Die traumatisierte Nation?: »Pearl Harbor« und »9/11« als kulturelle Erinnerungen [1. Aufl.] 9783839417423

Die mediale Verarbeitung des 11. Septembers 2001 - so die zentrale These dieses Buchs - ist in den USA maßgeblich durch

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Die traumatisierte Nation?: »Pearl Harbor« und »9/11« als kulturelle Erinnerungen [1. Aufl.]
 9783839417423

Table of contents :
Inhalt
Danksagung
1 Einleitung
1.1 Warum Pearl Harbor?
1.2 ›Pearl Harbor‹ und ›9/11‹ im nationalen Bewusstsein
1.3 Nation? Trauma? Nationales Trauma? – Forschungsstand und Begriffsproblem(e)
2 Von der Notwendigkeit, Geschichte wi(e)derzuerzählen: Nation, Trauma und Verdrängung
2.1 ›Pearl Harbor‹ und der ›11. September‹ als materielle Auslöser kultureller Traumata
2.2 Der nationale Körper im Spannungsfeld des Eigenen und Fremden
2.3 Das kollektive Gedächtnis und die Nation
2.4 Symptome einer Pearl-Harbor-Neurose
3 Geschichte erzählt, wiedererzählt, umgeschrieben: Funktionen der Pearl-Harbor-Erinnerung im Kriegsfilm
3.1 ›Pearl Harbor‹ im World War II Combat Film
3.2 Neue Pearl-Harbor-Erinnerungen im Kino nach dem ›11. September ‹
3.3 Resümee
4 Heterostereotype Darstellungen des Feindlich-Fremden: Die Pearl-Harbor-Erinnerung in ökonomischen Diskursen
4.1 Die ›Gelbe Gefahr‹ und die Pearl-Harbor-Erinnerung im Hollywoodkino zur Zeit des japanischen Wirtschaftsbooms
4.2 Der Ölscheich, die ›Gelbe Gefahr‹ und die Pearl-Harbor - Erinnerung im Hollywoodkino nach den Ölkrisen
4.3 Resümee
5 Traum[a]deutung: Auswirkungen der Pearl-Harbor-Erinnerung auf die amerikanische Nation nach ›9/11‹
5.1 Wiederholung, Verarbeitung, Neuschreibung: Die Pearl-Harbor-Erinnerung in weiteren Medienbeispielen
5.2 Die Pearl-Harbor-Erinnerung als Pearl-Harbor-Neurose: Eine Erkenntnisanalyse
5.3 Wirkungsweisen der Pearl-Harbor-Neurose: Ein Ausblick
6 Quellenverzeichnis
6.1 Primärquellen
6.2 Sekundärquellen
6.3 Internetquellen

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Marcel Hartwig Die traumatisierte Nation?

American Studies | Band 2

Marcel Hartwig (Dr. phil.) lehrt Anglistik und Amerikanistik an der Universität Siegen. Seine Forschungsschwerpunkte sind Literatur- und Medienwissenschaft sowie medizinische Pflege im 19. Jahrhundert.

Marcel Hartwig

Die traumatisierte Nation? »Pearl Harbor« und »9/11« als kulturelle Erinnerungen

Zugl.: Chemnitz, Techn. Univ., Diss., 2010

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2011 transcript Verlag, Bielefeld

Die Verwertung der Texte und Bilder ist ohne Zustimmung des Verlages urheberrechtswidrig und strafbar. Das gilt auch für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Verarbeitung mit elektronischen Systemen. Umschlaggestaltung: Kordula Röckenhaus, Bielefeld Umschlagabbildung: Lowery, Louis R. »The First Flag Raising on Mount Suribachi, Iwo Jima, 23 February 1945.«, Naval Historical Center, Washington, D.C. Satz: Marcel Hartwig, Siegen Druck: Majuskel Medienproduktion GmbH, Wetzlar ISBN 978-3-8376-1742-9 Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier mit chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Besuchen Sie uns im Internet: http://www.transcript-verlag.de Bitte fordern Sie unser Gesamtverzeichnis und andere Broschüren an unter: [email protected]

Inhalt

Danksagung | 7 1

Einleitung | 9

1.1 1.2 1.3

Warum Pearl Harbor? | 12 ›Pearl Harbor‹ und ›9/11‹ im nationalen Bewusstsein | 21 Nation? Trauma? Nationales Trauma? – Forschungsstand und Begriffsproblem(e) | 41

2

Von der Notwendigkeit, Geschichte wi(e)derzuerzählen: Nation, Trauma und Verdrängung | 51

2.1

›Pearl Harbor‹ und der ›11. September‹ als materielle Auslöser kultureller Traumata | 52 Der nationale Körper im Spannungsfeld des Eigenen und Fremden | 60 Das kollektive Gedächtnis und die Nation | 69 Symptome einer Pearl-Harbor-Neurose | 81

2.2 2.3 2.4 3

Geschichte erzählt, wiedererzählt, umgeschrieben: Funktionen der Pearl-Harbor-Erinnerung im Kriegsfilm | 91

3.1 3.2

›Pearl Harbor‹ im World War II Combat Film | 93 Neue Pearl-Harbor-Erinnerungen im Kino nach dem ›11. September ‹ | 117 Resümee | 143

3.3

4

Heterostereotype Darstellungen des Feindlich-Fremden: Die Pearl-Harbor-Erinnerung in ökonomischen Diskursen | 147

4.1

Die ›Gelbe Gefahr‹ und die Pearl-Harbor-Erinnerung im Hollywoodkino zur Zeit des japanischen Wirtschaftsbooms | 151 Der Ölscheich, die ›Gelbe Gefahr‹ und die Pearl-HarborErinnerung im Hollywoodkino nach den Ölkrisen | 177 Resümee | 203

4.2 4.3 5

Traum[a]deutung: Auswirkungen der Pearl-Harbor-Erinnerung auf die amerikanische Nation nach ›9/11‹ | 207

5.1

Wiederholung, Verarbeitung, Neuschreibung: Die Pearl-Harbor-Erinnerung in weiteren Medienbeispielen | 209 Die Pearl-Harbor-Erinnerung als Pearl-Harbor-Neurose: Eine Erkenntnisanalyse | 217 Wirkungsweisen der Pearl-Harbor-Neurose: Ein Ausblick | 222

5.2 5.3

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Quellenverzeichnis | 229

6.1 6.2 6.3

Primärquellen | 229 Sekundärquellen | 237 Internetquellen | 251

Danksagung

Dieses Buch ist im Rahmen meines Promotionsstudiums an der Technischen Universität Chemnitz entstanden. Eine erste Version der Dissertationsschrift legte ich im März 2010 vor und verteidigte diese erfolgreich am 23. Juni desselben Jahres. In erster Linie möchte ich mich ganz besonders bei Frau Professor Dr. Evelyne Keitel bedanken für die Überlassung des Themas, die ausgezeichnete Betreuung und den Freiraum, der mir bei der Umsetzung dieser Arbeit zuteil wurde. Weiterhin danke ich Dr. Heinz Ickstadt, Professor Emeritus (Amerikanistik, Freie Universität Berlin), für sein Gutachten zur vorliegenden Arbeit sowie seine kritischen Fragen und Anregungen zur Überarbeitung. Mehrere Kapitel habe ich während der Entstehungsphase in den Promotionskolloquien der Chemnitzer Amerikanistik vorstellen können, deren Teilnehmer ich für Ihre vielfältigen Hilfestellungen danken möchte, allen voran PD Dr. Marie-Luise Egbert, Dr. Manuela Müller, Nadja Bräunig, Stefan Meier, Sina Nitzsche und Tamás Novák. Besondere Untersützung erhielt ich in kritischen Phasen durch Dr. Gunter Süß und Dr. Antje Tober. Mein herzlicher Dank geht ebenfalls an meine Familie und Freunde, die mich in allen Belangen unterstützt und motiviert haben. Schließlich geht mein ganz spezieller Dank an Professor Dr. Randi Gunzenhäuser, Dr. Iris-Aya Lämmerhirt, Doreen Fröhlich und Melanie Graichen für die Redigate, die unzähligen Diskussionen und Anregungen.

1 Einleitung

Yes, Edgar fixes the date. He thinks of Pearl Harbor, just under ten years ago, he was in New York that day as well, and the news seemed to shimmer in the air, everything in photoflash, plain objects hot and charged. DON DELILLO/UNDERWORLD (1997) A year and a half after the tragedy, all that remain of the World Trade Center is a wasteland, a gray plateau surrounded by a wire fence. I will never know if what took place is as I imagined, nor will you. FRÉDÉRIC BEIGBEDER/WINDOWS ON THE WORLD (2004)

Der 9. Februar 2001 soll die amerikanisch-japanischen Beziehungen auf eine harte Probe stellen: Eine schwere See vor Hawaii, der wolkenverhangene Himmel und die trübe Sicht hindern den Fischdampfer Ehime Maru nicht daran, zu Schulungszwecken den Pazifik zu kreuzen. An Bord des Schulschiffes befinden sich neben der 20-köpfigen Crew dreizehn Auszubildende und zwei Lehrer aus der japanischen Präfektur Ehime. Am selben Morgen dockt das amerikanische Atom-U-Boot USS Greeneville mit 16 ausgewählten, zivilen Gästen im Hafen von Pearl Harbor ab und sticht in See. In diversen Ab- und Auftauchmanövern präsentieren der Kapitän und seine Crew die Wendigkeit des U-Bootes. Auf Tauchstation

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erfasst das Sonar den Fischdampfer. Jedoch weisen die Berechnungen der Crew keine Gefahrenquelle aus. Im Gegenteil: Die USS Greeneville wähnt sich in sicherem Abstand und bereitet ein Auftauchmanöver vor. Mit Verlass auf die Berechnungen lädt der Kapitän einen Gast ein, das Steuer zu übernehmen. Gerade als die Ehime Maru das Fahrwasser des U-Bootes kreuzt, leitet der Houston-Oil-Vorstandschef John Hall das Auftauchmanöver ein. Als das Unterseeboot mit hoher Geschwindigkeit an die Oberfläche schießt, schlitzt ein Seitenruder das fahrende Klassenzimmer auf. Sofort spülen die entstandenen Wellen die Insassen des Gefährts von Deck. In weniger als zehn Minuten ist das Schiff gesunken. 26 Überlebende kommen mit dem Schrecken davon, drei Crewmitglieder, die zwei Lehrer und vier Auszubildende bleiben vermisst. Die öffentlich diskutierte Schuldfrage ist weniger an den Opfern als an der historischen und politischen Brisanz des Ereignisses orientiert. So berichten japanische und amerikanische Medien unterschiedlich über die Kollision, wie der Fotograf und Autor Shin’ya Fujiwara (2001: A-17) betont: »[In the news] I noticed references to the collision as occurring ›off Pearl Harbor.‹ In Japan, the news media described the site as ›off Hawaii‹.« Der Verweis auf Pearl Harbor als Ort eines japanisch-amerikanischen Zusammenstoßes schürt breites Interesse in der Öffentlichkeit, insbesondere hinsichtlich Schuldzuweisungen und Entschuldigungserwartungen. Die konfliktbesetzte Geschichte der Vereinigten Staaten mit Japan seit Anbeginn des Zweiten Weltkrieges soll die weitere Diskussion beherrschen und die Amtszeit des nur wenige Wochen zuvor vereidigten Präsidenten George W. Bush nachhaltig prägen. Die Erinnerung, die diese Geschichte wachruft, ist mächtig. Ein halbes Jahr später prägt sie die Wahrnehmung jenes Tages, an dem die USA Opfer von ›vorsätzlichen und tödlichen terroristischen Anschlägen‹ (vgl. »Address to the Nation« 2001) werden. Denn Präsident Bush nennt diesen Tag, den 11. September 2001, das ›Pearl Harbor des 21. Jahrhunderts‹. Doch warum kann im 60. Jahr nach dem Angriff auf Pearl Harbor der Marinestützpunkt erneut zum wirksamen Argument in Krisengesprächen zwischen den USA und Japan werden? Warum kann sich ein historischer Kontext ohne Weiteres vor das Interesse an individuellen Opfern schieben? Welche Macht übt die Geschichte um den Angriff auf die Marinestation auf den Zusammenhalt einer Nation aus? Welche Funktion erfüllt ›Pearl Harbor‹ im öffentlichen Diskurs der USA? Diese Arbeit nimmt sich diesen

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Problemen an und spürt dabei insbesondere der Frage nach, welchen Stellenwert dem Krieg auslösenden Angriff Japans auf Pearl Harbor für die nationale Identität der USA zukommt, und warum sechzig Jahre später, die Erinnerung an ›Pearl Harbor‹ eine sinnstiftende Erklärung für das nationale Trauma des ›11. September 2001‹ wird? Die vorliegende Arbeit begreift ›Pearl Harbor‹ und ›9/11‹ als nationale Traumata, die medial produziert sind. In dieser Form bestärken sie den Charakter der Nation und befördern eine Erzählhaltung, die den Riss im nationalen Gewebe positiv und sinnstiftend schließt. Aus traumatheoretischer Sicht sind Trauerarbeit und Erinnerungsarbeit dem Vergessen und Verdrängen negativer Elemente ausgesetzt, ein Tribut, den eine auf nationalen Mythen aufbauende, identitätsstiftende Erzählung beider Ereignisse in Form der ›offiziellen‹ Geschichte einfordert. Wie diese medial aufbereitete Geschichte eine multikulturelle Gesellschaft zu einen vermag und über Generationen hinweg ein Massenpublikum erreicht, ist Untersuchungsgegenstand und zentrale Fragestellung der vorliegenden Arbeit. Dabei steht ganz bewusst das amerikanische Kino im Mittelpunkt des Analysekorpus. Diese Arbeit fragt nicht nach den Repräsentationen und Erzählmodi eines noch zu definierenden ›9/11‹-Romanes. Wiederholt hat sich gezeigt, dass im amerikanischen Roman noch große Unsicherheit darüber herrscht, wie eine Repräsentation der Ereignisse des ›11. Septembers‹ zu erfolgen hat. Zudem hat sich die amerikanische Literatur noch nicht loslösen können vom visuellen Stimulus. Neben narrativen Leerstellen wie in Paul Austers Brooklyn Follies (2005) oder Jay McInerneys The Good Life (2006), beherrscht ein ›Erzählen in Bildern‹ die Repräsentation der Ereignisse. So finden sich etwa zu Ende des Romanes Extremely Loud & Incredibly Close (2005) von Jonathan Safran Foer ein Daumenkino, das Richard Drews ikonische Aufnahme des ›Falling Man‹, je nach Perspektivierung entweder umkehrt oder nachempfindet. Frederic Beigbédérs Windows on the World (2004) zeichnet die Türme des World Trade Centers mitsamt der Antenne im Kapitel »10:28« mit Wörtern nach, die Kapitelüberschrift bezeichnet den Zeitpunkt des Einsturzes des Nordturmes. Der Falling Man (2007) ist auch titelgebende Figur für Don DeLillos Roman zum ›11. September‹. Dieser perspektiviert an drei Stellen den Attentäter Hammad und zeigt ihn als wilden Fremden, der keinen Zweifel an seiner Mission hegt und ohne Zögern den Islam als »struggle against the enemy, near enemy and far,

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Jews first, for all things unjust and hateful, and then the Americans« versteht (DeLillo 2007: 80). Neben den bereits erwähnten Romanen hat sich ebenso etwa auch in Claire Messuds The Emperor’s Children (2006) oder Reynold Prices The Good Priest’s Son (2005) eine Tendenz herauskristallisiert, die Terroranschläge zu einem Angriff auf die weiße amerikanische Mittelklasse zu stilisieren. Entgegen dieser exklusiven Vereinnahmung des ›Traumas‹ erhielt die Zuschreibung des Hurrikans Katrina als »the Black Nation’s 9/11« (Muhammad 2006) immense Popularität. Aus diesen Gründen beschäftigt sich diese Arbeit vor allem mit den massenmedialen Perspektiven auf ›9/11‹, die entgegen der Literatur eine mit ikonischen Aufnahmen und Authentizitäteffekten behaftete Repräsentation der Ereignisse gefunden hat, die die oben genannten Romane zum Teil unkritisch übernehmen. Welche Funktion diese medialen Repräsentationen haben und wie diese überhaupt gestaltet sind, wird demnach auf den nächsten Seiten näher erörtert. Für eine weitere Diskussion des ›9/11‹-Romanes sei an dieser Stelle auf Däwes (2007, 2008), Versluys (2009) und Gray (2011) verwiesen. Im folgenden Kapitel steht zunächst das Konfliktpotenzial der eingangs beschriebenen Kollision auf dem Prüfstand. Ein weiterer Blick in die politischen und kulturellen Kontexte, die die Havarie umgeben, hilft, das Sujet des ›nationalen Traumas‹ näher einzuführen. Während Kapitel 1.1. auf diese Weise die Spielarten der Pearl-Harbor-Erinnerung im Kontext der Anschläge vom 11. September 2001 austariert, geht Kapitel 1.2. genauer auf die Auslöser der beiden nationalen Traumata ›Pearl Harbor‹ und ›9/11‹ ein. Kapitel 1.3 konzentriert sich sodann auf die Termini ›Trauma‹ und ›kulturelle Erinnerung‹. Ein aktueller Forschungsstand und die weiteren Schritte auf dem Weg zu einer Deutung der beiden nationalen Traumata sind Hauptaufgabe des abschließenden Teilkapitels.

1.1 W ARUM P EARL H ARBOR ? Die Havarie zwischen der USS Greeneville und der Ehime Maru hätte zu keinem ungünstigeren Zeitpunkt stattfinden können. Denn die Kollision vor Hawaii weckt einerseits in den USA die Erinnerung an den Angriff auf Pearl Harbor in einem neuen Kontext. Andererseits nährt sie in Japan ein Konfliktpotenzial, das im Land seit Ende des Zweiten Weltkrieges durch

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die fortwährende Präsenz amerikanischer Truppen existiert. Ein Präzedenzfall ist die Präfektur Okinawa, in der amerikanische Truppen in großer Zahl stationiert sind.1 Wiederholt sind ansässige Frauen und Kinder Gewaltopfer dieser Truppen. Erst einen Monat vor der Havarie macht sich ein Unteroffizier der US Navy der Vergewaltigung eines Schulmädchens schuldig. Dies ist kein Einzelfall. 1995 entführen und vergewaltigen drei Soldaten ein 12-jähriges Schulmädchen. Seither besitzen die Debatten über einen Standortwechsel und der Protest Einheimischer gegen die Truppen ein stärkeres Gewicht denn je.2 Dabei sind diese Proteste stets eingebettet in die Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg und die Folgen der Okkupation durch die USA (1945–1952). Nicht zuletzt zeugt der Widerstand der japanischen Bevölkerung von einer Kontinuität im Widerstand gegen die amerikanischen Besatzer. Wie Fujitani, White und Yoneyama (2001: 12) festhalten, befindet sich insbesondere Okinawa im Spannungsfeld einer: »simple imperialist/nonimperialist dichotomy that would position Japan as former imperial and colonial power and the United States as the liberator of East Asia.« Die fehlende Entschuldigung nach der Havarie vom Februar 2001 bestätigt die militärische Vorherrschaft der USA im zivilen Leben Japans seit dem Zweiten Weltkrieg. Dies steht im Einklang mit der nationalen Wahrnehmung dieses Krieges aus japanischer Sicht als historische Abweichung vom sonst erfolgreichen Modernisierungskurs (vgl. ibid.: 7). Auf amerikanischer Seite hingegen bestärkte die Schiffskollision vor Hawaii die national vorherrschende Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg im Pazifik. So geht der Havarie eine Bewegung voraus, die ehemalige amerikanische Kriegsgefangene und ihre einstigen japanischen Peiniger in Kampagnen und Entschädigungsprozessen gegenüberstellt. Die Kläger sind während des Zweiten Weltkrieges zu Zwangsarbeiten für große japanische Unternehmen herangezogen worden (vgl. Rosenberg 2003: 111). Doch die Kampagnen scheitern am State Department. Sowohl die japanische als auch die amerikanische Regierung beruft sich auf das Regelwerk des Friedensvertrags von San Francisco, der alle nachträglichen Kriegsentschädigungsforderungen annulliert. In diesem Kontext verstärkt die Havarie die Reser-

1

Im Jahr 2001 sind laut dem Menschenrechtsaktivisten Ichiyo Muto (2004: 1) 25.000 von insgesamt 52.000 U.S. Truppenmitgliedern in Okinawa stationiert.

2

Für einen Überblick über die Proteste und Vorfälle in Okinawa siehe Chalmers Johnson (1996).

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viertheit vieler amerikanischer Staatsbürger gegenüber Japan im 60. Jahr nach ›Pearl Harbor‹. So wundert es kaum, dass amerikanische Nachrichtensprecher die Schiffskollision unmittelbar mit dem Angriff auf Pearl Harbor in Verbindung bringen, indem sie auf eine fehlende Entschuldigung Japans verwiesen: »Japan, as many American commentators quickly pointed out, had never officially apologized for its 1941 attack. Dan Rather, on the CBS Evening News, for example, overtly linked a discussion of blame in the submarine incident with World War II issues. He noted the failure of Japan to apologize for brutality against Chinese people, sex slaves, and POWS during World War II. Showing the stock footage of the Pearl Harbor attack […], he also criticized a Japanese politician’s recent implication that the United States – not Japan – was to blame for the 1941 attack at Pearl Harbor because of the embargoes it had leveled against Japan.« (Rosenberg 2003: 111)

Gleichzeitig warten japanische Medien und die Bevölkerung auf eine persönliche Entschuldigung des zuständigen U-Boot-Kapitäns (vgl. Fujiwara 2001), die erst im März per Brief erfolgt. Der Streit um Schuld und Entschuldigung entspringt in beiden Fällen der nationalen Erinnerung um die Erfahrungen aus dem Zweiten Weltkrieg. Gleichzeitig jedoch verdeckt diese Erinnerung jeweils ein vormaliges Unterfangen: Die Interessen Japans und der USA als Kolonialisten in Okinawa und Hawaii spielen in den oben genannten Debatten keine Rolle.3 Die öffentliche

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Okinawa wird als eigenständiges Königreich Ryukyu zu Beginn des 17. Jahrhundert von dem Shōgunat Satsuma überfallen und unter die politische wie wirtschaftliche Kontrolle Japans gebracht. Erst im späten 19. Jahrhundert erhält die Quasi-Kolonie den Status einer japanischen Präfektur. Mit seiner eigenen Sprache und Religion sowie einer chinesisch und thailändisch beeinflussten Kultur werden die Bewohner Okinawas lange Zeit von Japanern als Nationalangehörige zweiter Klasse betrachtet. Wegen seiner entfernten Lage zum Festland gelten die Okinawa-Inseln während des Zweiten Weltkrieges als Pufferzone gegen die heranrückenden amerikanischen Truppen (vgl. Inoue 2007: 59). Während der Operation ›Iceberg‹ im April 1945 überrennt das amerikanische Militär Okinawa nahezu. Eben dieses Gebiet gerät nach dem Zweiten

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Diskussion um die Havarie zeigt, dass nationale Erinnerungen an den Zweiten Weltkrieg unterschiedliche Funktionen erfüllen und stets auch von verdeckten Erinnerungen begleitet sein können. Diese Beobachtung nimmt im weiteren Verlauf dieser Arbeit eine zentrale Rolle ein.

Das Jahr 2001 steht in den USA auch weiterhin ganz im Licht der durch die Havarie geweckten Erinnerung an ›Pearl Harbor‹. Anlässlich des 60. Jahrestages realisieren Jerry Bruckheimer und Michael Bay das vom Pentagon subventionierte Kriegsepos Pearl Harbor. Der Film startete am 25. Mai 2001, pünktlich zum Memorial Day, in den amerikanischen Kinos. Obgleich die Kritiker den Film nahezu einstimmig ablehnen, beflügelt er die Kulturindustrie. Im Zuge des Filmes enstehen zahlreiche Pearl-Harbor-Memorabilien: So erreichen etwa Neuauflagen von Augenzeugenberichten und historischen Studienarbeiten zu ›Pearl Harbor‹ die Buchläden, Dokumentarfilme und

Weltkrieg verstärkt unter militärische Kontrolle amerikanischer Truppen und erfährt erst seither eine Aufwertung im nationalen Bewusstsein Japans. Auch Hawaii ist bis 1893 ein unabhängiges Königreich. Nach einem Staatsstreich billigen die reicheren Landbesitzer 1898 den Anschluss an die USA. Hawaii erhält 1900 den Status eines Territoriums der Vereinigten Staaten (vgl. S. Johnson 1991: 147). Schon 1873 drängt das Navy Department auf die Einrichtung einer Marinestation in einer Lagune am Pearl River. Nach der Annexion wird die Bucht zu einer Marinestation und zu einem zentralen Stützpunkt amerikanischer Truppen im Pazifik. Die Annahme, dass sich die Hawaiianer passiv der Annexion hingaben, ist ein Mythos. Über Hintergründe und Details zum Widerstand gegen die Quasi-Kolonialisierung durch die USA siehe Silva (2004). In einem Überraschungsangriff auf Pearl Harbor gelingt es der Kaiserlichen Japanische Armee am 7. Dezember 1941 innerhalb von 15 Minuten mit Torpedo-Bombern, Bombern und Kampfflugzeugen der ›U.S. Pacific Fleet‹ erheblichen Schaden zuzufügen. Der Angriff markierte den Einstieg der USA in den Zweiten Weltkrieg und macht Hawaii zu einem entscheidenden Stützpunkt für den Krieg im Pazifik. Erst 1959 wird Hawaii zum 50. Bundesstaat der USA. Der Angriff auf Pearl Harbor, wie die Arbeit im Folgenden diskutiert, kennzeichnet einen Startpunkt im nationalen Bewusstsein der USA um ihre Position auf Hawaii. Die imperial anmutenden Interessen der USA spielen in der ›offiziellen Geschichte‹ um den Angriff auf Pearl Harbor und die amerikanische Liaison mit Hawaii eine untergeordnete Rolle.

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bisherige Verfilmungen des Angriffes auf Pearl Harbor wie December 7th oder Tora!Tora!Tora! erhalten ihre ersten eigenständigen DVD-Veröffentlichungen, amazon.com richtete online einen ganzen ›Pearl Harbor Store‹ ein, Hasbro produzierte anlässlich des Filmes 12Inch-große Pearl-Harbor-Spielzeugfiguren unter der Reihe »G.I. Joe« und der History Channel zeigt Pearl-Harbor-Dokumentationen in Wiederholungsschleifen (vgl. Rosenberg 2003: 2). Nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 sind keine schlechten Kritiken über Pearl Harbor mehr zu lesen (vgl. Landy 2004: 92). Auch die politische Öffentlichkeit behält die Pearl-HarborMetaphorik nach der Schiffskollision bei: Als sich der Außenminister Japans, Makiko Tanaka, und Colin Powell am 8. September 2001 in der San Francisco Opera treffen, warten vor den Türen Hunderte von Demonstranten. Anlässlich des 50. Jahrestages des Friedensvertrages von San Francisco fordern die Demonstranten eine formale Entschuldigung Japans gegenüber China und den amerikanischen Kriegsgefangenen (vgl. Rosenberg 2003: 112). Schon im Sommer desselben Jahres verlagert der Verteidigungsminister Donald Rumsfeld den Marineangriff von einst ins Weltall. Weil er die Fortschritte in Chinas Raumfahrtprogramm als Provokation wahrnimmt, wirbt er für ein moderneres Raketenabwehrsystem, um ein mögliches »Space Pearl Harbor« abzuwenden. Rumsfeld ist Mitglied im bis 2006 finanzierten »Project for the New American Century«, das im September 2000 seinen Bericht zur Sicherheitspolitik veröffentlicht. Darin heißt es unter anderem, dass eine Umsetzung der »Revolution in Military Affairs« ein sehr zeitaufwendiges Unterfangen sei, würde es nicht durch ein ›katastrophenartiges und katalysierendes Ereignis – wie etwa ein neues Pearl Harbor‹ gestützt (PNAC 2000: 51).4 Bereits einen Tag nach den terroristischen Anschlägen vom 11. September 2001 titeln Tageszeitungen ein »Second Pearl Harbor« oder »A New Day of Infamy« [vgl. Abb. 1]. Die Pearl-Harbor-Erinnerung beeinflusst in dieser Form die öffentliche Wahrnehmung politischer Ereignisse. Rosenberg (2003: 2) betont: »Pearl Harbor became the most commonly invoked metaphor to

4

Der Theologe David Ray Griffin greift diese Äußerung nach ›9/11‹ auf für seine Streitschrift unter dem Titel The New Pearl Harbor (2004). Nachfolger dieses think tanks ist seit 2009 die »Foreign Policy Initiative« (foreignpolicyi.org).

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frame the early understandings of the attacks on the World Trade Center and the Pentagon, the most deadly strikes on American soil.« Abbildung 1: Schlagzeilen zum 11. September 2001

Quelle: © 2001 The Boston Globe / The Honolulu Advertiser

Nach dem ›11. September‹ währt die Faszination der Pearl-HarborErinnerung fort. Nachrichtensprecher, Zeitungen und öffentliche Einrichtungen adaptieren Referenzen auf ›Pearl Harbor‹ und dem Zweiten Weltkrieg in ihrer Sprache und dem Programm: Der CBS-Anchorman Dan Rather spricht von einem »Pearl Harbor of Terrorism«; der New Yorker platziert online die ›Talk of the Town‹-Kolumne vom 20. Dezember 1941, um die Stimmung nach ›Pearl Harbor‹ mit der vom ›11. September‹ zu vergleichen; die Library of Congress reinitiiert am American Folklife Center das ›Witness and Response‹-Zeitzeugen-Projekt, 60 Jahre nach seinem ersten und einzigen Durchlauf anlässlich des Angriffs auf Pearl Harbor (vgl. Rosenberg 2003: 175–177). Landy (2004: 84) schließt aus den in den Nachrichten, Dokumentarfilmen und im Kino vielfach mediatisierten Pearl-Harbor-Erinnerungen, dass es in der Zeit nach den Terroranschlägen einen starken Bedarf gibt, für das Ereignis einen bestimmten historischen Kontext herzustellen. Diese Entwicklung schlägt sich auch auf die

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Besucherzahlen am USS Arizona Memorial auf Hawaii nieder, die nach ›9/11‹ erheblich ansteigen.5 Dieser Umgang mit der Pearl-Harbor-Erinnerung verstärkt in der Zeit nach ›9/11‹ die Betonung des national Eigenen und Fremden. Hierzu erfährt der seit der Staatengründung aufrechterhaltene Topos von ›Zivilisation versus Wildnis‹ eine neue Aufwertung. Entsprechend erlebt die Sprache und Metaphorik anti-japanischer Propaganda aus dem Zweiten Weltkrieg eine Renaissance.6 So sind Verweise auf den Zweite Weltkrieg nicht nur rhetorisches Mittel in den präsidialen Ansprachen George W. Bushs (vgl. K. P. Schneider 2002), sondern auch das Bild eines feindlichfremden ›Barbaren‹ ein unumgängliches Stereotyp in der Rechtfertigung des ausgerufenen ›Krieges gegen den Terror‹. Diese Rhetorik ist als eine Notwendigkeit zu verstehen, um den Moment, der die USA im historischen Bewusstsein zum ›Bewahrer der Freiheit‹ macht und für ihre Entwicklung als Supermacht steht, zu konservieren und in einem neuen Kontext zu funktionalisieren. Die Erzählung um die Angriffe auf Pearl Harbor und das Aufleben der Erinnerungen an den Zweiten Weltkrieg rechtfertigten, so scheint es, einen ›Globalen Krieg gegen den Terror‹, der mit der Bombardierung Afghanistans und schließlich mit dem Krieg im Irak seinen Lauf nimmt: »Bush’s tendency to see new war in terms of old, linguistic separations and divisions […] received its initial inspiration from World War II. In a speech he gave on the 50th [sic] anniversary of Pearl Harbor on the deck of the US Enterprise, Bush harped back to the fight against ›tyranny‹ in World War II […] In the modern war against terrorism and the leaders of those who live ›in caves‹ […] the United States, he said, would need to deploy ›new capabilities and technologies‹. It would also need to enlist the support of the nation’s ›military‹ […] to achieve ›decisive and total victory‹.« (Melling 2007: 121)

5

Yaguchi (2005: 351) berichtet, wie dieser Besucheranstieg und die Bedeutung des Pearl Harbor Memorials gedeutet wurde, steht es doch für »the unfortunate sacrifice of lives of the soldiers and provides a lesson in failure that should never be repeated.«

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Eine ausführliche Abhandlung der Darstellung von Japanern während des Zweiten Weltkrieges als wilde Barbaren, als »racial menace«, in den Medien siehe Dower (1993 [1986]).

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Die Bezugnahme auf den Vietnamkrieg oder den amerikanischen Golfkrieg fehlen zunächst in den Reden des Präsidenten der USA völlig. Stattdessen prägen die Angriffe auf Pearl Harbor und der Zweite Weltkrieg die Rhetorik geopolitischer Operationen der USA nach dem 11. September 2001. Auch die Populärkultur nimmt diesen Topos auf und streut ihn auf vielfältigste Weise. Marvel Comics veröffentlichte ab September 2001 eine 12-teilige Comicserie, deren Handlung im Irak angesiedelt ist. Darin tritt die Superheldin Elektra gegen die Schergen des Diktators Saddam Abed Dasam an. Im vierten Heft kämpft der aus Japan stammende Silver Samurai auf Seiten des Irak, weshalb ihn die Titelheldin eliminiert.7 Weiterhin erschienen eine Vielzahl an Romanen und Sammelbänden mit alternativen Geschichten zum Angriff auf Pearl Harbor, die bekanntesten unter ihnen December 6th (2003) von Martin Cruz-Smith, Harry Turtledoves Infamy Duology (2004–2005), Douglas Niles und Michael Dobsons MacArthur's War: A Novel of the Invasion of Japan (2008), Pearl Harbor: A Novel of December 8th (2008) sowie Days of Infamy (2009) von Newt Gingrich und William R. Forstchen oder zuletzt Robert Conroys 1942 (2009). Auch Hollywood verstärkte die Pearl-Harbor-Erinnerung. Nach dem Beginn des Krieges in Afghanistan, ist in den Kinos ein Anstieg an Kriegsfilmen zu verzeichnen, die dem World War II Combat Film (vgl. Basinger 2003) thematisch sehr nahe sind: Sie zelebrieren amerikanischen Heldenmut sowie militärisch-technologische Überlegenheit. Hierzu zählen Behind Enemy Lines (John Moore 2001), Black Hawk Down (Ridley Scott 2001), We Were Soldiers (Randalll Wallace 2002), Hart’s War (Gregory Hoblitt 2002), Windtalkers (John Woo 2002), Tears of the Sun (Antoine Fuqua 2003), The Great Raid (John Dahl 2005) und Flags of Our Fathers (Clint Eastwood 2006).8 Ästhetisch wie narrativ fungieren die Assoziationen mit oder der direkte Bezug auf den Zweiten Weltkrieg in diesen populärkulturellen Texten als Folie für die Welt nach ›9/11‹.

7

Die Auflage der Serie ist inzwischen ausverkauft und ein Sammlerobjekt. Marvel Comics veröffentlicht die Serie im Dezember 2002 in drei Paperbacks.

8

Die 2001 produzierten Filme werden bis zum Ausbruch des AfghanistanKrieges im Oktober 2001 von den Studios zurückgehalten. Ihre Rezeption ist daher immer verbunden mit den Folgen der Terroranschläge vom 11. September 2001, eine Zeit, in der das Publikum wesentlich empfänglicher für das Kriegsthema ist (vgl. Lowenstein 2005: 178).

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Zwar mögen die Unterschiede der Angriffe auf Pearl Harbor und der vom 11. September 2001 offensichtlich sein: Der eine gilt als militärische Operation knapp 2.500 Meilen vor der Westküste auf Territorium der Vereinigten Staaten, die anderen als terroristische Anschläge mit zivilen Opfern mitten in den militärischen und finanziellen Zentren der USA. Dennoch lassen, wie Claus Daufenbach (2002: 229) betont, »die als infam und heimtückisch verstandenen Angriffe diese Kluft verschwinden. […] Der 7. Dezember 1941 erscheint der amerikanischen Führung als ein Präzedenzfall dafür, wie ein Trauma nicht nur zu überwinden ist, sondern […] auf Jahre hinaus patriotischen Profit abwirft.« Wenn ›Pearl Harbor‹ und ›9/11‹ demnach als nationale Traumata zu verstehen sind, zeigt dies, dass sie – auf gesellschaftlicher Ebene – sozial und damit auch medial produzierte Traumata sind. Sie bestärken ein Nationalgefühl und funktionalisieren die Traumaerfahrung für eine Kriegsrechtfertigung. Trauerarbeit ist dabei eine Verdrängungsarbeit. Sie wird abgelöst durch das öffentliche Bekenntnis zu nationalen Mythen, sowohl auf politischer als auch auf kultureller Ebene. Die zufällige Schiffskollision, mit der dieses Kapitel begonnen hat, reiht sich daher ein in eine lange Tradition der Bestätigung nationaler Identität durch funktionalisierte Geschichte und kulturelle Traumabewältigung. ›Pearl Harbor‹ und ›9/11‹ sind zwei identitätskonstituierende Eckpfeiler der USA als Weltmacht. Diese Art eines nationalen Traumas mag sich zwar ästhetischer Repräsentationen vergangener Traumata9 bedienen, aber seine wesentliche Funktion scheint darin zu liegen, die multikulturelle Kluft in der Gesellschaft zu überwinden und eine gemeinsame ›Americanness‹ einem gemeinsamen Feindlich-Fremden gegenüberzustellen. Ziel dieser Arbeit ist es, darzulegen, ob und wie Repräsentationen dieser Traumata beides – eine Nation und einen Feind – zu adressieren vermögen und wie diese Funktionalisierung der Traumata vor den Augen eines Massenpublikums realisiert ist.

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Bezugspunkte vergangener Traumata sind etwa der anglo-amerikanische Krieg von 1812, der mexikanische Unabhängigkeitskrieg mit dem Überfall auf das Fort Alamo im März 1836 oder die Explosion der USS Maine als Anlass für den Spanisch-Amerikanisch Krieg von 1898.

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1.2 ›P EARL H ARBOR ‹ UND ›9/11‹ IM NATIONALEN B EWUSSTSEIN Nachdem sich Kapitel 1.1 mehr auf Kontexte und Wirkung der Angriffe auf Pearl Harbor und der vom 11. September 2001 konzentrierte, um die Funktionen der nationalen Traumata zu skizzieren, geht Kapitel 1.2 im Folgenden genauer auf die Ereignisse ein, um die Erzählstruktur der PearlHarbor-Attacke als psychologischen Wegbereiter für die Wahrnehmung von ›9/11‹ näher vorzustellen. Für die Annäherung an die Pearl-HarborErinnerung, soll ein kurzer Überblick zu den historisch tradierten Stationen auf dem Weg zu ›Pearl Harbor‹ genügen.10 Wo ist Pearl Harbor? Der Konflikt mit Japan, der im Angriff auf Pearl Harbor einen Höhepunkt findet, ist früh antizipiert worden: Bereits 1893 deutete US NavyKonteradmiral Alfred Thayer Mahan in seinen Ausführungen über »Hawaii and Our Future Sea Power« einen Pazifikkrieg mit Japan an (2005 [1897]: 31–59 und 175–217). Im Jahr 1941 tritt er tatsächlich ein. Als 1939 der Zweite Weltkrieg in Europa ausbrach, befinden sich die USA in einer selbstgewählten Isolation.11 Dennoch gibt es bis 1941 USaußenpolitische Problemzonen im Westpazifik: Japan weitet seinen Einflussbereich aus und erfährt nach der Mandschurei-Krise von 1931, dem

10 Zum genauen Studium der Beziehungen zwischen den USA und Japan seit 1853, der Öffnung Japans durch Commodore Perrys Kanonenboote, sei auf Feifer (2006), LaFeber (1998) und Schodt (1994) verwiesen. Oft wird von einem mehr als 100-jährigen Krieg Japans gegen den Westen gesprochen. Am deutlichsten drückt Edwin O. Reischauer, der einstige U.S. Botschafter in Japan, diese Auffassung zum 100. Jahrestag der Öffnung Japans aus: »During the 20th century as a whole, no country has more consistently regarded itself as in essential conflict with the United States than has Japan, and no country has been more uniformly looked upon as a potential enemy by Americans« (zitiert in Friedman und Lebard 1991: vii). 11 Nach dem Börsenkrach vom 29. Oktober 1929 bestimmen wirtschaftliche Rezession, hohe Inflationsraten und eine große Depression das Land. Präsident Roosevelt versucht die USA über seine New Deal-Reformen neu zu ordnen.

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Rückzug aus dem Völkerbund 1934 und dem Überfall auf China im Jahr 1937 verstärkt Sanktionen seitens der USA. Als im Jahr 1940 die USA japanisches Vermögen einfriert und Großbritannien sowie NiederländischOstindien dem Beispiel folgen, überfällt Japan die französische Kolonie Indochina. Die Vereinigten Staaten versuchen, über Öl- und Handelsembargos eine weitere Ausweitung Japans zu verhindern. Derweil arbeiten die japanischen Botschafter in den USA gemeinsam mit amerikanischen Behörden an Friedensvereinbarungen. Dabei stellen beide Staaten einander inakzeptable Forderungen. Als der amerikanische Außenminister Cordell Hull im November 1941 in der nach ihm benannten Hull-Note den sofortigen Rückzug japanischer Truppen aus Indochina und China verlangt, fasst Japan diese Forderung als Ultimatum auf. Zudem versteht Japan die Verlagerung der amerikanischen Pazifikflotte von San Diego nach Pearl Harbor als ein Zeichen für einen baldigen Angriff. Unter Leitung des japanischen Premierministers Fumimaro Konoye beginnt die japanische Regierung, Maßnahmen gegen die amerikanischen Embargos zu planen. Nach einer politischen Wende in Japan stehen im Herbst 1941 die Möglichkeiten für Militärgeneral Hideki Tojo offen, das wahrgenommene Ultimatum der USA per Waffengewalt zu lösen. In den Morgenstunden des 7. Dezember 1941 schließlich erfolgt hierfür der Erstschlag auf den Marinestützpunkt Pearl Harbor auf Oahu, Hawaii. Trotz der außenpolitischen Spannungen teilt der Filmwissenschaftler Frank McAdams die Meinung vieler Amerikaner, wenn er sagt: »The United States were in an easy, carefree mode, right up to the commencement of the Pearl Harbor Attack« (2002: 32). Folglich geht der an jenem Sonntag stattfindende Angriff als ein hinterhältiger Überraschungsangriff, als ein ›Day of Infamy‹, in die amerikanische Geschichte ein: »The Pearl Harbor attack killed 2403 people, destroyed or damaged 18 U.S. battleships, cruisers and destroyers and 188 airplanes« (Donald 1997: 41). Als die Nachricht über den erfolgreichen Angriff japanischer Streitkräfte auf Pearl Harbor die Runde macht, greifen viele Amerikaner zuerst zu ihren Atlanten. Die Frage nach dem Ort des Angriffes bestimmt die ersten Reaktionen auf ihn: »My friend said, ›Where’s Pearl Harbor?‹ It was a common question«, stellt Janet McConnaughey fest (2007: n.p.). Zum Zeitpunkt des Angriffes kennt kaum ein Amerikaner die Position des Stützpunktes oder weiß von seiner Existenz (vgl. Zinsser 1991: 73, McAdams 2002: 30). Oberste Priorität kommt daher der Aufklärungsarbeit

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zu. Denn wie soll eine ganze Nation das sich anbahnende Kriegsvorhaben unterstützen, wenn sie nicht einmal weiß, wo sie angegriffen worden ist? Abbildung 2: Seite 1 von Franklin Delano Roosevelts »Pearl Harbor Address to the Nation« vom 8. Dezember 1941

Quelle: Freeman, Schamel und West 1991, S. 468

In seiner Kriegserklärung wählt Franklin D. Roosevelt eine kartografische Abkürzung und subsumiert den Inselstaat Hawaii unter die USA. Genauere Angaben zum politischen Hintergrund, der geographischen Lage und die Erwähnung von Pearl Harbor fehlen. Stattdessen beginnt Roosevelt seine Rede wie folgt: »Yesterday, December 7, 1941 – a date which will live in infamy – the United States of America was suddenly and deliberately attacked by naval and air forces of the Empire of Japan« (Roosevelt 1941: n.p., meine Hervorhebung). Weiterhin berichtet Roosevelt, dass bereits eine Stunde nach dem Angriff der japanische Botschafter in Washington, D.C.

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formal alle diplomatischen Verhandlungen eingestellt habe. Bevor der Oberbefehlshaber aller amerikanischen Streitkräfte den Kongress um eine Kriegserklärung bittet, erwähnt er noch maritime Angriffe auf amerikanische Schiffe zwischen San Francisco und Honolulu. Gekonnt stellt Roosevelt mit seiner Rede die komplexen Hintergründe um staatliche Interessenspolitik auf Hawaii und mögliche Erklärungen für das Vorgehen der Japaner ins Abseits. Obgleich Pearl Harbor etwa 2.500 Meilen vor der Westküste der USA liegt, vermittelte die Kriegserklärung eine zeitliche und lokale Nähe der Ereignisse und unterstreicht damit ihre Dringlichkeit. Die zusätzlichen Angriffe auf Manila am selben Tag verkommen zu einer Nebeninformation. Vielmehr reihen sich die Ereignisse auf den Phillipinen in eine Aufzählung weiterer nahezu zeitgleicher Überfälle japanischer Streitkräfte ein. Tatsächlich habe Roosevelt, so Rosenberg, seine Rede mehrmals umgeschrieben, um alleinig den Angriff auf die USA und die Hinterhältigkeit dieses Unterfangens in den Vordergrund zu rücken (vgl. 2003: 15). Im Ergebnis kommt dem isolierten Außenposten auf Hawaii die Rolle als greifbarer Startpunkt der Kriegserzählung zu [vgl. Abb. 2]. Abbildung 3: Erste Bilder des Angriffes auf Pearl Harbor

Quelle: © 1942 LIFE

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Die im Radio, dem Leitmedium12 jener Zeit, übertragene Rede Roosevelts hinterlässt eine tiefgreifende Wirkung. Schon am darauffolgenden Tag bilden sich lange Schlangen vor den Rekrutierungsbüros der US Army, Navy und des Marine Corps. Da es zunächst keine offiziellen Fotos des Angriffs gibt, bleiben Wortmeldungen für lange Zeit die einzige Informationsquelle: »The president’s message was especially memorable because words, not photographs sketched the initial public image of the attack« (Rosenberg 2003: 15). Erst am 16. Februar 1942 zeigt das Life-Magazin unter der Überschrift »Pictures of the Nation’s Worst Naval Disaster Show Pearl Harbor Hell« eine erste Fotoserie der brennenden USS Arizona [vgl. Abb. 3]. Abbildung 4: »Attack on Pearl Harbor« von Theodore Kautzky

Quelle: © 1941 LIFE

In der Zwischenzeit verlagern die Titelblätter der Tageszeitungen mit Schlagzeilen wie »Enemy Planes near N.Y. from Atlantic!« (San Francisco Call Bulletin 10.12.1941) den Krieg vom Pazifik in den Atlantik oder drucken Gemälde renommierter Maler wie etwa Ted Kautzky ab [vgl. Abb.

12 Daniels betont »[in] 1940, […] radio was the dominant form of home entertainment« (1998: 50).

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4], die das Desaster fantasieren.13 Das Radio etabliert sich als wichtigste Nachrichtenressource in den Wohnzimmern (vgl. Widner 2000), es spielt dazu vornehmend patriotische Musik (vgl. Neal 2005: 64), überträgt Roosevelts »Fireside Chats« und Sammy Kaye schreibt mit seinem Song »Remember Pearl Harbor« Geschichte (vgl. White 1997: 68). Wegen des ausgerufenen Kriegszustandes unterstehen die Nachrichten weitgreifender Zensur. So sind Interviews und Moderationen im Radio oft unterbunden worden (vgl. Widner 2000). Mit der Gründung des Office of War Information14 [OWI] institutionalisiert die Regierung Roosevelt schließlich die bundesweite Zensur (vgl. Howell 2007). Die Geschichte um die Angriffe vom 7. Dezember erhält mit der Erzählung eines Überraschungsangriffes einen offiziellen Rahmen. Sie erreicht jeden Haushalt. Als Entscheidungsträger und oberste Vermittlungsinstanz kann die Regierung Roosevelt mit ihr innerhalb kürzester Zeit die Nation vereinen und vom Kriegsvorhaben überzeugen. Über den Anlass sind sich die Medien einig: der hinterhältige und brutale Angriff japanischer Streitkräfte auf die amerikanische Nation. Für die USA gilt der Eintritt in den Zweiten Weltkrieg als Eintritt in einen Verteidigungskrieg (vgl. Rosenberg 2003: 15).15 Roosevelts Worte schaffen für ihn zeitliche und örtliche Nähe. Drei Monate später zirkulieren die ersten Bilder. Im Zentrum der Fotos ist der von Rauchschwaden umgebene Vordermast der USS Arizona deutlich zu erkennen. Ein Bild wird zur ikonischen Repräsentation des Angriffes auf Pearl Harbor [vgl.

13 Zinsser (1991: 80) über die kollektive Wahrnehmung von ›Pearl Harbor‹: »Surely an attack as cunningly planned as the Pearl Harbor raid was only a prelude. Hawaii was about to be invaded! California was about to be invaded! If hundreds of Japanese planes could materialize out of nowhere, so could some Japanese divisions. Spies were imagined everywhere.« 14 May und Roberts (1993: 19) zum Hintergrund: »[…] the United States government was quite interested in the content of movies. The average ticket sales in America each week during World War II ranged between eighty and ninety million, or two-third of the country’s population. Movies […] exerted an awesome power to the influence and mold public opinion.« 15 Eine Auffassung, die unter Geschichtswissenschaftlern höchst umstritten ist. Hierzu sei auf Morgenstern (1991 [1947]), Beard (2003 [1968]) und Stinnett (2001) verwiesen.

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Abb. 5]. Sein Inhalt greift eine über zwei Generationen tradierte Darstellung der explodierenden USS Maine als Auslöser des Spanisch-Amerikanischen Krieges in Kuba (1898) auf [vgl. Abb. 6]. Denn die dazugehörigen Abbildung 5: Nach dem Angriff auf Pearl Harbor stehen der Bug und der zweite Geschützturm der USS Arizona in Flammen. Dieses Motiv wird zum ikonischen Objektbezug für die Darstellung des Angriffes vom 7. Dezember 1941.

Quelle: National Archives and Records Administration

Zeichnungen in den Massenmedien bilden ebenfalls stets ein brennendes, untergehendes Schiff ab. In der Bildmitte ist der Großmast deutlich zu sehen. Die Illustrationen zeigen jeweils den Akt der Zerstörung, nicht ihr Ergebnis – die eigentliche Verwundung ist damit durch das Spektakel der Explosion überdeckt und unsichtbar. Die brennende Kriegsmaschine wird zum Symbol für den jeweiligen Angriff. Von Bedeutung für die ikonische Darstellung der sinkenden USS Arizona ist auch Sammy Kayes Song »Remember Pearl Harbor«, dessen Titel zunächst im Radio und wenig später auf Plakaten sowie in der Werbung für den Kauf von Kriegsanleihen wirbt. Die Zeilen »We will always remember – how they died for liberty/ Let’s remember Pearl Harbor/ and go on to victory« besitzen eine sinnstiftende Wirkung für das Bild der brennenden USS Arizona. Kayes sucht zudem nach Kontinuitäten

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in der nationalen Geschichte und singt »Let’s remember Pearl Harbor/ As we did the Alamo.« Der titelgebende Schlachtruf evoziert die Erinnerung an die gesunkene USS Maine (»Remember the Maine«), die dem Kampfslogan »Remember the Alamo« aus der texanischen Revolution (1835–1836) nachempfunden ist (vgl. Rosenberg 2003: 12–4). Abbildung 6: Darstellungen der Explosion der USS Maine vom 15. Februar 1898. Das Schiff explodiert im Hafen von Havanna. Das Unglück wird zum Anlass für den Spanisch-Amerikanischen Krieg.

Quelle: Naval History and Heritage Command Collection

Poster, Filme und Nachrichtenmedien reproduzieren den Untergang der USS Arizona. Sie fassen die Konturen des Schlachtschiffes mit Sammy Kayes Songzeilen zu einem Symbol für den Angriff zusammen. Die erste Hollywood-Produktion über den ›7. Dezember‹ entleiht ihren Titel Kayes Song und zeigt ihn in blutroten Lettern: Remember Pearl Harbor (Joseph Santley 1942). Im Bildzentrum stehen ein mit der Faust drohender Soldat, dahinter eine ebenso entschieden dreinblickende Frau [vgl. Abb. 7]. Den

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Hintergrund bilden ein sinkendes Schlachtschiff, Rauchschwaden und japanische Bomber. Diese Konstellation signifiziert Rache und Entschlossenheit. Das brennende Schlachtschiff und der Erinnerungsaufruf kondensieren die Umstände zum Kriegsbeginn zu einem Symbol, das für eine Verteidigungshaltung steht. Abbildung 7: Filmplakat für Remember Pearl Harbor

Quelle: © 1942 Republic Entertainment/ Paramount Motion Pictures Corp.

Derart simple Motive haben Tradition. Schon im anglo-amerikanischen Krieg von 1812 liefert das niedergebrannte Weiße Haus (August 1814) einen bildhaften Impuls für das Reenactment16 vergangener Ereignisse zur

16 Der Begriff beschreibt in der Psychologie den zwanghaften Wiederholungstrieb (vgl. van der Kolk 1989: 389).

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Erklärung der Gegenwart [vgl. Abb. 8]. Auch die ikonischen Repräsentationen der Angriffe auf Fort Alamo [vgl. Abb. 9], die USS Maine und die USS Arizona zeigen allesamt das Ausmaß einer spektakulären Zerstörung. Sie lassen sich durch die ›Remember‹-Slogans in ein simples, nationalistisches Motiv umdeuten: »Don’t mess with the Americans or they will Abbildung 8: »The British Burn the White House« – Darstellung des brennenden Weißen Hauses im anglo-amerikanischen Krieg von 1812 (18. Juni 1812 – 23. März 1815)

Quelle: © 2009 Ibis Communications, Inc.

rightly rise up to destroy you« (Rosenberg 2003: 14). Noch heute macht die Darstellung der brennenden USS Arizona den Wiederabruf der PearlHarbor-Erinnerung mittelbar und erlaubt die Einbettung der Erzählung in neue Kontexte. Nicht zuletzt steht der Bildaufbau um die Rauchschwaden und den Großmast der USS Arizona in frappierender Nähe mit bekannten Darstellungen des brennenden World Trade Centers am 11. September 2001 (vgl. White 2004) [vgl. Abb. 10]. Allerdings geschieht die Adaption dieses ›Remember-Slogans‹ nach dem 7. Dezember 1941 nicht ohne Weiteres. Denn die USA übertreffen zu diesem Zeitpunkt hinsichtlich Bevölkerungsdichte, territorialer Grenzen und des Grades multikultureller Ausdifferenziertheit der Gesellschaftsschichten die Gegebenheiten der texanischen Revolution und des Krieges gegen Spanien. Wenn sich ein durch das Reenactment formuliertes natio-

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nalistisches Motiv an die Bevölkerung der USA nach dem 7. Dezember 1941 richtet, ist ebenfalls der zu jener Zeit geänderte, kulturell vielfältigere Adressatenkreis einzubeziehen. Weiterhin findet der Krieg nicht allein auf nationaler Ebene statt, sondern zeitigt den Eintritt in einen globalen Konflikt, der die Rolle der USA in der Welt neu bestimmen soll. Die beiAbbildung 9: Das Filmplakat zeigt ein brennendes Fort Alamo in einer Nachstellung der Belagerung von 1836. Das Ereignis gilt als Höhepunkt des texanischen Unabhängigkeitskrieges 1835–1836.

Quelle: © 1960 United Artists

den vorformulierten Motive des Alamo-Forts und der USS Maine allein können das Ausmaß der Pearl-Harbor-Erzählung zwar vorfantasieren, jedoch nicht den Affektcharakter der Pearl-Harbor-Erinnerung in der deutlich veränderten Gesellschaft der USA vorgeben. Die Erinnerung muss folglich stark genug sein, um über das multikulturelle Amerika hinaus zu wirken. Die Pearl-Harbor-Erinnerung ist dabei mit Ort, Zeit und Handlungsrahmen zur Erinnerungshaltung fixiert. Diese Koordinaten sind Teil der Erzählung einer Heimtücke – Rosenberg verwendet hierfür die »infamy trope« (2003: 15) – die das Bild der brennenden USS Arizona mit Bedeutung füllt. Vielmehr jedoch verweist dieses Bild als Datenträger einer »mythic history« (vgl. White 1997) auf die verwundete amerikanische Nation, die der Wunde trotzt, um gemeinsam wie ein Phönix aus der Asche aufzuerstehen und zurückzuschlagen. Eben diesen Mythos transportiert Hollywood in unzähligen Kriegsfilmen, darunter Flying Tigers (David Miller 1942), Bataan (Tay Garnett 1943) oder Gung Ho! (Ray Enright 1943).

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Abbildung 10: Nach der Kollision mit United Airlines Flug 175 brennt der Nordturm des World Trade Centers. Darstellungen dieses Bildes variieren aufgrund der starken Medienpräsenz.

Quelle: © 2009 New York Times

Die Erinnerung an ›Pearl Harbor‹ setzt sich folglich aus (i) der Traumaerinnerung und (ii) einer mythologisch festgeschrieben »regeneration through violence« (vgl. Slotkin 1973) zusammen. Bilder und Augenzeugenberichte kennzeichnen die ›wahrgenommene Realität‹ des Traumaauslösers und wandeln das Ereignis ›Pearl Harbor‹ zu einer spezifischen Art von Wirklichkeitserfahrung. Die individuellen Augenzeugenberichte liefern hierfür eine strukturierte Sinndimension des Ereignisses (z.B. der ›Day of Infamy‹ als Einstieg in einen ›good war‹) und erlauben eine Trennung zwischen Opfer und Angreifer (»›us‹ and ›them‹«). Der ›7. Dezember‹ ist entlang der nationalen Geschichte eines American Exceptionalism strukturiert und bestätigt diesen ideologisch durch den Einstieg in den Zweiten Weltkrieg als Verteidigungskrieg. ›Pearl Harbor‹ ist hiernach als »Bestätigungsmythos« des amerikanischen »Ursprungsmythos« zu verstehen (vgl. Langewiesche 2003: 15), der mit der Kriegserklärung eine politische Dimension besetzt, in der die individuellen Geschichten zu einer national verbindlichen Erzählung zusammengefasst sind. Ziel dabei ist es, »aus einer mythisch gedeuteten Geschichte die Gegenwart zu verstehen und

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Zukunft einzufordern« (ibid.: 17). Der Bestätigungsmythos wird damit in den Diskurs der herrschenden Interessensgruppe eingebettet, deren Ziel es ist, national »über historische Mythen die emotionale Bindung an den amerikanischen Ideologiestaat« zu erzeugen (Hochgeschwender 2003: 289). Entsprechend der individuellen Erfahrungen werden die hierzu eingesetzten Medien, wie in den Kapiteln 3 und 4 deutlicher gezeigt wird, wissensarchäologisch adressiert, um das »dominante Modell der Geschichte(n) zugunsten einer signalorientierten Informationspolitik« medienkulturell zu verabschieden (vgl. Ernst 2001: 404–5). Ein ähnlicher Vorgang ist in der Behandlung des ›11. Septembers‹ zu beobachten. Der 11. September 2001: Ein neuer ›Day of Infamy‹ Als Ende April 2009 eine Version der ›Air Force One‹, eine Boeing 747200B, begleitet von zwei F-16 Kampfjets, im Tiefflug über Lower Manhattan kreist, herrscht rasch Panik in New York. Die in Aufruhr versetzten Bürger verlassen ihre Büros, wählen 911, und sprechen vielerorts von einem zweiten ›9/11‹ (vgl. »›Air Force One‹ versetzt New York in Panik« 2009). Diese Reaktionen zeigen, dass in New York auch im achten Jahr nach den Anschlägen vom 11. September 2001 niemand zur normalen Tagesordnung übergegangen ist. Im Gegenteil Schock, Trauer und Aufruhr sitzen noch immer tief. ›9/11‹ wird wiederholt durchlebt und ruft verdrängte Erlebnisse in Erinnerung. Es sind die Größe und die symbolische Macht der Ereignisse, die diese emotionale Wunde so tief reichen lassen. Schließlich erschütterte die Entführung von vier Flugzeugen, die als ›bemannte Raketen‹ (DeLillo 2001: 38) am 11. September 2001 auf die Zentren der Wirtschaft und der Macht steuern und in drei Fällen ihr Ziel erreichen, den Glauben an die Unverwundbarkeit der USA. Weltweit werden an diesem Tag die Anschläge über Fernsehbilder mitverfolgt. In den USA lösen sie unmittelbar Angst, Schock und Wut aus (vgl. Frederickson et al. 2003: 365). Die gezeigten Ereignisse vermitteln direkte Nähe. Auch außerhalb der USA ist der symbolische Charakter von ›9/11‹ sofort nachvollziehbar. Entgegen ›Pearl Harbor‹ bedarf es für die angegriffenen Ziele keiner langen Erklärungen. Denn neben dem Pentagon gilt zu jenem Zeitpunkt das World Trade Center als ein »global symbol instantly recognized to stand for America« (Gillespie 2002: 5). Während das Pentagon als militärisches Ziel

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gelten kann, markiert das zerstörte WTC, laut Edkins (2001: 244) die Größe der zivilen Katastrophe: »What took place at the World Trade Centre was far worse. First, there was again the use of commercial airliners laden with highly explosive fuel and their usual passengers, flown deliberately into buildings full of office workers. But, second, there was the way in which the twin towers were abruptly – and along with everyone still inside them – reduced to nothing but grey dust and twisted steel.«

Aufgrund dieser symbolischen Konsolidierung entsteht mit den Medienberichten zeitgleich das ikonische Bild dieser Terroranschläge: die brennenden Twin Towers in Lower Manhattan, New York City. Ihre Vernichtung bleibt bis heute bildhafter Auslöser der Erinnerung an jenen Tag. Mit dem Einstürzen beider Türme gerät auch der Status der Großmacht USA ins Wanken. Denn die Zwillingstürme versinnbildlichen seit ihrer Entstehung die wirtschaftliche und finanzielle Machtposition der USA (vgl. Bird 2003: 90). Doch vor den Angriffen gilt das WTC nicht unbedingt als beliebtes Bauwerk, wie Daufenbach betont (vgl. 2002: 225). Die Kühle und Rationalität des Bürokomplexes ist bereits in den Bauentwürfe zu erkennen. Noch bevor der Architekt Minora Yamasaki die zwei Türme des World Trade Centers in den Jahren 1966 bis 1973 fertigstellt, sind die Stimmen der Kritik laut: »Critics charged that a modern monolith would rob New York of character, ruin the skyline, disrupt television reception, and strain city services« (Brunner 2002: 445). Aufgrund der in ihm symbolisierten wirtschaftlichen und kulturellen Überlegenheit hegen viele New Yorker einen Groll gegen das Bauwerk (vgl. Simpson 2006: 59). Bis zum ersten Terroranschlag auf das Gebäude am 26. Februar 1993 gilt das WTC sogar als »›unamerikanisch‹, weil ein großer Teil des benötigten Stahls aus Japan importiert wurde« (Daufenbach 2002: 225). Diese Meinungen verschwinden nach den beiden Terroranschlägen auf das WTC völlig. Nach seiner Fertigstellung verändert das WTC die wahrgenommene Raumidentität von New York City. Insbesondere in der Populärkultur erreicht die veränderte Skyline von Manhattan ein Massenpublikum. Vogelperspektiven auf das WTC sind eine unausgesprochene Regel für ikonische Einstellungen zeitgenössischer Bildaufnahmen der Stadt. Diese

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Bilder der Populärkultur17 prägen die Wahrnehmung und die Symbolhaftigkeit der Twin Towers vor. Darin stehen die Zwillingstürme symbolisch für die USA als finanzielles Machtzentrum einerseits und andererseits für den von ihr ausgehenden technologischen Fortschritt. Eine derartig nach außen wirkende und identitätsstiftende Funktion trifft auf den Marinestützpunkt Pearl Harbor vor dem Angriff vom 7. Dezember 1941 nicht zu.

17 Nach Abschluss der Konstruktionsarbeiten, wandelt der Filmproduzent Dino de Laurentiis die Türme zum Dreh- und Angelpunkt des Schreckens: Denn statt des Empire State Buildings erklimmt im Remake von King Kong (John Guillermin 1976) der titelgebende Riesenaffe das WTC und kämpft dort gegen angreifende Militärhubschrauber. Doch nicht das Militär ist es, das den Affen nach Meinung James Sanders (2001: 102) tötet, sondern »the cool, rational planning of postwar architecture.« Noch bevor die Filmplakate für Superman II (Richard Lester 1980) die Skyline Manhattans in Flammen zeigen, entwirft Don DeLillo eine seiner beiden Hautfiguren in Players (1977), Pammy Wynant, als Mitarbeiterin einer Agentur für Trauerbewältigung mit Sitz im WTC. Im gleichen Roman gerät ihr männliches Pendant in die Vorbereitungen eines vermeintlichen Terrorplots gegen die New Yorker Börse. Kriminelle sind es auch, die in Escape from New York (John Carpenter 1981) die Air Force One über Manhattan abstürzen lassen. Selbst in Comics zieht es das Böse wiederholt ins WTC: In den Heften 242–243 (1982) bekämpfen die Fantastic Four den Bösewicht Terrax auf dessen Dächern, die Schurken der Comicserie Teenage Mutant Ninja Turtles behausen die Zwillingstürme (vgl. Episoden 2x7 »Enter: The Fly«, 1988 und 3x47 »The Big Blow Out«, 1989) und auch die geheime Militärorganisation M.A.S.K. muss die vom WTC aus geplante Zerstörung der Freiheitsstatue vereiteln (vgl. Episode 1x14 »Assault on Liberty«, 1985). Diese Doppeldeutigkeit verschwindet nach den Bombenanschlägen im Februar 1993. Der Dichter David Lehman fasst diesen Wandel pointiert in »World Trade Center« (1996) zusammen: »The World Trade Center was an example of what was wrong/ With American architecture,/ And it stayed that way for twenty-five years/ Until that Friday afternoon in February/ When the bomb went off and the buildings became/ A great symbol of America« (48). Umso größer sind die Debatten nach ›9/11‹ das WTC im Hollywoodfilm zu zeigen. In Zoolander (2001) sind die Türme digital entfernt, Vanilla Sky (2001) hingegen zeigt sie. Egal wofür sich die Produzenten entscheiden: »the routine establishing shot of the New York City Skyline […] became a wrenching memento mori« (Doherty 2003: 179).

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Dennoch bedürfen beide Ereignisse einer Erzählung, um ihren jeweiligen Ereignischarakter verbal greifbar zu machen. Während diese für ›Pearl Harbor‹ zuerst den Ort und seine Hintergründe erläutert, um auf nationaler Ebene Schock, Stasis und Trauerarbeit auszulösen, ist für den 11. September 2001 nur noch eine nachträgliche Erläuterung nötig. Denn aufgrund der Symbolhaftigkeit der zerstörten Ziele hat sich im nationalen Alltagsgeschehen unmittelbare Stagnation eingestellt. Die Zeit ist von den Menschen als eingefroren wahrgenommen worden. Sie finden keine Worte für die Ereignisse. Es scheint ganz so als realisieren die Anschläge ein vorfantasiertes Szenario, das mit seiner ›materiellen‹ Wiederholung als Trauma wiederkehrt. Dass für ›9/11‹ unmittelbar die Worte fehlen, ist symptomatisch für ein Trauma (Edkins 2002: 243). Die Medien zitieren an jenem Tag wiederholt Sätze wie »A horrific event«, »[…] there are no words« oder »I can’t imagine anything worse than this.« Dieses Phänomen bestätigt die Beobachtungen Slavoj Žižeks (2006: 93) über die Veränderung der symbolischen Ebenen wahrgenommener Realität nach dem 11. September: »It is not that reality entered our image: the image entered and shattered our reality.« Umso stärker ist der Bedarf nach einer Erklärung für die Ereignisse, die am ersten Tag noch als ›unaussprechbar‹ gelten. Medienberichterstatter auf FOXNews gehen historisch vor und lenken am ›11. September‹ zuerst die Aufmerksamkeit auf die Volksfront zur Befreiung Palästinas (PFLP), die im September 1970 insgesamt vier von fünf Flugzeugen auf dem Weg nach New York in Jordanien entführen. Tatsächlich nennt ein TV-Sender der Vereinigten Arabischen Emirate die PFLP als Drahtzieher für ›9/11‹.18 Als um 10 Uhr Ortszeit Flug United 93 in ein Feld in Pennsylvania abstürzt, berichten FOXNews und Channel 4 in Anspielung auf die Friedensverhandlungen zwischen Ägypten und Israel vom 11. September 1978 sofort, dass das Ziel dieser Maschine Camp David wäre. Erst später ist es das Weiße Haus. Andere durch das Datum vorgefertigte Erklärungen bleiben unerwähnt, so etwa der durch den CIA unterstützte Staatsstreich in Chile vom 11. September 1973, der in seiner Folge viele »Extremtraumatisierte« und eine ähnliche Opferzahl wie 2001 in New York fordert (vgl. Becker 2006: 29). Oder aber die am 11. September 1990 von George H.W.

18 Vertreter der PFLP dementieren später diese Behauptung (vgl. FoxNews: Timeline of Terror).

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Bush verkündete »New World Order«, eine Kampfansage für Kapitalismusgegner (vgl. Singer 1991: 370). Bevor sich die öffentlichen Diskurse auf Auslöser und Erzählung einigen, erfolgen zugleich Wiederholung und Repression vorgefertigter Erinnerungen, die an symbolische Koordinaten (das Datum) der Realitätswahrnehmung gekoppelt sind. Der Rückgriff auf historische Kontexte zur Erklärung des Ereignisses bedingt sich aus der dem Ereignis inhärenten, verbalen ›Unzugänglichkeit‹. Geschichte unterstützt folglich die Herausbildung eines narrativen Kontextes. Aufgrund der unmittelbaren Medienpräsenz und der indirekten globalen Teilnahme an den Ereignissen über die Fernsehbildschirme, benötigt es keiner größeren ›Latenzzeit‹,19 um dem Auslöser des Traumas ›9/11‹ einen historischen Kern zuzuschreiben.20 Denn es dauert nicht lang,

19 Sigmund Freud entlehnt in seiner Auseinandersetzung mit der Genese jüdischer Religion in Der Mann Moses und die monotheistische Religion den Begriff der ›Latenzzeit‹ aus der Neurosenforschung. Sie markiert die Zeit »zwischen den ersten Reaktionen auf das Trauma und dem späteren Ausbruch der Erkrankung« (2000 [1939]: 526). In seinem Beispiel betrifft dies die Zeit zwischen Exodus und Niederschrift des Pentateuch, in der sich eine neue kollektive Wahrheit herausgebildet hat, die die historische ersetzt. Die Berichterstattung über den Exodus nähert sich dem Ziel seiner Botschaft an, indem es den Mord an dem Mann Moses immer stärker einer Unkenntlichmachung unterzieht und auf die Verehrung von dem Mann Moses als heimlichen Gottvater verschiebt (vgl. 553). 20 Dass dieses Trauma in nur kurzer Zeit die gesamte Nation erschüttert, begründet sich gleichfalls aus der sofortigen Medienpräsenz am Ort des Geschehens. Schon 1989 hat es nach der Hillsborough-Katastrophe eine rechtliche Entscheidung über die traumatisierende Wirkung der Medien gegeben. Ein Gericht in Liverpool entscheidet, dass die Traumatisierten vor den Bildschirmen dasselbe Recht auf Schadensersatz haben wie jene vor Ort. Morley und Robins (1995) postulieren, dass die Traumatisierten vor den Bildschirmen stärker betroffen seien: »[A] television watcher might be even more traumatised, by virtue of the camera’s ability to bring into sharp focus events that might not be as clear to an observer of the real event« (131). Analog dazu kann dieselbe Wirkung der Fernsehbilder auf die ›Wohnzimmerzeugen‹ von ›9/11‹ übertragen werden. Edkins (2002) findet im Bezug auf ›9/11‹ und die Traumaerfahrung die richtige Nuance: »We must be careful not to equate the trauma suffered by survivors and rescuers with the […] experience of New Yorkers as a whole or

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bis sich die ›Ereignisse‹ zu einem ›Angriff‹, zu einer ›Kriegserklärung‹ wandeln und die terminologische Leerstelle sinnstiftend gefüllt ist. Auch ein Aggressor ist in aller Munde: Osama bin Laden, der vermeintliche Kopf des seit den frühen 1990ern ausgemachten ›Neuen Terrorismus‹.21 Entsprechend ist bereits in der ersten Stunde nach dem Angriff auf KTVU Channel 2 (Fox) vom Sprecher Mark Curtis zu hören: »[T]his has all the appearances of an extraordinarily, well coordinated, and devastating terrorist attack […] certainly nothing like it since Oklahoma city and nothing like it here in New York since the terrorist attack on the same World Trade Center buildings of 1993.«

Nahezu zeitgleich stimmen die Medienberichte in dieser historischsequentiellen Auslegung überein. Aber nicht nur der ›New Terrorism‹ zirkuliert als sinnstiftender, narrativer Abschluss. So kommentiert der Republikaner und Senator Nebraskas, Charles Hagel, die ›Angriffe‹ mit: »This is the second Pearl Harbor. I don’t think that I overstate it« – diese Rhetorik wird von vielen geteilt und findet sogar ihren Weg in Präsident Bushs Tagebuch (vgl. Rosenberg 2003: 175). So überrascht es nicht, dass auch der ästhetische Ausdruck dieses ›Neuen Terrorismus‹ die Nähe zur Pearl-Harbor-Erinnerung sucht. Als der

those removed from New York itself who witnessed events on live television. [… W]e cannot equate this with what happened to those who were in the buildings of the WTC at the time of the impacts or of those rescuers who arrived immediately after the collapse had killed so many of their colleagues. […] Nevertheless, we can still read something of the traumatic as extending to many of those who heard eye-witness reports of the events of that day from friends or relatives or who saw them on television« (244). Nicht zuletzt aber weisen beide Aussagen darauf hin, dass ein psychoanalytischer Ansatz ebenso gültig ist für die Medienanalyse wie für Traumapatienten selbst. 21 Simon und Benjamin (2000) halten für die Begriffsdefinition fest: »The new terrorism has emerged during the Clinton pesidency: the 1993 World Trade Center Bombings in New York and related conspiracies; the 1996 Oklahoma City Bombing; the 1998 East Africa bombings; and the Tokyo saringas attack in 1995 […] Although the new terrorism stems from a welder of causes […] the face of this phenomenon belongs to Osama bin Laden […]« (59).

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erste Tower zusammenstürzt und eine Staubwolke Manhattan bedeckt, wird die dabei entstehende ›Wunde‹ in der Stadt zum Platzhalter einer historisch verdrängten Erinnerung: Medienberichterstatter verwenden das Gleichnis »it looks almost like a mushroom cloud«, um das Ereignis bildhaft zu beschreiben, welches später in der Zuschreibung eines ›Ground Zero‹ in Manhattan eine noch deutlichere Perversion der Pearl-Harbor-Erinnerung fixiert. Entsetzt über dieses Synonym für das zerstörte World Trade Center stellt Gene Ray (2002: n.p.) fest, »[d]ass bisher keiner der historischen Hypothek nachgegangen ist, die der Begriff ground zero gerade in der aktuellen Konstellation mit Pearl Harbor enthält, verwundert insofern nicht, als bis heute jegliche Basis für eine kritische Auseinandersetzung mit dem Thema Hiroshima bei amerikanischen Künstlern, Schriftstellern, Intellektuellen und der breiten Öffentlichkeit fehlt. So gab es in den Staaten bis heute noch keine offizielle Anerkennung des Hiroshima Day. Keine Äußerung der Reue oder Schuld hat man je aus dem Weißen Haus vernommen. Und es gibt auch kein atomares Holocaust Museum in Washington.«

In der Tat scheint diese Wiederaufnahme des Zweiten Weltkriegs im bereits fünf Tage nach den ›Angriffen‹ benannten ›Krieg gegen den Terror‹ nahezu kritikfrei vonstatten zu gehen. Das Anormale an diesem Schulterschluss ist in der Übernahme des Begriffes ›Ground Zero‹ evident: Der atomare Holocaust an Japan wird übergangen, stattdessen findet eine Übertragung dieser Erinnerung auf den Überraschungsangriff vom 7. Dezember 1941 statt. Die Verwendung bemannter Flugzeuge und dem Opfer des eigenen Lebens in diesem Kamikazeangriff scheint ebenso einen metaphorischen Bezug zu bedingen, wie auch der unerwartete Charakter und die ikonischen Bilder beider Ereignisse auf jeweils historisch kollektive Erinnerungen zurückgreifen.22

22 So beobachtet auch Neal (2005: 184) diesen Zusammenhang in den sinnstiftenden Erklärungen der traumatisierten Amerikaner: »Suicide as an extreme form of personal sacrifice becomes a form of selfactualization. Americans trying to understand the September 11 attacks drew upon their memories of similar forms of extremist behavior. Older Americans were reminded of the Japanese kamikaze fliers of World War II who dived their planes into American ships and were willing to lose their lives in the process.

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›Pearl Harbor‹ und ›9/11‹ versinnbildlichen eine durch äußere Kräfte zerstörte Machtposition (die brennende USS Arizona als Ende der Flottenmacht, das brennende WTC als Ende des Turbokapitalismus). Im Freudschen Sinne findet hier eine Wiederholung des Verdrängten statt, indem allein das Erinnernswerte wiederholt wird: »Remember Pearl Harbor« im global verstärkten »The World Will always Remember September 11« (Bush 11.12.2001) – ein zweites ›Pearl Harbor‹ als Reenactment des gemeinhin letzten ›guten Krieges‹. Das brennende WTC als ikonische Repräsentation der Ereignisse und ›Pearl Harbor‹ als unmittelbare Referenz für ›9/11‹ erlauben eine Aufhebung komplexer Zusammenhänge. Weiterhin bestätigt die wiederkehrende ›Pearl-Harbor-Erinnerung‹ die nationale Identität der USA als Großmacht in dem zwanghaften Verweis auf ihren Ursprung aus dem Zweiten Weltkrieg. Die zivile Katastrophe ›9/11‹ bekommt mit dem ›Ground Zero‹ einen militärischen Charakter und gipfelt im ›Krieg gegen den Terror‹. Nahezu einstimmig wird das Kriegsmotiv in den öffentlichen Diskursen weitergereicht (vgl. Rosenberg 2003, Mahajan 2002, Silberstein 2002). Die brennenden Zwillingstürme sind ähnlich der brennenden USS Arizona das fixierte Moment der ›9/11‹Erinnerung, das kollektiv abruf- und neu erfahrbar ist. Die ›Wunde‹ selbst existiert vorerst nur in den begrifflichen Dimensionen, Bilder der eingestürzten Türme erfahren eine strenge Regulation. Noch am 11. September 2001 sollen für lange Zeit die letzten Pressefotos von den Trümmern entstehen, denn beinahe zeitgleich erklärte der damalige Bürgermeister Rudolph Guiliani Video- und Fotoaufnahmen am ›Ground Zero‹ zu einem kriminellen Vergehen (vgl. Bird 2003: 95). Das spezifische Leid der individuell traumatisierten Subjekte verschwindet in einem kollektiven Traumadiskurs (so etwa ›Ground Zero‹ oder die ›Portraits of Grief‹ als Personifikation des ›gerechten‹ Anlasses für den Krieg). Die Reaktionen auf das Trauma sind verschoben auf eine kollektive Wahrnehmungsebene, was wiederum in der Herausbildung eines kollektiven ›Über-Ichs‹ (zum Beispiel ›das Ende der Ironie‹, ›die Rückkehr zur Moral‹, ›das Ende von Theorie‹ etc. [vgl. Eagleton 2004]) kulminiert und geschlossen eine nationale Identität adressiert.

The willingness of young people to voluntarily sacrifice their lives is appalling to most Americans.«

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1.3 N ATION ? T RAUMA? N ATIONALES T RAUMA ? – F ORSCHUNGSSTAND UND B EGRIFFSPROBLEM ( E ) Mehrfach ist in Kapitel 1.1 und 1.2 das Wort ›Trauma‹ im Zusammenhang mit den Angriffen auf Pearl Harbor und denen vom 11. September 2001 gefallen. Doch was qualifiziert beide Ereignisse für eine solche Zuschreibung? Anliegen dieses Teilkapitels ist es, den Traumabegriff zu diskutieren und seine Verwendung in dieser Arbeit zu konkretisieren. Hierzu zeigt das Kapitel den aktuellen Forschungsstand zum Begriff auf und stellt Methodik sowie das Analysekorpus dieser Arbeit vor. Für ›Pearl Harbor‹ wie auch für ›9/11‹ gilt, dass die feindlichen Angriffe die Normalität des gesellschaftlichen Alltags auf den Kopf gestellt, die soziale Ordnung verändert und die scheinbare Sicherheit im eigenen Land als Wunschdenken entlarvt haben. Nach den Angriffen vom 7. Dezember 1941 tritt die USA in den Zweiten Weltkrieg ein, eine Entscheidung, die die gesamte Nation vor und hinter der Front betrifft. Zu jener Zeit herrscht eine Angst davor, dass das feindliche Japan jeden Moment das Festland erreichen oder als Spion in den eigenen Reihen lauern könnte (vgl. Neal 2005: 4). Als Ergebnisse dieser Angst sind unter anderem ein durch Zensur eingeschränkter Nachrichtenverkehr sowie die Internierung von etwa 110.000 Japanese-Americans auf dem amerikanischen Festland zu nennen. Der 11. September 2001 löst auf gesellschaftsweiter Ebene eine Teilnahme am ›Krieg gegen den Terror‹ aus. Neben den Kriegen in Afghanistan (seit Oktober 2001), im Irak (2003) und der Besetzung des Irak von 2003 bis 2008 unterliegt die Nation bis heute den Beschränkungen der Bürgerrechte mit dem PATRIOT-Act vom Oktober 2001 und der Regulation von Gefahrensituationen durch das im November 2002 neu eingerichtete Heimatschutzministerium. 23 Nach den Anthrax-Briefen im September und Oktober 2001 herrscht zudem Panik vor weiteren terroristischen Anschlägen: »Mehr als je zuvor erzeugten die vergifteten Briefe […] einen imaginären Raum, in dem die Angst sich von ihrem konkreten Gegenstand ablöste, sich vervielfältigte und hypertroph wurde« (Sarasin

23 Diese neuen Einschränkungen treffen die Gesellschaft auf allen Ebenen: »Collectively, […] the Bush Administration’s extralegal counterterrorism program presented the most dramatic, sustained, and radical challenge to the rule of law in American history« (Mayer 2008: 8).

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2004: 47). Arthur G. Neal bezeichnet daher beide Ereignisse als ein ›national trauma‹, denn neben dem Entstehen einer gesellschaftsweiten Angst und Hysterie steht ein Nationales Trauma auch für die Wahrnehmung der »fragility of social order and makes it subject to disruptions in unexpected ways« (2005: 197). Beide Ereignisse als nationale Traumata kulminieren in einer Kriegserklärung seitens der USA gegen die jeweiligen Aggressoren.24 Der Umgang mit dieser Situation kann durch den Rückgriff auf kollektive Erinnerung an die Bewältigung vergangener Traumata erleichtert werden. Im Fall von ›9/11‹ geschieht dies im Bezug auf ›Pearl Harbor‹; nach dem 7. Dezember 1941 sind der Überfall auf das Fort Alamo (1836) oder die Explosion der USS Maine (1898) wichtige Bezugspunkte. Zu prüfen ist hierbei der Grad der emotionalen Schwere vergangener Ereignisse, die für die Bewältigung eines aktuellen Traumas herangezogen werden. Denn: »[t]he emphasis is not so much on the lessons taught by the trauma as on the continued recognition of the emotional impact it had and the place it selectively holds in the memories of individual men and women« (Neal 2005: 208–9). Der Bezug auf nationale Geschichte ist daher ein nützliches Therapieinstrument. Durch ihren symbolischen Gehalt unterstützt sie die Sinnstiftung der neu entstandenen Traumasituation. Schließlich erschaffen wir laut Neal (2005: 212): »[…] the world through our perceptions of it and seek to maintain that world in a manner consistent with our beliefs about it. It is through such symbolic constructions that we are provided with usable frameworks for shaping our memories and organizing them into coherent systems of meaning.«

Insofern kann ein Trauma aber auch befreiend sein, werden doch die bisherigen Taten und Verhaltensweisen hinterfragt (vgl. ibid.: 18). Allerdings betonen Neals Gedanken über die Effekte eines nationalen Traumas die kollektive Wahrnehmung in einer Gesellschaft. Die Traumaeffekte auf den einzelnen Menschen spielen in seinem Konzept eine untergeordnete Rolle.

24 Was für ›Pearl Harbor‹ selbsterklärend ist, hebt Bush nach ›9/11‹ vor: »[T]he front of the New War is here in America« (zitiert in Neal 2005: 191).

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Was aber, wenn der einzelne Mensch bei der Diskussion gesellschaftsweiter Traumata, die etwa durch Kriege hervorgerufen werden, stärker im Vordergrund steht? Während Neals Ansatz den Überlegungen Kai T. Eriksons zu sozialen Folgen von Katastrophen folgt, prägt Cathy Caruth einen auf Freud und Lacan aufbauenden individualpsychologischen, dekonstruktivistischen Ansatz hinsichtlich gesellschaftlicher Traumata. Trauma ist bei ihr »an overwhelming experience of sudden or catastrophic events« (Caruth 1996: 11). So diskutiert sie etwa die Traumata, die aus dem Holocaust oder dem Atombombenabwurf über Hiroshima hervorgehen, als kollektiv erlebte Ereignisse, die in individuellen Traumata resultierten. Dabei ist Trauma nach ihr: »[…] not locatable in the simple violent or original event in an individual’s past, but rather in the way that its very unassimilated nature – the way it was precisely not known in the first instance – returns to haunt the survivor later on« (ibid.: 4, Hervorhebungen im Original). Während für Neal ein nationales Trauma erst über seine Effekte auf die soziale Ordnung ausgehandelt wird, ist für Caruth bereits das Trauma selbst etwas ontologisch Gegebenes, es konstituiert sich eo ipso. Hierin liegt aber auch die Crux ihres Konzeptes. Gerade aus der Adaption von Lacans Konzepten resultiert Caruths Blick auf die Natürlichkeit eines Traumas. Ramadanovic betont: »[…] for Lacan, historical and structural trauma necessarily collapse into each other because they are ontologically indistinguishable« (2002: 204). Die individualpsychologische Analyse ist daher schwer auf eine breitere Masse übertragbar und informiert allein über den individuellen Umgang mit Trauma. Aber selbst dies ist nur eingeschränkt denkbar, ist doch nach Caruth der Zugang zu Geschichte und Repräsentation eines Traumas aufgrund der Unzugänglichkeit ihres Ursprungs unmöglich (vgl. ibid.: 18). Auch die viel eingeforderte Empirie traumatischer Effekte und Ursachen ist hierbei kaum möglich. Gegen jegliche dekonstruktivistischen Traumatheorien und auf einen quantitativ-psychologischen, empirischen Analyseansatz kultureller Traumata drängen hingegen Kantsteiner und Weilnböck. Ihre Überraschung darüber, wie wenige der kulturellen Traumatheoretiker an der tatsächlichen Zahl an posttraumatischen Stress leidender Menschen interessiert sind und wie selten empirische Studien zur näheren Betrachtung extremtraumatischer Ereignisse wie ›9/11‹ herangezogen werden, zwingt sie zur Feder (vgl. Kantsteiner und Weilnböck 2008: 235). In ihrer Schrift gegen das Konzept des kulturellen Traumas bemängeln sie das vorherrschende vage Verständ-

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nis von Trauma, den Mangel an interdisziplinärer Neugier und empirischer Forschung sowie die ästhetisch-überhöhte Spurensuche von Traumasymptomen in Ausdrucksformen der Hochkultur (vgl. ibid.: 237). Den dekonstruktivistischen Traumatheoretiker verstehen sie (ibid.: 237) daher als einen zuschauenden Forscher, als einen »[…] bystander who was not personally involved in any event of exceptional violence yet feels compelled to contemplate the meaning of such events in abstract philosophical terms […] the bystander apparently wants to mentally eliminate the empirical experience of trauma by way of ontological speculation.«

Der Wunsch nach empirischen Daten bei der Analyse kultureller beziehungsweise nationaler Traumata ist verständlich. Weil die Messbarkeit eines Traumas, über die von der biologischen Psychologie definierte und seit den 1980ern so populäre Posttraumatische Belastungsstörung (PTSD), in der Tat ihre Vorzüge hat, führen Kantsteiner und Weilnböck das PTSD als Beispiel für eine empirische Herangehensweise auf (vgl. ibid.: 236). Die dekonstruktivistische Traumatheorie, so scheint es, ist ein Bereich außerhalb der Psychologie. Jedoch trügt auch dieser Blick. Cathy Caruth jedenfalls ignoriert die PTSD nicht. Für sie markiert die PTSD: »[…] the most direct link between the psyche and external violence« (Caruth 1996: 58). Sie versteht es daher als »the most destructive disorder«, stellt dem aber sogleich entgegen, dass Trauma nicht einfach nur »an effect of destruction but also, fundamentally, an enigma of survival« sei (ibid.: 58). Tatsächlich hinterfragen Befürworter des PTSD nicht den individualpsychischen Umgang mit der Überlebenssituation in der posttraumatischen Gegenwart all jener, bei denen es nicht zu diagnostizieren ist. Weil sie hingegen an der Überprüfung von sogenannten Stressoren interessiert ist, fungiert die PTSD-Diagnose lediglich als ein Feststellungsinstrument, das Traumaerfahrungen von ihrem sozialen Kontext ›befreit‹ und »in den Bereich der psychischen Krankheiten« verschiebt (Becker 2006: 221). Wie Becker argumentiert (ibid: 221), sind PTSD-Diagnosen seit der Untersuchung von Vietnam-Veteranen äußerst populär, weil sie die Kraft besitzen, »Täter in Opfer« zu verwandeln: »[…] der spezifische Charakter der erlebten traumatischen Situation interessierte niemanden bzw. wurde durch den [sic] PTSD zusätzlich verschleiert. Er [sic] erwies

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sich als eine medizinalisierende, enthistorisierende und soziale Realitäten verleugnende Methode der Diagnostik. […] Die Einführung des PTSD bedeutete für diese Veteranen […] eine Anerkennung ihres Leidens und angemessene Versicherungsleistungen […].«

Mit dem Siegeszug der PTSD und der biologischen Psychiatrie erwacht überhaupt erst das heute so breite Interesse an der Traumatheorie. Die Psychoanalyse ist in der Traumadebatte untergeordnet, seit sich das Klassifikationsystem des DSM III (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders) in der nordamerikanischen Psychologie durchgesetzt hat. Die dekonstruktivistische Traumatheorie ist daher weniger eine Bewegung außerhalb der Psychologie, sondern eine der psychoanalytischen Psychologie.25 Becker hebt völlig richtig den prozessualen Charakter eines sozialpolitischen Traumas hervor. Seiner Forderung, den traumaauslösenden »Konflikt aus seiner intrapsychischen Verbannung wieder dahin« zu holen, »wo er hingehört: in die Mitte der Gesellschaft und des sozialen Prozesses« (Becker 2006: 200), ist daher uneingeschränkt zuzustimmen. Eine Anwendung des Traumabegriffes auf ›Pearl Harbor‹ und ›9/11‹ muss daher immer ›unbestimmt‹ bleiben. Die Gründe liegen auf der Hand: In den unterschiedlichen Definitionen entzieht sich der Traumabegriff immer mehr einer konkreten Zuschreibung, auch die Analyseansätze variieren stark. Dennoch kann eine Diskussion in diesem Rahmen auf die Stärke der für ›9/11‹ so sinnstiftenden Pearl-Harbor-Erinnerung eingehen, deren Bilder das von Neal ausgemachte ›nationale Trauma‹ maßgeblich beeinflussen. Denn in der Traumadebatte nähern sich Individuum und Gesellschaft einander nur über die Verbindung kollektiv nutzbar gemachter Geschichte und der individuellen Traumaerfahrung an (vgl. Neal 2005, Caruth 1996, LaCapra 2001). Im Folgenden wird diese Erkenntnis

25 Insgesamt macht Becker (2006: 229) drei Bewegungen in der Traumadebatte aus: »Die erste betrifft den nordamerikanischen Mainstream, den medizinisch und symptomorientierten PTSD, wie er im DSM bestimmt ist. Die zweite geht um die psychoanalytische Zugangsweise mit ihren komplexen Theorien traumatischer Prozesse, und die dritte beinhaltet Ansätze, die im Wesentlichen aus lateinamerikanischen und afrikanischen Ländern stammen. Ohne eine geschlossene Theorie darzustellen, wird hier Trauma vor allem in Bezug auf einen politischen Kontext gesehen und diskutiert.«

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ausgebaut zu dem dieser Arbeit zugrunde liegenden Methodenbegriff für die Deutung eines kollektiven Traumas. Das Kernproblem einer kollektiven Traumauntersuchung ist die Überwindung der Kluft zwischen einem Individuum und dem Kollektiv. Oft wird vergessen, dass bereits Sigmund Freud versucht hat, seine individualpsychologischen Ansichten von der ontologischen Perspektive abzuheben auf eine kontextuelle sozialpsychologische Ebene. So schreibt er bereits in Massenpsychologie und Ich-Analyse (2000 [1921]: 65): »Im Seelenleben des Einzelnen kommt ganz regelmäßig der andere als Vorbild, als Objekt, als Helfer und als Gegner in Betracht, und die Individualpsychologie ist daher von Anfang an auch gleichzeitig Sozialpsychologie.« Vor dem Hintergrund der Psychologie der Neurose begibt sich Freud auf die Suche nach dem Wesen der kollektiven Psyche und gewinnt wesentliche Erkenntnisse aus der Anwendung der Affektivitätslehre: »Wir werden es also mit der Voraussetzung versuchen, dass Liebesbeziehungen (indifferent ausgedrückt: Gefühlsbindungen) auch das Wesen der Massenseele ausmachen« (ibid.: 86). Die aus der Affektivitätslehre stammenden Prozesse der Einfühlung und Idealisierung können veranschaulichen, wie sich in Extremsituationen das Individuum ans Kollektiv bindet und in ihm dabei die bewusste Einzelpersönlichkeit zurücktritt (vgl. ibid.: 108). Die Vorherrschaft von Affektivität macht demnach das ›Ichideal‹26 eines Kollektivs sichtbar. Doch ohne einen Kontext affektiv besetzter Wunschregungen kann Affektivität nicht kollektiv wirksam sein. Wenn Trauma als affektive Gefühlsstruktur zu verstehen ist, ist es immer Resultat eines Ereignisses und dessen Kontext. Repräsentationen eines Traumas können daher über das Individuum hinaus über den Zustand eines Kollektivs informieren. Smelser (2004: 34) ist Recht zu geben, wenn er an Freuds Gedanken anknüpft und sagt: »[…] the idea of trauma is not to be conceived so much as a discrete casual event as a part of a process-insystem.« Sein logischer Schluss daraus lautet wie folgt: »No discrete historical event or situation automatically or necessarily qualifies in itself as a cultural trauma« (ibid.: 35). Smelser leitet nun drei Voraussetzungen für

26 Das Ichideal hat Freud erstmals in seiner Einführung des Narzißmus (1914) formuliert. Ihm fallen die Funkionen von ›Selbstbeobachtung, des moralischen Gewissens, der Traumzensur und des Haupteinflusses bei der Verdrängung zu‹ (vgl. Freud 2000 [1921]: 102).

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das Entstehen eines kulturellen Traumas ab,27 die ebenfalls auf ›Pearl Harbor‹ und ›9/11‹ zutreffen: (i) es muss ein erinnerungswertes Ereignis sein; als solches muss es (ii) über Repräsentationen kulturell relevant gemacht und (iii) dabei mit einem stark negativen Affekt wie Abscheu, Schande oder Schuld in Verbindung gebracht werden (vgl. ibid.: 36).28 Der konstruierte Affektcharakter eines Ereignisses kann es als Trauma konstituieren. Denn: »[I]f a potentially traumatizing event cannot be endowed with negative affect (e.g. a national tragedy, a national shame, a national catastrophe), then it cannot qualify as being traumatic« (ibid.: 40). In Anknüpfung an Parsons Affekttheorie vertritt Smelser die Ansicht, Affekte seien »significant at both the psychological and psychocultural levels; they constitute a language that links those levels« (ibid.: 41). Diese Verknüpfung jedoch ist nicht einfach gegeben. Ihr geht immer auch voraus, dass das Individuum, das die Sprache des Affektes erfährt, sich selbst als Mitglied eines Kollektivs identifiziert. Wie dieses Verhältnis aus dem Zusammenspiel von Nation, kultureller Erinnerung und Gedächtnis resultiert, diskutiert das anschließende Kapitel. Grundsätzlich wird sich diese Arbeit dem von Smelser geprägten Traumabegriff anschließen: Trauma ist hier ein sozial konstruiertes Affekterlebnis; es ist ein historisch informierter Prozess, in dem Geschichte und nationale Identität nutzbar gemacht werden, um Umbrüche in der sozialen Ordnung einer Gesellschaft zu legitimieren und nationale Normen zu definieren. So ist die Konstruktion von Trauma als ein aus dem politischen Kontext entstehender Prozess zu verstehen (vgl. Becker 2006: 251), in dem nationale Geschichte und Identität heimisch gemacht wird. Kulturelles Trauma ist eine Funktion der Erzählung von Nation.

27 Nation und Kultur können hinsichtlich der USA als Synonym verstanden sein, auch wenn es kein politisches Organ ähnlich dem Kulturministerium in Deutschland oder Frankreich gibt. Allerdings legt in Deutschland »die Selbstdarstellung der USA als Kulturnation in den Amerika-Häusern« dieses Verständnis nahe (Schildt 1999: 199). 28 Smelsers formale Definition eines kulturellen Traumas: »[…] a memory accepted and publicly given credence by a relevant membership group and evoking an event […] which is a) laden with negative affect, b) represented as indelible, and c) regarded as threatening a society’s existence or violating one or more of its fundamental cultural presuppositions« (2004: 44).

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Smelsers Theorie eines kulturellen Traumas leitet sich aus einem größer angelegten Projekt ab, das in der Anthologie Cultural Trauma and Collective Identity (2004) entwickelt wird. Die von Jeffrey C. Alexander (2004: 1, eigene Hervorhebung) auf den einführenden Seiten geprägte Traumadefinition soll daher an dieser Stelle angeführt werden: »Cultural Trauma occurs when members of a collectivity feel they have been subjected to a horrendous event that leaves indelible marks upon their group consciousness, marking their memories forever and changing their future identity in fundamental and irrevocable ways.«

Trauma als gefühltes Ergebnis eines sozialen Prozesses kann demnach in Situationen entstehen, in denen eine Menschenmenge zusammenkommt und über eine synästhetische Dimension Einfühlung und Idealisierung erleben kann. Eine solche soziale Institution, so Slocum (2006: 2), ist das Kino: »[T]he cinema is a social institution that both reflects and shapes the ways we see and understand the world and our role and place within it.« Kinofilme gelten als kulturelle Symptome, nicht notwendigerweise als Kennzeichen einer pathologischen Veränderung, sondern als Gestalter dieser (vgl. G. Schneider 2008: 23). Daher legt diese Arbeit, in ihrer Analyse der Pearl-Harbor-Erinnerung als Deutungshorizont für das nationale Trauma ›9/11‹, in den Kapiteln 3 und 4 einen besonderen Fokus auf Filmproduktionen nach ›Pearl Harbor‹ und nach dem 11. September 2001.29 Die Filme werden dabei in Anlehnung an G. Schneider (2008: 24)

29 »Verbreitungs- und Massenmedien […] als cues – als mediale Hinweisreize – auf kollektiver Ebene« diskutieren Erll und Wodianka unter dem Begriff des »Erinnerungsfilmes« (2008: 5). Allerdings untersuchen sie dabei nicht das »im Film Erinnerte, sondern das durch den Film ›um den Film herum‹ Erinnerte« (8) und verstehen ihn als Ergebnis »plurimedialer Konstellationen.« Daher ist die in dieser Arbeit gewählte Methode des close reading von marginalem Interesse für das Forschungsvorhaben von Erll und Wodianka, stattdessen beleuchten sie den »sozialen Gebrauch« der Medien. Da die vorliegende Arbeit das Kino als soziale Institution versteht, ist es ihr Hauptanliegen Mechanismen der Produktion von Erinnerung im Film zu analysieren. Daher sei an dieser Stelle allein auf den Begriff des ›Erinnerungsfilmes‹ verwiesen, in ihrer Konzeption

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als Oberflächenphänomene verstanden, »deren psychoanalytische Reflexion tieferliegende vor- oder unbewusste soziokulturelle Konflikte und Phantasien zu artikulieren vermag.« Um den Fehler einer Top-DownAnalyse zu vermeiden, folgen die werkorientierten Analysen dieser Arbeit einem Bottom-Up-Zugang. Das heißt, Darstellungsmittel und Inhalt werden als wahrnehmungsgebende Faktoren verstanden und untersucht (vgl. G. Schneider: 29–31). Der Aspekt, dass kulturelles Trauma eine verbindende Funktion der Nation ist, prägt dabei die in dieser Arbeit formulierten Analysen.

jedoch stellen sich die in dieser Arbeit vorliegenden Untersuchungen dem Ansatz von Erll und Wodianka entgegen.

2 Von der Notwendigkeit, Geschichte wi(e)derzuerzählen: Nation, Trauma und Verdrängung

Blogs, mashups, reality programming, court TV, chat shows, chat cafés, capital campaigns, catalog copy, even war-zone journalism all turn confessional. Feelings are the new facts. Memoir is the new history. Tell-alls are the new news. RICHARD POWERS/GENEROSITY (2009)

Kapitel 1 diskutiert die wesentlichen Phänomene, die auf eine Wiederkehr der Pearl-Harbor-Erinnerung im öffentlichen Diskurs der USA nach dem 11. September hinweisen. Dazu führt es wiederholt die Begriffe ›Nation‹, ›Trauma‹ und ›Wiederholung‹ an. Dieses Kapitel spürt nun der psychischen Dimension dieser Traumata nach. Aufbauend auf das in Kapitel 1.3 vorgestellte Traumaverständnis dieser Arbeit untersucht 2.1 beide Ereignisse in ihrer Funktion als materielle Auslöser nationaler Traumata und fragt, wie sie jeweils als Metaphern für eine nationale Wunde ihren Weg in Erzähldiskurse der Nation finden. Im Anschluss daran werden die narrativierten Wahrnehmungsebenen beider Traumaerinnerungen ermittelt. Kapitel 2.2 befasst sich anschließend mit dem Konstrukt eines nationalen Körpers. Um diese Wahrnehmungen zu spezifizieren werden mögliche kognitive Ebenen dieses nationalen Körpers diskutiert. Kapitel 2.3 rückt dazu kollektive Gedächtnisformen in den Mittelpunkt. Schlussendlich untersucht Kapitel 2.4 die Lesbarkeit beider kultureller Traumata. Die

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Pearl-Harbor-Erinnerung wird als Leitmotiv der Krisenbewältigung im nationalen Körper der USA verstanden und in 2.4 hinsichtlich der in dieser Arbeit angewandten Deutungsmethode vorgestellt. Zentrale Fragen, die dieses Kapitel behandelt, sind folglich: Wie wird ein traumatisches Ereignis von einer Nation aufgenommen? Wo wird es verarbeitet? Auf welchen Wegen kann die Nation reagieren? Wie lässt sich ›Pearl Harbor‹ als nationales Trauma lesen? Was ist die psychische Dimension der PearlHarbor-Erinnerung?

2.1 ›P EARL H ARBOR ‹ UND DER ›11. S EPTEMBER ‹ ALS MATERIELLE A USLÖSER KULTURELLER T RAUMATA ›Pearl Harbor‹ und der ›11. September 2001‹ sind mehr als eine bloße Ortsbezeichnung oder Zeitangabe. Im öffentlichen Diskurs stehen beide Ereignisse metaphorisch für zwei wesentliche Brüche in der Geschichte der USA und der westlichen Welt.1 Niemand spricht heute von Pearl Harbor und meint lediglich eine Bucht in der Nähe von Honolulu. Aus westlicher Sicht steht der Militärstützpunkt Pearl Harbor vielmehr für den als heimtückisch empfundenen Angriff japanischer Bomber vom 7. Dezember 1941, den Eintritt und Sieg der USA im Zweiten Weltkrieg oder das USS Arizona Memorial. Auch der ›11. September‹ ist kein neutrales Datum. Stattdessen steht es für ein Gedenken an die Terroranschläge auf das World Trade Center, das Pentagon und die durch ihre Passagiere zum Absturz gebrachte United 93. Zugleich evoziert ›9/11‹ auch die Erinnerung an die Bedrohung

1

Natürlich gibt es auch Gegenbilder, die häufig aus einem Konspirationsdiskurs entstehen. So ist für ›9/11‹ und ›Pearl Harbor‹ auch die Wahrnehmung möglich, dass hinter den Ereignissen jeweils ein geplanter Kriegsanlass steht. Aber auch diese Annahmen entheben ›Pearl Harbor‹ und ›9/11‹ ihren bloßen Orts- und Zeitkoordinaten und versuchen sie mit einem komplexitätsreduzierenden, monokausalen Sinnbild zu füllen. Dass es widersprüchliche Wahrnehmungen zu den Ereignissen gibt, zeigt, dass der Umgang mit ihnen in beiden Fällen kein leichter ist und, dass ein Bestreben existiert, sie zu erinnern und ihnen einen Sinn zu geben.

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durch El Kaida, die Unvorhersagbarkeit terroristischer Handlungen und der Verwundbarkeit einer Supermacht. Bild- und Tonmedien konstruieren die Repräsentationen beider Ereignisse. Über sie sind individuelles wie kollektives Erinnern abruf- und inszenierbar. ›Pearl Harbor‹ hat als Mythos der ›größten militärischen Überraschung in der Geschichte der Kriegsführung‹ (vgl. McConnachie und Tudge 2005: 330) mehrere Generationen überlebt. Die Erinnerung an ›9/11‹ hingegen liegt kürzer zurück und erfährt täglich neue Bedeutungszuschreibungen. Dennoch haben sich beide Wortpaare zu Dachbegriffen für einen negativen ›sinnlichen Eindruck‹ etabliert, der mit dem Auflösen bisher gewohnter politischer Denkweisen verbunden ist.2 Der Zweite Weltkrieg sowie die Bombardierung Afghanistans, der Irakkrieg und der weltweite ›Krieg gegen den Terror‹ stehen ebenso für diese Umbrüche wie die gegenwärtigen Debatten um den Bau des Freedom Towers3 und der Einrichtung eines neunteiligen ›World War II Valor in the Pacific National Monument‹.4 Pearl Harbor und der 11. September 2001 sind, um es mit Roland Barthes (vgl. 2008 [1964]: 684) zu sagen, längst herausgelöst aus der Objektsprache.5 Stattdessen deuten sie über ihre begriffliche Ebene

2

Beide Ereignisse gelten als Wendepunkt der Geschichte (vgl. Wills 1991, Landy 2004, Simms 2006).

3

Ende März 2009 wird der im Jahr 2003 von Governor Pataki getaufte ›Freedom Tower‹ in ›One World Trade Center‹ umbenannt, um seinem neuen Zweck als ›globales Handelszentrum‹ förderlicher zu sein (vgl. Topousis 2009, Dunlap 2009). Jedoch sieht Bürgermeister Bloomberg den weiteren Bestand des Namens nicht in Gefahr: »If they name this 1 World Trade Center, people will still call it the Freedom Tower« (zitiert in Dunlap 2009).

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Als eine seiner letzten Amtshandlungen verkündet Bush am 05. Dezember 2008 die Errichtung einer neunteiligen Gedenkstätte für den Heldenmut im Zweiten Weltkrieg. Dies betrifft fünf Einrichtungen in Hawaii, drei auf den Aleuten (Alaska) und das Tule Lake Segregation Center (Kalifornien) (AP 2008).

5

Barthes betrachtet Mythen als ein Sprachsystem, das auf Objektsprache (Ton, Bild, Wort etc.) basiert und im Bezug auf diese Objektsprache ein übergeordnetes semiologisches System aufbaut. Was in der Objektsprache als Zeichen fungiert, erhält im Mythos den Status eines Signifikanten. Das Zeichen verweist somit auf den Sinn, das Signifikat, des Signifikanten. Barthes fordert die Unter-

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hinaus und verweisen als Signifikanten auf den Mythos einer ›sich selbst heilenden Nation‹. Wie aber konnten beide Ereignisse diesen Status erreichen? Eine erste Erklärung findet sich in der emotionalen Bedeutung beider Mythen. Mit Bezug auf die Psychologen Brown und Kulik (1977) bezeichnet Geoffrey M. White ›Pearl Harbor‹ und ›9/11‹ als wichtige Bedeutungsträger für die Herausbildung eines nationalen Bewusstseins. So findet er die tragende Funktion beider Ereignisse in ihrer ›emotionalen Bedeutung‹ und zeigt, dass sie als Blitzlichterinnerungen [flashbulb memory] »[…] striking similarities in the importance of personal stories for their emotional meaning […]« (White 2004: 296) aufweisen. Individuelles Empfinden scheint ein wesentlicher Motor beider Traumaerinnerungen zu sein. Über die Blitzlichterinnerung können nicht unmittelbar Involvierte aus der Ferne ebenso emotional an traumatischen Ereignissen teilhaben, wie direkt Beteiligte (vgl. ibid.: 294, vgl. auch Volkan 2005: 8–9). Kulik und Brown (1977: 73) beschreiben dieses Phänomen wie folgt: »Flashbulb Memories are memories for the circumstances in which one first learned of a very surprising and consequential (or emotionally arousing) event. Hearing the news that President John F. Kennedy had been shot is the prototype case. Almost everyone can remember, with an almost perceptual clarity, where he was when he heard, what he was doing at the time, who told him, what was the immediate aftermath […]. The principal two determinants appear to be a high level of surprise, a high level of consequentiality, or perhaps emotional arousal.«

Die Blitzlichterinnerung liegt demnach dann vor, wenn ein Ereignis den sozialen Alltag eines Kollektivs durchbricht, dort Überraschung oder Schock auslöst. Die mögliche Folge ist nichts weniger als ein gesellschaftsweites Trauma, dessen Ursprünge über die Blitzlichterinnerung fixiert sind. Ein Ereignis dieser Dimension vermag es die Zeit symbolisch einzufrieren (medial etwa festgehalten durch Wiederholungsschleifen einer mit dem Ereignis in Verbindung stehenden immergleichen Bildfolge, wie etwa der Zapruder-Film oder die Medienbilder der Flugzeugkollisionen mit den Türmen des WTC) und das Gefühl von Chaos zu

suchung der Verhältnisse zwischen Zeichen, Signifikant und Signifkat ein, um die Funktionen von Mythen zu entlarven (vgl. Barthes 2008 [1964]: 683–5).

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vermitteln (vgl. Neal 2005: 5). Diese Perspektive lässt auf zwei Gemeinsamkeiten von ›Pearl Harbor‹ und ›9/11‹ schließen: für beide Ereignisse muss das Überraschungsmoment in einer medialen Form so fixiert sein (i), dass es kollektiv eine heftige Gemütsregung provozieren kann (ii). Das heißt, ›Pearl Harbor‹ und ›9/11‹ bedürfen anfänglich der textuellen Vermittlung, um kollektive Emotionen zu wecken. Denn erst die Erzählung erlöst beide Begriffe von ihrer beschreibenden Funktion (Ort, Datum) und hebt sie auf eine metaphorische Ebene. Oder anders formuliert: Zunächst muss die Objektsprache (Explosion, Schüsse, Zerstörung etc.) in eine Metasprache (der Angriff auf Pearl Harbor, die Anschläge vom 11. September 2001) umgeschrieben und erzählt werden. Individuelle Verluste, die mit dem gedeuteten Ereignis in direkten Zusammenhang stehen, geben der mündlichen Erzählung darüber eine Struktur. Denn die durch ein Ereignis gemeinsam geteilten Einzelschicksale rücken die Notwendigkeit für ein kollektives Gedenken daran in den Vordergrund. Die Erzählungen Einzelner geben somit dem Ereignis einen Rahmen, der über die öffentlichen Medien als schriftlicher/bildhafter Text vermittelbar ist: eine Geschichte mit einem Anfang auf der Suche nach einem Ende. Monika Fludernik (2006: 13) hält für diesen Umschreibeprozess fest: »Wenn man Erzählung mit Geschichte (Fabel) identifiziert, dann sind auch Darstellungen dieser Geschichte in anderen Medien Erzählungen.« Basierend auf dieser Annahme kann die individuelle Traumaerinnerung den Status einer Erzählung erhalten. Denn in der abgeschlossenen Erzählung von Einzelschicksalen lässt sich die kollektiv wahrgenommene Geschichte auf ein Ende hin weiterschreiben. Motive individueller Traumata und die Möglichkeit einer Narrativierung werten die kollektive Erinnerungsgeschichte auf und erlauben eine kollektive Traumaarbeit. Das bedingt wiederum emotionale Teilhabe und Durchleben des Traumas auf individueller Ebene (vgl. White 2004: 295). Schock/Überraschung, Affekt und Erinnerung sind wirksame Kräfte dieser Traumaerinnung in ihrer Form als Blitzlichterinnerung. Das heißt jedoch auch, dass der für die Traumaerinnerung auslösende Reiz ständig neu repräsentiert werden muss, um die Blitzlichterinnerung auszulösen. Das kollektive Trauma basiert demnach auf einer auserwählten Repräsentation,

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Volkan spricht hierbei von einem ›auserwählten Trauma‹ (vgl. 2000: 944).6 Fehlt diese Repräsentation, ist eine Verdrängung ins Unbewusste leicht möglich. Es muss daher ein fixiertes Moment dieser Erinnerung geben, um es per Blitzlichterinnerung ins Bewusstsein zu holen und neu zu durchleben. Aufbauend auf die Beobachtungen von Janet und Freud hält der Psychologe Bessel A. van der Kolk fest: »[…] early memory traces can be activated by later events that cause partial reliving of earlier traumas in the form of affect states, anxiety, or re-enactments« (1989: 389). Das heißt, Spuren früherer affektbeladener, emotionaler Erinnerungen können die Wahrnehmung neuer traumatischer Ereignisse nachhaltig beeinflussen. Um die Emotionalisierung der Erinnerung weiter nachzuvollziehen, ist die von Freud (vgl. 1933: 282–301) formalisierte Ereignissequenz einer Traumaerinnerung hervorzuheben: Materieller Auslöser, affektvolles Erleben, Verdrängung und Wiederholung als wesentliche Elemente dieses sequentiellen Erinnerungsprozesses legen den Rückgriff auf die Literaturwissenschaft als Deutungswissenschaft der Traumaerinnerung nahe. Monika Fludernik beachtet den Wert nicht-narrativer Modelle wie eben jener der Wiederholung von Pearl Harbor. In ihrer Einführung in die Erzähltheorie stellt Fludernik (2006: 10) fest, dass es: »[…] auch nicht narrative Modelle [sic] der historischen Erklärung [gibt], z.B. solche, die allgemeine Gesetzmäßigkeiten in der Geschichte annehmen oder aktuelle Ereignisse als identische Neuauflagen kardinaler Schicksalsmomente der eigenen Geschichte deuten: der 11. September 2001 als ›Wiederholung‹ (durchaus auch im zwangsneurotischen Sinn) von Pearl Harbor.«

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Volkan definiert ihr Wesen wie folgt: »[D]er Begriff ›auserwähltes Trauma‹ [gibt] in prägnanter Weise die unbewusste Wahl einer Großgruppe wieder, die ihrer eigenen Identität die psychische Reaktion eines Ereignisses hinzufügt, das eine frühere Generation durchleben musste. Denn auch wenn Großgruppen im Verlaufe ihrer Geschichte eine beliebige Anzahl von Traumata erfahren haben können, bleiben nur ganz bestimmte über viele Jahre hinweg, ja sogar über einen Zeitraum von Jahrhunderten wirksam. Das auserwählte Trauma gibt Tausenden und Millionen von Menschen eine Bestimmung, macht sie zu Auserwählten, die durch die kollektiven psychischen Repräsentationen dieses Traumas zusammengeschmiedet werden« (2000: 944).

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Um die ›Wiederholung‹ der Pearl-Harbor-Erinnerung zu ermöglichen, bedarf es jedoch zunächst einer Rekonstruktion der historischen Erklärung und damit der Erneuerung der Repräsentation dieses Traumaauslösers. Hierbei liegen die Aktualisierung von Repräsentationen der Pearl-HarborErinnerung und die Aktualisierung und Weiterführung des sie umgebenden nationalen Mythos nah beeinander. Als moralische Fabel mit kollektiver Wirkung erzeugen Mythen sowohl individuelles Bewusstsein als auch ein gemeinsames Zugehörigkeitsgefühl. Mythen adressieren somit stets auch einen nationalen Charakter. Ausgehend von diesem Grundgedanken, stellt Homi K. Bhabha in Nation and Narration den kulturellen Raum einer Nation als Resultat wiederholt erzählter Gründungsmythen dar (vgl. 1994: 5). Bhabha (1994: 4) fordert geradezu dazu auf, dass: »[…] the ambivalent, antagonistic perspective of nation as narration will establish the cultural boundaries of the nation so that they may be acknowledged as ›containing‹ thresholds of meaning that must be crossed, erased, and translated in the process of cultural production.«

Die Pearl-Harbor-Erinnerung kann als Ergebnis einer solchen kulturellen Produktion verstanden werden. Sie gilt als wichtiger Mythos für die Gründung der ›USA als Supermacht‹ nach dem Zweiten Weltkrieg und muss daher wiederholt erzählt werden, um diese nationale Identität und ihren nationalen Raum zu bestätigen. Wie die Phänomenbeobachtungen in Kapitel 1 zeigen, ist die Pearl-Harbor-Erinnerung im Kontext der Verarbeitung des 11. Septembers durch ihren Bezug auf den Sieg der USA im Zweiten Weltkrieg positiv besetzt. Sie erinnert an den Kriegserfolg und rückt zukünftige Kriegsvorhaben ins Licht eines ›guten Krieges‹ (vgl. Terkel 1997 [1985]). Daher war die Kriegserinnerung zugleich auch der erste Erklärungsansatz für die Anschläge auf New York und Washington, D.C., die der damals amtierende Präsident George W. Bush (»We’re Fighting to Win and We Will Win« 2001) sodann in seiner Rede zum 60. Jahrestag des Angriffes auf ›Pearl Harbor‹ für die Legitimation eines Gegenschlags instrumentalisierte: »We’ve seen their kind before. The terrorists are the heirs to fascism. They have the same will to power […] , the same mad global ambitions. And they will be dealt

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with in just the same way […] Like all fascists, the terrorists cannot be appeased: they must be defeated. This struggle will not end in a truce or treaty. It will end in victory for the United States, our friends and the cause of freedom.«

Ort und Bildsprache erheben den Zweiten Weltkrieg zur Rahmenerzählung für den ›Krieg gegen den Terror‹. Zwar bettet Bush dabei Terroristen und Faschisten in dasselbe Schurkennarrativ ein, doch ausgesprochen am Pearl Harbor Day weckt seine Rede eher Assoziationen mit den Japanern und dem Krieg im Pazifik als mit dem D-Day und dem Faschismus im Dritten Reich. Allein die ihnen unterstellte Ideologie deutet auf den ehemaligen Gegner aus Europa – im weiteren Verlauf des Krieges erlangt hierfür der Neologismus des ›Islamfaschismus‹ eine fragwürdige Popularität (vgl. Thussu 2006: 9).7

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Bush spricht auf der USS Enterprise, einem mit Kernenergie angetriebenen Flugzeugträger, der zum Zeitpunkt der Rede in Norfolk, Virginia ankert. Am 11. September 2001 ist das Schiff bereits auf hoher See und beteiligt sich im Oktober in den Kampfeinsätzen gegen Afghanistan. Der Flugzeugträger hat eine symbolische Bedeutung: Am 07. Dezember 1941 setzen die Flugzeugträger der japanischen Eingrifftruppe Kidō Butai dem Seekrieg ein Ende, denn nicht länger sollen Schlachtschiffe, sondern Flugzeuge den Krieg entscheiden. Diese militärische Wende verkörpert der Flugzeugträger. Weiterhin verweist sein Kernantrieb semiotisch auf das Ende des Krieges mit dem atomaren Holocaust über Japan. Wenn Bush nun an diesem Ort von einem ›langen und schlimmen Krieg‹ spricht, der ›die Welt von Tyrannei‹ befreit, so kondensiert er einerseits Anfang und Ende des Zweiten Weltkrieges mit dem Ort der Rede und verlagert zugleich den Anbeginn des Krieges vom Pazifik in den Atlantik. Aussagen über den Feind von damals bleiben eine Leerstelle, sie werden durch den Verweis auf den Feind von heute ersetzt. Japan selbst erscheint nur noch in einem Halbsatz und wird subsumiert unter den nun zivilisierten, alliierten Staaten: »[…] we’re grateful to our ally, Japan, and to its good people.« Der an diesem Tag gedachte Kriegseinstieg jedoch spiegelt den Beginn des ›Krieges gegen den Terror‹, die Tyrannen von einst sind die Barbaren von heute (Bush spricht von einer ›Kluft zwischen Zivilisation und Barbarei‹), die implizit erwähnten Japaner als ehemalige Feinde sind die Metapher für die Terroristen der Gegenwart. Dies wird noch deutlicher als Bush, El-Kaida die japanische Falttechnik Origami in den Mund legt: »Not long ago, al Qaeda’s leader dismissed America as a paper

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Die Rede zeigt, dass die Pearl-Harbor-Erinnerung bereits einen festen Platz in der nationalen Geschichte besitzt. Die diese Erinnerung umrankenden Geschichten in Form von Historiographien durchdringen gesammelt als Erfahrungsberichte,8 Geschichtstheorien9 und mediale (Re-)Inszenierung10 die öffentliche Wahrnehmung. Wie Fludernik (vgl. 2006: 13) betont, sind auch diese Formen als Erzählungen zu verstehen. ›Pearl Harbor‹ und ›9/11‹ können daher nicht nur als materielle Auslöser nationaler Traumata verstanden werden, sondern auch als materielle Grundlage der Erzähldiskurse nationaler Identität. Gemeinsam sind sie sinnstiftende Erzählrahmen für die nationale Identität und unterstützen die Herausbildung eines kollektiven Bewusstseins. Doch wie ist dieses Kollektivbewusstsein zu verstehen? Wie kann es eine geschlossene nationale Identität besitzen? Wie kann ein Traumadiskurs dieses Kollektiv beeinflussen? In den Kapiteln 2.2. und 2.3 stehen eben diese Fragen im Vordergrund. Zu klären ist, wie die Nation und ihr Gedächtnis adressiert werden. Die Resultate dieses Prozesses in der Herausbildung der Traumasymptome werden abschließend in Kapitel 2.4 näher beleuchtet.

tiger. That was before the tiger roared« (»We’re Fighting to Win and We Will Win«). 8

Ein Klassiker unter den persönlichen Erfahrungsberichten ist Prange (1982). Terkel (1997) deutet durch sein Oral-History-Projekt den Zweiten Weltkrieg als ›good war‹, Clarke (2001) mischt historische Darstellungen mit den Aussagen von Zeitzeugen, La Forte und Marcello (2001) präsentieren Aussagen zu ›Pearl Harbor‹ aus einem groß angelegten Interviewprojekt. Weiterhin können Besucher des USS Arizona Memorials mit Zeitzeugen sprechen oder eine ihrer Monografien im Museumsshop erwerben.

9

Diese drehen sich häufig darum, den eigentlichen Auslöser des Angriffes auszumachen. Eine der bekanntesten Studien findet das auslösende Moment etwa in der ›Washington Naval Conference‹ von 1922 (vgl. Lu 1961: 224). Andere

wiederum beschäftigen sich mit

Motivationen und

kausalen

Erklärungsmodellen (z.B. Russett 1967). 10 Der erste Filmauftrag erfolgt 1942, John Ford liefert in December 7th (1943) die Vorlage für weitere Pearl-Harbor-Verfilmungen, eine genauere Betrachtung medialer (Re-)Inszenierungen erfolgt in Kapitel 3.

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2.2 D ER DES

NATIONALE K ÖRPER IM S PANNUNGSFELD UND F REMDEN

E IGENEN

Wie die näheren Betrachtungen beider Traumata in Kapitel 1.2 und 2.1 zeigen, sind die Erinnerungen an ›Pearl Harbor‹ und ›9/11‹ markiert mit Ort, Zeit und einer Bedeutungszuschreibung. Das jeweilige ikonische Bild – die brennende USS Arizona, die brennenden Zwillingstürme – transportiert die Erzählung eines unerwarteten Angriffs, erlaubt die Verflechtung beider Ereignisse und der mit ihnen verbundenen emotionalen Sinnzuschreibung. Diese reduzieren die Komplexität der Ereignisse auf den ikonisch fixierten Moment und sind als solche schließlich ›Träger‹ der Blitzlichterinnerung. Allgemein spiegelt die Erinnerung an den materiellen Auslöser eines nationalen Traumas den Grad ihrer emotionalen Auswirkungen auf die gesellschaftlichen Strukturen (vgl. Neal 2005: 204). Wie Kultur- und Traumawissenschaftler wiederholt betonen (vgl. Bird 2003, Neal 2005, Edkins 2002), geschieht erst dort die Aushandlung der Bildermedien hinsichtlich ihrer Bedeutung und einer angemessenen Reaktion darauf. Alexander et al. (vgl. 2004) sind sich einig, dass Ereignisse wie ›9/11‹ oder ›Pearl Harbor‹ nicht ursächlich traumatisch sind, sondern erst auf sozialer Ebene zum Trauma erhoben werden. Grundlage ist, dass die Ereignisse etwa medial repräsentiert und gesellschaftlich verarbeitet werden – auf die Vorbedingungen für diese Wahrnehmungsebene geht dieses Kapitel ein. Ohne die Existenz eines kollektiven Adressatenkreises wären Repräsentationen von ›Pearl Harbor‹ und ›9/11‹ von der bloßen Bildebene auf die sozialpsychische Ebene eines nationalen Traumas kaum übertragbar. Um kollektiv zu wirken, müssen diese Repräsentationen über Kollektive rezipiert und tradiert weitergegeben werden (vgl. Smelser 2004: 47). Verhandelt eine Großgruppe nun ein Ereignis als Trauma, stehen die materiellen Auslöser und ihre symbolische Bedeutung stets auch über den individuell erlebten Erfahrungen der persönlich Betroffenen. So erlaubt erst die Bezeichnung von ›Pearl Harbor‹ und ›9/11‹ als ein heimtückischer Angriff, Anschlag etc. eine emotionale Bedeutungszuschreibung im Sinne kollektiver Trauer um individuelle Verluste. Einzelschicksale verschieben sich folglich auf die Ebene des Bezeichneten. Wird ein nationales Trauma erzeugt, steht die kollektive Wahrnehmung stets über dem individuellen Schicksal.

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Die Aushandlung eines nationalen Traumas geschieht prozedural und bleibt potenziell unabgeschlossen. Der Bedarf, es durchzuarbeiten, zeigt sich etwa in der ›Wiederholung‹ von ›Pearl Harbor‹ in ›9/11‹ und der damit verbundenen Notwendigkeit einer sinnstiftenden Traumaerzählung einerseits, aber auch der Politisierung des Traumas andererseits. Denn erst mit der Pearl-Harbor-Erinnerung als narrativem Rahmen kann etwa ein sicherheitspolitischer Eingriff in die durch ›9/11‹ aufgebrochenen gesellschaftlichen Strukturen legitimiert sein. Immerhin ziehen die Ereignisse vom 7. Dezember 1941 und vom 11. September 2001 kriegerische Maßnahmen, Einschnitte in die gesellschaftliche Ordnung (Ausruf des Kriegsstatuts, Einrichtung der Homeland Security, Ratifizierung des PATRIOT-Act etc.) und eine mehrheitliche gesellschaftliche Billigung dieser Einschnitte nach sich.11 Beide nationalen Traumata hinterlassen ihre Spuren im gesamten Gesellschaftssystem. Sie bestärken das Ideenkonstrukt einer geeinten Nation, das auf gesellschaftlicher Ebene verteidigt wird.12 Die gesellschaftliche Annahme von der Existenz einer Nation ist somit eine Vorbedingung für das Entstehen eines nationalen Traumas. Um von der Nation auf ihren kollektiven Wahrnehmungsapparat zu schließen, sollen die folgenden Abschnitte den Begriff der Nation kurz umreißen. Die vorgestellten Ideen werden im Anschluss auf die nationalen Wirkungsweisen von ›9/11‹ und ›Pearl Harbor‹ übertragen. Bereits 1882 fragt Ernest Rénan in einer Vorlesung: »Qu’est-ce qu’une nation?« Statt einer ontologischen Gegebenheit stellte er die Idee von der Nation als eine ›Seelenform‹ vor: »Une nation est un principe spirituel, résultant des complications profondes de l’histoire, une famille spirituelle« (n.p.).13 Mit dieser Hypothese legt der Historiker den Grundstein der

11 In Bezug auf den Krieg im Irak sowie Afghanistan bemängelt etwa Don DeLillo (vgl. 2001) den im Vergleich zum Vietnamkrieg anfänglich geringen Aufruhr in der Gesellschaft und Philip Hammond das eingangs vorherrschende geringe Maß an Kritik aus akademischen Kreisen (vgl. 2003: 557). 12 Die Idee, dass Nation nicht etwas Essentielles und Natürliches, sondern etwas Imaginäres, ein Metanarrativ sei wird seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert diskutiert, Ernest Rénan und Benedict Anderson sind bekannte Vertreter dieses Diskurses (vgl. Pöhlmann 2009: 21). 13 »Eine Nation ist ein spirituelles Prinzip, das aus tiefen Verwicklungen der Geschichte resultiert, eine Familie im Geiste« (eigene Übersetzung).

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modernen Nationendebatte. Denn Rénan lehnt die bis dahin angenommenen genealogischen, geographischen und sprachlichen Fundamente einer Nation ab und betont vielmehr ihren spirituellen Charakter. Genauer stellt er hierfür den Charakter einer Erinnerungsgesellschaft vor, der bestärkt, dass eine Nation sich stets auch auf eine Ursprungslegende mithilfe allgemeingültiger Codes verständigt. So werden etwa gewaltsame Akte (Rénan nennt die Bartholomäusnacht), die ein positives Selbstbild hinsichtlich des gemeinsamen Ursprunges schädigen, vergessen. Im Festhalten an dieser gemeinsamen Herkunft zeichnet Rénan das Bild einer Nation als eine Willensgemeinschaft. Aufbauend auf dieser Idee leitet der Staatsrechtswissenschaftler Rudolf Kjellén aus dem Bemühen sozialer Gruppen um ihren Zusammenhalt und der Betonung ihrer Daseinsberechtigung den Staat als Lebensform (1924) ab. In seinem opus magnum baut Kjellén eine Analogie zwischen Staat, Volk und Nation auf, indem er ihr Verhältnis zueinander in die Wissenschaftsfelder der Ethnopolitik und Geopolitik deutet, um sie schließlich in einer biopolitischen Perspektive zu vereinen (vgl. 1924: 104). Um diese Probleme zu fassen, diskutiert Kjellén ähnlich Rénan genealogische, linguistische und psychologische Gesichtspunkte seines Gedankens und schlussfolgert, dass »[d]ie Nation […] ein ethnisches Individuum, wie das Reich ein geographisches ist: eine Persönlichkeit mit größerem Umfang und geringerem Inhalt als das einzelne Individuum« (ibid.: 112). Der Staat weist bei Kjellén physische Eigenschaften und einen psychologischen Verbund auf, er ist eine Erscheinung im Raum und nährt sich, wie bei Rénan, aus einer gemeinsamen Geschichtserfahrung.14 Kjellén sieht in der

14 Kjellén versteht die Nation und den sie zusammenhaltenden Staat noch in Anpassung an Raum, ein Verständnis das im sogenannten ›Dritten Reich‹ unter dem Gesichtspunkt des Zusammenwirkens von Volk und Raum im Ideenkonstrukt des ›Volkskörpers‹ seine fatalste Ausprägung finden soll. Stattdessen sollte der Staat als eine Erscheinung des Raumes verstanden sein, der entsprechend Kjelléns Verständnis von Nation dem »beständig fließenden Strom der Geschichte« unterliegt (1924: 111) und ideologisch verankert ist. Das von Kjéllen konstituierte Ordnungskriterium der Geschichte ist wiederum problematisch, da diese »Macht- und Wissensverfahren« legitimieren, die »Prozesse des Lebens« im Staat »kontrollieren und […] modifizieren« (Foucault 1991 [1977]: 170).

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Nation jedoch mehr als Rénans ›Seelenform‹. Er ist deshalb mit größerer Vorsicht zu genießen. Denn der Staatsrechtwissenschaftler führt die Nation wieder auf eine organische Ausprägung zurück und sieht die biopolitische Aufgabe des Staates in der »Verbesserung der Persönlichkeit« durch die Optimierung der »Volksanlage« (ibid.: 232).15 Interessant jedoch sind Rénans und Kjelléns Standpunkte hinsichtlich der Ausprägung von ›Nation‹. Denn trotz aller Gegensätzlichkeit nehmen beide einen auf dem Willen einer Bevölkerung basierenden metaphysischen Zusammenhalt, eine Art nationalen Körper, als Ideenkonstrukt für die Nation an. Dass die Frage nach dem physischen wie psychischen Zusammenhalt einer Nation im ausgehenden 19. Jahrhundert an Bedeutung gewinnt, lässt sich auf die Konsolidierung moderner Regierungsformen zurückführen. Vor allem begründet sie sich bis heute in der verstärkten Kriegsführung zwischen Nationen. So stellt sich etwa für die amerikanische Nation nach ›Pearl Harbor‹ und ›9/11‹ die Frage, warum sie das Mittel des Krieges als natürliche Konsequenz aus den Handlungen der Aggressoren versteht und nur wenig Widerstand dagegen zeigt (vgl. FN 11). Mead (vgl. 2000 [1942]) und Slotkin (vgl. 1998 [1992]) schlussfolgern eine solche Haltung aus der ›Nationalkultur‹ (ehemalig auch ›Nationalcharakter‹) der USA. Die Anthropologin Mead bringt es dabei auf die einfache Formel: »[T]he American character […] fights best when other people start pushing us around« (2000 [1942]: 100). Slotkin hingegen beobachtet im Kern der amerikanischen Ursprungslegende der frontier-Erzählung »a tale of personal and social ›regeneration through violence‹« (1998 [1992]: 352). Beide Autoren nennen Aggression als ein Schlüsselelement amerikanischer Nationalkultur. Für die nationalkulturelle Wirkmacht von ›Pearl Harbor‹ und ›9/11‹ lässt dies folgenden Schluss zu: Beide Ereignisse sind nicht in ihren materiellen Realitäten (das eine ein militärischer Angriff, das andere ein ziviler etc.) auf einer historischen Ebene gleichzustellen, wohl aber auf der Ebene der nationalkulturellen, sozialpsychologischen Wahrnehmung einer solchen Geschichte. So greift auch der Psychologe Smelser in seiner Diskussion des 11. September 2001 als kulturelles Trauma auf Mead zurück und verbindet ›Pearl Harbor‹ und ›9/11‹: »Mead mentioned that it

15 Aus diesem Grund sehen sich etwa rechtskonservative Vertreter einer ›völkischnationalen‹ Politik in Kjéllen bestätigt.

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was not the defeat at Pearl Harbor that woke Americans up but rather the aggression. The same can be ventured about September 11« (2004: 272). Demnach fordern ›Pearl Harbor‹ und ›9/11‹ als nationale Traumata geradezu den Einsatz individuellen Lebens zum Schutz der Willensgemeinschaft ›USA‹. Führt dieser physisch-psychische Verbund nun Krieg gegen einen anderen wird die Nation zum anthropomorphen Gebilde und gleicht einem Organismus, der sein Leben verteidigt. Doch welche Macht kann dieses Kollektiv zum Selbsterhaltungszweck dazu verführen, individuelles Leben zu opfern? Dieser Macht ist an jenem Scheidepunkt nachzuspüren, an dem der Lebensentwurf einer Willensgemeinschaft den ihrer Individuen übertrifft: Die Vorstellung, dass die Nation einerseits eine auf Ideen beruhende Willensgemeinschaft ist (Rénan) und andererseits im Staat die Eigenarten eines Organismus spiegelt (Kjellén), deutet auf die Form des Staates wie der Nation als metaphysischen Körper. Als organisches Sinnbild der Nation hat der Begriff des ›Körpers‹ insbesondere mit dem Aufkommen der Idee eines ›Volkskörpers‹ seit dem 19. Jahrhundert Konjunktur. Er zeigt an, dass das Individuelle im Gemeinschaftlichen nicht vollständig aufgehoben ist. Dietrich betont: »Der individuelle Körper steht in einer engen Wechselbeziehung zum Gemeinschaftskörper und geht als ›nationaler Körper‹ darin auf« (2007: 76). Gleiches gilt im Hinblick auf die Wahrnehmungsebene einer Nation. Als imaginärer Verbund (vgl. Anderson 2006 [1983]) kann auch dessen individuelles Leben und Erleben nicht als natürlich, als ontologisch gegeben verstanden werden. Vielmehr ist er gemäß seinen Subjektfunktionen innerhalb der Nation normier-, moralisierund somit beliebig gestaltbar – eine Idee, die der französische Philosoph Michel Foucault in der Biopolitik als moderne Form der Machtausübung realisiert sieht. Genauer erkennt Foucault eine Macht, die sich »mit der Disziplinarmacht verbindet, sie integriert, sie teilweise modifiziert und sie vor allem benutzen wird, um sich gewissermaßen in sie einzupflanzen und um sich dank dieser vorhergehenden Disziplinartechnik wirklich festzusetzen« (1992 [1976]: 52). Diese Macht hat Einfluss auf den »Menschen als Lebewesen« sowohl auf der Ebene seiner Individualisierung (Foucault spricht vom ›Körper-Menschen‹) als auch hinsichtlich seiner Einbindung in die »globale Masse« (›Gattungs-Menschen‹) (vgl. ibid.: 52). Aufgrund ihres Einflusses auf »Prozesse der Geburtenrate, der Mortalität, der Lebensdauer« (vgl. ibid.: 52) bezeichnet Foucault diese Macht als Biomacht.

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So ist es eben die Institution des Staates, die diese Biomacht nutzt, um als zentrale Instanz in Kriegssituationen über ›wertes‹ und ›unwertes‹ Leben zu urteilen.16 Daher ist über die Kriegssituation hinaus die Biomacht auch zu Friedenszeiten nicht abwesend, sondern vielmehr in Bereichen verankert, in denen individuelles Leben in gesellschaftlichen Betätigungsfeldern und Einrichtungen reguliert wird (Medizin, Bevölkerungsstatistiken, Gesundheitswesen etc.). Sie kontrolliert somit stets eine gesellschaftliche Konstruktion des Eigenen und des Fremden und prägt die Wahrnehmung dieser Unterschiede nachhaltig. Foucault interessieren die historischen Ursprünge, die das individuelle Leben zum Einsatzmittel für politische Interessen wandeln. In Kriegen sieht er die schlimmsten Folgen der Biomacht eines Staates realisiert: »Nie waren die Kriege blutiger als seit dem 19. Jahrhundert und niemals richteten die Regime – bei Wahrung aller Proportionen – vergleichbare Schlachtfeste unter ihren eigenen Bevölkerungen an. Kriege werden nicht mehr im Namen eines Souveräns geführt […], sondern im Namen der Existenz aller. Man stellt ganze Völker auf, damit sie sich im Namen der Notwendigkeit ihres Lebens gegenseitig umbringen. Die Massaker sind vital geworden. Gerade als Verwalter des Lebens und Überlebens, der Körper und der Rasse, haben so viele Regierungen in so vielen Kriegen so viele Menschen töten lassen.« (Foucault 1991 [1977]: 163)

16 An dieser Stelle kreuzt sich Foucaults Gedanke mit einer Annahme, die schon Freud veranlasst hat, über die Gründe des Krieges nachzudenken. So schreibt er an Albert Einstein: »Es ist fraglich, ob die Gemeinschaft nicht auch ein Recht auf das Leben des Einzelnen haben soll […] solange es Reiche und Nationen gibt, die zur rücksichtslosen Vernichtung anderer bereit sind, müssen diese anderen zum Krieg gerüstet sein« (2000 [1932]: 285). Grundsätzlich schließt auch

Freud

die

Verschränkung

individuellen

Lebens

mit

dem

des

Gemeinschaftskörpers nicht aus, im Gegenteil, er versteht den gesamten Zivilisierungsprozess einer Kultur als etwas Organisches, das ebenso psychischen Gesetzmäßigkeiten unterliegt (vgl. ibid.: 285). Während Freud Veränderungen in Triebzielen/Triebregungen diagnostiziert, sind mit Foucault die psychischen Veränderungen in Form von pragmatischen Denkhaltungen eben auch in der Biopolitik ablesbar.

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Nach der metaphysischen Auffassung einer Nation fungiert der Staat als Lebensverwalter. Jeder Krieg einer Nation ist die Folge dieser Funktion. Die Regierungen moderner Staaten sind demnach als eine Art Regulierungsinstitutionen zu verstehen, die insbesondere zu Kriegszeiten bemüht sind, nationale Normen zu schaffen, nach denen eindeutig der Nation feindlich gesinnte Elemente intern wie extern erkennbar sind. Die Grundlage ist der historische Wissensdiskurs des Staates. Es ist folglich die Wahrnehmung und Konstruktion von Geschichte, die einen nationalen Zusammenhalt und die Grenzen für einen Widerstand dagegen bedingt: »Menschen erheben sich, das ist eine Tatsache. Auf diesem Wege gelangt die Subjektivität (nicht die der großen Männer, sondern jedes beliebigen Menschen) in die Geschichte und haucht ihr Leben ein. Ein Strafgefangener setzt sein Leben gegen die allzu harte Strafe; ein Irrer will nicht mehr eingesperrt sein und seiner Rechte beraubt werden; ein Volk stellt sich gegen das Regime, das es unterdrückt. Dadurch wird der Gefangene nicht unschuldig, der Irre nicht gesund und das Volk nicht der versprochenen Zukunft teilhaftig. Und niemand muss solidarisch mit ihnen sein. Niemand muss glauben, diese wirren Stimmen sängen schöner als andere und sagten die letztgültige Wahrheit. Es genügt, dass sie da sind und alles sie zum Schweigen zu bringen versucht, damit es sinnvoll ist, sie anzuhören und verstehen zu wollen, was sie sagen. Eine Frage der Moral? Ganz sicher eine Frage der Realität. Daran ändern auch all die Enttäuschungen der Geschichte nichts. Weil es solche Stimmen gibt, hat die Zeit des Menschen nicht die Form der Evolution, sondern die der ›Geschichte‹.« (Foucault 2003: 991)

Erst wenn diese Einzelschicksale aus dem gesellschaftlichen Subjektverbund ihren Weg in Ursprungslegenden und nationale Geschichte finden, können Wunden im Nationenkörper mit einem Sinn versehen oder ein nationales Narrativ begünstigt werden. Die aus den Subjekten entstehende Geschichte begründet insofern die Sinnstiftung nationaler Traumata. Um innerhalb kurzer Zeit massenwirksam zu werden, müssen historische Zusammenhänge nicht nur mündlich weitergegeben, sondern mittels öffentlicher Medien textualisiert werden und im Subjektverbund zirkulieren. Die Bevölkerung als Wahrnehmungskollektiv muss ebenso in der Lage sein, diese Botschaften zu entschlüsseln bedient sich dazu den Elementen, die jeder ›Staatsbürger‹ als individueller Wissensträger inner-

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halb einer Nation verinnerlicht hat: eine gemeinsame Sprachkultur, nationale Symbole sowie die Fähigkeit zum Lesen und Schreiben. Diese Trias ermöglicht laut Benedict Anderson (vgl. 2006 [1983]: 6) das Entstehen einer Nation (die somit stets auch nur ein imaginäres Konstrukt ist). Im rückwärtigen ›Lesen‹ der Gegenwart aus der Vergangenheit heraus entwerfen Nationen zugleich ihre Geschichte und ihre Identität (vgl. Sarasin 2003: 160). So kann ›9/11‹ als »Pearl Harbor des 21. Jahrhunderts« nur im Rückgriff auf die nationalen Erfahrungen des Zweiten Weltkrieges erneut die Gesellschaft vereinen und gegen einen ausgemachten Feind mobilisieren. Aus diesem Grund sind Repräsentationen von ›9/11‹ ikonisch wie narrativ in der Nähe der Pearl-Harbor-Erinnerung. In dieser Wahrnehmung steht die Aggression durch einen der Nation und ihrer Kultur fremden Feind im Vordergrund. Der Nexus zwischen ›9/11‹ und ›Pearl Harbor‹ kann daher nur durch eine implizite symbolische Nähe der japanischen und terroristischen Angreifer entstehen. In der Repräsentation von ›9/11‹ als gleichermaßen wiederholende und auslösende Inszenierung des Zweiten Weltkrieges stehen daher weniger die offensichtlich geäußerten Gleichnisse bezüglich ideologischer Gegner (etwa die Terroristen als neue Faschisten) im Vordergrund, wohl aber die aus einem kulturell gepflegten Orientalismus heraus resultierenden metaphorischen Gleichnisse zwischen japanischen Angreifern und den islamistischen Terroristen (vgl. Kapitel 2.4). Wird die amerikanische Regierung demnach als Regulierungsinstitution begriffen, die in der Kriegshaltung nach ›9/11‹ bemüht ist, durch normative Sicherheitsmaßnahmen nationale Identität zu festigen, so ist die Konstruktion eines feindlichen wie fremden Subjekts als Gegenstück zum eigenen ›Staatsbürger‹ von höchster Dringlichkeit. In seiner Diskussion einer Tradition »paranoiden Denkens« in den USA schlussfolgert Heinz Ickstadt (2007: 258–9) aus dem historischen Umgang mit dem FeindlichFremden die Beobachtbarkeit verstärkt patriotischer Bekenntnisse: »Das Feindlich-Fremde war eindeutig ›draußen‹ (geographisch wie auch kulturell), obwohl es in einer multikulturellen Gesellschaft immer schwieriger wird, ›innen‹ von ›außen‹ zu unterscheiden. Dass der Feind draußen potentiell immer auch als Feind im Innern entdeckt werden kann, lässt den Konsensdruck nach Innen – das patriotische Bekenntnis zu Amerika – entsprechend ansteigen.«

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In seiner Fähigkeit, einen ›nationalen Körper‹ nicht nur von außen zu bedrohen, sondern auch im Innern anzugreifen, erhält der Feind die Eigenschaften eines Krankheitserregers. Ein biologisches Gleichnis, das sich mit dem modernen Verständnis des Bösen als Mikrobe deckt und erneut den bio-metaphysischen Charakter der Nation bestärkt. Nach ›9/11‹ gewinnt diese Feindmetapher insbesondere mit der Serie von AnthraxBriefen ab dem 18. September 2001 nachhaltige Gültigkeit. In deren Folge gerät die »›Infektion‹ […] zur master-metaphor westlicher Bedrohungsszenarien« (vgl. Sarasin 2004: 15–6).17 Zudem fungiert das FeindlichFremde als Phantasma, eines psychologischen ›Schutzschirms‹ vor einem als unerträglich empfundenen ›Realen‹, was wiederum symbolische Sinnzuschreibungen hinsichtlich imaginärer Schurkenbilder begünstigt (vgl. ibid.: 18).18 Diese Bedeutungsstiftung ist stets gebunden an die psychische Realität der Gesellschaft und begrenzt vom Sprachgebrauch der Nationalkultur. Robert G. Lee erinnert an die Dominanz des nationalen Narrativs hinsichtlich des Xenologischen, wenn er in seiner Analyse von Repräsentationen der asiatischen Amerikaner in der Populärkultur betont, dass: »[n]ot all foreign people or objects are pollutants, only those whose presence disrupts the narrative structure of the community« (1999: 31). Doch um den psychischen Haushalt einer Nationalgemeinschaft zu kontrollieren, zur Bedrohung individuellen Lebens zu werden und auf politischer wie sozialer Ebene eines Staates als Angreifer zu gelten – kurzum um als Träger des nationalen Traumas zu funktionieren – muss das Feindlich-Fremde vom Gedächtnissystem des nationalen Körpers wahrgenommen werden. Das folgende Teilkapitel wird diesen Prozess nun näher beleuchten.

17 Inzwischen hat das FBI den amerikanischen Wissenschaftler Bruce Ivins als »einzig Verantwortlichen« genannt. Der Biowaffenexperte beging vor dem Ermittlungsende Selbstmord (vgl. diepresse.com 2008). 18 Die drei Register der Sprache (das Imaginäre, das Symbolische, das Reale) fasst Jacques Lacan (1996) zusammen. Verbunden sind sie durch das sinthome, welches einen sprachlichen Wechsel zwischen den Registern ermöglicht.

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Kapitel 2.1 und 2.2 haben gezeigt, dass ›Pearl Harbor‹ und ›9/11‹ durch einen narrativ erzeugte, psychologischen Nexus verbunden sind, der durch die Biomacht des Staates institutionalisiert wird. Aufbauend auf Sprachkultur und -verständnis setzt sich ein wichtiges Machtinstrument der Biomacht aus Wissensgenerierung und Informationsverteilung zusammen. Anhand von Sprechhandeln wird die Wahrnehmung von Lebenswirklichkeit gezielt reguliert. Foucault (vgl. 2008 [1970]) fasst die Gesamtheit aller sprachlichen und nichtsprachlichen Aussagen (etwa Bewusstseins- oder Wahrnehmungsereignisse) für einen Themenkomplex unter dem Begriff des ›Diskurses‹ zusammen. Diskurse sind wissensvermittelnde Größen, die das menschliche Handeln begrenzen, indem sie das Sagbare regulieren. Somit ist die Wirklichkeitswahrnehmung der Ereignisse ›Pearl Harbor‹ und ›9/11‹ stets aus dem sprachlich produzierten Sinnzusammenhang eines »Angriffes« abzulesen. Darstellungen des Feindlich-Fremden sind folglich immer symbolisch-ideologisch kodierte Negativprojektionen des Inneren einer nationalen Identität. In Reaktion auf die Ereignisse vom 11. September hat etwa der Historiker Michael Beschloss beim Gedanken an ›Pearl Harbor‹ die Staatsbürger von heute mit denen von damals auf eine Ebene gestellt: »Americans are the same now as they were then: the American character has not changed« (zitiert in Landy 2004: 81). Seine Aussage betont eine ›Natürlichkeit‹ des amerikanischen Nationalcharakters. Diese biologistische Voraussetzung resultiert aus der Vermittlung nationaler Geschichte, die sich zusammensetzt aus nationaler Tradition und ritualisierten Erinnerungen. In dieser Aussage verbinden sich weiterhin kulturelles Erinnern, nationale Identität und tradierte Geschichtswahrnehmung. Jan Assmann erkennt darin eine ›konnektive Struktur‹ der Gesellschaft und macht ihren »gemeinsamen Erfahrungs-, Erwartungs- und Handlungsraum« zu seinem Studienobjekt (1992: 16). Daran anschließend erkundet Aleida Assmann (2002: 183) Gedächtnisformen, die »sich im Gedächtnis des einzelnen als Mitglied einer Familie, Generation, Nation, Kultur kreuzen, überlappen, ergänzen.« Eine erschöpfende Darstellung zur Bedeutung der Gedächtnisforschung würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Daher soll im Folgenden schlaglichtartig zusammengetragen werden, wie Sprachkultur und ›kulturelles‹ sowie ›kommunikatives Gedächtnis‹ hin-

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sichtlich eines ›nationalen Traumas‹ zusammenwirken und die Herausbildung eines Feindlich-Fremden begünstigen. Kapitel 2.2 hat mit Bezug auf Foucault den Konstruktcharakter diskursiver Geschichtswahrnehmung hervorgehoben. Aleida und Jan Assmann bilden mit ihrer kulturwissenschaftlichen Gedächtnistheorie einen guten Anknüpfungspunkt. Unter Berufung auf Maurice Halbwachs überdenken sie die Möglichkeit eines ›Kollektivgedächtnisses‹. Halbwachs setzt dieses Gedächtniskonstrukt der Historie aus der Überzeugung heraus entgegen, dass es eben kein universelles, sondern immer nur ein gruppenabhängiges, ›identitätskonkretes‹ Gedächtnis gibt. Diese Annahme eröffnet eine genauere Betrachtung kultureller Erinnerungsmechanismen, die wiederum aus dem Zusammenspiel von Speichermedien und deren funktionalisierten Inhalten resultieren. So betont Aleida Assmann (2002: 186), dass »Institutionen und Körperschaften wie Nationen, Staaten, die Kirche oder eine Firma kein Gedächtnis ›haben‹, sondern sich eines ›machen‹. Dafür bedienen sie sich memorialer Zeichen und Symbole, Texte, Bilder, Riten, Praktiken, Orte und Monumente.« Im Rückgriff auf solche Erinnerungssemiotiken ist ein solches ›kollektives Gedächtnis‹ stets an einen Zweck gebunden, es ist ›perspektivisch organisiert‹ und speichert Ereignisse nach einer ›strikten Auswahl‹ (ibid.:186). Damit steht der forcierten ›Erinnerung‹ auch der Modus des Vergessens gegenüber, beide sind somit Grundbestandteile dieses kollektiven Gedächtnisses. Individuelle Erinnerungsstrukturen würden ohne das kollektive Gedächtnis nicht existieren. Auch diese sind nicht natürlich gegeben, sondern resultieren aus dem Wechselspiel von »Kommunikation und Interaktion im Rahmen sozialer Gruppen« (J. Assmann 1992: 36). Mit Bezug auf Halbwachs Prämisse der sozialen Bedingtheit des kollektiven Gedächtnisses betont Jan Assmann den Zusammenhang des individuellen Erlebens und Praktiken sozialer Bedeutungszuschreibung. Jan Assmann (1992: 35) folgert daraus, dass »[e]in in völliger Einsamkeit aufwachsendes Individuum […] kein Gedächtnis« hätte, denn das »Gedächtnis wächst dem Menschen erst im Prozeß seiner Sozialisation zu« (vgl. auch A. Assmann 2002: 184). Insofern ›haben‹ Großgruppen / Kollektive zwar kein Gedächtnis, aber sie profilieren das individuelle Gedächtnis – sie setzen die

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Grenzen des Denk- und Sagbaren. Alles, was erinnert werden kann, ist demnach ›sozial gerahmt‹.19 Davon ausgehend spezifiziert Jan Assman das kollektive Gedächtnis weiter durch den Entwurf des ›kommunikativen Gedächtnisses‹, das er zum ›kulturellen Gedächtnis‹ abgrenzt. Beide bedingen sich gegenseitig und sind nicht klar voneinander zu trennen. Erst im Wechselbezug realisiert sich das von Halbwachs angenommene kollektive Gedächtnis. Während für das kulturelle Gedächtnis allein die textuelle Kohärenz maßgebend ist, baut das ›kommunikative Gedächtnis‹ auf die Tradition der mündlichen Überlieferung in oralen Kulturen auf, die über keine Aufschreibsysteme verfügen. Weiterhin ist das kommunikative Gedächtnis aber auch in modernen Gesellschaften wirksam, wenn hier die Verschriftlichung und weitere Ausprägung mündlicher Überlieferungen stattfindet. Aleida Assmann (2002: 184) betont die Ableitung des kommunikativen aus dem individuellen Gedächtnis: »Das individuelle Gedächtnis […] ist das dynamische Medium subjektiver Erfahrungsverarbeitung. Wenn ich es mit Jan Assmann vorziehe, hier statt vom individuellen vom kommunikativen Gedächtnis zu sprechen, so deshalb, weil wir die Suggestion vermeiden wollen, als handele es sich dabei um ein selbstgenügsames und rein privates Gedächtnis.«

Genauer entspringt das kommunikative Gedächtnis einem »Milieu räumlicher Nähe, regelmäßiger Interaktion, gemeinsamer Lebensformen und geteilter Nähe« (ibid.: 185). Es steht damit im direkten Zusammenhang eines Generationen-Gedächtnisses. Denn die personengebundene Erzählung ist nur so lang von Bestand, als die sich erinnernde Erzählinstanz ihre Geschichte weitergeben kann. Persönliche Erinnerungen verschwinden daher tendenziell mit dem Wechsel der Generationen. Somit versinnbild-

19 Jan Assmann (1992) hebt hierfür die Gemeinsamkeiten zwischen Maurice Halbwachs und dem Soziologen Erving Goffmann hervor. Halbwachs führt den Begriff des ›sozialen Rahmens‹ (›cadres sociaux‹) ein, den er für die Analyse des kollektiven Erinnerns nutzt, Goffmann unternimmt ebenfalls eine ›Rahmenanalyse‹ von sozial bedingten Strukturen von Alltagserfahrungen (ibid.: 36). Erinnerung und Erfahrung sind beide Male Gegenstand der Untersuchung sozial vorgeprägter Rahmen.

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licht das kommunikative Gedächtnis das Kurzzeitgedächtnis einer Gesellschaft (vgl. ibid.: 185). Während das kommunikative Gedächtnis damit von immenser Bedeutung für die Strukturierung alltäglicher Erfahrungen ist, entwickelt sich das kulturelle Gedächtnis im Gegenzug, wenn sich eine Gesellschaft entscheidet, bestimmte Ereignisse als erinnerungswert einzustufen und hierfür Speicherkapazität einräumt. Auf diesem Weg versichert sich eine Gesellschaft über langfristige historische Kommunikation ihrer Ursprünge und identitätsprägenden Ereignisse. Sinnbild für ein solches Speichergedächtnis wäre ein ›kulturelles Archiv‹. Die ausgewählte Nutzung seiner Inhalte bezeichnet wiederum das Funktionsgedächtnis (vgl. A. Assmann 2002: 189) – die Wechselwirkung beider Gedächtnisformen bedingt das kulturelle Gedächtnis. Eine Nation als Institution etwa sichert sich über Speichermedien bestimmte Erinnerungen und entscheidet über deren Einsatz. Das kulturelle Gedächtnis schließt damit jedoch nicht nur Sicherung und Überlieferung ein, sondern neben der Wahrnehmung, den Rückgriff auf Ereignisse sowie deren Rekonstruierbarkeit, auch das Vergessen und Verdrängen (vgl. J. Assmann 1992: 34). Wie Kapitel 1.2 im Fall von ›Pearl Harbor‹ und ›9/11‹ zeigt, gibt es auch hier zunächst die Konservierung und Mediatisierung der Bilder vor einer eindeutigen Sinnzuschreibung und dem sozial ausgehandelten Erinnerungsrahmen.20 Rituale (Präsidiale Ansprachen, Schweigeminuten) sowie Gedenktage und -zeremonien (Pearl Harbor Day, der 11. September) verknüpfen den symbolischen Charakter einer Erinnerung mit seinen zeitlichen und räumlichen Koordinaten. Jan Assmann (1992: 35) bekräftigt, dass Gruppen für ihre Konsolidierung stets auch einen Erinnerungsraum benötigen: »Das Gedächtnis braucht Orte, tendiert zur Verräumlichung« und bildet so genannte ›Mnemotope‹ (Erinnerungsorte).

20 Die Besonderheit bei ›Pearl Harbor‹ ist hier eher der ›Bildkommentar‹, erreicht die Nachricht vom Angriff doch die Bevölkerung über das Radio. Ohne ein konkretes Bild jedoch sind die phantasmagorischen Vorstellungsmöglichkeiten zum Bildkommentar nahezu grenzenlos. ›Pearl Harbor‹ vermag daher die Fantasien der amerikanischen Nation längerfristiger und nachdrücklicher zu prägen als das medial und narrativ stark eingeschränkte ›9/11‹.

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Das kulturelle Gedächtnis enthält immer auch eine politische, eine ideologische Dimension, denn eine Gemeinschaft kann über Erinnerungsräume seine Vergangenheit nicht nur speichern, sondern sie gestalten. Abbildung 11: USS Arizona Memorial in Pearl Harbor, Hawaii

Quelle: Privat

Davon ausgehend können das USS Arizona Memorial in Pearl Harbor und ›Ground Zero‹ in Manhattan als konkrete Verortungen der Traumaerinnerung gelten. Ihre Mnemotope sind entsprechend an der hawaiianischen Küste Oahus und in Downtown Manhattan in New York City angesiedelt. Sie markieren und inszenieren den Einstieg sowohl in den Zweiten Weltkrieg als auch in den ›Krieg gegen den Terror‹ inklusive aller identitätsstiftender Folgen. An beiden Orten ist die Erinnerung monumental überhöht: Das Pearl Harbor Memorial als Kriegs-, denn als Friedensdenkmal erinnert an den Zweiten Weltkrieg als einen ›guten Krieg‹21 und

21 Die Bauweise des Memorials über der gesunkenen USS Arizona ist leicht Uförmig [vgl. Abb. 11]. Der Tiefpunkt der U-Form ›schwimmt‹ über dem Rumpf des gesunkenen Schiffes als Signifikant für den moralischen Tiefpunkt durch den Überraschungsangriff der Japaner, die Bogenform an den Enden markiert

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verdrängt den sogenannten ›atomaren Holocaust‹; ›Ground Zero‹ entwertet den Begriff der Erinnerung an letzteren und überhöht die ›Wunde‹ in New York als Wiederaufnahme des Kriegserfolgs aus dem Zweiten Weltkrieg. Abbildung 12:Ground Zero in New York City, Oktober 2008

Quelle: Privat

Zwar mögen beide Orte einen erinnerungskonkreten Ort monumentalisieren, jedoch kehren sie in derselben Weise die Erinnerung um und wandeln durch ihre konkrete Form – das Pearl Harbor Memorial in seiner Bauweise und großen Distanz zum amerikanischen Festland, ›Ground Zero‹ als nunmehr mit blickdichten Bauzäunen umgebenes ›Loch‹ im Finanzzentrum der USA [vgl. Abb. 12] – die Trauma- zu einer Verdrängungserinnerung. Ihre Funktion kann nach Michel Foucault unter den Begriff ›Heterotopie‹ gefasst werden:22 Beide Orte bewirken die Erinnerungsverdrängung und

einen Aufschwung und bezeichnet den Sieg. Der Bogen symbolisiert und legitimiert die dazu eingesetzte Gewalt (vgl. Yaguchi 2005). 22 Foucault stellt den Begriff der Heterotopie als zugangs- und wissensbeschränkten Raum mit einem wirklichen Ort (z.B. das Gefängnis) dem der Utopie entgegen. Zwar verwirft der späte Foucault diesen Begriff, aber die Idee des

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mythische Überhöhung, sie markieren einen Zeitschnitt und erfüllen damit die gesellschaftliche Funktion der konkreten, mythologisierten Identitätszuschreibung – sie ermöglichen einen Blick auf die genormte Erinnerung an die identitären Erinnerungen und fechten diese wiederum in ihrer Form als Verdrängungsort an (vgl. Foucault 1999 [1967]: 145–60). Als Heterotope bilden die Orte der Pearl-Harbor-Erinnerung zugleich Funktionen und Widersprüche der ideologischen Gestaltung ihrer historischen Erinnerung ab. Zusammenfassend ist für das kulturelle Gedächtnis eine stabile Ursprungslegende (im Sinne eines Gründungsmythos) mit einer fundierten Erinnerungspraxis und einem künstlichen Speichergedächtnis entscheidend. Es schließt mündliche wie schriftliche Erinnerungsformen ein, ist identitätskonkret, formal strukturiert, reflexiv und rituell organisiert. Das kommunikative Gedächtnis hingegen baut auf den autobiografischen, individuellen Erinnerungen auf und markiert ebenso die orale Tradition wie die Umschreibung ins künstliche Speichergedächtnis. Sprachkultur, Sinnzuschreibung und Ritualisierung sind folglich wesentliche Elemente beider Gedächtnisformen, sie sind wie Wort und Schrift nicht trennbar voneinander, sondern bedingen sich gegenseitig. Geschichte als Teil beider Gedächtnisformen markiert nicht nur die vergangene Zeit der Menschen einer Gesellschaft, sondern durchdringt auch ihre Gegenwart, wie Gilles Deleuze in seiner Einführung zu Henri Bergson festhält: »Das Gegenwärtige ist nicht, es ist vielmehr reines Werden, das immer außer sich ist. Es ist nicht, sondern agiert […] [D]as Vergangene […] fließt ununterscheidbar mit dem Sein in sich zusammen« (2001 [1966]: 74, Hervorhebungen im Original). Dieser Gedanke zur Metaphysik der Gegenwart wird ebenfalls von Jacques Derrida aufgenommen, der davon ausgeht, dass das Gegenwärtige zwar immer auch vom Vergangenen markiert ist, doch gleichzeitig auch die Optionen einer gemeinsamen Zukunft markiert (vgl. Zehfuss 2007: 102).23 So ist immer

Heterotops erfasst die Funktion des Pearl-Harbor-Memorials und ›Ground Zero‹ terminologisch am besten und findet daher hier Verwendung. 23 Derridas Zeitauffassung ist ein Weiterdenken des Bergsonschen Axioms eines virtuellen Gedächtnisses, für das die Erfahrung einer ›reinen Gegenwart‹ niemals losgelöst vom Vergangenen möglich ist (vgl. Deleuze 2001 [1966]: 78). Zehfuss fasst Derridas Auffassung eines Gedächtnisses wie folgt zusammen:

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dann, wenn die Rede von der Gegenwart eines kollektiven Gedächtnisses ist, Vergangenes und Zukünftiges implizit. Wenn nun aber, wie Foucault sowie Jan und Aleida Assmann nachdrücklich betonen, die Zeit des Menschen in einer Nation die Geschichte ist, so ist Geschichte als Erinnerungsdiskurs stets verbunden mit der Bewahrung von Nationalkultur sowie nationaler Traditionen. Sie markiert als solche nicht nur die Zeit des einzelnen Menschen, sondern umso mehr die der gesamten Nation. Geschichte als Geschichtsschreibung (sowohl als mündlicher Akt wie auch als literarischer Diskurs) ist die Grundlage für das Entstehen eines kommunikativen wie kulturellen Gedächtnisses. Das Drängen der Geschichte in beide Gedächtnisformen repräsentiert die ›Erinnerungsspuren‹ einer Nation.24 Diese treten in den Datenträgern der Erzählungen, Umschreibungen und Wiederherstellungen identitätsstiftender Ereignisse zu Tage. Dieses Drängen der Geschichte entspricht ihrer Verschriftlichung innerhalb des kommunikativen Gedächtnisses als Historiographie. Ein fortwährender Perspektivenwechsel der Stimmen der Geschichte ist in dieser Geschichtsform nicht auszuschließen, im Gegenteil, er bedingt sie sogar, wie Dominick LaCapra im Sinne von Hayden Whites Theorem der ›Metahistory‹ betont: »History in the sense of historiography cannot escape transit unless it negates itself by denying its own historicity and becomes identified with transcendence or

»First, […] Derrida refers to a past ›that has never been present‹, in defiance of the idea that memory recalls a past that has previously been present. Second, he reads memory not merely within the intertwining of past and present, in as much as these exist at all, but also as related to what he calls the future« (2007: 104). 24 Freud verfolgt in seinem Werk wiederholt den Ansatz der ›archaischen Erbschaft‹ und führt den Begriff der ›Erinnerungsspur‹ ein, um die Möglichkeit der Vererbbarkeit von Erlebnissen zu versinnbildlichen. So umfasst »die archaische Erbschaft des Menschen nicht nur Dispositionen, sondern auch Inhalte […], Erinnerungsspuren an das Erleben früherer Generationen. […] Wenn wir den Fortbestand solcher Erinnerungsspuren in der archaischen Erbschaft annehmen, haben wir die Kluft zwischen Individual- und Massenpsychologie überbrückt, können die Völker behandeln wie die einzelnen Neurotiker« (Freud 2000 [1939]: 546–7).

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fixation. This transitional condition affects the very meaning of historical understanding; it requires a continual rethinking of what counts as history in the dual sense of historical processes and historiographical attempts to account for them.« (LaCapra 2004: 1–2)

Somit unterliegt Geschichte sowohl außerhalb als auch innerhalb des wissenschaftlichen Diskurses einem permanenten Wandel. Dieser Blickwinkel entstammt der Perspektive des New Historicism, in dem sich die Geschichtswissenschaft insbesondere in den 1990er Jahren vermehrt mit individuellen Erfahrungen und Augenzeugenberichten im Sinne einer oral history auseinandersetzt, um Brüche und Traditionen im kollektiven Gedächtnis neu bewerten zu können. In der Historiographie entwickelt sich die diffuse, alltägliche Teilhabe am kommunikativen Gedächtnis zum konkreten und differenzierten Platzhalter im kulturellen Gedächtnis. Denn für dieses Umschreiben sind konkrete ›Wissensbevollmächtigte‹ (z.B.: Historiker, Lehrer etc.) nötig, die hierzu mit einschlägigen Kommunikationsweisen vertraut sind (vgl. J. Assmann 1992: 54). Das Bild des ›Wissensbevollmächtigten‹ ruft in Anlehnung an Foucaults Diskursbegriff die Funktion eines Diskursträgers auf: Ihm unterliegt es die Inhalte und das Vergessene des kulturellen Gedächtnisses festzulegen. Anders gesagt: Als Produzent von Wissen geht es dem ›Wissensbevollmächtigten‹ nicht darum, Dinge darzustellen, wie sie sind, sondern deren Wahrnehmung zu steuern. Die durch offizielle Institutionen (wie etwa das Schulamt oder das Bildungsministerium) sanktionierten historischen Inhalte unterstehen demzufolge einer kontrollierten Verbreitung und ergänzen die ›offizielle Überlieferung‹ von nationaler Geschichte, die sich im kommunikativen Gedächtnis in festen Formen (Monumente, Bücher, Dokumentationen) vor eine nationale Ursprungslegende schiebt. Die sinnstiftende, öffentliche Wahrnehmung von Geschichte ist damit stets auch Spiegel des kommunikativen Gedächtnisses. Zuletzt berichtete Michael A. Genovese (vgl. 2008) darüber, dass die internationale Geschichte der USA erst ab 1941 wahrgenommen und diskutiert wird. Internationale Beziehungen vor dem Angriff auf Pearl Harbor scheinen in Vergessenheit geraten oder für den heutigen USA-Diskurs nicht mehr von Relevanz zu sein. ›Pearl Harbor‹ ist damit maßgeblicher Teil eines nationalen Erinnerungsprozesses für die gegenwärtige amerikanische Nation.

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Geoffrey M. White (1997: 66) sieht diese Vorgänge als Resultat aus dem Zusammenwirken von Kultur, Wahrnehmung, Sprache und soziokultureller Anthropologie. Geschichte und Mythologie begründen daher ihre Form als mythic history: »Both history and myth are narrative genres that work to locate the self in relation to a culturally constructed social environment […] narrative is designed as much for purposes of sharing and communication of memory as for individual storage and retrieval.« White konkretisiert damit das Zusammenspiel von Funktions- und Speichergedächtnis für die amerikanische Nation. Während ›Pearl Harbor‹ im kommunikativen Gedächtnis vorherige Geschichte ›verdrängt‹, basiert sie mit der ›regeneration through violence‹ (Slotkin) und dem ›American Exceptionalism‹ auf dem Ethos der mythologischen Erzählung der Ursprungslegende aus dem kulturellen Gedächtnis. So gesehen beginnt die amerikanische Erzählung internationaler Beziehungen für das gemeinsame kulturelle Gedächtnis erst nach 1941. Das Mythenbild vom souveränen und auserwählten, aber isolierten Staat wandelt sich zu dem einer Supermacht. ›Pearl Harbor‹ tritt als neuer Platzhalter für konkrete sinnstiftende und identitätsbestätigende Ereignisse nationaler Geschichte nach 1941 in Erscheinung. Darin geht Fluderniks Diktum der Geschichte als Erzählung für die Pearl-Harbor-Erinnerung auf (vgl. S. 29). Geschichte wird Mythos, Erfahrung Erinnerung (vgl. J. Assmann 1992: 76). Über ›Wissensbevollmächtigte‹ entsteht auch das ›kulturelle Gedächtnis‹ als etwas sozial Gemachtes. Jan Assmann (1992) hebt diesen Aspekt wie folgt hervor: »Das kulturelle Gedächtnis, im Unterschied zum kommunikativen, ist eine Sache institutionalisierter Mnemotechnik. Das kulturelle Gedächtnis richtet sich auf Fixpunkte in der Vergangenheit. [...] Vergangenheit gerinnt hier [...] zu symbolischen Figuren, an die sich Erinnerung heftet. [...] Für das kulturelle Gedächtnis zählt nicht faktische, sondern nur erinnerte Geschichte.« (J. Assmann 1992: 52)

Daran lässt sich etwa Whites Blick auf ›Pearl Harbor‹ als ein Beispiel seiner postulierten mythic history anknüpfen: White weist darauf hin, dass der öffentliche historische Diskurs ›Pearl Harbor‹ wiederholt als Ereignis anstatt als geographischen Standort behandelt (vgl. 1997: 66). Räumliche und zeitliche Koordinaten ›gerinnen‹ in der Ortsbezeichnung ›Pearl Harbor‹

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zu einem symbolischen Bezugsrahmen. Allerdings ist für die mythische Erzählung noch der Werdungsprozess zu beobachten. Denn noch immer basieren die Erzählungen über ›Pearl Harbor‹ auf den selektiven autobiografischen Aussagen lebender Zeitzeugen. Zugleich werden aber auch aus dem Speichergedächtnis funktionalisierte Inhalte, die in Bildern wie der brennenden USS Arizona und Archivmaterial für Dokumentationen oder ›authentische‹ Erinnerungsspuren in Kriegsfilmen wiederkehren, konserviert. Diskursträger sind somit einerseits die überlebenden Augenzeugen, aber auch Medien, Geschichtswissenschaften und etwa der Staatsapparat. Ihnen unterliegt u.a. die begründende Einrichtung nationaler Gedenktage, die Konstruktion historisch-rhetorischer Argumente für den Erhalt einer Nation sowie die Zirkulation politisch-ideologisch geprägter Erinnerungen. In der weiterführend sinnstiftenden Zuschreibung von ›Pearl Harbor‹ als Bezugsgröße für ›9/11‹ wird deutlich, dass eine ›offizielle Version‹ der Pearl-Harbor-Erinnerung anzunehmen ist, die bereits einem Umschreibeprozess als Mythos unterliegt und in das kulturelle Gedächtnis drängt. Die Sinnstiftung schlägt bei beiden Ereignissen umso stärker zu Buche, als sie als nationale Traumata in die kollektive Geschichte eingeschrieben sind und werden. Aufgrund der Verwerfung, Aktualisierung und Umschreibung dieser sozial gemachten Erinnerungsspuren ist der Ort des kulturellen Gedächtnisses selbst diffus und arbiträr. Eine Analyse der Traumata in Abhängigkeit ihrer Einschreibung in ein kulturelles Gedächtnis lässt daher nur einen Blick auf funktionalisierte, wiederholte Erinnerungen zu. Diese Arbeit sucht daher nicht nach den Gedächtnisorten, sondern nach den mit ›Pearl Harbor‹ und ›9/11‹ verbundenen kulturellen Erinnerungen, die die Auswahl kollektiver Traumata, die Aktualisierung des kollektiven Gedächtnisses und damit der nationalen Identität bedingen. Im Hinblick auf die in 2.2 vorgestellte Biomacht und ihrer formgebenden Kraft für ein kollektives Gedächtnis, lassen sich Prämissen der Psychoanalyse und Geschichtswissenschaft zusammenführen. Will der Kulturwissenschaftler einen Traumazustand im kollektiven Gedächtnis analysieren, muss er auch die Mythen und die literarische Sensibilität dieses Bewusstseins studieren. Denn die Metaphern, die mythische Erzählungen im literarischen Diskurs einer Nation transportieren, spiegeln dessen Symptome wider. Laut Lacan (vgl.1996) gleicht das Symptom dem Tenor einer Metapher: Das sinthome steht als vermittelnde Instanz, eine Art Signifikant zweiten Grades, zwischen den Bereichen des Realen, des

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Imaginären und des Symbolischen. Aufbauend auf dieser Annahme definiert Belau ein Symptom als: »[A]n expression of the unconscious repressed […] the patient does not have conscious access to it« (2002: 154). Liegt ein Trauma vor, werden die Erinnerungen daran unterdrückt. Da diese Verdrängung, wie Freud bereits in Jenseits des Lustprinzips (2000 [1920]) anführt, dem Symptom vorgelagert ist, wird das Trauma mit jeder Erzählung darüber erneut durchgearbeitet. Zwar können Berichte darüber inhaltlich variieren, in ihren Metaphern jedoch bleiben sie konstant – dies ist die Logik des Wiederholungszwanges und des Traumas. Jedes Trauma ist jedoch nur eine weitere ›Erinnerungsspur‹ des kollektiven Gedächtnisses. Wenn jede Erfahrung – auch die Traumaerfahrung – Erinnerung wird, so ist diese im kollektiven Gedächtnis, wie Jan und Aleida Assmann wiederholt betonen, immer auch durch eine Ursprungslegende beeinflusst. Für die amerikanische Nation ist dafür Jackson Turners Idee einer »unified nation and its national subject« als Grundlage für den auf ihn zurückgehenden frontier-Mythos maßgebend (vgl. Slotkin 1998 [1992]). Wiederholt weisen die Kulturwissenschaften auf das Fortwirken der frontier in der Nationalkultur hin (vgl. M. Johnson 2002, Slotkin 1998 [1992], Troen 2000). Wenn dieser Mythos im kollektiven Bewusstsein nach dem 7. Dezember 1941 überdauert, dann können die Symptome des Pearl-Harbor-Traumas nachhaltig die nationale Geschichtswahrnehmung durch zwanghafte Wiederholung beeinflussen. Die Symptome als Grundlage einer Neurose im kollektiven Gedächtnis einer Nation sind demnach im Sinne einer mythic history im nationalen literarischen Diskurs wiederzufinden. Wie beim Analysanden das Trauma im Traum wiederkehrt, als eine Bindung an eine innerliche Vorstellung des Unerträglichen – dem traumaauslösenden Moment, kehrt im nationalen Erzähldiskurs das Trauma in den Metaphern, den Symptomen des kollektiven Bewusstseins, wieder. Unter dem Aspekt der Pearl-HarborErinnerung als neurotische Erinnerung sind die hier behandelten Traumata folglich auch über den auslösenden Moment hinaus untersuchbar, denn die Erinnerung weist nicht nur auf materielle Auslöser der Traumata hin, sondern erlaubt auch eine durch Symptome erfassbare Ursachenforschung.

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2.4 S YMPTOME

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P EARL -H ARBOR -N EUROSE

Kapitel 2.2 und 2.3 haben einerseits die Möglichkeiten der Vertreter einer Nation vorgestellt, mittels Biomacht und Diskursen Wissen über nationale Identität zu generieren und zu streuen, und andererseits die Sicherung der Nation als Institution durch die kollektiven Gedächtnisprozesse in der Verarbeitung dieser Informationen nachgezeichnet. Das verbindende Glied der beiden Stützen nationaler Identität ist die gemeinsame Sprachkultur. Sprechakte wirken als soziale Gesten und ermöglichen als solche überhaupt erst die nationale Gemeinschaft. Wenn die Nation sich nur über eine gemeinsame Sprache konstituiert, über die tradierte Sprachkultur nationalen Symbolen eine Bedeutung zuschreibt und somit den Diskurs um diese etabliert, indem sie die Grenzen des Sagbaren errichten und aufrecht erhalten, so muss es auch etwas fern des Sprachlichen geben, das das kulturelle Unbewusste zum Ausdruck bringt. Genauer, es muss eben im nicht-gesprochenen, in einem bildhaften, ästhetischen Ausdruck das zu finden sein, was resultierend aus einem nationalen Trauma verdrängt und damit aus dem Muster alltäglicher Kommunikation gebannt ist. Gemäß Freuds Beobachtungen zur Verdrängung, muss es für diesen ästhetischen Ausdruck eine zwangsneurotische Form der Wiederholung geben, in der das Unbewusste sich ins Bewusstsein drängt und ein Durcharbeiten latent ermöglicht (vgl. Freud 1933: 316–34 und 2000 [1920]: 213–73). Während ›Pearl Harbor‹ und ›9/11‹ Risse im narrativen Geflecht der amerikanischen Nation verursachen, liegt die Sicherung des übrigen Gewebes über den Rückgriff auf Ursprungslegenden und national etablierte Symbole nahe. Der mit dem Kriegsstatut und der Isolationspolitik untermauerte ›Sicherheitsstaat‹ soll eben nicht nur das Land vor Feinden schützen, sondern auch die nationale Identität bewahren. Nun ist die Konstruktion einer nationalen Identität kein statischer Vorgang, sondern unterliegt einem ständigen Wandlungsprozess. Wenn nun die USA als ›imagined community‹ nach dem Zweiten Weltkrieg in der Rolle einer Supermacht die internationale Bühne betreten und diese einsetzt, um im Kalten Krieg den Blockstaaten die Stirn zu bieten, sind sie auch bestrebt, diese nationale Identität in neue Kontexte einzubinden (vgl. Campbell 1992: 9). Jedoch birgt die nationale Identität zugleich eine kulturelle

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›Deckerinnerung‹25, die das Trauma ›Pearl Harbor‹ positiv zu wenden vermag, das heisst als Auslöser für den international machtvollen Status und die nationale Einheit. Im selben Zug werden persönliche Verluste, die Internierung eigener Landsleute und der so genannte ›atomare Holocaust‹ in Japan verdrängt. Mit dem Ende des Kalten Krieges verschwindet auch die lang beschworene Macht der kommunistischen Blockstaaten, und die USA aktualisierte ihre Risikorhetorik. Anlass sind einerseits die Erinnerung an die Wurzeln der Supermacht USA mit dem 50. Jahrestag von ›Pearl Harbor‹ und der wahrgenommenen Gefahr des japanischen Kapitalismus sowie das seit den Ölkrisen der 1970er latent gepflegte Gefahrenbewusstsein gegenüber dem ›islamistischen Fundamentalismus‹ und dem Militarismus. Diskurse nationaler Identitätsbildung erscheinen gekoppelt an eine Risiko- oder Gefahrenrhetorik. Die amerikanische Außenpolitik rechtfertigt kriegerisches Vorgehen im Ausland und den Einsatz individuellen Lebens für das Gut der Nation, sie ist ein narratives Instrument der Biomacht. Unter Bezugnahme auf Foucault erkennt David Campbell in den außenpolitischen Diskursen der USA die gleichzeitig ablaufende Wissensproduktion um Feind und nationale Identität: »the boundaries of a state’s identity are secured by the representation of danger integral to foreign policy« (1992: 3). Um sicherzustellen, dass der Staat seine Grenzen und seine Bevölkerung in der evozierten Risikosituation zu schützen vermag, ist die Konstruktion eines Feindlich-Fremden zur Wahrung nationaler Identität nötig: »The ability to represent things as alien, subversive, dirty, or sick has been pivotal to the articulation of danger in the American experience« (ibid.: 3). Diese Darstellung findet eben nicht nur in der amerikanischen Außenpolitik statt, sondern durchzieht die gesamte Nation. Wie schon Knut Hickethier (1995: 21) betont, ist sie auch im Hollywoodkino institutionalisiert: »Die Konstruktion des Fremden ist ein Grundmuster filmischen Erzählens.«

25 Freud nutzt den Begriff der ›Deckerinnerung‹ für ein frühkindliches Trauma (unter einem sexuellen Erfahrungsaspekt), das die erlebte Erfahrungen und sexuelle Phantasien ›abdeckt‹ (vgl. Freud 1900 [2000]: 209–10). Analog dazu lassen sich die für eine Nation und ihre Entstehung notwendigen Gewaltakte hinter einer geschönten Erinnerung verbergen, Sarasin befindet für diesen Akt die Denkfigur der Deckerinnerung (vgl. Sarasin 2003: 161) als passend.

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Das Hollywoodkino bindet heterostereotype Subjektvorstellungen in die Objekt- und Konsumkultur ein. Dort erreichen sie ein Massenpublikum. Schließlich müssen die Gefahr und ihre Interpretation unter Einbindung der Alltagsrealität die einzelnen Staatsbürger erreichen, um ihre Wirkung zu entfalten und Ängste zu schüren. Mit Gordon W. Allport betont Tim Jon Semmerling die in sozialen Gruppen auf psychischer Ebene vorgegebenen und kontrollierbaren Grenzen persönlicher Angst (vgl. 2006: 6):26 Besonders prägnant sind diese, wenn eine Gruppe hohen emotionalen, psychischen Belastungen wie der eines Traumas ausgesetzt ist. Die Gruppe erschafft sich erst im Zustand des Schocks ein durch Stereotype als konkret empfundenes Feindlich-Fremdes außerhalb der Gruppe, um ihre Identität zu bestätigen und das Trauma durcharbeiten zu können. Schlägt die Angst der Gruppe nach einem Trauma in einen chronischen Zustand um und entzieht sich der sozialen Kontrolle, wandeln sich externe Stimuli zur Bedrohung. Die so gruppenintern akzeptierte Phobie erlaubt die Übertragung der durch Angst empfundenen psychischen Belastung auf das Feindlich-Fremde. Semmerling schließt daraus: »Once the stereotype is effectively articulated, the anxiety is, for the short term, ameliorated. Stereotype is the response to anxiety, not the anxiety itself, and as such it is only a partial view of the illusion« (2006: 6). Um eine Großgruppe aus ihrem Traumazustand und einer Angststarre zu befreien, müssen diese Stereotype über die Aufschreibsysteme ihres kommunikativen Gedächtnisses weitererzählt werden. Stereotype stellen somit ein wichtiges Symptom in der Analyse von traumatischen Erinnerungen dar, das etwa in den Medien zu beobachten ist. Um die Nachhaltigkeit eines Traumas zu prüfen, hilft es, die Erneuerung der Stereotype nach der Traumaerfahrung zu überprüfen. Und zwar dann, wenn sie in einem gesellschaftlichen Kontext fern dem traumaauslösenden Ereignis wiederkehren, um eine neue Angsterfahrung sinnstiftend aufzulösen. Diese Form der Wiederholung der Pearl-Harbor-Erinnerung ist Thema in Kapitel 4.

26 Allport begründete hierzu die Skala zur Erfassung von Vorurteilen in einer Gesellschaft in einer Unterscheidung der Diskriminierung nach Stufen, um die Möglichkeiten einer vorurteilsbehafteten Person abzubilden. Die Allport-Skala umfasst die Stufen Verleumdung, Vermeidung, Diskriminierung, körperliche Gewaltanwendung und Vernichtung.

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Jede Projektion eines Feindlich-Fremden, eines Anderen, bedingt zugleich das Eigenbild einer reinen und moralisch integeren nationalen Identität. Ideen über das Feindlich-Fremde, das Andere, das Unheimliche schließen folglich immer Ideen über das Eigene, das Heimliche ein – ein Gedanke, den bereits Freud in seiner Studie über Das Unheimliche aufgreift: »[D]as Unheimliche sei jene Art des Schreckhaften, welche auf das Altbekannte, Längstvertraute zurückgeht« (Freud 2000 [1919]: 244). Nun ist die Abgrenzung des Eigenen von einem Fremden nicht nur Zweck der Sicherheitspolitik zur Wahrung der nationalen Identität, sie ist zugleich ein Machtgefüge, ein Diskurs über das Andere. Edward Said (1979 [1978]) hat Foucaults Diskursbegriff aufgegriffen und diesen Machtdiskurs in seiner bahnbrechenden Studie zum Orientalismus untersucht. Seinen Gegenstand definiert er wie folgt: »Orientalism as a Western style for dominating, restructuring, and having authority over the Orient. […] Orientalism as a discourse […] by which European culture was able to manage – and even produce – the Orient politically, sociologically, militarily, ideologically, scientifically, and imaginatively during the post-Enlightenment period. Moreover, so authoritative a position did Orientalism have that […] no one writing, thinking, or acting on the Orient could do so without taking account of the limitations on thought and action imposed by Orientalism.« (Said 1979 [1978]: 3)

Eine nationale wie eine westliche Identität lässt sich demnach per Orientalismusdiskurs über die Beschreibung des Anderen definieren anstatt über konkrete Darstellungen eigener Charakterzüge – Wissen über den Orient erlaubt damit immer Rückschlüsse auf das Eigene, ästhetische und stereotype Repräsentationen des Anderen schließen ungesagtes Wissen über das Eigene ein (vgl. ibid.: 40 und 127). Zwar ist Saids Gegenstand die europäische Tradition des Orientalismus, doch für die USA schließt Said diesen Wissensdiskurs insbesondere gegenüber Asien von Anbeginn an ein (vgl. ibid.: 2–3). Verbunden mit den Erkenntnissen aus 2.2. und 2.3, ist der Orientalismus als Denktradition im kulturellen Gedächtnis westlicher Kulturen manifest und spiegelt sich in seinen einzelnen Institutionen (Staat, Nation) auf alltäglicher Ebene in den durch die Biomacht beeinflussten, individuellen Denkhaltungen. Er ist damit ein Bestandteil zur Sicherung individueller in nationaler Identität und somit diskursive Strategie bei der Schaffung eines Feindlich-Fremden.

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Die Wiederholung von Stereotypen des Anderen ist notwendig, um den Orient als imaginären Ort des Feindlich-Fremden als Spiegel von ›bizarre jouissance‹ bzw. eines ›living tableau of queerness‹ (Said [1978] 1979: 103) zu sichern. Daher ist ein weiteres zu untersuchendes Symptom als Folge national-traumatischer Erinnerungen die Generalisierung von feindlich-fremden Stereotypen unterschiedlicher Herkunft. Für die USA, so Grewal, war der ›Orientale‹ »[…] by the middle of the twentieth century […] either the East Asian or the Southeast Asian, those who became part of the U.S. imperial ventures in the Pacific around the Cold War« (2003: 546). Wenn nun die diesen ›Orientalen‹ gegenüber produzierten Stereotype als Metapher des Anderen zu lesen sind, lassen sie sich ebenso in gegenwärtige Kontexte zur Wahrnehmung des ›Terroristen‹ einbetten. Im kulturellen Unbewussten des Westens ist diese Wahrnehmung mit arabischen Kulturen und dem Islam verbunden. Nach ›9/11‹ geschieht die Generalisierung meist in Abhängigkeit mit der Religion des Anderen: »The source of fear is located on Islamism as a whole […] Bush explicitly noted that the USA is not at war with Islam but with a ›fringe movement‹ that perverts the peaceful teachings of Islam« (Nayak 2006: 52). Das mit den Ölkrisen der 1970er Jahre geprägte traditionelle Verständnis arabischer und islamischer Kulturen kommt in dieser Wahrnehmung wieder zu Tage: »Under Western eyes [Islamic culture] was constituted as a conservative culture, a culture of dogmatism and fanaticism. […] Islam […] was a static culture, an eternally medieval and feudal culture: it was the culture of impossible modernisation.« (Morley and Robins 1995: 137)

Die Wahrnehmung von Fortschritt und Geschichtsschreibung finden damit allein im Westen statt. Mehr noch erzeugt im westlichen Bild des Islam die Idee des ›jihad‹ nicht nur eine Projektionsfläche für nationale Angst, sondern auch ein Sinnbild des Todestriebes des Anderen. Wie Douglas Kellner betont, ist: »[…] bin Laden’s militarization of jihad […] a distortion of Islam that is contested by mainstream Islam« (2006: 163). Zugleich markiert er aber das Fremdbild des ›fundamentalistischen Islamisten‹. Der sich im Terrorakt opfernde islamistische Fundamentalist samt seiner Paradieserwartung wird zur tödlichen Mischung. Im kommunikativen Gedächtnis der USA ist diese Form lethaler Selbstaufgabe Teil einer Traumakonstante. Bereits die Kamikaze-Piloten der japanischen

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Streitkräfte im Zweiten Weltkrieg lösen gleichzeitig Faszination und Angst aus. Statt der nunmehr bekannten Gründe der Narkotisierung und strengen Indoktrinierung wird das Verhalten der Kamikaze-Kämpfer im öffentlichen Diskurs zurückgeführt auf Patriotismus und die Religion. Shintoismus und Buddhismus haben, so Worschech (2006: 194) in seiner Analyse des Japanbildes im kolonialen Diskurs Großbritanniens, eine düstere Ausrichtung: »Doch nicht nur die shintoistische Anbetung der Ahnen macht Japan zu einem Imperium des Todes, sondern auch die zweite verbreitete Glaubenslehre [Buddhismus] […] Angeblich ist die einzige Zielrichtung stets das Entkommen aus dem Irdischen ins Nirwana.« Die Generalisierung des Anderen als Sinnbild des Todestriebs in Form seiner willkürlichen Selbstzerstörung und der damit verbundenen Wertlöschung fremden Lebens muss als weiteres Symptom der Pearl-Harbor-Erinnerung im Kontext von ›9/11‹ gelesen werden. Kapitel 3 und 4 haben diese zum Thema. Aber nicht nur das Feindlich-Fremde, sondern das bedrohte Innere ist in seiner Repräsentation symptomatisch zu betrachten. So muss es wiederholt Darstellungen geben, die die Ursache des Traumas als einen natürlichen Schock vermitteln, indem sie die Erfahrungsorte des Traumas zu natürlich gegebenen, das heißt national bedeutsamen Heterotopien wandeln. An dieser Stelle ist es nötig. Ickstadts Hinweis zur ›multikulturellen Gesellschaft‹ (vgl. 2007: 258) in Erinnerung zu rufen. Er weist darauf hin, dass die individuelle Identifikation mit der proklamierten nationalen Identität in einer multikulturellen Gemeinschaft alles andere als reibungslos erfolgt. Denn ist sie, wie Grewal sie definiert, ein Konglomerat von »racialised and gendered subjects who see themselves as ›American‹ at some points and as different kinds of Americans at other times and places« (vgl. 2003: 538), ist ein heterogenes Verhältnis zum Staat als nationale Institution vorgezeichnet. Ausdruck dieses Verhältnisses ist eben die mit einem Bindestrich versehene nationale Identität z.B. als Japanese-American, MuslimAmerican etc. Im Rahmen einer Sicherheitspolitik aber, ist es Anliegen des Staates, diesen Bindestrich aufzulösen, um alle Staatsbürger in die binäre Risikorhetorik von Gut und Böse einzubinden. Oder, wie Grewal (2003: 540) schreibt, als »American, being American« entgegen dem Terroristen. Der von Ickstadt postulierte und daraus resultierende »Konsensdruck nach Innen – das patriotische Bekenntnis zu Amerika« (2007: 259) – findet selbst an jenen Orten im Inneren statt, die aufgrund der multikulturellen

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Gesellschaft vermeintlich frei von den Zwängen einer nationalen Zugehörigkeit sind: zum Beispiel stehen nach dem 11. September Schilder mit der Aufschrift »God Bless America« vor Sikh-Tempeln (vgl. Grewal 2003: 77). Das Bekenntnis zur Zugehörigkeit der Nation findet hier über das Bekenntnis zur Glaubensgemeinde statt und wandelt den SikhAmerican zum American. Dieses Bekenntnis schlägt sich ebenfalls nieder in der Vielzahl an Flaggen, die Vertreter jeglichen ethnischen Hintergrundes hissen: »People wore their patriotism and defiance openly. A new cohesiveness, a oneness, was going to remold the character of American citizenry« (Kleinfield 2009: A1). Nach ›Pearl Harbor‹ allerdings schützte das Flaggenhissen etwa 110.000 Japanese-Americans nicht vor der Internierung. Weil das Feindlich-Fremde auch nach ›Pearl Harbor‹ an ethnische Merkmale geknüpft war, fürchteten Chinese-Americans, in Mitleidenschaft gezogen zu werden. Das TIME-Magazine (1941) weist zu jener Zeit sogar explizit auf Erkennungsmerkmale zur Trennung zwischen Freund und Feind hin und stellt in einem redaktionellen Feature unter der Überschrift »How to Tell Your Friends from the Japs« den Phänotyp des Japaners dem des Chinesen gegenüber [vgl. Abb. 13]. Abbildung 13: »How to Tell Your Friends from the Japs«, veröffentlicht in TIME am 22. Dezember 194127

Quelle: © 2009 TIME.

27 Diesselben Darstellungen veröffentlichten LIFE am 22. Dezember 1941 und Science Digest im Februar 1942.

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Weiterhin wehren sich etwa Chinese-Americans gegen Übergriffe indem sie Schilder tragen, die ihre ethnischen Ursprünge sowie das patriotische Bekenntnis zu den USA ausweisen. Die internierten Japanese-Americans können zu diesem Zeitpunkt nur über die Hinwendung zum Militarismus und die Teilnahme am Krieg ihr Bekenntnis zur Nation äußern. Das aus Japanese-Americans zusammengesetzte 442nd Regimental Combat Team ist das bekannteste Resultat dieser Zwangsrekrutierung (vgl. Renov 1994: 111). Linenthal schreibt von der Haltbarkeit dieses Bekenntnisses und erwähnt, wie zu einem Symposium anlässlich des 50. Jahrestages von ›Pearl Harbor‹ amerikanische und japanische Kriegsveteranen aufeinandertreffen, um gemeinsam ›God Bless America‹ zu singen (vgl. 1991: 21). Das Bekennen zum Patriotismus führt zur Akzeptanz und Wiederaufnahme in die nationale Gemeinde, würde es fehlen, wäre die Traumaerinnerung geschürt. Somit muss es in den ästhetischen Repräsentationen wiederholt Betonungen der multikulturellen Gesellschaft geben, die sich geschlossen auf nationalem Boden für ein nationales Gut einsetzt. Beides – der Ort des Nationalen und das individuelle Bekenntnis zur Nation – muss in diesem Zusammenhang wiederholt erzählt werden – dieses Symptom ist ebenfalls Bestandteil der Kapitel 3 und 4. Die Stereotypisierung, Verallgemeinerung und die positiv-gewendete Nationalisierung der multikulturellen Gesellschaft sowie die Ontologisierung nationaler Mnemotope treten als Symptome der Pearl-Harbor-Erinnerung hervor.28 In Form neurotischer Wiederholung gilt der narrative Rahmen der Pearl-Harbor-Erinnerung der sinnstiftenden Schließung der erfahrenen ›Leere‹ nach ›9/11‹. Die Zirkulation dieser Erinnerung erfolgt dort, wo sie die multikulturelle Gesellschaft direkt erreicht: auf den Kanälen der Populärkultur. Der Kulturwissenschaftler Lawrence Grossberg erkennt in Texten mit einem Massenpublikum die Wirksamkeit hegemonialer Interessen und betont die Notwendigkeit ihrer Analyse: »Hegemonic leadership, through which the ruling bloc attempts to rearticulate the structure of the social formation, has to operate where the masses live their lifes. It has to take account of and even allow itself to be modified by its engagement with

28 In Ableitung von Sedlacek (vgl. 1978) meint Ontologisierung die Auffassung, den Raum als natürliche, real existente Gegebenheit anzusehen. In diesem Kontext als natürlicher Boden von sakralem Wert für die Nation.

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the fragmentary and contradictory terrain of common sense, of popular culture and of the ›national popular‹.« (Grossberg 1997: 209)

Das Hollywoodkino kann demnach als ein Forum sowohl von hegemonialen als auch widerständigen Interessen verstanden werden. Unter diesem Blickwinkel vermögen es Filme aber auch, mit nationalen Mythen zu spielen und zur Heilung der Wunden einer Nation beizutragen. Baudrillard schreibt: »even outside the movie theatres the whole country is cinematic« (1988 [1986]: 54). Die Filmanalyse im Rückschluss auf die Untersuchung der Pearl-Harbor-Erinnerung ist daher besonders ernst zu nehmen. Denn das Kino ist zugleich Schnittpunkt des Sozialen (Publikum) und Fiktiven (Film), aber auch der subtilen Indoktrinierung (nationale Symbolik) und sinnstiftenden Triebkanalisierung (virtuelle Objektfixierung). Über die Leinwand kann sich die Schließung von lebensweltlichen Wunden ebenso vollziehen, wie die Bestätigung nationaler Identität. Ist das Kino daher Forum für die gesellschaftliche Traumatherapie? Bestätigen sich darin ›Pearl Harbor‹ und ›9/11‹ als sozial gemachte Traumata? Wie bestärken sie den Charakter der Nation, anstatt ihn zu schwächen? Sind Trauerarbeit und Erinnerungsarbeit reduziert auf Vergessen und Verdrängen negativer Elemente und damit unvollständig? Gibt es in der Populärkultur einen Ausdruck für die Pearl-Harbor-Erinnerung? Wie materialisiert sich dieser? Die folgenden Kapitel nehmen die hier vorgestellten Symptome auf und untersuchen ihre Wiederholung anhand von ausgesuchten Filmen. Ihr Ziel ist es zu zeigen, dass die Supermacht USA seit 1941 von der Pearl-HarborErinnerung wie von einer Lawine mitgerissen wurde und ihre narrativen Muster nun als Endmoräne bis in unsere Gegenwart reichen.

3 Geschichte erzählt, wiedererzählt, umgeschrieben: Funktionen der Pearl-Harbor-Erinnerung im Kriegsfilm

Fondness for a country is all very lovely, it even is a morale factor at the beginning of a war. But fighting emotions are very undependable, and the longer a war lasts the less value they have. NORMAN MAILER/THE NAKED AND THE DEAD (1948)

Kriege zwischen Nationen fordern Menschenleben ein. Die beteiligten Kriegsparteien haben diese Opfer vor ihrer Bevölkerung zu rechtfertigen. Die Teilnahme an einem bewaffneten Konflikt ist in einen für die Nation sinnvollen Rahmen zu fassen, um fortwährende Unterstützung innerhalb der eigenen Reihen zu sichern. Per Kriegspropaganda, offen oder in versteckter Form, verbreitet über die Kanäle populärkultureller Medien, können die exekutiven Staatsorgane für ihr Kriegsvorhaben werben.1 Die

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Kriegspropaganda ist durchaus als ein präsentes Phänomen zu verstehen. Nach ›9/11‹ richtet die Regierung Bush eine Abteilung zur Sicherung des gesellschaftlichen Rückhaltes im Irakkrieg ein: Das »Office of Global Communications« wirbt seit Januar 2003 für US-militärische Operationen im Irak (vgl. Rötzer 2003). Allein bis Mitte 2005 zahlte die US-Regierung »rund

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Propaganda für bewaffnete Konfliktlösungen hat ihren festen Platz in der amerikanischen Populärkultur, insbesondere in der Filmindustrie. Beispielhaft ist der Kriegsfilm im Hollywoodkino des Zweiten Weltkriegs. Jeanine Basinger (vgl. 2003: 22) sieht den Ursprung eines World War II Combat Films im 7. Dezember 1941. Nach dem Zweiten Weltkrieg bleibt der Kriegsfilm als Genre erhalten. Carl Boggs und Tom Pollard (2007: 6) verstehen die US-Filmindustrie seither als Garant für eine »permanent war economy, later bringing with it a security state of epic proportions.« Kann die Filmindustrie auch Einfluss auf den Affektcharakter der Pearl-HarborErinnerung nehmen? Welche Funktion erfüllt der Kriegsfilm, wenn er die Erinnerungsvermeidung an ein kulturelles Trauma umgeht und stattdessen seinen konkreten Ursprung aufsucht? Gelingt dem Film die Darstellung des Undarstellbaren? Wie kann er dabei das Gefühl eines nationalen Körpers evozieren, und wo ist hierbei die Schaltstelle zwischen staatlicher Disziplinierung und nationaler Gefühlslenkung auszumachen? Kapitel 3.1 geht diesen Fragen in den Filmen December 7th (John Ford und Gregg Toland 1943), Tora! Tora! Tora! (Richard Fleischer, Kinji Fukasaku, Toshio Masuda 1970) und Pearl Harbor (Michael Bay 2001) auf den Grund. Kapitel 3.2 widmet sich ihnen im Hinblick auf die Anschläge vom ›11. September‹. Konkrete Filmrepräsentationen des Traumas entstehen erst fünf Jahre nach dem Ereignis. Wie hängen diese mit den Folgen der Angriffe, dem sogenannten ›Globalen Krieg gegen den Terror‹ zusammen? Welche Modi des Pearl-Harbor-Filmes treffen auch für die ›9/11‹-Erinnerung auf der Leinwand zu, wo sind Veränderungen zu erkennen? Kapitel 3.2 untersucht hierzu Schlüsselszenen der Filme United 93 (Paul Greengrass 2006), The Kingdom (Peter Berg 2007) und Body of Lies (Ridley Scott 2008). Abschließend werden Kontinuitäten, Brüche und Funktionen der filmischen Erinnerungen diskutiert.

1,62 Milliarden Dollar an 343 amerikanische Werbeagenturen, PR-Firmen, Medienorganisationen sowie an acht Journalisten […], um ihre Politik zu promoten« (»Geld für gute Stimmung« 2006).

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3.1 ›P EARL H ARBOR ‹ IM W ORLD W AR II C OMBAT F ILM Das in diesem Kapitel vorliegende Korpus an Pearl-Harbor-Filmen prägt die massenmediale Repräsentation zum Kriegseinstieg der USA in den Zweiten Weltkrieg. Im Zentrum aller Filme steht der Angriff auf die Marinestation. Im Hinblick auf ihre Produktionszeit fallen zunächst drei unterschiedliche Zuschauerdispositionen auf. December 7th entsteht mitten im Zweiten Weltkrieg, als nach der Schlacht um Midway im Juni 1942 erste Erfolge bekannt geworden sind. Ein Ende des Krieges ist gewiss. Tora! erreicht die Kinos während der Endphase des Vietnamkrieges, jener Zeit, in der Präsident Nixon die Wehrpflicht bis 1973 verlängert hat, aber zugleich amerikanische Truppen auf dem Rückzug aus den Grenzregionen Südvietnams sind – ein Ende des Krieges scheint in Sicht. Einzig Pearl Harbor ensteht anlässlich eines Jahresjubiläums. Dieser Film und Tora! werden zudem im Bewusstsein um den Ausgang des Zweiten Weltkrieges produziert. Die Frequenz, in der die jeweilige filmische Erinnerung an ›Pearl Harbor‹ erfolgt, verrät das wesentlichste Strukturprinzip der Erinnerung: das Vergessen und Wiederholen. Allerdings beeinflusst die Gegenwart der Wiederholung die Wahrnehmung der Geschichte. Welche Funktion erfüllt dabei die filmische Erinnerung? Diese Frage drängt sich auf, da bereits die erste filmische Erinnerung an ›Pearl Harbor‹ eine staatliche Auftragsproduktion ist, ausgesprochen vom U.S. War Department und U.S. Navy Department.2 In December 7th ist dies dokumentiert in dem anfangs eingeblendeten Briefwechsel zwischen Kriegsminister Stimson und Regisseur John Ford. Der darin erwähnte Hinweis, dass die Bilder des Filmes »preparations for future actions« unterstützen sollen, verrät seine Funktion: »December 7th was meant to do something […] and not simply to inform or to report« (White und Yi 2001: 301–2, Hervorhebungen im Original). Der Film gilt heute nicht nur als

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Staatliche Filmaufträge sind im Zweiten Weltkrieg keine Seltenheit. Nicht nur dienen zahlreiche Regisseure als Freiwillige (vgl. Basinger 2003: 112), auch »[m]any established actors […] took part in the bond drives [and] decided to place their careers on hold to enlist« (McAdams 2002: 35–6). Der Zweite Weltkrieg gilt als erster filmischer Krieg. Die Sinnstiftung der Bilder erfolgt im Dokumentarfilm, der im Krieg auch ›Kulturfilm‹ heißt (vgl. Shimizu 1994: 33).

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Prägetext der Pearl-Harbor-Erinnerung. Nachrichten und Dokumentationen deklarieren die einst im Studio produzierten Bilder nunmehr als ›Originalaufnahmen‹. December 7th ist daher auch als ein Medium des nationalen Funktionsgedächtnisses zu lesen, denn seine Bilder besitzen inzwischen den Status einer historischen Quelle.3 Obgleich keine Auftragsproduktion, verzichtet auch Tora! Tora! Tora! nicht auf die Unterstützung der U.S. Navy. Immerhin helfen die Militärbeamten USN-Commander E.P. Stafford, USN-Capt. George Watkins und Lt. Col. Arthur P. Wildern bei der Orchestrierung der Kampfsequenzen. Der Film ist zugleich Erinnerungswiederholung und -umschreibung. Einerseits reinszeniert er minutiös die Angriffsszenen aus December 7th in Farbe, andererseits sind erstmals die japanischen Gegner als »rational human beings« (S. Johnson 1991: 26) zu sehen. Auch die Produktionsumstände deuten auf ein Zusammenfließen von Erinnerungen hin: Die Aufteilung der Dreharbeiten auf die Regisseure Kinji Fukasaku und Toshio Masuda für die im japanischen Originalton gefilmten Szenen und auf Richard Fleischer für die Szenen der Amerikaner soll eine ausbalancierte Handlung auf beiden Seiten erlauben. Der Film will einen dokumentarischen Ton anschlagen, indem er Charakterentwicklungen zugunsten des Plots hintan stellt.4 Auch betont er im Eröffnungsbild: »All of the events and characters depicted are true to historical fact.« Basierend auf den Arbeiten von Gordon Prange und Ladislas Farago, adaptiert der Film die Fachliteratur des amerikanischen Geschichtsdiskurses. Heute gilt er als Dokudrama (vgl. Basinger 2003: 176), Akademiker sehen ihn als: »reliable historical representation« (Rosenberg 2003: 64), und Hollywood zitiert ihn zur

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Ausschnitte des Filmes werden wiederholt verwendet: z.B. From Here to Eternity (1953), Victory at Sea (1954), Winds of War (1983). Die Dokumentation Going Hollywood: The War Years (1988) und zuletzt auch die CBSNachrichten zur Ehime Maru-Havarie (vgl. S. 3–4) blenden Szenen als ›Originalaufnahmen‹ ein. Ausschnitte sind zudem bis 1990 im Lehrfilm des USS Arizona Memorials zu sehen (vgl. Rosenberg 2003: 20–1).

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Der Filmkritiker Berardinelli (2009: n.p.) beobachtet: »With its near documentary precision and careful attention to detail, Tora! Tora! Tora! […] is not an actors’ movie.«

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Herstellung von Realitätseffekten – er kann daher ebenfalls als Medium des Funktionsgedächtnisses der USA gelten.5 Pearl Harbor ist der einzige Film dieses Korpus, der von dem vorgeprägten Rahmen der Geschichte abweicht: Weder betont er im Vorspann die Authentizität der Ereignisse, noch gibt er im Abspann den fiktiven Gehalt seines Plots an. Dennoch zitiert auch er die filmischen Erinnerungen an ›Pearl Harbor‹, indem er etwa die Repliken japanischer Kampfmaschinen aus Tora! einsetzt und die gesamte Angriffssequenz aus December 7th rekonstruiert. Zusätzlich erhebt er durch das Einfügen von zeitgenössischem Newsreel-Material einen dokumentarischen Anspruch. Er ist ein Genremix aus romantischem Melodrama, Actionfilm und historischem Dokudrama (vgl. Landy 2004: 89). Das macht ihn aber zugleich zum »most problematic of all Pearl Harbor films« (Boggs und Pollard 2007: 158). Eine starke finanzielle Beteiligung des Pentagons an der 140 Millionen US-Dollar teuren Produktion lässt auch hier eine staatlich gelenkte Erinnerung vermuten. Kritiker sehen Pearl Harbor als »Bildermaschine für den Krieg« (vgl. Bürger 2007, Boggs und Pollard 2007). Obgleich die Produktion nicht durch einen gleichzeitig laufenden Krieg der USA beeinflusst ist, konfluiert sie im sechzigsten Jahr nach ›Pearl Harbor‹ mit der national notwendig gewordenen Wiederholung der Pearl-Harbor-Erinnerung: Im Jahr 1999 durchgeführte Marktrecherchen ergeben, dass »the desirable high-moviegoing audience of adults ages 19 to 24 generally had no idea what Pearl Harbor was« (Cagle 2001: 69). Ausgehend davon ist Rosenberg (2003:172–3) der Meinung: »The hype for the film during the spring and summer of 2001 […] riveted attention onto December 7, 1941, and re-affirmed Pearl Harbor’s status as one of the most widely circulated icons of American history. […] Pearl Harbor memories had become so prominent and ubiquitous in American culture by the summer of 2001 that a stranger to the planet might have imagined that the bombs had just been dropped.«

Unter diesem Blickwinkel ist Pearl Harbor als ein wichtiger Medienbeitrag im kommunikativen Gedächtnis der USA zu verstehen: Indem er allein auf

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Szenen tauchen wieder auf in Midway (1976), in der Serie Pearl (1978), im Remake von From Here to Eternity (1979) und zuletzt in Australia (2008).

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vorherige Filmerinnerungen rekurriert, sie erweitert und zudem keinen Authentizitätsanspruch erhebt, erfüllt er eine Scharnierfunktion zwischen kommunikativem und kulturellem Gedächtnis. Darüber hinaus ist er eine wesentliche Filmerinnerung für die subjektive Erfahrungsverarbeitung von ›9/11‹ nur vier Monate nach seinem Kinostart.6 Allen Filmen ist gemeinsam, dass sie als nachträgliche Filmkommentare unter Einflussnahme politischer Akteure entstehen. Jede Form der Wiederholung der Pearl-Harbor-Erinnerung ist daher mit einem nationalem Interesse verschränkt. Aus diesem Grund untersucht das folgende Teilkapitel die Darstellungen nationaler Selbstbilder anhand von Szenenanalysen. Eine sorgfältige Interpretation soll helfen, die Funktion der jeweiligen Erinnungsform auf die historische Traumaerfahrung abzuleiten.7 3.1.1 Das nationale Selbstbild im Pearl-Harbor-Film Laut Slocum (vgl. 2005: 44) liegt ein wichtiges Merkmal der Kriegserzählung darin, die Herausbildung einer Gruppenidentität zu begünstigen und individuelle Verhaltensstandards auszuformen. Doch wie können die PearlHarbor-Filme den Angriff japanischer Flugzeuge als ›Angriff gegen die Integrität eines gesellschaftlichen Zusammenschlusses‹ (vgl. ibid.: 47) inszenieren, wenn doch Pearl Harbor bis 1941 noch nicht einmal als Bestandteil dieses nationalen Körpers im Bewusstsein ist? Das einfachste Mittel hierzu ist in allen drei Filmen zu finden: Sie markieren das Ereignis anhand seines Datums und betten es so in das empfundene Kontinuum der Geschichte einer Nation ein. Dazu bedienen sich die Filme der Genremerkmale des Dokumentarfilmes: Sie zeigen

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Schlechte Kritiken verstummen nach ›9/11‹ (vgl. Landy 2004: 92). 2002 erscheint nach dem kommerziellen Erfolg mit dem Vista Series Directors Cut die bis dato aufwendigste DVD-Produktion. Brian Amyot widmet der DVD mit Double Dip (2005) einen eigenen Kurzfilm.

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Da December 7th nur in seiner gekürzten Version ein größeres Publikum erreicht, 1944 den ersten Oscar für ein Short Documentary gewinnt und das Militär ihn als Instruktionsfilm einsetzt, ist diese Version auch Grundlage für die Diskussion des Filmes. Für einen genauen Vergleich zwischen den beiden existenten Versionen des Films siehe White und Yi (2001).

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historische Dokumente und erklären die Kontexte, stets unter der Prämisse, dass das Gezeigte auf »wahren Begebenheiten« beruhe. December 7th beginnt mit Nahaufnahmen auf den Briefwechsel zwischen Regisseur und Kriegsminister. Tora! blendet eingangs einen Text mit Datum, Ort und Kontext der anschließenden Filmbilder ein. Neben einer Nahaufnahme eines Kalenderblattes am 7. Dezember zeigt Pearl Harbor drei schwarzweiße Newsreel-Ausschnitte mit erläuterndem Kommentar eines Sprechers aus dem Off: Der erste beginnt 1940, stellt den Krieg in Europa vor, zeigt Portraitaufnahmen von Adolf Hitler und Zeitungsschlagzeilen zur Besatzung Frankreichs, der zweite und dritte zeigen die Luftschlacht um England sowie Aufnahmen zu den Friedensgesprächen mit Japan. Formal bricht Pearl Harbor hierin aus dem vorgegebenen Erinnerungsrahmen aus. Während December 7th und Tora! von Anfang an von einem japanischen Angriff auf die USA sprechen, hält sich Pearl Harbor mit einer genauen Kontextualisierung seines Titels zurück. Indem er Bilder des Krieges in Europa zeigt, stellt der Film eine zeitliche Ordnung seiner Handlung im Kontext der westlichen Geschichtsschreibung um den Zweiten Weltkrieg her.8 Japan und Pearl Harbor werden erst nach einer halben Stunde eingeführt. Der Angriff erhält in diesem Kontext den Charakter einer epochalen Kriegswende. Pearl Harbor ist daher selbst als das Projekt zu verstehen, das in der 3.1 erwähnten Marktforschung implizit ist: Er will ein Lehrfilm sein, um die nationale Bedeutung des Begriffes ›Pearl Harbor‹ zu demonstrieren. Nicht die Generation der Zeitzeugen ist Zielpublikum, sondern jene die nicht länger deren mündlich überlieferte Geschichten kennen. Der Film erfüllt daher die Funktion eines Instruktionsfilmes. Indem die Pearl-Harbor-Erinnerung in Pearl Harbor bereits in den 1920er Jahren beginnt, bricht die Erzählung mit dem historisch vorgeschriebenen Muster. Stattdessen bettet sie die Erinnerung in eine größere

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Nicht jede Nation erlebt den Zweiten Weltkrieg als globalen Konflikt in den Jahren zwischen 1939 und 1945, der mit dem Überfall Deutschlands auf Polen beginnt. Die Bevölkerung Chinas erinnert sich an einen mit dem MandschureiÜberfall beginnenden anti-japanischen Widerstandskrieg oder einen 1894 beginnenden Japanisch-Chinesischen Krieg (vgl. Fujitani, White und Yoneyama 2001: 3). Auch Japan erinnert den Konflikt vielmehr als Jūgo’nen sensō, 15jähriger Krieg, bzw. ab 1941 als Dai tōa sensō, Großer Ostasiatischer Krieg (vgl. Shimizu 1994: 17).

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nationale Dichtung ein. Die anschließende Szeneninterpretation zu dem in Pearl Harbor verwendeten nationalen Selbstbild vermittelt am deutlichsten ein Verständnis vom Ich-Ideal der Nation im Jahr 2001. Im Anschluss daran erfolgt ein Abgleich mit den weiteren Filmen dieses Korpus’. Cole Porter, Luxusliner und Kriegsgerede: Das nationale Selbstbild in Pearl Harbor Es ist Nacht in New York. In einem Motorboot fahren Rafe und Evelyn, die beiden Hauptfiguren in Pearl Harbor, auf einen Luxusliner zu. Leise Klaviermusik aus dem Off begleitet die Szene. Per Froschperspektive fängt die Kamera diese Fahrt mit nahen und halbnahen Aufnahmen der Charaktere ein. Ein Kamerakran filmt im establishing shot kontrastartig Motorboot und Luxusliner, der den halben Bildrahmen ausfüllt. Evelyn liegt in Rafes Armen und sagt: »One day, we’ll take a trip on a boat like that.« Die Kamera bleibt dabei in einer Nahaufnahme auf das Paar gerichtet. Als Evelyn fortfährt, nimmt die Kamera in einer schrägen Kippeinstellung vom Boot aus den Luxusliner per Froschperspektive auf: »We’ll be dressing for cocktails and walk into the grandsalon. No one’s talking about war. They’re just dancing to Cole Porter.« Als die Charaktere am Luxusliner ankommen, erklimmen sie eine Hebebühne, die Kamera erfasst sie dabei in einer Halbnahen. Das Schiff bleibt im Hintergrund, es rahmt die Charaktere. In der Hebebühne fährt das Paar an der Außenseite des Schiffsrumpfes empor, küsst sich und spricht über die Zukunft. Diese Szene steht beispielhaft für die Wertevermittlung des Filmes: Ein junges Paar, sie gekleidet in einem zivilen Mantel, er in seiner Ausgehuniform mitsamt allen militärischen Insignien, ist im Hafen der Kulturmetropole New York unterwegs. Er hat den aktiven Part: Er fährt das Boot, bedient die Hebebühne und hält sie in den Armen. Sie hingegen ist passiv. Gemeinsam fahren sie über das Wasser, das für die Reinheit und Unschuld der beiden Charaktere steht, verstärkt in ihrem naiven Liebesspiel. Die aus der Froschperspektive eingefangenen Szenen des Paares überhöhen es als eine sakrale Verbindung. Die Beiden erscheinen über ein grelles Licht im Hintergrund der Kussszene und aufspielende Musik aus dem Off als ideale amerikanische Einheit: jung, heterosexuell, weiß und im Militär. Wie eine Festung ragt dazu der Luxusliner ins Bild und wird durch den harmonischen Soundtrack zum natürlichen Rahmen der Liebenden. Eine Aufschrift verrät den Namen »Queen Mary«, der auf die

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Superschlachtschiffe der Royal Navy im Ersten Weltkrieg verweist (vgl. Stratton und Trinder 2000: 149). Er ist zudem bezeichnend für einen amerikanischen Luxusliner, der im Zweiten Weltkrieg nicht nur Namensgeber für einen Lastentransporter für Kampfflugzeuge war, sondern auch selbst Soldaten über den Atlantik beförderte (vgl. ibid.: 149). In der Bildkonstellation von Soldat und Luxusliner verschmelzen der Krieg in Europa und die amerikanische Kultur: Verklingendes Kriegsgerede, ein Abendball, Cocktails und Cole Porter sind der Bildkommentar, als das Schiff erstmals zu sehen ist. In dessen Rumpf schreibt Evelyns Kommentar Friedfertigkeit, Lebensstil und Konsumlust der durch das Paar gekennzeichneten weißen amerikanischen Mittelschicht ein. Diese nationalidentitäre Gravur gilt für alle weiteren amerikanischen Schiffe im Film – sowohl für das zivile Reiseschiff in New York als auch für seinen militärischen Gegenpart. Wichtig ist ebenfalls der Handlungsort dieser Szene: Der Hafen von New York als tradierter Ankunftsort für Immigranten aus dem Osten konnotiert die USA als ›nation of immigrants‹. Das Schiff unterstreicht die Mobilität der Filmfiguren. Rafe wird im Anschluss an diese Szene als Pilot im Eagle Squadron der Royal Air Force in England eingesetzt. Seine Abreise dorthin ist weder per Schiff noch per Flugzeug abgebildet, sondern erfolgt mit dem Zug(!). Evelyn hingegen wird als leitende Krankenschwester nach Hawaii versetzt. New York ist Ausgangspunkt ihrer Reisen und vermittelt bildhaft eine unmögliche Nähe dieser Zielorte. Die jeweilige Reise ereignet sich in einer Leerstelle. Die große Distanz des Inselstaates Hawaii zum Festland ist somit unsichtbar. Der spätere Angriff erfolgt daher visuell nicht nur auf die Werte der Nation, deren Signifkant die Schiffe sind, sondern implizit auch auf Staatsgebiet der USA. Kirchenglocken in der Wildnis: Das nationale Selbstbild in December 7th Friedfertigkeit, Unschuld und militärische Vorbereitung kennzeichnen auch das nationale Selbstbild, das December 7th eingangs zeigt. Nach Einblendung des Briefwechsels zwischen Ford und Stimson beginnt der Film mit einer Blende auf Landschaftsaufnahmen. Sie zeigen Palmen, den DiamondHead-Krater, das Koolau Gebirge, und einen Strand Oahus. Als asynchroner Bildkommentar sind Kirchenglocken zu hören. Der Erzähler kontextualisiert die Bilder aus dem Off:

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»Early Sunday morning on the island of Oahu: On a hilltop Uncle Sam lay fast asleep. Warned of the fire that was licking across the oceans from without. Warned of the dangers that were threatening from within. Tired from wrangeling with his conscience and fatigued after a long dark night full of disturbing events as indeed the year 1941 was, he slept in the early Sabbath calm.«

Dazu schneidet der Film einen schlafenden Walter Houston als Uncle Sam zwischen Landschaftsbildern und eine erste Stadtaufnahme. Der Sprecher erklärt: »Safe and secure behind its military and naval ramparts the city of Honolulu like many other unsuspecting American communities was also asleep.« Dann erst zeigt der Film in totalen Einstellungen patrouillierendes und wachendes amerikanisches Militärpersonal, den Air-Force-Stützpunkt Hickam Field, Militärmaschinen und schließlich Pearl Harbor, den der Erzähler als »the navy’s hundred million dollar fist« einführt. Danach entfernt sich die Kamera wieder von den militärischen Zielen und nimmt aufgestellt in der Landschaft den Hafen von Pearl Harbor mit den vor Anker liegenden Marineschiffen auf, die in Zahl und technischer Zuordnung vom Erzähler erläutert werden. Abschließend zeigt der Film in Totalen eine befahrene Straße, Militär in einer Flughalle, Matrosen beim Ballspiel und schließlich eine Morgenmesse. Der Erzähler kommentiert diese Bilder als »ruhige und gelassene« Atmosphäre auf Hawaii. Mit diesem Einstieg folgt der Film ganz der Methodik eines melodramatischen Bühnenstücks. Denn anfangs sehen wir, was Peter Brooks (1996: 28–9) als melodramatic imagination für das klassische Melodrama bezeichnet: »[…] virtue and innocence, or perhaps more accurately, virtue as innocence. We see this virtue, momentarily, in a state of taking pleasure in itself, aided by those who recognize and support it. […] And there swiftly supervenes a threat to virtue, a situation – and most often a person – to cast its very survival into question, obscure its identity, and elicit the process of its fight for recognition. Remarkably prevalent is the setting […] the space of innocence […] into this space, a villain, the troubler of innocence, will come to insinuate himself, either under the mask of friendship [...] or simply as intruder.« (Hervorhebung im Original)

Beschaulichkeit, Verschlafenheit und militärische Sicherheit kennzeichnen in diesen ersten Bildern die gezeigte ›American community‹. Die

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Landschaftsaufnahmen bestärken diesen Eindruck. Doch sie stehen auch für die Wildnis Hawaiis, die durch den fortlaufenden Glockenton als gezähmt und in die christliche Wertegemeinde der USA eingegliedert erscheint. Der mythische Uncle Sam9 selbst ruht in den Bergen in einer erhöhten Position, die ihm die Kontrolle über den Inselstaat sichert. Der ruhige Erzählton schafft zugleich Raum für Identifikation und Einfühlung in die Situation der dargestellten Charaktere. Außerdem lässt er keinen Zweifel an der Präsenz amerikanischer Truppen in Hawaii aufkommen, im Gegenteil, er markiert sie als natürliche Erscheinung. Bestärkt wird dieser Eindruck durch die aus der Distanz und von der Landschaft aus gefilmten Hafenaufnahmen Pearl Harbors. Die Schiffe, die dort vor Anker liegen, widersprechen nicht dem natürlichen Rahmen, den die Landschaft Hawaiis zu bieten hat. Im Schnitt von Honolulu auf Hickam und Pearl Harbor ist die Distanz zwischen Militärs und zivilem Leben durch eine visuell simulierte Nähe aufgehoben. Soldaten sind alles andere als eine fremde Erscheinung. Sie stehen bildhaft auf derselben Ebene mit den Zivilisten. Gemeinsam bilden sie eine ›American community‹, die friedfertig und unschuldig der Willkür der kommenden Angreifer ausgesetzt ist. Die Ankunft dieser Aggressoren ist durch den diegetischen Soundtrack markiert: Das Glockenläuten stimmt zwar den Adventssonntag und das Weihnachtsfest ein, droht aber gleichzeitig ein bevorstehendes jüngstes Gericht an. Mit diesem kurzen Einstieg erzeugt die Dokumentation eine melodramatische Spannung, die die folgenden Angriffe als umso heimtückischer erscheinen lässt. Diese Stelle entlarvt den Dokumentarfilm nicht nur als Spielfilm, sondern verdeutlicht seine Funktion: Er baut eine

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Im Ersten Weltkrieg entsteht, dargestellt von James Montgomery Flagg, das ikonische Bild Uncle Sams, der mit dem Finger auf den Betrachter zeigt und nach seinem Dienst für das Land fragt. »I Want You for U.S. Army« steht bis heute unter seinem Abbild auf den Werbeplakaten des Militärs. Seinen Ursprung hat die Figur im Krieg von 1812: Samuel Wilson beliefert von New York aus die amerikanischen Truppen mit Dosenfleisch. Auf den Behältern war in großen Lettern ›U.S.‹ zu lesen. Die Soldaten interpretierten dies als »Uncle Sam.« Nach dem Krieg sind ›Uncle Sam‹ und die amerikanischen Truppen eine Sinneinheit. Uncle Sam ist gekennzeichnet durch Spitzbart, Zylinder und Anzug, die in ihrer Komposition die Farben der amerikanischen Flagge widerspiegeln. December 7th orientiert sich an dieser Darstellung.

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nationale Symbolik um den titelgebenden 7. Dezember auf und produziert einen Mythos um den Angriff. Gedreht unter dem Bewusstsein des Krieges, ist es ein Ziel des Filmes, militärische Operationen sowie die Internierung japanisch-amerikanischer Staatsbürger in ein positives Licht zu rücken und die Bedrohung des Landes als eine dezidiert von außen kommende Kraft zu identifizieren. Zum Schutz dieses mit nationalen Mythen aufgeladenen Ortes sind Waffengewalt und Kriegsopfer akzeptable Mittel zur Wiederherstellung der gesellschaftlichen Ordnung auf nationalem Boden. Ein Sonntag im Dezember: Das nationale Selbstbild in Tora! Tora! Tora! Anders als in December 7th und Pearl Harbor konstruiert Tora! nicht die Nähe zwischen zivilem und militärischem Leben, um Pearl Harbor als natürlichen Boden der USA mitsamt seinen nationalen Werten einzuführen. Da das Filmprojekt als internationale Produktion angelegt ist, die mit einem ›objektiven‹ Anspruch versucht, allein das militärische Planspiel auf beiden Seiten nachvollziehbar zu machen, ist der Film nicht interessiert an Sozialgeschichte oder kulturellen Hintergründen (vgl. White und Yi, FN 43). Dennoch findet auch in Tora! eine Ontologisierung nationaler Werte statt, indem er die Illusion eines Alltages auf Hawaii herzustellen versucht. Hierzu verwendet der Film dasselbe Bildmaterial zweimal – und zwar zur Einführung von Pearl Harbor als geografischen Ort und zur Einführung des ›7. Dezembers‹. Zu sehen ist ein von Land aus gefilmtes, in den Hafen einfahrendes Motorboot, während im Hintergrund vier Schlachtschiffe vor Anker liegen und der Untertitel in großen Lettern »Pearl Harbor« angibt. Der darauffolgende Schnitt zeigt in einer Totalen eine an Deck eines Schiffes stehende, in weißer Sonntagsuniform gekleidete Militärkapelle. Am rechten Bildrand steht ein Offizier, am linken der Dirigent. Eine Nahaufnahme auf die Uhr des Offiziers zeigt 8:00 Uhr an. Per Handzeichen gibt er in der anschließenden Totalen ein Signal, woraufhin die Kapelle einsetzt. Zu hören ist im diegetischen Ton die Nationalhymne der USA, »The Star-Spangled Banner.«10 Im nächsten Schnitt hissen zwei Soldaten

10 Als Symbol für Courage entsteht 1814 aus der Feder von Francis Scott Key ein zur Melodie des britischen Trinkliedes »To Anacreon in Heaven« gesungenes Gedicht. Es geht auf den Heldenmut in der Verteidigung des Fort McHenry im

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die Nationalflagge. Die abschließende Perspektive eines Kamerakranes zeigt in einer Supertotalen das gesamte Vorderdeck des Schiffes. Zum ersten Mal ist ein Name zu lesen: »USS Nevada.« Als diese Szene ein zweites Mal erscheint, ist sie erweitert durch das Andocken des eingangs gezeigten Motorbootes, einem kurzen Landgang seiner Insassen und dem Einfliegen der japanischen Torpedobomber. Eine Variation ist die Nahaufnahme auf die Uhr des Offiziers, die nun 7:58 Uhr zeigt – die überlieferte Zeit für die erste Sichtung der Angreifer über Pearl Harbor. Beide Male suggerieren die Szenen den Ablauf eines gewöhnlichen Sonntagmorgens in Pearl Harbor. Dass dabei ebenfalls ein Sonntag – markiert durch die Uniformen – zur Einführung des Militärstützpunktes verwendet wird, impliziert nicht nur den dort herrschenden sozialen und humanitären Geist einer christlichen Wertegemeinschaft. Vielmehr noch schreibt er den im Hintergrund zu sehenden Kriegsgeräten friedenserhaltende Absichten zu. Auf visueller Ebene ist dieser scheinbare Widerspruch aufgelöst durch die weißen Uniformen, die Reinheit, Unschuld und Friedfertigkeit signalisieren. In diesem Kontext sind audio-visuell zwei Nationalsymbole zu erleben: die Nationalflagge und »The Star-Spangled Banner.« Sie kennzeichnen den eingeführten Stützpunkt als rechtmäßiges amerikanisches Terrain und ehren zugleich den Heldenmut der gezeigten Soldaten. Vom aggressiven Potenzial der von San Diego nach Pearl Harbor verlegten Streitkräfte ist hier keine Spur zu sehen. Vielmehr scheinen sich Militär und Hawaii als natürliche Einheit zu ergänzen – eben eine alltägliche Erscheinung. Die USS Nevada als Exponat für die Nationalsymbole konnotiert zugleich den gesamten Zweiten Weltkrieg der USA. Nicht nur beschädigen die Angreifer das Schiff am 7. Dezember schwer, es ist auch das einzige, das beim Angriff Fahrt aufnimmt und vor schlimmeren Zerstörungen bewahrt bleibt. Nach dem Angriff setzt die Marine das Schiff wieder instand, und es kommt im Zweiten Weltkrieg in entscheidenden Operationen sowohl im Atlantik als auch im Pazifik zum Einsatz. Als

Krieg von 1812 zurück, daher auch der ursprüngliche Titel »The Defense of Fort McHenry.« Der Legende nach sah Key den gehissten »Star-Spangled Banner« am Morgen nach der Bombardierung von Fort McHenry. Als musikalischer Kommentar zum Zeichen dieses Triumphes verstanden, ist der Titel bis 1931 vor allem am Independence Day zu hören. Erst 1931 wird das Lied zur Nationalhymne.

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Seeverstärkung ist es sowohl an den kriegsentscheidenden Angriffen auf die Normandie beteiligt als auch auf Iwo Jima und Okinawa. Am 7. Dezember geht die USS Nevada als ›einziger Lichtblick an einem sonst bedrückenden Morgen‹ in die Geschichte ein (vgl. Bonner 1996: 101). Bonner (1996: 109) bezeichnet es als »›Cheer Up Ship‹ that helped inspire a navy and a country to ultimate victory.« Alle drei Filme zeichnen ausgehend von ihrer Entstehungszeit über drei Generationen hinweg das Selbstbild einer unschuldigen und friedfertigen, gleichzeitig aber militärisch gerüsteten Nation. Soldaten wie Kriegsgerät sind als nationalträchtige Identifikationsobjekte markiert. Sie zeigen das Ich-Ideal der Nation an und bestärken den Mythos des Zweiten Weltkrieges als Verteidigungskrieg. Pearl Harbor schafft es, den Widerspruch zwischen Friedfertigkeit und militärischen Symbolen aufzulösen, noch bevor der Marinestützpunkt überhaupt im Film zu sehen ist. December 7th und Tora! ontologisieren militärische Präsenz auf Hawaii im Abgleich mit dem Alltagsgeschehen auf dem Inselstaat. Allen drei Filmen ist gemein, dass sie durch Schnitttechnik und den Einsatz nationaler Symbole die offensichtliche Distanz von Hawaii zum Festland auflösen. Der 7. Dezember ist über Nahaufnahmen auf Kalenderblätter oder durch Untertitel in die kollektiv als natürlich empfundene Zeit eingebunden. Das Militär scheint bis dahin schon immer auf Hawaii präsent gewesen zu sein, der Angriff auf Pearl Harbor erscheint als Koordinate im System des nationalhistorischen Zeitkontinuums. Die Filme schreiben den 7. Dezember als national bedeutsames Datum ins kommunikative Gedächtnis ein. Das dezidiert überhöhte Ich-Ideal der amerikanischen Nation lässt schließlich keinen Zweifel daran, dass die an diesem Tag stattgefundenen Angriffe nicht nur eine gezielte Aggression gegen die USA darstellen, sondern auch eine Gefahr für den privaten Raum. Hawaii erscheint somit als natürlicher Bestandteil dieses nationalen Körpers.11

11 Ergänzend zu diesem Selbstbild der Nation fokussieren die Filme die Figur des Doris Miller, der während der Angriffe ein Geschütz auf der USS West Virginia bemannt und feindliche Maschinen abschießt (vgl. Prange 1982: 514). Als erster Afroamerikaner erhält er das Navy Cross und entwickelt sich zu einer Propagandafigur: »[H]e became a symbol of the military’s attempt to expand minority enlistments. […] Miller was […] prominently depicted in naval recruitment posters and public ceremonies« (White und Yi 2001: 311). 1943

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3.1.2 Trauma im Pearl-Harbor-Film Die in Kapitel 3.1.1 beschriebene Atmosphäre der Friedfertigkeit ist in allen drei Filmen dieses Korpus’ konterkariert durch den Einflug japanischer Kriegsmaschinen. December 7th führt die einfliegenden Maschinen als Boten des jüngsten Gerichtes ein, indem der Erzähler sie als ›tiny locusts‹ deklariert. Im diegetischen Ton ist dazu lautstark das Geräusch der Motoren synchron zum gezeigten Einflug zu hören. Wie Heuschrecken greifen sie Auge und Ohr des Zuschauers an, während sie auf der Leinwand über zivile Ziele hinwegfliegen. Nahaufnahmen der Piloten sind dabei nicht zu sehen. Es scheint ganz, als wären diese Flugzeuge nicht von Menschen gesteuert. Tora! hingegen fokussiert den Start der Streitkräfte von den Flugzeugträgern aus. Der bedrohliche Musikkommentar verklingt, sobald die ersten Motoren zünden. Die Piloten sind vereinzelt in nahen und halbnahen Aufnahmen zu erkennen, die die Entschlossenheit auf ihren Gesichtern zeigen. Tora! präsentiert den Mensch in den Maschinen und bietet erstmals Raum zur Identifikation. Für etwa vier lange Minuten beherrschen in variabler Lautstärke die Triebwerke den diegetischen Soundtrack. Während der Ton die Allmacht und Bedrohung der Flugzeuge untermalt, heben wiederholt gezeigte Startsequenzen die unendlich große Zahl der Maschinen hervor. Dieses Moment greift auch Pearl Harbor auf, als die Kamera aus dem Bild der Angreifer beim Anflug auf Hawaii herauszoomt, um ihre schiere Überzahl einzufangen. In einer Parallelmontage sind die Aggressoren den nationalen Werten, die sie angreifen, gegenübergestellt. So fliegen sie vorbei an Pfadfindern, die den Pioniergeist der USA ausdrücken, vorbei an einer mit der Wäsche beschäftigten Hausfrau, die Domestizität symbolisiert, vorbei auch an Baseball spielenden Kindern, die Unschuld, Teamgeist und Familienbewusstsein markieren, und zuletzt vorbei an Kindern, die in weißen Engelskostümen

vermittelte December 7th mit dem Bild eines heldenhaften Afroamerikaners eine Neuheit auf der Leinwand (vgl. ibid.: 311). In Tora! taucht Miller plötzlich als Schütze auf und Pearl Harbor widmet der Figur eine Nebenhandlung. In Miller kommt die Idee einer multikulturellen Nation zum Tragen. Sein ›Heldenmut‹ wandelt seine mit einem Bindestrich versehene nationale Identität zu einer allamerikanischen. Seine Geschichte vereint ziviles Pflichtbewusstsein mit militärischem Dienst.

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vor einem Weihnachtsmann tanzen. Außerdem sind in diese Anflugsequenz wiederholt Bilder schlafender Soldaten eingeblendet, die einmal mehr die Unschuld sowie die friedfertige Haltung der USA betonen. Der Angriff ist damit als ein Hinterhalt, eine Überraschungsattacke, ein Dolchstoß in den Rücken einer unschuldigen Nation gezeigt – eben mehr als ›nur‹ ein Angriff auf ein militärisches Ziel. Umgesetzt ist diese Attacke in allen drei Filmen als eine mit Spezialeffekten überladene Sequenz, die das implizierte Leiden und Chaos auflöst in ein visuelles Spektakel,12 an das sich in der Erzählfolge der Filme das Traumamoment anschließt. Alle Filme dieses Korpus’ scheinen bis zur Kenntlichmachung des Traumas ein und derselben Erzählsequenz zu folgen: In der Exposition ist das Bild einer friedfertigen, aber militärisch gerüsteten Nation dem der militärisch operierenden Angreifer gegenübergestellt. Mit ansteigender Handlung rückt der Überraschungsangriff in den Fokus. Sie kulminiert in einem Spektakel filmischer Spezialeffekte, es folgt die Sinngebung der gezeigten Bilder in einer Traumasequenz, die sowohl die gezeigte Zerstörung an einen negativen Affekt koppelt als auch eine erfolgreiche, national geeinte Verteidigungshaltung mit kriegerischen Mitteln impliziert. Indem das Trauma dem Angriffsspektakel nachgelagert ist, bestätigt diese Handlungsabfolge Cathy Caruths Annahme. Nach ihr sei Trauma nicht nur »an effect of destruction but also […] an enigma of survival« (1996: 58).

12 Zu großen Teilen in den Twentieth-Century-Fox-Filmstudios in Hollywood gedreht, zeigt December 7th 15 Minuten lang spektakuläre Explosionen auf nachgebauten Modellen und in Brand gesetzte Flugzeugwracks. Tora! zeigt ebenfalls eine knapp 30-minütige Angriffssequenz. Für Pearl Harbor stellt die US Navy zehn ausrangierte Schiffe zur Verfügung, die im Film gesprengt werden. Auch zeigt der Film mit knapp 45 Minuten die bisher längste Angriffsequenz. Tatsächlich sind am 7. Dezember 1941 keine NewsreelKameras in Position, auch die japanischen Angreifer filmen nicht mit (vgl. Shimizu 1994: 46). Allein zwei Hobbyfilmer nehmen etwa sechs Minuten des Angriffes auf (vgl. White 2004: 297). Das Angriffsspektakel selbst kann daher als Ausdruck des Funktionsgedächtnisses gelten: Die gespeicherten Bilder werden stetig um Augenzeugenberichte und dramaturgische Szenen zu den filmischen Kampfsequenzen erweitert. Prägend sind aber nicht die Amateuraufnahmen, sondern die nachgestellten Szenen.

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Wie schlüsseln die drei Produktionen dieses Rätsel jeweils auf, und welche Sinnstiftung steckt hinter dieser Darstellung? Das Grab eines Unbekannten: Trauma in December 7th December 7th leitet die Traumasequenz ein, nachdem der Film von zwei US-Piloten berichtet, die den Feind in die Flucht geschlagen haben. Hiernach schneidet der Film mit langsamer Schnittfrequenz auf brennende Schlachtschiffe im Hafen, darunter die USS Arizona. Tragende Streichmusik begleitet die totalen und halbtotalen Einstellungen der Brandherde. Während der Erzähler aus dem Off die ›tragische und schlimme Zerstörung‹ detailliert erläutert, verlässt die Kamera den Hafen und blendet zu den Rollfeldern. Sie zeigt auch dort brennende Flugzeuge und Baracken. Zu diesen Bildern zitiert der Erzähler aus Roosevelts Kriegserklärung: »›Always‹, said President Roosevelt, ›always will our whole Nation remember the character of the onslaught against us.‹ [Eine Trompete spielt auf.] ›A date that will live in infamy, a record for all history to read in amazement, in sorrow, in horror, and disgust‹ – those also were President Roosevelts words. Horror and disgust. Amazement and sorrow. [Verwundete und Leichname sind zu sehen, ein dumpfer Trommelschlag im Hintergrund.] Sorrow yes, bitter grieving mortifying sorrow. [Die Kamera folgt einem Trupp, der einen Leichnam davonträgt.] For on this Sabbath day 2.343 officers and enlisted men of our Army, Navy and Marine Corps gave their young lives in their service for our country. Who were these young Americans?« [Eine Blende schneidet auf ein Grab ohne Grabstein, ein geschlossener Blumenkranz, ein hawaiianisches Lei, liegt auf dem Grab, davor weht eine amerikanische Flagge.]

Anschließend beginnt der Erzähler einen Dialog mit einem Sprecher, der sieben gefallenen Soldaten unterschiedlicher ethnischer Herkunft eine Stimme verleiht: Robert R. Kelley, Alfred Aaron Rosenthal, Theodore Stephen Zabel, Moses Anderson Allan, James Webster Lake, Antonio S. Pafoya und William R. Schick. Dazu zeigt der Film eine Portraitaufnahme jedes Soldaten, eine halbnahe Aufnahme auf die Eltern oder die Familie des Gefallenen. Diese Szene endet mit folgendem Dialog:

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LT:

»I’m William R. Schick, United States Army Medical Corps. My home was Chicago. Illinois. My parents are Mr. and Mrs. William H. Schick. My wife’s name is Lois.«

Erzähler:

»You have a baby now, Lieutenant. He was born three months after Pearl Harbor. He’s named after you, Billy. And you may be pleased to know he was born on your birthday.«

LT:

»That’s swell. Thanks.«

Erzähler:

»But tell me one thing, Lieutenant. How does it happen that all of you

LT.:

»We are all alike. We’re all Americans.« [Blende auf das Grab]

sound and talk alike?«

Trotz ihrer unterschiedlichen ethnischen Hintergründe sind alle gefallenen Soldaten als All-American gekennzeichnet, während die Kamera auf ein Grab ohne Grabstein blickt. Anderson ([1983] 2006: 9–10) versteht ein leeres Grab als Abbild der Nation, seine Funktion besteht darin, einen Staat zu einer quasi-religiösen Gemeinde zu verbinden; das leere Grab eines Soldaten begreift Anderson dabei als ›fesselndes Emblem des modernen Nationalismus‹. Es ist aufgefüllt mit einer Unzahl an nationalen Wertvorstellungen – denn wer anderes als die Vertreter der Nation könnte in diesen Gräbern ruhen? Anderson führt diese Bedeutungsschwere leerer Gräber zurück auf eine starke religiöse Affinität der Nation und unterstützt »a consideration of the cultural roots of nationalism with death, as the last of a whole gamut of fatalities« (ibid.: 10). Im Sinnbild des leeren Grabes und der vorhergehenden Dialoge bestätigt sich erneut das Motiv einer ›nation of immigrants‹ als Fixpunkt der USA als ›imagined community‹. Auf dem Weg zu diesem Grab zeigt December 7th drei markante Symbole: die brennende und sinkende USS Arizona, die amerikanische Flagge, ein hawaiianisches Lei. Den sinngebenden Kommentar der Bilder ist Auszügen aus Roosevelts »Pearl Harbor Address to the Nation« vom 08. Dezember 1941 entliehen. Diese Symbole stimulieren ein Wir-Gefühl, das den hawaiianischen Inselstaat an den Militärstützpunkt koppelt und den Angriffen einen national vereinigenden Charakter zuspricht. Indem der Sprecher Roosevelts Rede zitiert, lässt er Raum für eine BlitzlichtErinnerung der Zuschauer. Die Ansprache hört die Nation am 8. Dezember 1941 landesweit über ihre Radioempfänger. Ein akustisches Signal, kein bildgebendes, ist Auslöser der Erinnerung. Daher muss eben diese Rede die symbolträchtigen Szenen begleiten, um die traumatische Erinnerung im Zu-

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schauer auszulösen. Die abgebildeten Folgen des Angriffes sind so leichter mit den Affekten ›Abscheu‹ und ›Schande‹ zu besetzen. Bildsymbole und Worte erzeugen eine diffuse Spannung, die mit dem Gezeigten zu assoziieren ist. Das Lei ist dabei besonders hervorzuheben. Es ruht auf dem Grab vor der amerikanischen Flagge, beide stehen in keinem Widerspruch zueinander. In Hawaii ist das geschlossene Lei ein Symbol für innige Liebe, für eine Umarmung. Nicht nur markiert das Lei hier einen zivilen Brauch, es suggeriert auch eine natürliche Einbindung in die USA. Einmal mehr betont der Film so den Angriff auch auf das zivile Leben der USA. Die Grabessequenz, von White und Yi (2001: 311) passend als memorial sequence bezeichnet, bestärkt das multikulturelle Moment und die Geschlossenheit einer Nation. Das zuletzt hervorgehobene Neugeborene zeigt Ende und Neubeginn an – eine sakrale Kontinuität im Nationalen. Die Szene nimmt die aufsteigende Handlung der abschließenden Regenerierungssequenz vorweg. Kamikaze über dem Kapitol: Trauma in Tora! Tora! Tora! Auch in Tora! ist der Tod zentrales Element der Traumasequenz: Der Angriff auf Pearl Harbor endet im Cockpit einer angeschossenen japanischen Maschine. Eine Großaufnahme zeigt den Piloten, der suchend aus dem Cockpit blickt. Im point-of-view-Shot fokussiert die Kamera eine Flughalle. Motorengeräusche dominieren die Tonspur. In einer SchussGegenschuss-Einstellung ist der entschlossene Blick des Piloten mit der Flughalle in Verbindung gebracht. Im nächsten Schnitt steht die Kamera auf dem Boden und fängt aus der Froschperspektive in einer Totalen die Maschine des Piloten ein, wie sie in die Werkhalle stürzt. Nach einer spektakulären Explosion schneidet der Film in das Büro des Außenministers Cordell Hull. Es herrscht Stille, eine Nahaufnahme zeigt Hulls entsetztes Gesicht, der Blick ruht auf einem Schreiben. Langsam schaut Hull auf, die Kamera gleitet von ihm weg und zeigt in einer Nahaufnahme sein Gegenüber, die japanischen Botschafter Nomura und Kurusu. Hull sagt: »In all my 50 years of public service I have never seen a document so crowded with infamous falsehoods and distortions. On a scale so huge that I never imagined until today that any government of this planet is capable of uttering them.« Die Kamera bleibt für die Länge des Statements im Raum aufgestellt, den Bildrahmen bilden rechts die japanische Delegation und links Außenminister Hull. Nomura senkt den Kopf, erhebt sich, und die

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Delegation verlässt langsam den Raum. Die Szene schneidet nun zu einer Gruppenaufnahme japanischer Militärs, die ihren Erfolg in der Offiziersmesse feiern, doch Admiral Yamamoto warnt seine Kameraden: »I fear all we have done is to awaken a sleeping giant and fill him with a terrible resolve.« Mit diesen Worten im Untertitel und einer halbnahen Aufnahme auf einen ernst blickenden Yamamoto am Oberdeck des Schlachtschiffes endet der Film. Um die Angriffsequenz abzuschließen, wählt der Film einen KamikazeAngriff aus. Dazu setzt er den Zuschauer in das Cockpit des Angreifers. Der Zuschauer erlebt mit ihm die freiwillige Wertlöschung seines Lebens und das der Opfer. Die aus Froschperspektive gefilmte Selbstaufgabe überhöht eine von diesem Angreifer ausgehende Bedrohung, denn die Mimik des Japaners zeigt keine Furcht vor dem Tod. Nicht nur steigert solch ein furchtloser Angreifer die Angst vor ihm, sein freiwilliges Lebensopfer für den militärischen Erfolg seines Landes entlarvt auch seine grausame Natur. Sprachlosigkeit und Entsetzen sind sodann die ersten Reaktionen, die im Film folgen – allerdings in einem Szenenwechsel nach Washington, D.C. Da der Film ohne establishing shot direkt in Hulls Büro schneidet, vermittelt er erneut die unmögliche Nähe zwischen Hawaii und der politischen Schaltzentrale der USA. Unterstrichen ist dieses Moment durch eine dramaturgisch eingesetzte Stille, die wie ein unmittelbarer Kommentar auf die Angriffe wirkt. Durch das Zusammenspiel von Stille und Hulls Mimik betont die Szene das Ende der Kommunikation und die Unsagbarkeit des Ereignisses. Das Papier, das Hull in seinen Händen hält, ist zugleich die Kriegserklärung Japans sowie die 14-teilige Antwort auf die Hull-Note (vgl. S. 9). Hull bezeichnet die gelesenen Worte als schändliche Lügen und Entstellungen. Das Dokument erscheint durch diese Schnittfolge wie eine Rechtfertigung Japans für den eben gezeigten Angriff. Es wird als infam verurteilt, woraufhin die Nahaufnahmen auf die japanischen Botschafter eine schamvolle und ängstliche Haltung zeigen. Dass der Film abschließend dem strategischen Kopf des Pearl-Harbor-Angriffes die Metapher eines schlafenden Giganten gleich zweimal in den Mund legt, kommt nicht nur dem Versuch nahe, das weitere amerikanische Vorgehen zu legitimieren. Der Film erzeugt damit auch eine mythische Sprachfigur, die Japans Gewissheit und Furcht vor einer unschuldigen, aber militärisch überlegenen USA – ein Gigant voll grausamer Entschlossenheit – vorweg-

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nimmt und somit den militärischen Erfolg der Vereinigten Staaten impliziert. Kontrollverlust, Sprachlosigkeit und Lähmung: Trauma in Pearl Harbor Pearl Harbor schafft es, ohne wörtliche Kommentare, das Trauma ästhetisch zu fixieren. Die Traumasequenz schließt in Anlehnung an December 7th an den Erfolg der beiden Flyboys Rafe und Danny an, die es geschafft haben, ihre Maschinen in die Luft zu bekommen und die Japaner in die Flucht zu schlagen. Nachdem die Kamera sie aus der Froschperspektive in heroischer Pose aufgenommen hat, schneidet der Film in die Krankenstation, in der Evelyn mit ihren Kollegen der Schar hereinkommender Patienten nicht Herr wird. Tragende Orchestermusik, hastige Schnitte, unruhige Kameras und ungenau fokussierte Einstellungen markieren die Stresssituation. Die Schreie der Verwundeten, das Rufen der Ärzte und ein bedrohlicher Musikkommentar überlagern sich gegenseitig auf der Tonspur. Evelyn wird angewiesen, die ankommenden Patienten vor dem Krankenhaus zu betreuen. Ihr folgt eine Kamerafahrt mit einer Steadicam. Dazu legt der Film durch fokale Variationen einen Tränenschleier über das Kameraauge. Dieser bleibt bestehen, als Evelyn vor die Krankenhaustüren tritt. In Schuss-Gegenschuss-Einstellungen ist Evelyn mit den hereinkommenden Patienten konfrontiert, in denen allein fünfmal eine Gruppe schwarzverbrannter Männer in einer halbnahen Einstellung zu sehen ist. Sobald sich Evelyn in Bewegung setzt, lüftet sich der Schleier vor dem Kameraauge, und die rasche Schnittfrequenz wie Kameraführung setzen sich fort. Zu sehen sind nun Ärzte, die versuchen, Kontrolle über die Situation zu gewinnen – unter anderem rückt ein Japanese-American ins Bild, gegen dessen Behandlung sich ein Patient wehrt. Stetig gewinnt die tragende Musik an Volumen und überlagert den diegetischen Ton. Als Helfer eine leblose Kollegin hereintragen, erkennen Evelyn und Schwester Sandra das Opfer. Die Kamera zeigt in Nahaufnahmen ihre entsetzten Gesichter. Evelyn weist Sandra an weiterzuarbeiten, die Musik bricht ab, und Sandras »I don’t know what to do« beherrscht die Tonspur. Es ist der letzte Satz im diegetischen Soundtrack. Ihn ersetzt ein tragender Chorgesang aus dem Off, der eine 360-Grad-Fahrt in Nahaufnahme um Evelyn untermalt.

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Anschließend blendet die Szene über in den Hafen: In epischen Bildern bergen Soldaten in Zeitlupenaufnahmen die Opfer. Die Szene endet mit einem Schnitt von einem im Wasser schwimmenden Lei zu einer halbnahen Aufnahme auf Doris Miller (vgl. FN 11), der vor der gesunkenen USS Arizona eine Flagge birgt und sie weinend an sich drückt. Per crane shot entfernt sich die Kamera von ihm und fängt in aufsteigender Form eine Supertotale des Hafens ein. Der anschließende Schnitt zeigt Admiral Yamamoto, der die Meldung zum erfolgreichen Überraschungsangriff erhält, woraufhin er äußert: »I fear all we have done is to awake a sleeping giant.« Im Anschluss folgt eine Szene mit President Roosevelts Kriegserklärung. Kontrollverlust, Sprachlosigkeit und Lähmung kennzeichnen in Pearl Harbor das durch den Angriff ausgelöste Trauma: Soundcollagen, schnelle Schnittfolgen bis hin zur 360-Grad-Drehung um Evelyn machen den Kontrollverlust audio-visuell nachvollziehbar. Das Unsagbare der Ereignisse wird angedeutet, als der Score den diegetischen Ton gänzlich ersetzt. Zeitlupenaufnahmen und Stasis der Charaktere vermitteln das Gefühl einer sensorischen wie motorischen Lähmung. Der Film macht den durchbrochenen Alltag und seine aufgelöste militärische Ordnung durch sichtbar leidende Menschen in dieser Extremsituation greifbar. Mehr noch legt er die Rechtmäßigkeit der amerikanischen Kriegshandlungen nahe, wenn als er das Leid einer nicht unmittelbar erfassbaren Menge an BrandAbbildung 14: Verwundete Soldaten in Pearl Harbor (links) und Darstellung eines Hibakusha (rechts)

Quelle: © 2001 Touchstone Pictures (links), © 2009 National Archives of Japan.

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opfern fünfmal einfängt. Gedreht mit dem Bewusstsein, dass die USA den Krieg durch den sogenannten ›atomaren Holocaust‹ beenden, erfüllt der Auftritt dieser Brandopfer die Funktion der ›sleeping giant‹-Metapher: Er verknüpft den dargestellten Kriegsbeginn mit dem Kriegsende. Denn ihr Erscheinungsbild ähnelt in frappierender Weise den oft gezeigten Medienbildern der Hibakusha, der überlebenden Verbrennungsopfern der Bombenabwürfe über Hiroshima und Nagasaki [vgl. Abb. 14]. Das unter dieser Maske markierte Leiden der Verwundeten rechtfertigt kommende amerikanische Handlungen. Nicht zuletzt konzentriert sich die letzte Stunde des Filmes auf die Vorbereitung und Ausführung der Doolittle Raid zur Bombardierung Tokios, um die Notwendigkeit der Vergeltung und die Aussichten des Erfolgs zu betonen.13 Japanische Opfer dieser Bombenattacken sind nicht zu sehen. Der Angreifer ist nur Täter, die amerikanischen Streitkräfte ein sich rechtmäßig verteidigendes Opfer. Gesteigert ist dieses vorbereitende Vergeltungsmoment durch die epischen Bilder der Opferbergung im Hafen von Pearl Harbor. Dass zwischen brennenden Schiffen und amerikanischen Flaggen auch ein Lei zu sehen ist, verknüpft nicht nur erneut Hawaii mit dem amerikanischen Festland, sondern kennzeichnet einmal mehr die Tragweite des Angriffs auf die zivile Bevölkerung. Weiterhin beschwört der Film am Ende der Traumasequenz erneut die verwundete multikulturelle Nation, indem er zuletzt den AfricanAmerican Doris Miller vor dem Wrack der USS Arizona zeigt. Die im Anschluss eingeblendeten Japaner haben scheinbar keinen Grund zur Freude über ihren Erfolg. Stattdessen wiederholt Admiral Yamamoto das Hollywood-Epitheton des schlafenden Giganten.

13 Dieser Teil des Filmes basiert auf fiktionalisierten Verarbeitungen der Doolittle Raid während des Zweiten Weltkrieges: Destination Tokyo (Delmer Daves 1943) thematisiert erstmals die in den Dezember 1942 datierte Operation; The Purple Heart (Lewis Milestone 1944) startet im Kontext der Veröffentlichung von Regierungsberichten über die japanische Folter an amerikanischen Gefangenen (vgl. Morella, Epstein und Griggs 1973: 177) und zeigt einen japanischen Schauprozess an festgenommenen Beteiligten der Doolittle Raid; Bombardier (Richard Wallace 1943) thematisiert Ruhm und Tapferkeit beim ersten Bombenschlag gegen Japan; die semi-dokumentarische Darstellung der Doolittle Raid in Thirty Seconds Over Tokyo (Mevyn LeRoy 1944) gilt heute unter Filmkritikern als authentischste (vgl. Orriss 1984: 93–4).

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Zwischenergebnis Alle drei Filme konzentrieren sich darauf, bekannte Medienbilder zu bestätigen und nicht das Unbekannte zu zeigen, das Leiden der Anderen im Krieg. Ihnen ist gemeinsam, die Angriffe auf Pearl Harbor als infame Überraschung darzustellen, ausgeführt von einer ihrer Natur nach martialischen Nation,14 die sich der Tragweite der Angriffe bewusst ist, sich für sie schämen kann und in Furcht vor der rechtmäßigen Vergeltung die Leinwand verlässt. In der Darstellung der ›Leibreize‹ der Traumaopfer von der Sprachlosigkeit über Stasis bis hin zum Tod werben alle drei Kriegsfilme für die Rechtmäßigkeit des weiteren amerikanischen Vorgehens im Krieg und um die Idealisierung amerikanischer Symbole. Freud würde hierin eine Energieverschiebung, im psychologischen Duktus auch Kathexis, erkennen – und zwar der jener im Kinositz erlebbaren audio-visuellen Reize durch die im Film gezeigte Extremsituation. So erlebt der Zuschauer nicht nur das Leid der Soldaten, sondern auch, wie die gezeigten Individuen sich zu einem Kollektiv verbinden und ihre Einzelpersönlichkeit im gegenseitigen Helfen und Vergelten zurücktritt. Die Angriffe auf Pearl Harbor als Auslöser einer unvorbereiteten Extremsituation markieren es als ein erinnerungswertes Ereignis, das gekoppelt an nationale Symbole kulturell relevant erscheint und auditiv wie visuell mit einem stark negativen Affekt verbunden ist. Auf diese Weise erzeugen die Filmbilder erst eine sichtbare Wunde und erlauben dem Zuschauer, seine lebensweltlichen Erfahrungen auf sie zu projizieren. 1943 erfüllt dieses sichtbar gemachte Trauma folgenden Funktionen: Es schreibt der Entsendung der eigenen Söhne und ihrem Opfer einen Sinn zu, es bestärkt die Aussicht auf den kriegerischen Erfolg und legitimiert Waffengewalt gegen den Aggressor von außen als einzig wahres Mittel. 1970 wirkt der Angriff in Tora! wie ein Kommentar zum

14 Zwar hat Tora! den Anspruch auf dramaturgische Ausgewogenheit, dennoch sind auf japanischer Seite nur wenige Pazifisten gezeigt. Auf amerikanischer Seite mangelt es nicht an taktischen Fehlentscheidungen und -anweisungen. »So entsteht der Eindruck ein kriegswildes Japan habe nur deshalb […] Erfolg haben können, weil ein demokratisches Amerika zu sehr mit seinen inneren Strukturen beschäftigt [war]« (Bender 2006: 223).

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laufenden Krieg in Vietnam. Während viele am Sinn und Erfolg zweifeln, setzt die finale Einstellung von Tora!, gefilmt im Bewusstsein um den Ausgang des Zweiten Weltkrieges, diesen Annahmen die Idee militärischer und technologischer Überlegenheit entgegen. Indem er Yamamotos Aussage zum Endpunkt macht, impliziert der Film die Furcht einer jeden Nation davor, es mit den Waffen, dem nationalen Zusammenhalt und der Technologie der USA aufzunehmen. Der Film ist so nicht nur eine Werbung für die militärische Rüstung, sondern auch eine Durchhalteparole für den laufenden Krieg in der Erfahrungswelt der Zuschauer. 2001 erzählt Pearl Harbor die Beteiligung der USA am Zweiten Weltkrieg als Instruktionseinheit um nationale Werte. Der Film wirbt für Zusammenhalt und Unschuld. Dem dezidiert von außen kommenden Angriff setzt er mit der Doolittle Raid einen unmöglichen Erfolg entgegen. Er ist ein »good war fairy tale« (Boggs und Pollard 2007: 168), das die Opfer der Gegenseite ausblendet und die eigenen Greueltaten im Krieg unter das selbst empfundene Leid subsumiert. In diesem Sinne erzeugen alle drei Filme die mythische Notwendigkeit eines ›Remember Pearl Harbor‹ zur Sinnstiftung der Kriegsbeteiligung und der Überzahl an eigenen Opfern. Die Bilder verdichten den Sinn weiterer Kriege über den Zweiten Weltkrieg hinaus, Ralph R. Donald (1992: 44) bringt es auf den Punkt: »Righteous anger […] was justified because of the heinous actions of an aggressor. So after a time, recounting the entire litany of the enemy sins was necessary.« Zentral ist hierfür die Darstellung der Vereinigten Staaten als eine geschlossene Nation im Krieg gegen externe Aggressoren. Boggs und Pollard (2007: 22) heben die Notwendigkeit des ›othering‹, der Distanzierung der USA von den Aggressorstaaten als unabdingbares Wesensmerkmal des Kriegsfilmes hervor: »Warmaking permits, indeed encourages, depiction of other nations and cultures as alien, primitive, uncivilized, barbaric – eligible to be attacked, conquered, occupied – always framed by a self-conception that is noble and benevolent.« So ist es eine Konvention des World War II Combat-Films, den Gegner zu dämonisieren. Die Pearl-Harbor-Filme bestätigen diese über Generationen hinweg. Basinger ([1986] 2003: 26) bemerkt Parallelen bezüglich der Darstellung der Feinde im World War II Combat Film: »[W]e viewed the war with the Japanese as a race war, and the war with the Germans as an ideological war. When we disliked Germans, it was the Nazis we meant. When we disliked the Japanese, it was all of them.« Die hier diskutierten

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Filme überarbeiten die im Zweiten Weltkrieg populären Stereotype der ›no tail baboons‹ oder ›yellow-skinned, slanty-eyed bastards‹, geprägt in Bataan (1943), der ›Nips‹, ›Japs‹ oder ›little yellow bastards‹ aus The Purple Heart (1944), oder den ›apes in khaki‹ aus Frank Capras Why We Fight-Serie (1942). Zwar wird der Feind in Tora! und Pearl Harbor immer humaner dargestellt, doch nicht weniger martialisch. In Pearl Harbor, dem aktuellsten Bild der Japaner im Rahmen der Pearl-Harbor-Filme, sind Japaner lediglich militärische Planer und nahezu kaum zu sehen. Die Kriegsgewalt gegen sie erscheint in den untersuchten Beispielen nicht als Anomalie im nationalen Konzept der zivilen Gemeinde der USA. Japan prägt das Feindbild eines internationalen Angreifers auf die ›neugeborene Supermacht‹, der Angriff wird als bewusstes Selbstmordkommando verstanden, als kollektiv ausgelebter Todestrieb der Japaner.15 Daher ist der Pearl-Harbor-Film auch in seinen heutigen Formen als ein paradigmatischer Propagandafilm zu verstehen. Gleichzeitig zur nationalen Rechtfertigung des Krieges funktioniert über ihn das ›othering‹ Japans, in dem der Feind ethnisch gefärbt ist und keine politische Agenda besitzt. Hinsichtlich der Dramaturgie und der Einfühlung mit den dargestellten Streitkräften bestätigen die Pearl-Harbor-Filme das von Slocum (2005: 49) erkannte Muster im amerikanischen Kriegsfilm: »The enemy is demonized, and the values of U.S. society and its standards for social conduct and aggressive behavior are affirmed.« Die mediatisierten Bilder der Pearl-Harbor-Erinnerung verselbstständigen sich dabei immer mehr. In December 7th sind die zum Angriff gefilmten Amateuraufnahmen noch in das Endprodukt eingeflochten, in Tora! Reproduziert die Kamera bereits die Inszenierungen von December 7th, und Pearl Harbor schließlich vereint beide Filme, indem er den Angriff aus December 7th nachstellt und die Requisiten aus Tora! recycelt. So entwickelt die Kamera des Hollywoodkinos über drei Generationen hinweg ein eigenes Bild des Angriffes, in das es Symbole und Kontexte aus der Erlebniswelt des Zuschauers einbinden kann. Im Hollywoodkino ist die PearlHarbor-Erinnerung demnach ein flexibles Bild. Hinsichtlich Erzählsequenz und ästhetischen Mitteln ist diese Form der Erinnerung daher prägend für

15 Sie konservieren, was Boggs und Pollard (2007: 74) als typisch für den Kriegsfilm nennen: »Japan was a nation without individuals, filled with conformist robots brainwashed by ruthless militarists out to take over the world.«

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jede weitere Kriegsrechtfertigung und für das Sichtbarmachen einer nationalen Wunde. Als Pearl-Harbor-Erinnerung schreibt sie Konventionen der visuellen Kennzeichnung eines nationalen Traumas nieder und beeinflusst die mediale Verarbeitung der Anschläge vom 11. September 2001.

3.2 N EUE P EARL -H ARBOR -E RINNERUNGEN IM K INO NACH DEM ›11. S EPTEMBER ‹ Anders als nach dem Angriff auf Pearl Harbor reagiert das Hollywoodkino auf ›9/11‹ mit einer unmittelbaren Erinnerungsvermeidung (vgl. Kapitel 1.2.2, FN 18). Die Studios entfernen das World Trade Center aus bereits produzierten Filmen, verschieben Kinostarts16 und versuchen mit subtilen Andeutungen, in einer Welt nach ›9/11‹ vorsichtig das ästhetische ›Darstellungsverbot‹ des Traumas zu umschiffen.17 Aber die Filmstudios haben nicht nur versöhnliche Bilder im Sinn. Mit dem Beginn des Afghanistan-Krieges kommen auch zahlreiche Kriegsfilme in die Kinos (vgl. S. 7). Allein der Terror bleibt tabu. Doch das Publikum sucht die vermiedenen Bilder selbst. The Economist berichtet von einer Hochkonjunktur für »Thriller und Katastrophenfilme, deren Handlung auf terroristischen Anschlägen basier[t]« (Staiger 2002) in amerikanischen Videotheken. Hollywood reagiert erst fünf Jahre später auf diesen Bedarf, das Korpus dieses Kapitels umfasst drei Blockbuster dieser neueren Produktionen. Die folgenden Absätze stellen ihren Kontext und Inhalt näher vor. 16 Am bekanntesten ist die Rückzugsaktion zu Collateral Damage (Andrew Davis 2001), bei dem die Filmstudios die Marketingstrategie zur Veröffentlichung 2002 änderten. Der Slogan »What would you do if you lost everything?« verschwand und anlässlich des Afghanistan-Krieges zeigte das Poster nun Militärhubschrauber und Explosionen in einer Dschungellandschaft. 17 Den Grundstein zu dieser Verarbeitungsform legt der Film 25th Hour (Spike Lee 2002): Der Vorspann beginnt in der ›Tribute in Light‹-Installation, zu hören ist später im Film ein ›Fuck you Osama bin Laden‹, zu sehen ist der Bezeichnete auf einem Steckbrief. In dieser Post-›9/11‹-Welt versucht die Hauptfigur Monty Brogan das Leben am letzten Tag vor einer siebenjährigen Haftstrafe neu zu ordnen. Waitz (2009:232–3) erkennt Spike Lees ›9/11‹-Verarbeitung als »genuin filmische Imagination eines Neuanfangs […,] der die Katastrophe aufzuwiegen imstande ist.«

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Ähnlich wie bei ›Pearl Harbor‹ sollte die erste konkrete Erinnerungsverortung von ›9/11‹ von staatlicher Seite gesteuert und in Form eines Dokudramas in die Kinos kommen. Dass im Jahr 2006 die tatsächlichen Terroranschläge zum Kinoereignis werden, lässt sich aus der Motivation für December 7th ableiten: Die Proteste gegen den damals bereits drei Jahre andauernden Krieg im Irak sowie den seit 2004 bekannten Folterbilder aus Abu Ghraib und Guantánamo Bay nehmen zu. Ähnlich der Situation im Zweiten Weltkrieg braucht die Ursache, die Staatsbürger in diesen bewaffneten Konflikt involviert, visuelle Verstärkung und nachhaltige Betonung. So beginnt Hollywood, den Krieg in der Ferne aus dem Blick eines nationalen Opferbewusstseins affektiv zu besetzen. Die drei Filme dieses Korpus kennzeichnen diese ›neue Ebene‹ des Kriegsfilms. Passend bezeichnen sie Boggs und Pollard (2007: 169) als disguised militarism: Das Militär spielt in ihnen eine kleinere Rolle oder bleibt völlig unsichtbar, stattdessen betreten zivile Helden, das FBI oder das CIA als Strohmänner für den Militarismus die Leinwand. Doch was bedeutet diese Umbesetzung für die ›9/11‹-Erinnerung vor dem Hintergrund laufender Kriege? Entstanden unter Mithilfe des Pentagons ist United 93 der erste Film, der Szenen in einem entführten Flugzeug am 11. September nachstellt.18 Das bisher aufrechterhaltene ›Darstellungsverbot‹ der Angriffe schreibt dem Film ein dokumentarisches Genre nahezu vor.19 Allerdings kann United 93 nicht auf Originalaufnahmen aus dem Flug 93 zurückgreifen, sondern stellt, ähnlich wie December 7th, mit Studioaufnahmen, Schauspie-

18 Seit 1990 beteiligt sich das Pentagon finanziell stärker denn je an der Filmindustrie. Diese Entwicklung geht einher mit einer konservativen Wende der kommerziellen Medienkultur und dem Anstieg von Mega Media Group Corporations (vgl. Boggs und Pollard 2007: 129–30). Bekannteste Schnittstelle zwischen Hollywood und Pentagon ist Philip M. Strub. Seine Aufgabe ist es Drehbücher, wie das zu Pearl Harbor, so zu verändern, dass sie staatliche Interessen verteten. Strub fasst zusammen: »Any film that portrays the military as negative is not realistic to us« (zitiert in Robb 2004: 18). Unter Strubs ›Beratung‹ entsteht United 93. 19 Zumal dem Film TV-Dokumentationen vorausgehen: Let’s Roll: The Story of Flight 93 (Chris Oxley 2002), The Flight that Fought Back (Bruce Goodison 2005), Portrait of Courage: The Untold Story of Flight 93 (David Priest 2006) und Flight 93 (Peter Markle 2006).

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lern und am Drehort London die Ereignisse nach. Realitätseffekte erzeugt die Kameraführung etwa, indem jede Einstellung versucht, die Aufnahmeperspektiven einer Digitalkamera nachzuahmen: Permanente Handkameraoder Steadicam-Führungen bauen so einen starken Kontrast zu den ›ruhigen‹ Medienbildern der Tagesnachrichten auf. Obgleich der kulturelle Speicher unzähliges Bildmaterial zu ›9/11‹ verfügbar hat, entstammen – bis auf die Kollision von United 175 mit dem World Trade Center und den im TV gesendeten Nachrichtenbeiträgen – alle abgebildeten Ereignisse dem Drehbuch von Paul Greengrass. Weil sich die Passagiere von Flug 93 gegen ihre Peiniger wehren, ist United 93 nicht einfach nur ein Film über eine Flugzeugentführung. Der Film besitzt einen stark appellativen Charakter und hat Erfolg damit, an den amerikanischen Kinokassen setzt er ca. 41 Millionen US-Dollar um. The Kingdom gehört zu einer neuen Art des Kriegsfilmes, Douthat (2008: 57) bezeichnet ihn als ›liberal internationalist action film‹. Mit Body of Lies teilt der Film die Erzählperspektive amerikanischer Agenten im Nahen Osten. Die ›liberal internationalist action films‹ besitzen die Besonderheit, dass sie Staatsbeamte statt Soldaten ins Krisengebiet schicken und über sie eine neue Möglichkeit zur Identifikation mit dem Krieg in der Ferne entsteht. Hintergrund von The Kingdom sind Bombenanschläge in Riad im Mai und im November 2003. Laut offiziellen Meldungen sterben dabei 34 US-amerikanische Zivilisten. Der Botschafter der Vereinigten Staaten im Königreich Jordanien, Robert W. Jordan, ordnet die Erinnerung an dieses Ereignis in das Kontinuum amerikanischer Geschichte ein, indem er meint: »If this was not the Saudis’ Sept. 11, it was certainly the Saudis’ Pearl Harbor« (zitiert in MacFarquhar: A1). Obgleich The Kingdom die unmittelbare Nähe zu den Anschlägen auslässt, spielt er ebenfalls in Riad und thematisiert einen von FBI-Agenten untersuchten Anschlag auf ein amerikanisches Wohnviertel. Der Film, der in den USA knapp 50 Millionen US-Dollar einspielen konnte, kommt der Handlung der Pearl-Harbor-Filme sehr nahe: Amerikanische Staatsbürger werden an einem vom Festland fernen Ort angegriffen und es entsteht die Notwendigkeit, dort soziale Ordnung wiederherzustellen. The Kingdom zieht Filme wie Rendition (Gavin Hood 2007), In the Valley of Elah (Paul Haggis 2007) und Lions for Lambs (Robert Redford 2007) nach sich. Die kommerziell deutlich weniger erfolgreichen Filme stellen allesamt Staat und Krieg in die Kritik. Ridley Scotts Body of Lies

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wirft ebenfalls einen strengen Blick auf den Staatsapparat und thematisiert den ›Global War on Terror‹. Vor dem Hintergrund einiger Terroranschläge in Europa zeigt der Film die Jagd auf ihren Drahtzieher aus der Perspektive zweier CIA-Agenten: einem vor Ort, Roger Ferris, und einem in der Schaltzentrale in den USA, Ed Hoffmann. Gedreht in Marokko, unter Hilfe des dortigen Militärs, ist auch Scotts Film als Interessenvertretung der USA zu lesen.20 United 93 ist bis dato die einzige Produktion, die die Anschläge aus dem Blick der unmittelbaren Opfer zeigt: die Passagiere eines der entführten Flugzeuge.21 Beispiele, die die unmittelbaren Auswirkungen der Anschläge zeigen, sind der Film World Trade Center (Oliver Stone 2006) um zwei Feuerwehrmänner, die in den Trümmern des WTC gefangen sind, und Don DeLillos Roman Falling Man (2007), in dem die Hauptfigur Keith Neudecker in eben diesem Gebäudekomplex arbeitet, während die Anschläge passieren. Doch diese Beiträge konzentrieren sich auf die Traumafolgen. Den materiellen Auslöser, das Innenleben und den Ursprung der »manned missiles« (DeLillo 2001: 38) zeigt bisher allein United 93. Daher kann dieses Teilkapitel eine Wiederaufnahme der Modi der PearlHarbor-Erinnerung allein an diesem Beispiel diskutieren. Jedoch nimmt es

20 Marokko zählt zur NATO-›Kooperationsgruppe Mittelmeer‹, die seit 1997 existiert. Ihre Funktion gilt dem Informationsaustausch. Zu den am Dialog beteiligten Staaten gehören weiterhin Ägypten, Algerien, Israel, Jordanien, Mauretanien und Tunesien. Da sich die Truppen dieser Staaten bereits an NATO-Operationen im Balkan beteiligten, soll dieser ›Dialog‹ seit 2004 auch militärische Beteiligung im ›Krieg gegen den Terror‹ einbeziehen. 21 Die dokumentarische Qualität erhält der Film, weil er die Szenen ohne bekannte Stars nachstellt, und der Zuschauer von Terroristen wie Passagieren nur so viel weiß, als hätte er neben ihnen gesessen. Das Produktionsteam betont zudem, ausführlichste Recherchen bei etwa 100 Angehörigen und Augenzeugen, einige Darsteller der Flughafenkontrolle und des Militärs spielen sich selbst und sogar die Kostüme sind mit Accessoires der Verstorbenen ausgestattet. Zahlreiche Informationen des Filmes basieren auf dem 9/11 Commission Report, dessen Ziel laut Warren (2007: 533) allein darin bestünde »to bring down the walls between personal and national experience.« Denn wie nach Warren (2007) der 9/11 Commission Report die Kriterien eines Romanes erfüllt, so gleicht auch United 93 dem Katastrophenfilm.

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im Anschluss an diese Diskussion mit The Kingdom und Body of Lies zwei Filme in sein Analysekorpus auf, die neue Entwicklungen der Erinnerungsdarstellung aufzeigen und eine weitere massenmediale Verarbeitung des kulturellen Traumas ›9/11‹ vorwegnehmen. In ihrer Symbiose zeigen die drei Filme die mögliche Ausformung der Erinnerungsverortung von ›9/11‹ in der Traumaerzählung. 3.2.1 United 93 als Prägetext der ›9/11‹-Erinnerung United 93 steht im starken Kontrast zum Post-›9/11‹-Kino, das versucht, den politischen Kontext der Terroranschläge in Alltagserlebnisse amerikanischer Staatsbürger umzuschreiben.22 Der Film bricht damit, indem er gerade die symbolischen Anschläge zur konkreten Erinnerungsverortung erhebt und eben nicht Trauerarbeit thematisiert. Er kann als Prägetext der ›9/11‹-Erinnerung verstanden werden, zeigt er doch erstmals die Ereignisse in den entführten Flugzeugen und damit den Ursprung des Traumas. Um die Geschichte des Fluges 93 zu erzählen, bedient sich United 93 einerseits der Mittel eines Dokumentarfilmes und andererseits der Form des Melodramas. Doch inwiefern kehrt in ihm die Pearl-Harbor-Erinnerung wieder? Die folgenden Szenenanalysen untersuchen die Schnittstellen beider Erinnerungen in United 93.

22 Neben 25th Hour und World Trade Center betonen Filme wie The Guys (Jim Simpson 2002), Right at Your Door (Chris Gorak 2006) oder Reign Over Me (Mike Binder 2007) die Alltäglichkeit des Terrors. Dabei zeigen sie »people who are ordinary in an extraordinary situation, that’s what this is about«, wie die Protagonistin Joan in The Guys sagt. Die Funktion derartiger Filme sieht Thomas Waitz darin einen ›operativen Anschluss‹ zu schaffen, »mittels dessen die traumatische Erfahrung von ›9/11‹ (re-)integriert wird in ein sich zuvor als brüchig und nicht tragfähig erwiesenes gesellschaftliches Gegenwartsfeld« (2009: 230). Zwar spielen sie direkt am Tag der Katastrophe oder in der Welt nach ihr, aber im Zentrum stehen nicht die Anschläge, sondern die »individuelle Subjektivität filmischer Figuren«, die eine »Hoffnung auf Errettung« kommuniziert (ibid.: 230). Das Spektakuläre wandelt sich über ihre Erfahrungen zum Gewöhnlichen, die symbolischen Anschläge sind Grundlage ihrer Trauerarbeit (vgl. 230).

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Feindlich-Fremdes und nationales Selbstbild in United 93 United 93 beginnt mit einem schwarzen Bild, die Tonspur überträgt einen männlichen arabischen Sprecher aus dem Off. Seine Worte bleiben dem sprachfremden Zuschauer ein Rätsel. In der ersten bildgebenden Totalen ist ein aufgeschlagenes Buch zu sehen, dessen wiederum männlicher Leser in der darauffolgenden halbnahen Einstellung abgebildet ist. Er rezitiert, sitzend auf einem Hotelbett, aus dem Buch und wankt dabei mit seinem Körper. In den Bildrahmen tritt ein weiterer Mann – eingefangen auf Hüfthöhe, den Rücken zur Kamera gewandt –, der den Lesenden mit dem Namen »Ziad« anspricht.23 Die folgende Dialogzeile wird dem Zuschauer übersetzt: »It’s time.« Unter einer stumm geschalteten Tonspur wechselt das Bild erneut zu Schwarz und der Vorspann beginnt. Aus dem Off blendet die Tonspur mit Verzögerung Straßengeräusche ein, das anschließende Bild zeigt New Yorks Straßen bei Nacht aus der Vogelperspektive, die die Kamera in Fahrtrichtung abfährt. Dazu vermischt der Soundtrack die diegetischen Straßengeräusche mit nicht-diegetischen Bläsern und die Rezitation der Eingangssequenz setzt sich ohne Untertitel fort. Der asynchrone Soundtrack bleibt über den darauffolgenden Schnitt erhalten. In der Blende zurück in das anfangs gezeigte Zimmer wechselt die Rezitation wieder zur diegetischen Tonspur. Die halbnahe Kameraeinstellung zeigt durch einen leicht geöffneten Türspalt den Dialogpartner aus der Eingangssequenz bei der Körperhygiene. Zu sehen ist allein sein Bild im Spiegel. Soundtrack und Bildrahmen begleiten die nächsten drei Schnitte, die abwechselnd Sequenzen der Körperpflege bis zur Intimrasur filmen. Erneut findet der Szenenwechsel über Parallelmontagen von urbaner Nachtszene und dem Hotelzimmer statt, in dem sich nun unter rascher Schnittsequenz zwei weitere Männer beim Gebet befinden, sich reinigen und ein Teppichmesser prüfen. Als der Vorleser verstummt,

23 Gespielt ist dieser Mann, der Ahmed Al Haznawi verkörpern soll, von dem marokkanisch-stämmigen Schauspieler Omar Berdouni, der auch in The Kingdom den Prinzen Ahmed Bin Khaled mimt und in die Rolle der rechten Hand des Terroristenführers Al-Saleem in Body of Lies schlüpft. Sein Einsatz erinnert an den Darsteller Richard Loo, einen in Hawaii geborenen ChineseAmerican, der während des Zweiten Weltkrieges wiederholt japanischem Militär und Spionen sein Gesicht leiht.

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äußern die betenden Männer ein deutlich zu hörendes ›Allāhu Akbar‹. Anschließend setzen im Score drohende Schlaginstrumente ein, die in der folgenden Sequenz die Männer beim Verlassen ihrer Zimmer begleiten. Eine Steadicam-Einstellung folgt ihnen. Im abschließenden Szenenwechsel ist das World Trade Center in einer Supertotalen aus der Ferne zu sehen. Im Vordergrund ein Containerschiff, das zwei Behälter zeigt und auf dem eine amerikanische Flagge sowie der Slogan »God Bless America« aufgemalt sind. Die Kamerafahrt fokussiert das WTC. Flugzeuggeräusche bestimmen den Soundtrack. Von Beginn an ist das Hauptthema des Films über eine Kontrastmontage zwischen arabischstämmigen Männern in engen Hotelzimmern und dem anonymen New Yorker Stadtleben visualisiert. So verortet United 93 sein Thema und damit die Erinnerung an die Anschläge vom ›11. September‹ in einem lokalen wie religös-kulturellen Gegensatz, keinem politischen oder ökonomischen. Denn was der junge Mann auf dem Hotelbett rezitiert, sind Verse aus dem Koran, dessen Worte sich wie eine unheimliche Beschwörung über die New Yorker Nachtszene legen und gleich einem rituellen Singsang die Märtyrerwaschung wie Begutachtung der Stichwaffen seiner Gefolgsmänner begleiten. Das Team bleibt anonym, allein der Lesende wird im einzigen Dialog der Szene beim Namen genannt. Während der Anrufung Allahs vermittelt die Mise-en-scène Beklemmung durch die enge Räumlichkeit, die zugezogenen Gardinen, die Ziad rahmen, und vor allem durch die distanziert und indirekt gefilmte Märtyrerwaschung über Türspalt und Spiegelbild. Dabei imitiert die grobkörnige Filmqualität und Unruhe des Bildrahmens die Ästhetik einer Handkamera ganz so, als würde der Zuschauer als geheimer Zeuge im Hotelzimmer stehen. Im Kontrast dazu sind die Vogelperspektiven auf New York mit einem ruhigen und langsamen Kameraflug aufgenommen. Beklemmende Hektik und der Blick in das bedrohliche Private der vier Männer sind in dieser Szene kontrastiert mit der vermeintlichen Sicherheit und Geborgenheit des New Yorker Stadtlebens. Dass die Stadtszenen ausgerechnet während der Morgendämmerung spielen und weder individuelle Bewohner noch den Betrieb in den abgebbildeten Wohn- und Bürohäusern zeigen, impliziert eine kollektive Nachtruhe, die wiederum Unschuld und Reinheit des Kontrastpols zu den Szenen im Hotelzimmer markiert. Während Ziads Rezitation spielen melancholische Bläser auf. Gemeinsam mit dem eingangs gezeigten schwarzen Bild, über das Ziad bereits aus dem Off liest, geben diese film-

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ischen Mittel die Einfühlung zu den gezeigten Szenen als bedauernswert, traurig und bedrückend vor. Der Bläserscore und das Eröffnungsbild konnotieren eine Trauerhaltung, die durch die kontrastierte Seherfahrung gebrochen ist. Denn die Hektik und rituellen Vorbereitungen der vier Männer deuten auf alles andere als ihren Aufbruch zu einer Beerdigung hin. Vielmehr verdeutlichen die Schlaginstrumente des Scores nach den »Gott ist groß«-Rufen der Männer ihr bedrohliches Potenzial. Bildhaft ist dies in ihrem Verlassen der Hotelzimmer dargestellt. Ihre Gottesanrufung besitzt eine tödliche Ausrichtung, deren Ziel im abschließenden Kontrast mit dem World Trade Center bei Tag und einem »Gott segne Amerika« im Bildrahmen eindeutig als feindlich markiert ist. Ihre visuelle Trennung von amerikanischen Staatsbürgern ist im Film außerdem ab der Übernahme des Flugzeuges durch rote Stirnbänder verstärkt. Der Film nimmt damit eine Erzähldisposition ein, die bereits aus den Pearl-Harbor-Filmen bekannt ist: Während Amerika unschuldig schläft, arbeitet das Feindlich-Fremde an seinem zerstörerischen Anschlag. Ruhe, Schlaf und Unschuld sind narrative Kontraste zu den agierenden Feinden. Verstärkt ist dieser Kontrast zusätzlich durch die musikalische Untermalung über Schlaginstrumente sobald die vier Männer ihre Hotelzimmer verlassen. Dieses musikalische Motiv wiederholt der Film, als die vier Männer die Flugkontrolle passieren. Amerikanische Passagiere bleiben ohne musikalischen Kommentar. Es scheint ganz so, als sei die amerikanische Öffentlichkeit sicher vor arabischstämmigen Individuen, solang sie hinter verschlossenen Gardinen und Türen sind. Mischen sie sich unter das Volk, bilden sie eine Gefahr. Für den intendierten Dokumentarfilm über die Ereignisse des Fluges 93 ist eine derartige Gefühls- und Sympathielenkung unerwartet. Sie kennzeichnet eine Wiederaufnahme der melodramatic imagination, die bereits in December 7th die Exposition bestimmte. Indem die Bildästhetik die einer Handkamera imitiert, folgt United 93 dem medial vorgeschriebenen Erzählduktus von ›9/11‹, ohne aber dieses Datenmaterial – mit zwei Ausnahmen, die weiter unten angesprochen sind – zu verwenden. Denn vor allem Handyaufnahmen und Amateurvideos hielten in New York die Ereignisse fest und zirkulierten als Medienbilder in Endlosschleifen um die ganze Welt. United 93 adaptiert aber nicht nur die Ästhetik der gefilmten Katastrophe. Indem der Film den oben gezeigten Einstieg wählt, nimmt er den Erzählduktus der Medien ein. Denn wie

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Boggs und Pollard (2007: 46) behaupten, tat die Berichterstattung rund um ›9/11‹ ihr Bestes, ein spezifisches Feindbild zu erschaffen, statt die Ereignisse und ihre ideologische Wirkung zu hinterfragen: »The terrorist episodes were framed as the work of demonic Muslims lacking a moral compass or political motive, a narrative willfully overlooking the clear ideological significance of the targets selected.« Indem United 93 die Angreifer anfangs beim Gebet darstellt und hiernach direkt auf das ideologisch bedeutsamste Ziel der Anschläge blendet, gerahmt von einem »God Bless America«, zeigt der Film nicht nur die religiöse Differenz, sondern setzt auch die Religion der Angreifer mit einem politischen Motiv gleich. Der politisierte Islam ist damit als tödlich gekennzeichnet. Der Film prägt diese Perspektive nachhaltig, ist doch jede Tötung und auch die Übernahme wie der gezielte Absturz des Flugs 93 immer von in der Tonspur deutlich zu hörenden ›Allāhu Akbar‹-Rufe untermalt. Religiöser Fanatismus statt politische Motive kennzeichnen den Terroristen in United 93. Auch die Pearl-Harbor-Filme versäumten es nicht, die Gegner vor dem Angriff stets in Verbindung mit shintoistischen Zeremonienobjekten zu zeigen. Diese Bilder befreien das gezeigte Feindlich-Fremde von jeglicher politischen Grundgesinnung. Stattdessen heben sie eine tödliche religiöse Ausrichtung hervor. Zur Darstellung des Traumas in United 93 Im Gegensatz zur Darstellung des Feindlich-Fremden ist das Eigene als widerspruchsfreie Einheit dargestellt. Insbesondere gekennzeichnet ist dies durch die Dokumentation der Ereignisse aus dem Blickwinkel des U.S. Militärs im Northeast Air Defense Command Center (NEADS) in Rome, New York, sowie den beiden zivilen Einrichtungen des Boston Air Traffic Control Centers und des New York Air Traffic Control Centers in Ronkonkoma, New York. Als im Film die Angriffe auf das World Trade Center und das Pentagon geschehen, werden militärische und zivile Luftraumkontrollen über Parallelmontagen auf dieselbe Wahrnehmungs- und Affektebene gehoben. In dieser Weise behandelt der Film in den ersten beiden Dritteln verstärkt die Abläufe in beiden Luftraumüberwachungszentralen. Zivilisten und Militär arbeiten jeweils als Beobachter am Flugerfassungsradar, Vertreter beider Seiten sprechen von ›targets‹, wenn es um die Identifizierung der angezeigten Echozeichen der Flugzeuge geht. Muntean (2009: 54) erkennt eine wichtige Funktion der Szenen in den

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Räumen der Bodenkontrolle: »These scenes are not without value […] as the air traffic control centers […] provide a crucially safe mode of spectatorial identification for the audience.« Diese Zuschauerposition gibt der Identifikation und dem nochmaligen Durchleben der Angriffe Raum. Sie bleibt erhalten, als die Kollisionen von Flug 175 mit dem zweiten Turm des WTC und von American Airlines Flug 77 mit dem Pentagon erfolgen. In beiden Fällen spielt United 93 die entsprechenden Medienbilder ein und gibt damit diesen Aufnahmen nicht nur eine »privileged, nearly sacrosanct position« (Muntean 2009: 54), sondern erlaubt auch eine verstärkte Identifizierung mit den auf der Leinwand ausgemachten ›Zuschauern‹ der Ereignisse, dem Personal der Luftverkehrszentralen. Während die Aufnahmen bei der Flugsicherung mit Steadicams und Handkamera erfolgen, sind die Medienbilder in ruhiger Kameraführung gegengeschnitten. Diese Kontrastmontage erlaubt ein Durchleben des Traumas aus einer dezidierten Zuschauerposition. Denn die Handkamera in den Flugsicherungszentralen markiert nicht nur eine fragmentierte Wahrnehmung, sondern auch eine gewisse Distanz zu den auf dem Fernsehbildschirm gezeigten, mit ruhiger Hand gefilmten Bildern. Diese Fragmentierung drückt sich auch in der Schnittfolge zur Kollision von United 175 mit dem WTC aus: Während in den dunklen Räumen der Radarüberwachung das Echosignal der Maschine plötzlich verschwindet, nehmen die Mitarbeiter im New York Air Traffic Control Center das plötzliche Auftauchen des Flugzeugs fern der Bildschirme aus den Fenstern ihres Flugkontrollturmes wahr, die Kollision selbst erfolgt erst im TV-Bild – so verschwindet die Maschine auf dem digitalen Signalempfänger und bricht in die diegetische Realität von United 93 ein, um schließlich wieder als Darstellung in den Medien zu verschwinden. Diese Schnittfolge zeigt nicht nur, dass die einzelnen Beobachter die Ereignisse nicht in ihrer Gänze wahrnehmen, sie markiert ebenfalls die Undarstellbarkeit der Katastrophe in der diegetischen Welt des Filmes. Die Medienbilder erhalten dabei einen uneinholbaren Authentizitätsanspruch, während die Undarstellbarkeit die kollektive Traumaerfahrung an die Ereignisse koppelt. Denn alle Zuschauer sind nicht direkt in die Katastrophe involviert, jedoch ist ihrer aller fragmentierte Perspektive erst über die selektiven Wiederholungsschleifen auf den Bildschirmen der TV-Geräte verbunden. Diese kollektive Bewusstwerdung der erlebten Leerstelle per medialer Wiederholung steigert den traumatischen Effekt der Bilder.

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Interessant dabei ist, aus wessen Augen United 93 die unmittelbare Wahrnehmung des Anschlags und die daran gekoppelten Zustände von Stasis und Schock zeigt. Während etwa im Vorfeld der WTC-Kollision zivile Beobachter zu sehen sind, schneidet der Film nach den eingeblendeten Medienbildern direkt in die NEADS-Zentrale zum Militär. Aufschreie, Gesten des Entsetzens und der Überraschung sind hier als erstes zu sehen. Der Schock wird visuell verstärkt durch schnelle Schnitte, hastige Fokussierungen und den unruhigen Bildrahmen der Handkamera. Aus derselben Perspektive wird die Kollision mit dem Pentagon gezeigt. Erneut sind dann die militärischen Beobachter die ersten Figuren, die Raum zur Zuschaueridentifikation zulassen. Während das Militär versucht, eine kontrollierte Reaktion auf die Bilder zu finden, schneidet United 93 im Anschluss an die Pentagon-Kollision direkt in das Boston Air Traffic Control Center, wo der Chef der Flugleitung sofort reagiert und den Luftraum zu ›säubern‹ versucht. Er stellt dabei fest: »We’re at war with someone and until we figure out what to do about it, we’re shutting down« [eigene Hervorhebung]. In dieser Kontrastmontage nimmt das Militär eine Rolle ein, die mit der Wahrnehmung der zivilen Handlungen und Zuschreibungen in keinem Widerspruch steht. Die Bezeichnungen von Krieg, von außen kommender Aggression und von der Einnahme einer Verteidigungshaltung werden dabei durch zivile Beobachter geäußert, nicht durch das Militär. Letztere allerdings werden als erste Identifikationsfläche für den Zuschauer in der Reaktion auf die Medienbilder gezeigt, eine Einfühlung lenkt United 93, wie auch der Pearl-Harbor-Film, über diese Figuren in Uniform. Zur Funktion von United 93 Während die ersten beiden Drittel des Filmes als therapeutisches Angebot zur Identifikation mit weiteren Zuschauern der Katastrophe zu werten sind (vgl. Muntean 2009: 54), konfrontiert United 93 in seinen letzten 15 Minuten des Filmes den Zuschauer direkt mit den Ereignissen im entführten Flugzeug, ohne nochmals in die ›sicheren‹, distanzierten Beobachterpositionen zurückzukehren. Bis zum Abspann bestimmt nun eine Parallelmontage zwischen Cockpit und Fluggastkabine den Film. In schnellen Schnitten wechselt sie die Szenen, gefilmt in halbnahen Aufnahmen. Der Bildrahmen gleicht dabei einer hastig geführten Handkamera. Zu hören sind im der diegetischen Ton die Schreie der Passagiere, die Triebwerke der Maschine und das beständige Warnsignal der im Sturzflug befindlichen United 93.

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Dazu mischt sich eine dezent gehaltene, tragende Streichmusik, die das Motiv der oben beschriebenen Eingangspassage wieder aufnimmt und mit einigen Bläsern variiert. Dazu ist zu sehen, wie die Passagiere, die ihre Lage nunmehr durch Telefonate mit ihren Angehörigen erahnen, gemeinsam planen, gegen die Entführer vorzugehen. Nachdem einer von ihnen ein »Come on guys, let’s roll« flüstert, preschen einige männliche Passagiere vor und überwältigen zwei der Entführer. Schließlich brechen die Passagiere die Cockpittür auf, und die Parallelmontage wird durch Innenaufnahmen des Cockpits ersetzt, während die Handkamera ständig in Bewegung ist und ihren Fokus variiert. Zuletzt blickt sie aus dem Cockpit auf eine grüne Rasenfläche. Die asynchrone Streicherbegleitung aus dem Off übernimmt mit dem Eindringen der Passagiere ins Cockpit immer stärker die Tonspur und verdrängt den diegetischen Ton. Mit dem Blick aus dem Cockpit spielen die Streicher ein letztes Mal auf und der Ton verstummt, ein schwarzer Bildschirm füllt die Leinwand. Nach zehn Sekunden steht in weißen Lettern zu lesen: »Of the four aircraft hijacked that day, United 93 was the only one that did not reach its target. It crashed near Shankesville, Pennsylvania at 10:03 a.m. No one survived. [Blende] Military commanders were not notified that United 93 had been hijacked until four minutes after it had crashed. The nearest fighter jets were 100 miles away. [Blende] At 10.18 a.m., the President authorized the military to engage hijacked aircraft. Fearing an accidental shoot down, military commanders chose not to pass the order to pilots in the air. By 12:06 p.m. every civilian airliner over America had been forced to land. Amidst an unprecedented military mobilization, US airspace was closed until further notice. Dedicated to the memory of all those who lost their lives on September 11, 2001.«

Obgleich das Finale des Filmes keinen sicheren Rückzug in die dunklen Räume der Flugraumsicherung gewährt, bleibt das Publikum sicher im Kinosessel sitzen, während die Insassen des Fluges 93 zu Opfern werden. Über Telefonate erfahren die Passagiere in der Fahrgastkabine, dass es keine Lösegeldforderung gibt sondern die Entführer ihr Leben als symbolisches Opfer einfordern wollen. Daraufhin beginnen sie sich zu wehren, erfasst in halbnahen Aufnahmen, die sie in den eng beieinander

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liegenden Stuhlreihen als eine Einheit zeigen.24 Während dieser Aktion markiert das Warnsignal des Sturzfluges die Verwundbarkeit des Flugzeuges und die einsetzende asynchrone Streicherbegleitung kündigt den tragischen Ausgang von United 93 an. Der Film schließt mit einer intensiven, dramaturgisch orchestrierten Schlussnote und schlägt den Bogen zur vorbewussten Zuschauerdisposition: United 93 zeigt die Opfer der Anschläge. Auf obskure Weise verlassen die letzten 15 Minuten des Filmes dabei den Duktus eines Therapiefilmes. Denn die Konfrontation mit den Opfern und die schrifliche Auflösung nachfolgender Ereignisse verknüpfen die Zeitebenen des Gezeigten, des Erinnerten und der erlebten Gegenwart der Zuschauer. Muntean (2009: 57) betrachtet den Film als historisierendes Medium, als eine: »[P]ainstaking historical representation that allows Americans to see that which was obscured from view on 9/11.« Trifft dies zu, so hat der Film auch eine Wirkung auf die Ereignisse außerhalb des Filmtheaters, die auf der Leinwand verdeckt sind: der ›Krieg gegen den Terror‹. Denn während die Passagiere auf der Leinwand sterben, verleiht die nachgereichte Information einerseits ihrem Tod einen Sinn. Das zufällige Kollektiv vereitelt ein Ziel des Terroranschlags. Im Film ist es durch ein Foto des Kapitols gekennzeichnet, das auf einem Klemmbrett am Steuerruder des Flugzeuges befestigt ist. Andererseits verkündet der Abschlusstext die unmittelbaren und effizienten Handlungen des amerikanischen Militärs: Es hat ein Herz, denn es verhindert die Weitergabe eines folgenreichen Befehls, es handelt akkurat und zuverlässig in einer als beispiellos deklarierten Aktion. Schließlich verknüpft der Text über eine Antiklimax die Opfer des Fluges 93 mit den weiteren Opfern des Tages. Nach Angaben der International Movie Database war dieser letzte Satz ursprünglich als Klimax gedacht und sollte die Worte »America’s war on terror had begun« ins Auditorium tragen. Zum einen vermittelt der Film daher die Zwangsläufigkeit des an diese Anschlagsserie gekoppelten ›Krieges gegen den Terror‹. Schließlich markieren die Opfer den historischen Beginn dieses Krieges, der die erlebte Vergangenheit der

24 Diese Bildeinheit erinnert an das multikulturelle Moment in den Pearl-HarborFilmen, sehen wir doch alte und junge Menschen, Frauen und Männer, Asiaten, Deutsche und Amerikaner – die aufgenommen in diesem Bildrahmen eine Einheit

symbolisieren,

die

sich

den

im

Einzelaufnahmen der Terroristen entgegenstellt.

Passagierraum

gefilmten

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Zuschauer prägt. Zum anderen erzählt United 93 die Geschichte vereint handelnder Amerikaner, die unter Einsatz ihres Lebens die Mission der Terroristen boykottieren. Ihr heldenhafter Beitrag impliziert den schlussendlichen Erfolg des in der Gegenwart des Zuschauers laufenden ›Krieges gegen den Terror‹. Wie der Pearl-Harbor-Film versucht United 93 durch Aufnahme des kulturellen Traumas ›9/11‹, das als nationale Tragödie und Katastrophe im Genre und im Erzählduktus des Filmes vermittelt ist, um Verständnis für den gegenwärtig laufenden Krieg zu werben. Außerdem vermittelt er von Anfang an ein konkretes Feindbild im Unterschied zum nationalen Selbstbild. So gibt er dem Zuschauer normative Erwartungen vor – seine Unterstützung des Krieges – und diszipliniert ihn zugleich. Denn der auf der Leinwand gezeigte Tod der Passagiere, die darauffolgende Kontrolle der Situation durch das US-Militär sowie der anschließende Krieg lassen jede Kritik im Abschalten aller Audiosignale des Filmes verstummen. Dass die Produktion des Filmes zudem durch das Pentagon unterstützt ist, lässt keinen anderen Schluss zu, als ihn als eine von einem Souverän beeinflusste Erzählung zu werten, in der die Erinnerung an den Tod der Passagiere einen Ort in der Kriegsökonomie erhält. Mehr noch: United 93 nimmt in dieser Form und Funktion den Duktus der Pearl-Harbor-Erinnerung auf. Die Erinnerung an die Opfer als ein simples, nationalistisches Motiv für den aktuell geführten ›Krieg gegen den Terror‹. Eberwein (2010: 92) stellt daher United 93 dem von ihm untersuchten »Pearl Harbor retaliation cycle« des Zweiten Weltkrieges gegenüber und erkennt Ähnlichkeiten in den Erzählmodi der Filme. Robert Burgoyne (2008: 149) versteht die Funktion des Filmes darin, »[… to reframe] trauma as a narrative of heroic agency.« Peter Bürger (2007: 169) verweist darüber hinaus auf die Kontinuität der Pearl-Harbor-Erinnerung, die er in der Rezeptionshaltung eines prominenten Zuschauers von United 93 begreift: »Nach einer Meldung der Nachrichtenagentur AP […] hat USPräsident George W. Bush anlässlich der Premiere des Spielfilmes United 93 der Feststellung zugestimmt, der Widerstand der Passagiere […] sei der erste Gegenangriff im Dritten Weltkrieg‹ gewesen.« Aufgrund der Wiederaufnahme der Pearl-Harbor-Erinnerung und der massenmedialen Wirkung ist United 93 als Prägetext der ›9/11‹-Erinnerung zu werten. Dennoch gibt es gravierende Unterschiede zwischen diesen beiden Erinnerungen und ihrer filmischen Verarbeitung: Während des

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Zweiten Weltkrieges beginnt Hollywood ab 1943 nach den ersten Kriegserfolgen die Pearl-Harbor-Erinnerung filmisch zu wiederholen. Im ›Krieg gegen den Terror‹ ist die Situation unklarer. Zu Recht betont Eberwein (2010: 92), dass dem heutigen Publikum die Aussicht auf ein Ende des Krieges und ein Abschluss der kollektiven Trauma-Erfahrung fehlt: »This may be part of the reason for the lack of interest in films about the Iraq War, since unlike those in the earlier period, the fictional films are not complemented by a historical reality that suggests victory. […] Films in the retaliation cycle could be made because there was evidence that the war would eventually end.«

Daher hat sich Hollywood unlängst auf die Suche nach Alternativen zum Irak-Kriegsfilm begeben. United 93 war an den Kinokassen ein ertragreicher Anfang in dieser Publikumssondierung, das folgende Teilkapitel stellt kurz zwei weitere Varianten vor, die auf eine zukünftige Form der ›9/11‹-Erinnerung verweisen. 3.2.2 Neue Spuren der ›9/11‹-Erinnerung Nach United 93 ist keine größere Kinoproduktion entstanden, die den Ursprung des kulturellen Traumas ›9/11‹ in das Innere der Flugzeuge verlegt. Dass weitere Texte folgen werden, ist hingegen abzusehen. Bis heute ist kein Ende des amerikanischen ›Krieges gegen den Terror‹ in Sicht,25 der seit März 2009 unter dem Titel ›Overseas Contingency Operation‹ weiterläuft (vgl. Wilson und Kamen 2009). So lange es keine Anzeichen für einen Abschluss dieses Krieges gibt, wird mit einer weiteren direkten Konfrontation des Traumas als indirektes Mittel militärischer

25 Obgleich Präsident Obama im Februar 2009 ein Ende des Krieges im Irak für 2011 veranschlagte und im Dezember 2009 ebenfalls ankündigte den Krieg in Afghanistan zu beenden, bleibt das ursprünglich gesetzte Ziel von Präsident Bush, jr. bisher unerreicht: »Our war on terror […] will not end until every terrorist group of global reach has been found, stopped and defeated« (»Address to a Joint Session of Congress«). Anlässlich eines fehlgeschlagenen Bombenanschlags im Flughafen von Detroit im Dezember 2009 sprach Präsident Obama erstmals von einem »War on Al-Quaida« und nahm damit inhaltlich den ›Krieg gegen den Terror‹ wieder auf.

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Propaganda zu rechnen sein. Denn wie die relativ erfolglosen Kriegsfilme (vgl. S. 75) zeigen, ist der Bedarf an diesen konkreten Verortungen relativ gering.26 Umso überraschender sind die Erfolge von massenmedialen Texten, die den Krieg indirekt thematisieren: The Kingdom (2007) und Body of Lies (2008) setzen allein in den USA jeweils knapp 50 Millionen US-Dollar um und übertreffen damit Themenfilme zum Irakkrieg wie das starbesetzte In the Valley of Elah (2007) um das Zehnfache. Beide Filme zeigen statt militärischen nunmehr behördliche Einsätze im Nahen Osten, deren Anlass durch den ›Krieg gegen den Terror‹ bedingt ist. Die amerikanischen Interessen in diesem Einsatzgebiet bleiben unhinterfragt. Aufgrund ihrer publikumsträchtigen Wirkung sind sie als ein weiteres Forum zur Verortung der ›9/11‹-Erinnerung zu verstehen. Doch mit welchen Mitteln stellen sie diese her? ›9/11‹ und der ›Global War on Terror‹ in The Kingdom The Kingdom erzählt die Geschichte eines multiethnischen FBI-Teams in Saudi-Arabien. Der Anlass für deren Ermittlungen ist ein Anschlag auf die Wohnsiedlung der Mitarbeiter des amerikanisch-saudischen Erdölkonzerns ARAMCO. Bestehend aus einem African-American, einem JewishAmerican, einem Südstaatler und einer Frau gleicht dieser Trupp dem von Janine Basinger (2003: 56) im World War II Combat Film als genretypische Erscheinung deklarierten und zuletzt in der Traumasequenz von December 7th diskutierten »democratic ethnic mix […] of volunteers.«27 In The Kingdom ist der FBI-Einsatz staatlich nicht sanktioniert. Alle Agenten üben freiwillig Selbstjustiz, initiiert durch den im Selbstmordattentat verursachten Tod eines gemeinsamen Kollegen. Dabei fokussiert die Handlung allein auf das heldenhafte Vorgehen der Agenten und bringt zu keinem Zeitpunkt die Verbindung zwischen dem US-amerikanischen Konzern mit der saudischen Regierung zur Sprache. Bis auf zwei Ausnahmen, sind sämtliche gezeigten Araber – egal ob Frauen, Kinder, alte

26 Bis 2005 gibt es sogar nur vier konkrete Irakkriegsfilme: Courage Under Fire (1996), Three Kings (1999) und Jarhead (2005) (vgl. Eberwein 2010: 122–35). 27 Im Film vergleicht ein US-Regierungsvertreter dieses Team mit »Pattons Third Army« und stellt damit formal die Assoziationen der FBI-Mission mit Operationen im Zweiten Weltkrieg her.

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und junge Männer – wandelnde Zielscheiben für die Gewehre der FBIAgenten. Zu Recht nennt Jack Shaheen (2007: 71) The Kingdom einen »jingoistic Rambo-in-Arabia thriller.« In dieser Weise folgt The Kingdom den Grundzügen, die Edward Said (1979) im Orientalismus erkennt: Sein Hauptanliegen ist die Sichtbarmachung ontologischer und erkenntnistheoretischer Unterschiede zwischen den Denkfiguren ›Okzident‹ und ›Orient‹. Angewendet auf den Film ist der Orient als ein Sammelsurium für die: »deepest and most recurring images of the Other« (ibid.: 1) zu lesen. Dort markieren sinistre, unzivilisierte und infantilisierte Araber den Orientalen. Ein Angebot der FBIAgenten zur kooperativen Verbrechensbekämpfung gemeinsam mit der saudischen Polizei zeigt ihr Vorgehen als: »Western style for dominating, restructuring, and having authority over the Orient« (ibid.: 3). Denn sobald die Machtpositionen zu Gunsten des Okzidents austariert sind, beginnt das FBI im Film, mit Erfolg saudische Polizisten zu schulen. Im Plot von The Kingdom, ist das Vorgehen der FBI-Agenten stets aus der Erinnerung an ›9/11‹: So steht jede thematisierte terroristische Handlung in engem Zusammenhang mit den Anschlägen vom 11. September 2001. Bereits in der Einführung erzählt der Film – per Zeitraffer und Fotomontage – die Entstehung des Königreiches SaudiArabien durch orthodoxe arabische Muslime. Außerdem thematisiert er darin die ersten Kontakte zwischen amerikanischen und saudischen Regierungs- und Wirtschaftsvertretern zur Gründung des arabischamerikanischen Erdölkonzerns ARAMCO. Es folgen Fotos, die die Präsidenten Roosevelt, Kennedy und Nixon mit Vertretern des saudischen Könighauses zeigen, dazu blendet der Soundtrack Gesprächszitate aus einem Interview mit dem einstigen Außenminister James Baker vom Oktober 2001 ein: »They want America present there in the kingdom because we are their security.« Schließlich kulminiert der Zeitraffer im amerikanischen Golfkrieg, stellt in einer Fotomontage turbantragende, bärtige Männer mit einfachen Gewehren den Panzerdivisionen und Infanterietruppen der Amerikaner gegenüber. Dieser Unterschied scheint bildhaft zu verdeutlichen, weshalb Saudi-Arabien Osama bin Ladens Angebot zur Hilfe gegen den Irak ablehnt und sich für das amerikanische Militär entscheidet. Infolgedessen zeichnet sich bin Laden für eine Reihe von Anschlägen auf amerikanische Ziele im Nahen Osten und New York verantwortlich. Der Angriff auf das World Trade Center ist als Endergebnis

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dieser Verkettung gezeigt. Anschließend erinnert die Zusammenfassung daran, dass 15 von den 19 für ›9/11‹ verantwortlichen Terroristen aus Saudi-Arabien stammen. Später im Film nehmen die Figuren Agent Fleury und Colonel Faris Al Ghazi die beiden Anschläge auf das WTC zum Anlass, ihren Fall in Riad erneut aufzurollen. Agent Fleury meint: »Reminds me of when they hit the towers, first time, in '93.« Fleury und Al Ghazi sind der Meinung, bisher nur die Handlanger gefasst zu haben. Ihre Einsicht kommt aus der Erinnerung an den Anschlag von 1993. Denn nur weil damals niemand die Hauptverantwortlichen verhaftete, ist es 2001 den Terroristen überhaupt erst möglich New York erneut anzugreifen. Fleury ist daher der Meinung, ihr Fall sei nicht abgeschlossen: »Nine years later they come back. I got a feeling I’m coming back too.« Noch während sie sprechen, erfolgt ein neuer terroristischer Angriff auf das FBI-Team. In den eben genannten Szenen geben die Anschläge vom 11. September 2001 einen bildhaften Impuls für das reenactment vergangener Ereignisse zur Erklärung der Gegenwart der Filmhandlung. Dabei kennzeichnet der Film Vorgänge im kollektiven Gedächtnis der USA: Eingangs erzählt er eine historisch begründete Ereigniskette zu ›9/11‹. Dabei werden Aufnahmen früherer und jüngerer Vergangenheit vermischt, so etwa im Bildkommentar von Außenminister Baker von 2001 zu den Präsidentenfotos mit Roosevelt, Kennedy und Nixon. Die fragmentierte Wahrnehmung von ›9/11‹, die scheinbare Unerklärbarkeit des Ereignisses, ist durch diese entstellte Form der tradierten Geschichte in eine logische Abfolge umgestellt. Die Produktion wandelt hierbei die Prinzipien der Gegenwart in eine Form, die an Bergsons Beobachtungen zum Verhältnis zwischen dem Sein und der Vergangenheit erinnert: »Vom Gegenwärtigen darf man sagen, dass es in jedem Augenblick ›war‹, und vom Vergangenen, dass es ›ist‹, dass es ewig ist, zu allen Zeiten« (Deleuze 2001 [1966]: 74). So ist The Kingdom als Medium der ›Erinnerungsspuren‹ einer Nation zu verstehen. In ihm sind die historisch tradierten Angreifer aus einem realpolitischen Bezugspunkt, den Anschlägen vom 11. September 2001, mit denselben Angreifern auf der Leinwand zu assoziieren. Kenntlich macht dies Fleury etwa im Dialog mit Al Ghazi, indem er das Personalpronomen ›they‹ verwendet und damit sowohl die Angreifer auf das World Trade Center als auch jene Terroristen meint, gegen die das FBI-Team im Film ermittelt. Aufgrund der Dämonisierung und Infantilisierung aller weiteren

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Araber im Film subsumiert dieses ›they‹ eben deren ethnische Zugehörigkeit unter dem Personalpronomen. So ergibt sich eine problematische Logik im Film: Jede ›arabisch-aussehende‹ Person ist mit Terrorismus gleichgesetzt und zusätzlich werden ihre üblen Absichten aus einem historischen Kontinuum heraus dargestellt. Die erzählte Gegenwart in The Kingdom ist als Folie für die erlebte Mediengegenwart des Filmpublikums zu verstehen: den Kriegen in Irak und Afghanistan. Denn die Handlungen der FBI-Agenten in diesem Terrain sind trotz fehlender Uniformen ähnlich denen des Militärs: In einem finalen Häuserkampf schießt und sprengt sich das Team mit groß- und kleinkalibrigen Waffen seinen Weg bis zu den Drahtziehern frei. Dass The Kingdom Saudi-Arabien als einen von Terroristen durchsetzten Schauplatz dieses Krieges impliziert, erleichtert nicht nur, wie Shaheen (2007: 71) meint, dem Zuschauer, jegliches Mitgefühl für ›sterbende Zivilisten im Irak, Libanon, Pakistan und anderswo‹ zu verlieren. Es erleichtert ihm auch, den Ort dieses Krieges zu simplifizieren und die Erinnerung an die Ursachen für ›9/11‹ dorthin zu versetzen, wo Tradition und Moderne in einem ontologisch begründeten, bellikosen Widerspruch zueinander stehen. So scheitert The Kingdom darin, einen operativen Anschluss zur Traumaverarbeitung zu schaffen. Denn indem er ein dezidiertes Feindbild in einem konfliktbeladenen Ort erschafft, ein Fremdes, das alle Gewalt in sich vereint, verkommt die traumatische Erinnerung an ›9/11‹ zur Rechtfertigung für das gnadenlose Vorgehen der FBI-Agenten. Der Film ist daher einzig als verdeckte Kriegspropaganda zu verstehen, die das Trauma nutzt, um Widerstand gegen den laufenden Krieg zu mindern und die binäre Darstellung eines guten Selbstbildes und eines Feindlich-Fremden zu fördern. Trauma und der ›Krieg gegen den Terror‹ in Body of Lies Auch Body of Lies ist über eine indirekte Thematisierung des ›Krieges gegen den Terror‹ auf der Suche nach einem operativen Anschluss an ›9/11‹ als kulturelles Trauma. Aus der Erzählposition des CIA-Agenten Roger Ferris in Samarra vermeidet der Film ebenso wie The Kingdom eine narrative Einbindung des Militärs in die Filmhandlung. Allein kurze Momentaufnahmen zeigen Soldaten als Opfer eines Hinterhalts in den Straßen der irakischen Stadt, als Helden im Militärhubschrauber bei einer Rettungsmission und als medizinische Helfer bei der Behandlung des

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verletzten CIA-Agenten in einem miltiärischen Stützpunkt. Für diese Szenen arbeiteten die Filmemacher mit dem marokkanischen Militär zusammen (vgl. S. 75 und FN 20), sie stehen jedoch niemals im Mittelpunkt der Handlung. Vielmehr sucht Body of Lies über einen verdeckten Militarismus einen Anschluss an das kulturelle Trauma ›9/11‹ herzustellen. Hierzu schlägt der Text einen ambivalenteren Weg ein als The Kingdom. Denn statt einer Vergeltungsmission fokussiert der Film den Folterdiskurs. Diese Wahl erinnert an die von Foucault (1991 [1977]: 122) geprägte »Regel der taktischen Polyvalenz der Diskurse.« Damit betont er, dass ein Diskurs niemals allein für oder gegen eine Seite der Macht ist. Stattdessen aber »befördert und produziert« er eine Macht und »unterminiert« sie im selben Moment, macht sie »zerbrechlich und aufhaltsam.« Sein populärstes Beispiel hierzu ist die kontrollierte »Perversion« von »Homosexualität« etwa in psychiatrischen, juristischen und literarischen Diskursen des 19. Jahrhunderts. Zwar führen sie zu einer Stigmatisierung des Homosexuellen, räumen jedoch zugleich Platz für den Gegendiskurs ein und lassen das stigmatisierte Subjekt selbst zu Wort kommen. Bis heute bewahrt dieser Diskurs eine sozial gemachte Homophobie. Eine ähnliche Methodik ist in Body of Lies erkennbar. Der Film versucht das nationale Trauma ›9/11‹ im Hinblick auf die mit dem ›Krieg gegen den Terror‹ in Verbindung stehenden Folterdebatten um Guantánamo Bay und Abu Ghraib aufzulösen.28 Body of Lies macht diese Folter sichtbar und lässt damit Raum für einen umgehenden Widerstand gegen diese Bilder. Allerdings schafft er durch eine methodische Visualisierung und Kontextualisierung der Bilder diesen Widerstand abzubauen. Denn obgleich die im Nahen Osten und den USA angesiedelte Filmhandlung formal der amerikanischen Regierung und

28 Im Frühjahr 2004, als die Öffentlichkeit erstmals vom Bybee/Yoo-Memo hörte und die ersten Bilder aus Abu Ghraib sahen, entbrannte die Kritik an den Foltermaßnahmen, denen immer neue Enthüllungen folgten. Alberto J. Mora, der bereits im Verteidigungsministerium als Redeführer gegen diese Befragungsmethoden kämpfte, bringt das Entsetzen über die angewandten Methoden auf den Punkt: »Cruelty disfigures our national character. It is incompatible with our constitutional order, with our laws, and with our most prized values…« (zitiert in Mayer 2008: 236). Interessanterweise greift Mora für sein Argument auf die Denkfigur eines physischen wie psychischen Zusammenhalt einer Nation zurück, dem ›national character‹.

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ihrem Kriegstreiben kritisch begegnet, evoziert der Film gerade in seinen Folterszenen ein positives Selbstbild der Nation und ein dezidiert feindlichfremdes Gegenüber. Dazu kontextualisiert der Film bereits in der ersten Einstellung den Zweiten Weltkrieg mit der Welt nach ›9/11‹, indem er allein vier Zeilen aus der zweiten Strophe von W. H. Audens Gedicht »September 1, 1939« zitiert [vgl. DVD 20]: »I and the public know / What all schoolchildren learn, / Those to whom evil is done / Do evil in return.« Ohne diese Zeilen zu kontextualisieren und ihre Position im gesamten lyrischen Text auszuhandeln, verschärft der Film mit dem ersten Bild eine bestimmte Lesart. Denn weil sich an diese Einblendung eine Szene zur Vorbereitung eines terroristischen Anschlags in Manchester anschließt, sind die Positionen des Aggressors und des Verteidigers ausgehandelt. Dabei lässt das Gedicht eine wesentlich ambivalentere Lesweise zu: Auden schreibt es während des Zweiten Weltkrieges mit Blick auf die alleinige Schuldzuweisung Deutschlands am Ersten Weltkrieg und die Machtergreifung durch Adolf Hitler.29 Nach ›9/11‹ ist Audens Gedicht eine oft zitierte, stark verkürzte Chrie in Radiobeiträgen, Zeitungsartikeln und nun eben auch im Film. Body of Lies versucht die eingangs festgeschriebene Ethik Audens zur Lösung des nationalen Traumas auf den Folterdiskurs anzuwenden. Im Zentrum des Filmes stehen die beiden CIA-Agenten Roger Ferris und Ed Hoffmann. Während Hoffmann von Langley, Virginia, aus per Satellitentelefon, Headset und Computertechnologie befiehlt und taktiert, ist Agent Ferris eingangs vor Ort im Irak im Einsatz. Wie die erste Einstellung auf Ferris zeigt, plagt ihn eine Erinnerung: Der establishing shot zeigt in einer Totalen die Stadt Samarra im Irak. Als ein orientalischer Streicher aus dem Off erklingt, wechselt die Totale zu einer Großaufnahme, die langsam den Körper von Agent Ferris von den Füßen bis zu seinem

29 Deutlich wird dies in den fehlenden Zeilen dieser Strophe: »Accurate scholarship can/ Unearth the whole offence/ From Luther until now/ That has driven a culture mad,/ Find what occurred at Linz,/ What huge imago made/ A psychopathic god.« Auden versinnbildlicht die Verschränkung von Geschichte, Geschichtsschreibung und ihre Weitergabe durch ›Wissensbevollmächtigte‹. Er nennt Hitlers Jugendstadt Linz und impliziert dessen Machtwahn aus dem Jungschen Verständnis des Imagos, hier dem kollektiven Unbewussten in der deutschen Geschichte.

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Kopf abfährt. Am Ende dieser Fahrt dient die fragende Stimme von Ed Hoffmann als asynchroner Bildkommentar: »Do we belong there, do we not?« Die Szene schneidet zu einer leicht blaugefärbten, halbnahen Aufnahme eines sitzenden Mannes, der von einem Soldaten – kenntlich gemacht durch die für das Militär übliche Namensplakette – einen Mundknebel angelegt bekommt. In einer raschen Schnittsequenz und in halbnahen Aufnahmen schlägt ein zweiter Soldat diesen Mann wiederholt mit einem Prügel. Dabei enden die schnell geschnittenen Szenen kurz vor dem Auftreffen des Knüppels am Körper des sitzenden Mannes. Im diegetischen Ton schließt sich daran ein lauter Aufschlag und dumpfer Schrei an. Nach drei Wiederholungen prüft der zweite Soldat den Puls des sitzenden Mannes und ruft ein »He’s dead« aus den Bildrahmen. Im nächsten Schnitt ist eine halbnahe Aufnahme von Agent Ferris im Vordergrund der Folterszene zu sehen, der er den Rücken kehrt. Die diegetische Tonspur nimmt erneut Hoffmanns Stimme auf: »It is a fallacy that prolonged war will weaken an occupied enemy, it most likely will make your enemy stronger.« Abschließend schneidet die Szene in den urpünglichen Farbton zurück auf das Gesicht von Ferris in Samarra.30 Der Film variiert das Folter-Sujet und präsentiert zunächst eine Gegenposition: Als Ferris in Jordanien von Hani, dem Leiter des jordanischen Geheimdienstes, vorgeführt bekommt, wie er »the king’s espionage laws« einem Doppelagenten erklärt, stellt die Kamera denselben Farbton der Foltererinnerung her. Ferris beobachtet durch ein Fenster, wie ein mit einem weißen Kittel bekleideter Mann den völlig entkleideten Doppelagenten auspeitscht. Doch dieses Mal blenden die Schnitte die Schläge nicht aus, vielmehr positioniert sich die Kamera hinter den Beobachtern und blickt mit einem ruhigen Bildrahmen und halbnaher Einstellung durch das Fenster. Hani fordert Ferris auf zuzuschauen als er sich abwenden will. Ferris fragt »I thought you didn’t believe in torture, Hani Pasha.« Hani entgegnet: »This is punishment, my dear. It's a very different thing.« Ein zweites Mal tritt ein muslimischer Folterknecht auf, als Ferris selbst das Opfer ist. Arretiert mit Beinfesseln sitzt er auf einem Stuhl, die Hände auf einen Tisch gebunden. Sein Gegenüber ist Al-Saleem, Anführer

30 Die Erinnerung kehrt wieder, als Ferris bei einer Verfolgungsjagd beinahe das Leben verliert und ein weiteres Mal, als er selbst zum Folteropfer wird. Diese Wiederholung markiert sie als traumatisch.

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der gesuchten Terroristen im Film, von Ferris eingangs als ›den weißen Wal‹ bezeichnet. Hinter Al-Saleem positioniert sich eine Schar bärtiger, mit Turbanen verhüllter Männer um eine Kamera. Sie filmen, wie Al-Saleem einen Finger von Ferris mit dem Hammer zerschlägt. Anschließend weist der Peiniger sein Opfer darauf hin, dass eine Kamera auf ihn gerichtet sei, woraufhin Ferris Al-Saleem anspeit. Den Speichel von seinem Gesicht wischend fragt Al-Saleem: »What do you think is happening here, Mister Ferris? Do you think the Cavalry is coming for you? […] Nobody is coming for you. Welcome to Guantánamo.« Danach zertrümmert er einen weiteren Finger und wendet sich ab, seine Männer ›kümmern sich‹ um Ferris. Als sie ihn unter großem Widerstand auf den Tisch legen, um eine Dekapitation vorzubereiten, erklärt der Folterknecht: »This is punishment for the non-believer.« Anschließend schneidet der Film in die eingangs gezeigte Folterszene. Als asynchroner Kommentar überlagert nun der diegetische Ton aus dem Folterkeller die ›Erinnerung‹. Als das erste Bild dieser Sequenz erscheint, sagt Ferris’ Henker: »There is no need to resist.« Die Erinnerung endet unter den »Gott ist groß«-Rufen der Peiniger, deren Vorhaben der jordanische Geheimdienst schließlich rechtzeitig vereitelt. Zwei unterschiedliche Positionen von Folter und Bestrafung verdeutlichen in Body of Lies eine charakterliche Differenz zwischen dem CIA/US-Militär und den Arabern im Film. Letztere erscheinen in einer tieferstehenden Position, egal, ob sie als Helfer oder als Feinde in Erscheinung treten. So wird etwa die Folter der Amerikaner nicht konkret als solche deklariert, ein Kontext wird nicht hergestellt, und die Schläge sind in einer Bildfolge arrangiert, die das Ausmaß an Gewalt nur suggerieren aber nicht zeigen. Ganz anders die arabischen Bestrafungsmethoden: Hier ist das gesamte Ausmaß der rohen Gewalt zu erkennen. Diese Bilder verdeutlichen eine fehlende Zivilisiertheit. Obgleich Hani gekleidet ist wie ein Mann des Westens, unterstützt er die unmenschliche Form der Folter unter dem Deckmantel einer Bestrafung. Teuflischer ist Al-Saleems Vorhaben, Ferris vor laufender Kamera zu enthaupten. Body of Lies reiht sich damit ein in eine seit 2006 bestehende Tradition, nach der das Hollywoodkino Enthauptungen von US-Staatsbürgern durch Araber häufiger andeutet.31 Hintergrund

31 Die erfolgreichsten Filme, die Köpfungen zeigen bzw. implizieren, sind: A Mighty Heart (2007), The Kingdom (2007) und Body of Lies (2008). Köpfen als Bestrafung sei den meisten Muslimen übrigens unbekannt, meinen Gassel und

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sind die Hinrichtung von Daniel Pearl in Pakistan im Februar 2002, die über das Internet verbreitete Dekapitation von Nicholas Berg im Mai 2004 im Irak und die von Paul Johnson in Saudi-Arabien im Juni 2004. Dass Hollywood diese Bilder aufgreift, nachdem der Rückhalt für den Krieg im Irak in der Bevölkerung schwindet und die Kritik an den Folterbildern aus Abu Ghraib und Guantánamo steigt, gibt ihnen die Funktion eines Gegenbildes. Hentschel (2005: 71) sieht hierin eine Gefahr der Autoimmunisierung vor Kriegsbildern: »Denn erst, wer sich vor Bildern mit Bildern schützen und immunisieren will, empfindet sie als bedrohlich. Da fängt die grausame Autoimmunität an.« So wiegt das Gegengewicht der im Film gezeigten Bestrafungen schwerer als die eingangs dekontextualisierten und rapide geschnittenen Folterszene. Ferris’ Folter konnotiert Ursachen und Vorgehen im laufenden ›Krieg gegen den Terror‹. Sein Charakter bietet dabei zwar die größtmögliche Identifikationsfläche für den Zuschauer, er ist aber zugleich äußerst problematisch. Denn als CIA-Agent ist er eben einer der Vertreter, gegen die sich die Kritik an der Folter in den realpolitischen Gegenwartserfahrungen des Publikums richtet. Ferris findet sich somit im Dilemma eines klassischen amerikanischen Helden wieder: Er steht zwischen den Fronten einer als korrupt und oppressiv empfundenen Staatsbehörde der zivilisierten Welt, dem CIA, in dessen Spiel von Folter, Doppelagenten, Lügen und Satellitenüberwachung er eingebunden ist, und den als blutig und gnadenlos dargestellten männlichen Arabern, die Folter als legitime Bestrafung verstehen. Niemand anderes als ein Vertreter eben dieser ›anderen‹ Folterethik hätte Ferris in der finalen Sequenz retten dürfen. So steckt eine gewisse Logik darin, dass in der Handlung ausgerechnet der jordanische Geheimdienst und nicht der CIA Ferris befreit. Zwar kann Ferris seinen Blick von der eingangs als verstörend gezeigten Folter abwenden. Doch als sie in der abschließenden Sequenz wiederkehrt, ist diese Verstörung aufgehoben. Nun erscheint sie als sinn-

Klare (2004). Bereits im Zweiten Weltkrieg waren Bilder, die japanische Soldaten beim Akt der Köpfung eines Gefangenen zeigen, oft in den westlichen Medien zu sehen. Sie implizierten unzivilisierte und unmenschliche Japaner. Moeller (1996: 31) sieht ihre Funktion darin, »to justity the American press’s publishing of graphic evidence of savage Allied and American treatment of the Japanese.«

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stiftendes und legitimes Kriegsinstrument. Denn Ferris Zweifel am Sinn der Folter lösen sich auf, als sich seine Position als Al-Saleems Jäger umkehrt zu Al-Saleems Jagdbeute.32 Er ist es auch, der Ferris von seiner Traumaerinnerung befreit, indem er ihn gleich zweifach schwer verwundet. Freud hypothetisiert zur traumatischen Neurose in Jenseits des Lustprinzips (2000 [1920]: 243), »daß eine gleichzeitige grobe Verletzung durch das Trauma die Chance für die Entstehung einer Neurose verringert.« So mindern die mechanische Stärke der durch Al-Saleem angewandten Gewalt und das daraus resultierende extreme organische Leiden von Ferris die Weiterführung der Traumaerinnerung. Kenntlich gemacht wird dies in der Folterszene durch den Kommentar von Ferris’ Henker zur Einleitung der Erinnerungssequenz: »There is no need to resist.« Außerdem kehrt Ferris die in die Traumaerinnerung investierte Energie um in eine Aggression gegen den Peiniger, ausgedrückt durch sein degradierendes Anspeien Al-Saleems. Die Aufgabe seines Widerstands gegen die Traumaerinnerung und das Zulassen der Bilder der eingangs gezeigten Folter bejahen auch die dort gestellte Frage von Ed Hoffmann: »Do we belong there, do we not?« Das Personalpronomen »we«, gekoppelt an Ferris’ Leiden, summiert sich zu nationalem Leiden, Ferris’ Trauma symbolisiert somit einen kulturellen Furchtzustand: die objektfixierte Furcht vor den Bildern der Folter in Guantánamo oder Abu Ghraib als Resultat des ›Krieges gegen den Terror‹. Ferris’ Durchleben seines Traumas gibt den Umgang mit den Bildern der Folter in der Erfahrungswelt der Zuschauer vor: es gibt keinen Grund, sich gegen sie zu wehren. Denn aufgrund der gezeigten Gegenbilder erscheint die kontrollierte Gewaltanwendung gegen sogenannte Terrorverdächtige als legitimiert.33

32 Diese Position gleicht der von Ahab in Moby Dick, der als Jäger am Ende des Romans selbst zum Gejagten wird – Ferris bezeichnet zu Beginn des Films AlSaleem als ›the white whale‹. 33 Ferris entkommt der Gewaltspirale, indem er sich von allen Verpflichtungen am Ende lossagt und mit den Arabern siedelt. Er handelt dabei ganz im amerikanischen Pioniergeist und bereitet in diesem frontier-Terrain den Boden für den Westen. An seiner Seite ist die Iranerin Aisha, mit der er eine einflussreiche Lebensgemeinschaft gründen wird. Denn Aisha kennzeichnet im Islam den Namen der dritten Frau Mohammeds. Historiker sehen in ihr eine der

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Zwischenergebnis Die drei genannten Filme zur ›9/11‹-Erinnerung sind als Chiffre für den laufenden ›Krieg gegen den Terror‹ zu lesen. Ihre Funktion gleicht der des Pearl-Harbor-Filmes: es gilt die Angriffe vom 11. September 2001 als monokausale Provokation darzustellen, ausgeführt von ihrer Natur nach kriegswilden Orthodoxen, die keine Niederlage akzeptieren.34 Hierzu konstruieren die Filme die Handlungen der Angreifer aus einer religiösen Ideologie heraus. Sie entziehen ihnen die politische Schlagkraft. Das durch diese Angreifer ausgelöste Trauma bestärkt sowohl die Verortung der Erinnerung an ›9/11‹ als auch die Legitimität des ›Krieges gegen den Terror‹. Als zentrale Metapher zitieren sie den symbolischen Ort des kulturellen Traumas ›9/11‹. Manhattan erscheint in den Filmen über Medienbilder, als digitales Relief oder als symbolische Referenz in Gesprächen. Will die Hollywoodkamera die Ereignisse des ›11. Septembers‹ einfangen, so ist Manhattan nach wie vor ein undarstellbarer Ort in Produktionen fern eines Dramenkontextes. In den zur Militärpropaganda eingesetzten Produktionen ist der Ursprung des Traumas verdrängt durch funktionalisierte Ersatzbilder. Alle drei Kriegsfilme werben für eine Rechtmäßigkeit des ›Krieges gegen den Terror‹ und all den damit verbundenen Konsequenzen. Die Filme verweisen stets auf die Medienrealität und Lebenswelt ihrer Zuschauer. Dabei setzen sie Kontrapunkte zu den unerträglichen Folter- und Kriegsbildern, die seit 2003 die westliche Öffentlichkeit spalten. In United 93 und The Kingdom erlebt der Zuschauer, ähnlich den Pearl-HarborFilmen, das Leid der Passagiere von Flug 93 bzw. des multiethnischen FBI-

ersten Gelehrten des Islams. Millionen von muslimischen Frauen verehren sie heute als Vorbildfigur. 34 Eine besonders beliebte Strategie ist es dabei, Wahhabisten als prototypische Vertreter des Islam zu zeigen. Sie sind als Anhänger eines Islamismus zu verstehen, der »eine universell-totalitäre Weltanschauung« anstrebt (Tibi 2004: 20). So zeigt bereits The Kingdom im ersten Bild eben diese Muslime beim Aufbau des Königreiches Saudi-Arabien. Die Terroristen/Araber des Filmes erscheinen so als Gefangene ihrer Geschichte: Von Anbeginn an setzen sie mit Waffengewalt eine extreme religiöse Ansicht durch und machen sie zur Regierungsgrundlage.

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Teams. In ihnen werden die gezeigten multikulturellen Vertreter der amerikanischen Nation zu einem Kollektiv und ihre Einzelpersönlichkeit tritt im gegenseitigen Helfen und Vergelten zurück. Die gezeigten terroristischen Angriffe sind Auslöser von unvorbereiteten Extremsituationen, die auditiv wie visuell mit einem stark negativen Affekt verbunden sind.

3.3 R ESÜMEE Die in diesem Kapitel diskutierten Filme thematisieren unterschiedliche Traumata. In ihrer Repräsentation gibt es einige Gemeinsamkeiten. Ein verbindendes Element der Filme ist ihre publikumsträchtige Aufführung im Kino. Dort kommen Menschen zusammen und erleben über eine synästhetische Dimension Einfühlung und Idealisierung mit den Bildern der Leinwand. Das Publikum interagiert mit dem visuell und auditiv erlebbaren Spektakel über emotional-kognitive Reaktionen. Das heißt, jedes Publikum assoziiert seine Erfahrungen aus der privaten Erlebniswelt mit den Bildern auf der Leinwand. Mit ihnen tritt es in Verhandlung über das entsprechende Bild zu einem Gefühl. Das Bild der Pearl-Harbor-Erinnerung entsteht darin als gefühltes Ergebnis eines sozialen Prozesses. Regierungsorgane nehmen Einfluss auf diesen Prozess durch ihre Beteiligung an der Produktion dieser filmischen Erinnerungen. Die vorherrschenden Funktionen der Pearl-Harbor-Filme und der Kriegsfilme nach dem ›11. September‹ sind staatliche Disziplinierung und Normindoktrinierung. Sie implizieren nationale Geschlossenheit und idealisieren eine Einfühlung für das jeweilige Kriegsunterfangen des Staates. Mit Ausnahme von Tora!, der bürokratische Konfusion und Hindernisse thematisiert, ist das Militär in all diesen Filmen als eine widerspruchsfreie Einheit symbolisiert, die die Wahrnehmungen der Zivilisten auf der Leinwand teilt und die Trennung zwischen der Privaten und Öffentlichen Sphäre aufhebt. Die traumatische Erinnerung, die in diesen massenmedialen Texten als bildhafte Wunde erscheint, dient dazu, den laufenden Krieg als kategorischen Imperativ festzuschreiben. Indem die beiden Ausformungen der hier diskutierten Kriegsfilme auf eine Dämonisierung des Feindes abzielen, seine bellikose oder unzivilisierte Natur zeigen, erzeugen sie ein konkretes Feindbild. In den vorliegenden Beiträgen ist ein Großteil der japanisch oder arabisch aussehenden Personen den Werten und Normen der gezeigten Amerikaner gegenüber

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gestellt. Ihr Vorgehen ist entpolitisiert und auf eine kriegswilde Natur oder einen religiösen Fanatismus zurückgeführt. Mit diesem Feindbild bestimmen die Filme über visuell-auditive Reize die auf psychischer Ebene vorgegebenen und kontrollierbaren Grenzen persönlicher Ängste. Indem sie dieser Angst bildhaft eine traumatische Erinnerung entgegensetzen, erleichtern die Kriegsfilme die Übertragung der durch Angst empfundenen psychischen Belastung auf das gezeigte Feindlich-Fremde. Dabei überdeckt die jeweilige Traumasequenz auf der Leinwand die individuellen und kollektiven Traumata der Zuschauer. 1943 mögen dies persönliche Verluste, die Internierung von japanischstämmigen Staatsbürgern im Inland und die lebensweltlichen Belastungen des Krieges sein. Nach dem Krieg enstehende Pearl-Harbor-Filme werben um die Rechtmäßigkeit der eingesetzten Mittel und überdecken das durch das Schicksal von Sadako Sasaki, die zahlreichen Bilder der Hibakusha und den Hiroshima Maidens öffentlich bekannte Ausmaß des sogenannten ›atomaren Holocausts‹ über Hiroshima und Nagasaki. Die Filme nach ›9/11‹ entwerfen ebenfalls Gegenbilder zu den über die Medien bekannten Aufnahmen aus Abu Ghraib und Guantánamo sowie der Kriege in Irak und Afghanistan. Die gezeigte traumatische Erinnerung ist hier funktionalisiert zu einem Gegenbild, einer Deckerinnerung. Diese Bilder sind deshalb schwer zu ertragen, weil in ihnen die überdeckte Erinnerungsspur stets auch zum Tragen kommt. Statt eines konstruktiven Durcharbeitens des mediatisierten Traumas anhand der Bilder erfolgt eine Rechtfertigung kriegerischer Mittel mit den Bildern. Die dem Trauma zugrunde liegende Geschichte ist in den Filmbildern in eine geradlinige Erzählfolge eingebunden, in einer durch ›Wissensbevollmächtigte‹ verfassten Abfolge wiederholt und schließlich national sinnstiftend umgeschrieben. Die diskursive Polyvalenz der filmischen Repräsentation dieser Erinnerungen, die am deutlichsten in Tora! und Body of Lies zum Tragen kommt, erlaubt Raum für Gegenpositionen zum historischen Verständnis des Krieges. Jedoch stehen diese Erinnerungen unter der narrativen Prämisse des Zweiten Weltkrieges als einen ›guten Krieg‹, die gleichsam die dargestellte Trauma-Erinnerung als national sinnstiftend zeigt – in den beiden Filmen sind dies die Metapher des ›schlafenden Giganten‹ und die gelenkte Deutung von W.H. Audens Gedicht »September 1, 1939.« Zusammengefasst vermitteln die hier vorgestellten Pearl-Harbor- und ›9/11‹-Filme die Standards der Gewaltausübung und -erfahrung, das

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›othering‹ eines Feindbildes und sie verweisen auf die Autoritätsverteilung in der Anwendung von Gewalt gegen den jeweiligen Aggressor. Politische Akteure kontrollieren die filmische Repräsentation von unterschiedlichen Ebenen aus. Den Staatsapparat vertreten sie als Zensurbehörden bzw. als Geldgeber für die Produktion. Die Standards des jeweiligen Krieges werden durch sie von der oberen Hierarchieebene zur untersten verteilt. Das kontrollierte Bedienen der jeweiligen traumatischen Erinnerung in den Filmen, der Bilder menschengemachter Traumata und ihrer Bewältigung durch kriegerische Mittel, kann daher: • Die Symbolik des Traumas zu einer kollektiven Erfahrung wandeln. • Den jeweiligen Erinnerungsort zu einem nationalen Symbol eines ›Day

of Infamy‹ durch das Hervorrufen von Schamaffekten und Bildern kollektiver Bewältigung erheben. • Das Feindbild ausreichend stereotypisieren. • Den kriegerischen Gegenschlag inklusiver aller Opfer legitimieren. Die dargestellte Kriegsgewalt ist demnach keine Anomalie im nationalen Konzept der zivilen Gemeinde. Auch Gewaltausübung ist nicht tabuisiert. Durch den Kriegsfilm wird allein die Art und Weise, wie aggressive Triebe zu kanalisieren sind, geprägt. Das erinnernde Erzählen als typischer Duktus des Genres baut die Distanz des mitdenkenden Publikums gegenüber ›Pearl Harbor‹ und ›9/11‹ ab. Der jeweilige symbolische Angriff auf die USA wird hierdurch von der Leinwand auf die Ebene der Selbsterfahrung übertragen. Die symbolischen Repräsentationen von ›Pearl Harbor‹ und ›9/11‹ werden demnach fest im Bewusstsein der US-amerikanischen Gesellschaft verankert. Um als Teil dieser Gesellschaft den Eintritt der Nation in die jeweiligen Kriege zu verstehen, müssen ›Pearl Harbor‹ und ›9/11‹ gleichsam als Verletzung des nationalen Bewusstseins und als Moment der Wiedergeburt aktiviert werden. Daher ist die Zirkulation narrativ-affektiver Züge der Pearl-Harbor-Erinnerung bis in die Gegenwart notwendig, um das Bild der USA als einen militärisch organisierten Aggressorstaat auch weiterhin abzuwenden und die nationalen Mythen zum Zusammenhalt der fiktiven Gesellschaft aufrechtzuerhalten. Patriotismus, das Manifest Destiny und die westliche Übermacht sind daher Schlüsselelemente in der PearlHarbor-Erinnerung. In Kombination mit der Präsentation militärischer Übermacht, der besseren Waffentechnologie und der immer detaillierter

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werdenden ästhetischen Dimension des Krieges auf der Leinwand, revolutioniert der Pearl-Harbor-Kriegsfilm bis heute den Zweiten Weltkrieg Hollywoods. Daher sind Metaphern dieses Krieges als Weiterführung von ›Pearl Harbor‹ zentrales Element der ›9/11‹-Erinnerung.35 In ihrem Zusammenwirken besetzen diese Elemente die Erinnerung an ›Pearl Harbor‹ und ›9/11‹ mit einem stark negativen Affekt, der auf heterostereotype Feindbilder zu projizieren ist. Die Beständigkeit dieser Feindbilder unterliegt einem Automatismus, der in massenmedialen Texten auch fern des Kriegsfilmes wiederkehrt. Kapitel 4 untersucht dieses Zusammenspiel zwischen traumatischer Erinnerung und den Feindbildern nun näher.

35 Zur Erinnerung: United 93 übernimmt ästhetische und narrative Formen von December 7th, die Protagonisten von The Kingdom sind mit »Patton’s Third Army« verglichen (vgl. FN 27), Body of Lies stellt seiner Erzählung W.H. Audens Gedicht »September 1, 1939« voran und schafft so von Anfang an eine Atmosphäre, die auf die Kontexte des Zweiten Weltkrieges rekurriert.

4 Heterostereotype Darstellungen des Feindlich-Fremden: Die Pearl-Harbor-Erinnerung in ökonomischen Diskursen

TOSHIO: They all care about survival. SHARYN: I’ve got no choice. It’s trade. SHIMADA: Is hundred years war […] JILL SHEARER/SHIMADA (1989) »Ladies and Gentlemen, what happened tonight was an attempt by someone to destroy the government of the United States […] But I’m sure of this: America is much harder to destroy than people are. […] A lot of fine people were killed only a few minutes ago, but America is still here. We’ve fought another war and won it. We’ve survived an attack on our economy and we’ll survive this too.« TOM CLANCY/DEBT OF HONOR (1994)

Die eben diskutierten Kriegsfilme vermitteln eine zentrale Funktion der Pearl-Harbor-Erinnerung in der staatlichen Disziplinierung und Normindoktrinierung. Ebenso weisen die Filme darauf hin, dass die Darstellungen des Undarstellbaren als Gegenbilder zu lesen sind, die dazu dienen, die

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Folgen einer traumatischen Erfahrung zu überdecken oder nachträglich zu rechtfertigen. Vor allem aber zeigen die Analysen, dass im Zentrum der Filme stets ein positives Selbstbild steht. Das Feindlich-Fremde ist als Gegenpol, als eine dezidiert von außen kommende Macht dargestellt. Dabei sind die jeweiligen Aggressoren als relativ homogene Masse gezeigt, die die Angriffe auf die USA ohne jegliche politische Agenda ausführt. Ihre Motivationen sind meist durch einen irrgeleiteten religiösen oder ethnisch geprägten Fanatismus erklärt. Das vorliegende Kapitel spürt nun diesen änderungsresistenen Stereotypen gegenüber den als fremd empfundenen Kulturen, den sogenannten Heterostereotypen, nach. Es untersucht ihre Tradition und diskutiert ihre Beständigkeit fern eines Kriegskontextes. Trifft es zu, dass ›Pearl Harbor‹ und ›9/11‹ als nationale Traumata zu verstehen sind, so müssen öffentliche Diskurse zur Bewahrung des Selbstbildes einer friedliebenden Nation ein durch Stereotype konkretisiertes Feindlich-Fremdes außerhalb dieser Nation wiederholen. In dieser Form kann eine national propagierte Phobie die Übertragung gesellschaftlicher Ängste auf ein Feindlich-Fremdes gewähren. Um eine Großgruppe aus ihrem Traumazustand und einer Angststarre zu befreien, müssen diese Stereotype über die Aufschreibsysteme ihres kommunikativen Gedächtnisses weitererzählt werden. Stereotype stellen somit ein wichtiges Symptom in der Analyse von traumatischen Erinnerungen dar. Um die Nachhaltigkeit eines Traumas zu prüfen, hilft es, die Erneuerung der Stereotype nach der Traumaerfahrung zu untersuchen. Und zwar dann, wenn sie in einem gesellschaftlichen Kontext fern dem traumaauslösenden Ereignis wiederkehren, um eine neue Angsterfahrung sinnstiftend aufzulösen. Die folgenden Absätze gehen hierfür auf generelle Annahmen zur Wirkung von Stereotypen nach Sander L. Gilman ein, deren spezifische Ausprägungen in den beiden anschließenden Teilkapiteln zur Diskussion stehen. Stereotypisierung, so Gilman (1985: 12), ist eine notwendige Strategie, um individuellen Ängsten vor einem Kontrollverlust vorzubeugen: »Stereotypes can assume a life of their own, rooted not in reality but in the myth-making made necessary by our need to control our world.« Mythen und Selbstbilder arbeiten Hand in Hand bei der Erzeugung von Stereotypen. Ändert sich die Selbstwahrnehmung, ändert sich auch die stereotype Vermittlung über das kulturell Andere: »As we seek to project the source of our anxiety onto objects in the world, we select models from the social

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world in which we function« (ibid.: 20). So dienen Stereotype einerseits dem Schutz der Selbstwahrnehmung, andererseits erfüllen sie in der SteiAbbildung 15: Beispiele der Kriegsposterausstellung »Artists for Victory« im New Yorker MoMA im Herbst 1942, abgedruckt in LIFE am 21. Dezember 1942

Quelle: © 1942 MoMa, New York.

gerung des Selbstwertes eine soziale Funktion. Sie helfen folglich, komplexe Umstände einer negativen Erfahrung aufzulösen. Doch wie ist es um die Flexibilität von Stereotypen bestellt? Aufbauend auf Gilmans Hypothe-

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se (vgl. ibid.: 18), dass Stereotype immer dann entstehen, wenn die Selbstintegration gefährdet sei, sieht Renov (vgl. 1994: 100) in Kriegszeiten den Ursprung von Feindbildern in einer von einem Kollektiv empfundenen Gefahr für die eigene Ganzheit.1 Zur Erzeugung dieses Feindbildes macht Renov (vgl. ibid.: 106) zwei archetypische Attribute aus – Wahnsinn und Wildheit – und sieht diese in der Kriegspropaganda bestätigt.2 Trotz aller Flexibilität scheinen Stereotypen in Kriegszeiten als Heterostereotypen zu fungieren. Renov (ibid.: 101) schließt folgerichtig: »A state of war evinces a kind of cultural pathology, a general inability (or unwillingness) to treat people of an ›other‹ designation as individuals.« Löst sich aber dieser Kontext auf, was passiert dann mit den Darstellungen ehemaliger Aggressoren? Unterliegen sie der von Gilman angenommenen Flexibilität oder bleiben sie rigide? Die folgenden Analysen populärkultureller Beiträge in wirtschaftlichen Krisenzeiten der USA untersuchen die Beständigkeit von Feindbildern in kriegsfernen Kontexten. Dabei, so die Hypothese, basieren Darstellungen des Anderen auf fixen mediatisierten Bildern, deren Ursprung in der Pearl-Harbor-Erinnerung liegt.

1

»If, as Gilman states, ›stereotypes arise when self-integration is threatened,‹ it becomes possible to see wartime stereotyping as the manifestation of a shared and heavily reinforced perception of a threat to national integrity« (Renov 1991: 100).

2

Ein prominentes Beispiel sei die Kriegsposterausstellung »Artists for Victory« im New Yorker MoMA im Herbst 1942, deren Abdrucke in LIFE vom 21.12.1942 die amerikanische Nation erreichen. Darstellungen von Nazis, die Massenmord und Gewalt zeigen, sind in diesen Bildern meist der Kirche oder einer Menschenmenge entgegengestellt [vgl. Abb. 15]. Japaner hingegen besitzen tierische Züge, symbolisieren einen Dolchstoß und treten als Vergewaltiger auf. Eine aktuelle Zusammenfassung der Kriegsplakate ist in dem von Aulich (2007) editierten Begleitkatalog zur Ausstellung »War Posters: Weapons of Mass Communication« des British Imperial War Museum zu finden. Auf Darstellungen der Japaner geht Kapitel 4.1 näher ein.

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4.1 D IE ›G ELBE G EFAHR ‹ UND DIE P EARL -H ARBOR E RINNERUNG IM H OLLYWOODKINO ZUR Z EIT DES JAPANISCHEN W IRTSCHAFTSBOOMS Nach dem Ende der amerikanischen Besatzung entwickelt sich Japan recht schnell zu einem wirtschaftlich starken Mitbewerber auf dem globalen Markt. Zunächst noch als kleiner Stern der weltweiten Textilindustrie boomt Japans Exportwirtschaft in den 1970ern und 1980ern vor allem in der Automobilbranche sowie im High-Tech-Sektor. Japans Wirtschaftswachstum und die daraus resultierende Konkurrenz um internationale Marktanteile ruft in jener Zeit verstärkt Erinnerungen an den Zweiten Weltkrieg ins kommunikative Gedächtnis der USA. Schnell ist in öffentlichen Diskursen die Rede von einem aufkeimenden ›trade war‹, Abbildung 16: Beispiel für die Darstellung Japans in Cartoons zur Zeit des ›ökonomischen Pearl Harbors‹

Quelle: © The New York Times, zitiert aus S. Johnson 1991: 125.

einem Wirtschaftskrieg, in dem sich die Japaner für ihre Niederlage im Zweiten Weltkrieg rächen wollten. Während die amerikanische Öffentlichkeit die Ursache für ihr Handelsdefizit Japan anlastet, entdeckt die amerikanische Medien- und Populärkultur einst im Krieg kultivierte Metaphern wieder [vgl. Abb. 16]. Dieses Kapitel untersucht, wie die Blockbuster Gung Ho (1986), Black Rain (1989) und Rising Sun (1993) bekannte Stereotypen und Metaphern

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gegen Japan rekontextualisieren. Um sich diesem neuen Kontext anzunähern, zeichnet das Kapitel im Folgenden die Entwicklung des neuen ›alten‹ Feindbildes nach, bevor es dessen Nachhaltigkeit in den populärkulturellen Texten zur Zeit eines ›ökonomischen Pearl Harbors‹ überprüft. 4.1.1 Ein ökonomisches ›Pearl Harbor‹ Als im Jahr 1952 General Douglas MacArthurs Truppen Japan verlassen, ist der Inselstaat bestens gewappnet für seine Laufbahn als wirtschaftlicher Einzelstreiter. Noch vor ihrem Abzug überzeugt die Wissenschafts- und Technikdivision die japanische Regierung von einem verstärkten Investment in technologische Neuerungen (vgl. Dees 1997). Japan soll aus der Besatzung durch die USA nicht nur lernen, eine Demokratie zu werden, sondern auch, das westliche Bündnissystem mit wirtschaftlichem Erfolg zu bereichern. Amerikanische Medien, so schlussfolgert die Amerikanistin Susan D. Moeller (1996: 32), finden für dieses Verhältnis ein entsprechendes Bild: »General MacArthur’s quixotic, idealistic effort of remaking Japan into a democracy in America’s image was confirmed in its appropriateness by the press depicting Japan as a country of young students.« Nach der Besatzung entwickelt sich dieses Land ›junger Schüler‹ innerhalb eines Jahrzehnts von einem Agrarstaat zum Industriestaat und schließlich zur zweitstärksten Wirtschaftsmacht neben den USA. Vor dem Hintergrund des Kalten Krieges versteht die amerikanische Presse diese Koexistenz als ein familiäres Vater-Sohn-Verhältnis:3 »Such a senior-junior partnership suited Americans in two respects: first, the ›partnership‹ meant that American post-war investment in Japan had been successful; and second, the teacher-student rapport which still existed served to stroke American egos about the continued superiority of the American way of life.« (Moeller 1996: 34)

3

Während der Kriege in Korea und Vietnam ist der Inselstaat als »U.S. ›outpost‹ country« (Moeller 1996: 33) von größter Bedeutung. Japan zählt damit zu den wenigen asiatischen Staaten, die den westlichen Widerstand gegen den Kommunismus verkörpern.

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Zusätzlich beeinflussen die USA laut den Politologen Krasner und Okomoto (1989: 126–7) über freiwillige Exportbeschränkungen die Entwicklung des japanischen Marktes positiv: »U.S.-imposed VERs [voluntary export restraints] have hastened the evolution of Japanese exports from relatively low value-added textiles to […] high value-added technology products.« Während Japan in dieser Entwicklungsphase als ein Zögling der USA gilt, verkehrt sich diese Wahrnehmung, als die japanische Wirtschaft in den 1970ern rapide wächst. So stört Japan das ökonomisch-politische Klima nicht nur mit starken Importbeschränkungen auf agrarwirtschaftliche Güter aus den USA, sondern auch durch zögerliche militärische Kooperation im Vietnamkonflikt. Während der Geiselnahme in Teheran begegnet die amerikanische Öffentlichkeit den in Japan florierenden Jahresbilanzen mit besonderem Argwohn. Denn das Land hält den Ölhandel mit dem Iran weiterhin aufrecht (vgl. Farber 2005: 145). Bereits unter Präsident Nixon zeigen die USA in diplomatischen und wirtschaftlichen Verträgen dem ›kleinen Bruder‹ Japan wiederholt die kalte Schulter. Im Zuge des ›Nixon Shock‹4 beginnt 1971 ein ökonomisches Kräfteringen zwischen beiden Ländern. Als schließlich in den 1980er Jahren das japanische Wirtschaftwachstum dem amerikanischen jährlich um ein anderthalbfaches vorauseilt, ist schnell von einer neuen Bedrohung die Rede; von einem ›ökonomischen Pearl Harbor‹ (vgl. Rosenberg 2003: 66). Es verwundert wenig, dass Japans wirtschaftliches Wachstum eine derart drastische Erinnerung wachruft. Immerhin etabliert sich Japan, so berichten Krasner und Okimoto (1989: 117–9), in den frühen 1980ern als zweitgrößter wirtschaftlicher Mitbewerber in der Welt außerhalb des ›Eisernen Vorhangs‹: »[Japan’s] products jumped from 3.4 percent of world exports in 1963 to 7.5 percent in 1982 […] Once only 5 percent the size of its American counterpart, Japan’s economy mushroomed to over 40 percent the size of the U.S. GNP by 1980.« Mit wachsendem Reichtum

4

»The famous ›Nixon Shock‹ occurred on August 15, 1971, when U.S. president Richard Nixon unilaterally announced that the government would impose a 10 percent import surcharge and discontinue gold convertibility in view of the deteriorating U.S. balance of payments« (Kuroda 2004: 4). Moeller (1996: 35) spricht von ›Nixon Shocks‹, weil sie die unabgesprochene Entspannungspolitik mit China hinzuzählt.

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steigt auch die Investitionslust der Japaner. Je mehr sie auf dem amerikanischen Markt einkaufen, desto stärker wächst, aus amerikanischer Perspektive, ihr Gefahrenpotenzial: Japanische Immobilienhändler sichern sich auf Hawaii etwa zwei Drittel der verfügbaren Immobilien. Schon taufen die Medien den Inselstaat als ›Japans wirtschaftliche Kolonie‹ (vgl. Rosenberg 2003: 67–8). Sony kauft 1989 Columbia Tri Star Pictures auf, 1992 sicherte sich Mitsubishi Anteile am Rockefeller Center und Nintendo übernimmt das Baseballteam Seattle Mariners.5 Sofort rufen diese Aktionen zahlreiche Autoren, Journalisten und Analysten auf den Plan. Gemeinsam begeben sie sich auf die Suche nach einem möglichen Komplott gegen die USA. George Friedman und Meredith Lebard verkünden The Coming War with Japan (1992), William S. Dietrich erkennt in In the Shadow of the Rising Sun (1991) die Wirtschaftsmacht Japan als ein neues Nazideutschland und schließlich entschlüsselt der Journalist Karel van Wolferen The Enigma of Japanese Power (1989).6 Zwar findet dieser Krieg zunächst nur zwischen den Buchdeckeln akademischer Monografien statt, beflügelt aber schon bald neben Michael Crichton weitere Roman- und Drehbuchautoren jener Zeit, so entstehen neben Crichtons Rising Sun (1992) auch Jack Andersons The Japan Conspiracy (1993) oder Fred Hiatts The Secret Sun (1993). Wenig später findet die hochstilisierte ›Gelbe Gefahr‹ ein Massenpublikum.7

5

Fox TV ging sogar soweit, die Nachrichten vom Anteilskauf am Rockefeller Center durch Bildmaterial vom Pearl-Harbor-Angriff zu untermalen (vgl. Heale 2009: 40).

6

Allerdings hat sich mit gleicher Geschwindigkeit ein wirtschaftsjournalistischer Gegendiskurs herausgebildet. So nehmen der ehemalige Economist-Herausgeber Bill Emmott (1989) und auch der Kolumnist Christopher Wood (1993) die Grenzen des japanischen Wirtschaftswunders unter die Lupe und prognostizieren schon früh ein Platzen der japanischen Wirtschaftsblase.

7

Heale (2009: 37) meint: »If the book war was deepening public suspicions of Japan, it was perhaps because the images being conjured resonated with halfburied fears of the Oriental.« Tatsächlich ist die ›Gelbe Gefahr‹ so alt, wie die Angst der ›alten Welt‹ vor der Invasion durch Dschingis Khan. Spätestens seit Kaiser Wilhelm II. im frühen 20. Jahrhundert den Begriff auch in politischen Kreisen verwendet, ist die ›Gelbe Gefahr‹ ein rassistisch motiviertes Argument gegen Asien (vgl. Davis 1918: 4). Während des Goldrausches in Kalifornien

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Robert B. Reich, Arbeitsminister unter Bill Clinton, erkennt, dass ein derartiges Säbelrasseln gegen Japan Methode hat. Denn nicht nur fällt es mit dem fünfzigsten Jahrestag des Angriffs auf Pearl Harbor und dem Abklingen des Kalten Krieges zusammen.8 Vielmehr vermutet er, dass die Publikationen und das wiederaufkommende ›Japan-bashing‹ einen gemeinsamen Aufruf formulieren: »Join together: American government, American business, American labor. Join together: wealthy Americans, poor Americans, Americans of every creed and ethnicity« (Reich 1992: 71). Folglich stecke in jeder negativen Darstellung Japans auch ein positives Selbstbild der USA. Tatsächlich nimmt ›Pearl Harbor‹ als Symbol für eine gemeinsame Bündelung nationaler Kräfte in den USA der späten 1980er und frühen 1990er zu diesem Zweck eine zentrale Rolle im öffentlichen Diskurs ein. Die Historikerin Emily S. Rosenberg bestätigt diese assoziative Stärke der Pearl-Harbor-Erinnerung. Den Erkenntnissen der Anthropologin Barbara Kirshenblatt-Gimbletts folgend, dass Erinnerung nie eine Rückbesinnung, wohl aber ein virtuelles Produkt sei, erkennt Rosenberg (2003: 6) ›Pearl Harbor‹ als ein Symbol der historischen Erinnerung und des kulturellen Spektakels: »Stories of Pearl Harbor have been marshaled to illustrate both the necessity of military preparedness and the importance of an anti-militaristic ethic, they may carry

befürchteten die USA erstmals eine militärische Invasion durch China (vgl. Heale 2009: 21). Sie beflügelt seither die Populärkultur. Ihre bekannteste Figur ist Sax Rohmers Romangestalt Dr. Fu Manchu (vgl. Chan 2000). Erst mit dem Erfolg Japans im Japanisch-Russischen Krieg ist auch das Kaiserreich unter dem Banner der ›Gelben Gefahr‹ – eine lang gepflegte Idee aus den Schriften Lafcadio Hearns, Percivall Lowells und Rudyard Kiplings (vgl. Worschech 2006). Der journalistische Diskurs des Westens behält sie bei und findet seine Prognosen im Angriff auf Pearl Harbor bestätigt. Nach dem Kriegsende bleibt die ›Gelbe Gefahr‹ ein Argument gegen Asien: »That vicious racial stereotypes were transformed […] does not mean that they were dispelled. They remained latent, capable of being revived by both sides in times of crisis and tension« (Dower 1993 [1986]: 13). 8

Heale (2009: 37) zitiert einen Witz der Zeit: »The Cold War is over and Japan has won.«

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messages about Japanese character that emphasize both a negative tendency toward ›treachery‹ and a positive commitment to honor and precise execution of duty.«

Durch den Einfluss der Pearl-Harbor-Erinnerung entstehen demnach zwei Grundhaltungen gegenüber Japanern. Die eine betont ein militärisches Vorgehen gegen den Inselstaat und die andere bestärkt eine pazifistische Haltung gegenüber Japan. So zirkuliert ›Pearl Harbor‹ auch in den wahrgenommenen ›trade wars‹ der 1980er als eine Metapher für und gegen Japan. Die Erinnerung an den Angriff auf die USA wirkt dabei als ein mentales Abbild, das sich mit der jeweiligen Perspektive ergänzt. Die Pearl-Harbor-Erinnerung scheint flexibel genug zu sein, um in neuen Kontexten zu funktionieren, und sie basiert weiterhin auf den im Zweiten Weltkrieg geprägten, heterostereotypen Feindbildern. Doch wie sind diese Feindbilder entstanden? Nach dem Angriff auf Pearl Harbor am 7. Dezember 1941 zirkulieren in den Medien- und populärkulturellen Texten der USA verstärkt Darstellungen Japans als Kriegsstaat. Metaphern, die Persönlichkeitsmerkmale der Japaner betreffen, zeichnen ein rassistisches Bild von Brutalität und Wahnsinn. Dementsprechende Darstellungen der ›Gelben Gefahr‹ sind in den Medien zu sehen: Sie zeigen Japaner mit Krallen, Fangarmen und langen Zähnen oder eben als sinistre, kleinwüchsige Affen, die spionieren, intrigieren und mit animalischer Rohheit den amerikanischen Gegner attackieren (vgl. Dower 1986 und Eckert 1999). Diese Assoziation eines unmenschlichen, arglistigen Japaners verstärken die vor ›Pearl Harbor‹ gängigen Darstellungen einer ›Gelben Gefahr‹ (vgl. Raz und Raz 1996: 162 und FN 7). Demnach kann die rassistisch überhöhte, anti-japanische Darstellung als eine fixe Repräsentation im Erinnerungsdiskurs um ›Pearl Harbor‹ gelten. Im Sinne des von Aleida Assmanns (2002) angenommenen Funktionsgedächtnisses ist jedes Zitat dieses Abbildes mit der Erinnerung an das historische Ereignis im kulturellen Gedächtnis gespeichert. Assoziationen des Ereignisses sind von dieser Gedächtnisform in neuen Kontexten funktionalisierbar. Der Angriff auf die Marinestation Pearl Harbor ist demzufolge die Leitmetapher für weitere Konflikte zwischen den USA und Japan. In den 1980er Jahren bestimmt sie die Anwendung der narrativen Situation des Zweiten Weltkriegs auf den wirtschaftlichen Konflikt zwischen beiden Ländern.

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4.1.2 Das Feindlich-Fremde in Gung Ho, Black Rain und Rising Sun Die folgenden Analysen untersuchen, wie anti-japanische Stereotypen in den Filmen Gung Ho, Black Rain und Rising Sun eine negative Grundstimmung gegen den ökonomischen Rivalen hervorrufen. Alle drei Filme erlangen aufgrund ihrer Popularität zur Zeit ihres Kinostarts und ihrer Stellung als heutige Klassiker den Rang eines repräsentativen Prägetextes. Sie erreichen heute wie damals insbesondere durch DVDNeuauflagen und TV-Ausstrahlungen ein Massenpublikum und nehmen Einfluss auf die Wahrnehmung der USA und Japans. Laut Grossberg (vgl. 1997: 209) zeigen Texte mit einem Massenpublikum die Wirksamkeit hegemonialer Interessen. Das Hollywoodkino kann demnach als ein Forum sowohl von hegemonialen als auch widerständigen Interessen verstanden werden. Unter diesem Blickwinkel vermögen es Filme aber auch, mit nationalen Mythen zu spielen und über die Verwendung von Stereotypen Komplexität zu reduzieren. Welche Rolle kommt darin der Pearl-Harbor-Erinnerung zu? Wie wird das Trauma in diesen neuen Kontexten medial rekonstruiert und welche Wirkung besitzt es? ›How Come You Lost the Big One?‹: Gung Ho (1986) Gerade als Toyota seinen amerikanischen Konkurrenten General Motors in den Umsatzzahlen übertrifft und der Elektronikkonzern RCA dem japanischen Anbieter Sharp den Markt überlässt,9 bringt Hollywood 1986 mit Gung Ho einen Gegenentwurf zur Wirtschaftslage in die amerikanischen Kinos. Die Komödie spielt hierfür gemäß ihres Genres mit stark überzeichneten anti-japanischen Stereotypen. Wie die folgende Diskussion zeigt, stehen nationale Symbole und die Kontrollierbarkeit des ›Feindes‹ im Mittelpunkt des Spielfilmes.10

9

Zu Marktsituation siehe Smith (1996).

10 Laut Neale (1980) ist Genre in seiner Natur durch Wiederholung und Beständigkeit, im Kern aber von Differenz geprägt. Genres sind »processes of systematisation« (ibid.: 51), deren Form und Funktion eine eigene Dynamik besitzen und sich insbesondere nach ökonomischen und technologischen Bedürfnissen ausrichten. Gung Ho ist zwar klassifiziert als eine Komödie, doch

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Gung Ho zeigt Hunt Stevenson auf einer Mission zur Rettung der amerikanischen Kleinstadt Hadleyville.11 Dort hat soeben der letzte große Arbeitgeber das Weite gesucht und die Stadt droht in Unterbeschäftigung und Armut unterzugehen. Stevenson reist nach Tokio, um den Automobilhersteller Assan Motors davon zu überzeugen, die eben erst sanierte und verlassene Fabrik in seiner Heimatstadt zu übernehmen. Assan Motors nimmt das Angebot schließlich an und ernennt Stevenson unter der Leitung von Oishi Kazihiro zum Personalmanager in Hadleyville. Nun ist es seine Aufgabe, den amerikanischen Mitarbeitern die neuen Arbeitsbedingungen inklusive Niedriglohn, Gruppenarbeit und Leistungsdruck schmackhaft zu machen. Um die ehemaligen Löhne und Werksverträge durchzusetzen, muss die Belegschaft im Höhepunkt des Filmes 15.000 Autos in nur einem Monat produzieren. Unter Anleitung von Hunt schafft es Manager Kazihiro schließlich, den Traditionen seines Unternehmens eine Absage zu erteilen und in Kooperation mit Hunt das Produktionssoll zu erfüllen. Gemeinsam können sie schließlich die Fabrik retten. Obgleich Gung Ho zu den 30 erfolgreichsten Filmen des Jahres 1986 zählt, fällt die Produktion bei den Kritikern als lauwarme Komödie durch. Einen Grund für die Vorbehalte gegen den Film liefert Regisseur und

mit Blick auf isolierte Genremerkmale der Komödie, erfüllt der Film nur wenige von diesen. Weder ist die Spielhandlung auf ein groteskes Steigerungsmoment ausgerichtet, noch sind typische Elemente wie der Slapstick aus der VarietéTradition oder Charakter-, Situations- und Verwechslungskomödie des Boulevardtheaters vorhanden (zum Genre der Komödie siehe Marschall 2007: 357–63). Der Film zeichnet sich aus durch eine harmlose Heiterkeit. Er ist nett und unkritisch. Selbst bei der Kritik fällt der Film als Komödie durch: »The result is something that can best be described as a very mild, socially significant situation-comedy. It's more cheerful than funny, and so insistently ungrudging about Americans and Japanese alike that its satire cuts like a wet sponge« (Canby 1986: n.p.). 11 Hadleyville hielt als Handlungsort bereits für den Rache-Western High Noon (Fred Zinneman 1952) her. Die darin thematisierte Konfliktsituation zwischen Town Marshal Will Kane (Gary Cooper) als guter Cowboy und Frank Miller (Ian MacDonald) als böser Pistolenheld bietet eine Folie für die Komödie, treffen in Gung Hos Hadleyville doch Ost und West in einer manichäisch-dualistischen Handlungsstruktur aufeinander.

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Produzent Ron Howard in Interviews zur Filmproduktion. Angeblich wolle er die Komödie wider den Konventionen des Genres produzieren, indem er sie frei von Stereotypen hält. Der Filmkritiker Canby (1986: n.p.) ehrt Howards Vorhaben zwar, stellt jedoch fest, dass der Regisseur trotz seines Credos nicht ohne Stereotype auskommen kann: »Gung Ho must present its American workers as good-natured slobs […] and its Japanese employers as uptight traditionalists – efficiency-mad, authoritarian and […] unable to relax and have a good time.« In der Tat bedient Gung Ho viele Register bekannter Medienrepräsentationen der Japaner. Insbesondere jene aus den Kontexten des Zweiten Weltkrieges. Bereits der Filmtitel stellt einen direkten Bezug zum amerikanischen Krieg im Pazifik her. Lieutenant Colonel Evans F. Carlson der United States Marine Corps Reserve erklärt im Jahr 1942 ›Gung Ho‹ sowohl zum offiziellen Motto als auch zum Einsatzcode und schließlich zum Namen für einen Stützpunkt seines II. Raider Battalions. Unter ›Gung Ho‹ versteht er den Willen zur effektiven Zusammenarbeit und der dafür notwendigen Aufhebung von Sonderrechten für ranghöhere Offiziere. Während seiner Stationierung in China von 1937 bis 1938 schnappt Carlson das Wort vor Ort auf und setzte es unwissentlich in einen neuen Kontext (vgl. Moe 1967). ›Gung Ho‹ steht allerdings nicht, wie von Carlson angenommen, für einen chinesischen Kampfslogan zur enthusiastischen Zusammenarbeit, sondern vielmehr für die Kurzform der Chinese Industrial Cooperatives Society [chung-kuo kung-yeh ho-tso she] (vgl. ibid.: 27). Dennoch wird die Lehnübertragung ›Gung Ho‹ zu einem Amerikanismus, der heute für den Erfolg der Marine Raiders bei der Übernahme des Makin-Atolls (heute: Butaritari) steht und somit eine entscheidende Wende im Pazifikkrieg konnotiert. Von Makin aus sollten nur zwei Jahre später die kriegsentscheidenden Angriffe auf die Marshall-Inseln geführt werden. ›Gung Ho‹ entsteht nicht nur mitten im Zweiten Weltkrieg, sondern ist als eine zentrale Metapher für den amerikanischen Erfolg in diesem Krieg zu verstehen. Nicht umsonst heißt einer der bekanntesten Kriegspropagandafilme Gung Ho! (Ray Enright 1943). Bis heute steht die Phrase für wilde Entschlossenheit: »It [Gung Ho] currently seems to have settled down to usage as an adjective with the meanings ›enthusiastic‹, ›zealous‹, ›eager‹, ›officious‹, ›spirited‹, and ›ambitious‹; as a noun with the meanings ›enthusiasm‹, ›esprit de corp‹, ›zealousness‹, ›officious-

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ness‹, ›busybody‹, ›eager beaver‹, and ›ambition‹; and as a verb with the meanings ›to move aggressively‹, ›to bulldoze one’s way‹, ›to plunge headlong or recklessly‹, and ›to act energetically‹.« (Moe 1967: 30)

Zwar zeigt Gung Ho (1986) seine japanischen Handlungsträger nicht als Dschungelkämpfer und hinterlistige Mörder, denen wie in der Produktion von 1943 in blutrünstigen Szenen der Garaus gemacht wird (vgl. Crowther 1944). Dennoch stellt der Film mit seiner Titelwahl den ersten direkten Bezug Hollywoods zum World War II Combat Film von 1943 her. So passt sich die Komödie noch vor der ersten Szene mitten in den Kontext der laufenden ›trade wars‹ ein und konnotiert die Auflösung dieses Konflikts mit dem erfolgreichen Vorgehen amerikanischer Truppen im Zweiten Weltkrieg. Statt jedoch diesen Titel im Film humoristisch zu entlarven, nimmt Gung Ho Lieutenant Colonel Carlsons Fehlinterpretation zur enthusiastischen Zusammenarbeit wieder auf und forciert damit die Beschwörung der Kriegsmetapher. Tatsächlich aber finden die Kampfhandlungen auf der Leinwand völlig ohne Waffeneinsatz statt. Gung Ho hebt stattdessen über Kriegsmetaphern den Konflikt zwischen beiden Welten hervor. Im Folgenden wird auf die Eingangsequenz des Filmes eingegangen, sie steht repräsentativ für die weiteren Konfliktsituationen im Verlauf der Handlung. Zu Beginn des Filmes bleibt die Leinwand schwarz, allein männliche Schreie aus dem Off sind zu hören. Nach einem Schnitt zeigt sich die Quelle dieser Klangkulisse: in Reih und Glied aufgestellte Japaner in einer vermeintlichen Trainingssituation. Der erste Satz, der nach dem Verstummen der Schreie an die Menge gerichtet wird, definiert die gezeigten Männer als Versager. »You are all weak. That is why you have been sent here«, erläutert der Trainer vor einem großen Assan-MotorsLogo. Die Kamera isoliert zu Beginn per Großaufnahme einen Japaner, dessen Kleidung übersät ist mit Bändern unterschiedlicher Farben. Wie die Handlung später aufklärt, handelt es sich hierbei um Oishi Kazihiro, der sich in einem Management-Training befindet. Die Bänder kennzeichnen seine ›Schande‹. Sie stehen für ein mangelndes Durchsetzungsvermögen und fehlende Härte. Später zeigt sich, dass ihm wiederholte Rücksichtnahme auf die Belange seiner Angestellten dieses Training beschert hat. Diese Bildsequenz ist per Parallelmontage mit Hadleyville verbunden. Sie zeigt Hunt Stevenson bei den Vorbereitungen für seine Reise nach

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Japan. Während der Fahrt zum Flughafen, rufen ihm vorbeigehende Passanten ein »Give 'em hell boy« zu, woraufhin Hunt im Auto ein besorgtes »If I screw up, this town is dead meat« entgegnet. Die Fahrt endet am Flughafen. Als ironischer Kommentar auf das Reisevorhaben, erklingt aus dem Off der Song »Don’t Get Me Wrong« von den Pretenders. Während der Titelsequenz lösen sich beide Erzählstränge abwechselnd ab. Die Konfrontation mit den Umständen des fremden Ortes und die Orientierungslosigkeit Hunts auf der Suche nach Assan Motors kontrastieren mit dem Drill und der Demütigung Kazihiros. Die Titelsequenz endet, als beide Protagonisten aufeinanderstoßen und Hunt Kazihiros Management-Training unterbricht. Beide sind über einen American Two Shot zu einer Bildeinheit verbunden. Als sich Hunt über den Weg zu Assan Motors erkundigt, weist er Kazihiro auf einen Speichelfleck an seinem Mundwinkel hin, woraufhin er dem Japaner diesen wegwischt. Zwischen beiden findet neben der indirekten nonverbalen keine direkte verbale Kommunikation statt. Nachdem er Kazihiro ›kennengelernt‹ hat, spricht Hunt bei der Führungsebene von Assan Motors vor. Die Einleitungssequenz prägt den Film, ihre Bilder bleiben weitestgehend bestehen. Zuerst führt der diegetische Ton Japan ein. Die aggressiven Schreie der Eröffnungssequenz gleichen einem Kampfgebrüll. Jedoch bleibt das erwartete Bild unerfüllt, stattdessen konterkariert das eingeblendete Management-Szenario das über den Ton vorweggenommene Gefecht. Die im Anschluss erkennbare Schulung erinnert an militärischen Drill; das Manager-Training hebt den mit dem Beruf verknüpften Arbeitsplatz auf die Ebene eines Schlachtfeldes. Die Totalen auf uniform gekleidete, in Formation stehende Japaner erinnern zudem an Trainingsaufnahmen aus Kampfsportschulen. Die Schulung selbst findet unter einem Logo mit der Aufschrift »Assan« statt. Es besitzt eine weiße runde Form, mit einem roten Punkt in der Mitte, zu dem ein aufsteigender Balken reicht. Noch bevor die Kamera die Zeichenform enthüllt, steht das Logo als Symbol für eine aggressive Grundhaltung. Das Assan Motors-Logo ist demnach als Metonym für die japanische Flagge zu lesen, die Firma und Japan bilden die äußere Zeichenform des Logos. Japan erscheint hierin als ein Kriegsstaat, in dem die ›schwachen‹ Glieder (»You are all weak«) auf einen baldigen Einsatz getrimmt werden. Assan Motors fungiert stellvertretend für die japanische Industrie, der gezeigte Drill assoziiert ein ähnliches Vorgehen weiterer japanischer Mitbewerber am Markt.

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Auch die amerikanischen Abreisemaßnahmen gleichen denen einer Kampfvorbereitung. Bereits die erste Frage, die Stevensons Figur nach der Überprüfung von Statur und Aussehen einleitet, erkundet seine Einsatzbereitschaft (Audrey: »Are you ready?«; Hunt: »I was born ready.«). Auf dem Weg zum Flughafen wird er wiederholt angehalten den Japanern ›Feuer zu geben‹, ob nun auf verbaler Ebene (»Give 'em hell boy«) oder symbolisch mittels eines ihm überreichten Feuerzeugs. Auch sein Name, Hunt – für das transitive Verb ›jagen‹, deutet auf eine aktive Beutejagd hin. In dieser Rolle verletzt er schließlich Kazihiros Privatsphäre, indem er ihm ins Gesicht greift und dessen Speichel entfernt. Angekommen in Japan scheitert Hunt an der Kommunikationsbarriere. Bevor er auf Kazihiro trifft, schicken ihn Japaner wiederholt in verschiedene Richtungen. Zuletzt findet er sich auf einem offenen Reisfeld wieder. An dieser Fehlorientierung mag jedoch nicht allein Hunt schuld sein. Mehr noch scheint es, dass die Japaner ihm die falsche Richtung angeben. Sowohl die verbale und nonverbale Kommunikation der Japaner ist in diesen Sequenzen wiederholt als Zeichensystem der Missinformationen hervorgehoben.12 Auch im weiteren Verlauf des Filmes verstärkt sich der Eindruck fehlender Gemeinsamkeiten. Die Sprachbarriere setzt sich in Form eines Schweigens und fehlender Interaktion fort, als Hunt vor der versammelten Führungsebene von Assan Motors das Investitionsinteresse in die stillgelegte Autofabrik wecken will. Zu Beginn seines Monologs betont Hunt die weite Reise, die er hinter sich hat (»14.000 Miles«) und hebt damit den Abstand zwischen beiden Welten hervor.13 Dieser erweitert sich, als Hunt versucht, seine Heimat Hadleyville über die Erwähnung einer geschlossenen Unterwäschefabrik sexuell aufzuladen. Da beide Fabriken außer Betrieb sind, fehlen Hadleyville auf symbolischer Ebene nunmehr der Sex und die Autos – zwei Domänen traditioneller Männlichkeit. Der Ort

12 Rosenberg (2003: 55) erinnert: »LIFE did a feature in 1942 on the Japanese language, which was ›perfect for hiding facts or saying what you don’t mean‹.« 13 Ebenfalls eine Idee, die Disney zu Beginn des Zweiten Weltkriegs in Animationsfilmen prägt. Frank Capra zeigt in Why We Fight: Prelude to War (1942) Japan als einen anderen, dunklen Planeten, der nichts mit dem menschlichen Westen gemein hätte. Wiederholt wird in Kriegsinformationsfilmen auf die weite Distanz zwischen beiden Welten hingewiesen.

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scheint entmannt zu sein, geht ihm doch jegliches Betätigungsfeld ab, in dem die ortsansässigen Männer ihrer Arbeit nachgehen und sich ausleben können. Das Angebot eines entmannten Ortes impliziert die Androgynität der japanischen Unternehmer. Sie würden (und tun es schließlich auch) als Investoren in diesen nunmehr ›impotenten‹ Ort kommen, um dort ihre Suche nach einer funktionalen Männlichkeit nachzugehen. Die Amerikaner wollen dabei ein guter Helfer zu sein, schließlich bemerkt Hunt, der sich ohne jegliche Form der Höflichkeit den anwesenden Japanern geradezu aufdrängt: »people will work harder for you.« Trotz Hunts emotionalem Vortrag über Hadleyville bleibt die Kommunikationsbarriere bestehen, die Führungskräfte bringen ihm allein ein kaltes Schweigen entgegen. Bereits die Eingangssequenz von Gung Ho koppelt bekannte Metaphern – der Kriegsstaat, die Komplexität und Unverständlichkeit der Sprache, der unnahbare Japaner – an Bilder der Mobilmachung (das Training, die Reise, das Investitionsvorhaben). Obgleich diese Bilder im Kontext der Komödie mit den vorgefertigten Erwartungen brechen (etwa der vermeintliche Kriegsschrei und das Managementseminar), schaffen sie es nicht, deren kriegerische Denotation aufzuheben. Im Gegenteil, die Kriegsstereotypen sind nun in den Kontext der ›trade wars‹ der 1980er eingebettet. Dabei scheint dem amerikanischen Westen immer wieder eine Vorbildfunktion zuzukommen, sowohl in seinen Produktionsweisen als auch in seinem Lebensstil. Als im weiteren Verlauf des Filmes die Japaner in den USA (scheinbar problemlos) sesshaft werden, offenbart vor allem Kazihiro seine Empfänglichkeit für den Westen: Eine spätere Szene zeigt ihn inmitten seines amerikanischen Eigenheims, seine Tochter füttert eine Puppe mit runden Augen, während im Fernsehen ein Videoclip von Twisted Sister auf MTV läuft; Kazihiros Sohn ist verkleidet als GI Joe und spielt Soldat; seine Frau trägt keinen Kimono mehr, sondern die Schürze einer amerikanischen Hausfrau; vor Kazihiro steht ein Glas HawaiiPunsch [vgl. DVD 25]. Weiterhin übernimmt der japanische Manager den amerikanischen Unternehmergeist und entsagt schließlich den hierarchisch-oppressiven Führungstraditionen von Assan Motors. Als sein Werk kurz vor der Schließung steht, animiert ihn Hunt, gemeinsam an der Erreichung des Produktionsziels zu arbeiten. Beide sollen als leuchtendes Beispiel den streikenden Arbeitern begegnen, indem sie allein die

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unmögliche Produktionsaufgabe angehen (›rugged individualism‹) und im Glauben an den Erfolg (›pursuit of happiness‹) persönliche Entbehrungen auf sich nehmen. Als Team, Amerikaner und modernisierter Japaner, schaffen sie es schließlich, die japanisch-amerikanische Belegschaft zu einen und das scheinbar Unmögliche zu meistern. Uneinigkeit kommt in diesem Team allein durch eine direkte Anspielung auf die Kriegserfahrung zustande. In einem Streit mit Hunt will Kazihiro seinem scheidenden Personalmanager deutlich machen, dass die Produktionsweisen der Japaner erheblich besser seien und aus einem amerikanischen Betrieb niemals ein japanischer werden könnte. Daraufhin fragt Hunt vor versammelter Belegschaft: »Oh yeah? If you’re so great, how come you lost the big one?« Als ein Flüstern der amerikanischen Arbeiter diese Frage nach dem Ausgang des Zweiten Weltkrieges bestätigt, stürzt sich Kazihiro auf Hunt und es kommt zum Faustkampf. Mit dem offen angedeuteten Sieg der amerikanischen Truppen in Japan übergeht Hunt die implizierte Traumaerfahrung des sogenannten ›atomaren Holocausts‹ der Japaner. Womöglich fühlt sich Kazihiro aus diesem Grund zu einer physischen Attacke hingerissen. Der atomare Angriff bleibt unausgesprochen, Hunt zieht sich als Sieger mit der Unterstützung seiner Kollegen aus dem Kampf zurück. Das Thema bleibt im Fortgang des Filmes unangetastet, der ›good war‹ aus amerikanischer Perspektive unbestritten. Hunts Einfluss auf Kazihiro wirkt sich positiv aus. Immerhin führt er dazu, dass sich der japanische Manager eingliedert. Angepasst an den Westen ist Kazihiro sozial kontrollierbar und stellt so keine Gefahr mehr für die amerikanischen Arbeiter dar. Die zuvor überraschend geplante Aufgabe des Werkes wandelt der durch nationale Symbole und Lebensweisen umgestimmte Kazihiro in ein erfolgeiches Unternehmen um. Die Existenz des amerikanischen Arbeiters ist gerettet, die Überraschungstaktik der Japaner abgewehrt. Im Sinne von Carlsons ›Gung Ho‹ können schlussendlich Japaner und Amerikaner wie Vater und Sohn Seite an Seite erfolgreich zusammenarbeiten. Der ›American Way of Life‹, die Überlegenheit der westlichen Werte und das Ideal eines ›E Pluribus Unum‹ setzen sich durch. Gung Ho zeigt, wie der ›Feind‹ kontrolliert werden kann und auf welche Weise das wirtschaftliche Ausbluten der Amerikaner durch die Japaner abzuwenden ist. Er steht damit als eine erste medienwirksame Taktik gegen ein wirtschaftliches ›Pearl Harbor‹.

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»Unbelievable, Identical Strangers«: Black Rain (1989) Die nach der Besatzung Japans metaphorisch etablierte Vater-SohnBeziehung zwischen den USA und Japan durchzieht auch die Handlung des Filmes Black Rain (1989). In der folgenden Diskussion des kommerziell sehr erfolreichen Actionthrillers14 zeigt sich, inwiefern die Pearl-Harbor-Erinnerung erneut das Schurkennarrativ des Zweiten Weltkrieges bedient, um das Feindbild Japan im wirtschaftlichen Kontext der 1980er zu aktualisieren. Als Diskussionsgrundlage dienen zwei Schlüsselszenen des Filmes, die den historischen Austausch zweier Kriegserinnerungen in Gesprächssituationen zwischen Japanern und Amerikanern thematisieren. Zunächst folgt eine Zusammenfassung des wesentlichen Inhalts, um den Kontext der beiden Szenen erschließen zu können. An die Stelle der enthusiastischen Zusammenarbeit im industriellen Sektor rückt in Black Rain ein kriegerischer Konflikt: Zwei YakuzaBanden15 kämpfen um ihre Vormachtstellung in den USA. Die beiden amerikanischen Polizisten Nick und Vincent finden sich inmitten dieser Fehde wieder, als sie den in New York verhafteten Yakuza Sato nach Osaka eskortieren. Sato entkommt in Japan und schon ermitteln die beiden Polizisten unter der Obhut des Kriminalbeamten Masahiro (Ken Takakura) von der Osakaer Polizei. Es stellt sich heraus, dass die Yakuza planen, in den USA große Mengen an Falschgeld in Umlauf zu bringen. Innerhalb des Yakuza-Clans entfacht ein Bandenkrieg um den Besitz der dazu nötigen Druckplatten: die Traditionalisten um den Oyabun16 Sugai (Tomisaburo Wakayama) bekämpfen die jungen Rebellen um Sato. Als

14 Allein am Eröffnungswochenende erreichte der Film Platz 1 der Kinocharts und spielt 9,7 Millionen US-Dollar ein (vgl. Harmetz 1989: C17). Der heute als Klassiker gehandelte Film ist ein Erfolg sowohl in den USA als auch in Japan (vgl. Chira 1989: 217). 15 Yakuza ist das japanische Wort für Verbrecher und zugleich ein Hyperonym für ein Mafia-ähnliches Syndikat. Ihren Ursprung haben die Yakuza in der Tokugawa Periode (1600–1867). Dort gelten sie als umherwandernde Samurai, die sich dem Bandentum und der Plünderei verschreiben (vgl. Schilling 2003: 20). 16 Die Clanhierarchie stellt den Oyabun (jap. für Vater) an die Spitze, ihnen unterstellt sind in vier Hierarchien die Kobun (jap. für ›die Söhne‹), die ihrem Oyabun Treue und Loyalität schwören (vgl. Herbert 2004: 165).

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Vincent den Handlangern Satos zum Opfer fällt, ist Nick isoliert. Er überzeugt Masahiro davon, die Schranken des Gesetzes zu übertreten, um den Yakuza in Gewahrsam zu bringen. Hierzu bietet Nick dem Clanchef Sugai seine Dienste an, sichert die Druckplatten und besiegt gemeinsam mit Masahiro Satos Männer. Ähnlich dem zuvor analysierten Film Gung Ho baut auch Black Rain bereits im Titel eine metaphorische Verbindung zum Zweiten Weltkrieg auf, bezeichnet er doch den in Japan geprägten Begriff des nuklearen Fallouts: den schwarzen Regen (kuroi ame). Obgleich das Sujet des Actionfilmes keine offensichtliche Verbindung mit dem World War II Combat Film erlaubt, bestimmt die Traumaerinnerung an den Atombombenabwurf den Plot von Black Rain.17 Zwei Überfälle stehen im Vordergrund der Handlung, jener vom August 1945 auf Japan sowie ein Überraschungsangriff auf die USA in Form eines Falschgeldkomplotts.18 Während in Gung Ho die Traumaerfahrung unausgesprochen bleibt, ist sie in Black Rain nicht nur im Titel festgeschrieben, sondern hält auch als zentrale Begründung für die Übeltaten der japanischen Unterwelt her: Eine Schlüsselszene des Filmes zeigt Nick in Sugais privatem Appartment. Gefilmt in einem spärlich ausgeleuchteten, aber prunkvollen Ambiente erfährt Nick von den Gründen für den Falschgeldkrieg des Yakuza-Clans. Die Kamera lotet die Machtpositionen beider Männer aus. Nick ist während des Gesprächs aus einer leichten Vogelperspektive aufgenommen, Sugai hingegen aus einer Froschperspektive. Als Redeführer erinnert sich Sugai an den Zweiten Weltkrieg:

17 Der Titel ist amerikanischen Zuschauern wohl bekannt, entleiht er ihn doch von Masuji Ibuses gleichnamigem Zeugnis des sogenannten ›nuklearen Holocausts‹ Kuroi Ame (1965). Aufgrund der Anti-Atombewegung der 1980er erfährt Ibuses Buch in den USA Neuauflagen und wird viel gelesen (vgl. Boyer 1995: 309). 1989 erscheint ebenfalls die japanische Filmadaption unter dem Titel Black Rain in den USA. Zur Namensirritation beider Filme siehe Harmetz (1989). 18 Ein Narrativ zwischen beiden Nationen scheint ohne die Kriegserinnerung nicht möglich. Wie bereits der Historiker William Zinsser zum 50. Jahrestag des Angriffes auf Pearl Harbor feststellt, sind »the two nations […] psychically linked ever since by the two air raids that framed their war« (Zinsser 1991: 74).

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»I was 10 when the B-29 came. My family lived underground for three days. When we came up the city was gone. Then the heat brought rain, black rain. You made the rain black and shoved your values down our throat. We forgot who we were. You created Sato and thousands like him. I’m paying you back.« [Eigene Hervorhebung]

Das Falschgeld symbolisiert folglich den Racheakt Japans gegen die USA. Interessant an der Schilderung Sugais ist, dass bei ihm einerseits die direkte Referenz auf Hiroshima bzw. Nagasaki fehlt und andererseits ebenfalls der B-29-Bomber, die Enola Gay, nicht beim konkreten Namen genannt wird. Hier werden die Strukturen des Unbewussten in Sugais Monolog deutlich: Die definiten Artikel the vor dem Bomber und der Stadt markieren eine Leerstelle in der Sprache und symbolisieren eine Singularität des Ereignisses, eine zweite Bombardierung etwa bleibt unerwähnt. Zudem findet der Bombenabwurf selbst in Sugais Erzählung nicht statt. Anstelle des Abwurfs wird die Signifikantenkoppelung zwischen der B-29 und der Stadt über das Phänomen des schwarzen Regens hergestellt. Als Resultat erscheint der Atombombenabwurf, ähnlich den Beobachtungen des Historikers James Farrell (zitiert in Boyer 1995: 299), als »a new but natural event, free of human agency.« Jedoch wären die Stadt und der Regen ohne die B-29 in dieser Koppelung nicht vorhanden, daher erscheinen die Produzenten des Bombers als Verursacher des schwarzen Regens. Dieses Phänomen wird metonymisch an die amerikanische Besatzung gekoppelt, in der die USA (you) den Japanern ihre Werte auferlegten. Das Resultat sind Werte- und Identitätsverluste auf Seiten der Japaner (we). Sugai formuliert und bestätigt in diesem Sinne die VaterSohn-Beziehung: die USA als paternaler Eindringling wie Erzieher des Landes und die Zeugung identitätsfreier Söhne. Die USA, nicht die Yakuza, stehen in Sugais Erzählung sodann als die Produzenten des Kriminellen in der japanischen Gesellschaft. Der Krieg dauert an, er soll nun über Falschgeld auf einer ökonomischen Ebene ausgefochten werden. Zur Rechtfertigung dieses finanzwirtschaftlichen Überfalls auf die USA beschwört Black Rain den Zweiten Weltkrieg. Beginnen soll dieser, ähnlich dem Angriff auf Pearl Harbor, mit einem lange vorbereiteten Überraschungsmoment. Die Produktion der Blüten wollen die Yakuza durch gestohlene Druckplatten perfektionieren. Sugai weist Nick darauf hin, indem er die technologische Vormachtstellung der Japaner betont: Die neuen Blüten seien: »like everything we make … perfect.« Im Fälschen

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der Dollars erfüllen die Japaner des Filmes ein altbekanntes Stereotyp: Bereits vor und für kurze Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg heißt es, dass die Japaner lediglich die Produkte des Westens kopieren können.19 Der Zweck sei in Black Rain nicht nur eine persönliche Bereicherung, sondern vielmehr die feindliche Übernahme und Kontrolle des Finanzmarktes der USA. Der Vorwand des sogenannten ›nuklearen Holocausts‹ für diese Produktion löst den Atombombenabwurf aus seiner historischen Verankerung und banalisiert das Ereignis als Metapher für einen wirtschaftlichen Vergeltungsschlag. Gegen dieses Narrativ protestiert der Historiker John W. Dower: »I was extremely offended by the title (…) It’s like taking Auschwitz and making it a code name for some gangster movie. Then using it gratiously in a speech about we’re going to ruin your economy by taking revenge for your black rain – it somehow turns a tragedy into one more Hollywood gimmick.« (Chira 1989: 217)

Hiroshima und Nagasaki als bloßer Gag? Vielmehr visualisiert die implizite Bezugnahme auf die Kriegsereignisse doch die bestehenden Ängste in den 1980ern vor dem Kontrollverlust auf internationalen Märkten. Die Atombombenabwürfe erscheinen als Metapher, die im Film auf eine lang vorbereitete Unterwanderungsoperation gegen die USA hinweisen und somit die Traumaerzählung der Pearl-Harbor-Attacke im Kontext der 1980er wiederholen. Dieses Narrativ erfüllt Belaus (2002: 174) Beobachtungen zur Wiederholung: »Repetition creates the past in the present as it creates the new; it engenders the unconscious repressed as something belonging to the present (to the scene of analysis), not to the past« – die Wiederholung des Pearl-Harbor-Angriffs und die Dekontextualisierung der Atombombenabwürfe haben demnach Methode. Sugais Aussage zur Perfektion japanischer Produktionen nimmt das Gespräch einer vorangegangenen Szene auf. In einer mit Neonlicht ausgeleuchteten Cocktailbar in Osaka sitzen Nick, Vincent und Masahiro und

19 So schreibt Worschech (2006: 263): »Schon in den 1860er Jahren erweisen sich die Japaner als sehr selektiv und geschickt beim Erwerb westlicher Technologien. Üblicherweise schaffen sie nur wenige Einheiten eines bestimmten Artikels an, um diesen daraufhin zu kopieren und en masse herzustellen.«

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unterhalten sich über den Stellenwert amerikanischer im Vergleich zu japanischer Kultur. Hierin kommt erneut der Vorwurf des bloßen Nachahmens aus dem Kriegskontext zur Sprache: Masahiro: »I grew up with your soldiers, you were wise then. Now music and movies are all that America is good for. We make the machines, we build the future. We won the peace.« Nick:

»And if there was one of you guys, who had an original idea, you’d be so tight you couldn’t even pull it out of your arse.«

Nick verlässt die Runde, Vincent und Masahiro singen kurz darauf in einer Karaoke-Performance Ray Charles’ »What’d I Say.« Im Dialog legt Masahiro den Japanern die Eigenschaft der Maschinenbauer anheim und den Amerikanern die der Kulturproduzenten. Hierin wird nicht nur ein impliziter Nationalstolz hinsichtlich der technologischen Vormachtstellung Japans sichtbar. Vielmehr stecken in der ungesagten Leerstelle die Kulturlosigkeit und die Maschinenhaftigkeit der Japaner im Gegensatz zu den humanen, aber nunmehr kulturell verarmten USA. Die Japaner können gar nicht anders, als das Menschliche (die USA) zu kopieren (und das, wie Sugai sagt, bis zur Perfektion), da sie selbst nicht menschlich sein können. Wie um dies zu bestätigen, singen Masahiro und Vincent einen amerikanischen Song in einer japanischen Karaoke-Performance. Der Dialog bettet die drohende Kriegssituation auf dem amerikanischen Markt in den Kontext eines ›Techno-Orientalismus‹ ein. Geprägt wird dieser Begriff von den beiden Kultur- und Medienwissenschaftlern David Morley und Kevin Robins. Sie beobachten das Entstehen einer ›Japan Panic‹ im politischen und kulturellen Unbewussten der USA. In dieser Konfusion entsteht ähnlich der Propaganda zu Kriegszeiten ein manichäisches Weltbild, das Freund vom Feind in dessen Andersartigkeit und Unmenschlichkeit voneinander trennt. Morley und Robins (1995: 170) schreiben: »Within the political and cultural unconscious of the West, Japan has come to exist as the figure of empty and dehumanised technological power. It represents the alienated and dystopian image of capitalist progress. This provokes both resentment and envy. The Japanese are unfeeling aliens; they are cyborgs and replicants.«

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Somit erscheint es als unabdingbar, dass auch Japan selbst, hier Osaka, auf der Bildebene dystopisch verzerrt dargestellt wird. Denn visuell erinnert die Regiearbeit von Ridley Scott an dessen Vorgänger Blade Runner (1982). Mit einem bedrohlichen blauen Farbfilter und in etlichen Nachtszenen fotografiert er die Stadt, die in Neonlicht gebadet ist und in der es aus allen Ecken zischt und dampft. Blade Runners L.A. aus dem Jahre 2019 wird zum Osaka der Gegenwart. Diese visuelle Verknüpfung beider Filme20 gekoppelt an ein Narrativ um technologische Perfektion und wirtschaftliche Vormachtstellung suggeriert, dass die Zukunft und das in Blade Runner implizite Ende der Menschheit in Japan seinen Ausgang hat. Den Bewohnern dieser dystopischen Anderswelt kommt die ambivalente Eigenschaft zu, stets auch ein Verbrecher zu sein: Nicht umsonst bemerkt Nick zu Beginn des Filmes die Gleichartigkeit der Japaner. Als er im Präsidium die Gesichter der japanischen Verbrecher mithilfe von Fotokarteien zu identifizieren hat, äußert er: »Unbelievable, identical strangers.« Japan erscheint in Black Rain als »threatening and impenetrable«, als ein unheilvolles Land voller gleichwertiger »shadows and […] powerful men« (Shapiro 1991: 21). Mehr noch ist das Japan Black Rains als »forbiddingly futuristic« charakterisiert – die düstere Vision eines Landes voller Gewalt, eines bürokratisch-unwirksamen Polizeiapparates und des Verbrechens, kurzum als Ort eines »neon armageddon« (Dumenco 2008: n.p.). In dieser neonfarbenen Wildnis kann nur eine gesetzlose CowboyFigur, wie Nick sie verkörpert und sie seinem Partner Masahiro eröffnet, für Ordnung sorgen. Ihr Gegenspieler bekommt in Black Rain ein wiedererkennbares physisches Äußeres in der doch so gleichartig wahrgenommenen japanischen Gesellschaft: die Tattoos und abgeschnittenen Finger der Yakuza. Dieser japanische Verbrecher erhält einen festen Platz im kommunikativen Gedächtnis der USA. Er soll in den Folgejahren die Ruchlosigkeit und Gefahr der wirtschaftlichen Unternehmungen Japans symbolisch besetzen. Schließlich ist es der Yakuza, der in der amerikanischen Populärkultur Verbrechen gegen amerikanische Industrien ausübt. Er ist Teil eines Syndikats, das im Untergrund der USA eine feste

20 Black Rain recycelt sogar einen Handlungsort aus Blade Runner: Das Gespräch zwischen Nick und Sugai spielt am selben Schauplatz, der in Blade Runner als Rick Deckards Apartment dient: dem Ennis-Brown House in L.A.

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Verbindung mit Japan pflegt und so einen unsichtbaren Terror gegen die amerikanische Wirtschaft prägt – wie Hollywood wiederholt erzählt.21

21 Basierend auf der Popularität der japanischen Yakuza-Filmproduktionen in Japan nach der Besatzung hat Paul Schrader mit The Yakuza (1974) den ersten amerikanischen Yakuza-Film in die westlichen Kinos gebracht. Obgleich dieser Thriller den wohl respektvollsten Kontakt zwischen Japanern und Amerikanern in der amerikanischen Filmgeschichte zeigt, kommt auch er nicht ohne einen wirtschaftlichen Bezug in Kopplung mit der Kriegserinnerung aus: Der Hauptkonflikt etabliert sich um den Handel von Waffen über ein amerikanisches Transportunternehmen, die Hauptfigur Harry Kilmer (Robert Mitchum) ist als ehemaliger Besatzungssoldat zur Verständigung zwischen Amerikanern und Japanern in Japan unterwegs. Die Filme The Challenge (John Frankenheimer 1982) und Black Rain (1989) betten den Yakuza immer stärker in einen wirtschaftlichen Kontext ein. In Showdown in Little Tokyo (Mark L. Lester 1991) wollen Yakuza eine amerikanische Brauerei übernehmen, um diese für den Drogenschmuggel zu nutzen. Die Kontrolle über eine amerikanische Werft ist zentrales Anliegen der fernöstlichen Gangster in American Yakuza (Frank A. Cappello 1993), Blue Tiger (Norberto Barba 1994) schildert den Konflikt zwischen einem amerikanischen Reisebusunternehmen und dem japanischen Mob und in Robocop 3 (Fred Dekker 1993) kämpft der Titelheld gegen einen Cyborg eines japanischen Unternehmens, das Detroit aufkaufen will. Alle diese Filme präsentieren japanische Gangster, die im Untergrund die Kontrolle in einem amerikanischen Wirtschaftszweig erlangen und quasi unsichtbar den Markt erobern. Das Motiv überdauert die 1980er Jahre. Jüngst übernimmt es die TV-Serie Terminator: The Sarah Connor Chronicles. Die Episode »Strange Things Happen at the One Point Two« (2008) suggeriert die Zusammenarbeit zwischen Japanese-Americans und den Yakuza im IT-Bereich. Die Populärkultur ergänzt die Repräsentation des organisierten Verbrechens aus Japan mit der Figur des Ninja. In den 1980ern taucht er ebenfalls im Kontext von Mordkomplotten auf und ist nicht selten mit den Yakuza verknüpft: siehe etwa Eric Lustbaders Roman The Ninja (1981), das wiederholte Auftauchen der Oyabun-Figur des Silver Samurai (1974–2001) in den Marvel Comics oder Sam Firstenbergs vierteilige Filmreihe American Ninja (1985–1990). Für eine Diskussion der Ninjafigur siehe S. Johnson (1991: 111–22).

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»You’ll probably find them irritating tonight«: Rising Sun (1993) Obgleich sich das Wirtschaftswunder Japan bereits 1991 als recht kurzlebig erweist und die Spekulationsblase zu platzen beginnt, bleibt die Angst vor der Kaufsucht japanischer Konzerne bestehen. Der 1992 von Mitsubishi vollzogene Anteilskauf am Rockefeller Center stellt einen Höhepunkt der japanischen Übernahmen dar. Noch im selben Jahr erscheint Michael Crichtons Rising Sun. Der Roman profitiert von den hitzigen Debatten um seinen japanischen Schurkenplot. Crichton, dessen Ideen seit Westworld (Michael Crichton 1973) und Jurassic Park (Steven Spielberg 1993) für einträgliche Hollywoodproduktionen stehen, muss nicht lang auf Angebote für Rising Sun warten.22 Die Filmadaption greift Crichtons Plot um zwei japanische Unternehmen auf, die in Los Angeles um Firmenanteile des hiesigen ITUnternehmens MicroCon konkurrieren. Involviert in diesen Verkauf ist Senator Morton, der zu Beginn der Handlung ankündigt, gegen die Firmenübernahme von MicroCon durch den japanischen Konzern Nakamoto zu stimmen. Wenig später geschieht ein Sexualmord an der Prostituierten Cheryl im Nakamoto Tower, in dem der Verbindungsoffizier Webb Smith und Japan-Experte John Connor im Dienste der LAPD ermitteln. Eine Videoaufzeichnung des Mordes führt zu Eddie Sakamura, der Sohn des japanischen Mitbewerbers um MicroCon und Rivale von Nakamoto. Wie sich herausstellt, nutzt Nakamoto seinen technischen Vorsprung, um Videoaufnahmen so zu manipulieren, dass sie einerseits Senator Morton zu einem Gesinnungswechsel um seine Stimme für Nakamoto dienen und zugleich den Verdacht auf das gegnerische Unternehmen lenken. Als Mörder stellt sich Nakamotos unternehmensinterner Verbindungsmann Bob Richmond heraus. Während eines Fluchtversuches töten ihn Sakamuras Handlanger. Philip Kaufmann schreibt für die Filmadaption drei wesentliche Elemente der Romanvorlage um.23 Zunächst entwickelt Kaufmann Smiths

22 Jedoch ohne die üblichen Mitbewerber, wie Shapiro (1993: 21) berichtet: »Despite Mr. Crichton’s track record […] only one major studio bid for the rights when Rising Sun was in the galleys. No offers came from the Japaneseowned studios, Universal and Sony.« 23 Zum Streit zwischen den Drehbuchautoren und Crichton siehe Shapiro (1993).

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ursprünglich hellhäutigen Charakter als den eines Afroamerikaners. Weiterhin bekommen die Japaner verstärkt den Lebensstil des Adels zugeschrieben. Ihre Mise-en-scène kennzeichnet Reichtum, zugangsbeschränkte Männerbünde und das Leben in abgegrenzten Hochburgen wie im Firmentower oder in Vorstadtvillen. Schließlich entscheidet sich der Drehbuchautor, den ursprünglich japanischen durch einen amerikanischen Sexualmörder zu ersetzen. Kaufmann entwirft die Hintergründe des implizierten Wirtschaftskrieges als ein unentwirrbares Netzwerk aus Korruption und Gewalt. Mit dieser Strategie mildert er Crichtons ›JapanBashing‹ ab. Dennoch behält Japan in seiner Version die Position des unerklärlichen, gefährlichen Anderen. Das Land erscheint als paradox, seine Gesellschaft ist gefangen in den Traditionen und ihr Handeln ist diffus. Um diese Eigenschaften zu kennzeichnen, greift der Film auf Heterostereotypen zurück. Ähnlich den bisher diskutierten Filmen stellt auch er die japanische Sprache als unzugänglich dar, zeigt emotionslose, technisch-versierte Japaner, schildert Geheimabsprachen, deutet die Kontrolle japanischer Unternehmen durch die Yakuza an und filmt die japanischen Charaktere in meist dunklen (Nachtaufnahmen, Bürohaus) oder moralisch verwerflichen Schauplätzen (Bordell, Ghetto, Sexparty). Interessanterweise legt Kaufmanns Film großen Wert auf seinen afroamerikanischen Handlungsträger. Denn über Webb Smith versucht der Film die japanischen Handlungsweisen zu erörtern. Wie dies möglich ist, untersuchen die folgenden Absätze. In einer Eingangsszene trifft der Verbindungsoffizier Smith auf Connor. Als sie unterwegs zum Tatort sind, schlägt der Japan-Experte vor, zwischen ihnen beiden eine sempai-kōhai-Beziehung vorzugeben. Dieses Verhältnis ist ähnlich dem eines Vaters zu seinem Sohn. Entsprechend isoliert die Kamera in dieser Szene über eine Zentralperspektive beide Gesprächspartner in einer Fahrzeugkabine. Smith ist irritiert. Er assoziiert ein derartiges Verhältnis mit ›seinem‹ kulturellen Erbe und fragt »My sempai? That wouldn’t be massa, would it?« Zwar lehnt Connor diesen Vergleich ab, doch wie um dieselbe Analogie zwischen japanischer und afroamerikanischer Kultur herzustellen, betont er die Notwendigkeit dieser Vorgehensweise: »We may come from a fragmented, MTV, rap-video culture, but they do not.« Als sempai nimmt Connor die Position eines Vermittlers zwischen den Kulturen ein und erklärt Smith, wie er sich gegenüber den Japanern zu

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verhalten habe, bevor sie den Tatort begehen. Später im Film verfolgen Yakuza-Gangster Smith und Connor. Dabei steuern sie ihren Wagen durch ein urbanes Ghetto mit einem auffällig hohen Anteil an Afroamerikanern. Plötzlich kehrt Smith den Spieß um und schlüpft in die Rolle des Vermittlers zwischen ›schwarzer‹ und ›weißer‹ Kultur. Beide nehmen damit abwechselnd eine Position ein, in der sie als Experten zwischen amerikanischer und der Kultur des Anderen vermitteln. Darin verdeutlichen sie eine weitere Analogie zwischen der kulturellen Identität der Japaner und der African-Americans: Der einzigartige, unergründbare Charakter der jeweiligen Kultur, die dem Westen allein über einen Vermittler zugänglich ist. Eine direkte Verbindung zwischen dem kulturellen Erbe beider Ethnien24 stellt die Figur der Jingo Asakuma her. Die aus Japan stammende Computerspezialistin ist zugleich die geheime Lebenspartnerin John Connors. Mit ihrer technischen Expertise kann sie helfen, die computergenerierten Fallen des Nakamoto-Konzerns zu entschlüsseln und die Ermittlungen voranzubringen. Jingo, das japanische Wort steht für ›Nachzügler‹, gilt in Japan als burakumin, als ein Außenseiter. Ihr afroamerikanischer Vater ist ein Soldat der American Air Force, ihre Mutter eine Japanerin. Als ein derartiger ›Mischling‹ findet sie in der japanischen Gesellschaft keinen Platz. Als sie sich in den gaijin, dem Fremden, Connor verliebt, verlässt sie mit ihm ihre Heimat, um sich in den USA niederzulassen. In einer Schlüsselszene erklärt Jingo Webb Smith ihre Herkunft. Jingo ist dabei vor einem Plastikvorhang gefilmt und vor einer aufwendigen, Teleskop-ähnlichen Maschine positioniert. Während sie die Maschine bedient und sich mit Smith unterhält, steht dieser passiv an dem Gerät. Am Ende der Szene stellt sich heraus, dass Connor sie während der Unterhaltung durch eine Kamera beobachtet. Als Jingos Maschine eine Diskette auswirft, fordert Connor hinter der Kamera Smith als kohai auf, den Datenträger mitzubringen. Diese Szene zeigt Jingo in der Aura des Techno-Orientalismus: Sie bedient ein kompliziertes technisches Gerät, dessen Nutzen sich mit einem Blick nicht erschließen lässt. Auch Connor, als Mittler zwischen den Kulturen kann weniger komplizierte Technik

24 Ethnie wird hierbei als ein Gedankenkonstrukt aufgefasst, nach dem die Identifikation einer kulturellen Gruppe auf ihrem gemeinsam geteilten Erbe dieser Gruppe aufbaut.

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bedienen und richtet eine Kamera auf beide. Jingo umgibt weiterhin der halbdurchsichtige Plastikvorhang im Hintergrund. Er entfremdet ihre Erscheinung. Im Gespräch mit Smith vereint die beiden eine Halbtotale in Zentralperspektive. Auf Augenhöhe sind diese beiden Kulturen des in Rising Sun implizit ethnisch Fremden vereint. Wie sich zeigt, hat die Verschmelzung beider Kulturen in Jingos Vergangenheit aus der Zeit der amerikanischen Besatzung Japans ihre Spuren hinterlassen: Denn Jingos rechte Hand ist von Geburt an verstümmelt. Die Verletzung verortet Jingo zwischen den Kulturen, angeblich ist sie aufgrund ihrer Behinderung aus Japan verbannt worden. In den USA gilt sie als ›Japanerin‹, sexuell hingezogen fühlt sie sich – so das Ende des Filmes –zu Afroamerikanern, trotz ihrer Beziehung mit Connor. Diesen Analogien zwischen den Kulturen liegen offenbar mehrere Motive zugrunde. Einerseits erlaubt diese Repräsentation eine ethnische Homogenisierung der japanischen Kultur, entmündigt diese vom rationalsauberen Habitus des Westens und exotisiert zugleich Japan als ein unzugängliches, aber gefährliches Anderes. Andererseits betten sie die japanische Kultur in den kolonialen Sklavenhalterdiskurs der USA ein und konnotieren die Beherrschbarkeit, mehr noch die Domestizierbarkeit dieser als ›fremd‹ und ›wild‹ gezeigten Kultur. Eine derartig rassistisch motivierte Verallgemeinerung bewegte Kritiker bereits dazu, Rising Sun mit Jud Süß (1940), dem antisemitischen Propagandafilm von Veit Harlan, zu vergleichen (vgl. Raz und Raz 1996: 158). Dieser Vergleich ist eine Provokation, erfasst aber die in Rising Sun evidente Bewältigungsstrategie: Der Umgang mit der vermeintlich japanischen Gefahr erfolgt aus einer ethnozentrischen Perspektive über die Gleichstellung des Wirtschaftskonfliktes mit der Rhetorik des Zweiten Weltkrieges. Der in dieser Strategie zu begegnende Schurke wird in der Filmadaption von Crichtons Roman auf einer explizit ethnischen Ebene verhandelt. Er lässt sich somit in ein Bezugssystem einbetten, in dem Hollywood laut, Raz und Raz (1996: 154), die Medienrepräsentationen des Anderen vorfantasiert: »Hollywood has created a system of discourse which constituted the ›Japanese‹ (and the Asian, Negro or Jew) as ›imaginary others‹ who were simultaneously categorized, exteriorized, excluded and included within the Western framework.«

Exemplarisch für diese systematische Einbettung des feindlichgesinnten Anderen ist auch die Eröffnungssequenz von Rising Sun. Der Film beginnt

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mit den Bildern eines Westerns,25 der sich als Hintergrundvideo für eine Karaoke-Performance entpuppt. Eddie Sakamura singt dazu Cole Porters »Don’t Fence Me In«, dessen Zeilen »Oh, give me land / lots of land under starry skies / don’t fence me in« durch den weiteren Film spuken. Diese Parodie des Westerns vermittelt in ihrem Kern, dass die Japaner nicht länger als Angreifer auftreten, die über eine Überraschungstaktik das Land bedrohen. Sie sind bereits im Land und haben den Westen fest im Griff, der fremde ›Eindringling‹ ist ein erfolgreicher Eroberer. Die amerikanische Industrie erscheint lediglich als Zankapfel diverser japanischer Interessensparteien. Rising Sun ist folglich als ein Szenario zu verstehen, in dem das ökonomische ›Pearl Harbor‹ bereits stattgefunden hat. Die USA muss nun einen Weg finden, mit dem Feind im Land umzugehen, ihn zu kontrollieren und in sein Wertesystem einzubinden. Die narrative Vorgehensweise gleicht hierbei jener der bereits diskutierten Filme: Die Aktivierung der Pearl-Harbor-Erzählung, die Erfolgsrhetorik des Zweiten Weltkrieges und die ethnozentrische Abwertung der fremden Kulturen. Zwischenergebnis Gung Ho, Black Rain und Rising Sun tragen direkte Referenzen zum Pazifikkrieg im Titel. In ihrer überzogenen, negativen Darstellung der Japaner als traditionell-verklärte, bürokratisch-immobile und rachesuchende Kriegsopfer sind sich alle drei diskutierten Filmbeispiele einig. Japan erscheint als eine Gefahr, die sich seit dem Ende der Besatzung zu einem kriegerischen Selbstläufer entwickelt hat und nun die USA zu überrennen droht. Durch die Rhetorik und stereotype Darstellung der Japaner aus dem Zweiten Weltkrieg sowie die wiederholte Einbindung der Besatzung kommt die Pearl-Harbor-Erinnerung als Erzählelement in einem ökonomischen Kontext zum Tragen. Die negativen Abbilder Japans betonen stets ein positives Selbstbild der USA. Gerade durch die Reaktivierung der Pearl-Harbor-Erinnerung veranschaulichen die Filme eine Vormachtstellung der USA, die in der wahrgenommen wirtschaftlichen ›Realität‹ nicht einzuholen ist. Wie um diesen Eindruck zu unterstützen, zitieren die hier diskutierten Filme nationale Symbole des ›rugged individualism‹, des ›pursuit of happiness‹, des ›frontier-cowboys‹ oder eines kulturellen

25 Die Bildästhetik der Szene erinnert an Akira Kurosawas Yojimbo (1961).

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›melting pots‹ in Form eines positiv betonten Multikulturalismus. Traumaerinnerungen wie eine explizite Pearl-Harbor-Referenz, ein genaues Eingehen auf den sogenannten ›nuklearen Holocaust‹ oder der amerikanischen Besatzung Japans rücken in den Hintergrund und deuten auf eine innere Abwehrbereitschaft gegen die Kriegserinnerung. Tendenziell zeichnet sich eine ethnische Verallgemeinerung des japanischen Schurkennarrativs ab, dessen explizite Gefahrenquelle zunehmend in der greifbaren Figur des Yakuza formuliert ist. Die Yakuza scheinen verstärkt die Position des japanischen Schurken im kollektiven Gedächtnis der USA einzunehmen. Die Unterwelt und japanische Familienunternehmen kennzeichnen feudale, repressive Strukturen. Sie sind narrativ greifbare Konstrukte, in denen sich die einstmaligen Kriegsfeinde in heutige Gangster verwandeln. Anlass dieses Umschreibeprozesses ist ein inszenierter Wirtschaftskrieg, in dem Japan ein zweites Mal in der amerikanischen Geschichte auf Seiten der Angreifer steht. Wie sich im folgenden Kapitel zeigen wird, kehren zentrale Elemente dieses Narrativs in populärkulturellen Repräsentationen des arabischen Antagonisten seit den 1970er Jahren wieder.

4.2 D ER Ö LSCHEICH , DIE ›G ELBE G EFAHR ‹ UND DIE P EARL -H ARBOR -E RINNERUNG IM H OLLYWOOD KINO NACH DEN Ö LKRISEN Die hier untersuchten Repräsentationen von Japanern hinsichtlich der Wirkung einer Pearl-Harbor-Erinnerung in Zeiten wirtschaftlicher Umbrüche zeigen den japanischen Gegner als Agenten großer Unternehmen. Sein Ziel ist es die USA zu infiltrieren, die Wirtschaft zu zerstören oder das Land technologisch zu kolonialisieren. Unter dem Blickwinkel eines Techno-Orientalismus erscheint der Japaner in diesen Handlungen aufgrund seiner technologischen Überlegenheit entmenschlicht. Die Analysen aus Kapitel 3 zeigen, dass ein wesentliches Ziel von Kriegspropaganda darin besteht, dem Gegner jegliche menschliche Seite abzusprechen. Dass der Japaner in den eben diskutierten Texten wiederholt in Metaphern aus dem Zweiten Weltkrieg dargestellt ist und aus Rache für die Niederlage in diesem Krieg handelt, impliziert eine Weiterführung der Japan-Angst dieses Krieges über den militärischen Kontext

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hinaus. Es lohnt sich daher, ein Pendant zum japanischen Geschäftsmann in der Darstellung arabisch-stämmiger Handelsmänner zu suchen, um die nach ›9/11‹ weit verbreitete Islamophobie als Resultat des nationalen Traumas genauer zu verstehen. Dieses Teilkapitel fragt, wie populärkulturelle Texte wirtschaftliche Handlungen von Arabern mediatisieren. Im Zentrum stehen zwei Texte, die den Wandel arabischer Unternehmer vor und nach ›9/11‹ exemplarisch aufzeigen: Die Produktionen Rollover (Alan J. Pakula 1981) und Syriana (Stephen Gaghan 2005). Im Folgenden stehen unter diesem Aspekt Traditionen und Umbrüche hinsichtlich der Darstellung von Arabern in der amerikanischen Populärkultur zur Diskussion, anschließend folgt ihre Erörterung in den Medienbeispielen anhand von Szenenanalysen. 4.2.1 Repräsentationen des Arabers in der jüngeren Populärkultur Wie die Arbeiten von Edward Said (1978) und Jack Shaheen (2003) zeigen, gibt es eine lange Tradition zur Herabwürdigung von Arabern als ›das Andere‹. In der westlichen Populärkultur geht ihr Ursprung auf die seit dem 18. Jahrhundert weit verbreitete und nahezu in jeder Sprache erhältliche Übersetzung von Tausendundeiner Nacht zurück. Im 19. Jahrhundert prägt die Malerei Jean-Léon Gérômes, Leopold Carl Müllers oder Gustav Bauernfeinds die Idee des Orients. 1905 überträgt George Méliès in Le Palais des Mille et Une Nuits den in diesen Texten mediatisierten Orient auf die Kinoleinwand. Bis heute, so Shaheen (2003: 8), übernimmt Hollywood diese Bilder unverändert: »From the beginning, Méliès and other moviemakers conjured up a mythical, uniform ›seen one, seen ‘em all‹ setting, which I call ›Arab-land‹. The illusory setting functions as a make-believe theme park complete with shadowy, topsy-turvy sites, patronized by us all. Arab-land is populated with cafés and clubs like the ›Shish-Ka-Bob Café‹ and ›The Pink Camel Club‹, located in made-up places with names such as ›Legash‹, ›Othar‹, ›Tarjan‹, ›Jotse‹, ›Bondaria‹, and ›Hagreeb‹.«

Ausgestattet sind Hollywoods Araber mit einer wiederkehrenden Kostümund Make-Up-Auswahl vor immergleichen Bühnenbildern. Shaheen (2003: 8) entdeckt diese Wiederholungen in über 900 Filmen und fasst sie

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unter dem Begriff eines ›Instant Ali Baba Kit‹ zusammen. Lang bleiben arabische Figuren in den Medien eine eindimensionale Karikatur: »Slave trader, camel driver, moneychanger, colourful scoundrel: these are traditional Arab roles in the cinema« (Said 1978: 287). Erst in den 1970er Jahren verschärft sich ihre Dämonisierung. Denn erstmals bekommt der Westen den Einfluss des Nahen Ostens aus seinen engen Verbindungen im Ölgeschäft zu spüren. So spukt die Rede des lybischen Staatschefs Muammar al-Gaddafi durch die Wirtschaftsdiskurse bis in die Gegenwart: »[T]he day will come when oil will be used by the Arabs in self-defense« (zitiert in Semmerling 2006: 13). Mit den Ölkrisen wendet Hollywood die Bilder, die es seit der Gründung Israels im Jahr 1948 gegen die Palästinenser produziert,26 nunmehr auch auf die gesamte arabische Welt an. Nach dem Yom-Kippur-Krieg von 1973, den beiden Ölschocks 1973 und 1979 sowie der Iranischen Revolution in den Jahren 1978 und 1979 erscheint der Araber mehr und mehr als eine Bedrohung (vgl. Said 1978: 285) und der Nahe Osten als Quelle des Terrorismus und Totalitarismus. Eine heute landläufige Annahme setzt in diesem Zusammenhang Iraner mit Muslimen und diese wiederum mit Arabern gleich.27 Anders als Japaner, die nach dem Zweiten Weltkrieg weniger durch den Schintoismus als durch ihre technologische Übermacht gekennzeichnet sind, sind im kollektiven Gedächtnis des Westens Araber ein Signifikant für eine Religion: den Islam, meist in einer radikalen Ausprägung. Shaheen (vgl. 2008: xiii) leitet daraus zwei Folgen für die Darstellung von Arabern ab: Ihre religiöse Vielfalt bleibt eine Leerstelle und arabischstämmige Figuren auf der Leinwand besitzen einen traurigen Alleinanspruch auf die ethnische Repräsentation der Religion. Weiterhin reduziert diese Repräsentation die Komplexität arabischer Kulturen und fördert stattdessen ihre Wahrnehmung als homogene Masse. Doch welchen Ursprung hat dieser Islamdiskurs des Westens?

26 Cast a Giant Shadow (Melville Shavelson 1966) und Exodus (Otto Preminger 1960) sind die populärsten Beispiele dieser Zeit. In ihnen kämpfen unmenschliche Palästinenser gegen amerikanische und israelische Helden (vgl. Shaheen 2003: 127 und 189). 27 Shaheen (2008: xiii) betont, dass nur ein Fünftel der weltweit 1,3 Milliarden Muslime Araber sind.

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Der Islamwissenschaftler Bassam Tibi (2004: 154) weist auf zwei Ereignisse hin, die der westlichen Öffentlichkeit den politischen Islam in Erinnerung rufen: der »Februar 1979 durch die islamische Revolution im Iran und [der] 11. September 2001.« Aus Sicht der USA, fällt die erste Wahrnehmung des politischen Islams insbesondere mit dem 444-tägigen Geiseldrama in der amerikanischen Botschaft in Teheran zusammen. Die amerikanische Gesellschaft reagiert geschockt auf die tagtäglich ausgestrahlten Medienbilder: »[M]any people in the United States […] felt that they, too, were being held hostage by Iranian fanatics« (Farber 2005: 2–3). Familienportraits, Live-Reportagen und Inside-Stories übertragen jedes Detail in die Wohnzimmer der Nation. Rückblickend gilt die Geiselnahme als »the longest running human interest drama in the history of television« (Gary Sick zitiert in McAlister 2006: 329). Das Geiseldrama als TV-Drama mit hoher Einschaltquote ist zugleich das Moment, an dem die amerikanische Öffentlichkeit beginnt, Terrorismus als spezifisches Mittel des Islamismus wahrzunehmen. Diese Wahrnehmungskoppelung ist dreifach affektbesetzt: Zum einen solidarisiert sich die amerikanische Öffentlichkeit mit den Geiseln, indem sie gelbe Bänder zum Symbol der Verbundenheit erhebt und in großen Zahlen in Vorgärten wie an Hauswänden installiert. Weiterhin fördern die Medien die öffentliche Einfühlung mit den Geiseln als nationale Symbole, denn in Nachrichten und Reportagen bleibt ihr beruflicher Hintergrund außen vor. Stattdessen werden sie fern jeglicher politischer Kontexte zuallererst als Privatmenschen vorgestellt: »They represented the United States because they were ordinary« (McAlister 2006: 329). Zuletzt ist die politische Öffentlichkeit um Präsident Jimmy Carter wenig bemüht, die Hintergründe der Geiselnahme aufzuklären, sondern zeigt sich in erfolglosen Verhandlungen und einer gescheiterten Rettungsaktion als unfähig im Umgang mit den Geiselnehmern. In diesem Kontext kommuniziert sie den Vorfall als ›Tat wahnsinniger Schurken‹ (vgl. Farber 2005: 8) und lenkt damit Enttäuschung und Aggression auf ein spezifisches Feindbild: den Islamisten. So entsteht die Idee des Terrorismus und des entsprechenden arabischen Schurken aus einem Zusammenspiel dieser Affekte: »In practice, the fear and anger about terrorism in the 1970s developed from a specific set of images and stories, not through a consistent, worked-out

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categorization of types of violence. When action evoked fear and horror, it was understood to be terrorism – it was as if the force of the emotion itself generated the working definition. […] In popular culture anti-Arab stereotypes were recycled to apply to (non-Arab) Iran, from the ›rich oil sheik‹ rhetoric that emerged out of the oil crisis in the mid-1970s to the images of the fanatic Arab terrorist. Americans could buy ›Nuke Iran‹ or ›Don’t Waste Gas, Waste Khomeini‹ bumper stickers or dart boards and toilet paper with Khomeini’s image.« (McAlister 2006: 329)

Der nationalen Furcht vor weiterem Terror macht erst Präsident Carters Nachfolger, Ronald Reagan, Luft, indem er die Bekämpfung des Terrorismus erstmals zur Priorität einer US-Außenpolitik erhebt (vgl. ibid.: 330).28 Mit diesem Wandel ändert sich auch die Wahrnehmung arabischer Führerfiguren. Vornehmlich erscheint nun in Cartoons und populärkulturellen Medien ein Scheich im Kontext von Zapfsäulen und Bohrtürmen (vgl. Said 1978: 285): Der Ölscheich als Drahtzieher und Finanzier terroristischer Plots tritt in den Vordergrund [vgl. Abb. 17]. Zwar bleiben die tradierten Angstfantasien eines Scheichs als Entführer und Vergewaltiger weißer, blonder Frauen erhalten, doch seit den 1970ern ist der Gefahrencharakter des Scheichs nicht länger in seinem Harem, sondern in seinem Glauben und in seiner Geldbörse gekennzeichnet. Ähnlich der Japan-Angst in Kapitel 4.1 wächst in den Jahren nach den Ölschocks die Angst vor dem Ausverkauf der USA an einen Ölscheich oder vor der Vernichtung des Landes mit dem durch ihn finanzierten Terror. So erkennt Shaheen (2003: 19): »[P] roducers revitalized the image of the fabulously wealthy and slothful sheikh, only this time he was getting rich at the expense of red-blooded Americans.«29 Diese Angst

28 In der Tat beteiligt sich die amerikanische Regierung unter Reagan offensiver denn je an der Terrorbekämpfung im Nahostkonflikt: 1981 bis 1983 sind amerikanische Truppen in den libanesischen Bürgerkrieg involviert, 1980 bis 1988 unterstützen die USA abwechselnd Irak und Iran im Ersten Golfkrieg mit Waffenlieferungen, die US-Regierung weitet in den Jahren 1985 bis 1988 den Waffenverkauf an Saudi Arabien aus und befehligt 1986 Bombenangriffe auf die libyschen Städte Tripolis und Bengasi. 29 In der Filmgeschichte prägt der Darsteller Rudolph Valentino die Figur des Scheichs, der sich in The Sheik (George Melford 1921) in eine weiße Frau verliebt und sie in die Wüste entführt. Neuere Produktionen wie Sahara

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währt bis heute fort. »The Arabs are simply buying us«, predigt Howard Beale in Network (Sidney Lumet 1976), der Ölscheich in Indiana Jones: The Last Crusade (Steven Spielberg 1989) unterstützt mit Waffen und Kriegsgerät Nazis gegen die Amerikaner und ein reicher Scheich in Ernest in the Army (John R. Cherry III 1998) warnt: »[B]ehold my special club, the pluton missile. With it, I will bring the infidels to their knees and be leader in the Arab world.« Einmal mehr entsteht diese Angst im Kontext finanzwirtschaftlicher Entscheidungen. Abbildung 17: Beispiel für die Darstellung arabischer Ölscheichs in Cartoons während der Ölkrise 1973

Quelle: © © 1973 TIME, zitiert aus Semmerling 2006: 14.

Während Repräsentationen des Ölscheiches eine Wirtschaft des Terrors markieren, zeigt der Hollywoodfilm die arabische Gesellschaft oft als wütende Menschenmenge. Dieser dargestellte Mob verbrennt amerikanische Flaggen, ermordet amerikanische Staatsbürger und sprengt ihre Botschaften. Said (1978: 287) betont: »Most of the pictures represent mass rage and misery, or irrational […] gestures. Lurking behind all of these

(Andrew V. McLaglen 1983), Jewel of the Nile (Lewis Teague 1985) oder zuletzt Hidalgo (Joe Johnston 2004) wiederholen diesen Plot.

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images is the menace of jihad. Consequence: a fear that the Muslims (or Arabs) will take over the world.« Über diesen wütenden Mob thront der Scheich nicht nur mit seinem Reichtum, sondern auch mit dem Wissen darüber, wie er ihn einsetzen kann. Denn die Ware über die er den Terror finanziert und diese Menschenmenge in den Filmen lenkt, ist das schwarze Gold. Öl als Grundlage für die Finanzmacht des Scheichs erfordert sein Handeln in diesen Erzählungen in komplexen und digitalen Märkten. Die Idee dieser Macht eines einzelnen Ölscheichs über die Wirtschaft der westlichen Welt erinnert an eine der Urängste des Westens, die des orientalischen Despotismus. Das Gut, über das der Ölscheich in den Kinoerzählungen diese Machtposition einnehmen kann, ist in die Finanzierung dieser Geschäfte eingebunden: Denn aufgrund der enormen Ausgaben im Vietnamkrieg erklärt Nixon im August 1971 das Gold-Dollar-System für gescheitert und ersetzt es durch ein längerfristiges Öl-Dollar-System (vgl. Bürger 2007: 175). Ebenso wie sich japanische Unternehmer im Zuge dieses ›Nixon Shock‹ (vgl. FN 4) zur potenziellen Gefahrenquelle entwickeln, wird nun auch der Ölscheich zur Bedrohung. Seither fantasiert die amerikanische Populärkultur Kriege um die Rohstoffversorgung aus dem Nahen Osten. Nicht zuletzt steht die Kontrolle um die Ölversorgung im Zentrum des gegenwärtigen ›Krieges gegen den Terror‹. Frühe Texte, die eben diese bewaffneten Konflikte thematisieren sind Three Days of the Condor (Sydney Pollack 1975) und The Guns and the Fury (Tony Zarindast 1981); nach dem 11. September 2001 setzt sich der Ölterror fort in Actionfilmen wie Blast (Anthony Hickox 2004) oder The Deal (Harvey Kahn 2005) (vgl. Bürger 2007: 175–6 und Shaheen 2008: 108–9). Plötzlich taucht der Ölscheich auch im Kontext des Zweiten Weltkrieges auf: In Flags of Our Fathers (Clint Eastwood 2006), der als Adaption von James Bradleys gleichnamigem Buch das Kriegsszenario um die japanische Vulkaninsel Iwojima thematisiert (vgl. Kapitel 5), meint der US-Finanzminister: »[…] don’t be surprised if your planes don’t take off the runway because fuel dumps are empty. And our good friends the Ayrabs are only taking bullion« (vgl. Shaheen 2008: 116–7).30

30 Das Wort ›Ayrab‹ taucht seit dem Sechstagekrieg im Juni 1967 in der Populärkultur wiederholt auf, laut Shaheen (2003: 11) ist es ein »vulgar Hollywood epithet for Arab that is comparable to dago, greaser, kike, nigger, and gook.«

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Ein derartiger Anachronismus legt erneut ein Verständnis des Zweiten Weltkrieges als Referenz für den ›Krieg gegen den Terror‹ nahe. Während in Clint Eastwoods Film dieser Bezug verbal geschieht, suchen weitere Blockbuster nach einer konkreteren Verbindung zwischen arabischen Protagonisten und der ›Gelben Gefahr‹ in der Welt nach ›9/11‹. So zeigt zum Beispiel Babel (Alejandro González Iñárritu 2006) ein dystopisch überhöhtes Japanbild sowie einen japanischen Waffenhändler als Ursachenträger für die Verwundung einer amerikanischen Staatsbürgerin in der Wüste von Marokko. Das Gewehr des Händlers taucht im Film wieder auf in den Händen marokkanischer Kinder, die zum Verursacher der Wunde werden. In Ninja Assassin (James McTeigue 2009), dem jüngsten Projekt der weltweit bekannten Matrix-Produzenten Andy und Larry Wachowski, ist ein muslimischer Scheich der erste Augenzeuge geheimer Kämpfe von japanischen Kindern. In ihrer Ausbildung zum Ninja zeigt der Film 10-jährige Kämpfer, die sich gegenseitig totschlagen. Der Scheich ist begeistert von dem Spektakel und schreibt die ersten Berichte über die Ninja-Ausbildung. Diese Platzierungen scheinen auf dem ersten Blick recht willkürlich zu sein. Jedoch deuten sie gerade in ihrer massenmedialen Präsenz einen Trend an, der sich heute in kommerziell erfolgreichen Produktionen niederschlägt. Vor den Ereignissen vom ›11. September‹ tauchen im kommerziellen Kino Araber und die »Gelbe Gefahr« deutlich seltener in einem gemeinsamen Kontext auf. In diesem Zusammenhang nimmt ein Blockbuster aus dem Jahr 1981 in gegenwärtigen Diskursen eine prominente Position ein: In Rollover besetzen sowohl ein Ölscheich als auch ein Japaner handlungstragende Rollen. Nach ›9/11‹ ist ebenfalls Syriana ein äußerst populärer Film, der die Ölwirtschaft thematisiert. Er weist Ähnlichkeiten zur Darstellung des Ölscheichs in Rollover auf. Syriana stellt den arabischen Handlungsträgern zwar keine Japaner, dafür aber Chinesen zur Seite und spielt erneut auf eine ›Gelbe Gefahr‹ an. Beide Filme thematisieren zudem einen Wirtschaftsplot gegen die USA. Sie bieten daher eine wichtige Grundlage für eine Vergleichsanalyse vor dem Hintergrund des eben erwähnten Trends. Daher geht dieses Kapitel genauer auf beide Filme ein und sucht in ihnen nach der Gestaltung eines gemeinsamen ästhetischen Ausdruckes des Feindlich-Fremden. Gibt es Kontinuitäten und Brüche in der Darstellung des Arabers im Vergleich zu den Japanern? Welchen Einfluß nimmt die ›Gelbe Gefahr‹ auf die Repräsentation arabischer Antagonisten?

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4.2.2 Das Feindlich-Fremde in Rollover und Syriana Die Filmanalysen dieses Teilkapitels orientieren sich an der Darstellung des arabischen Scheichs als Unternehmer vor und nach ›9/11‹ in den Filmen Rollover und Syriana. Jeder der beiden Filme hat sich als Prägetext ins kommunikative Gedächtnis der USA eingeschrieben. Rollover zählt laut Shaheen (2003: 21) zu den ersten Filmen, die arabische Öl-Potentaten als Bedrohung markieren und dieses Bild über Videoveröffentlichungen, TV-Wiederholungen und DVD-Veröffentlichungen bis heute im kommunikativen Gedächtnis der amerikanischen Nation aufrechterhalten: Today’s films present anti-Christian, anti-Jewish Arab potentates perched atop missile bases, armed with nuclear weapons, plenty of oil, and oodles of cash. Using Islam to justify violence, today’s reel mega-rich hedonists pose a much greater threat to the West, to Israel, and to fellow Arabs than did their predecessors. You can catch a few of their kind in Rollover (1981), Wrong Is Right (1982), The Jewel of the Nile 31

(1985), and American Ninja 4: The Annihilation (1991).

Rollover gewinnt im Zuge der seit 2007 anhaltenden Finanzkrise zusätzlich an Popularität und ist ein häufig zitierter Referenztext der Populärkultur zur Erklärung der Krise. Er gilt als aktueller denn je. Eine Kundenmeinung bei amazon.com nennt Rollover einen »thought-provoking film that has more to do with 2008 than with 1981«, der Ökonom David Morgan stellt im Januar 2007 die Endszene des Filmes für »The Morgan Report« bei CNBC nach und auf youtube.com zirkulieren Videos, die Szenen aus Rollover mit Nachrichtenbeiträgen zum Bail-Out im April 2009 vermischen. Syriana steht Rollover hinsichtlich Aktualität und Referenz in keiner Weise nach. Er bricht mit traditionellen Erzählmustern des Hollywoodfilmes und gilt als »hyperlink cinema« (vgl. Booker 2007: 12).32 George Clooney erhält 2006 für seine Rolle als CIA-Agent Bob

31 American Ninja 4 thematisiert einen Terrorplot zur Vernichtung New Yorks durch eine Atombombe, geplant von einem arabischen Scheich und seinen (!) japanischen Ninjas. 32 Phil Dingra (2006), Web Designer, bildet Syriana im als Hyperlink-Film ab.

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Barnes den Oscar als bester Nebendarsteller. Der Erfolg von Syriana an den Kinokassen beunruhigt konservativ eingestellte Filmemacher und Politiker so sehr, dass sie sich im Jahr 2006 gezwungen sehen, die Annual American Values Awards als Antwort auf Syriana ins Leben zu rufen (vgl. Werning 2009: 233). Gerade weil Stephen Gaghans Regiearbeit als ein Affront gegen das amerikanische Wertesystem zählt, versucht dieser Filmpreis rechtskonservativen Produktionen zu mehr Popularität zu verhelfen. An heimischen Kinokassen spielt Syriana etwa 50 Millionen US-Dollar ein und bleibt 2006 für mehrere Wochen in der Top 10 des landesweiten Videoverleihs (vgl. Eberwein 2010: 39). Er erscheint zu einem Zeitpunkt, an dem zahlreiche Filme das amerikanische Kino repolitisieren.33 Jack Shaheen (vgl. 2008: 169–71), selbst tätig als filmischer Berater für Syriana, schätzt ihn als einen der moderatesten Filme in der Darstellung arabischer Figuren ein. Außerdem genießt er eine hohe akademische Reputation (vgl. Booker 2007, Eberwein 2010 oder Werning 2009). Allerdings entsteht Syriana unter produktionsbedingter Zusammenarbeit mit staatlichen Organen. Gedreht in Dubai in der ›Dubai Studio City‹, ist der Film einer starken Zensur ausgesetzt. So schreibt Sakr (2007: 198–9): »This fact surfaced when the distributor of Syriana […] revealed that the authorities had ordered the film’s script to be checked before filming started. After checking, all references to Gulf leaders and countries were removed.« Daher besitzt auch dieser Film einige Ambivalenzen in seiner Darstellung von Arabern. Am deutlichsten ist dies bereits im Filmtitel zu erkennen. So ist ›Syriana‹ ein in US-politischen Kreisen verwendeter Begriff für die staatliche Neuordnung des Nahen Ostens zugunsten des Westens – er ist ein theoretisches Konstrukt, das der Filmhandlung eine genaue Verortung verwehrt. Unabhängig von ihrer Enstehungszeit folgen beide Filme einem ähnlichen Muster in ihrer Darstellung arabisch-amerikanischer Geschäftsbeziehungen. Wiederkehrende Szenen sind etwa der Geschäftstermin zwischen einem arabischen Potentaten und einem amerikanischen Unternehmer oder das Treffen zwischen einem amerikanischen Wirtschaftsmogul und den arabischen Handelsmännern. Weil der Zweite Weltkrieg

33 Zu diesen zählen etwa Lord of War (Andrew Niccol 2005), The Constant Gardener (Fernando Meirelles 2005) oder The Manchurian Candidate (Jonathan Demme 2004).

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und die ›Gelbe Gefahr‹ in beiden Filmen einen Referenzrahmen für westliche Ängste bilden, sind sie Prägetexte für die Diskussion von Stereotypen unter dem Aspekt der Wirksamkeit einer Pearl-HarborErinnerung. Denn asiatische Handlungsträger sind in beiden Filmen recht überraschend platziert. Wie beeinflusst ihr Auftreten die Handlung und die ästhetische Darstellung des arabischen Ölscheichs vor und nach ›9/11‹? Um diese Frage zu klären, steht zunächst die Repräsentation arabischer Protagonisten im Fokus. Anschließend wird der Einfluss der ›Gelben Gefahr‹ auf ihre Darstellung untersucht. »The End of the World as You Know It«: Rollover (1981) Ein arabisches Ölunternehmen hält die amerikanische Wirtschaft in Schach. Während der Ölkrise setzt es Milliarden von US-Dollars um und legt sie auf seinen Konten bei amerikanischen Banken an, der westliche Finanzmarkt ist mehr denn je abhängig vom arabischen Reichtum. Jedoch trügt der Schein. Zahlungen vom anonymen Konto 21214 in Millionenhöhe mit einem Empfänger im saudischen Riad wechseln Papiergeld zu Gold. Sollte die Öffentlichkeit darauf aufmerksam werden, können die arabischen Goldkäufer jederzeit ihre finanziellen Rücklagen von den amerikanischen Konten abheben, damit den Dollar entwerten und im gleichen Zug die Weltwirtschaft zum Kollabieren bringen. Rollover impliziert mit diesem Plot ein sicheres Handeln der Araber auf dem komplexen Finanzmarkt des westlichen Techno-Kapitalismus. Erst als die beiden Unternehmer Hubbell (Hubb) Smith und Lee Winters das arabische Unternehmen um die Finanzierung einer eigenen Geschäftsidee bitten, decken sie die Verschwörung auf. Obgleich die arabischen Investoren als finanzielle Machthaber den gesamten Film über im Zentrum stehen, zeigt sie der Film in nur zwei Szenen. Ein erstes Mal tauchen sie auf, als Lee Winters und Hubb Smith in der saudischen Wüste zu einem Geschäftstermin verabredet sind: Die erste Einstellung rückt über eine Totale einen silbernen Rolls-Royce in den Fokus. Begleitet vom musikalischen Leitmotiv der US-Bankiers des Films bahnt sie sich ihren Weg auf einer Wüstenstraße. Als sie an einer Kamelherde vorüberfährt, schwenkt die Kamera um 90 Grad und verfolgt die Limousine, bis sie den Bildrahmen verlässt. Am Ende dieses Schwenks sind ein in einem weißen Kaftan gehüllter Mann an einem Münztelefon und ein gegenüber geparkter, blauer Kleintransporter im Fokus. Der

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anschließende Schnitt rückt über eine Supertotale ein mit dunklen Planen gespanntes Zelt ins Bildzentrum, um das sechs Rolls-Royce parken. Davor sammelt sich eine Gruppe von Männern in weißen Kaftanen. Der eingangs gezeigte Wagen nähert sich aus dem Bildhintergrund. Eine darauf folgende Totale lenkt die Aufmerksamkeit auf die Männergruppe. Sie züchten Falken und kehren der Kamera den Rücken. Einer von ihnen entfernt sich und geht auf die ankommende Limousine zu. Während die Tonspur zum diegetischen Ton blendet, entsteigen Smith und Winters dem Rolls-Royce. Der Mann empfängt die beiden mit einem arabischen Gruß und beginnt eine englischsprachige Konversation. Als sie gemeinsam zum Zelt laufen, ist die in einer weißen Robe gekleidete Lee Winters im Bildaufbau zwischen dem Araber und Hubb Smith angeordnet. Eine Innenaufnahme des Zeltes zeigt zwei in schwarzen Kaftanen gekleidete Männer, die einem Älteren auf die Beine helfen, um ihn in der anschließenden Szene mit den Gästen zusammenzuführen. Festgehalten ist dieses Treffen über einen American Shot aus der Froschperspektive. Der Bildrahmen der Szene wird durch eine Zeltstange gleichmäßig geteilt, im oberen Rahmen grenzt das dunkle Zeltdach und im unteren sind roten Teppiche angedeutet. Links läuft die vierköpfige, in dunklen Roben gekleidete Gruppe um den älteren Mann ein. Rechts davon Smith, Winters und ihr Gastgeber, der sein Gegenüber als seinen Vater Achmed vorstellt. An die Begrüßung schließt sich ein gemeinsames Essen auf dem Zeltboden an. Eine halbnahe Einstellung fokussiert dazu ein auf einem weißen Tuch aufgetischtes Wildgericht. Wie die darauffolgende Totale zeigt, sind um das Tuch Winters, Smith und dreizehn weißgekleidete Männer platziert. In schneller Schnittfolge alternieren halbnahe Aufnahmen von Smith und Winters mit Gruppenaufnahmen speisender, düster dreinblickender Männer. Ohne einen weiteren Dialog wechselt die Szene zu einem Basar. Die diegetische Tonspur überträgt orientalische Bläser. Dazu bahnt sich der eingangs gezeigte Rolls-Royce seinen Weg durch die bevölkerten Straßen. Aus dem Off erklingt Winters Stimme: »I feel like a beggar asking for alms and I hate it.« Smith erwidert: »You and the rest of the world.« Dieses erste Treffen zwischen dem arabischen Ölscheich und den amerikanischen Geschäftspartnern dient dazu, wesentliche kulturelle Unterschiede visuell zu markieren. Denn die in der arabischen Wüste angesiedelte Szene ist nahezu ohne Dialog ausgestaltet. Als zentrales ästhetisches Mittel fällt die totale Kameraeinstellung auf. Durch sie er-

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scheinen die abgebildeten Personen als unnahbar. In Distanz gefilmt heben sie sich dennoch gerade genug von der gezeigten Landschaft ab, um im Mittelpunkt der Aufnahme zu bleiben. Die Totale ist ein typisches Mittel, um Filmszenen einzuleiten und den Handlungsort näher vorzustellen. Jedoch dient die Totale zur Einleitung dieser Wüstenszene vielmehr dazu, Anachronismen der arabischen Welt einzuführen. Technologischer Fortschritt erscheint in der zeitlosen Wüstenwelt als deplaziert: Der eingangs gezeigte Rolls-Royce steht im Kontrast zu einer Kamelherde, ein Münzfernsprecher bildet in dieser Landschaft ein unerwartetes Requisit und das mit wertvollen Teppichen ausgelegte, von sechs Rolls-Royce umringte Zelt ist bar jeglichen Mobiliars. Passenderweise fasst Semmerling (vgl. 2006: 82) den Eindruck dieser Welt als ›schizophrenen Ort‹ zusammen, der symbolische Gegensätze eng beieinander hält. In diese Welt gelangen die Helden des Filmes mit demselben Gefährt, das die Geschäftspartner um den Treffpunkt parken. Auffällig ist, dass allein einer der sieben in dieser Szene gezeigten Rolls-Royce in dieser und der anschließenden Basar-Szene tatsächlich in Betrieb ist. Ihm entsteigen der in einem schwarzen Geschäftsanzug gekleidete Hubb Smith und die farblich dazu passende weiß gekleidete Lee Winters. Als sie empfangen werden, bildet Winters’ weiße Garderobe eine Sinneinheit mit dem Kaftan ihres Gastgebers. Wie um diese symbolische Nähe zwischen Frauenkleid und dem Gewand der männlichen Araber zu verstärken, läuft Winters neben dem Gastgeber zum Zelt. Dabei bringt ein frontaler Wind ihre beider Kleidung in gleichartige Bewegung. In seiner Interpretation des Filmes schließt Semmerling (2006: 85) aus diesem Kontrast: »[T]he Arabs in robes, look underdressed and anachronistic for the discussion at such a high-powered luncheon. The […] robes in the wind match the feminine style of Winters’s dress.« Die feminine Charakterisierung der arabischen Kleidung ist verstärkt in der Totalen auf die ›Tischgesellschaft‹, aus deren gleichfarbener Kleidung einzig Smith in seinem schwarzen Geschäftsanzug hervorsticht. Dieser Eindruck zweier aufeinanderprallender Welten ist am deutlichsten abgebildet in der Begegnung zwischen Smith, Winters und Scheich Achmed, den Prinz Khalid als seinen Vater vorstellt. Der Zeltmast in der Bildmitte hält beide Gruppen visuell auseinander. Erst der Gastgeber, der sich später als Prinz Khalid zu erkennen gibt, führt als einziger englischsprechender Araber dieser Szene die Gäste aus dem Westen und

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die Einheimischen zusammen. Die Macht der Gastgeber ist dabei durch ihre Aufnahme aus der Froschperspektive unterstrichen. Die Verbindung der Araber wird auch verbal deutlich, als Prinz Khalid seinen Vater Achmed vorstellt. So vereint die gleichartig gekleideten Charaktere ein gemeinsamer Familienhintergrund. Jedes Geschäft mit Prinz Khalid ist, wie eine dem Treffen in der Wüste anschließende Szene auch verbal betont, ein Geschäft mit der arabischen Familie. Lee Winters offenbart sich diese Gefahr erst, als sie später einem Punkt des Kreditvertrages widersprechen will. Prinz Khalid ermahnt sie: »Mrs. Winters, I should tell you there are those in the family who do not think we should be making this offer at all.« Semmerling (2006: 83) folgert aus dieser unterschwelligen Drohung eine mafiöse Geschäftssituation: »[Prince Khalid’s] mention of the ›family‹ business implies a Mafia-style organization and a world where democratic ideals of equal opportunity to succeed are overruled by hereditary autocratic power.« In der Tat pflegt die arabische Familie mächtige Verbindungen. Als der Ölscheich ein zweites Mal im Film auftaucht, trifft er sich auf einer Privatyacht mit dem »Löwen des amerikanischen Bankenwesens«: Maxwell Emory, Präsident der First New York Bank. Anlass dieser nächtlichen Zusammenkunft im Hafen von Monte Carlo sind zunehmende Abbuchungen der Geschäftsmänner aus Riad und dem dadurch stark abgeschwächten Dollarwert. Emorys Ziel ist es, die Rückbuchungen des arabischen Ölscheichs auf eine moderate Ebene zu reduzieren. Sein Gegenüber begegnet ihm dabei auf Augenhöhe. Dies ist nicht nur festgehalten durch eine in dieser Szene rigide eingesetzte Kameraeinstellung in Zentralperspektive. Auch die Garderobe des Scheichs hat sich der Situation angepasst. Er tritt Emory im klassischen Geschäftsanzug entgegen. Während Emory mit starrem Blick und strengem Ton versucht, Prinz Khalid zu bevormunden, lächelt Khalid seinen Gesprächspartner amüsiert an. Emory warnt ihn: »You cannot pull $95 million in one chunk from a bank the size of Boro National […] There will be no collapse in the foreseeable future unless you panic and start it with some damn fool move like this.« Khalid jedoch lotet die Machtpositionen aus, ermahnt Emory rhetorisch fragend ob des Wertes von Papiergeld und stellt ihm den Wert seiner Rohstoffe entgegen. Als er erkennt, dass sich die Araber ihrer Position bewusst sind, bleibt Emory nur eine weitere Drohung: »You’re playing with the end of the world, you

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know.« Khalid dreht Emorys Warnung um und erwidert: »The end of the world as you know it.« Diese Szene spitzt die Bedrohung der Araber für die Geschäftswelt des Westens zu: Sie lassen sich nicht bevormunden, sie wissen um ihren Einfluss und ihre Macht, dem westlichen Kapitalismus nach Belieben ein Ende zu bereiten. Gekleidet in einem ähnlichen Anzug wie dem Emorys, mimt Prinz Khalid das Ebenbild dieses Potentaten des Bankwesens (vgl. Semmerling 2006: 86). Seine Handlung erinnert an Homi K. Bhabhas (1990: 318) Idee einer »post-colonial mimicry.« Indem Khalid redet und sich kleidet wie die Führerfiguren des westlichen Kapitalismus, spricht er frei von seinem kulturellen Hintergrund in den machtvollen Worten und Gesten seines westlichen Gegenübers. Seine Präsenz stellt einen Bruch und somit eine Gefahr für die Gegenwartserfahrung des Westens dar. Denn würde dieser Emory-Ersatz den Westen regieren, würden orientalischer Despotismus und repressive Strukturen einkehren. Dass Khalid sich überhaupt auf diese Ebene begeben kann, macht deutlich, wie stark seine ›Familie‹ den amerikanischen Finanzmarkt bereits unterwandert hat. Zum Ende von Rollover soll diese implizite Bedrohung zur filmischen Realität werden. Denn gerade als das Konto 21214 zu einem offenen Geheimnis wird, zieht der Ölscheich alle finanziellen Einlagen zurück und stürzt damit die westliche Welt in den Ruin. Im Format einer Nachrichtensendung erzählen die finalen Szenen von den Folgen der arabischen Rückbuchungen. Der Sprecherkommentar betont das globale Ausmaß der Katastrophe: »Dollars, Pounds, Marks, Francs, Yen – not one currency escaped.« Über den sich selbst spielenden CNN-Nachrichtensprecher George Page erhalten die eingeblendeten Szenen von Aufständen in New York, Washington, D.C., Rom, Seoul, London, Kairo, Madrid und Paris einen Authentizitätseffekt. Die Nachrichtenbilder enden mit einem Schnitt in den Arbeitsraum von Boro National, in dem Smith und seine Kollegen vor Börsentickern, Rechnern und einer Weltkarte gebannt auf den Fernsehbildschirm starren. Der TVKommentar überlagert den nun folgenden 360-Grad-Schwenk durch den Arbeitsraum. In diesem Kontext stellt der Sprecher einen situativen Bezug zur westlichen Geschichtswahrnehmung her. Wie er verkündet fällt auch der gesamte Ostblock um Russland der Krise zum Opfer. Er muss sich nun mit dem Westen solidarisieren: »There is a need for unity of purpose and resolve unequaled since the end of World War II.« Durch den arabischen

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Hinterhalt endet der Kalte Krieg. Der Nachrichtensprecher zitiert den U.S. Senat, wie er anlässlich dieser Situation auf Präsident F.D. Roosevelts Antrittsrede zurückgreift und die Situation mit der Weltwirtschaftskrise vergleicht. Während die Tonspur den Nachrichtensprecher ausblendet, zeigt der weitergeführte Kameraschwenk die stillgelegten Arbeitsplätze des Bankinstituts Boro National, allein Smith sitzt noch am Tisch und sucht einen Neuanfang. In dieser versöhnlichen Endsequenz erscheint Lee Winters und bietet Smith ihre Hilfe an. Damit schließt der Film einen Bogen zum Handlungsbeginn. Denn bevor Winters und Smith zu den arabischen Investoren reisen, muss zunächst die Geschäftfrau um das Entscheidungsrecht in der Firma ihres verstorbenen Gatten kämpfen. Doch der Betriebsrat von WinterChem, so der Name der Firma, ist nicht gewillt, eine Frau in diese Position zu heben. Um diesen Konflikt zu lösen, fingiert Smith ein Treffen zwischen Winters und dem japanischen Unternehmensleiter von Shigemitsu-Han, das bei einer Mittagsverabredung vor den Augen des Betriebsrates erfolgen soll. Winters besitzt eine Aktienmehrheit von WinterChem und ein solches Treffen dient dazu, die Ängste vor einer Übernahme durch einen ausländischen Investor zu schüren. Das japanische Unternehmen ist in aller Munde, wie Smith betont: »that Japanese conglomerate that’s buying up every company in sight.« Eine kurze Restaurantszene zeigt anschließend einen bärtigen Japaner im klassischen Anzug, am Nebentisch sitzen Smith und Vertreter von WinterChems Betriebsrat. Die Anwesenheit des Japaners genügt, um den Betriebsrat zu überzeugen, die Entscheidungsbefugnis über die Firma an Winters zu übergeben. Der kurze Auftritt des Japaners ist handlungstragend. Indem seine Erscheinung eine Firmenübernahme suggeriert, ermöglicht er Winters einen Aufstieg in ihrer Unternehmenshierarchie. Nun kann sie mit den arabischen Investoren Verträge schließen. In Verbindung mit dem Filmende, das den Kontext zum Zweiten Weltkrieg herstellt, wirkt diese kurze Filmsequenz wie ein Signalgeber für die weitere Filmhandlung. Die in dieser Finte implizierte ökonomische Bedrohung Japans rückt die PearlHarbor-Erinnerung in den Kontext von Rollover. Zwar wird Japan selbst Opfer der Finanzkrise, die historisch impliziten Vorwürfe gegen die Japaner im Zweiten Weltkrieg – die Unterwanderung der USA, der hinterhältige Angriff und die Auslösung eines globalen Kriegsszenarios –

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werden in Rollover von den arabischen Protagonisten erfüllt. Auch in seiner Ausstattung wirkt der Japaner wie eine Folie für den arabischen Kontrahenten. Denn sein Geschäftsanzug und der für Darstellungen von Japanern untypische Bart nehmen den letzten Auftritt von Prinz Khalid im Film vorweg. Der arabische wie der japanische Wirtschaftskontrahent ist damit visuell auf ein und derselben Ebene konnotiert. Sie beide sind repräsentiert als reiche Unternehmer aus einem als fremd markierten Land, sie unterwandern mit ihren Finanzen die amerikanische Wirtschaft und sorgen letztendlich für den Zusammenbruch des globalen Marktes. Wie in vielen der eingangs zu Kapitel 4.2 genannten Filme ist New York, genauer die New Yorker Börse, Ziel und Ausgangspunkt dieser globalen Katastrophe. Es scheint, dass die mediatisierten Schurkenplots gegen die USA schon vor ›9/11‹ in erster Linie auf diese Metropole ausgerichtet sind. Das Ende von Rollover rückt die Stadt in die Aura des Zweiten Weltkrieges. New York ist damit nicht nur Erinnerungsort einer neu kontextualisierten PearlHarbor-Erinnerung, er ist auch Ausgangspunkt für einen erneuten globalen Krieg gegen einen von außen kommenden Feind, der so mächtig ist, dass er einstige Bündnisse der Alliierten reanimiert. »This Is a War!«: Syriana (2006) Auch in Syriana stehen Handelsbeziehungen zwischen den USA und einem arabischen Emirat im Mittelpunkt: Weil der Energieriese Connex Gasfelder im Mittleren Osten verliert, will er mit dem kleineren Ölkonzern Killen fusionieren, um sich Bohrrechte für ein kasachisches Ölfeld zu sichern und als ConnexKillen zu einem der weltweit größten Ölmagnaten aufzusteigen. Doch diese Fusion muss von Emir Hamad Al-Subaai, dem Besitzer des Feldes, gebilligt werden. Dieser ist gerade dabei, einen seiner beiden Söhne als Thronfolger zu nominieren. Einer von ihnen, der amtierende Außenminister Prinz Nasir, hat in Oxford studiert und ist ein Reformer. Er verweigert Connex die Teilhabe an den Ölbohrungen und will stattdessen den Markt für chinesische Investoren öffnen. Der andere, Prinz Neshal, liebt amerikanische Luxusartikel. Er ist pro-amerikanisch eingestellt und nicht gewillt die bisherige Geschäftsführung seines Vaters zu ändern. Unterstützt durch eine breite Opposition will Nasir für seine Pläne ökonomische Unabhängigkeit über eine iranische Pipeline erreichen und die amerikanischen Unternehmer dafür aus dem Rennen nehmen. Daher stellt er eine Gefahr für die amerikanische Regierung und Wirt-

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schaft dar. Um Emir Hamads Entscheidung zu Gunsten des Westens zu lenken, lässt Dean Whiting, Kopf der für die Fusionierung von Connex und Killen zuständigen Anwaltskanzlei Whiting Sloan, seine Beziehungen spielen. Im gleichen Zug überzeugt er das CIA von einem Mordkomplott gegen Prinz Nasir und bietet Prinz Neshal Beratungsdienste an. Am Ende geht sein Plan auf: Nasir stirbt durch eine Rakete des CIA, Connex und Killen fusionieren und Prinz Neshal wird neuer Emir. Wie eingangs beschrieben, ist Syriana als komplexer ›hyperlink film‹ zu betrachten.34 Als solcher ist vor allem der Filmschnitt hervorzuheben, der den schnellen Wechsel zwischen den zahlreichen Akteuren und Schauplätzen orchestriert. Jede der dargestellten Figuren ist Opfer eines korrupten Systems aus Macht und Petrodollars. Zum Ende verweigert Syriana simple moralische Lösungen und lässt stattdessen dieses Netzwerk bestehen. Zur Zeit der Repolitisierung des amerikanischen Kinos ist solch ein regierungskritischer Ton ungewohnt, aber nicht selten (vgl. FN 33). Jede der eingeführten Figuren hegt eigene Pläne und versucht andere für den persönlichen Erfolg auszubooten. Allerdings argumentiert der Film tendenziell im Sinne des Westens, indem er für die Darstellung arabischer Gegenspieler allein den Figuren genügend Raum für eine Zuschaueridentifizierung gewährt, die durchaus demokratische Strukturen und kapitalistische Wirtschaftsideen im Sinn haben. So ist ein Fokus auf Prinz Nasir gerichtet. Ein weiterer ruht auf dem pakistanischen Migranten Wasim Ahmed Khan, der durch das Fusionierungsvorhaben seine Beschäftigung im kasachischen Ölfeld verliert und im Zuge des Filmes zum Selbstmordattentäter wird. Er hat eine Vorliebe für Hollywood, Superheldencomics und westliche Sportarten. Wie Bürger (2007: 178, Hervorhebung im Original) betont, verweigert Syriana eine komplexere Sicht auf die islamische Welt fern westlich geprägter Figuren wie die der beiden Prinzen und die des von der amerikanischen Popkultur beeinflussten Wasim:35

34 Ebert (2005: n.p.) kommentiert die Story als unbeschreibbar: »The more you describe it, the more you miss the point. It is not a linear progression from problem to solution. It is all problem.« 35 Wasims Figur ist eine intertextuelle Referenz zu ›Johnny‹ aus The Outsiders (Francis Ford Coppola 1983). Die Plotstränge beider Figuren sind parallel

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Es gibt im Film keine fundierte Kritik am Kapitalismus und Verschuldungskreislauf, wie sie islamische Wirtschaftswissenschaftler durchaus vortragen. Die Absage der [islamischen] Fundamentalisten an die ›neoliberale‹ Version der Globalisierung und die sich bereichernde Herrenschicht in den eigenen Gesellschaften begnügt sich mit dem simplen Axiom ›Der Koran hat auf alles eine Antwort‹. Nach dem Versagen von Liberalismus und christlicher Theologie ist die Stunde des Islams gekommen. Hier folgt auch Syriana der ungeschriebenen Hollywood-Doktrin, dass Islamisten im Film niemals nachvollziehbare politische Beweggründe bescheinigt dürfen [sic!].

Für die Darstellung von Prinz Nasir und seinem Konterfei Prinz Neshal recycelt der Film eben jene Bilder, in denen Hollywoods Ölscheiche schon vor ›9/11‹ existierten und schreibt sie neu. Unter den eben genannten Konditionen gewährt die Handlung ihnen wesentlich mehr Raum. Doch im Kern, so die These, funktionieren diese Figuren als Folie für eine andere Bedrohung. Diese geht aus von einem chinesischen Großkonzern, der namentlich unerwähnt bleibt, stattdessen referiert der Film die Interessensvertretung des Konzernes als »the Chinese.« Die ästhetische Inszenierung der Unternehmer kommt – wie die folgende Kurzanalysen diskutieren – der Darstellung der Japaner zur Zeit des ›ökonomischen Pearl Harbors‹ äußerst nahe. Es scheint, die ›Gelbe Gefahr‹ trifft nicht allein auf die Japaner zu, sondern ist ein flexibleres Feindbild, das der Westen auf jede asiatische Nation überträgt. Dazu erkennt auch der Historiker John W. Dower: »[A]s a nation we can handle only one Asian bogeyman at a time, and these days Japan is down and China is up as the country with the greatest potential and the greatest potential menace« (zitiert in Sanger 1997: n.p.). Wie in Rollover, ist das Erscheinungsbild der asiatischen Handelsmänner ihrem arabischen Pendant angepasst. Auch in Syriana erscheinen die Asiaten willkürlich platziert. Allein in drei knappen Szenen, sind sie entweder zu sehen oder werden sprachlich referiert. Dennoch ist diese Positionierung handlungstragend. Welchen Einfluss nimmt daher die von den Unternehmern ausgehende ›Gelbe Gefahr‹ auf die Darstellung der Araber im Film?

zueinander. Als Film im Film ist Coppolas Werk in Syriana zu sehen, kurz darauf nennt sich Wasim sogar ›Johnny‹.

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Allein eine Szene in Syriana stellt den chinesischen Geschäftspartner näher vor. Ein älterer Herr in schwarzem Geschäftsanzug wird während einer Audienz bei den drei zentralen Vertretern der Al-Subaai Familie, der Emir und die beiden Prinzen, gezeigt. Er ist des Arabischen mächtig und legt Emir Hamad seine Vorstellungen dar. Gefilmt ist die Szene in einem in warmen Farben gehaltenen Raum eines Anwesens in Marbella. Die Audienz ist in einer leichten Froschperspektive gefilmt. Sie unterstreicht die machtvollen Positionen der Anwesenden. Das Licht im Raum ist stark gedimmt, die Gesprächspartner agieren im Schatten. Zwischen diese Aufnahmen ist eine Handlung im Vorzimmer des Raumes eingefügt. Dort sitzen von unten ausgeleuchtet und in gleichen Geschäftsanzügen der Schweizer Energieanalyst Bryan Woodman (Matt Damon) und ein amerikanischer Unternehmer mittleren Alters. Sie beide warten auf ihren Termin mit der Al-Subaai Familie. Statt der persönlichen Audienz schickt ihnen der Emir zwei Sekretäre, die das Anliegen der beiden Handelsmänner – zu deren Überraschung – direkt im Vorzimmer ohne Raum für eine private Unterredung anhören. Diese Szene schafft Distanz zwischen den westlichen und ›fernöstlichen‹ Unternehmern. Indem er dem chinesischen Geschäftsmann Raum für eine private Unterredung gibt, markiert der Film die machtvolle Präsenz des Mitbewerbers und die schwache Position der westlichen Unternehmer. Entsprechend kennzeichnet die Low-key-Beleuchtung eine von dieser Unterredung ausgehende Gefahr. Sie dunkelt das Zimmer ab und lässt den Chinesen als Schattenwesen agieren. Denn seine Gesichtskonturen sind – wenn er nicht mit dem Rücken zur Kamera steht – kaum zu erkennen. Im Kontrast dazu konnotieren die jüngeren Aspiranten im Vorzimmer eine unreife Neugier und Unsicherheit, dieser Eindruck ist verstärkt durch die Beleuchtung der Szene, die ihnen nur wenige Konturen in die Gesichtpartien schreibt und damit Erfahrung und weitere Absichten ihrer Geschäftsideen abspricht. Sie scheinen nicht die passenden Gesprächspartner für einen Mann von der Statur des Emirs zu sein. Doch auch bei den Chinesen trügt der Schein. Das Treffen hat offensichtlich Prinz Nasir arrangiert. Denn der Emir und Prinz Neshal zeigen nur wenig Interesse an den Plänen des Unternehmers. Allein Prinz Nasir ist bemüht, seines Vaters Gehör auf die Worte der Chinesen zu lenken und betont: »The Chinese take the trouble to learn Arabic.« Doch seine Mühe bleibt ungehört, der Ausgang der Unterredung im Dunkeln.

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Prinz Nasir findet seine Interessen erst bestätigt, als er sich privat mit Bryan Woodman in einem Lager in der Wüste trifft. Obgleich der Anlass eher einer Kondolenzbekundung dient – Nasirs Bruder hat versehentlich und indirekt Bryans Sohn während des Empfanges in Marbella getötet – werden beider Vorhaben erstmals bei diesem Treffen näher vorgestellt. Die Szene ordnet sich in der Filmerzählung nach einer CIA-Besprechung an, in der Nasir als Schurke vorgestellt ist und Agent Barnes (George Clooney) mit einem Attentatsauftrag auf Prinz Nasir betraut wird. Die Szene zum Geschäftstermin greift die ästhetischen Methoden von Rollover auf. Erneut fährt der westliche Geschäftsvertreter mit einem Auto – diesmal kein Rolls-Royce, sondern ein der Umgebung angemessener Allrad-Jeep – zu seiner Verabredung. Abermals empfängt ihn ein in weißem Kaftan gekleideter Prinz in einem Zelt und widmet sich der Falkenzucht. Allerdings ist das Zelt im Gegensatz zur dekadenten Primitivität der Ausstattung in Rollover professionell befestigt und reichhaltig möbliert. Durch die Anwesenheit der Ehefrau des Prinzen ist er nicht nur als Politiker, sondern auch als Privatmann vorgestellt. Während der Unterredung in der Wüste spricht der Bildausschnitt dem arabischen Gastgeber Fortschritt und Zukunftsgewandtheit zu, indem er neben Sanddünen auch eine urbane Metropole am Horizont andeutet. Die Szene bricht durch ihre Ausstattungen und die Wahl des Bildrahmens mit konventionellen Repräsentationen des arabischen Geschäftsmannes. Auch inhaltlich findet dieser Bruch statt. Der Prinz wird als ehrbarer Mann vorgestellt, der eingangs der Szene eine Unterredung mit einem Landsmann hält, in der es um die Billigung von Grundbesitz geht. Die Struktur der Unterredung entspricht durchaus feudalen Gegebenheiten, in der ein ebenbürtig gekleideter Gast als Bittsteller auftritt. Das Gespräch dient dazu, Hintergrund und Tradition des Prinzen näher vorzustellen. Allerdings bricht die Szene auch mit diesem feudalen Eindruck, als Bryan dem Prinzen seine Dienste als Wirtschaftsberater anbietet. Zunächst versucht der mit Sonnenbrille und Geschäftsanzug visuell stark distanziert ausgestattete Bryan sein Gegenüber zu bevormunden. Doch Nasir kontert diesen Versuch: Bryan: »[W]hy would you need an economic adviser? Twenty years ago you had the highest GNP in the world, today you’re tied with Albania. So, good work. Your second biggest export is secondhand goods followed closely by

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dates, for which you lose 5 cents a pound. You want to know what the business world thinks of you? We think 100 years ago you were living out here in tents in the desert, chopping each others head off and that’s exactly where you’ll be in another 100. […]« Nasir: »So now you’re my economic adviser why don’t you tell me something I don’t already know.«

Herausgefordert von dieser Aussage, nutzt Bryan die Gelegenheit, um Nasir zur Verdoppelung seiner Öl-Profite eine Pipeline direkt durch den Iran vorzuschlagen. Die Szene dient dazu, die visuellen Brüche mit heterostereotypen Traditionen zur Repräsentation eines arabischen Regenten und Geschäftsmannes visuell und verbal zu bestätigen. Prinz Nasir wird hier als Reformer vorgestellt, ein der Zukunft zugewandter Mann, der sein Land nach westlichem Vorbild demokratisieren will. Er nimmt die Dienste eines Wirtschaftsberaters an und ist nicht als totalitärer Hardliner gezeigt. Auf diese Weise wird Prinz Nasir doppelt als westlich denkender Araber präsentiert, der visuell wie narratologisch auf ein und derselben Ebene mit seinem westlichen Gegenüber steht – entsprechend ist diese Szene aus einer Zentralperspektive gefilmt.36 Während der Film eine feste Bindung zwischen Bryan und dem Prinzen über den Vorschlag einer Pipeline durch den Iran herstellt, bleiben die chinesischen Investoren zur Umsetzung dieses Vorhabens unerwähnt. Jedoch kehren die Asiaten im Film in einem anderen Zusammenhang wieder. Als Bob Barnes für das vom CIA in Auftrag gegebene Attentat auf Nasir in Beirut unterwegs ist, trifft er auf den vermeintlichen HisbollahAgenten Mussawi, Deckname »Jimmy.« Ihn betraut er mit den Details für das Attentat. Doch Mussawi stellt sich als Doppelagent heraus, der für den Iran arbeitet. Statt Nasir für das Vorhaben zu entführen, kidnappt er Barnes. Die folgende Szene stellt den Entführer und sein Opfer gegenüber

36 Weitere Plotentwicklungen sprechen Nasir diese Einstellung ab. Als Emir Hamad seine Position dem jüngeren Sohn übergibt, sieht Nasir nur die Möglichkeit zum Militärstreich und versucht, mit der um ihn gescharten Opposition einen Putsch zu initiieren. Statt das demokratische Denken aufrechtzuerhalten und aus seiner Position als Außenminister sein Möglichstes zu tun, um die Reformen zu lenken, hebt der Plot eine martialische Natur hervor und militarisiert den Prinzen. Auf dem Weg zum Putsch eliminiert ihn das CIA.

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[vgl. DVD 41]: Eine halbnahe Kameraeinstellung zeigt den oberkörperfreien Barnes, im Hintergrund tritt Mussawi in den Bildausschnitt und fragt: »Bob… what do you know about the torture methods used by the Chinese on the Falun Gong?« Die halbnahe Kameraeinstellung bleibt auf Bob gerichtet, während sein Peiniger sich im Hintergrund nähert und beginnt, die chinesischen Foltermethoden aufzuzählen. Dabei wechselt die Kameraperspektive zu einer Halbtotalen, den Bildausschnitt säumt ein Türrahmen. Nun ist zu erkennen, dass Bob auf einem Stuhl gefesselt ist, seine Finger sind auf einem Holzbrett gefesselt. Mussawi nähert sich einem Tisch mit Werkzeugen: »Water dungeon. Did you guess water dungeon? Number two method? Number two, twisting arm and putting face in feces. Not interested in two? Number three. Number three is called ›pulling nails from fingers‹. What do you think Bob? Number three sound good to you? […] The purpose is to get the monks or whatever to recant their beliefs. What if I had to get you to recant? That would be pretty difficult right? Because if you have no beliefs to recant then what?«

Unterdessen greift Mussawi zu einer Zange und entfernt – gefilmt aus einer leichten Froschperspektive – einen Fingernagel aus Bobs Hand. Daraufhin erwidert Bob: »Come on Jimmy, you’re not one of those Koran thumpers!« Nachdem sein Peiniger entgegnet: »My name is Mussawi« und den Vorgang ein weiteres Mal wiederholt, beginnt er, auf sein Opfer einzuschlagen. Dabei schreit er ihn an: »[T]his is a war! Fuck you’re a PO fucking W!« Unter den Schlägen kippt die Kamera mit Bob um und liegt am Boden. Mussawi holt ein Messer hervor. Er droht nun verbal und gestisch damit, Bob zu enthaupten. Bob, der zu Beginn des Filmes im Iran als Teil einer Observierungsund Infiltrierungsmission zwei Raketen an einen Waffenhändler verkauft, mit dem Ziel deren Empfänger zu töten, wird nun selbst Opfer eines iranischen Doppelagenten. Doch bevor Mussawi die Dekapitation vornehmen kann, betritt ein Redeführer der Hisbollah den Raum und stoppt die Folter. Interessant an dieser Szene sind drei Dinge: Einerseits stellt ›Jimmys‹ ausdrückliches Namensbekenntnis zum persischen ›Mussawi‹ einen direkten Bezug zum Iran her, in dessen Namen er in dieser Szene handelt. Weiterhin evoziert diese Sequenz mit der rhetorischen Frage im Dialogbeginn eine verbale wie szenische Reinszenierung

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chinesischer Foltermethoden gegen die Falun Gong. Zuletzt gibt Mussawi eine Leserichtung der Szene vor, indem er Bob als Kriegsgefangenen definiert. Die Kombination von Mussawis Aussagen mit den Bildern einer Folter ergeben auf symbolischer Ebene die Signifikation des Irans als kriegsführenden Staat. Durch Mussawis Falun-Gong-Gleichnis und sein Namensbekenntnis erscheinen Iran und China als gleichwertige Metaphern in seinem Monolog. Die Anwesenheit eines amerikanischen Folteropfers, das den Status eines Kriegsgefangenen zugewiesen bekommt, rückt die Szene in den Kontext des ›Krieges gegen den Terror‹. Bush hat den Iran 2002 in diesem Krieg einer »Achse des Bösen« zugeordnet (»State of the Union Address« 2002). Indem Mussawi eingangs den metonymischen Bezug zu chinesischen Foltermethoden herstellt, ist Bob außerdem metaphorisch als Mönch der Falun Gong angesprochen. Der Folterknecht selbst schlüpft bildsprachlich in die Rolle eines chinesischen Regierungsbeauftragten. China hat Falun Gong als Kultivationsweg gegen den moralischen Sittenverfall im Jahr 1999 aufgrund seiner Form als Kult verboten und geht brutal gegen die Ausübenden vor (vgl. Porter 2003: 1). Barnes ist somit zusätzlich als Moralist konnotiert, der allerdings, nach Mussawis Aussagen, frei jeder religiösen Haltung agiert. Westliche Werte erscheinen in diesem Kontext daher als kultische Werte, der Iran/China weiterhin als totalitärer Unterdrücker dieser Werte und klar distanziert vom Westen. Im Gesamtkontext des Filmes erhält China eine symbolische Nähe zum Iran als Schurkenstaat. Im Iran beginnt der Film im Kontext von Waffenhehlerei und impliziert eine Weitergabe der von Barnes gehandelten Raketen an islamische Fundamentalisten. Im Anschluss an die eben genannte Folterszene zeigt Syriana, wie der schlussendliche Selbstmordattentäter mit seiner Waffe, einer der im Iran weitergegebenen Raketen, vertraut gemacht wird. Er sprengt am Ende des Filmes damit sich selbst und einen Öltanker nahe des kasachischen Bohrfeldes in die Luft. Prinz Nasir plant weiterhin mit chinesischen Petrodollars eine Pipeline durch den Iran. Zu guter Letzt, stellt die Figur Mussawi eine direkte Verbindung zwischen Iran und China her. Unter Anwendung von Jacques Lacans Weiterführung von Roman Jakobsons Metapher-Metonymie-Beziehung, ist China in Syriana damit als Funktion eines Signifikanten für den Iran zu lesen. Jakobson unterscheidet im Aufsatz »Shifters, Verbal Categories, and the Russian Verb« (1957) das Aussagen von der Aussage. Die Verbindung zwischen diesem Prozess und seinem Ergebnis sieht er in

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einem variablen Sprachelement, dem von ihm bezeichneten shifter. Lacan erkennt im shifter eine sprachliche Trennung zwischen sujet de l’énonciation (Subjekt des Aussagens) und dem sujet de l’énoncé (Subjekt der Aussage). Aufbauend auf dieser Beobachtung postuliert Lacan, »daß das Subjekt nur Subjekt ist als Unterwerfung [...] auf dem Feld des Anderen. [...] Durch die Wirkung des Sprechens verwirklicht sich das Subjekt immer mehr im Anderen, obwohl es [darin] nicht mehr als die Hälfte seiner selbst verfolgt« (1996 [1964]: 197). Wenn das Subjekt der Aussage somit vom Subjekt des Aussagens abgespalten ist, so unterliegt es stets dem Spiel der Signifikanten. Um sich als Subjekt beider sprachlichen Ebenen zu konstituieren, muss es als shifter agieren. Angewandt auf Syriana lässt sich in Mussawis Folterszene dieses Spiel der Signifikanten beobachten: Als metonymischer Bezugspunkt ist der ›Schurkenstaat‹ Iran in den bloßen Referenzen auf China unterdrückt. Er tritt erst zutage als Beiprodukt der metaphorischen Signifikation Chinas als Unterdrücker und Gegner des Westens. Wenn nun Mussawi bekennt »My name is Mussawi« und in seiner Folter den symbolischen Bezug zu China herstellt, oszilliert ›Mussawi‹ als shifter zwischen China, dem Subjekt des Aussagens, und dem Iran, dem impliziten Subjekt der Aussage im persischen Namen ›Mussawi‹. Das in dieser Folter handelnde Subjekt unterliegt daher stets der metonymischen Bewegung zwischen den Signifikanten ›China‹ und ›Iran‹. Ähnlich zu Rollover ist eine ›Gelbe Gefahr‹ sorgsam als Wegbereiter für den Terror aus dem Nahen Osten platziert. Syriana entwirft diese Gefahr performativ, auf Basis der metonymischen Verkettungen von Handelsbeziehungen und Folter sowie der metaphorischen Signifikation einer Gegenposition zum Westen. Um diese Signifikation erschließt sich der Kriegskontext von Syriana, in dem über die Erfahrungen des Westens im Umgang mit der einst Japan zugeschriebenen ›Gelben Gefahr‹ der Vergangenheit (die Pearl-Harbor-Erinnerung) die Gefahr der Gegenwart (China/Iran) konnotiert ist. Zwischenergebnis Rollover und Syriana nutzen Repräsentationen der in Kapitel 4.1 näher vorgestellten ›Gelben Gefahr‹ als willkürlichen Referenzrahmen für westliche Ängste. Indem Rollover und Syriana über asiatische Handlungsträger subtil einen Signalgeber für die Leserichtung der

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arabischen Protagonisten platziert, überhöhen sie zusätzlich die von den gezeigten Arabern ausgehende Gefahr für den Westen. Beide Filme bilden unter dieser Konstellation einen kriegsähnlichen Zustand zwischen dem Osten und dem Westen ab. In Rollover finden sich am Ende die Alliierten wiedervereint, um in einer dem Zweiten Weltkrieg ähnlichen Situation nach Lösungen zu suchen. In Syriana fungiert die ›Gelbe Gefahr‹ als Verweis auf den ›Krieg gegen den Terror‹, ohne dass dieser Krieg explizit im Film erwähnt ist. Diese Kriegssituation ist dabei eben auch immer durch das kurze Erscheinen asiatischer Charaktere vorgeprägt. Aufgrund komplexer und präzise ausgeführter Produktionsmechanismen, die jedem Film zugrunde liegen, ist kein Bild als zufällig zu verstehen. Jedes Bild ist verbunden mit dem Imaginären, mit einer psychischen Ordnung. Wenn nun die Vorprägung arabischer Protagonisten in beiden Filmen über das symbolische Signal einer ›Gelben Gefahr‹ erfolgt, hält eben auch an diesen Punkten die durch die Pearl-Harbor-Erinnerung geprägte Erfahrung mit dieser Gefahr Einzug in die Filmhandlung. Um das Feindlich-Fremde in beiden Filmen deutlicher vom Westen abzugrenzen, markiert vor allem Rollover auf einer ästhetischen Ebene kulturelle Unterschiede und stellt den Nahen Osten als »schizophrenic place« (Semmerling 2006: 82) vor. In ihm existieren symbolische Gegensätze eng beieinander. Anachronismen wie etwa technischer Fortschritt und das Leben in der Wüste oder Reichtum und Wildnis tragen zu einer starken Abwertung der Araber bei. Syriana hingegen lässt seinen Figuren mehr Raum und erzeugt komplexere Persönlichkeiten. Allerdings scheitern sie im Film aufgrund ihrer ideologischen Einstellungen: Prinz Meshal, für den allein Macht und Reichtum zählen, macht das Emirat als neuer Herrscher zum Marionettenstaat der USA. Prinz Nasir wird zum Ende des Filmes trotz westlicher Ideale zum Despoten und will einen Militärputsch initiieren (vgl. FN 36). Wasim, der westlichen Fiktionen nacheifert (vgl. FN 35), lässt sich innerhalb kürzester Zeit in einer Islamschule manipulieren und wendet sich letztendlich als Selbstmordattentäter gegen seine ursprünglichen Lebensentwürfe. Trotz politischer Agenda fehlen den dargestellten Arabern in Syriana entweder der Lebenswille, die Freiheit für eigene Entscheidungen oder ihr Streben nach Glück misslingt aufgrund der vorherrschenden feudalen Strukturen. Ideologisch sind sie damit ein Gegenentwurf zu den Mythen des Westens und müssen im Film scheitern.

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Schließlich nutzen beide Filme einen kriegsfernen Kontext, um die Feindbilder zu entwerfen. Der durch Petrodollars hervorgerufene Reichtum der Araber fungiert als Symbollogik ihrer Ordnung. Er verweist auf einen Gefahrenpunkt. Denn über ihren Reichtum können die Ölscheichs nicht nur das von der Ölwirtschaft abhängige Leben im Westen kontrollieren, sie infiltrieren damit auch den westlichen Finanzmarkt und finanzieren schließlich direkt und indirekt den Terror gegen den Westen.

4.3 R ESÜMEE Ähnlich zu den Beispielen in Kapitel 3 sind auch die in diesem Kapitel vorliegenden Filme sehr populär und finden über DVD-Neuveröffentlichungen und TV-Wiederholungen noch immer ein großes Publikum. Mit den in ihnen thematisierten Feindbildern sprechen die Filme über visuell-auditive Reize die auf psychischer Ebene vorgegebenen Grenzen persönlicher Angst an. Diese Angst lösen sie – mit Ausnahme von Rollover – durch heterostereotype Feindbilder auf. Anhand der eindeutigen Kennzeichnung des Feindlich-Fremden erleichtern die diskutierten Filme eine Kanalisierung der durch Angst empfundenen psychischen Belastung. Als Resultat bilden die asiatischen und arabischen Unternehmer der Filmnarration wechselseitige Bezugssysteme und erfüllen die Funktion einer Projektionsfläche für national empfundene Ängste. Diese steht in den folgenden Absätzen zur Diskussion. Die in diesem Kapitel untersuchten Filme vermeiden eine direkte Benennung der Traumaerinnerung. Sie reproduzieren die nationalen Traumata ›Pearl Harbor‹ und – im Fall von Syriana – ›9/11‹ anhand rhetorischer Figuren der politischen und öffentlichen Diskurse einer kollektiv geteilten Vergangenheit. Sofern sie keine prowestliche Einstellung vertreten, erscheinen asiatische und arabische Akteure der Narrationen nicht als Individuen, sondern als eindimensionale Karikaturen. Die Pearl-Harbor-Erinnerung prägt diese Eindimensionalität durch einen Bezug auf Kriegskontexte und der heimlich geplanten Aggression gegen den Westen. Hierzu binden die in Kapitel 4.1 untersuchten Beispiele ihre Erzählungen bereits über den Titel in ein System der Signifikation ein, das jede Interpretationsreaktion unter den Einfluss der Kriegserinnerung stellt. Kapitel 4.2 hat hierzu Filme untersucht, die eine Verbindung zwischen

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Kriegserinnerung und der gegenüber dem Nahen Osten empfundenen Terrorangst herstellen. Als Ergebnis changieren die Bedrohungsszenarien zwischen einer Reproduktion der Kriegssituation, wie der Falschgeld-Plot als Wiederholung des Überraschungsangriffes in Black Rain, und eine Weiterentwicklung der Gefahr, wie im erfolgreichen Schlag gegen den Westen in Rollover. In ihren Inhalten befördern die analysierten Texte die Ausdifferenzierung einer symbolträchtigen Feindfigur, die des Yakuza und jene des Ölscheichs. Beide besitzen neben ihren ethnischen und Genderidentitären Ausprägungen – sie alle erscheinen als fremdländische Männer – einen hohen Wiedererkennungswert einerseits durch die Ganzkörpertattoos und abgeschnittenen Finger der Yakuza, andererseits durch Kaftan und Gesichtsbehaarung des Ölscheichs. Beide Figuren konnotieren weiterhin ein feudales System mit einer stark despotischen Ausprägung. So entstammen sie jeweils einem familienähnlichem Verhältnis, das autokratische Machtstrukturen reproduziert: Kazihiro in Gung Ho versucht das Hierarchiesystem seines japanischen Mutterkonzerns in den USA durchzusetzen, Sugai und Sato stehen sich in Black Rain in einer Familienfehde zweier Mafiaclans gegenüber, Eddie Sakamura vertritt die Interessen seines Vaters bei der versuchten Übernahme von MicroCon in Rising Sun, Prinz Khalid betont das Gewicht familiärer Entscheidungen beim Vertragsabschluss mit amerikanischen Unternehmern in Rollover und Syriana schließlich entwirft seinen Plot entlang der Entscheidung um den Thronnachfolger von Emir Hamed Al-Subaai. In Werten und Moral stehen diese Akteure denen des Westens entgegen. Einzig Gung Ho impliziert eine Akkulturation des Antagonisten. Erst in der Adaption amerikanischer Mythen wird Kazihiro sozial kontrollierbar. Durch die Einbettung der Pearl-Harbor-Erinnerung in die Zeit der sogenannten ›trade wars‹, etwa über die explizite Wiederherstellung der Ausgangssituation der USA im Zweiten Weltkrieg in Rollover, erleichtern die diskutierten Filme die Sinnstiftung ökonomischer Missstände. Die gezeigten Antagonisten sind als eine gleichartige Menschenmenge vorgestellt. Ihr ethnischer Hintergrund ist auf ähnliche Art und Weise dargestellt. Sie sind ›identische Fremde‹, wie Nick Conklin in Black Rain meint. Um sie zu verstehen sind Mittelsmänner nötig, denen beide sich begegnenden Kulturkreise vertraut sind: der Japan-erprobte Hunt Stevenson als Mittelsmann für Kazihiro in Gung Hos Hadleyville, Masahiro mit seiner

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Vorliebe für westliche Kulturen als Übersetzer und polizeidienstlicher Helfer in Black Rain, der gaijin John Connor als Japan-Experte in Rising Sun, Prinz Khalid in Rollover vermittelt zwischen seiner Familie und WinterChem und schließlich der in Oxford ausgebildete Prinz Nasir in Syriana. Der Zugang zur Kultur des Anderen ist damit nur durch einen Vermittler möglich. Ist dieser unzuverlässig, entsteht – wie Rollover impliziert – ein Kontrollverlust. Der Gleichstellung des Anderen setzen die Filme heterogene Akteursgruppen entgegen, die entweder als multikulturelles Team, als klassenübergreifendes Kollektiv oder als emanzipiertes Geschäftspaar auftreten. Die Homogenität des Anderen ist dabei als leicht zu identifizierender, dezidiert von außen kommender Gefahrenpunkt repräsentiert. Gleichzeitig wird das multikulturelle Selbstbild als positiv bestätigt.37 Der Gegensatz zwischen den sich begegnenden Kulturen ist zudem durch den Schauplatz konnotiert. Denn das in den Texten gezeigte Feindlich-Fremde stammt stets entweder aus einem als technoides Dystopia gekennzeichneten Japan oder einem geschichts- und zeitlosem Ort wie dem einer unbestimmten Wüste im Nahen Osten. Schließlich greifen die hier untersuchten Filme auf Wissensbestände um die Antagonisten zurück, die auf ein kollektiv empfundenes Werte- und Normensystem der USA als Supermacht rekurrieren. Diese nationale Identität hat sich mit dem Zweiten Weltkrieg herausgebildet und ist damit eng mit der Erinnerung an den Angriff auf Pearl Harbor verknüpft. Sie fördern daher als Teil eines populärkulturellen Diskurses die Produktion von Wissen um eindeutig definierte Feindbilder und nationaler Identität – und damit ein Machtgefüge, ein Diskurs über das Andere. Um das Selbstbild zu wahren, ist eine heterostereotype Konstruktion eines FeindlichFremden nötig. Diese ist nahezu unverändert den Propagandabildern des sogenannten ›good war‹ (vgl. Terkel 1997) entnommen. Allein wenn eine Ideologiebestätigung des Westens durch die Werte und Normen des Anderen erfolgt, dürfen die eindimensionalen Charaktere der Filmhandlung

37 Einzige Ausnahme bildet Syriana, der das Ölgeschäft als System gegenseitiger Korruption kritisiert und dessen einzige Helden sich nicht als amerikanische Staatsbürger ausweisen. Bob Barnes tritt gegenüber Prinz Nasir als Kanadier auf und Bryan Woodman ist als Schweizer Energieanalyst dargestellt. Dieser Film erlaubt daher eine ambivalentere Sicht auf das Selbstbild und überträgt diese gleichzeitig auf Prinz Nasir.

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zu mehrdimensionalen werden, wie Syriana, Gung Ho und Black Rain zeigen. Die ästhetische wie narrative Stereotypisierung der weiteren Antagonisten ist als diskursive Strategie zur Stabilisierung eines FeindlichFremden zu verstehen. Wie Kapitel 4.2 zeigt, nehmen asiatische Charaktere die Funktion eines willkürlich platzierten Bezugspunktes für die dargestellten Araber ein. Hier finden sich Saids Beobachtungen zur Generalisierung der Darstellungen des Fremden bestätigt. Said (1979: 86) macht in Napoleons Description de l’Egypte eine Methode aus, die er bis in die Gegenwart in Repräsentationen des, generalisierend sogenannten, ›Arabers‹ verfolgt: »[T]o make out of every observable detail a generalization and out of every generalization an immutable law about the Oriental nature, temperament, mentality, custom, or type; and, above all, to transmute living reality into the stuff of texts, to possess (or think one possesses) actuality mainly because nothing in the Orient seems to resist one’s powers: these are the features of Orientalist projection […].«

Dieser Gedanke einer Uniformität des ›Anderen‹ trifft ebenfalls auf die Repräsentationen der Japaner zu, wie Kapitel 4.1 zeigt. Als orientalistisches Projekt begünstigt in beiden Fällen die Filmnarration die Generalisierung von feindlich-fremden Stereotypen unterschiedlicher Herkunft. Mehr noch passen sie ›alte‹ Feindbilder neuen Rahmenbedingungen an und reproduzieren ein national empfundenes Angstgefühl sowohl in der ›Gelben Gefahr‹ wie auch in der Bedrohung durch einen suggerierten ›orientalischen Despotismus‹. Diese Angst entspricht den Erfahrungskontexten der durch ›Pearl Harbor‹ ausgelösten Kriegssituation. Gerade in der Verwendung nahezu unveränderter Feindbilder erlauben diese Bilder eine soziale Integration westlicher Zuschauer in ein aufgrund seiner multikulturellen Zusammensetzung als stark fragmentiert empfundenen, modernen Staat wie die USA. Dieser ist im Diskurs über das Andere in eine durch die PearlHarbor-Erinnerung geprägte, internationale Gefahrensituation eingebettet und – so implizieren die hier gezeigten Filme – nur über kriegsähnliche Handlungen auflösbar. Die Pearl-Harbor-Erinnerung zeigt sich damit als flexibel und sinnstiftend für international geänderte Rahmenbedingungen, die durch sie geprägten Heterostereotypen jedoch bleiben annähernd bestehen.

5. Traum[a]deutung: Auswirkungen der Pearl-Harbor-Erinnerung auf die amerikanische Nation nach ›9/11‹

»It was a long time ago,« he said. »I don't remember what I was wearing. I don't remember if the sun came out.« »I just want to make sure I get everything right.« »You won't.« […] »A couple of things still don't make sense to me—« »David,« he said. »You're a writer. Make it up.« DAVID BENIOFF/ CITY OF THIEVES (2008)

Die Kapitel 3 und 4 untersuchen Filme als Speichermedien des kulturellen Gedächtnisses der USA. Ausgangspunkt dieser Analysen ist die Annahme einer medialen Gemachtheit von ›Pearl Harbor‹ und ›9/11‹ als kulturelle Traumata. Die Analysen prüfen dabei Traditionen der Pearl-HarborErinnung und die aus ihr resultierende Wirkung auf mediale Verarbeitungen von ›9/11‹ im Kontext des ›Global War on Terror‹. Das Untersuchungskorpus setzt sich hierzu aus ausgewählten, kommerziell erfolgreichen Kinoproduktionen zusammen. Anlass dieser Wahl ist das Verständnis des Kinos als soziale Institution (vgl. S. 25) in denen Filme als Texte mit einem Massenpublikum ein Forum für die Wirksamkeit hegemonialer Interessen konstituieren (vgl. S. 53). Die Analysen untersuchen die mediale

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Gemachtheit von ›Pearl Harbor‹ und ›9/11‹ als kulturelle Traumata, die Darstellungen von Selbst- und Feindbild sowie die Funktionalisierung der Traumata vor den Augen eines Massenpublikums. In ihrem Ergebnis veranschaulichen die Analysen Ähnlichkeiten in der Produktionsweise der filmischen Traumarepräsentationen, in diskursiven Strategien zur Erzeugung des jeweiligen Selbst- und Feindbildes und zuletzt hinsichtlich der Beständigkeit von Heterostereotypen in kriegsfernen Kontexten. Wie sich herausgestellt hat, formen die Mediendarstellungen bei der Bedeutungsproduktion ein wechselseitiges Bezugssystem aus. Die Analysen in den Kapiteln 3 und 4 überführen die diskutierten Tonbildmedien wiederholt als Komplizen der Kriegsökonomie. Zwar gewähren sie vereinzelt Raum für Gegenbilder, jedoch geben sie stets die Leserichtung hin zu einer das nationale Selbstbild bestätigenden Auflösung dieser Ambivalenzen vor. Als zentralen Deutungshorizont beider Traumata konstruieren die Filme eine Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg als ›guten Krieg‹. Repräsentationen feindlich-fremder Aggressoren nach ›9/11‹ bauen in den diskutierten Medien auf die Darstellung der Japaner nach ›Pearl Harbor‹ auf. Zusätzlich zu den Angeboten für eine Sinnstiftung der Traumarepräsentationen bestätigen sie das nationale Selbstbild der USA als Supermacht nach dem Eintritt in den Zweiten Weltkrieg und werben um Unterstützung für das Vorgehen amerikanischer Truppen in laufenden und vergangenen Kriegen. Es scheint, als unterstütze die Pearl-HarborErinnerung die Heilung der für ›9/11‹ repräsentierten Wunde – zumindest auf der Leinwand. Das vorliegende Kapitel unternimmt eine Deutung der medial konstruierten Traumata aufbauend auf den Erkenntnissen der bisherigen Arbeit. Hierzu nehmen die folgenden Absätze zunächst die Beobachtungen aus Kapitel 1 auf und diskutieren in einem knappen Exkurs zwei weitere Medien der Pearl-Harbor-Erinnerung, um den Untersuchungsbereich für weitere Arbeiten unter den hier untersuchten Aspekten anzuregen. Diese sind die Fotografien von Joe Rosenthal und Thomas E. Franklin, in denen eine Wiederholung der Pearl-Harbor-Erinnerung vor und nach ›9/11‹ zu finden ist [vgl. Abb. 18]. Zu klären ist hierbei die Nähe dieser Medienformen zueinander. Wiederholt sich in ihnen das in den Kapiteln 3 und 4 diskutierte Signifikationssystem um die Traumarepräsentationen? Welche Bedeutung schreiben sie der Pearl-Harbor-Erinnerung zu? Welche

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Aussagen lassen die medial konstruierten Traumaerinnerungen schließlich über das kollektive Gedächtnis der USA zu? Abbildung 18: »Raising the Flag on Iwo Jima«, Joe Rosenthal (23.02.1945); »Old Glory Raised at New York’s World Trade Center: 11 September 2001«, Thomas E. Franklin (2001)

Quelle: © 1945 The New York Times, Photo By Joe Rosenthal, Staff Photographer (links), © 2001 The Record (Bergen County, NJ). Photo By Thomas E. Franklin, Staff Photographer (rechts).

5.1 W IEDERHOLUNG , V ERARBEITUNG , N EUSCHREIBUNG : D IE P EARL -H ARBOR E RINNERUNG IN WEITEREN M EDIENBEISPIELEN Slavoj Žižek (vgl. 2006: 93) postuliert in der Wahrnehmung von ›9/11‹ den Einbruch vorgeprägter Bilder in unsere Lebenswelt. Diese Sicht teilen nach den Anschlägen vom 11. September 2001 viele Medien- und Kulturwissenschaftler und diskutieren die Formen antizipierter Terrorakte (vgl. Sielke 2002, Sarasin 2004, Dixon 2004). Wenn tatsächlich die Bilder diverser Medienformen in den Terrorakten dieses Tages wiederkehren, so sollten auch nach dem 11. September 2001 fiktionale Bilder ›real‹ werden. Für den Hollywoodfilm ist, wie Kapitel 3 und 4 zeigen, eine Wiederholung der Pearl-Harbor-Erinnerung nach ›9/11‹ zu beobachten. Doch geschieht diese

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auch in weiteren Medienformen? Zeigen zusätzliche Medienformen eine größere Tragweite dieser Pearl-Harbor-Erinnerung an? Unter dem Aspekt der hier angenommenen, medialen »Vorformung durch bestehende Repräsentationen« untersucht Astrid Erll in ihrer Habilitationsschrift (2007: 31) den indischen Aufstand von 1857 als »transmediale[n] Gegenstand« unter dem Wechsel von Prämediation und Remediation. Sie verwendet den Begriff ›Remediation‹ »für mediale Repräsentationen eines bestimmten Ereignisses […], welche auf bereits erfolgte Darstellungen dieses Ereignisses rekurrieren« (31). Dies geschieht innerhalb einer Medienform aber auch medienübergreifend. Der Begriff wäre in der bisherigen Diskussion dieser Arbeit nur unter dem Aspekt der ›Remediation als intramediales Phänomen‹ hinzuziehen. Der folgende Exkurs über weitere Medienformen nutzt Erlls Theorem als Dachbegriff, erfasst er doch auch ›intermediale Bezüge‹, ›Medienkombinationen‹ und ›Medienwechsel‹. 5.1.2 Alter Ruhm in neuen Bildern: Die Fotos von Rosenthal und Franklin Kurz nach den Anschlägen vom 11. September 2001 treten in Medienbildern wiederholt Feuerwehrmänner als Helden hervor: »[F]irefighters were chosen as the appointed heroes because they represented a symbol that combined the personifications of society’s complex and conflicting emotions surrounding 9/11« (Goren 2007: 37). Obgleich diese Rolle nur von kurzer Dauer ist (vgl. ibid.: 48), entsteht in diesem Kontext ein einprägsames Bild als Angebot für den sinnstiftenden Umgang mit ›9/11‹: Thomas E. Franklins Foto »Old Glory Raised at New York’s World Trade Center: 11 September 2001« zeigt drei mit Staub bedeckte Männer in ihren Feuerwehruniformen, die inmitten von Schutt und Trümmern des WTC die amerikanische Flagge hissen. Die Ikonographie des Bildes besitzt eine Nähe zu dem von Joe Rosenthal aufgenommenen »Raising the Flag on Iwo Jima.« Rosenthals Foto zeigt sechs US-Marines auf dem Mt. Suribachi, die eine amerikanische Flagge in das Gestein stemmen. Beide Bilder ähneln sich in frappierender Weise. Rosenthals Aufnahme entsteht am 23. Februar 1944, gerade als amerikanische Truppen, in einer der schwierigsten Kampagnen im Pazifik, die Insel Iwojima auf dem Weg nach Tokio angreifen. Die

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Übernahme der Insel zählt als entscheidende Kriegswende, öffnet sie doch den amerikanischen Bombern den Weg nach Tokio. Bis heute gilt Rosenthals Foto in den USA als: »[…] symbol of an impossible dream fulfilled« (Bradley 2006 [2000]: 205).1 Unmittelbar nach dem Abdruck des Bildes in der New York Times sind Fotoabzüge ein begehrtes Requisit in den Wohnzimmern der Nation (vgl. ibid.: 220). Denn »Flagraising on Iwo Jima« signalisiert ein Ende des Krieges, einen sinnstiftenden Abschluss der Entbehrungen, die die Nation seit ›Pearl Harbor‹ hat hinnehmen müssen. Dass dieses Motiv nach ›9/11‹ einen Beitrag dafür leistet, die Erinnerung an die Anschläge zu prägen, zeigt eine Wiederkehr der Pearl-HarborErinnerung in der medialen Verarbeitung von ›9/11‹. Im Jahr 1944 hissen die im Rosenthal-Foto abgebildeten sechs Soldaten auf der Vulkaninsel ein Fundstück aus der Bucht von Pearl Harbor, wie Bradley (2006 [2000]: 209) betont: »As it happened, this flag […] had been found in a salvage yard at Pearl Harbor, rescued from a sinking ship on that date which will live in infamy.« Auf dem Bild stoßen die Soldaten dieses Erinnerungsobjekt in eine durch Wildwuchs markierte Berglandschaft – die Nationalflagge bezwingt symbolisch den unzivilisierten Raum des japanischen Militärs. So überrascht es nicht, dass viele USBürger nach der Publikation des Bildes meinen, der Krieg sei nun vorüber (vgl. ibid.: 219). In Franklins Bild wiederum schließen die ›Stars and Stripes‹ eine durch Schutt und Asche markierte Wunde. Die aufsteigende Flagge, deren Farben in der Kleidung der drei Männer wiederkehren, markiert eine Regeneration der Kräfte. Das Foto wiederholt damit das Motiv eines wieder auferstandenen ›Phönix aus der Asche‹, das von zentraler Bedeutung für die Pearl-Harbor-Erinnerung ist.

1

Allerdings ist auch dieses Bild ein Mythos. Lang währt die Meinung, dieses Foto sei die einzige Aufnahme der gehissten Flagge auf Iwo Jima. Dieser Eindruck entstand, weil es damals, aufgenommen von einem Fotojournalisten, schneller als die Bilder der U.S. Army das Festland erreichte und als einzige Aufnahme abgedruckt wurde. Tatsächlich zeigt das Bild erst ein zweites Hissen der amerikanischen Flagge auf Iwo Jima. Weil dies militärisch als weniger erwähnenswert

gilt,

erregt

die

zweite

Aufnahme

zunächst

wenig

Aufmerksamkeit beim Militär (vgl. Bradley 2006 [2000]: 222). Rosenthals Foto erhielt 1945 den Pulitzer Preis und ist bis heute ein wichtiges Instrument der Kriegspropaganda.

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In Form einer ikonischen Momentaufnahme wirken beide Bilder als eine feste Referenz auf den Zweiten Weltkrieg als einen ›guten Krieg‹. In ihrer Remediatisierung wird ihr Symbolcharakter am deutlichsten. Im Jahr 1945 veröffentlicht der US Postal Service eine Briefmarkenserie mit Rosenthals Foto, Hollywood reinszeniert das Bild in nunmehr sechs Filmen,2 und schließlich wird im Jahr 1954 die Erinnerung in Form des »U.S. Marine Corps War Memorial« in Washington, D.C. konserviert, wo sie als Monument bis heute steht. Auch Franklins Aufnahme erhält mit seinem Abdruck auf der Briefmarkenserie »Heroes of 2001« zunehmend an Popularität. Internationale Nachrichtenagenturen nutzen das Bild wiederholt als Begleitmaterial zur Berichterstattung über den Tag, außerdem sind Abzüge, nachempfundene Miniaturen oder Münzprägungen des Fotos bis heute zu kaufen. Beide Aufnahmen scheinen so erfolgreich zu sein, weil sie eine Gruppendynamik fokussieren, die gewöhnliche Menschen mit einer Geschichte machenden Kraft ausstattet. In ihrem Motiv und ihrer Ästhetik konstatieren beide Bilder das Schließen einer Wunde. Die Verarbeitung von ›9/11‹ ist durch Rosenthals Motiv der Pearl-Harbor-Erinnerung vorgeprägt. Der Glaube an den Zusammenhalt und der Wunsch aus der thematisierten moralischen Niederlage eine erfolgreiche Geschichte zu schreiben, scheint den Erfolg beider Aufnahmen zu begründen. Aus einer Perspektive nach dem 11. September 2001 verbinden sie ›Pearl Harbor‹ und den Krieg im Pazifik mit den Terroranschlägen und dem daraus resultierenden ›Krieg gegen den Terror‹. 5.1.2. Kriegsliteraturen als Quellen für Erinnerungsbilder Franklins Fotografie kann auch als Remediatisierung der Pearl-HarborErinnerung verstanden werden, basiert doch das ikonische Abbild selbst auf den, insbesondere im Kriegsroman, vorgeprägten Erzählstrukturen über den Krieg im Pazifik. So meint Hölbling (vgl. 2007: 91), dass Kriegsgeschichten, womöglich mehr als jede andere literarische Form, kulturelle

2

Der bekannteste von diesen Filmen ist Sands of Iwo Jima (Allen Dwan 1949), weitere Produktionen, die den Moment abbilden sind: To the Shores of Iwo Jima (Milton Sperling 1945), The Outsider (Delbert Mann, 1961), Clint Eastwoods Duologie Flags of Our Fathers (2006) und Letters from Iwo Jima (2006) sowie der Kurzfilm The Seventh Man (Jason Liggett 2003).

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Konzepte, Erwartungen und Selbstbilder abbilden. Das zentrale Motiv des Kriegsromanes kehrt auch in beiden Fotos wieder: Es ist das eines multikulturellen Männerbundes in Uniform, dessen Zusammenhalt das Selbstbild einer geschlossenen Nation kennzeichnet. In beiden Fotos sind die beteiligten Männer nur über ihr Profil angedeutet oder aber ihre Gesichter sind nicht zu erkennen beziehungsweise völlig von der Kamera abgewandt. Diese Männer sind ein leerer Platzhalter, ein beliebig austauschbares Sinnbild für jeden anderen Uniformierten, und damit eine Identifikationsfläche für den Betrachter. Gleich seiner Herkunft steht es jedem Betrachter offen, selbst in diese Kleidung zu schlüpfen und die Erwartungen an die abgebildeten Helden nachzuempfinden. Daher zeigt der soziale Verbund auf beiden Bildern das kulturelle Konzept einer multikulturellen Gesellschaft an. Dieses Konzept ist zentrales Thema im Kriegsroman. Ein Prägetext für den Krieg im Pazifik ist Norman Mailers The Naked and the Dead (1998 [1948]).3 Der Antikriegs-Roman erzählt die US-militärische Invasion der fiktiven Pazifikinsel Anopopei durch das 460. Infanterie Regiment unter Leitung von General Edward Cummings. Er beginnt mit einer Antithese zur Metapher des ›schlafenden Giganten‹, die die Pearl-HarborErinnerung prägt: »Nobody could sleep« (ND: 3). Dieser Gedanke nimmt den im Roman fortwährenden Schrecken vorweg, stellt ihn aber gleichzeitig in einen Dialog mit der Pearl-Harbor-Erinnerung. Denn entgegen der Fiktionalisierung von Heldenmut und Ruhm im Pazifik-Krieg thematisiert The Naked and the Dead moralische Korruption, sadistische Gewalt, Machtmissbrauch und die sublime Auseinandersetzung mit dem Epizentrum der Insel, Mount Anaka. Trotz aller im Roman geübten Kritik an der durch falschen Ruhm überhöhten Kriegserinnerung, erzählt auch The Naked and the Dead von der Verbundenheit unter Männern. So setzt sich etwa der handlungstragende Spähtrupp des Romans zusammen aus altersübergreifenden Vertretern unterschiedlicher Gesellschaftsschichten der Ostküste, des Mittleren Westens und der Südstaaten sowie jüdischen Amerikanern, einem irischen Katholiken und einem Mexican-American. Gemeinsam werden sie beschrieben als »good guys« (ND: 202), »›hard-

3

Die folgenden Absätze geben den Roman in den Quellenhinweisen mit der Abkürzung ND an.

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luck‹ platoon« (ND: 143) oder gar »an extension of Cumming’s body […] a machine directing itself« (ND: 300). Der innige Zusammenhalt der Männer ist im Roman bis hin zu einer der Militärhierarchie untergeordneten Körpermetapher markiert. Dieser Verbund scheint eine Gefühlsstruktur zu besitzen. Lieutenant Hearn spricht in Gedanken das Kollektivbewusstsein des Trupps an, als er diesen Spähtrupp leitet: »Collectively, they lent something to each other, seemed harder and meaner than they would if isolated« (ND: 436). Diesem Kollektiv stellt Mailer keine Bilder der grausamen, selbstmörderischen, ideologisch irritierten Angreifer, wie sie aus der amerikanischen Kriegspropaganda bekannt sind, entgegen. Im Gegenteil, der japanische Feind wird infantilisiert: »The Japanese soldier had a pleasant bland face with wide temples and a heavy jaw; he looked cow-like and his thick hand appeared sturdy and calloused« (ND: 593). Dieses Bild des jungenhaften Japaners ergänzt sich im Roman wiederholt mit den Eindrücken eines unsichtbaren Feindes. Nahezu ohne direkte Konfrontation wird er am Ende in einer Leerstelle besiegt. Die Haubitzen, Versorgungslinien und Mannstärke des US-Regiments sind mächtiger als der japanische Gegner. Beinahe beiläufig dezimiert die präzise Technologie der amerikanischen Truppen Tausende dieser Japaner auf Anopopei. Johnson (1991: 22) sieht hierin ein zentrales Argument über die Rolle der USA im Zweiten Weltkrieg und die Japans: »[Mailer’s] tone is one not of moral indignation but of profound pessimism: the war is pointless he seems to say. In America and Europe it will strengthen right-wing, fascist elements […,] and Japan will not change.« Der Krieg ist demnach ein politischer Vorwand zur Bestärkung rechtskonservativer Kräfte im Westen. Japan selbst hat auf diese Politik keinen Einfluss. Denn gerade aufgrund seiner rückständigen Nähe zur Wildnis, in der er nahezu verschwindet, ist der Japaner im Roman den amerikanischen Streitkräften deutlich unterlegen. Trotz seiner kritischen Position gegenüber der amerikanischen Beteiligung am Zweiten Weltkrieg bestätigt Mailers Roman die Funktionalität des multikulturellen Verbundes in seiner technologischen Überlegenheit. Dieser Aspekt ergänzt die Repräsentation des Männerbündnisses auf Rosenthals Foto. Im Zuge des 60. Jahrestages von ›Pearl Harbor‹ prägt eben dieses Foto unmittelbar vor ›9/11‹ die Pearl-Harbor-Erinnerung. Rosenthals Aufnahme ist zentrales Thema von James Bradleys äußerst erfolgreichen Memoiren

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Flags of Our Fathers (2006 [2000]).4 Rosenberg (vgl. 2003: 121) ordnet die Popularität des Buches dem von Jay Winter deklarierten ›memory boom‹ zu und merkt an, dass 27 weitere Verlage Bradleys Memoiren vor seiner Veröffentlichung ablehnten. 2001 sind sie ein Bestseller. Das Buch erzählt die Geschichte der Männer auf dem Rosenthal-Foto und entlarvt den Mythos des Bildes als Konstrukt der Militärpropaganda. James Bradleys Vater, John Bradley, war der letzte Überlebende dieser Männer. Die Memoiren thematisieren in der ersten Hälfte detailliert die Schlacht um Iwojima. Ähnlich wie in The Naked and the Dead führt auch Bradley eingangs die Soldaten beider Seiten ein als: »[…] kids who had mostly come of an age in cultures that resembled those of the nineteenth century« (FF: 3). Doch in den folgenden Seiten setzt er die Strategie der Infantilisierung aus und dämonisiert die Japaner als »supermen impossible to stopp« (FF: 63), »myth obsessed samurai foe« (FF: 125) oder »cave kamikazes« (FF: 147), die ihre Granatengürtel zünden und ihr Leben opfern, um möglichst viele Amerikaner in den Tod zu reißen (vgl. FF: 66). Ihre Grausamkeit erhält eine zentrale Metapher in der Erinnerung an Ralph Ignatowski. Japanische Militärs entführen ihn, richten ihn übel zu und entfernen ihm schließlich die Genitalien, um sie ihm in den Mund einzuführen, bevor sie ihn töten. Den Japanern setzt Bradley die US-Marines als ›Supersoldaten‹ (FF: 63) entgegen, deren Geschichte er hauptsächlich aus der Perspektive der sechs Männer aus Rosenthals Foto erzählt: »They form a representative picture of America in 1945: a mill worker from New England; a Kentucky tobacco farmer; a Pennysylvania coal miner’s son; a Texan from the oil fields; a boy from Wisconsin’s dairy land, and an Arizonan Indian« (FF: 14). Alle sind nach Bradleys Beschreibungen puritanisch erzogen, sie sind harte Arbeiter, friedliebend, gut, gläubig und enthaltsam (vgl. FF: 19–54). Der Angriff auf Pearl Harbor ist für fünf der Männer Ausgangspunkt für ihre Erinnerungsgeschichte im Buch. Allein der Tschechoslowake Mike Stank, der als Mychal Strenk nach Pennsylvania kommt, tritt bereits 1939 den Dienst an der Waffe an – Bradley bezeichnet ihn als »prototype American fighting man« (FF: 54). Alle Sechs sind Teil einer imaginierten multikulturellen Nation, die den Krieg als ›Teamsport‹ versteht (vgl. FF: 69

4

Die folgenden Absätze geben den Roman in den Quellenhinweisen mit der Abkürzung FF an.

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und 106). Sie ziehen gemeinsam in die Wildnis, um einen unzivilisierten Feind zu töten: »[R]ules were followed and a sense of restraint existed in Europe that was absent in the Pacific« (FF: 65). So ist das Feindgebiet wiederholt gekennzeichnet als eine Welt fern der Zivilisation. Die Japaner scheinen sich mit diesen Landschaften zu ergänzen, entsprechend ist für die Amerikaner Iwojima »[…] an ugly, smelly place« (FF: 130). Für die Japaner hingegen »homeland […,] [s]acred ground« (FF: 133). Erneut kennzeichnet dieser Gegensatz den Kampf der Zivilisation in der Wildnis, in dem der Erfolg amerikanischer Truppen vorprogrammiert ist. Eine bloße Wiederholung dieser Motive des Pazifikkrieges ist nach ›9/11‹ nicht zu erkennen. Dies wird bereits deutlich in den abgebildeten Figuren und im Schauplatz auf Franklins Foto. Zwar sucht sein Bild eine ikonographische Nähe zu Rosenthals Aufnahme, jedoch bildet es kein Militär ab. Der Hintergrund des Bildes zeigt zudem keine Wildnis. Franklins Aufnahme verarbeitet die Motive der Kriegsfiktion neu: den Verbund unter Männern, die Erfahrung zivilisatorischer Überlegenheit und eine gesellschaftsweite Regeneration unter nationalen Symbolen ist hier in einer zivilen Sphäre markiert. Darin schreibt die Aufnahme eine zentrale Metapher der Kriegsliteratur um: den esprit de corps. Freud (2000 [1921]: 113) beschreibt diesen Gemeingeist in der Gesellschaft als Ergebnis einer »Umwendung eines erst feindseligen Gefühls in eine positiv betonte Bindung von der Natur einer Identifizierung.« Die Identifizierung erfolgt über das nationale Symbol der Flagge, die in beiden Bildern wiederkehrt. Eine weitere Arbeit unter dem Aspekt des Vergleichs medialer Repräsentationen der Pearl-Harbor-Erinnerung vor und nach ›9/11‹ könnte an dieser Stelle ansetzen und den in dieser Arbeit vorgenommenen Vergleich der filmischen Repräsentation auf seine Validität in Kriegsliteraturen prüfen. Die hier nur knapp eingeführten Beispiele deuten bereits an, dass vor wie nach ›9/11‹ ein symbolischer Gemeingeist massenwirksam remediatisiert werden konnte. Denn nicht zuletzt finden das Rosenthal-Foto und Bradleys entsprechende Memoiren fünf Jahre nach den Anschlägen in Clint Eastwoods gleichnamiger Filmadaption eine publikumsträchtige Wiederverarbeitung. Doch diese Darstellungen kennzeichnen nicht nur den Erfolg eines esprit de corps, sie thematisieren auch das Ungezeigte. So mögen die diskutierten Textbeispiele und Fotos den Angriff auf Pearl Harbor direkt oder indirekt thematisieren, jedoch erfolgt der symbolische

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Sieg über die Angreifer immer fern des Inselstaates in einem Szenario im Pazifik. Die Erzählung über den Krieg selbst jedoch kodiert eine Angst vor dem Fremden mit zwei Feindbildern, dem des unzivilisierten Barbaren und dem des bewaffneten infantilen Jungen. Diese binärkodierte Angst ist fester Bestandteil symbolischer Repräsentationen des Pazifik-Krieges, wie etwa im Rosenthal-Foto, auch wenn sie kein konkretes Abbild erhält. Immerhin erzeugt 1944 Rosenthals Aufnahme den Eindruck, der Krieg gegen die Japaner sei gewonnen, gerade weil auf dem Bild jede Spur eines Gegners fehlt. Dieser Eindruck entsteht, da die Leserschaft in den fiktionalisierten und wiedererzählten Kampfszenarien insgeheim den Sieg der amerikanischen Truppen gegen den Feind genießen kann. In diesem Genuss, dieser Lacanschen jouissance, steckt jedoch auch die schamlose Lust an der Erfahrung des Gegenteils. Ein erneuter Angriff und ein möglicher Erfolg ist damit stets ein impliziter Bestandteil der Pearl-Harbor-Erinnerung. Sie markiert eine Wahnidee, die unabhängig von ihrem materiellen Auslöser schon vorher als Befürchtung oder als Wunsch vorhanden ist (vgl. Freud 1933: 275). Wahrscheinlich ist es diese implizite Wahnidee, die die PearlHarbor-Erinnerung zu so einer sinnstiftenden Erinnerung für ›9/11‹ werden lässt. Diese Annahme beschäftigt die beiden abschließenden Teilkapitel.

5.2 D IE P EARL -H ARBOR -E RINNERUNG P EARL -H ARBOR -N EUROSE : E INE E RKENNTNISANALYSE

ALS

Sowohl in den problematisierten Medien aus Kapitel 5.1 als auch in den hier vorliegenden Filmbeispielen lässt sich eine relative Beständigkeit der Pearl-Harbor-Erinnerung festhalten. Die verschiedenen Medienformen bieten die Vergangenheit massenwirksam als sinnstiftenden Rahmen für die erfahrene Gegenwart einer größeren Gruppe von Menschen an. Darüber hinaus bedienen sie mit dem esprit de corps Metaphern, die für den symbolischen Zusammenhalt die Idee eines nationalen Körpers beanspruchen. Über wiederholte Motive, stereotype Figuren und Handlungsabläufe zeigen die hier untersuchten Medienbeispiele entsprechend den Konstruktcharakter der Traumaerinnerung an. Denn indem die Medienbilder über ein ›nationales Trauma‹ der Vergangenheit Einfluss nehmen auf die erfahrene Gegenwart ihres Publikums, etablieren sie ein

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nationales Zeitempfinden. Zehfuss (2007: 107) erkennt eben darin die Problematik der Kriegserinnerung im Kontext der Anschläge vom ›11. September‹: »What is ›the Second World War‹ is not a question of what happened in some past that was one day the present. Rather ›the Second World War‹, ›Pearl Harbor‹ and ›September 11‹, as we understand them, are produced after the event and indeed continuously reproduced.«

Demnach entsteht erst mit den Bildern eine Vergangenheit, die niemals Gegenwart war. Damit ist ›Pearl Harbor‹ und ›9/11‹ nicht per se traumatisch, sondern es ist retrospektiv medial und folglich in einem sozialen Prozess als traumatisch konstruiert. Aufgrund seiner massenwirksamen Form erhält das Medium Film eine leitende Funktion für die entsprechende Erinnerungserzählung. Filme sind wieder abrufbare, editierbare, reproduzierbare und digital veränderbare Speichermedien und somit maßgeblich in die kollektiven Erinnerungsprozesse eingebunden. Bereits December 7th hat gezeigt, welche Eigendynamik seine Bilder besitzen (vgl. S. 55, FN 3). Denn sie bilden gerade nicht das ab, was an jenem Tag passiert ist, sondern produzieren etwas, das Roland Barthes einen l’effet de réel nennt. Der so genannte Realitätseffekt entsteht in December 7th durch die detailllierte Rekonstruktion der Ereignisse. Der Film produziert damit nur die Wahrscheinlichkeit einer vergangenen Gegenwart (vgl. Barthes 2006: 234). Er kennzeichnet damit, was sein Publikum als ›reale‹ Repräsentation anerkennt. Ausschnitte aus dem Dokumentarfilm finden über ihre Verwendung in Nachrichtenmedien, Lehrfilmen und Dokumentationen, die sie als authentische Bilder funktionalisieren, Zugang zu öffentlichen und historischen Diskursen. So klingt eine beliebte Kritik an einer durch diese Produktionsprozesse gekennzeichneten Traumaindustrie wiefolgt: »[…] the culture industry of ›trauma‹ leads to a mystification of history, politics and cultural critique« (Tobani 2002: 64). Im Gegenteil, gerade in seiner Bildproduktion folgen die Traumarepräsentationen den Konventionen von Geschichte und Politik. Denn sie sind ebenso involviert in die Erzeugung einer ›objektiven Realität‹. Daher mystifiziert die Traumaindustrie weder historische noch politische Diskurse, sondern bestätigt sie vielmehr.

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Ziel dieser medialen Produktion von Trauma ist eine größer angelegte ›Einfühlung‹ in ein kulturelles Trauma. Die hier diskutierten Filme tragen dazu bei, den Affekt eines Unbehagens an die nachgestellten Szenen zu koppeln. Dabei sprechen sie alle sensorischen Kanäle an, von der Filmmusik, über die Mimik der Darsteller bis hin zum Schnitt und die Kameraeinstellung auf das als Trauma zu erlebende Moment. Das erinnert an eine populäre Maxime der Propagandafilme, die George C. Marshall während des Zweiten Weltkrieges bereits dem Regisseur Frank Capra weitergab: »To win this war […] we must win the battle for the men’s minds« (zitiert in Murphy 1994: 63). Wenn das Kino eine soziale Institution ist, müssen Filme primär in diesem Kontext die Einfühlung auf ein kulturelles Trauma erzeugen. Denn Filme werden erst auf einer großen Leinwand, in einem dunklen Saal zu einem kollektiven Erfahrungsphänomen.5 Semmerling (2006: 26) unterstreicht die Einbindung des Zuschauers in die Bedeutungsproduktion der gezeigten Bilder: »Films rely on the audience to be an interlocutor, or one with a competence of intertextual application and a repertoire of knowledge that can weave symbols and narratives to restore the richness underlying production and reception.« Diese Bedeutungsproduktion findet auf mehreren Ebenen statt, wie die in Kapitel 5.1 eingeführten Beispiele bereits andeuten. Die Bedeutungsproduktion eines kulturellen Traumas involviert in diesem Sinne mehrere Akteure gleichzeitig. Der Einfühlungsprozess auf ein überzeugendes Traumabild bedingt daher eine Mehrebenenproblematik. Entsprechend Foucaults (vgl. 1999: 188–9) Gedanken zur Ausübung von Macht treten die Produzenten der Bilder aufgrund ihrer sachlichen Fähigkeiten als Produzenten von Wissen über die Bilder in Kommunikation mit ihrem Publikum. Sie üben damit einen Einfluss auf das Informationsfeld der Zuschauer aus. Dabei kann jedoch jeder Zuschauer auch wieder Produzent sein. Wie zum Beispiel die Medienberichterstattung über ›9/11‹ gezeigt hat, sind Aufnahmen von

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Die Technik des Heimkinos kann nunmehr das Kinoerlebnis auch im kleineren Rahmen nachahmen. Private Leinwände, Videoprojektoren oder Sound-Systeme schaffen eine ähnliche Atmosphäre. Zusätzlich sind Kinofilme ein beliebtes Gut in illegalen Tauschbörsen im Internet. Die hohen Zugriffsraten kennzeichnen ebenso einen hohen Bedarf an den Bildern, wie einst die Besucherzahlen im klassischen Multiplex-Kino. Ihre Kraft ist dadurch keineswegs geschmälert.

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Mobilfunktelefonen, die etwa Einstellung und Aufnahmewinkel einer Nachrichtenkamera imitieren, inhärenter Bestandteil der Bildproduktion von ›9/11‹ als kulturelles Trauma. Auf der Kinoleinwand wie auch im TV oder im Internet resultieren die produzierten Traumabilder aus einem Kommunikationsprozess über die Traumarepräsentation. Der Ablauf dieses Prozesses kann durch eine Institution wie der des Kinos beeinflusst werden. Wie Kapitel 3 gezeigt hat, kann er aber auch durch staatliche Institutionen beeinflusst sein. Im Kino beteiligt sich das Publikum mittels seines Wissens über das Ereignis aus der individuellen Lebenswelt gemeinsam mit seiner Schaulust am Austausch über die Bilder auf der Leinwand. Gleichzeitig weiß es aber um seine Möglichkeiten in diesem Austausch. Denn es kann jederzeit das Auditorium verlassen, kennt seine distanzierte Position gegenüber den Bildern und hat Erwartungen über Handlungsabläufe aufgrund seines Wissens über Genrekonventionen. Es obliegt nun den Filmproduzenten, dieses Bewusstsein durch das Provozieren von Immersionseffekten abzubauen, Erwartungen über bestimmte Bilder zu erfüllen und zu übertreffen. Nun liegt es in der Form der hier diskutierten Traumabilder, dass sie stets auf der Visualisierung einer spektakulären Zerstörung basieren. Je größer der Spezialeffekt, desto überwältigender und überzeugender seine Wirkung. Aus diesem Grund nimmt das dargestellte Ausmaß der Zerstörung einen so großen Anteil der Filmerzählung in Anspruch. Denn gerade in diesen Szenen produzieren die Filme den in Kapitel 3 wiederholt diskutierten Traumamoment. Daran koppelt sich zugleich aber die Erwartung, dass die Verursacher dieser Zerstörung auf der Leinwand auch in anderen Kontexten imstande sind, ein ähnlich großes Unheil anzurichten. Insofern müssen sich geradezu die heterostereotypen Darstellungen japanischer und arabischer Figuren in Filmen mit einem kriegsfernen Kontext jenen Repräsentationen ähneln, die ein Trauma mit diesen Figuren als Auslöser konstruieren. Die in Kapitel 4 diskutierten kulturellen Fantasien über japanische und arabische Akteure haben daher ihren Ursprung auf der Leinwand. In der Reproduktion stereotyper Ausprägungen liefert das Kino dem Zuschauer einen Beweis zur Validität seiner Fantasien über das gezeigte ›Andere‹. Das Besondere hierbei ist, dass die Repräsentationen der Akteure und des Traumas in einem Bezug zueinander stehen. Die Pearl-Harbor-Erinnerung prägt daher nicht nur die

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Bilder des kulturellen Traumas ›9/11‹ vor, sondern auch die Umstände seiner Produktion. Diese Produktionen besitzen damit auch ein gemeinsames Angebot zur sinnstiftenden Auflösung des durch sie repräsentierten Traumas. Wie die vorliegenden Analysen wiederholt zeigen, konstruiert die Kinofilme das Gefühl eines Gemeingeistes, eines esprit de corps, über ein Angebot an Identifikationsflächen mit einer geeinten multikulturellen Gesellschaft. Häufig präsentieren die Medienbeispiele dieser Arbeit die amerikanische Flagge als Symbol für nationale Zugehörigkeit und Zusammenhalt. Vereinzelt findet sich gleich eine nationale ›Signifikantenbombe‹. So etwa in Tora!, wo unmittelbar vor dem Angriff auf Pearl Harbor das Hissen der Nationalflagge unter der Nationalhymne »The Star-Spangled Banner«, eingespielt von Soldaten der US Navy erfolgt. Aufgrund der Verwendung nationaler Symbole und Mythen etablieren die hier diskutierten Medien in der Pearl-Harbor-Erinnerung stets einen Nexus zwischen Nationalität und Bedrohung. Das konstruierte Gefühl eines Gemeingeistes ist daher stets an das in Kapitel 2 diskutierte Konzept eines nationalen Körpers gekoppelt. Aus diesem Grund ist das gezeigte Trauma nicht nur ein traumatischer Effekt, sondern kann als Wunde erfahren werden. Die Medien bieten über nationale Symbole sinnstiftende Metaphern für den Umgang mit dieser Wunde an. Indem die Bildermedien dem Drang der Pearl-Harbor-Erinnerung nach Wiederholung und Erweiterung beigeben und immer bildgewaltigere und komplexere Plots entwerfen, um sie neu zu erzählen, kann diese Erinnerung als neurotische Erinnerung verstanden werden. Denn in den hier diskutierten Medien wird die Traumaerinnerung erst durch die Erzählung selbst thematisierbar. Jedes neue Erzählen dieser Erinnerung ist aber auf die Lizenz zur Wieder- und Weitererzählung in öffentlichen, wenn nicht gar historischen Diskursen ausgerichtet. So steckt in jedem Wiedererzählen auch eine gewisse Wahnidee über den Angriff und seine möglichen Abläufe – für ›Pearl Harbor‹ etwa auch die einer Invasion Hawaiis durch Japan oder für ›9/11‹ die zusätzlicher Angriffe in einem ähnlichen Ausmaß. Im Kontext der Traumaerinnerung trifft zu, was Freud (1933: 278) über den Neurotiker diagnostiziert: »Die Wahnidee ist nichts Unsinniges oder Unverständliches mehr, sie ist sinnreich, gut motiviert, gehört in den Zusammenhang eines affektvollen Erlebnisses der Kranken.« Analog kann

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auf den Zustand des Publikums geschlossen werden, das den immer neueren Traumaerzählungen eine immer größere Beachtung schenkt. Die Erzählungen der Pearl-Harbor-Erinnerung halten damit auch Einzug in die Lebenswelt ihres Publikums. Denn sie liefern die Zeichen und das Vokabular für das Erzählen, Fühlen und Erfahren dieser Erinnerung. Brivic (2008: 12) bringt den Zusammenhang zwischen dem Gefühlten, dem Gesprochenen und der Erfahrung auf den Punkt: »[…] language would not mean much without feeling, feeling needs language to articulate itself, and neither could last without the ability to handle the surprise through which we make contact with what is active outside ourselves.« Eben dieses Vorgehen sichert der Pearl-Harbor-Erinnerung als Pearl-Harbor-Neurose eine Beständigkeit und einen festen Platz in der empfundenen nationalen Zeit.

5.3 W IRKUNGSWEISEN DER P EARL -H ARBOR N EUROSE : E IN AUSBLICK Abschließend kann festgehalten werden, dass die Pearl-Harbor-Erinnerung, indem sie ein festes Bezugssystem zur ›9/11‹-Erinnerung aufzubauen scheint, auch die Darstellung von Selbst- und Feindbildern beeinflusst. Die Kapitel 3.2 und 4.2 haben ein Phänomen beobachtet, nach dem arabische Handlungsträger durch einen Bezug zum Zweiten Weltkieg beziehungswiese zur ›gelben Gefahr‹ in die Filmnarration eingewoben sind. Eine Wiederaufnahme der Kriegserinnerung im Kontext des Krieges ist aber auch fern der Leinwand zu beobachten, wie bereits Kapitel 5.1 andeutet. Neben den beiden diskutierten Fotografien bestärkte zum Beispiel auch das TIMEMagazin eine Trennung zwischen Selbst- und Feindbild aufbauend auf der Kriegserinnerung. Für das Titelbild zum Sturz von Saddam Hussein im Irakkrieg, wählt die Ausgabe vom 21. April 2003 eine mit einem großen roten Kreuz durchstrichene Portraitskizze des Diktators [vgl. Abb. 19]. Diese Darstellung erinnert an die beiden Coverillustrationen zum Ende des Zweiten Weltkrieges: Am 7. Mai 1945 zeigt der Titel ein ebenso durchgestrichenes Portrait von Adolf Hitler, am 20. August desselben Jahres wählt TIME eine schwarz durchkreuzte japanische Flagge. Der amerikanischen Bevölkerung ist im April 2003 der Vergleich zwischen Hitler und Hussein durchaus bekannt. Wie eine Evaluation der amerikanischen Medien im Jahr

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1990 ergab, fiel er zum Beispiel bis zum Ausbruch des Zweiten Golfkrieges im August desselben Jahres allein 1170 Mal (vgl. Wette 2003). Auch El Kaida-Führer Osama bin Laden rückt in der Rhetorik der amerikanischen Außenpolitik in ein ähnliches Licht. Abbildung 19: Titelbilder des TIME-Magazins vom 07. Mai 1945, vom 20. August 1945, vom 21. April 2003 und vom 20. Mai 2011 (von links nach rechts)

Quelle: © TIME.

Präsident Bush greift diese einst von seinem Vater im November 1990 hergestellte Verbindung in seiner Rede »Hussein Must Leave Iraq« vom 17. März 2003 implizit wieder auf: »And all Iraqi military and civilian personnel should listen carefully to this warning. In any conflict, your fate will depend on your action. [...] War crimes will be prosecuted. War criminals will be punished. And it will be no defense to say, ›I was just following orders.‹«

Daher erscheint die Darstellung in TIME wie eine gezielte Bestätigung dieses absurden Vergleiches. Was jedoch in den Titelbildern von 1945 weiterhin zutage tritt, ist die Ideologie hinter den Feindbildern. Der durchgestrichene Kopf Hitlers markiert einen Sieg über den ideologisch geprägten NS-Staat, die durchgestrichene Flagge jedoch den Sieg über eine ganze Nation. Diese symbolische Wahl bestätigt Basingers Annahme (vgl. (2003 [1986]: 26 und hier S. 73), dass der Zweite Weltkrieg gegen Deutschland ein ideologisch geprägter und der gegen Japan ein rassistisch motivierter Krieg gewesen sei. Wenn nun mit Hussein und bin Laden die ideologischen Feinde zumindest in den Titelbildern des TIME-Magazins besiegt sind, bleibt die Frage offen, ob der ›Krieg gegen den Terror‹ in der

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bisherigen Form weitergeführt werden kann. Derartige Wiederbelebungen der Kriegserinnerung deuten auf eine systematische Traumaproduktion auf mehreren Ebenen hin. Wie Kapitel 5.1 bereits angedeutet hat, ist dieser Prozess nicht allein auf Bildmedien nach ›9/11‹ zu beschränken.6 In ihrem gegenseitigen Bezug untereinander bilden die Medien etwas aus, das nach Pierre Bourdieu als symbolische Gewalt bezeichnet werden kann: »Die symbolische Gewalt ist [...] jene Form der Gewalt, die über einen sozialen Akteur unter Mittäterschaft dieses Akteurs ausgeübt wird […] Die sozialen Akteure sind wissende Akteure, die auch dann, wenn sie Determinismen unterliegen, dazu beitragen, die Wirksamkeit dessen, was sie determiniert, in dem Maße zu produzieren, in dem sie dieses sie Determinierende strukturieren.« (Bourdieu und Wacquant 1996 [1992]: 204)

Der Aspekt dieser Gewalt spricht die in Kapitel 5.2 angesprochene Mehrebenenproblematik an. Es sind eben nicht allein die Medien, die diese Gewalt ausüben. Gerade indem der Zuschauer mit den Bildern interagiert, sie zulässt oder ablehnt und durch das wiederholte Aufsuchen der Bilder ihre Inhalte bestätigt, ist er im Zuge der hier diskutierten Traumarepräsentationen maßgeblich beteiligt an der Produktion eines kulturellen

6

An dieser Stelle sind drei Prägetexte der Populärkultur vor ›9/11’ in Erinnerung zu rufen: In Tom Clancys Debt of Honor (1994) lenkt der Japan-Air-Lines-Pilot Sato seine Boing 747 ins Kapitol der Vereinigten Staaten und tötet den Präsidenten, alle neun Richter des Obersten Gerichthofes, die Vereinigten Stabschefs und zahlreiche Mitglieder des Kongresses. In Ralph Peters War in 2020 (1991) verbünden sich japanische Militärs mit den Radikalen der ›Islamic Union‹ und terrorisieren eine geschwächte USA. Richard Prestons The Cobra Incident (1997) erzählt, womöglich inspiriert durch den Tokioter Giftgasanschlag der AUM-Sekte im Jahr 1995, einen bioterroristischen Angriff auf die New Yorker U-Bahn, der Krankheitserreger stammt übrigens aus dem Irak. Letzterer Roman regt Programme der US-Regierung gegen den Bioterror an, wie Philip Sarasin (2004: 92) bemerkt: »Schon im Januar 1998 verlangte Clinton von seinen Beratern und von hohen Pentagon-Offizieren, dass sie Cobra lesen, und im März darauf wurde im Weißen Haus in einer geheimen Übung ein terroristischer Anschlag mit hybriden Pockenviren durchgespielt […].«

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Traumas. Die symbolische Gewalt, dessen Teil er dabei wird, hilft eine Repräsentation des ›Feindlich-Fremden‹ auszuprägen, das den Vorstellungen des produzierten Traumas gerecht wird. Durch das Wiederholen, Verarbeiten und Umschreiben dieser Darstellungen entstehen etwa ideale Bilder über die eigene Nation und über den ihr entgegengestellten Aggressor, die seine Produzenten und Konsumenten als natürlich empfinden. In dieser Form erhält die Traumaproduktion einen Platz im kommunikativen Gedächtnis der USA. Ihre Bilder drängen sich dabei in den Speicher des kulturellen Gedächtnisses. Im Anschluss an Raz und Raz’ (1996) Diskussion des Filmes Rising Sun lässt sich aus diesem Bezugssystem der Traumaproduktion schließen, dass Japaner und Araber in jeglicher medialen Produktion nur in Anführungszeichen zu lesen sein sollten. Als repräsentierte Verursacher der hier diskutierten Traumata, untersuchen die Medienproduktionen die aggressive ›Natur‹ der ›Japaner‹ und ›Araber‹.7 Aufgrund ihres Erfolges und relativen Beständigkeit wird sich die Erinnerungsarbeit an die Traumata ›Pearl Harbor‹ und ›9/11‹ auch weiterhin an diesen Bildern messen.

7

Die ›Japaner‹ gelten nach dem Zweiten Weltkrieg als Faszinosum, eine zentrale Studie über ihre ›Natur‹ legte 1946 Ruth Benedict vor. Bereits 1944 beauftragte das OWI die Kulturanthropologin damit, das Wesen der ›Japaner‹ zu untersuchen. Statt diese Untersuchungen direkt in Japan anzustellen, ist Benedict allein in den amerikanischen Internierungslagern unterwegs, um den ›Japaner‹

zu

theoretisieren.

Ihre

daraus

resultierende

Schrift

The

Chrysanthemum and the Sword (1994 [1946]) wird bis heute nachgedruckt. Clifford Geertz (1988: 116–7) hat in seiner Besprechung des Buches die Gründe für die Faszination mit dem ›Japaner‹ zusammengefasst: »Japan […] has been the Impossible Object. An enormous something, trim, intricate, and madly busy, that, like an Escher drawing, fails to compute.« Leider hat diese Perspektivierung der ›Japaner‹ als das unmögliche Andere noch immer Aktualität, wie der Diskurs über die hohe Disziplin und Ruhe der Japaner im Kontext der Fukushima-Katastrophe von 2011 zeigt (z.B. Köhler 2011). Unter den aktuellen Schriften über die ›Natur‹ der ›Araber‹ besitzt das Buch des Autors Theo Padnos ein ähnliches Potenzial. In Undercover Muslim (2010) untersucht er, warum Muslimschüler zu Terroristen werden. Er hat hierfür drei Jahre als verkleideter Muslim die Koranschulen in Jemen besucht.

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Es ist vielleicht auch zu früh, schon jetzt die Erinnerungsarbeit über ›9/11‹ zu beurteilen. Was aber an dieser Stelle bereits gesagt werden kann, ist, dass bisherige massenmediale Repräsentationen zu ›9/11‹ die Traumaproduktion gezielt zum Element der Kriegsökonomie machen. Die Darstellungen suchen dabei stets den Bezug zum Zweiten Weltkrieg. Dies ist einerseits darauf zurückzuführen, dass heute noch nicht eindeutig klar ist, wie und wann der sich angeschlossene ›Krieg gegen den Terror‹ enden wird (vgl. Zehfuss 2007: 102). Andererseits kann unter Bezugnahme auf Freuds Hypothesen zur hysterischen Neurose das Festhalten an der Vergangenheit als deutlich erkennbares Symptom der ›9/11‹-Erinnerung auf eine neurotische Ausprägung der Pearl-Harbor-Erinnerung zurückgeführt werden: »[Symptome] schaffen also Ersatz für die versagte Befriedigung durch eine Regression der Libido auf frühere Zeiten, womit die Rückkehr zu früheren Entwicklungsstufen der Objektwahl oder der Organisation untrennbar verbunden ist« (Freud 1933: 408). Somit haftet der Neurotiker, hier der neurotische nationale Körper, sprichwörtlich an seiner Vergangenheit und kann sich daher nicht vom Affektzustand einer Angst vor den Aggressoren lösen. Zuletzt sei auf eine Lösungsmöglichkeit der neurotischen Erinnerung hingewiesen. Freud (1933: 453) meint: »Alles was Kulturentwicklung fördert, arbeitet auch gegen den Krieg.« Natürlich gibt es auch Gegenentwürfe zu den hier diskutierten Texten. So sind bis heute etwa fünfzehn amerikanische Produktionen entstanden, die die Internierung und den Rassismus gegen die Japaner im Zweiten Weltkrieg thematisieren. Zu den bekanntesten unter ihnen zählen Bad Day at Black Rock (John Sturges 1951), Come See the Paradise (Alan Parker 1990) und Snow Falling on Cedars (Scott Hicks 1999). Nach ›9/11‹ entstehen ebenfalls zahlreiche Filme, die den Rassimus gegenüber arabischaussehenden Personen thematisieren, zu ihnen zählen The Gold Bracelet (Kavi Raz 2006), Man Push Cart (Ramin Bahrani 2005), Sorry, Haters (Jeff Stanzler 2005) oder etwa Miral (Julian Schnabel 2010). Auch Kunstprojekte wie »All Orientals Look the Same« (1987) von Valerie Soe, »Kirsten Dunst, McG and Me« (2009) von Takashi Murakami oder Jackie Salloums »Planet of the Arabs« (2005) entlarven den Konstruktcharakter der hier diskutierten Traumaerinnerungen und der mit ihnen verbundenen Repräsentationen eines FeindlichFremden. Mit diesen Ausdrucksformen jedoch verhält es sich wie mit allem Widerständigen innerhalb eines Diskurses. Gegenpositionen wird Raum

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gewährt jedoch nicht ganz ohne Einflussnahme der Wissensträger übergeordneter Diskurse. Denn auch diese Arbeiten, wie bereits Renov (1994: 116) erkennt, brauchen die massenwirksamen Kanäle der Medien: »Alternative versions and critiques can maintain their integrity only if they are allowed to exist apart, but no capital-intensive operation such as television production can survive without access to the tools or the airwaves.« Um eine wirksame Gegenerinnerung zu erzeugen, müssen derartige Gegenbilder systematisch einen Platz in Sendezyklen von Programmkinos und TV-Sendern erhalten. Derzeit sieht es jedoch so aus, als ob öffentliche und kulturelle Diskurse an der Traumaerinnerung an ›9/11‹ vor dem Hintergrund der Pearl-Harbor-Erinnerung festhalten. Am 8. August 2009 lief die USS New York vom Stapel. US-Navyminister Gordon England (»Navy Secretary Assigns New Ship Name New York« 2002) betont im Vorfeld die Rolle des Schiffes: »The USS New York will play an important role in our Navy's future and will be a fitting tribute to the people of the Empire State.« Sie ist ein Kriegsschiff. Ihr Rumpf besteht aus 7,5 Tonnen Stahl aus den Ruinen des World Trade Centers. Bis zu 800 Soldaten soll das 200 Meter lange Schiff transportieren. Ein derartiges Symbol deutet an, dass die Außenpolitik der USA eine Signifikantenkopplung von ›9/11‹ an die PearlHarbor-Erinnerung nur noch bestärken möchte. Verband bis 2009 die Angriffe symbolisch die überraschend auftauchenden Flugzeuge und ihre tödliche Wirkung, so sind es heute auch die Kriegsschiffe. Am 2. Mai 2011 gibt der US-Präsident Barack Obama den Tod des Drahtziehers der Anschläge vom 11. September, Osama bin Laden, bekannt. Wie diese Nachricht die Perspektive auf den »Krieg gegen den Terror« zukünftig verändert, kann diese Arbeit noch nicht abschätzen. Anzunehmen ist jedoch eine Veränderung im Umgang mit den medialen Repräsentationen von ›9/11‹. So fragt zum Beispiel bereits am gleichen Tag der amerikanische Journalist Kevin Fallon (2011) im Atlantic: »Will bin Laden's Death Make 9/11 Movies Easier to Watch?« Eine Antwort darauf ist zu diesem Zeitpunkt noch nicht möglich. Jedoch haben bereits im Zweiten Weltkrieg die amerikanischen Erfolge in der Schlacht um die Midway-Atolle 1942 eine Wende im Kriegskino ermöglicht. Plötzlich war ein Sieg in Aussicht und die das Kriegskino populärer denn je. Dem Spiegel zufolge (»Hollywood Pläne« 2011) gibt es derzeit ein starkes Bedürfnis alsbald eine Hollywoodversion der Operation zur Tötung Bin Ladens um-

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zusetzen, eine der favorisierten Anwärter sei Kathryn Bigelow. Das Projekt Kill bin Laden soll von der Oscar-Gewinnerin 2010, die mit ihrem Kriegsfilm The Hurt Locker (2008) relativ erfolglos ein Drama um ein Bombenräumungskommando im Irak verfilmte, bereits Anfang 2012 in die Kinos kommen. Wie auch immer sich die Reaktionen zum Kriegskino Hollywoods in den kommenden Monaten verändern mögen, gewiß ist jedoch, dass sich 2011 ebenfalls der ›11. September‹ zum zehnten und ›Pearl Harbor‹ zum 70. Mal jähren. Für beide Jahrestage sind Fertigstellungen beziehungsweise Veränderungen an den Erinnerungsorten angekündigt. Wie diese Pläne andeuten, werden beide Ereignisse in der nationalen Erinnerungsarbeit in einem engen Zusammenhang bleiben. Damit kann die bisher tradierte Traumaerinnerung an ›Pearl Harbor‹ in ›9/11‹ fortbestehen und findet so einen Weg in das kulturelle Gedächtnis der USA. In dieser Weise prägt sie voraussichtlich noch über viele Generationen hinweg nachhaltig das Selbstbild der Nation.

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