten, so gerät die Gewaltenteilung schlechthin ins Zwielicht.

IV. Unmöglichkeit organisationsrechtlicher Verankerung der Zweiten Gewalt 33

Zweite Gewalt ohne zentrales Organ - das wäre hinzunehmen; Exekutive ohne den Gegenstand eines wie immer bestimmten aber einheitlichen Verwaltens - das wäre das Ende dieser Gewalt.

3 Leisner

B. Verwalten als Gesetzesvollzug I. "Verwaltung als Gewalt" und die Krise des Gesetzes 1. Einheit der "Verwaltung" aus der "Einheit des Gesetzes"? Wenn Administration gesehen wird im "Vollzug der Gesetze", so wie es der Verfassungsbegriff einer "vollziehenden Gewalt" doch nahelegt, so erhebt sich ein dogmatisches Problem: "Das Gesetz" als solches gibt es nicht, es gibt die vielen Gesetze, in unterschiedlichen Formen, von verschiedenen Instanzen erlassen, mit verschiedenartigen normativen Wirkungen. Das Wesen eines Verwaltens als Vollzug all dieser Normen muss sich aber doch, so scheint es jedenfalls, gerade bei funktionaler Betrachtung, aus seinem Gegenstand bestimmen lassen, unter Berücksichtigung eben dieser Gesetzesvielfalt. Müsste es dann nicht einen Gesetzesvollzug geben, einen Verordnungsvollzug, einen Satzungsvollzug u. ä. mehr? Kann der Vollzug eine Einheit darstellen, wenn sein Gegenstand eine solche Vielfalt aufweist? Bejahen lässt sich das dann, wenn nicht so sehr auf die anzuwendende Norm gesehen wird, als vielmehr auf den Normadressaten: Für seine Normunterworfenheit ändert sich nichts, ob er nun einer nieder- oder höherrangigen Norm zu gehorchen hat, einer administrativ oder parlamentarisch gesetzten. In diesem Sinne sind übrigens die Normvollzieher ebenso Normadressaten wie jene Gewaltunterworfenen, welche dadurch erst voll in eine solche Rolle geraten, dass die Normvollzugsorgane eben auch, wenn auch in anderer Weise, Normadressaten sind. Dann aber ist eine Folgerung unausweichlich: Es ist nicht die Einheit des Begriffs des Gesetzesvollzugs, im Sinne einer Einheit von Art oder Ebene der jeweils vollzogenen Normen, welche die Einheit des Begriffs des "Verwaltens" konstituiert; vielmehr ergibt sich diese aus einer bestimmten Form der Anwendung, die bei allen Normen stets dieselbe ist, sie liegt also in der Art des Vollzugs. Hat man jedoch davon auszugehen, so ist es gerade nicht der Vollzugs gegenstand, das "Gesetz", welches in seiner einheitlichen Normqualität (gegenüber den Normadressaten) die Einheit eines Begriffs des Verwaltens hervorbringt, es ist vielmehr die Form des Vollzugs, welche bestimmt, was Administration ist. Dies aber läuft wiederum hinaus auf eine Bestimmung des Verwaltens aus dessen Durchsetzungsformen, insbesondere auf die These, dass "Verwalten" wesentlich durch den Einsatz von Hoheitsgewalt bestimmt wird, worauf noch zurückzukommen sein wird (vgl. unten C); oder es ergibt sich

I. "Verwaltung als Gewalt" und die Krise des Gesetzes

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vielleicht gar, dass die Realisierungsfonnen der Nonnwirkung gar keine Einheit des Verwaltungs begriffs hervorbringen können, weil sie eben an sich keine Einheit darstellen, weil "verwaltet" werden kann ebenso unter Einsatz der Hoheitsgewalt wie in Fonnen der Gleichordnung, des Privatrechts (v gl. unten D). Wie immer man hier dies im Einzelnen sehen mag - ein Ergebnis bleibt jedenfalls: Aus einer "Einheit des Gesetzes" lässt sich eine "Einheit der Verwaltung" nicht ableiten, sondern allenfalls aus einem einheitlichen Begriff des Nonnvollzugs. Dann aber müsste jedenfalls der Begriff der Nonn, des Gesetzes im materiellen Sinn, einheitlich sein und, vor allem, wirksam. Dies aber lässt sich heute nicht mehr ohne weiteres annehmen. 2. Verwaltung vor der Krise des Gesetzes und als Phänomen derselben a) Die gesetzgebende Gewalt löst sich, gerade in neuester Zeit, immer mehr auf; davon war früher bereits vertiefend die Rede. Wenn es je etwas gegeben hat wie eine Einheit der Gesetzgebung als solcher, aus dem einheitlichen Begriff eines "Gesetzes" heraus, welches als einheitlicher Gegenstand organisationsrechtlich etwa durch die Aktionen des Parlaments definiert wurde, oder umgekehrt die Einheit der gesetzgebenden Instanz seinerseits hervorbrachte - all dies löst sich zunehmend auf, in Wirkungsschwäche oder in realitätsferner Überstarrheit. Dies mag noch keine unmittelbaren Wirkungen zeitigen auf einen funktional betrachteten Begriff der "Gesetzgebung", die auch dann noch angenommen werden kann, wenn sie ihre ursprünglichen, ihre eigentlich intendierten Wirkungen nicht mehr hervorbringt. Doch es zeigt sich, wie ebenfalls bereits dargestellt, ja noch eine Krisenerscheinung, die nun unmittelbar auch die Verwaltung betrifft: Das "Gesetz" löst sich eben nicht nur auf in seinen Wirkungen, sondern auch in der Aufsplitterung der eigentlich "gesetzgebenden Gewalt" in ein Nebeneinander - allenfalls noch eine Kooperation - ganz unterschiedlicher Gewaltträger, und hier insbesondere auch einer Verwaltung, welche das Gesetz anstößt, die Nonnen weithin selbst erlässt, sie jedenfalls in Interpretation erst wirklich inhaltlich bestimmt. Die Krise des Gesetzes liegt vor allem darin, dass eine eigentliche "gesetzgebende Gewalt" unauffindbar geworden ist - oder dass sich jedenfalls in ihr, geradezu in ihrem Kernbereich, auch die anderen Gewalten betätigen, die Gerichtsbarkeit in Auslegung, die Zweite Gewalt überdies aber noch in vielfachen, bereits erwähnten Kooperationsfonnen. b) Diese Auflösung des Begriffs der gesetzgebenden Gewalt, der Ersten im Staat, des eigentlichen Prototyps der Gewalten im Sinne von deren verfassungsrechtlicher Teilung, kann nun aber nicht ohne dogmatische Auswirkungen auch auf die Zweite Gewalt bleiben, die vollziehende. 3*

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B. Verwalten als Gesetzesvollzug

Zunächst fragt es sich schon, ob ein Gewaltbegriff überhaupt als solcher noch aufrechterhalten werden kann, wenn er sich, als der einer "vollziehenden", dort auflöst, wo er seine, wenn nicht historischen, so doch jedenfalls dogmatisch-konstruktiven Ursprünge hatte, in der Gesetzgebung. Es schließt sich die bereits (oben 1.) behandelte Frage an, ob sich eine solche Einheit beim Vollzug dessen aufrechterhalten oder wiederfinden lässt, was an sich seine Einheit verloren hat - das Gesetz; doch darüber mag man noch hinweggehen. Weit tiefer geht eine dritte Problematik: ob sich nämlich ein solches "Verwalten" als eine Einheit in sich dogmatisch konstruieren lässt, wenn es in derart notwendiger Verbindung, ja Verschlingung mit einer anderen Gewalt auftritt, der gesetzgebenden. Es sind ja nicht nur Randerscheinungen, in denen typische Aktivitäten des Gesetzesvollzugs, insbesondere seine Vorbereitung durch interpretative Erfassung, geradezu erst "die Gesetzgebung" als solche darstellen, während die parlamentarische Normgebung nur Rahmen oder Anhaltspunkte zur Verfügung stellt. Wird aber auf diese Weise gerade die Verwaltung in einem eigentlichen Zentrum einer anderen Gewalt tätig, so erhebt sich nicht nur die Frage, ob denn die Gewalten-Teilung als solche sich noch aufrechterhalten lässt. In derselben Konsequenz liegt dann die weitere Problematik, ob es eine solche nicht abtrennbare, also letztlich doch nicht definierbare Gewalt als eine Einheit begrifflich überhaupt noch geben kann. Mit anderen Worten: Was ist "ein Verwalten an sich", wenn sein Normvollzug wesentlich nichts ist als Fortsetzung der Tätigkeit der Ersten Gewalt - mit anderen Mitteln? Und sind diese Mittel wirklich "andere", stehen sie nicht als solche auch dem Parlament etwa zur Verfügung, wenn es nur genauere Gesetze erlassen wollte, weniger interpretationsbedürftige, oder wenn es gar selbst zur authentischen Interpretation übergeht? Was ist eine Gewaltenteilung wert, welche nur Tätigkeiten zusammenordnet, die sich gegenseitig ergänzen, und die überdies noch auf gleiche inhaltliche Wirkungen gerichtet sind, nämlich auf eine "Normperfektion", welche Voraussetzung der Normanwendung ist? Wiederum könnte dies dann doch zu der notwendigen Folgerung führen, dass die Eigenheit des Verwaltens nicht ganz allgemein in der vollziehenden Befassung mit Normen liegt, sondern nurmehr in deren Durchsetzung in bestimmten Formen, der Hoheitsgewalt, oder nach anderen rechtlichen Kategorien - womit wieder die bereits vorstehend angedeutete Frage erreicht wäre, ob Verwalten denn überhaupt mehr bedeuten kann als den Einsatz bestimmter Formen der Norrnrealisierung, die dann aber eben ihrerseits wieder, gerade in neuester Zeit, als "obrigkeitliche" grundsätzlich kritisch betrachtet werden.

I. "Verwaltung als Gewalt" und die Krise des Gesetzes

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3. Die Zweite Gewalt als Macht der faktischen Verwirklichung des Normbefehls All diese Überlegungen müssen nun notwendig auf eine Frage stoßen, welche bei der Suche nach dem Wesen einer "Gewalt" des Verwaltens als "Vollziehens" nicht umgangen werden darf: Was fügt denn eigentlich diese Tätigkeit der Administration dem erlassenen Gesetz, der öffentlichen Verordnung oder Satzung noch hinzu, welche Gewalt kommt hier zusätzlich noch zum Tragen? Für die gesetzgebende Gewalt lässt sich dies immerhin beantworten: Sie bringt die Verbindlichkeit des Normbefehls als solchen hervor, wie weit er immer im Einzelnen konkretisiert sein mag. Gegenstand der Gesetzgebung, ihr Akkusativobjekt, ist das Gesetz. Was aber ist Akkusativobjekt des Verwaltens, worauf richtet sich dieses in dem Sinn, dass es hier ein weiteres Gewaltphänomen hervorbringt? Dies kann doch nicht nur in einer näheren interpretativen Konkretisierung gesehen werden - sie wurde bereits als Ausübung der gesetzgebenden Gewalt erkannt. Dann aber kann Administration begrifflich nur darin liegen, dass nun "der Norm die Gewalt folgt, welche den normgewollten Zustand faktisch verwirklicht". Das Gesetz, welches seinen Vollzug nicht wünscht, weil es lex imperfecta bleiben will, verlangt kein Verwalten. Die rein rechtsgestaltende Norm bringt ihre Wirkung selbst hervor. Die meisten Gesetze jedoch bedürfen eines Vollzugs, der ihre Normbefehle erst in die Wirklichkeit übersetzt: sie müssen angewendet werden und durchgesetzt. Aus der Sicht der Verwaltung gilt es nun aber, diese beiden Begriffe deutlich zu unterscheiden: Wenn ein Bauvorhaben im Außenbereich lediglich unter bestimmten Voraussetzungen durchgeführt werden kann, deren Vorliegen der Gesetzgeber rahmenmäßig bestimmt, die Verwaltung im Einzelnen festzustellen hat, so liegt in der darauf erfolgenden Baugenehmigung oder ihrer Versagung eine Normanwendung, welche einer bestimmten, eben der Zweiten Staatsgewalt, der Verwaltung, vorbehalten ist. Geht es sodann darum, ob diesem dergestalt konkretisierten Normbefehl die Umsetzung in die Wirklichkeit folgen soll, so kommt die Vollzugsgewalt der Administration zum Einsatz: Sie verbietet alles, was das von ihr konkretisierte Baurecht nicht erlaubt, erzwingt damit dessen Rechtswirkung in der Realität. Nun lässt sich gewiss das Typische des Verwaltens gerade in dieser letzteren administrativen Tätigkeit sehen: in der Sanktionierung eines konkretisierten Gesetzesbefehls - dazu ist keine andere Gewalt im Staat befugt, auch nicht jene Richter, welche ihrerseits wieder auf die Vollzugsorgane der Verwaltung, insbesondere der Polizei zurückgreifen müssen, wollen sie ihrem gesetzeskonkretisierenden Wort Wirksamkeit verleihen in der Wirklichkeit.

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B. Verwalten als Gesetzesvollzug

Diese Art von Gesetzesvollzug, die Gesetzessanktion, greift aber nur dann und insoweit ein, als der Normadressat, der Bürger, nicht von sich aus dem konkretisierten Normbefehl folgt. Diese Art des Vollzugs ersetzt also nur eines: den Normgehorsam. Nun fragt es sich aber doch, ob eine derart verengte Sicht der Verwaltungstätigkeit das Wesen des Verwaltens, oder gar einer "Verwaltung als vollziehender Gewalt wirklich ausmachen kann". Abgesehen davon, dass die Zweite Gewalt bereits auf der Stufe der eigentlichen parlamentarischen oder unterparlamentarischer Gesetzgebung ebenfalls als eine solche, im materiellen Sinn, wesentlich tätig wird - sie ist es doch, deren Haupttätigkeit erst einmal in der Konkretisierung dieser Normbefehle liegt. Der Einsatz der Hoheitsgewalt zu deren Realisierung in der Wirklichkeit bleibt in den meisten Fällen nur "Reservegewalt", zur Erzwingung oder zum Ersatz des Bürgergehorsams der jeweiligen Normadressaten. Soll nun wirklich vollziehende Gewalt darin gesehen, dogmatisch so bestimmt werden, dass sie allein diese hoheitliche Reservegewalt darstellt dies geht doch an der Verwaltungswirklichkeit nahezu vollständig vorbei; ein kleiner, oft nur virtueller Teil der Verwaltungstätigkeit würde dann "zur Verwaltung" schlechthin. Und eine weitere Ungereimtheit wäre die Folge: Die Konkretisierung der Normbefehle in Verwaltungsakten, als notwendiger Vorstufe des Einsatzes dieser Vollzugsgewalt, wäre gar nicht eigentlich Verwaltung; diese letztere sähe sich auf die Tätigkeit jener Vollzugspolizei im weiteren Sinne beschränkt, welche vor Ort manu militari den Bürger mit Zwang überzöge, die Norm in die Wirklichkeit umsetzte. Dann wäre Verwaltung wirklich nichts mehr anderes als die alte unmittelbare Staatsgewalt der Polizey, vielleicht gar noch einer diese unterstützenden bewaffneten Macht, die ohnehin früher weithin Polizeiaufgaben erledigte und dies auch heute noch in Einzelfällen übernimmt. So kann die Zweite Gewalt nicht verstanden werden, in diesem engen Sinne der "gewaltsamen Durchsetzung". Es widerspräche dies nicht nur der organisatorischen Realität der Verwaltung, deren organisationsrechtlicher Normierung, den demokratischen Vorstellungen einer immer mehr nur in "ärgsten Fällen" einzusetzenden Staatsmacht, eines sich ausbreitenden Bürgergehorsams - es wäre auch kaum mehr dogmatisch in Einklang zu bringen mit der Administration als einer "Rechtsgewalt": Sie soll doch rechtliche Wirkungen hervorbringen, nicht nur das Recht im Bereich des Faktischen umsetzen, gewissermaßen in einer Umkehr der "rechtlichen Macht des Faktischen". Hier würde nurmehr in Realitäten gedacht, nicht mehr in Kategorien des Rechts, seiner Verbindlichkeit, bis hin zu den letzten Anordnungen. Eine solche Verengung des Verwaltungsbegriffs auf Rechtsrealisierung in der Wirklichkeit entspricht denn auch in keiner Weise der herkömmlichen Betrachtung der Zweiten Gewalt. Vielmehr wird der Begriff des Vollzie-

11. Gesetzesanwendung als "Verwaltung"?

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hens bei ihr doch deutlich in einem anderen, einem wesentlich rechtsbestimmten, der Zufälligkeit des Durchsetzens und seiner Notwendigkeit vorgelagerten Sinn verstanden, in dem der Gesetzesanwendung. Und davon sei nun die Rede, von der Frage nämlich, ob diese Gesetzesanwendung als solche sich wirklich als etwas verstehen lässt wie eine "Zweite Gewalt". Etwas aber ist jedenfalls als Ergebnis festzuhalten: Die Krise des Gesetzes hat auch die "Verwaltung" in eine Existenzkrise geworfen, in welcher die Zweite Gewalt sich fragen lassen muss, was denn eigentlich ihr Akkusativobjekt, ihr Gegenstand ist, wenn sie sich denn überhaupt noch von der Gesetzgebung unterscheiden lässt. Und dieser ihr "Gegenstand" kann jedenfalls, das war das letzte Ergebnis dieses Abschnitts, nicht allein gesehen werden in der faktischen Realisierung von Normbefehlen, in den extremen Fällen der gewaltsamen Durchsetzung des Gesetzes. Es bleibt also doch das Problem der "Verwaltung als Gesetzesanwendung".

11. Gesetzesanwendung als "Verwaltung"? 1. Gesetzesanwendung durch die Verwaltung nur Gesetzeskonkretisierung

a) In der Vorstellung von einer Verwaltung, die gesetzesgebunden und doch, vielleicht gerade darin, eine eigene Gewalt sein soll, liegt eine innere Problematik, wenn nicht Widersprüchlichkeit. Ist denn Gesetzesanwendung als solche etwas Besonderes gegenüber einer Gesetzgebung? Der Begriff der "Verwirklichung" hilft hier nicht weiter, denn er umfasst ebenso den Gesetzesgehorsam wie dessen Erzwingung durch Staatsgewalt, wie bereits dargestellt. Bleibt also der Begriff des "Gesetzesvollzugs" - doch er ist ebenso wenig dogmatisch durchdacht. Auch er kann eine Erzwingung bedeuten, die hier, wie dargelegt, nicht ausreichen kann - wie ein "Vollziehbar-Gestalten" des Normbefehls, dann aber liegt darin etwas ganz anderes als dessen Durchsetzung: er muss erst einmal normativ praktikabel werden. Diese "Praktikabilität" ist ihrerseits aber doppeldeutig: Wiederum kann in ihr Erzwingbarkeit mitgedacht sein - oder auch einfach eine Aufbereitung so weit, dass nun das Gesetz angewendet, das heisst befolgt werden kann. Mit anderen Worten: da der Durchsetzungsbegriff wie dargelegt, Verwalten nicht dogmatisch zu konstituieren vermag, kann dessen Wesen nur darin gesehen werden, dass es eine bestimmte Konkretisierung des Normbefehls auf den Einzelfall herbeiführt. Und dies ist denn auch das ebenso stillschweigende wie herrschende Verständnis von der "Verwaltungstätigkeit" als solcher. Hier aber fragt es sich denn doch, ob sich damit nicht, weithin unbewusst, eine historische Tradition fortgesetzt, welche in solcher Konkretisierung etwas "ganz anderes" gesehen hatte als Normsetzung, vor allem

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B. Verwalten als Gesetzesvollzug

aber, ob ein solches Verständnis denn nun wirklich mit den heutigen Vorstellungen von Gesetzesbefehl und Rechtsstaatlichkeit zu vereinbaren ist. b) In den Entstehungszeiten der Lehre von der Gewaltenteilung wurde ebenso deutlich deren Akzent auf den neuentdeckten Gesetzesbegriff und damit auf die gesetzgebende Gewalt gelegt, wie andererseits die Domaines reserves der Exekutive als solche zwar beschränkt, aber nicht grundsätzlich angetastet wurden. Der Monarch hatte weniger zu ordnen als früher, was ihm aber blieb, übte er als normfreie Macht aus. Man mag also durchaus die Ursprünge eines allerdings als solchen noch nicht erkannten und nicht so benannten Verwaltens in diesen normfreien Gewaltbereichen sehen, die ja auch einen, wenn auch im Einzelnen wenig dogmatisch vertieften, "Verwaltungsbereich" umfassten, der sich in der Organisationsgewalt noch lange erhalten sollte. Dann aber war es selbstverständlich, dass diese Zweite Gewalt sowohl funktional als auch organisatorisch bestimmbar war: funktional im Sinne des normgelösten Gewalteinsatzes, vor allem aber organisationsrechtlich durch die Person des Monarchen. Der Konstitutionalismus des 19. Jahrhunderts hat diese Vorstellung von einer normgelösten Exekutive zwar wesentlich eingeschränkt, vielleicht bereits grundSätzlich in Frage gestellt; der Träger der Gewalt blieb aber erhalten, ebenso hielt sich die Vorstellung der Domaines reserves bis ins 20. Jahrhundert. Die Rechtsstaatlichkeit erzwang nun zwar die Unterwerfung der zentralen Verwaltungsgewalt, der Polizei, unter die Herrschaft der Normen, und damit schien eine Entwicklung eingeleitet, welche nur in der Beseitigung der normgelösten Exekutivgewalt des Monarchen enden konnte - damit im Ende der Administration als einer selbständigen Gewalt. Da sich aber immer noch damals besonders wichtige Bereiche, wie die Militärund Außenpolitik, als Konstitutivelemente dieser monarchischen Gewalt erhielten, konnte sich die Abwanderung der Verwaltungsgewalt unter die Herrschaft des Gesetzes nahezu unbemerkt vollziehen, insbesondere wurde eine Folgerung aus dieser "strengen rechtsstaatlichen Gesetzesbindung der Verwaltung" nicht gezogen: dass diese Verwaltung dann eben nichts anderes sein könne als Gesetzeskonkretisierung und damit eine eigenartige Form der Fortsetzung der Gesetzgebung durch konkrete Befehle im Einzelfall. Nun wurde diese Entwicklung sicher durch eine Grundvorstellung vom Gesetz begünstigt: dass hier nur ein allgemeiner Befehl vorliege, der den Einzelfall noch nicht im Blick habe, vielmehr auf diesen erst gerichtet werden müsse, in einer Konkretisierung, die eben etwas "ganz anderes" sei als die Verengung gesetzgeberischer Anordnungen durch die Verwaltung im Verordnungs wege. Dabei hätte gerade dies Letztere bereits zu denken geben sollen, war es doch diese selbe Verwaltung, die dort wie hier auftrat, immer mit demselben Ziel: als eine Art von Verengungsgewalt, in der Konkretisierung der parlamentsbeschlossenen normativen Anordnungen. Doch die Vor-

11. Gesetzesanwendung als "Verwaltung"?

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stellung von einem weit vom allgemeinen Nonnbefehl entfernten Einzelfall, von einer Kluft geradezu zwischen ihm und den "allgemein über allen Bürgern hängenden Gesetzen", war durch eine Praxis säkularer Gerichtsbarkeit, die längst vor aller Rechtsstaatlichkeit entstanden war, derart ins allgemeine Bewusstsein gedrungen, dass es geradezu als notwendig erschien, diese Kluft zwischen Allgemeingeltung und Einzelfall auch im Öffentlichen Recht, bei allen Gewaltentscheidungen der Konkretisierung von Nonnen in diesem Bereich, nur durch den Einsatz einer besonderen Gewalt überschreiten zu lassen - eben der Verwaltung. c) Es ist die mangelnde Vertiefung des Begriffs der "Allgemeinheit der Nonngeltung" einerseits, die dogmatisch unbewältigte Figur des Einzelfalles auf der anderen, welche hier zweifellos wichtige Distinktionen des Verwaltens hat hochrechnen lassen bis in die Anerkennung einer eigenen Nonnanwendungs gewalt, geradezu einer Verfassungs gewalt. Dabei hätte gerade die traditionelle Verwaltungstätigkeit zu denken geben müssen, in ihr nähern sich ja allgemeine Nonngeltung und Einzelfallentscheidung durchaus an. Man denke nur an jene Allgemeinverfügung, die schon deshalb dogmatisch nie sauber zu konstruieren war, zwischen Verwaltungsakt und Nonn, weil hier eben Einzelfälle und Nonn-Allgemeinheit ineinander übergehen, indem Erstere gebündelt werden in einer Weise, die sie eigentlich zum Normierungsgegenstand machen sollte. Kein geringerer als Hans Kelsen hat denn auch die Folgerung daraus in seiner konsequenten Nonnlehre gezogen: dass auch der Verwaltungsakt Nonn sei, Nonn eben für den Einzelfall, so wie der Vertrag seit dem Code civil ja auch die Loi des parties darstellt, durchaus mit Regelungen gerade für einen bestimmten Einzelfall; und ist nicht diese Vertraglichkeit gerade in Frankreich zuerst ins Öffentliche Recht übernommen worden, in Deutschland später sogar in deutlicher Austauschbarkeit gegenüber dem Verwaltungsakt? Dies alles spricht doch nur für eine These: Die Verwaltung als selbständige Staatsgewalt, Verwalten als eigentümlicher Gewalteinsatz hatte seine Bedeutung in vorrechtsstaatlicher Zeit. Der Rechtsstaat sollte Derartiges nicht mehr kennen, denn mit seiner Gesetzesbindung kann sich aus Nonnfreiheit die Zweite Gewalt gewiss nicht mehr legitimieren. Und die Allgemeinheit des Gesetzes bedeutet keineswegs, dass dies allein schon eine eigenartige Zweite Gewalt rechtfertigen könnte. Also muss, aus wohlverstandener Rechtsstaatlichkeit heraus, endlich der Begriff der Gesetzesbindung der Verwaltung ernst genommen werden. Dies aber kann nur eines bedeuten: Verwalten als Konkretisierung von Gesetzesbefehlen, als eine andere Fonn von solchen.

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B. Verwalten als Gesetzesvollzug

2. Gesetzesgebundene Verwaltungstätigkeit "Gesetzgebung im Einzelfall" a) Nicht nur die herkömmliche Dogmatik, sondern auch die Praxis, insbesondere die Gerichtsbarkeit, unterscheiden von jeher zwei Grundformen des gesetzesgebundenen Verwaltungshandeins: jene im engeren Sinn "gebundene Verwaltung" und eine andere Form, welche zwar ebenfalls der Normbindung unterliegt, wobei diese der Verwaltung jedoch Raum für "eigene" Entscheidung lässt. Betrachtet man zunächst die im engeren Sinn gesetzesgebundene Verwaltung, die sehr vielen, bereichsweise bereits überwiegenden Fälle, in denen die Administration "einfach zu vollziehen" hat, ohne dass ihr dabei ein eigener Entscheidungsspielraum, welcher Art immer, verbliebe, so ist erstaunlich, dass dieses verbreitete Phänomen, soweit ersichtlich, noch nie unter dem Gesichtspunkt der "Verwaltung als eigenständige Staatsgewalt" vertiefend behandelt worden ist. Schon rein begrifflich ist nicht vorstellbar, dass eine solche Gesetzesanwendung eine eigenständige, von der gesetzgebenden Gewalt zu unterscheidende Macht zum Einsatz bringt. Das Einzige, was die Administration hier dem sie vollständig bindenden Gesetz noch hinzufügt, ist allenfalls die explizite Drohung mit Gewalteinsatz oder schließlich dieser selbst - wie bereits dargelegt, kann dies allein jedoch zur Konstituierung einer eigenständigen Zweiten Gewalt nicht genügen. Im Übrigen aber handelt es sich bei dieser voll gesetzesgebunden Verwaltungstätigkeit doch um nichts anderes als um eine Verengung des allgemeineren Gesetzgebungsbefehls auf einen besonderen Einzelfall. Und in dieser "Konkretisieruug" - auch dieser Begriff erweist sich übrigens hier als ein wenig präziser Terminus, wird er doch auch auf die Normverengung in normativer Form angewendet, etwa auf Erscheinungen der Präzisierung des Gesetzes durch eine Verordnung - vollzieht sich nicht etwa eine metabasis eis allo genos des Gesetzesbefehls, von dessen Allgemeinheit auf seine Geltung im Einzelfall: Die Allgemeinheit des Gesetzesbefehls verliert ja jeden Sinn, wenn in ihr nicht bereits alle möglichen Anwendungsfälle des Gesetzes von Anfang an mitgedacht sind, ganz unabhängig davon, ob dies durch irgendeine Staatsgewalt, welche immer, festgestellt worden ist. Oder will man etwa behaupten, das strafrechtliche Verbot des Tötens von Menschen sei zunächst einmal ein rechtliches Nichts, das "irgendwo über den Bürgern schwebe", rechtliche Wirksamkeit aber erst erlange, wenn eine Staatsgewalt im Einzelfall festgestellt habe, dass es in einem bestimmten Fall verletzt worden, dass die Strafnorm also auf diesen anzuwenden sei? Auch die Endgültigkeit, mit welcher eine solche "Transformation der allgemeingültigen Norm in den Einzelfall" möglicherweise als Ausdruck einer "besonderen Gewalt" qualifiziert werden könnte, fügt doch dem Gesetzesbefehl als solchem nichts anderes hinzu, als dass der Betroffene dagegen rechtlich nichts

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mehr unternehmen kann, was für die Norm in der Regel ohnehin gilt; diese Bestandskraft der Verwaltungsentscheidung lässt sich denn auch zwanglos als "endgültige Normwirkung im Einzelfall" deuten, vergleichbar einem Zustand, in dem schon gegen die Norm als solche nichts mehr rechtlich unternommen werden kann. Die "Anwendung des Gesetzes auf den Einzelfall" erweist sich also, bei näherer Betrachtung, als nichts anderes als eine Verengung des Gesetzes auf seine Geltung im Einzelfall, und damit als eine "Fortsetzung von Gesetzgebung", jedenfalls als Ausdruck einer fortgesetzten Staatsrnacht, die mit der Normsetzung und der in AussichtsteIlung von Rechtsfolgen beginnt und sich in der Feststellung fortsetzt, dass diese nun im Einzelfall zum Tragen kommen. Der Einzelfall als solcher verliert bei einem solchen Verständnis seine eigenständige rechtliche Bedeutung, er ist gewissermaßen schon ausdrücklich in der Norm miterfasst. Die normanwendende Gewalt ist hier nichts anderes als der Mund des sonst schweigenden Gesetzes, als welchen Karl Larenz zutreffend auch bereits die Auslegungsbemühungen dieser rechtsanwendenden Gewalten charakterisieren konnte: Sie stellen ja bereits nichts anderes dar als eine Zubereitung der Norm für ihre Anwendung auf den Einzelfall - die nun auf solcher Grundlage durch dieselbe Instanz erfolgt. Und solche Interpretation durch die Verwaltung ist, materiell betrachtet, wirklich "Gesetzgebung", wie sich bereits in den Betrachtungen zur Krise des Gesetzes gezeigt hat: Wenn sie nämlich eine von der Gesetzgebung unterschiedliche Staatsrnacht zur Anwendung bringen sollte, so müsste dasselbe für alle Interpretation gelten, für all deren "Organe", bis hin zum Bürger, der ein bestimmtes Gesetzesverständnis seinen privaten Handlungen, insbesondere seinem Vertragsschluss zugrunde legt. Die Interpretationsgewalt ist schon deshalb, dogmatisch gesehen, eine Form der Fortsetzung der Gesetzgebung, eben als deren Erkenntnisvorgang. Aber es kommt auch darin nicht zu einem bruchhaften Übergang im Einsatz einer anderen Gewalt, wenn nun dieses Auslegungsergebnis für den von ihm geregelten Einzelfall festgestellt wird. Auch hier bringt die Verwaltung keine ihr typische Gewalt zum Tragen, welche dem Gesetzesbefehl irgendetwas hinzufügte, was als Ausdruck einer ganz anderen, von der gesetzgebenden Gewalt grundsätzlich zu trennenden Gewalt anzusehen wäre. Die Wirkungen des Gesetzes mögen sich, dem Normadressaten gegenüber und in seinem Einzelfall, in einem Spektrum von Effekten entfalten, welches von einem Rechnen-Müssen, über Inaussichtstellung von Rechtsfolgen, deren Ankündigung oder Androhung, sodann ihre Feststellung und schließlich deren Realisierung durch die Verwaltung reicht. Doch nirgends ist in diesem Spektrum ein Bruchpunkt derart festzustellen, dass nun mit einem Mal die Einwirkung einer "anderen Gewalt" - der normanwendenden Verwaltung wirklich ein aliud hervorbrächte: den Zustand der angewandten Norm - gegenüber dem einer "lediglich erlassenen" oder einer vom Bürger freiwillig

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B. Verwalten als Gesetzesvollzug

befolgten; in solche Kategorien ist denn auch bisher, soweit ersichtlich, Normwirkung nie aufgeteilt worden. b) Nun mag man immerhin die selbständige Tätigkeit der Verwaltung, das, was sie gewissermaßen "dem Gesetzesbefehl" hinzufügt, darin sehen, dass sie in ihrer Entscheidung jenen Sachverhalt bindend feststellt, auf den sie sodann die Norm bezieht. Vorstellbar wäre also, dass allein in dieser Feststellung des Tatsächlichen als Voraussetzung sodann eintretender Rechtsfolgen die typische Verwaltungstätigkeit gesehen würde, welche eben als solche schon deren Wesen als einer gewissermaßen feststellenden zu konstituieren vermöchte. Doch auch hier ergeben sich erhebliche Zweifel, nicht zuletzt aus dem Begriff der "Gesetzesanwendung" heraus. Zunächst müsste dann dasselbe auch für die richterliche Gewalt gelten - auch sie könnte nur in der Macht der Feststellung von Tatbeständen gesehen werden, in der Fixierung der rechtlichen Voraussetzungen später gewissermaßen automatisch eintretender, jedenfalls von Anwendungsautomaten transformierter Rechtsfolgen. Ein Wesensunterschied zwischen richterlicher und administrativer Gewalt ließe sich dann, auf einer derartigen terminologischer Grundlage, kaum mehr finden. Tiefer geht hier noch ein anderer, grundsätzlicher Einwand: Unter Gesetzesanwendung versteht die herrschende Dogmatik, bis hin zu den traditionellen Erkenntnissen der allgemeinen Rechtslehre, nun durchaus nicht nur die Feststellung tatsächlicher Voraussetzungen, sondern eben auch die "Erkenntnis" von Rechtsfolgen, welche sich daraus nach dem Gesetz ergeben und, das ist nun entscheidend, gerade die Verknüpfung dieser Rechtsfolgen mit dem vorher gefundenen Tatbestand. In dieser Verbindung liegt letztlich die eigentliche "Rechtsanwendung" , und nicht nur in ihrer Vorbereitung, im Herauspräparieren des Anwendungsbereichs. Ebenso wenig wie der Richter ist der entscheidende Verwaltungsbeamte lediglich ein iudex, welcher nur Realitäten festzustellen hätte, er ist immer zugleich auch der Prätor, welcher das Recht, vorher bereits, oder sodann, an diese Realitäten heranträgt und diese mit seiner Entscheidung ordnet. Es widerspräche nicht nur diesem herrschenden dogmatischen Verständnis, sondern, darüber hinaus, noch den überall verbreiteten Vorstellungen von Aufgaben und Gewalt der Verwaltung, wollte man sie auf eine Notarfunktion der Realitätenfixierung festlegen - nur damit sie dem sogleich noch zu vertiefenden Vorwurf entgehe, zum Subsumtionsautomaten zu werden. Im Übrigen scheitert die Festlegung einer gegenüber der Gesetzgebung anderen, einer Zweiten Gewalt, in der Beschränkung auf reine Tatsachenfeststellung schon daran, dass die Gesetze eben diese Sachverhalte in vielen Fällen, und nun zunehmend, bereits derart genau beschreiben, dass in ihrer Feststellung im Einzelfall kaum mehr etwas wie eine Gewalt auch nur ansatzweise zum Einsatz kommt: Es sei denn, man sehe eine solche etwa im

II. Gesetzesanwendung als "Verwaltung"?

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reinen Vergleichen von Zahlen, in einem Randzeichen, das deren Übereinstimmung bestätigt. Die Steuerverwaltung ist in ihrer Tatsachenfeststellung weithin auf ein derartiges Vorgehen beschränkt. Die dazu entwickelten Lehren zur strengen Tatbestandlichkeit des Steuerrechts zeigen die Richtung an: Der Gesetzgeber soll auch hier immer mehr selbst regeln, selbst bereits vorbereiten, damit dann der Administrator wirklich nurmehr zum - Subsumierer werde. Grundsätzliche wie praktische Überlegungen schließen es also schlechthin aus, eine "Verwaltung als Gewalt", eine vollziehende Gewalt überhaupt, allein auf Tatbestandsfeststellungen zu beschränken: Wer Sachverhalte feststellt, hat rechtlich noch nichts vollzogen. c) So eindeutig dieser Befund aus normlogischer Sicht erscheinen mag er wird sichtlich nur ungern oder gar nicht zur Kenntnis genommen, und dafür mag es einen verständlichen Grund geben, wenn dieser auch ursprünglich nicht aus dem Bereich der Administration heraus wirkt: den horror subsumtionis. Die richterliche Gewalt, mit der Französischen Revolution an die Kette des Gesetzes gelegt, wollte sich mit solchen absoluten Bindungen nie wirklich abfinden, wie sie den Trägern jener Gewalt geradezu als menschlich unwürdig erschienen, welche doch ihrerseits, in der Unabhängigkeit von Polizei und Monarch, ein neues Eigengewicht und ein erneuertes Selbstbewusstsein gefunden hatten. Als Subsumtionsautomaten wollten sich diese Gesetzesanwender nicht abstempeln lassen, als bouches de la Loi wollten sie eine eigenständige Gewalt zur Anwendung bringen, eine andere als die der Politik in deren parlamentarischen Zirkeln. In Deutschland gelang dies den gelehrten Richtern des 19. Jahrhunderts unschwer unter Berufung auf jenes Römische Recht, welches sich schon deshalb gegenüber den Maulkörben früherer Kodifikationsbemühungen der Monarchen durchsetzte, weil es eben die eigenständige, gelehrte Gewalt des Richters verlangte, weil es bei seiner Anwendung keine Subsumtionsautomatismen geben konnte. Und übrigens zeigt doch die Praxis, damals wie heute, dass das Gesetz noch nicht Recht ist ohne viva vox legis, der gegenüber man sich allerdings nie der Mühe unterzogen hat zu untersuchen, ob denn ein solcher Begriff wirklich eine grundsätzliche Trennung in verschiedene Gewalten tragen könne. Die "Phobie der Subsumtionsautomaten" hat sicher auch das sodann neu entstehende Verwaltungsrecht geprägt, schon weil es, in den Anfängen seiner Anwendung in der Verwaltungsgerichtsbarkeit, und bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts hinein, sich in einem Übergang, ja einer Verklammerung von Verwaltungsverfahren und verwaltungsgerichtlichem Verfahren entwickelt hat. Die unabhängigen Verwaltungsbeamten des Preußischen Rechtsstaats, welche zu entscheiden hatten, bevor das Oberverwaltungsgericht das

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B. Verwalten als Gesetzesvollzug

letzte Wort sprach, wollten sich doch ebenso wenig, eben aus dieser ihrer befehlsfreien Stellung heraus, zu Subsumtionsautomaten herabwürdigen lassen wie die Richter. Und doch sind sie es, all jene Verwaltungsbeamten, welche das Gesetz "nur vollziehen", unter die Normen nur "subsumieren" - und sich übrigens so gerne gerade darauf zurückziehen, dass ihnen eine andere Entscheidung gar nicht möglich sei als diejenige, welche der Gesetzgeber bereits in seiner Norm getroffen habe. Es wäre schon einer vertiefenden verwaltungspsychologischen Untersuchung wert, ob sich die Verwaltung nicht ganz gut eingerichtet hat in dieser "rein gesetzesanwendenden Tätigkeit", ob sie nicht gerade darin eine neue Freiheit finden konnte gegenüber ihren von der Politik dirigierten Vorgesetzen und deren Direktiven: dass eben "das Gesetz" gar nichts anderes erlaube. Sicher entspricht es einer täglichen Verwaltungsrealität, dass die volle Gesetzesbindung "der Politik" entgegengehalten wird, und darin erreicht sogar der Verwaltungs beamte - wenn auch unter dem Vorbehalt des letzten Richterwortes - bereits etwas von einer richterlichen Unabhängigkeit. Beamtenrecht und Verfassungsgerichtsbarkeit bestätigen ihm dies denn ja auch gerne und sehen gerade in solcher Unabhängigkeit, in der Anwendung der typischen Verwaltungsmacht der "hoheitlichen Befugnisse" (Art. 33 Abs. 4 GG), eine Rechtfertigung des besonderen Beamtenstatus. So führt denn dieser horror subsumtionis zu einem eigenartigen Spannungsverhältnis: Einerseits mag es die Verwaltung nicht hinnehmen, dass in einer solchen Anwendungs-Automatisierung des Gesetzes ihr das verloren geht, was sie an richterähnlicher Unabhängigkeit gewonnen hat, wenigstens in den vorläufigen, so oft endgültigen Phasen des Entscheidungsprozesses gegenüber den Normunterworfenen - auf der anderen Seite will die Verwaltung aber doch nicht jenen "glücklichen Zwang" der Normen missen, in dessen Namen sie sich, in gesetzestechnischem Vollzug, gegen ihre politisch vorgesetzten Gewalten zur Wehr setzen kann; und dies sind, in Gestalt der Regierungsmitglieder, eben jene Organträger, welche "die Verwaltung" als eine besondere Gewalt charakterisieren lassen sollen, in ihrer Anbindung an eine Politik, welche, gewissermaßen "neben den Gesetzen", der Verwaltung ihre "anderen" nun typisch administrativen Entscheidungsvorgaben vermitteln möchte ... Eines immerhin ist klar geworden: Auf solchen Historismen und Verwaltungs-Psychologismen, was immer ihr praktisches Gewicht sein mag, lässt sich eine eigenständige "Gewalt der Verwaltung" nicht aufbauen, gegenüber einer Gesetzgebung, deren Befehle eben doch in reiner Subsumtion zu vollziehen sind, einfach als deren Fortsetzung, Verlängerung in den Einzelfall hinein. Wer dem nicht folgen will, höhlt die Rechtsstaatlichkeit mit ihrem Grundanliegen der Gesetzesbindung der Verwaltung aus - die er dann eben

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als eine doch nicht gebundene ansehen will, und wenn das Gesetz es noch so sähe, bis ins Detail hinein anordnete. d) Dass gebundene Verwaltung nichts anderes sein kann als Fortsetzung der Gesetzgebung mit anderen Mitteln, ergibt sich schließlich eindeutig aus der Verfassungsrechtsprechung. Diese hat den Begriff der gesetzesgebundenen Verwaltung gerade darin ausgefaltet, dass sie es dem Bürger in Fällen derartiger "drohender" Gewaltanwendung gestattet, sich unmittelbar gegen den Gesetzgeber zu wenden, ohne eine Gesetzesanwendung durch die Verwaltung abwarten zu müssen. Darin liegt eine entscheidende rechtliche Erkenntnis: Eine solche Verwaltungsentscheidung wäre schon deshalb kein zulässiger Angriffsgegenstand, etwa einer Verfassungsbeschwerde, weil sie eben dem Gesetzesbefehl nichts hinzufügt, ihm gegenüber "gewichtslos" ist, wie jener Richterspruch, von dem Montesquieu dies, aus seiner strengen Gesetzlichkeitsvorstellung heraus, ganz allgemein und für die Dritte Gewalt überhaupt, annahm. Wie kann in einer gesetzesgebundenen Verwaltung der Einsatz einer eigenständigen, der Gesetzgebung gegenüber gewissermaßen gleichwertigen Gewalt gesehen werden, wenn diese, gerade gewaltmäßig betrachtet, ein derartiges Nichts ist gegenüber dem Gesetzesbefehl, dass sie nicht einmal als solche angegriffen werden kann? Nach geltendem Recht, nach mit Verfassungsrang alle Gewalten bindender Verfassungsrechtsprechung steht also, mit interpretativer Wirkung gegenüber Art. 20 Abs. 3 GG fest: Die gesamte streng gesetzesgebundene Verwaltungstätigkeit als solche kann nicht als Ausdruck einer Zweiten Gewalt gegenüber der Gesetzgebung verstanden werden, sie ist nichts als deren Fortsetzung - dies gilt jedenfalls bei einer rein funktionalen Betrachtung, wie sie aber doch, nach den Ergebnissen des ersten Hauptteils, der herrschenden Auffassung zugrunde liegt. Dann aber fragt es sich, was dies denn für eine "Gewalt" sei, deren nicht nur zahlreiche, sondern oftmals zahlenmäßig überwiegende Entscheidungen gerade nicht sein können "Verwaltung als Gewalt". Und es ist weiter zu fragen, wie eine Gewalt funktional als besondere verstanden und von anderen Gewalten getrennt werden soll, deren Äußerungen in einem Fall streng gebunden und damit nicht Ausdruck einer eigenständigen Gewalt sind - in einem anderen aber doch vielleicht als solche verstanden werden könnten, im Rahmen des gleich noch näher zu besprechenden Ermessens. Was wäre dies für eine "Gewalt", die im gleichen Einzelfall vielleicht zunächst "ohne eigenständige Gewalt", streng gesetzesgebunden, handelte, eine weitere Entscheidung im selben Fall dann aber, in ihrem Ermessen, als wirkliche "Zweite Gewalt" träfe? Es wäre dies wahrhaft ein monstro simile.

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3. Zweite Gewalt - reine Ermessensgewalt? Wenn die gesetzesgebundene Verwaltung eine eigenständige Administrativgewalt nicht zum Einsatz bringt, so kann es schon deshalb, dies war das Ergebnis der bisherigen Überlegungen, eine "einheitliche Verwaltung als Gewalt" nicht geben, denn die meisten und wichtigsten Äußerungen derselben wären nichts als Fortsetzung der Gesetzgebung. Es wäre jedoch auch unvollziehbar, wenn nicht geradezu absurd, eine selbständige Zweite Gewalt des Administrierens lediglich in Entscheidungen zu sehen, welche auf ein Ermessen zurückgeführt werden können. Wie dabei dieser Begriff des Ermessens im Einzelnen von der gebundenen Verwaltung abgegrenzt oder unterteilt werden mag, in Beurteilungsspielraum und Ermessen, nach neuerern Verständnis in Beurteilungsermessen und Handlungsermessen - all dies mag hier im Einzelfall offen bleiben. Entscheidend ist, dass in derartigen wie immer bestimmten Ermessensräumen zweifelsfrei die Administration mit eigener Beurteilungs- und sodann darauf gestützter Entscheidungsgewalt tätig wird, dass sie hier also, so scheint es doch, "dem Gesetz" etwas Eigenes, etwas Eigenständiges hinzufügt, mit Ergebnissen, welche sie auch mit dem Einsatz durchaus eigener Prüfungs-, Beurteilungs- und Entscheidungsmechanismen hervorbringt. Auch gegen eine solche Abschichtung einer Verwaltungs gewalt von der gesetzgebenden Gewalt bestehen jedoch, und in zunehmendem Maße, entscheidende Bedenken, ganz abgesehen von ihrer Gemengelage mit der streng gesetzesgebunden Administration: a) All diese Formen des Ermessens eröffnen der Verwaltung keineswegs schlechthin gesetzesfreie Bereiche. Vielmehr wird sie auch in ihnen in vielfacher Weise vom Gesetz nicht nur beschränkt, sondern gesteuert, wenn auch vielleicht nur ferngesteuert. Man mag nun die äußeren Ermessensschranken als gesetzgeberische Entscheidungen verstehen, welche die Verwaltung als solche nicht vollständig binden; ihr Wesen besteht ja gerade darin, die Ermessensräume zu umgrenzen, nicht in diese hinein zu wirken. Etwas anderes gilt aber bereits für jene inneren Ermessenschranken, welche neuere Dogmatik zunehmend und in ihren Wirkungen vertieft. Hier geht es doch darum, dass Sinn und Zweck des Gesetzes von der Verwaltung ermittelt, ihren Ermessensentscheidungen zugrunde gelegt werden, sodass diese geradezu als eine Art von teleologischem Fortdenken des Gesetzes erscheinen. Die Verwaltung kann nicht einfach ihrerseits völlig andere Wertungen in ihrem Ermessensbereich zum Tragen bringen als diejenigen, welche sie noch, in vertiefter Betrachtung des "Sinnes", eben des "Geistes der Gesetze" den Normen selbst entnimmt, damit aber den Äußerungen der gesetzgebenden Gewalt. Was ihr darüber hinaus im Namen ihres Ermessens bleibt, ist eine weitere Form typischer "Verengungsgewalt der Gesetzgebung": So wie sie diese auf den Einzelfall hin konkretisiert, so präzisiert

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sie die allgemeineren Wertungen des Gesetzes in den Entscheidungen ihres Ermessens. Kann man wirklich damit heute die Ermessensgewalt völlig abkoppeln von der gesetzgebenden Gewalt, ist sie nicht doch nur ein Fortdenken von deren Gedanken, so wie der Verwaltungsbeamte eben auch als Interpret die Gedanken des Gesetzgebers fortdenkt, darin auch, nach der Radbruchschen Formulierung, klüger sein mag als der Gesetzgeber? Es ist jedenfalls gewiss ein gewagtes Unterfangen, diese Ermessensbetätigung überhaupt von der Gesetzgebung grundsätzlich abzuschichten; und es ist ein unmögliches Unternehmen, aus solchen dogmatischen Unwägbarkeiten sodann hochzurechnen zu einer wirklichen, von der Gesetzgebung zu trennenden Zweiten Gewalt. b) Diese in der Verfassung besonders angesprochene Zweite Gewalt wäre, selbst in diesen ihren eigentlichen Aktionsräumen des Ermessens, wiederum weithin nur eine vorläufige. Sie stünde ja dort jedenfalls stets unter dem Vorbehalt des endgültigen Richterworts, wo der Verwaltung nicht ein Handlungsermessen, sondern nur ein Beurteilungsermessen eingeräumt ist. Die volle Nachprütbarkeit dieses Letzteren in der Verwaltungsgerichtsbarkeit mag man mit dem Wesen jener Dritten Gewalt erklären, welche eben die des "Letzten Wortes" auch hier ist, gegenüber der Zweiten Gewalt. Es sollte aber doch überlegt werden, welche "Gewalt" diese letztere denn noch darstellt, wenn sie in einer solchen Weise in weiteren, entscheidenden Bereichen, zu einer vorläufigen herabsinkt. Darin setzt sich dann nämlich letztlich doch wieder der Wille eines Gesetzgebers durch, der sich eindeutig ermitteln lässt, weil er eben vom Gesetz doch als eindeutiger gewollt ist, auch wenn es erst das Gericht, nicht bereits die Verwaltung ist, der dies gelingt. Alles spielt sich damit doch wieder im Bereich der Fortsetzung gesetzgeberischen Wollens ab, um die Frage, ob die Zweite Gewalt diesen Willen denn "richtig erkannt" habe. Nicht nur also, dass es einer eigentlichen Verfassungsgewalt schlecht anstünde, in so wichtigen Bereichen, die ihr überhaupt noch bleiben, auch wieder nur eine vorläufige zu sein - ihre Bindung an den Willen des Gesetzgebers, der sie geradezu als eine Fortsetzung desselben erscheinen lässt, hört auch hier nicht auf; es werden nur verschiedene Wege gegangen zur Feststellung, was das Gesetz eben letztlich doch gewollt hat. Weder theoretisch noch praktisch vermag sich die Administration in den Bereichen des Beurteilungsermessens wirklich von der Gesetzgebung abzusetzen, sich als eine eigenständige Gewalt zu etablieren; und in diesem Begriff muss doch etwas von einer Eigenständigkeit noch mitgedacht sein, die eben nur gesetzgeberischen Vorgaben folgt. Dass dies auch dem Richter, in seiner Gesetzesbindung, aufgegeben ist, lässt sich damit nicht ohne weiteres vergleichen: Seine gewaltkonstituierende Eigenheit liegt bereits in der (virtuell) endgültigen Streitentscheidung. 4 Leisner

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Vertiefte Betrachtung schließt es also schlechthin aus, das Beurteilungsermessen als Entfaltungsraum einer Zweiten Gewalt mit Verfassungsgewicht anzuerkennen. c) Bleibt das Handlungsermessen der Verwaltung - aus ihm kann sich diese nicht als große, eigenständige Vollziehende Staatsgewalt legitimieren. Dem stehen nicht nur jene inneren "Gesetzesbindungen" entgegen, welche auch diese Bereiche durchziehen und zunehmend von der Dritten Gewalt realisiert werden. Dieser Bereich schrumpft immer mehr, in der modemen Rechtsstaatlichkeit, zu einer Restgröße zusammen. Vergleicht man den normativen Raum der "Kann-Bestimmungen" vor einem Jahrhundert, oder auch nur vor einem halben, mit dem, was heute der Verwaltung noch zu ihrer Ermessensbetätigung überantwortet ist, so lässt sich eine immer stärkere Einschränkung dieser Räume feststellen; das Handlungsermessen wird, mehr und mehr, als solches zu einer Restgröße im Rechtsstaat. In Verrechtlichungsbemühungen werden diese Verwaltungsräume mit Misstrauen betrachtet, in einer Art von konzertierter Aktion immer stärker verrechtlichender Gesetzgebung und immer mehr ermessensbindender Rechtsprechung stirbt am Ende die Ermessensgewalt ab, dies ist jedenfalls eine rechtsstaatliche Hoffnung. Ihr eigentlicher Anwendungsbereich sind jene Fälle, die sich eben normativ nicht fassen lassen, wo die Gesetzgebungsgewalt an den Besonderheiten des Einzelfalles endet. Wenn dieser nicht durch solches Ermessen in seine letztlich unverwechselbaren Rechte wieder gesetzt werden muss - warum wäre dann nicht bereits normativiert worden? Ist es dann aber nicht ein Widerspruch in sich, dass eine "Staatsgewalt", und gar noch eine große, verfassungsbegründete, ihren eigentlichen Raum dort finden soll, wo sie doch wiederum im Grunde dem Gesetz nichts eigentlich Gewaltmäßiges hinzufügen kann, kein Ergebnis eigenen Erkennens, wo sie die Lösung vielmehr dem Einzelfall entnehmen soll und seiner Gerechtigkeit? Darf wirklich das Handlungsermessen der Verwaltung hochstilisiert werden zur Grundlage einer eigenständigen Staatsgewalt, wenn diese nur eines hier an Gewalt einzusetzen hat: ein Ohr, das sie gewissermaßen nahe, immer näher an den Einzelfall legen soll, als "seine Gesetzgeberin"? Eine "Gewalt" lässt sich dort auch dann kaum entdecken, wenn man noch annehmen wollte, hier solle ein "Kanal der politischen Entscheidung" in die Staatstätigkeit hinein sich eröffnen. Was die Regierung an politischen Direktiven vorgibt, vor allem in ihren Verwaltungsverordnungen, das bezieht sich doch weit überwiegend nicht auf die Handhabung eines Handlungsermessens, sondern auf die Ausübung jenes Beurteilungsermessens, in welchem sie aber eher zur Fortsetzerin des Gesetzgebers wird, als dass sie eigenständige politische Gewalt zu entfalten vermöchte. Auch die Politik vermag also das Ermessen nicht aus jener Situation einer Restgröße heraus zu führen, in der es aber mit einer wirklichen "Gewalt" nichts mehr gemein hat.

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d) Schließlich zeigt die Ausübung dieses Handlungsermessens selbst, gerade wo sie in größeren Räumen, in bedeutenderem Umfang, in zahlreichen Fällen auftritt und damit zur Ausübung einer "Gewalt" hinaufwachsen könnte, dass eben von einer solchen nicht die Rede sein kann: In eben solchen Fallkonstellationen erfolgt die seit Jahrzehnten viel beachtete, dogmatisch vertiefte Reduktion des Verwaltungsermessens, welche dann die Verrechtlichungs-, die Normativierungskraft des Gleichheitssatzes auf den Plan ruft. Was eine Regierung mit Verwaltungsvorschriften lenken möchte, wird eben damit gleich wieder verrechtlicht, dass sich der Verwaltungsunterworfene auf die Gleichheit bei der Anwendung eines derart verengten, verrechtlichten Handlungsermessens berufen darf. Und wo die politische Gewalt nicht dergestalt eingreift, sorgt die Verwaltung in ihrer parkinsonschen Schwerkraft selbst dafür, dass Ermessen zur Rechtsbindung werde, nicht etwa in "freies" politisches Ermessen entarte. Auch dem Handlungsermessen ist also jener innere Zug zur Verrechtlichung eigen, mit dem die Verwaltung sich aber selbst in weitere Normbindungen, nicht nur normähnliche Begrenzungen hineinbegibt. Wenn also dieses Handlungsermessen als das eigentliche Zentrum einer eigenständigen Zweiten Gewalt erschiene, so müsste akzeptiert werden, dass die "Verwaltung", in all ihren Spielarten, heute schlechthin alles tut, um sich selbst, in Eigenbindungen ihres Handlungsermessens, zu "entverwalten" - zu "ent-gewalten". Was ihr noch von diesen Restgrößen einer früheren wirklichen Staatsgewalt geblieben ist, das nimmt sie sich nun selbst in Ermessensbindung. Und dies soll eine Gewalt sein, die sich in dem, wo sie sich vor allem zeigen könnte, selbst aufgibt? e) All diese Phänomene der Gesetzesanwendung zeigen, dass sich die Verwaltung selbst im Grunde als nichts anderes mehr versteht, im modernen Rechtsstaat, denn als eine Verlängerungsgewalt der Gesetzgebung, in den verschiedensten Formen: Sei es, dass sie ihre volle Gesetzesbindung ernst nimmt, sei es, dass sie sich in ihrem Beurteilungsermessen der Gerichtsbarkeit beugt, welche das Gesetz fortdenkt, oder dass sie selbst dies bereits vorwegnimmt, sei es schließlich, dass sie in ihrem Handlungsermessen sich als teleologische Fortdenkerin des Gesetzgebers betätigt - oder selbst dort zum Gesetzgeber wird, in der Reduktion ihres Ermessens. In all diesen vielfaltigen, unter Gewalt-Gesichtspunkten noch wenig untersuchten Erscheinungsformen der einzelnen Gesetzesbindungen der Verwaltung erweist sich diese, als "operative Macht der Gesetzesanwendung", noch weit mehr als Verlängerung der Gesetzgebung als dort, wo sie als eine derartige längst erkannt ist: in der abgeleiteten Gesetzgebung der Verordnunggebung. In ihr gibt der Gesetzgeber dieser Zweiten Gewalt derartige Direktiven mit auf ihren Weg der abgeleiteten Normsetzung, dass die Dogmatik dies bereits als materielle Gesetzgebung, letztlich als Bestandteil, als 4*

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B. Verwalten als Gesetzesvollzug

Fortsetzung zumindest der Gesetzgebung überhaupt ansieht. Diese Ermächtigungen, nach Inhalt, Zweck, und Ausmaß oft nur wenig greifbar bestimmt, gehen doch sicher viel weniger weit in ihren Bindungswirkungen gegenüber der Exekutive als die eben analysierten Gesetzesbindungen, denen die operative, die aktiv gesetzesanwendende Verwaltung unterliegt oder sich selbst unterwirft. Wenn aber bereits jener Bereich der Rechtsverordnungen als Fortsetzung der Gesetzgebung erscheint, warum sollte dann die Eigenständigkeit der vollziehenden Gewalt gerade in der operativen Normanwendung zu finden sein, in welche der Gesetzgeber weit mehr hineinregiert, im wahren Sinne des Wortes, als durch seine Verordnungsermächtigungen? Verwaltung als Gewalt hat also beim Normvollzug, bei der Gesetzesanwendung, wie immer man diese nun im Einzelnen versteht, noch weit weniger Sinn, als wenn man das Wort auf die verordnunggebenden Möglichkeiten der Exekutive stützen wollte. Überall ist immer wieder nur eines: Normfortsetzung.

111. Verwaltung als Normfortsetzung - ein Rückweg zur "Zweiten Gewalt nach Organisationsrecht" 1. Das Fazit: die vollziehende Gewalt als Fortsetzung der gesetzgebenden -aj Die vorstehenden Ausführungen dürfen gewiss nicht dahin missverstanden werden, als wollten sie Administration lediglich sehen als eine Spielart der Parlamentsgesetzgebung. Damit würden ja gerade in die hier zunächst zugrundegelegte funktionale Betrachtungsweise doch wieder organisationsrechtIiche Überlegungen getragen, als ob es darauf ankäme, wie das Organ der betreffenden Gewalt in seiner Struktur, seinen Kompetenzen und seinem Verfahren geordnet sei. Geht man aber von dieser funktionalen Betrachtung aus, so hat sich eben ergeben, dass Verwaltung in diesem Sinn nur eine andere Form der Gesetzgebung ist, nämlich im Sinne der Realisierung der Herrschaft der Normen in der Gemeinschaft - und um etwas anderes kann es nicht gehen, soll der rechtsstaatIiche Grundsatz ernst genommen werden, dass nunmehr Gesetze herrschen, nicht mehr Menschen, am wenigsten Verwaltungsbeamte. Mögen auch die Modalitäten dieser Herrschaftsdurchsetzung unterschiedlich sein, einmal unmittelbar durch das Wort des Gesetzgebers, sodann auf den Wegen der Sachverhaltsfeststellung und der Subsumtion unter präparierte Normen - immer wird eines nur sichergestellt: der Vollzug der Normen; und er kann sich eben bereits aus deren Setzung selbst ergeben, in den anderen Fällen fügt jedenfalls der

III. Verwaltung als Nonnfortsetzung - Rückweg ins Organisationsrecht

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Vollzug dem nicht so viel und so Eigenartiges hinzu, dass dies eine Verfassungsgewalt zu konstituieren vermöchte. b) Die herrschende Dogmatik anerkennt dies indirekt in einem Wort, das gerade in diesem Zusammenhang nun fallen muss: in der Vorstellung von einer Norm, die "self-executing" ist. Wenn es diese Normwirkungen gibt, wenn sie anerkannt werden von völkerrechtlicher Vereinbarung über die Europarechtliche Direktive bis zu jenen Gesetzen des nationalen Rechts, welche eben der Anwendung nicht bedürfen, deren Verletzung etwa bereits Rechtsfolgen auslöst - dann kann nicht eine ganze Staatsgewalt, die "Exekutive", aus jenen Aktionsräumen erklärt werden, in denen dies nicht der Fall ist - vielleicht nur noch nicht, weil der Gesetzgeber noch nicht präzise genug formuliert hat. Aus den rechtsstaatlichen Defekten einer "Ersten Gewalt" - denn als solche müsste dieses Letztere erscheinen - kann doch nicht die Zweite Gewalt konstruiert werden. Das Gesetz war also, daran führt kein Weg vorbei, in seiner Entdeckung als wahrhaft herrschende Norm, das eben so sichere Ende einer Zweiten Gewalt, welche nur in einer vorrechtsstaatlichen Dogmatik ihren Platz finden konnte. Dies alles aber gilt eben nur nach der hier zugrunde gelegten funktionalen Betrachtungsweise, nun fragt sich, ob diese nicht doch ergänzt werden kann, oder gar werden muss, aus organisationsrechtlichen Überlegungen heraus, ob es letztlich nicht diese allein sind, aus welchen noch ein "Verwalten" sich rechtsdogmatisch erklären lässt oder gar definieren.

2. Also doch organisationsrechtliche Bestimmung der Zweiten Gewalt: nach demokratischer Legitimation - oder hoheitlicher Tätigkeit? a) Bei oberflächlicher Betrachtung tauchen Probleme nicht auf in der gegenwärtigen Gewaltenteilung: Das volksgewählte Parlament bringt eben die Gesetze hervor, die nicht volksgewählte Exekutive, von ihm aber immerhin überwacht, leistet alles übrige, Normanwendung und Normverwirklichung. Doch hier nun muss Klarheit herrschen: Eine derartige Betrachtungsweise, wie sie sicher, unausgesprochen und gerade deshalb gar selbstverständlich, der bisherigen Verfassungsdogmatik zugrunde liegt, kann nicht aus der Aufgabe, aus der Erfüllung der Funktion argumentieren, also auch nicht funktionale Betrachtung genannt werden, sie findet Definition und Rechtfertigung in staatsorganisationsrechtlichen Überlegungen, und zwar, zuallererst aus der Sicht der demokratischen Staatsform. Definiert man die Verwaltung als die nicht durch demokratische Wahl unmittelbar legitimierte Staatsgewalt, so ist dies auf den ersten Blick ein durchaus plausibles Vorgehen. Alles an Gewalt kann eben doch wohl nicht

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B. Verwalten als Gesetzesvollzug

in einem großen Staat durch eine volksgewählte Versammlung ausgeübt werden; und was sich dazu seinem Wesen entsprechend nicht eignet, wird dann eben der Zweiten Gewalt zugewiesen; sie definiert sich aus ihrer "anderen", aus ihrer "indirekten" - im Grunde aus ihrer fehlenden Wahllegitimation heraus. Eine solche Sichtweise begegnet allerdings von vorneherein einem gewichtigen Einwand, der sich ja auch in der Praxis bereits politisch bemerkbar macht: Warum sollte denn nicht auch die Exekutive in weit vollerem, wahlmäßig begründetem Sinn "demokratisch legitimiert" sein - nur weil dies praktisch aufwendig ist? Und wie erklärt man dann das Großphänomen der wahlgestützten Kommunalverwaltung, all jene exekutivischen Autonomien, in denen eben doch Demokratie organisationsrechtlich wirksam wird zur Bestimmung des Organs? Verlagert man damit nicht die gesamte Gewaltenteilung in die Lehre von verschiedenen Stufen oder Intensitäten "demokratischer Legitimation", die man ihrerseits in jenen Wahlen sieht, welche bereits wiederum von einer anderen, noch vollständigeren Legitimation überholt zu werden drohen: in der direkten Demokratie? Und eröffnet man nicht schließlich eine weitere Problemfront gegenüber jener Dritten Gewalt, die eben auch dieser direkten demokratischen Legitimation ermangelt, und bei der man dann doch wieder auf funktionale Überlegungen der Endgültigkeit des "letzten Wortes" zurückgreifen muss? Was soll überhaupt eine Gewaltenteilung bedeuten, die wesentlich danach unterscheidet, ob ein Gewaltträger mehr oder weniger weit von der Quelle aller Gewalt, dem souveränen Volk entfernt ist, muss es nicht als ein demokratisches Sakrileg erscheinen, solche Gewalten auch noch nebeneinander zu stellen, diese Gewaltenteilung horizontal zu nennen, und sie mit aller Gewalt, bis hin zur Verfassungsgerichtsbarkeit zu sanktionieren wenn ein derartiges Legitimationsgefälle zwischen den Gewalten sich auftut, wie jedenfalls zwischen der volksgewählten Legislative und der von ihr nur aus der Feme überwachten Zweiten Gewalt? Sogleich schließt sich auch eine weitere grundsätzliche Problematik an: Seit langem ist erkannt, dass sich im Parteienstaat die indirekte demokratische Legitimation der Exekutive zwar praktisch-politisch gehalten oder gar noch verstärkt haben mag, dass sie sich aber nicht auf das "Volk", sondern auf die jeweils gewählten politischen Parteien zurückführen lässt. Die Wahlen mögen also das Parlament legitimieren und seine Mehrheiten, die Regierung wird sodann legitimiert durch die Koalitionsverhandlungen und -vereinbarungen. Wenn man in diesem Verfassungsmechanismus die Legitimation einer Zweiten Gewalt sehen will, so mag dies aus rein verfassungstechnischen Gründen der Umsetzung von Wahlentscheidungen in die politische Wirklichkeit hingehen. Klarheit muss aber darüber bestehen, dass dann die Zweite Gewalt sich nicht aus ihrer Funktion, sondern aus ihrer Organisation

III. Verwaltung als Nonnfortsetzung - Rückweg ins Organisationsrecht

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definiert und legitimiert und aus ihr allein: als ein notwendiges Glied im Umsetzungsmechanismus der Volkswahl in tägliche Entscheidungen der Administration. Dann ist es auch müßig, nach einem "Wesen des Verwaltens" zu suchen, oder dieses gar in der Gesetzesanwendung finden zu wollen. Die Zweite Gewalt als Exekutive definiert sich dann eben als jene Organisation, die nicht vom Volk gewählt, sondern von den Gewählten des Volkes durch eine eigenartige Fonn von Mehrheitsvertrag als Dauergewalt eingesetzt, weithin kaum überwacht, ja nur "geduldet" ist, um all das zu leisten, was der Gesetzgeber nicht vennag zur Herrschaft seiner Gesetze. Und dann lässt sich kaum erklären, worin sich diese Exekutivgewalt noch unterscheidet von der jakobinischen Vorstellung vom Exekutivkomitee der vom Volk gewählten parlamentarischen Versammlung. Vor allem aber wird es dann schwer halten, einer Forderung entgegenzutreten, die ja im Raume steht: diese Exekutive immer weiter ihrerseits zu demokratisieren, durch Volkswahl des Präsidenten, des Regierungschefs, durch Misstrauensvoten gegenüber einzelnen Ministern, Ausdehnung der Kommunalisierung, oder gar durch "Verwaltungswahl" nach Schweizer Vorbild. Nur auf solchen Wegen, unter Stärkung der unmittelbaren demokratischen Legitimation, kann in einer Volksherrschaft eine Zweite Gewalt als ebenbürtig neben der Ersten, der volksgewählten, gedacht werden. Und dies ist ein mächtiges Argument für das Präsidialsystem. Eines aber wird dann auf keinen Fall gelingen, tritt man dergestalt den Rückweg in organisationsrechtliches, demokratisch bestimmtes Denken an: Verwaltung als Gewalt definieren, Verwalten als Zweite Gewalt mit Eigengewicht zu bestimmen. Damit aber kehrt man doch einer noch immer stillschweigend herrschenden Dogmatik den Rücken, welche eben dies Letztere versucht. b) Freilich gibt es noch einen anderen Weg, zurück aus dem Funktionalismus der Betrachtung der Zweiten Gewalt in organisationsrechtliche Überlegungen: indem eben doch die besondere Art und Weise definitorisch in den Mittelpunkt gestellt wird, in welcher die Zweite Gewalt sich zu äußern pflegt. Damit erreichen wir das Problem der "hoheitlichen Gewalt", welche die herrschende Lehre noch immer in diesem Bereich konzentriert sieht, aus dem die Verwaltung in der Tat sich auch historisch entwickelt hat; nur in weiteren Schritten und mit dem Vordringen der Rechtsstaatlichkeit ist ja dann der Begriff der "Hoheitsgewalt" auch in die Gesetzgebung und in die richterliche Gewalt getragen worden, im unterschwelligen Verständnis ist sie weiterhin eine wirkliche "Eigenheit" der Exekutive. So muss denn die weitere Untersuchung, welche ja den Bahnen bisheriger, ausdrücklicher oder unterschwelliger, dogmatischer Überlegungen folgen will, nun zu klären versuchen, was denn die Handlungsfonn des Einsat-

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B. Verwalten als Gesetzesvollzug

zes hoheitlicher Gewalt für eine "Verwaltung als Staatsgewalt" erbringen könnte. Klar bleiben sollte aber jedenfalls hier immer eines: auch mit solchen Überlegungen nähert man sich dem Raume der organisatorischen Bestimmung der drei Staatsgewalten, geht es hier doch nicht so sehr um die Wahrnehmung irgend welcher Funktionen, um die Erfüllung bestimmter Aufgaben, als vielmehr um jene Mittel, welche organisatorisch bestimmte Gewaltträger gewalttypisch einsetzen. Damit kann zugleich auch ein Beitrag geleistet werden zur Dogmatik jener "hoheitlichen Gewalt", der hoheitlichen Befugnisse überhaupt, auch im Sinne des Beamten-Verfassungsrechts, die heute politisch mit Misstrauen betrachtet werden: Nicht zu Unrecht, hat doch ihre rechtliche Bewältigung in klaren Kategorien noch kaum begonnen.

c. Hoheitsgewalt als Wesen des Verwaltens I. Die beschränkte Bedeutung des Einsatzes der Hoheitsgewalt durch die Verwaltung 1. Hoheitsgewalt als "Verwaltungsmarginalie"

a) Das Fehlen einer Theorie der "Hoheitsgewalt" Wer die Verwaltung, vielleicht gar die Zweite Gewalt als solche, aus dem Einsatz der Hoheitsgewalt definieren wollte, müsste nachweisen können, dass die Verwaltung "wesentlich", d.h. stets oder doch in allen wichtigen Bereichen durchgehend, jedenfalls von seltenen Ausnahmen abgesehen, die bekannten Formen des einseitigen Einsatzes der Hoheitsgewalt zum Tragen bringt. Verwaltung ohne Hoheitsgewalt müsste dann eben die seltene, begründungspflichtige Ausnahme bleiben. Doch davon kann in der modernen Verwaltungs tätigkeit nicht die Rede sein. Zwar mag man den Verwaltungsakt noch immer als die "typische" Äußerungsform der Verwaltung betrachten, in den Mittelpunkt aller dogmatischen Bemühungen um die Zweite Gewalt rücken. Doch schon dies geschieht eher stillschweigend, eben in gängiger Praxis oder Examensvorbereitung, als dass man es an den Anfang aller Überlegungen zur Exekutivtätigkeit, zur Administration überhaupt stellt. Die neueren Darstellungen des Verwaltungsrechts beginnen nicht mit Ausführungen, welche etwa definitorisch, oder auch nur selbstverständlich-beschreibend, Hoheitsgewalt als das Wesen der Administration vorstellten, oder gar behaupteten, "irgendwie" müsse dort immer Hoheitsgewalt zum Einsatz kommen. Der Begriff selbst ist heute eher problematisch geworden, wird immer seltener gebraucht, erinnert er doch an jene "obrigkeitliche Gewalt", als welche die Hoheitsgewalt früher bezeichnet wurde, die aber heute als Ausdruck vordemokratischen Rechtsverständnisses erscheint. Allenfalls ist noch von Über/ Unterordnung im Verhältnis zwischen Bürger und Staatsgewalt die Rede, ohne dass dann aber jenes Instrument, jene Verhaltensweise der übergeordneten Instanz sogleich behandelt oder gar näher untersucht würde, aus der sich doch die Subordination erst eigentlich erklärt. So sieht sich der Betrachter denn vor dem eigenartigen Phänomen, dass die praktisch für den Bürger wichtigste Staatsgewalt sich aus einem Begriff definieren soll, den man eher zurückhaltend, wenn überhaupt noch, ge-

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c.

Hoheitsgewalt als Wesen des Verwaltens

braucht, zu dem es jedenfalls, soweit ersichtlich, an vertiefenden dogmatischen Theorien fehlt - denn der allgemeine gesellschaftlich-politische Wind hat sich eben gegen solche Begrifflichkeit gedreht. Festzustellen bleibt, dass es eine wie immer geartete "Theorie der Hoheitsgewalt", welche diese von anderen Erscheinungsformen moderner staatlicher Gewaltausübung abgrenzte, als solche nicht gibt. Bemerkenswert ist vielmehr, dass Hoheitsgewalt, wenn überhaupt, nur gewissermaßen indirekt umschrieben wird, in Abgrenzung von anderen Äußerungsformen des Administrativen, welche ähnliche Wirkungen hervorbringen könnten. So wird etwa in den Behandlungen der "faktischen Eingriffe" in die Sphären der Bürger "der Eingriff' und sein klassisches Mittel, eben der Einsatz der Hoheitsgewalt, gewissermaßen vorausgesetzt, und es wird dann versucht, über Wirkungsbegriffe, insbesondere den wenig klaren der "Unentrinnbarkeit", zu zeigen, was denn der Einsatz der Hoheitsgewalt für den Bürger an Belastung bedeutet, obwohl doch diese Hoheitsgewalt als solche weder unentrinnbar ist - die Möglichkeiten gerichtlichen Rechtschutzes zeigen es ja - noch als solche wegen ihrer Wirkung als Wesen der Verwaltung erscheinen könnte, sondern allenfalls eben als ein Eingriffsinstrument. Klar müsste vielmehr doch sein, dass sich Hoheitsgewalt als Wesen des Verwaltens, wenn sie denn ein solches konstituierte, aus dessen eigentümlicher instrumentaler Form bestimmen lassen müsste, etwa aus einem Anordnungscharakter, nicht nur aus Wirkungen, welche die Verwaltung auf diese Weise dem Bürger gegenüber hervorbrächte. Denn wer versucht, Hoheitsgewalt allein aus ihren Wirkungen auf die Rechtsphäre des Bürgers zu bestimmen, und dabei gar noch die Wirkungen bis in den faktischen Bereich hinein ausdehnt, der streicht eigentlich aus seiner Definition das Teilwort "Hoheits-" und verfällt in Bestimmungsversuche staatlicher Gewalt schlechthin. Festzuhalten bleibt also, dass es eine Theorie der Hoheitsgewalt als solche nicht gibt, und dass auch Versuche nicht weiterführen, die Hoheitsgewalt aus "ähnlichen Wirkungen" heraus zu bestimmen, wie sie Verwaltung auf anderen Wegen ebenfalls hervorbringen könnte. b) Der verwaltungsrechtliche Vertrag Form eines" Verwaltens ohne Hoheitsgewalt"

Eine solche These müsste sich aber begründen lassen, wollte man das Wesen der Zweiten Gewalt über den Einsatz von Hoheitsgewalt definieren. Ein Blick auf die Darstellungen des allgemeinen und besonderen Verwaltungsrechts zeigt jedoch, dass davon nicht die Rede sein kann. Zwar werden dort auch Äußerungsformen der Verwaltung, wie eben etwa der Verwaltungsakt, eingehend behandelt; doch Gegenstand dieser Materien-Über-

I. Die beschränkte Bedeutung der Hoheitsgewalt der Verwaltung

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blicke, Abgrenzungselement dieses Rechtsgebiets von anderen, ist keineswegs allein der Einsatz der Hoheitsgewalt. Vielmehr gibt es, schon ganz allgemein, eben auch andere Formen des Verwaltungshandeins, und in gewissen Bereichen der Verwaltungstätigkeit spielt die Hoheitsgewalt entweder keine oder eine nur sehr untergeordnete Rolle. Ein bedeutsames Beispiel für die erstere Erscheinung ist der verwaltungsrechtliche Vertrag. Man mag über seine möglichen Anwendungsbereiche weiter streiten, und der Gesetzgeber kann gewiss für Einzelkomplexe festlegen, dass eben doch durch Verwaltungsakt, also unter Einsatz einseitig wirkender Hoheitsgewalt, zu regeln sei. Auch mag der Verwaltungsvertrag eine Art von milderer Vorschaltform des Staatshandelns sein, bevor eben die schärfere Waffe des Verwaltungsakts, der Hoheitsgewalt, eingesetzt wird. Dennoch ist heute bereits, im Wege allgemeiner verwaltungsverfahrensrechtlicher Gesetzgebung, die grundsätzliche Parallelität von Verwaltungsakt und Verwaltungsvertrag anerkannt - damit aber kann sich das Verwaltungshandeln nicht mehr wesentlich aus dem Einsatz der Hoheitsgewalt definieren, wenn nämlich der Gesetzgeber jeweils ausdrücklich bestimmen muss, dass nur auf solche Weise "verwaltet" werden darf. Vertrag oder einseitige Hoheitsgewalt - dies ist nurmehr ein Problem der Gesetzgebung, vielleicht noch der Verwaltungspolitik, eine grundsätzliche dogmatische Unterscheidung lässt sich darauf nicht mehr bauen. Der Beginn dieser Entwicklung liegt, im französischen Verwaltungsrecht, bereits über ein Jahrhundert zurück, und seither hat sich diese Handlungsform langsam aber kontinuierlich im gesamten kontinentaleuropäischen Verwaltungsrecht ausgebreitet, dieses zugleich englischen Formen des Verwaltens annähernd. Dabei ist es zu einer immer stärkeren "Vertraglichkeit" gekommen, schrittweise hat sich die Hoheitsgewalt zurückgezogen, vom einseitigen Befehl über den "Verwaltungsakt auf Unterwerfung", weiter über die "unbedingten, hoheitsrechtlichen Bestandteile" des Verwaltungsvertrags, die verwaltungsbestimmten Cahiers de charges - bis schließlich hin zum weithin frei ausgehandelten Gestaltungsvertrag der noch immer sogenannten hoheitlichen Beziehungen zwischen Bürger und Staat. Was daran noch "hoheitlich" sein soll, bleibt immer mehr im Dunkeln, es sei denn die Zuständigkeit jener Verwaltungsgerichte, welche dann über die Maxime der Amtsermittlung prozedieren. Dies allein kann aber doch nicht das Überleben des "Hoheitlichen" in dieser Gestaltungsform sicherstellen. Bewusst werden sollte vielmehr, dass schon der Beginn der Entwicklung verwaltungsrechtlicher Vereinbarungen einen Einbruch in eine mögliche Theorie der Definition des Verwaltens aus der Hoheitlichkeit bedeutet hat; und es ist gewiss kein historischer Zufall, dass dies gerade in jenem Frankreich begonnen hat, welches sich in besonderer Weise der aus seiner großen Revolution kommenden Verwaltungsgewalt der einseitigen Hoheit bewusst

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C. Hoheitsgewalt als Wesen des Verwaltens

gewesen war. Eine Feststellung ist wohl berechtigt: Kurz nach dem großangelegten französisch-revolutionären Versuch, eine einheitliche Administration organisationsrechtlich und verfahrensrechtlich über den Einsatz der Hoheitsgewalt zu bestimmen, sind die alten Handlungsformen des "gemeinen Rechts", eben des Zivilrechts mit seiner Vertraglichkeit, ins Öffentliche Recht zurückgekehrt, damit aber war im Grundsatz das Ende aller Möglichkeiten besiegelt, Öffentliches Recht allein aus Hoheitsgewalt zu definieren. Klar gefühlt wurde dies bereits vor fast einem Jahrhundert, als Kormann in seiner Theorie der rechtsgeschäftlichen Staatsakte versuchte, umzuschalten auf eine neue Definition des Verwaltungsrechts, des Öffentlichen Rechts überhaupt. Unter dem beherrschenden Einfluss Otto Mayers ist ihm die herrschende Lehre nicht gefolgt; sie ist aber den Nachweis schuldig geblieben, dass sie ihre eigene, immer weiter mehr oder weniger begründungslos fortgeschleppte Praxis der Hoheitsgewalt zur tragfähigen Grundlage des Verwaltens ausbauen könne. c) Andere Formen der Venvaltungstätigkeit ohne Hoheitsgewalt

Doch über diesen grundSätzlichen "Einbruch in die Hoheitsgewalt" ist die Entwicklung weit hinausgegangen, in verschiedenen Richtungen. Mehr "degenerativ" als in bewusster Dogmatik entfaltet, hat der Verwaltungsvertrag weitere Bereiche der Verwaltungstätigkeit mit ähnlichen Formen erfasst, nirgends wird dort Hoheitstätigkeit als solche eingesetzt. Zusammengefasst wurde dies oft in dem aussagearmen Begriff des "informelleIlVerwaltungshandelns". Nicht umsonst stehen in seinem Mittelpunkt jene "formlosen Absprachen", über welche sich heute Verwalten zunehmend vollzieht, gerade in seinen wichtigsten neueren Ausprägungen des Umwelt-, des Industrierechts überhaupt. Begründet wird dies mit der Notwendigkeit einer Entstarrung dieser endgültiger hoheitsrechtlicher Regelung eben nicht zugänglichen Bereiche. Sei es nun wissenschaftlich-technologische Entwicklung im Fluss, sei es überhaupt der notwendige Experimentalcharakter derartiger Regelungen - in größtem Umfang zieht sich jedenfalls die Verwaltung aus jener harten Endgültigkeit zurück, welche eben dem Einsatz der Hoheitsgewalt eigen ist. Ein weiterer Bereich, in der Hoheitstätigkeit zurückweicht, sind jene"Vorfeldaktivitäten", die insbesondere in der informierenden und warnenden Verwaltungstätigkeit ablaufen. Hat es hier ernsthaft noch Sinn, nach "Verwaltungsakten" zu suchen, nach Formen und Wirkungen des Verwaltungshandeins, welche man gerade noch, mit immer größerer begrifflicher Gewaltsamkeit, den klassischen Verwaltungsakten des Gewerbe- und Baubereichs an die Seite stellen kann? Man muss nicht in eine heute gängige Dialog-Euphorie verfallen, um festzustellen, dass sich der weitaus größte

1. Die beschränkte Bedeutung der Hoheitsgewalt der Verwaltung

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Teil der meisten Verwaltungstätigkeiten in derartigen vorbereitenden Gesprächen vollzieht, in welche vielfache informelle Vereinbarungsmomente eingebaut sind, im einzelnen gar nicht eindeutig erfassbar. Gewiss mag hier vieles im "rein Verfahrensmäßigen" sich erschöpfen, und dogmatisch kommt es bei keiner Staatstätigkeit lediglich auf solche Prozeduren, sondern immer wieder auf deren rechtlich wirksame Ergebnisse an. Doch zu solchen kommt es eben in dieser dialogierenden Verfahrenswelt heutiger Verwaltung sehr häufig gar nicht mehr, vielmehr bleibt ein mehr oder weniger flexibler Vereinbarungsstand - wer weiß wie lange. Und dahinter steht doch bereits eine andere GrundeinsteIlung als die des hoheitlichen Befehlens: hier herrscht das wesentlich privatrechtliche sich-Verständigen. Noch weiter aber ist diese Entwicklung ja bereits vorgedrungen, in den bekannten Formen des "Verwaltungsprivatrechts," von Administrativgeschäften in Formen des Zivilrechts. Auch hier gibt es weder eine eindeutige, ausgebaute dogmatische Theorie dieses Verwaltungsprivatrechts, noch lässt sich dies anders als über rein organisationsrechtliche Bindungen an Rechtsträger der Zweiten Gewalt überhaupt noch mit "Verwaltung" in Verbindung bringen. Hoheitlich jedenfalls ist in all diesen großen und immer größer werdenden Räumen nichts mehr. Schließlich lässt sich die Betrachtung der "Enthoheitlichung" des Verwaltungsrechts noch fortsetzen bis etwa hinein in die immer wichtigeren Bereiche des öffentlichen Beschaffungswesens. Ursprünglich wirkten hier noch, insbesondere zu militärischen Zielen, weithin Gesetze, welche hoheitliche Beschaffungsentscheidungen, insbesondere bei Grundstücken, vorsahen. Doch immer mehr beschränkt sich das hoheitliche Beschaffungswesen der Verwaltung auf diese letzteren traditionellen, in Anlehnung an Entschädigungsrecht entwickelten Gestaltungsformen. Die eigentlich wichtigen Beschaffungen aber, auch im Militärbereich, laufen schon seit langem auf anderen Schienen, ohne jede hoheitliche Gewalt - und es sind die völlig hoheitsfemen der privatrechtlichen Verträge. Man mag nicht so weit gehen, die Hoheitsgewalt als eine auslaufende dogmatische Kategorie zu charakterisieren; und Begründungen für ihr immer weiteres Zurückfallen in akademische Examensbedeutung müssen auch nicht der eindeutigen politischen Antihaltung gegenüber jeder Befehlshaftigkeit des Staatlichen entnommen werden. Deutlich drängt sich aber doch der Eindruck auf, dass Hoheitsgewalt längst nicht mehr die Verwaltungswirklichkeit beherrscht, dass sie sich in einem solchen Maße aus allem Administrativen zurückgezogen hat und immer weiter zurückfällt, dass es als schlechthin abwegig erscheint, hier das Wesen des Verwaltens als solchen sehen zu wollen.

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C. Hoheitsgewalt als Wesen des Verwaltens

d) Hoheitsgewalt als Reservemacht? Nun könnte man all diese Hoheitsgewaltlosigkeit damit erklären, und letztlich doch wieder mit dem Begriff der hoheitlichen Gewalt in Verbindung bringen, dass es sich dabei eben in den meisten Fällen nur um etwas handle wie Ankündigungen, Vorläufer-Prozeduren gegenüber dem Einsatz der einseitigen Hoheitsgewalt selbst, welche Rechte und Pflichten des Bürgers festlege. Zwanglos, so scheint es, kann dies doch für jene Warnungen behauptet werden, denen dann eben die hoheitliche Befehlsdurchsetzung folgt; und daher beschränkt denn auch die Rechtsprechung das Recht zu solchem Vorgehen auf Kompetenzen zu endgültigen Regelungen. Von informellen Absprachen sollen keine Rechtswirkungen ausgehen; sie erscheinen dann als ein modus vivendi, der jederzeit durch Hoheitsgewalt in eine Rechte- und Pflichtenlage umgeprägt werden kann, damit allein Rechtswirkungen entfaltet. Selbst der Verwaltungsvertrag kann grundsätzlich so verstanden werden, dass er unter dem Druck verwaltungsaktlicher Regelung zustande komme. All diese befehlslosen Bereiche erscheinen dann als eine Art von Vorfeld, vorgelagert dem durch die Verwaltungstätigkeit letztlich zu Realisierenden, das in seiner Unbedingtheit aber jedenfalls durch Hoheitsgewalt erreicht werden kann. Deren Einsatz ist in diesen vorgelagerten Bereichen noch nicht erforderlich, wäre daher vielleicht, nach rechtstaatlicher Dogmatik, rechtswidrig. Daraus könnte sich sogar eine verfassungsrechtliche Rechtfertigung einer Auffassung ergeben, welche eine Hoheitsgewalt als Reservegewalt sieht, die nur eingesetzt werden darf, wenn Vertrag oder informelles Handeln nicht genügt, die in dieser Reservesituation aber die gesamten Rechtsbeziehungen prägt und sämtliches Verwalten aus der Fernwirkung nicht eingesetzter Hoheitsmacht heraus definierbar werden lässt. Dies mag in der Tat die meist unausgesprochene Begründung für Verwaltungstätigkeit sein, welche "Hoheitsmacht noch nicht" einsetzt, dennoch aber alles Verwalten aus ihr heraus definieren wollte. In der Dogmatik des Öffentlichen Rechts wäre dies dann auch nicht eine gänzlich außergewöhnliche Erscheinung; schließlich ruhen große staatstragende Institutionen, wie etwa die parlamentarische Kontrolle und damit das gesamte parlamentarische Regierungssystem, auf Befugnissen, welche nur sehr selten, vielleicht jahrzehntelang gar nicht in ihren extremen Möglichkeiten ausgeschöpft werden, im Misstrauensvotum gegenüber dem Kanzler. Dennoch bestehen kaum Zweifel an der dogmatischen Wirksamkeit und damit auf Definierbarkeit von ganzen staatlichen Institutionen aus Fernwirkungen, ja aus Fernstwirkungen heraus. Was nun allerdings die Hoheitsgewalt und ihren Einsatz in der "normalen Verwaltung" anlangt, so bestehen gegen derartige dogmatische Konstruktionen, die auf einen "ferneren Ernstfall" zielen, denn doch schon grundsätzlich erhebliche Bedenken. Soll sich wirklich eine Verwaltung da-

I. Die beschränkte Bedeutung der Hoheitsgewalt der Verwaltung

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raus definieren, dass sie irgendwie, irgendwann, als letztes Druckmittel auch eine Hoheitsgewalt einsetzen kann, die sie aber im Grunde nicht einsetzen will, der sie nach allgemeiner Verwaltungspolitik sogar misstraut? Selbst wenn dies noch genügen sollte, so erklärt es doch wichtige Bereiche der Verwaltungstätigkeit nicht mehr als Ausdruck einer Administration: das gesamte Verwaltungsprivatrecht, den größten Teil des Beschaffungsrechts. Und hier müsste dann angenommen werden, der Gesetzgeber habe diese Bereiche, weitestgehend jedenfalls, aus dem Verwaltungsrecht ausgegliedert. Dort aber haben sie noch immer ihren Raum, weil das Verwaltungsrecht eben abgegrenzt wird ratione materiae, nicht ratione instrumenti. Schließlich ist auch die "Druckmittel-Theorie" mit grundsätzlichen Problemen belastet: Sie müsste ja weitergedacht werden bis in die Beziehungen zwischen Gleichgeordneten; bis tief ins Privatrecht hinein müssten traditionelle Materien dieses Bereichs zum Verwaltungsrecht, zum Öffentlichen Recht jedenfalls gezogen werden, nur weil dem Gesetzgeber ja auch das letzte hoheitliche Druckmittel der Gesetzgebung zur Verfügung steht, der Regelung privatrechtlicher Bezüge durch Normen. So weit aber ist, nach allem bisher Ersichtlichen, noch niemand gegangen. Selbst wenn man über all diese doch gewichtigen Bedenken hinweggehen wollte, nur um die Hoheitsgewalt als Grundlage des Verwaltens zu erweisen, so müssten doch bedeutsame weitere Hürden genommen werden: 2. Self executing-Normen- hoheitliches Verwalten nur als Gesetzessanktionierung? a) Hoheitsgewalt durch Gesetz

Wer das Verwalten über den Einsatz der Hoheitsgewalt definieren will, sieht sich bereits vor einer grundsätzlichen Schwierigkeit: Hoheitsgewalt bringt der Staat, im Verhältnis zu seinen Bürgern und in klarer Überordnung über diese, zuallererst und grundsätzlich zum Tragen über das Gesetz. Die Verfassungsgerichtsbarkeit hat ins allgemeine Bewusstsein gerade diese rechtsstaatlich selbstverständliche Erscheinung gehoben: Nicht nur die Verwaltung ist es, welche mit einseitiger Gewalt die Rechte- und Pflichtenlage der Bürger untereinander und gegenüber der Gemeinschaft festlegt; in erster Linie geschieht dies über die Gesetzesnormen, die solches mit allgemein geltenden Befehlen bewirken. Dann aber stellt sich doch die Frage, was eigentlich das Spezifische einer Verwaltung unter Einsatz der Hoheitsgewalt sein soll, ganz allgemein, vor allem in den Fällen, in welchen das Gesetz selbst bereits "alles befohlen hat". Diese zahlreichen und immer zahlreicheren Self executing-Normen, denen eben die Verwaltung nichts Eigenes mehr hinzuzufügen hat - weshalb denn verfassungsgerichtlich auch

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c. Hoheitsgewalt als Wesen des Verwaltens

die Nonnen, nicht erst die sie durchsetzenden Verwaltungsbefehle angegriffen werden können - werfen doch die Frage auf, was denn der Administration mit ihrer sie angeblich konstituierenden Hoheitsgewalt in solchen Bereichen überhaupt noch hoheitlich zu leisten übrigbleibt. Diese Frage stellt sich eindringlich in so wichtigen Bereichen wie dem gesamten Steuer- und dem Sozialrecht, aber auch für das Strafrecht, dessen Einhaltung die Polizei überwacht. All diesen Verwaltungen bleibt dann weithin nichts anderes mehr als eine Art von automatenhaftem Ausdruck des bereits vom Gesetz Befohlenen für den Einzelfall. Was aber soll daran nun so wesentlich "hoheitlich" sein - vielleicht gar nunnehr, wie im strafrechtlichen Bereich, Ermittlung und Anzeige bei den Strafverfolgungsbehörden? Worin unterscheidet sich dies nun wieder von solchen Aktivitäten, die doch eben auch von Privaten ausgehen könnten? Hier zeigt sich, dass der Einsatz der administrativen Hoheitsgewalt sich beschränkt auf Vollstreckung von hoheitlichen Nonnanordnungen oder gar nur auf einen Verfahrensschritt (Ennittlung, Anzeige) zwischen dem hoheitlichen Nonnbefehl des Gesetzes und dessen Sanktion durch den Richter; dessen ebenfalls hoheitliche Anordnungen aber werden, im Strafrecht jedenfalls, im Bereich nicht mehr der Zweiten, sondern der Dritten Gewalt vollstreckt, wofür die Polizei allenfalls noch instrumentale Hilfsdienste leistet. b) Einsatz der Hoheitsgewalt - kein Privileg der Verwaltung

Aus diesen Betrachtungen ergibt sich ein Ergebnis, das es von vorneherein ausschließt, das "Verwalten" über den Einsatz der einseitigen Hoheitsgewalt zu definieren. Die Hoheitsgewalt als eine einseitige ist nicht das Privileg der Zweiten Gewalt, sie ist ein Vorrecht aller drei Staatsgewalten, die es in unterschiedlichen Fonnen und mit verschiedenen Wirkungen gegenüber dem Bürger ausüben: der Gesetzgeber handelt so im Nonnbefehl, der teilweise als Self executing in sich selbst bereits volle Gewalt darstellt, teilweise durch die Verwaltung noch im Einzelfall fortgesetzt, fortnonniert, konkretisiert werden muss; doch dies ist eben wiederum nichts anderes als die bereits oben B) näher beschriebene Fortsetzung der Gesetzgebung in der Verwaltung. Und auch die richterliche Gewalt, welche solche Gesetzesnonnen zum endgültigen Befehl im Einzelfall werden lässt, übt dieses Arbeitsprivileg aus. Nur zwischen diese beiden Gewalten schiebt sich die sogenannte vollziehende, in einer eindeutig nachgeordneten, ja untergeordneten Funktion, sowohl gegenüber der Legislative wie gegenüber der Judikative. Nicht jeder Einsatz von Hoheitsgewalt ist also ein typisches Privileg der Exekutive oder gar der Verwaltung. Weithin bringt der Staat seine Hoheitsgewalt in einer Kombination zwischen der Nonngebung der Ersten Gewalt

I. Die beschränkte Bedeutung der Hoheitsgewalt der Verwaltung

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und der endgültigen Entscheidung der Dritten Gewalt zum Tragen; zwischen sie schiebt sich die Zweite Gewalt nur als eine "feststellende im Einzelfall" oder als eine "anzeigende". Hoheitsgewalt ist also in keiner Hinsicht ein spezifischer Begriff für die Verwaltung, vermag sie daher auch nicht als solche zu konstituieren oder auch nur zu definieren. Allenfalls könnte davon die Rede sein, dass die Verwaltung eine "gesetzesvollziehende Hoheitsgewalt" eigener Art ausübe - doch auch hier ist Vorsicht geboten: Selbst dieser Vollzug ist ihr im gewaltenteilenden Rechtsstaat nicht als solcher, nicht als ein endgültiger anvertraut. Hier unterliegt die Verwaltung im Einsatz ihrer Hoheitsgewalt einer anderen Macht, der stets, ausnahmslos, das letzte Wort im Rechtstaat bleibt: der Judikative. An diesem Punkt lohnt es sich schon, einmal zurückzudenken an den großen Anspruch, mit dem jede Lehre von der Gewaltenteilung auftritt, wenn sie der Zweiten Gewalt ein der Ersten und Dritten vergleichbares Gewicht zumessen will - obwohl doch diese Gewalt, jedenfalls als Verwaltung, nicht mehr ist als einerseits Vollzieherin, damit Fortdenkerin oder gar nur Vollstreckerin des Willens der Legislative - auf der anderen Seite reines Hilfsorgan zur Vorbereitung und untergeordnetes, streng kontrolliertes Vollstreckungsorgan gegenüber den Gerichten. Verstößt es nicht gegen alle Regeln der dogmatischen Gewichtung unter politischer Wertung, daraus etwas konstituieren zu wollen wie eine "Gewalt", aus einer derart staats-marginalen Hoheitsgewalt?

3. Die Gewichtslosigkeit der HoheitsgewaIt der Verwaltung Montesquieu hatte einst die Dritte Gewalt als eine "gewissermaßen gewichtslose" in seinem Schema der Gewaltenteilung bezeichnet - un pouvoir en quelque fa~on nul - aus damaliger Sicht zu Recht: Er dachte ja in politischen Gewalten, in Instanzen von einigem Entscheidungsgewicht, wie es damals neuerdings die Gesetzgebung war und durchaus eine noch immer weithin gesetzesungebundene Exekutive. Zwischen sie als Gewalten und sie und den Bürger stellte er jene Gerichtsbarkeit, der er lediglich eine Schiedsrichterrolle zwischen Mächten zuerkennen wollte, und mehr war damals politisch nicht ihre Aufgabe. Heute aber stellt sich doch eine ganz andere Frage: ob nicht die Verwaltung eine solche "gewissermaßen gewichtslose Gewalt" darstellt - aus dem Wesen ihrer Hoheitsgewalt heraus, weil sie hier eben immer nur eine vorläufige Rechtsveränderung bewirken kann, eine endgültige nicht etwa nur im Zusammenwirken mit einer anderen Gewalt, der Judikative, sondern geradezu erst durch deren Machteinsatz. Wenn diese These zutrifft, so bleibt der Hoheitsgewalt der Verwaltung als dogmatischer Kategorie nurmehr ein sehr begrenztes Gewicht, und dies muss sich dann doch auch auswirken auf jene verfassungspolitische Gewichtung, die 5 Leisner

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c.

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heute ebenso dem Öffentlichen Recht aufgegeben ist, welche es ebenso wenig ignorieren darf wie zu Zeiten Montesquieus. Wenn diese Hoheitsgewalt eine nur derart vorläufige ist - und davon ist nun zu sprechen - soll sich daraus dann etwa die Zweite Gewalt als die einer "Staatsvorläufigkeit" definieren lassen? a) Hoheitsgewalt: Nur Ersparnis gerichtlicher Schritte

Nach einem allgemeinen Rechtsgrundsatz des geltenden Rechts bedarf jeder Rechtsträger, der "von einem anderen etwas will", der hoheitlichen Gewalt des Staates. Der Rechtsfriede geriete sogleich in Gefahr, könnten Leistungsansprüche im Wege der Selbsthilfe durchgesetzt werden. Grundsätzlich ist für solche Veränderungen im Bereich der Güter- und Interessenlage hoheitliche Gewalt auf einer doppelten Ebene erforderlich: einerseits die hoheitliche Gewalt, die in der gerichtlichen Entscheidung zum Ausdruck kommt, sodann deren Durchsetzung durch die Verwaltung. Die "hoheitliche Gewalt", welche nach verbreiteter Auffassung geradezu das Wesen der Verwaltung konstituieren soll, bedeutet von diesem Mechanismus nur eine durchaus begrenzte Ausnahme: den Staatsinstanzen wird etwas wie ein Recht der grundsätzlichen Selbsthilfe zugestanden, sie müssen sich nicht über die Gerichte durchsetzen, können sich vielmehr diesen Verfahrensabschnitt ersparen - wenn der von ihrer hoheitlichen Gewalt Überzogene nicht seinerseits einen Rechtsbehelf ergreift. Damit bedeutet also die hoheitliche Gewalt nichts anderes als ein Recht der einseitigen, vorläufigen Selbsthilfe, über das hinaus, was dem Privaten in eng begrenzten Ausnahmefallen an Selbsthilferecht ebenfalls zusteht. Selbst diese Erweiterung des Selbsthilferechts ist übrigens in gewissen, nicht unwesentlichen Bereichen wieder durch Gesetz ausgeschlossen, man denke nur an jenes Beamtenrecht, nach welchem der Dienstherr wichtige Maßnahmen gegenüber dem Beamten nicht einseitig ergreifen, sondern beim Disziplinarrichter vorher beantragen muss; hier ist der Normalzustand zwischen Privaten wieder hergestellt, mitten im Verwaltungsrecht. Diese Erweiterung des Selbsthilferechts durch Zubilligung der "Hoheitsgewalt an die Verwaltung" privilegiert übrigens die Administration in ihren Rechtsbeziehungen zu anderen Rechtsträgern auch nur in dem - allerdings zentral wichtigen - Bereich der Leistungsansprüche. Rechtsgestaltungen vermag der Staat zwar auf solchen Wegen, "einseitig", ebenfalls durchzusetzen, soweit das Gesetz es vorsieht; darin aber unterscheidet er sich nicht mehr grundsätzlich vom Privaten, der etwa über eine Kündigung gleichfalls die "Rechtsbehelfslage umkehren" kann, indem er dem gekündigten Mitarbeiter zunächst einmal die Weiterarbeit im Betrieb verbietet, bis dieser gegebenenfalls den Richter anruft und dieser die Fortsetzung seiner Tätigkeit

I. Die beschränkte Bedeutung der Hoheitsgewalt der Verwaltung

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gestattet. Und auch hier steht übrigens der Staat, im Beamtenbereich, sogar noch schlechter als der Private: ohne disziplinargerichtliche Anordnung kann er keinen Beamten in eine Situation bringen, wie dies aber der Arbeitgeber durch seine Kündigung einseitig vermag. Dies alles zeigt: Die mit einer Art von verbalem Mythos umgebene "obrigkeitliche" oder "hoheitliche" Gewalt bedeutet nicht mehr als eine Form der "Rechtsbehelfsumkehr". Während der Private seine Leistungsrechte über den Richter durchsetzen muss, ist dies der Verwaltung weithin, aber keineswegs durchgehend, im Wege der Selbsthilfe gestattet. Dies liegt in dem oft allerdings allzu pauschal verwendeten Begriff der "Einseitigkeit" der hoheitlichen Gewalt: sie wirkt - aber eben nur "bis zum Beweis des Gegenteils" . Hier erhebt sich nun bereits die grundsätzliche Frage, ob aus einer derart begrenzten Rechtswirkung, nämlich aus der Erweiterung des Selbsthilferechts bis zum erfolgreichen Rechtsbehelf der Gegenseite, nun wirklich so grundsätzliche Folgerungen abgeleitet werden können, wie sie sich ergeben würden, wenn der Einsatz eben dieser Hoheitsgewalt geradezu als das Konstitutivelement der Zweiten Gewalt angesehen würde - was er übrigens ohnehin nicht ist, nachdem ja sowohl die Erste wie die Dritte Gewalt, wie bereits nachgewiesen, ebenfalls über derartige Hoheitsgewalt verfügen. Dogmatisch erscheint es, nach dem Gewicht wie angesichts der fehlenden Ausschließlichkeit dieses Verwaltungsprivilegs, als weit überzogen, wenn nicht geradezu als unzulässig. Betrachtet man die vielfachen Übergänge zwischen der Rechtslage Verwaltung - Bürger und der zwischen Privaten, auf welche bereits hingewiesen wurde, sowie eine Vertragspraxis, in welcher sich viele private Partner Ansprüchen anderer Privater oder deren Durchsetzung apriori unterwerfen, so schwinden die Unterschiede zwischen dieser Öffentlichen Gewalt und einer möglicherweise auszuübenden privaten Gewalt immer noch mehr. In der Praxis spielen sie kaum mehr eine wesentliche Rolle, in das allgemeine Bewusstsein sind sie sicher nicht als etwas Staatskonstitutives gedrungen. Die Staatsgewalt selbst tut alles, um derartige mögliche Gräben immer noch weiter einzuebnen, gerade in ihren Beziehungen zu den Bürgern, welche die praktisch wichtigsten sind: Nach Gesetz und Gerichtspraxis steht dem Staat, insbesondere aber auch den kommunalen Gebietskörperschaften, ein Wahlrecht zu, ob sie ihre Beziehungen zum Bürger hoheitlich oder auf der Grundlage des Privatrechts regeln wollen. Gerade in den letzten Jahrzehnten hat eine groß angelegte Bewegung stattgefunden, weg von Regelungen über Norm - Verwaltungsakt - Gebühr, hin zu einer solchen über Vertrag - Preis; die für den Bürger doch entscheidende Daseinsvorsorge ist weitestgehend davon erfasst worden. Nun mag man sicher Verständnis für Kritiker haben, welche gerade diese Entwicklung, ja das grundsätzliche 5*

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C. Hoheitsgewalt als Wesen des Verwaltens

Wahlrecht der Staatsgewalt rügen, das aber in der Regel im Wesentlichen nur aus Gründen des Grundrechtsschutzes angegriffen wird. Wie dem auch sei - das Wahlrecht entspricht gefestigter herrschender Auffassung, in ihm aber liegt weit mehr als nur eine grundrechtlich relevante Gestaltung: Es zeigt, dass der Staat selbst keinen wesentlichen Unterschied mehr macht zwischen hoheitlicher und privatrechtlicher Gestaltung. In einem weiteren Kapitel (unten E) wird dies noch, in der Akzentuierung der großen Privatisierungsentwicklung der letzten Zeit, zu vertiefen sein. Dann aber lässt es sich dogmatisch schlechthin nicht mehr rechtfertigen, dem Einsatz dieser Hoheitsgewalt ein derart gewaltspezifisches Gewicht für das Verständnis der Zweiten Gewalt zuzubilligen, dass sich diese geradezu aus jener definieren könnte. Schon aus sich selbst heraus ist also die "Hoheitsgewalt" eine zu schwache Basis für die größere Konstruktion einer "Staatsgewalt". b) Hoheitsgewalt - ein nur vorläufiges Selbsthilfeprivileg

Wem dies alles noch nicht genügen sollte, um Bedeutung der Hoheitsgewalt als Wesenskriterium der Zweiten Gewalt zu relativieren, der sei schließlich hingewiesen auf die auch praktisch durchaus begrenzte Rechtswirkung dieser Verstärkung der Selbsthilfemöglichkeiten. Sie steht ja durchgehend und nach deutschem Recht endgültig unter vollem Vorbehalt richterlicher Bestätigung, dem Betroffenen bleibt nur die Last, zivilrechtlich gesprochen: die Verpflichtung gegen sich selbst, durch das Ergreifen von Rechtsbehelfen zu versuchen, die "Normallage" wieder herzustellen, nach der eben dem Träger der Hoheitsgewalt kein einseitiges Recht zusteht, er also gegenüber dem Bürger in derselben Lage sich befindet wie dieser gegenüber einem anderen Privaten. Darin liegt die außerordentliche, kaum je gesehene, geradezu rechts grundsätzliche Bedeutung der verwaltungsprozessualen Bestimmungen über den vorläufigen Rechtsschutz, in Verbindung mit Suspensivwirkung von verwaltungsgerichtlichen Rechtsbehelfen gegen hoheitsrechtliche Entscheidungen der Verwaltung. Die Verwaltung mag zunächst einmal zur Selbsthilfe greifen wollen, durch verwaltungsaktliche Entscheidung zu Lasten des Bürgers. Wenn sich dieser an den Richter wendet, so wird die Normallage des geltenden Rechts wieder hergestellt: keine Leistungsdurchsetzung ohne richterliche Anordnung. Setzt darauf die Verwaltung nach mit der Entscheidung vorläufiger Vollziehbarkeit, so kann auch diese wiederum auf Antrag des Bürgers vom Richter ausgesetzt werden, bis die Judikative eben endgültig über die Hauptsache, die Berechtigung der Verwaltungsforderung gegen den Gewaltunterworfenen, entscheidet - genauso, wie dies in jedem Zivilprozess sich über jede erhobene Forderung vor Gericht abspielt. Allenfalls mag man noch in den verwaltungsprozessualen Vorschriften den Ausdruck eines gewissen favor Ad-

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ministrationis sehen, aufgrund dessen dem Richter in gewissen Fälle nahegelegt wird, zunächst einmal die Verwaltung gewähren zu lassen. Doch Ähnliches findet sich auch in den Rechtsbeziehungen zwischen Bürgern: der eine kann den anderen durch einstweilige Anordnungen in eine vergleichbare Lage versetzen, als wäre er ein Verwaltungsträger; die vom Richter durchzuführende Abwägung der möglichen Erfolgschancen in einem späteren Prozess ist in beiden Fällen wohl kaum unterschiedlich. Die Bedeutung der Verwaltungsgerichtsbarkeit für diese Transformation des Staat-Bürger-Verhältnisses, geradezu bis in die Nähe eines Bürger-Verhältnisses der Gleichordnung, ist seit ihren Anfängen im Grundsatz stets gesehen und als solche gefeiert worden, materiellrechtlich auch darin, dass auf diese Weise öffentliche und private Interessen grundSätzlich kommensurabel geworden seien. Folgerungen für den Begriff der Hoheitsgewalt als solcher, damit für das Wesen der Zweiten Gewalt, sind daraus aber, soweit ersichtlich, nie grundsätzlich gezogen worden in dem Sinn, dass ihr Gewicht nun als solches entscheidend relativiert worden wäre. Und doch ist gerade dies tiefere Bedeutung einer Entwicklung, welche zum Ende des herkömmlichen "Dulde und liquidiere" geführt hat. Solange dieser Grundsatz galt, öffentlich-rechtliche Gerichtsbarkeit sich also in einer Abwicklung über Entschädigungsrecht erschöpfte, mochte man jener einseitigen Hoheitsgewalt durchaus mit einem gewissen Recht gewaltkonstituierende Bedeutung zuerkennen; dann blieb ja dem Bürger nichts anderes, als allenfalls, und in sehr begrenztem Umfang, vermögensrechtliche Folgen der Aktionen dieser durchaus eigenständigen, machtvollen Gewalt zu beseitigen. Nun aber, mit dem Durchbruch zum grundSätzlichen "Primat des Primärrechtsschutzes", wie ihn der Naßauskiesungsbeschluss des Bundesverfassungsgerichts gebracht hat, ist endgültig entschieden: Der Bürger darf gar nicht mehr dulden und sodann liquidieren, er steht dem Staat gegenüber grundsätzlich wie jedem Privaten, kann gegen dessen Zweite Gewalt sich ebenso wenden wie gegen Bürgerbelieben anderer. Erst wenn er hier nicht zum Erfolg gelangt - die Verfassungsordnung zwingt ihn nun auf diesen Weg - kann er an Entschädigung denken, an Schadensersatz, wie ihm dies eben auch nach Zivilrecht gestattet ist, unter gewissen Umständen, die allerdings vom Öffentlichen Recht zum Privatrecht unterschiedlich sein mögen. Darin zeigt die Rechtsprechung zum notwendigen Primärrechtschutz etwas, das bisher kaum beachtet worden ist: Sie läutet das Ende der eigenständigen Hoheitsgewalt der Verwaltung ein, damit der Verwaltung als einer eigenständigen Staatsgewalt schlechthin. Dieses in seiner grundsätzlichen Bedeutung wie in seinen praktischen Auswirkungen sehr begrenzte, rein verfahrensrechtliche Verwaltungsprivileg, welches die Zuerkennung hoheitlicher Gewalt an einen Verwaltungsträger darstellt, gewinnt allenfalls praktisch dadurch an Gewicht, dass es in

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vielen Fällen nicht zu jener "Wiederherstellung gemeinrechtlicher Normallage" kommt, weil der Bürger keinen Rechtsbehelf gegen einen Verwaltungsakt ergreift. Jedenfalls aber nützt die "Reservemacht Hoheitsgewalt" der Verwaltung nichts, denn der Bürger kann sie durch Anrufung der Gerichte ausschalten, und dies relativiert selbst noch ihre Fernwirkung. 4. Hoheitsgewalt: Eine "Gewaltmarginalie" für die Verwaltung a) Bürgergleiche Gesetzeskonfonnität des Verwaltungshandelns auch im Einsatz hoheitlicher Gewalt

Die vorstehenden Ausführungen haben gezeigt, dass sich auf dem Privileg der einseitigen Hoheitsgewalt die Konstruktion einer Verwaltung als eigenständige Staatsgewalt nicht errichten lässt. Zum einen hat die Verwaltung selbst in ihrer Tätigkeit praktisch weithin, und sogar grundsätzlich in der Ausübung eines Wahlrechts zwischen öffentlich-rechtlicher und privatrechtlicher Tätigkeitsform, auf dieses Abgrenzungskriterium ihrer Aktivitäten verzichtet. Andererseits hat sich erwiesen, dass selbst dort, wo nach wie vor hoheitliche Gewalt eingesetzt wird, ihre Wirkung nur einen sehr begrenzten Unterschied zur Regelung von Rechtsbeziehungen zwischen gleichgeordneten Bürgern begründet. Es bedarf also gar keiner politischen, oft lauthals vorgetragenen Forderung mehr, um den Staat "auf die Ebene des Bürgers herunterzuholen". Durch die dogmatische, gesetzliche und judikative Entwicklung seit dem Konstitutionalismus ist dies bereits grundsätzlich gelungen und setzt sich immer weiter in Einzelbereichen fort. Politische Polemik gegen das "Obrigkeitliche" mag dies noch verstärken, über Gesetzesänderungen und Rechtsprechungsverschiebungen weiter in diesem Sinne wirken - eine Grundsatzentscheidung ist längst gefallen: Die vielberufene und vielkritisierte "Hoheitsgewalt" ist eine Verwaltungsmarginalie, sie kann, aus prinzipiellen Erwägungen heraus, eine "Gewaltverwaltung" nicht konstituieren. Jede neue Entwicklung "weg vom Hoheitlichen" hin zu Bürgernähe und Verwaltungsservice ist also, so wichtig sie ihren Befürwortern grundsätzlich erscheinen mag, letztlich nichts anderes als ein weiteres Begehen eines längst eröffneten Weges, das im Übrigen an der grundsätzlichen wie praktischen Rechtslage zwischen Bürger und Staat wenig, immer weniger nur noch ändert. Im modemen Rechtsstaat hat sich die Administration gesetzeskonform zu verhalten, genauso wie der Bürger; als solche ist sie nun wirklich "gewissermaßen gewichtslos", so wie es eben auch der Bürger des Rechtsstaates ist. Zu verhalten hat sie sich wie eine normunterworfene Instanz, Gesetze hat sie fortzudenken und selbst dies immer nur vorläufig, unter dem Vorbehalt der richterlichen Entscheidung.

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Damit gewinnen bereits diese allgemeinen Überlegungen zur hoheitlichen Gewalt wiederum den Anschluss an die Ergebnisse des Teiles B. Dort war ja nachgewiesen worden, dass die Verwaltung in ihrer Gesetzesausführung den Normen meist nicht wirklich etwas hinzufügt, sondern nur deren Entscheidungen weiterdenkt, fortführt. Und wo ihr doch, wie im Ermessensbereich, das Hinzufügen eigener Wertungen gestattet wird, wandelt sie sich eben zu einer gesetzesfortsetzenden Gewalt, die aber dem Normbefehl nichts Eigenartiges, als Grundlage einer Eigenständigkeit, verleiht. Eben dies zeigt sich nun auch hier in einer Betrachtung des praktischen Gewichts der Hoheitsgewalt: Auch dies ändert nichts an der Gesetzeskonformität allen Verwaltungshandeins; hier ist sogar noch deutlicher die Annäherung der verwaltenden Staatstätigkeit an das Verhalten des Bürgers: ihm obliegt dem Gesetz gegenüber die Interpretationspflicht und das Auslegungsrecht, im Übrigen der Gesetzesgehorsam unter dem wachsamen Auge des Richters. Dies alles gilt in vollem Umfang auch für die Administration. b) Nutzen einer Betrachtung des Einsatzes von Hoheitsgewalt in einzelnen Verwaltungsbereichen

Folgen sollen nun Betrachtungen von Verwaltungstätigkeiten in zentralen Bereichen des Verwaltungsrechts, immer unter dem Gesichtspunkt dieses Kapitels: Wo überhaupt und mit welchem Gewicht wird denn diese hoheitliche Gewalt im Einzelnen jeweils eingesetzt? Zu überprüfen sind dabei die Räume, wo sich der Einsatz solcher typisch verwaltungsmäßiger Hoheitsgewalt noch von einer "Fortsetzung der Gesetzgebung mit Verwaltungsmitteln" unterscheiden könnte. In diesen Räumen ist sodann zu überprüfen, was dies dem Willen des Gesetzes jeweils an Verwaltungsspezifischem hinzufügt, und es wird sich möglicherweise zeigen, dass dies nicht allzu viel und vor allem nichts derart Grundsätzliches ist, dass sich daraus die Spezifik einer Verfassungsgewalt entwickeln ließe. Versucht werden soll dies im Folgenden an einer Reihe von Beispielen aus der Verwaltungstätigkeit, insbesondere aus dem Baurecht und dem Sicherheitsrecht, vor allem dem der Polizei. Gerade dort entspricht es ja noch immer herrschender Lehre, dass der Verwaltung vieles eigenständig zu tun bleibe, auch im normkonzentrierten Rechtstaat; gerade in diesen Räumen scheint vielen etwas wie eine hoheitliche Administration als Gewalt zu wirken; gezeigt werden soll jedoch, dass es sich nur um eine Serie von Erscheinungen handelt, von denen sich die meisten auch anders, im Sinne der Normfortsetzung, deuten lassen, dass der Rest aber von durchaus untergeordnetem Gewicht ist. Dabei geht es nicht nur um "Fortdenken", sondern auch um eine Sicherung der Wirkungen der Gesetzgebung durch gewisse flankierende Aktivitäten der Verwaltung. Nicht umsonst hat sich ja dieser

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Begriff der "Sicherung der Gesetzgebung", neuerdings gerade im Baurecht eingebürgert, wo gewisse Nonnkomplexe, wie etwa gemeindliches Vorkaufsrecht oder Teilungsgenehmigung, unter einer Kapitelüberschrift der "Sicherung der Bauplanung" zusammengefasst werden, welche ihrerseits wiederum als gesetzgeberische Tätigkeit aufgefasst wird. So mag dann vielleicht am Ende die Erkenntnis stehen, dass die Verwaltung selbst dort, wo sie nicht mehr als Norm-Fortsetzerin, oder gar als Gesetzgeberin erscheint, dennoch eine durchaus normakzessorische Funktion ausübt: Verwaltung als Instanz der Normsicherung. Dann aber drängt sich erst recht die Frage auf, ob dies denn nun noch eine wirkliche "Gewalt" sein könne, ob hier mehr ist als "Verwaltung ohne Gewalt".

11. Hoheitsgewalt und gesetzesfortsetzendes Verwalten; mit Beispielen aus dem Baurecht Verwaltung ist im Rechtsstaat Fortsetzung der Gesetzgebung; das dazu weithin, wenn auch nicht durchgehend eingesetzte Mittel der "hoheitlichen Gewalt" konstituiert als solches "Verwaltung" nicht, nur sektoral ist es ein Mittel der Durchführung gesetzesakzessorischer Staatstätigkeit. Was im gängigen Sprachgebrauch des Öffentlichen Rechts und in dessen Darstellungen zum Verwaltungsrecht als "Verwaltung" bezeichnet wird, ist nichts als ein Bündel heterogener Verhaltensweisen von Staatsorganen, welche die Gesetzeskonformität des gesamten Staatsverhaltens auf verschiedenen Stufen und unter Einsatz unterschiedlicher Mittel sicherstellen sollen - darunteL.auch durch den Einsatz hoheitlicher Gewalt; diese konstituiert jedoch, wie dargestellt, das "Verwalten" nicht. Beispiele des Baurechts, einer zentralen Materie des Verwaltungsrechts, beweisen dies. Dabei muss hier im Folgenden nicht einer systematischen Trennung von Planungs- und Bauordnungsrecht gefolgt werden, die zu betrachtenden Erscheinungen treten in bei den Bereichen auf. 1. Baurechtliche Normgebung - Die Satzungsgewalt

a) Satzunggebung als" Venvaltung" also doch "Venvaltung nach Organisation"? Wer nach Besonderheiten des "Verwaltens" sucht, welche dieses von gesetzgeberischer Tätigkeit in dogmatisch überzeugender Weise abgrenzen sollen, begegnet hier schon bei den ersten Schritten einer erstaunlichen Erscheinung: In allen Darstellungen des Verwaltungsrechts wird die baurechtliehe Satzungsgewalt in Kapiteln eines "Verwaltungsrechts" behandelt. Zugleich aber hat sich die ganz herrschende Auffassung dahin entwickelt, dass

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sämtliche Planungsentscheidungen, von der Landesplanung bis zu dem baurechtlich zentralen Bebauungsplan, in normativer Form ergehen. Hier werden also durch die zuständigen, meist die kommunalen Instanzen - Gesetze erlassen, Akte, welche nach dem Schema der verfassungsrechtlichen Gewaltenteilung Ausdruck der Ersten, nicht etwa der Zweiten, der Exekutivgewalt sind. Wie lässt sich dann aber erklären, dass dieser Gegenstand, die baurechtlichen Satzungen, dass das komplizierte Verfahren zu ihrem Erlass und ihrer Änderung nicht etwa Gegenstand einer Gesetzgebungslehre ist, sondern ohne weiteres, und ohne irgendwelche dogmatisch-grundsätzliche Vertiefung, dem Verwaltungsrecht zugeordnet wird? Dies deutet klar auf eine organisationsrechtliche Abgrenzung des Verwaltungsbereichs von dem der Gesetzgebung hin: Was immer die Hände der organisationsrechtlich definierten Verwaltung berühren, wird zu Verwaltung. Damit aber ist das vorstehend unter A.) doch als herrschend, wenn nicht als notwendig erkannte funktionale Kriterium der Teilung zwischen Erster und Zweiter Gewalt an einem entscheidenden Punkt aufgegeben. Dies fügt sich keineswegs in eine herkömmliche Auffassung, welche die "abgeleitete Normsetzung" auf dem Verordnungswege nicht etwa im Kapitel über die Verwaltung (Bundesverwaltung) der Verfassung, sondern als Fortsetzung der Gesetzgebung versteht; und nichts anderes als materielle Gesetzgebung ist ja diese gesamte Bauplanung. An diesem Gesetzgebungscharakter des Satzungsrechts ändert es auch nichts, dass es in weiten Bereichen, im Kommunalrecht vor allem, als Ausdruck nicht einer spezialdelegierten Fortsetzung der Gesetzgebung, sondern der Autonomie des jeweiligen Trägers verstanden wird - der eben "der Verwaltung" zugerechnet wird. Dann aber müsste wiederum gelten: Alles was derartige organisatorisch als Verwaltungsträger bestimmte Instanzen leisten, ist eo ipso Verwaltung, mit welchen Inhalten immer es gesetzt wird. Damit aber wäre bewiesen, dass das Verwaltungsrecht, wie eben gesagt, sich allein nach organisatorischen Gesichtspunkten abgrenzen ließe was sich eingangs aber doch als problematisch erwiesen hat. Selbst wenn man dem folgt, so bleibt die erstaunliche, ja paradoxe Feststellung, dass die Satzungsgewalt als solche, im Namen einer rein organisatorisch bestimmten Gewaltenteilung, dogmatisch nicht zur Gesetzgebung gerechnet wird, sondern zur "Verwaltung". Wie aber will man dann erklären, dass der Richter, der doch dem Gesetz ebenso unterworfen ist wie die Verwaltung, diese Satzungsnormen als Gesetze zu respektieren hat und sie nur in besonderen, gesetzlich geregelten Fällen, eben im Rahmen einer ihm zuerkannten inzidenten oder primären verwaltungs gerichtlichen Normenkontrolle, verwerfen oder gar annullieren darf? Verfahrensrechtlich sind dies also Gesetze - organisationsrechtlich soll es Verwaltung sein, wie fügt sich dies zusammen? Es bleibt nur eine Lösung: Die Verwaltung ist eben in all diesen Bereichen nichts anderes als ein gesetzgebendes Organ. Und dies gilt dann auch in einem Sinn, der dem Parlamentsgesetz viel näher kommt

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als etwa die Rechtsverordnung. Diese Letztere mag sich ja noch begreifen lassen als eine Konkretisierung von Entscheidungen der Ersten Gewalt durch eine Zweite, von dieser unabhängigen. Im Falle der Satzunggebung dagegen fehlt es ja an derart weitgehenden inhaltlichen Vorgaben seitens des Gesetzgebers, wie sie die Inhalt-Zweck-Ausmaß-Formel des Art. 80 GG der Verordnungsgebung auferlegt. Eingrenzungen durch den Parlamentsgesetzgeber finden sich bei der Satzunggebung, insbesondere im Baurecht, allenfalls hinsichtlich des Verfahrens des Satzungserlasses, und in einigen allgemeinen Formulierungen, welche die Spezialisierung der Verordnungsvorgaben nirgends erreichen. Diese Satzungen sind also nicht nur normlogisch Gesetze, sie sind es in einem durchaus ursprünglichen, parlamentsnahen Sinn, werden sie doch, und dies ist nun noch zu vertiefen, in aller Regel von parlamentsähnlichen Gremien erlassen.

b) Bauplanungen als Akte der Kommunalparlamente Dem vorstehend beschriebenen Paradox, dass eindeutig als Normen qualifizierte Akte als Ausdruck des "Verwaltens" allenthalben verstanden werden, folgt nun ein weiteres bei vertiefender Betrachtung erstaunliches Phänomen: Diese Bauplanungsakte werden nicht etwa von Instanzen gesetzt, welche "der Verwaltung" als solcher, in ihrem herkömmlichen organisationsrechtlichen Verständnis, zuzuordnen sind; es handelt sich um Akte parlamentsähnlicher Vertretungsgremien, welche von der KommunalbÜfgerschaft und der Gemeindebürgerschaft ebenso gewählt werden, in durchaus verßleichbaren Verfahren jedenfalls, wie die Vertreter des nationalen Volkssouveräns. Wenn die Verfassungsgerichtsbarkeit sich allgemein zur "Verwaltung" äußert, etwa zum Status jener Beamten, welche die wichtigsten Verwaltungs-Akte setzen, so betont sie immer wieder, eine solche Verwaltung müsse Stabilität aufweisen, um der Fluktuation der parlamentarischpolitischen Kräfte entgegenzuwirken, und eben deshalb sei es auch berechtigt, grundsätzlich diese Administration in beamtlicher, hierarchischer Über/Unterordnung zu organisieren. Von all dem findet sich in der kommunal-parlamentarischen Gremienorganisation nichts, welche aber doch gerade als zentrales Verwaltungsorgan tätig sein soll. Diese Gemeinde- und Stadträte sind eben Parlamentarier, sie werden von den Medien und der von diesen beherrschten Öffentlichkeit, ja in der ganz allgemeinen Bürgerüberzeugung, als solche wahrgenommen. Für sie gelten alle wesentlichen Regeln des Parlamentsrechts. Was sie von den Landes- und Bundesparlamentariern unterscheidet, etwa das Fehlen einer Immunität, betrifft nicht den Kern ihrer organisatorischen Stellung, vor allem aber nicht den ihrer Funktionsausübung. Diese folgt eindeutig und weitestgehend parlamentarischen Regeln.

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In künstlich anmutenden Versuchen ist es immer wieder unternommen worden, diese gemeindlichen Vertretungskörperschaften, deren zentrale Aufgabe der Satzungserlass ist, im Baurecht vor allem, von den "politischen" Gremien des Landes- und Bundesbereichs abzugrenzen. So sollen sie etwa entstehen aus "Kommunalwahlen", doch dies bezeichnet keinerlei wesentlichen Unterschied zu Landes- oder Bundesparlamenten. Plastischer wird etwa in Frankreich oder Italien von "administrativen Wahlen" gesprochen, aus denen die kommunalen Vertretungsorgane hervorgehen. Doch auch dies ist nur ein Wort ohne fassbaren dogmatischen Inhalt: Hier wird einfach postulierend vorweggenommen, was aber doch funktional begründet werden müsste: dass diese Stadt- und Gemeindeparlamente "Verwaltungstätigkeit" ausüben, dass sie gerade dazu gewählt werden, dass sie nicht etwa Einzelentscheidungen erlassen, die ja genauso gut oder besser die hierarchisierte klassische Verwaltung treffen könnte. Vielmehr ergibt sich die Legitimation ihrer demokratischen Wahl gerade, und durchaus systemkonform, in der Demokratie daraus, dass sie doch gesetzgeberische Instanzen sind, in eben ihrer Tätigkeit der Satzunggebung. Da sie "Gemeindegesetze" geben, müssen sie auch von den Gemeindebürgern gewählt sein. Wo wirkt dann aber noch ein "Verwaltungskriterium" für ihre Tätigkeit, warum sollten gerade hier in der Verwaltung gewählte Gremien eingesetzt werden, wo doch die klassische Gewaltenteilungslehre, wie sie etwa von Kelsen formuliert wurde, gerade darauf aufbaut, dass streng hierarchisierte Verwaltungen den Willen gewählter Gremien ausführen oder gar nur vollstrecken? Nun mag man gewiss in dieser eigenartigen Konstruktion bereits eine dann schon sehr weitgehende - Direkt-Demokratisierung auch der Zweiten Gewalt sehen, wie sie sich in der Schweiz in der Wahl auch der meisten anderen Administratoren fortsetzt. Doch von einer solchen Konstruktion ist das deutsche Recht und das der übrigen kontinental-europäischen Staaten weit entfernt. Es beruht eben auf einer Gewaltenteilung, welche in der Schweiz bereits durch eine durchgehende Demokratisierung überlagert und weithin verwischt worden ist, während sie, in Deutschland jedenfalls, noch immer verbal aufrechterhalten wird. Die Satzungsgewalt der Selbstverwaltungskörperschaften - und nicht nur der Kommunen - zeigt aber deutlich, dass es eine Zweite Gewalt als eine "vollziehende" längst nicht mehr gibt. Was sollten denn die Gemeinde- und Stadträte "vollziehen" an Gesetzesnormen, etwa im Baurecht? Will man ernstlich behaupten, eine Bauplanung stelle den "administrativen Vollzug der Bundes- oder Landes-Baugesetzgebung" dar? Davon kann doch nicht entfernt die Rede sein, weit weniger noch, wie bereits erwähnt, als im Falle des Fortdenkens parlamentsgesetzgeberischer Gedanken in der Verordnunggebung. In der Bauplanung etwa wird eindeutig eigenständiges Gesetzesrecht gesetzt. Und völlig abwegig wäre es, hier auch noch von einer Ausführung, einem Vollzug oder gar ei-

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ner Vollstreckung der kommunalen Autonomie zu sprechen. Hier ist keinerlei Vollzug, hier ist einfach nur Normsetzung. Deshalb sollten daraus dann auch die Folgerungen über den Charakter dieser Satzunggebung wie für den der diese Normen setzenden Organe endlich gezogen werden: In einer Demokratie sind dies demokratische Vertretungskörperschaften des Volkssouveräns, nicht etwa hierarchisch geordnete und untergeordnete Verwaltungsinstanzen, welche übergeordneten staatlichen Befehlgebern gehorchten. Allenthalben lässt sich ein steigendes Selbstbewusstsein der Kommunen feststellen, welches die "aufsichtsführenden" Staatsverwaltungen ebenso aufschreckt wie es Länder und Bund beunruhigt. Doch diese Staatsinstanzen, und auch ihre Volksvertretungen, haben dem demokratischen Anspruch der Kommunen nichts Entscheidendes entgegenzusetzen. Diese berufen sich sogar noch, ihnen gegenüber, auf eine weit größere Basisnähe - in einer Zeit zunehmender Überzeugung von der Notwendigkeit direkter Demokratie gewiss ein schlechthin nicht zu widerlegendes Argument. Bald muss es dahin kommen, dass die Kommunalparlamente sich als die "besseren", weil bürgernäheren Volksvertretungen fühlen und aus diesem Selbstbewusstsein heraus handeln. Dann aber werden die erwähnten paradoxen Erscheinungen sich in ihrer Unerklärlichkeit nur noch verstärken: Warum sollten diese Träger wiederum, im Namen ihrer "Verwaltungsqualität", jedenfalls der ihres Handeins, von der Gesetzgebung, der staatsprimären Ersten, der vornehmsten Gewalt abgekoppelt und einer Zweiten, einer "gesetzesvollziehenden" zugeordnet bleiben - wo sie doch die sachnächsten, die bürgernächsten, oft die bei weitem wichtigsten Gesetzgeber sind? c) Normenhierarchie: Beweise für "Satzunggebung als Verwaltung"?

Nun könnte man immerhin versuchen, eine nicht-legislatorische Qualität der Satzunggebung damit zu begründen, dass sie eben auf einer tieferen Stufe der Normenhierarchie stehe als Verordnungen und Gesetze der Länder oder des Zentralstaates. Doch dies wäre ein dogmatisch unzulässiges Vorgehen: Die Normenhierarchie ordnet, nach dem Verfassungs-Grundprinzip des geltenden Rechts, sämtliche gesetzgeberischen Akte in einer gewissen Weise. Der Ersten Gewalt zuzuordnen ist ebenso die Verfassung wie die Verordnung - eben nach dem allgemeinen Kriterium des "Gesetzes": dass es allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelte, wie dies die Verfassung vorschreibt. Randprobleme zwischen Gesetz und Verwaltung mögen sich hier auftun, denkt man etwa an die zunehmende Maßnahme-Gesetzgebung. Doch auch sie ist bisher, soweit ersichtlich, noch nie der Verwaltung zugeordnet worden, stets wurde sie vielmehr als Ausdruck der Normsetzung, als ein Akt der Ersten Gewalt verstanden. Doch von derartigen Marginalproble-

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men des Gesetzesbegriffs unterscheidet sich das Phänomen der autonomen Satzungen, insbesondere etwa im Baurecht, grundlegend: Hier sind eben Normen, Akte, die allgemein für alle Normadressaten gelten, wie eng auch immer, gerade im Bauplanungsrecht, die Zahl dieser Adressaten umgrenzt sein mag. Gewiss könnte daraus die grundsätzliche Berechtigung abgeleitet werden, Satzungen nicht als Normen, sondern als gebündelte Verwaltungsakte, als Allgemeinverfügungen zu verstehen, und dann spräche auch weit mehr dafür, die Erlassinstanzen der Verwaltung, der Zweiten Gewalt zuzuordnen. Doch eine solche Lösung könnte vielleicht noch bei Bauplanungen mit begrenzter lokaler Wirkung berechtigt sein - für Satzungen, welche für das gesamte Gemeindegebiet, etwa einer großen Stadt, gelten, wäre dies nichts als eine rechtliche Vergewaltigung der Wirklichkeit: Diese Satzungen sind eben Normen, sie wirken als solche, oft deutlicher noch und stärker als Gesetze der Länder. Das normenhierarchische Verständnis verlangt also eindeutig die Einordnung der Satzungen, insbesondere des Baubereichs, in die Kategorie der Gesetze; nichts spricht dafür, dass gerade hier die Normenhierarchie gewaltsam einer durch nichts zu rechtfertigenden Gewaltenteilung geopfert werden dürfte. d) Kommunalaufsicht über Satzunggebung: Ein Argument für" Verwaltung durch Satzung"?

Gemeindliche Satzunggebung unterliegt nun allerdings staatlich-behördlicher Aufsicht, welche von Instanzen der hierarchisch geordneten Verwaltung ausgeübt wird. Daraus könnte der Schluss gezogen werden, eben diese Aufsicht ordne die Erlasstätigkeit der Satzungen in die Verwaltung ein, grenze sie aus dem Bereich der Gesetzgebung aus. Doch abgesehen davon, dass es auch dann noch zu der schwer erklärlichen Lage käme, dass etwa die Richter nicht mehr nur an das Gesetz, sondern an Verwaltungsentscheidungen in Satzungsform gebunden wären - eine solche dogmatische Konstruktion ist an sich schon, nach übergeordneten Gesichtspunkten, unzulässig, und sie würde auch in keiner Weise dem praktischen Gewicht der Staatsaufsicht über Satzunggebung gerecht. Satzunggebung unterliegt, ganz allgemein, lediglich der Rechtsaufsicht, und diese wird von den satzungserlassenden Kommunalgremien keineswegs als eine hierarchisch übergeordnete empfunden; sie stellt vielmehr nur eine Sanktion der Normenhierarchie dar: Die Satzungen müssen sich eben im Rahmen übergeordneten Landes- und Bundesrechts halten, und nur dies sicherzustellen ist die Funktion der Aufsicht. Ihre Entscheidungen ordnen die der Aufsicht unterliegenden Rechtsakte in keiner Weise in die Kategorie der Verwaltungsentscheidungen ein, sie machen auch kommunale Satzun-

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Hoheitsgewalt als Wesen des Verwaltens

gen nicht etwa zu einem Ausdruck des Willens der kontrollierenden Instanz, sie bleiben stets Akte der Kommunen. Schon aus staatsgrundsätzlichen Erwägungen wäre es unhaltbar, aus einer Aufsicht zu schließen, beaufsichtigte Tätigkeit gehöre nun allgemein zum Funktionsbereich des Aufsichtführenden, oder der zu Beaufsichtigende wäre geradezu damit zu einem Organ der aufsichtführenden Verwaltung geworden. Dies widerspräche allgemeinen, übergeordneten, ja staatsgrundsätzlichen Vorstellungen: In vielfacher Weise übt die Staatsgewalt, in der Regel über ihre Verwaltung, Aufsicht aus über nichtstaatliche Tätigkeiten, insbesondere die der Bürger. Damit aber werden weder die Bürger zu Staatsorganen der Verwaltung, noch macht die Aufsicht als solche die private Tätigkeit zu einer staatlichen. Abwegig wäre es also, aus der Existenz einer, gelegentlich auch recht weitgehenden, Rechtsaufsicht über den Normerlassvorgang und die Norminhalte, darauf zu schließen, dass bei diesen Satzungen etwas anderes vorläge als Gesetzgebung im materiellen Sinn. Verwaltung erschöpft sich hier in der Kontrolle der Konformität der Satzungsnormen gegenüber höherrangigem Recht. Praktisch gesehen brächte eine andere Auffassung auch ein die Bedeutung der Aufsicht weit übersteigerndes Verständnis: Das Wesen der Kommunalaufsicht, gerade über Bauplanungen, liegt eindeutig im Bereich von Randkorrekturen, in die eigentlichen materiellen Entscheidungen wird damit nur selten eingegriffen. Und wenn dies nun einmal erfolgt, so zeigt gerade die Regelung der Aufsichtsmechanismen, dass zwar der Satzunggeber von der Aufsicht "auf den rechten Weg" zurückgeführt werden soll, dass ihm aber letztlich die Entscheidung bleiben muss, Ersatzvornamen sind eben nur in äußersten Fällen vorgesehen, in denen sich dann die Aufsicht wiederum als Normgeber, positiv oder negativ, betätigt, gerade nicht mehr als Instanz der Verwaltung. e) Bauverwaltung ohne Satzungsgewalt?

Die vorstehenden Betrachtungen haben gezeigt, dass der gesamte Bereich der Satzungsgebung, -änderung und -aufhebung mit "Verwaltung" nichts zu tun hat. Weder sind die satzunggebenden Gremien als solche Verwaltungsorgane - sie stehen den parlamentarischen Vertretungskörperschaften vielmehr nahe - noch wird hier Gesetzesausführung, Gesetzesvollziehung oder Gesetzesvollstreckung in irgend einer Weise ausgeübt: da ist eben nichts als Normsetzung. Nun mag es gewiss historische Gründe geben, weshalb der gesamte Satzungsbereich dem Verwaltungsrecht, insbesondere seinem Baurecht, global zugeordnet wird, zusammen mit den im Folgenden noch näher zu untersuchenden verhaltenskontrollierenden und Ausnahmen genehmigenden Akten der Bauverwaltung. Doch alles spricht dafür, dass diese Zuordnung eben

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aus der historischen Bedingtheit des sich entwickelnden Parlamentarismus zu verstehen ist, welcher Normsetzung zunächst - möglichst - eng auf gewählte nationale Volksvertretungen beschränken wollte, damit sich hier die Volksrnacht gegen die der Monarchen, der Exekutive, durchsetze. Dass damit, gewissermaßen "unter der Hand", eine weitere Ausgrenzung von Normsetzung aus dem klassischen Administrativbereich einherging, eben über die kommunalen Satzungen, diente dann letztlich, auf einem anderen Weg, demselben Ziel: dass es nicht mehr die Verwaltung sei, weder die eines Königs noch die einer anderen Exekutivinstanz, sondern die Volksvertretung, in all ihren Formen, welche allein allgemein geltende Normen zu setzen habe. Folgt man diesen Überlegungen, so erweist sich das gesamte Satzungsrecht als eine Materie, die mit Verwaltungsrecht schlechthin nichts zu tun hat, im Sinne einer funktional verstandenen Gewaltenteilung. Und selbst wenn man die Gewaltenteilung organisatorisch konstruieren wollte, so wäre es wenig überzeugend, einen Teil der nach demokratischen Vertretungsgrundsätzen geWählten Gremien der Ersten, einen anderen der Zweiten Gewalt zuzuordnen. Hier ist eben, wie immer man konstruieren mag, keinerlei übergeordnetes System einer Gewaltenteilung mehr erkennbar, keine Kriterien, welche eine Verwaltung als Gewalt, abgesetzt von der Ersten Gewalt, begründen könnten. Die praktischen Auswirkungen auf Lehre und Praxis des Verwaltungsrechts sind dann aber gravierend, wie sich gerade im Bereich des Baurechts zeigt: Das gesamte Bauplanungsrecht fällt, soweit es Satzunggebung und Aufsicht über diese betrifft, aus dem Bereich der Administration schlechthin heraus. Die ohnehin eigenartige Verklammerung von Normsetzung und Normvollzug, welche hier laufend und ohne vertiefte Kritik hingenommen wird, muss gelöst werden - notwendig, wenn man eben Normenhierarchie und Gewaltenteilung ernst nimmt. Hier zeigt sich: Was heute als "Verwaltungsrecht" vorgestellt wird, ist ein Konglomerat heterogener Staatstätigkeiten, die jedenfalls zu einem bedeutsamen Teil mit der Zweiten Gewalt nichts zu tun haben. Doch nun soll sich die Betrachtung weiteren, gerade im Baurecht als typische "Verwaltungstätigkeiten" erfassten Formen des Staatshandelns zuwenden.

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2. Überwachung normkonformen Verhaltens des Bürgers

a) Präventive Tätigkeit des Staates als "Jedermanns Nachbar" anstelle des Bürgers Man gehe nun davon aus, dass "Verwaltung" erst jenseits von aller Normsetzung, etwa durch baurechtliche Satzungen, einsetzt. Es geht dann um die Überwachung der Beachtung dieser Normen durch den Bürger als Normadressaten, und um den Vollzug dieser selben Satzungen durch eine Verwaltung, welcher die Legislative dies überträgt. In beiden Fällen will offenbar der Gesetzgeber immer nur eines: dass die Normen befolgt werden, dass sie so wirken, wie er dies gewollt hat, sei es einfach durch das Verhalten der Bürger, sei es auf dem Weg über ein Verfahren, in welches die Verwaltung eingeschaltet ist. Hier ergibt sich nun allerdings die Frage, bleibt man beim Baurecht, was diese Staatskontrolle des normkonformen Verhaltens von Bürgern zu einer eigenständigen Staatsgewalt soll werden lassen. Dass es nicht der Einsatz der Hoheitsgewalt als solcher sein kann, mit der die Überwachung erfolgt und erzwungen wird, wurde bereits vorstehend dargelegt. Dann aber fragt es sich doch, wodurch sich staatliches, Normkonformität überwachendes Verwaltungshandeln unterscheiden soll von Ausübung nachbarlicher Befugnisse unter Gleichgeordneten. Denn gerade im Baurecht, aber auch in anderen Verwaltungsbereichen, wäre es ja durchaus vorstellbar, dass ein durch Normverstöße Beeinträchtigter gegen den anderen auf dem Wege der Gleichordnung gerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch nimmt und diesen sodann über die Dritte Gewalt durchsetzen lässt. Dies ist keineswegs eine unvollziehbare Vorstellung. Nicht überall wurde ja die Einhaltung von baurechtlichen Normen mit jenem typischen Verwaltungszwang durchgesetzt, der sich im Anschluss an die Französische Revolution entwickelt hatte. Bauordnungen gab es selbstverständlich auch flÜher, doch weithin blieb es auch den Bürgern vorbehalten, nicht zuletzt bis in die neueste Zeit in angelsächsischen Ländern, auf Wegen des Privatrechts gegen Normverletzungen durch andere sich zu wehren. Die Überwachung normkonformen Verhaltens ist also keineswegs eine an sich schon notwendige Staatstätigkeit, mag sie sich auch, vor allem in präventivem Einsatz, immer mehr als sinnvoll, ja in vielen Bereichen als notwendig erweisen. Immerhin bleibt auch dann die Frage gestellt, worin sich diese Überwachungstätigkeit staatlicher Instanzen rechtlich von dem unterscheidet, was auch der "nächstliegende Bürger", der Nachbar, eben die gesamte Nachbarschaft, an Kontrollen ins Werk setzen könnte. Die Frage lautet also im Grunde: Verwaltung als Überwachung der Normbefolgung? Von vorneherein erheben sich hier gewisse grundsätzliche Bedenken dagegen, eine ganze, bedeutende Staatsgewalt aus der Erfüllung derartiger Aufgaben heraus zu definieren. In der freiheitlichen Demokratie kann eine

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solche Überwachung, schon grundsätzlich, erst recht aber dann, wenn sie als eine präventive organisiert ist, stets nur Ausnahme, nie aber grundsätzliche Staatsaufgabe sein. Sie ist begründungspflichtig aus einer nachzuweisenden Notwendigkeit heraus, dass andernfalls weder mit Nonngehorsam gerechnet, noch dass eine spätere repressive Staatsaktion gegen die Übertretenden genügen könnte. Grundsätzlich ist es in einer solchen Staats ordnung dem Bürger überlassen, andere Rechtsgenossen auf dem Wege der Gleichordnung in die Schranken zu weisen. Hier ist allerdings gerade das Baurecht ein interessanter Betrachtungsgegenstand. In seiner seit langem geltenden Struktur geht es davon aus, dass gewisse Gebote und Verbote präventiv, "von Anfang an", "jedenfalls" durchzusetzen sind, gleich ob sich ein etwaiger Betroffener zur Wehr setzt. Der Staat greift hier mit seiner Verwaltung gewissennaßen ein als der "große Nachbar", als der "Nachbar von Jedennann", der eigene, eben öffentliche Interessen jedem irgendwo Belegenen gegenüber durchzusetzen hat, als wäre er "Jedennanns Nachbar" und daher werden gerade die Kommunen tätig, als Vertreter einer "ortsnah-benachbarten Allgemeinheit". Nun ist es allerdings äußerst schwierig, auf der Grundlage allgemeinerer Kategorien festzustellen, wann ein derartiges präventives Vorgehen zur Gewährleistung normkonfonnen Verhaltens der Bürger jeweils erforderlich ist. Man mag es zwar nun "verwalten" nennen, doch es wird eben nur eingesetzt, wo der Gesetzgeber es für umgänglich hält, nach traditioneller Erfahrung oder neu auftretenden Notwendigkeiten. Dies ist also gewiss keine grundsätzliche, flächendeckende, überall festzustellende Staatstätigkeit, sondern eben nur staatliche Präventivtätigkeit dort, wo repressives Einschreiten, vor allem aber Bürgeraktivität gegenüber anderen, nicht genügen könnte. Da fragt es sich von vorneherein, ob diese verallgemeinerte nachbarrechtliche Abwehrtätigkeit - denn um nichts anderes handelt es sich im Grunde - wirklich eine eigenständige Staatsgewalt rechtzufertigen oder gar in Gewaltenteilung zu konstituieren vennag. Jedenfalls ist dann derartiges "Verwalten" konstituiert nicht durch das Wesen einer bestimmten Gewalt, sondern lediglich durch einzelne Aktionsfonnen, welche der Gesetzgeber gerade für den betreffenden Bereich vorgesehen hat; er kann diese seine Kontrollen des nonnkonfonnen Verhaltens seiner Bürger verstärken oder, wie es nun vor allem geschieht, immer weiter zurückziehen, den einen Bürger wiederum mehr primär als Nachbarn des anderen agieren lassen, anstatt dass er selbst als Jedennanns Nachbar eingreift.

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b) Verwaltung als "vom Bürger angestoßene Gewalt" Betrachtet man "Verwaltung" unter diesem Gesichtspunkt, sieht man sie wesentlich in der Überwachung normkonformen Verhaltens, so ergibt sich zunächst, dass sie auch hier wiederum wesentlich gesetzesfortsetzend tätig wird - ihre Aufgabe ist es eben in erster Linie, Normwirkungen zu sanktionieren, dafür zu sorgen, dass Gesetze nicht toter Buchstabe bleiben. Unter diesem Gesichtspunkt bestätigt sich also das bereits im Hauptteil B. gefundene Ergebnis, dass die Verwaltung, in welchen Formen immer sie auftritt, im Rechtsstaat stets zuallererst etwas ist wie eine "Fortsetzung der Gesetzgebung mit anderen Mitteln", nicht etwa eine eigenständige Gewalt. Doch interessanter noch ist im vorliegenden Zusammenhang eine andere, in letzter Zeit deutlich zu beobachtende Entwicklung: Man könnte sie die von einer aktiven hin zu einer passiven Administration nennen, von einer Verwaltung, die selbst primär gestaltend vorgeht, hin zu einer anderen, welche vorwiegend reagiert, Anstöße der Bürger aufnimmt. Schon bisher hat sich gerade im Baurecht gezeigt, dass die Administration durchaus nicht stets inquiriert, eigenen Feststellungen folgend gegen Gesetzesübertreter vorgeht; dies ist vielmehr ein Bereich, in welchem die Verwaltung immer mehr zur "angestoßenen Gewalt" wird, und nichts anderes gilt jetzt bereits für die zentralen neuen Gebiete des Umweltrechts. Gewartet wird auf die Mitteilung, nur zu oft die Denunziation des Nachbarn, des Konkurrenten; die Verwaltung greift weithin nurmehr dann ein, wenn sie auf solche Weise auf Gesetzesverstöße, ja wenn sie von Bürgern auf ihre Pflicht hingewiesen wird, die sie nicht erfülle. Dann aber wird sie letztlich in einer para-judikativen Weise tätig, wie der Richter handelt sie nicht von Amts wegen, obwohl sie dies nach dem Buchstaben des Gesetzes könnte, sie wandelt sich real zu einer vorgelagerten richterlichen Instanz - deren Anrufung meist dem Bürger billiger kommt als die der Gerichte - und die heute schon weithin nurmehr deshalb funktioniert. Der Gesetzgeber selbst, gerade im Baubereich, hat diese Entwicklung aufgenommen und verfestigt: Immer mehr Genehmigungspflichten wandeln sich zu Anzeigepflichten, Verwalten wird zum Abwarten der Bürgerinitiative. Damit aber verringert sich der Abstand zur Gerichtsbarkeit zwischen gleichgeordneten Privaten, und es fragt sich bereits, ob am Ende einer solchen Entwicklung nicht ein freies Bauen nach Anzeige stehen könnte, wobei dann nicht mehr eine Verwaltung, sondern letztlich nurmehr ein Richter angerufen zu werden bräuchte, der ja Gesetzesverstöße ebenfalls verhindern könnte. Und wo kein Kläger, da eben auch kein Richter. Entwicklungen im Gewerberecht gehen in dieselbe Richtung. Immer weniger wird hier auf das präventive Eingreifen der überwachenden Verwaltung gesetzt, immer häufiger laufen alle Ordnungsanstrengungen zwischen den Bürgern ab, etwa über Klagen zum unlauteren Wettbewerb.

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Wie immer man diese Entwicklung in ihren Chancen beurteilen mag eines zeigt sie doch deutlich: die Verwaltung wird zu einer "schrumpfenden Größe", vielleicht auf Dauer sogar zu einer Restgröße, richter-ähnlich angestoßen von betroffenen Bürgern, sie verliert immer mehr das ihr bisher doch weithin noch eigene Präventive als Charakteristikum ihres Handeins. Dann aber wird es immer schwerer halten, diese zunehmend reaktive Verwaltung als eine besondere Staatsgewalt zu charakterisieren, denn es fehlt eben an Kriterien, welche ihr Vorgehen grundlegend unterscheiden könnten von Aktionen, die zwischen Bürgern und sodann über die Gerichtsbarkeit ablaufen. Das Element des "Präventiven", welches in dem Begriff der "Überwachung" des normkonformen Verhaltens zwar liegt, heute aber nicht mehr geschätzt wird, hat eben etwas von wohlfahrtsstaatlicher Vorsorge, die rasch in eine "Bevormundung" umschlagen könnte, im vollen Wortsinn, der das "Vorwegnehmen" anzeigt. Versucht man nun, diese Entwicklungen zusammenfassend zu analysieren, so könnte wohl das Wesen einer Verwaltung als Überwachung normkonformen Verhaltens in kaum etwas anderem mehr gesehen werden als in einer "Vorgreiflichkeit" des Tätigwerdens, in Aktivitäten, welche Interessenkonflikte zwischen den Bürgern und diesen mit dem Staat schon im Vorfeld vermeiden. Doch dann stellt sich die Frage, ob derartige vorsorglich-vorgreifliche Staatstätigkeit, noch dazu wenn sie in so vielen und heterogenen Überwachungsformen ausgeübt wird, wirklich etwas zu konstituieren vermag, wie eine Verwaltung als Gewalt. Vielfalt, Gesetzesabhängigkeit, begrenzte Betätigungsfelder und schwindender Einfluss solcher Verhaltensweisen - all dies spricht doch eindeutig dagegen. Was bleibt, ist eben doch nichts anderes als ein Bündel gesetzesakzessorischer, gesetzessanktionierender Verhaltensweisen unterschiedlicher Instanzen. 3. Verwaltung als Gesetzesergänzung und Gesetzesverfeinerung a) Beurteilungsspielraum: lediglich Normverfeinerung

Ein wesentlicher Teil dessen, was gemeinhin als Tätigkeit der "Bauverwaltung" erscheint, ist, wie sich gezeigt hat, nichts als Baugesetzgebung über Satzungserlass. Einen weiteren, ebenfalls praktisch sehr bedeutsamen Teil der herkömmlich als Verwaltungstätigkeit bezeichneten Aktivitäten stellt jene Kontrolltätigkeit der Administration, welche normkonformes Verhalten der Bürger sicherstellen soll. Doch auch dies kann nicht als wesentliches, unauswechselbares Kriterium für Verwaltungstätigkeit angesehen werden, wie sich soeben gezeigt hat. Hier werden ja auch nur Mechanismen in Gang gesetzt, welche letztlich in judikativer Entscheidung enden und meist ebenso von privaten Nachbarn angestoßen werden könnten, an6*

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statt eben von jener Verwaltung, die lediglich agiert als der "Nachbar von Jedermann" im Baurecht. Nun mag aber die Betrachtung vordringen zu weiteren Aktivitäten, welche doch als "wesentlich verwaltungsmäßige" erscheinen könnten, weil eben die Verwaltung hier etwas Eigenständiges der Gesetzgebung hinzufüge, in Wertungen und Abwägungen, wie sie dem Privaten nicht überlassen seien. Es ist dies der seit langem als solcher erkannte und auch vertiefend behandelte "Beurteilungsspielraum" der Verwaltung. Werden diese unbestimmten Rechtsbegriffe "konkretisiert", wie etwa "öffentliche Interessen" oder eine bereits im Gesetz angesprochene, aber noch immer unbestimmte Begrifflichkeit, etwa Belange des Umwelt- oder des Landschaftsschutzes im Baurecht, so trifft hier die Verwaltung doch typisch administrative Entscheidungen, von denen angenommen werden könnte, sie seien etwas "ganz anderes" als die Normbefehle des Gesetzgebers. Bei näherem Zusehen ergibt jedoch die Praxis, dass auch hier nichts anderes erfolgt, als eine Normergänzung oder Normverfeinerung, welche nichts "typisch Verwaltungsmäßiges" zum Tragen bringt. Dies zeigt sich bereits in Folgendem: In der weitaus überwiegenden Zahl der administrativen Beurteilungen, welche derartige unbestimmte Rechtsbegriffe konkretisieren, leistet etwa die Bauverwaltung nichts anderes als eine Interpretation der betreffenden unbestimmten Rechtsbegriffe, welche der Gesetzgeber verwendet hat. Eine derartige Auslegung unterscheidet sich aber in nichts von derjenigen, welche jedem Normanwender, aber auch jedem Normadressaten obliegt, und die Verwaltung ist in diesem Sinn, schon als eine mit der Überwachung des normkonformen Verhaltens beauftragte Instanz, eben auch nichts anderes als ein - Normadressat. Nichts Eigenständiges kann sie hier dem Gesetzesbefehl hinzufügen, nichts, was nicht bereits in dessen Begrifflichkeiten oder in anderen Gesetzesimperativen, welche mit diesen zusammen zu sehen sind, enthalten wäre. Man mag dies "Entfaltung" nennen, oder auch "Konkretisierung", hat aber mit diesen schon an sich wiederum unbestimmten Begriffen dogmatisch nichts gewonnen. Stattfindet lediglich eine verfeinerte Erkenntnis des rechtlichen Inhalts der gesetzlichen Imperative und, vor allem, sie fügt diesen nichts Eigenständiges, insbesondere aber nichts endgültig Bindendes hinzu. Denn das Ergebnis solcher Auslegungstätigkeit - zu betonen bleibt immer, dass es sich um nichts anderes handelt - kann vom Richter genauso am Ende, auf Antrag vom Normadressaten, überprüft und korrigiert werden, wie ihm diese Macht bei der Überwachung gesetzeskonformen Verhaltens der Verwaltung im strikt gesetzesgebundenen Bereich zusteht. Wie der Verwaltungsakt der gesetzesgebundenen Bauverwaltung nichts anderes darstellt als die Realisierung des Gesetzesbefehls im Einzelfall, und zwar zunächst eben nur vorläufig, bis zur endgültigen richterlichen Entscheidung, genauso steht

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es bei jeder Ausübung der administrativen Beurteilungsgewalt: Auch sie bringt weder etwas eigenständig Administratives noch etwas Endgültiges zum Ausdruck, was Äußerung einer echten Gewalt, eben der Zweiten, der Exekutive wäre. Diese schiebt sich auch wiederum nur in einer gewissen Verfahrensphase zwischen Anordnungstätigkeiten der Ersten und der Dritten Gewalt. b) Der richterlich unnachprüjbare Beurteilungsspielraum

Nun gibt es allerdings, wenn auch nur in sehr begrenztem Umfang, Fälle von Beurteilungsspielräumen, in deren Ausübung die Administration später vom Richter nicht kontrolliert werden kann. Es sind dies zwar nicht etwa jene in ihrem Gewicht immer mehr zunehmenden, in denen die Verwaltung "feststellt", was jeweils Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis oder der technischen, vielleicht auch der wirtschaftlichen Entwicklung ist: In solchen Fällen ist der Richter nicht nur nicht an diese wesentlich eben doch nur vorweggenommenen Sachverständigengutachten der Verwaltung gebunden, er muss seine Prüfung nicht einmal auf ihre Sachgerechtigkeit beschränken, kann vielmehr seinerseits derartige Feststellungen, aufgrund neuerer Entwicklungen, besserer Erkenntnis, fortschreiben - damit im Grunde doch selbst treffen. In anderen, wirtschaftlich meist weit weniger bedeutsamen Fällen, steht der Verwaltung jedoch eine unnachprüfbare Beurteilungsmacht zu, wie der bekannteste Fall der Prüfungsentscheidungen zeigt. Hier könnte nun angenommen werden, die Zweite Gewalt setze Recht, welches vom Gesetzgeber nicht ausgehe, ja ihr nicht einmal von ihm übertragen worden sei, sie werde vielmehr gewissermaßen in "eigener Kompetenz" tätig - eben der einer "Verwaltung als eigenständiger Staatsgewalt". Gewiss würden die vergleichsweise wenigen Fälle, in welchen Administrativinstanzen eine derartige unnachprüfbare Entscheidung obliegt, nicht ausreichen können, um daraus etwas wie eine "Verwaltung als Gewalt" zu entwickeln. Doch folgt man einer neueren Entwicklung, so könnte sich der Anwendungsbereich derartiger selbständiger Rechtssetzungen durch die Verwaltungen erheblich erweitern: in den weiten Bereichen jener Verwaltungsvorschriften, bei denen eine neuere, im Vordringen befindliche Lehre, immer häufiger aufgenommen von der Rechtsprechung, davon ausgeht, dass es eben doch die Verwaltung sei, welche hier unbestimmte Rechtsbegriffe mit eigenständigem Gehalt auffülle, darin nun wirklich selbstentscheidend tätig werde. Doch bei näherem Zusehen führen auch diese gewiss bedeutsamen Phänomene ebenso wenig zu flächendeckenden Kriterien für die Annahme ei-

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ner eigenständigen Administrativ-Gewalt, wie die Räume richterlich unnachprüfbarer Verwaltungsentscheidungen: - Im Falle der Verwaltungsvorschriften geht jene selbe Lehre, welche sie als eigenständigen Ausdruck einer Exekutivgewalt erkennen will, gerade nicht davon aus, dass es sich um Verwaltung handle, sondern dass Gesetzgebung vorliege, im materiellen Sinn. Zwar habe der Gesetzgeber der Verwaltung dieses "normative Weiterdenken seiner Gedanken" nicht auf den herkömmlichen Wegen der Rechtsverordnungs-Ermächtigung übertragen, er habe ihr aber eben einen Raum eigenständiger Ausfüllung seiner unbestimmten Rechtsbegriffe und zur Anwendung ausfüllungsbedürftiger Regelungen überlassen. In diesen sei nun die Verwaltung "eingetreten", aus eigenem Recht, dem der Zweiten, nicht der Ersten Gewalt. Doch wer davon ausgeht, begreift eben die Verwaltungsvorschriften zwar als einen richterlich nicht mehr nachprüfbaren Ausdruck von Exekutiventscheidungen, nach allgemeinen dogmatischen Grundsätzen handelt es sich dabei jedoch gerade nicht um Verwaltung, sondern eben um Normsetzung sekundärer Art, was auch die erwähnte neuere Lehre ausdrücklich anerkennt, die ja gerade darin einen wesentlichen dogmatischen Fortschritt sehen will. Gewiss liegt hier ein solcher vor, wenn man ihr folgt, schon darin, dass damit dem Wesen dieser Verwaltungs vorschriften und ihrer praktischen Bedeutung besser entsprochen wird, als wenn man sie lediglich als Norminterpretationen deuten wollte. Doch für die Erkenntnis eines eigenständigen Begriffs des Verwaltens ist damit nichts gewonnen. Denn gerade dann sind die Verwaltungsvorschriften nichts anderes als eben doch eine andere Form von Normsetzung, über eine andere Form von "Ermächtigung" - die man übrigens gar nicht so nennen muss - der Verwaltung vom Gesetzgeber nicht etwa übertragen, sondern überlassen. Dann mag man hier mit vertieftem Recht davon ausgehen, dass die gesetzgebende Gewalt eben nicht allein beim Parlament liegt, sondern auch bei ganz unterschiedlichen Instanzen der Zweiten Gewalt. Dass diese aber nun gerade als "Verwaltung" besondere Formen der Macht zum Einsatz bringe, spezielle Entscheidungsbereiche regle, die ihr allein vorbehalten seien - von all dem kann auch dann nicht entfernt die Rede sein. Geschrieben hat man dann nichts als ein weiteres Kapitel der "Verwaltung als Normgeberin", welches man, etwa für die Bauverwaltung, dem vorstehend Vorgestellten über die Satzungsgewalt an die Seite stellen mag. Mit Verwaltung aber hat dies ebenso wenig zu tun wie die Ausübung der Satzungsgewalt; es ist schlechthin nur Gesetzgebung, nicht Verwaltung. Gerade hier zeigt sich die Verwaltung als "Fortsetzung der Gesetzgebung mit anderen Mitteln" und übrigens in besonders engen, ihr von der Gesetzgebung durch deren Akte gesetzten Grenzen. - Bleibt also von diesem ganzen wichtigen Bereich der Verwaltungsbeurteilungen eben doch nur der enge Raum der vom Gesetzgeber der Admi-

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nistration richterlich unüberprüfbar übertragenen Beurteilungen im Einzelfall, entsprechend dem Paradebeispiel der Prüfungsentscheidungen. Aus solchen engen Sektoren kann nun aber von vorneherein ein spezifischer Begriff des "Verwaltens als eigenständige Staatsgewalt" nicht begründet werden; insgesamt handelt es sich ja eher um eine administrative Marginalie, und überdies noch eine solche, welche weit weniger das zum Tragen bringt, was für eine "Gewalt", in welchem Verständnis immer, entscheidend ist: die Entscheidung. Denn hier geht es eben doch um Realitäts-Beurteilungen, welche der Gesetzgeber gewissen Verwaltungsinstanzen überlässt, und zwar übrigens gerade nicht solchen, welche in typisch verwaltungsmäßiger Art organisiert wären, in Über/Unterordnung nämlich, sondern meist Gremien, welche auch noch innerhalb der Verwaltung unabhängig sind, also eher Fremdkörper in ihr darstellen. Und diese Gremien, die Prüfungskommissionen, entscheiden am Ende in Form von Feststellungen über das Wissen von Kandidaten; doch das Wesen dieser ihrer Tätigkeit liegt weit weniger in eigenständiger Entscheidungssetzung, als vielmehr in einer eigenartigen Form von Erkenntnis, welche den Erkenntnissen der Judikative näher verwandt ist. Im Grunde handelt es sich hier eher um Einsprengsel einer Art von Judikative im Bereich der Exekutive als um typisch verwaltungsmäßige Tätigkeiten. Und schon deshalb lassen sich derartige Gestaltungen in keiner Weise zu einem allgemeineren Kriterium der Verwaltungstätigkeit als Aktivität einer eigenständigen Staatsgewalt erweitern. Hinzu kommt noch, dass auch hier diesen Verwaltungsinstanzen - wenn man sie dennoch als solche bezeichnen möchte - ihre richterlich nicht nachprüfbare Entscheidungsgewalt in meist sehr engen Grenzen, bereichsund verfahrensmäßig, vom Gesetzgeber nun wirklich mehr übertragen als überlassen worden ist, in eingehend geregelten Prüfungsordnungen. Geschehen ist also im Grunde nichts anderes, als dass die judikative Prüfung gewissermaßen bereits in die Verwaltung vorverlegt worden ist. Schon wegen des allgemeinen Rechts auf richterliche Nachprüfung, wie es modeme Verfassungen aller Administrativtätigkeit gegenüber vorsehen, kann Derartiges auch nur in engsten Grenzen vom Gesetzgeber angeordnet werden, dort nämlich, wo es eben sachgerecht erscheint, in gewissen Räumen die letzte Entscheidung bereits durch sachkundigere "Spezialjudikativen" - denn um nichts anderes handelt es sich ja - treffen zu lassen, als durch den nachgeschalteten, nur die Einhaltung rechtlicher Grenzen kontrollierenden Richter. Wiederum ist hier also, in der richterlichen Nachprüfung entzogenen Bereichen administrativer Beurteilung, nichts aufzufinden, was sich zu einem Kriterium echter, typisch verwaltungsmäßiger Gewaltausübung entwickeln und verbreitern ließe.

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c) Die Legitimation administrativer Beurteilung: Unnormierbarkeit

Nun könnte man gewiss fragen, weshalb denn der Gesetzgeber in derart vielen Räumen der Verwaltung immerhin das Erste, wenn auch nicht das Letzte Wort im Recht ihrer Beurteilung lässt. Dies würde zu dem Problem führen, ob dann die Besonderheit einer "Verwaltung" nicht doch darin gesehen werden könnte, dass sie die "Beurteilungsgewalt des Ersten Wortes" wäre - welches in der Praxis ja nicht selten auch das Letzte bleibt, wenn nämlich der Richter von ihm nicht mehr abweicht. Abgesehen davon, dass auf einem derart eben doch prekären "Ersten Wort" die Konstruktion einer der Gesetzgebung gleichzuordnenden, neben sie zu stellenden Zweiten Gewalt schwerlich zu errichten wäre - prekär und variabel ist diese Macht ja noch in einem ganz anderen Sinn: Der Gesetzgeber setzt derartige Gestaltungen, durch Verwendung bestimmter Rechtsbegriffe, ausdrücklichen Hinweis auf Verwaltungsvorschriften und ähnliches mehr, gerade dann ein, wenn er der Auffassung ist, in solchen - durchaus begrenzten - Bereichen wolle er nicht näher nonnieren, oder er erkenne, dass seine Normierungskraft angesichts der Vielfalt der zu ordnenden Sachverhalte schlechthin überfordert wäre. Die gesamte Beurteilungsgewalt der Verwaltung rechtfertigt sich nämlich im Grunde nur über einen Begriff: den einer Unnonnierbarkeit, über welchen der Gesetzgeber souverän entscheidet, in dem Sinn, dass er entweder seine Gesetze immer weiter spezialisiert, oder es bei einer lex generalis bewenden lässt. Darin aber steht der Ersten Gewalt von jeher eine besondere Form gesetzgeberischer Souveränität der Entscheidung zu, die als solche allerdings kaum je näher problematisiert worden ist: nämlich die Freiheit, zwischen lex generalis, lex specialis oder gar lex specialissima zu wählen, und zwar wirklich nach freiem Belieben. Denn hier ist auch der parlamentarische Gesetzgeber nicht einmal gebunden an das Verfassungsgebot jener Wesentlichkeitstheorie, welche ihn zwingen will, gewisse Bereiche selbst zu ordnen, dies nicht der Verwaltung zu überlassen. Dieses Verfassungsgebot verbietet ihm lediglich, in derartigen für den grundrechtsgeschützten Bürger wesentlichen Bereichen nicht schlechthin untätig zu bleiben. Sie erlaubt es ihm jedoch, weitestgehend über Generalklausein seiner Regelungsverpflichtung zu genügen, weshalb denn auch die Wesentlichkeitstheorie in ihrer praktischen Bedeutung begrenzt nur wirken kann. Verfassungsrechtsprechung hat zwar dem Einsatz der lex generalis dort letzte Grenzen zu ziehen versucht, wo überweite Generalklausein eingesetzt werden - im Ergebnis aber hat sie letztere eben doch immer wieder gebilligt. Erst recht kann dem Gesetzgeber also kein Vorwurf gemacht werden, wenn er, anstatt eingehender normativer Regelungen, ausweicht in den Einsatz unbestimmter Rechtsbegriffe und es sodann der Verwaltung überlässt,

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dies in ihrer Praxis oder auch durch Verwaltungs vorschriften zu verfeinern, denn um nichts anderes handelt es sich hier. Er hat damit eben seine eigenen Grenzen, die Schranken der Nonnierbarkeit im Einzelfall gezogen, und abgesehen von Extremfällen wird ihm darin die Verfassungs gerichtsbarkeit immer folgen. Selbst wenn sie es aber nicht so sähe, müsste sie gerade wiederum die Beurteilungsgewalt der Verwaltung einschränken oder aufheben mit der Begründung, hier sei eben doch Nonnierbarkeit, daher könne es kein Beurteilungsrecht der Verwaltung geben. So führt also die Problematik auf die enge Frage zurück, ob man die Verwaltung in ihren Beurteilungsrechten definieren könnte als "Entscheidung der Macht in den unnonnierbaren Fällen". Schon allgemeine dogmatische Zweifel erheben sich, will man auf eine derartige Kategorie eine ganze Staatsgewalt gründen. Dies würde ja bedeuten, dass sie sich lediglich in negativer Abgrenzung gegenüber der Ersten Gewalt definieren ließe, dass also nirgends zum Ausdruck käme, worin sie sich denn nun, aus sich selbst heraus, rechtfertigen könne. Wesentliche Aktivitätsfonnen eines solchen Pouvoir wären dann jedenfalls nicht auszumachen. Nicht anders stünde es aber um Bereiche, welche einer so definierten Gewalt vorzubehalten wären. Sie könnten ja nie, weder allgemein noch auch im Einzelfall, mit auch nur einiger Sicherheit vorherbestimmt werden. Denn dem Gesetzgeber steht es eben frei, wann und in welchen Fonnen, vor allem wie tief er nonnierend bis in die Nähe des Einzelfalles vordringen will. Grundsätzlich kann er sämtliche Nonnen so ausgestalten, dass sie voll self executing werden, also keinerlei unbestimmte Rechtsbegriffe mehr enthalten, oder er kann von Anfang an oder später in authentischer Interpretation diese Begriffe legal definieren. Weitgehend handelt es sich dabei um bereichspezifische Fragen der Gesetzestechnik; aus einer solchen heraus lässt sich jedoch das Wesen einer großen Staatsgewalt gewiss nicht definieren. Letztlich würde Derartiges darauf hinauslaufen, dass es eine Zweite Gewalt gäbe unter dem Vorbehalt der Beurteilung der zu regelnden Sachverhalte durch die Erste Gewalt. Ganz allgemein läuft schließlich die Entwicklung in Richtung auf eine immer weitergehende, stets noch näher regelnde Gesetzgebung. Voreilig mag es heute sein, darin einen Anfang vom Ende der Beurteilungsgewalt der Verwaltung zu sehen. Betrachtet man jedoch den bereits gegenwärtigen Umfang der Verwaltungsvorschriften, und sieht man dieselben, wie es der vorstehend skizzierten vordringenden Lehre entspricht, nicht mehr als Verwaltung, sondern eben als Gesetzgebung, so schwindet eindeutig immer mehr eine etwaige Beurteilungsmacht der Verwaltung im Einzelfall zur Restgröße; dieser Einzelfall ist es aber doch, aus welchem allenfalls sich die Verwaltungsgewalt definieren ließe, so wie dies ja durchaus im Falle

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der Gerichtsbarkeit legitim und von jeher anerkannt ist. Anders aber als bei dieser fehlt es eben in der Verwaltung schon an der ebenso wesentlichen Endgültigkeit der Entscheidungen und auch daran, dass sie grundsätzlich in allen Fällen von rechtlichen Meinungsverschiedenheiten eingreift. Wie immer man also die Beurteilungsspielräume der Verwaltung beurteilt sie ergeben nichts, was entscheidend für eine "Verwaltung als eigenständige Staatsgewalt" sprechen könnte; weitestgehend handelt es sich um nichts anderes als um die Fortsetzung der Gesetzgebung mit anderen Mitteln.

d) Verwaltung als" Gewalt der Ausnahmen" ? Eine letzte Überlegung von schon fast nurmehr marginalem Gewicht sei noch angeführt: Der Verwaltung obliegt, gerade im Baurecht zeigt sich dies, die durchaus bedeutsame Befugnis, "im Einzelfall Ausnahmen" von gesetzlichen Regelungen zuzulassen. Insoweit wird sie als "Ausnahme-Gewalt", als "Herrin über das Exzeptionelle" tätig. Doch auch dies begründet weder besondere Befugnisse noch auch nur einigermaßen feste Entscheidungsräume, in welchen eine derartige Macht ausgeübt werden könnte. In solchen Fällen hat ja der Gesetzgeber bereits gesprochen, und selbst Ausnahmen vorgesehen, meist umschrieben mit jenen unbestimmten Rechtsbegriffen, von denen vorstehend bereits die Rede war. Was also die "Ausnahmegewalt Verwaltung" hier noch zu bewirken vermag, ist eben eine Auslegung dieser unbestimmten Rechtsbegriffe; der Ausnahme als solcher kommt eine selbständige Bedeutung in diesem Zusammenhang gar nicht mehr zu. Gerade in sie hinein denkt die Verwaltung gewissermaßen den Willen des Gesetzgebers interpretatorisch fort. Hier eben gilt auch, dass der Gesetzgeber die nahezu unbegrenzte Freiheit besitzt, durchgehend zu regeln, Ausnahmen bereits selbst zu statuieren, Ausnahme-Vorbehalte für die Verwaltung vorzusehen und diese nach seinem Belieben näher zu gestalten. Die Ausnahme ist eben nichts anderes als ein - gewiss besonders wichtiger - Anwendungsfall des Beurteilungsrechts der Verwaltung. Und selbst wenn dem nicht so wäre - auf eine derartige Randkategorie, eine "ausnahmsweise" eben, lässt sich doch mit Sicherheit eine große, umfassende Verfassungsgewalt nicht stützen. Insgesamt erscheint also die praktisch so wichtige Tätigkeit der Verwaltung als einer "beurteilenden Staatsgewalt" als lediglich eine Erscheinungsform der Normergänzung oder der Normverfeinerung, wobei der erstere Begriff eher für gewisse Kategorien von Verwahungsvorschriften angemessen sein mag, während Normverfeinerung in allen übrigen Bereichen ersichtlich die Aufgabe der Administration darstellt. Soll aber nun wirklich die Zweite Gewalt, die so staatszentrale Exekutive, sich wesentlich definieren lassen

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als eine Verfeinerungsgewalt der Ersten Gewalt - und auch noch nach deren Entscheidung? 4. Verwaltung - Rezeption der Realität ins Recht? a) Übernahme von Wirklichkeitsmaßstäben eine allgemeine Aufgabe der Staatsgewalten

Dass der Einzelfall eine besondere Bedeutung für die Tätigkeit in der Verwaltung besitzt, weit über das hinaus, was der Gesetzgeber in seine Anordnungs-Bündelungen aufnehmen kann, ist unbestritten und hat sich auch bei diesen Betrachtungen immer wieder gezeigt. Gerade im Bereich etwa des Baurechts liegt eben "jeder Fall anders", im vollen Sinne des Wortes, bedarf also der Beurteilung an rechtlichen Maßstäben, welche nicht zuletzt seine jeweilige Realität in die Entscheidung aufnimmt. Ist etwa streitig, ob sich ein geplantes Bauwerk in die Umgebung, in die Umwelt, in die Landschaft, einfügt, so ist damit eine Zentralfrage des Bauordnungsrechts, wenn nicht bereits des Bauplanungsrechts angesprochen. Die Maßstäbe der Entscheidung sind vom Gesetzgeber nur ganz allgemein vorgegeben, im Übrigen mit den bereits näher behandelten unbestimmten Rechtsbegriffen vorgeprägt. Deren Besonderheit liegt hier darin, dass sie weitestgehend, wenn nicht ausschließlich, unmittelbar der Realität zu entnehmen sind, nicht etwa anderen gesetzlichen Normen, welche mit baurechtlichen zusammenzusehen wären. Hier wird also die Wirklichkeit geradezu zum gesetzgeberischen Maßstab, und ihn führt die Verwaltung ins Recht ein, erkennt ihn und interpretiert ihn sodann, um für den Einzelfall subsumtionsfahige Einzelkategorien zu entwickeln. Dies ist gewiss eine spezielle Aufgabe, die sich hier wie in vielen anderen Bereichen des Verwaltungsrechts der Administration stellt. Dogmatisch handelt es sich zwar immer noch um die Auslegung und Anwendung vom Gesetzgeber eingesetzter allgemein-unbestimmter Begriffe, doch eine Besonderheit könnte schon darin gesehen werden, dass es gerade und nur die Administration sei, welche diese unmittelbare Verbindung von Realität und Recht in ihrer Beurteilung, etwa der Landschaftskonformität, herstelle. Lässt sich daraus vielleicht gar ein allgemeinerer Gesichtspunkt gewinnen, unter dem dann das Wesen der Verwaltungstätigkeit in der Herstellung solcher "unmittelbarer Beziehungen zwischen Realität und Recht im Einzelfall" erblickt werden dürfte? Könnte eine solche "Verlängerung der Normen in die Realität hinein" - oder umgekehrt - gerade "typisch Verwaltung" darstellen? Auch einer solchen Vorstellung gegenüber bestehen, schon ganz allgemein, entscheidende Bedenken. Zunächst ist die Verwaltung zu einer derart rezeptiven Beurteilungstätigkeit auch hier stets nur aufgerufen, wenn ihr der

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Gesetzgeber dies ausdrücklich vor- und aufgibt. Es ist ihr versagt, gewissermaßen über das Gesetzeswort hinweg, sogleich "in die Realität auszugreifen", diese jenseits des gesetzgeberischen Willens zum Maßstab einer Entscheidung im Einzelfall werden zu lassen. Wiederum steht es auch hier im freien gesetzgeberischen Belieben, ob überhaupt und wieweit derartige nicht normierte und meist gar nicht normierbare Maßstäbe - eben die unauswechselbare Landschaft im Einzelfall - Voraussetzungen rechtlicher Entscheidung durch die Verwaltung sein sollen. Des weiteren ist auch hier die Verwaltung nicht der "letzte Richter"; die Judikative kann sie auch dabei kontrollieren und korrigieren, und dies geschieht gerade im Baurecht nicht selten über Orts termine, die dann, wenn nicht in aller Regel, so doch sehr häufig die Entscheidung eines derartigen Rechtstreits bringen. Gerade dieser Realität gegenüber erkennt also die Judikative eine vorentscheidende Vorgreiflichkeit der Administrative in keiner Weise an, weder grundsätzlich noch auch in den meisten Einzelfällen. Schließlich und vor allem aber obliegt die Entscheidung rechtlicher Zweifelsfragen unter "unmittelbarer Gewinnung von Maßstäben aus der jeweiligen Realität" keineswegs allein der Verwaltung, und dieser auch gar nicht in einer gewalten-typischen Weise. Der Gesetzgeber selbst ist, wenn auch in der typischen Allgemeinheit seiner Normgebungsfunktionen, dieser selben außerrechtlichen Realität stets verpflichtet. Dies verlangt von ihm eine Rechtsstaatlichkeit, nach welcher er, wie es die Verfassungsrechtsprechung ausdrückt, "die Wirklichkeit abbilden" muss in seinen Normen, will er nicht das Verfassungsverdikt der Sachwidrigkeit oder des Gleichheitsverstoßes riskieren. Der Richter andererseits greift mindestens in derselben Art, und hier sogar eindeutig stets einzelfallbezogen, auf derartige Realitäts-Maßstäbe zurück; und nicht selten zensiert er auf solcher Grundlage die Entscheidungen der Verwaltung als "sachfremd", oder er bildet sich selbst ein Realitätsurteil, im ständig zunehmenden Einsatz von Sachverständigen, welche eben diese Realitäts-Maßstäbe noch besser, noch endgültiger liefern, als es die Verwaltung vermöchte. In keiner Weise lässt sich also Verwaltung begründen als eine "besonders realitäts nahe Staatsgewalt", es steht ihr in keiner Weise ein Monopol der Wirklichkeitsbeurteilung zu, es gibt auch keinerlei Vermutung für eine solche. b) Die rechtlichen Grenzen eines faktischen Realitätsbeurteilungs-Privilegs der Verwaltung

Der Verwaltungs wirklichkeit mag es allerdings früher weithin entsprochen haben, heute noch in nicht wenigen Bereichen entsprechen, dass der Administrative in der Praxis ein nicht unwichtiges Erstes Wort der Beurtei-

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lung gerade dort zusteht, wo es sich nicht um primär rechtliche Entscheidungen handelt, sondern um tatsächliche Feststellungen, welche sodann ins Recht übernommen, unmittelbar dort zu dessen Maßstäben werden. So wird etwa gewiss der Richter sich häufig "zunächst einmal" die Auffassung einer Umwelt- oder Bauverwaltung zu eigen machen, welche ein bestimmtes Vorhaben als unverträglich mit Realitätsgegebenheiten ablehnt. Hier wird dann die besondere, die vielfache Erfahrung der Verwaltung gerne beschworen und auch akzeptiert, es wird ihr Sachverstand in diesen Fragen bescheinigt, welche der nur gelegentlich vertieft kontrollierende Richter in gleicher Intensität nicht für sich in Anspruch nehmen kann. Die Verwaltung erscheint dann geradezu nicht selten als Sachverständiger in eigener Sache; wenn sie technische Anweisungen erlässt, so binden diese zwar den Richter nicht, werden von ihm aber als antizipiertes Sachverständigengutachten "zunächst einmal" zugrundegelegt. Hüten wird sich die Judikative, leichthin "Expertisen" der Verteidigungsinstanzen - die ja der Exekutive zuzurechnen sind - beiseite zu schieben oder solche einer Verwaltung des Auswärtigen, welche die besonderen tatsächlichen Interessenlagen des Staates im internationalen Verkehr darlegt. Doch aus all dem, und wie oft auch immer eine solche faktische Realitätsbeurteilung durch die Verwaltung zugleich für den betroffenen Bürger das Letzte Wort bleiben mag - deutsche Rechtsstaatlichkeit hat eine bindende Verwaltungsvorgabe in keinem Bereich der Realitätsbeurteilung rechtlich anerkannt. Darin unterscheidet sich das deutsche Recht von anderen Ordnungen, welche etwa den Verteidigungsinstanzen oder der Auswärtigen Gewalt ein endgültig-bindendes Entscheidungsrecht zugestehen. Dort haben sich eben die Domaines reserves der früheren fürstlichen Macht zugunsten des Staates noch erhalten; doch wie bereits dargelegt, lässt sich aus diesen Restbeständen auch in solchen Rechtsordnungen nichts mehr für eine große, einheitliche Exekutivgewalt ableiten. Und erst recht gilt dies unter jenem deutschen Recht, dessen Richter übrigens zunehmend, und für die Verwaltung oft leidvoll, ihre Realitätskenntnisse und -erkenntnisse an die Stelle deren setzen, welche die Verwaltung sich vergeblich bemüht, ihnen nahe zu bringen. Ein Blick auf die Judikatur in Straßen- und Flughafenfällen belegt dies eindrucksvoll. Was gerichtsbekannt ist und sein darf, insoweit dem Amtsbekannten der Verwaltung vorgeht an Realitätsabbildung, war immer ein rechtliches, vor allem ein prozessuales Problem. Die Zeichen der Entwicklung deuten aber wohl mehr dahin, dass die Richter mit dem zunehmenden Gewicht ihrer Endentscheidungskompetenz auch immer realitätskundiger werden - oder sich so doch fühlen ... Andererseits wird diese Wirklichkeit zunehmend "selbstmächtiger", sie folgt ihren eigenen Gesetzen rascher Entwicklung, welcher gegenüber eine Verwaltung sich früher als vertrauenswürdiger Notar des Bestehenden füh-

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len durfte, der sie nun aber oft kaum mehr zu folgen vermag. So gelingen ihr eben dann auch nur häufig nurmehr Momentaufnahmen, etwa im Technikrecht, und der Richter nimmt daraufhin für sich das Privileg in Anspruch, auch diese Realitätsentwicklungen noch "fortzuschreiben", den "Stand der Technik" etwa besser zu kennen als der seit langem damit befasste Verwaltungsbeamte. Und insgesamt vollzieht sich eher etwas wie ein Absterben der Realitätsbeurteilungsmacht der Verwaltung als deren Verstärkung; keineswegs reicht sie heute so weit, weder grundsätzlich-dogmatisch, noch auch in der Praxis, dass die Verwaltung als die "Gewalt der Realitätsnähe" oder des ersten "Realitätszugriffs" gedeutet oder gar daraus definiert werden könnte. 5. Typisch verwaltungsrechtliche Grundsätze administrativen Handeins? Bei der Betrachtung der wichtigsten Bereiche der Aufgabenerfüllung durch die Verwaltung wie auch von deren typischen Formen, wie etwa der Ausübung der Satzungsgewalt oder der Ausnutzung der Beurteilungsspielräume, haben sich keine Kriterien gezeigt, welche Verwaltungstätigkeit einerseits von Normsetzung mit anderen Mitteln abheben, andererseits spezifische und typische Kriterien eines HandeIns der Verwaltung als eigenständiger Gewalt hätten ergeben können. Nun ist zu fragen, ob es allgemeine Grundsätze des Verwaltungshandelns gibt, oder, genereller noch, allgemeine Grundsätze des Verwaltungsrechts, welche die Tätigkeit der Administration von der anderer Staatsgewalten unterscheiden lassen könnten - und zugleich von den Rechtsprinzipien, denen das Handeln des Bürgers in den Gleichordnungsbeziehungen des Privatrechts unterliegt. Ein Verhalten nach diesen Grundsätzen müsste die Verwaltung, sollte sie hier als eine eigenständige Staatsgewalt erkannt werden, als etwas anderes erscheinen lassen als Gesetzgebung und Gerichtsbarkeit auf der einen Seite, privatautonomes Handeln auf der anderen. a) "Verwaltungsrechtliche Grundsätze" für alle Staatsgewalten geltend

Derartige Rechtsgrundsätze, auf welche sich die Annahme einer besonderen Staatsgewalt "Verwaltung" gründen ließe, müssten sich jenem Allgemeinen Verwaltungsrecht entnehmen lassen, dessen Prinzipien in der Tat für die gesamte Verwaltung, für "Die Verwaltung an sich" Geltung beanspruchen; darin könnte etwas liegen wie eine grundsätzliche Vor-Abgrenzung funktional bestimmter Administration. Allerdings ist dabei zu berücksichtigen, dass die Geltung dieses "Allgemeinen Verwaltungsrechts" für al-

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les administrative Handeln sich gewissermaßen induktiv entwickelt hat, nicht etwa systematisch-deduktiv mit dem Anspruch, dass damit nun "Die Verwaltung als solche" konstituiert oder auch nur definiert werden sollte. Dies vorausgeschickt ist zunächst festzustellen, dass das Allgemeine Verwaltungsrecht nicht etwa ein durchgehendes System von derartigen Verhaltensgrundsätzen aufgestellt hat, sondern nur einige solche, in längerer Entwicklung, heraus bilden konnte. Mit ihrer Überprüfung beginnt auch nicht etwa die Beurteilung der Zulässigkeit des Verwaltungshande1ns, weder in der Administration selbst, noch seitens des betroffenen Bürgers oder der nachträglich kontrollierenden Gerichtsbarkeit. Sie stellen vielmehr eindeutig lediglich etwas dar wie mögliche Randkorrekturen der Legalität gegenüber der gesetzesgebundenen Verwaltung. Es handelt sich dabei insbesondere um die Grundsätze der Bestimmtheit, Geeignetheit, Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit (im engeren Sinne) des Verwaltungshandeins. Aus ihnen Specifica des HandeIns gerade einer Zweiten Staatsgewalt entwickeln zu wollen, begegnet jedoch gewichtigen Bedenken: - Bei näherem Zusehen handelt es sich gerade bei Tätigkeiten, welche diesen normativen Leitlinien folgen, um nichts anderes als um besondere Formen der Gesetzesanwendung, welche diese unter bestimmte Voraussetzungen stellt. Das anzuwendende Gesetz wird also gewissermaßen verschränkt mit diesen weiteren Norrninhalten angewendet; und wenn etwa Erforderlichkeit oder Verhältnismäßigkeit außerhalb des normgebundenen Bereichs der Verwaltung derselben Leitlinien vorgeben, so sind es eben diese Rechtsgrundsätze als unbestrittene Normen, welche als solche von der Administration nicht etwa nur beachtet, sondern regelrecht angewendet werden. Nichts anderes erfolgt also in all diesen Fällen, sei es nun, dass die allgemeinen Grundsätze randkorrigierend bei der Anwendung anderer Normen ebenfalls zu berücksichtigen sind, sei es dass sie eigenständige Orientierungen des Verwaltungshandels darstellen, eben als - Normanwendung. Wären dies nun Normen, welche wesentlich und ausschließlich für Administrationen gälten, so könnte dies einen typischen, eigenständigen Verwaltungsbereich konstituieren. Doch auch davon kann nicht die Rede sein: - All diese "Allgemeinen Grundsätze des Verwaltungshandeins" gelten nicht nur für die Zweite Gewalt, sondern für alle Staatsgewalten schlechthin. Dem Gesetzgeber mag hier von Verfassungs wegen ein weiterer Beurteilungs- und Gestaltungsraum zustehen als der Verwaltung, welche die Grundsätze eben in der Regel in Zusammenschau mit speziellen Normen anwendet, während die Legislative nur die Vorgaben der Verfassung zu beachten hat. Doch kein Zweifel besteht darüber, dass auch ein eindeutig nicht erforderliches oder nicht verhältnismäßiges Gesetz verfassungswidrig wäre. Noch deutlicher gilt dies etwa für die Grundsätze der Geeignetheit

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C. Hoheitsgewalt als Wesen des Verwaltens

und Bestimmtheit: Ein Verstoß gegen sie wäre zugleich ein solcher gegen den normativ wirkenden Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit, welcher auch den Gesetzgeber bindet. Nichts anderes gilt für die Gerichtsbarkeit: Auch der Richter darf weder unbestimmt noch unnötig oder unverhältnismäßig entscheiden. Dies mag in der Praxis nicht unmittelbar aus den Verfassungsgrundsätzen abgeleitet werden, ergibt sich jedoch - und ergab sich schon längst vor deren allgemeiner Anerkennung - aus prozessrechtlichen Grundsätzen, etwa dem Begriff der entscheidungserheblichen Fragen oder auch nur der Grenzen, welche die prozessualen Anträge der Parteien dem Richter setzen. Wenn aber nun diese allgemeinen Grundsätze des Verwaltungshandelns nichts anderes sind als Anwendungen genereller Verfassungsprinzipien, welche für alles Staatshandeln durchgehend gelten, so kann nicht das Wesen einer Gewalt aus ihnen erklärt, die Verwaltung als eigenständige Staatsgewalt eben nicht auf ihre Anwendung oder auch nur ihre Beachtung gestützt werden. - Nicht nur alle Staatsgewalten, sondern auch alle Bürger im Gleichordnungsverhältnis haben diese Prinzipien zu achten, ihrem Verhalten gegenüber anderen Rechtsgenossen und der Staatsgewalt zugrunde zu legen. Mit unbestimmten Forderungen werden sie abgewiesen, nicht Erforderliches zu verlangen wird ihnen als Schikane ausgelegt, unverhältnismäßige Ansprüche wird ihnen kein Richter zusprechen. Grundprinzip der Interessen abwägenden Zivilgerichtsbarkeit ist es ja allenthalben, ein gewisses Verhältnis herzustellen und zu bewahren zwischen sich gegenüberstehenden Rechtspositionen. Nun mag man hier nicht, gerade im Falle der Verhältnismäßigkeit, den Maßstab aus den durch Eingriffe beeinträchtigten Grundrechtspositionen der Bürger gewinnen, weil diese eben im Gleichordnungsverhältnis nicht ebenso gelten wie gegenüber der Hoheitsgewalt. Doch Verhältnismäßigkeit als solche oder auch Erforderlichkeit definiert sich nicht allein aus Grundrechtsstandards, sondern aus gegenüberstehenden Rechtspositionen, welche durchaus auch unterverfassungsrechtlicher Art sein können. Kein Zweifel kann also bestehen, dass die allgemeinen Grundsätze des Verwaltungshandelns eine "Verwaltung als Gewalt" nicht konstituieren können. Gegenwärtig mögen sie in der Verfassung "aufgehängt" sein, sie gelten jedoch unabhängig von dieser in jeder entwickelten Rechtsordnung, wenn auch vielleicht nicht stets mit völlig identischen Norminhalten. Doch aus solchen Einzeldifferenzen lässt sich keine administrative Spezifik ableiten. Und es ist aus den dargelegten Gründen schlechthin unmöglich, gerade die Verwaltung aus Anwendung oder Beachtung dieser Prinzipien heraus zu definieren - sie ist ihnen genauso, aber auch nur so unterworfen, wie alle anderen Rechtsträger auch, strenger binden sie diese Grundsätze nur dort, wo

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sie Nonnwirkungen gewissennaßen schärfen, welche der Gesetzgeber gegenüber gerade der Verwaltung spezialgesetzlich vorgesehen hat. Dies aber definiert erst recht nicht diese Verwaltung als solche, es ist allenfalls geeignet, sie zu beschränken.

b) "Effizienz" - ein typischer Verwaltungsgrundsatz?

Für die diesen Betrachtungen allgemein zugrunde liegende These, dass eine Definition der "Verwaltung als Staatsgewalt" rechtlich nicht möglich ist, spricht gerade, dass es nur wenige und einigennaßen inhaltsanne Prinzipien gibt, welche das Verwaltungsrecht allem Verhalten der Verwaltungsträger als Leitlinien vorgeben will. Gäbe es etwas wie eine "Verwaltung als Zweite Verfassungsgewalt", so müsste das Allgemeine Verwaltungsrecht, das sich übrigens längst vor der Entfaltung gegenwärtiger Vorstellungen von der Gewaltenteilung entwickelt hat, solche hervorgebracht haben; feststellbar aber sind nur diese allgemeinen Grundsätze, welche, wie dargelegt, nichts anderes darstellen als allgemeine Rechtsprinzipien. Sieht man sich nach weiteren Rechtsprinzipien um, deren Anwendung oder Beachtung "Verwaltung" zu konstituieren vennöchte, so könnte sich jene Effizienz anbieten, welche seit langem als Rechtsgrundsatz untersucht und immerhin im Zusammenhang mit dem Rechtsprinzip der "Wirtschaftlichkeit der Verwaltung" gelegentlich geradezu in den Rang eines Verfassungsprinzips erhoben wird. Zuzugeben ist, dass Effizienz in keinem anderen Zusammenhang gegenwärtig häufiger erwähnt, als Forderung fonnuliert wird, als gegenüber der Verwaltung. Nun könnte man daraus allerdings eher einen anderen, ja umgekehrten Schluss ziehen: dass nämlich die "Verwaltung" als solche das "wesentlich Ineffiziente" sei, deshalb mehr als alle anderen Staatsgewalten und als die Bürger durch einen Rechtsgrundsatz auf ein "Funktionieren" verpflichtet werden müsse, welches zumindestens dem entspräche, was bei allen anderen Rechtsträgem als selbstverständlich, als allgemein üblich unterstellt wird. Denn wenn der Bürger unwirtschaftlich handelt, so hat er die Folgen selbst zu tragen, der Markt sanktioniert derartige Regelverstöße, Verletzungen von "Verpflichtungen gegen sich selbst", ohne dass hier das Recht eingreifen müsste. Der Verwaltung gegenüber wird Effizienz nur deshalb so dringend gefordert, weil diese Mechanismen, insbesondere die des Marktes, ihr gegenüber nicht vergleichbar wirken. Nun wäre es allerdings schon eigenartig, wollte man eine Staatsgewalt aus einem möglicherweise strukturellen Defizit heraus definieren, welches ihr anhaftet und durch Anwendung eines spezifisch administrativen Grundsatzes aufgefüllt werden müsste. Ein derartiger Versuch würde entweder von vorneherein als Ironie abgetan, oder er würde diese "Staatsgewalt" ge7 Leisner

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c. Hoheitsgewalt als Wesen des Verwaltens

radezu in das Zwielicht des "An-sieh-Rechtswidrigen" stellen, aus dem sie durch Effizienzforderungen herausgeführt werden müsse. Niemand wird ernstlich behaupten wollen, gerade die Verwaltung habe, allein oder jedenfalls mehr als alle anderen Staatsgewalten, "effizient" zu handeln. Zumindest bei der Gerichtsbarkeit werden ähnliche Überlegungen laufend angestellt, und auch der Gesetzgeber sieht sieh, wenn auch mehr in der politischen Diskussion, zunehmend mit Forderungen effizienterer gesetzlicher Regelungen konfrontiert. Andererseits steht gerade der Verwaltung nieht einfach die Berufung auf Wirksamkeit zur Verfügung, um die Intensität ihrer Aktionen beliebig zu steigern. Dies würde in einem Durchgreif-Staat enden, welcher grundrechtliche Sieherungen auf breiter Front gefahrden müsste. Der Grundsatz der Effizienz ist eben, wenn es ihn denn überhaupt mit normativer Wirkung gibt, derart allgemein und auf nähere, insbesondere normative Eingrenzung angewiesen, dass er als Grundlage einer bedeutenden Staatsgewalt schlechthin ausscheidet, welche sich damit aus den wichtigsten, insbesondere grundrechtlichen Bindungen entfesseln würde. c) Allgemeine Regelungen im VelWaltungsbereich:

vor allem zu Organisation und Veifahren

Eine Betrachtung der Verwaltung unter dem Gesichtspunkt der Effizienz führt zu einer weiteren, im vorliegenden Zusammenhang bedeutsamen Feststellung: Die Verwaltung steht gewiss unter bestimmten Regelungen normativer Art, sei es aufgrund spezieller Gesetze, sei es über allgemeine Grundsätze, welche sieh diesen letzteren meist noch überlagern. Doch all dieses "typische Verwaltungsrecht", sei es nun ein "allgemeines" oder ein "besonderes", für bestimmte Materien nur geltendes, betrifft in den meisten Fällen zwei Bereiche, welche miteinander wiederum eng verbunden sind: Verwaltungsorganisation und Verwaltungsverfahren. Hier hat sich allerdings ein heute schon durchgehendes, zum Teil und bereiehsweise durchaus hoch spezialisiertes Recht entwickelt, welches sowohl Verwaltungsorganisation als auch die wichtigsten Äußerungsformen der Verwaltung, insbesondere Erlass, Änderungen und Rücknahme von Verwaltungsakten und deren mögliche Inhalte ordnet. Man mag daher nun versucht sein, aus diesem Verwaltungsorganisations- und des Verwaltungsverfahrensrechts, Kriterien für die Erkenntnis einer eigenständigen Zweiten Staatsgewalt, insbesondere einer Verwaltung als einer solchen abzuleiten. Auch dagegen erheben sich jedoch entscheidende Bedenken: Zunächst bedeutet jeder derartige Versuch die Aufgabe der eingangs dieser Betrachtungen näher dargestellten Funktionalität als Bestimmungsgrundsatz einer "Verwaltung". Die Administration wird nämlich, soll sie aus ihrer

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Organisation und/oder ihrem Verfahren bestimmt werden, lediglich mit Bezug auf bestimmte Organe definiert, nicht mehr aus der Erfüllung gewisser, auch nur einigermaßen rechtlich zu bestimmender Aufgaben. Dieser Einwand gilt auch gegenüber Versuchen, sie aus Verwaltungsverfahrensrecht heraus zu definieren. Auch hier sind es die von bestimmten Trägem eingesetzten Instrumente, es ist also Organisation in einem weiteren Sinn, welche diese Gewalt konstituieren soll. Damit aber verlässt man, wie bereits mehrfach angesprochen, die Definitionsebene, welche für die anderen beiden großen Staatsgewalten in einer primär funktionellen, aufgabenbestimmten Weise gelten soll: bei der Gesetzgebung die Setzung allgemein geltender Normen, bei der Gerichtsbarkeit die endgültige Streitentscheidung. Vergleichbares lässt sich aus Verwaltungsorganisations- oder Verwaltungsverfahrensrecht heraus für die Exekutive kaum leisten. Doch abgesehen von diesen Bedenken spricht noch ein Weiteres entscheidend gegen derartige Versuche. Schwer nachvollziehbar ist, dass sich das Wesen der Zweiten Staatsgewalt rechtlich bestimmen lassen soll aus Regelungen heraus, welche der einfache Gesetzgeber, er allein und durchgehend, ohne ersichtliche verfassungsrechtliche Vorgaben, jeweils aufstellt. Damit würde die Exekutive zu einer "Verfassungsgewalt nach einfacher Gesetzgebung", völlig abweichend zu bestimmen von den beiden anderen Staatsgewalten. Es müsste sich darin etwas höchst Bedenkliches entfalten, was bereits vor langer Zeit kritisiert und seither stets allgemein abgelehnt worden ist: "Verfassung nach Gesetz". Hier wären es nun nicht mehr nur einzelne grundrechtliche Begriffe, freiheitsrechtliche Regelungskomplexe vielleicht, welche über einfaches Gesetzesrecht erst verständlich, normativ bindend würden; hier wäre eine ganze Staatsgewalt, die vollziehende, der Entscheidung des Gesetzgebers vollständig überantwortet, sie existierte schlechthin nur "nach Gesetz". Dies aber ist im Verfassungsstaat schlechthin unerträglich. Gerade die Gewaltenteilung soll ja auch dem Gesetzgeber, der Ersten Gewalt, darin gewisse letzte Grenzen setzen, dass er eben der Exekutive einen gewissen Raum belassen muss. Wenn es nicht gelingt, diese "Verwaltung als eigenständige Staatsgewalt" zu konstituieren, so bricht die Gewaltenteilung zusammen - diese Folgerung muss dann, und wird vielleicht aus den vorliegenden Betrachtungen gezogen werden. Aber man kann sie nicht auf dem Wege vermeiden, dass man es gewissermaßen schon vorweg dem Gesetzgeber grundsätzlich überlassen will, festzulegen, "was Verwaltung denn sei". Noch ein Letztes spricht schließlich dagegen, aus allgemeinen Grundsätzen der Verwaltungsorganisation oder des Verwaltungsverfahrens "Die Zweite Gewalt" definieren zu wollen: Es gibt kaum allgemeine Grundsätze, welche man aus diesen Gesetzgebungen in einer Weise ableiten könnte, dass sie nun eine präzise Antwort auf die Frage ermöglichten, "was denn 7*

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Verwaltung sei". Die organisationsrechtlichen Regelungen sind einerseits allzu allgemein, zum anderen doch wiederum derart verschieden von Bereich zu Bereich, dass man aus ihnen nichts gewinnen kann, was stets "wesentlich Verwaltung" wäre. Greift man jedoch auf das Verwaltungsverfahren zurück, so führt dies rasch wieder zurück zu den Besonderheiten der Anwendung einseitig wirkender hoheitlicher Gewalt. Dass sich daraus aber das Wesen einer "Verwaltung" nicht mit hinreichender Präzision gewinnen lässt, hat sich bereits oben ergeben. d) "Typisches Verwaltungsverhalten " Aufgaben der Verwaltungslehre

Dass niemand so recht weiß, "was eigentlich Verwaltung ist", hat einen vielleicht unbewussten, aber doch deutlichen Niederschlag in der Entwicklung einer ganzen Rechtsdisziplin gefunden, welche sich mit "Verwaltungstypischem" beschäftigt: die Verwaltungslehre. Kennzeichen derartiger "Lehren" ist es ja nicht selten, dass sie gerade dann als systematisierte Versuche unternommen werden, wenn ihr eigentlicher Gegenstand unklar ist er soll durch sie eben klarer werden. In der Verwaltungslehre ist dies bisher jedoch nur sektoral gelungen, insbesondere hinsichtlich der Instrumente, welche in der Verwaltung eingesetzt werden, vor allem des Personals, oder bezüglich bestimmter Handlungsfonnen, welche sich vor allem dort entwickelt haben, wie etwa die Planung. Doch Gegenstand dieser Disziplin ist eben von Anfang an nicht die Entwicklung eines dogmatischen Verwaltungsbegriffs im verfassungsrechtlichen Sinn einer Zweiten Gewalt gewesen. Unterstellt wurde die Aufgabe der Gesetzesausführung, ohne dass deren Problematik im Verhältnis zur Gesetzgebung vertieft worden wäre. Gefragt wird nach typischen Organisationsfonnen, nach der Möglichkeit von deren Optimierung - doch es bleibt außerhalb der Betrachtung, was daran typisch oder gar wesentlich "Verwaltung" sei. Die Abgrenzung zu anderen Gewalten ist überhaupt nicht wesentlicher Betrachtungsgegenstand einer Verwaltungslehre, die eben unterstellt, dass das Verwalten als Gegenstand ihrer Betrachtungen bekannt sei - obwohl sie doch gerade daraus entstanden ist, dass dies nicht, jedenfalls nicht vollständig, der Fall ist. So setzt die Verwaltungslehre gegenwärtig im Wesentlichen das allgemeine Verwaltungsrecht mit anderen Mitteln fort, sie erscheint als eine Disziplin der "allgemeinen Verwaltungspolitik" , indem sie Organisation und Verfahren der Administration, deren praktisches Funktionieren analysiert und Vorschläge zu dessen Verbesserung macht. Mit all dem aber bewegt sie sich auf einem weit weniger sicheren Boden als bei der in letzter Zeit entfalteten Gesetzgebungslehre; diese konnte wenigstens auf einer einigennaßen gesicherten dogmatischen Konzeption der allgemein

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geltenden Nonnen aufbauen und sich damit auf Probleme verfahrenstechnischer Verbesserungen des Nonnerlasses beschränken. Wenn aber nicht einmal klar ist, was denn Verwaltung im Grunde wirklich sei, kann diese Frage auch nicht so beantwortet werden, dass die Instrumente des tatsächlichen Verwaltens analysiert und Verbesserungs vorschläge für sie vorgestellt werden. Wenn sich Derartiges generell für alles "Verwalten" feststellen lässt, so könnte von dort aus vielleicht noch fortgeschritten werden zur Erkenntnis bestimmter typischer Verwaltungsaufgaben, welche auf solchen Wegen erledigt werden sollten oder gar werden müssen. Doch dahin ist der Weg noch weit und er führt schwerlich von Vorschlägen instrumentaler Verbesserungen zu dogmatischen Abgrenzungen. 6. "Verwaltung": judikativierbar oder privatisierbar Die nähere Betrachtung der Verwaltungstätigkeit hat also ergeben, dass dort nichts ersichtlich ist, was als typische Aufgabe oder als typisches Verhalten ganz allgemein den Bereich einer Zweiten Gewalt als einer eigenständigen, insbesondere einer "Verwaltung als Gewalt" konstituieren könnte. Verwaltungs tätigkeit schiebt sich vielmehr zwischen Funktionen der Ersten Gewalt, der Gesetzgebung, und der Dritten Gewalt, der endgültigen Streitentscheidung im Einzelfall, zwischen Gesetz und Gerichtsurteil, in vielfacher und durchaus unterschiedlicher Weise, und zwar weithin ähnlich wie sich auch Private verhalten. Daraus ergibt sich nun allgemein: Es fehlt dem staatlichen Verwalten jene spezifische Qualität, welche es zum Ausdruck einer eigenständigen Staatsgewalt machen könnte, neben Gesetzgebung und Judikative. Da es in einer privat-ähnlichen Weise zwischen diesen beiden Gewalten sich bewegt, könnte es auch im vollen Umfang privatisiert werden, was ja bereits eingeleitet ist und verbreiteten politischen Tendenzen entspricht; darauf ist in einem folgenden Teil noch näher einzugehen. Diese grundsätzliche Privatisierbarkeit, welche hier aus dogmatischen Prämissen entwickelt wurde, nicht etwa aus verbreiteten Vorstellungen verbesserungsfahiger Effizienz, setzt allein schon ein entscheidendes Fragezeichen hinter "Verwaltung als Gewalt". Andererseits zeigt sich auch, an verschiedenen Punkten, dass "die Verwaltung" praktisch nicht selten wirkt als eine antizipierte Gerichtsbarkeit etwa dann, wenn ihre Akte nicht mehr gerichtlicher Prüfung unterworfen werden, oder im Falle von endgültigen Beurteilungsrechten der Verwaltung, wie im Prüfungswesen. Die Gerichtsbarkeit ihrerseits drängt, ihre Funktionserfüllung gewissennaßen in den Verwaltungsbereich "vorverlegend", immer mehr in Räume, welche "eigentlich" (zunächst) der Verwaltung vorbehalten sein sollten. Der seitens der Verwaltung viel beklagte Effekt der

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Zementierung des Verwaltungshandelns durch von ihr zu befolgende Gerichtspraxis weist in diese Richtung. Hier wird die Administration zur Fortsetzerin der Gesetzgebung mit anderen Mitteln auf einern judikativen Umweg: Die Norrninhalte werden von den Richtern erkannt, konkretisiert und sodann der Verwaltung für ihre künftige Praxis vorgegeben. Wiederum aber findet im Grunde nichts anderes statt, als eben doch eine Fortsetzung der Gesetzgebung mit anderen Mitteln. Insoweit läuft ein Vorgang der "Judikati vierung" der Verwaltung ab, die diese gewissermaßen zum Vollzugsorgan der Entscheidungen einer Dritten Gewalt werden lässt, welche dieselbe Dritte Gewalt normförmig vorbereitet hat. Die Gerichtsbarkeit bewegt sich hier übrigens außerhalb ihres eigentlichen Funktionsbereichs, der endgültigen Streitentscheidung, sie wird ihrerseits zu einern eigentümlichen Gesetzgebungsorgan, was ja bereits vielfach erkannt und beklagt worden ist, dogmatisch sich sogar in der Vorstellung von einern "Richterrecht" verfestigt hat. Wenn aber nun die Verwaltung diesem Richterrecht folgt, so ist sie eben auch wiederum nur tätig als Fortsetzerin der Legislative, nicht als eine eigenständige Staatsgewalt. Die eben angesprochene Judikativierung der Verwaltung verläuft übrigens auch noch auf einer anderen Ebene, auf welcher ebenfalls deutlich wird, dass die Gerichtsbarkeit "letztlich" Entscheidungsfunktionen übernimmt, welche häufig der Verwaltung zugeordnet werden. Die Administration stellt eben in ihrer Tätigkeit praktisch oft nur mehr eine verfahrensmäßige Vorphase in einern Prozess dar, der, im wahren Sinne dieses Wortes, sodann bei den Gerichten endet oder doch enden könnte. Auch darin liegt wiederum eine Judikativierung der Administrative, auch hier sieht sie sich, für den Bürger nun sehr deutlich, ihrer Eigenständigkeit als bedeutsame Staatsgewalt beraubt. Und diese Judikativierung vollzieht sich gerade in einer Zeit, welche die Gewaltenteilung doch darin befestigen wollte, dass sie "Verwaltung in gerichtsförmigem Verfahren" im Namen der Gewaltenteilung ausschloss - mit dem Aufhören des Rekurssystems. Geblieben ist davon praktisch in vielen Fällen lediglich eine zeitliche Verschiebung, denn der Richter ist es ja doch, der letztlich entscheidet, der den ganzen Verwaltungsfall wieder aufrollt, und der darin, man mag es wenden wie man will, letztlich "verwaltet", mit einer Endgültigkeit allerdings, welche die Verwaltung für sich nicht in Anspruch nehmen könnte. Zwischen Privatisierbarkeit einerseits, Judikativierung zum anderen, sieht sich die Administrative zunehmend praktisch ihrer Eigenständigkeit entkleidet, sieht man diese beiden Möglichkeiten - und bereits Tendenzen - zusammen, so endet diese Staatstätigkeit zwischen Gesetzen, privater Tätigkeit und Gerichten, wieder in jener traditionellen angelsächsischen Vorstellung von einern weithin privaten Staat, der Verwaltung und Verwaltungsrecht nicht kennt. So konnte denn auch vor wenigen Jahrzehnten jener

III. Fehlen von Verwaltungsbesonderheiten im Polizeirecht

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Lawson, welcher sich rühmen durfte, als erster Verwaltungsrecht nach französischem Vorbild in England bekannt gemacht zu haben, feststellen, in seinem Land sei etwas wie eine "Verwaltung" gar nicht bekannt. Inzwischen ist sie es auch dort geworden, in praktisch-dirigistischem Vorgehen der Staatsgewalt. Doch die Dogmatik des Öffentlichen Rechts hat diesen Weg keinesfalls sicher befestigen können, auch nicht auf dem Kontinent. So könnte es durchaus geschehen, dass eines nicht femen Tages nicht mehr drei Gewalten nebeneinander stehen, sondern nur mehr Legislative und Judikative, unter ihnen, besser: zwischen ihnen, der Bürger. Das Verwaltungsrecht hat sich ja auch in Deutschland spät erst entwickelt und unter ähnlichem Rückgriff auf französische Vorbilder wie später in England. Vorher war da römisches Zivilrecht und Gerichtsbarkeit, nicht aber "Verwaltung als Gewalt". Sollte sie ein historisch vorübergehendes Phänomen bleiben, wenn es ihr nicht bald gelingt, festen dogmatischen Boden zu finden?

IH. Bestätigung des Fehlens von Verwaltungsbesonderheiten im Polizeirecht 1. Polizei: keine "spezifische Verwaltungstätigkeit" lediglich Normvollzug

Das Recht der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ist der unbestrittene Kern des Verwaltungsrechts überhaupt. Wenn sich hier keine grundlegenden, administrativen Besonderheiten feststellen lassen, dann gibt es sie für die gesamte Verwaltung nicht. Versteht man nun den Kern des Rechts der früheren "Polizey" als das Recht der heutigen Verwaltung der Sicherheit und Ordnung, so zeigt sich sogleich, dass gerade hier all das zutrifft, was oben bereits generell festgestellt wurde: Weithin ist die Tätigkeit der Sicherheitsverwaltung eben auch Normgebung. Dies gilt für das gesamte Satzungsrecht, welches diesen Bereich regelt, mögen nun auch nicht wenige polizeiliche Anordnungen als Allgemeinverfügungen, nicht mehr als Normen, verstanden werden. Die bereits getroffenen Feststellungen zur Verwaltungstätigkeit als Kontrolle normkonformen Verhaltens und als Ausnahmegestattung, überhaupt als Entscheidungsaktivität in Räumen eines Beurteilungsermessens der Verwaltung, gelten als täglich Brot gerade für die Sicherheitsbehörden, aber bereits auch der Polizeivollzugskräfte. Diese Aktivitäten konstituieren ebenso wenig "typische Verwaltung", wie dies oben bereits an Beispielen, insbesondere aus dem Baubereich, gezeigt wurde. Die allgemeinen Grundsätze des VerwaltungshandeIns, von der Bestimmtheit bis zur Verhältnismäßigkeit. sind zwar gerade im Sicherheitsrecht histo-

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C. Hoheitsgewalt als Wesen des Verwaltens

risch entwickelt worden, haben sich von dort in die übrigen Verwaltungs bereiche, ja bis in die Tätigkeitsräume der anderen Staatsgewalten hinein, entwickelt. Sie vermitteln aber der Tätigkeit der Gefahrenabwehr, erfolge sie nun "verwaltungsmäßig" oder im Polizeivollzug, nicht irgendeine administrative Besonderheit, welche gerade hier "Verwaltung als Staatsgewalt" erkennbar werden ließe. Vor allem zeigt gerade die besondere Regelung des Polizeivollzugsdienstes, ja es beweist schon dieser selbe Begriff, dass die gesamte Tätigkeit der Verwaltung der Sicherheit und Ordnung, bis hinein in den Einzelfall, ganz wesentlich nicht Ausdruck einer eigenständigen Staatsgewalt ist, sondern lediglich Gesetzesvollzug - eben "Polizeivollzug der Gesetze". In ihm werden jene Einzelfälle in typisch polizeilicher Vorläufigkeit entschieden, welche aber eben auch nicht ausschließliche Domäne der Entscheidungsgewalt der Exekutive darstellen, haben sie doch, gerade hier, häufig ein gerichtliches Nachspiel, das weit mehr ist: die eigentliche, endgültige Entscheidung über die Berechtigung der betreffenden Rechtspositionen. Die Vollzugspolizei greift zwar in besonderer Weise unmittelbar im Einzelfall zu und gewinnt hier Entscheidungselemente aus dessen Realität, aber daraus ergibt sich ebenso wenig eine grundlegende Eigenart administrativen Handeins wie dies oben bereits vertiefend für die Administration generell festgestellt wurde. Besonders streng ist vielmehr gerade im Polizeirecht die Gesetzesakzessorietät des Verwaltungshandelns festgelegt und sanktioniert, ganz deutlich ist sie hier darauf gerichtet, gesetzeskonformes Verhalten auch der Bürger zu gewährleisten, wenn nötig, in typisch polizeilicher Vorläufigkeit "erst einmal zu erzwingen". Gerade jene Polizei also, welche doch Eigengewicht und Eigentümlichkeit des Administrativen verdeutlichen müsste, zeigt nur eines: die strenge Gesetzesakzessorität eines Verwaltens, das in nichts anderem besteht, als in der Sicherung der Gesetzesgeltung - vorläufig. 2. Verwaltung als Vorsorge Im polizeilichen Handeln kommt etwas deutlich zum Ausdruck, was nicht nur für diesen Bereich, sondern für die gesamte Verwaltung als typisch angesehen werden kann: Die grundsätzliche Unterscheidung zwischen repressiver und präventiver Tätigkeit. Bei den ersteren Aktivitäten steht eindeutig die Sicherung der vom Gesetzgeber gewollten Rechtssituationen im Vordergrund, eingegriffen wird erst, nachdem sie gesetzwidrig verändert worden sind, und zur Wiederherstellung des normintendierten Zustandes. Doch gerade darin liegt nicht nur deutlich gesetzesbewährendes, gesetzliche Bewertungen realisierendes, fortsetzendes Tun, damit eindeutige Gesetzesakzessorität des VerwaltungshandeIns. Die Sicherheitsverwaltung, vor allem

III. Fehlen von Verwaltungs besonderheiten im Polizeirecht

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der Polizeivollzug, wird hier auf einem Wege tätig, der auch jedem Privaten offen steht, der gesetzwidriges Tun zur Anzeige bringt, damit sodann die Entscheidungsinstanz aller Repression, der Richter, eingreife und letztlich den Gesetzesvollzug sichere. Gerade hier erweist sich das polizeiliche Eingreifen als ein zwar sehr häufiges, grundsätzlich sich aber von privatem Verhalten gerade nicht wesentlich unterscheidendes Tun. Gewisse Privilegien der Sachverhaltsfeststellung, die dabei die Vollzugskräfte, anders als Private, in Anspruch nehmen können, sind doch der repressiven Zielsetzung derart untergeordnet, dass daraus etwas wie ein "typisches Verwaltungshandeln" nicht abgeleitet werden kann. Diese rein instrumentale Position der Polizei im Bereich der Verwirklichung gesetzesgewollter Zustände kommt deutlich auch organisationsrechtlich darin zum Ausdruck, dass die Polizei hier eben nur als Hilfsorgan jener Staatsanwaltschaft handelt, welche ihrerseits wiederum, und sei sie auch noch ein Organ der Verwaltung, der Dritten Gewalt wesentlich zuarbeitet, nur über sie rechtlich Bedeutsames verwirklichen kann. Aus dieser Repressivtätigkeit, der Ahndung von Gesetzesverstößen und der Wiederherstellung gesetzesgemäßer Zustände, lässt sich also kaum etwas "Verwaltungstypisches" herleiten. Anders mag man schon jene Prävention beurteilen, in welcher die Polizei gefahrenverhütend tätig wird, bereits im Vorfeld von Rechtsverletzungen. Hier wird systematisch und durchgehend Vorsorge betrieben, und man könnte darin etwas wie einen Grundzug verwaltungsmäßigen Handeins überhaupt entdecken wollen. Typisches Verwalten läge dann darin, dass bereits vor Eintritt rechtswidriger Situationen die Staatsgewalt alle erforderlichen Maßnahmen zu deren Vermeidung trifft, was weder dem Gesetzgeber noch der fast immer wesentlich repressiv, aposteriori vorgehenden Judikative aufgegeben wäre. Doch auch Verwaltung als "Vorsorgende Gewalt" kann nicht das Wesen dieses Verfassungs-Pouvoir bezeichnen, noch weniger ausschöpfen. Auch hier wird die Verwaltung, die Polizei vor allem, ja zunächst doch lediglich gesetzes vollziehend tätig, dann eben kann oder muss sie eingreifen, wenn eine "Gefahr droht" - und wann dies der Fall ist, wird wiederum durch gesetzliche Normen und eine reiche diese entfaltende Rechtsprechung festgelegt. Keine Rede kann davon sein, dass es "wesentlich Verwaltung wäre", wenn der Staat schon in irgendeinem weiten Vorfeld möglicher Gefahren oder weiter noch: gesetzwidriger Zustände alle möglichen Vorkehrungen zu deren Verhinderung trifft. Der Verdachtsbegriff ist hier, als ein Zentrum der Rechtsstaatlichkeit, vielmehr besonders ernst zu nehmen: Er verweist alles Verwaltungshandeln in eine Reaktivität, die nicht von sich aus gestalten, sondern das Drohen rechtswidriger Zustände abwarten muss. In diesem Sinne ist also Prävention nichts anderes als vorverlegte, gewissermaßen vorbeugende Repression. Gerade deshalb ist es auch berechtigt, diese bei den

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C. Hoheitsgewalt als Wesen des Verwaltens

Fonnen des Handeins, die vielfach ineinander übergehen, gleichmäßig der Polizei anzuvertrauen. Jener Verdachtsbegriff aber, welcher die Prävention trägt, ist nun gewiss nicht Voraussetzung allen Handeins der Zweiten Gewalt. Wenn sie Gesetze ausführt, wird sie in aller Regel den Eintritt nonnwidriger Zustände nicht vennuten, prognosemäßig vorhersehen, dann bereits eingreifen, sondern eben nur tätig werden, wenn sie nonnwidrige Zustände feststellt. Die Vorfeldaktivitäten der Prävention sind, als typisch polizeiliches Handeln, den meisten anderen Verwaltungstätigkeiten gewissennaßen vorgelagert, sie machen aber nicht deren Wesen aus, unterstützen nur ihre rechtzeitige Wirkung. Mit einer gewissen Berechtigung mag man zwar die Exekutive dann aus dieser ihrer vorsorgenden Tätigkeit heraus als eigenständige Staatsgewalt ansehen, wenn man der Vorsorge bei den Staatszielen und in der Staatstätigkeit eine besondere, vielleicht gar durchgehende Bedeutung beimisst. Davon kann aber nach geltendem Verwaltungsrecht in sehr vielen Bereichen nicht die Rede sein, und es müsste dies bei einem "Vorsorgestaat" enden, der sich mit neueren grundrechtlichen Vorstellungen nicht vereinbaren ließe. Überall sähe sich der Bürger bevonnundet schon in einem von der Verwaltung definierten Vorfeld, dessen Festlegung aber eben doch nur normativ der Gesetzgeber leisten kann, soll dies nicht in grundrechts widrige staatliche Allmacht entarten. Wieder wären hier, wollte man dieses polizeiliche, verdachtgestützte Handeln auf die gesamte Verwaltung ausdehnen, die Grenzen zu einer Wohlfahrtsstaatlichkeit hin überschritten, welche mit den modemen Privatheitsvorstellungen der Freiheitsrechte unvereinbar ist. So liegt es denn auch mehr in gegenwärtiger Entwicklungstendenz, Prävention allenthalben in der Verwaltung eher zurückzudrängen, als sie noch weiter auszudehnen. Der Bürger braucht, wie bereits dargelegt, nicht mehr nach einem "Dulde und liquidiere" zu leben, der Staat aber muss diese Maxime weitestgehend - gewissennaßen umgekehrt - auf sich anwenden lassen: Den Bürger muss er in Ruhe lassen, solange nicht Gefahr deutlich am Horizont auftaucht; und etwas von der allgemeinen Unschuldsvennutung zugunsten des Bürgers schwingt hier sicher in einer Vennutung der Unnötigkeit und damit Rechtswidrigkeit allzu weit vorverlegter Verwaltungseingriffe mit. Der Weg der Freiheit geht eben in die Richtung auf mehr Repression, der der Bevonnundung zu einer Prävention, welche als solche schon deshalb nicht Wesen einer ganzen, großen Staatsgewalt sein kann.

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3. Opportunität: Ein polizeiliches Wesenskriterium des Verwaltungshandeins?

Von jeher steht der Polizei, im Namen geradezu eines herkömmlichen Grundsatzes dieses Rechtsbereichs, ein weites Beurteilungsermessen darober zu, ob sie eingreifen, wie überhaupt sie sich verhalten soll, insbesondere im Präventivbereich. Heute ist es nicht mehr ausdrocklich in den Gesetzen verankert; dass die Staatsorgane aber nur im Rahmen verständiger Prognoseüberlegungen vorzugehen haben, bleibt unangefochtener, übergeordneter Grundsatz all ihrer Tätigkeit. Man könnte nun auch hier versucht sein, eine derartige generelle Prognose- und überhaupt Beurteilungsfreiheit als ein Wesenselement allen Verwaltens anzusehen und damit die Administrative als jene Gewalt zu verstehen, welche eben stets nur aufgrund einer gewissen letzten Opportunitätsbeurteilung tätig wird - sich gerade dadurch etwa von der Judikative unterscheidet, aber auch von einer Legislative, die völlig frei darin ist, ob sie überhaupt, und weitgehend auch noch darin, wie sie tätig werden will. Doch einer solchen Sicht stehen neuere Entwicklungen entgegen. Das Opportunitätsprinzip ist selbst im Polizeirecht weit zurockgedrängt worden. Zur Sicherung wichtiger Rechtsgüter, bedeutsamer freiheitsrechtlicher Grundwerte insbesondere, muss die Polizei nun eingreifen. Prognose hinsichtlich der Eintrittswahrscheinlichkeit der Gefahr mag ihr weiterhin zustehen, nach Abschluss ihres Erkenntnisvorganges aber ist sie, wenn bedeutsame Verletzungen gesetzesgewollter Zustände drohen, zum Eingreifen schlechthin verpflichtet. Hier hat sich die strikte Gesetzesbindung durchgesetzt, gegenüber allen Formen eines Ermessens, welche bei der Polizei lange Zeit weitergehend anerkannt waren als in anderen Verwaltungsbereichen. Es lässt sich wohl sogar sagen, dass die Zunahme der strikten Gesetzesbindung der Verwaltung im Namen der Rechtsstaatlichkeit schließlich auch auf die Polizei beurteilungsverengend gewirkt hat, dort sind die Beurteilungsräume ebenfalls entscheidend eingeschränkt worden. Deshalb bereits kann es nicht angehen, eine derartige Entwicklung allgemein dadurch gewissermaßen wieder umzukehren, dass es als Wesen der Verwaltung erscheint, die sogar aus dem Polizeirecht verdrängte Opportunität schlechthin als Voraussetzung ihrer Entscheidungen einzusetzen. Wenn die Beurteilungsspielräume nicht das Wesen der Zweiten Gewalt ausmachen, die Verwaltung als eine solche konstituieren, so darf Derartiges erst recht nicht aus Erweiterungen einer auf frohere staatliche Verhältnisse zurockgehenden Opportunität gegrondet werden.

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c. Hoheitsgewalt als Wesen des Verwaltens 4. Strenge Gesetzesbindung der Polizei: ein Beweis gegen eigenständige Verwaltungs-Gewalt

Die Bindung der Verwaltung an das Gesetz, ihre Unterwerfung unter die Nonnen, welche sie nur zu vollziehen, zu realisieren hat, ist in den letzten Jahrzehnten für die gesamte Administration wesentlich verschärft worden, im Namen der Rechtsstaatlichkeit; dies zeigt sich vor allem im Zentrum des Verwaltens, im Recht der Sicherheit und Ordnung, insbesondere beim Verhalten der Vollzugspolizei. Aus einem nahezu gesetzesfreien polizeirechtlichen Zustand des 19. Jahrhunderts hat sich eine dichte Polizeigesetzgebung entwickelt, die immer noch weiter verfeinert wird und kaum mehr eine Spur hinterlässt, auf der man sich zu einer "eigenständigen Staatsgewalt Verwaltung" vortasten könnte. Keine Entwicklungstendenz im Polizeirecht lässt, blickt man nun auf Gesetzgebung oder auf diese konkretisierende Gerichtspraxis, auf eine Entbindung der Verwaltung gegenüber dem Gesetz und der dieses entfaltenden Rechtsprechung schließen. Weit näher liegt die Vennutung, dass das Polizeirecht die letzte Materie ist, in welcher sich strikte Gesetzesbindung vollständig durchsetzen wird, dass alles Verwaltungshandeln sich nur mehr in nonnativ geprägten Bahnen vollziehen darf. Die Verwaltung ist dann gewissennaßen die letzte Gewaltausprägung einer früheren gesetzes-unabhängigen Zweiten Gewalt, welche an die Kette des Gesetzes gelegt, an den Willen der Ersten und der Dritten Gewalt gebunden wird, ohne dass ihr eigenständige Entscheidungsräume oder eigenartige Entscheidungsinstrumente zuerkannt würden. Aus dem Polizeirecht heraus kann sich also keine neue "Exekutivmacht" kategorienmäßig entwickeln, die vollziehende Gewalt früherer Tage wird vielmehr in ihrer Selbständigkeit immer mehr verkümmern. Dass alles "Polizeiliche im Handeln aller Verwaltungen" sich zusammenschließen könnte zu einer neuen Einheit der Verwaltung, zur Dogmatik einer einheitlichen Zweiten Gewalt führend, hat im Staat der Grundrechte keine Verwirklichungschance mehr. Dies käme ja aus Vorstellungen einer wohlfahrtstaatlichen Polizey des 18. Jahrhunderts, welche in Wasserpolizei, Wegepolizei, Baupolizei und ähnlichen Staatstätigkeiten noch im 19. Jahrhundert weiterlebte. Damals konnte aus der weiterwirkenden Grundvorstellung einer Wohlfahrtsstaatlichkeit heraus, die insbesondere auch den Vorsorgestaat, den Etat-providence einschloss, die vorgrundrechtliche und vordemokratische Vorstellung von einer einheitlichen Verwaltungsgewalt entwickelt werden, die dann auch "ihren eigenen Gesetzen gehorchte", eben nicht denen, welche die gesetzgebende Gewalt für die Bürgerschaft erließ, welche die Gerichtsbarkeit unter den Bürgern durchsetzte. Immer wieder stößt also diese Betrachtung, wo sie auch Versuchen der Konstituierung einer eigenständigen Administrative begegnet, auf frühere, längst überwundene Vorstellungen, welche in meist unklaren, vorschnell

III. Fehlen von Verwaltungs besonderheiten im Polizeirecht

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vereinfachenden dogmatischen Formeln ihren Niederschlag finden. Aus ihnen aber lässt sich nirgends "Verwaltung als Gewalt" entwickeln. Fast scheint es bereits, als sei "Die Administration" etwas wie ein Rest von Monarchie, die sich in ihrer Einheit aber auch hier nicht halten lässt, nachdem sie sich bereits in den vielfachen Formen der Gesetzgebung weithin aufgelöst, zu etwas ganz anderem gewandelt hat. Mit Vorstellungen jedenfalls jener Gewaltenteilung, die sich nur aus monarchischem Denken erklären lässt, kann man diesen Staat an seiner Spitze heute nicht mehr konstruieren. Denn er kennt zwar das Gesetz und den Richterspruch, er weiß aber nicht, was "verwalten" sein soll. Dies ist nun noch aus einer anderen Sicht zu beleuchten, welche von einem zunächst unjuristisch erscheinenden, aber doch heute noch weitgehend rechtlichen Vorstellungen unausgesprochenen zugrunde liegenden Begriff des "Verwaltens von Eigenem" ausgeht; und auch hier kommen die entscheidenden Erklärungen von Anfang an aus historischer Betrachtung.

D. Verwaltung: "Sich kümmern um Eigenes" I. "Verwalten" nach allgemeinem Sprachgebrauch 1. "Verwalten" und "Verwaltung"

Der Begriff der "Verwaltung" wurde bisher im Wesentlichen zugrunde gelegt entsprechend dem im Öffentlichen Recht herrschenden, wenn auch nur sehr allgemeinen Begriffsverständnis. Es gibt im Öffentlichen Recht eben "Verwaltung" im Sinne eines typisch "rechtlichen" Sprachgebrauchs, der einerseits Anhaltspunkte bereits in den Verfassungen findet, zum anderen in der Jahrhunderte langen Entwicklung eines allgemeinen und verschiedener Materien eines besonderen Verwaltungsrechts. Diese Praxis wird noch immer mit solcher Selbstverständlichkeit fortgesetzt, dass dabei eine eigentlich methodisch sich auch hier stellende Aufgabe in den Hintergrund tritt, welche doch zu Beginn jeder juristischen Begriffsanalyse stehen müsste: Überlegungen darüber, wie denn der "gängige" Verwaltungsbegriff, mit Blick auch auf seine außerrechtlichen Inhalte, bestimmt werden könne. Einem Weg, der demgegenüber bereits einen gesicherten öffentlich-rechtlichen Begriffsinhalt des "Verwaltens" unterstellt, wurde bisher auch bei den vorliegenden Betrachtungen gefolgt; vielleicht ist er aber allzu naheliegend und eher ein Irrweg. Nachdem sich herausgestellt hat, dass die allgemein und so weithin angenommene Begriffsklarheit bei der Bestimmung einer "Verwaltung" des Staates zahlreiche Probleme aufwirft, muss nun doch nochmals weiter ausholend angesetzt werden: bei einem zunächst einmal außerrechtlich verwendeten Begriff des "Verwaltens". Dabei könnte sich übrigens zeigen, dass die weithin unkritische Verwendung des Begriffs "Verwaltung" im Öffentlichen Recht vor allem über ein Problem hinweggegangen ist: ob denn dieses Wort in seiner konzeptuellen Verfestigungswirkung des verwaltenden Tätigwerdens, nicht bereits Vorentscheidungen beinhaltet, welche dem Begriff des "Verwaltens" als solchem gar nicht eigen sind. Insbesondere fragt es sich doch, ob die Verwendung des Begriffs "Verwaltung" nicht eine vorwegnehmende Institutionalisierung des Begriffs des "Verwaltens" beinhaltet, das damit sogleich einerseits eine begriffliche Einheit über vielen, möglicherweise heterogenen Tätigkeiten darstellen, zum anderen aber sogar noch eine organisatorische Trägerschaft zugleich mit einschließen soll, welche an sich der Tätigkeitsbeschreibung des "Verwaltens" gar nicht eigen ist. Wenn die vorliegenden Betrachtungen

I. "Verwalten" nach allgemeinem Sprachgebrauch

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mit den heute herrschenden dogmatischen Strömungen von der Problematik einer organisatorisch oder funktional zu verstehenden Verwaltung ausgehen mussten, so gilt es doch nun hier, einmal die kritische Frage zu stellen, ob nicht bereits in der Verengung des Begriffs, in der Gleichsetzung von Begriffen wie "Verwalten" und "Verwaltung", eine mögliche organisatorische Grundentscheidung mit eingeschlossen gedacht ist, die es aber in Wirklichkeit, etwa im außerrechtlichen Sprachgebrauch, in dieser Weise überhaupt nicht gibt. Auszugehen ist vielmehr zunächst einmal von einem Begriff des "Verwaltens" und es ist zu fragen, ob sich dieser, etwa gar mit begrifflicher Notwendigkeit, sodann zu einem solchen der Verwaltung hochentwickeln oder zusammenschließen lässt. Auf diesem Wege kann vielleicht ein Ansatz gewonnen werden, welcher außerrechtliche Begriffsbestimmung gebührend berücksichtigt; und dann wird es sich allerdings fragen, ob diese mit dem rechtlich präzisierten - oder verengten - Begriff der Verwaltung übereinstimmt oder auch nur in Zusammenhang gebracht werden kann. Dies alles ist, um es noch einmal zu betonen, spätestens an dieser Stelle deshalb erforderlich, weil die bisherigen, gängigen Versuche "Verwaltung" zu bestimmen, insbesondere über den Einsatz hoheitlicher Gewalt oder gewisser typischer Verhaltensweisen der staatlichen Administration, sich als wenig hilfreich erwiesen haben.

2. "Verwalten": Sich beschäftigen mit sich kümmern um Eigenes oder Anvertrautes a) Der außerrechtliche Sprachgebrauch kennt durchaus den Begriff des "Verwaltens". Er verwendet ihn keineswegs nur in einem Sinn, der eindeutig oder gar ausschließlich, vielleicht auch nur stillschweigend, zurückverwiese auf staatliches Verwaltungshandeln. Stets wurde doch "eigenes Vermögen", "eigener Grundbesitz" insbesondere verwaltet, und das frühere eheliche Güterrecht übernahm diesen allgemein-ökonomischen Begriff ins damalige Privatrecht, im Sinne einer intensiven Befassung mit bestimmten Vermögenswerten. Zuzugeben ist, dass die vordringende Politisierung des allgemeinen Sprachgebrauchs, welche gerade auch die Medien befördern, und die noch einer vertiefenden Analyse harrt, unter rechtlichen Gesichtspunkten möglicherweise heute bereits im Geist vieler Bürger dazu geführt hat, dass man eben bei der Verwendung des Begriffs "verwalten" zugleich auch an staatliche Veranstaltungen zu denken mehr und mehr sich gewöhnt. Dennoch gibt es, nach wie vor und vielleicht in zunehmendem Maße, die "Vermögensverwaltung", die "Grundstücksverwaltung", damit aber einen außerrechtlich-ökonomischen Begriff des Verwaltens, der sich sodann fortsetzt bis in ein nunmehr die wichtigsten Bereiche des gesellschaftlichen Le-

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D. Verwaltung: "Sich kümmern um Eigenes"

bens regelndes Gesellschaftsrecht, welches Geschäftsführern und Vorständen eben nun insbesondere die "Verwaltung" des Gesellschaftsvermögens überlässt. Und "Verwaltungsbeiräte" werden auch dort häufig bestellt. Selbst der Sprachgebrauch Frankreichs, aus dem der Begriff der staatlichen Administration kommt, kennt im Gesellschaftsrecht seit langem den Begriff des Conseil d' Administration. Damit ist von vorneherein auch klargestellt, dass es sich bei der Verwaltungstätigkeit nicht allein darum handeln kann, "Eigenes" im Sinne des Sachenrechts zu administrieren. Der Begriff des Verwaltens ist nicht eigentumsrechtlich in dem Sinne geprägt, dass hinter ihm stets die vollen eigentumsrechtlichen Befugnisse stehen müssten. Vielmehr wird er auch erfüllt durch ein Sichbefassen mit "Anvertrautem"; in diesem Sinne ist eben der "treue Verwalter" der Bibel zu einer geistigen Kategorie geworden, längst bevor es etwas wie die heutige staatliche Verwaltung gab. Immerhin aber ist der Begriff des "Eigenen" in einem doppelten Sinne verwaltungskonstitutiv: zum einem muss hinter ihm die Zuordnung des "Verwalteten" zu einem Rechtsträger im Sinne eines wie immer verstandenen Eigentums stehen, zum anderen muss es gerade zur "Verwaltung" dem Eigentümer zustehen oder von ihm dem Administrator überlassen worden sein. Es kann also eigentlich, weil eben Verwaltung Eigentum voraussetzt, und zwar wo immer von jener die Rede ist, nur in einer eigentumsgeprägten Ordnung überhaupt etwas geben wie "Verwaltung", daher auch lediglich in so hoch entwickelten Rechtsordnungen, dass dort der Begriff des "Eigenen" mit einem wenigstens minimalen Sinn erfüllt werden kann. In diesem Sinne hatte der frühere sowjetische Verwaltungs begriff, der aller marxistisch geprägten Rechtsordnungen überhaupt, insoweit stets etwas Problematisches, als er eigentlich nur auf die einigermaßen theoretische Annahme eines Volkseigentums gestützt werden konnte, welches sodann von Staatsoder Gesellschaftsorganen zu verwalten war - wobei die Tätigkeit der letzteren Kategorie eigentlich den Normalfall und eines Tages den Endzustand darzustellen hatte, damit doch etwas von dem Eigentumsbezug zwischen verwaltetem Gut und verwaltenden Instanzen noch erhalten bleiben konnte. Im Folgenden wird also immer zu fragen sein, wie sich unter Eigentumsgesichtspunkten die Tätigkeit der Zweiten Gewalt in einer Demokratie verstehen lässt, wenn sie denn überhaupt noch Anschluss an außerrechtliche Begrifflichkeit halten oder wieder gewinnen will. b) Ein weiteres Begriffselement lässt sich wohl einem außerrechtlichen, insbesondere ökonomisch geprägten Verständnis des Begriffs des Verwaltens entnehmen: Es muss sich um eine intensivere Befassung mit den betreffenden Verwaltungsgegenständen handeln, nicht jeder beeinflussende Kontakt mit ihnen kann bereits als "verwalten" verstanden werden. Irgend-

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wie steht hinter diesem Begriff etwas wie eine Vorstellung von jenem guten Hausvater, dem pater familias des römischen Rechts, hier nun einmal verstanden in seiner nicht nur strikt personenrechtlichen, sondern auch wirtschaftlichen, familienrechtlichen Verantwortung. Am ehesten lässt sich Derartiges umschreiben mit der Vorstellung von einem "sich Kümmern" um Erhaltung und Entwicklung, eben einfach um das "Schicksal" der eigenen oder anvertrauten Gegenstände. Zu berücksichtigen ist dabei allerdings, dass der Bezug eines solchen Verwaltens nicht notwenig ein eng sachenrechtlicher sein muss, im Sinne des Numerus clausus des geltenden Zivilrechts. Von Verwaltung ist durchaus auch dort die Rede, wo irgendeine Aufgabenerfüllung stattfindet, welche eben als solche anvertraut ist und eine gewisse Weite der Verantwortung einschließt. Andererseits wird man aber, will man die Verbindung zu diesem gängigen außerrechtlichen Sprachgebrauch halten, die Beziehung zu einem Verwaltungsgegenstand nicht völlig bei solcher Tätigkeit lösen dürfen, es bleibt eben immer doch letztlich der eigene oder anvertraute Gegenstand, auf den sich diese intensive Befassung bezieht.

3. Verwalten: nicht volles" Verfügen" a) In einem unterscheidet sich diese Verwaltungs-Verantwortung doch deutlich von Grundvorstellungen allen Eigentums: Sie setzt nicht notwenig ein globales, durchgehendes Verfügungsrecht über die zu verwaltenden Gegenstände, im weiteren Sinn des Wortes verstanden, voraus. Verwalten und Verfügen sind auch außerrechtlich durchaus unterschiedliche, vielleicht in gewissem Sinne sogar gegensätzliche Begriffe. Der "gute Verwalter" hat mit dem Pfund zu wuchern, aber nicht darüber einfach zu verfügen in dem Sinne, dass er es aufgeben oder gegen ein anderes eintauschen dürfte. Hier zeigt sich, dass dem zu Verwaltenden nach außerrechtlichem Sprachgebrauch etwas wie eine, insbesondere ökonomisch-wertmäßig zu verstehende, Selbständigkeit gegenüber den Rechten des Verwalters, zusteht. Dieser mag es umschichten, Geschäfte mit ihm machen - wesentlich ist diesem Begriff des Verwaltens stets etwas wie jene Unantastbarkeit, welche im Stiftungsrecht ihre besondere, traditionelle und historisch höchst bedeutsame Ausprägung gefunden hat: der Administrator einer Stiftung ist der Prototyp dessen, was man unter dem Verwalter anvertrauten Gutes ganz allgemein versteht. In diesem Sinne hat denn auch das Recht den Begriff des Verwaltens weniger geprägt, als vielmehr in seinen zentralen außerrechtlichen Elementen übernommen und in seinem Bereich präzisiert. Es ist dies eben gerade nicht die grundlegende Verfügungstätigkeit über Eigenes oder Anvertrautes, sondern etwas wie ein laufendes Sich-darum-Kümmern, mit dem Ziel einer sorgsamen Bewahrung des Eigenen und insbesondere des Anvertrauten. 8 Leisner

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D. Verwaltung: "Sich kümmern um Eigenes"

Darin variiert dann der Begriff des Verwaltens, wie ihn das Recht rezipiert hat, von den laufenden Angelegenheiten der Verwaltung, wie sie dem Bürgermeister obliegt, bis hin zu einem Verhalten der zivilrechtlichen diligentia quam in suis, welche jeder Eigentümer bei der Verwaltung ihm gehörigen Gutes im Einzelnen sinnerfüllen, aber doch als solche nicht vollständig vernachlässigen darf. Wiederum allgemeinem Sprachgebrauch entsprechend werden denn auch die Befugnisse des "Verwaltens des Eigentums" getrennt - wenn auch nicht immer in voller Klarheit - von denen der Nutzung desselben. Letztere realisiert die eigentliche enge Eigentumsbeziehung zwischen Gut und Eigentümer, sie drückt die Interessenverbindung dieser Zuordnung aus, ist als solche eben interessengeprägt, aus der Sicht des Eigentümers wie des verwalteten Gutes, das nicht rechtswidrig , unter Vernachlässigung der Belange der Allgemeinheit, genutzt werden darf. Das Verwalten eines Eigentumsgegenstandes dagegen unterliegt als solches, wenn überhaupt, einer jedenfalls erheblich weniger intensiven Sozialbindung als die Nutzung; denn in diesem Begriff des Administrierens liegt ja bereits die als selbstverständlich unterstellte Verpflichtung, das Gut in verantwortungsvoller Verwaltung als solches zu erhalten, wenn möglich zu mehren. Da dies aber rein güterbezogen, noch nicht nutzungsorientiert zu verstehen ist, kann ein derartiger Begriff des Verwaltens, der klar abzugrenzen ist von dem des Verfügens, wie bereits dargelegt, andere Belange, etwa die der Allgemeinheit, durchaus nicht in gleicher Weise berühren, wie dies bei einer rücksichtslos durch Eigeninteressen bestimmten Nutzung droht. b) Zusammenfassend ergibt sich also aus einer näheren Analyse des außerrechtlichen Begriffs des Verwaltens, dass diesem zwei wesentliche Begriffselemente eigen sind: - Einerseits ein gewisser Eigentumsbezug, zwischen dem zu verwaltenden Gut, der zu administrierenden Befugnis einerseits, dem verantwortlichen Verwalter andererseits; dieser Bezug muss ursprünglich auf Eigentum gegründet sein, wie immer das verstanden wird, setzt aber die unmittelbare Eigentumsbeziehung zum Verwalter nicht voraus, der vielmehr gerade auch Verwalter des vom Eigentümer anvertrauten Gutes sein kann. Letztlich aber muss dahinter immer ein Eigentumsbezug stehen, der eben dieses Anvertrauen trägt. - Andererseits gehört es zum Begriff des Verwaltens, dass etwas stattfinden muss, wie eine grundsätzliche Substanzerhaltung des Verwalteten, des eigenen oder des anvertrauten Gutes. Insoweit steht freilich der Eigentümer freier als der beauftragte Verwalter, als jener das Gut auch bis zur Nutzlosigkeit, ja bis zur Zerstörung "herunterverwalten" kann; hier zeigt sich, dass der eben erwähnte Eigentumsbezug doch auch für den Begriff des

I. "Verwalten" nach allgemeinem Sprachgebrauch

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Verwaltens primär ist. Denn anvertrautes Gut muss eben "auf Bewahrung hin" grundsätzlich verwaltet werden, damit aber gewinnt der Verwaltungsbegriff als solcher, in einem engeren Verständnis, jenen wesentlich bewahrenden Inhalt, der ihn von der Verfügung deutlich abhebt. Eine rein destruktive Administration, welche auf die Aufhebung ihrer Aufgabenstellung hinarbeitet, widerspricht dem Begriff der gängigen, aus dem allgemeinen Sprachgebrauch abzuleitenden Verwaltung. 4. Verwalten: Profitorientiertes Management? Der Begriff des Verwaltens hat in letzter Zeit im außerrechtlichen Sprachgebrauch eine durchaus neuartige Akzentuierung erfahren: Gerade im ökonomischen Bereich, aus dem das "Verwalten" außerrechtlich stets wesentlich sinnerfüllt worden ist, spricht man nun häufiger von Management. Dieser Begriff ist noch weit weniger sachenrechtlich/eigentumsrechtlich geprägt, als der des Verwaltens nach herkömmlicher Begrifflichkeit. In ihm liegt eine Ausweitung einerseits in Richtung auf das Unternehmerische, in welchem die Verantwortung für Vermögenswerte gewissermaßen aufgeht - von der Verwaltung betrieblicher Vermögensgegenstände zur Verwaltung des Unternehmens als solchen. Zum anderen vollzieht sich darin eine Erweiterung von Verwaltungsbefugnissen, die nun in den Bereich wesentlicher Verfügungen, von Umschichtungen, ja Fusionen, erstreckt wird. Angelsächsischer, bewusst auf Virtualität und Flexibilität zielender begrifflicher Weite, wenn nicht Unklarheit, entspricht eine solche Entwicklung, welche eben auch das "Verwalten" von einer agrarisch-sachenrechtlich geprägten Statik in eine unternehmerisch-dynamisch orientierte Tätigkeit wandelt, in welcher sich dann auch die Unterschiede zwischen Eigenem und Anvertrautem verwischen, das Letztere immer mehr an Bedeutung gewinnt; die gesamte modeme Wirtschaft ist heute schon weitestgehend eine solche des Managements anvertrauter Güter. Aufgehoben ist allerdings die Eigentumsbindung auch in diesem Verständnis keineswegs, die Owners, die Shareholders sind voll eingebaut in diesen dynamischen, erweiterten Managementbegriff, über ein ebenfalls völlig neu verstandenes, der Dynamik des Management angepasstes Controlling üben sie oft, übt das Management über sich selbst eine Überwachung der Verantwortung für das anvertraute Gut aus. Der oben erwähnte Eigentumsbezug bleibt also, über all dieser Dynamik, doch noch deutlich erhalten - eine Selbstverständlichkeit in einer amerikanisierten, damit aber zentral auf Eigentum ganz selbstverständlich gestützten Wirtschaft, mag auch dieses Eigentum in einer Weise mobil geworden sein, dass seine lastende frühere Statik kaum mehr gefühlt und daher auch für sozialisierende Gegenbewegungen immer weniger angreifbar wird. S*

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D. Verwaltung: "Sich kümmern um Eigenes"

Auch das zweite oben erwähnte Begriffselement, das der Erhaltung des zu verwaltenden Gutes, wird in dieser Art von Management nicht vernachlässigt, es wird nur dynamisiert, aktiviert, in neue Entwicklungsdimensionen hinein erweitert. Es geht nun nicht mehr einfach um die Erhaltung irgendwelchen Kapitals, das nach Managementvorstellungen bereits der Anfang von dessen Ende darstellen würde. Vielmehr muss dieses entfaltet werden in eine Richtung, vor allem: Mehr Profit. Modemes Management lässt sich, wenn überhaupt, definieren als ein aktives Verwalten in Richtung auf mehr Gewinn. Damit ist ein spezifisches Ziel des Administrierens gesetzt, dessen Begriff aber als solcher keineswegs aufgegeben oder auch nur wesentlich verändert. Aus profitorientiertem Management als Aktivierung des Verwaltens wird sich vielleicht geradezu ein neues Element dieses Begriffes gewinnen lassen, sogar für non profit-Aktivitäten: Immerhin bezieht sich diese Gemeinnützigkeit nur auf die letztliche Verwendung des Gewinns, vorgängige Profitmaximierung verlangt auch sie. Die Profitorientierung allen Managements ist doch bereits so tief im ökonomischen Bewusstsein verankert, sie hat von dort aus die allgemeinen Vorstellungen der Bürger in einer Weise geprägt, dass es heute nicht mehr nur ratsam, sondern wohl bereits notwenig erscheint, diese Dynamik hin zu mehr Profit in den Begriffen sachgerechten Verwaltens, in den der Verwaltungstätigkeit überhaupt, mit aufzunehmen. Aufgabe der folgenden Betrachtungen wird es nun sein zu prüfen, ob sich ein derartiger Begriff des Verwaltens, der heute ersichtlich dem allgemeinen Bewusstsein entspricht, wenn nicht schon zugrunde liegt, auf das staatliche Verwaltungsverhalten übertragen lässt, ob es sich mit Begrifflichkeiten wie Eigentum, Anvertrautem, zu Bewahrendem, Profitorientiertem verstehen oder vielleicht gar definierend abgrenzen lässt. Daran schließt dann die weitere Frage an, ob sich aus solcher Verwaltungstätigkeit vielleicht gar noch organisationsrechtliche Verfestigungen im Sinne der Feststellung dessen gewinnen lassen, was denn nun eine "Verwaltung" sei, welche Derartiges wesentlich betreibe. Zuzugeben ist, dass damit die staatliche Verwaltungstätigkeit unter Gesichtspunkten betrachtet wird, welche bisher in der Verwaltungsdogmatik keine entscheidende Bedeutung gewinnen konnten, ja kaum je als solche ihrer Betrachtungen zugrunde gelegt wurden. Doch nachdem sich ein Verständnis aus typisch-herkömmlichem Verwaltungs verhalten, vor allem auch aus dem Einsatz von Instrumenten hoheitlicher Gewalt, nicht als fruchtbar erwiesen hat, bleibt nur dieser Weg.

11. Staatliches Verwalten aus feudalem Obereigentum

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11. Die Entwicklung des staatlichen Verwaltens aus dem lehens/feudalrechtlichen Obereigentum und der Verantwortung für "Land und Leute" 1. Der lehens/feudalrechtliche Eigentumsbegriff

Dass das Mittelalter einen Begriff des staatlichen Verwaltens im heutigen Sinne nicht kennen konnte, ergab sich schon daraus, dass damals politische, heute als öffentlich-rechtlich bezeichnete Beziehungen in den vor allem personenrechtlich geprägten Rechtsformen zwischen den feudalen Gewaltträgern organisiert waren. Jeder von ihnen ordnete seine eigene oder die ihm anvertraute politische Gewalt nur entsprechend den Bedingungen, unter welchen er sie entweder selbst ergriffen hatte oder sie ihm anvertraut worden waren. Immerhin stellte das Lehensrecht eine ausgebaute Ordnung zur Verfügung, in welcher der Beliehene dem Lehengeber Gegenleistungen schuldete und deshalb auch die Bewahrung der ihm anvertrauten Macht und deren Grundlagen. Doch eine Kontrolle im heutigen Sinn über die Ausübung dieser Verantwortung fand nur in Ansätzen statt, und eben daraus entwickelte sich dann das immer selbständigere Territorialfürstentum, bis hin zum Absolutismus. In dessen beginnender Hochzeit, im 17. Jahrhundert, wurde auch die sich entfaltende territoriale Staatsgewalt sich ihrer Verantwortung für Anvertrautes bewusst - aber nicht mehr so sehr gegenüber einem anvertrauenden Höheren, als vielmehr gewissermaßen "sich selbst gegenüber", gegenüber der eigenen Familie. Ausgangspunkt war der lehens/feudalrechtliche Eigentumsbegriff, der sich damals zu einer Kategorie verdichtete, aus welcher sich dann die Anfange der modernen Verwaltung entwickeln sollten: das Obereigentum der Fürsten und ihr "privates" aber politisch gewonnenes und administriertes Eigentum. Dieser politische Eigentumsbegriff des einsetzenden Absolutismus brachte jene beiden Begriffselemente gleichmäßig zum Tragen, welche als Inhalte des Begriffs des Verwaltens allgemein im vorstehenden Kapitel herausgearbeitet worden sind und sich durchaus mit privaten Verwaltungs vorstellungen damals sich entfaltenden Bürgereigentums vereinbaren ließen: Da war zum einen die Vorstellung von einem "eigenen Gut", welches aus eigenem Recht erworben und besessen erschien, wohingegen die ursprünglichen Beleihungen durch die kaiserliche und bald auch die fürstliche Gewalt in ihrer Bedeutung verdämmerten, letztlich nicht mehr anerkannt wurden. Es trifft also nicht zu, dass eine Vorstellung vom "freien Eigentum" sich erst in der Französischen Revolution und im Anschluss an diese im bürgerlichen Bereich entwickelt hätte. Vorgeformt war dies bereits in der Wandlung des lehensrechtlichen zum feudalrechtlichen Eigentum der absolutisti-

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D. Verwaltung: "Sich kümmern um Eigenes"

sehen Territorialfürstenzeit. Mit ihr nahmen die Monarchen, wie auch bereits der unter ihnen stehende Adel - und dies war praktisch noch weit bedeutsamer - echtes konkretes Grundeigentum und darüber noch hinausgehendes Boden-Obereigentum in vielfachen Berechtigungen für sich schlechthin eigentumsrechtlich in Anspruch. Damit waren Begriff und Gegenstand des zu Administrierenden entstanden, und zwar in einem Bereich, der diese Verwaltung mit jener politischen Macht organisierte, welche eben damals dem Fürsten, dem Adel und der Kirche zur Verfügung stand. Aus der Entstehung von Gegenstand und Macht eines geordneten Verwaltens ergab sich - die öffentliche, die feudale Verwaltung. Aber auch das zweite wesentliche Begriffselement aller Administration in einem allgemeinen Verständnis prägte sich bereits in diesem Feudalrecht aus: bewahrendes Verwalten. Das Feudaleigentum stand nicht dem Chef eines adeligen Hauses zu, es gehörte dem Haus als solchem; letztlich galt dies auch für die territorialfürstlichen Häuser, mochte dort auch die Macht des Chefs des Hauses in besonderer Weise gesteigert sein. Auch ihm oblag die selbstverständliche Verpflichtung, das ihm Überkommene, von ihm Gemehrte nicht zum eigenen Ruhm nur, sondern zu allererst für seine nächsten und ferneren Nachkommen, eben für das Haus, zu erhalten - das heißt aber: zu verwalten. Fremdes war hier ja dem Fürsten anvertraut, von ihm nicht zu Besitzendes und zu Vererbendes, Güter und Berechtigungen, die in ganz eigenartiger, eben typisch feudaler Weise, nicht etwa übergingen, sondern immer "im Hause blieben". Die Maxime "der König ist tot, es lebe der König" bedeutete in diesem Sinne noch weit mehr als eine römisch-rechtliche Universalsukzession hätte bringen können: Der Träger dieses zu verwaltenden Eigentums, das Haus, wechselte eben letztlich überhaupt nicht. Damit war Verwaltung als wesentlicher feudaler Ausfluss des neuentwickelten Eigentumsrechts entstanden. Es ist daher weder eine besondere historische Leistung noch eine unerwartete Wende, sondern die ganz selbstverständliche Fortsetzung einer politischen Entwicklung, dass sich im Frankreich Ludwigs XIV. die ersten systematischen Anfänge einer Administration allenthalben entfalteten. Bedeutsam sollte dies nur in einem Sinne historisch werden: in der Ausweitung dieses Eigentumsgegenstands auf weitere politische Rechte und Verantwortungsbereiche; davon wird noch zu sprechen sein.

2. Das feudalrechtliche Obereigentum Zunächst einmal fand aber diese neue, im heutigen Sinne bereits "öffentliche Verwaltung", ihren Gegenstand, um den sie sich kümmern konnte und musste, durchaus in festen eigentumsrechtlichen Positionen, wie sie

II. Staatliches Verwalten aus feudalem Obereigentum

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auch heutigem Verständnis geläufig sind. Der Adel wie die Kirche hatten so umfangreichen Grundbesitz erlangt, auf welchen Wegen auch immer, dass hier nun eine systematische eigentumsordnende und -bewahrende Organisation unbedingt erforderlich erschien, schon angesichts der Stabilität, welche dieser Grundbesitz, trotz manchen Tausches und häufigen familienbedingten Wechsels aufwies. In dieser "Gutsverwaltung" - eben der früheren Form der Eigentums-Güterverwaltung - ist wohl ein wesentlicher Ausgangspunkt dessen zu sehen, was sich später zur staatlichen Administration entwickelt hat. Und wenn noch im 19. Jahrhundert Gutsbesitzer in Preußen häufig zugleich jene Landräte waren, denen die staatliche Verwaltung anvertraut war, so ergab sich dies ganz natürlich aus materiellen und organisationsrechtlichen Erfahrungen dieser Gewaltträger, welche sie bereits in ihrem nicht privaten, sondern halböffentlichen feudalen Besitz gemacht hatten; und ihre "gutsverwaltenden Beamten" wurden dann ganz natürlich zu staatlichen Beamten - wiederum eben stets einer "Administration". Über dieses grundbesitzmäßig fest zugeordnete private Eigentum hinaus hatte sich jedoch seit dem Mittelalter eine reiche Palette von ObereigentumsRechten entfaltet, insbesondere in den wirtschaftlich so wichtigen Bereichen der Jagd- und Fischereiregalien. Diese und andere grundsätzlich den Feudalherren zustehenden, wenn auch von ihnen weiterzuverleihenden Berechtigungen - eben nach den immer noch wirkenden Grundsätzen des Lehens/Feudalrechts - bedurften nun erst recht dort einer "Verwaltung", wo sie nicht mehr von dem Grundherren oder dem Monarchen selbst, sondern für ihn und zu seinem Nutzen von anderen, von Privaten, ausgeübt wurden. So entstanden die Regal-Verwaltungen, von den Gewässern bis zu den Bodenschätzen, in oft unklarem Gemenge zu polizeiähnlichen Oberaufsichts-, ja Eigentumsrechten an Straßen, Brücken und Wegen. Nicht umsonst sind gerade diese Verwaltungen der Forsten, der Jagden, der Gewässer und des Bergwesens bedeutsame Ausgangspunkte aller moderner Verwaltungstätigkeit geworden. Es war eben wirklich ein systematisches Sich-Kümmern der Feudalherren um Eigenes, um Eigentum auch im heutigen Sinn, welches aber nicht zum Nutzen irgend welcher Dritter, etwa der Bürgerschaft primär, sondern zum Nutzen eines Eigentümers erfolgte, der diese Verwaltung seinen Agenten anvertraute, seinen - Beamten, von denen noch zu sprechen sein wird. Zunächst aber drängt sich die Betrachtung einer entscheidenden Erweiterung dieses "zu verwaltenden Feudaleigentums" auf:

3. Die Abgaben-Regalien als Gegenstand des Verwaltens Auch die Erhebung von Abgaben verschiedenster Art hatte die Monarchie absolutistischer Zeit zu Vorrechten der Herrschenden erklären können. Der Wandel von den durch die Bürger bewilligten Beiträgen zu den Rega-

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D. Verwaltung: "Sich kümmern um Eigenes"

lien, welche eben an sich bereits den Fürsten und auch anderen Adeligen zustanden, hatte gewiss eine mächtige, geradezu verfassungsrechtlich revolutionierende, aber im Wesentlichen leise vollzogene Revolution der Machtverhältnisse gebracht. Sie wieder rückgängig zu machen, war ja sodann ein Hauptanliegen der Aufklärung und der Französischen Revolution. Längst vor deren Erfolgen hatte jedoch nicht etwa die königliche Staatsgewalt, sondern die im Absolutismus zu höchst gesteigerte feudale Fürstengewalt eines Ludwigs XIV. gerade im Abgabenbereich mit der Schaffung einer regelrechten Verwaltung dieses ihr Regal in eindrucksvoller und nicht wieder rückgängig zu machender Weise befestigt. Damit war etwas entstanden, was kurz darauf geradezu der Prototyp der staatlichen Verwaltung werden sollte: die Erhebung der Steuern und Zölle. Hier nun war eine so allgemeine Verwaltung von "Eigenem" in systematischer Weise entstanden, dass sich die Beschäftigung mit dem "Eigentum" des Monarchen, welches eben das Steuererhebungsrecht darstellte, immer weniger deutlich unterscheiden ließ von einer Befassung des Staates mit "allgemeinen Angelegenheiten der Bürgerschaft". Auch heutiger Betrachtung muss aber stets gegenwärtig bleiben, dass sich in dieser, der entscheidenden Entwicklung der modemen Administration wiederum stets nur eines ausdrückt: ein Sich-Kümmern um Eigenes, das vom Eigenen des Fürsten nun zum Eigenen des Staates geworden ist. Als Eigentum des Monarchen ließ es sich nun allerdings noch einigermaßen, nach Grundsätzen eben der Regalien, definieren und abgrenzen. Höchst fraglich ist jedoch, wie der Begriff des ,,sich-Befassens mit eigenen Angelegenheiten" dann zur näheren Bestimmung der Verwaltung eingesetzt werden kann, wenn hier die Eigentumsvorstellungen und der Gedanke der Bewahrung des Erworbenen/Übertragenen, der im Absolutismus durchaus noch lebendig war, kaum oder gar nicht mehr fassbar sind: beim Staat. Diesem Problem wird noch nachzugehen sein.

4. Die wohlfahrtsstaatliche Verwaltung: Sich-kümmern um "eigenes Land, eigene Leute" Mit der Entwicklung der Abgabenverwaltung war zwar ein entscheidender Schritt in Richtung auf die Ausweitung des fürstlich-feudalen Eigentums über ein allgemeines Abgaben-Regal hinaus gelungen, doch zugleich rief dies die nicht mehr zu beschwichtigende Kritik hervor, auf diese Weise seien Rechte der Allgemeinheit, der Bürgerschaft, der Gemeinschaft schlechthin von den Herrschenden usurpiert worden - die vorrevolutionäre Kritik am Königtum als dem großen Usurpateur knüpft eben daran an. Das Territorialfürstentum versuchte, im Ergebnis zu spät, gegenzusteuern mit einer Vorstellung, nach welcher es eben grundlegende Verantwortung für

11. Staatliches Verwalten aus feudalem Obereigentum

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sein eigenes Land, für die Bürger als "seine Leute", zu übernehmen habe. Fürstliches Eigentum, dergestalt verstanden als Verantwortung für das gemeine Beste, war dann erst recht wiederum einer Verwaltung fähig, ja bedürftig. Sie war nun aber auszuüben nicht mehr nur im Interesse der Monarchen, sondern vorwiegend, wenn nicht ausschließlich zugleich in dem der Bürgerschaft, am Besten für Monarchen und Bürgerschaft zugleich, repräsentiert durch den beides überwölbenden Staat. Der Wohlfahrtsstaat war es, in welchem Begrifflichkeiten wie das Obereigentum, die Regalien bis hin zum Abgabenregal und die Verantwortung für einen neu konzipierten Staat des gemeinen Besten zusammenfanden, zu einer neuen Vorstellung von einem "Eigenen". Die Fürsten nahmen es zunächst noch immer für sich in Anspruch, aber eben nicht mehr im Sinne eines zu nutzenden Eigentums, sondern eines nur mehr verantwortlich zu verwaltenden. In der Vorstellung vom Fürsten als dem "Ersten Diener seines Staates", welche ja bereits vorgeprägt war in den vergeblichen absolutistischen Versuchen Ludwigs XIV., sich noch selbst als eben diesen Staat hinzustellen, kommt eine Verallgemeinerung des Begriffs des zu verwaltenden "Eigenen" zum Ausdruck. Es hätte dann zum "Eigenen des Staates" werden sollen, werden müssen, - hätte nicht der Wohlfahrtsstaat vorzeitig dem vordringenden Liberalismus Platz machen müssen. Im Wohlfahrtsstaat mochte dieses zu verwaltende Eigene noch immer als eigentumsgestützter Verantwortungsbereich der Monarchie erscheinen können, selbst wenn nun ein mehr oder weniger imaginärer Staat als sein Träger erschien. Da jedoch der Liberalismus dem Staat das Eigentum grundsätzlich streitig zu machen begann, im Namen des neuentwickelten reinen Bürgereigentums Privater, ging dem Verwaltungsbegriff die entscheidende Stütze jenes "Eigenen" verloren, um das sich Administration zu kümmern hatte. Historisch betrachtet hängt damit, seit dem Ende wohlfahrtsstaatlichen Denkens, das sich ja noch bis ins 19. Jahrhundert hinein erhalten konnte, eine Verwaltung gewissermaßen "in der Luft", welche sich nicht mehr dem verpflichtet fühlen kann, was sie im 17. und 18. Jahrhundert hatte entstehen lassen und legitimieren können, wenn auch in vielfach bestrittener Weise. So beginnt mit dem 19. Jahrhundert die Problematik einer Zweiten Gewalt, die sich nicht mehr stützen kann auf jenen allgemeinen, außerrechtlichen, noch immer durchaus herrschenden Begriff des Verwaltens, das auf eine Betreuung von Anvertrautem mit dem Ziel seiner Bewahrung konzentriert ist. Es wird nun im Folgenden zu fragen sein, ob sich eine solche "Befassung mit Eigenem des Staates" als Wesen gegenwärtigen Verwaltens doch noch halten oder gar neu entwickeln lässt.

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D. Verwaltung: "Sich kümmern um Eigenes"

IH. Brücken von der Verwaltung des feudalen Eigenen zu dem des Staatseigenen? 1. Das Berufsbeamtentum eine überdauernde Verwaltungs-Institution

Vom Berufsbeamtenturn wird von seinen Historikern wie seinen dogmatischen Verfechtern angenommen, es stelle eine wesentliche Brücke vorrevolutionärer, vorgrundrechtlicher Verwaltung zu moderner Administration dar. In der Tat hat es sich, unter dem Absolutismus begründet, im Spätabsolutismus entfaltet und systematisiert, entwickelt als eine Institution, welche ursprünglich durchaus der intensiven, systematischen Befassung mit fürstlichem Eigentum verpflichtet war, der Verwaltung eben, weshalb die Beamten denn auch derart intensiv als "Fürstendiener" in ihrem Status ausgestaltet wurden, sich selbst als solche fühlten, dass dies bis ins 20. Jahrhundert hinein noch immer nicht verloren gehen sollte. Das viel kritisierte, der Demokratie gegenüber distanzierte Verhalten der deutschen Beamtenschaft nach 1918 erklärt sich weitestgehend daraus, dass diese Beamten sich nach wie vor verstanden als Eigentumsverwalter der feudalen Herrschenden, dass sie ihnen eine Treue bewahren wollten, die sich gerade aus dem bewahrenden Charakter ihres Verwaltens ganz natürlich ergab. Daher ist Verwaltung stets Beamtenturn gewesen und geblieben. Das Berufsbeamtenturn hat aber auch darin eine institutionelle Brückenfunktion in der Entwicklung der öffentlichen Verwaltung erfüllt, dass es gerade diese Fürstendiener waren, die bereits vor der Französischen RevolutIon sich in ihrem Status zu Staatsdienern wandelten. Ganz natürlich nahmen sie als solche die Interessen eines neuen Anvertrauten wahr: die Belange einer Allgemeinheit, welche der Wohlfahrtstaat als Interessen des Staates deklarierte, hinter denen aber im Grunde bereits anvertraute Belange der Bürgerschaft standen. So erklärt es sich denn auch, dass nach dem frühdemokratischen Einbruch der Französischen Revolution gerade das Berufsbeamtenturn die Aufgabe übernahm, ein neu entdecktes "Eigenes" zu besorgen - zu verwalten: die Gemeinschaftsinteressen jenes Staates, der sich im Konstitutionalismus über der Restgewalt des Monarchen und der neu vordringenden parlamentarischer Macht des Bürgertums wölbte. Darin übernahm diese beamtengetragene Verwaltung Aufgaben einer neuartigen Zweiten Gewalt, welche sehr bald weit mehr von ihr als von jenen Fürsten als Machtträgern erfüllt wurden, denen nurmehr wenige Domaines reserves verblieben waren. Die Beamtenschaft ist es daher, in der sich Verwaltung als "Besorgung eigener Dinge", als Bewahrung anvertrauter Interessen, in der allgemeinen Überzeugung befestigen sollte. Über sie konnte der Staat mit seiner Verwal-

III. Brücken vom feudal Eigenen zum Staatseigenen?

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tung geradezu lange Zeit als der Prototyp des Verwaltens schlechthin erscheinen. Private Unternehmen schlossen sich an solche Vorbilder an, bis hin zu vergleichbaren statusrechtlichen Gestaltungen, ja zu verbalen Übernahmen; so gab es denn "Bankbeamte", private "Forstbeamte", "Domänenbeamte" u. ä. mehr. Verwaltung als Besorgung eigener Angelegenheiten hatte hier eine so starke institutionell-organisatorische Verfestigung gefunden, dass gar nicht mehr nach dem eigentlichen Gegenstand dieses Verwaltens gefragt wurde; am Ende des 19. und weit in das 20. Jahrhundert hinein war Verwaltung eben einfach das, was von Beamten erledigt wurde, vor allem, aber nicht nur im öffentlichen Bereich. Doch diese Art von institutioneller Verfestigung der Verwaltungsinhalte konnte nicht auf Dauer gelingen. Brüchig wurde sie mit den Problemen jenes "Eigenen", welches hier im Namen des Staates besorgt werden sollte; und eine Definition von "Verwaltung nach Beamtentätigkeit" hatte auch nie eine überzeugende Antwort darauf geben können, was denn nun jene flächendeckend-Iaufenden Angelegenheiten seien, welche hier erledigt würden. Staatsgewalt aus Eigentum war ohnehin im Zuge der Demokratisierung immer mehr problematisch geworden, und so hatte sich denn schließlich das Beamtenturn selbst zu legitimieren - und dies wurde versucht über einen Begriff der "hoheitlichen Befugnisse", von denen aber bereits nachgewiesen werden konnte, dass sie als solche weder eine Gewalt überzeugend definieren können, noch eben auch eine Beamtenschaft. Diese hatte Verwaltung definieren sollen, nun geriet sie selbst unter Legitimationsdruck und fand keine Stütze mehr in dem, was denn diese Verwaltung eigentlich ausmachen sollte. Als Brücke hat also das Berufsbeamtenturn wohl gedient, vom Absolutismus über Spätabsolutismus und Konstitutionalismus bis in die demokratisch-grundrechtlich geprägte Periode des öffentlichen Rechts; immer wurde, mehr oder weniger kurzerhand, das Verwalten mit ihrer Tätigkeit gleichgesetzt. Doch nun zeigt sich deutlich, dass dies nur gelingen kann, wenn eine Antwort gefunden wird auf die Frage, was denn nun jenes "Eigene" des Staates sei, welches die Beamten konservierend besorgten und ob es denn wirklich ihre Aufgabe sei, hier in derartiger Weise "Staatskapital" verwaltend zu bewahren. Nur dann könnte sich Verwaltung aus Beamtlichkeit definieren, wenn klar wäre, was denn nun notwendig das "Eigene" des Staates sei, um das sich diese seine traditionellen Diener besorgend zu kümmern hätten.

2. Staatseigentum als Gegenstand des Verwaltens? Fürsteneigentum war früher einmal der Ausgangspunkt der Entwicklung einer öffentlichen Verwaltung; die immer weitere Entfaltung des Begriffs

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D. Verwaltung: "Sich kümmern um Eigenes"

zu den "öffentlichen Belangen" hat die allgemeinere, am Ende die ganz allgemeine Verwaltung entstehen lassen, welche das "Wohl der Bürgerschaft" besorgte. Doch ob dies überhaupt definierbar sei, ob sich daraus wirklich etwas "Eigenes" bestimmen lasse, für welches die Verwaltung zu sorgen habe, das ist eine damit noch nicht beantwortete Frage, die sich im nächsten Abschnitt unausweichlich wird stellen müssen, will man Verwaltung im Sinne der herkömmlichen außerrechtlichen Begriffsbestimmung im Öffentlichen Recht definieren. Vorgreiflich mögen demgegenüber hier noch einige Überlegungen geboten werden zu Möglichkeiten, eine solche "Besorgung des Eigenen des Staates" in der Verwaltung dessen zu erkennen, was "Staatseigentum" heute noch sein kann. Im 19. Jahrhundert mochte dies, trotz aller Verallgemeinerung der Staatsaufgaben, noch immer einen gewissen fassbaren Inhalt haben. Damals entwickelten sich neue zentrale Aufgaben in der Staatlichkeit, mit Bahn und Post, und ab dem Beginn des 20. Jahrhunderts entfaltete sich Derartiges rasch in den Formen der alsbald und dann auch in einem zusammenfassenden Begriff umschriebenen öffentlichen "Daseinsvorsorge". Es waren - und sind auch weithin heute noch - dies lediglich gewisse wirtschaftlich relevante Tätigkeiten der öffentlichen Hand, welche das kontinental-europäische Verwaltungsrecht ins Öffentliche Recht übernahm, im Grund aber nur deshalb, weil es öffentliche Organisationsträger waren, welche dies wahrnahmen und deshalb auch in öffentlich-rechtlichen Organisationsformen, ganz natürlich, zur Erledigung dieser Aufgaben tätig wurden. Dass dies etwas "Eigenes" des Staates sei, dass es darum gehe, etwas zu verwalten, weil diese Güter - und Unternehmungen - eben im Staatsbesitz seien, das war allerdings von Anfang an nicht entscheidend. Im Vordergrund stand vielmehr jene Dienstleistung gegenüber der Bürgerschaft, welche das französische Verwaltungsrecht terminologisch leichter mit der Verwaltung in Verbindung bringen konnte, hatte es doch den Begriff des "Dienstes" nicht nur auf die Art der Aufgabenerfüllung, etwa durch öffentliche Bedienstete, reduziert, sondern alle Leistungen, welche der Staat dem Bürger erbrachte, von vorneherein als eben Service bezeichnet. So erschien denn auch die später in Deutschland als Daseinsvorsorge recht allgemein, ja verschwommen umschriebene Staatstätigkeit in Frankreich präziser von vorneherein als Ausübung eines service industriel et commercial, also eben als Betrieb eines Staatsunternehmens. Damit musste sich, früher oder später, die im folgenden Kapitel näher zu betrachtenden Frage der Privatisierungsmöglichkeit oder gar -notwendigkeit stellen. Von Anfang an war ja nicht ersichtlich, weshalb dies denn von einer staatlichen "Verwaltung" geleistet werden solle, oder was denn überhaupt daran "Verwaltung" sei; und übrigens ist das Berufsbeamtenturn gerade dadurch ins Zwielicht geraten, dass es eben auch für die Verwaltung dieser neuen Formen des Staatseigentums, im Falle von Post und Bahn etwa, eingesetzt wurde.

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Damit aber zeigt sich, dass sich ein von vorneherein über eine modeme Daseinsvorsorge tragendes Staatseigentum öffentliche Verwaltung nicht definieren lässt. Hier ist im Grunde nur eine Ausweitung anderer, hoheitlich betriebener, spätwohlfahrtsstaatlicher, "polizeilicher" Verwaltungstätigkeit festzustellen, welche sich ihrerseits kaum mehr als "Verwaltung eigener Angelegenheiten" des Staates legitimieren ließe. Eines jedenfalls ist klar: mit der "Besorgung eigener Angelegenheiten", der "Verwaltung eigenen Gutes" haben all diese Aktivitäten nichts mehr zu tun; sie setzen diese Güter lediglich ein in Widmung zur Dienstleistung gegenüber dem Bürger; Staatseigentums-Verwaltung ist für diese Administration nicht konstitutiv. Dasselbe gilt dann aber übrigens auch für die Reste dessen, was im liberalen, rechtsstaatlichen Gemeinwesen dem Staat noch als Eigentum im Sinne des "öffentlichen Sachemechts" zugestanden wird. Was hier etwa zu "verwalten" bleibt, ist Service-Grundlage aufgrund öffentlich-rechtlicher Widmung, nicht eine Verwaltung von Staatseigentum im eigensüchtigen Interesse des Staates. All diese Veranstaltungen der Betreuung "öffentlich gewidmeter Güter" haben eben den Bezug zur Verwaltung eigenen Gutes im eigenen Interesse längst verloren. Und deshalb ist es auch nur folgerichtig, dass jene Institution des Berufsbeamtentums, deren Tätigkeit traditionell ein Indiz für Verwaltungstätigkeit sein sollte, gerade in diesen Bereichen, bis hin zu den Staatsforsten, immer weniger überzeugend eingesetzt werden kann und daher dort zunehmend durch privat-rechtlich Beschäftigte ersetzt wird. Auf Besorgungen eigener Angelegenheiten kann sich der Staat also bei diesen Formen der Befassung mit Eigenem nicht berufen, will er damit seine "Verwaltungstätigkeit" legitimieren, ihre Formen dogmatisch fassbar ausgestalten. 3. Das marxistisch-kommunistische Staatseigentum als Gegenstand eines "Verwaltens" Nur in einer Konstellation hätte wohl die Möglichkeit bestanden, aus einer eigeninteressenwahrenden Befassung mit Staatseigentum einen Verwaltungsbegriff zu konstituieren: in der marxistisch geprägten, kommunistischen Staatswirtschaft. Dort ging man davon aus, dass die wesentlichen, vor allem sämtliche produktiven Güter, echtes Staatseigentum im Sinne der herkömmlichen Eigentumsvorstellungen seien und daher auch als solche im Eigeninteresse dieses Staates als eines Machtapparates eingesetzt werden dürften, ja müssten. Das "eigene Interesse" dieses Staates fiel zusammen mit jenem gesellschaftlichen Interesse, das er, insgesamt eben doch mit hoheitlicher Gewalt, zu verwirklichen hatte, und damit war die Güterverwaltung in diesem Gemeinwesen die eines staatlichen Eigentums zu staats-

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egoistischen Zwecken, zu denen sie denn auch, bis hin zur politischen Machtentfaltung, ständig eingesetzt wurde und noch immer wird. Was in diesen Ordnungen sich also im wirtschaftlichen Bereich abspielte, war im Grunde echte "Verwaltung" als Fortsetzung der feudalen, vorrevolutionären Verwaltung der absolutistischen Zeit. Nicht umsonst und mit vollem Recht ist denn auch diese Form der Wirtschaftsordnung stets als eine staatsfeudale bezeichnet und kritisiert worden. Hier konnte Wirtschaftsverwaltung im ursprünglichen Sinne ausgeübt werden, damit ließ sich auch eine mächtige, geradezu beherrschende Zweite Staatsgewalt nach herkömmlicher Dogmatik definieren als Besorgung eigener Angelegenheiten des Staates, als Verwaltung seines eigenen Gutes. So paradox es scheinen mag - die marxistisch-kommunistische Staatsordnung kannte eine wirkliche "Zweite Gewalt", sie hätte eine solche, in insoweit eindeutiger Gewaltenteilung, auch neben eine Erste Gewalt der Gesetzgebung und eine Dritte der Judikative stellen können. Unmöglich wurde ihr dies allerdings durch ein weiteres Dogma, auf dem gerade die Konzentration aller Wirtschaftsgüter und ökonomischen Aktivitäten beim Staat beruhte: dass sich nämlich Politik im Wesentlichen über Wirtschaft gestalten lasse, und daher die Erste Gewalt wie die Dritte letztlich nur ein Annex dieser wirtschaftlich beherrschenden Zweiten Gewalt sei. So lässt sich also die erstaunliche Feststellung treffen, dass dort eine Verwaltung als eigenständige, durchaus mächtige Staatsgewalt nicht nur vorstellbar, sondern notwendig war, wo aus eben ihren inneren, ideologisch begründeten Selbstgesetzlichkeiten heraus eine Gewaltenteilung im Übrigen doch wiederum ausgeschlossen erschien. Für die gegenwärtige Dogmatik des freiheitlichen öffentlichen Rechts ergibt sich daraus eine Feststellung: Rechtsordnungen dieser Art können die Legitimation der Exekutive als einer eigenständigen Staatsgewalt aus Staatseigentum, wie sie sich im marxistisch-kommunistischen System als ganz natürlich ergeben mag, nicht zugrunde legen. Dann aber folgt daraus auch e contrario, dass es keinen Weg mehr gibt, aus der "Besorgung eigener Angelegenheiten" in einem durchaus traditionellen, außerrechtlichen Verständnis des Verwaltens, etwas wie "Verwalten" dogmatisch zu bestimmen und als Gewalt zu konstituieren.

IV. Unmöglichkeit einer Bestimmung von "Verwaltung" aus der "Befassung mit staatseigenem Verwaltungs-Gut" 1. Unterschiedliche Verwaltungszielsetzungen

Schon nach den vorstehend dargestellten historischen und politischen Entwicklungen ist es wenig wahrscheinlich, dass sich ein auch nur einigermaßen allgemeiner Begriff des staatlichen Verwaltens aus der Befassung

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mit "Staatseigenem" und in Verbindung mit einer bewahrenden oder gar vermehrenden Zielsetzung hinsichtlich solcher "Güter" entwickeln lässt. Nicht Wirtschafts güter oder Unternehmungen stehen ja als solche im staatlichen Bereich im Vordergrund, sondern Aufgabenerfüllungen, für welche laufend Mittel, insbesondere aus Steuereinnahmen, aufgebracht werden. Jene Zeiten, in denen sich der Staatshaushalt zu einem großen Teil aus den Erträgen des Staatsbesitzes, insbesondere etwa der Forsten, finanzierte, sind längst Vergangenheit. Wenn man jedoch den Begriff des "Sich-Kümmerns um eigenes Gut" in einem früheren Sinne weit auslegt und ihn auch auf all das erstreckt, was einst als Regalien verstanden wurde, insbesondere auf die Abgabengewalt, so erweist sich erst recht, dass sich ein einheitlicher Verwaltungsbegriff so nicht herausarbeiten lässt; denn die Zielsetzungen bei der Verwaltung der einzelnen Kategorien eines derart weit verstandenen "Hausgutes des Staates", das dessen Verwaltung zu betreuen hätte, sind völlig unterschiedlich, aber nur in unwesentlichen Bereichen ist das Verwalten auf eine Konservierung oder Vermehrung des Bestehenden als solchen gerichtet. Bei Sammlungen und Museen, bei der Verwaltung staatlichen Grundbesitzes mag man noch ein derart konservierendes oder vermehrendes "Verwalten des Eigenen" feststellen können. Gerade dies sind aber Bereiche, in denen heute mit Recht die Notwendigkeit gerade öffentlicher Verwaltung bestritten und überdies die dienende Funktion für den Bürger betont wird. In vielen anderen Bereichen der bereits erwähnten "gewidmeten" öffentlichen Güter, geht es von vorneherein nicht etwa um deren Erhaltung oder Mehrung als solche, sondern um einen möglichst effizienten Service, der auf ihrer Grundlage der Bürgerschaft anzubieten ist, von öffentlichen Einrichtungen, wie der Post und Bahn, bis hin zu Verkehrsflächen und ähnlichen Zwecken gewidmeten Gebäuden, ja bis zum Staatseigentum an jenen Gütern, welche der Landesverteidigung dienen. Abwegig wäre es, hier eine Kategorie der "Verwaltung von Eigenem" im Sinne eines Selbstzwecks einsetzen zu wollen. Wieder andere Komplexe von "öffentlichen Gütern" im Sinne früherer Regalien, insbesondere die Besteuerungsmöglichkeiten, wird man wohl heute überhaupt nicht mehr als eine auch nur entfernt eigentumsähnliche Domäne des Staates begreifen können. Diese Rechte sind wieder zurückgeführt worden auf ihre vorabsolutistische Grundlage: von der Bürgerschaft dem Staat zugestandene Rechte der Mittelerhebung für öffentliche Zwecke. Nirgends hat in diesem Kreislauf die "Verwaltung von Staatseigenem" selbständige Bedeutung, nirgends jedenfalls ist darauf typisch verwaltungsmäßiges Tätigwerden beschränkt. So finden sich denn rein konservierende Zielsetzungen neben wirtschaftlichen Optimierungszwecken hinsichtlich des nun wirklich auch im eigentumsrechtlichen Sinne "Staatseigenen", daneben aber wiederum die Aus-

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übung reiner verfassungsrechtlich gestatteter öffentlicher Befugnisse oder das Ziel der Optimierung öffentlicher Widmungszwecke. All diese Zielsetzungen sind in sich völlig heterogen, überall werden, in mehr oder weniger kritisiertem Umfang, Beamte eingesetzt, hoheitliche Gewalt wird zu diesen ganz unterschiedlichen Zwecken in Anspruch genommen. Gerade wenn man also außerrechtlichem Sprachgebrauch und früheren Konzeptionen des "Verwaltens" folgen und Verwaltung aus der Besorgung "eigener Angelegenheiten" heraus definieren wollte, so würde sich eben hier zeigen, dass es einen einheitlichen Begriff dieser Art jedenfalls im öffentlichen, im staatlichen Bereich im weiteren Sinne nicht gibt; ein zu bewahrendes und zu mehrendes "Hausgut der Verwaltung" bleibt unauffindbar. 2. Verwaltungsdefinition aus der "Erfüllung von Staatsaufgaben"?

Der modeme Staat definiert sich schon seit langem nicht mehr aus dem Einsatz eigener Güter, sieht man vom marxistischen Staatsverständnis ab. Aus deren Betreuung hatte er sich schon weitgehend zurückgezogen, bevor ihn noch die im Folgenden näher zu beschreibende große Privatisierungstendenz erfasste. Überspitzt könnte man geradezu sagen: Der Staat der Gegenwart hat nicht Eigentum, sondern Aufgaben; er ist nicht mehr eigen-, sondern nur mehr wesentlich fremdnützig, für seine Bürger. Daran scheitert dann von vorneherein und prinzipiell ein Verwaltungsverständnis, das sich auf die bewahrende Betreuung des "Eigenen" konzentriert. Jedenfalls müsste es erweitert werden in dem Sinne, dass dieses "Eigene" vor allem eben die "eigenen Aufgaben des Staates" wären, diejenigen, von deren Erfüllung sich Private an sich schon ausgeschlossen sähen, oder an deren Erfüllung der Staat andere Rechtsträger hindern dürfte. Geht man aber von einem solchen Verwaltungsbegriff nach Aufgabenstellung aus, so erweist er sich im Sinne eines "eigenen Verwaltungsgutes" als dogmatisch unvollziehbar, jedenfalls ist er es im Sinne der Konstituierung einer selbständigen, verfassungsrechtlich zu umschreibenden Zweiten Gewalt. Denn die Betrachtung müsste hier ja enden in der Untersuchung dessen, was "Staatsaufgaben" oder gar "wesentliche Staatsaufgaben" sein sollten oder gar sein müssten. Nur zu ihrer Erfüllung dürfte dann Verwaltung eingesetzt werden, alles was ihr diente, wäre eo ipso Administration. Doch gerade dies ist ausgeschlossen, und zwar schon aus zwei prinzipiellen Gründen: - Eine überzeugende Definition dessen, was "Staatsaufgaben" oder gar notwenige solche sind, gibt es nicht und wird es aller Voraussicht nach nie geben. Grenzen mögen sich immer wieder aufrichten lassen, bis zu denen allein der Staat in den Grundrechtsbereich des Bürgers im Namen der Erfüllung öffentlicher Aufgaben eindringen darf. Doch sie wechseln mit der Veränderung der allgemeinen, insbesondere wirtschaftlichen Verhältnisse

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und mit den Vorstellungen von den unbedingt zu wahrenden Grundrechtsbereichen. Eindeutige, lange Zeit geltende Festlegungen lassen sich hier schlechthin nicht treffen, noch weniger solche über die Art und Weise, in welcher derartige Aufgaben dann jeweils zu erfüllen wären. Eine Verwaltung aus der Erfüllung von Staatsaufgaben zu definieren, ist ein ebenso unmögliches Unterfangen, wie die Bestimmung dieser Aufgaben selbst, in jenen Einzelheiten, die aber notwendig wären, um daraus einen Verwaltungsbegriff entfalten zu können. - Selbst wenn dies nun aber doch gelänge, so wäre damit nur nachgewiesen, dass "der Staat" sich darum zu bemühen hätte. Offen bliebe jedoch, in welcher Weise dies geschehen müsste, und hier könnten sich ganz unterschiedliche Wege eröffnen: Einsatz der Gesetzgebung allein, deren Sanktionierung allenfalls noch durch die Dritte Gewalt; konzertierter Einsatz von Gesetzgebung und Verwaltung in einigennaßen gleichgewichtiger Fonn; sehr weitgehende Abbürdung der Verantwortung der Aufgabenwahrnehmung auf die Exekutive. In all diesen Fällen wäre aber die Aufgabenerfüllung als solche keineswegs ein Monopol oder auch nur im Wesentlichen ein Privileg der Zweiten Gewalt; immer müsste sie, in einer Fonn oder der anderen, im Rechtsstaat vor allem über die Gesetzgebung erfolgen. Völlig ausgeschlossen wäre es, gerade die Erfüllung wesentlicher Staatsaufgaben allein der Verwaltung zu überantworten und daraus dann einen Verwaltungsbegriff ableiten zu wollen. Damit aber zeigt sich, dass es schon deshalb keine Definition des öffentlichen Verwaltens aus der "Besorgung eigener Angelegenheiten" geben kann, weil dies vor allem Aufgabenerfüllung bedeutet, eine solche aber in ihrer Definierbarkeit noch tiefer im Dunkeln liegt, als sich dies bisher bereits beim Verwaltungs begriff als solchem gezeigt hat. 3. Verwaltungsorganisation: nicht nach der "Betreuung eigener Angelegenheiten"

Hinzu kommt dann noch, dass die bunte Unterschiedlichkeit der heute vom Staat erfüllten Aufgaben sich nicht nur in den Tätigkeitsfonnen, sondern auch bereits in der Staatsorganisation als solcher niederschlägt. Diese Staatsorganisation ist in keiner Weise heute mehr wesentlich gegliedert nach einer "Verwaltung eigener Güter" als Selbstzweck und anderen Verwaltungstätigkeiten, welche dies in Richtung auf spezielle gesetzlich begründete Widmungen verfolgen sollen, wieder andere, wie die Steuerverwaltung, welche einfach nur bestimmte, vom Gesetzgeber verliehene Befugnisse als "eigene", wenn auch in der Nachfolge früherer Regalien, betreffen. Diese organisatorische Vielfalt zeigt bereits, dass die "Befassung mit Eigenem" oder gar dessen "Betreuung" heute kein Abgrenzungskrite9 Leisner

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rium des Verwaltens mehr sein kann, weder in der vorstehend näher dargelegten funktionalen Sicht noch auch im organisatorischen Bereich. Der Begriff der "eigenen Angelegenheiten", mag man ihn auch erweitern auf die Erfüllung "eigener Aufgaben", ist also weder funktional noch organisatorisch geeignet, einen überzeugenden dogmatischen Anhaltspunkt für die Abgrenzung einer Zweiten Gewalt zur Verfügung zustellen; diese aber kann, nach allen bisherigen Erkenntnissen dieser Betrachtungen, eben nur funktional oder organisatorisch bestimmt werden. Dem Organisatorischen kommt dabei sicher zumindest eine gewisse "Anzeichen-Bedeutung" zu. Wenn sich gerade hier zeigt, dass die Organisation einer etwaigen Abgrenzung nach der "Befassung mit Eigenem" nicht mehr folgt, so hat eben das Öffentliche Recht den eingangs dargestellten, allgemeinen Begriff des Verwaltens endgültig aufgegeben; oder wollte heute noch jemand behaupten, die Liegenschaftsverwaltung des Staates sei ganz wesentlich öffentliches Verwalten? Er würde sich sofort der Kritik stellen müssen, dass gerade darin staatliche Verwaltung sich doch in nichts von privatem Verwalten unterscheide. Die allgemeine Folgerung für den Begriff der öffentlichen Verwaltung, welche sich aus diesem Kapitel am Ende ziehen lässt, ist nun doch schwerwiegend: Ersichtlich hat sich die öffentliche Verwaltung weitgehend von den allgemeinen Begriffsinhalten des außerrechtlichen, insbesondere des ökonomisch geprägten Sprachgebrauchs entfernt und eine eigene institutionelle Struktur angestrebt. Sodann hat sich jedoch gezeigt, dass diese vielleicht in einer früheren Vergangenheit Grundlagen finden konnte, sich jedoch in den Wandlungen zur gegenwärtigen Staatsgewalt nahezu völlig von jenem Begriff der "Betreuung des Eigenen" entfernt hat, welche noch immer und unverändert dem außerrechtlich-ökonomischen Sprachgebrauch zugrund liegt. Daraus erklären sich letztlich nicht nur dogmatische Schwierigkeiten der Erfassung einer Zweiten Gewalt als Säule der Gewaltenteilung oder sich mehrende kritische Stimmen gegenüber einem Berufsbeamtenturn, das in der Allgemeinheit geradezu als Ausdruck des staatlichen Verwaltens schlechthin angesehen wird. Es begründet diese Entwicklung einer staatlichen Verwaltungstätigkeit, die in keiner Weise näher definiert werden kann, jenes verbreitete Unbehagen, welches die Bürgerschaft der Staatsgewalt gerade in diesen ihren Ausprägungen der Administration entgegenbringt. In ihr ist der Staat angreifbar geworden, und dies nicht umsonst: Niemand kann eben so recht angeben, was denn nun geschehe, im Namen dieses "Verwaltens", wo es einen Anfang finde und ein Ende. Vor allem aber lässt sich nur schwer mehr erkennen, weshalb dieses kaum zu Definierende denn auch noch notwendig einen Vorrang haben soll gegenüber Veranstaltungen der Bürger. Aus Verfassungsüberlegungen einer Gewaltenteilung wird sich Derartiges doch kaum ableiten lassen, wenn eben völlig unklar bleibt, was diese Zweite Gewalt denn nun am Ende sein, was sie konstituieren soll.

IV. Verwaltung von staatseigenem "Verwaltungs-Gut"

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Hier wird vieles unkritisch mitgeschleppt, in einer Grundstimmung, welche staatliche Verwaltung als eine wenn nicht natur-, so doch verfassungsgegebene Notwendigkeit zu akzeptieren bereit ist. Doch diese Verfassungsnotwendigkeit hat sich eben nicht erweisen lassen, jedenfalls bisher nicht. Und hier nun erreicht die Betrachtung eine große Gegenbewegung, jene Privatisierung, welche sich weder gegen die Richter noch gegen den Gesetzgeber zentral wendet, konzentriert aber zum Angriff antritt auf eine Verwaltung, die weder in ihrer grundsätzlichen Definition noch in ihrer praktisch-politischen Wirksamkeit überzeugt - weil es sie als solche wohl überhaupt nicht gibt.

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E. Privatisierung: Antiverwaltungsbewegung I. Privatisierung: Säkulare Entwicklung, nicht modische Forderung 1. Die nur vordergründige Zeitgebundenheit

der Privatisierungsdiskussion

Das Streben nach Privatisierung öffentlicher Einrichtungen und Verhaltensweisen hat in verhältnismäßig kurzer Zeit eine derartige Allgemeinheit und Intensität erreicht, dass es vielen als ein typisch zeitgebundenes Phänomen erscheinen mag, welches gehen werde, wie es gekommen sei - mit einem Mal und sogar ohne größeres Aufsehen. Die bedeutendsten Staatsverwaltungen, Post und Bahn, welchen einst ein erheblicher Teil der deutschen Beamtenschaft, der Verwaltungsdiener und damit der "staatlichen Verwaltung" zugeordnet war, sind bereits weitestgehend aus der öffentlichen Administration ausgeschieden. Im kommunalen Bereich sind große Sektoren nicht nur einer Organisationsprivatisierung zum Opfer gefallen, zugleich hat eine Aufgabenprivatisierung stattgefunden, welche frühere Verwaltungstätigkeit in großangelegtem Outsourcing aus der Verwaltung herausgenommen hat. Auch wo diese Administration als solche noch im Namen des Staates, irgendwelcher juristischer Personen des öffentlichen Rechts, funktioniert, treten allenthalben die typischen Verwaltungsformen der öffentlichen Hoheitstätigkeit zurück, in einem heute kaum mehr zu übersehenden Umfang; und diese Entwicklung ist noch längst nicht abgeschlossen. In weiteren Bereichen schließlich beginnt die Verwaltung "die Akten zu schließen", sie überlässt dem Bürger in vielfachen Abbürdungsvorgängen, etwa im Baurecht, zumindest das erste, wenn nicht sogar schon das letzte Wort. Wenn die Anzahl der öffentlichen Bediensteten noch immer nicht, trotz all dieser Entwicklungen, drastisch gesunken ist, so lässt sich doch eindeutig ein nun wirklich radikaler Rückgang der öffentlich-rechtlichen Verwaltungstätigkeit feststellen; weithin funktioniert staatliche Verwaltung heute bereits nur mehr in Form mehr oder weniger großer Dienstleistungsunternehmen für den Bürger, in den gleichen Formen, welche auch die Privatwirtschaft zur Verfügung stellen könnte. Nicht wenige entschlossene Vertreter dieser großen Privatisierungsbewegung rechnen all dies schon heute hoch zu jener Staats-AG, welche am Ende insgesamt nur mehr als ein pri-

I. Privatisierung: Säkulare Entwicklung, nicht modische Forderung

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vatrechtsähnliches, wenn nicht privatrechtsgleiches Dienstleistungsunternehmen verstanden werden soll. Widerstände gegen diese Entwicklungen sind noch festzustellen, schwächen sich aber ständig ab. Die Beamtenverbände versuchen, ihren Frieden zu machen mit den neuen öffentlichen Arbeitgebern, welche die bisherigen Dienstherren ersetzen. Das Beamtenrecht verliert nach praktischer Bedeutung und dogmatischer Eigenständigkeit ständig an Boden. Gemeinhin als "konservativ" eingestufte Vertreter der Politik und der Staatsrechtswissenschaft betonen weiterhin die unentbehrliche Ordnungsfunktion der staatlichen Institutionen, entfaltet in den Formen des öffentlichen, des hoheitlichen Rechts; sozialistische Strömungen weisen auf jenen Schwächerenschutz hin, der notwenig verfehlt werden müsse, wolle man alles einem liberalisierten, privatrechtsgleichen "Geschäfte-Staat" überlassen. Derartige Tendenzen mögen stark genug sein, der Privatisierungswelle letzte Dämme entgegenzubauen, doch ob sie überhaupt halten können, lässt sich heute noch nicht absehen; jedenfalls werden sie weit im inneren Land bisheriger Staatlichkeit liegen, weite, und durchaus auch herkömmliche Räume öffentlich-rechtlicher Staatsaktivitäten werden überflutet werden von wogendem Wettbewerb, von effizienzsteigernder Privatwirtschaft. Dies alles ist bisher stets vor allem betrachtet, gepriesen und kritisiert worden unter der Fragestellung "mehr oder weniger Staat", Minimierung öffentlichen Zwangs, mehr Freiheit für den Bürger, "Gleichheit überall", auch in den Beziehungen zwischen den bisherigen gewaltunterworfenen Gliedern der Gemeinschaft und den noch immer weithin "über ihnen stehenden" obrigkeitlichen Zwangsverbänden. Problematisiert worden sind durchaus wichtige - Einzelfragen, etwa nach den Veränderungen, welche die Ablösung des Beamtenrechts durch ein generalisiertes Arbeitsrecht auch im öffentlichen Dienst zur Folge haben müsste, wobei übrigens wiederum die Problematik von "mehr oder weniger Freiheit", etwa im Zusammenhang mit dem Streikrecht, in den Mittelpunkt trat. Gegenstand der Kritik sind, noch weit darüber hinaus, äußere Formen, in denen sich die öffentliche Zwangsgewalt zeigt, sich geradezu den Bürgern "vorspielt"; die Privatisierung wendet sich gerade darin durchaus publikumswirksam gegen alle Formen bisherigen "Staatstheaters". Unter einem Aspekt jedoch ist, so scheint es doch, die große Privatisierungsbewegung noch nicht vertiefend untersucht worden: was sie denn nun gegen jene "staatliche Verwaltung" an Neuem bringe, welche noch immer, weithin eben auch unkritisch, als ein definierbarer Bereich, ja als eine wahre verfassungsbegründete Staatsgewalt angesehen wird. Angesichts von Entwicklungen derartiger Größenordnung, wie sie im öffentlich organisierten Bereich wohl seit dem Beginn der Kriegswirtschaften, seit 1914, nicht mehr stattgefunden haben, ist es schon erstaunlich, dass nach wie vor der

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E. Privatisierung: Antiverwaltungsbewegung

Verwaltungsbegriff, das Verwaltungshandeln und seine einzelnen Fonnen unverändert dargestellt und untersucht werden, als habe sich in dieser wirklichen Großbewegung nicht "die Verwaltung", "das Verwaltungsrecht" als solches verändert, und zwar vielleicht sogar tiefgreifend. Immerhin stellt sich doch die Frage nicht nur dahin, ob dies noch "die alte Verwaltung" sei, in welcher die Bürger und vor allem ihre Juristen groß geworden sind; es erhebt sich auch das Problem, ob derartige Veränderungen nicht doch zeigen, dass "Verwaltung" und "öffentliches Verwalten" eben als solche "nichts Besonderes" darstellen, vielmehr durch andere, insbesondere privatrechtliche Fonnen schlechthin ersetzbar sind. Dann aber würde Privatisierung so etwas wie einen "Beweis gegen staatliches Verwalten" erbringen, in bisher gemeinschaftszentralen Bereichen; dieser Begriff müsste als solcher einer kritischen Überprüfung unterzogen werden. Nimmt man schließlich noch die Betrachtung jener ausländischen Rechtsordnungen hinzu, aus denen weitestgehend die Vorbilder für die Privatisierung kommen, insbesondere in den heute die Welt beherrschenden angelsächsischen Staaten, so zeigt sich nicht nur eine größere machtmäßige Dimension einer Entwicklung, die damit jedenfalls verfassungsrechtliche Höhen erreicht; deutlich wird auch, bis wohin sie vordringen kann, und dass damit wirklich eine andere, vielleicht eine "ganz andere" Staats- und Gesellschaftsordnung auf Dauer ins Haus steht. Auf diesen weiten und tiefen Hintergründen ist nun die Privatisierungsbewegung mit Blick auf die Verwaltung und das staatliche Verwalten zu betrachten. 2. Privatisierungsforderungen: wesentlich gegen die Verwaltung gerichtet

a) Privatisierung der Gesetzgebung? Konzentriert man die Betrachtung der Privatisierungsentwicklungen auf das verwaltende Handeln im öffentlichen Bereich, so zeigt sich schon auf den ersten Blick ein erstaunliches und, soweit ersichtlich, bisher deshalb nicht vertieft untersuchtes Phänomen, weil eben die gesamte Privatisierungsdiskussion weit mehr unter wirtschaftlich-effizienzorientierten als unter staatsgrundsätzlichen Aspekten geführt wird: Privatisierungsforderungen richten sich ganz zentral, weithin sogar ausschließlich gegen Organisationsstrukturen, Verfahren und überhaupt Verhaltensweisen staatlicher Rechtsträger im Bereich der Zweiten Gewalt. Niemand hat bis heute ernstlich die Forderung nach einer Organisationsprivatisierung des Parlaments erhoben; sie erscheint in der Verfassungsordnung der Demokratie als grundsätzlich, ja als absolut ausgeschlossen, und

I. Privatisierung: Säkulare Entwicklung, nicht modische Forderung

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zwar durch das Verfassungsrecht selbst. Dies sollte nun aber doch zu denken geben, mit Blick auf die ebenfalls verfassungsrechtlich verordnete Gewaltenteilung: diese Erste Gewalt ist wirklich ein Pouvoir, "verfassungsnotwendig" im strikten Sinne des Wortes, mit dem die gesamte konstitutionelle Ordnung steht und fällt. Ist Derartiges aber - die Frage drängt sich schon hier auf - auch für die Zweite Gewalt, oder gar für eine "Verwaltung" auch nur vorstellbar, welche deren Kernbereich konstituiert? Damit ist zugleich, funktional gesehen, ausgesprochen, dass "Gesetzgebung" eben zu den "notwendigen" Staatsaufgaben gehört, ja geradezu deren erste, vornehmste darstellt - wie eben die Gewalt, welche sie ausübt, gerade deshalb auch die erste und vornehmste in der Verfassungsordnung ist; und in Auflistungsversuchen der Staats aufgaben ist dies auch, soweit ersichtlich, noch nie bestritten worden. Bei funktionaler Betrachtung der Gesetzgebungstätigkeit könnte man allerdings doch bereits Tendenzen feststellen, welche zwar nicht ausdrücklich im Namen einer "Privatisierung der Gesetzgebung" erhoben werden, funktional gesehen jedoch auf eine solche in Teilbereichen wenigstens hinauslaufen. Man denke nur an die immer weiter verbreiteten Praktiken privater Standardsetzungen im technischen Bereich, bis hin sodann zu jenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen, welche in der Praxis weitestgehend nichts anderes darstellen, als spezialisierende Privatgesetzgebung. Darüber hinaus laufen die verbreiteten - und berechtigten - Forderungen nach Einschränkung der Gesetzgebungstätigkeit, nach Rücknahme staatlicher normativer Ordnungen aus privaten Bereichen letztlich doch immer nur auf eines hinaus: dass diese Räume von nun an der Privatautonomie als Gesetzgeberin, dem Bürgerbelieben als Regelungsmacht überlassen werden. Darin liegt ohne Zweifel ein Streben nach einer gewissen Privatisierung der Gesetzgebung, mag dies auch als solches noch gar nicht in das Bewusstsein seiner Befürworter getreten sein. Dennoch unterscheidet sich all dies wesentlich von Privatisierungsforderungen im Administrativbereich. Hier wird schlechthin behauptet, Verwaltungsaktivitäten seien überflüssig, Verwaltungsorganisationen aufhebungsreif, ohne dass dies unter irgendeinen organisatorischen oder funktionalen Vorbehalt gestellt, dass dafür irgendwelche Begrenzungen grundsätzlich aufgestellt würden. "Private Gesetzgebung", Privatautonomie als Gesetzgeberin dagegen stehen immer unter dem stillschweigenden oder ausdrücklichen Vorbehalt, dass die "eigentliche", jedenfalls die Grundordnung auch dieser Bereiche in Form staatlicher Gesetzgebung erfolge. Wo hier die Grenzen - gewissermaßen vertikal - der herrschenden Normstufenlehre entsprechend gezogen werden sollen, mag Diskussionsgegenstand im Einzelnen bleiben; dass es die höhere Schicht der nicht privatisierbaren Gesetzgebung als solche geben müsse, ist von unangefochtenem Konsens getragen.

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E. Privatisierung: Antiverwaltungsbewegung

b) Privatisierung der Gerichtsbarkeit?

Nichts wesentlich anderes gilt für den Bereich der Dritten Gewalt Privatisierung der Gerichtsbarkeit als solcher ist kein Thema, keine Grundforderung noch so überzeugter Verfechter der Aufgabe öffentlichrechtlicher Organisationsformen oder Verhaltensweisen. In der Lehre von den Staatsaufgaben wird auf diese von juristischen Personen des öffentlichen Rechts organisierte Staatstätigkeit, welche sich funktional aus der endgültigen Entscheidung von Rechtsstreitigkeiten definieren lässt, als unverzichtbaren Bestandteil nicht nur des Katalogs der möglichen, sondern der notwendigen Staatsaufgaben schlechthin hingewiesen. Auch für diese richterliche Gewalt gilt also das bereits für die Gesetzgebung Festgestellte: Es handelt sich um eine notwendige Verfassungsgewalt, in der demokratischrechtsstaatlichen Verfassungsordnung, die schon deshalb eine der Grundlagen jener Gewaltenteilung sein kann, welche eben diese Verfassungsordnung aufstellt, auf der sie geradezu beruht. Auch im Bereich der Judikative mögen allerdings gewisse Entwicklungen festzustellen sein, welche als Erscheinungen einer "Privatisierung" im weiteren Sinn gelten könnten. Zu denken wäre hier etwa an einen weiteren Ausbau der Schiedsgerichtsbarkeit, oder neuerdings Bestrebungen, über Formen der Mediation einen gewissen Brückenschlag zwischen streng staatlich-richterlicher und privat-besorgter Streitentscheidung zu organisieren. Doch auch hier bleibt die bereits für die Gesetzgebung getroffene Feststellung gültig: Stets handelt es sich dabei um "niederrangige" EntscheidungsfQnnen gegenüber den höherrangigen und in diesem Sinne nun wirklich letztentscheidenden Judikaten der staatlichen Gerichte. Was im Bereich der Gesetzgebung über die Normenpyramide zu konstruieren ist, findet seine Entsprechung in jener ebenfalls stufenförmig konstruierten Ordnung der Gerichtsbarkeiten, welche sich nach unten in Privatheit hinein verlängern, vertiefen lässt, jedoch die Pyramide als solche "von oben hält", aus der notwendigen Entscheidungsgewalt staatlicher Richter. Gewiss erfasst also die Bewegung hin zu "weniger Staat" insgesamt auch die Erste und Dritte Gewalt; doch dies geschieht einerseits nur in Randzonen, zum anderen in einer der Grundkonstruktion dieser Gewalten - in ihrem pyramidalen Aufbau - durchaus konformen Weise. Ganz anderes gilt dagegen für die Privatisierungsforderungen als solche: Sie richten sich gezielt gegen die Verwaltung; in ihrer organisatorischen Zuspitzung wenden sie sich gegen die Trägerschaft, die Verwaltungstätigkeit durch juristische Personen des öffentlichen Rechts. Funktional betrachtet, ziehen sie in Zweifel, dass herkömmliche "staatliche Verwaltungstätigkeit" überhaupt erforderlich sei, dass sie nicht etwa durch privates Verwalten vollständig und radikal ersetzt werden könne. Einen letzten Vorbehalt staatlichen Verwaltens

11. Privatisierung als Gegenbewegung zu früherer Publifizierung

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gibt es allgemein jedenfalls nicht; allenfalls wird er noch sektoral anerkannt, etwa im Bereich der auswärtigen Gewalt, der Landesverteidigung oder der Steuererhebung - eben in jenen Räumen, welche herkömmlich die Domaines reserves der Exekutive darstellten. Doch auch dorthin dringen die Privatisierungsforderungen bereits vor, wovon noch zu sprechen sein wird. Erwiesen hat sich jedenfalls deutlich: Die gesamte Privatisierungsbewegung als solche richtet sich, in ihren inhaltlichen Ausprägungen wie auch in der Absolutheit ihrer Intensität, gegen die Verwaltung; diese erscheint als die "nicht notwendige", als die "schon ersetzbare" Staatsgewalt - und dann soll sie als eine solche an die Seite der beiden anderen, absolut "notwendigen Staatsgewalten" treten können?

11. Privatisierung als Gegenbewegung zu früherer Publifizierung 1. Die Publifizierung: eine historisch kontingente frühere Entwicklung

Den Vertretern des öffentlichen Rechts, das heute eine bedeutsame, insgesamt unangefochtene Rechtsmaterie, ja einen der Großbereiche des Rechts schlechthin ausmacht, mag es nicht leicht fallen, die historische Bedingtheit ihrer Disziplin anzuerkennen, sie gerade dort nicht bestreiten zu können, wo sie sich aus der Entwicklung eines Verwaltungsrechts ergibt, das wiederum und ebenso herkömmlich als Kembereich dieses öffentlichen Rechts angesehen wird. Irgendwo ist ja im öffentlich-rechtlichen Bewusstsein heute noch immer das Otto-Mayer-Wort von der Vergänglichkeit des Verfassungsrechts und dem Bestehen des Verwaltungsrechts tief verwurzelt. Sollte gerade dieses überdauernde Verwaltungsrecht als solches keine festen dogmatischen Grundlagen aufweisen, sollte sich das Öffentliche Recht abgedrängt sehen in Gesetzgebungsprobleme im weiteren Sinn, in "Bewahrung der Gesetze" zum einen, in eine Streitentscheidung zum anderen, welche ihm zwar grundsätzlich-dogmatisch zuzuordnen ist, praktisch jedoch in die Prozessrechte längst abgewandert ist, sich damit dem Zivilrecht wieder annähert? Da in der Dogmatik des deutschen öffentlichen Rechts die fundamentale Bedeutung der Französischen Revolution für die Entstehung dieses Großbereichs des Rechts bisher kaum je in ihrer ganzen Grundsätzlichkeit erkannt wurde, ist auch die Erkenntnis noch nicht weit genug verbreitet, dass dieses Öffentliche Recht letztlich nur Ergebnis einer historisch kontingenten Entwicklung darstellt: einer Teil-Publifizierung des Rechts, welche in der Französischen Revolution in der Tat vor allem das modeme Verwaltungsrecht hervorgebracht hat. So wird denn verbreitet angenommen, diese Entwicklung hin zu einem besonderen Öffentlichen Recht sei eine ebenso

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E. Privatisierung: Antiverwaltungsbewegung

notwendige wie die einer Gewaltenteilung, aus der übrigens das Öffentliche Recht geistesgeschichtlich entstanden ist - und in der es nun, über die Anerkennung einer Zweiten Gewalt wiederum seine verfassungsrechtliche Grundlegung finden soll. Dass hier ein geistesgeschichtlicher, ein dogmatischer Zirkel vorliegen könnte - Verwaltung aus Gewaltenteilung, Gewaltenteilung als Garantie der Verwaltung - dass die Verwaltung versuchen könnte, gewissermaßen ihre eigene Begründung in sich selbst zu finden, das alles ist wohl bisher noch kaum voll ins Bewusstsein getreten. Wichtig ist aber eine historisch begründbare Feststellung: Die Entstehung eines eigenständigen Verwaltungsrechts, damit auch einer Verwaltung als Staatsgewalt, ist Ergebnis einer kontingenten historischen Entwicklung, der als solcher jede grundsätzlich-dogmatische, aus dem Wesen des Rechts abzuleitende Notwendigkeit fehlt. Dann aber liegt doch eine Folgerung nahe: Jene Publifizierung, welche das Öffentliche Recht hervorgebracht hat, könnte in einem ebenso historisch kontingenten Vorgang auch wieder rückgängig gemacht werden. Dies würde dann zu einem veränderten Verständnis der Privatisierungsbewegung führen: Sie erschiene nicht mehr als mehr oder weniger zufallige politische Entwicklung, es würde ihr vielmehr durchaus eine gewisse Allgemeinheit und Grundsätzlichkeit zuzuerkennen sein. Andererseits würden durch sie jedoch Grundstrukturen des Rechts, auch in seiner selbst in Kontinentaleuropa historisch stets anerkannten Struktur, damit keineswegs verändert. Nichts anderes würde auf solche Weise erfolgen, als eine Aufgabe gewisser Rechtsformen, welche in einer ganz bestimmten Übergangsphase aus der feudal-monarchischen in die demokratische Ordnung sich als notwendig oder naheliegend erwiesen hätten, es aber keineswegs in einem absolut-dogmatischen Sinne wären. Dann könnte staatliche Verwaltung und staatliches Verwalten, zumindest in bestimmten Rechtsformen geübt, ebenso auch wieder aufgehoben werden, wie sie einst in der Entwicklung vom Absolutismus zum Konstitutionalismus entstanden sind, vielleicht entstehen mussten. Dem soll nun in einer näheren Betrachtung jenes Faktors nachgegangen werden, welcher die erwähnte Publifizierung wenn nicht hervorgebracht hat, so doch lange Zeit tragen konnte; im Folgenden wird sich dann zeigen, dass dem früher entscheidendes Gewicht zukam, welches sich aber verliert, und dass damit Verwaltung und Verwaltungsrecht ihre Legitimation weithin verlieren. 2. Das Fortwirken der Regalien- und Wohlfahrtsstaatlichkeit

Bei der Betrachtung der "Betreuung eigener Angelegenheiten" als Wesen des Verwaltens wurde bereits auf den historischen Hintergrund der Regalien hingewiesen, aus dem heraus sich weite Bereiche der späteren klassischen

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Verwaltung entwickeln konnten, wie etwa Forst-, Berg- oder Wasserverwaltung. In den neuartigen Verkehrsregalien des 19. Jahrhunderts setzte sich dies fort, wenn auch sie, ebenso wie die alten staatlichen Regalien-Privilegien, nun eine spezielle Gemeinschaftswidmung erfuhren, aus der heraus sie zu verwalten waren. Gezeigt hat sich oben auch, dass diese Entwicklung, vom "Staatsbesitz" zum "Staatsservice", in bedeutsamem Umfang in jener Wohlfahrts staatlichkeit stattgefunden hat, welche noch weit ins 19. Jahrhundert hineingewirkt hat und, in staatskonservativem Verständnis, die Verwaltung tragen konnte. So sind Regalien und Wohlfahrtsstaatlichkeit, unbeschadet ihres Wandels vom Besitzdenken zum Gemeinschaftsdenken, Träger jener Publifizierung geworden, welche die Verwaltung zwar nie dogmatisch überzeugend hat abgrenzen oder gar definieren können, ihre praktische Unentbehrlichkeit, im 19. Jahrhundert jedenfalls, jedoch immer wieder überzeugend unter Beweis zu stellen vermochte, allem Liberalismus zum Trotz. Die "Ersatzgewalt" für die staatliche Verwaltung war eben noch nicht entstanden, jedenfalls nicht stark genug: die Unternehmen jener privaten Wirtschaft, welche all diese Gemeinschaftsdienste hätten hinreichend erbringen können. Jedenfalls war dies ein deutscher Entwicklungszustand, welcher "staatliche Verwaltung" erforderlich machte und damit das Öffentliche Recht in seinem Kern legitimierte, während in der liberal weiterentwickelten englischen Ordnung diese staatliche Verwaltung als "Übergangsgewalt vom feudalen zum Bürgerverwalten" nicht in gleicher Weise erforderlich erschien.

3. Der Sozialismus als Fortsetzung der Wohlfahrtsstaatlichkeit Während sich der Liberalismus von Anfang an nicht nur gegen bestimmte Formen des Verwaltungshandeins, insbesondere der Polizei, wendete, sondern eine Verwaltung als solche kritisch betrachtete, konnte sich diese letztere Sichtweise im 19. Jahrhundert und bis ins 20. hinein nicht voll durchsetzen; denn als wiederum historisch-kontingente Gegenbewegung entwickelte sich nun ein Sozialismus, welcher der Vorstellung von einer notwendigen öffentlichen, ja staatlichen Verwaltung neue Nahrung geben sollte. Der Sozialismus, wie er sich in radikaleren Formen gegen Mitte des 19. Jahrhunderts entfalten konnte, führt nicht nur auf gemeinsame Grundlagen mit einem Liberalismus zurück, welcher häufig genug beschrieben worden ist. Besonders bemerkenswert ist vielmehr im vorliegenden Zusammenhang eine weniger im Mittelpunkt der Betrachtungen stehende Entwicklung: Der Sozialismus schließt weithin, in seinen Zielen, zum Teil auch in den von ihm geforderten staatlichen Handlungsformen, nahezu bruchlos an

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E. Privatisierung: Antiverwaltungsbewegung

Vorstellungen früherer Wohlfahrtsstaatlichkeit an. Auch ihm geht es ja um die Beförderung des gemeinen Wohls im Sinne des Wohlergehens aller Staatsbürger, was nach seinen Erkenntnissen vor allem den Schutz, ja die Herrschaft der Schwächeren verlangt. Über staatliche Gewalt aber sollte all dies nach sozialistischen Vorstellungen von Anfang an laufen, das organisierte Gemeinwesen es eben sein, welches mit seiner Macht diese allgemeine Wohlfahrt befördert. Daran änderte es grundsätzlich wenig, dass die ersten Sozialisten dies nur über eine Machtergreifung des Proletariats im Staat realisieren zu können glaubten, dass sie das gemeine Wohl mit dem dieser unterdrückten Klasse gleichsetzten. Für das Verständnis der Entwicklung der öffentlichen Gewalt zentral ist vielmehr die ebensowohl wohlfahrtsstaatliche als auch sozialistische Forderung, dass diese Form von Sozialstaatlichkeit über staatliche Veranstaltungen laufen müsse, und zwar im Wesentlichen über eine: die Verwaltung. In einem vorstehenden Abschnitt hat sich bereits gezeigt, dass die Eigentumskonzentration in der Hand dieses die allgemeine Wohlfahrt befördernden Staates eigentlich dazu führen musste, dass eine Verwaltung, welche sich um dieses "Eigene des Staates" zu kümmern hatte, darin eine wirklich staatstragende, dogmatisch überzeugende Begründung fand. Hier lässt sich nun dasselbe für den frühen, radikal entprivatisierenden Sozialismus, in Fortsetzung wohlfahrts staatlichen Denkens, feststellen: Sozialisten dieser Ausrichtung mussten Staat überall fordern, vor allem damit aber Verwaltung auf breiter Front, Staatsgewalt im Grunde nurmehr als Verwaltungs gewalt: über deren ökonomische Aktivitäten werde jene Ordnung schon hergestellt, welche dann eine sekundär werdende Gesetzgebung nurmehr zu ratifizieren hätte, ebenso wie eine ebenfalls zurücktretende Judikative. Es ist also kein historischer Zufall, sondern es entspricht geistesgeschichtlich notwendiger Entwicklung, dass das entstehende Verwaltungsrecht des 19. Jahrhunderts geistige Legitimation insbesondere auch durch jene Kathedersozialisten fand, welche die Lehre von der notwendigen Zunahme der Staatsaufgaben verkündeten. Hier war zwar die Radikalität des totalen sozialistischen Verwaltungsstaats aufgegeben, geblieben war aber ein "Immer mehr Staat", was sich notwendig in einem "Immer mehr Verwaltung" ausdrücken musste. Diese Administration war es auch, welche allein den Schwächerenschutz der ärmeren Volksklassen übernehmen, hierdurch in administrativer Umverteilung wenigstens einiges von dem verwirklichen konnte, was die konservativ oder liberal beherrschten Parlamente vor dem Ersten Weltkrieg diesen Schichten vorenthielten. So ist denn der Sozialismus zu einer mächtigen Triebfeder der Publifizierung im Recht insgesamt geworden, vor allem aber für eine Entwicklung jener öffentlichen Verwaltung, über welche allein, so schien es doch, allgemeine Wohlfahrt verbreitet werden konnte.

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Dem Sozialismus sollte es aber nicht gelingen, die von ihm als notwendig empfundene und überall propagierte Verwaltung in ihren dogmatischen Beziehungen zur Ersten und Dritten Gewalt näher zu bestimmen. Dies konnte eine Bewegung nicht leisten, welche sich das Problem der geteilten, der ausgewogenen Staatsgewalten und damit das einer grundlegenden, aber eben einer Verwaltung nur als einer Gewalt unter anderen nicht stellte. Dieser Sozialismus war nicht verfassungsstaatlich konzipiert, er setzte auf wirtschaftliche, als notwendig vorgestellte Entwicklungen, wollte diese lediglich, im späteren Sozialdemokratismus, über den Einsatz des verfassungsrechtlichen Mittels der allgemeinen Mehrheitswahl noch weiter befördern, wo nötig randkorrigieren. Ebenso wenig wie jene Wohlfahrtsstaatlichkeit, welche er fortzusetzen unternahm, hat er anderes gebracht als eine Forderung nach "Mehr Verwaltung", ohne dass er dieses Administrieren in einem Verfassungskontext näher bestimmt hätte. Die von ihm geforderte Publifizierung aber hat er insgesamt erheblich verstärken können. Und noch heute prägt seine Grundhaltung in bedeutsamer Weise die Grundkonstruktionen des Öffentlichen Rechts als solche, welche der Liberalismus in Frage stellt. Doch dies alles sind eben, wie sich in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts gezeigt hat, kontingente, damals insbesondere sozialpolitische Entwicklungen gewesen, welche mit einem wie immer verstandenen Wesen des Rechts oder seiner vertieften Erkenntnis nichts zu tun haben und daher heute, im Namen gegenläufiger Privatisierungsbemühungen, auch ebenso wieder zurückgedrängt werden können. 4. Die Stärkung der Verwaltung in Krieg und Kriegswirtschaft Wer heute Privatisierungsforderungen mit grundsätzlicher Skepsis gegenübersteht, ihnen staatliche Veranstaltungen und insbesondere die der Verwaltung entgegensetzen will, der muss sich bewusst sein, dass er aus einem Verständnis, ja einem tieferen Bewusstsein heraus argumentiert, das weithin durch eine weitere, wenn auch bedeutende historische Zufälligkeit geprägt ist: die beiden Weltkriege und ihre Kriegs- und Nachkriegswirtschaften und die daraus entstandene mächtige Verstärkung der Verwaltung, die der Publifizierung des Rechts insgesamt. Kriege, militärische Verwicklungen jeder Art, sind ihrem Wesen nach in besonderer Weise "verwaltungsträchtig". In ihnen ergreift ja eine herkömmliche Zentralinstanz der Exekutive, die bewaffnete Macht, alle Macht im Staate, richtet alle übrige Staatstätigkeit auf ihre von ihr administrativ festgestellten Notwendigkeiten hin aus. Damit bereits wird der Krieg zu einer einzigen großen Administrierungsbewegung in der Gemeinschaft. Getragen wird sie durch den nun hinter allem stehenden möglichen oder bereits schon aktuellen Einsatz einer Hoheitsgewalt, welche alle Angelegenheiten

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einer Nation im Kriege wesentlich durchwirkt. Kriege werden nicht geführt mit Gesetzgebungen, noch weniger mit Gerichtsentscheidungen, es sei denn, es würden Standgerichte von militärischen Gewaltträgern besetzt. Im Kriege ist alles Verwaltung, nicht nur in den militärischen Spitzenbereichen, sondern bis in sämtliches staatliches Handeln, welches sich zugleich in den privaten Sektor hinein verbreitert, ihn ebenfalls durchwirkt. Die Kriegswirtschaft ist eine volle Verwaltungswirtschaft. Hier gewinnt die Administrative jene Endgültigkeit ihrer Entscheidungen zurück, welche ihr im Konstitutionalismus mit seinen Gesetzesbindungen und seiner unabhängigen Gerichtsbarkeit verloren gegangen war. Dass Verwaltung in Deutschland eine so mächtige Realität werden konnte, dass man über ihre Legitimation als Staatsgewalt kaum mehr nachdachte, sie einfach als eine notwendige praktische Erscheinung hinnahm, welche das Wesen das Staates konstituiere - all dies ist das Ergebnis zweier Weltkriege und ihrer Nachkriegsperioden, im Nationalsozialismus bereits ihrer Vorphasen, welche insgesamt in Deutschland etwa vier Jahrzehnte lang das gesamte öffentliche Leben, und nicht nur dieses, geprägt haben. Eine wahrhaft gewaltige Publifizierung des gesamten Rechts war die Folge. Geistig hat sie noch lange über diese Periode hinaus weiter gewirkt, im Geiste einer Generation, die letztlich nichts anderes gekannt hatte als - staatliche Verwaltung. Diese überaus wirkmächtige historische Kontingenz sollte in ihrer publifizierenden Wirkung stets dem Rechtsbewusstsein gegenwärtig bleiben. Vielleicht würde dann verständlich, weshalb sich eine Privatisierungsbewegung im Namen eines endlich sich durchsetzenden Neo-Liberalismus entwickeln musste; sie wollte zunächst nicht eine wesentlich rechts-gegebene, noch weniger eine natur-gegebene Notwendigkeit von Verwaltung zurückdrängen, sondern lediglich einen historisch eher zufälligen tatsächlichen Bedeutungszustand des Verwaltungsrechts, des staatlichen Verwaltens im Kriege, wieder rückentwickeln. Für die Vertreter dieser Auffassung ist eben Verwaltung schon deshalb nichts Gottgegebenes, weil sie weitestgehend nichts anderes war als - kriegs gegeben. 5. Die Parallelentwicklung von WirtschaftsverwaItung und "Allgemeiner Verwaltung" Die vorstehend dargestellten und mit Blick auf heutige Privatisierungsanstrengungen kritisch gewürdigten, weithin kontingenten Entwicklungen, welche die Bedeutung der Verwaltung im 19. und 20. Jahrhundert so erheblich steigern konnten, beziehen sich in erster Linie auf ökonomische Bereiche. Aus ihnen heraus wirkten die Regalien, mit ihren Zielsetzungen begann die wohlfahrtsstaatliche Verwaltungstätigkeit. Sie wurden erst recht aufgenommen und verstärkt durch jenen Sozialismus, welcher die Notwen-

II. Privatisierung als Gegenbewegung zu früherer Publifizierung

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digkeit des staatlichen Verwaltens im Bewusstsein breiter Bevölkerungsschichten verankern konnte. Schließlich waren es jene wirtschaftsverwaltenden Phänomene, welche Kriegs- und Nachkriegsperioden vor allem dem Einfluss einer Administration geöffnet haben, die eben darin das physische Überleben der Gemeinschaft sichern wollte. Eindeutig sind es also im weiteren Sinne des Wortes wirtschaftsverwaltende Staatstätigkeiten, aus denen eine "Verwaltung als eigenständige Staatsgewalt" im Sinne von Hans Peters gefordert werden konnte, der sein ganzes Leben in einer kriegsverwalteten Welt verbracht hatte. Doch diese auf Wirtschaftsverwaltung konzentrierte Administrativtätigkeit des Staates musste nun auch Gewicht gewinnen für "das Verwalten schlechthin". Wichtige Bereiche dessen, was heute als "Verwaltungsrecht" mehr umschrieben als definiert wird, sind ja Nachbarbezirke der eigentlichen Wirtschaftsverwaltung, man denke nur an Gesundheits- oder Sozialverwaltungen, oder eine Wohnungsverwaltung, in der sich noch manche kriegsbedingte Mängel administrativiert lange fortsetzen konnten. Doch selbst bis hinein in die "klassischen" Verwaltungsmaterien des Rechts, die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder das Gewerberecht, lassen sich Wirkungen dieser mächtigen Entfaltung des Wirtschaftsverwaltungsrechts feststellen. Sie alle haben es ja mit sozialen Entwicklungen zu tun, welche ihrerseits wieder auf ökonomischen Grundlagen ruhen. Insoweit hat der Marxismus Recht, welcher das Recht als einen Überbau über ökonomischen Entwicklungen ansehen wollte: Jene Verwaltung, welche er zur Steuerung oder gar Einleitung solcher Entwicklungen einsetzte, kann heute kaum mehr anders vorgestellt werden denn als Überbauphänomen über ökonomischen Entwicklungen. Daraus ergibt sich denn auch, dass sich die Entfaltung der staatlichen Wirtschaftsverwaltung entweder unmittelbar oder doch in deutlich verbundener Parallele in alle Verwaltungsbereiche, in die Konzeption einer Verwaltung schlechthin fortsetzen musste. Zwar lässt sich "Verwalten" als solches nicht aus wirtschaftsrelevanter Tätigkeit des Staates heraus definieren; eine derartige Begriffsbestimmung wäre allzu weit, ja unbestimmt. Doch der Verwaltung in wirtschaftlichen Bereichen der Gemeinschaft kommt jedenfalls eine praktische Pilotfunktion für die Entfaltung einer Administration als solcher stets zu. Daraus ergibt sich nun aber für die vorliegenden Betrachtungen die Folgerung, dass mit dem Niedergang der Wirtschaftsverwaltung, mit dem Rückzug des Staates aus Verwaltungsgegenständen des ökonomischen Bereichs überhaupt, zugleich und notwendig verbunden sein muss ein Rückzug der Verwaltung als solcher, bis hin zu einer Infragestellung ihrer grundsätzlichen Legitimation. Diese konnte sie zwar in ökonomischen Zielsetzungen als solchen nicht finden, sie büßt sie aber zumindest praktisch gegenüber Privatisierungsforderungen ein, welche gerade dann

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E. Privatisierung: Antiverwaltungsbewegung

überzeugen, wenn eine öffentliche Verwaltung im Bereich der Wirtschaft nicht mehr als notwendig erscheint. Damit verliert die Verwaltung als solche eine praktische Notwendigkeit und damit Legitimation, welche ihr, wie bereits dargelegt, grundsätzlich-dogmatisch ohnehin nicht zukommen kann. So ist denn nun, um die Dimensionen möglicher Privatisierungen näher zu bestimmen, noch näher zu beleuchten:

111. Der Niedergang der wirtschaftlichen Staatstätigkeit Wirtschaftliche Staatstätigkeit im national-ökonomischen Sinne der Produktion von Gütern und Dienstleistungen hat keine Zukunft mehr. Hier hat sich der Neoliberalismus auf breiter Front gegen sozialistische Überzeugungen aus früherer Zeit durchgesetzt, die sich allenfalls noch in gewissen Randkorrekturen zur Sicherung eines Schwächerenschutzes da und dort halten können. Schon die vielbeschworene "Soziale Marktwirtschaft" hatte ja letztlich eine deutliche Entscheidung für jene Herrschaft der Märkte gebracht, auf denen sich eben der Staat, nach allen neueren Erfahrungen und trotz all seiner Organisationsbemühungen nicht wirksam behaupten kann vor allem wegen der Grundstruktur seiner "Verwaltungen", welche sich nicht nur aus Güter- und Dienstleistungsproduktion nicht erklären oder gar legitimieren lassen, sondern für diese geradezu als unangemessen erscheinen. Dieser Rückzug der Verwaltung aus wirtschaftlicher Tätigkeit hat sich vor allem, und sehr rasch, in drei Richtungen vollzogen: 1. Die Auflösung der "Staatsproduktion"

Produktionsbetriebe in Staatseigentum sind bereits nahezu vollständig den modemen betriebswirtschaftlichen Erkenntnissen zum Opfer gefallen, da sie sich als solche im Wettbewerb auf den Märkten nicht behaupten können, nicht zuletzt wegen der Schwerfälligkeit der in ihnen eingesetzten staatlichen Verwaltungen. Wo staatliche Träger noch in traditionellen Restbereichen dieses Sektors tätig sind, oder wo der Staat zusammen mit Privaten noch - wie lange noch? - wirtschaftend tätig ist, hat doch allenthalben zumindest eine Organisationsprivatisierung eingesetzt: Verwaltung wird dort eben nicht mehr betrieben im Sinne der herkömmlich-staatlichen HoheitsAdministration. Der Staat handelt, organisatorisch wie funktional, genauso wie Private, und so sind denn diese Bereiche in keiner Weise mehr relevant unter dem Gesichtspunkt einer Definition oder gar Legitimation einer Zweiten Gewalt oder gar der Verwaltung als Kern einer solchen. Selbst dort, wo noch produktives Staats- oder Kommunaleigentum in größerem Umfang "verwaltet" wird, im ursprünglichen Sinn einer Betreuung "eigenen Gutes", wie in den öffentlichen Forstverwaltungen, sind weder administrative Ge-

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staltungen diesen Bereichen wesentlich, noch kann sich gar Verwaltung aus solcher Aktivität heraus legitimieren; es wird auch nur eine Frage der Zeit sein, wie lange sich hier überhaupt noch Staatseigentum wird halten lassen; Staatsverwaltung wird sich jedenfalls noch weit früher aus ihnen verabschieden. Damit ist, um es hier noch einmal zu betonen, die Verwaltung gerade aus jenen Bereichen der Güterproduktion verschwunden, aus denen sich ursprünglich ihr Begriff entfaltet und auf die gesamte Staatsverwaltung ausgedehnt hatte. Diese Ursprungsbereiche der Verwaltung sind nichts anderes mehr als Restmaterien für künftige Privatisierungen.

2. Das Ende der Staatsmonopole Wirtschaftliche Staatstätigkeit, und zwar gerade wesentlich im Wege des Verwaltens betrieben, fand bis vor kurzem auf wichtigen Sektoren des Gemeinschaftslebens im Namen sogenannter Staatsmonopole statt. In ihnen setzten sich die bereits näher betrachteten Staatsregalien, teilweise geradezu bruchlos, fort. Auch diese wirtschaftliche Staatstätigkeit ist heute ihrem Ende nahe; soweit sie Verwaltungstätigkeit beinhaltete, überleben einige ihrer Strukturen als bedeutungsschwache Restbestände in den Materienbeschreibungen des besonderen Verwaltungsrechts. Dies gilt bereits für die in diesem Zusammenhang durchaus nicht zu vernachlässigenden Finanzmonopole der Öffentlichen Hand. Hier bestanden traditionelle Verwaltungsstrukturen einer "Administration von Regalien" für Zündwaren etwa oder Branntwein. Heute ist dies größtenteils bereits beseitigt, die Monopolreste im Bereich der Brennereien sehen sich in ihrer Existenz durch Europarecht bedroht, und als "Zuschussbetrieb" möchte der Staat lieber heute als morgen diese "Verwaltungen" aufgeben. Das Zollregal ist in die allgemeine Verwaltung der öffentlichen Abgaben nunmehr eingeordnet im organisatorischen Verbund der Finanzgewalt; als wirtschaftliches Monopol ist es aus dem rechtlichen Bewusstsein seit langem verschwunden. Die großen Monopole des Verkehrs, Post und Bahn, bis hinein in den Gedankenverkehr der Telekommunikation, sind ebenfalls bereits weitestgehend einer Privatisierung zum Opfer gefallen, welche sie eben als rein wirtschaftliche Veranstaltungen erfasst und sie gerade deshalb einer staatlichen Verwaltung in spezifischen Fonnen, seien es solche des Privatrechts oder des Öffentlichen Rechts, nicht mehr will unterworfen sehen. Hinsichtlich der Legitimation dieser Aktivitäten hat sich eben in den vergangenen Jahrzehnten eine entscheidende Entpublifizierung vollzogen: Der Dienstleistungscharakter dieser Unternehmen allein zählt nunmehr, mit "öffentlicher 10 Leisner

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Verwaltung" haben sie nichts mehr zu tun. Gesetzesausführung, Herstellung oder Bewahrung gesetzeskonformer Zustände steht hier völlig im Hintergrund; Regalienvorstellungen sind verblasst, militärpolitische Gründe oder solche der Bewahrung nationaler Einheit oder auch nur Identität haben keinerlei Gewicht mehr. Dort findet nichts mehr "Öffentliches", nichts mehr der Verwaltung "Eigen(tümlich)es" statt, also kann und muss die Administration des Staates aus diesen Bereichen verdrängt, es muss privatisiert werden. Abgesehen von dem bereits erwähnten massiven Bereichsverlust, welcher damit die öffentliche Verwaltung getroffen hat, haben diese Privatisierungen des Verkehrsbereichs ganz allgemein die Problematik der öffentlichen Verwaltung als "Inhaberin von Monopolen" ins allgemeine, auch ins politische Bewusstsein gehoben. Verwaltung gegründet auf Monopole - dies mochte einst ein Abgrenzungsargument für "die Administration schlechthin" sein nun wendet es sich, wie sich nachstehend bei der Untersuchung der Privatisierbarkeit von typischen Hoheitsbereichen zeigen wird, geradezu gegen den Verwaltungsbegriff selbst: Die Verwaltung kann sich nicht mehr auf das Monopol berufen, wenn dieses anfechtbar wird, muss auch sie weichen, und damit sieht sie sich letztlich unter einen ökonomischen Vorbehalt gestellt, denn aus diesem Raum kommt der Monopolbegriff.

3. Daseinsvorsorge in der Krise der Subsidiarität Die Veranstaltungen der Daseinsvorsorge, in den "klassischen Bereichen" dieses Sektors, denen des Verkehrs, von Wasser und Energie und bei der Kreditversorgung, zu unterschiedlichen Perioden, aber insgesamt doch gleichzeitig und organisatorisch parallel entwickelt, sind zwar kaum je, vor allem nicht in der gemeindlichen Tätigkeit, als Ausdruck unbedingter und endgültiger öffentlicher Monopole verstanden worden, sondern stets eher als Ergänzungen privater oder sonstiger staatlicher Veranstaltungen, als zusätzliche Dienstleistungen eben. Von Anfang an waren allerdings gerade hier die typische Verwaltungsorganisation, wie auch die klassische Form des Verwaltungshandeins, nicht ihre ausschließlichen Betriebsmodalitäten; daneben erfolgte Daseinsvorsorge stets auch weitgehend, aufgrund eines allgemeinen Wahlrechts oder einfach den allgemeinen Machtgegebenheiten entsprechend, wie auf dem Kreditsektor, in den Formen des Privatrechts. Angesichts dieser fehlenden Absolutheit öffentlicher Berechtigungen und der Gemengelage ihrer Ausübung mit nicht-öffentlichem Verhalten sind alle diese Veranstaltungen heute in eine Privatisierungskrise geraten: Die Verkehrsbetriebe wurden von den größeren Entwicklungen des Bahnbereichs beeinflusst, die gemeindliche Wohnungsvorsorge muss sich immer mehr als eine reine Unterstützungstätigkeit liberaler Marktentwicklungen sehen,

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wenn nicht bereits als Fremdkörper in einer liberalisierten Wohnungswirtschaft. Das Sparkassenwesen hat sich dem privaten Kreditgewerbe in Organisation und Handlungsformen weitestgehend angeglichen. Nirgends sind mehr typisch verwaltungsmäßige Organisations- und Verhaltensformen feststellbar, welche man im eigentlichen Sinn als "öffentliche Verwaltungstätigkeit" bezeichnen könnte, und so ist es bereits seit Jahrzehnten. Wo noch in solchen Verwaltungsformen da und dort gehandelt wird, über Satzungen und Gebühren, lassen sich diese Formen schon kaum mehr unterscheiden von denen, in welchen private Versorgungsunternehmen ihre Dienste anbieten, oder die privatisierten der Gemeinde. In einigen Sektoren hat sich noch ein "Rahmen von Hoheitlichkeit" erhalten, in der Wasser- und zum Teil in der Energieversorgung durch die Kommunen. Doch was hier geblieben ist, sind auch nicht mehr "öffentliche Verwaltungen" als solche, das Öffentliche bleibt auf gewisse Rahmenbedingungs-Setzungen beschränkt, etwa den Anschluss- und Benutzungszwang, wie ihn die Gesetzgebung durchaus auch privaten Dienstleistern gegenüber vorschreiben könnte. Der Gesetzgebung ist also dieser Daseinsvorsorge nach wie vor geöffnet, aber "verwaltungsnotwendig" ist hier nichts, nicht einmal etwas "verwaltungstypisch", sind doch die Kommunen bereits weitestgehend zur Verlagerung dieser Aktivitäten auf privatrechtlich organisierte Unternehmen oder gar auf private Träger übergegangen. Aus der Sicht des Verwaltungsrechts bleibt daher festzustellen: Als Verwaltungstätigkeit ist die Daseinsvorsorge seit langem in der Krise, sie bewegt sich, auf vielen Wegen, in eine Privatisierung hinein, welche mit Sicherheit am Ende einer bald abgeschlossenen Entwicklung stehen wird. Materielles Verwaltungsrecht gibt es hier kaum mehr; Verwaltungsverfahrensrecht ist zum Fremdkörper geworden, Verwaltungsorganisation zum Hemmschuh. Der Raum, welcher all dieser Daseinsvorsorge noch bleibt, die Funktion, welche sie gerade noch unterstützend erfüllen soll, ist die einer "Marktkorrektur", wie im Wohnungsbereich, oder eines "Marktersatzes", wie bei der Wasserwirtschaft und vorläufig noch teilweise im Energiebereich. Alle diese Aktivitäten stehen unter dem ständigen Rechtfertigungszwang der allgemeinen, die Wirtschaftstätigkeit vor allem der Kommunen bindenden Subsidiarität: sie sollten nur eingreifen, wo private Wirtschaft nicht in der Lage sei, gleich effizient und preiswert zu liefern, Dienste anzubieten. Daraus kann sich nun aber auch nicht ansatzweise eine Rechtfertigung öffentlicher Verwaltungstätigkeit ergeben. Sie müsste ja etwa dahin gehen, Verwaltung sei jene Gewalt, welche nur dort eingreifen dürfe, wo private Märkte nicht funktionstüchtig seien. Dass dies weder einen Verwaltungsbegriff als solchen noch gar den einer Verwaltung als Staatsgewalt konstituieren kann, bedarf keiner Begründung. Vielmehr unterliegt solche begrenzte 10'

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Staatstätigkeit, bis in alle ihre Einzelheiten, einem ständigen Begründungszwang gegenüber drohender Privatisierung, eben aufgrund des Gesetzesbefehls der Subsidiarität. Zusammenfassend lässt sich angesichts dieses Rückzugs der Verwaltung aus der wirtschaftlichen Tätigkeit, der Einschränkung der staatlichen Wirtschaftstätigkeit überhaupt, aus Sicht der Privatisierungsforderungen feststellen: Dieses Privatisierungs verlangen verdrängt nicht eine Verwaltung aus traditionellen, dogmatisch, ja verfassungsgrundsätzlich gesicherten Aktionsräumen. Diese waren vom Staat vielmehr im Zuge einer kontingenten historischen Entwicklung publifizierend besetzt worden und werden ihm nun, nach dem Fortfall dieser vorübergehend wirksamen Bedingungen, in Privatisierung wieder verschlossen. Zugunsten eines Verwaltungs begriffs hat die Publifizierungsbewegung der vergangenen eineinhalb Jahrhunderte nichts rechtlich Fassbares, geschweige denn dogmatisch Überzeugendes hervorbringen können, zur Definition einer Verwaltung als Gewalt. Entwickelt haben sich hier nur Formen einer Marktergänzung oder eines Marktersatzes, über traditionelles Staatseigentum oder aus unter früherer Herrschaft entstandenen Staatsmonopolen heraus. Dies alles ist so wenig staatsnotwendig aus der Sicht heutiger Verfassungsdogmatik, dass daraus für einen Verwaltungsbegriff schlechthin nichts gewonnen werden kann. Die Privatisierung beseitigt damit also nur staatliche Strukturen, die gewissermaßen stets auf fremdem Boden errichtet waren, auf dem der privaten Freiheit. Verwaltung kann aus nunmehr im Wesentlichen privatisierten oder privatisierungsreifen Veranstaltungen heraus heute gewiss nicht mehr als die wesentlich "effiziente" Gewalt bestimmt werden - sie wird ja durch Privatisierung gerade deshalb abgelöst, weil sie nicht wirksam genug auf Märkten bestehen kann. Von Verwaltung schließlich als Form des Schwächerenschutzes in Fortführung sozialistischer Gedanken einer notwendigen Wirtschaftsverwaltung zu sprechen - das würde sich ebenfalls dogmatisch nicht legitimieren lassen, schon aus einem Grund: Dieser Schutz kann vom Gesetzgeber, von jenem Parlament übernommen und wirksam ausgestaltet werden, in welchem ja ohnehin die Vertreter der Schwächeren stets wenn nicht die Mehrheit, so doch entscheidenden Einfluss haben werden. Diese Erkenntnis hat der modernere Sozialismus der Sozialdemokratie schon vor Jahrzehnten gewonnen, nur auf diesem Weg konnte er sich von den verkrusteten Formen des Verwaltungs-Sozialismus wirksam absetzen. Privatisierung stößt also, im Namen privater Freiheit, lediglich in Räume vor, welche der Staat mit seiner Verwaltung zeitweise besetzt, in denen er ja vielleicht, um es mit Worten der Französischen Revolution auszudrücken, die Freiheit des Bürgers in Ketten geschlagen hatte. Und so läuft denn heute in derartigen Privatisierungsbemühungen nichts anderes ab als ein verspäteter weiterer Akt dieser großen Freiheitsrevolution.

IV. Privatisierung in "klassischen Verwaltungsbereichen"

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IV. Das Vordringen der Privatisierung in "klassische Verwaltungsbereiche" 1. Hoheitsverwaltung - allgemein privatisierbar? Dass die öffentliche Verwaltung, mit ihren Organisationen und ihren typischen Handlungsformen, im Namen der Privatisierung sich heute weitestgehend bereits verdrängt sieht, bald völlig ausgeschlossen sein wird aus Bereichen wirtschaftlicher Tätigkeit, auf denen sie nie als solche grundsätzlich Kompetenz in Anspruch nehmen konnte, mag noch wenig zugunsten ihrer allgemeinen Ersetzbarkeit durch Formen nicht-verwaltungsmäßigen, privaten Handeins bedeuten. Rückgängig gemacht wird damit nur eine Publifizierung, welche als solche eine Not-, jedenfalls lediglich eine Übergangslösung war, aus kontingenten politischen und wirtschaftlichen Entwicklungen heraus. Doch nun stellt sich doch eine weitergehende Frage, angestoßen durch eben diese Privatisierungsbemühungen: Ist nicht jene Publifizierung, welche, wie vorstehend dargelegt, im Gefolge der Französischen Revolution das Öffentliche Recht wesentlich als ein Recht der öffentlichen Verwaltung hat schaffen wollen, ist nicht jene Verwaltungstätigkeit, welche man auch als die "klassische Hoheitstätigkeit" zu bezeichnen pflegt, ebenfalls ein möglicher, vielleicht ein notwendiger Gegenstand von Privatisierungen? Und wenn selbst diese Verwaltungsbereiche privatisierendem Streben geöffnet werden können - dann allerdings würde dies für eine viel weiterreichende Forderung sprechen: dass eben dieses staatliche, dieses öffentliche "Verwalten" gegenüber privater Tätigkeit und den Ordnungen des Privatrechts keinen dogmatischen Selbstand aufweist, dass auch hier letztlich Verwaltung austauschbar ist gegenüber anderen Formen staatlichen, ja sogar privaten Handeins. Dann würde sich, wieder einmal, Verwaltung zeigen als eine im Letzten "unauffindbare Staatsgewalt". 2. Die Problematik des MonopolbegritTs für die staatliche Verwaltung Problematisch ist Verwaltungstätigkeit im wirtschaftlichen Bereich vor allem im Zusammenhang mit einem Begriff geworden, der nun auch für die übrige, die "klassische" Verwaltung, im Zusammenhang mit Privatisierungsforderungen fatale Folgen zeitigen könnte: der Begriff des Monopols. Mit ihm wurde die Staatstätigkeit aus ökonomischen Überzeugungen heraus fragwürdig überall dort, wo sich Märkte entwickelt hatten mit Konkurrenten, denen die Verwaltung im Namen ihres Monopols keine überzeugende Legitimation entgegensetzen konnte. Wenn nun Privatisierungsbefürworter

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nachweisen können, dass sich auch in den Bereichen der klassischen Hoheitsverwaltungen derartige private Aktivitäten entwickeln lassen, als Konkurrenz gegenüber der Verwaltung auftreten würden, wenn es deren Monopol nicht gäbe, so könnte auch hier ein Einbruch marktwirtschaftlichen Denkens in nun wirklich zentrale Bereiche der Staatstätigkeit stattfinden; und es fragt sich eben, ob dem unter Berufung auf einen öffentlichen Verwaltungsbegriff, seine notwendigen Inhalte und seine Vorzüge entgegengewirkt werden kann. Die Befürworter traditioneller Staatsverwaltung sehen sich immer wieder in Schwierigkeiten, wollen sie die Diskussion allein auf die Ebene der Effizienz verlagern - denn über diese entscheidet dann eben nur eine Konkurrenz, welche gerade nicht im Namen eines Monopols des staatlichen Verwaltens ausgeschlossen werden sollte. Um hier Verwaltungstätigkeit zu sichern, gegenüber Privatisierungsforderungen zu begründen, müsste der Nachweis gelingen, dass jedenfalls in diesen "klassischen" Bereichen "Verwaltung etwas Besonderes" ist, also doch etwas dogmatisch klar Definierbares - und eben dies haben die bisherigen Betrachtungen nirgends überzeugend erweisen können. Deshalb sollen nun im Folgenden einige wesentlich "klassische" Verwaltungsbereiche untersucht werden darauf, ob sich nicht doch aus ihnen heraus, gewissermaßen induktiv, tragende Begriffselemente eines Verwaltungsbegriffs entfalten lassen, der dann als ein dogmatisch notwendiger und als die bessere Handlungsform privaten Veranstaltungen entgegengehalten werden könnte. Es wird, in etwas wie einer induktiven Betrachtung, nach typischen Verwaltungsformen gesucht, die sich etwa zu einem einheitlichen Verwaltungsbegriff zusammenfassen lassen könnten. Es geht also um die Notwendigkeit "staatlicher Monopole des Verwaltens", des Einsatzes typischer Verwaltungsstrukturen und spezifischer Verhaltensmuster staatlicher Administration. Insoweit kann von der Suche nach "Verwaltungsmonopolen" in einem weiteren Sinn gesprochen werden, der sich nicht auf das beschränkt, was herkömmlich, im Gegensatz etwa zu Finanzmonopolen, als Verwaltungsmonopol bezeichnet wird. Kann hier der Monopolbegriff jene Verwaltung schützen, deren Ausschließlichkeitsrecht im wirtschaftlichen Bereich aus lange besetzten Räumen durch Markt und Wettbewerb in Privatisierung bereits weitgehend verdrängt worden ist? 3. "Privatisierbarkeit" in traditionellen Bereichen der Hoheitsverwaltung

Im Folgenden soll, für einige der wichtigen Bereiche dessen, was als "Verwaltung" herkömmlich angesehen wird, geprüft werden, ob dort gerade der Einsatz spezifischer Instrumente öffentlicher Verwaltung erforderlich ist, ob ein typisches Verwaltungsverhalten festzustellen ist, wie es andere

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als staatliche Verwaltungsinstanzen nicht entfalten könnten, und ob schließlich diese Bereiche nur durch staatliche Verwaltungsträger administriert werden können. Dabei konzentriert sich die Frage der Privatisierbarkeit vor allem auf zwei Problemstellungen: - Eine herkömmliche: Ist in diesen herkömmlichen Verwaltungs bereichen der Einsatz der Hoheitsgewalt erforderlich? - Ein in den vorstehenden Betrachtungen entwickeltes Kriterium: Ist die Verwaltung in diesen Räumen Fortsetzung der Gesetzgebung mit anderen Mitteln, und wenn dies zutrifft, sind dies solche, welche sich wesentlich von Gesetzesbefolgung, Gesetzesanwendung und -sanktion durch nichtverwaltungsmäßig organisierte private Rechtsträger, eben außerhalb der öffentlichen Administration, unterscheiden? Kann nur "der Staat gerade als Verwaltung" solche Gesetzgebung vollziehen? Nur wenn eine dieser beiden Fragen im Sinne der Notwendigkeit des Einsatzes von "staatlicher Verwaltung" zu beantworten ist, kann eine solche Materie insgesamt, oder doch in Teilen, als "verwaltungsnotwendig", daher grundsätzlich als nicht privatisierbar angesehen werden. Auf diese Weise werden die Ergebnisse der vorstehenden Hauptteile Bund C zu Priifungskriterien einer Privatisierbarkeit, damit zu solchen der Verwaltungsnotwendigkeit staatlicher Aktivitäten. Vernachlässigt werden kann ein mögliches Kriterium der Betreuung von "Eigenem", wie es Gegenstand der Betrachtungen im vorstehenden Teil D war: Für die im Folgenden zu überblickenden, heute bereits "klassischen" Verwaltungsbereiche kann von einer eigentumsähnlichen Beziehung der betreffenden Aufgabenerfüllung zum Staat nicht mehr die Rede sein; sie haben sich längst zu Staatspflichten gegenüber dem Bürger gewandelt. 4. Schulen und Bildung

Anders als das angelsächsische Schul- und Bildungssystem, weithin auch das französische und die von diesen Ordnungen beeinflusste Bildungssituation zahlreicher anderer Länder, beruht das deutsche System weitestgehend noch immer auf Staatsträgerschaft und damit verbundenem Einsatz von Hoheitsgewalt, jedenfalls in der Begründung solcher Rechtsbeziehungen. Es fragt sich jedoch - und es wird immer häufiger gefragt - ob sich daraus etwas ergeben kann wie "Verwaltungsnotwendigkeiten im Bildungsbereich". Hier sind die verschiedenen Legitimationsmöglichkeiten staatlichen Verwaltungshandelns zu unterscheiden:

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a) Gesetzesvollzug ?

Ob dieser Schul- und Bildungsbereich durch Gesetzesvollzug wesentlich geprägt ist, muss schon auf den ersten Blick als höchst problematisch erscheinen. Eine gesetzliche Grundlage bietet hier ohne Zweifel die allgemeine Schulpflicht. Soweit man Schulverwaltung als Vollzug dieser Schulpflichtnormen ansehen kann, wird etwas eingesetzt wie eine "gesetzesvollziehende Staatsinstanz" , ohne dass damit allerdings bereits feststünde, ob nur dieses ihr verwaltungsmäßiges Tätigwerden die Erfüllung der gesetzlichen Schulpflicht sicherstellen könnte. Geht man jedoch von solchen Vorstellungen aus, so erweist sich von vorneherein, dass die gesetzlichen Grundlagen des Schul- und Bildungsbereichs nur einen Sektor erfassen, auf welchem derartige Normen von der Verwaltung "vollzogen" werden könnten: Schulbildung dort, wo eben gesetzliche Schulpflicht besteht. Man mag eine derartige Sicht auch noch auf alle Institutionen erstrecken, in denen die Schulpflicht in diesen Jahren erfüllt werden kann. Alles was sich im Leben der normunterworfenen Jugendlichen außerhalb dieser Zeitspanne abspielt, kann jedoch in keiner Weise mehr mit der Vollziehung der Schulpflichtgesetze in Verbindung gebracht werden; ein großer Teil des Schulwesens, das gesamte Hochschulwesen fällt aus dieser Rechtfertigungs-Möglichkeit von vorneherein heraus. Es müsste also die staatliche Schul- und Hochschulverwaltung auf eine "staatliche Schulpflichtverwaltung" von vorneherein reduziert werden. Aus den gleichen Gründen könnte im gesamten übrigen Bildungswesen, von dem breitgefächerten Volksbildungsangebot bis hin zu musealen Veranstaltungen des-Staates, die man eben auch als Bildungsinstitutionen in einem weiteren Sinne verstehen könnte, eine Verwaltungsnotwendigkeit aus Gesetzesvollzug geleugnet werden. Nirgends gibt es hier Normen, deren Einhaltung durch den Bürger von einer staatlichen Verwaltung, in welchen Formen immer, als Gesetzesvollzug erzwungen werden dürfte. Betrachtet man nun aber den Bereich der "erwähnten Schulpflicht-Bildung" näher, so ergibt sich, dass auch dort von einem "eigentlichen Gesetzesvollzug" nicht die Rede sein kann. Die Gewährleistung der Erfüllung der Schulpflicht erfolgt ja nicht durch eine etwa notwendige Schulverwaltung, sondern im Wesentlichen durch jene Polizei, welche "das Kind der Schule zuführt", damit die Erfüllung der Schulpflicht garantiert. Die staatliche Schulverwaltung stellt dafür allenfalls Vorinformationen zur Verfügung. Die Erzwingung des Schulbesuchs selbst kann also nicht als eine notwendige Aktivität staatlicher Schul verwaltung anerkannt werden. Ist nun aber der schulpflichtige Jungbürger der Unterrichtsanstalt zugeführt, so ist es wiederum fraglich, ob dort, durch die staatlich angestellten Lehrkräfte, wesentlich etwas stattfindet, was man "Gesetzesvollzug" nennen

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könnte. Eine solche Konstruktion könnte nur wie folgt versucht werden: Staatliche Gesetzgebung lege Wege allgemeiner Bildung und Bildungsinhalte fest. Die Verwaltung spezialisiere diese Norminhalte durch Rechtsverordnungen, konkretisiere sie durch Verwaltungsvorschriften, bis hin zu den staatlichen Lehrplänen. Deren Einhaltung und Durchführung stelle jene wesentliche Vollzugstätigkeit von Normen dar, welche den Verwaltungsbegriff erfüllten und hier staatliches Verwalten konstituierten. Rechtlich ist eine solche Betrachtungsweise grundsätzlich zulässig. Sie geht dann allerdings über die häufig betonte Tatsache hinweg, dass die Wissensvermittlung als solche weder im Bewusstsein der Allgemeinheit noch durch eine Rechtsnorm als Gesetzesausführung verstanden oder geordnet wird. Doch dem lässt sich entgegenhalten, dass diese pädagogische Tätigkeit eben lediglich die typische Form sei, in welcher hier die schulischen Normen durch Verwaltung vollzogen würden; und es hat sich ja auch im Vorstehenden stets gezeigt, dass Instrumente und Formen des Normenvollzugs sich von Bereich zu Bereich durchaus ändern können. Im Ergebnis kann also, wenn auch nicht ohne tatsächlich-pädagogische Bedenken, schulische Bildungstätigkeit als Normvollzug anerkannt werden. Wenn dies jedoch zutrifft, so findet ein solcher Normvollzug im Bildungsbereich auch dort statt, wo eine Verpflichtung zum Schulbesuch nicht normativ verordnet ist. Vollzogen wird dann die freiwillige Inanspruchnahme eines normativ geordneten Bildungsangebots durch den Bürger, etwa an weiterführenden Schulen, Hochschulen oder sonstigen staatlichen Bildungseinrichtungen. Wenn insoweit, und damit insgesamt im Schul- und Bildungswesen, doch von einem "Nonnvollzug" durch "staatliches Verwalten" die Rede sein kann, so ist damit allerdings noch keineswegs bewiesen, dass sich aus solchen Formen eines Verwaltungshandelns etwas wie eine Definition des Verwaltens oder gar eine "Verwaltung als Gewalt" ergeben könnte. Vielmehr würde sich gerade hier die Folgerung aufdrängen, dass eben die Formen des Gesetzesvollzugs ganz unterschiedlich sein können, dass aber Verwaltung immer auch nur einen solchen zum Gegenstand hat. Dies aber kann allein, wie bereits nachgewiesen, öffentliche "Verwaltungstätigkeit" nicht konstituieren. b) Notwendiger Einsatz der Hoheitsgewalt?

Hier erheben sich ähnliche Probleme wie bei der Betrachtung schulischen Normvollzugs. Hoheitsgewalt muss gewiss letztlich dort eingesetzt werden, und zwar durch die vorführende Polizei, wo Schulpflicht besteht, aber auch nur in diesem Bereich. In den übrigen Räumen des Bildungswesen kann sie gesetzlich vorgesehen sein, es erhebt sich aber schon die Frage, ob dies als solches sachangemessen ist, und wenn das zu bejahen wäre, ob es den

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Gesamtbereich in einer Weise prägt, dass er als hoheitlich-verwaltungsmäßig zu begreifen ist. Zu diesen Problemen findet seit langem eine weitverzweigte rechtlich-pädagogische Diskussion statt, welche sich zu einer allgemeineren über die richtigen Formen der Wissensvermittlung, der Erziehung überhaupt verbreitert hat. Sie kann hier nicht nachgezeichnet werden. Festzuhalten bleibt jedoch, dass gerade von pädagogischer Seite der Einsatz von "Gewalt" zur Wissensvermittlung zunehmend kritisiert wird, und dass sich dies insbesondere auf das "hoheitliche Prüfungs- und Benotungswesen" bezieht. Selbst wenn man die Notwendigkeit derartiger Kontrollen und Barrieren, in welcher Form immer, grundsätzlich bejaht, so ist es doch eine weitere Frage, ob die Erfüllung der Voraussetzungen schulischen Fortschritts, die Überwindung gesetzlich vorgesehener Hürden, im Wege der hoheitlichen Feststellung durch Benotung erfolgen muss oder auch nur erfolgen sollte. Eine Notwendigkeit hierzu kann rechtlich allenfalls dort anerkannt werden, wo auf solche Weise der gleiche Zugang zu den öffentlichen Ämtern eine eindeutige, eben hoheitlich festzustellende Voraussetzung gesetzmäßig verlangt. Und selbst in diesem Bereich ist weithin anerkannt, dass auch nicht hoheitlich ausgestellte Zeugnisse durchaus anerkennungsfähig sind - warum muss es dann aber überhaupt einen Einsatz der Hoheitsgewalt zur Benotung geben? Wenn derartige hoheitliche Veranstaltungen bereits höchst zweifelhaft in ihrer Notwendigkeit erscheinen, so setzt sich diese Problematik noch fort, gerade in letzter Zeit zunehmend, in der der Notwendigkeit des Einsatzes einer hoheitlichen Disziplinargewalt an den Schulen. Es ist schwer einzusehen, weshalb derartige disziplinarische Mittel, vom einfachen Verweis bis zum Schul verweis, notwendig unter Einsatz von Hoheitsgewalt erfolgen, nur auf solche Weise wirken könnten. Jeder privaten Bildungseinrichtung, und nicht nur den Privatschulen, steht es doch frei, aus der Nichterfüllung gewisser vertraglich übernommener Verpflichtungen zu schulischem Wohlverhalten entsprechende disziplinarisch wirkende Folgerungen zu ziehen. Der gesamte Einsatz der Hoheitsgewalt, von Prüfung und Benotung über Versetzung bis hin zu den Schulstrafen, kann also kaum eine rechtlich notwendige Begründung in der schulischen Bildungstätigkeit als solcher, in der Aktivität anderer Bildungseinrichtungen finden. All dies würde genau so funktionieren, wenn es in nicht-hoheitlicher Weise geordnet wäre. Daher drängt sich schon die Frage auf, ob hier dieser Einsatz der Hoheitsgewalt nicht eher eine Folge von vorneherein eingesetzter Verwaltungstätigkeit ist, nicht umgekehrt diese Letztere notwendige Konsequenz eines ebenso notwendigen Einsatzes hoheitlicher Gewalt. Die rechtlichen Entwicklungen eines Abbaus der früheren Besonderen Gewaltverhältnisse, hin zu "Sonderrechtsverhältnissen", könnten bereits Wegweiser in diese Richtung sein: Sonderrechtsbeziehungen müssen nun eben, anders als die speziellen Ge-

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waltunterworfenheiten früherer Zeit, keineswegs auf den Einsatz von Hoheitsgewalt zurückzuführen sein; bei Sonderrechtsbeziehungen könnte es sich auch um spezielle Ausgestaltungen privatrechtlicher schulischer Ordnungen handeln. Wenn Verwaltung sich also, und sei es auch in einigermaßen künstlich wirkenden Konstruktionen, noch als Normvollzug im Schul- und Bildungsbereich verstehen lässt - von der Notwendigkeit eines Einsatzes der Hoheitsgewalt kann hier nicht gesprochen werden. Ob der staatliche Gesetzgeber sie dennoch vorsehen darf und, wenn dies geschieht, sodann noch der Einsatz beamteter Lehrer eine systemimmanente rechtliche Notwendigkeit darstellt, ist eine ganz andere Frage. Hier war lediglich festzustellen, dass aus Verfassungssicht der Einsatz notwendiger, rechtlich eindeutig zu bestimmender Verwaltungstätigkeit als Ausfluss einer Zweiten Gewalt eine rechtliche Sperre gegen Privatisierungsforderungen grundsätzlich nicht errichten kann. c) Schul- und BildungsvelWaltung nur durch staatliche Träger?

Die bisherigen Überlegungen haben ergeben, dass der Einsatz staatlicher Verwaltung allenfalls dadurch zu rechtfertigen ist, dass die vom Gesetzgeber gewollten Bildungszustände erreicht oder die von ihm angebotenen Bildungsmöglichkeiten geordnet genutzt werden müssen. Hierbei handelt es sich allerdings weit mehr um eine Realisierung von Normwirkungen als um den Vollzug fassbarer Norminhalte. Selbst wenn man aber von dem ersteren, weiteren Verständnis ausgeht und darin eine "Verwaltungsnotwendigkeit" zu sehen glaubt, so fragt sich doch, ob dies nicht auch auf privaten Wegen erreicht werden könnte. Das bereits heute breitgefächerte und sich immer weiter verzweigende und vertiefende private Bildungsangebot, welches sich bereits zu einem privaten Bildungswesen verdichtet hat, spricht deutlich und grundsätzlich für das Gegenteil. Mit der grundSätzlichen Anerkennung von Privatschulen, wie weitgehend immer derartige Einrichtungen funktionieren, ist eine grundsätzliche Vorentscheidung für die Nicht-Notwendigkeit eines öffentlichen Bildungswesen gefallen, und nun ist es nur mehr eine Frage bildungspolitischer Zweckmäßigkeit, ob es überhaupt noch staatliche Schuleinrichtungen geben soll. Dies muss hier einmal grundsätzlich festgestellt werden; die verzweigte Diskussion darüber, was denn die bessere, die effizientere Bildungslösung sei, all dies bewegt sich auf einer völlig anderen, einer nicht rechtsgrundsätzlichen Ebene. Sie hat nun den Hochschulbereich erreicht und solche Privatisierungsforderungen werden vor keinem Bildungssektor mehr Halt machen. Höchst problematisch ist es, in derartigen politischen Auseinandersetzungen stets ganz allgemein die "Rolle" oder die "Verantwortung" des Staates

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für das Bildungswesen zu bemühen. Wer dies bejaht, könnte daraus allenfalls die Folgerung ableiten, dass eine "Grundversorgung" mit Bildungsangeboten auf jeden Fall seitens des Staates gewährleistet bleiben muss. Damit aber verschiebt sich die Diskussion vom Problem der Notwendigkeit einer Staatstätigkeit im Bildungsbereich generell hin zur Spezialfrage des Staates als Garanten einer Grundsicherung in diesen Bildungsräumen; sie aber stellt sich nicht nur dort, sondern auch im wirtschaftlichen, vor allem aber im sozialen Bereich. Dies ist dann eine völlig andere Problematik als die einer Notwendigkeit staatlicher Verwaltungs tätigkeit im Bereich von Schule und Bildung als solchem. Reduziert auf eine "Grundsicherung" wirft sie erneut die damit noch nicht beantwortete Frage auf, ob dies etwa im Namen eines Staatsmonopols außerhalb von jedem Wettbewerb zu gewährleisten sei, und was sich daraus für die Notwendigkeit gerade einer staatlichen "Verwaltung" ergeben könne, welche hier unbedingt eingesetzt werden müsse. Ob nun staatliche Grundsicherung oder allgemeine Staatsbetätigung im Schul- und Bildungsbereich - es ist schwer einzusehen, warum dort, wo der Staat sich schon so weitgehend im Wettbewerb mit anderen, privaten Rechtsträgern befindet, seine Veranstaltungen lediglich von einer wie immer näher zu definierenden, speziellen staatlichen "Verwaltung" wahrgenommen werden sollten. Wird die notwendige Staatstätigkeit jedoch auf öffentliche Kontrolle über gesetzliche Voraussetzungen reduziert, welche im Bildungsbereich stets erfüllt sein müssen, etwa eine bestimmte Wahrung der Chancengleichheit, so bleibt von der klassischen Schulverwaltung, den staatlichen Bildungsadministrationen, nur ein kleiner Bereich übrig, entsprechend etwa dem der staatlichen Kreditaufsicht über den privaten Bankenbereich. Und warum dort dann noch unter Einsatz von Hoheitsgewalt kontrolliert werden muss, ist ebenfalls nicht leicht zu begründen; wenn dies auch gelänge, könnte sich daraus kaum eine allgemeine Legitimation eines Begriffs des öffentlichen "Verwaltens" oder gar einer öffentlichen Verwaltung als Zweiter Gewalt ergeben, sondern allenfalls die einer öffentlichen Verwaltung als Kontrolle über die Einhaltung gesetzlicher Nonnen seitens privater Bildungsträger. Ein großer, traditioneller Verwaltungsbereich, der des Schul- und Bildungswesens, ist also eindeutig grundsätzlich privatisierbar, bis hin zu eng zu bestimmenden Kontrolltätigkeiten staatlicher Organe, welche der Gesetzgeber in ihren Voraussetzungen bereits näher bestimmen, deren Wahrung sodann weithin auch der Gerichtsbarkeit vorbehalten bleiben könnte. Für eine Definition "notwendiger staatlicher Verwaltung" ergibt sich hier wenig oder nichts.

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5. Das Gesundheitswesen a) Gesundheit - ein Verwaltungsgegenstand?

In diesem bedeutenden und sich ständig erweiternden Sektor hat frühere Wohlfahrtsstaatlichkeit nicht nur eine Renaissance erlebt, sie hat sich zu einer von vielen als wesentlich angesehenen Staatstätigkeit erweitert. Doch auch hier setzen nun Privatisierungsforderungen aus verschiedenen Richtungen und in großem Umfang an, drängen "staatliche Verwaltung" als solche, ja öffentliche Verantwortung überhaupt zurück. Wieder stellen sich hier die sei ben Fragen, welche bereits im Schul- und Bildungsbereich schwer zu beantworten waren: "Werden hier überhaupt Gesetze vollzogen", ist dazu der Einsatz hoheitlicher Gewalt zwingend erforderlich, muss all dies unbedingt in den Formen staatlichen Verwaltens erfolgen? Um Wiederholungen zu vermeiden: Keine dieser Fragen lässt sich heute ohne weiteres oder gar durchgehend bejahen. Der deutsche Gesetzgeber hat, wie auch der anderer Länder, weithin unter sozialisierendem Einfluss, die Gesundheit der Bürger zum Gegenstand eines "öffentlichen Dienstes", eben eines Health-Services werden lassen, im Namen einer Gesundheitssicherung für die wirtschaftlich Schwächeren. Was daran typisch verwaltungsmäßig sein sollte, war von Anfang an mehr als fraglich: Heilbehandlungen oder Betreuungen können doch nicht ihrem Wesen nach als Tätigkeiten des Gesetzesvollzugs angesehen werden; es sei denn, man verfalle dem primitiven Zirkelschluss, dass alles, was der Gesetzgeber einem staatlichen Träger normativ zuordne, allein schon deshalb wesentliche Staatsaufgabe, Gegenstand staatlichen Verwaltens sei. Hier aber fehlt es bereits an einer gesetzlich normierbaren Materie; allenfalls der Einsatz gewisser Heilmittel, Medikamente, Heilmethoden lässt sich noch normativ erfassen, und im Grunde doch wiederum nur in seinen finanzierungsbestimmten Begrenzungen, nicht in der Beschreibung des Zustandes, der nun normkonform erreicht werden soll. Hoheitsgewalt muss der Arzt, das Krankenhaus gewiss nicht einsetzen, um Heilung zu erreichen, es sei denn, man gehe von einem allgemeinen, grundrechtlich höchst bedenklichen Zwang zur Sicherung der eigenen Gesundheit aus. Noch weniger überzeugend lässt sich begründen, dass diese gesamte Gesundheitsvorsorge begriffsnotwendig allein durch staatliche Träger wahrgenommen werden könne. Das Gegenteil ist durchgehende Praxis, der freie, private Arzt die Regel, der Amtsarzt die enge Ausnahme. Das öffentliche Krankenhaus dient den selben Zwecken wie die private Klinik und steht zunehmend mit diesen letzteren Einrichtungen im Wettbewerb. Und alle Forschungseinrichtungen können selbstverständlich privat geführt, ja Privaten überlassen werden.

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Wiederum könnten sich also staatliche Veranstaltungen der Gesundheitssicherung oder -förderung allenfalls als staatsnotwenig dort erweisen, wo private Dienste fehlen, sich noch nicht entwickelt haben oder nicht in der Lage sind, die erforderliche "Grundsicherung" zu gewährleisen. Dass sich aus diesem Begriff aber nicht die Notwendigkeit staatlichen Verwaltens herleitet, hat sich bereits beim Bildungswesen gezeigt. Gesundheit ist eben kein Gegenstand staatlichen Verwaltens.

b) Gesundheitsämter - Gesundheitsüberwachung

Was dem Staat also im Gesundheitsbereich wesentlich obliegen kann, ist lediglich eine Überwachung jener Gesundheitsdienste, welche von Privaten angeboten werden. Dass damit der größte Teil des gegenwärtigen öffentlichen Gesundheitswesens grundsätzlich privatisierungsfähig ist, kann keinem Zweifel unterliegen; jedenfalls in den Formen der Organisationsprivatisierung hat sich diese Erkenntnis auch bereits weithin durchgesetzt, ein Ende ist hier noch kaum abzusehen. Daher wird es in absehbarer Zeit öffentliche Gesundheitsverwaltung nurmehr geben als Kontrollveranstaltung über private Dienste, wie es eben auch in den wichtigsten privatwirtschaftlichen Tätigkeiten anderer Sektoren, etwa bei Banken-, Versicherungs- und Börsenaufsicht der Fall ist. Ob diese staatliche Gesundheitsverwaltung dann nur unter Einsatz öffentlicher Gewalt funktionieren, ob es nicht auch genügen kann, dass sie über Information und Anzeigen richterliche Reaktionen hervorruft, ist eine weitere Frage. Auch kann nicht anerkannt werden, dass eine solche Verwaltung nur in Formen der üblichen Verwaltungsorganisation vom Staat direkt geleistet werden könne. Die Fahrzeugkontrollen des Technischen Überwachungsvereins beweisen, dass durchaus hier auch Verwaltung über beliehene Private stattfinden kann. Klar zeigt sich immerhin auch für den Gesundheitsbereich: Staatliche Verwaltung ist hier nur in engen "gesundheitsamtlichen Grenzen", wenn überhaupt, erforderlich, und, was dann entscheidend ist, dort findet sie rein gesetzesakzessorisch statt, im Vollzug der von der Ersten Gewalt gesetzten, mehr oder weniger spezialisierten Normen. Von einer eigenständigen, mit einer gewissen Endgültigkeit ihrer Entscheidungen begabten Staatsgewalt darf also hier nicht gesprochen werden. Weitgehend kann auch diese Gesundheitsverwaltung noch privatisiert werden, etwa in Verlagerung ihrer Aufgaben auf private Forschungsinstitute und Kontrollinstanzen; im Übrigen kann die typische vollziehende Verwaltungstätigkeit sich auflösen in weitgehende Anzeigemöglichkeiten und vom Gesetzgeber immer noch spezieller geregelte Verpflichtungen der Ärzte und Gesundheitseinrichtungen.

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Privatisierungsentwicklungen sind damit kaum mehr greifbare Grenzen gezogen - allenfalls bleibt etwas wie "Gesundheitspolizei". 6. Der Rückzug des staatlichen Verwaltens aus dem Militärbereich Der militärische Sektor war früher traditionell ein Zentralbereich der Exekutive, gerade aus seiner Bedeutung und faktischen Macht gewann diese entscheidendes Gewicht als eine der großen Gewalten im Staat. Dabei ist allerdings die daraus sich ergebende Problematik für den Begriff der Exekutive als einer Verwaltungsmacht kaum je deutlich geworden. Typisch militärisches Handeln, Landesverteidigung als solche, hat ja unter keinem Gesichtspunkt etwas typisch ,,"Gesetzesvollziehendes", "Verwaltungsmäßiges". Mag nun auch alles derartige Handeln in Friedenszeiten, soweit es Rechte der Bürger berührt, der Kontrolle der Gerichtsbarkeit unterworfen sein - seinem Wesen nach ist das Luftbombardement so wenig "Verwaltung", wie es früher die Kavallerieattacke war. Hier wird ganz einfach Gewalt unmittelbar eingesetzt, nicht zur Regelung einer normbestimmten Lage, sondern zum Brechen gegnerischen Willens - es sei denn, man sehe in der Verteidigung des eigenen Territoriums, ja sogar im Angriff auf fremdes eine Aktivität zur Herstellung des normgemäßen Zustandes, nach dem eben die Hoheitsgewaltsausübung des Staates über sein Gebiet und seine Bürger nicht gestört werden dürfe - immerhin eine recht weithergeholte, wenn nicht gekünstelte Konstruktion. Verwaltung findet also im Bereich der Landesverteidigung nicht statt durch deren darauf zielende Aktionen, sondern allenfalls in Beschaffung und Ordnung der dafür erforderlichen sächlichen und persönlichen Mittel. In beiden Richtungen aber ist es mehr als fraglich, ob sich hier "wesentliche Verwaltungsbereiche" finden lassen, sei es über das Kriterium eines "Normvollzugs", sei es über den Einsatz hoheitlicher Gewalt. Was zunächst die persönlichen Verteidigungsmittel anlangt, die Gewinnung der Mitglieder der bewaffneten Macht, so kann doch keine Rede davon sein, dass sie wesentlich nur öffentlich-rechtlich angestellt sein und dann laufend öffentlich-rechtlicher Personalverwaltung unterliegen müssten. Nicht nur höchst effiziente Söldnerarmeen beweisen das Gegenteil, die Möglichkeit, hier durch privatrechtliche Verträge zu verpflichten. Ähnliches könnte ohne weiteres auch bei der Aufstellung einer Berufsarmee praktiziert werden: Verpflichtung durch Anstellungsverträge, Rückzug der gesamten öffentlichen Personalverwaltung aus dem Militärbereich, in diesem Sinn durchaus auch "Privatisierung der Armee". Im Wege zu stehen scheint einem derartigen Rückzug des Verwaltens aus dem zentralen Personalbereich der Landesverteidigung lediglich die recht-

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liche Rekrutierungsform der allgemeinen Wehrpflicht. Sie hat jene umfangreichen Wehrverwaltungen hervorgebracht, welche die Wehrpflichtnormen unter Einsatz hoheitlicher Gewalt nun wirklich "vollziehen". Von einer Verfassungsnotwendigkeit derartiger Personalgewinnung kann jedoch nicht die Rede sein, hier ist öffentliche Verwaltung lediglich Ergebnis einer bestimmten Entscheidung des einfachen Gesetzgebers. Und noch nicht einmal dies lässt sich mit rechtlicher Notwendigkeit behaupten. Auch eine allgemeine Wehr-Verpflichtung könnte wohl in privatrechtlichen Formen realisiert werden. Selbst wenn man davon aber absieht, öffentliche Verwaltung als eine notwendige Folge der allgemeinen Wehrpflicht anzuerkennen, so lässt sich daraus für einen generelleren, auf andere Bereiche zu übertragenden Begriff des Verwaltens, mit typischen öffentlich-rechtlichen Begriffsinhalten, kaum etwas ableiten. Eingesetzt wird lediglich Arbeitsrecht in einer bestimmten publifizierten Form. Was nun die sächlichen Mittel der bewaffneten Macht anlangt, so bleibt die Suche nach typischen öffentlichen Verwaltungsgegenständen weitestgehend erfolglos. Das militärische Beschaffungswesen funktioniert nahezu durchgehend auf der Grundlage privatrechtlicher Verträge, wie übrigens die Beschaffung auch der sächlichen Mittel anderer Verwaltungen. Es ist nicht ersichtlich, weshalb gerade hier Verwaltung stattfinden müsste; andere Gesetze als die des Kaufrechts sind nicht zu vollziehen, hoheitliche Gewalt konnte gegenüber Heereslieferanten nie wirksam eingesetzt werden; auch heute ist dies nicht möglich. Beim Militärbereich zeigt sich also, dass Privatisierung im Sektor der Beschaffung sächlicher Mittel bereits vollzogen ist, bei der Gewinnung von Personal durchaus als möglich erscheint. 7. Exkurs: Beschaffung von "Verwaltungsmitteln" im Wege der Enteignung - öffentliche Enteignungsverwaltung? Hier mag sich nun ein Ausblick auf eine Problematik anschließen, die zwar traditionell stets eng mit dem Militärbereich verbunden war, über ihn aber schon seit langem weit hinaus führt: Die öffentlich-rechtliche Ordnung der Enteignung zum Zwecke des allgemeinen Wohls. In ganz unterschiedlichen Bereichen der öffentlichen Verwaltung, beschäftige sie sich nun mit Bau- oder Umweltrecht, oder eben mit Landbeschaffung für das Militär, sind "Enteignungsverwaltungen" tätig, meist nicht als solche organisatorisch verfestigt, sondern in engem Zusammenhang mit den Fachinstanzen, welche die durch Enteignung zu verwirklichenden Zwecke realisieren sollen. Immerhin wird aber "Enteignung" als

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solche als Gegenstand öffentlichen Verwaltens durchaus gesehen und verwaltungsrechtlich dargestellt. Auch hier erhebt sich also die Privatisierungsfrage. Sie lässt sich, insbesondere in einer dogmatischen Rückblende, unschwer entscheiden - gegen die Verwaltung. Ursprünglich war Enteignung ja gesehen worden als ein Zwangskauf, als eine Art von Ankaufsrecht zu gewissen Bedingungen, welchen das Gut des Privaten unterlag, zugunsten des Staates. Die Grundidee dieses Zwangskaufes hat sich auch im heutigen Enteignungsrecht noch erhalten: Es soll nur mit seiner hoheitlichen Verwaltungsgewalt zum Einsatz kommen, wenn vorherige Bemühungen freihändigen Erwerbes gescheitert sind. Sodann kann die Verwaltung den ZwangskaufsPreis festsetzen, der Richter, und zwar bisher noch immer die Instanz der Zivilgerichtsbarkeit, entscheidet über dessen Angemessenheit. Dies alles ist nun eine durchaus kontingente, in keiner Weise rechtsgrundsätzlieh notwendige, ja kaum systemimmanente Konstruktion. Weit sinnvoller wäre es doch, das odiose Wort der Enteignung wieder zu ersetzen durch einen Begriff des Zwangskaufes, mit dem die betreffende Staatsinstanz eine Art von allgemeinem Ankaufsrecht auf Grund von ihr nachzuweisenden öffentlichen Interesses geltend macht. Dann würde der gesamte Vorgang im Bereich des verwaltungsfernen Privatrechts ablaufen können. Der Bürger würde den gebotenen Preis akzeptieren oder nicht, im letzteren Fall hätte der Zivilrichter über seine Angemessenheit zu entscheiden - wie es auch heute geltendem Enteignungsrecht entspricht und bei jedem Vorkaufsrecht geprüft wird. Den Vertretern des Staates bliebe lediglich die Last des Nachweises eines öffentlichen Interesses, als Voraussetzung für die Inswerksetzung des Vorkaufsrechts. Ob dies aber vorläufig-einseitig durch eine "Verwaltung" oder, ebenso vorläufig durch eine privatrechtliehe Vertretung der betreffenden juristischen Person des öffentlichen Rechts erfolgt, bleibt sich letztlich gleich; stets ist es ja der Zivilrichter, der darüber entscheidet. Was in all dem typische oder gar notwendige Verwaltung sein soll, ist nicht ersichtlich, und die Praxis orientiert sich ohnehin mehr und mehr in Richtung auf "reine", d. h. enteignungsfreie Grundstückverhandlungen. Praktisch ist hier "öffentliche Verwaltung", eine Drohung mit ihr, bereits im Wirtschaftlichen zum stumpfen Schwert geworden. Zivilrichterliche Zuständigkeit in Enteignungssachen, welche öffentlich- rechtlicher Purismus immer noch aufheben will, erweist sich hier übrigens als eine durchaus sinnvolle prozessuale Vorwegnahme einer im Grunde längst überfälligen Privatisierung des Enteignungswesens.

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8. Eine Grundfrage "öffentlichen Verwaltens": Privatisierungsrähigkeit auch noch der Polizei? Bisherige Überblicke über ganz unterschiedliche Bereiche dessen, was herkömmlich als "Verwaltung" zu erfassen versucht, haben immer wieder eines gezeigt: Eine Notwendigkeit für das Eingreifen einer spezifischen Staatsgewalt, sei es im Gesetzesvollzug, oder, und insbesondere, unter Einsatz hoheitlicher Gewalt, lässt sich nur in engen Bereichen annehmen, wenn überhaupt. Dies sind durchgehend solche, in denen es auf die Überwachung möglichen oder bereits realisierten privaten Verhaltens ankommt. Regelmäßig geht es dort, im Schul- wie im Gesundheitsbereich, nur mehr darum, vom Gesetzgeber vorgegebene Voraussetzungen für bereits private, jedenfalls aber privatisierbare Tätigkeiten in ihrer Einhaltung darauf hin zu überwachen, dass dort etwa auftretende Gefahren vermieden werden können. Damit aber erweisen sich diese "Verwaltungstätigkeiten", deren besonderer rechtlicher Charakter auf diese Weise noch keineswegs überzeugend bewiesen ist, jedenfalls stets als eines: als Formen einer "Polizei" im weiteren Sinne, als welche sie auch in früherer Zeit bestanden und unter dem Begriff der "Polizey" zusammengefasst waren. So führen denn diese Betrachtungen notwendig zu einer letzten und für die Verwaltungstätigkeit des Staates als solche durchaus zentralen Frage, welche gegenwärtige Privatisierungstendenzen stellen: Lässt sich denn Polizei als solche auch noch privatisieren? Das Problem ist nicht neu und Einzelheiten sind bereits umfänglich diskutiert worden. Hier soll sich eine Betrachtung aus staatsgrundsätzlicher Sicht anschließen.

a) Der Sicherheitsbereich - weitgehend bereits privatisiert

Herkömmliche Auflistungen der Staatsaufgaben erwähnen noch immer die Aufrechterhaltung von "Sicherheit und Ordnung", in büromäßiger Ordnungsverwaltung wie im Polizeivollzug, als eine der herkömmlichen, wenn nicht gar notwendigen Staatsaufgaben. In der gegenwärtigen Staatsordnung - und keineswegs nur in einer von dieser sich entfernenden "Wirklichkeit" - ist jedoch dieser Bereich bereits weitgehend enthoheitlicht worden, durch Anstellungsprivatisierung in der Verwaltung selbst oder gar im Wege des Outsourcing dieser Dienste, ihrer Übertragung auf private Unternehmen, welche diese Verpflichtungen vertraglich gegenüber öffentlich-rechtlichen Rechtsträgern übernommen haben. Wichtige, wenn nicht zentrale Beispiele dafür sind die Privatisierung der Fluglotsendienste und der Verkehrsüberwachung im kommunalen Bereich. Zentrale und traditionelle Hoheitsbefugnisse werden hier, im Wege einer beginnenden Organisationsprivatisierung, in Formen des Privatrechts ausgeübt, durch private Bedienstete wird ein

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Dienst versehen, der dann auch vollkommen auf private Unternehmen verlagert werden könnte, wozu sich bereits erste Anzeichen finden. Sicherung öffentlicher Einrichtungen wird schon von privaten Sicherheitsdiensten durchgeführt - eine an sich doch zentrale, eine wahre Kernaufgabe der Polizei. Diese zieht sich ja gerade neuerdings, aus Mangel an Kräften und sächlichen Mitteln, aber auch in einer deutlichen Bedeutungsabwägung, immer mehr zurück aus der allgemeinen Aufrechterhaltung der Ordnung zwischen den Bürgern auf die persönliche Sicherung der Herrschenden und ihrer wichtigsten Herrschaftsinstrumente. Umso mehr ist es bemerkenswert, dass etwa die polizeiliche Sicherung von Militäranlagen neuerdings ohne weiteres als privatisierungsfähig behandelt wird, und zwar sogar im Sinne der vollen Ausgliederung aus der Staatsorganisation, der Übertragung dieser Dienste auf private Sicherheitsinstanzen. Es geht nun nicht etwa nur darum, wie viel damit an Polizei oder Verwaltungskräften eingespart werden kann; eine grundsätzliche Entwicklung ist damit eingeleitet: Eindeutig wesentliche Aufgaben bisheriger Polizei - man denke nur an jene "Militärpolizei", welche etwa in Italien geradezu der Ausgangspunkt modernen Polizeiwesens war - werden damit vom Staat als grundsätzlich privatisierungsfähig erklärt. Die gesamte Privatisierungsdiskussion wird auch hier nur mehr über Fragen optimaler Effizienz und minimalen Einsatzes öffentlicher Mittel geführt; von staatsgrundsätzlichen Überlegungen, ob hier nicht geradezu ein Zentrum der vollziehenden Gewalt aufgegeben werde, finden sich kaum noch Spuren. Ein weiterer, polizeilich gesehen besonders wichtiger Bereich wird ebenso, ohne größere prinzipielle Diskussion über polizeiliche AufgabensteIlungen, der "öffentlichen Verwaltung" als solcher entzogen: der Katastrophenschutz in einem weiten Sinne des Wortes. Technische Hilfswerke etwa mögen staatlich subventioniert sein - als solche sind sie keineswegs notwendige Bestandteile der Polizei oder der Staatsverwaltung, welche sich ihrer bedient. Und diese polizeilichen Ausnahmefälle nehmen nach Zahl und praktisch-politischer Bedeutung für die Gemeinschaft ständig zu, ihre Bewältigung wird bereits zu einer polizeilichen Normalaufgabe. Hier kann aber weder von einer Notwendigkeit öffentlich-verwaltenden Tätigwerdens die Rede sein, noch wird organisationsrechtlich etwas wie eine wesentlich staatliche Polizeigewalt tätig. Und derartige Erscheinungen reichen, im Bereich etwa der Freiwilligen Feuerwehren, bis in wahrhaft tagtägliche Bewältigungen polizeilicher Ausnahmesituationen hinein, in welchen sich private Hilfsdienste immer mehr "in die Vollzugspolizei hineinschieben", aus deren Hilfsorganen bereits zu echten privaten Polizeikräften werden. Schließlich wird zum Katastrophenschutz zunehmend jene bewaffnete Macht eingesetzt, von der bereits hinsichtlich ihrer Privatisierbarkeit die Rede war: Sie wird hier gerade nicht in der Regel über Rekruteneinsatz tätig, sondern in der Bewältigung von katastrophalen Ausnahmeerscheinungen durch eine 11*

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Annee in einem Katastrophenschutz, den sie mit ihrem "schweren Gerät" meist neben privaten Hilfsdiensten, nicht wesentlich nach Verwaltungstätigkeit und Organisation von diesen unterschieden, durchführt. In all diesen Sektoren zeigt sich also, dass der Staat selbst, weithin durch Organisationsprivatisierung, immer mehr aber auch in Fonnen der Aufgabenprivatisierung, zentrale Kompetenzbereiche aus dem traditionellen Mittelpunkt seiner Verwaltungs- und Vollzugstätigkeit heraus bereits in private Rechtsfonnen übertragen hat und, was das Bedeutsamste an dieser Entwicklung ist: dies alles findet "stillschweigend", ohne grundsätzliches Aufsehen, ohne prinzipielle Diskussion, meist in kleinen Schritten der Gesetzgebung oder gar der Verwaltungspraxis statt. Die Diskussion darüber, ob das vielbeschworene "Gewaltmonopol des Staates" damit nicht nur ausgehöhlt, sondern am Ende völlig und grundsätzlich aufgegeben werde, wird kaum noch geführt, und wo dies geschieht, geht der Streit um Einzelheiten, nicht mehr um grundsätzliche Privatisierungsfähigkeit. b) Die Abbürdung von Sicherheitsaufgaben auf den Bürger

Private Sicherheitsdienste haben Hochkonjunktur, zunehmend und seit geraumer Zeit, vor allem in Staats- und Rechtsordnungen, aus denen immer mehr in die deutsche Ordnung übernommen wird, etwa der der Vereinigten Staaten. Dahinter mögen hierzulande staatliche Finanzprobleme stehen, Effizienzdefizite der öffentlichen Sicherheitsverwaltung und der staatlichen Polizei, welche die Wirtschaft in ihren hochspezialisierten Unternehmen eben nicht mehr hinnehmen kann. Wiederum aber geht es hier nicht nur um Finanzen und Wirksarnkeiten. Der Sozialstaat des Schwächerenschutzes ist eben schlechthin nicht mehr bereit, die Sicherheit in den Unternehmen seiner Bürger und für den Privatbereich der finanziell leistungsfahigen Schichten selbst zu gewährleisten, obwohl diese aufwendige Verpflichtung doch früher einmal eine der Legitimationsgrundlagen dafür war, dass von eben diesen Rechtsträgem auch progressiv höhere Abgaben verlangt wurden. Stillschweigend, ja geradezu unter der Hand hat sich hier auch im öffentlichen Sicherheitsbereich etwas wie eine "Sphärentheorie" entfaltet: Für ihre "spezielle" Sicherheit sind eben leistungsfahige Unternehmen wie Bürger gewissennaßen selbst verantwortlich, auch wenn es hier im Grunde, und sogar durchaus zentral, zugleich um Fragen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung geht. Die staatliche Polizei, im administrativen wie im Vollzugssinne, hat sich einfach de facto aus diesen ihren Aufgaben weithin zurückgezogen, und so blieb den dadurch ebenso tatsächlich hinsichtlich ihrer Sicherheitspositionen "enteigneten" Privaten gar nichts anderes übrig, als in die damit faktisch vom Staat aufgegebenen Räume mit eigenen Kräften, unter Einsatz eigener Mittel, in voller Privatisierung nachzustoßen. Wenn

IV. Privatisierung in "klassischen Verwaltungsbereichen"

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auf diese Weise bereits ein großer, bald der größte Teil der Sicherheitskräfte in der staatlichen Gemeinschaft nicht mehr der staatlichen Polizei zuzuordnen ist, sondern aus privaten Dienstleistungsunternehmungen kommt, ist dies eine reale Verschiebung von solcher Bedeutung, dass zumindest die Frage berechtigt ist, warum denn dann nicht noch ein großer weiterer Teil der Sicherheitsverwaltung aufgelöst, die Vollzugspolizei in private Sicherheitsunternehmen überführt werden kann. Von einer grundsätzlichen Notwendigkeit, gewisse Polizei stärken aufrecht zu erhalten, bestimmte Verwaltungsbereiche in staatlicher Organisation zu belassen, kann doch kaum mehr die Rede sein; jedenfalls trägt dafür die Verwaltung, die Zweite Gewalt des Staates, die man so gerne mit der Polizei identifiziert, eine immer drückender werdende Begründungslast. Und kann man Großeinsätze, die ohnehin meist "politisch" motiviert sind, nicht mit bewaffneter Macht durchführen? Im Namen der "Terrorismusbekämpfung" wird dies schon diskutiert, ist teilweise Realität. Nicht zu vergessen sind in diesem Bereich schließlich noch private Veranstaltungen, unterstützt von einer potenten ,,sicherheitsindustrie" , deren sich der Bürger, angesichts des zunehmenden Rückzugs der Polizei aus der Gewährleistung von Sicherheit und Ordnung, heute geradezu schon notwenig bedienen muss, um eine Lage aufrecht zu erhalten, welche einst die Verwaltungsgewalt der Polizei und ihrer Vollzugsdienste garantierte: Der Einbau von Alarmanlagen, vom Kraftfahrzeug bis zum hochspezialisierten Unternehmen der Wehrtechnik, zahllose Formen der Sicherungen von Häusern und Wohnungen gegen Einbruchsgefahren - all dies sind bereits im Grunde indirekte Privatisierungsmaßnahmen, welche die Defizite einer Staatsorganisation der Gewährleistung von Sicherheit und Ordnung kompensieren sollen. Kaum je wird die allgemeine Entwicklung von Verwaltung und Polizei unter diesen Gesichtspunkten gesehen, obwohl hier doch etwas äußerst Gefährliches im grundrechtsgestützten Rechtsstaat im Laufe ist: Weitere Formen der Abbürdung öffentlicher, wesentlich verwaltungsrechtlicher Verantwortung auf den Bürger, in einem massiven Rückzug der zentralen Kräfte der Hoheitsrnacht. Immer häufiger beschränkt sich ja nun die Tätigkeit des staatlichen Polizeivollzugs darauf, nach einem Schrillen von Alarmanlagen die Begehung von Straftaten oder deren Versuch nur zu konstatieren und es in spezifisch geordnete Formen der Anzeige zu übersetzen. Bei sehr vielen Delikten, deren Aufklärungsraten eben niedrig sind, leistet die Polizei praktisch nur dies noch. Straftaten anzeigen aber ist ohnehin Aufgabe des Betroffenen, und dem Verbleib seines gestohlenen Gutes nachforschen kann und wird auch der Private zunehmend mit Hilfe wiederum privater Detekteien. Nimmt man alles zusammen, was heute an Personal-, vor allem aber auch an Finanzmitteln zur Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung

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E. Privatisierung: Antiverwaltungsbewegung

eingesetzt werden muss und tatsächlich eingesetzt wird, so lässt sich feststellen, dass sich bereits eine weit überwiegende Privatisierung in dem Sinne vollzogen hat, dass Private für ihre eigene Sicherheit sorgen, für diese jedenfalls bezahlen; und dies Letztere verlangt ja die Polizei auch dort, wo es um Ermittlungshandlungen möglicher strafbarer Handlungen geht, zumindest dann, wenn sich solche nicht nachweisen lassen. All dies ist ein polizeilicher Wildwuchs ohne jede grundsätzliche Ordnungsschneise, ohne jede staatsprinzipielle Diskussion. Eines lässt sich mit Sicherheit aus einer Zusammenschau dieser Phänomene ableiten: Die öffentliche Sicherheit und Ordnung ist eine der heute bereits am weitestgehenden privatisierten Verwaltungsveranstaltungen. c) Privatisierbarkeit von Vollstreckung und Strafvollzug

Unbekümmert und wiederum ohne ersichtliche Grundsatzprobleme aufzuwerfen setzt sich diese Entwicklung rasch fort bis hinein in jenen - im weiteren Sinne - Polizeibereich, welcher die staatlichen Ordnungskräfte als Hilfsorgane der Dritten Gewalt, der Durchsetzung von deren Entscheidungen, in Anspruch nimmt. Im Falle der Gerichtsvollzieher, welche doch eine unzweifelhaft herausgehobene Vollzugsaufgabe der gesetzlichen, gerichtlich im Einzelfall bestätigten Ordnung wahrnehmen, kann sich eine Privatisierung sogar auf herkömmliche Erscheinungen berufen: Waren es denn nicht immer die Gläubiger, welche diese Staatsinstanzen "beauftragen" mussten mit der hoheitlichen Vollstreckung spezifisch hoheitlicher Gerichtsentscheidungen? Wenn dieser Auftrag auch noch mit öffentlich rechtlicher Hoheitsgewalt erfüllt wird, so steht doch nichts entgegen, diese Gerichtsvollziehertätigkeit auf Dauer ebenso voll zu privatisieren, wie sie ja bereits in zahlreichen Inkasso-Instanzen rein privatrechtliche und oft keineswegs weniger effiziente Konkurrenz gefunden hat. Ein Schlussstrich geradezu unter diese entpolizeilichende Entwicklung wird dann gezogen, wenn etwa auch der Betrieb von Gefängnissen - so muss man es dann bereits nennen - in private Hände gelegt und damit ein Kernbereich herkömmlicher Justizverwaltung privatisiert wird. Strafvollzug wurde stets als eine besondere Form polizeilicher Tätigkeit angesehen. Funktioniert eines Tages auch er noch, mit all seinem Personal, in Formen des Privatrechts und über private Unternehmen, so muss sich nun wirklich die Frage stellen: Was lässt sich denn im Sicherheitsbereich eigentlich nicht privatisieren? Dabei steht dem Staat übrigens eine mehr Handlungs- als Organisationsform stets zur Verfügung: Die der "Beleihung" mit einzelnen hoheitlichen

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Befugnissen. Über sie kann der Eindruck erweckt werden, als würden hier eben doch noch durch para-staatliche Kräfte, jedenfalls in Handlungsfonnen öffentlicher Verwaltung, Staatsaufgaben erledigt. Solche Befugnisse können dann jedoch immer weiter eingeschränkt werden, bis zu einem Grade, wo sie nun wirklich eine "wesentlich private Tätigkeit Privater" nicht mehr zu etwas wie einer öffentlichen Verwaltung umprägen. Damit vollzieht sich dann ein spektral-gleitender Übergang in einen am Ende völlig entverwaltlichten, einen wirklich privatisierten Bereich früher zentral-öffentlicher Verwaltung. Dort, wo einst die Verwaltung begann, im Polizei bereich, mag sie zuerst verschwinden - oder vielleicht nur zuletzt? 9. Ergebnis: Weitestgehende Privatisierbarkeit Ersetzbarkeit staatlicher Administrationen

a) "Virtuelle Privatisierbarkeit" Ein prozentual hoher Anteil herkömmlicher staatlicher Verwaltungstätigkeit ist in den vergangenen Jahrzehnten bereits privatisiert worden, und dies in zunehmend rascher Folge. Die vorstehenden Betrachtungen und alle Anzeichen gegenwärtiger Entwicklung in der politischen Praxis deuten darauf hin, dass sich dies noch weiter fortsetzen wird. Damit kommt es dann zu einer Situation, in der nur mehr in ganz wenigen Sektoren das stattfindet, was man unter "öffentlicher Verwaltung" zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts, ja noch in dessen Mitte verstanden hat, zu einer Zeit, als sich die heute als gängig unterstellte Gewaltenteilung in Deutschland ausprägen konnte. Diese Entwicklung erweist sich noch als weit gravierender, sieht man die Kontingenz von Faktoren, welche sie gegenwärtig noch verlangsamen, möglicherweise für einige Zeit: Alles ist hier eben abhängig von eher zufälligen, politisch motivierten Entscheidungen des Gesetzgebers. Dieser orientiert sich in keiner Weise an etwa vorgegebenen verfassungsrechtlichen Gewaltstrukturen einer Exekutive, in welcher "Verwaltung als selbständige Staatsgewalt" einen zentralen Platz einnähme. Maßgebend sind für ihn vor allem finanz- und sozialpolitische Überlegungen, im Übrigen Kriterien eines wirtschaftlich effizienten Funktionierens. Wo es dann zu Privatisierungen im Verwaltungsbereich, in welcher Fonn auch immer, noch nicht kommt, handelt es sich wohl in vielen Fällen um deutliche Übergangserscheinungen: Ein "Markt" hat sich eben "noch nicht entwickelt", und so will man, für einige Zeit, Wohnungswirtschaft und staatlich-administrative Arbeitsvennittlung noch aufrecht erhalten. Wesensnotwendig ist all dies nicht, der Verwaltungszustand ist ein durchaus prekärer, alle Hoffnungen richten sich sogar darauf, dass Verwaltungen hier eben doch Schwundgrö-

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E. Privatisierung: Antiverwaltungsbewegung

ßen bleiben. So ist der Bereich "virtueller Privatisierbarkeit" noch ein zusätzlicher Raum, welcher mitberücksichtigt werden muss, will man das eigentliche Gewicht der Privatisierungsentwicklung, und damit des Überflüssigwerdens staatlicher Verwaltung zutreffend bestimmen. Klar zeigt sich hier auch, was vorstehend bereits angesprochen wurde: Der wesentlich ökonomisch geprägte Monopolbegriff mochte zu Zeiten einen dogmatischen Begründungsansatz, jedenfalls eine einigermaßen überzeugende dogmatische Konstruktionsform öffentlicher Verwaltung bieten nun wird er dieser selbst zum Verhängnis, zum Ausgangspunkt einer nicht mehr zu widerlegenden Kritik dort, wo sich eben etwas wie ein Markt für frühere Verwaltungstätigkeiten entwickelt, vielleicht gar noch mit staatlicher Hilfe. Privatisierbarkeit im hier festgestellten Sinn gibt zunächst Antwort auf die organisationsrechtliche Frage, ob Verwaltungsaufgaben im Bereich des Staates oder Privater zu erledigen sind. Doch darüber hinaus beinhaltet eine weitgehende Bejahung der Privatisierbarkeit solcher Aktivitäten auch eine Feststellung zum Wesen der so entfalteten Tätigkeit: Es handelt sich eben bei den privatisierungsfähigen Veranstaltungen im Grunde doch nur um etwas wie "hoheitlich (vor)weggenommene Privattätigkeit"; da sie demnächst bereits entfallen kann, jedenfalls dann, wenn gewisse abzusehende Marktentwicklungen eingetreten sind, erweist sich, dass die staatliche Tätigkeit hier nichts Verwaltungsnotwendiges und damit "Verwaltungsspezifisches" an sich hat. Wie Privattätigkeit ist sie eben angesiedelt zwischen einer Gesetzgebung, deren Willen sie befolgt oder vollzieht, und einer Judikative, ~~lche dies endgültig kontrolliert, verwirft oder ratifiziert. Dies ist die materiellrechtliche Lehre aus der weitestgehenden Ersetzbarkeit des öffentlichen Verwaltungshandels in Privatisierung. b) Einschränkungsmöglichkeit des Verwaltungshandelns auf" Gewährleistung gesetzeskonformer Zustände" Nur sehr weniges muss bleiben von dem, was heute öffentliche Verwaltung genannt wird; einiges mehr kann noch, auf Zeit oder auch auf Dauer, funktionieren aus dem politisch-kontingenten Willen des einfachen Gesetzgebers heraus, jedenfalls aber ohne jede verfassungsrechtlich zu begründende Notwendigkeit. Was allenfalls erhalten bleiben muss, von Gesundheitsämtern über Schulämter bis hin zur Überwachung privater Sicherheitstätigkeit, ist nur mehr eine streng gesetzesakzessorische Realisierungstätigkeit des gesetzgeberischen Willens: Die legislativ bestimmten Voraussetzungen für Tätigkeiten Privater, welche öffentliche Interessen (mit)betreffen, sind unbedingt zu wahren. Dies kann nun gewiss auch dadurch geschehen, dass eine bis in die Einzelheiten normierende Legislative

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sie soweit präzisiert, dass Zuwiderhandlungen über Anzeigen betroffener Bürger sogleich staatliche judikative Reaktionen hervorrufen, ohne dass es einer wesentlichen Zwischenschaltung von Verwaltungstätigkeit noch bedürfte. Normierungen + Gesetzesgehorsam + (diesen sichernd) Anzeigen + gerichtliche Reaktion - diese Kette kann "Verwaltung" im bisherigen Sinne weitestgehend ersetzen, und zwar sogar dann, wenn der Gesetzgeber diese Voraussetzungen lediglich allgemein formuliert hat. Amerikanische Ordnungsformen belegen dies eindrucksvoll, welche weithin ohne die Zwischenschaltung staatlicher Administration auskommen, ja sogar verwaltungsrechtliche judikative Reaktionen durch strafrechtliche Verfolgung, strafrechtliche Verurteilungen ersetzen, auf diese Weise "Verwaltungsrecht als Strafrecht" durchaus wirkungsvoll praktizieren. Selbst dort aber, wo eine staatliche Verwaltung eben doch "zwischengeschaltet" wird, zwischen den Willen des Gesetzgebers und der judikativen Einzelentscheidung der Sicherung gesetzeskonformen Verhaltens, erweist sich dies, im Sinne des im vorstehenden Hauptteil B Ausgeführten, als nichts anderes denn als eine präventive Fortsetzung des Gesetzgebungswillens in anderer Form, vielleicht könnte man es sogar bezeichnen als eine "Form spezifisch organisierten vorgreiflichen Gesetzesgehorsams" . In dieser Sicht ist dann der Einsatz hoheitlicher Gewalt, dessen vergleichsweise geringe dogmatische Bedeutung bereits im vorstehenden Hauptteil C nachgewiesen wurde, erst recht nicht mehr rechtslogisch erforderlich, kann daher auch nicht ein Konstitutivelement einer bedeutsamen Staatsgewalt als solcher darstellen; durchaus können auch andere präventive Sicherungsformen weiter entwickelt werden - die Drohung privater Überwacher gegenüber privaten Gesetzesadressaten mit Anzeige und judikativem Eingreifen, etwa auch im Eilverfahren, als Beispiel, oder mehr Verbandsklagen ... Erweist sich nun aber die öffentliche Verwaltung lediglich als eine, und auch noch weithin kontingent nur einzusetzende Gesetzessicherungsform, so muss dies für die Vorstellung von einer darauf aufbauenden Zweiten Gewalt grundsätzliche Konsequenzen haben: Eine derart nach dem Willen des einfachen Gesetzgebers einsetzbare und dann auch wieder in Privatisierung reduzierbare Gewalt, die weder in ihren Organisationsformen noch vor allem in ihrer typischen Tätigkeit Eigenständiges, verfassungsrechtlich unbedingt Notwendiges zum Tragen bringt, kann nicht als eine große, neben Gesetzgebung und Judikative selbst- und gleichgewichtig stehende Staatsgewalt im Sinne der Gewaltenteilung der Verfassung anerkannt werden. Die Verwaltung bringt keine wesentlich "eigene Gewalt" zum Einsatz, weder in ihren Hoheitsbefugnissen noch aus der funktionalen Sicht der von ihr zu erledigenden Aufgaben, sie hat daher keine spezifische Gewalt - und aus diesem Grunde ist sie eben auch keine eigenständige Staatsgewalt.

F. Verwaltung als Förderungsgewalt, sozial und wirtschaftlich? Die verbreitete Kritik an der öffentlichen Verwaltung, welche zu den Privatisierungsforderungen geführt hat, geht letztlich stets auf den Vorwurf einer Schwerfalligkeit zurück, welcher einerseits die Verwaltung als eine heutiger Entwicklung unangemessene "Gesetzesvollzugsmaschine" sieht, sich zum anderen gegen jene hoheitlichen Mittel wendet, welche dabei eingesetzt werden. Etwas Übernormiertes, übermäßig Präventives und letztlich Repressives behindere vor allem technologische und wirtschaftliche Entwicklungen, welche flexible Hilfestellungen verlangten, nicht freiheitsbeschränkende Eingriffe. Mit etwas wie einem verbal-dogmatischen Rundumschlag wollen sich die Vertreter der Staatlichkeit aus der allseitigen Umklammerung durch derartige Vorwürfe lösen, indem sie eine "Offenheit" der Staatlichkeit postulieren, welche all diese im Wesentlichen eben doch Zukunftserwartungen mehr als bisher erfüllen soll. Auf die Verwaltung hin gewendet könnte dies zu dem Versuch führen, eine derart zukunftsoffene Staatstätigkeit vor allem in dienstleistender Förderung zu sehen, darin das Wesen wenn nicht bisherigen, so doch nun eines neuen, modemen Administrierens zu finden. Eine solche Konzeption könnte zugleich staatliches Verwalten aus der Unbedingtheit eines stets notwendigen Schwächerenschutzes heraus begründen, in einer Missbrauchsabwehr bei gar nicht oder fehlfunktionierenden Märkten durch die unbedingte Aufrechterhaltung bestimmter gesetzlicher Vorgabe-Standards; eben dies hatte sich ja vorstehend bereits als eine mögliche letzte Schranke der Privatisierung erwiesen. Dem allen ist nun nachzugehen in den folgenden Betrachtungen zur Möglichkeit einer Konstruktion modemen Verwaltens aus dienstleistendem Fördern heraus. Von vorneherein muss dabei aber ein Doppeltes klar sein: Nur dann und insoweit kann hier eine neue dogmatische Begründung des Verwaltungshandelns entfaltet werden, als eine solche Förderung nicht nur auf engeren sektoralen Bereichen wirkt; und vor allem muss sich dann hier auch erweisen lassen, dass in diesen Hilfestellungen etwas anderes liegt als eine Fortsetzung der Gesetzgebung mit anderen Mitteln.

I. VeIWaltung als Förderung?

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I. Verwaltung als Förderung? 1. Einsatz eigener Mittel zur "Hilfe für den Nächsten"? Für eine eigenständige Verwaltungskonzeption aus dem Begriff der Förderung heraus könnte sprechen, dass eine solche eben den Einsatz "eigener Mittel" beinhaltet, in dem diese optimal administriert werden müssen, so wie sie bereits in ihrer Bereitstellung und Bereithaltung optimal zu verwalten sind. Dann wäre solche Administration wesentlich geprägt durch den Einsatz, und wohl auch schon durch die Veranstaltungen zur Bereitstellung jener eigenen Mittel, deren Verteilung sodann, in der Verbindung mit der Mittelerhebung gesehen, zu einer eigenständigen Domäne des Staates werden könnte - Verwaltung als Fördergewalt, damit vielleicht sogar als eine modeme Zweite Gewalt im Staat. Derartige Vorstellungen mögen darin als modem erscheinen, dass sie jene Solidarität in organisierter Weise zum Tragen bringen, welche der Staat ja auch im zwischenbürgerlichen Verhältnis voraussetzt, ja fordert. Hier würde sich dann Verwaltung als eine speziell verfestigte und organisierte Form solidarischen Gemeinschaftsverhaltens präsentieren. Dies könnte sich auch auf eine lange Tradition berufen - bis ins Mittelalter zurückreichend in jener kirchlichen Liebestätigkeit, in welcher Sozialarbeit im heutigen Sinne geleistet und damit fördernde Staatlichkeit überflüssig oder doch entbehrlich wurde. In säkularisierter Form hat sich ja noch in der wohlfahrtsstaatlichen Periode ein Staatshandeln entfaltet, in welchem wirklich der Bürger als förderungswürdiger und förderungsbedürftiger Nächster gesehen wurde, nun aber die gesamte Bürgerschaft, in ihren globalen Wohlfahrtsansprüchen vom Staat fördernd zu befriedigen war. Damit war bereits, grundsätzlich jedenfalls, "der Bürger" schlechthin zum "Nächsten" des Staates und durchaus eben auch seiner Staatsgewalt geworden, welche als eine fördernde verstanden wurde. Demgegenüber könnte die spätere Entwicklung zur liberalschrankenziehenden Eingriffsverwaltung als eine Fehlentwicklung gerade der staatlichen Verwaltung erscheinen, deren warme Solidarität in hoheitlichem Zwang erkaltete. Gilt es nun nicht, diese ursprüngliche Gemeindesolidarität des Christentums neu zu beleben, kann dies nicht gerade gelingen in jener Verwaltung als Dienstleistungsunternehmen, die nur dann kein Wort bleibt, wenn ihr Wesen in Förderung besteht?

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F. Verwaltung als Förderungsgewalt, sozial und wirtschaftlich?

2. Verwaltung: keine Förderung mit "eigenen Mitteln", sondern (Ver-)Sicherung auf Gegenseitigkeit

a) Verteilung von Solidarmitteln - nicht Einsatz eigener Mittel

Der Staat setzt nicht etwas ein wie "eigene Mittel", um bedürftige Bürger zu fördern. Er erhebt sie bei der gesamten Bürgerschaft, um sie sodann, und heute ganz wesentlich, in einem sehr direkten Vorgang, anderen zugute kommen zu lassen. "Sozialmittel", "Fördermittel" - um diese Verbindung bereits hier zu ziehen, die näher zu betrachten sein wird - werden nicht als solche verwaltet, sondern in aller Regel zugleich und primär ausgegeben, vergeben. Eine wesentliche Phase des "Verwaltens eigener Mittel" im Bereich der staatlichen Administration spielt hier keine wesentliche Rolle. Selbst dort, wo Sozial- und Förderverwaltung über die Einrichtung von Groß-Fonds betrieben wird, in welchen Mittel angesammelt, verwaltet und sodann vergeben werden, lässt dies die Verwaltung der Mittel als solche weder zum Selbstzweck noch auch nur zu einem wesensnotwendigen Zwischenglied in den Aktivitäten des Förderstaates werden. Überdies findet eine solche Fonds-Verwaltung in der neoliberalen Ordnung sogleich Grenzen in der Kritik, es könnte sich hier etwas wie ein neuer Staatskapitalismus entwickeln, der in Staatswirtschaft enden müsste; und eben dieser Gefahr konnte ja bekanntlich die Sowjetwirtschaft nicht entgehen, die denn auch weithin bereits über hochentwickelte Fondsverwaltung funktionierte. Modeme Förderverwaltung ist also wesentlich ein rascher Kreislauf von Mittelerhebung und Mittelvergabe, in welchem die Verwaltung im Wesentlichen, wenn nicht geradezu ausschließlich, als Verteilungsinstanz in Erscheinung tritt. Und Ähnliches mag sich auch schon früher, etwa in kirchlicher Sozialarbeit, vollzogen haben, obwohl damals noch das Einsammeln und Verwalten von Gütern im Bereiche der "Toten Hand" eine ganz andere Selbständigkeit aufwies, eine langdauernde, wenn nicht endgültige Zwischenphase zwischen Spenden und Hinterlassenschaft einerseits, Vergabe an Arme andererseits beinhaltete. Und daraus entwickelte sich dann historisch übrigens jener kirchliche Güteregoismus, welcher sich von der christlichen Liebestätigkeit immer weiter entfernte, Güterverwaltung zum Selbstzweck erhob, sie zum Machtinstrument werden ließ und schließlich darin von der Französischen Revolution gebrochen wurde. "Verwaltung von Eigenem" kann also auch im Förderbereich heute nur mehr ein Verschleierungs begriff sein; die eigentliche Verwaltungstätigkeit ist, wenn sie als solche hier überhaupt typisch stattfindet, die einer fördernden Verteilung. Dann aber fehlt hier die mögliche Legitimation aus "eigenen Mitteln" als dogmatisches Kriterium der staatlichen Administration; und es drängt sich schon hier die Frage auf, ob diese Verteilung im Grunde nicht doch nur Vollzug von Ge-

1. Verwaltung als Förderung?

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setzesbefehlen darstellt, welche eben als solche, in der Demokratie zumal, Verteilung anordnen. b) (Ver- )Sicherung als wesentliches Verwaltungskriterium?

Wenn Förderung durch die Verwaltung dem in irgendeiner Weise Hilfsbedürftigen verteilend zukommt, so könnte ihr Wesen darin gesehen werden, dass jener in seiner Lage gesichert, gegen Risiken von deren Veränderung versichert werde. Hier könnte sich dann wieder die Vorstellung von einer "Grundsicherung" bewähren, welche sich schon als eine mögliche Schranke von Privatisierungen gezeigt hatte. Staatliche Verwaltung wäre in dieser Sicht etwas wie eine wesentliche, vielleicht auch nur letzte Versicherung gegen "Risiken des Gemeinschaftslebens"; und als solche könnte sie zu einem allgemeinen für staatlich-administratives Handeln geltenden Konzept erweitert werden. Ob derartiges solidarisierendes Versicherungsdenken modeme Staatlichkeit insgesamt, jedenfalls in ihren wesentlichen Ausprägungen, legitimiert, ja geradezu dogmatisch zu konstituieren vermag, ist an sich schon zweifelhaft. Wird hier nicht ein Versicherungsbegriff eingesetzt, im Grunde überstrapaziert, der in seinem Wesen mit öffentlich-rechtlichen Veranstaltungen nichts gemein hat? Er kommt doch, in säkularer Entwicklung, aus einer durchaus privatwirtschaftlichen Grundvorstellung: Der Förderungs- und Sicherungsbedürftige erbringt der Versicherungsinstanz Leistungen, damit diese ihn abdecke gegen alle möglichen Risiken des Lebens, und nicht nur des Gemeinschaftslebens. Solidarität wird hier gar nicht wesentlich in Verteilung geübt, vielmehr nur in geschäftlicher Gegenseitigkeit zum Tragen gebracht. Es ist also bereits durchaus fraglich - und im Bereich der Sozialversicherung ja auch immer wieder kritisch diskutiert worden - ob unter Einsatz von Staatsmitteln und von Staatsgewalt erzwungene risikoabdeckende Solidarität überhaupt noch die Begriffsmerkmale einer "Versicherung" erfüllt. Selbst wenn man dies, im Wesentlichen aus historischen Gründen, bei der Sozialversicherung noch bejahen wollte, indem man diese als eine Erscheinung eigener Art hinstellt - eine dogmatische Erweiterung auf die gesamte Verwaltungstätigkeit, auf deren Abdeckungsaktivität gegenüber Gemeinschaftsrisiken, würde jeden Rahmen begrifflicher Fassbarkeit sprengen. Vor allem aber ergäbe sich dann ein nicht zu widerlegender Einwand: Dass dieses Staatsverhalten gar nicht wesentlich sei, gerade für die Tätigkeit der Verwaltung, auch nicht von ihr in eigenen Entscheidungen geprägt, sondern eben in ganz besonders streng gesetzter akzessorischer Form lediglich "vollzogen" werde, im engen Sinne des Wortes. Denn hier muss nun die These stehen: Alle modemen Förderungsformen, von der sozialen Sicherung bis zur Subvention im Wirtschaftsbereich, sind im Wesentlichen

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F. Verwaltung als Förderungsgewalt, sozial und wirtschaftlich?

Gesetzesvollzug durch die Verwaltung, in eng an den gesetzgeberischen Willen angelehnter Form; daraus kann weder typische Verwaltungstätigkeit noch gar die Existenz einer eigenständigen Verwaltungs-Gewalt begründet werden.

11. Sozialverwaltung - Gesetzesvollzug 1. Maximale Vergesetzlichung auf der Ausgabenseite

Die Sozialverwaltung, jener Bereich, in dem sich Bedürfnisbefriedigung durch staatliche Verwaltung, daher aber Förderung in einer besonders intensiven, durchgehenden, damit für das gesamte Gemeinschaftsleben entscheidenden Weise heute zeigt, trägt in keiner Weise typische Züge eines eigenständigen, gesetzesfreien oder auch nur gesetzesgelösten Verwaltens. Rechtliche Spezialisierung ist hier in einer Form zur Rechtstechnisierung geworden, welche dies aus einer Materie des Verwaltungsrechts längst zu einer Sonderdisziplin des Sozialverwaltungsrechts hat werden lassen. Selbst wenn dessen Grundstrukturen noch immer den allgemeinen dogmatischen Kriterien des Verwaltungsrechts entsprechen, so ist diese Materie doch zu einer eigenständigen vor allem in der bis ins Detail gehenden Ausformung der Rechtsbeziehungen geworden, in welchen der Sozialbürger seine Forderungen geltend zu machen hat. Strengster Gesetzesvorbehalt lässt die Sozialversicherungsnormen weithin bereits zu Self executing-Gesetzen werden. VerwaItungsermessen sieht sich zurückgedrängt, Beurteilungsrechte stehen der Administration nur in Sonderlagen zu, in außerordentlichen, eben nicht mehr normierbaren Fällen, oder sie hat selbst durch Verwaltungsvorschriften zu regeln, (para-)gesetzlich. Grundsätzlich werden aber alle diese fördernden Verwaltungsleistungen als normierbar angesehen, als durch die Norminterpretation, ja meist schon in reiner automatischer Subsumtion zu bewältigen. Diese große soziale Förderungsverwaltung des Staates entwickelt sich mit Notwendigkeit immer mehr in eine buchhalterische Veranstaltung hinein, welche Voraussetzungen und Rechtsfolgen weniger selbst feststellt, als vielmehr geradezu "abhakt", feststellend abzeichnet. Dieses Sozialrecht ist also in keiner Weise etwas wie eine "freie Geschenkdomäne", in welcher die Verwaltung nach eigenen Kriterien ihres HandeIns tätig werden dürfte; gerade umgekehrt hat sich hier ein in besonderer Weise durchnormierter Legalitätsbereich entfaltet. Dies spricht von vorneherein gegen die Existenz eines rechtsdogmatisch typischen eigenen Aktionsraums der Administration. Vielmehr wird diese schlechthin als Hilfsorgan einer Sozialgesetzgebung tätig, welche sie gerade in diesen Bereichen durch normativ wirkende VerwaItungsvorschriften immer noch weiter spezialisierend fortdenkt.

11. Sozial verwaltung - Gesetzesvollzug

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Wenn aber die für den Bürger doch entscheidende Ausgabenseite dieser zentralen Förderungsveranstaltung der Staatlichkeit in solcher Weise gesetzesakzessorisch gestaltet ist, so spricht schon dies deutlich gegen eine Möglichkeit, aus solchen Räumen heraus eigene, gewalttragende VerwaltungsvorsteIlungen zu entwickeln, die sich ja gerade umgekehrt spezialisierend aus der allgemeinen Verwaltung herausgelöst haben.

2. Gesteigerte Form der Gesetzesbindung auf der Einnahmenseite der Fördermittel Die Fördermittel der Sozialversicherung werden sowohl durch Beiträge der Versicherten als auch über Steuern aufgebracht. Diese beiden Kanäle der Einnahmenseite sind aber wiederum, wie dies auf der Ausgabenseite festzustellen war, in besonders weitgehender Weise vergesetzlicht, gerade hier wird Verwaltung in strengstem Gesetzesvollzug tätig. Was die aus Abgabenerhebung kommenden Verteilungsmittel der Sozialgesetzgebung anlangt, so ist Sozialverwaltung in diesem Bereich nichts anderes als Steuerverwaltung. Von dieser ist jedoch anerkannt, dass sie in einem weit über anderes Verwaltungshandeln hinausgehenden Sinn und in einer speziellen Intensität an das Gesetz gebunden ist, dieses weithin schon als Self executing-Norm vollzieht. Der immer strenger angewendete Grundsatz der notwendigen Tatbestandlichkeit der Besteuerung verschärft die Bindungen des Verwaltungshandelns in einer Weise, die sich nur in seltenen anderen Teilbereichen der Administration vergleichbar findet. Wo immer hier noch gewisse Eigenständigkeiten administrativen Entscheidens festzustellen sind, werden sie zunehmend über den Erlass jener Verwaltungsvorschriften genutzt, in welchen bereits eine neuere Tendenz nicht zu Unrecht nur mehr eine Form materieller Gesetzgebung sieht. Was andererseits die Sozialabgaben anlangt, so hat sich auch hier eine sehr weitgehende, eben typisch bereits abgabenrechtliche Spezialisierung nach den gleichen, wenn nicht schon den selben Grundsätzen wie im Steuerrecht ergeben. Im allgemeinen Bewusstsein sind ja derartige Sozialabgaben, welche von Arbeitnehmern oder Arbeitgebern erhoben werden, letztlich nur eine Form der "Sozialsteuer", eben der Mittelbeschaffung zu einem einheitlichen Zweck, dem der gesetzlich gewünschten und ausgestalteten sozialen Sicherung. Bei Tarifverhandlungen werden daher, ganz selbstverständlich, Belastungen der Tarifpartner mit solchen Abgaben ebenso in das Lohnkalkül einbezogen, wie steuerliche Belastungen, denen beide Seiten unterliegen. Neuerdings haben die sogenannten Öko steuern geradezu eine Austauschbarkeit der Mittelerhebungsformen mit Blick auf immer dieselben Förderungsziele bewirkt: Mehr Steuern sollen erhoben werden, um die Sozialpartner von sozialversicherungsrechtlichen Abgabelasten zu befreien.

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F. Verwaltung als Förderungsgewalt, sozial und wirtschaftlich?

Auf der Einnahmeseite zeigt sich also erst recht eine durchgehende, hochspezialisierte Vergesetzlichung, die jede eigenständige Verwaltungstätigkeit ausschließt, jedenfalls eine solche immer weiter beschränken soll. Daraus kann sich doch gewiss kein eigenständiger Begriff öffentlichen Verwaltens entwickeln.

IH. Subventionierung als Gesetzesvollzug 1. Die Einheit des Förderbegriffs

Im allgemeinen Bewusstsein, und auch in der rechtlichen Betrachtung, hat sich die Vorstellung verfestigt, dass Sozialleistungen etwas anderes seien als Wirtschaftsförderung Privater. Im ersteren Fall werde "unbedingt Notwendiges" geboten, verteilt, im letzteren finde eine Förderung Besitzender, bereits Leistungsfähiger statt, deren Position doch nicht notwendig durch staatliche Hilfe verbessert werden müsse. Unter dem deutlichen Einfluss sozialpolitischer Forderungen wird daher der Förderbegriff auf die Subventionierung der Wirtschaftstätigkeit Privater in einem weiteren, allerdings nicht immer klar definierten Sinn beschränkt, während Sozialleistungen als etwas erscheinen wie notwendige Daseinsvorsorge für den Bürger. Wenn dem zu folgen und schon aus diesem Grunde alle Subvention kritisch zu betrachten ist, so kann die Untersuchung einer Verwaltung als wesentlicher Fördergewalt hier schließen: Aus einem so beschränkten und überdies der Kritik unterliegenden Bereich lässt sich Verwaltungshandeln allgemein nicht bestimmen, eine Verwaltung als Staatsgewalt mit Sicherheit nicht aufbauen. Nun ist allerdings die erwähnte, meist als grundlegend verstandene Unterscheidung zwischen Sozialleistungen und Wirtschaftsförderung durchaus nicht unproblematisch. Vieles spricht sogar dafür, dass sich ein übergeordneter Begriff des staatlichen Fördems über beiden Komplexen rechtfertigen lässt. Nicht wesentlich kann es ja sein für den Begriff solcher Förderung, ob mit ihr "Bedürftigen" oder "Nichtbedürftigen" gegeben wird; ein anderes Verständnis würde die Sozialleistungen auf Sozialhilfe reduzieren. Keineswegs steht ja auch fest, dass sämtliche Bezieher aller Sozialleistungen auf diese nun wirklich unentrinnbar angewiesen wären; dies würde wiederum den Begriff der Sozialleistungen übermäßig einengen, etwa auf Grundsicherungen im Renten- oder Krankenvorsorgebereich. Staatliche Sozialleistungen werden denn auch in aller Regel erbracht, ohne dass jene spezifische Bedürftigkeit von der Verwaltung geprüft werden müsste, welche sie noch

III. Subventionierung als Gesetzesvollzug

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am ehesten von Wirtschaftssubventionen abgrenzen könnte. Ein wesentlicher Unterschied kann des Weiteren auch nicht daraus abgeleitet werden, dass den staatlichen Sozialleistungen Gegenleistungen der Geförderten gegenüberstehen, in vielen Fällen ist dies nicht der Fall; und auch bei Subventionierungen wird ja mit gewissen Gegenleistungen der Begünstigten durchaus gerechnet, schon mit Blick auf dadurch erhöhte steuerliche Leistungsfähigkeit, ihre Möglichkeiten, dadurch Arbeitsplätze zu schaffen oder zu erhalten. Eine Eigenleistung mag dort auch bereits darin gesehen werden, dass eben der betreffende Unternehmer eigene Vermögenswerte mit einbringt, von seinen betrieblichen Mitteln bis zu seinem Know how. Nicht als entscheidend kann es auch angesehen werden, aus welchen Gründen denn nun im sozialen oder im wirtschaftlichen Subventionsbereich gefördert wird. Abgesehen davon, dass diese Zielsetzungen sich meist in nicht mehr überprüfbarer Allgemeinheit, ja in Diskutabilität verlieren - aus der Sicht des Staates handelt es sich immer um gravierende öffentliche Interessen, bei den Sozialleistungen an der Erhaltung der allgemeinen Wohlfahrt, am Elementarschutz der Bürger und an der Bewahrung des sozialen Friedens, bei Wirtschaftssubventionen an der Steigerung der Leistungsfähigkeit der Wirtschaft, an der Schaffung und Erhaltung von Arbeitsplätzen und an erhöhtem Steueraufkommen. Am Ende konvergieren diese Zielsetzungen ohnehin in dieselbe Richtung einer in wirtschaftlicher Prosperität bewahrten sozialen Ausgewogenheit. Am ehesten könnte nach alldem noch dem Kriterium der "Bedürftigkeit" unterscheidende Bedeutung zwischen Sozialleistungen und Wirtschaftssubventionen zukommen. Doch eine auf dieses Kriterium gestützte Differenzierung bleibt ebenfalls problematisch: Auch der subventionsbegünstigte Unternehmer wird sich nicht selten in einer Lage befinden, in der ihm entweder derartige staatliche Hilfen oder Sicherungen gewährt werden, oder er sich zur Aufgabe, jedenfalls zu einer wesentlichen Einschränkung seines Betriebes gezwungen sieht. Die Sicherung einer grundrechtlichen Position, welche eben auch die Freiheit beinhaltet, sich wirtschaftlich weiter zu entfalten, kann dann aber nicht grundsätzlich unterschieden werden von der Garantie eines sozialen Mindeststandards, der ja seinerseits ebenfalls wieder ganz unterschiedlichen Abstufungen zugänglich ist, je nachdem, wo man die "Armuts schwelle" sieht. Jedenfalls würden derartige Unterscheidungen stets auf das problematische Kriterium der "Existenzsicherung" hinauslaufen, welches in allgemeiner Form, im privaten wie im unternehmerischen Bereich gleichmäßig gültig, noch nie hat überzeugend entwickelt werden können. Überwiegende Gesichtspunkte sprechen also schon für eine einheitliche Begriffsbildung der staatlichen Förderung und damit grundsätzlich auch für die Möglichkeit, hier einen weiten Raum staatlicher Verwaltungstätigkeit zu beschreiben, wenn nicht zu definieren. 12 Leisner

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F. Verwaltung als Förderungsgewalt, sozial und wirtschaftlich?

2. Kein Anspruch auf Subventionen daher gerade hier "eigenständige Verwaltung"? Nun wird man allerdings im Subventionsbereich, klammert man aus ihm streng gesetzesakzessorische steuerrechtliche Subventionen aus, eine eigenartige gesteigerte Beurteilungsfreiheit der staatlichen Verwaltung bei der Mittelvergabe wohl doch feststellen können. In nicht wenigen Fällen entspricht die Entscheidungsfreiheit der Administrativinstanzen, ob Mittel des Staates eingesetzt werden sollen, sogar einem Unternehmensverhalten, welches sich im privaten Sektor findet, etwa bei der Kreditvergabe durch Banken. Ordnet man die Subventionen insgesamt jenem Kreditbegriff zu, den sie ja in der Tat in den meisten Fällen erfüllen, so mag einiges dafür sprechen, dieses unternehmerische Subventionierungsverhalten der Verwaltung als eine Besonderheit dieser Förderung anzusehen. Selbst dann aber lässt sich daraus nichts für einen gerade öffentlichen Verwaltungsbegriff gewinnen, welcher auch noch über diese doch sehr eingegrenzten Sektoren hinaus einzusetzen wäre. Dann nämlich fände dort zwar nicht mehr so sehr Gesetzesvollzug im strengen, etwas sozialrechtlichen Sinne statt; die Verwaltung würde ja tatsächlich in der Form einer weithin kreditierenden oder gar rückversichernden Instanz tätig, man denke nur an die Subventionierung über Hermes-Bürgschaften. Doch es müsste sich derartiges Staatsverhalten wiederum der anderen Frage stellen, ob es darin nicht ein typisch privatwirtschaftliches, damit letztlich auch privatisierbares wäre, im oben näher untersuchten Sinn, und eben gerade nicht eigenständige Verwaltungs tätigkeit, Aktivität einer besonderen administrativen Verfassungsgewalt. Damit ergibt sich gerade hier eine für die Bestimmung des Verwaltungshandelns fatale Alternative: Entweder es wird dies eben doch als ein paraprivatwirtschaftliches Tätigwerden verstanden - oder es erweist sich als strenger, Förderrnittel verteilender Gesetzesvollzug. In dem einen Fall wäre Verwaltungstätigkeit weder etwas Typisches, noch in diesem Sinne eine notwendige Erscheinung, im anderen beschränkte es sich auf Herstellung oder Bewahrung gesetzeskonformer Zustände. 3. Wirtschaftsf"örderung als eigenartiger Gesetzesvollzug? Gewiss gibt es deutliche Unterschiede zwischen dem Vollzug staatlicher Leistungsgesetze durch eine streng normgebundene Verwaltung und der Ausreichung von Subventionen auf Grund vom Gesetzgeber verordneter Mittelbereitstellung. Berechtigt ist die Frage, in welchem Sinne sich auch dies Letztere noch als Gesetzesvollzug verstehen lässt. Zweifellos obliegt den Verwaltungsinstanzen bei der Ausreichung von Wirtschafts subventionen ein deutliches Mehr an Entscheidungsfreiheit in

III. Subventionierung als Gesetzesvollzug

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der Vorbereitung und auch in der Durchführung der Verwaltungsentscheidungen. Umfangreiche Einzelerhebungen sind erforderlich, Abwicklungsmodalitäten zu regeln; dieser Gesamtbereich ist durch eine Technizität im Rechtlichen geprägt, in welcher sich die Schwierigkeiten tatsächlicher, oft wiederum häufig technisch bedingter Datenerhebung niederschlagen. Hier sind allgemeine Rechtsbegriffe in den Förderbedingungen in der Tat meist so weit gefasst, dass die Verwaltung dem nur durch umfangreiche eigene Untersuchungen gerecht werden kann. Diese vollziehen sich aber nicht so sehr in rechtlichen Entscheidungsvorgängen, als vielmehr in der Regel in Erhebungsprozessen des Tatsächlichen, welche die Fördernormen erst anwendungsfähig auf den Einzelfall werden lassen. In einem weiteren Sinne ist aber auch dies wieder nichts anderes als "Gesetzesvollzug", so wie die Feststellung von tatsächlichen Normvoraussetzungen, treffe sie nun der Normunterworfene selbst, die Verwaltung oder der Richter, immer einheitlich jener Gesetzesbefolgung, jenem Gesetzesvollzug dienen, um den es allein letztlich geht. Gerade hier verfeinert die Verwaltung verständlicherweise diese ihre gesetzesvollziehende Aufgabenerfüllungen durch gesetzesspezialisierende Verwaltungsvorschriften - darin liegt aber bereits wiederum nichts anderes, als das bereits mehrfach festgestellte "Weiternormieren" im Administrativbereich. Die begrenzte Verfügbarkeit der Mittel zwingt die Verwaltung ohnehin erst recht zu einer strengen buchhalterischen Erfassung der Voraussetzungen, damit jene Gleichheit gewahrt werde, welche die Grundnorm aller staatlichen Fördertätigkeit darstellt. Auf ihre Beachtung ist allerdings die Administration nicht nur hier verpflichtet, sie obliegt ihr in allen ihren anderen Tätigkeiten. Im Grunde führt ja die Gleichheitsbindung aller Förderung nur zu weiterer Vergesetzlichung dieses Bereichs, sie nimmt sogar, unter dem Einfluss judikativer Strömungen, rasch zu, und lässt Verwaltung dort erst recht wieder als eine Form des Gesetzesvollzugs erscheinen. In all dem mag nun durchaus etwas liegen, was gemeinhin als "Verwaltung des Mangels" gerne bezeichnet wird. Es läuft jedoch auf eine sich selbst bindende, immer stärker gesetzesunterworfene Handlungsweise der Verwaltung hinaus; auch die Verwaltung des Mangels bleibt Gesetzesvollzug und stellt als solche in keiner Weise ein besonderes, typisches Verwaltungsverhalten dar. 4. Haushaltsvollzug als Gesetzesvollzug

Der Begriff des Gesetzesvollzugs darf nun allerdings nicht von vorneherein auf die Ausführung von Normen im zugleich formellen und materiellen Sinne beschränkt werden. Bei der Suche nach typischen Verhaltensformen, welche eine Zweite Gewalt im Sinne der verfassungsrechtlichen Ge12*

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F. Verwaltung als Förderungsgewalt, sozial und wirtschaftlich?

waltenteilung konstituieren könnten, ist diese ja abzuheben von allen Veranstaltungen, welche der Ersten Gewalt, in Organen der Gesetzgebung, als spezielle eigene Kompetenzen zugewiesen sind. Zu diesen gehört nun aber auch die Haushaltsgesetzgebung, welche die Bereitstellung von Mitteln der Förderung, insbesondere im Wirtschaftsbereich leistet. Die herkömmliche Unterscheidung zwischen Gesetzen im materiellen und zugleich formellen Sinn von solchen im lediglich formellen Sinn, ist hier nicht tragfähig: Auch Gesetze im lediglich formellen Sinn werden durch die subventionierende Verwaltung "vollzogen". Diese Administration ist an sich ja im eigentlichen normlogischen Sinne an sie "gebunden", ihnen also auch, rechtstaatlich gesehen, "unterworfen". Dies gilt zumindest in dem Sinne, dass ihr zwar vielleicht nicht die Verpflichtung, wohl aber die Möglichkeit eingeräumt wird, diese Mittel nach den Zielsetzungen der Ersten Gewalt zu vergeben. Wenn aber ein Gesetz einem Rechtsträger, welcher Art immer er sei, eine solche Möglichkeit eröffnet, so entfaltet es, jedenfalls darin, auch bereits eine gewisse, eine durchaus typische Bindungswirkung. Im Falle der Verwaltung kommt noch hinzu, dass sie jedenfalls verpflichtet ist, diese Mittelvergabe, welche der Haushaltsgesetzgeber ersichtlich wünscht, ernstlich zu prüfen, dass sie dieselbe nur aus Gründen ablehnen darf, welche sich wiederum aus diesen Gesetzen im rein formellen Sinn, wenn auch vielleicht nur implizit, ergeben: Wenn eben nicht zu erwarten ist, dass der vom Haushaltsgesetzgeber damit verfolgte Zweck sinnvoller Weise durch Ausreichung der Subventionen erfüllt werden kann. In gewissem Sinn ist also die Vergabe von Haushaltsmitteln auf Grund von Haushaltsgesetzen Normvollzug durch die Verwaltung: jedenfalls nach den Zielen, manchmal auch noch in speziellen Formen, welche das Parlament dafür aufstellt. Gesetzesvollzug ist diese Tätigkeit sogar in einem spezifischen Sinn darin, dass es ja notwendig die parlamentarischen Gremien der Ersten Gewalt sind, der Kern also dieses Pouvoir, welche der Zweiten Gewalt diese Anweisungen geben - denn es handelt sich eben um solche, auch wenn die Verwaltung die Mittel nicht (voll) vergeben muss. Daraus ergibt sich die wichtige Erkenntnis, dass der ja durchaus normativ aufgegliederte Haushalt in seinem Vollzug eben doch Gesetzesvollzug durch die Verwaltung ist. Damit wird auch eine Anomalie beseitigt, welche das bisherige Verständnis in die Erste Gewalt hineinträgt: dass sie hier nämlich in einer "nicht gesetzlichen" Weise tätig werde, vielleicht gar nur in einer Art von parlamentarischer Zustimmung, welche eigentlich den Administrativbereich betreffe. Von all dem kann nicht die Rede sein, und Administration ist eben auch in der Vergabe von Fördermitteln nichts anderes als Gesetzesvollzug, wenn man nicht etwa die Haushaltsgesetzgebung einer eigenartigen Mitteladministration zuordnet, sondern umgekehrt den Haushaltsvollzug als eigentlichen Gesetzesvollzug begreift.

IV. Sozialverwaltung zwischen Gesetzesvollzug und Privatisierung

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Daraus folgt dann eine fundamentale Erkenntnis für das Verständnis der Zweiten Gewalt: Ein so verstandener Begriff des Haushaltsgesetzes zerstört endgültig die Vorstellung von einer gesetzesunabhängig tätig werdenden Administration: Nun wird alle Verwaltung als Gesetzesvollzug und als nichts anderes verständlich - oder eben als eine Gesetzesbefolgung in privatrechtlich geordneten Sektoren, wo sich aber ihr Tun und Lassen in nichts vom Bürgerverhalten unterscheidet. Gerade die Förderverwaltung des Staates, sieht man sie in ihrer ganzen Globalität, von der Sozialverwaltung bis zu den Wirtschaftssubventionen, zeigt das unausweichliche Dilemma, in welchem sich die sogenannte Zweite Gewalt bewegt. Da sich für sie eigene Verhaltensformen nicht haben auffinden lassen, sie vielmehr weitestgehend entweder als bereits privatisiert oder doch als privatisierbar erscheint, bleibt nur ein Weg, auf dem ihre Aktivität überhaupt noch gerechtfertigt werden könnte, eben in der "Sicherung der Gesetzgebung", durch Gesetzesvollzug, durch Realisierung gesetzeskonformer Zustände in einer vorläufigen Form, bis der Richter endgültig entscheidet. Dass sich daraus Verwaltung funktional nicht erklären lässt, findet hier nun eine weitere Bestätigung. Die Entwicklung der Sozialversicherung von einer durchgehenden Verwaltungsveranstaltung hin zu immer mehr privatversicherungsrechtlichen Gestaltungsformen zeigt bereits, dass hier der Weg zu einer Entverwaltlichung einer Fördergewalt des Staates beschritten wird, die sich eben als solche nicht zum Wesen einer öffentlichen Verwaltung hochrechnen lässt. Dasselbe geschieht bei einer Wirtschaftssubventionierung, in welcher die Verwaltung immer mehr zum "Staatsbankier" wird, mit privaten Banken zusammenwirkt. Eines jedenfalls ist klar: Öffentliche Verwaltung kann nicht als Fördergewalt begriffen werden.

IV. Sozialverwaltung zwischen Gesetzesvollzug und Privatisierung 1. Sozialverwaltung: notwendig Administration?

Einem großen Teil der Bürgerschaft ist "Verwaltung" ständig gegenwärtig in der Aktivität jener Instanzen, welche gemeinhin als "Sozialverwaltung" bezeichnet werden. Aus der Sicht der von ihnen Betreuten macht es praktisch keinen Unterschied, ob hier unmittelbar staatliche Träger, kommunale Instanzen oder autonomisierte juristische Personen des Öffentlichen Rechts tätig werden. Auch diese Letzteren werden ja, nicht nur im Bewusstsein der Allgemeinheit, sondern auch in der rechtlichen Ausformung

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F. Verwaltung als Förderungsgewalt, sozial und wirtschaftlich?

ihres Verhaltens, dem Öffentlichen Recht zugeordnet und stellen daher Verwaltung im herkömmlichen Sinne dar. Diese Administration nun, so scheint es doch, stirbt keineswegs ab, sie entfaltet immer nur noch weitere Aktivitäten, von der Sozialversicherung bis zu einer Sozialhilfe, die insoweit als Einheit gesehen werden dürfen, als die Letztere die Erstere gewissermaßen ergänzt und die Leistungen der Sozialversicherung zunehmend auf dem Hintergrund, "über dem Niveau" der Sozialhilfe bestimmt werden müssen. So scheint es also, auf den ersten Blick, als finde die öffentliche Verwaltung ein immer weiteres Feld ihrer Aktivitäten in jenem Sozialbereich, der ohne solche Administration nicht funktionieren könne, und daher, ebenso unabdingbar, auch das Verwalten als Ausdruck einer zentralen Staatsgewalt im Recht wie im Bewusstsein der Bürger lebendig halte. Selbst wenn man dies alles aber unterstellt, so trägt auch ein solches Verwalten noch keineswegs bis zur Annahme einer großen, staatsnotwendigen Administration, die aus dem Sozialbereich heraus ihre Einheit rande und sich dann sogar zu einer (Zweiten) Staatsgewalt hochrechnen ließe. Gerade diese sozialen Aktivitäten stellen, in ihrer rechtlichen Ausgestaltung wie im allgemeinen Bewusstsein, eine eindeutige Spezialmaterie dar, mit einem gewiss wichtigen, zugleich aber gegenständlich und instrumental begrenzten Anwendungsbereich. Insoweit muss also von vorneherein die Möglichkeit einer "Definition der Verwaltung aus Sozialverwaltung" ausgeschlossen werden. Doch im vorliegenden Zusammenhang lohnt sich eine, wenn auch kurz-grundsätzliche, Betrachtung der Sozialverwaltung noch in einem anderen, gewissermaßen umgekehrten Sinn: Hier zeigt sich nämlich, dass gerade dieses, im weiteren Sinne staatliche Verwalten sich gewissermaßen "ohne exekutivischen Selbstand" entfaltet: in ihm löst sich die bisher sogenannte "staatliche Verwaltung" zuordnungsmäßig auf entweder in Gesetzesvollzug oder in Privatisierung. 2. Sozialversicherung auf Wegen der Privatversicherung

Die Sozialversicherung sollte in ihren Anfängen keineswegs eine Form staatlichen Verwaltens sein, und sie ist eine solche später auch nie voll geworden. Nach heutiger Dogmatik handelte es sich von Anfang an um eine staatlich geregelte Form der Pflichtversicherung auf Gegenseitigkeit, allerdings in einer bis in Einzelheiten gesetzlich geregelten Struktur. Genossenschaftliches, nicht herrschaftliches Denken, im Gierkeschen Sinn, bestimmte die Sozialversicherung seit der Bismarck-Zeit, und diese Genossenschaftlichkeit bedeutete eine grundsätzliche Zuordnung weit eher zum Bereich des gleichordnenden Privatrechts als des hoheitlich eingreifenden oder gestaltenden öffentlichen Verwaltungsrechts. Die Autonomie der So-

IV. Sozialverwaltung zwischen Gesetzesvollzug und Privatisierung

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zialversicherungsträger, seither immer aufrechterhalten und gerade heute besonders betont als Ausdruck demokratisch-gleichordnenden Verhaltens, mochte den täglichen Ablauf der Versicherungstätigkeit nicht ständig und tiefgreifend prägen, sie bestimmte ihn doch immer grundsätzlich als oberstes Prinzip. Insoweit war Sozialversicherung nie etwas anderes als grundsätzlich Privatversicherung. Ebenso VOn Anfang an wurde sie allerdings stets auch, in verschieden Formen, staatlich mitgetragen, in ihrem Funktionieren garantiert durch Staatszuschüsse. Doch Mittelherkunft aus staatlichen Haushalten macht privatrechtliehe Aktivität nicht VOn vorneherein schon und wesentlich zu einem "Verwalten"; andernfalls müssten alle subventionierten privatwirtschaftlichen Tätigkeiten der staatlichen Administration zugeordnet werden. Selbst der Einbau VOn damit erzwungenen, vor allem umverteilenden Versicherungsbedingungen ließ und lässt diese Art der Assekuranz noch längst nicht zu einer Veranstaltung öffentlicher Verwaltung werden; die Sozialversicherung bleibt grundsätzlich private Versicherung auf Gegenseitigkeit mit, allerdings weitgehenden, öffentlich-rechtlichen Vorgaben. Und diese letzteren führen die Sozialverwaltung nicht etwa in selbständige Formen eines Administrierens, sondern letztlich nur wieder in solche eines Gesetzesvollzugs, in einer Verbindung, wie sie auch SOnst in gewissen Bereichen des Privatrechts, etwa im Recht der Betreuung oder im Familienrecht, geläufig ist. Die Sozialversicherung stellt aus dieser Sicht also nichts anderes dar als eine Kombination Von Gesetzesvollzug mit einer weitgehend normativ geregelten Privatversicherungsform, nicht aber eine besondere Spielart öffentlicher Verwaltung.

3. Neuere Wandlungen der Sozialversicherung in Richtung auf Formen der Privatversicherung Wenn diese Analyse der Sozialversicherung für deren frühere Erscheinungsformen noch problematisch erscheinen mag, nachdem zuzeiten öffentlich-rechtliche normative Regelung und deren Vollzug sich den Formen der klassischen Verwaltung weitgehend anglichen und die Sozialverwaltung damit auch im Zusammenhang mit Verwaltungsrecht behandelt wurde - neuere Entwicklungen führen wieder in Richtung auf stärkere Betonung privatistischer Elemente und damit letztlich zurück zu den Ursprüngen der deutschen Sozialversicherung. Diese Sozialassekuranz soll nun einerseits vervollständigt werden, wenn auch obligatorisch, durch echte Privatversicherung an ihren "Bedürfnisspitzen". Noch ist nicht absehbar und es wird sicher VOn allgemeineren politischen Entwicklungen abhängen, ob sich damit ein wahres duales System entwickelt, und ob dieses in einer seiner Säulen, einer "Grundsicherung" , Züge einer generellen Bürgersicherung, einer echten Daseinsvorsorge an-

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nimmt, während der andere Teil voll in privates Belieben entlassen oder doch wieder weitgehend normativ-verpflichtend geregelt wird. Auch ist noch nicht vorhersehbar, ob in fernerer Zukunft eine etwaige Grundsicherungs-Säule der Sozialversicherung voll in den Wettbewerb entlassen wird, mit der Möglichkeit eines Wechsels der Versicherten von einer Institution zur anderen. Dass aber insgesamt solche Wege gegangen werden, steht außer Zweifel und sie alle führen notwendig in Richtung auf stärkere privatistische Ausrichtung, immer weiter weg von den klassischen Formen der Hoheitsverwaltung. In die selbe Richtung weisen vermehrte Anstrengungen, die sozialversicherten Bürger, insbesondere im Bereich der Krankenversicherung, zu eigener Initiative, in teilweiser Übernahme von Risiken zu motivieren und insoweit die Sozialversicherung zu entlasten. Auch dies kann als nichts anderes gewertet werden denn als eine Teil-Privatisierung der Sozialversicherung. Schließlich werden sich privatisierende Gestaltungen vor allem in Formen einer internen Organ-Privatisierung verstärken, in den immer mehr privat-betriebswirtschaftlich ausgerichteten Abläufen eines Verwaltens, das eben mit dem der öffentlichen Verwaltung nur mehr den Namen gemein hat - und allerdings das Element einer Gesetzesausführung, welches aber, wie bereits mehrfach dargelegt, einen echten Selbstand staatlichen Verwaltens nicht begründet, sondern im privaten wie im öffentlichen Sektor gleichmäßig in Erscheinung tritt. Diese Organprivatisierung kann dann sogar überleiten in eine Aufgabenprivatisierung, welche die Sozialversicherungsträger, wenn auch unter strenger staatlicher Aufsicht, in Organisationsformen entlässt, die sich bis zur Börsenfähigkeit steigern lassen. Banken sind heute für den Bürger in vielen Bereichen nicht weniger wichtig als Träger der Sozialversicherung, auch jenen vertraut er weithin seine Alterssicherung, seine gesamten wirtschaftlichen Existenzgrundlagen an. Ein Staat, welcher zwar Kreditaufsicht aufrecht erhält, ja verstärkt, dennoch aber diesen Bankensektor grundsätzlich in Privatheit entlässt, kann und wird sich in nicht später Zukunft im Bereich der Sozialversicherung in ähnliche Richtungen bewegen. Entstanden ist daher bereits, und immer weiter wird sich entwickeln ein neues System der Sozialversicherung; sicher aber lässt sich schon heute sagen, dass es immer weniger gemein haben wird mit der staatlichen Verwaltung - mit Ausnahme einer Gesetzesbindung, welche aber auch anderen Privaten aufgegeben ist. Strukturen einer "Vollziehenden Gewalt" als solcher werden damit weder verändert noch neu geschaffen. Auch die Mittelherkunft kann an dem privatisierenden Grundcharakter dieser Entwicklung nichts ändern, ebenso wenig die Aufrechterhaltung sozialisierend umverteilender gesetzlicher Vorgaben. Insgesamt bewegt sich eben die Sozialversicherung deutlich auf Wegen des Privatrechts, des privat-betrieblichen Ver-

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waltens, ausgestattet mit einigen hoheitlichen Instrumenten und mit bedeutsamen öffentlichen Mitteln. Doch damit wird sie nicht zu staatlichem Verwalten, immer weniger wird sie ein solches sein.

4. Privatisierungsentwicklungen anderer Sozialleistungen

Auch andere, herkömmlich im Begriff der "Sozialleistungen" zusammengefasste staatliche Aktivitäten im weiteren Sinn folgen der Sozialversicherung auf diesen zugleich privatisierenden und - wenn auch immer mehr am Rande - gesetzesvollziehenden Wegen, weg jedenfalls von einer selbständigen Form staatlicher Verwaltung; in manchen Bereichen sind sie der Sozialversicherung bereits voraus. Da wird Wohngeld bezahlt, zur Sicherung der Erfüllbarkeit eines zentralen Bedürfnisses der Bürgerschaft, und dies geschieht noch immer weithin in Formen des Öffentlichen Rechts. Doch dies Letztere ist keineswegs notwendig, noch weniger entwickeln sich hier typische Formen einer Leistungs-Verwaltung, welche sich zu einem allgemeinen staatlichen Verwalten hochrechnen ließen. Vielmehr kann diese Form der Bedürfnisbefriedigung, die ja nichts anderes darstellt als eine solche staatlicher Subventionierung, durchaus morgen oder in weiterer Zukunft auch über privatrechtlich organisierte, etwa bankmäßige Verteilungskanäle erfolgen, welche wohl diese Mittelverwaltung effizienter und in weniger "politisierter" Form sicherstellen könnten, als dies heute Staat oder Kommunen gewährleisten. Im Grunde sind eben all dies auch Subventionen, selbst wenn man dieses odiose Wort in jenem Sozialbereich nicht gerne gebraucht. So wenig Subventionierung einen Selbstand, eine eigentümliche Form staatlichen Administrierens konstituiert, so wenig gilt dies auch für solche Sozialleistungen. Im Bereich der Ausbildungsförderung ist dies bereits erkennbar: Sie erscheint immer deutlicher als Form zeitweiser, geradezu objektgebundener Subventionierung, verbunden mit Rückzahlungsverpflichtungen dieser Kredite. In betriebswirtschaftlich-privatrechtlichen Formen kann sie ohne weiteres voll ausgestaltet werden, bis hin zu solchen einer bereits vorher einsetzenden Pflichtversicherung. Gewährt wird sie sicher über zahlreiche gesetzliche Vorgaben, die dann aber von privaten Leistungsträgern wie von den Leistungsempfängern befolgt, nicht im Wege eines öffentlichen Verwaltens primär und eigenständig durchgesetzt werden. So lässt sich denn die gesamte soziale Leistungsverwaltung des Staates nach dem großen Vorbild der Sozialversicherung umbauen - oder besser: rückbauen zu einem privaten Versicherungssystem, oder einer öffentlichen Subventionierung über verlorene Kredite, die nicht mehr eigenartige staat-

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liche Verwaltung darstellt, sondern lediglich eine besondere Verbindung von privater Gesetzesbefolgung und privatrechtlichem Gesetzesvollzug. 5. Sozialhilfe als "staatliche Verwaltung" Bleibt aus dem großen Bereich der Sozialverwaltung jene Sozialhilfe, zu der sich die frühere Annenpolizei und später Fürsorge entwickelt und sich dabei durchaus manche Züge eines typisch staatlichen Verwaltens erhalten hat, bis hin zu polizeilicher Prävention. Doch auch hier ist kaum mehr etwas von einem, ursprünglich vielleicht gegebenen, Selbstand staatlicher Verwaltungstätigkeit erkennbar. Die polizeilichen Elemente der alten Armenpolizei verlieren sich. Sozialhilfe ist heute nicht mehr eine Erscheinungsform des Rechts der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, weder gewährt noch entzogen wird sie allein oder auch nur überwiegend aus sicherheitsrechtlichen Gründen. Ihre rechtliche Grundlegung in elementaren Freiheitsrechten, bis hin zur Menschenwürde, hat hier eine grundsätzliche Wende gebracht. Im Übrigen erscheint sie auch immer mehr als Ergänzung einer Sozialversicherung, an deren Leistung sie sich orientiert, die sie in gewissem Sinne geradezu fortsetzt. Mit der Sozialhilfe sind ihr auch gemeinsam die gerade hier bis ins Einzelne ausgestalteten gesetzlichen Vorgaben. Sie schließen für diesen Bereich weithin das aus, was man gestalterische Freiheit der Verwaltung, damit eine möglicherweise typische Handlungsform derselben, nennen könnte. Hier ist vor allem streng überwachter, bis ins Einzelne normierter Gesetzesvollzug, in welchem sich all das verliert, worin öffentliche Administration eine gesetzesgelöste "Staatsgüte" beweisen könnte, wie sie in einer früheren Untersuchung behandelt worden ist. Hier mag also die Entwicklung nicht in gleicher Weise wie im Falle der Sozialversicherung in Richtung auf eine Privatisierung oder auch nur Privatisierbarkeit verlaufen, sich vielmehr in innerer Organprivatisierung der verteilenden Instanzen erschöpfen; denn die Mittel kommen derart ausschließlich aus öffentlichen Haushalten, dass private Geschäfte kaum zu machen sind. Doch damit zeigt sich nur wiederum deutlich, dass staatliches Verwalten eben auch im Sozialbereich, ja gerade dort, zerfällt einerseits in privatisierbares und daher demnächst auch zu privatisierendes Staatsverhalten und, auf der anderen Seite, in Formen eines Gesetzesvollzugs, in welchem Administration keinen echten, gewaltmäßigen Selbstand finden und schon gar nicht zu einer einheitlichen Zweiten Gewalt emporwachsen kann.

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6. Auflösung einer eigenständigen "Sozialverwaltung" in der Entwicklung der "sozialen Marktwirtschaft"

Die "Sozialverwaltung" als solche ist als letzte der großen Administrationen entstanden und wird vielleicht als erste von ihnen wieder verschwinden, aufgelöst in ihre Bestandteile, welche sich zu einer neuartigen Fonn selbständigen Verwaltens nicht haben zusammenschließen lassen. Hier sollte doch der große, geradezu historisch angelegte Versuch eines "Dritten Weges" unternommen werden, zwischen einem "Gesetzes vollzug" im Sinne der Rechtsstaatlichkeit und der Gewaltenteilung des liberalen Konstitutionalismus des 19. Jahrhunderts, und einem "Staat der Hoheitswirtschaft", wie ihn der Sozialismus des 20. Jahrhunderts errichten wollte. Viele sahen wohl in einer solchen Fonn des "Sozialstaates", der dann wahrhaft diese Bezeichnung verdient hätte, eine Staatlichkeit gerade aus dem Wesen jener Sozialverwaltung, hinter welche alle andere verwaltende Tätigkeit des Staates zurückzutreten hätte. Es sollte dies nach ihren Vorstellungen zwar keineswegs eine Ordnung des vollen "Staatskapitalismus" sein, private Wirtschaftselemente sollten überleben, wenn auch in Grenzen. Das für den Bürger Wesentliche aber wäre dann, mit von dieser Privatheit erarbeiteten Mitteln, zu leisten von jenem Etat-providence, einem Vorsorgestaat, der in eigenartigen, öffentlich-rechtlichen Fonnen die Unbedingtheit der Sozialleistungen sicherzustellen hätte. Dieses ganze System hat als solches nicht funktionieren können, weil es die Kräfte der Privatheit und ihres Wettbewerbs unterschätzte, welche allein die für diesen Dritten Weg erforderlichen Mittel bereitstellen kann und eben nicht zulässt, dass sie dann in einer "ganz anderen Fonn verwaltet werden", welche sie als ineffizient verurteilt. Mit dem Absterben des Staatskapitalismus ist auch ein privatrechtskorrigierender Sozialismus untergegangen, der im Sozialbereich eigenartige Staats- und Verwaltungsvorstellungen durchaus hätte entwickeln und ausbauen können. Aus ihnen wäre dann in der Tat vielleicht etwas wie eine neue sozialverwaltende Zweite Gewalt im Staat entstanden. Nun aber hat die alte liberale Grundvorstellung sich doch durchgesetzt: eine solche "Verwaltung", ein Administrationsmoloch, als welche sie früheren und heutigen Liberalen aller partei politischen Richtungen stets erscheinen musste, darf sich nicht entwickeln; die Verwaltung bleibt eingespannt in die klassische Alternative zwischen Gesetzesvollzug und eine Privatheit, welche in Privatisierung vollzogen wird, in ihren wirtschaftenden Handlungsfonnen jedenfalls, weithin auch in ihrer Organisation. Durchgesetzt haben sich damit Vorstellungen, welche zutreffend mit dem Begriff der sozialen Marktwirtschaft zusammengefasst wurden: einer Privatwirtschaft, in welcher grundsätzlich die Bedürfnisse der Bürgerschaft zum Ausdruck kommen und sich erfüllen sollten - und einer sozialkorrigieren-

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den Gesetzgebung. Der Verwaltung bleibt keine andere Aufgabe als die Durchsetzung dieser Gesetze - und im Übrigen ein Rückzug aus dem privaten Bereich. Insoweit hat sich durchaus etwas vollzogen wie eine Rückkehr zum alten Polizei begriff, eine Staatsrenaissance des früheren polizeilichen, streng gesetzesausführenden, liberalen Verwaltens. Und dies muss keineswegs zu einer Vernachlässigung der sozialen Komponenten führen; sie werden hier nur ganz deutlich wirksam im Rahmen einer sozialen Legalität, welche die Verwaltung an den Vollzug der Sozialgesetze bindet, gerade wo diese umverteilen. Diese soziale Legalität ist an die Stelle der sozialistischen Legalität der totalen Gesetzeswirtschaft getreten. In historischer Betrachtung mag vieles dafür sprechen, dass der Versuch, eine eigenständige "Verwaltung" zu schaffen, auch eine Erscheinung des Aufbäumens der Staatsgewalt war, und noch immer ist, gegen jenen Liberalismus, der dem Staat die gesetzesfreie Gewalt-Hoheit seiner Domaines reserves ebenso nahm wie sein Obereigentum an Grund und Boden, wie schließlich "seine Bürger" als Gewaltunterworfene, als Objekte seiner Hoheit. Dies alles ist nun - immer mehr - Vergangenheit, gerade auch im Absterben der Sozialverwaltung als einer eigenartigen Fonn des Administrierens. Die letzten Fonnen des Verwaltungsstaates, welche sich gerade in der Sozialverwaltung entwickelt hatten, sich als solche deutlich zeigten und das Wesen der Verwaltung bestimmen wollten - all dies geht vorüber. Man sollte es, aus der Sicht der modernen freiheitlichen Demokratie nicht bedauern. Denn eine solche "Sozialverwaltung" wäre nichts anderes als ein letzter Versuch - man mag dies durchaus als ein Paradox bezeichnen - das Ancien Regime mit sozialistischen Mitteln festzuhalten, zu befestigen. Und war letztlich der groß angelegte Versuch Bismarcks nicht gerade von derart vielschichtigen Überlegungen, zwischen Gutsherrlichkeit und Menschenfreundlichkeit, von Anfang an geprägt?

7. Am Ende der unbezahlbaren Subventionen Die Sozialversicherung wurde in den vorstehenden Betrachtungen erkannt als eine Fonn moderner Subventionsverwaltung - selbst wenn dies jene nicht gerne hören, welche sich grundsätzlich gegen Staatshilfe wenden. Doch letztlich stellt die Subvention, in welchen ihrer vielfachen Fonnen sie auch gewährt werden mag, doch eine Einheit dar. Im Begriff des Transfers ist dies schon seit längerem ins ökonomische, ja ins allgemein-politische Bewusstsein gelangt, mag es auch immer wieder Versuche geben, es zusammen mit dem Transferbegriff wieder aus diesem zu verdrängen, könnte doch sonst der Nivellierungscharakter der Sozialleistungen allzu deutlich werden.

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Bemerkenswert sind hier aber gerade Entwicklungen aus letzter Zeit: Die Subventionen werden eben insgesamt unbezahlbar und daher zur odiosen Begrifflichkeit, und dies kann vor jenen Sozialleistungen nicht Halt machen, welche bereits heute den bei weitem größten Teil der staatlichen Subventionen ausmachen. Diese Unbezahlbarkeit der Subventionen ist letztlich der Grund für das Absterben der Sozialverwaltung in ihren öffentlich-rechtlichen Elementen, es ist dies der Motor für eine Privatisierung unter gleichzeitiger strenger Disziplinierung; auch diese Letztere soll ja, über Restriktionen des Gleichheitssatzes, die Einsparungsmöglichkeiten öffentlicher Mittel fördern. So ist der Wandel der Sozialversicherung, wie er vorstehend beschrieben wurde, nur ein, allerdings das bei weitem wichtigste Phänomen des Niedergangs der "helfenden Staatlichkeit", der Subvention in all ihren Formen; und gerade in den Reformbemühungen des Steuerbereichs wird dies neuerdings deutlich: Die Abgaben sind eben in ihren heutigen, überkomplizierten Ausgestaltungen, vor allem eines: Subventionen, und diese müssen abgebaut werden wie alle derartigen Staatshilfen. Drei Gründe, Motoren der Entwicklung, sind es, welche heute den Abbau der gesamten Subventionsverwaltung geradezu als ein Schicksal moderner Staatlichkeit erscheinen lassen: Die Vereinfachungsnotwendigkeit der Gesetzgebung, die immer deutlicher fehlenden öffentlichen Mittel und, vor allem, das Vordringen der Philosophie des Wettbewerbs in einem vereinten Europa und einer wirtschaftlich globalisierten Welt. Damit steht die Subventionsverwaltung als ein frei eingreifendes Administrieren, welches gerade diese letzte Entwicklung nur behindern könnte - so die allgemeine Überzeugung - auf dem Aussterbeetat. Abgaben werden zwar weiter erhoben werden in Formen der klassischen staatlichen Verwaltung, nach öffentlichem Verwaltungsrecht im weiteren Sinn. Dieses Verwalten wird aber deutlich zurückfallen in einen klaren Gesetzesvollzug, mit immer weniger Freiheitsräumen des Ermessens, des VerhandeIns, des Kompromittierens. Verwaltung als Gesetzesvollzug wird es also immer geben, aber eben immer weniger Verwalten "darüber hinaus". So wird sich die Grundthese der vorliegenden Betrachtungen gerade darin bestätigen: Auf der einen Seite wird mehr Privatheit sich entfalten, auf der anderen eine Verwaltung, welche in ihrem Gesetzesvollzug, in ihrer Gesetzesanwendung - denn mehr wird kaum mehr stattfinden - nichts anderes sein kann als ein verlängerter Arm der Gesetzgebung, nicht aber eine große Zweite Staatsgewalt. Darin zeigt sich dann, gerade im Bereich der "Staatsgeschenke" im weitesten Sinne, wie sie in Subventionen und vor allem Sozialleistungen verteilt werden: "Verwaltung" ist keine eigenständige Gewalt, eben weil sie

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F. Verwaltung als Förderungsgewalt, sozial und wirtschaftlich?

auch kein Dritter, organisatorischer Weg sein kann zwischen Liberalismus und Sozialismus. Es gibt nur eine liberale Privatwirtschaft, beschränkt und korrigiert durch soziale Gesetze, in welchen der Staat in strenger Ordnung, die Demokratie über den Willen ihrer Volksvertreter und nicht den einer gesetzesfemen Verwaltung, ihre notwendigen Geschenke auch im Liberalismus weiter verteilt. Dies aber ist Gesetzesvollzug, Haushaltsgesetzesvollzug und nichts anderes. Der Rest ist romantisierende Dogmatik, die in der demokratisierten Ordnung des Allgemeinen Willens des Volkes und seiner Vertreter ohnehin keinen Selbstand haben kann. Rousseau hat doch gesiegt.

G. Verwaltung: die organisatorisch zersplitterte Gewalt I. Gewaltbegriff und organisatorische Gewalteinheit Die Staats gewalten im Sinne der Verfassung und ihre Gewaltenteilung können, wie eingangs dargestellt, funktional verstanden werden, sich aus dem definieren, was ihre jeweilige Aufgabe darstellt. In diesem funktionalen Verständnis wurde "Verwaltung" in den vorstehenden Hauptteilen näher untersucht. Als Ergebnis war festzustellen, dass sich eine funktionale Einheit des Begriffs Verwaltung nicht erweisen lässt, dass weder in den vielfachen Tätigkeitsformen eine solche Einheit festzustellen ist, noch sich aus ihnen ein gewaltmäßiger Selbstand der Administration gegenüber der Gesetzgebung ergibt. Vielmehr erscheint die Verwaltung letztlich nur als ein verlängerter Arm des Gesetzgebers, als eine Durchsetzung der Gesetzesgeltung, als eine Gesetzesrealisierung mit anderen Mitteln. Darin ist sie so eng - und nach neuem Verständnis immer enger - an das Gesetz gebunden, dass sich eine Hochrechnung zu einer eigenständigen Zweiten Gewalt verbietet. Nun bleibt allerdings doch noch immer jene andere Definitionsmöglichkeit von Staatsgewalten aus ihrer Organisation heraus, wie sie ja auch das Grundgesetz im Hinweis auf die "besonderen Organe" jeder der Gewalten anzusprechen scheint. Wenn sich wenigstens eine deutliche organisatorische Einheit der Verwaltung unter dem Verfassungsrecht, ja nach seinen Regelungen feststellen lässt, so mag dies doch noch das Verständnis einer eigenständigen "Staatsgewalt-Administration" rechtfertigen. 1. Organisatorische Gewaltenteilung innerhalb der Gewalten

Eine Mehrzahl von Organträgern innerhalb einer Staatsgewalt ist keineswegs mit dem Gewaltenbegriff der verfassungsrechtlichen Gewaltenteilung unvereinbar. Gewaltenteilung "innerhalb der Gewalten" konnte bereits früher vom Verfasser als eine Besonderheit gerade des neueren Verfassungsrechts herausgestellt werden. So gibt es eine Vielzahl von Gerichten, ja von Gerichtszweigen innerhalb der Dritten Gewalt, verschiedene Gesetzgeber im föderalisierten und kommunalisierten Staat. Dies mag heutigem Verfassungsverständnis überhaupt entsprechen, welches den Staat nicht in seiner blockhaften Machtstruktur, sondern immer nur aus der Bürgersicht, also subjektivierend sehen möchte. Dann aber bleibt es gleichgültig, welches Or-

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G. Verwaltung: die organisatorisch zersplitterte Gewalt

gan dem Gewaltunterworfenen gegenüber tätig wird, die Wirkungen seines Verhaltens auf den Bürger allein zählen. Und wenn Gewaltenteilung vor allem zur Machtmäßigung führen soll, dann ist es erst recht zu begrüßen, wenn auch noch innerhalb der Verfassungsgewalten eine Organtrennung besteht. Dennoch muss sich, damit von "einer Gewalt" gesprochen werden kann, doch noch etwas wie ein organisatorischer Gewaltrahmen feststellen lassen, in welchen die einzelnen Organträger organisationsrechtlich eingefügt und eben durch ihn vom Bereich anderer Gewalten abgegrenzt werden; denn in reiner "kooperativer Gewaltenbetrachtung" lässt sich die Gewaltenteilung nicht durchhalten - Verschränkungen der Gewalten sind nur vorstellbar, wenn sie zu allererst einmal als getrennte, in einem reinen Zustand, und sei dies auch nur ein solcher ihrer Kernbereiche, gedacht werden können. Das Problem der Organisationseinheit bleibt also auch dann gestellt, wenn mit dem Grundgesetz von einer Mehrzahl besonderer Organe innerhalb jeder Gewalt ausgegangen wird. Im gängigen verfassungsrechtlichen Verständnis der drei Gewalten finden sich auch durchaus Vorstellungen, welche für die Erste wie die Dritte Gewalt eine solche grundsätzliche Einheit über einer Vielzahl von Organträgern aufrecht erhalten. 2. Organisatorische Gewalteinheit der Gerichtsbarkeit Die Gerichtsbarkeit ist insoweit organisationsrechtlich grundlegend in sich geteilt, als sie teilweise vom Bund, zum Teil von den Ländern getragen wird. Dennoch kann diese organisationsrechtliche Aufteilung auf verschiedene Organträger eine letzte Einheit der Judikative nicht wirklich in Frage stellen. Gerade organisationsrechtlich ist eine solche Einheit ja schon durch einen Instanzenzug gewährleistet, welcher nicht nur aus der Sicht des Bürgers, sondern auch in der der Gerichtsorganisation "die Gerichtsbarkeit" als eine streng hierarchisierte und, wie es eben jeder Hierarchisierung entspricht, darin auch vereinheitlichte erscheinen lässt. Nicht nur für den Bürger, sondern auch für jede dogmatische Betrachtung stellt die Judikative organisationsrechtlich eine solche Einheit dar, und darin gerade liegt Wesen und besondere Bedeutung jenes deutschen Richtergesetzes, welches alle zentralen Organisationsfragen der Dritten Gewalt einheitlich löst, unabhängig davon, ob es sich um Landes- oder Bundesrichter handelt. Dieses Gesetz ist seinerseits wiederum nur Ausfluss einer Verfassungsorganisation der Gerichtsbarkeit, welche vor allem deren Unabhängigkeit gegenüber den anderen Gewalten einheitlich festlegt. Was darüber hinaus den Ländern an RegeIungsmacht verbleibt, ist, verfassungsrechtlich gesehen, eher zu vernachlässigen, was die Gesetzgebung betrifft, auf Konkretisierung des Bundesrechts beschränkt, und was schließlich die Verwaltung anbelangt, nahezu

1. Gewaltbegriff und organisatorische Gewalteinheit

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reiner Gesetzesvollzug; damit ist auch die Justizverwaltung in die Einheitlichkeit der Dritten Gewalt eingebunden. Dass ihr demgegenüber noch eine gewisse und keineswegs zu unterschätzende auf die Länder aufgeteilte Personalgewalt verbleibt, mag durchaus von praktischer Bedeutung sein, in rechtlicher Betrachtung zählt es nicht, betrachtet man die judikative Gewalt als solche. Diese Einheit der Judikative, welche sich im Instanzenzug bewährt, über die Vielheit der organisatorischen Träger hinweg, setzt sich bruchlos von den Gerichten der Länder zu denen des Bundes fort und lässt damit die Begrenztheit der Organisationsgewalt dieses anderen Trägers der Judikative mögen auch seine Organe die übergeordneten sein - als unwesentlich erscheinen, gegenüber der Einheit des Instanzenzugs. Darüber hinaus wird gerade in dieser Bundesgerichtsbarkeit eine Einheit der Gesetzesentwicklung angestrebt, welche auch auf die personal-instrumentale Einheit der sie verwirklichenden Gerichtsbarkeiten ausstrahlt. In der Bundesgerichtsbarkeit vollendet sich gewissermaßen, über die aus dieser Sicht unwesentlichen organisationsrechtlichen Einzelheiten der verschiedenen Gerichtsbarkeiten hinweg, die Einheit der Dritten Gewalt. Was an Teilungen noch bleibt, insbesondere zwischen Bundes- und Landesverfassungsgerichtsbarkeit, ist eher ein Ausdruck gesetzgeberischer Vielfalt als einer solchen der Gerichtsbarkeiten. 3. Die Einheit der gesetzgebenden Gewalt im Föderalstaat Schwieriger ist schon die Begründung der Einheit einer gesetzgebenden Gewalt aus organisationsrechtlicher Sicht, sieht man von der funktionalen Betrachtung - Gesetzgebung als Normerlass - ab. Denn im Föderalstaat kann eben von einer organisatorischen Einheit der gesetzgebenden Gewalt insoweit nicht die Rede sein, als es mindestens zwei Komplexe organisationsrechtlich völlig selbständiger Gesetzgebungsorgane gibt, das Parlament des Bundes und die Volksvertretungen der Länder. Hinzu kommen dann sogar noch kommunale Gesetzgebungsorgane, welche zwar dem Landesbereich zugeordnet werden mögen, jedoch einen deutlichen, eben gemeinderechtlichen Selbstand im Organisatorischen aufweisen. Diese Vielfalt im Organisatorischen verstärkt sich noch, bezieht man auch die Verordnunggebung oder gar eine Normgebung durch Verwaltungsvorschriften in den Bereich der Gesetzgebung ein - von einer wie immer gearteten organisatorischen Einheit kann dann auch nicht entfernt mehr die Rede sein, sie zerfällt immer weiter in Regierungs- und andere Verwaltungsorgane von Bund und Ländern, mit oder ohne Gesetzgebungsautonomie. Immerhin bleibt aber eines zu beachten: die durchgehende Normenpyramide, in welcher die Äußerungen dieser organisatorisch vielfältigen Instan13 Leisner

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G. Verwaltung: die organisatorisch zersplitterte Gewalt

zen stehen. Wenn Bundesrecht Landesrecht bricht, Gesetzesrecht Verordnungsrecht, so bedeutet dies eben auch, dass insoweit der jeweils übergeordnete Normgeber den nachgeordneten beschränkt, ihm darin aber Anordnungen gibt, normative Befehle, welche in Über/Unterordnung zu befolgen sind. Dies gilt nicht nur für Ausführungs- und Durchführungsgesetzgebung höherrangiger Normen, sondern schlechthin für alle Normgebung. Darin zeigt sich nun aber doch etwas wie eine auch hierarchische Organisationsstruktur der Ersten Gewalt: Ihre Äußerungen - damit ihre Funktionserfüllung - schlägt durch auf die organisatorische Struktur dieser Gewalt, der übergeordnete Normgeber wird zu einer Art von normativem Vorgesetzten des nachgeordneten. So ersetzt also die Normenhierarchie - eine allzu selten betrachtete Wirkung - die im Übrigen fehlende Einheit der Ersten Gewalt; und so ist nicht von ungefahr die Normenpyramide, welche eben diese Gewalteinheit dem Bürger gegenüber herstellen muss, gerade im Föderal- und Kommunalstaat entstanden, während sie in Einheitsstaaten auch verfassungs-organisationsrechtlich allein durch die Organisation des nationalen Parlaments gewahrt wird. Bleibt die Unabhängigkeit der Gesetzgebungsorganisation der Länder. Doch sie hat nur mehr sehr beschränkte Zuständigkeiten, wirkt ferner meist als verlängerter normativer Arm von ihr konkretisierter Bundesnormen und im Übrigen mehr als Ausdruck einer recht begrenzten Organ-Autonomie. Im Ergebnis lässt sich also feststellen, dass die Erste und die Dritte Gewalt, über all ihre organisatorischen internen Vervielfaltigungen hinaus, doch eine gewisse letzte, auch organisationsrechtlich zusammenzuordnende Einheit bilden. Nun aber fragt es sich, ob etwas Derartiges auch für die Zweite Gewalt festzustellen ist.

11. Die organisationsrechtliche Zersplitterung der "Zweiten Gewalt" - Allgemeines Dieser immerhin durch Verfassung und Gesetzgebung bewährten letzten organisatorischen Einheit der Ersten und der Dritten Gewalt gegenüber weist jedoch die Zweite Gewalt nicht nur, wie bisher dargestellt, eine funktionale, sondern auch eine tiefgreifende, letztlich nicht aufhebbare organisationsrechtliche Zersplitterung auf. Sie ist im Folgenden nicht in ihren Einzelheiten, wohl aber in ihren größeren Linien darzustellen. Aus diesen Ergebnissen heraus ist dann zu fragen, ob sich auch nur ein Rest von Gewalteinheit im Organisatorischen für diese Verwaltung feststellen lässt. Dabei spielen folgende Erscheinungen und Überlegungen die zentrale Rolle: - Im Föderalstaat stehen sich Bundes- und Landesverwaltung zwar nicht völlig beziehungslos, organisationsrechtlich aber doch vollständig ge-

11. Die organisationsrechtliche Zersplitterung der ,,zweiten Gewalt"

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trennt gegenüber. Von jener hierarchischen Über/Unterordnung, welche in Gerichtsbarkeit wie in Gesetzgebung, wenn auch in unterschiedlicher Form, festgestellt werden konnte, kann dort auch nicht ansatzweise die Rede sein. - Innerhalb der Landesverwaltungen im weiteren Sinne des Wortes setzt sich die organisatorische Unterteilung, durchaus grundlegend, fort in einem Nebeneinander von Landes- und Kommunalverwaltungen, bei denen wiederum hierarchische Über/Unterordnungsbeziehungen im eigentlichen Sinn, vor allem in dem der Verwaltungshierarchie, nicht gegeben sind. Aufsichtsrechte des Landes können ein derartiges Nebeneinander organisatorisch nicht in ein Übereinander verwandeln. - Innerhalb von Bundes- wie Landesverwaltung entwickeln sich, darüber hinaus, zahlreiche, wenn nicht schon zahllose Formen von verwaltungsrechtlichen Autonomisierungen, welche Organe, die der Zweiten Gewalt zugeordnet werden, in ihrem Verhalten unabhängig stellen von Anordnungen aus dem jeweiligen Regierungsbereich. Dieses Autonomiephänomen bedarf besonderer Aufmerksamkeit, im Rahmen der Betrachtung einer etwaigen organisatorischen Gewalteneinheit. - Eine organisationsrechtliche Homogenisierung zwischen diesen vielfältigen Verwaltungsträgern, etwa in dem Sinne, dass sie in ihren Organisationsstrukturen gemeinsamen Vorstellungen entsprechen müssten, ist weder auf Bundes- noch auf Landesebene feststellbar. Die Homogenitätsklausel der Verfassung sichert gerade für den Verwaltungsbereich kaum etwas wie eine wirkliche Einheitlichkeit der Organisation zwischen Bund und Ländern, noch weniger bis hin zu den Kommunen. Ganz allgemein ist das Organisationsrecht, in Deutschland wie in anderen europäischen Ländern, eine wesentlich zersplitterte Materie; es kann also auch nicht davon ausgegangen werden, dass sich aus Einheitlichkeit auf der Ebene des einfachen Gesetzes eine solche der Verwaltungsorganisationen entwickeln ließe. - Formen der Zusammenarbeit der Verwaltungen könnten durchaus normativ, ja verfassungsrechtlich festgelegt sein, und es könnte sich daraus etwas wie eine hierarchische Einheit "der Verwaltung" ergeben. Doch bei näherem Zusehen zeigt sich, dass hier nur allerletzte, allerallgemeinste Koordinationen vorgesehen sind, von der Bundesaufsicht bis hin auch zu einer immer weiter sich abschwächenden Kommunalaufsicht der Länder. Es gibt also nicht etwas wie eine kooperative Organisationseinheit im Bereich der Verwaltung, im Gegenteil: überall dort, wo sich Formen einer "Mischverwaltung" zu entwickeln beginnen, wird dies alsbald mit Misstrauen betrachtet und, eben im Sinne der föderalen und kommunalen Gewaltenteilung, zurückgedrängt. 13*

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G. Verwaltung: die organisatorisch zersplitterte Gewalt

- "Die Verwaltung", als eine Einheit begriffen, tritt also dem Bürger gegenüber letztlich doch nur in einem in Erscheinung: im Gesetzesvollzug. Diese ihre funktional-zentrale Aufgabe wirkt, in Form einer Art von Befehlgebung, im Sinne einer zwar nicht Über/Unterordnung im hierarchischen Sinn, wohl aber in dem einer Einheit der gesetzesausführenden Aktivität. Es wird also gewissermaßen die Organisation durch ihre Aufgabe zusammengeschlossen. Darin wird sie dann auch von der Dritten Gewalt überwacht, diese Gewalt übt eine weitere, vereinheitlichende organisatorische Überwirkung auf "die Verwaltung" aus. Doch hier ist eine wichtige Anmerkung zu machen: Während im Bereich der Ersten Gewalt über die Normenpyramide eine unmittelbare, gewaltinterne Hierarchisierung hergestellt wird - der Landesgesetzgeber hat eben dem Bundesgesetzgeber "zu gehorchen" - und während dies auch für den hierarchischen Instanzenzug im Bereich der Gerichtsbarkeit gilt, und zwar aus dem Wesen dieser Gewalt selbst heraus, gewissermaßen gewalt-immanent, kann von Derartigem im Bereich der Zweiten Gewalt nicht die Rede sein. Sie bleibt organisationsrechtlich zersplittert, kann durch andere Gewalten nicht zu einer Einheit zusammengezwungen werden und findet auch nicht aus sich selbst heraus zu einer solchen. Gewaltimmanent betrachtet ist und bleibt dies eine völlig zerteilte Staatsgewalt, in welcher keine übergeordnete Instanz der nachgeordneten durchgehend Anordnungen erteilen kann. Dies ist umso bemerkenswerter, als das Wesen der Zweiten Gewalt gerade darin gesehen wird, dass hier strenge verwaltungsmäßige Über/Unterordnung wirke. Gerade sie aber endet an den Grenzen der Zuständigkeitsbereiche der einzelnen Verwaltungsträger. Es bleibt also dabei: "Die Verwaltung" ist eine organisatorisch in sich in keiner Weise geschlossene, aus ihren eigenen Mechanismen heraus auch nicht in Einheit zusammenzuschließende Staatsgewalt, sondern eine Vielfalt ganz heterogener Organträger, welche nur über die vereinheitlichende Wirkung der von ihnen auszuführenden Gesetze und die Sanktionierung dieser Gesetzesausführung durch die Gerichtsbarkeit zu einer gewissen letzten faktischen, nicht rechtlichen Einheit findet. Darin bestätigt sich dann aber, dass es eine Einheit der Verwaltung, wenn überhaupt, eben nur geben kann über diese vereinheitlichende Wirkung der Gesetzesausführung und ihrer Überwachung durch die Richter. Nur insoweit, als die gesetzgebende Gewalt eine ist, ist es auch die Verwaltung. Aus sich selbst heraus ist sie nichts als organisatorische Vielfalt, organisationsrechtliche Einheitskräfte wirken in ihr nur sehr begrenzt, innerhalb der vielfachen einzelnen Organträger, dort allerdings möglicherweise sogar stärker als im Bereich der Gerichtsbarkeit. Nach diesen allgemein-grundsätzlichen Vorbemerkungen sollen nun kurz, eher exemplarisch, Phänomene administrativer Gewaltenzersplitterung be-

III. Einheit der Verwaltung aus hierarchischen Direktiven

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handelt werden. Vorweg aber ist noch ein besonderes Phänomen kurz zu behandeln, aus dem sich eine gewisse Vereinheitlichung "der Verwaltung" ergeben könnte und welches nicht selten in diesem Sinne auch bereits bewertet worden ist, allerdings mehr wohl in der Praxis als in dogmatischer Betrachtung: die verwaltungspolitischen Direktiven, wirksam in der hierarchischen Über/Unterordnung der Verwaltungsinstanzen, sie zu einer "Einheitsverwaltung" zusammenschließend.

III. Einheit der Verwaltung aus hierarchischen Direktiven 1. Keine "Einheit der Verwaltung" aus "einheitlichem Vollzug der Gesetze"

Wenn die Verwaltung schon, wie bereits angedeutet und im Folgenden noch zu vertiefen, organisationsrechtlich keine Einheit bildet, ihre Träger vielmehr zersplitterte Vielfalt zeigen, so könnte sich dennoch eine gewisse Einheit einer "Vollziehenden Gewalt" dadurch ergeben, dass eben alle diese Verwaltungsträger zusammengeordnet werden in der Ausführung von "Anordnungen der übergeordneten Normsetzungsgewalt", der Legislative. Dies würde dann zu einem Verständnis führen, nach dem die oben dargestellte im gewissen Sinne doch auch organisatorische Einheit der Ersten Gewalt, über deren Normbefehle, auch zu einer organisatorischen Einheit der diese Befehle ausführenden Zweiten Gewalt führen würde. Nun hat sich jedoch in den vorstehenden Kapiteln ergeben, dass zwar die Verwaltung stets in einem weiteren Sinne normausführend ist, gewissermaßen die Gesetzgebung verlängert. Deren Anordnungen vollzieht sie jedoch in ganz unterschiedlicher Weise, etwa vom Ermessen über die Ausfüllung von Beurteilungsspielräumen bis hin zu "gestaltender Tätigkeit". Die Vielfalt dieser Normbefehle konstituiert denn auch als solche keineswegs organisationsrechtlich die Einheit der Ersten Gewalt; diese folgt vielmehr, wie im vorhergehenden Kapitel dargelegt, aus einer gewissen organisatorischen Einheit, welche durch Normenhierarchie und (Bundes-)Parlamentsrecht geschaffen wird. Es kann also auch nicht der Vollzug der Normen als solcher sein, welcher eine organisatorische Einheit der Verwaltung herstellt; denn diese "vollzieht" eben die Gesetze über die Tätigkeit verschiedener, organisatorisch weithin völlig getrennter Träger. Selbst wenn man jedoch eine solche "organisatorische Einheit durch die funktionale Einheit des Normenvollzugs" im Bereich der Verwaltung annehmen wollte, so wäre damit nur eines bewiesen: dass sich eine gewisse Einheit der Verwaltung eben daraus ergibt, dass sie als verlängerter Arm einer einigermaßen einheitlichen gesetzgebenden Gewalt tätig wird. Dann aber wären Besonderheiten gerade nicht erkennbar, nach denen hier aber gesucht wird: Eigenartige "Verwal-

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G. Verwaltung: die organisatorisch zersplitterte Gewalt

tungselemente", aus denen sich ein Selbstand der Verwaltung als Staatsgewalt im Bereich der Exekutive ableiten ließe. Eine organisatorische Einheit der Verwaltung als einer eigenständigen Gewalt kann also nicht aus dem einheitlichen Vollzug gleicher von der gesetzgebenden Gewalt gesetzter Normen abgeleitet werden. 2. Und doch Notwendigkeit organisatorischer Einheit der Verwaltung - als einer "Staatsgewalt" Sieht man Verwaltung sich im Gesetzesvollzug erschöpfen, so könnten die organisationsrechtlichen Betrachtungen schließen: Eine organisationsrechtliche Einheit der Verwaltung bräuchte es, könnte es nicht geben - sie wäre aber eben deshalb auch keine einheitliche Staatsgewalt im Sinne der Gewaltenteilung. Bleibt man dagegen noch auf der - organisationsrechtlichen - Suche nach Elementen, die doch eine Einheit der Verwaltung konstituieren könnten, so müsste sich über sie eines herleiten lassen: "Verwaltung" müsste insoweit jedenfalls eine organisationsrechtliche Einheit bilden, als alle ihre wesentlichen Träger, die Verwaltungsinstanzen eben, in etwas wie einem hierarchischen Verbund zu denken wären, in dem einer dem anderen Anordnungen gibt, wie eben letztlich auch in den Bereichen der Ersten und der Dritten Gewalt. Dieser Verbund müsste sicherstellen, dass die Verwaltungsinstanzen auf Ihren drei hauptsächlichen Tätigkeitsgebieten nach einheitlichen Kriterien, eben nach typisch administrativen, tätig würden: in der streng normgebunden Ausführung der Gesetze, zum Zweiten in Bereichen, in welchen ihnen ein selbständiges ,,Normfortsetzungsrecht" zusteht, in den Räumen des Ermessens und der Beurteilungsspielräume, und schließlich drittens in all jenen Bereichen, in welchen die Verwaltung gestaltend aktiv wird, insbesondere in der Ausführung der Haushaltspläne, über Werke, welche sich über die dort vorgesehenen Finanzmittel realisieren lassen. Wie vorstehend ausgeführt, lassen sich aber solche gemeinsame Direktiven, aus denen dann eine einheitliche "Gewalt Verwaltung" entstünde, nicht einfach schon aus dem Begriff des Gesetzesvollzugs ableiten, da dann die Verwaltung eben nur eine fortsetzend-gesetzgeberische Instanz wäre. So fragt es sich denn, ob jenseits dieser Normbefehle noch etwas anderes im Administrativbereich wirksam wird, welches diesen zu einer Einheit zusammenschließt. Denn ein solches Vereinheitlichungsbedürfnis, allein aus typisch administrativen Kriterien heraus entwickelt, wäre eben die notwendige Voraussetzung dafür, dass hier von etwas wie einer einheitlichen Staatsgewalt gesprochen werden könnte. Und in einem weiteren Sinne wären solche gemeinsame Direktiven als Grundlinien des Verwaltungshandelns durchaus auch zu betrachten im systematischen Zusammenhang eines Orga-

III. Einheit der Verwaltung aus hierarchischen Direktiven

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nisationsrechts: Denn es würde sich bei ihnen um Ausprägungen dessen handeln, was man als organisatorisches Wesen der Zweiten Gewalt immer anerkannt, ja herausgestellt hat: hierarchische Über/Unterordnung. 3. Verwaltung: entstanden als "Gewalt aus Direktiven"

Seit ihrem historischen Entstehen in der Zeit des Absolutismus ist Verwaltung stets als eine wesentlich über Direktiven hierarchisierte Gewalt verstanden und weitgehend, zuzeiten vollständig, in dieser Weise auch organisiert worden. Die neue Macht des absoluten Monarchen, welche über sie wirken sollte, vom Militär über "Polizey" bis hin zu den Steuern, war als eine wesentlich politische konzipiert; sie sollte darin, mit einem neuen Selbstbewusstsein der Macht, bisherige Vorstellungen von einer Herrschaft überzeitlichen Rechts und dessen allenfalls noch judikativer Anwendung ablösen. So entfaltete sich vor allem in Frankreich die strenge Hierarchisierung des Einheitsstaats, sie sollte sich über die Französische Revolution erhalten, trat doch der Volkssouverän an die Stelle des absoluten Monarchen. Von dort aus wirkte diese absolute Staatsvorstellung mit ihrer ebenso durchgehend hierarchisierten Verwaltung überall in Europa, nicht nur in den Staaten des französischen Rechtskreises und des gallischen Rechtsdenkens, sondern weithin auch in Deutschland. Dort war über die Beamtenschaft ein beispielhaftes Hierarchie-Instrument schon im 17. und 18 . Jahrhundert entstanden, das es ermöglichte, die zunehmende Karenz einer verdämmernden Herrschaft des kanonischen und römischen Rechts aufzufüllen durch die von Beamten vermittelte Herrschaft der Politik. So trat diese hierarchisierte Zweite Gewalt selbstbewusst an die Stelle früherer kombinierter Machtversuche der Ersten und Dritten Gewalt. Doch dies war eben nun nicht, in seiner historischen Entwicklung, gedacht als eine Herrschaft par ordre de Mufti, im orientalischen Sinne, in welchem alle administrativen Gewaltträger in örtlicher Beliebigkeit irgendwelche meist selbstgegebene Direktiven zum Tragen bringen sollten. Die neue Machtpolitik, früher über das Gottesgnadentum, sodann über das Volkesgnadentum der Demokratie hervortretend und durchzusetzen, sollte einheitlich, gewissermaßen normähnlich auf die Bürger wirken, über die Verwaltungsgewalt, darin gewissermaßen eine zweite Machtschicht neben den noch nicht voll durchgesetzten Machtbefehlen des Gesetzes entfalten. Auf dieser Grundlage entstand die Vorstellung von der wesentlich hierarchisierten Verwaltung, eben weil diese in den von ihr auf solchen Wegen durchgesetzten politischen Direktiven jedenfalls eine eigene, eine typisch administrative Einheit finden sollte. Überprüft man unter solchen Gesichtspunkten der hierarchisierten Direktivgewalt die heutige Verwaltung, unter einem ihre Einheit suchenden Ge-

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sichtspunkt, so mag einiges dafür sprechen, dass sich derartige geistige Entwicklungslinien in der Gegenwart noch fortsetzen. 4. Hierarchische Transformation politisch-extranormativer Direktiven als Wesen der"Verwaltung"

Noch immer ist heute "die Verwaltung" zwar dem Gesetz unterworfen, vor diesem aber, unabhängig von den Normen, ja geradezu gegen diese, in vielen Fällen auch anderen Weisungen: den politisch-extranormativen Direktiven. Sie finden ihren konkreten Ausdruck im Befehl des jeweils vorgesetzten Amtsträgers, der auch gegen den klaren Wortlaut des Gesetzes vorrangig vom Nachgeordneten zu verwirklichen ist. Diesem bleibt - mit Ausnahme weniger und meist nur "theoretischer" Fälle - ein Remonstrationsrecht, welches aber seine Gehorsamspflicht nicht aufhebt, sondern lediglich bestätigt. Was ihn hier als Anordnung zu einem bestimmten Verhalten, einer gewissen Entscheidung zwingt, ist nicht die jeweils anzuwendende Norm, sondern nur eine "Grundnorm der Verwaltung", in welcher gerade deren eigentümliche Einheit möglicherweise gefunden werden kann: die hierarchische Gehorsamspflicht nicht gegenüber Gesetzen, sondern gegenüber Direktiven des Vorgesetzten. Diese können durchaus verstanden werden als organisatorisches Instrument einer gewissen Einheitsschaffung in der Administration, jenseits und über allen Gesetzen - und doch mit Wirkung auf das gesamte, im engeren Sinne gesetzesausführende und auch alles andere Verhalten der AdministraÜ()I1. Solche Direktiven kommen, in aller Regel, aus etwas, das in sich meist eine gewisse organisatorische Einheit zeigt: Es sind dies die politischen Vorgaben der jeweiligen Verwaltungsspitze, von Gemeinderat und Bürgermeister bis zu Regierung und Regierungschef. Es ist hier eben, ganz einfach und doch in seiner Wirkung sehr differenziert, die jedem Beamten bekannte "Linie des Hauses", welche von allen Verwaltungsorganen umzusetzen ist, in den drei oben erwähnten vereinheitlichungsbedürftigen Tätigkeitsbereichen: bei der gesetzesgebundenen Verwaltung ebenso wie vor allem im Raume von Ermessens- und Beurteilungsspielräumen und, erst recht, in gestaltender Administration. Und man gebe sich keiner Illusion hin: selbst in Bereichen weitestgehend gesetzesgebundenen Verwaltungshandelns wirkt noch immer - das erfährt der betroffene Bürger nur zu oft zu seinem Leidwesen, - jene selbe "Linie des Hauses", und sei es auch nur darin, dass Entscheidungen eben "etwas später", "ein wenig anders, mehr oder weniger begründet" ergehen. Auf vielfachen, wenn nicht zahllosen Kanälen wirken solche Direktiven, und sie sind keineswegs organisationsrechtlich verfestigt, daher auch nur schwer zu greifen: von den formalisierten Verwaltungsvorschriften über

III. Einheit der Verwaltung aus hierarchischen Direktiven

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ausdrückliche Anweisungen für bestimmte engere Fallgruppen bis hin zur Anordnung im Einzelfall; und auch die Anweisenden werden, in ursprünglicher Direktivensetzung oder in Konkretisierung einer bereits erfolgten derartigen, auf ganz unterschiedlichen Ebenen tätig, vom Entscheidungswort des Regierungschefs bis zur Einzelweisung an den Sachbearbeiter und seiner dementsprechenden Entscheidung. So wäre es denn müßig, hier organisationsrechtliche Schemata entwickeln oder auch nur nachzeichnen zu wollen; es ist immer das eine hierarchische Denken und Handeln, welches sich in vielfachen Formen ausdrückt, aber eben, so scheint es doch, in durchaus typisch verwaltungsmäßigen, in solchen, welche die Administration jeweils zu einer gewissen Einheit organisatorisch zusammenschließt. Über das Wesen dieser Direktiven lassen sich gewiss, trotz ihrer Vielgestaltigkeit, auch allgemeinere Aussagen machen. Sie sind normergänzend, ihrem Wesen nach aber, legt man die Gewaltenteilung zugrunde, eben doch extranormativ. Sie erscheinen als nicht so streng gleichheitsgebunden wie die formell erlassenen Normen. In ihnen drückt sich, mehr als in jenen, ständiges Wandlungs bedürfnis laufender Verwaltungs wirklichkeit aus. Sie sind, anders als die klassische Norm, nicht notwendig, aber doch in sehr vielen Fällen und dann auch durchaus wesentlich, einzelfallbezogen. In vielen Fällen kommen sie nicht aus vollformulierten übergeordneten Vorstellungen heraus, die sich vielmehr in ihnen oft erstmals verwirklichen, und in diesem Sinne stellen sie dann Approximationen, nicht Normkonkretisierungen dar. Sie folgen bestimmten Tendenzen und suchen diese "optimierend" zu verwirklichen; daher ist auch Optimierung weit eher ihr Wesen als das einer wie immer verstandenen Gesetzgebung. Vor allem aber kommen sie aus politischen Wurzeln, welche das Recht als solche nie wird vollständig fassen, noch weniger normativ definieren können. Hier sind es "konservative" oder "progressive" Grundvorstellungen, sozialistische oder christliche Gedanken, liberale Positionen, oder wie sich sonst noch das Spektrum heutiger politischer Auffassungen darstellt, was sich, oft genug nur sehr vorsichtig, aber dann im Ergebnis doch "durchgreifend" zeigt. Diese Direktiven überwinden gewissermaßen den Abstand, welcher die ganz allgemein-grundsätzliche politische Ideologie vom zu entscheidenden Einzelfall trennt, sie überspringen insbesondere die sonst notwendige Konkretisierung jener Ideologie durch Normen der Gesetze. Hier führt ein dogmatisch wenig beachtetes Einfallstor des "Politisehen" in die Staatstätigkeit, in Entscheidungsvorgaben und -inhalten, welche sich geradezu aus ihrer Extranormativität definieren. Und gerade deshalb könnte nun wirklich eben hier "die Verwaltung" in einer eigentümlichen "Einheit aus politischen Direktiven" zu einem auch rechtlich relevanten Selbstand vordringen, zu einer echten "Gewalt" im Sinne der Verfassung zusammenwachsen. Dies war in der Tat die Grundidee des insoweit

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G. Verwaltung: die organisatorisch zersplitterte Gewalt

staatsrechtlich völlig konsequenten Einheitsstaates französisch-revolutionärer Prägung; und gerade daraus erklärt sich denn auch die strenge Durchführung einer hier nun wirklich wirksam werdenden Theorie der Gewaltenteilung, mit einer selbständigen Administrativgewalt, in deren hierarchischdirektiv bestimmtes Verhalten sich keine andere Gewalt einmischen durfte. Damit war ein "Bereich der Verwaltung" entstanden, eben hierarchiegeprägt, nicht nur das, was man später, ohne größere verfassungsrechtliche Fortune, zu einem "Bereich der Regierung" hat hochentwickeln wollen, ohne dass es je gelungen wäre, in der Demokratie diesen Bereich überzeugend zu definieren. Diese Demokratie war es auch seit der französischen Revolution, und sie ist es noch heute, die doch, so scheint es, den Vorstellungen einer in solcher Form durch politische Direktiven zusammengeschlossenen Verwaltung ihren Selbstand sichert, einen solchen geradezu voraussetzt, sich in ihm verwirklicht. Denn das Parlament spricht eben nicht nur mit der Macht des Gesetzgebers, es schafft schon im Vorfeld der Normgebung und weit über diese hinaus auch in allen administrativen Bereichen eine politische Grundstimmung, welche sich in personellen Entscheidungen konkretisiert, ständig parlamentarisch überwacht wird und auch ohne besondere Resolution der gesetzgebenden Körperschaften "das Verwalten" orientiert, wenn auch nur aus einer gewissen Ferne. Wenn das Parlament nicht nur als ein Konvent von Gesetzestechnikern, sondern als ein Gremium von politisch denkenden und handelnden Personen verstanden wird, findet es gerade in dieser über Hierarchie wirkenden Direktiven-Politisierung einen seinem Wesen entsprechenden Ausdruck. Und da die Volksvertretung hier nur aus der bereits erwähnten Distanz in einer häufig geradezu unausgesprochen direktiven Form über die Regierung auf die Administration wirkt, während diese sodann, ganz in ihrem eigenen Bereich handelnd, dies alles in harten hierarchischen Anordnungen umsetzt, hier gewiss nicht nur parlamentarisches Denken fortdenkend, ließe sich daraus doch etwas wie ein gewaltmässiger Selbstand der Verwaltung gerade in der Demokratie entwickeln. Es läge darin schließlich auch das Wirken einer im weiteren Sinne organisationsrechtlichen Mechanik. Der Zweiten Gewalt steht für ihren Bereich jedenfalls jene Organisationsgewalt zu, aus welcher heraus sie die Voraussetzungen für das Wirken ihrer hierarchischen Direktiven auf die nachgeordneten Verwaltungsträger schafft. Damit könnte sich dann wirklich ein Bereich der Zweiten Gewalt zusammenschließen, im regierungsamtlichen organisatorischen Wirken der Einrichtung der Behörden und der Kompetenzverteilung zwischen ihnen einerseits und der Setzung von Direktiven andererseits, auf der Seite der Verwaltung in der Ausführung dieser seI ben Direktiven. Allerdings müsste berücksichtigt werden, dass die Zurückdrängung der Organisationsgewalt, insbesondere durch die Forderung, Kompe-

IV. Die föderale Verwaltungszersplitterung

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tenzen durch Gesetz festzulegen, schon einen Einbruch in diese einheitliche organisatorische Ordnung der Exekutive bringen könnte; derartiges war denn auch in der ursprünglichen Konzeption des französischen Einheitsstaates nicht vorgesehen. Immerhin würde sich soviel an "hierarchischer Selbständigkeit" im eigentlichen Verwaltungsbereich erhalten, dass gerade diese Organträger als Säulen einer echten Zweiten Gewalt vorstellbar wären. Doch nun erhebt sich der zentrale, und gerade ein organisationsrechtlicher Einwand gegen eine solche Konstruktion, welche im 19. Jahrhundert ganz selbstverständlich die Gewaltenteilung im juristischen Denken verfestigend begründen konnte: Dies alles setzt eben voraus, dass derartige Direktiven hierarchisch wirken können auf "die Verwaltung" und in ihr. Nicht die Direktiven als solche sind es ja, welche eine Einheit der Verwaltung bringen, sondern diese wirkt nur, wenn überhaupt, über sie dann, wenn eine entsprechende Hierarchie vorher gegeben ist; sie ist die organisationsrechtliche Voraussetzung für all jenes Denken, von dem vorstehend die Rede war. Gerade hier aber hat sich in der modemen Staatlichkeit eine als solche wohl keineswegs einheitlich bewusste und doch eine große Wende vollzogen: eben die organisationsrechtliche Zersplitterung der Zweiten Gewalt in Föderalisierung, Kommunalisierung und, nicht zuletzt, in allgemeiner Tendenz zu einer Autonomisierung der Verwaltungen. Nicht nur dass, jenseits von all dem, Hierarchie als Über/Unterordnung an sich schon zum Unwort zu werden droht - was die zersplitternden Entwicklungen nur noch verstärken - es haben sich institutionelle Wendungen ergeben, in denen sich die allgemeine Abneigung gegen alles Hierarchische, nicht zuletzt im Namen eines meist unklaren Prinzips der Subsidiarität, aus ihren historischen Wurzeln heraus noch verstärken konnte. Deshalb ist jene Zersplitterung, von der im Folgenden in gebotener Zusammenfassung die Rede sein soll, kein vorübergehendes und kein leicht authebbares Phänomen; sie wird, ganz im Gegenteil, in absehbarer Zukunft eher noch zunehmen.

IV. Die föderale Verwaltungszersplitterung 1. Die f"öderale Grundvorstellung: Verwaltung als Staatsmacht - aber geteilt

Der deutsche Föderalismus zeigt bereits in seiner Entstehung, und auch noch in seiner heutigen institutionellen Gestalt, dass alle Verfassunggeber seit 1871 die Administration stets als etwas wie eine organisatorische Machteinheit jedenfalls insoweit gesehen haben, als sie insbesondere der Gesetzgebung gegenüber ein machtmäßiges Gegengewicht bilden sollte vor allem zu Gunsten der Bundesstaaten/Länder. Nur so erklärt es sich,

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G. Verwaltung: die organisatorisch zersplitterte Gewalt

dass die Konzentration der gesetzgeberischen Macht beim Oberstaat dadurch kompensiert werden sollte - und noch immer werden soll - dass "die Verwaltungsmacht" im Wesentlichen den Ländern zusteht. Die Föderalverfassung beruht also auf der Vorstellung, dass "Administration" als solche nicht nur Macht bedeutet, sondern wohl sogar als eine "Gewalt" zu sehen ist, die dann eben, als die Zweite im Staat, den Ländern zukommen soll, während die Legislative, die Erste, im Wesentlichen, schwerpunktmäßig jedenfalls, beim Bund liegt. Auf diese Weise wollte man ersichtlich horizontale und vertikale Gewaltenteilung synchronisieren - um sie dann beide zur Machtminimierung, dem Bürger gegenüber, einzusetzen. Dieses Denken in "Verwaltung als Gewalt" ist aber nun, wenn auch auf verfassungsrechtlicher Ebene, ein durchaus föderales, und es ändert nichts an dem, was im vorliegenden Zusammenhang aber entscheidend bleibt: dass diese, in bundesverfassungsrechtlicher Sichtweite als eine letzte Einheit vorgestellte "Verwaltung" im Namen dieses selben Föderalismus in einer Weise aufgesplittert wurde, zwischen Bund und Ländern und zwischen den Letzteren, dass im Sinne der hier zu betrachtenden horizontalen Gewaltenteilung gerade deshalb von einer echten Zweiten Gewalt auch organisationsrechtlich nicht mehr gesprochen werden kann. Was also im Folgenden noch zu vertiefen ist, die organisationsrechtliche Föderalzersplitterung der Administration, zeigt eine tieferliegende Spannung: die zwischen föderaler Gewaltenteilungsvorstellung und dem Denken in horizontaler Gewaltenteilung. Wer das Föderalsystem in Gewaltenteilung zwischen Bund und Ländern ausgestaltet, mag hier sein Ziel einer ausgewogenen, ja einer Gleichgewichtigkeit erreichen; im selben Zug aber verfehlt er die Einheit der Verwaltimg auf horizontaler Ebene, weil er diese eben zur Herstellung des föderalen Gleichgewichts zersplittern muss. Die föderale Staatslehre erkennt also zutreffend, dass "Verwaltung an sich ein bedeutsamer Machtfaktor" ist. Sie muss diesen aber, eben aus ihren bundes staatlichen Prämissen heraus, in einer Weise organisieren, welche es problematisch erscheinen lässt, wenn nicht rechtlich unmöglich macht, die Verwaltung im Zusammenhang mit der horizontalen Gewaltenteilung als eine echte Staatsgewalt anzuerkennen. Um diese eigenartige Lage nochmals mit anderen Worten auszudrücken: Verwaltung ist sicher ein Machtfaktor, auch in ihrer föderalen Zersplitterung wirkt sie, vielleicht gerade dort, als ein solcher im Verhältnis zwischen Oberstaat und Gliedstaaten. In sich selbst aber findet sie darin nicht zur Einheit, sondern sieht sich gerade in dieser föderalen Gewaltenteilung immer weiter aufgeteilt, und zwar organisationsrechtlich, was im vorliegenden Zusammenhang entscheidend wirkt. Diese vielen, zersplitterten Verwaltungen mögen Machtträger sein, sogar in ihrem vielfachen Wirken ein Machtphänomen darstellen - sie schließen sich nicht zu einem Verfassungsorgan Verwaltung, zu einer Verfassungs-

IV. Die föderale Verwaltungszersplitterung

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gewalt Administration zusammen. Politische Machtbetrachtung beginnt erst dort, wo rechtlich fassbare Gewaltenkategorisierung endet. Von diesen Überlegungen ausgehend ist nun die föderale Zersplitterung der Exekutive vor allem unter einem Gesichtspunkt zu betrachten: wie sie sich auf die Möglichkeit einheitlicher, geradezu die Einheit der Verwaltung konstituierender hierarchisierter Direktiven auswirkt. 2. Die Regierungszersplitterung

Der Föderalstaat kennt kein einheitliches Regierungsorgan an der Spitze seiner Zweiten Gewalt. Dies allein müsste schon jene nachdenklich machen, welche von "der Verwaltung als einer einheitlichen Staatsgewalt", oder doch von einem exekutiven Zentrum ausgehen. Die vielen Regierungen im Föderalstaat haben jede für sich grundsätzlich gleiche hierarchisierte Direktivkompetenzen für ihre jeweiligen Verwaltungen. Dies dürfte sogar letztlich durch die Harmonisierungsklausel der Bundes- und Landesorganisationen in der Bundesverfassung grundgelegt sein. Dann aber entfällt die Möglichkeit einer einheitlich-hierarchischen Direktivgebung "innerhalb der Verwaltung". Es gibt eben zahlreiche Verwaltungen, ganz abgesehen von deren weiteren Zersplitterungen in sich, in Kommunalisierung und vielfacher Autonomisierung. Kein einheitliches, politisches, extranormatives Wort erreicht, vom Bunde her, die Landesverwaltungen. Die "Linie des Hauses" ist jeweils die des betreffenden Landesministeriums, vielleicht noch der dortigen Staatskanzlei. Ihnen steht gegenüber die "Linie des Bundeshauses", bestimmt durch den jeweiligen Fachminister oder gar durch die Richtlinien des Kanzlers, die sich ja eben auch nur auf die Richtlinien der Politik der Bundesregierung beziehen, nicht auf die der Verwaltung im gesamten Staat. Wären die Landesregierungen nun vorzustellen als politisch homogene Exekutivinstanzen, als Fortdenker von politischen Richtlinien des Bundeskanzlers oder seiner Regierung, so könnten deren Direktiven, in den Ländern wenigstens politisch fortgedacht, eine gewisse Einheit der Gesamtverwaltung konstituieren. Davon aber kann bekanntlich nicht die Rede sein, es trifft das Gegenteil zu: Diese Regierungen regieren weithin gegeneinander, ja sie verhalten sich "grundsätzlich" als eigenständige Anordnungszentren; zu einer Einheit werden sie allenfalls durch das Wort des Gesetzgebers, welches sie alle bindet; und auch dieses wollen sie selbstverständlich möglichst in unterschiedlichem, ja gegensätzlichem Sinne verstanden wissen. Der Föderalismus nimmt es also eindeutig in Kauf, dass in ihm ein System von Gegenregierungen wirkt - in einem doppelten Sinn: die eine Landesregierung gegen die andere, oder eine Gruppe von solchen gegen eine andere Gruppe, in vielfältiger Brechung, und sodann einzelne Landesregierungen

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G. Verwaltung: die organisatorisch zersplitterte Gewalt

oder Gruppen von solchen auch noch gegen die Bundesregierung. Verfassungsrechtlich erscheint dies eher als ein Babel, denn als ein gewolltes, sich selbst austarierendes verfassungsrechtliches Regierungschaos, gewiss aber nicht als Organisation einer einheitlichen Gewalt, welche über hierarchische Direktiven zusammengehalten würde. Eher entwickelt sich hier etwas wie eine doppelte Hierarchie, vom Bund zu den Ländern in gewissen Anweisungsbefugnissen, sodann aber auch von den Ländern hinauf in den Bundesbereich, in den vielfältigen Widerstandsrechten der einzelnen Landesregierungen gegen bundesrechtliche Vorstellungen oder gar Anweisungen. Einzelheiten zählen hier weniger als die gesamte Regierungs-Grundstimmung: sie ist die einer weitestgehend aufgelösten Gewalt. Seit 1871 hat sich hier wenig geändert in Deutschland: Für Einheit steht allenfalls das gemeinsame Parlament, der Bundestag, die Erste Gewalt, vielleicht noch die im Bundesrat immerhin integrierte, zu Abstimmungsfähigkeit und Abstimmungsnotwendigkeit zusammengeschlossene Zweite Kammer. Bei der Verwaltung aber hört all diese Einheit auf, soweit sie nicht durch Bundesgesetz erzwungen ist; Hierarchie zeigt sich nurmehr in protokollarischen Feinheiten ... Wie konnte man eigentlich, so ist doch zu fragen, so selbstverständlich von der Einheit einer "Zweiten Gewalt" ausgehen, deren hierarchisches Zentrum in solcher Weise zersplittert ist?

3. Föderale Auflösung der Einheit der Verwaltung

Der Föderalstaat verzichtet nicht nur auf jene Einheit der Exekutivspitze, welche über ihre Direktiven eine Einheit der Administrationen verwirklichen könnte. Die Auflösung der Einheit der Verwaltung geht hier noch viel weiter, und sie ist geradezu verfassungsrechtlich gewollt. Da der Föderalismus von den Ländern als selbständigen staatlichen Einheiten ausgeht, sie auch als mit eigener legislativer Macht begabt anerkennt, setzt sich die Regierungszersplitterung in einer Verwaltungszersplitterung schon dadurch fort, dass die Landesgesetzgeber in ganz unterschiedlicher Weise ihre Administrationen errichten, einrichten und nach ihrem Verfahren regeln können. Der Gesetzesvorbehalt im Organisationsrecht soweit es einen solchen überhaupt gibt - läuft also in seiner vereinheitlichenden Wirkung insoweit von vorneherein leer, als die einzelnen Landesverwaltungen ihren Selbstand nicht nur in den Direktiven finden, welche aus ihren jeweiligen Regierungen kommen, sondern auch aus den unter Umständen ganz heterogenen Organisationsentscheidungen, welche die jeweiligen Landesgesetzgeber treffen. Die Bundesgesetzgebung lässt diesen denn auch einen erheblichen organisations- und verfahrenrechtlichen Ent-

IV. Die föderale Verwaltungszersplitterung

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scheidungsspielraum, in die Verwaltungsorganisation und in das Verwaltungsverfahren greift sie nicht ein. I Dies Letztere entspricht ja auch einer weiteren traditionellen Grundentscheidung im Föderalstaat: Einrichtung und Verfahren der Behörden, d. h. die Organisation der Verwaltung, regeln die Gliedstaaten, so will es die Bundesverfassung. Nur in engen Grenzen haben Bundesinstanzen hier Regelungsmöglichkeiten, sie reichen gewiss nicht bis zur Schaffung einer einheitlichen deutschen Verwaltung, welche eine Zweite Gewalt nach deutschem Verfassungsrecht konstituieren könnte. Organisationsrechtliche und verfahrensrechtliche Verwaltungszersplitterung werden also nicht nur rechtlich hingenommen, sie sind ausdrücklich gewollt und vervollständigen die Auflösung der Zweiten Gewalt in eine Vielzahl normativ und politisch heterogen bestimmter Träger und einzelner Behörden. Wenn man vielleicht im Regierungsbereich noch nicht von einer Regel-Ausnahrnesituation zugunsten der Landesexekutiven sprechen kann, schon weil die Militär- und die Auswärtige Gewalt der Bundesexekutive wichtige Bereiche vorbehalten - in den Niederungen der Verwaltung gilt mit Sicherheit ein verfassungsrechtliches Grundprinzip: im Zweifel für die landesrechtlich in Organisation und Verfahren zersplitterte Verwaltung, nicht für einheitliche Direktiven aus der Ebene einer Bundesadministration. Dies gerade ist ja gewollt, föderal als ein Gegengewicht zur legislativen Grundregel "Bundesrecht bricht Landesrecht" . Organisationsrechtlich ist also, und zwar aufgrund von Verfassungsgebot, geradezu alles Mögliche geschehen, um die Einheit der Verwaltung aufzulösen, nicht um sie in irgendeiner Weise zum Tragen kommen zu lassen. Der Verfassunggeber will ganz offensichtlich selbst die Rechtseinheit, welche er über die Aktionen der Ersten Bundesgewalt herstellt, wieder über die "Gesetzesfortsetzung" in einer zersplitterten Zweiten Gewalt diversifizieren. Man könnte sogar soweit gehen, diese derart an der Spitze wie in allen ihren organisatorischen Einheiten aufgelöste Zweite Gewalt als eine "Gewalt der Gewaltenauflösung" zu begreifen. Was geschehen konnte, um organisationsrechtlich eine funktional bereits nicht erkennbare Einheit der Verwaltung auch noch organisationsrechtlich zu beseitigen, ist wohl auf diesem Weg der Verwaltungszersplitterung erfolgt. 4. "Durchregieren" vom Bund in die Länder? Gewiss hat nun die Verfassung dem Bund bestimmte Kompetenzen zuerkannt, in deren Ausübung er unmittelbar durchgreifen kann auf die Landesverwaltungen, sie nicht nur über Normvollzug, sondern auch durch seine Direktiven, ja durch Anweisungen im Einzelfall an seine Richtlinien binden darf, an seine Politik. Doch solche Weisungen und Verwaltungsvorschriften,

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G. Verwaltung: die organisatorisch zersplitterte Gewalt

überhaupt Möglichkeiten des Bundes, auf die Ausführung jener Bundesgesetze Einfluss zu nehmen, welche die Länder nicht im eigenen Namen durchführen, sind derart gegenständlich begrenzt, dass sich daraus nicht etwas wie eine einheitliche Verwaltung, hierarchisiert aus dem Bundesbereich, ja aus der Bundesspitze, entwickeln kann. Abgesehen von den vergleichsweise beschränkten Materien, für welche Derartiges überhaupt in Frage kommt, sind auch hier Einflussmöglichkeiten seitens des Bundes durch eine weitere Hürde begrenzt, die sich nicht selten zur Schranke erhöht: durch das Zustimmungsbedürfnis der Länder im Bundesrat. Diese typisch föderale Konstruktion zeigt, dass sich die Vielfältigkeit einer zersplitterten Exekutive, einer aufgespaltenen Verwaltung selbst dort noch fortsetzen soll, wo nun wirklich gesamtstaatliche Interessen Vorrang verdienen. Auch sie dürfen eben nicht allein durch extranormativ-politische oder normative Vorgaben aus dem Bundesbereich bestimmt, sie müssen in Abstimmung mit den Ländern, d. h. mit den Trägern gerade jener vielen, bereits zersplitterten Verwaltungen geregelt und, soweit möglich, gleichgeschaltet werden. Darin mag der Bundesexekutive eine gewisse faktische Macht zurückgegeben sein - sie ist derart bereits materienmäßig, aber auch organisationsrechtlich, eben durch den Einfluss des Bundesrates, begrenzt, dass von einer organisatorischen Hierarchisierung bis hinauf in die Bundesebene in keiner Weise mehr gesprochen werden kann. Betrachtet man schließlich noch die äußerst begrenzten Möglichkeiten einer Bundesaufsicht über Verwaltungsveranstaltungen der Länder, und rechnet man diese hoch bis zu einem Bundeszwang, zu dem es weder in den letzten Jahrzehnten je gekommen ist noch in absehbarer Zeit wohl kommen wird, so rundet sich das Bild einer föderalen Verwaltung ab im Sinne einer nun wirklich nahezu vollständigen Vielherrschaft, was die organisatorische Seite betrifft. Wenn diese Verwaltung in ihrer Gesetzesausführung, im Bund wie in den Ländern, noch eine gewisse Einheit über die Einheitlichkeit des darin fortzudenkenden Normwillens des Gesetzgebers findet - organisationsrechtlich ist wahrhaft alles geschehen, damit das Wort von einer einheitlichen Verwaltung im Föderalstaat, von einer einheitlichen Zweiten Gewalt, nicht mehr fallen sollte. 5. Der Bundesrat: Verwaltung als Kondominium von Bund und Ländern

Im Bundesrat sollte, nach den ursprünglichen Vorstellungen der Verfassunggeber, "die Verwaltung als Gewalt" ihre institutionelle Form finden, in einer Zusammenfassung der Landesgewalten als solcher, denen eben im Föderalstaat die Verwaltung überantwortet wurde. Doch diese Form der Gewaltenteilung war föderal-vertikal gedacht, gerade nicht gesamtverfassungs-

IV. Die föderale Verwaltungszersplitterung

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rechtlich-horizontal. Deswegen wurde, ohne viel dogmatisches Nachdenken, diese Institutionalisierung einer Zweiten Gewalt verlegt - in die Erste, in die Gesetzgebung hinein, mit wesentlichen Legislativbefugnissen. Damit sollte nicht nur die Gesetzgebung über die Verwaltung, vor allem über deren Organisation und ihr Verfahren, es sollten auch konkrete Organisationsentscheidungen wie etwa die Errichtung und Einrichtung bestimmter Bundes verwaltungen, dieser kombinierten Ländergewalt zugeordnet werden, die man eben in erster Linie als Vertretung der Landesverwaltungs-Gewalten verstand. In diesem Sinne ist denn auch ein eigenartiges Kondominium von Verwaltungen entstanden, zwischen den Ländern, welche eine Bundesratsmehrheit hervorbringen, und dem Bund, welcher vorgängig Organisationsund Verfahrensinitiativen ergreift, in nonnativer Fonn oder in Einzelentscheidungen. Man mag dieses komplizierte, dogmatisch aus der Sicht der Gewaltenteilung wenig durchdachte System als institutionellen Ausdruck eines Selbstandes sui generis der Verwaltung in Deutschland verstehen, im Zusammenwirken ihrer verschiedenen, an sich streng getrennten Träger, der Ländergewalten einerseits, der Bundesexekutive oder gar der Bundesgesetzgebung zum anderen. Man kann darin auch den Versuch zur Schaffung einer gerade organisations- und verfahrensrechtlichen Eigenständigkeit der "Verwaltung" erblicken, welche die Verfassung eben als solche, als eine Gewalt institutionalisiert, wenn auch auf föderalen Umwegen. Doch damit ist die grundlegende, bundesstaatlich bedingte Zersplitterung der einen Verwaltung in viele Administrationen auch organisationsrechtlich keineswegs aufgehoben, diese werden nur im Bundesrat zusammengeführt und einem Mehrheitsmechanismus unterworfen. Dieser bringt dort aber eben nicht "Verwaltungen als solche" als Gewaltträger, mit typisch administrativen Strukturen, eigenartigen Verwaltungsinstrumentarien zum Einsatz, sondern etwas ganz anderes: Ländergewalten als solche, Landesregierungen, die von ihren jeweiligen Parlamenten politisch abhängig sind, aus deren Willen oder politischer Grundstimmung heraus entscheiden, keineswegs primär oder gar wesentlich aus "Verwaltungsüberlegungen". Im Bundesbereich gilt nichts anderes, auch dort wird, in Initiativen gegenüber dem Bundesrat, nicht etwa eine Bundesregierung als typisches Verwaltungsorgan tätig, sondern als ein politischer Machtträger, der im Föderalstaat diese Macht mit den Ländern zu teilen hat. Gewiss ist nun diese Zweite Kammer eine Domäne der Verwaltungen: Ihre Vertreter stehen - nicht nur gedanklich, sondern im Bundesrat geradezu physisch - "hinter" ihren jeweiligen Ministern, und es sind auch laufend Verwaltungsüberlegungen, kurz Vollzugsprobleme, aus denen heraus Stellungnahmen der einzelnen Ländern wie der Bundesratsmehrheit als solcher erwachsen. Doch es geht keineswegs immer primär um typische Organisationsfragen oder Verfahrensüberlegungen; auch ist der Bundesrat 14 Leisner

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G. Verwaltung: die organisatorisch zersplitterte Gewalt

nicht ein Organ, in dem nun eine organisationsrechtliche Einheit "der Verwaltung" als solcher länderübergreifend hergestellt würde. Im Vordergrund stehen fast immer allgemeinere Praktikabilitätsüberlegungen und, vor allem, die Suche nach den Mitteln, aus denen heraus die Realisierung in der Verwaltung erfolgen soll. Nun mag man gewiss all dem einen gewissen Koordinierungseffekt zusprechen, doch niemand wird behaupten wollen, dem Bundesrat sei es in seiner langen Geschichte gelungen, etwas wie eine organisationsrechtliche Einheit der deutschen Verwaltung länderübergreifend herzustellen. Allenfalls verdeutlicht er die Verwaltungsaufgaben und schafft die finanziellen Grundlagen für Organisationen, welche dann aber im Einzelnen, und zwar völlig heterogen, in den Ländern erst geschaffen werden. Ein gewisser Integrationseffekt hinsichtlich des Verwaltungshandelns wird dadurch sicher erzielt, doch die organisationsrechtliche Aufsplitterung einer angeblichen "Zweiten Gewalt-Verwaltung" wird dadurch häufig sogar noch verstärkt. Ein Ergebnis bleibt sicher: Bundesverwaltung nach Ländermehrheit, föderal zersplittert, und Landesverwaltung nach Landeswillen, wiederum föderal, jedenfalls organisationsrechtlich geteilt. Und wenn die Länder schon durch den Bundesrat gezwungen werden können, ihre Verwaltungen organisationsrechtlich, wenn nicht gleich, so doch ähnlich zu strukturieren, so geschieht dies nicht nach einem politischen Gesamtwillen, der "von oben" käme, sondern nach ihrem jeweiligen Mehrheitswillen, der wiederum zwischen organisationsrechtlich streng getrennten Einheiten, eben den Ländern, gebildet wird. Was den Bund anbelangt, so endet sein zentraler Regierungswille rasch in einer Verwaltung, die ihm gegenüber weitgehend von anderen politischen Gewalten beherrscht erscheint als von seinen eigenen politischen Willensträgern, seinen gesetzgeberischen und regierungstragenden Mehrheiten. So baut sich denn geradezu ein eigenartiges doppeltes Kondominium auf, im Bereich der Verwaltung: "der Gesetzesvollzug" zerfällt in stärker oder schwächer vom Oberstaat beherrschbare Aufgabenbereiche, je nachdem, ob die Bundesgesetze von den Ländern in ihrem eigenen Namen oder im Auftrag des Bundes durchgeführt werden; und die Verwaltung als solche wird von den zahlreichen Ländern und der Föderation gemeinsam beherrscht, unter Einsatz von Mitteln, aus denen sie dann jeweils, völlig heterogen, organisiert wird, und über Verordnungen, die ihr einiges an Organisationsstruktur vorgeben - aber eben auch wieder nur nach dem Willen der Mehrheit der vielen Verwaltungsträger der Länder. Soll dies nun wirklich "eine Gewalt" sein, dieses Dominium, das derart kompliziert gestaltet, im Grunde aufgesplittert ist und bleibt, und was wäre dies für eine "Zweite Gewalt" im Sinne der Gesarntverfassung, verdient sie organisationsrechtlich wirklich diese Bezeichnung? Selbst wenn "die Administration" funktional als Einheit gesehen werden könnte - was wie darge-

IV. Die föderale Verwaltungszersplitterung

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legt nicht der Fall ist - sie erscheint doch schon in dieser föderalen Ordnung derart organisatorisch zersplittert, dass die Vorstellung von "einer Gewalt", der gesetzesvollziehenden, schlechthin - nicht mehr vollziehbar ist. 6. Verwaltung: Kondominium verschiedener politischer Machtträger Vor allem aber - und damit mögen diese Betrachtungen zum Föderalstaat schließen - führt dies nicht nur zu einer Zersplitterung dessen, was, wenn überhaupt, das Wesen des Verwaltens ausmacht, des Gesetzesvollzugs, jener Fortsetzung der Gesetzgebung mit anderen Mitteln. Was vor allem in diesem eigenartigen Föderalsystem zersplittert ist und bleibt, ist eine politische Machteinheit, aus der heraus, wie vorstehend angedeutet, neben den Gesetzen einheitliche politische Direktiven kommen könnten, welche dann die Verwaltung wirklich zur Einheit zusammenführen würden, in Hierarchie. Von dieser Hierarchie bleibt in dieser wahrhaft eigenartigen föderalen Ordnung nichts mehr erhalten. Nicht nur verschiedene Verwaltungsträger mit ihren unterschiedlichen "Verwaltungsphilosophien" wirken hier, in einer rechtlich kaum entwirrbaren Kombination, laufend zusammen, in welcher das "typisch Administrative" kaum mehr sichtbar gemacht werden kann. Zusammenwirken müssen zugleich auch noch politisch gänzlich unterschiedlich, ja gegensätzlich strukturierte Machtträger, Bundesregierungen und Landesregierungen, welche von unterschiedlichen politischen Mehrheiten getragen sind, häufig sogar in einer Gegensätzlichkeit zwischen Bundesinstanzen und der Mehrheit des Bundesrates. So zerfällt über diese Verwaltungsorganisation und die Versuche, sie im Bundesrat zu einer föderalen Einheit zusammenzufassen, organisationsrechtlich auch noch die Erste Gewalt in ihrer politischen Einheit. Aus ihr können insoweit keine einheitlichen politischen Direktiven die Verwaltung erreichen, da im Bereich der Zweiten Gewalt für die Demokratie die doch grundlegende Spannung zwischen Regierung und Opposition im Sinne eines notwendigen Zusammenwirkens aufgelockert, wenn nicht aufgehoben wird. "Die Verwaltung" zerfällt organisatorisch in Formen einer wiederum eigenartigen "Mitregierung der Opposition über die Administration" im Gesamtstaat. Ausgeschlossen ist es dann jedenfalls, dass sich in einer "Einheit Verwaltung", welche in ihrer auch politischen Vielfalt eher eine "Gegengewalt in sich" konstituiert, ein hierarchisch wirksamer, einheitlich-politischer Wille der gesamten Administration verbreiten könnte. Und nun ist es wohl an der Zeit, an jene Anfänge von Vorstellungen einer "eigenständigen Verwaltungsgewalt" zurückzudenken, welche eingangs dieses Kapitels angesprochen wurden: Historisch war es die Hierarchie, in der alle Verwaltung im Einheitsstaat gedacht ist, welche nun wirklich organisationsrechtlich etwas wie eine "Einheit der Zweiten Gewalt" 14*

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hervorbringen sollte. Geblieben ist eine Administration, welche sich verfassungsrechtlich gerade aufgelöst hat, in all dem, was durchgehende Hierarchie hätte bewirken können, in einem "föderalen Kondominialverbund Verwaltung". Mit der durchgehenden Hierarchie verschwindet das letzte übergreifende Organisationsprinzip, welches eine Einheit der Zweiten Gewalt konstituieren könnte; im Föderalstaat gibt es sie nicht.

V. Kommunalisierung des Staates und "Verwaltung als eigenständige Staatsgewalt" Die Suche nach einer organisationsrechtlich, wenn schon nicht funktional betrachtet, einheitlichen Verwaltungsgewalt hat bisher nur zu Erscheinungen einer im Föderalstaat weithin zersplitterten organisationsrechtlichen Lage der Verwaltung geführt, die sich nicht im Sinne einer einheitlichen Administration als Staatsgewalt ordnen lässt. Dies setzt sich nun noch, auf ganz anderen Wegen, fort in jener Grundstruktur moderner demokratischer Staatlichkeit, welche durch deren Kommunalisierung der Administration eine wiederum in sich völlig eigenartige organisationsrechtliche Struktur gegeben hat. Die Gemeinden werden gemeinhin im Öffentlichen Recht nicht nur dem exekutivmächtigen Landesbereich zugeordnet, aus dem heraus sie rechtlich in Organisation und Zuständigkeiten im Einzelnen geregelt sind; sie erscheinen auch, wiederum wie selbstverständlich, als Mitträger jener "vollziehenden Gewalt", die sie in der Tat sowohl hinsichtlich der Entscheidungen der Landesinstanzen als auch der Bundeslegislative ausüben. Doch nun stellt sich im vorliegenden Zusammenhang eine Frage, die als solche im Kommunalrecht kaum gesehen, geschweige denn vertieft wird: was denn nun das "administrative Wesen" dieser Kommunalisierung sei, wie es in den Aktivitäten ihrer einzelnen Träger, der Gemeinden, zum Ausdruck komme. Kann denn hier von einer Verwaltungs gewalt in einem auch nur irgendwie organisationsrechtlich einheitlichen Sinne gesprochen werden, oder setzt sich die bereits im Föderalstaat anzutreffende Gewaltzersplitterung der Zweiten Gewalt im Staate hier nur noch weiter fort, wenn auch in anderen Formen? Hier muss etwas weiter ausgeholt werden: 1. Kommunalisierung: eine Entscheidung der "Machtverlagerung

an die Basis", nicht für Gewaltenteilung

Kommunalisierung war in ihren historischen Ursprüngen, in Deutschland und in anderen europäischen Ländern, ersichtlich etwas wie ein Föderalphänomen, sie war nicht primär "administrativ" gedacht. Einzelne, größere 10-

V. Kommunalisierung des Staates

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kaIe Einheiten, mit allen Attributen der Staatlichkeit, schlossen sich als solche zusammen, traten gegenüber ihren Bürgern in Erscheinung und stellten sich vermeintlichen oder wirklichen höheren "staatlichen", "imperialen" Mächten in den Weg. Hier herrschte aber eben keinerlei "Administrativphilosophie", diese Städte nahmen stets staatliche Gewalt in vollem Sinne in Anspruch, mochten sie auch darüber noch andere Gewalten anerkennen. Alles war in ihnen föderal gedacht, ihr Gegensatz zur übergeordneten Gewalt wie ihre Zusammenschlüsse in Städtebünden - oder gar internationalrechtlich vorgestellt, im Sinne echter Staatenverbindungen. Gewaltenteilendes Denken konnte bis in die Zeit des späten Absolutismus schon deshalb hier nicht einen typischen "Verwaltungsbezug" der Kommunalisierung herstellen, weil es ein Prinzip solcher Gewaltenteilung im Staatsrecht noch nicht gab. Erst mit seinem Heraufkommen entstand die Vorstellung einer Kommunalisierung als Organisationsform einer Zweiten administrativen Gewalt. In der französisch beeinflussten Theorie der Einheitsstaatlichkeit wurden die Kommunen zu dezentralisierten Verwaltungsorganen, die Gemeinden eine Organisationsform der Gewaltenteilung, nicht mehr der Föderalstaatlichkeit, wie sie es im Ancien Regime immer noch hatten sein wollen. Die deutsche Entwicklung verlief aber nur teilweise in solchen Bahnen. In den Stein-Hardenbergschen Reformen sollte nun wirklich etwas wie der neue Staat des Konstitutionalismus mit durchaus demokratischen Elementen aus diesen Formen "kleinerer Staatlichkeit heraus" aufgebaut werden, welche die eine, übergreifende Territorialgewalt der Einzelstaaten nach unten, besser: von unten nach oben fortsetzten, sich in den Stadtstaaten ihre alte föderale Stellung behaupten konnten. In all dem setzten sich in Deutschland nicht horizontal gewaltenteilende, sondern vertikal-föderalisierende Überlegungen fort, in der organisationsrechtlichen Kommunalisierung der Einzelstaaten. Ein Ergebnis dieser Entwicklung ist im vorliegenden Zusammenhang wichtig: Die Kommunen sind in der deutschen Föderalstaatlichkeit in den letzten beiden Jahrhunderten eben nicht Erscheinungen einer horizontalen Gewaltenteilung, in welche sie sich, wie sich noch zeigen wird, nur schwer einfügen lassen; sie sind Phänomene einer letztlich doch echten Föderalisierung, welche auf diese Weise immer weiter vordringt - "hin zur Basis der Bürgerschaft". Als solche hat sie denn auch die neuere demokratische Entwicklung begrüßt, organisationsrechtlich verstärkt: als eine Machtverlagerung näher hin an die Machtgrundlage der Bürgerschaft, und zwar als eine Verschiebung eines Ausschnittes aus der Gesamtmacht des Staates, nicht nur einer bestimmten Gewalt desselben, etwa der Verwaltung. Nach 1945 insbesondere wurde die deutsche Staatlichkeit im deutlichen Zweiklang von Föderalisierung und Kommunalisierung aufgebaut, wobei auch diese Letztere als ein Phänomen demokratisierter Staatlichkeit überhaupt, nicht etwa nur

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demokratisierter Verwaltung erschien. Weil diese Kommunen eben nicht nur als Träger einer Administrativgewalt, als typischer organisatorischer Ausdruck einer solchen, vorgestellt wurden, konnten sie sich auch in einer eigenartigen Weise in Zusammenschlüssen "nach oben entwickeln", in Kommunallobbies sich geradezu gesamtstaatlichen Einfluss im Landes- wie im Bundesbereich sichern. Zunehmend werden hier denn auch echt machtpolitische Forderungen formuliert, welche auf eine Anerkennung der Kommunalisierung als einer "Verfeinerung der Föderalgewalt" hinauslaufen und bei den Ländern zu Zeiten die Sorge entstehen ließen, sie könnten zwischen einer Kommunalgewalt und einer Bundesgewalt machtmäßig aufgerieben werden. Die gesamte kommunalpolitische Landschaft - und es gibt durchaus eine solche - ist also nicht geprägt von Vorstellungen typischer Verwaltungsorganisation, sondern von solchen des Föderalstaates; und insoweit gelten daher die vorstehend zu letzterer Erscheinung entwickelten Gedanken hier ebenfalls: auch die Kommunalisierung ist eben föderal, nicht primär gewaltenteilend gedacht. 2. Kommunalisierung als Gewaltenkonfusion Erhalten hat sich denn auch in Deutschland - und es entfaltet sich Ähnliches sogar in anderen europäischen Staaten - eine Vorstellung, welche wiederum nur historisch sich erklärt, und zwar aus den föderalen Ursprungen der Kommunalisierung: Im Gemeindebereich herrscht eine eigenartige Gewaltenkonfusion, Kommunalrecht ist weder primär gewaltenteilend gedacht, noch lässt es sich, in den Einzelheiten seiner Organisation wie der Tätigkeit der kommunalen Träger, ohne weiteres in das Schema der gesamtstaatlichen Gewaltenteilung einordnen. Die herrschende Lehre muss diesen Befund anerkennen, doch es ist ihr bisher nicht gelungen, dieses merkwürdige Phänomen einer Gewaltenkonfusion an der Basis der Staatsorganisation dogmatisch zu bewältigen oder auch nur zu erklären. Legislative und Exekutive lassen sich eben im Gemeindebereich nicht nach grundgesetzlichen Vorstellungen unterscheiden, und den Kommunen ist denn auch ein Selbstverwaltungsrecht garantiert, nicht etwa eine Gewaltenteilung zur verfassungsrechtlichen Pflicht gemacht worden. In dieser "Selbstverwaltung" aber ist das Teilwort Verwaltung eben nur ein Wort - für etwas ganz anderes, als es Verwaltung im gesamtstaatlich-gewaltenteilenden Verständnis bedeutet. Selbstverwaltung ist nichts anderes als ein Terminus für die Erfüllung aller eigenen Aufgaben der Kommune, aller Funktionen, die sie im Rahmen der Gesetze auszuüben hat, und keineswegs oder auch nur vorrangig der administrativen Kompetenzen. Gesetzgebung und Verwaltung werden hier gleichermaßen, in Zusammenwirken derselben organisatorischen Träger, des Bürgermeisters, des Gemeinde-

V. Kommunalisierung des Staates

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rats und der Gemeindeverwaltung wahrgenommen. Vor allem ist der Gemeinderat keineswegs auf Gesetzgebung ausschließlich oder auch nur schwerpunktmäßig beschränkt, er greift laufend und "ganz natürlich", ohne dass hier die Frage der Gewaltenteilung rechtlich gestellt würde, durch Einzelentscheidungen in allen wichtigen Fragen in jenen Bereich ein, welcher nach der klassischen Lehre der Gewaltenteilung der Zweiten Gewalt vorbehalten ist. Diese organisatorisch in den Kompetenzen der Bürgervertretung vollzogene Gewaltenkonfusion wird nun von der herrschenden Lehre auf eine begriffliche Krücke gestützt: Es soll eben die Gemeinde "als solche im Verwaltungsbereich nur tätig" werden, alles was im Kommunalraum geschieht, wird in globaler Weise der "Verwaltung" zugeordnet. Darin kommt sicher die, wenn auch unausgesprochene, Grundvorstellung zum Ausdruck, dass "Verwaltung" gewissermaßen "unten" anzusiedeln sei im Staate, auch organisationsrechtlich, weil eben die übergreifende horizontale Gewaltenteilung von der Unterordnung der Zweiten unter die Erste Gewalt im Rechtsstaat ausgehe. Doch diese Lehre, welche wiederum Ausdrucksformen der vertikalen Gewaltenteilung, die Kommunalisierung, mit der gesamtstaatlich-horizontalen koordinieren will, ist unvereinbar mit einer Wirklichkeit, in welcher die kommunalen Instanzen sowohl - und zwar eher gleichgewichtig normausführend wie auch normgebend tätig sind, in vielfachem Satzungsrecht, vor allem im Bereich der Bauplanung und Bauordnung. Es geht also nicht an, die Kommune als solche einer "Staatsgewalt-Verwaltung" organisationsrechtlich zuzuordnen, mag sie bei funktionaler Betrachtung auch teilweise derartige Tätigkeiten entfalten. Organisationsrechtlich jedenfalls hat sich im Kommunalbereich eine eigenartige neue Verbindung von Erster und Zweiter Gewalt vollzogen, in einem einheitlichen machtmäßigen Gravitationszentrum. Entstanden ist etwas wie eine "Verwaltung sui generis", welche weder organisationsrechtlich noch funktional mit anderen Verwaltungsträgem und Verwaltungstätigkeiten vergleichbar ist. Gerade die Machtkonzentration beim gewählten Gemeinderat, immer mehr daneben auch beim volksgewählten Bürgermeister - etwas wie ein eigenartiges kommunales Präsidialsystem - schließt es aus, in den Kommunen organisationsrechtliche Ansätze für eine horizontale Gewaltenteilung zu sehen, welche "Verwaltung als eigenständige Staatsgewalt" wenigstens "unten", in "Bürgernähe", zum Tragen brächte. 3. Die Kommunalverwaltung als öffentliche Gewalt sui generis Wenn man schon den Kommunalbereich mit den Kategorien der gesamtstaatlichen Gewaltenteilung erfassen wollte, so böte sich, wie dargelegt, das Bild einer eigenartigen kommunalen Staatsgewalt, in welcher sich die Erste

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und Zweite Gewalt bis zur Unauflöslichkeit verschlingen. Dazu noch einige vertiefende Worte: Die Kommunalgewalt setzt in nicht geringem Umfang das von ihr zu vollziehende lokale Recht selbst. Daher handelt sie, durch Gemeinderat und Bürgermeister, ständig in einem wenn auch nicht ausdrücklich hervortretenden, aber in der Praxis überall zu beobachtenden "Rechtsetzungsbewusstsein", welches auf ihr "Vollzugsbewusstsein" in entscheidender Weise ausstrahlt. Und da diesen Kommunalorganen zugleich wiederum ein Gesetzesvollzug anvertraut ist, in welchem sie das von ihnen selbst gesetzte Recht, insbesondere der Satzungen, sodann zu konkretisieren haben, unter Berücksichtigung gerade der lokalen Besonderheiten, findet diese Überwirkung des Rechtsetzungs- auf das Vollzugsbewusstsein, welches sich in einem einheitlichen Handlungsbewusstsein zusammenschließt, ein weites Anwendungsfeld. Hier ist ganz deutlich etwas festzustellen, was für die Zweite Gewalt bereits in den vorstehenden Hauptteilen immer wieder hervorgehoben wurde: Verwaltung als Fortsetzung der Gesetzgebung mit anderen Mitteln: hier findet Derartiges nun wirklich, oft genug in zwei eng verbundenen Akten, einem normativen und einem diesen vollziehenden, statt, oder in etwas, das deutlich die Züge einer Einzelfallgesetzgebung, einer Einzelfallsatzung, trägt, wiederum vor allem im Baubereich. Fort setzt sich diese Verbindung von normsetzendem und -anwendendem Denken in jenen zahlreichen und für die Kommunaltätigkeit gerade typischen Entscheidungen, in welchen die Gemeinden Verwaltungsermessen oder -ausfüllung von Beurteilungsspielräumen zum Tragen bringen, die ihnen die Gesetze des Bundes oder des Landes eröffnen. Diese Räume sind in entscheidenden Bereichen - man denke nur an das "gemeindliche Einvernehmen" im Baubereich - derart weit, dass hier wirklich im Ergebnis nichts anderes stattfindet als eine deutliche Gesetzeskonkretisierung in Verwaltungsform, und zwar gedacht und gewollt in der Kommune durchaus als eine Form der Einzelfallgesetzgebung. Auch hier wirkt das Normsetzungsbewusstsein deutlich über auf das gemeindliche Vollzugs bewusstsein und umgekehrt. Selbst dort, wO die Gemeinde in strenger Normgebundenheit zu verwalten hat, wirkt sich dieser ihr organisationsrechtlich in Gewaltenkonfusion geschaffener kommunaler Selbstand noch immer, und durchaus bedeutsam, aus: Verwaltet wird hier eben nach den "kommunalen Möglichkeiten" und in jenen gemeindlichen Organisationsstrukturen, welche die Kommune jeweils zur Erfüllung ihrer Aufgaben, des übertragenen wie solcher des eigenen Wirkungskreises, organisationsrechtlich zur Verfügung gestellt hat. So vollzieht sich eine "kommunale Vollzugszersplitterung" selbst in der Durchführung jener einheitlichen, von höheren Instanzen gesetzten Normen, welche an der Basis die Einheit einer normvollziehenden Verwaltung aus-

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schließt. Jedennann weiß aus Erfahrung, dass dieselben Nonnen des Bundes oder des Landes in einer Gemeinde zum Teil völlig anders vollzogen werden, zu anderen Zeiten vor allem und mit anderem Nachdruck, als in einer nahen, anderen Kommune. So wirkt also, über die typische und überaus vielfältige kommunalrechtliche Zersplitterung, die Einheit des verwaltungsmäßigen Nonnvollzugs immer nur noch weiter auflösend. Soweit schließlich die Nonnbindung im Verwaltungshandeln weiter zurücktritt, im vielberufenen Bereich der nonnfreien Gestaltungen, wo das Wesentliche vom Ausgabenvolumen des Haushalts abhängt, dort vollzieht sich erst recht eine völlige Zersplitterung des Verwaltungshandeins, des Verwaltungsverhaltens vor allem an der kommunalen Basis der Administration. Gerade hier kann von einheitlichen politischen Direktiven, welche etwa die Einheit einer "Staatsgewalt-Verwaltung" sichern könnten, auch nicht mehr entfernt die Rede sein. Mitregierung der Opposition ist dabei häufig eine zugleich kommunale und eine potente föderale Wirklichkeit, wie dies vorstehend für die föderale Vielfalt beschrieben wurde. Es zeigt sich dies in jenen kommunalen Koalitionen, welche einen einheitlichen, auf Situationen im Land oder Bund ausgerichteten Verwaltungsvollzug ausschließen. Weder Nonnen noch politische Direktiven können daher auf kommunaler Ebene eine Einheit der Verwaltung organisationsrechtlich sichern. Der Gesamtbefund ist daher der einer weitestgehenden Auflösung des zentralen Vollzugs der Nonnen, noch mehr die einer nonnfreien Verwaltung als einer Einheit, welche einer als ebensolcher Einheit konzipierten "Zweiten Gewalt" zugeordnet werden könnte. In diesem Kommunalbereich ist fast, wenn nicht schlechthin alles - Vielfalt. Über die Personalhoheit wird das Gesamtverhalten der Kommune auf den Willen des politischen Zentrums, des Gemeinderats, hin orientiert, weg von einem wie immer konstituierten "politischen Zentrum im Staat". Nachdem bereits festzustellen war, dass sich die Nonnwirkung in einer Krise des Gesetzes auflöst, zerfällt nun auch noch der einheitliche Verwaltungsvollzug dieser immer mehr zerfasernden Nonnen in dem typisch kommunalen Verlust der Über/Unterordnung in einer Administration, die sich auf zahlreiche, zahllose verschiedenartig beherrschte Verwaltungsträger verteilt. 4. Einheit der Verwaltung durch Aufsicht über organisatorische Vielfalt?

Selbst wenn sich die föderale Zersplitterung der Verwaltungsorganisationen - im Grunde schon nunnehr einzelner Verwaltungstätigkeiten - noch aufhalten oder in eine Gegenbewegung verkehren ließe, im Kornmunalbe-

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reich erscheint dies als ausgeschlossen, tatsächlich wie rechtlich nimmt die organisationsrechtliche Vervielfältigung der kommunalen Verwaltungen ständig zu. Wo Verwaltungskooperation sich verstärkt, wenn gewisse Bereiche privatisiert werden, führt dies nur noch zu weiterer Organisationszersplitterung, bis hin zu Formen, welche kaum mehr überschaubar, schon gar nicht mehr wirksam einheitlich, durch "eine Staatsgewalt" kontrollierbar wären. Die Beurteilung der kommunalen Zusammenarbeit unter diesen Gesichtspunkten erfordert gewiss noch weitere, vertiefte Untersuchungen. Allerdings könnte aber eines den vorstehenden Überlegungen entgegengehalten werden: Der festzustellenden organisationsrechtlichen Verwaltungszersplitterung könne mit den Mitteln der Aufsicht entgegengewirkt werden, welche diese Träger doch zu etwas wie einer einheitlichen Verwaltung zusammenschließe. Dann wäre Verwaltungsgewalt vorzustellen als Aufsichtsgewalt, dort jedenfalls fände sie einen wirklichen Selbstand. Doch gerade darüber ist die Entwicklung längst hinweg gegangen: Weder stehen entsprechend effiziente rechtliche Instrumente dieser Aufsicht zur Verfügung, noch kann sie in dem inzwischen entstandenen allgemeinen faktischpolitischen Verwaltungsklima mit solchen Wirkungen ausgeübt werden. Die Aufsicht selbst ist ja bereits organisationsrechtlich zersplittert, verteilt auf Bundes- und Landesinstanzen. Über diese Aufteilung setzt sich die föderale Zersplitterung in einer ebensolchen der Aufsichtsmacht fort; häufig wird dadurch die Vielfalt an der Basis nicht vereinheitlichend, sondern eher noch weiter auflösend beeinflusst. Die Aufsichtsgewalt ist als solche längst nicht mehr ein einheitlicher organisationsrechtlicher Ausdruck zentraler Staatsgewaltlichkeit, wie dies noch dem klassischen französischen Präfektoralsystem bis ins 20. Jahrhundert entsprochen hatte. Vielfach ist auch in sie bereits, in ihre Organisationen, kommunaler Geist eingedrungen, in der Verklammerung der Aufsichtsorgane mit gleichzeitiger Selbstverwaltungs-Organisation; so stellt sich die Aufsichtsgewalt auf der Ebene der Landratsämter wie auch auf der der Bezirksregierungen dar, Organwalter, welche in einer Doppelstellung von Selbstverwaltungsorganen und Aufsichtsorganen tätig sind, ihre Positionen vielleicht sogar Selbstverwaltungswahlen verdanken - von ihnen kann doch nicht ernstlich erwartet werden, dass sie, wie der frühere preußische Landrat oder der bayerische Bezirksamtmann, den zentral gebildeten Willen ihres Innenministers, ihres Regierungschefs zum Tragen bringen. Sie werden und müssen eben in Selbstverwaltungskategorien auch dort denken, wo sie über Aufsicht gerade organisationsrechtlich Einheitlichkeit herstellen sollten: in der lokalen Verwaltung. Die persönlich-politische Grundstimmung in der und das Umfeld aus dem heraus sie als Aufsichtsorgane tätig werden, wird sie stets mehr als Mediatoren denn als Kontrolleure in Erscheinung treten lassen.

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Aufsicht begleitet, rechtlich wie politisch, stets etwas vom Odium einer staatlichen Statthalterfunktion. Von den spanischen Vizekönigen bis zu den Reichsstatthaltern der Weimarer und der ihr folgenden Periode war Aufsichtstätigkeit immer belastet mit etwas, welches jenen Personifizierungen ständiger Aufsicht eigen war: eine irgendwie doch vorübergehende, jedenfalls sich in femen Höhen bewegende und aus noch ferneren kommende Machtäußerung findet hier statt, welche den "eigentlich Entscheidungsbefugten" aufgezwungen wird, damit aber auch stets deren Widerstand auf sich zieht; daher führt eine solche Aufsicht, wie vorsichtig und schonend sie auch ausgeübt werden mag, als eine Form des Kompetenzdiebstahls eher zu einer vertikalen Schwächung als zu einer Stärkung der wie immer zu definierenden Gesamtgewalt Verwaltung. Nicht zuletzt aber ist einer Aufsicht, in welchen Formen immer sie organisiert sein mag, etwas eigen von den Gewalt-Schwächen der Gerichtsbarkeit: Stets bleibt sie eingesperrt in die Entscheidung des Einzelfalls, kaum je kann sie wirklich über allgemeinere Aufsichtsinstrumentarien vordringen, mag sie dies auch in "Mustersatzungen" versuchen; letztlich wird sie doch nur auf Anstoß tätig. Sodann ist sie in all ihren Aktivitäten begründungspflichtig, sie trägt etwas wie eine ständige, sowohl rechtliche wie erst recht politische Beweislast. In vielen Fällen, wenn nicht geradezu regelmäßig, kommt sie zu spät, pathologisch greift sie ein, nicht mehr heilend, und dieses ihr Eingriffs-, häufig zugleich ihr Verfallsdatum, wird gerade von den zu Kontrollierenden bestimmt. Nur zu oft muss sie sich in Kompromissen mit den überwachten Verwaltungsinstanzen abschwächen lassen; und jedenfalls erscheint sie ganz grundsätzlich als ein Hemmungsfaktor, nicht als das, was doch die Verwaltung nach allgemeinem, sich verstärkendem Verständnis charakterisieren und legitimieren soll: als möglichst freie, phantasiebegabte Gestaltung. Und schließlich werden diese Aufsichtsinstanzen laufend durch einschränkende Aufsichtsdirektiven wiederum von oben ihrerseits gehemmt, oft gelähmt: Inzwischen hat sich eine derart starke, auch parteipolitisch-parlamentarisch wirksame Kommunallobby entwickelt, dass die Aufsicht in einem laufenden Zwei-Fronten-Krieg nach unten wie nach oben wenn nicht aufgerieben, so doch entscheidend laufend geschwächt wird. Aufsicht ist also, schon aus ihrer juristischen Struktur heraus, mehr noch in Folge der immer stärker wirksamen demokratischen Mechanismen, gewiss kein Instrument, welches die Verwaltung zu einer einheitlichen Gewalt könnte werden lassen.

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5. Schwächung und Mutation zugleich der" Verwaltung" im Kommunalstaat Im Staat der Gemeinden und Gemeindeverbänden löst sich die traditionelle Hierarchievorstellung des Einheitsstaats und seiner staatsgewaltbildenden Verwaltung zunehmend auf, organisationsrechtlich vor allem, aber zugleich auch mit funktionalen Auswirkungen auf den Inhalt der Verwaltungstätigkeit. Die übergeordnete Verwaltung wird durch die nachgeordnete, zu kontrollierende, durch deren rechtliche Selbständigkeit, durch den Zauber der "eigenen Angelegenheiten", die in "Bürgernähe" zu erledigen sind, an sich schon geschwächt, durch jene Gewaltverlagerung an die Basis, welche als Selbstwert in der Kommunaldemokratie verfolgt wird. Diese unteren, selbständigen Verwaltungseinheiten, im weiteren Sinn dieses Administrativwortes, sind eben nach wie vor irgendwie "kleine, kleinste Staatlichkeiten", legitimiert nun erst recht durch eine Demokratie, welche ihnen die Weihe der Volkswahl verleiht; und diese Wahlhoheit lässt sich nicht durch die Fiktion einer Vorstellung von "Verwaltungswahlen im Kommunalbereich" wegmanipulieren. Der hierarchisch übergeordneten Gewalt steht als solche gerade nicht jenes eigenständige politische Gewicht der direkten Volkslegitimation zur Verfügung, weder dem Innenminister, noch dem Regierungspräsidenten oder dem Landrat, welche aber ein Bürgermeister, ein Gemeinderat ihnen gegenüber in verstärktem demokratischen Selbstbewusstsein zum Tragen bringen können. So verliert denn die Verwaltung jene einheitliche politische Aktionskraft, welche sie am Ende auch, eben politisch betrachtet, zu einer wTrlQichen Staatsgewalt im Sinne der horizontalen Gewaltenteilung könnte werden lassen. Einer tiefgreifenden Mutation unterliegt darüber hinaus die Verwaltung, will man in ihr doch noch etwas von einer organisatorischen Einheit sehen darin, dass sich diese letztere nun grundsätzlich in Frage gestellt sieht im Namen des neuen Selbstwertes der Verwaltungsvielfalt an der kommunalen Basis. Organisationsrechtlich sind zahllose Gravitationszentren, demokratisch legitimiert, entstanden, welche ebenso zahllose, und durchaus politische, Direktiven ihren Verwaltungsorganen tagtäglich geben und diese damit in ganz unterschiedliche, gewiss aber nicht politisch einheitliche Richtungen orientieren. Wenn also eine Verwaltung etwas zu gewinnen hätte über einheitliche politische Direktiven, so hat sie hier, im Kommunalstaat, nun alles nicht nur zu verlieren, sondern bereits verloren in einer weitestgehenden, aus der Organisation bis in die Funktionalität der Verwaltung hinüberreichenden Zersplitterung eines Gesetzesvollzugs, der in sich bereits nichts mehr von der Majestät der alten Lex zum Tragen bringen kann. Mit der Krise des Gesetzes ist hier die Krise der Verwaltung verbunden wirk-

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sam, und beide kommen aus einer einheitlichen Wurzel: der neuen Demokratizität des freiheitlichen Staates. Er sieht eben den Freiheitsschutz nicht mehr in einer einheitlich durch Anordnungen von oben beherrschbaren Verwaltung, nicht in der autorite d'en-haut, sondern aus der confiance d'enbas. Beides wird nicht mehr wie im Konstitutionalismus verbunden, gesiegt hat der Bürger, sein Einzelfall, seine Verwaltung in dessen Entscheidung.

VI. Autonomisierung innerhalb der Verwaltung Antihierarchisierung 1. Autonomisierung: ein vielfältiges organisationsrechtliches Phänomen enthierarchisierender Auflösung der Verwaltungseinheit Eine große Autonomiebewegung hat den gesamten Verwaltungs bereich erfasst. Sie findet einen typisch organisationsrechtlichen Ausdruck einerseits in der Verselbständigung bestimmter Verwaltungseinheiten, im Sinne ihrer Herausnahme aus der hierarchischen Organisationsstruktur der klassischen Administration, welche auf die des französischen Einheitsstaates zurückgeht. Insoweit sind Autonomisierungen aller Art, von den Hochschulen bis zu den Medien, von der Bundesbank bis zu den Sozialversicherungsträgern, einheitlich und durchgehend Ausdruck einer als solcher gewollten Enthierarchisierung. Ihr rechtliches Wesen wie ihre Zielrichtung liegen in der Entbindung aus einer einheitlich vorgestellten Administration, mit welcher die verselbständigten Einheiten nur noch durch punktuell regelnde Gesetzgebungen verbunden sind. Diese aber "führen sie nicht aus" im eigentlichen Sinne, sie schaffen ihnen vielmehr einen Aktionsraum der Eigeninitiative, in welchem sie ihre eigene kleine, hierarchische Ordnung errichten und in laufender Tätigkeit weiterentwickeln. Dies alles ist heute bereits soweit entfaltet, dass eine einheitliche Dogmatik "funktionaler Selbstverwaltung", bereichsweiser Autonomisierung, in Angriff genommen und auch bereits vertieft werden konnte. Daneben hat jedoch diese Autonomisierungsbewegung noch ein weiteres Feld gefunden, auf dem sie weniger deutlich sichtbar, institutionell kaum noch greifbar ist: es ist dies die innerorganisatorische Verselbständigung der Verwaltungseinheiten. In gewissen Räumen dürfen sie ihre Behördeneinrichtungen selbst regeln, ihr eigenes Personal aussuchen, ihnen zugewiesene Mittel global verwalten - und daraus ergibt sich dann mit organisationsrechtlicher Notwendigkeit auch eine gewisse, immer weiter vordringende Befugnis der Selbstdefinition der jeweiligen Verwaltungsangelegenheiten. "Verwaltungstechnisch" kommen beide Bewegungen, die in meist unzusammenhängender Parallelität nebeneinander laufen, aber auf das selbe Ziel hin, aus Vorstellungen einer Verbetriebswirtschaftlichung, in welcher sich

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etwas wie eine beginnende Organprivatisierung im Inneren selbst der klassischen Verwaltung vollzieht. Es geht um eine vor allem wirtschaftlich-organisatorische Verselbständigung, welche den kleineren betriebswirtschaftlichen Einheiten entspricht, in welche sich nach neueren ökonomischen Erkenntnissen auch der Großbetrieb auflöst, deren er sich jedenfalls in immer weiterem Umfang bedienen sollte. Es handelt sich hier also um eine einerseits vieWiltige, andererseits aber doch auch wieder zusammenhängende und aus einer einheitlichen verwaltungstechnischen Grundkonzeption heraus kommende Entwicklung. Gerade deshalb wird sie auch, mit einiger bereits abzusehender Sicherheit, keine vorübergehende Erscheinung im Verwaltungsbereich bleiben, und sie erfasst diesen, wie noch zu zeigen sein wird, in vielen, wenn nicht in allen seinen möglichen Phänomenen. Eines ist all diesen Entwicklungen gemeinsam: das Ziel der Enthierarchisierung all dieser vielen Verwaltungsbereiche. Damit aber ist das zentrale Thema dieser Betrachtungen angesprochen: Die Verwaltung beginnt sich intern aufzulösen in Autonomisierung, und dies ist um so mehr bemerkenswert, als es in einer nicht bewussten und doch allseitig in Erscheinung tretenden Weise erfolgt. Ohne dass es hier erforderlich wäre, in die Einzelheiten einer sich entfaltenden Dogmatik der funktionalen Selbstverwaltung einzutreten - eines ist doch schon jetzt sichtbar: Diese Autonomisierung ist ein typisches Verwaltungsphänomen und sie erfasst grundsätzlich die gesamte Administration, steigert sich zu einem Ideal, auf das alle Verwaltungsorganisation auszurichten ist. Es handelt sich um eine typisch organisationsrechtliche Entwicklung, und in ihr löst sich ebenso rasch wie wenig bemerkt all das auf, was an organisationsrechtlicher Einheit der Zweiten Gewalt sich noch aus den Zeiten der einheits staatlichen Staatskonstruktion des Öffentlichen Rechts erhalten konnte. Nicht nur Föderalisierung und Kommunalisierung gilt es aber in den Blick zu nehmen, will man noch einheitsstiftende organisationsrechtliche Grundentscheidungen heutiger Staatsordnung auffinden - diese verlieren sich auch auf den vielen Wegen einer verwaltungsorganisatorischen Autonomisierung, in welcher die Zweite Gewalt - paradoxerweise typisch verwaltungsmäßig - "aus der einheitlichen Gewalt läuft". 2. Autonomisierung als organisationsrechtliche Freiheitssicherung Wäre solche Autonomisierung im öffentlichen Bereich lediglich vom effizienzsuchenden Pragmatismus der Betriebswirtschaft getragen, sie könnte auf Dauer kaum das Zentrum organisatorischer Staatlichkeit, die Administration, wirklich umprägen. Hinter dieser Bewegung steht weit Grundsätzlicheres: das große, demokratisch legitimierte Freiheitsstreben moderner

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Staatlichkeit, welche hier ihre Libertät in organisationsrechtlichen Schutzfonnen verwirklichen und so ihrer grundrechtlichen "Schutzverpflichtung" auf einer anderen Ebene nachkommen will als der des gerichtsförmigen Freiheitsschutzes. Freiheit soll auf diese Weise in der Organisation selbst verwirklicht werden, in einer Art von in diese selbst vorgelagertem Freiheitsschutz gegen all ihr freiheitsbedrohendes Verhalten. Auf drei Ebenen vor allem soll in Autonomisierung dieser organisatorische Freiheitsschutz verwirklicht werden: - Freiheitsträgerschaft wird gewissennaßen in die Verwaltungsorganisation selbst getragen. Nicht nur die Bürger sind es, welche sich gegen öffentliche Einmischung in ihre private "Lebensverwaltung" zur Wehr setzen können; in der Organisation selbst werden Einheiten geschaffen, welche dieses selbe Freiheitsbewusstsein einer Privatheit jedenfalls organisationsrechtlich durchdringen und dort ein echtes organisatorisches Freiheits-Selbstbewusstsein hervorbringen soll. Hier zeigt sich eben: Wo immer selbständige Rechtsträger, Rechtssubjekte geschaffen oder anerkannt werden, da ist im selben Augenblick immer auch etwas von jener Freiheit sogleich mitverwirklicht, welche ihnen auf den Weg ihres verwaltenden Tuns mitgegeben, von ihnen gegen "übergeordnete" Instanzen sodann verteidigt wird. Es ist nicht zu viel gesagt: Diese kleinen Verwaltungs einheiten wenden sich wie Menschen, wie Bürger, im Namen einer ihnen verliehenen corporate identity gegen Einmischungen, Eingriffe "von oben" aus der Verwaltungshierarchie des Staates. Darin wirken sie, schon in ihrer Entstehung, eindeutig enthierarchisierend. - Auf die Gewaltunterworfenen dieser Einheit, nunmehr so oft Verwaltungskunden, Verwaltungspartner genannt, schlägt all dieser Hierarchieabbau freiheitsverstärkend durch. Darin findet diese Autonomisierung erst ihre eigentliche, demokratisch-freiheitsrechtliche Legitimation: Sie gewährt den Adressaten der Verwaltungs tätigkeit mehr Freiheit, weil sie ihnen gegenüber weniger Hierarchie zum Tragen bringt; und diese Letztere wird gewissennaßen ersetzt durch Teilhaberechte, welche diesen selben Bürgern, den Verwaltungspartnern, geradezu automatisch, jedenfalls mit organisationsrechtlicher Autonomie-Notwendigkeit, eingeräumt werden. Körperschaftliches Denken verstärkt sich sogleich, man denke nur an die Sozialverwaltungen und die Hochschulen, genossenschaftliche Philosophie tritt im Gierkeschen Sinne an die Stelle der Herrschaftlichkeit, Partizipation ersetzt verwaltungsvereinheitlichenden Durchgriff von oben - und all dies ist wirksam immer in einem und demselben Sinne: dem einer organisationsrechtlichen Auflösung der Verwaltungseinheit, welche gewissennaßen von ganz oben nach ganz unten verlagert wird, aus der Regierung in die Bürger. Und wäre dies nicht ein schönes Modell der Bürgerherrschaft, nicht nur des Staatsaufbaus, sondern sogar noch der Regierung von unten nach oben?

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- Diese Autonomie gibt den Beschäftigten der Verwaltung in aller Regel mehr Mitsprachefreiheit. Dies drückt sich schon in ihrer Mitgliedsschaftsstellung körperschaftsrechtlich aus, beschränkt sich aber keineswegs darauf. Eine autonom jedenfalls in ihrer Idee gedachte Verwaltungseinheit muss alle Formen der Mitbestimmung von vorneherein weit ernster nehmen, als wenn sie eingespannt wäre in hierarchische Ordnungen und Anordnungen von oben. Denn nun ist ja, in der Autonomie selbst, ein Raum rechtlich anerkannt worden, in welchem sich Mitbestimmung, in all ihren Formen, verwirklichen kann. So ist denn diese Verwaltungsautonomie zugleich ein Instrument organisatorischen Freiheitsschutzes für die Bürger-Bediensteten, für einen immer größeren Teil der Beschäftigten in der Gesellschaft. Von ihnen aus strahlt dieses Autonomiebewusstsein in vielfacher Weise aus, über Familien und Freunde, in die Gesamtgesellschaft, so wie es aus den privaten mitbestimmten Betrieben in die gesamte Bürgerschaft bewusstseinsmäßig vorgedrungen ist. Auch hier ist der Antihierarchieeffekt eindeutig: Mitbestimmung stellt ja geradezu die organisationsrechtliche Verfestigung des Hierarchieabbaus dar, sein wichtiges, laufend und nun ganz bewusst in diesem Sinne eingesetztes Instrument. 3. Die "Vollautonomisierung": legislativer und administrativer Selbstand - das Kommunalmodell Diese administrative Autonomiebewegung ist nicht auf den Verwaltungsbereich beschränkt, entfaltet sie dort auch ihre ersten, wichtigsten Wirkungen. In den weitaus meisten Fällen der rechtlichen funktionalen Autonomisierung geht mit dieser zugleich ein - wenn auch begrenztes - Recht der "Selbstgesetzgebung" für den jeweiligen autonomen Bereich einher, jedenfalls ist dies hier, auf einer höheren Stufe der Autonomisierung, die wenn nicht notwendige, so doch natürliche Folge. Normative Aspekte dieser Autonomisierung sind deutlich sichtbar im Hochschulbereich, werden fassbar auch bereits in der Sozialversicherung, während sie in wieder anderen Sektoren auf eine erweiterte Verfahrensautonomie sich beschränken, allerdings, wie etwa das Beispiel des Zentralbanken zeigt, durchaus auch mit normähnlichen Selbstbestimmungsrechten der Gegenstände eigener Aktivität. In dieser zugleich legislativen und administrativen Verselbständigung findet die Autonomiebewegung ihren Anschluss an das nunmehr bereits klassisch gewordene gemeindliche Selbstverwaltungsmodell. Doch die Autonomieentfaltung kommt nicht einfach nur aus ihm, will nicht bewusst dieses Modell in die gesamte Verwaltung hineintragen. Lediglich im weiteren Verlauf einer höheren Entwicklung der Autonomisierung, bis hin zu legislativen Befugnissen, wird wohl immer wieder, wenn auch unterschwellig, das kommunale Vorbild Pate stehen, vielleicht sogar zur Legitimation organisa-

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tionsrechtlicher Entscheidungen bemüht werden. Man sollte sich aber hüten, in all dem vorschnell etwas zu sehen wie eine Gesamtkommunalisierung der Verwaltung. Es sind denn auch die Wirkungen der funktionalen Selbstverwaltungsbemühungen nicht immer und ohne weiteres mit denen der Kommunalisierung vergleichbar, insbesondere dringt jene nicht so weit in den eigentlichen Legislativbereich vor. Daraus ergibt sich, dass gerade die Administrativwirkungen der Autonomisierung wohl stets im Vordergrund stehen werden. Sie sind es ja auch, die sich bei dem oben erwähnten zweiten, allgemeineren Strang der Autonomisierung allein einstellen, bei der inneren, organisationsrechtlichen Verselbständigung, vor allem in der Mitbestimmung der Beschäftigten. Legislative Befugnisse treten hier zurück, allenfalls lassen sie sich in gewissen allgemeiner wirkenden Einzelentscheidungen zur inneren Behördenorganisation noch ausmachen. So ist denn die Autonomisierung der Verwaltungen eine primär verwaltungsorganisatorisch wirksame Erscheinung, etwas "typisch Administratives" - und doch, wie bereits erwähnt, eben in dieser verwaltungsmäßigen Typik eine Kraft, welche die Einheit der Administration immer mehr, geradezu unabsehbar, auflöst. 4. Formen und Stufen der Autonomisierung Die Autonomisierung in der Verwaltung zeigt ihre bedeutende Kraft durchaus "in Bewegung" - gerade darin, dass sie in vielfachen Formen und stufenförmig erfolgen kann. Darin wird sie als solche und geradezu in ihren organisationsrechtlichen Erscheinungen zu etwas wie einem "approximativen Ziel", das sich immer anstreben lässt - stets öffnen sich ja wieder neue Wege - und das immer noch weiter zu verwirklichen bleibt. Eine eigentliche Reihenfolge des Einsatzes dieser Autonomisierungsformen und zugleich der Autonomisierungsstufen gibt es mit organisationsrechtlicher Notwendigkeit nicht, und gerade dies ist wichtig und gibt dem Zug zur Selbstverwaltung Kraft. Immerhin geht dieser Zug von einer Form zur anderen, nur die wichtigsten seien hier beispielhaft erwähnt: - Es beginnt häufig mit der Anerkennung einer eigenen inneren Organisationsgewalt, welche Selbstbestimmung in der Art der Aufgabenerledigung einräumt. Diese Freiheit wirkt auf das Wie, ja oft auch auf das Ob der Aufgabenerfüllung. Die Organisationsgewalt mag sich hier auf Einrichtungsentscheidungen der Behördlichkeit im engeren Sinne beschränken, doch auch sie zeitigen Wirkungen bereits auf die Art der Aufgabenerfüllung, und sie beschränken die Wirksamkeit hierarchischer Anweisungen von oben, die eben leer laufen, wenn die konkreten Organisationsstruktu15 Leisner

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ren, die "Sachmöglichkeiten" der Ausführungsmittel nicht vorhanden sind oder nur in autonomer Selbständigkeit bereitgestellt werden. Wenn die "tiefe Basis des Gesetzesvollzugs" nicht hierarchisch bestimmt werden kann, wenn hier innere Organisationsgewalt in Autonomie sich sperrt, so dringt die Anordnung, normativ oder politisch, nicht nach unten durch, lässt sich nur sehr in Grenzen, vielleicht gar nicht verwirklichen. Organisatorische Mittel und Aufgaben stehen eben in einem untrennbaren Wechselwirkungs-Verhältnis. - Eine gewisse Finanzautonomie ist eine bereits nahezu schon notwendige Folge der Selbstverwaltung. Gewiss ist sie nur selten gesteigert zur Erschließung eigener Finanzquellen, wird dies auch bereits häufig mit angedacht. Doch auch bei Mittelzuweisung ist sie meist sogleich eine wesentliche Grundlage für die Entfaltung der erwähnten eigenen inneren Organisationsgewalt der Aufgabenerfüllung; diese kann eben nur im Rahmen nicht nur der zugewiesenen, sondern nun auch der in Selbstverwaltung eingesetzten Mittel erfolgen; und darin wird die Finanzautonomie zu einer Form der Selbstverwaltung in der Aufgabenerfüllung. Zu wenig ist bisher darüber nachgedacht worden, wie stark diese Finanzautonomie enthierarchisierend wirkt: sie hebt ja die wichtigsten Befehlsmöglichkeiten von oben auf, die einer Sperre der Mittel, wenn nicht im Sinne der Hierarchie gehandelt wird. In den Mitteln wird das organisationsrechtliche Wort von oben nach unten weitergegeben, in ihrer Zuweisung liegt so häufig bereits der konkrete Verwaltungsbefehl. Wird nun global zugewiesen, ungezielt und erst "unten" finanziell gesprochen, verteilt, im Einzelnen verwaltet, so sieht sich die Hierarchie geradezu finanziell auf den Kopf gestellt: Ob und wie überhaupt gehorcht werden kann, wird "unten" entschieden. Diese Globalisierung der Mittelzuweisung kann auch stets noch weiter, schrittweise, ausgedehnt werden, mit immer später einsetzenden, immer zurückhaltenderen Rahmenkontrollen über die Mittelverwendung - immer lascherer Hierarchie. Hier ist also keine Verwaltungsspielart nach betriebswirtschaftlicher Zweckmäßigkeit, kein lediglich effizienzsuchender Pragmatismus angesagt - in diesen Finanzautonomien fallen staatsgrundsätzliche Bereichsentscheidungen einer Enthierarchisierung der Verwaltung. - Und dies wird, was nun gravierend ist, nur allzu gerne von der übergeordneten Hierarchie gesehen und gefördert. Für die hierarchisch höheren Instanzen ist es bequem, aus ihrer Arbeitssituation heraus geradezu naheliegend, mit einer Globalzuweisung von Mitteln sich der gesamten Last von deren Verwaltung im Einzelnen zu entledigen - sie auf immer noch "gelegentlichere" Kontrollen zu beschränken. Damit entfällt zugleich einschlussweise auch die Notwendigkeit, sich bei sachlichen Verwaltungsbefehlen jeweils der Mühe einer Nachprüfung von deren mitteigemäßiger Erfüllbarkeit zu unterziehen. Mit der Mittelverwal-

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tung wird eben auch die Aufgabenerfüllung, die gesamte Verwaltungslast weitestgehend nach unten verlagert, nicht zuletzt auch, und dies mag praktisch das Wichtigste sein, die Verantwortlichkeit für die Erreichung der Verwaltungszwecke. - Dass sich hierin eine nicht mehr absehbare Enthierarchisierung vollziehen kann, bedarf keines Beleges. Wesentlicher Inhalt einer wie immer zentral vorgestellten Verwaltungsgewalt ist doch die Mittelzuweisung, ihre Verteilung innerhalb der Organisation selbst, die dadurch erst, darin eben zu leben beginnt, zur "Verwaltung wird". Wenn diese Derartiges an vielen Stellen selbst entscheiden und damit bewirken kann, ist die eine Verwaltung gestorben. - Die Selbstentmachtung der Administration als einer eigenständigen Gewalt schreitet dann rasch fort zur Einräumung eigener Personalhoheiten, in welcher sich die Hierarchie zurückzieht aus ihrem Wichtigstem: aus der Herrschaft über ihre "persönlichen Verwaltungsmittel". Hier ist das Kommunalrecht einen gefährlichen Weg vorangeschritten: Immer wieder versuchen die Kommunen, sich aus dem einheitlichen öffentlichen Dienstrecht, dem Beamtenrecht vor allem, zu lösen. Und wenn ihnen dies auch auf Wegen einer eigenen abgeleiteten Gesetzgebung kaum gestattet wird, so erreichen sie es doch weithin in den Einzelentscheidungen, mit denen sie Ausnahmeregelungen der Gesetzgebung geschickt ausnützen, letztlich oft überspielen. Personalausschüsse, welche hier eine Homogenitätskontrolle sichern sollen, kämpfen gegen solche Versuche nur zu oft vergeblich, fehlt ihnen doch die eigentliche Gegengewalt zur Macht ihres Gegenüber: die demokratische Legitimation der Selbstverwaltungseinheit. - Diese Personalhoheit erschöpft sich denn auch kaum in Äußerungen einer Einstellungs- oder Beförderungsgewalt, sie reicht weiter bis in alle Formen einer eigenständigen Disziplinargewalt, welche ja bekanntlich stärker im Vorfeld als durch ihre Entscheidungen wirkt. Hier und in allen dem vorgelagerten Direktionsentscheidungen über den Personalkörper kommt es zu einer wiederum kaum mehr absehbaren nicht nur faktischen, sondern auch rechtlichen Ausgliederung aus etwas wie einer staatlichen Gesamtverwaltung. Heute läuft eben die Aufgabenerfüllung über die Entscheidungen des Personals und sie ist damit auch eine Folge der Entscheidungen über dieses. Kommen sie nicht aus der Direktionsgewalt einer einheitlichen Personalhoheit - was kann dann hierarchische Anordnungsgewalt im Einzelfall schon nützen? - Wo dezentralisierte Personalhoheit noch nicht erreicht ist, wirkt Mitbestimmung als eine Vorstufe derselben, wo es sie bereits gibt, wird sie durch Mitbestimmung entscheidend verstärkt. Ihre Potenzierung ist, wie bereits angesprochen, eine nahezu notwendige Folge der Autonomisierung in all 15*

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ihren Fonnen; sie ist geradezu etwas wie ein Minimum an Autonomie in allen Verwaltungen, welches die legitimierende demokratische Bürgerbasis in der Organisation selbst herstellt und laufend durch die Tätigkeit der Bediensteten bewährt. Diese Mitbestimmungsverstärkung wirkt sich notwendig und laufend aus in einer geradezu grundsätzlichen Widerstands-, wenn nicht sogar Blockadehaltung nicht nur gegen die - ebenfalls bereits zum Teil autonomisierten - Behördenleitungen, sondern "gegen jedes Wort von oben", welches eine mitbestimmte Verwaltung immer und ganz wesentlich als ein "Hineinregieren" in ihre eigenen, von ihr in größerer Sachnähe und damit höherer Kompetenz zu verwirklichendende Aufgabenerfüllung verstehen wird, begreifen muss. So wendet sich diese Mitbestimmung gegen jeden Einsatz hierarchisierender Hoheitsgewalt innerhalb der Organisation, sie ist eine grundlegende organisationsrechtliche Gegenentscheidung wider Hierarchie. Sie hält gewissennaßen, durch die Aktionen der "Bürger-Bediensteten", den hierarchischen Befehl an, bevor er die extrabehördliche Bürgerschaft erreicht, es wirkt all dies als eine innerbehördliche, freiheitsbewährende Sperre gegen alles, was eine einheitliche, darin schlagkräftige Administration schaffen könnte. Organisationsrechtlich hoheitsgewaltfreie Verwaltung wird insoweit zu kaum mehr hierarchisierbarer Hoheitsverwaltung - zu etwas ganz anderem, als es die eine Vollziehende Gewalt nach dem ursprünglichen, französisch-einheits staatlichen Verständnis der Gewaltenteilung hatte sein sollen. - Eine weitere, noch höhere Stufe der Selbstverwaltung als Auflösung der Verwaltungseinheit wird dort erreicht, wo die tatsächlich oft auch nur virtuell Verwaltungsbetroffenen in die Administration einbezogen werden. Illzwei besonders wichtigen Exekutivbereichen ist dies bereits heute Wirklichkeit: In den Hochschulen und, vor allem, in den organisationsrechtlich "verkammerten" Räumen der Staatsverwaltung. Industrie- und Handwerkskammern und all die vielen berufsordnenden Verwaltungseinheiten der körperschaftlichen Selbstverwaltung bringen eine bereits bis in den Legislativbereich vordringende Selbstverwaltung zum Tragen, die nicht nur das letzte Verwaltungswort in Hoheitsakten des Einzelfalles spricht, sondern in Allgemeinverfügungen wie in ihrem Satzungsrecht den Gesamtbereich weitgehend herauslöst aus "der einen Verwaltung", welche sich hier auf jene wenig wirksamen Kontrollen beschränkt, von denen bereits die Rede war. Hier verwirklicht sich laufend Betroffenheitsdemokratie, derartige Fonnen stehen daher praktisch nicht zu einer vollen organisationsrechtlichen Disposition des Gesetzgebers, wie es gängige Dogmatik noch annehmen mag. Längst hat hier etwas wie eine stillschweigende verfassungsrechtliche Verfestigung aus dem Demokratieprinzip heraus stattgefunden, berufsständisch wie hochschulrechtlich, was diese Autonomiefonnen letztlich zu einer echten Berufs-Ständestaatlichkeit in einem weiteren Sinne zusammenschließt. Die Berufs-Verkammerung findet geradezu verfassungsrechtlich eine mächtige

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Stütze in der liberalen Eigenständigkeit wirtschaftlicher Privatautonomie ihrer Mitglieder, die universitäre Selbstverwaltung in der extrastaatlichen Eigenständigkeit des wissenschaftlichen Forschens und Lehrens; und dies strahlt immer stärker aus in den gesamten Erziehungsbereich über Elternund Schülervertretungen, welche die hier bereits weit entwickelte faktische und rechtliche Mitbestimmung der Lehrpersonen nur noch potenziert. Ein großer Teil der Verwaltung hat sich so bereits heute in Selbstverwaltung nicht nur aus der einen Verwaltung heraus-, sondern geradezu in sich in Vielheit aufgelöst. Diese Gewaltauflösung der Zweiten Gewalt ist wirksam gegenüber normativen Befehlen, welche von der Ersten ausgehen und von der Zweiten zu vollziehen wären - weithin gibt es sie nicht mehr, die Befehle kommen von unten, wo sie von oben ergehen, werden sie in Selbstverwaltung abgeschwächt, wenn nicht blockiert. Und ebenso wirkt all dies, vielleicht gar noch stärker, gegenüber "politischen Direktiven", welche sich eben diese verselbständigten Verwaltungsträger selbst geben, aus ihrer, wie immer begründeten, eigenen demokratischen Legitimation heraus. - All diese Autonomisierungen verbinden sich nun, verschlingen sich und entwickeln sich in gegenseitiger Verstärkung, von einer zur anderen, wie bereits eingangs erwähnt. Dabei ist eine deutliche Gesamtbewegung festzustellen, hin zu einer Selbstbestimmung der Aufgaben in einer Praxis, welche sich die Aufgaben selbst setzt, sodann Regeln zu ihrer Befolgung. All dies geschieht mit den stärksten Legitimationskräften der Gegenwart: im Namen der betriebswirtschaftlichen Effizienz und des organisatorischen Freiheitsschutzes der Betroffenen. So kann sich dann diese Autonomisierung von Organisationsentscheidungen zu funktional wirkenden Materienentscheidungen hochschaukeln und wieder zurück, in einer in sich drehenden, letztlich endlosen Kreisbewegung, die doch immer höher hinaufträgt, immer näher an eine immer weiter zurückzudrängende Hierarchie. Und hier erreicht das Organisationsrecht in seiner Auflösung der Einheit der Verwaltung sogar noch deren funktionale Definitionsversuche: Weil da so wenig, und immer weniger, Hierarchie und eine ihre Funktion letztlich selbstbestimmende Organisation ist - löst sich in Organisation auch noch die funktionale Einheit der Verwaltung auf. Es ist, als wirke hier, in positiver Wertung, eine nicht mehr aufzuhaltende große Freiheit gerade aus dem heraus, was sie immer bedroht hat: aus der Verwaltung, in der Auflösung von deren Einheit - oder, bei negativer Betrachtung, als schreite hier ein organisatorischer Verwaltungskrebs rasch fort, der nur im Tode der einen Verwaltung enden kann.

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5. Anwendungsbereiche der Autonomisierung die Selbstverwaltungsosmose Autonomisierung in der Verwaltung ist kein begrenztes, beschränkbares Phänomen innerhalb dieser Gewalt oder dessen, was von ihr noch vorhanden ist. Virtuell kann sie sich nahezu grenzenlos ausdehnen, die gesamte Verwaltung als solche erfassen und auflösen. Funktionale Selbstverwaltung bleibt denn auch heute, bei allem dogmatischen Durchdringungsbemühen, doch nur ein Beschreibungsbegriff, im Anschluss an einfaches Gesetzesrecht, das hier eben, in seinen Kammern und anderen Körperschaften, immer weiter wuchern kann. Dieser dogmatische Begriff schließt aber letztlich keinen Raum aus der Anwendbarkeit seiner Entwicklungen und Kriterien aus; dies zeigt sich bereits in der sehr weiten Zuständigkeit der berufsständischen Kammern. Wo wären denn auch der so viel kritisierten und doch notwendigen Verkammerung Grenzen zu ziehen, so weit und so lange sie sich berufen kann auf berufsständische Demokratie? In der Sozialverwaltung hat sich Autonomie bereits einen umfassenden neuen Raum erschlossen, in dem sie nun nahezu alle Beschäftigten in existenziellen Bereichen erreicht. In der Unterrichtsverwaltung steigt sie von den Hochschulen ab bis in die Verwaltung der kleinsten Kindergärten, in der Entfaltung einer nicht mehr einzudämmenden Betroffenheitsdemokratie. Am Ende wird, so scheint es doch heute, die volle Entadministrativierung des gesamten Bildungs- und Unterrichtsbereichs stehen, jedenfalls im Sinne einer einheitlichen Verwaltungs gewalt. Technik und Gesundheit vervollständigen, mit der unübertrefflichen Existenzialität dieser Materien, ihrer unvergleichlichen Bedeutung für das Leben der modemen Bürgerschaft, einen Entfaltungsraum der Selbstverwaltung, wie er nun größer kaum mehr vorstellbar ist. Aus dem Wesen dieser Tätigkeiten heraus, in denen es, so scheint es doch, nichts zu befehlen, sondern nur etwas zu forschen, zu entwickeln, zu heilen gibt, scheint die Hierarchie geradezu ausgeschlossen, verschwunden, aus allem, was dem Bürger nützt, was für sein Leben von Belang ist. Freilich könnte man auch befehlend "hineinregieren" in all diese Bereiche - doch das wäre das Ende der sie in allem und jedem doch konstituierenden "Technizität". So lässt sich denn das Ende des Verwaltens absehen in fast allen für den Bürger entscheidenden Großbereichen bisheriger Verwaltungstätigkeit, in welchen diese mit ihrer Hierarchie zu einer geradezu effizienzstörenden Befehlgebung verdämmert: Das technisch entwickelte, forschende oder unterrichtende Wesen weiter öffentlicher Tätigkeitsbereiche erscheint schon begrifflich als derart befehlsfern, dass es sich in einer Hierarchie nicht mehr

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bewältigen lässt. Weitere Groß bereiche sind so weit freiheitsverbunden, untrennbar von der Privatheit wirtschaftender Entscheidung der Bürger, dass ihre Interessenverhaftung wiederum den ordnenden staatlichen Hierarchiebefehl ausschließt: Normativ sind sie kaum mehr regelbar, durch politische Direktiven jedenfalls nicht erreichbar. Zu all dieser wesentlichen "Nichtverwaltbarkeit", in den immer größeren Räumen, in welche sich die Administration in ihrer Verwaltungsillusion vorgewagt hat, aus denen sie sich nunmehr zurückziehen muss, kommt am Ende noch der rein faktisch-finanzielle Zwang eines Sparenmüssens, welcher eben eine administrative Gesamterfassung dieser Bereiche nach einem mehr oder weniger sowjetisch vorgelebten und gescheiterten Vorbild nicht mehr erlaubt; dies sind die entscheidenden Lehren der Gegenwart. Und so wird man immer mehr das Verwalten als etwas Odioses sehen, an den Pranger stellen - und dieses Odium auf die Betroffenen verteilen, damit diese "zusehen", darunter leiden, es in ihrer Freiheit sich aneignen, es überwinden oder - vergessen. Und dies wird sich dann in einer großen Osmose von den Modellen der bisher bereits autonomisierten Verwaltungen zu allen anderen verteilen, sind doch auch sie autonomisierbar aus all den mächtigen Kräften heraus, welche schon bisher so viel an Selbstverwaltung getragen haben. Die gleichen Rechtfertigungen, wenn nicht dieselben, lassen sich doch auch in so vielen anderen Administrativbereichen finden, bis hin zu jener Verwaltung der Sicherheit und Ordnung, welche sich in Selbstverwaltung der durch Kriminalität Betroffenen ebenfalls, wenigstens finanziell betrachtet - und verlagernd - auflösen lässt, wie das amerikanische Beispiel der Stadtviertelsicherung beweist. Und wird es denn überhaupt Verwaltungsbereiche geben, die nicht aus sich selbst heraus Derartiges erstreben, der übergeordneten Hierarchie anbieten, ja es ihr aufdrängen? Welche Administration, an sich schon allenthalben mit dem Stigma des Bürokratischen, des Undemokratischen gezeichnet, wird hier zurückstehen wollen, wo wird nicht ein "Warum nicht auch bei uns?" gesprochen, eine Selbstverwaltung den hierarchisch übergeordneten Mächten nahegelegt, vielleicht gar aufgezwungen werden am Ende? In all diesen Verwaltungen sind doch Bedienstete tätig, sie alle werden, müssen vielleicht mehr Mitbestimmung fordern, und dies wird sich in einer gewerkschaftsähnlichen Solidarität horizontal verbreiten von Verwaltung zu Verwaltung. Der Druck der Verwaltungsunterworfenen, der Verwaltungskunden, wird in dieselbe Richtung gehen und von den Verwaltungen nach oben weitergegeben. Wenn schon das Ideal einer Verwaltung für jeden einzelnen Bürger, eines Lehrers für jeden einzelnen Schüler unerreichbar bleibt - das einer Verwaltung für kleine Bürgergruppen, auf diese und ihre Interessen ausgerichtet, wird man auf solchen Wegen einer Selbstverwaltungs-Osmose immer weiter verfolgen. Die hierarchischen Gewalten haben dem im Grunde nichts Überzeugendes entgegenzusetzen, sie werden sich berufen auf die eine Staatlichkeit,

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auf deren gewaltkonzentrierende Notwendigkeiten; doch man wird ihnen erfolgreich entgegenhalten, dass eben dies der Vergangenheit des staatskonzentrierten Einheitsstaates angehört, in einer selbstverwaltenden Gegenwart überwunden werden muss. Zur Hilfe wird dem allem eine Betriebswirtschaft kommen, welche ihr Outsourcing ebenso aus der einen Verwaltung in die Bürgerschaft hinein auflösend tragen will, wie sie bereits in ihrer Marktwirtschaft das Gegenstück zur Demokratie, in einem perfektionierenden täglichen Plebiszit, gefunden zu haben glaubte. Dann wird Autonomie als Effizienzform gepriesen werden, Großorganisation erscheint als unbeweglich-tönernes Anonymat, das "Selbst" wird auch in Verbindung mit der Verwaltung zu einem echten Ehrentitel, zu einer neuen Würde in Vielfalt, wenn es Derartiges denn geben kann. Über eine Zurückdrängung der Föderalstaatlichkeit, über antikommunale Gesetzgebungen, lassen sich vielleicht diese Zerfallserscheinungen der einen Verwaltung in Grenzen halten; gegenüber der viel weiterreichenden und tiefer gehenden, weil geradezu administrativ-immanenten Selbstverwaltungsbewegung, mit ihren demokratischen Grundlagen, bleibt jeder Versuch einer Tendenzumkehr hier zum Scheitern verurteilt, solange es diese Staatsform und ihre ökonomischen Grundlagen gibt. Im Laufe ist also etwas, das man ohne Übertreibung als Phänomen einer beginnenden Verwaltungsanarchisierung begreifen kann, im Sinne eines organisationsrechtlichen Zerfalls der Verwaltung nicht nur an sich, sondern in sich. Oder wäre dies schon zu weit gesehen, nähert sich die Entwicklung nicht einem ganz anderen Zustand, in welchem dann "überall Herrschende" sind, nur eben nicht in einer Verwaltung zusammengeordnet, in ihrer Vielheit unübersehbar und gerade organisatorisch gefährlich, obwohl sie doch gerade organisatorische Freiheiten hatten bringen wollen? Doch davon, von einem Lauf in eine eigentümliche Art von Muftismus, sei am Ende noch die Rede. Das Fazit jedenfalls dieses Kapitels ist deutlich: Verwaltung darf sich heute nicht mehr definieren aus einer wie immer verstandenen Organisationseinheit, in ihr kann sie jenen Zusammenhalt nicht finden, welchen sie funktional längst verloren, vielleicht nie besessen hat. Nun sind organisationsrechtlich auch die letzten Klammem gebrochen. Wo soll da eine Zweite Staatsgewalt sein?

H. Einheit der Verwaltung aus europäischem Recht? Über Europa und sein sich entfaltendes Recht sollte in solchen Betrachtungen gewiss etwas gesagt werden, und doch ist es schwer, wenn nicht unmöglich. Die hier behandelte Problematik ist eine solche hochentwickelter, vielleicht niedergehender Nationalstaaten, die aber eben, dies zeigte sich immer wieder, gerade in Wandlungen und Niedergang ihrer Gewaltenteilung, vor allem in der Auflösung der Einheit der Administration, nur aus national-staatlichen Erfahrungen heraus begriffen und bewertet werden kann. Von Europa kommt viel Einzelaufbau von unten nach oben, eine Masse von Verwaltungen und Verwaltungstechniken im Einzelnen - und viel Hoffnung auf eine gemeinsame Ordnung, die eben doch letztlich nur die einer gewissen Überstaatlichkeit sein kann. Mehr als fraglich ist es aber, ob im gegenwärtigen Zustand, und noch für die nächsten Jahrzehnte, wirkliche Impulse kommen können zur Lösung der hier behandelten Probleme, zur Entfaltung eines neuen, einheitlichen und doch gestuften Verwaltungsbegriffs. Dies vorausgeschickt, bleibt heute nur eines: Fragen an dieses Europa zu stellen und seine neue Administration, Entwicklungslinien aufzufinden und vielleicht weiter zu führen, die sich in all diesem, oft kaum mehr auszuschreitenden juristischen Labyrinth auftun könnten. Dies alles ist in einer großen, übergreifenden Spannung zu sehen: Einerseits ist europäisches Recht heute Wirklichkeit vor allem in europäischer Verwaltung - auf der anderen Seite aber sind es gerade die einzelnen nationalen Verwaltungen, welche noch immer Monopol und Privileg der Gliedstaaten bleiben. In dieser Spannung wird sich auch die hier behandelte Problematik weiter entwickeln - oder lösen lassen.

I. Die europäische Hoffnung: Integration der Vielheit 1. Zusammenordnung in einheitlich-übergreifenden Institutionen

Europa ist, soll es auf Dauer mehr sein als eine Freihandelszone, zu etwas verurteilt wie einer Staatswerdung. Einheitlich-übergreifende Institutionen wird das europäische Recht hervorbringen müssen, in funktionaler Zusammenordnung der Aufgabenerfüllungen wie in organisationsrechtlicher Verfestigung der Träger derselben. Diese Staatswerdung kann sich, nach allen bisher bekannten Vorbildern, lediglich vollziehen in Schritten, in wel-

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H. Einheit der Verwaltung aus europäischem Recht?

chen auch die heute bekannte Staatlichkeit der Gliedstaaten sich entfaltet und über die Welt verbreitet hat; andere Wege sind bisher nie gegangen worden. So gilt es also, Gewalten zu entwickeln, Einheiten, welche sowohl politisch als auch in ihren rechtlichen Strukturen und Aktionsmöglichkeiten diese Staatlichkeit den Bürgern des neuen Europa nahe bringen, überhaupt einmal zeigen. Diese Bürger können nur in den geistigen Kategorien ihrer Staaten denken, daher ist Europa verurteilt, ihnen organisationsrechtlich und funktional auch in diesen Kategorien zu begegnen - und damit vor allem in seinen drei klassischen Gewalten; denn auch über dieses Schema hat man, jedenfalls seit den Anfängen organisierter Staatlichkeit im heutigen Sinne, bisher nicht hinausdenken können, mag es auch sodann, wie gerade hier nachgewiesen werden sollte, immer mehr aufgelöst, ja verlassen worden sein. So wird denn Europa eine neue Verwaltung entwickeln müssen, nicht nur in greifbaren Büros und Bürokratismen, sondern auch in einer geistigen, letztlich juristischen Struktur, welche diesen Namen ebenso tragen darf, wie sie ihn zur Zeit der ersten territorialen Staatlichkeit verdient hatte. Ein Europa ohne eine Verwaltung, jedenfalls ohne einheitliche Konzeption dessen, was dann allenthalben Administration genannt werden sollte, ist nicht vorstellbar. 2. Administrative Euroskepsis

Viele wollen einen langsameren Gang nach Europa oder in ihm, und sie werden dies auch in den kommenden Jahrzehnten immer weiter anstreben und wenigstens zum Teil durchsetzen können. Gerade darin werden sie sich dann auch mit dem Gedanken einer Verwaltung als Gewalt, die diesen Namen verdient, laufend, ja immer mehr zu beschäftigen haben. Zunächst einmal können sie nicht ohne Berechtigung darauf hinweisen, dass Europa als eine Rechtsgemeinschaft von Anfang an geschaffen werden sollte, und auch tatsächlich bisher entstanden ist, als Gesetzes-, als Legislativgemeinschaft, nicht als ein VerwaItungsverbund. Nie hat es im Europarecht, soweit ersichtlich, bisher einen Zweifel über eine Grundentscheidung gegeben: dass nämlich "die Verwaltung" als solche zunächst, vielleicht endgültig, ebenso Sache der Mitgliedstaaten sein und bleiben soll, wie sie, in entwickelten Föderalgebilden wie im deutschsprachigen Raum, stets eine Prärogative der Gliedstaaten war und ist. Gerade wer föderal denkt und daraus eine höhere Einheit Europa konstruieren will, muss "die Administration den Gliedstaaten belassen", sie vielleicht sogar, wie dies der deutschen Bundesratskonzeption entspricht, als eine Art von kompensierender Kraft gegenüber der vereinheitlichenden einer gemeinsamen europäischen Gesetzgebung einsetzen wollen. In diesem Sinn scheint es dann vorbestimmt und

I. Die europäische Hoffnung: Integration der Vielheit

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im europäischen Sinne geradezu verfassungsnotwendig, dass Verwaltung etwas typisch Nationalstaatliches sei und bleibe, im Zuge europarechtlicher Vereinheitlichung jedenfalls "erst ganz am Ende kommen" werde. Eines ist dann aber auch unausweichlich: dass die ganzen Probleme dieser "Verwaltung ohne Gewalt", wie sie in den vorstehenden Teilen entfaltet worden sind, weiterziehen, vielleicht weiterschlittern werden in dieses neue Europa hinein, dass sie aus ihm heraus nicht lösbar sind, vielmehr in den Mitgliedstaaten und ihren Dogmatiken bewältigt werden müssen. Dann könnte diese Verwaltungsorganisation vielleicht das Letzte sein, was an Eigenständigkeit dem nationalen Öffentlichen Recht noch bleibt; und ist nicht gerade dies heute sogar ausdrücklich gewollt? Dem steht allerdings eine ganz andere, mächtige Wirklichkeit gegenüber, und eben sie ist es ja auch, welche Euroskepsis beflügelt, wenn nicht sogar hervorbringt: jenes Europa der Brüsseler Superverwaltung, jener administrativierte Superstaat, in dem sich Verwaltung und Bundesstaatlichkeit vermählen wollen, um sich an die Stelle der Volksherrschaft, der demokratisierten Gewaltenteilung, der Unterordnung der Verwaltung unter das Gesetz zu setzen. Wäre das nun die neue Verwaltung, welche aus Europa käme in die Mitgliedstaaten hinein, sollen deren Administrativprobleme, ihre Verwaltungsvielfalten übergossen werden mit dem erstarrenden Beton eines Europarechts, das letztlich nichts als Superverwaltung bringen und rechtlich zum Ausdruck bringen möchte? Mit der europäischen Einigungsbewegung ist ein neues Verwaltungsmisstrauen, ja geradezu eine Administrativ-Phobie allenthalben in Europa entstanden, und vor allem in Deutschland, mit seiner vielgestuften, so eigenartig entwickelten Verwaltung. Traditionell einheitsstaatlich organisierte Partnerländer werden einerseits einer lastenden einheitlichen Bürokratie den Widerstand ihrer ebenso einheitlich strukturierten nationalen Verwaltung entgegensetzen - andererseits aber für manche vereinheitlichende Administration ein weit größeres Verständnis aufbringen, ist doch ihre Staatlichkeit als eine solche aus Verwaltung heraus nicht nur geworden, sondern noch immer lebendige Wirklichkeit. So sind denn auch die Phobien gegenüber diesem Europa hinsichtlich der Verwaltung durchaus unterschiedlich gewichtet zwischen den Partnerstaaten: Die einen, stärker föderalisiert, widersetzen sich der einen europäischen Administration, die anderen sehen weniger in ihr, als in der durch sie repräsentierten europastaatlich massierten Gewalt den Gegenspieler ihrer Administrativgewalt, den es in engen Grenzen zu halten gilt. Schon dieser größere Hintergrund zeigt die nahezu unentwirrbare gegenwärtige Problematik, die sich hier - und nicht nur hier - in der Betrachtung des Europarechts auftut. Von dort sind also definitive Lösungen für die in diesen Betrachtungen aufgeworfenen Probleme gewiss nicht zu erwarten.

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H. Einheit der Verwaltung aus europäischem Recht?

Dennoch: einige Lehren lassen sich aus dieser europäischen Entwicklung ziehen, Entwicklungslinien sind bereits deutlich.

11. Gewaltenteilung in Europa? 1. Föderale, nicht horizontale Gewaltenteilung

Das europäische Verfassungsrecht - wenn man von einem solchen bereits aufgrund der Verträge sprechen kann, und es wird sich dies in seinen Grundlinien wohl auch bei Erlass einer Europäischen Verfassung kaum ändern - kennt keine ausgebildete Gewaltenteilung im horizontalen, seit dem 18. Jahrhundert klassisch gewordenen Sinn. Vor allem stehen die europäische "Legislative" und eine "Exekutive" der Gemeinschaft nicht in einem mit gängigen Verfassungsvorstellungen vergleichbaren Verhältnis zueinander. Die Gesetzgebung liegt weitgehend beim Europäischen Rat, im Übrigen bei einer Kommission, die beide nicht parlamentarisch, sondern durch den Willen der Mitgliedstaaten bestimmt sind. Insoweit sind sie organisationsrechtlich gesehen Ausdruck einer Exekutivgewalt im verfassungsrechtlichen Verständnis, mögen ihnen auch weitgehend, wenn nicht überwiegend, echte Gesetzgebungsbefugnisse zustehen. Eine Gewaltenteilung nach dem verfassungsrechtlichen Vorbild der Mitgliedstaaten kann es schon deshalb in ihrer zentralen Anwendung, im Verhältnis zwischen Erster und Zweiter Gewalt, im Gemeinschaftsrecht nicht vergleichbar geben, weil das volksgewählte Parlament nicht der eigentliche Gesetzgeber ist. Voraussetzung für eine Gewaltenteilung im herkömmlichen Sinne wäre also einerseits der Ausbau der Kompetenzen des Europäischen Parlaments, zu einem organisationsrechtlich eindeutig bestimmten und bestimmenden Gesetzgeber, zum anderen die Veränderung der Kompetenzen des Europäischen Rates in dem Sinne, dass er nun wirklich als eine Zweite Kammer nach föderalem Verständnis, und allein in dieser Weise tätig würde. Selbst dann, wenn dieser lange Weg zurückgelegt wäre, bliebe immer noch etwas Wesentliches erhalten von einer mehr föderal als horizontal gedachten Gewaltenteilung: Die Exekutivgewalten der Mitgliedsstaaten würden im Rat als Mit-Gesetzgeber tätig, und wohl in einer noch auf lange Sicht weit stärkeren Position als in der deutschen Bundesratlichkeit. Alle Probleme für die horizontale Gewaltenteilung, welche bereits für dieses letztere deutsche System vorstehend dargelegt wurden, dass es nämlich insbesondere eben keine "Verwaltung als Gewalt", ja nicht einmal eine Exekutive als konzentrierte Gewalt darzustellen vermag - all dies würde sich dann im europäischen Recht wiederholen. Im Ergebnis lässt sich also feststellen: Aus dem europäischen Recht kommen gegenwärtig keine Impulse für eine Gewaltenteilung, insbesondere

11. Gewaltenteilung in Europa?

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auch nicht für eine eigenständige Exekutiv- oder gar für eine Verwaltungsgewalt; Derartiges wird sich dort noch auf lange Zeit nicht entwickeln.

2. Die Kommission: Ein Organ der Gewaltenkonfusion Die Europäische Kommission, das Zentralorgan der Gemeinschaft, ist weder organisationsrechtlich noch funktional Ausdruck einer Zweiten europäischen Gewalt, sondern vielmehr eindeutig ein Organ der Gewaltenkonfusion. Ihm ist die praktisch wichtigste Gesetzgebungsfunktion in der Gemeinschaft anvertraut, nicht nur in seinen Vorbereitungs- und Hilfsfunktionen im Bereich der Gesetzgebung des Rates, sondern vor allem über jene Richtliniengebung, welche, trotz aller Umsetzungsbedürftigkeit durch das Recht der Mitgliedstaaten, im Ergebnis etwas wie eine entscheidende normative Vorgaben-Legislative darstellt. Doch zugleich - und dies ist nun im Sinne der Gewaltenkonfusion entscheidend - steht dieser selben Kommission das typisch exekutivisch-administrative Recht der Einzelentscheidung zu, in Anwendung des Gemeinschaftsrechts, und dies in den für diese Rechtsordnung zentralen Bereichen vor allem des Wettbewerbs- und des damit eng verbundenen Subventionsrechts. Die Kommission wird aber nicht nur beziehungslos nebeneinander oder in einer juristisch streng getrennten Entscheidungs-Abfolge nacheinander legislativ und administrativ tätig, diese beiden Aktivitäten verbinden und verschlingen sich vielfältig in dem Sinn, dass die Kommission in ihrem Zusammenspiel eben das gesamte Gemeinschaftsrecht einheitlich in ihrer Praxis fortentwickelt; davon wird unten noch vertiefend die Rede sein. In der Tätigkeit der Kommission als einer echten Marktordnungsgewalt verbinden sich diese Gesetzgebungs- und Einzelentscheidungskompetenzen mit solchen der haushaltsausführenden Mittelvergabe, so dass insgesamt etwas zustande kommt wie eine europastaatliche Gesamtgewalt. In ihr übt die Kommission weit mehr aus, als es selbst der Verordnungsgewalt der Regierungen der Mitgliedstaaten gestattet ist, ganz abgesehen von dem hier fehlenden Zusammenspiel mit der Gesetzesanwendung im Einzelfall. Denn die Kommission wird eben als echter Gesetzgeber, nicht nur in einem abgeleiteten legislativen Verständnis tätig, welches durch verfassungsrechtliche Ermächtigungsrahmen eng begrenzt würde. In der Praxis hat sich geradezu etwas wie eine Gleichgewichtigkeit von Legislativ- und Administrativbefugnissen bei der Kommission eingestellt. Mag auch die Kritik an deren Machtfülle und Arbeitseifer sich immer wieder weithin gegen den administrativen Aspekt wenden - er gewinnt seine eigentliche Bedeutung erst im Zusammenklang mit einer Richtliniengebung, welche eben, und gerade dies ist ja eine Zentralkritik gegenüber dieser

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H. Einheit der Verwaltung aus europäischem Recht?

Konstruktion, zu einer echten Administrativierung der gesamten, für die Gemeinschaftsbürger relevanten Gemeinschaftstätigkeit führt. Solange die Kommission nicht eine parlamentarisch verantwortliche Exekutive, sondern zentrales Gesetzgebungs- und Verwaltungsorgan zugleich darstellt, kann von einer Gewaltenteilung im Europarecht nicht wirklich die Rede sein, daher stellt sich auch die Frage einer Verwaltung als eigenständiger Staatsgewalt nicht.

3. Die Administrativierung der europäischen Gemeinschaftstätigkeit und doch keine typisch europäische Verwaltung Die rechtlich relevante Tätigkeit der Europäischen Union ist eindeutig dies ergaben die bisherigen Überlegungen - exekutivisch bestimmt, in der Zusammensetzung des Rates, seinem Einfluss auf die Kommission und, funktional vor allem, in der Tätigkeit dieser Letzteren. Gewiss verbreitet sich auf all diesen Wegen jener typische "Verwaltungsgeist" oder ,,-ungeist", der sich so vielfältiger Kritik ausgesetzt sieht. In all dem hat sich etwas entwickelt, wie eine deutliche Gegenkonstruktion zu einem schweizerischen Vorbild, in welchem auch noch die gesamte Verwaltung, und nicht nur die Legislative, unmittelbar demokratisch durch Wahl bestellt und in ihrer Tätigkeit auch darin laufend beeinflusst wird: Hier ist es Regierungstätigkeit, Verwaltungsgewohnheit - Administrativierung schlechthin, welche nicht nur die Anwendung des Gemeinschaftsrechts, sondern auch noch dessen Setzung durchdringen. In all dieser durchgehenden Administrati vierung kommt nun aber nichts zum Ausdruck, was einen typischen Verwaltungs-Selbstand dogmatisch grundlegen und in diesem Sinne sogar bereits auf das Recht der einzelnen Mitgliedstaaten ausstrahlen könnte. Im Rat wie in der Kommission erfolgt Regierungstätigkeit in einer eigentümlichen Form. Sie findet ihren Ausdruck aber nicht in typisch verwaltungsmäßigen, hierarchisch geordneten Einflussnahmen, welche über den Bereich der europäischen Instanzen hinaus gingen und die Administrationen der Mitgliedstaaten erreichen könnten. Eine einheitliche Verwaltungsgewalt, welche von oben nach unten wirkte, bis sie die Gemeinschaftsbürger erreichte, in allem und jedem, gibt es nicht. Und selbst auf der Ebene der europäischen Administration ist eine etwaige derartige Verwaltungseinheit an einem entscheidenden Punkt, und geradezu nach Vorstellungen einer echten organisationsrechtlichen Gewaltenteilung, gebrochen: Der Rat führt eben seine Politik, die Kommission die ihre; es herrscht etwas wie eine exekutivische Gewaltenteilung vor, nicht aber der Geist einer einheitlichen europäischen Verwaltung. Diese europäische Verwaltungs-Gewaltenteilung - und von einer solchen kann man, wenn auch gebrochen in den nicht immer klaren juristischen Gemeinschaftsstrukturen, durchaus spre-

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chen - lässt etwas wie Gewaltenteilung erkennen, in einem föderalen Verständnis: zwischen dem Verwaltungsdenken der einzelnen Mitgliedstaaten, wie es in deren Verhalten im Rat und in der Personalpolitik im Bereich der Kommission zum Ausdruck kommt, und einer sich doch entwickelnden typischen Gemeinschafts-Administrativpolitik, wie sie die Kommission als solche, in einem Ansatz von europäischer Regierungstätigkeit, in ihrer Kollegialität zum Tragen bringt. All dies aber hat eben nichts gemeinsam mit innerstaatlicher horizontaler Gewaltenteilung, und es kann, in seiner vielfachen, wenn auch typisch administrativen Brechung, auch nicht etwas hervorbringen wie Ausdruckformen oder gar Organisationsstrukturen einer einheitlichen administrativen Gewalt auf europäischer Ebene. Dogmatische Administrativkategorien, die im europäischen Recht eine einheitliche Verwaltung als Gewalt konstituieren und sogar noch von dort in die Mitgliedstaaten hinein wirken könnten, sind bisher nicht ersichtlich und in absehbarer Zeit kaum zu erwarten.

111. Die weiten Beurteilungsspielräume der Kommission 1. Die Unbestimmtheit der vertraglichen Regelungen Das Europarecht ist gekennzeichnet, in all seinen normativen Ausprägungen, durch eine Weite der normativen Regelungen, welche dem Bedürfnis der Vereinheitlichung ganz unterschiedlicher Gesetzestraditionen und Gesetzesphilosophien der Mitgliedstaaten Rechnung tragen muss. Mit einer normativen Regelungspräzision, wie sie innerstaatlichem, vor allem dem deutschen, durch Rechtsstaatlichkeit geprägten Ordnungsdenken eigen ist, kann hier auch entfernt nicht die Rede sein. Vor allem kommt dies im primären Gemeinschaftsrecht zum Ausdruck. Es bringt nicht nur eine dem nationalen Recht unbekannte Regelungsweite, ja geradezu Unbestimmtheit zum Tragen; in dieser seiner Flexibilität soll die Dynamik in den normativen Wirtschaftszielsetzungen der Gemeinschaft aufgefangen werden, welche sich als solche in statisch-überdauernde feste Normativität schlechthin nicht fassen lassen. Etwas wie eine eigenartige europäische Gewaltenteilung sogar mag darin zum Ausdruck kommen: die Statik der rechtlichen Ordnungen bleibt dem Recht der Mitgliedstaaten überlassen - Flexibilität, wie sie jenes Wirtschaftsgeschehen zwingend verlangt, aus dem überhaupt die Gemeinschaften entstanden sind, muss nach wie vor das "Entfaltungs-Recht" der Gemeinschaft bestimmen. Zur Anwendung einer solchen Art von Ius in fieri ist nun die Kommission als zentrales Gemeinschaftsorgan berufen. Hier wird sie wirklich und ganz wesentlich als eine Konkretisierungsinstanz europäischer Gesetzge-

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H. Einheit der Verwaltung aus europäischem Recht?

bung tätig. Wenn es bereits für das interne Recht zutraf, dass sich eine eigenständige Verwaltungs gewalt deshalb schon nicht konstruieren ließ, weil diese Administration stets und überall eben als eine Fortsetzung der Gesetzgebung mit anderen Mitteln erschien, so gilt dies für die Kommission in der Anwendung des primären Gemeinschaftsrechts erst recht und in einem grundsätzlich eigenständigen Verständnis: Die Kommission - das ist die Personifizierung des fortzuentwickelnden Vertragsrechts. Sie ist nicht gesetzesunterworfene Verwaltungsinstanz, sondern Exekutive als konkretisierender Voll-Gesetzgeber.

2. Die Beurteilungsräume der Kommission als rechtskonkretisierender Legislative Dem internen Staats- und Verwaltungsrecht, wie es von der Rechtstaatlichkeit vor allem in Deutschland geprägt ist, wird es stets eigentümlich sein, dass Spielräume eigenständiger Administrativbeurteilung letztlich doch in einer weitgehenden normativen Präzision vom Gesetzgeber festgelegt, darin gerade die Administration als solche ihm unterworfen wird. Diese in der Gewaltenteilung angelegte Kooperation fortgedachter Gesetzgebung - denn eine solche wirkt auch hier - lässt sich nun aber nicht vergleichen mit der Beurteilungs-Machtfülle, welche der Kommission anvertraut ist, gerade angesichts ihrer zugleich auch legislativen Befugnisse. In der Tätigkeit der Kommission findet ja eine ständige nicht nur parallele, sondern durchaus im Verbund wirksame Kombination von Richtliniengebung und administrativen Grundsatzentscheidungen statt. Was die Kommission über diese Letzteren nicht durchzusetzen vermag, überantwortet sie in Form der Richtliniengebung der Umsetzungsgewalt der Mitgliedstaaten. "Richtlinienausführung" setzt sie aber nicht nur im eigentlichen dogmatischen Verständnis dieses Begriffs, sondern auch in jenen Grundsatzentscheidungen, in welchen sie zugleich primäres und sekundäres Gemeinschaftsrecht in richtungweisenden Anwendungsfällen zum Tragen bringt. Lässt sie etwa gewisse nationale Beihilfen in einem "Einzelfall" zu, so strahlt dies, wie wenn etwas wie eine national-rechtliche Allgemeinverfügung ergangen wäre, auf so viele andere Fälle aus, dass sich diese Praxis geradezu verdichtet zu einem Fortdenken primären und zu einer Form möglichen sekundären Gemeinschaftsrechts. In all dem erreichen europagesetzliche und europapolitische Vorstellungen, weithin in einem kaum auflösbaren Verbund, die Rechtsordnungen der Einzelstaaten, welche darauf in ihrem Verhalten im Europäischen Rat ebenso reagieren wie in Grundsatzprozessen vor dem Europäischen Gerichtshof. Hier zeigt sich eben, dass die Verbindung normsetzenden und administrativ-beurteilenden Verhaltens in der Kommission zu einem aliud führt, ver-

III. Die weiten Beurteilungsspielräume der Kommission

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glichen mit der verwaltungsmäßigen Nonnanwendung des internen Rechts. Ein Organ, das zugleich Gesetzgeber und Verwaltung ist, wird ganz anders beurteilend administrieren, als wenn es doch noch etwas wie eine rechtsstaatliche administrative Unterordnung unter die Gesetzgebung anerkennen müsste. Wenn schon diese Administration nach dem internen Recht der Einzelstaaten heute nicht mehr eindeutig und nicht mehr stark genug wirksam ist, um eine selbständige Verwaltungsgewalt zu konstituieren, so kann dies erst recht dort nicht gelingen, wo dasselbe Organ als Gesetzgeber und höchste Verwaltungsinstanz tätig wird. In seiner administrativen Beurteilung liegt immer zugleich auch Gesetzgebung, in seiner Gesetzgebung deutlich vorweggenommene, typisch verwaltungsmäßige Orientierung. Schon an diesem wirklich "ganz anderen" Verhältnis von Nonnanwendung und Nonnsetzung, wie es in solcher europäischer Beurteilungsmacht zum Ausdruck kommt, zeigt sich, dass sich aus einer europäischen Verwaltungstätigkeit, die es als solche dem internen Recht vergleichbar nicht gibt, gegenwärtig jedenfalls nichts für die Konstruktion einer Verwaltung als solcher, einer Verwaltung als Gewalt, im mitgliedstaatlichen Bereich Europas ergeben kann.

3. Fazit: Allenfalls Stärkung einer Administrative als Para-Gesetzgeberin Eine Grundstimmung allerdings wird sich aus dem europäischen Recht langsam in das Rechtsbewusstsein der Mitgliedstaaten herabsenken und dort doch auch gewisse gewaltenverschiebende, allerdings kaum gewaltendefinierende Wirkungen hervorbringen, im Wesentlichen im Sinne der Stärkung der Exekutivgewalten: Sie gewinnen darin tatsächlich eine neue Bedeutung "an der Spitze des Staates", auf einer horizontal einheitlichen Ebene mit der parlamentarischen Gesetzgebung, dass sie immer mehr vordringen in den Bereich der unmittelbaren Nonnsetzung. Darin mag sich die Vorstellung von einer abgeleiteten Verordnungs-Nonnsetzung gegenüber einer parlamentarischen Primär-Nonnsetzung auf Dauer zunehmend abschwächen, die Nonnsetzungsgewalt sich in die Regierungsgewalt hinein verlagern. Am Ende wird dann eine immer weiter gesetzesgelöste Verordnungsgewalt stehen, das Gesetz zurücktreten. Die Administrative, auf solche Weise zur Nonnsetzerin geworden, wird die Krise des Gesetzes, von der im anderen Zusammenhang bereits die Rede war, nur noch um ein weiteres Phänomen bereichern. Im Übrigen wird diese Entwicklung aber doch auch noch ausstrahlen in die nationalen Verwaltungen hinein, doch ohne dass diese damit in einem neuartigen Sinn zu eigenständigen Verwaltungsgewalten sich entwickeln könnten. Immer mehr werden ja diese nationalen Verwaltungen zu Nonn16 Leisner

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H. Einheit der Verwaltung aus europäischem Recht?

Anwendern und Nonn-Fortdenkern höchst flexibler europäischer Gesetzgebung werden, damit wird sich ihre gesetzesfortsetzende, in die Gesetzgebung hinein wachsende, darin die klassische Gewaltenteilung verlassende Entwicklung nur noch verstärken. Und in einem besonderen Sinne wird sich dies vollziehen: Auch den nationalen Verwaltungen wird aus dem Europarecht eine Erweiterung ihrer Beurteilungsspielräume zuteil werden, in welchen sie als Fortsetzer der Tätigkeit der Kommission aktiv werden. Diese ihre Beurteilungsräume werden sich immer mehr als eine echte, geradezu nonnativ gedachte Fortsetzung der Gesetzgebung entfalten, und dies muß sich auswirken nicht nur in der Anwendung des Europarechts, sondern auch des noch verbleibenden nationalen Rechts. Doch in all dem ist allenfalls eine stärkere "Legislativierung" der Administration zu erwarten als die Entwicklung eigenständiger legislativer Tätigkeitsstrukturen in einer Zweiten Gewalt. Die Exekutive mag sich dann zu einer Para-Legislative weiter entfalten, was sie bereits heute im internen Recht in einem, wenn auch dogmatisch nicht zu definierenden, immerhin tatsächlichen Selbstand erreicht hat. Doch das dogmatische Problem des rechtlichen Selbstandes einer derartigen Zweiten Gewalt lässt sich aus Europarecht heraus nicht lösen; immer weniger wird in Fonnen der klassischen Gewaltenteilung, immer mehr in eigenartigen Fonnen der Gesetzgebung und der Gesetzesverwirklichung gedacht werden müssen.

J. Verwaltung als faktische Gewalt Eppur si muove - so könnte man die Administration in der Verwaltungswirklichkeit beschreiben, gegenüber einem Staatsrecht, welches sie in seinen Verwaltungsaspekten gewähren lässt, sie in seinen grundsätzlichen Verfassungsvorstellungen aber nur "leugnen kann". Sie bewegt sich doch, diese Verwaltung, die mächtigste, die präsenteste, die am meisten gegenwärtige Staatsgewalt, sie lässt sich nicht vom Staatsrecht "weg-dogmatisieren", so wenig sich die Bewegung der Erde in theologischer Dogmatik autbalten ließ. Diese Verwaltung ist eine faktische Macht, als solche ist sie auch eine Erscheinung, welche im Mittelpunkt des öffentlichen Rechts steht; vielleicht findet sie ihre Mächtigkeit gerade darin, dass sie dogmatisch in ihrem Selbstand nicht fassbar ist, in einen solchen nicht eingezwängt werden kann. Freiheit und Macht zugleich gibt ihr gerade jene gewaltenteilende rechtliche Konstruktion, die sie zwischen zwei Fernen stellt: zwischen einen Gesetzgeber, der ihr gegenüber zu hoch, und einen Richter, der ihr zeitlich zu spät gegenüber steht. In dieser Faktizität ihrer Macht wirkt noch heute - oder kehrt gerade wieder zurück - tatsächliche Mächtigkeit, in welcher eine Historie die Administration stets gezeigt hat: Eine Gewalt konnte sie eben nicht sein und am Ende auch nicht später werden, weil sie schlechthin "die Gewalt" war. Die größte aller Umwälzungen, die Französische Revolution, wollte sie zu einer der Gewalten machen - sie ist wieder dabei, durchzubrechen, mehr und deutlicher, aus der Unauffindbarkeit der rechtlichen Gewaltenteilung in die Faktizität der Gewalt, der Macht als solcher.

I. Verwaltung - die rechtlich unauffindbare Gewalt Nochmals muss hier zusammenfassend festgestellt werden, weil es auch bisher, soweit ersichtlich, noch nicht in solcher Grundsätzlichkeit zusammengesehen wurde: Eine Verwaltung als Gewalt gibt es eben nicht, schon weil sich nichts "typisch Administratives" aus einer Analyse der Verwaltungstätigkeiten entwickeln, Verwaltung sich nicht zentral auf Derartiges stützen lässt. Die Administrative ist rechtlich aufgelöst; in einem Rechtsdenken, das sie immer nur noch weiter hat schwächen wollen - und das, wie so vieles im Recht, weithin Konstruktion, Fiktion und Illusion ist bricht sie aus in die Wirklichkeit der tatsächlichen Macht. Das Staatsrecht hat zu ihrem Standort bisher nicht mehr finden können als jene "Resttheorie", nach welcher sie "übrig bleiben sollte", nach Abzug 16*

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der anderen, der "eigentlichen" Gewalten; doch sie ist nicht ein rechtlicher Rest, sonder eher ein juristisch-dogmatischer Trümmerhaufen - der aber ein mächtiges Machtbollwerk darstellt. Verfassungskommentierungen zum Begriff der "Vollziehenden Gewalt" haben Vollzug und Normnähe festzustellen, eine eigenständige Gewalt aber daraus nicht zu konstituieren vermocht. Verwaltung als reine Normfortsetzung, als Normierungsgewalt im Sinne der reinen Rechtslehre, hat sich aber ebenfalls nicht zu herrschender Rechtsdogmatik fortentwickeln lassen, gerade weil eben in diesen "normativen Niederungen" immer etwas blieb von einer unnormativierbaren faktischen Macht. Die weitestgehende Zersplitterung dieser Administrative in den Materien des besonderen Verwaltungsrechts sollte diese Gewalt in Aufteilung nur immer mehr noch der Gesetzgebung unterwerfen - doch in der Verwaltungswirklichkeit hat sich ein Normgeflecht entwickelt, in dessen dschungelartigen Auswüchsen die Macht sich stets noch weitere Verstecke schaffen konnte. Neuerdings versucht staatspolitische Kritik an allem Obrigkeitlichen, aller herrschaftlichen Gewalt, gerade diese Machtäußerung zurückzudrängen, und rechtlich ist es auch gelungen, sie nahezu überall zur Magd der Gesetzgebung zu degradieren. In all dem ist die Administrative geradezu zur unauffindbaren Gewalt, zur unbeweisbaren juristischen Kategorie geworden - und doch ist sie überall gegenwärtig, wird der Kampf um dieses Machtinstrument politisch immer nur noch härter. Verfassungsrechtlich gesehen ist "die Verwaltung" heute als Begriff im Bewusstsein noch gegenwärtig aus einer meist recht unklaren Vorstellung einer Gewaltenteilung, die ihrerseits wiederum nur um weniges klarere Ideen einer Rechtstaatlichkeit verwirklichen will. Nicht umsonst verbindet ja heutige Verfassungsdogmatik Gewaltenteilung und Rechtstaatlichkeit, sieht jene geradezu als einen Ausdruck dieser letzteren und schreitet dann von ihr weiter zu einer Grundrechtlichkeit, in welcher all dies anund grundgelegt sei. In einem derartigen Synkretismus, in welchem sich letztlich jede klare Begrifflichkeit von Gewaltenteilung aufzulösen droht, zeigt sich deutlich das eigentliche Ziel eines Denkens auch in horizontaler Gewaltenteilung: jene Gewaltminimierung, welche aus Kompetenzabgrenzungen heraus wirksam werden soll. Gerade dies aber ist rechtstechnisch überzeugend und damit auch verfassungsrechtlich tragend nicht gelungen weder aus einem Verfassungsbegriff der Zweiten Gewalt heraus, noch in induktiven Versuchen, Verwaltungsaktivitäten zu einer einheitlichen Gewaltausübung zusammenzusehen. Doch dass die Administrative damit als solche rechtlich unauffindbar bleibt, allenfalls zersplittert in Teile, welche eine Gesamtherrschaft eher aufheben als ordnungsgerecht ausgewogen beschränken - all dies hat nichts daran geändert, dass Verwaltung eigenständig-faktir~Ghtlichen

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sches Phänomen ist und bleibt, nicht eine Verfassungs gewalt, sondern eine Macht.

11. Verwaltung: Macht der vollendeten Tatsachen 1. Eindeutige Faktizität der Verwaltung

Der Staat wird im allgemeinen Bewusstsein verstanden - wenn auch im Recht wenig überzeugend dogmatisiert - als eine Person, damit aber in Aktivität, in faktenverändernder Macht. Der Begriff des Staatshandelns hat, ganz natürlich, Eingang gefunden in die öffentlich-rechtliche Dogmatik, in den Identifikationen des Verhaltens der Staatsorgane mit dem der Staatspersönlichkeit. Wenn nun aber Handeln stets einen wesentlichen Bezug hat zur Veränderung der Wirklichkeit, so tritt es eben primär weder in Gesetzgebung noch im Gerichtsurteil in Erscheinung, sondern in der wirklichkeitsverändernden Aktivität der Verwaltung. Insoweit hat sich, auch in der allgemein anerkannten Dogmatik, kelsenianisches Denken nicht durchsetzen können, dass es nur auf Beurteilung nach rechtlichen Kategorien ankäme, auf "Rechtsrealität". Die Wirklichkeit hat sich dem gegenüber immer wieder durchsetzen können, auch ins Recht hinein, und die Legisten haben dem keinen entscheidenden Widerstand entgegenzusetzen vermocht. Damit aber ist es nach wie vor nicht entscheidend in dieser Wirklichkeit, ob etwas rechtlich so sein darf oder nicht, wie es Erste und Zweite Gewalt erfassen lassen, es kommt darauf an, was "der Staat bewirkt". Dies aber läuft vor allem über seine Verwaltung, ohne Rücksicht darauf, ob es nun Gesetzesvollzug ist oder nicht, ob es später vielleicht, im Namen des Rechts, von eben dieser Verwaltung auch wieder geändert werden muss. Gerade das Recht will sich ja zeitlos verstanden sehen, zuallererst, und insoweit ist auch die Verwaltung, selbst als eine vorläufige Gewalt, in einem Augenblick die ganze Gewalt. So tritt die Verwaltung dem Bürger gegenüber in den Einzelhandlungen ihres Polizeivollzugs auf, in der faktischen Durchsetzung aller Gesetzlichkeit - oder auch des Ungesetzlichen. So schafft sie für den Bürger eine "andere Realität", wenn sie seine Anträge ablehnt oder genehmigt, später dies wieder zurücknimmt. So verändert sie die wirtschaftliche Wirklichkeit, wenn sie Förderung verweigert, gewährt oder zurückfordert. Im Steuerbescheid der Administration wird dies für jedermann in besonderer Weise fassbar: Unbeschadet aller Anfechtungsmöglichkeiten - "zunächst einmal ist es so", rechtstatsächlich, und wenn die Verwaltung nur diese rechtstatsächliche Macht des "zunächst einmal" darstellt: wäre dies nichts oder auch nur wenig, in vielen Fällen nicht geradezu alles, was der Bürger braucht oder erstrebt?

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J. Verwaltung als faktische Gewalt

Dahin stehen mag hier, ob Rechtsdogmatik mit ihren Kategorien der vorläufigen Wirkung noch nicht aufgehobener Rechtsakte oder der Tatbestandswirkung gegenüber Dritten diese Wirklichkeit voll erfassen kann. Immerhin hat sie darin erkannt, dass derartiges Verwaltungshandeln nicht nur gegenüber dem Adressaten, sondern auch gegenüber Dritten, allenthalben in der Gemeinschaft - eben in der Realität - eine Faktizität setzt, einen Tatbestand eben. Und ein Recht, das nur wirkt "bis es nachgewiesen wird", in einer faktisch doch oft nur wirkungsschwachen Art von "Beweislastumkehr" , zu Lasten des Rechtsbehelfs des Betroffenen - ist eine solche Ordnung nicht in ihrer Widerstandskraft gegen die realitätsverändernde Verwaltung machtarm ?

2. Realitätsveränderung durch die "zahlende Hoheitsmacht" In der Verwaltung wirkt die Staatsgewalt als realitätsverändernde Macht nicht nur in ihren Eingriffen, bei welchen man noch die zeitlichen Schranken sehen mag. Deutlicher noch, meist endgültig, tritt die Verwaltung als Macht der vollendeten Tatsachen in Erscheinung, wenn sie als die "zahlende Gewalt" auftritt, in der Ausführung der Haushaltsgesetze. In jeder Leistung, welche in so vielen Fällen schon rein tatsächlich, bei Vertrauensschutz aber auch aus rechtlichen Gründen, nicht zurückgenommen werden kann, liegt ja eine Endgültigkeit, welche jeder wirtschaftlichen Gewichtsverschiebung in der Gemeinschaft eigen ist. Deswegen drängen sich die Bürger, als Beamtenanwärter oder als Subventionswerber, zu dieser paga di Stato, nicht, weil sie schon organisationsrechtlich so häufig Endgültigkeit aus der Schwerfälligkeit staatlicher Rückforderung gewinnt, Endgültigkeit auch aus der Sicherung der Leistung durch den "unendlichen Reichtum des Staates". Es ist einfach die Tatsache der Leistung als ökonomischer Gewichtsverschiebung als solcher, welche zum Faktum wird, mit vielfach endgültigen Wirkungen. Sie treten nicht nur ein, wenn gutgläubig verbraucht worden ist, wo Vertrauen die Rückforderung ausschließt oder Existenzgefährdung sie unmöglich macht. Hier wurde jedenfalls einmal eine "Zwischenrealität gesetzt", durch Auftragsvergabe, Subventionierung, Vergütung von Diensten, welche für diese Periode eine nicht wieder aufzuhebende Realität darstellen. Und in der Marktwirtschaft kommt es sehr häufig gerade auf diese Vorläufigkeit an, ohne dass sie rechtlich zur Endgültigkeit zu werden bräuchte; Zentralbegriffe moderner Wirtschaften wie Anschubfinanzierung oder Übergangshilfen beweisen es eindeutig. Die Insolvenz ist ja auch stets nur Ergebnis einer Augenblicksaufnahme - gerade bei ihr geht es um Abwendung der Zahlungsunfähigkeit nicht in der Endgültigkeit gesetzgeberischer Entscheidung oder gerichtlichen Obsiegens, sondern eben in der gegenwärtigen Überbrückung durch Verwaltungsleistung.

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Hinzu kommt dann noch der ganze, große Bereich der nun wahrhaft realitätsverändernden Staatsaufgaben, welche nicht Einzelne begünstigen, sondern die "Gemeinschaft als solche", jene "großen Werke", jene "öffentlichen Arbeiten", welche alle die Verwaltung in Auftrag gibt, die aber kaum in einem Falle niedergerissen oder zerstört werden, sondern bleibende Realitäten darstellen. Der größte, schönste, bewusstseinsmäßig wirkmächtigste Teil jener menschlichen Werke, die uns umgeben, ist in diesem Sinne "verwaltungsmäßig entstanden". Dies ist dann eine Realität, die geradezu transpersonal wirkt, bei der es nicht darauf ankommt, ob sie einer "Bürgerschaft", ob sie überhaupt Menschen zur Benutzung, zur Verfügung gestellt wird. Die ganz große Macht der Verwaltung liegt darin, dass sie die Wirklichkeit geradezu transpersonal verändert mit diesen ihren bedeutenden Werken, dass sie damit in Endgültigkeit wirkt, überzeitlich, bis in Ewigkeiten des menschlichen Denkens hinein. Denn bei welchem großen Monument könnte man denn sagen, dass es eigentlich, rechtlich, so hätte entstehen dürfen ...

3. Der Staat: in Verwaltung "in Erscheinung tretend" Die Verwaltung tritt, in all ihren Aktionsformen, als einzige Staatsgewalt dem Bürger gegenüber laufend, fassbar seine Realität verändernd, in Erscheinung. Die Gesetzgebung als solche sollte er zwar kennen, über alle Normen Bescheid wissen; doch dies ist eine realitätsfeme juristische Fiktion. Der Gesetzgeber "erscheint" ihm als solcher kaum, trotz aller Versuche, auch Parlaments arbeit zum Medientheater werden zu lassen. Dies beschränkt sich auf einige Plenarsitzungen mit meist wenig wirklichkeitsbezogenen Inhalten, was den Bürger von dort erreicht, ist mehr Demagogie als Macht; das übrige Gesetzgebungstheater, wenn es denn ein solches gibt, verstaubt in Gesetzblättern. Gegenwärtiger ist eine Dritte Gewalt, in der persönlichen und wirtschaftlichen Realität für den Bürger - aber eben nur in einem jeweils besonderen Fall und in einem wirtschaftlich oft bedeutungslosen Augenblick, wo sie gerade ihn erreicht. Etwas von Ausnahmecharakter bleibt davon, und er wächst nicht wirklich zu laufender Außerordentlichkeit empor. Die Gerichtsbarkeit inszeniert sich zwar in ihrem typisch juristischen Staatstheater, doch dies zeigt sie letztlich eben doch nur als ungewöhnliche Reservegewalt, nicht in einer Funktion laufender Realitätsveränderung. All dem gegenüber bedarf die Verwaltung keines eigentlichen Staatstheaters. Sie arrangiert den Auftritt dieses handelnden Staates laufend, überall in der Wirklichkeit, welche sie verändert, durch Festnahmen, Abriss, Schließung von Betrieben, sogleich wirksamen Steuerbescheiden. Vorläufig ist sie in vielen dieser Fälle schon nicht mehr, sondern faktisch endgültig. Ihr Erstes Wort im Rechtssinn wird nur zu oft zum Letzten Wort in der Wirklichkeit.

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4. Verwaltung: Organ der "normativen Kraft des Faktischen" lellineks Lehre von der "normativen Kraft des Faktischen" hat die Rechtstheorie tief geprägt, diese Absage an reinen Normativismus im Elfenbeinturm des Sollens hat endgültig eine letzte Verbindung zwischen Recht und Realität hergestellt. Doch wie es ihre Formulierung schon aussagt, war sie von vorneherein, der Gesetzesgläubigkeit ihrer Ursprungszeit entsprechend, wesentlich normativ gedacht; es gilt sie nun aber ins Administrative hinein zu erweitern: Wenn die Verwaltung überhaupt als einheitliche Macht gedacht werden kann, weil sie als solche laufend in Erscheinung tritt, so wirkt sie als Organ einer allgemeineren rechtlichen Kraft des Faktischen. Zwar hatte sich in den vorstehenden Kapiteln gezeigt, dass sie sich nicht daraus definieren lässt, dass sie unmittelbar aus dem Recht in den Bereich des Faktischen ausgreift, dieses ins Recht des Einzelfalles rezipiert. Doch in ihrem Verhalten bricht diese Wirklichkeit, umgekehrt, "zunächst einmal" ein ins Recht, und wenn das Vorläufige darin zum Endgültigen wird, weil "faktisch", so hat die Wirklichkeit darin eine Kraft entfaltet, welche der der Normen entspricht, ihr in ihrer tatsächlichen Unabänderlichkeit sogar noch überlegen sein mag. Wenn es also etwas gibt wie eine normative Kraft des Faktischen - davon geht doch die ganze herrschende Rechtstheorie und auch die Dogmatik aus, indem sie die Wirklichkeit in ihre Materien des Rechts rezipiert - so ist Verwaltung in der Tat in gewissem Sinne sogar eine einheitliche Machterscheinung, in dieser faktischen Transformation der Realität in die Welt der Normen. Nur hebt dies die Ergebnisse der vorstehenden Betrachtungen nicht auf: sie waren rechtsimmanent gedacht, ohne Blick auf die Tatsächlichkeiten. Deren Einbruch ins Recht im effektiven Verwaltungshandeln ist ein Machtphänomen, das als Rechtstatsache im Recht wirksam wird, keine dogmatisch-normative Erscheinung. Damit bestätigt die tatsächliche Gewalt einer insoweit einheitlichen Verwaltung das Ergebnis der vorstehenden rechtlichen Deduktionen: Gerade weil die Verwaltung ein Organ tatsächlicher Machtentfaltung ist, kann sie keine einheitliche Gewalt im Rechtssinne konstituieren.

5. Militärische Machtentfaltung als Prototyp administrativen Wirkens Die bewaffnete Macht ist heute so weit aus dem allgemeinen rechtlichen Bewusstsein entschwunden, derart zu einer Randerscheinung des Verfassungsrechts wie sogar der Verfassungswirklichkeit geworden, dass kaum mehr bewusst ist, was aber im vorliegenden Zusammenhang wichtig wird, gerade wenn man die Verwaltung als Organ der rechtlichen Kraft des Fakti-

III. Verwaltung als die "nächste Staatsrnacht"

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schen versteht: dass es gerade die militärische ist, welche, in typisch exekutivischer Weise, Realitäten setzt, die eine selbständige Wirklichkeit hervorbringen, eine als solche meist nie mehr aufhebbare - jedenfalls Fakten, die ebenso wirken wie eine Lex; hinter ihnen steht auch immer die Lex posterior, die neue rechtlich relevante Norm-Tatsache. Ebenso lässt sich ja das militärische Faktum des Sieges oder der Niederlage, der Besetzung oder des Rückzugs, durch neue militärische Tatsachen aufheben; doch all dies hat nun einmal gewirkt, in der Zeit, als Erscheinung einer Wirklichkeit, wie sie auch von allen Administrationen stets hervorgebracht wird. Nicht umsonst ist jene Polizei, die im Grunde nichts anderes ist als der zivile Finger der manus militaris, ebenso uniformiert und bewaffnet wie die Armee, welche jene Verwaltungsgewalt ja nur zu oft, eben in typisch verwaltungsrelevanten Ausnahmesituationen, auch zu Hilfe ruft. Etwas von diesem "Militär als Verwaltungsmacht" liegt also in jeder Verwaltung, schon aus der Einheit dieser manus militaris heraus, welcher andere Verwaltungsaktionen, unbewaffnetes Eingreifen, gewissermaßen stets nur vorgelagert sind. Dass die "typische Militäraktion" in aller Regel keine außenwirksame Verwaltungsentscheidungen voraussetzt, ändert nichts daran, dass die unumstritten faktische Wirksamkeit, ja Effektivität des Militärischen etwas ist wie ein Prototyp allen Verwaltens, dessen faktisches Wesen jedenfalls deutlich zeigt.

111. Verwaltung als die "nächste Staatsmacht" Die Mächtigkeit einer insoweit durchaus einheitlich wirkenden Administration kommt aus einer Faktizität, deren Transformationsorgan ins Recht sie gezielt - wiederum durchaus faktisch - darstellt. Dieses Wirken aber spielt sich, mag es auch als solches nicht nonnativ erfassbar sein, doch durchaus auf einem rechtlichen, ja sogar auf einem verfassungsrechtlichen Hintergrund ab: in der Bürgerferne der anderen Staatsgewalten, einer eigenartigen "Bürgernähe" jedoch der Administration. 1. Die hohe "Ferne" der Gesetzgebung

Dass die anderen beiden "klassischen" Staatsgewalten historisch in einer gewissen "nonnativen Künstlichkeit" seinerzeit definiert und konstituiert worden sind, in einer solchen auch heute noch dem Bürger gegenüber wirken, zeigt sich vor allem bei der Gesetzgebung. Sie ist einfach "vertikal zu weit entfernt" von den Normadressaten, als dass sie ihnen gegenüber in faktischer, laufender Gegenwart in Erscheinung treten könnte. Selbst dort, wo sie ihr Verhalten unmittelbar bestimmen will, im Strafrecht, bleibt sie, schon aus der Allgemeinheit ihrer Nonn-Fonneln heraus, etwas wie eine

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J. Verwaltung als faktische Gewalt

"Gewalt, welche über die Bürgerschaft hinweg spricht", eben in ihrem abstrakten Vokabular, ihren allgemeinen Aussagen, die sich im Grunde ja an niemanden richten, im Strafrecht gerade hoffen, möglichst wenige treffen zu müssen. Dass es in diesem Sinn eine bouche de la Loi nicht gibt, dass diese jedenfalls nicht die des parlamentarischen Gesetzgebers ist, musste das Verfassungsrecht stets anerkennen, und gerade deshalb hat es im Richter diese viva vox Legis geglaubt erkennen zu können. Doch die lebendige, darin eben die laufende Stimme des Rechts, und nicht nur der Gesetze, ständig gegenwärtig wie das Leben selbst und in dieses hinein, ist eben nicht der Ausnahme- und Einzelfallrichter, sondern die laufend und überall faktisch ändernde Verwaltung. In ihrem Wort wird das Recht erst einmal zum Faktum. Der Bürger begegnet nicht dem vom Gesetzgeber hervorgebrachten Recht, sondern zuallererst, in den meisten Fällen, allein den von der Verwaltung interpretierten oder beurteilend konkretisierten Normen; und diese beiden dogmatisch in ihrer Unterscheidung so wichtigen Kategorien lassen sich eben aus der Sicht des Bürgers faktisch kaum trennen. Die Verwaltung, nicht der Richter, ist tatsächlich das allgegenwärtige Gesetz, sie ist es jedenfalls in einer modemen Staatlichkeit geworden, welche man, insoweit nicht zu Umecht, als den Verwaltungs staat der Gegenwart bezeichnen könnte. Und selbst wenn er sich nun zurückzieht, dem Bürger mehr Freiheit belässt, so wird dies nicht zu Umecht gesehen als eine Form der Selbstverwaltung in Bürgerprivatheit: Es bleibt eben immer etwas von einem Administrieren erhalten, in welchem gesetzgeberisches Ordnen in die Bürgerwirklichkeit transformiert wird. Gesetzgebung als solche ist zu hoch, um in sich als Macht zu wirken, sie will gerade über den Bürger hinaus, über seinen Fall hinwegsprechen, darin liegt die Majestät ihrer Allgemeinheit; das Gesetz, la loi est l'expression de la volonte generale, gerade in diesem Sinn. Die Verwaltung aber ist nicht ein Organ des allgemein bleibenden Rechts, sondern des Rechts im Einzelfall, aus ihm und für ihn. Darin ist sie eine laufende Faktizität, welche die "hohen Normen" herunterholt in die Welt des Tatsächlichen. 2. Gerichtsbarkeit - die zeitlich ferne Macht Auch der Richter ist faktisch meist, ja in aller Regel, für den Bürger eine feme Gewalt, sie kommt nur zu oft zu spät in der Wirklichkeit und für diese, nachdem bereits die Verwaltung gehandelt hat, die Wirklichkeit gestaltend. Die Gerichtsbarkeit, als Dritte rechtliche Gewalt im Staat, ist vom Bürger nicht nur vertikal, gewissermaßen rechtshierarchisch, allzu weit entfernt, so weit jedenfalls, dass sie ihn nicht laufend als Macht erreicht; ihre Entfernung, welche ihre Faktizität oft entscheidend abschwächt, kommt

IV. Verwaltung: Die handelnde Staats-Person

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aus wesentlicher Zeitverschiebung, mit welcher sie rechtlich in die Wirklichkeit hineinwirkt. Weithin stellt sich die faktische Lage für den Bürger eben so dar: Die Verwaltung ist das Recht als gegenwärtige Wirklichkeit, die Judikative bedeutet nur Recht als fernere Möglichkeit, nur zu oft als rein theoretisch - die einer neuen Realität. In den langdauernden Prozessen wird langsam die Möglichkeit zur realitätsrelevanten, realitätsverändernden Tatsache - doch die Verwaltung schafft all dies in ihren kürzeren Verfahrensabläufen, die häufig auch noch verborgen bleiben, mit einem Mal dann in Entscheidung hervortreten, einer stets sogleich wirksamen Realitätsveränderung. Und selbst wo der Bürger lange Zeit warten muss auf ein Verwaltungs verfahren und in seinem Ablauf, hält die Administration doch gerade darin gewissermaßen die Realität an, während sie dem Richter in aller Regel bereits vorgegeben ist, von ihm vielleicht zu verändern, nicht aber hervorzubringen. Nicht zuletzt deshalb wird immer weiter beklagt werden, dass die wesentlich rechtskonzentrierte juristische Ausbildung den Richter formen soll, nicht den gestaltenden Verwaltungsbeamten: weil eben das Wirken dieses Letzteren wesentlich außerhalb des Rechts, wenn auch in dessen Anwendung, realitätsverändernd sich vollzieht, was man dann in unklarer Terminologie Gestaltung zu nennen pflegt. Und wenn man schon die Wirkung des Rechts auf die Wirklichkeit mit rein rechtlichen oder gar normativen Kategorien allein betrachten will, so bietet sich doch im Wesentlichen folgendes Bild: Die Gesetzgebung eröffnet dem Bürger Räume seines Verhaltens, sie begrenzt solche zugleich. Die Judikative ratifiziert all dies, meist bestimmt sie es noch näher. Doch alles, was zwischen jener Gesetzgebung und dieser Judikative abläuft, ist und bleibt Verwaltung im Staat, die große Mitte des Rechtslebens der Bürger liegt dort.

IV. Verwaltung: Die handelnde Staats-Person Die Verwaltung spiegelt in der Faktizität ihrer Machtausübung etwas wider vom Verhalten, vom Handeln des Staates als einer Person; davon war bereits die Rede. Darin nähert sich die Person Staat dem Verhalten jener natürlichen Personen, welches auch zuallererst und ganz wesentlich als eine faktische Erscheinung vorgestellt wird. Ebenso wenig kann es daher eine Verhaltenseinheit in der Verwaltung geben, bestimmte, vorher fest normativ bestimmte Verhaltensformen oder gar einen Kanon von solchen, wie derartiges im Bürgerleben vorstellbar ist. Dies soll aufgefangen werden im Gedanken der "gestaltenden Verwaltung", die zunächst einmal etwas faktisch bewirkt, insoweit Macht ausstrahlt, die nicht nur rechtliche Beurteilungen abgibt. Deshalb, weil hier immer "der Staat handelnd in Erscheinung tritt", waren auch diese Agenten der Staatlichkeit früher stets, ja durchgehend uni-

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J. Verwaltung als faktische Gewalt

fonniert, um diese Staatlichkeit in actu sichtbar zu repräsentieren. Bei den abgeordneten Gesetzgebern hätte daran niemand gedacht. So ist denn diese Verwaltung als der handelnde Staat, als eine vorgreifliche Gewalt, welche gerade darin greift und zur Macht wird, Ausdruck des handelnden, nicht des nur rechtlich beurteilenden, reine Rechtstatsachen hervorbringenden Staates. Darin führt sie zurück in die alte, historisch stets bewährte Staatseinheit, so wie diese eben im militärischen Konflikt mit ihrer bewaffneten Macht, in einer Fonn von staatserhaltender Verwaltung, in Erscheinung tritt. Das Bild Rousseaus, mit welchem er die verfassungsrechtliche Gewaltenteilung ironisierend darstellte, von jenen japanischen Zauberern, welche den Staat in Gewalten zerstückeln, ihn in die Luft werfen und ihn dann doch als Einheit wieder auffangen wollen, jenes Bild, welches die Unmöglichkeit einer Gewaltenteilung dartun wollte, trifft nicht das Recht, wohl aber die machtmäßig gestaltete Wirklichkeit: Wieder aufgefangen wird eben, von den Rechts-Zauberern der Gewaltenteilung, nicht der nonnativ in Erscheinung tretende Staat, sondern jener handelnde Staat, der als Handlungseinheit in der Verwaltung laufend in Erscheinung tritt. Auch wenn diese Verwaltung keine in Gewaltenteilung einzuordnende, in sich rechtlich zu definierende Befehlseinheit darstellt, so ist doch dieser handelnde Staat als Machteinheit in der Administration gegenwärtig. Um das Bild fortzuzeichnen: der Kopf des demokratischen Verfassungs staates ist rechtlich gespalten in Gesetzgebung, Judikative und sogar vielleicht in einzelne Aktionsfonnen der Gesetzesfortsetzung, welche man Verwaltung nennt. Doch der Körper bleibt ganz Handlungseinheit, in Verwaltung. Und auf die einzelnen Fonnen dieses Handeins kommt es rechtlich nicht an, es genügt, dass sie faktisch in Erscheinung treten. Um noch einmal in die Ursprungszeit der Gewaltenteilung zurückzudenken: "Die Verwaltung" ist als Staatsgewalt nicht durch die Französische Revolution geschaffen worden, sie hat als Ausdruck der machtmäßigen Staatseinheit diese Umwälzung überlebt; in ihr hat überlebt "der Staat" als Machteinheit. Daraus kommt der Administrative als Machtzentrum eine noch heute wirkungsstarke historische Legitimation, welche sie immer weitertragen wird, über alle rechtlichen Probleme und Begründungszweifel hinweg. In ihr wirkt eben eine in die Vergangenheit zurück-vertiefte Faktizität des handelnden Staates als einer Person, als der Über-Person im Sinne Hegels. Was also sollten, so mag man fragen, all diese vorstehenden, im Wesentlichen eben doch rechtsdogmatischen Betrachtungen, da sie eine Verwaltung nicht wirklich auffinden konnten? Sie sollten zeigen, dass diese Zweite Gewalt, in welcher im Grunde der Staat als Machteinheit fortlebt, sich nicht von Zauberern zerstückeln lässt, dass sie ein Objekt zugleich rechtssoziologischer, rechtshistorischer und rechtsphilosophischer Betrach-

IV. Verwaltung: Die handelnde Staats-Person

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tung ist, nicht aber ein Objekt der Rechtsdogmatik, des Rechts in seinem heute normativ-gewaltenteilungsmäßig geprägten Sinn. Rechtsdogmatisch ist die Gewaltenteilung wohl, bei vertieftem Verständnis, zum Scheitern verurteilt, schon in der Problematik ihrer einzelnen Gewalten. In der Krise des Gesetzes zeigte sich dies, in der rechtlichen Unauffindbarkeit einer faktisch doch so mächtigen Verfassung erschien es erneut in voller Deutlichkeit, und vielleicht lässt es sich in vertiefender Betrachtung einer richterlichen Gewalt fortdenken, von der Montesquieu bereits erkannte, dass sie in gewissem Sinn inexistent ist. Dies alles bedeutet dann, dass der Versuch einer gewaltenteilenden Machtmäßigung, über eine neue Dogmatik der Herrschaft des Rechts über die Macht, in diesen Formen wohl scheitern muss, vor allem organisationsrechtlich. Die Macht, dieses rechtlich nicht fassbare Phänomen, wird sich aus solchen Fesseln immer wieder entbinden. Doch es mag für sie andere Grenzen und Schranken geben, aus Bürgerfreiheit heraus. Dies ist hier nur Hoffnung, nicht Betrachtungsprogramm.

K. Ausblick: Eine Zukunft in "kleinen Gewalten" - in "Muftis" I. "Kleingewalten" - Allgemeines 1. Entscheidung par ordre de Mufti

Mit grundsätzlich-dogmatischen Betrachtungen sollte diese Untersuchung nicht enden, mochte sie sich auch von Anfang an stets dem geltenden Recht und seinen möglichen oder bereits eingetretenen Entwicklungen verpflichtet sehen. So folgt hier noch ein Ausblick, der auch gewisse zukünftige, vielleicht nur mögliche Folgerungen aus der juristischen Unauffindbarkeit einer einheitlichen Verwaltung ziehen möchte. Diese Administration, in welcher der Staat faktisch vor allem zur handelnden Person wird, in welcher er eine Machteinheit wenn nicht rechtlich findet, so doch tatsächlich ständig unter Beweis stellt - wird sie nicht in bereits absehbarer Zukunft immer mehr auch in gewisse rechtliche Handlungsformen zerfallen, in welchen sich dann die vorstehend betrachtete dogmatische Vielfalt zwar funktional nicht zur Einheit zusammenschließen lässt, aber doch viele kleine Zentren organisationsrechtlich schafft, die zugleich funktionale kleinere Einheiten bilden? Damit ist eine Frage gestellt, die sich vor allem aus dem organisationsrechtlichen Teil dieser Untersuchung ergibt, im Fortdenken föderalrechtlicher, kommunalrechtlicher und autonomer Verwaltungsorganisationen. Mag auch eine funktionale Einheit der Administrative endgültig unauffindbar bleiben - wäre es nicht vorstellbar, dass sich jedenfalls organisationsrechtlich die Vielfalt des Verwaltens auch, und damit zugleich an manchen Stellen mit funktionalen Effekten, organisatorisch verfestigt, und welcher Staatlichkeit würde sich eine solche Entwicklung nähern? Nachdem vorstehend immer wieder von Bildern die Rede war, solche Bildlichkeiten auch aus früherer Verfassungslehre übernommen und weiterentwickelt wurden, mag auch an diesem Ende der Betrachtungen etwas wie ein Bild stehen: das eines Mufti, in dem Verwaltung und Staat zugleich sich in neuer Organisationsvielfalt wiederfinden. Staatsentscheidung par ordre de Mufti - das ist in der französischen Staatslehre eine gern gebrauchte, wenn auch bewusst wenig definierte und definierende Begrifflichkeit. Sie schließt an die historische Figur jenes

I. "Kleingewalten" - Allgemeines

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orientalischen geistlichen Richter-Herrschers an, welcher den Einzelfall, wie er ihm unterbreitet wird, durch normgelösten Befehl entscheidet; und eben darin ist dieser ordre de Mufti auch zum Gegen-, ja zum Schreckensbild für liberale Rechtsstaatlichkeit geworden. Hier soll nun nicht versucht werden, dieses Bild voll zu dogmatisieren, einen Muftismus vorzustellen, in welchem dies zum vollen System werden könnte. Entworfen werden soll aber doch etwas wie ein mögliches Zukunftsbild einer Herrschaftsordnung, die vielleicht sogar schon heute in gewissen Bereichen in Entwicklung steht, sich noch weiter verfestigen könnte. Insoweit mag es auch gestattet sein, diesen Begriff des Mufti in einem historisch gesehen vielleicht uneigentlichen, aber doch aussagekräftigen Sinn zu übernehmen: dem des kleinen, weithin normgelösten Inhabers einer wenigstens vorläufigen, lokal oder gegenständlich begrenzten Vollgewalt, die nicht selten zur Endgewalt erstarkt.

2. Muftismus Dieser Muftismus einer vielförmigen, kleinen, normgelösten, vorläufigendgültigen Vollgewalt lässt sich, wenn auch vielleicht nur andeutungsweise, immerhin näher eingrenzen: - Eigentümlich ist dem zunächst ein engerer Herrschaftsbereich, der insbesondere etwa lokal abgegrenzt ist. Er sollte möglichst eine bestimmte ebenfalls eingrenzend bestimmte Realität als Regelungsgegenstand widerspiegeln, eine Wirklichkeit, in welcher, wiederum vor allem in lokaler Konzentration, örtliche Interessenkomplexe wirken, der Ordnung bedürfen. Dabei mag die weitere reale Umwelt nicht zu vernachlässigen sein, das Ordnungsbedürfnis, ein dann in gewissem Sinn neu zu entwickelnder Begriff, muss aber in dieser Lokalität konzentriert auftreten. - Gewiss muß sich diese Lokalität des Herrschaftsbereichs und des Ordnungsbedürfnisses nicht in der Allseitigkeit eines Wirkungskreises ausdrücken, mag vielmehr durchaus auch, materienmäßig konzentriert, auf bestimmte Ordnungsgegenstände beschränkt wirken, und insoweit können dann auch mehrere Kleinherrschaftseinheiten nebeneinander denselben lokalen Bereich erfassen. Doch selbst dann, wenn insbesondere in materienmäßig eingegrenzten Autonomien dort entschieden wird, muss es immer auch noch etwas wie einen lokalen Herrschaftsbereich geben, in dem sich eben, gewissermaßen im Kleinen, das "Herrschaftsgebiet" dieser Art von "Staatlichkeit", als eines von deren notwendigen Elementen niederschlägt. - Wenn es etwas wie einen Muftismus geben soll, so muss er sich möglichst, wenn auch keineswegs ausschließlich, in einer Entscheidungsperson verkörpern können, in einer kleinen Persönlichen Gewalt. Doch dies kann durchaus auch in modemen Formen des Corpsgeistes zum Ausdruck kom-

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K. Ausblick: Zukunft in "kleinen Gewalten"

men, im Zusammenwirken einer festen Corporate identity, welche sich in Strukturen einer materienmäßig oder lokal verfestigten Bürokratie oder Demokratie entfaltet. Irgend etwas von einer Treue zur auf diese Weise auszuübenden Macht, von einer festen Ergebenheit gegenüber ihrer Aufgabenerfüllung, wird da allerdings fast immer festzustellen sein, etwas von einem Mannschaftsgeist, der hinter dem kleinen Entscheider steht, ihn weitgehend zu ersetzen vermag. Die Kleineinheit muss nur etwas immer sein, gerade in der Beschränktheit ihrer Machtgegenstände: eine personale, als solche fassbare, verkörperte und verkörpernde Einheit. - Diese Organisationseinheiten bedürfen - und gerade dies macht vielleicht ihr inneres Wesen aus - keiner rechtlichen oder auch nur politisch notwendigen Anbindung an andere organisationsrechtlich bestimmte Gewaltträger. Ein solcher Muftismus kann sich ganz wesentlich ohne System, jedenfalls außersystematisch, entfalten. System ist ihm nur sein kleinerer Herrschaftsbereich, seine beschränkte Aufgabenerfüllung; selbst analoges horizontales Weiterrechnen oder rechtsanaloges Höherrechnen sind in derartigen Organisationsformen weitestgehend ausgeschlossen. - Daraus ergibt sich auch, dass eine inhaltliche Bindung der Entscheidungsträger, wirke sie nun normativ oder über politische Direktiven, nicht wesens notwendig ist und daher sogar möglichst wenig stattfinden sollte. Ein wie immer im Einzelnen definierter Muftismus als Herrschafts-Gesamtsystem bestimmt sich eben geradezu aus einer nur organisationsrechtlich beschränkten Freiheit herrschaftlichen Wirkens, aus großen funktionalen Freiräumen. -:-Weitgehende Entscheidungskompetenzen müssen diesen kleinen Herrschaftseinheiten zukommen, jedenfalls faktisch in dem Sinn, wie er vorher als Wesen der Machtausübung der Verwaltung dargestellt worden ist. Wenn es einen Muftismus gibt, so ist dies ein faktisches Phänomen. Dies alles lässt sich organisationsrechtlich durchaus zu einer gewissen Gesamtkonzeption zusammenschließen, zu einem Wirken in vielen kleinen Herrschaftseinheiten, welche durch Kooperation verbunden sein können, dies aber keineswegs notwendig sind. Diese Organisationsform strahlt, es wurde bereits angesprochen - durchaus auch auf die Funktionserfüllung im Einzelnen aus und prägt auf solche Weise eine Aufgabenstruktur, in welcher sich funktional die organisationsrechtliche kleine Einheit widerspiegelt. Und gerade in solchem Muftismus könnte die alte absolutistische "Vollgewalt Verwaltung" eine eigenartig mutierende Staatsrenaissance finden deshalb sei von ihm in einem Ausblick die Rede.

11. Kommunal- und Landesexekutive

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11. Kommunal- und Landesexekutive: Modell für Herrschaft in kleinen Einheiten In einem vorstehenden Hauptteil wurde die organisatorische Zersplitterung der Verwaltung im Föderal- und Kommunalstaat aufgezeigt. Darin gerade aber weist eine solche Staatsordnung nicht nur über Formen horizontaler Gewaltenteilung hinaus, sondern sogar zu Entwicklungen einer Zukunft in den kleinen Herrschaftseinheiten des Muftismus. Dazu nur einige Hinweise: In den beherrschenden Figuren der Bürgermeister wie der Landesväter findet eine Personalisierung statt, welche nicht nur neuartige Formen persönlicher Gewalt mit demokratischer Legitimation zum Tragen bringt, sondern sogar etwas wie eine Rückkehr der Könige, vieler kleiner Gaufürsten in einer Art von Vorabbildung darstellt, in welcher sogar die Vergangenheit der deutschen Vielfalt des Monarchenturns wiederzukehren scheint und durchaus vom Bürger weithin auch so empfunden wird. Im kommunalen Bereich vor allem, aber auch auf Landesebene, zeigt sich eine gewisse Abschwächung parteipolitischer Koalitionsnotwendigkeiten oder, vielleicht umgekehrt, eine ganz natürliche engere Kooperationsbereitschaft, wie sie in den schwierigen Koalitionsverhandlungen auf nationaler Ebene, in vor allem dort wirksamen Koalitionsvereinbarungen, kaum vergleichbar festzustellen ist. In den kleineren Entscheidungseinheiten wirkt eben von vorneherein stärker nicht nur die Persönlichkeit der jeweiligen Führungsgestalt, es kommt dort auch, politisch ganz natürlich, im engen Kreis ein engerer Schulterschluss zustande. Durch die allenthalben in kleineren Kreisen wirksame demokratische Legitimation der Herrschaft von unten schwächt sich die Notwendigkeit einer organisatorischen oder gar legitimationsmäßigen Anbindung nach oben ab; diese wird ersetzt, ja weithin überflüssig durch ein Vertrauen von unten, das die Autorität von oben, damit aber das größere organisatorische System, nicht mehr zum Tragen bringen muss. Zugleich wirkt darin die Kraft einer in Sachnähe auftretenden Entpolitisierung, welche übergreifende, aus Politik heraus wirkende Anbindungen nicht mehr nötig hat. Gewalteinheit wird organisatorisch nicht mehr durch hierarchisch wirkende politische Direktiven hergestellt, es zeigt sich sogar eine eigenartige neue Kraftquelle: das Unpolitische. Mit dem Kräfteverlust des Nationalismus, seiner staatskonstituierenden organisatorischen Kraft, entfaltet sich ein "Lokalpatriotismus der kleinen Einheiten", er ruft nach seiner Verkörperung im Muftismus. Kommunen wie Länder erscheinen letztlich eben doch als etwas wie originäre Gewalten, ursprünglicher vielleicht noch, wenn es das begrifflich ge17 Leisner

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K. Ausblick: Zukunft in "kleinen Gewalten"

ben kann, als die nationale, in Gewaltenteilung aufzuspaltende Gesamtgewalt. Darin vollendet sich in gewissem Sinn die demokratisch nach unten verlagerte Gewalt in verwaltungsrechtlicher Dogmatik. Die materienmäßige Abgrenzung von Herrschaftsbereichen wird immer etwas wie eine übergreifende Systematik rufen, damit sich all dies dann doch zu einer höheren Staatlichkeit zusammenschließe. Wenn eine solche bereits in engeren lokalen Bereichen hergestellt ist, in einer Globalzuständigkeit, welche die des Staates widerspiegelt, so wird in eben dieser Gesamtkompetenz, wie sie grundsätzlich Ländern wie Gemeinden eigen ist, "Staatlichkeit im Kleinen" geschaffen, im Großen immer mehr - überflüssig. Selbst die richterliche Gewalt, in ihrer Normbindung doch staatlich-systematischem Denken immer weiter verpflichtet, hält sich heute bereits ersichtlich gegenüber diesen Kleingewalten zurück, welche den Richtern als unmittelbar volksgestützte Machtzentren begegnen. Und mit einem gewissen richterlichen Wohlwollen können sie schon deshalb rechnen, weil ja auch und gerade der Richter sich in diesem Bild etwa des Bürgermeisters wiederfinden kann, weil ja auch er in seiner Gewalt geöffnet ist zum Muftismus und auch allzu oft sein möchte: ein Mufti, moralisch, ja quasi-religiös legitimiert. Diese Kleinherrschaft zieht, Normen und Richtern gegenüber und überhaupt in Beziehung zu all jenen, welche ihre kleinen Kreise stören möchten, bedeutsame Kraft aus jenen "besonderen lokalen" oder auch sachlich abgegrenzten Verhältnissen, welche eben weder durch nationale Normen, noch durch eine national vereinheitlichte Rechtsprechung geordnet werden können. Sie gewinnt darüber hinaus Kraft auch noch aus jenem Einzelfall, in dem sich die besondere Lokalisierung immer nur noch weiter konkretisiert: Muftismus als organisationsrechtliche Einzelfallgewalt. Mit europäischer Entwicklung in immer größeren Zusammenschlüssen wird "Macht aus besonderen lokalen Verhältnissen heraus" im Namen einer wie immer verstandenen Subsidiarität eher noch zunehmen. Absterben können dann leichter jene Zwischengewalten zwischen der Kleinherrschaft, welche die Einheit des Kontinents nicht in Gefahr bringt, und den großen, übergreifenden Normen und Orientierungen, welche ihrerseits die Kleinherrschaft nicht gefahrden. So führen denn viele organisationsrechtliche und andere Wege nicht nach einem neuen, großen imperialen Rom, sondern zu den vielen kleinen Stadthaltern seiner immer kleineren Provinzen.

III. Muftismus gegen Einheit der Verwaltung

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III. Muftismus gegen Einheit der Verwaltung 1. Die Kleinherrschaft als Ende der Exekutivgewalt

Zum Wesen dieser Kleinherrschaften gehört es ohne Zweifel, dass sie sich keiner der großen klassischen Staatsgewalten notwendig zugehörig fühlen, mögen sie sich auch vor allem im Bereich der Exekutive entfalten. Hier fehlt sowohl das Bewusstsein, ja das Machtgefühl einer einheitlichen, durch besondere dogmatische Kriterien gestützten Staatsgewalt, wie darüber hinaus auch jene organisatorische Anbindung an andere Gewaltträger, mit welchen sich diese Kleinherrschaften zu einer Verfassungsgewalt zusammenschließen könnten. Diese Muftis sind nicht wesentlich Gesetzgeber, sie wollen vielmehr eher normfrei im Einzelfall entscheiden, sie ignorieren eine Gerichtsbarkeit, an deren Stelle sie sich möglichst in Endentscheidung setzen wollen, die sie jedenfalls durch Schaffung möglichst vieler vollendeter Tatsachen zurückzudrängen versuchen, immer nahe am Einzelfall operierend und an seiner Wirklichkeit. Dies gelingt ihnen überzeugend vor allem im Namen ihrer fallmäßig und lokal begrenzten Wirkungskräfte. Muftis sind eben wesentlich Einzelfallgewalten, aus dem heraus überspielen sie die Normen und machen Gerichtsentscheidungen überflüssig. Dieses ganze Verhaltensspektrum der Kleingewalten könnte nun gewiss zu etwas führen wie einer "Verwaltung als eigenständiger Vollgewalt", eine solche vielleicht sogar im Rechtssinn, wenn auch in Vielfalt, konstituieren. Doch diese Kleinherrscher ignorieren, ja sie bekämpfen die anderen, klassischen Gewalten, sie können nichts halten von einer horizontalen Gewaltenteilung, da sie eben die lokale Vollgewalt anstreben oder bereits erreicht haben. Sie dürfen sich gar nicht zusammenschließen zu einer einheitlichen Zweiten Gewalt, denn jedes organisationsrechtliche Element der Einheitlichkeit fehlt in einer solchen Mehr-Machtsituation als Gewaltlage. Betrachtungen dazu hatten aber gezeigt, dass selbst bei einer funktional einheitlichen Tätigkeit noch immer ein Minimum organisatorischen Zusammenschlusses erforderlich ist, damit eine wirkliche Gewalt im Verfassungssinn sich konstituiere. Diese Karenz der organisationsrechtlichen Einheit wirkt jedenfalls dann entscheidend einer einheitlichen Zweiten Gewalt entgegen, wenn funktionalistische Besonderheiten der Tätigkeit bewusst ausgespielt werden gegen Organisationseinheit, wenn lokale Besonderheiten der Machtausübung noch die letzten Verbindungen zu anderen Gewaltträgem in irgendeiner Kooperationsform abschwächen oder gar unterbrechen. Daraus ergibt sich die nicht unwichtige Erkenntnis, dass eine Zweite Gewalt, selbst wenn es gelänge, sie wesentlich funktional als Einheit zu bestimmen, zu einer echten Gewalt sich dann nicht zusammenschließen kann, wenn 17*

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K. Ausblick: Zukunft in "kleinen Gewalten"

gerade dieser Funktionalismus sich ganz bewusst gegen alle Formen organisatorischer Gewaltenteilung wendet. Indem schließlich Muftismus jede Art von Gewaltenteilung misstrauisch betrachtet, ja zurückdrängen will, kann er auch nicht eine Zweite Gewalt anerkennen, wenn er im Namen des Einzelfalles alle Gewaltenteilung überspielen will, wie sich dies vor allem im Kommunalbereich zeigt. Gerade dort ist ja die gesamte Tätigkeit dieser Herrschaftseinheiten geprägt durch eine Gewaltenkonfusion in Richtung auf eine immer stärkere Einzelfallgewalt, welche die Satzungen den Verwaltungsakten annähert und die Spannung zwischen diesen, den Normen und den Globalentscheidungen der Allgemeinverfügungen immer mehr aufhebt. Dieser Muftismus will eben seine kleine Gewalt, gerade nicht in einem Zusammenschluss zu einer größeren, national konstituierten, wie sie auch nur im gesamtstaatlichen Zusammenhang vorstellbar ist. Er sieht die Kommune, ja das Land ganz deutlich als den "kleinen Staat", die Länder gerade in der Übergangskategorie der Stadt-Staaten und der Kleinst-Länder auch unter dem Blickwinkel der Kommunen. In ihnen ist ja dezentrale Budgetierung schon lange eine Realität, die sich nach ihrem Vorbild auch in andere autonomisierte oder zu verselbständigende Verwaltungseinheiten hinein ausweitet. Und in den kleinen Verhältnissen, welche der Muftismus beherrscht, wirken Finanzen unmittelbar aus der Mittelbereitstellung zum Einzelfall hin - für den sie eben letztlich auch bereitgestellt werden.

2. Bürokratie: Apparat-Muftismus a) VelWaltungseinheiten als kleine Herrschaftsbereiche

In zunehmender funktionaler Abkapselung bürokratisch eigenständiger Aufgabenerfüllung werden Verwaltungseinheiten immer mehr auch zu kleinen, selbständigen Herrschaftseinheiten. Das lokale Dominium wird dabei ersetzt durch eine sachliche, kompetenzmäßig sogar rechtlich verfestigte Eigenständigkeit. Innerhalb dieser kann sich dann ein echter Muftismus entwickeln, auf vielen Wegen: Möglichst viele eigene Verwaltungsvorschriften werden diese Einheiten versuchen zu erlassen, über welche sie als solche zu etwas wie Eigen-Gesetzgebern werden. Die Zusammenarbeit mit anderen Einheiten wird eher minimiert; und dies ist eine Realität, über die stets nach außen behauptete Kooperationsbereitschaft und auch gelegentliche tatsächliche Kooperation hinaus. Eine eigene Praxis entwickelt sich in jeder Einheit, in welcher der Einzelfall dominiert und in unklarer Verwobenheit von eigenständigem Normerlass, Normauslegung und -beurteilung sodann entschieden wird - eben in eigenständiger, eigenartiger Weise. In all dem vervollständigt "der Apparat" seine Legitimation auch noch in quasi- oder pseudodemokratischen Gestaltungen, welche ihm sogar im Na-

III. Muftismus gegen Einheit der Verwaltung

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men der Bürgernähe von oben vorgegeben werden, insbesondere über Kunden- und Benutzer-Beiräte, in welchen eine Betroffenendemokratie eben doch die normativ wirkende politische Demokratisierung im Kleinen ersetzt, zum Nutzen der kleinen Einheiten, in denen sich Muftismus ausbreiten kann. b) Personalmuftismus

In diesen kleineren Behördeneinheiten, die durchaus ja auch in Aufspaltung größerer Landes- oder kommunaler Verwaltungen unter diesen nochmals einen Apparatmuftismus entwickeln können, wird es allerdings nur selten zu Organisationsstrukturen oder auch nur -realitäten einer echten Persönlichen Gewalt kommen. An die Stelle eines personalen Unternehmergeistes tritt vielmehr ein eher kollektiver Behörden-Corpsgeist, der aus den sachlichen gemeinsamen Interessen des Personals erwächst. Verwaltungsobliegenheiten wandeln sich dann geradezu in Formen eigener Interessen des Personals, es findet sogar etwas statt wie eine Funktionalisierung des Personalzusammenhalts und dessen ständige Bewährung in gemeinsamer Aufgabenerfüllung. Der Behördenleiter, ja sogar "die Behördenleitung" als Begriff, als Institution verlieren, trotz mancher äußerer Erscheinungsformen, eben doch nach innen, innerhalb des muftizierten Apparats, an Autorität. So scheint sogar die zunehmende Apparatisierung in einzelnen Verwaltungsbereichen die Entstehung derartiger "kleiner Verwaltungsreiche" zu verhindern, welche als Wesen eines Verwaltungsmuftismus erkannt wurden. Je größer der Apparat wird, je mehr sich in ihm eine gemeinsame, aber doch in Personalkooperation anonymisierte Praxis entwickelt, desto stärker wird dieser selbe Apparat zur Gegenkraft eines Personal-Muftismus. Gewiss mag die Entstehung einer das gesamte Personal erfassenden und einbeziehenden Corporate identity in der Verwaltungseinheit bis zu einem gewissen Grad diesen Autoritätsverlust kompensieren; soweit sich jedoch die Mobilität des Personals verstärkt, wird sich diese Entwicklung auch ihrerseits wieder abschwächen. Diese kleinen Stadthalter-Bereiche brauchen immerhin nicht notwendig die Personifizierung des Stadthalters, Muftismus kann auch ohne Muftis sich entfalten. Die Abneigung der Bürger gegen Parteien, welche Menschen durch Programme ersetzen wollen, mag zunehmen und eben eine solche Bewegung begünstigen. Gesucht werden persönliche Entscheidungen, auch wenn sie nicht von einer Persönlichkeit ausgehen, wenn es nur irgendeine, vielleicht auch nur eine "kollektiv personalisierte" Verwaltungseinheit ist, in welcher sie getroffen werden. Wo immer aber in den kleineren Bereichen überhaupt "personalisiert" wird, da entfalten sich eben doch auch alsbald gewisse persönliche Führungsformen. Bis in die Verfassungsebene werden

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K. Ausblick: Zukunft in "kleinen Gewalten"

sie sich in aller Regel kaum hinaufentwickeln können, bis zur Gefahr einer Persönlichen Gewalt im Verfassungsstaat. Doch manche Kanzler- und Ministerattitüden zeigen sogar eine letzte Bereitschaft, auch "an der Spitze", in den großen kleinen Apparatbereichen auf Bundesebene etwas vom Personalmuftismus zum Tragen zu bringen. Und überall schlägt dann eben auch jene Bürokratisierung, die eigentlich zu Anonymisierung und damit Entpersönlichung führen sollte, letztlich auch wieder aus einem Apparatmuftismus um in einen solchen der Persönlichkeit.

3. Muftismus - Verschärfung der Krise des Gesetzes In dem vorstehend beschriebenen kleinen Herrschaftseinheiten entwickelt sich, verwaltungsimmanent, aus einer Administration, die sich aber nicht als Zweite, sondern als Vollgewalt fühlt, eine Gegensätzlichkeit, nicht nur zur Vorstellung einer gesetzesunterworfenen Verwaltung als Gewalt, sondern zum Gesetz als solchem und seinen Bindungen. Darin verstärkt sich, aus einer sich wandelnden Verwaltung heraus, noch immer weiter die bereits früher näher dargestellte Krise des Gesetzes. Das Wesen des Muftismus liegt ja, wenn auch meist lediglich in faktischen Erscheinungsformen, in einer Zusammenballung der Gewalten im klassischen Sinn in begrenzten Räumen, ausgeübt durch dieselbe kleinere Verwaltungseinheit. In dieser Gewaltenglobalisierung wird die Gewaltenteilung gewissermaßen verwaltungsimmanent aufgehoben, unter gleichzeitiger wiederum faktischer Verendgültigung der Machtäußerungen in diesen lokal und zudem auch noch oft sachlich abgegrenzten Bereichen. Darin verliert sich die Vorstellung von einer großen, aber doch gegliederten Staatseinheit in Gewalten. Aufgelöst wird nicht nur die Zweite Gewalt, welche zur Vollgewalt erstarkt, zurückgedrängt sieht sich vor allem die Erste Gewalt, die Gesetzgebung. Muftis als Gewaltinhaber können das Gesetz als solches nicht brauchen. Es würde ja Fremdbestimmung ihnen gegenüber bedeuten, jedenfalls hinsichtlich ihrer funktionalen Aufgabenerfüllung. Organisatorisch wären sie dann wohl, im Namen der Rechtsstaatlichkeit, eingebunden in größere Strukturen, deren Aufsicht sie auch noch vielfach unterlägen. Das Gesetz stellt ganz wesentlich in der Verwaltung eben auch hierarchisierte Zusammenhänge her, entweder indem es Gewaltenteilung als solche versucht, oder doch den Vorrang der Ersten Gewalt bringen will. Das Gesetz müssen die kleinen Verwaltungsherrscher ablehnen, geradezu grundsätzlich und begrifflich - soweit es eben nicht ihre "einzelfallnahe Verwaltungsnorm" darstellt. Die bereits dargestellte Krise des Gesetzes bedeutet vor allem die Auflösung der ehernen Tafeln, das Ende der Majestät des Gesetzes, in der Aufweichung der Ordnungskraft seiner Normen - oder im Zerbrechen an reali-

III. Muftismus gegen Einheit der Verwaltung

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tätsferner Überstarrheit. In all dem sehen sich die Kleinherrschaften begünstigt und fördern ihrerseits solche Entwicklungen: Majestät sind sie eben selbst, Gesetzesmajestät brauchen sie nicht. Der feme Sultan mag verdämmern. Die Abschwächung der Ordnungskraft des Gesetzes kommt ihnen zugute; in ihrer einzelfallorientierten Beurteilungs-Gesetzgebung führen sie die notwendige Härte in ihre kleineren Ordnungen ein. Die vielen die Gesetzlichkeit als solche auflösenden Gesetze schaffen einen Dschungel, in dem sich ihre kleinere Herrschaft verstecken kann, oder in den sie allein Schneisen schlagen wird, auch wenn dabei noch so viele größere Normbäume fallen müssen. Gefahrliche Überstarrheit der Gesetze flexibilisieren gerade sie, in ihrer dem Einzelfall ständig nahen Vollzugspraxis, welche überdies in "erträgliche Verwaltung" hinüberführt. Das Gesetz als solches wirkt über sie und auf sie nicht mehr als Ordnungsrnacht, sondern als ein Herrschaftsinstrument in gegenständlicher Verengung; sie können es immer mehr noch biegen, auf sich selbst zu, indem sie entweder selbst seine Vorschriften administrativ fortdenken, oder es in Verwaltungspraxis noch weiter auf ihre konkreten Einzelfall-Bedürfnisse konzentrieren. So begünstigen sämtliche Krisenerscheinungen des Gesetzes den Muftismus einer Herrschaftsvielfalt unverbundener Entscheidungseinheiten, die sich nicht zur Konstituierung einer definierbaren Zweiten Gewalt hochentwickeln, sondern in einer die Gewaltenteilung auflösenden, jedenfalls einebnenden Ursurpation der Staatsgewalt durch viele kleine Verwaltungseinheiten. 4. Muftismus - Degeneration der Gewaltenteilung

Diese Herrschaftsform kleiner Verwaltungseinheiten, wie immer sie sich im Einzelnen entfalten mag, stellt keine neue Form einheitlicher, aber dezentralisierter Staatsgewalt dar, welche hier nur einen neuen, vielfältigeren Ausdruck fände. Hier ist nicht eine vielköpfige Renaissance der einen Zweiten Gewalt, einer "Verwaltung als Gewalt", nur in neuer Form. Es wirkt darin letztlich vor allem, wenn nicht ausschließlich, eine im Ergebnis auch auf die Erste, über die Ausführung der Gesetze auf die Dritte Gewalt ausgreifende, die klassische Gewaltenteilung als solche am Ende völlig auflösende Degeneration der Zweiten Gewalt der Administrative. Diese findet daher in solchen Entwicklungen nicht etwa eine Bestätigung in neuer Form, es wird nur der Beweis erbracht, dass es diese Administrative als solche eben überhaupt nicht (mehr) gibt, dass sie ebenso zerfällt wie die Gesetzgebung, welche in ihre Auflösungserscheinungen mit hineingezogen wird. So ist ein derartiger Muftismus ein letzter Beweis, gewissermaßen aus der Entwicklung, ja geradezu aus einer bereits begonnenen Zukunft heraus, dass "die Verwaltung" keine eigenständige typische Gewalt mehr sein wird,

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K. Ausblick: Zukunft in "kleinen Gewalten"

dass sie kein typisch gewaltmäßiges Gesamtverhalten irgendwie, irgendwo zum Einsatz bringen kann, weder im Einsatz ihrer Hoheitsgewalt noch in sonstigem verwaltungstypischen Verhalten. Es wirkt dann eben nur eine eigenartige Form neuer Vollgewalt, welche nach heutigen Kategorien nichts anderes zum Tragen bringt als die Sicherung eines bestimmten Rechts-, insbesondere eines Gesetzeszustandes, aber nicht durch eigenartige Gewalt, die sich darin definieren und sich zu einer Verfassungsgewalt neben anderen organisatorisch verfestigt hochrechnen ließe. Gegen all dies reagiert der Muftismus in der ihm eigenen, bereits angedeuteten typischen Weise: Eigenes Verhalten der kleineren Herrschaftseinheiten setzt er in Gewaltenkonfusion ein; darin will er eine Gewalt schaffen, die wirklich diesen Namen verdient - allerdings nicht mehr exekutivisch bestimmt wie in der klassischen Gewaltenteilung, dafür aber um so einheitlicher und stärker in seinen "kleineren Kreisen".

IV. Der Verfassungsstaat ohne eine "Verwaltung als Gewalt" 1. Am Ende der Gewaltenteilung: eine andere Verfassungsordnung

Wenn die Grundthese der vorstehenden Betrachtungen zutrifft, oder die Entwicklung immer mehr in ihre Nähe treibt, so gibt es eine eigenständige und eigenartige Zweite Gewalt nicht, insbesondere vermag "die Verwaltung" als solche diese nicht zu konstituieren, da ihre Einheit sich immer mehr auflöst, vielleicht schon seit langem, noch vor den Anfangen ihrer Dogmatisierungen, nicht besteht. Damit aber fällt eine der tragenden Grundlagen der verfassungsrechtlichen Gewaltenteilung. Wenn mit der Verwaltung aus ihr die Zweite Gewalt als solche herausgebrochen wird, weil sie sich auflöst oder in Muftismus wandelt, so verliert die Gewaltenteilung als solche ihren Sinn. "Verwaltung" ist dann nichts mehr anderes als ein vielfältiges Staatsverhalten, welches sich im Rahmen der Rechtsordnung bewegt, deren Normen beachten muss, Administration eben das normentsprechende Verhalten des Staates, das sich nicht wesentlich mehr von der Normbeachtung durch den Bürger unterscheidet - und deshalb denn auch weitestgehend in den Formen dieser Letzteren ausübbar, privatisierbar wird. Eine Verfassungsordnung ohne Verwaltung ist als solche nicht vorstellbar in den Traditionen des modemen Verfassungsstaates. Sämtliche Bestimmungen über Verwaltung, welche sich, wenn auch vielleicht nur in Ansätzen, aber doch mit erheblichem Gewicht, auf Verfassungsebene finden, wären ihrer normativen Bedeutung schlechthin beraubt. In der deutschen Verfassungsordnung würde der Bundesrat seine eigentümliche Zwitterstellung in Kombination von Verwaltung und Gesetzgebung nicht mehr einnehmen

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können. Die Rechtsschutzbestimmungen verkämen zu eigenartigen, in ihrer Besonderheit nicht mehr zu· rechtfertigenden Prozesstechniken ohne grundsätzliches Eigengewicht. In der Vielherrschaft der kleineren Einheiten, in welche die Vollgewalt des Staates immer mehr "von unten her" zerbräche, käme eine neue Staatsorganisation zum Tragen, wie sie aber in der Verfassung als solche nicht vorgesehen, ja nicht einmal angedeutet ist, weil diese eben doch von der Fiktion, vielleicht auch nur der Illusion einer einheitlichen Zweiten Gewalt ausgeht. Im Einzelnen müssten vor allem die Kommunen (wieder) zu einem Grundtypus des Staatsorganisationsrecht, zu zentralen Trägem der Staatsordnung erstarken, da sie in ihrer modellhaften Nähe zu Formen des Muftismus noch am ehesten Ausgangspunkt einer neuen organisatorischen Staatsordnung wären. Die parlamentarische Verantwortlichkeit der Exekutive verlöre ihren eigentlichen Sinn, als Kontrolle über "eine Verwaltung", die es als solche, in ihrer Einheit nicht mehr gäbe. Damit stünde die Volksvertretung einer Vielfalt von Herrschaftsträgem gegenüber, der sie in der Einheitlichkeit ihrer wahlbegründeten Organisation in keiner Weise entsprechen könnte, die sie auch mit ihren Kontrollinstrumenten nur schwer mehr erreichen würde. Wenn schon im gegenwärtigen Ideal- oder Illusionszustand die parlamentarische Kontrolle über "die Vollziehende Gewalt" oder gar über "die Verwaltung" in den meisten Fällen inexistent ist, oder nur, höchst indirekt, über Fernwirkungen zum Tragen kommt, so würde sich dies zu voller Ineffizienz parlamentarischer Kontrolle steigern. Der gerade in Deutschland verfassungsrechtlich verfestigte pyramidale Staatsaufbau vom Bund zu den Ländern müsste sich in einer breiten Schichtung gewaltenkonfundierender Herrschaftseinheiten auflösen. Sie wären in vielfacher, kaum mehr einheitlich zu bestimmender Weise über- und untereinander geordnet. Damit geriete der Föderalismus, der immerhin eine gewisse Einheitlichkeit hierarchisierter Träger voraussetzt, in Auflösungsgefahr. Die Folge wären neue, eigenartige Phänomene einer Verwaltungsanarchie in vielfachen Formen eines reinen Organisationsrechts, welches den Bezug, ja die Beziehungsmöglichkeiten zu einheitlichen Freiheitsrechten verlöre. Erreicht würde nicht jene organisatorische Freiheitssicherung, welche durch wenige, starke Gewaluräger Grundrechtsschutz vervollständigen könnte, die Sicherung der ebenfalls wenigen, normativ konzentrierten Freiheitsrechte. All dies würde sich auflösen in eine Vielzahl von kleinen Herrschaftseinheiten, deren freiheitssichernde Funktion keine übergeordnete, in irgendeiner Weise doch hierarchisch zentralisierende Verwaltungsspitze mehr sicherstellen könnte, weder auf Bundes-, noch auf Landesebene. Darin geriete Klarheit, Überschaubarkeit, Vorhersehbarkeit und damit die Rechtsstaatlichkeit als solche in Gefahr, in dem, was sie eben doch noch

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K. Ausblick: Zukunft in "kleinen Gewalten"

immer den Grundrechten hinzufügen, worin sie deren Freiheitsschutz gewissennaßen organisationsrechtlich fortsetzen und vollenden kann. Was entstünde, wäre ein neuartiger "Staat der vielen Staatseinheiten". Vergleichbar wäre er allenfalls bereits mit gegenwärtigen Entwicklungszuständen einer "Wirtschaft", die sich als solche in einer wenig klaren und noch weniger effektiven Einheit über den vielen Unternehmenseinheiten wölbt, welche sie zwar zu treiben, nicht aber zu ordnen vennag. Gerade deshalb ist die Entwicklung zur Vielherrschaft der kleinen Einheiten nicht eine Vision in Femen, sondern wohl eine bereits begonnene Zukunft. Und in ihr setzt sich dann der ökonomische Muftismus, die unübersehbare Bürokratisierung der Gesellschaften und Unternehmen, fort in den Staat hinein, der sich seinerseits so entfaltet, dass er wiederum über Privatisierung den Anschluss an die Wirtschaft gewinnen, sich weithin sogar in diese auflösen kann. Von welchem Gesichtspunkt aus immer man also diese Realität und ihre zu erwartenden weiteren Entwicklungen betrachtet, diese Auflösung der Administrative und mit ihr die Verunsichtbarung einer Zweiten Gewalt - in all dem findet bereits heute und wohl erst recht in absehbarer Zukunft eine tiefgreifende Mutation des Verfassungs staates statt, von seiner in Gewaltenteilung gegliederten Einheit in eine Vielherrschaft neuer, "voller" Verwaltungen. 2. Das Ende der Verwaltung - Ende der Ordnungskraft des Öffentlichen Rechts, der Herrschaft des Rechts über die Macht In einer solchen die Gewaltenteilung auflösenden Entwicklung zerbräche mehr als ein zentraler Inhalt jener Rechtsstaatlichkeit, auf der doch noch immer die gesamte Verfassungsordnung beruht. Es wäre dies eine Entwicklung weg von den geistigen Ordnungskräften des Rechts über die Macht, wie sie gerade das modeme Öffentliche Recht seit der Französischen Revolution, seit deren Vorläufer-Doktrin eines Montesquieu, hatte bringen wollen. Die Gewaltenteilung war ja für diese ihre Entstehungszeit und sie ist noch heute weit mehr als ein nonnativ nichtssagender Beschreibungsbegriff: Sie stellt den großen, übergreifenden Versuch gesamtordnender Staatstechnik dar; er wäre in solchen Entwicklungen funktional wie organisatorisch gescheitert. Entstehen würde unter dem Mantel der Illusion einer fortwirkenden einheitlichen Zweiten Gewalt, einer irgendwie doch in Hierarchie zusammengeschlossenen Verwaltung, eine wahre Staatshydra, ein monstro simile aus kleinen Muftis. Eine solche Entwicklung entspräche der des Gesetzes in seine immer tiefere Krise hinein, welche auch noch durch derartige Verwaltungs-Verselb-

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ständigungen verschärft würde: So wie "das Gesetz" sich auflöst in immer enger gebündelte einzelne Machtentscheidungen, in Instrumentarien der Macht, nicht in deren Ordnung, in eine Vielfalt, wie sie keine Verfassungsgerichtsbarkeit mehr zu einer Rechts- oder Verfassungsordnung zusammenfügen kann, welche diesen Namen verdiente - so würde sich hier die Verwaltung als solche auflösen, zusammen mit der und durch die Krise des Gesetzes. In Auflösungsgefahr geriete mit solchen Tendenzen schließlich das gesamte Öffentliche Recht als solches. Gedacht war es ja, gerade in dem Schema der Gewaltenteilung, als eine Anti-Macht-Technik, welche den sich faktisch immer wieder zusammenballenden Machterscheinungen, geradezu tenninologisch mit speziell geordneten Pouvoirs, eben auch mit machttragenden Gewalten entgegenwirken sollte. Wenn sich dieses ganze System in immer zahlreichere kleine Einheiten auflöst, die dann aber als Organe der rechtlichen Macht des Faktischen doch, und gerade in ihrer Zusammenballung, echte Machtzentren werden, so ist ein derartiges Macht-Karzinom nicht mehr zu beherrschen. Das Öffentliche Recht war bisher immer und wird auch in Zukunft sein wesentlich eine Ordnung in Verwaltungsrecht und aus diesem heraus. Wenn es nun aber "eine Verwaltung als solche" nicht gibt, so verliert das Öffentliche Recht sein eigentliches, herkömmliches, und zwar vor allem sein rechtstechnisches Zentrum, in welchem es machtordnend von jener in das Bewusstsein aller Juristen tritt. Dann könnte sich eine Entwicklung verstärken, welche heute bereits zur Zerfaserung dieses Verwaltungsrechts geführt hat, zu seiner Auflösung in immer weitere Spezialmaterien: In postglossatorischer Eifrigkeit läuft dann das Öffentliche her hinter all diesen verselbständigten Bruchstücken einer doch als einheitlich gedachten, sich immer weiter auflösenden Macht, ohne dogmatisches Vereinheitlichungsstreben. Eine gesetzesgebundene Gerichtsbarkeit, von welcher Dogmatik als solche nicht zu erwarten ist, wird dann dieses Ende der verwaltungsrechtlichen Dogmatik aus dem Ende der einheitlichen Verwaltung nachvollziehen, präzisieren und zu geltendem Recht machen. Schwächer werden dann die Versuche, diesen eigentümlichen Machtkonzentrationen in den vielen kleinen Einheiten entgegenzutreten. Die Gesetze werden sie immer mehr im Letzten lediglich beschreiben und legitimieren, zu ihrer Grundlage werden, nicht mehr zu vor ihnen die Freiheit schützenden Schranken. In dieser unübersehbaren Vielfalt von Verwaltungen lässt sich dann das Recht als solches nicht mehr machtbändigend durchsetzen. Es wird in immer neue Mutationen getrieben, verliert eigene Strukturen und Prinzipien, aus denen heraus allein es dem doch immer im Letzten faktisch einheitlichen Willen zur Macht entgegentreten könnte, während es hier aber nur aus kleinsten Herrschaftseinrichtungen heraus kommt.

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Klar muss sein, dass mit den hier betrachteten Entwicklungen das Zentrum der traditionellen Rechtsstaatlichkeit und damit der Verfassung in Gefahr gerät: Die Unterordnung einer Verwaltung unter die Gesetze, einer Verwaltung, die es als solche nicht mehr gibt, unter Gesetze, die sich in ihrer Krise verlieren. Dann mag man sogar darin noch einen späten, ja endgültigen Sieg des Rechts über die Macht glauben erkennen zu können, wenn man feststellen darf: Die Verwaltung ist tot - es leben die Verwaltungen. Doch steht dahinter etwas anderes als die wahrhaft furchtbare Antithese zum Rechtstaat: "Die Macht ist tot - es leben die Mächte"?

Zusammenfassung der Ergebnisse Einteilung entsprechend dem Inhaltsverzeichnis; siehe dort die jeweiligen Seitenzahlen.

A. I. "Gewalt" im Sinne der Gewaltenteilung kann als Tätigkeit bestimmter Gewaltträger oder als Erfüllung gewisser Funktionen bestimmt werden; die Verfassung gibt keine klare Antwort, die Dogmatik ist funktionalistisch orientiert.

11. Letzteres liegt nahe, denn "Zweite Gewalt" ist organmäßig verstanden eher ein historisches Missverständnis: Organisationsrechtlich bezeichnet der Begriff, in Frankreich und selbst in Deutschland, nur Momentaufnahmen zerfallender monarchischer Exekutivmacht. In der Gewaltenteilung behauptet sie ihren Platz lediglich in Folge der Entdeckung des Gesetzes - als eine dieses "vollziehende" Gewalt. III. Eine organisationsrechtliche Verortung der Exekutive als solcher, als einer einheitlichen "Gewalt" in der Verfassung, kann nicht gelingen. Regierung ist nicht wesentlich Trägerin "vollziehender Gewalt" und mit "Verwaltung" als Zentralbegriff der Exekutive nicht identisch. IV. Der Weg einer "funktionalen" Bestimmung der Zweiten Gewalt könnte führen über die Aufgabenerfüllung des Gesetzesvollzugs, den Einsatz hoheitlicher Gewalt oder die Besorgung eigener Angelegenheit durch öffentliche Träger.

B. I. Eine Zweite Gewalt als Einheit oder eine Verwaltung als Verfassungsgewalt lassen sich aus einem einheitlichen Gesetzesbegriff nicht definieren, schon angesichts der "Krise des Gesetzes", sondern allenfalls aus dem Vollzug dieser Nonnen. Es fragt sich aber, ob dies mehr sein kann als eine Fortsetzung der Tätigkeit der Ersten Gewalt mit anderen Mitteln. Die rein faktische Verwirklichung eines gesetzeskonfonnen Zustands (Sanktionierung des Gesetzes) kann zur rechtlichen Konstituierung einer Verfassungsgewalt nicht ausreichen.

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Zusammenfassung der Ergebnisse

11. "Gesetzesanwendung als Verwaltung" zu bestimmen ist ebenfalls problematisch. Hier wird doch das Gesetz nur "bis zum Einzelfall fortgedacht", nicht ihm etwas Neues hinzugefügt, was spezifischer Ausdruck einer eigenständigen Zweiten Gewalt wäre. Bei gesetzesgebundener Verwaltung besteht dafür kein Raum, nimmt man die rechtsstaatliche Bindung der Verwaltung ernst. Aus Beurteilungs- und Ermessensspielräumen allein - sie werden ohnehin immer weiter eingeengt - lässt sich eine Administration nicht definieren, die auch dort noch, durch innere und äußere Schranken, gesetzesdeterminiert ist. III. "Verwaltung als Fortsetzung der gesetzgebenden Gewalt" leitet allenfalls zu organisationsrechtlichen, nicht funktionalen Bestimmungsversuchen zurück: nach der "Demokratizität" der Anbindung dieser Normkonkretisierungsinstanzen an den Volkswillen - doch dies verliert sich in der ausweglosen "demokratischen Legitimationsdebatte" der Staatsgewalt, aus welcher sich die Begründung einer "Zweiten Verfassungsgewalt" nicht entfalten lässt.

c. I. Eine vertiefte Theorie der "Hoheitsgewalt" gibt es nicht; "das Verwalten" lässt sich aus ihr auch nicht definieren, was schon seit langem die Existenz verwaltungsrechtlicher Verträge, das informelle Verwaltungshandeln und das "Verwaltungsprivatrecht" beweisen. Hoheitsgewalt als "letztes Druckmittel" kann dafür eben so wenig genügen.

Nicht nur im Verwalten, sondern vor allem auch im Gesetzesbefehl wird Hoheitsgewalt eingesetzt, häufig führt dies sogar ohne Zwischenschaltung der Administrative zur hoheitlichen Entscheidung der Dritten Gewalt. Verwaltung setzt nur Hoheitsgewalt ein zur Effektivierung anderer Hoheitsgewalten. Administrative Hoheitsgewalt ist kein Konstitutivelement einer Verfassungsgewalt, sondern allenfalls eine kontingente Gewaltmarginalie. Sie bewirkt nur eine "Rechtsbehelfsumkehr", erspart Behörden eigene gerichtliche Schritte; schon dass der Verwaltung häufig ein Wahlrecht zusteht zwischen hoheitlichem und nichthoheitlichem Tätigwerden, das immer mehr im letzteren Sinne genutzt wird, zeigt die beschränkte Bedeutung der Hoheitsgewalt. Sie stellt auch nur ein vorläufiges Selbsthilfeprivileg dar, bis ein angerufener Verwaltungsrichter endgültig entscheidet. Allenfalls ist hoheitliche Gewalt eine Modalität der Gesetzesverwirklichung durch die gesetzesunterworfene Exekutive, ohne wesentliches, eine Verfassungsgewalt konstituierendes Eigengewicht.

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11. In zentralen traditionellen Bereichen des "Besonderen Verwaltungsrechts" zeigt sich administrative Hoheitsgewalt lediglich als Fonn gesetzesfortsetzenden Verwaltens. Baurechtliche Nonngebung durch Satzungsgewalt wird zu Unrecht der "Verwaltung" zugerechnet - es ist dies Gesetzgebung, Bauplanungen sind Legislativakte der Kommunalparlamente, nicht "Gesetzesvollzug". Dies entspricht eindeutig der h.L. zur Nonnenhierarchie. Kommunalaufsicht über diese Satzunggebung ändert daran nichts. Jenseits des Satzungserlasses ist Bauverwaltung im Wesentlichen nur (teilweise bereits präventive) Überwachung eines gesetzeskonfonnen Bürgerverhaltens, wie dies auch Bürgeranzeigen bei Gericht realisieren könnten. Gerade hier werden ohnehin Behörden schon zunehmend nur tätig, wenn sie "angestoßen" werden vom Bürger. Verwalten erschöpft sich dabei in vorsorglich vorgreiflicher Realisierung des gesetzgeberischen Willens. Im Übrigen bewirkt die Verwaltung in ihren Beurteilungsspielräumen Nonnverdeutlichung, allenfalls noch Nonnverfeinerung. Soweit dies richterlich unüberprüfbar bleibt, handelt es sich entweder um "Verwaltungsgesetzgebung" (durch Richtlinien) oder um para-judikative Beurteilungen, in engsten Grenzen, was eine eigenständige Verfassungsgewalt als Verwaltung nicht zu konstituieren vennag. Diese Art von "Beurteilungsgewalt der Verwaltung" ist ein Zugeständnis an legislative Unnonnierbarkeit, vergleichbar darin vom Richter anzuwendenden Generalklauseln. Die Übernahme von Wirklicbkeitsmaßstäben bei der Beurteilung ist Aufgabe aller Staatsgewalten, nicht spezifisch der Verwaltung. Typisch verwaltungsrechtliche Grundsätze administrativen Handeins gibt es nicht - rechtsstaatliche Prinzipien insbesondere gelten für alle Verfassungsgewalten; dies trifft auch für einen - etwaigen - Grundsatz der Effizienz zu, auch die Verwaltungslehre konnte bisher nichts anderes feststellen. Im Ergebnis erweist sich Verwaltungstätigkeit im Baurecht weithin entweder als "privatisierbar" oder letztlich als "judikativierbar" - auf Bürgeranstoß hin vom Richter auszuüben. III. Im Polizeirecht lassen sich ebenfalls Verwaltungsbesonderheiten nicht auffinden. Polizei ist nicht "spezifische Verwaltungstätigkeit", sondern im Wesentlichen Normrealisierung, Durchsetzung von Nonngehorsam. Hier wird zunehmend repressiv gehandelt. Doch auch präventives Eingreifen ist nichts als vorsorgliche Realisierung des gesetzgeberischen Willens. Handeln nach Opportunität - früher ein Grundprinzip des Polizeirechts - wird immer weiter durch Gesetzesbindungen zurückgedrängt. Eine charakteristischselbständige Verwaltungstätigkeit ergibt sich daraus nicht. Vielmehr ist die besonders strenge Gesetzesbindung der Sicherheitsverwaltung ein Beweis gegen eine eigenständige Verwaltung als Verfassungsgewalt.

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D. I. "Verwalten" meint, nach allgemeinem Sprachgebrauch, zuallererst "Sich kümmern um Eigenes". Davon ging ursprünglich auch das öffentliche Recht aus, das sich historisch nicht aus einem eigenständigen Begriff der "staatlichen Verwaltung" entfaltet hat.

"Verwaltet" wird, was einem Rechtsträger zugeordnet ist, durch Verfügungsberechtigung oder als anvertrautes Gut. "Verwalten" beinhaltet dabei intensivere Befassung mit einem Gegenstand, im Eigentumsrecht wird es von dessen Nutzung unterschieden; seine Grundaufgabe liegt in der "nutzbringenden Substanzerhaltung" . Modeme Management-Vorstellungen haben dies Letztere dynamisiert, aber nicht aufgehoben. Lässt sich aus Übertragung dieser Vorstellungen auf den Staat dessen "Verwaltung" definieren? 11. Historisch war staatliche Verwaltung ursprünglich ein solches "Sich kümmern um Eigenes oder Anvertrautes": Der Fürst (und sein Staat) hatten zunächst privat-ähnliches oder lehens/feudalrechtliches Eigentum an Land, Leuten und Macht über diese, sodann zumindest noch weitreichende OberEigentumsbefugnisse. Dieses "Eigene" galt es bewahrend zu - verwalten, insbesondere Grundstücke und Rechte an solchen. Dazu gehörten auch die Regalien, im Hochabsolutismus wurde dies auf das "Abgabenregal" ausgedehnt - Steuerverwaltung entstand als Befassung des Fürsten mit "Eigenem". Im Wohlfahrtsstaat kümmerte sich, in erneuter Erweiterung, dessen Verwaltung um "eigenes Land", eigene Leute. III. Brücken von der Verwaltung des "feudalen Eigenen" zu der des "Staatseigentums" wurden im 19. und 20. Jahrhundert geschlagen: durch das Berufsbeamtenturn als Verwaltungs-Institution des "Sich Kümmerns um den Staat", durch verbleibendes Staatseigentum als Gegenstand des Verwaltens, spät noch über die Vorstellung vom marxistisch-kommunistischen Staatseigentum als Gegenstand öffentlicher Verwaltung. Doch keine dieser Konstruktionen trägt heute zu einer Definition "der Verwaltung" bei. IV. "Verwaltung" kann gegenwärtig nicht aus der "Befassung mit eigenem Verwaltungs-Gut" definiert werden. Die Verwaltungszielsetzungen wie die Staatsaufgaben sind zu unterschiedlich, der Schwerpunkt der Letzteren hat sich zur altruistischen Serviceleistung an den Bürger verlagert.

E. I. Privatisierung ist, seit längerem schon, eine mächtige "Anti-Verwaltungs-Bewegung", nicht um modische Forderungen handelt es sich, sondern um heute weithin weltbeherrschende marktwirtschaftliche Entwicklungen.

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"Privatisierung" richtet sich wesentlich gegen die öffentliche Verwaltung. Trotz privater Selbstregulierungen und erweiterter Vertragsfreiheit - Privatisierung der Gesetzgebung ist kein Ziel, ebensowenig, trotz der Entwicklung von Mediation und Schiedswesen, Privatisierung der Gerichtsbarkeit. 11. Gegenwärtige Privatisierungen sind Gegenbewegung zu früherer, historisch kontingenter Publifizierung. Allzu lang haben noch Regalien- und Wohlfahrtsstaatlichkeits-Vorstellungen fortgewirkt, ohne überzeugende Begründung - der Sozialismus hat über ein Jahrhundert lang Wohlfahrtsstaatlichkeit staatsadministrativ fortsetzen wollen. In Krieg und Kriegswirtschaft wurde diese bereits überlebte Verwaltung nochmals gestärkt, und dies wirkte von der Wirtschaftsadministration über auf das allgemeine Verwaltungsverständnis. III. Die wirtschaftliche Staatstätigkeit geht jedoch, seit der zweiten Nachkriegszeit, unaufhaltsam zurück. Staatsproduktion löst sich auf, Staatsmonopoie verschwinden - ihr Begriff als solcher gerät ins Zwielicht. Die "Daseinsvorsorge" - von Anfang an eine unklare Vorstellung - sieht sich in Subsidiarität gedrängt gegenüber privater Wirtschaftsfreiheit. Überall stößt Privatisierung in Wirtschaftsräume vor, welche der Staat mit seiner "Verwaltung" nur zeitweise besetzt hat und mit neuerdings anfechtbar gewordener Begründung. IV. Privatisierung dringt aber heute bereits in "klassische Verwaltungsbereiche" vor. Es fragt sich, ob Hoheitsverwaltung nicht allgemein und grundsätzlich privatisierbar ist, nachdem sie sich nicht mehr auf "Staatsmonopole" stützen kann. Fast überall wird bezweifelt, dass der Einsatz von Hoheitsgewalt erforderlich sei, und ob staatliche Verwaltungsaktivität nicht nur Normdurchsetzung darstelle - also eine Fortsetzung der Gesetzgebung mit anderen Mitteln. Im Schul- und Unterrichtsbereich findet weniger Gesetzesvollzug statt als Bildungsverrnittlung, Hoheitsgewalt ist dazu nicht erforderlich, staatliche Trägerschaft nicht unabdingbar, wie Regelungen im Ausland zeigen. Dasselbe gilt für das Gesundheitswesen; Gesundheit ist kein Verwaltungsgegenstand. In beiden Bereichen lässt sich "Staatsverwaltung" auf ganz engbegrenzte Überwachungs- und Garantiefunktionen zurücknehmen, welche aber auch nur die Überwachung durch Betroffene, Medien und Allgemeinheit ergänzen und systematisieren. Aus dem Militärbereich zieht sich staatliche "Verwaltung" in der weitestgehend privatisierten Beschaffung, wie neuerdings aus der öffentlichen Kasemen- und Anlagenüberwachung zurück. Eine Berufsarmee mag auf privatrechtlicher Grundlage rekrutiert werden und funktionieren. Öffentliche Beschaffungs- und Enteignungsverwaltung kann ganz allgemein über privatrechtlich geregelte Vor- und Zwangskaufrechte abgewickelt werden; weitgehend entspricht dies bereits der Praxis. 18 Leisner

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Selbst "Polizeitätigkeit" ist bereits weithin privatisiert über Sicherheitsdienste und angestellte Helfer. Sicherheitsvorkehrungen, wie etwa Alarmanlagen, werden ohnehin zunehmend auf den Bürger abgebürdet. Selbst vor Zwangsvollstreckung und Strafvollzug machen Privatisierungsforderungen und -möglichkeiten nicht Halt. Ein hoher Anteil herkömmlicher Staatstätigkeit ist bereits in Aufgaben-, ein weiterer in Organisationsprivatisierung der "Verwaltung" entzogen worden. "Virtuelle Privatisierbarkeit" reicht dort noch viel weiter. Aus den engen Restaufgaben der Überwachung und der "Gewährleistung gesetzeskonformer Zustände" lässt sich ein allgemeiner Verwaltungsbegriff weder dogmatisch noch praktisch als Grundlage einer Verfassungsgewalt gewinnen.

F. 1. Verwaltung könnte wesentlich als "Förderungsgewalt" verstanden werden, sozial und wirtschaftlich. Doch hier setzt der Staat nicht "eigene Mittel" ein zur "Hilfe für bedürftige Nächste"; seine Verwaltung ist nur eine Form der (Ver-)Sicherung auf Gegenseitigkeit. 11. Überdies ist gerade solche Förderungstätigkeit fast durchwegs nur enggebundener Gesetzesvollzug, wie ihn auch private Träger gewährleisten könnten und weithin schon durchführen (Banken, Versicherungen). Bei der Sozialversicherung sind Ausgabenseite (Mittelverteilung) wie Einnahmenseite (Beiträge, Steuern) weitestgehend schon vom Gesetzgeber ausgestaltet. III. Subventionierung ist Gesetzesvollzug; dies gilt einheitlich für alle Förderungen. Dass nur selten ein Rechtsanspruch auf Subventionen besteht, vermittelt der verteilenden Verwaltung keine eigenständige exekutivische Gewalt. Die hier erforderliche, oft aufwendige Feststellung der wirtschaftlichen Förderungsvoraussetzungen ist Einsatz buchhalterischer Technik, nicht administrativer Entscheidungsmacht. Auch Haushaltsvollzug durch Mittelverteilung muß als Gesetzesvollzug erkannt werden, die herkömmliche Unterscheidung zwischen Gesetzen in materiellem und (nur) formellem Sinn steht dem nicht entgegen. IV. Sozialverwaltung ist nicht notwendig staatliche Administration. Mag sie einst auch als eigenständiges, öffentlich-privates Sicherungssystem entstanden sein - heute bewegt sie sich allgemein in Richtung auf Formen der Sozialversicherung, über Zuzahlungen der Versicherten und deren privatautonome Entscheidung für zusätzliche Sicherungen. Privatisierungsentwicklungen vollziehen sich, jedenfalls in der Organisation der Mittelverteilung, auch bei anderen Sozialleistungen. Staatlicher Verwaltung bleibt sicher bis auf weiteres die Domäne der Sozialhilfe; doch typische verwaltungsmäßige

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Gestaltungen sind auch hier nicht notwendig. Der zu Zeiten groß angelegte Versuch einer eigenständigen "Sozialverwaltung" zwischen Kapitalismus und Sozialismus verliert sich, in neueren Entwicklungen der sozialen Marktwirtschaft, in privatrechtsnaher gesetzesausführender Mittelverteilung. Da ist kein typisches "Verwalten". Unbezahlbarkeit, wegen Mangel öffentlicher Mittel, und vordrängende Wettbewerbsphilosophie lassen am Horizont schon Anzeichen eines Auslaufens des Subventionsdenkens überhaupt erkennen. "Verwaltung" kann sich nicht (mehr) aus Förderung definieren.

G. I. Eine Einheit der "Verwaltung" im Sinne einer "vollziehenden Gewalt" lässt sich also funktional nicht begründen. Auch organisatorisch kann dies nicht gelingen: Die Verwaltung ist organisatorisch völlig versplittert.

Organisatorische Gewaltenteilung innerhalb der Verfassungsgewalten mag es geben, doch die Erste wie die Dritte Gewalt weisen auch eine gewisse organisatorische Einheit auf - jene in der Über/Unterordnung der Normenhierarchie, diese im Instanzenzug. 11. Dem gegenüber stehen im föderalisierten und kommunalisierten Staat die Verwaltungsträger Bund, Länder und Gemeinden sowie zahllose autonomisierte Instanzen organisatorisch nahezu beziehungslos nebeneinander. III. "Verwaltung" als organisationsrechtliche Einheit könnte sich aus einheitlichen Direktiven für alle Administrativinstanzen ergeben; und in der Tat ist die Vorstellung von "einer Administration" historisch entstanden aus der einheitlichen Direktivgewalt des Monarchen. Auch heute noch sind die Verwaltungsorgane zu allererst der Anordnungsgewalt ihrer hierarchisch untergeordneten Stellen unterworfen; ihrem Wesen nach ist jene politisch-extranormativ, wirkt aber weithin normergänzend. Dies entspricht der traditionellen, einheitlichen französischen Vorstellung von einer Administration, die darin die Gewalt des Monarchen fortsetzt. IV. Die föderale Grundvorstellung sieht zwar "Verwaltung als Staatsmacht", geht aber gerade von deren Teilung aus. "Regierungszersplitterung" stellt Bundes- und Landesregierungen, als jeweils oberste politische Direktiv-Organe der Zweiten Gewalt, ungeordnet nebeneinander. Die Einheit der Verwaltung wird in der Föderalverfassung durch das Eigenrecht der Länder zur Bestimmung von Einrichtungen und Verfahren ihrer Behörden weitestgehend aufgelöst. Ein "Durchregieren" vom Bund in die Länder findet nur in engen Grenzen statt. Der Bundesrat zeigt Verwaltung als Kondominium von Bund und Ländern, er bildet aber keine organisatorische Klammer für "eine deutsche Verwaltung". In einer dergestalt aufgelösten "Verwaltungseinheit" kommt es nicht nur zu einer Zersplitterung des Ge18*

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setzesvollzugs, sondern auch zu einer solchen der dahinterstehenden parteipolitischen Mächte - oft bis zu einer "Mitregierung der Opposition (im Bund) über die Administration (im Land)". V. Die weitreichende Kommunalisierung des Staates steht organisatorisch einer "Verwaltung als eigenständige Staatsgewalt" entgegen. Sie bedeutet eine Entscheidung der Machtverlagerung an die Basis, nicht für Gewaltenteilung. Vielmehr ordnet herkömmliches Gemeinderecht die Kommunalgewalt in weitgehender Gewaltenkonfusion von Räten und Bürgermeistern/Verwaltungsspitze. Darin erscheint die Kommunalverwaltung geradezu als "öffentliche Gewalt sui generis". Eine Kommunalaufsicht die sich auf dem Rückzug befindet - kann daran wenig ändern. Darin wird "die Verwaltung" im Kommunalstaat "von unten her geschwächt", eine Vorstellung von ihrer Einheit wird im Namen des Selbstwertes der (kommunalen) Verwaltungsvielfalt nun zunehmend in Frage gestellt. VI. Autonomisierungen von Verwaltungsträgern, auf allen Ebenen, sind heute ein vieWUtiges, kaum noch zu übersehendes organisationsrechtliches Phänomen enthierarchisierender Auflösung der Verwaltungseinheit. Sie kommen meist aus einem Bestreben organisatorischer Freiheitssicherung. In der "Vollautonomisierung" legislativen und administrativen Selbstandes orientieren sie sich nicht selten am Kommunalmodell. Als "funktionale Selbstverwaltung" ist dies heute bereits spezieller Gegenstand dogmatischer Untersuchungen. Ihre vielfaltigen Formen, weithin in organisationsrechtlicher Bewegung, reichen von der Behördeneinrichtung und dem Verwaltungsverfahren bis zu Finanzierungsautonomie, Personalhoheit und Einbau YQJ;L Formen der "Betroffenendemokratie". Allenthalben vollzieht sich, in der Ausweitung derartiger Autonomisierung, eine wahre Selbstverwaltungsosmose: Horizontal wie vertikal breiten sich solche Formen organisatorischer Verselbständigung aus, weithin als Demokratisierung legitimiert, und diese die Einheit der Verwaltung auflösende Entwicklung lässt sich noch schwerer in Grenzen halten als Föderalisierung und Kommunalisierung.

H. I. Neue Einheit der Verwaltung aus europäischem Recht könnte an sich der europäischen Hoffnung einer Integration von Vielheit entsprechen, dem Ziel einer Zusammenordnung in einheitlich-übergreifenden Institutionen. Macht, ja Aufblähung der Verwaltung in der Gemeinschaft rufen andererseits Euroskepsis auf den Plan. 11. Gewaltenteilung gibt es im Gemeinschaftsrecht nicht nach den klassischen staatsrechtlichen Vorstellungen. Auf föderal-vertikale, nicht auf horizontale Gewaltenteilung ist die Organisation eines geeinten Europa aus ge-

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richtet. Die Kommission ist eher als ein Organ der Gewaltenkonfusion konzipiert. Eine gewisse, sich wohl noch verstärkende, Administrativierung europäischer Gemeinschaftstätigkeit ist feststellbar, vielleicht etwas wie eine innerexekutivische Gewaltenteilung, nicht aber der Geist einer einheitlichen europäischen Verwaltung. III. Die Kommission hat sehr weite Beurteilungsspielräume auszufüllen, schon angesichts der Unbestimmtheit der vertraglichen Regelungen. Sie wirkt darin aber mehr als rechtskonkretisierende Legislative denn als Verwaltung. Allenfalls weist dies in die Richtung einer Administrative als Para-Gesetzgeberin.

J. I. Verwaltung hat sich als eine im Rechtlichen unauffindbare Macht erwiesen. Typisch "Administratives" zeigt ihre Tätigkeit nirgends; eine einheitliche Zweite, vollziehende Gewalt vermag sie weder bei funktionaler noch bei organisatorischer Betrachtung zu konstituieren.

11. Dennoch ist Verwaltung eine zentrale Staatsmacht - Macht vor allem der vollendeten Tatsachen. Dies zeigt sich in der eindeutigen und weithin entscheidenden Faktizität ihres Wirkens. Als "zahlende Hoheitsmacht" verändert sie die Realität meist irreversibel. In der Verwaltung "tritt der Staat in Erscheinung", begegnet er dem Bürger. Sie ist das wichtigste Staatsorgan, das der "normativen Kraft des Faktischen". In diesem Sinne erweist sich militärische Machtentfaltung als Prototyp administrativen Wirkens. III. Verwaltung ist für den Bürger die "nächste Staatsmacht". Gesetzgebung bleibt für ihn meist in hoher, abstrakter Distanz, Gerichtsbarkeit ist nur zu oft zeitlich fern als verspätete Macht. IV. Die Verwaltung wird in der täglichen Faktizität ihrer Machtausübung zur handelnden Staats-Person. Die Gewaltenteilung als solche trägt sie nicht, daher ist diese letztlich nicht mehr vollziehbar.

K. I. Ein Ausblick öffnet sich von hier in eine "Zukunft in kleinen Gewalten", in einen ordre de Mufti. Solcher Muftismus könnte sich in eng lokalisierten oder sachlich eingegrenzten Herrschaftsbereichen entwickeln, in "kleiner Persönlicher Gewalt" oder Corporate identity von Entscheidungsträgem, die sich normativen oder anordnungsmäßigen Bindungen entziehen wollen.

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Zusammenfassung der Ergebnisse

11. Landes- und Kommunalexekutiven können Modell sein für solche Herrschaften in kleinen Einheiten; Landesväter und Bürgermeister erscheinen bereits gelegentlich als Verkörperungen eines Muftismus. III. Darin müsste sich dann die bereits aufgelöste "Einheit der Verwaltung" vollends verlieren. Solche Kleinherrschaft bedeutet die endgültige Auflösung einer einheitlichen Exekutivgewalt; Bürokratie kann dort Apparatmuftismus hervorbringen. Eine daraus folgende Gewaltenzersplitterung würde auch die bereits laufende Krise des Gesetzes verschärfen. In der Gewaltenkonfusion der Kleinherrschaften müsste Gewaltenteilung vollends degenerieren. IV. Der gegenwärtige Verfassungsstaat ist aber ohne "Verwaltung als Gewalt" auch im Rechtssinne nicht vorstellbar. Eine Auflösung seiner Gewaltenteilung würde jedoch wohl in eine andere Verfassungsordnung münden, das "Ende der einen Verwaltung" das Ende der Ordnungskraft des Öffentlichen Rechts bedeuten - der Herrschaft des Rechts über die Macht. Die Verwaltung ist als "Staats-Macht" Jahrhunderte lang bekämpft worden, im Namen des Rechtsstaats. Soll es aber eines Tages heißen: "Die Macht ist tot - es leben die Mächte"?

Sachverzeichnis Absolutismus 120, 122 f. Administration s. Verwaltung Ämter, Zugang zu öffentlichen 154 Allgemeine Geschäftsbedingungen 135 Allgemeines Verwaltungsrecht 94 f., 100 Allgemeinverfügung 41, 77 Ancien Regime 24, 188 Arbeitsplätze 177 Arbeitsvermittlung 167 Aufsicht 218 f Ausbildungsförderung 185 Auslegung 37,43, 84, 86, 250 Ausnahmegenehmigung 90 f Außenpolitik 23, 30, 40, 93, 137 Autonomien 31, 54, 195,221 jJ., 255 s. auch Finanzautonomie, Selbstverwaltung Baurecht 72 jJ. - Anzeigepflichten 82 - Ausnahmegenehmigungen 90 f. - Bauaufsicht 77 f. - Bauplanung 73 ff. - Bauüberwachung 83 - Beurteilungsspielräume 84 jJ. - öffentliche Interessen 84 - Satzungen 72 jJ. - und Umweltschutz 84 - und Wirklichkeitsmaßstäbe 91 jJ. Beamtenrecht 46,56,66 f., 74 Beamtentum 122 jJ., 132 jJ., 199 Behörden, Einrichtung 207 Beleihung mit Hoheitsgewalt 166 f. Beschaffungswesen 61 - militärisches 159 f

- von Verwaltungsmitteln 160 f Bestimmtheit 95 ff. Beurteilungsspielraum (-ermessen) 48 jJ., 84 jJ., 174,216 - der Europäischen Kommission 240f Bildung 151 jJ. Bürokratie 256, 260 jJ. Bundesaufsicht 208 jJ. Bundesrat 234 Bundesstaat, Begriff 21 Cahiers de charges 59 Daseinsvorsorge 125, 146 jJ. Demokratie 76, 232 - direkte 75 f. - Legitimation durch Wahlen 53 ff. diligentia quam in suis 114 Direktiven, politische 197 jJ., 229 Domaines reserves 23, 40 "Dulde und liquidiere" 69, 106 Effizienz 97 jJ., 150, 163, 167, 229 f. Eigentum - Lehens/Feudalrecht 117 jJ. - Nutzung 114 f. - Obereigentum 117 ff. - Sozialbindung 114 - Staatseigentum 124 jJ. - Verwaltung von 112 f. Energieversorgung 147 Enteignung - als Zwangskauf 161 - durch Verwaltung 160 f Entschädigungsrecht 61

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Sachverzeichnis

Erforderlichkeit 95 ff. Ennessen 48 ff.. 189. 197,216 Etat-providence s. Vorsorge staat Europäische Kommission 237 ff. Europäischer Rat 236 ff. Europarecht 236 ff.. 258 Exekutive 25 ff. und passim Existenzsicherung 177 Faktischer Eingriff 58 Feudalrecht s. Eigentum Finanzautonomie 226 Finanzmonopol 145, 150 Föderalismus 30 f., 194 ff., 203 ff., 257 ff., 265 - und Europäische Union 236 ff. - und Kommunalisierung 213 f. - und Muftismus 257 ff. Förderungsverwaltung, staatliche 170ff. Französische Revolution 25 ff., 45, 59 f., 80,117,122, l37, 148 f., 172 243, 252, 266 Freiheitsschutz, organisatorischer 223 ff. Funktionale Betrachtung 15 ff., 24, -:n-f., 47, 259 f. Funktionale Selbstverwaltung 221, 230 Geeignetheit 95 ff. Gefahrenabwehr s. Polizei GeneralklauseIn 88 - Gerichtsvollzieher 166 Geschäftsordnungen 16 Gesetz - Einheit des 34 ff. - Konkretisierung des 42, 23 ff. - Krise des 35 f. 39, 220 f., 262 f. 267 Gesetzesanwendung - als Verwaltung 39 ff. Gesetzesvollzug passim, insbes. 20, 26 f.

- Regieren als 28 ff. - Verwaltung als 32, 34 ff.. 196 ff. Gesetzgebende Gewalt 15 ff.. 193 f. s. auch Parlament Gesetzgebung 249 f Gesetzgebungslehre 73 Gesetzgebungsverfahren 16 Gesundheitsverwaltung 158 f. Gesundheitswesen 157 ff. Gewalt, passim, insbes. 15 ff.. 20 ff.. 36,204 ff. Gewaltenteilung 19, 22 f. u. passim - und Demokratie 54 - in der Europäischen Union 236 ff. - und Französische Revolution 24 f. - und Gewaltenverschränkung 5, 17 ff., 24,192 - und Kommunalisierung 214 ff. - und Organisationsrecht 191 ff. - und Rechtsstaatlichkeit 244 - vertikale 21, 204. 213 ff. Gewaltmonopol, staatliches 164 Gleichheit 51, l33, 179 Grundrechte 106, 244 Grundsicherung 184 Haushaltsgesetz - Vollzug als Gesetzesvollzug 180 ff. Haushaltsrecht 179 ff.. 217 Hierarchie 197 ff., 222 ff. Hochschulen 152 f., 223 f. Homogenitätsklausel 21 Hoheitsgewalt - und Kriegswirtschaft 141 f. - Privatisierung und l32 ff., 151 ff. - Verwaltung als Einsatz von 32, 38, 57 ff. Instanzenzug 192 ff. Infonnelles Verwaltungshandeln 60 ff. Justizverwaltung 193

Sachverzeichnis Kammern 228 ff. Katastrophenschutz 163 Kathedersozialisten 140 Koalitionsverhandlungen 257 Kommunalaufsicht 77 f. 195,217 Kommunalisierung 212 ff - und Muftismus 257 s. auch Selbstverwaltung, gemeindliche Kommunalmodell 224 f. Kommunalparlamente 74 ff. Kommunalverwaltung 54,215 ff. - Wahlrecht der Rechtsformen 67 f., 147 Kommunalwahlen 75 Kompetenz - Recht auf 19 Konstitutionalismus 27 f., 40, 70, 122 f., 142, 187 Krankenversicherung, gesetzliche 184 Kreditaufsicht 158, 184 Kriegswirtschaft 141 ff Kündigung 66 Lehensrecht s. Eigentum Lex generalis, specialis 88 Lex imperfecta 37 Liberalismus 26 f., 121, 139, 141, 187 f. Management 115 f Markt 97 f., 144, 147 f., 149 f., 168, 232, 246 Marktwirtschaft, soziale 147 f Marxismus 143, 125 ff Maßnahmegesetz 76 f. Militär 23, 40, 93, 127, 137, 146, 159ff. 163,248ff Mischverwaltung 195 Mitbestimmung 224 f., 227 f., 231 Monarchie 23 ff., 40, 79, 109, 117 ff. Monopolbegriff 168 Mufti, par ordre de 199,254 ff Muftismus 257 ff

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Nachbarrecht 80 f. Norm s. Gesetz Normative Kraft des Faktischen 248 Normenhierarchie 77, 79, 136, 193 f. Öffentliche Arbeiten 247 Ökosteuern 175 Opportunitätsprinzip 107 Opposition 211 Organisationsgewalt 23,202,225 f. Organisationsrecht 16 ff, 25 ff., 31 ff., 52 ff., 98 ff., 191 ff. Parlament 16, 25 f., 28, 31, 36, 78 f., 134 ff., 180, 194,202 Parlements, französische 23 f. Pater familias 113 Personalausschüsse 227 Personalhoheit 217, 227 Polizei 40,45, 64, 152 f., 188 - Gesetzesbindung 108 f - Privatisierbarkeit 162 ff Polizeirecht 103 ff Polizeivollzug 104, 165, 245 Polizey 23, 38, 103, 108, 162, 199 Pouvoir s. Gewalt Präsidialsystem 55 Prävention 104 ff - im Baurecht 80 ff Privatautonomie 135, 148 Privatisierung 132 ff. 145 ff - Aufgabenprivatisierung 164, 184 - der Gerichtsbarkeit 136 ff - der Gesetzgebung 134 f - von Militär(polizei) 163 - Organisationsprivatisierung 162 ff., 184,222 - Privatisierbarkeit, allgemein, 101, 124, 149 ff. 168 - der Sozialverwaltung 181 ff. Privatschulen 155 Privatversicherung - und Sozialversicherung 183 ff.

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Sachverzeichnis

Profitorientiertes Management 115 J Prognose 107 Prüfungswesen 85, 87, - hoheitliches 154 f. Rechnungsprüfung 30 Rechtsaufsicht 77 f. Rechtsstaat 17, 28, 40 f., 45 f., 50 f., 62, 70, 92, 129, 165, 244, 265 f. Regalien 119 ff. 138 f., 142 Regierung 25 ff, 205 ff - Bereich der 28 f. Regierungsakt 29 f. Reichskanzler 28 Rekurssystem 102 Repression 105 f. Richter - Unabhängigkeit 23 s. Richterliche Gewalt Richterliche Gewalt passim, insbes. 15, 37,44 f., 49, 54, 65 ff, 69 f., 73, 82, 84 ff., 90, 92 f., 96, 101 J. 136 J, 159, 219, 250 J, 258 f. - Organisatorische Gewalteinheit 192J Richterrecht 102 s. auch Richterliche Gewalt Richtlinien der Politik 205 Römisches Recht 45, 103 Sachenrecht 113 Sachverständigengutachten, antizipiertes, 93 Satzung 34, 215 f. - baurechtliche 72 ff - polizeiliche 103 Schiedsgerichtsbarkeit 136 Schulpflicht 152 J Schulrecht - und Schulverwaltung 151 ff Schulstrafen 154 Schwächerenschutz 170 Selbsthilfe 66 ff. Selbstverwaltung, gemeindliche, 214 J

s. auch Kommunalisierung Self executing-Normen 53, 89 Sicherheit und Ordnung, Verwaltung, s. Polizei Sicherheitsdienste, private, 163 ff Solidarität 171 ff. Sonderrechtsverhältnis 154 f. Souveränität 21 Sowjetsystem - Verwaltung 112 - Wirtschaft 172 Sozialabgaben 175 Sozialdemokratie 141 Sozialhilfe 182, 186 Sozialismus 139 ff, 187 f. - und Schwächerenschutz 148 Sozialrecht 64, 174 ff. Sozialstaat(lichkeit) 140, 164, 187 Sozialversicherung 173 ff, 182 ff, 189 - und Privatversicherung 183 ff - Ursprünge 182 Sozialverwaltung 174, 181 ff, 223 f. s. auch Subventionen Sparkassen 147 Staatsmonopole 145 ff Staatsforsten 125, 127 Staatspersönlichkeit 251 ff Staatsaufgaben 19. 128 ff Staatsoberhaupt 27 Staatsunternehmen 124, 144 ff Steuerbescheid 247 Steuern 23, 137 - als Abgaben-Regalien 119 ff, 127, 129 - Rechtfertigung 164 Steuerrecht 64 Steuerverwaltung 45 - Entstehung 119 f. Strafrecht 42, 64, 169, 249 f. Strafvollzug 166 Streikrecht 133 Subsidiarität 203

Sachverzeichnis Subsumtion 45 f., 52 Subventionen 173, 176 ff., 246 - Anspruch auf 178 - und Gleichheit 179 - als Kredite 178 - Unbezahlbarkeit 188 f Summa Potestas 21 ff. Tatsachen, vollendete, 245 ff. Tatsachenfeststellung 44 Technikrecht 94 Territorialfürstentum 21 f., 28, 117 f., 120 f. Territorialprinzip 30, 159 Transfer 188 Umweltrecht 82 Unbestimmter Rechtsbegriff s. Beurteilungsspielraum Universalsukzession 118 Verbandsklage 169 Verdacht 105 f. Verfahren, Recht auf 19 Verfassung 17 ff., 96, 110, 130 f., 136, 191 - nach Gesetz 99 Verfassungsrechtsprechung 47, 63 f., 74, 88 f. Verfügungsrecht - und Verwaltung 113 ff. Verhältnismäßigkeit 95 ff. Verordnung 34, 76, 241 - Ermächtigung 52, 73 f., 86 Verordnunggebung 16, 29 f., 51 f., 73, 237,241 Versicherung 173 ff. Verteidigung 30 s. auch Militär Vertrag s. Verwaltungsrechtlicher Vertrag Verwaltung passim - außerrechtlicher Begriff 111 ff.

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- als Einsatz der Hoheitsgewalt 57 ff. - in der Europäischen Union 234 ff. - als faktische Verwirklichung des Gesetzesbefehls 37 ff. - und Föderalismus 203 ff. - als Gesetzesvollzug 37 ff., 197 ff. - und Hierarchie 211 ff. - und Kommunalisierung 220 ff. - und Kriegswirtschaft 141 ff. - als Management 115 ff. - und Monopol 149 ff. - nach Organisationsrecht 192 ff., 198 ff. - als "Sich kümmern um Eigenes" 110 ff. - als tatsächliche Macht 243 ff. Verwaltungs akt 38, 57, 60 ff. Verwaltungsgerichtsbarkeit 69 "Verwaltungsgut" 126 ff. Verwaltungslehre 100 f Verwaltungsmonopol 150 Verwaltungsprivatrecht 61 ff. Verwaltungsverfahren 16 f., 29, 59, 98 ff. Verwaltungsrechtlicher Vertrag 41, 58.ff. Verwaltungsvorschriften 50, 85 ff., 175, 179,200 f., 260 Volk 24,54 Volkssouveränität 25 f. Vollzugspolizei s. Polizeivollzug Vorläufiger Rechtsschutz 68 Vorsorge s. Prävention Vorsorgestaat 187 Wahlen 53 f. Wahlrecht 16 Wasserwirtschaft 147 Wehrpflicht 160 Wettbewerb 150, 156 f., 189 Wirklichkeit - und faktische Macht 243 ff.

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- als Maßstab 91 ff.. 162, 245 Wirtschaftlichkeit 97 Wirtschaftsförderung s. Subvention Wirtschaftsverwaltung 142 ff.. 148 Wohlfahrtsstaat 108, 121 f., 125, 139 ff.. 171

Wohngeld 185 Wohnungsverwaltung 146 f., 167 Zentralbank 30 Zweite Gewalt passim