Die Umformung der Gliedmaßen bei den höheren Tieren

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Die

Umformung

bei

den

Gliedmaßen

der

höheren

Thieren.

Von

Professor Dr. M. Braun in Königsberg i . Br.

Mit 18 Abbildungen.

Hamburg.

Verlagsanstalt und Druckerei A.-G. (vormals J. F. Richter), Königliche Hofverlagshandlung. 1896.

Das Recht der Ueberſeßung in fremde Sprachen wird vorbehalten

Drus der Beclagsanstalt und Druckerei Actien Gesellschaft (vormals J. F. Richter) in Hamburg.

In Laienkreisen ist es noch immer wenig bekannt, daß die Aufgaben und die Methoden der Thierkunde in den lezten Dezennien ganz andere geworden sind , als sie es früher waren . Oft begegnet man noch der Anschauung, daß die Zoologie den Bestand an Thierarten auf der Erde aufzunehmen, zu dieſem Zwecke Thiere zu sammeln, zu konserviren und zu beschreiben habe, um schließlich ein System des ganzen Thierreiches, gegliedert nach Arten,

Gattungen,

Familien,

Klassen

Zweifellos

ist

aufzustellen .

die

Ordnungen

in dieser

und

Aufgabe

liegende Frage nach der Zahl und Beschaffenheit der Thierarten, nach ihrer räumlichen Verbreitung 2c . eine in der Thierkunde wohlberechtigte ; aber abgesehen davon, daß sie troß der rast . losen Arbeit zahlreicher Forscher während mehrerer Jahrhunderte noch nicht erledigt ist, ist sie nicht die einzige große Aufgabe, welche die Zoologie zu lösen hat.

So wenig wie der Anatom

ſich mit der Untersuchung des Exterieures des Menschen begnügt und bei dieser stehen bleibt, so wenig kann dies der Zoologe bei den Thieren; auch die Thiere sind Organismen und besigen die verschiedenartigsten Organe, deren Bau und Mechanismus nur aus ihrem Spezialstudium erkannt werden kann .

Zum beſſeren

Verständniß der Bauverhältnisse des erwachsenen Organismus muß auch in der Zoologie die Entwickelung der ganzen Thiere wie ihrer einzelnen Organe untersucht und gekannt sein ; es iſt ja bekannt, daß — von gewiſſen Vermehrungsweisen (Knoſpung z . B. ) 1* (753) Sammlung. N. F. XI. 258.

4

und von den niedersten Thieren, den Urthieren,

abgesehen

kein Thier seine Existenz in dem Zustande beginnt, der uns bei den Erwachsenen entgegentritt, sondern eine große Reihe schiedener Stadien durchmacht, ehe es fertig ist .

ver

Wie das Ge-

wordene, etwa in der Geschichte, uns durch die Kenntniß des Werdens

verständlicher und

faßbarer wird, so

erleuchtet die

Entwickelungsgeschichte der Thiere deren komplizirte Organiſation . Ganz

naturgemäß

führen derartige Beschäftigungen den

Forscher zum Vergleichen der von ihm gemachten Funde und Beobachtungen,

woraus

wieder

die Möglichkeit

erwächst, die

Uebereinstimmungen im Bau der Thiere und ihrer Organe zu erkennen, troß der zahlreichen Wandlungen und Umformungen, die ein und dasselbe Organ bei verschiedenen Thierarten erfährt und die so hochgradig sein können, daß der ursprüngliche Charakter eines Organes

bis zur Unkenntlichkeit verwischt

wird .

Der größere oder geringere Grad solcher Uebereinstimmungen ist aber wieder ein Maßstab für Verwandtschaft

der Thiere,

und

die nähere oder entferntere die Erkenntniß

dieser führt

dann zu einer leßten Aufgabe der Zoologie, zu einer

natür-

lichen Anordnung der Thiere nach ihrer Verwandtschaft. Bei dieser Sachlage dürfte es gerechtfertigt sein,

einmal

vor einem Laienpublikum die Methode dieser Seite der Zoologie an einem gut durchgearbeiteten Beiſpiele, das an und für sich von Interesse ist, zu erörtern und aus den gewonnenen Resul. taten die Schlüsse zu ziehen. Die Gliedmaßen der höheren Thiere haben nach. weislich im Laufe der Zeit sehr mannigfache Umformungen erfahren,

die

am

besten

an ihren festen Bestandtheilen,

den

Knochen, zu erkennen sind, freilich ebenso gut auch an ihren Weichtheilen, der Muskulatur, den Nerven und Blutgefäßen sich aussprechen.

Wenn nun zu diesem Zwecke die Gliedmaßen ver-

glichen werden sollen, so (754)

erhebt sich zunächst die Frage,

ob

5

diese Organe wirklich gleichwerthig und direkt vergleichbar sind .

Es wird Niemand daran zweifeln, daß unser rechter Arm

dem linken entspricht, denn beide Organe sind symmetrisch am Körper angebracht, sie enthalten dieselben Knochen und Weichtheile und sind einander spiegelbildlich gleich. es sich mit den Beinen .

Ebenso verhält

Aber sind Arme und Beine einander

gleichwerthig ?

An den

Beinen Füße !

Und wie steht es bei den Säugethieren ?

Armen

tragen wir Hände,

an den Die

Affen nennen wir auch Vierhänder, denn sie besigen an Armen und Beinen Hände .

Bei anderen Säugethieren sprechen wir

von Vorder- und Hinterbeinen ; wie verschiedenartig finden wir diese, wenn wir z . B. die Zehenzahl berücksichtigen ? Wir kennen fünf-, vier-, drei-, zwei- und einfingrige Säugethiere, wir kennen aber auch solche, deren Vorderbeine Flügel sind (Fledermäuse), und solche, deren Gliedmaßen wie Fischflossen aussehen, obgleich ihre Träger,

die Wale, nicht zu den Fischen gehören.

Den Vögeln schreiben wir ein Paar Flügel und ein Paar Beine zu, wir sprechen hier weder von Vorder- und Hinter. beinen, noch von Armen und Beinen ; auch diese Organe finden wir nicht bei

allen Vögeln

gleich ;

zwar tragen die meisten

Vogelarten vier Zehen an ihren Beinen, gleicher Stellung, (Strauße).

auch giebt es

aber nicht immer in

drei

und zweizehige Vögel

Wir sind ferner gewohnt,

den Flügel der Vögel

mit Federn in bestimmter Anordnung besezt zu sehen, die das in Rede stehende Organ erst zum Fliegen befähigen ; aber es giebt Vögel (Pinguine), ihren Flügeln besigen

welche schuppenartige Bildungen auf

und

diese letteren

nicht zum Fliegen,

sondern zum Rudern gebrauchen ; wir kennen andere Vögel, die Kiwis, an denen äußerlich überhaupt keine Flügel zu sehen sind . Mehr Gleichmäßigkeit im Aeußeren herrscht unter den Gliedmaßen der Reptilien und Amphibien , jedoch kommen auch hier ganz

gliedmaßenlose Gruppen,

wie die Schlangen,

und (755)

6

solche mit nur einem Beinpaare vor.

Immerhin sprechen wir

hier von Beinen und unterscheiden sie ihrer Stellung nach als Vorder- und Hinterbeine .

Alle diese Körperanhänge dienen zur

Fortbewegung auf dem Lande oder in der Luft und nur bei Schwimmvögeln und walartigen Thieren zur Fortbewegung auf resp . im Waſſer.

Exquisite Wasserthiere sind aber die Fische;

auch sie besigen zur Bewegung die Flossen.

im Wasser besondere Organe,

Meist kommen zwei symmetrisch gestellte Brust.

und zwei Bauchflossen vor, doch stehen dieselben am Fischkörper nicht immer

in derselben Region ;

Stelle der Bauchflossen

manchmal findet

man

an

ein saugnapfartiges Organ,

oder

es

sind nur Brustflossen, wie bei den Aalen, mitunter auch gar keine paarigen Flossen, wie beim Neunauge vorhanden. Diese kurze, durchaus nicht vollständige Uebersicht hat uns eine ganze Reihe wohlbekannter Verschiedenheiten der Bewegungsorgane

der Wirbelthiere ins

Gedächtniß zurückgerufen,

Ver-

ſchiedenheiten, die sowohl ihre äußere Form, wie ihre Leiſtungen betreffen.

Dürfen wir nun annehmen, daß etwa der Vorder-

arm eines Affen dem Vorderbeine eines Löwen, dem Flügel eines Vogels, der Flosse eines Wales, dem Vorderbeine einer Eidechse oder eines Frosches gleichwerthig

ist

oder das Bein

eines Vogels dem Hinterbeine einer Eidechse u . f. w . ? Und wenn ja, dürfen die vorderen Gliedmaßen eines Thieres mit seinen hinteren verglichen werden?

Bestehen da

nicht noch größere

Unterschiede, wenn wir z . B. nur an Flügel und Bein eines Vogels denken ?

Es unterliegt nun keinem Zweifel,

berührten Verschiedenheiten

nicht wesentlich sind, mit

daß die anderen

Worten : alle Verschiedenheiten sind nur Variationen eines und desselben Typus ,

der in den Gliedmaßen der Amphibien,

Reptilien, Vögel und Säuger steckt und sich am deutlichsten in den Skelettheilen,

aber

auch in den Weichtheilen ausspricht.

Wenn das richtig ist, dann sind natürlich nicht nur die vorderen (756)

7

Gliedmaßen der

verschiedenen

Thiere unter einander,

ihre hinteren, vergleichbar, sondern

ebenso

auch erstere mit letteren.

Es würde zu weit führen, hierfür den Beweis anzutreten, doch ist er möglich. Gliedmaßen ;

Beschränken wir uns daher auf die vorderen

was von

ihnen erkannt

ist,

gilt auch für die

hinteren, wenn auch in vielen Fällen diese den vorderen um einen Schritt in ihrer Ausbildung voraus sind .

Wir können

auch jene Fälle vernachlässigen, in denen ein oder beide Gliedmaßenpaare fehlen ; denn es läßt sich zeigen, daß dieser an sich einfachere Zustand nicht ein primitiver, sondern ein vereinfachter ist, - mit anderen Worten : Wirbelthierarten mit nur zwei oder gar keinen Gliedmaßen haben früher einmal vier Bewegungsorgane besessen, denn im Innern des Fleisches verborgene, kleine Reste weisen unzweideutig darauf hin. Vergegenwärtigen wir uns zuerst einmal die Charaktere der Flossen und

der

als Vorderbeine

bezeichneten Glied .

maßen ; im ersten Falle haben wir es mit einer breiten, aber flachen und starren Platte zu thun, die nur an einer Stelle , an der Verbindung mit dem Körper, beweglich ist ; sie wirkt wie ein Ruder und bewegt den im Wasser schwebenden Körper eines Fisches vorwärts .

Anders das Bein ; dieses dient nicht

nur zur Fortbewegung, sondern muß gleichzeitig den Körper von der Unterlage emporheben und in dieser Lage während der Bewegung erhalten.

Solche Dienste kann eine starre und breite

Platte nicht leisten ; schon die seitliche Stellung der Fischflossen macht sie hierzu ganz ungeeignet ; aber selbst wenn dies nicht der Fall wäre, wenn sie also

der Mittelebene des Körpers

parallel ſtänden, wie die Gliedmaßen der Landthiere, so würden sie dennoch zum Fortbewegen auf dem Lande sehr ungeeignete Organe darstellen, sie würden nur ein unbeholfenes Gehen, wie auf Stelzen,

ermöglichen .

Aus diesem Vergleich ergiebt sich

auch, welcher Umstand die Fischflosse verhindert, als Bewegungs (757)

organ auf dem Lande zu dienen ; Mangel an Gliederung.

das ist ihre Starrheit, ihr

Und so finden wir die Gliedmaßen

der Landthiere überall aus einzelnen gelenkig verbundenen, alſo beweglichen Abschnitten zusammengeseßt, aus Ober- und Unterarm, Handwurzel, Mittelhand und Fingern, aus dem einarmigen Hebel, den eine Fischflosse darstellt, iſt ein mehrarmiges Hebelsystem

geworden,

das

geeignet ist,

eine Ortsbewegung

und

gleichzeitig ein Emporheben des Körpers auszuführen. Ueberall finden wir im Ober-

Fig. 1. arm

einen,

im

Unterarm

zwei

Knochen; sie verhalten sich im wesent lichen gleich bei verschiedenen Arten

U. R.

und sollen hier nicht weiter berück sichtigt werden, um Zeit zu gewinnen,

u 2

einen

Blick

auf

das Handskelet

selbst werfen zu können .

Die Ver-

schiedenheiten, die sich in diesem Theile aussprechen,

hängen

von

der

ver-

schiedenen Fingerzahl ab. Die meisten Landwirbelthiere besigen fünf Finger oder Zehen

an ihren Gliedmaßen,

und eine solche fünfzehige Hand stellt

Handskelet einer Schildkröte (Chelydra). untere Enden der beiden U. R. Unterarmknochen (Elle und Speiche). u. i. r. = proximaler Bogen der Handwurzelknochen . c. = Centralknochen der Handwurzel . 1-5 = distaler Bogen der Handwurzel (Carpalia). I- V = Mittelhandknochen (Metacarpalia) .

sich z. B. bei einer Schildkröte in folgender Zusammenseßung dar : Die Handwurzel besteht aus neun Knochen, drei von ihnen auf der Unterarm . seite der Hand (u. i . r. ), fünf auf der Mittelhandseite ( 1-5 ) und einer in der Mitte (c.); dann folgen die fünf

säulenförmigen

Mittelhand-

knochen (I— V), die wir vom Daumen an zählen, und dieſen schließen sich die Knochen (758)

der frei

aus der Hand hervor.

9

stehenden Finger an , deren Endglieder mit

hornigen Krallen

oder Nägeln bewehrt sind . Diese Anordnung der Knochen kehrt Fig. 2.

nun bei Amphibien und Reptilien sehr oft wieder, häufig mit der Differenz , daß der vierte und fünfte Handwurzelknochen zu einem Stück verwachsen . Auch unter den

U. R. U 5+43

Säugethieren giebt es Arten, deren Hand. knochen genau dieselbe Anordnung zeigen I

(Klippdachs , Biber 2c.), während in anderen Fällen - und dazu gehört auch der Mensch

sich die

Fig. 3.

Zahl der

R Handwurzel, knochen

Handskelet des Klippdachses (Hyrax) . Die Buchstaben und Zahlen bedeuten dasselbe wie in Fig. 1.

‫نانه‬

um

eins verrin-

gert hat ; ein Vergleich lehrt, daß in

der Handwurzel des Menschen der centrale Knochen fehlt,

um den

die anderen sich zu drei und vier gruppiren ; untersucht man jedoch die Anlage der Handwurzel auf einer sehr frühen Stufe , wenn die Knochen noch knorpelig sind , so findet man das dem Erwachsenen fehlende Centrale als einen be

Handskelet des Menschen . sonderen Knorpel ; später verwächst Buchstaben und Zahlen bedeuten dasselbe wie in Fig. 1. dieser mit dem dritten Handwurzel. Der menschlichen Hand fehlt knochen zu einem Stück (c 3) . ern nur als besonderes also das Centrale nicht ganz, sond (754)

10

Skeletstück im erwachsenen Zustande ; es ist das eine an und für sich bemerkenswerthe Thatsache, die, wie so viele andere, auf den Zusammenhang

des Menschen mit

anderen Organismen

hinweist. Das Hand aber auch den Zehenzahl .

resp . Fußskelet fünfzehiger Säugethiere bildet Ausgangspunkt

für Arten

mit

verminderter

ist

es von Be-

Mit Rücksicht auf das Folgende

deutung, daß innerhalb der fünfzehigen Gliedmaßen der Säugethiere zwei Modifikationen vorkommen, die das

Fig . 4. Längenverhältniß der Finger betreffen ; bei einem z . B. beim Klippdachs

Theile der Fünfzeher,

R (Fig. 2), ist der Mittelfinger etwas länger als die übrigen, bei F

einem

anderen Theile, z . B.

beim Hunde (Fig. 4), überragen der dritte und vierte Finger in gleicher Weise ihre Nachbarn . Es ist nun klar, daß diese größeren Finger zuerst beim Gebrauch der Gliedmaßen den Boden be rühren,

also dann auch die Laſt des Körpers

allein tragen . Handskelet des Hundes. R. = Speiche. I erster Finger. V = fünfter Finger.

Beim

gewöhnlichen Gehen und

Schreiten, bei dem die Thiere

mit der ganzen

Sohle auftreten, ist das nur momentan der Fall, denn die übrigen Finger treten sofort auch auf den Boden,

und das Körpergewicht ruht dann

auf der ganzen Sohle and allen fünf Fingern resp . Zehen. Wenn aber diese Bewegungsart durch eine raschere dauernd ersezt wird, wobei gleichzeitig die hinteren Gliedmaßen eine Sprungbewegung ausüben, ändert sich dieses Verhältniß : nicht mehr die ganze Sohle tritt auf, sondern nur noch die Finger allein und im extremster Falle nur noch die Spiße der Finger; hierdurch verlängert sich die ganze Gliedmaße, und die Last des Körpers wird immer mehr auf die längeren Finger übertragen; (760)

infolge des stärkeren Gebrauches bilden sich diese

11

kräftiger aus, maßen,

und so trägt sowohl die Streckung der Glied-

wie die stärkere Ausbildung

zugten Finger dazu bei,

der beim Laufen bevor.

daß die kürzeren Finger den Boden

gar nicht mehr berühren,

also

den Körper

auch nicht mehr

stützen und tragen; sie stellen ihren Dienst ein und werden zu nußloſen Anhängen ; wie andere nuglose Theile unterliegen ſie einer mehr oder weniger weitgehenden Rückbildung . Säugethiere mit überwiegendem Mittelfinger sind der Ausgangspunkt für

die Entwickelung der Unpaarzeher

(Tapire, Nashorne, Pferde, Esel 2c.) gewesen, und Formen mit überwiegendem dritten und vierten Finger haben den Paarzehern (Schweine , Hirsch , Antilopen , Ziegen- und Schafarten, Rindern, Kamelen, Giraffen u . a .) den Ursprung gegeben .

den Dies

möge nun nicht dahin gedeutet und verstanden werden, als

ob

unsere heutigen Tapirarten, z. B. die Vorfahren der heutigen Pferde, oder die heutigen Schweinearten in die Ahnenreihe der Rinder und Kamele gehörten.

Das

ist nicht der Fall,

denn

die heute lebenden Formen wurzeln in ihnen vorausgegangenen früherer Erdperioden und

treffen

liegenden Epochen zusammen ; Stämme

erst in sehr lange zurück-

aber die Endäste der einzelnen

das sind die heute lebenden Arten

alle gleichmäßig

weit vorgeschritten

sind nicht

und umgebildet, ſondern

stehen heute auf dem einen oder anderen Punkte des Umbildungsprozeſſes, und so bieten sie uns gerade in dieser Verschiedenheit ein Nebeneinander von

Zuständen dar,

die wir

in

Reihen

bringen können, so daß wir den Ausgangs- und den zulezt erreichten Endpunkt der Umwandlung ebenso gut ſehen können, wie die Zwischenstufen.

Selbstredend müssen die Anschauungeu,

die wir uns durch Untersuchungen verschiedener heute repräsen= tirter Zustände bilden,

auch dann

durch Ergebnisse

anderer

Untersuchungen gestützt und kontrollirt werden, wenn es , wie hier,

möglich ist,

die Verschiedenheiten in zusammenhängende (761)

12

Reihen zu bringen ; eine derartige Kontrolle bietet die Behandlung

derselben

Frage

vom

entwickelungsgeschichtlichen

paläontologischen Standpunkte aus . ziehung

von der

und

Was wir in dieser Be-

uns beschäftigenden

Frage wiſſen,

ſtimmt

durchaus mit den Schlüſſen überein, die man aus der Unter. suchung der Gliedmaßen heute lebender Säugethiere ziehen kann .

Betrachten wir nun das Skelet des

Fig. 5. Vorder- oder Hinterfußes eines Schweines, so finden wir regelmäßig vier Zehen (Fig.5) ; zwei von ihnen, die mittleren, untereinander R aber länger als die Außen- und

gleich,

Innenzehe, die selbst wieder gleich lang find .

Welche Zehen

liegen

oder Finger

hier vor ? Der Vergleich mit dem VorderΓ

II

fuße eines Hundes (Fig . 4) ergiebt ſofort die Antwort, daß beim Schwein kein anderer Finger als der Daumen fehlen kann ; er ist vollständig

weggefallen,

sein Handwurzelknochen

nicht

einmal

ist nachweisbar.

Vier Zehen in denselben relativen Größen . verhältnissen, wie beim Handskelet des Hausschweines. R. = Speichenknochen des Unterarmes. II = zweiter Finger. V = fünfter Finger

Schwein, finden

wir aber auch z . B. beim Elch, und doch ist die Zusammensetzung des Skelettes des Vorder-

und

Hinterfußes

eines

Elches

(Fig. 6) eine andere, als beim Schwein ; wir bemerken leicht, daß die verlängerte

dritte und vierte Zehe nicht jede für sich einen Mittelhandknochen besigt, sondern beide zusammen einem einzigen langen Knochen, dem Laufknochen (L. ) angefügt sind .

Wie soll man dies deuten ?

Sägt man den langen Mittelhandknochen der dritten und vierten Zehe der Länge nach auf, so

enthüllt sich uns bereits

das

Räthsel, denn an Stelle eines einzigen Hohlraumes, wie er ſonſt (762)

13

immer in den Mittelhand- und anderen Röhrenknochen vorkommt, finden wir hier zwei Hohlräume (Fig. 7), die durch eine dünne, knöcherne Wand geschieden sind. Dies Fig. 6. muß auf den Gedanken führen, daß der scheinbar einheitliche Knochen aus zwei der

VR.

Länge nach an ihren Berührungsflächen verwachsenen Knochen besteht, eine Deutung, welche uns die Verbindung mit zwei ge-

L.

trennten Fingern sofort verständlich macht. Die Entwickelungsgeschichte bestätigt diese Annahme vollkommen, da man in der That in entsprechend jungen Zu-

Fig. 7. ständen beim Elch, Hirsch, Reh, Rind, Schaf, Ziege 2c., die sich alle in diesem Punkte II

gleich verhalten, an Stelle des einen zwei Mittelhandknochen findet, welche nachträglich verwachsen. Dieser getrennte AnVorgang lage und spätere Verwachsung des dritten und vierten

Handskelet des Elches. R. Speichenknochen des Unterarmes. II zweiter Finger. V = fünfter Finger. L. = Laufknochen.

Mittelhandknochens

Theiles

des

des

Der Länge nach aufgefägter Laufknochen eines Hirsches.

Thierarten und hängt ebenfalls,

Verlängerung

wie

derholt sich stets bei jedem Individuum der genannten

wie

die

bedeutende

gewöhnlich

als

Laufknochen

Vorder-

und

Bewegungsart zusammen .

Hinterfußes,

mit

der

bezeichneten schnelleren

Der gleiche Prozeß tritt z . B. auch

in den Beinen der Vögel ein, wo nachweislich drei Mittelfußknochen zu einem Laufknochen verwachsen.

(763)

14

Fig. 8.

An demselben Objekt

beim Elch - sehen

wir aber weiter noch, daß die Mittelhandknochen der zweiten und dritten Zehe, troßdem auch sie verlängert sind, nicht mehr, wie beim Schwein, bis an die Handwurzel reichen, sondern vorher frei enden (Fig . 6).

Solche Zehen können aber,

da ihnen jeder feste Halt fehlt, den Körper nicht mehr tragen helfen ; sie haben ihren Dienst eingestellt und unterliegen nun der weiteren RückΠ

bildung .

Beim Hirsch (Fig . 8 ) und Reh ſind

sie zwar noch vorhanden, aber schon bedeutend verkleinert und

verkümmert,

und bei Schafen,

Rindern, Ziegen, Lamas (Fig . 9) 2c . sind die Skelettheile der zweiten und fünften Zehe vollHandskelet vom Damhirsch.

Fig. 9.

kommen verschwunden, nur ein ganz rudimentärer Huf oder eine haarlose Warze, also Bildungen der äußeren Haut, deutet die Stelle am Fuße der genannten Thiere an , wo einmal die ver-

R. loren gegangenen Zehen und Finger

gesessen

haben. Ganz bei den

ähnliche Verhältnisse begegnen uns

Unpaarzehern ,

allein verlängert ist ;

deren

Mittelfinger

ihm helfen anfangs

die

übrigen Finger noch die Last tragen ; je mehr er sich aber streckt, je mehr auf ihn allein das Körpergewicht fällt, desto mehr verkürzen sich die übrigen vier Finger und werden ebenfalls schließ.



I

lich zurückgebildet .

Die Reihe beginnt mit einem

Fuße, wie ihn unsere Tapire an ihren Vorderbeinen tragen ; wir sehen hier vier Zehen (Fig. 10), Handskelet vom Lama. (764)

und man wird mich vielleicht einer Flüchtigkeit zeihen, wenn ich ein Thier mit vier Zehen als

15

unpaarzehig bezeichne ;

aber

sobald wir nur den vierzehigen

Vorderfuß eines Schweines (Fig . 5) mit dem vierzehigen eines Tapires (Fig . 10) vergleichen, sehen wir die Fig. 10. Richtigkeit der Bezeichnungsweise und den

Unterschied zwischen Schwein und Tapir, troßdem beide Formen vier Zehen an den Vordergliedmaßen tragen und troßdem in beiden Fällen der erste Finger weggefallen Die nächste Entwickelungsstufe der iſt.

R

Hand eines Unpaarzehers finden wir im Rhinoceros

reprä

Fig. 11. F

Π

sentirt (Fig. 11 ) ; dieſe Thiere besigen drei

Zehen, die erste und R.

fünfte sind geschwunden, jedoch noch nicht vollständig , da die zu»

4

3

5 Handskelet vom Tapir. gehörigenHandwurzel . R. = Speichenknochen knochen an der ihnen des Unterarmes . zukommenden Stelle i. r. u. 2—5 = Handwurzelknochen . noch nachweisbar sind II-V= zweiter bis fünfter Finger. (1 und 5 der Figur 11 ) . Zwischen dem Rhinoceros und der

Π

nächsten sich anschließenden Thiergruppe , den Pferden , Eseln 2c ., liegt eine verhältnißmäßig große Kluft ; daß diese Thiere an ihren vier Gliedmaßen nur eine Zehe tragen und nur auf der Spiße dieser einen

Handskelet eines Rhinoceros. Buchstaben und Zahlen wie in Fig. 10.

laufen , sieht man schon am lebenden Thiere ; weist doch der eine Huf ganz sicher darauf hin ! Aber die anatomische Untersuchung offenbart uns, daß Vorder- und Hinterfuß

eines

Pferdes

mehr

Skeletelemente enthalten,

als (765)

16

Fig. 12.

man nach der Einzehigkeit

erwarten darf :

zu

beiden Seiten des verlängerten Mittelhandknochens

R. der

erhalten

gebliebenen Mittelzehe

(Fig . 12)

sieht man zwei schlanke, zehenlose Knochen, die

IV sogenannten Griffelbeine (II, IV), die ihrer Lage. rung

nach nur verkümmerte Mittelhandknochen

sein können, und zwar die der verlorenen beiden Auch die zu



Zehen, der zweiten und vierten. II ihnen

gehörigen Handwurzelknochen sind

nach-

weisbar und tragen zur Verbreiterung der Hand. wurzel bei.

Die Kluft, die wir zwischen einem

Rhinoceros

und einem Pferdefuße vorhin sahen,

wird zweifellos durch den Umstand verringert, daß sich bei lezterem noch die Handwurzel- und

Handskelet eines Pferdes.

Mittelhandtheile des zweiten und vierten Fingers vorfinden ; das Pferd ist also nicht absolut ein.

zehig, wenn auch frei hervorstehende Zehenglieder an den Griffelbeinen fehlen.

Jedenfalls darf man jezt schon schließen, daß längst

ausgestorbene

Vorfahren

der

heutigen

Fig 13. Pferde die jezt verlorenen Zehen beſeſſen haben, sonst wäre das Vorkommen gewisser Theile dieser absolut unverständlich.

Der

Schluß wird zur

vollen Gewißheit nicht nur durch den Umstand, daß

gelegentlich,

wenn

auch sehr selten,

bei

Pferden ein Rückschlag in die alte Stammform vorkommt, sondern daß thatsächlich diese Stammformen sind

durch

bekannt

die Gliedmaßen dieser Pferde (Hipparion ,

Anchitherium)

Handskelet von Hipparion, einer ausgestorbenen Pferdegattung. (766)

paläontologische Funde

besaßen noch Zehenglieder

ihren Griffelbeinen (Fig . 13) .

an

Unsere Reihe ist

damit vollständig geworden ; es hätte jener berühmt gewordenen Funde in den Felsengebirgen Nord-

17

amerikas, welche die ganze Ahnenreihe der Pferde in absoluter Lückenlosigkeit enthüllt haben, nicht bedurft, um die Ansicht, es stammten die einzehigen Pferde von fünfzehigen Vorfahren ab, zu begründen ; doch ist natürlich eine derartige Bestätigung einer auf anderem Wege gewonnenen Ansicht sehr erwünscht. Sind das nun nicht wunderbare Wandlungen, die wir in den

Gliedmaßen

der

Säugethiere

haben

verfolgen

können ?

Würden sie einzeln für sich betrachtet, so stünden wir bei jedem einzelnen Falle vor einem nicht zu lösenden Räthsel, aber wenn wir sie miteinander vergleichen und in Zusammenhang bringen, so verliert die Verschiedenartigkeit in der Ausbildung der Glied . maßen ihr Dunkel, und die verschiedenen Typen erscheinen als Stufen einer Entwickelungsreihe, die an Deutlichkeit nichts zu wünschen

übrig läßt.

Nichts Neues

ist

in den Gliedmaßen-

skeletten der besprochenen Thiere hinzugekommen, sich derselbe Grundtypus

nachweiſen,

überall läßt

aber dieser wird durch

Verwachsen oder Wegfall einzelner Theile je nach Bedürfniß umgeformt und zu verschiedenen Leiſtungen befähigt. Berücksichtigen wir zur weiteren Erhärtung dieses Sahes noch

die

nach einer ganz

anderen Richtung

umgewandelten

Gliedmaßen eines im Wasser lebenden Säugethieres , etwa eines Tümmlers , der

wie

andere walartige Thiere

Fische konstant im Wasser schwimmt.

gleich einem

Hier finden

wir statt

eines vielgliedrigen Armes mit frei hervorragenden und an den Enden mit Nägeln, Krallen oder Hufen versehenen Fingern eine breite, flache und starre Flosse, die nur im Schultergelenk beweglich ist. Organes

Jedem wird sich bei der Betrachtung eines solchen.

die Nothwendigkeit

aufdrängen,

liegende Skelett kennen zu lernen .

Welch'

das

in

demselben

ein überraschendes

Bild bietet ein dieses aufweisendes Präparat dar ?

Statt einer

Anordnung der Theile, wie sie in den Fischflossen vorkommt, finden wir einen wirklichen Arm (Fig . 14) mit Skeletttheilen in 2 (767) Sammlung. N. F. XI , 258.

‫تان‬

18

derselben Anordnung, wie bei anderen Säugethieren, doch nach mancher Richtung hin modifizirt : kurz, gleichzeitig

alle Knochen sind auffallend

aber auch sehr flach ; die Gelenke sind

ver-

schwunden, dafür aber die Zahl der Fingerglieder über das bei den

Säugethieren

gewöhnlich

innegehaltene

Maß

vermehrt .

Diese Unterschiede sind ebenso, wie die

Fig. 14.

ganze Gestalt des Armes

durch seine

veränderte Funktion erklärbar und ver ständlich

eine Gliedmaße mit hervor.

stehenden Fingern,

mit zahlreichen ge-

lenfig verbundenen Abschnitten und von cylindrischer Form taugt zum Schwimmen, wie

wir ja

aus Erfahrung

an

uns

selbst wissen, nicht besonders ; viel besser wirkt eine breite, nur an einer Stelle bewegliche Platte

ohne

alle Anhänge.

Auch die ganze, für Säugethiere un gewöhnliche Fischgestalt eines Tümmlers oder Wales ist auf dieselben Ursachen, d. h. auf die Anpassung an das Leben im Wasser zurückzuführen. Nothwendigerweise müssen wir nun annehmen , daß

Armskelet eines Tümmlers (Phocaena communis), eingetragen in die Umrisse der abgeschnittenen Vorderflosse.

die Wale

von

ursprünglich

auf dem

Lande lebenden Säugethieren abstammen, denn nur dann konnte ein Säugethierarm sich in die Flosse des Tümmlers

verwandeln,

welche

die

Charakterzüge der

Gliedmaßen

der

Säuger treu genug bewahrt hat. Ganz analoge Anpassungen ursprünglicher Landthiere an das Wasserleben finden wir vielfach ; ich will nur an den jezt allerdings sowohl (768)

in

ausgestorbenen Ichthyosaurus Gestalt seines

Körpers,

wie

erinnern, seiner

der

eben-

Gliedmaßen

19

manches Uebereinstimmende mit den Tümmlern zeigt, aber eine Reptilienform

darstellt,

welche

das

Leben

im Wasser

an

genommen hat. Aus den angeführten Beispielen dürfte zur Genüge die Eingangs erwähnte Uebereinstimmung der Skelette der Gliedmaßen hervorgehen ; wenn es hier möglich Fig. 15. wäre, noch andere unter den Säugethieren vor. kommende Abänderungen der Gliedmaßen, wie die Flugarme der Fledermäuse, die Grabarme des Maulwurfs, die Kletterarme der Faulthiere, die Sprungbeine des Kängurus

2c.

zu unter-

suchen, so würden wir zwar eine ganze Anzahl anderer Modifikationen kennen lernen, aber eben auch nur Modifikationen des einen Grundtypus ; das Resultat, zu dem wir bereits gelangt sind, würde dasselbe bleiben. Wir dürfen daher noch mit einigen Worten auf den Flügel der Vögel

eingehen ; diese

Organe sind zwar in derselben Körperregion, wie die Vorderbeine der Säugethiere, Reptilien und Amphibien angebracht und stehen auch mit einem

Schultergürtel

in Verbindung,

bieten doch in Aussehen und

aber sie

Leistung so viel

Fremdartiges, selbst wenn man nur das Skelett des Flügels

untersucht,

daß ein tieferes Ein-

dringen zum Verständniß nothwendig ist .

Handskelet eines Vogels.

Wie

bei anderen Gliedmaßen, sind auch hier im Oberarm ein, im Unterarm zwei Knochen vorhanden ; die Hand enthält aber in der Wurzel nur zwei Knöchelchen (Fig. 15), dann folgt als Mittelhand ein sonderbar gestalteter,

gefensterter Knochen,

an

welchem drei kleine Fingerglieder ansißen, die in der Regel keine Krallen tragen.

Wenn diese Theile wirklich einer Hand an2* (769)

20

gehören, dann müssen hier sehr weitgehende Umformungen stattgefunden haben, die bei gleichzeitiger

Rückbildung

einiger

Theile

das Fremdartige im Vogelflügel bedingen. Hier ist es wiederum die Entwickelungs . geschichte, die uns Aufklärung giebt ;

in

der Anlage sieht das freie Ende des Vogel. flügels einer Hand viel ähnlicher,

als im

erwachsenen Zustande (Fig. 16), schon da. durch, daß drei gesonderte Finger und eine an Skelettheilen reichere Handwurzel vorhanden

ist,

Größerwerden

Das noch knorpelige Handskelet eines Vogelembryos.

Verhältnisse, der

jungen

die

sich beim

Vögel

durch

Verwachsen getrennter Theile ganz bedeutend ändern. Ohne weitere Einzelheiten anzuführen, kann aus dem Mitgetheilten geschlossen werden nicht nur, daß das Ende

des Vogelflügels eine Hand ist, sondern auch, daß sie dreifingerig geworden ist, dieses geworden “ ist wörtlich zu Fig. 17. verstehen, denn bei manchen Vogelarten legt sich noch ein vierter Finger an, bleibt aber nie er halten. Entwickelungsstadien heute lebender Thiere finden aber gewöhnlich eine Parallele in aus . gestorbenen Formen desselben Thierstammes ; so auch hier : der berühmt gewordene Urgreif, ein Vogel der Jurazeit, dessen wohlerhaltene Reste in Solnhofen gefunden sind, besigt an seinem Flügel drei normal entwickelte Finger (Fig . 17), die unsere heutigen Vögel Un erarm- und Handskelet von Archaeopteryx . 70)

in dieser Form nur

noch als ganz junge Thiere führen, später aber umbilden. Weist diese Parallele nicht auch wiederum auf den Zusammenhang der Organismen hin ?

21

Jedenfalls hat damit der Flügel der Vögel seine Sonderbar feit verloren, da auch er sich als ein allerdings umgewandelter Arm mit reduzirter Fingerzahl erweist, dessen besondere Form wir nun wieder in Zusammenhang mit der veränderten Leistung bringen und aus dieser verstehen können. Somit haben wir überall in den Gliedmaßen der höheren Wirbelthiere, auch wenn solche in der Luft oder im Wasser sich bewegen,

dasselbe

Grundschema

finden

Fig. 18. können; alle vorkommenden und mitunter recht

erheblichen

Variationen

Abweichungen sind nur

dieses

Schemas,

die durch

Anpassungen an besondere Bewegungsarten bedingt sind. Auch in dem Flossenskelet der Fische läßt sich, wie hier nicht im Einzelnen gezeigt werden soll, das

ein Grundschema

erkennen,

auch hier zahlreiche Modifikationen

eingeht.

Wenn

nun

die

Fische

unter

einander und die übrigen Wirbelthiere untereinander übereinstimmen, so ergiebt sich die Frage, ob Fischflossen und Gliedmaßen anderen Wirbelthiere Uebereinstim

der

mungen zeigen und

ob die letteren sich

Knorpeliges Skelet der Brustflosse eines Haifisches.

etwa, weil sie höher stehenden Thieren zukommen, von den Flossen der niedriger stehenden Fische ableiten lassen.

Diese Frage ist wenigstens im allgemeinen unbedingt

mit Ja zu beantworten ; im einzelnen ergeben sich hierbei nicht unerhebliche Schwierigkeiten, die nur angedeutet werden sollen : es eröffnet sich zwar ein Verständniß für die Gliederung der Gliedmaßen der Landwirbelthiere,

die den Fischflossen fehlt,

durch den Umstand, daß sie hier nicht nothwendig ist ; aber die Fischflosse ist wenigstens in ihrem ursprünglichen, bei den Haien (771)

22

uns entgegentretenden Zuſtande aus einer sehr großen Anzahl ſtabförmiger Skeletttheile zusammengesezt (Fig. 18 ), und es ist fraglich, ob- wie dies manche Forscher annehmen — einzelne dieser Knorpelstäbe bestimmten Skelettstücken in den Gliedmaßen der Landthiere entsprechen . etwas

Sicheres

Es erscheint noch zu früh, hierüber

auszusagen,

Speziellen zu beantworten.

d. h.

also

die

Frage

auch im

Vielleicht wird dies niemals möglich

sein, denn die Umformungen, die aus der Flosse eines fisch. artigen Thieres zur Bildung der Gliedmaßen eines Landthieres geführt haben, müssen sehr weit zurückliegen, so daß unzweideutige Spuren hiervon heute kaum nachzuweisen sein werden ; sie müssen aber auch in einer Zeit vorgegangen sein, wo das Skelet der Wirbelthiere noch knorpelig war ; daher dürfen wir das Auffinden von Zwischenstufen an ausgestorbenen Thieren kaum

erwarten,

weil nur

Fällen Abdrücke des erhalten bleiben. Um

in ganz ausnahmsweise günstigen

weicheren Knorpelskelets

daher nicht in Spekulationen

Boden beobachteter

Thatsachen

fossiler

zu verfallen,

verlassen,

begnügen

Thiere

die den wir

uns

richtiger in diesem Punkte mit der nicht zu verkennenden und nicht bestreitbaren allgemeinen Uebereinstimmung

zwischen den

Flossen der Fische und den Gliedmaßen der übrigen Thiere und lassen die Frage in ihrer speziellen Seite offen . Der in diesem Vortrage unternommene Versuch, ein Bild von den Umformungen, die ein und dasselbe Organ bei verschiedenen Besizern erleiden kann, zu entwerfen, ist weniger zu dem Zwecke geschehen, um den Leser mit den Einzelheiten dieser Wand . fungen vertraut zu machen, sondern um ihm an diesem einen Beispiele einen Einblick in die Methoden und die weitgehenden Aufgaben der Zoologie zu gewähren .

In gleicher Weise, nur

selbstredend weit genauer, als es hier geschehen konnte , müssen die zahllosen Modifikationen auch anderer Organe bei den ver (772)

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schiedensten Thieren

verglichen und die hierdurch gewonnenen

Resultate durch die Ergebnisse der Entwickelungsgeschichte

der

Thiere und der Paläontologie gestüt, erweitert und gesichert werden.

Ist diese Arbeit einmal nach allen Richtungen voll-

endet, so ist von selbst der Grad der Verwandtschaft der Thiere und damit ihre natürliche Anordnung erkannt. verständlich sein,

daß zoologische Museen,

Es wird nun

in denen nur die

Bälge und die vertrockneten oder in Spiritus liegenden Leichen der Thiere aufbewahrt werden, nur einen kleinen Theil der gesamten Zoologie umfassen und das ganze übrige riesige Gebiet, das der Morphologie der Thiere, außer Acht laſſen, ein Zuſtand, der natürlich nicht bestehen bleiben kann, und auch thatsächlich kaum noch irgendwo besteht .

(773)