Die Testamentsvollstreckung im Recht der Personenhandelsgesellschaften und der GmbH [1 ed.] 9783428480531, 9783428080533

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Die Testamentsvollstreckung im Recht der Personenhandelsgesellschaften und der GmbH [1 ed.]
 9783428480531, 9783428080533

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ROBIN OÖRRIE

Die Testamentsvollstreckung im Recht der Personenhandelsgesellschaft und der GmbH

Schriften zum Bürgerlichen Recht Band 168

Die Testamentsvollstreckung im Recht der Personenhandelsgesellschaften und der GmbH

Von

Robin Dörrie

DUßcker & Humblot . Berliß

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Dörrie, Robin: Die Testamentsvollstreckung im Recht der Personenhandelsgesellschaften und der GmbH / von Robin Dörrie. Berlin : Duncker und Humblot, 1994 (Schriften zum bürgerlichen Recht; Bd. 168) Zug\.: Mannheim, Univ., Diss., 1992/93 ISBN 3-428-08053-X NE: GT

Alle Rechte vorbehalten

© 1994 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fotoprint: Werner Hildebrand, Berlin Printed in Germany ISSN 0720-7387 ISBN 3-428-08053-X

Vorwort Die Arbeit lag im Wintersemester 1992/93 der Juristischen Fakultät der Universität Mannheim als Dissertation vor. Rechtsprechung und Literatur wurden, soweit für die aufgeworfenen Fragen relevant, bis Oktober 1993 berücksichtigt. Mein besonderer Dank gilt meinem verehrten wissenschaftlichen Lehrer, Herrn Prof. Dr. Günther Wüst, der mir als seinem Assistenten in der Zeit der Entstehung dieser Arbeit vielfältige Förderung zukommen ließ und großzügigen Freiraum für die eigene wissenschaftliche Arbeit gewährte. Zu Dank verpflichtet bin ich weiterhin Herrn Prof. Dr. Egon Lorenz für die rasche Erstellung des Zweitgutachtens.

Mannheim, im November 1993

Robin Dörrie

Inhaltsverzeichnis § 1.

Einleitung .................................................................................................... 13

1. Teil Die Zulässigkeit der Testamentsvollstreckung im Gesellschaftsrecht

§ 2.

Die gesetzliche Rechtsmacht des Testamentsvollstreckers und ihre Grenzen im allgemeinen ............................................................................. 15

§ 3.

ErbrechtIiche und gesellschaftsrechtIiche Bedenken gegen die Zulässigkeit der Testamentsvollstreckung im Gesellschaftsrecht ........................... 18

I.

Vererblichkeit von Gesellschaftsanteilen und deren Nachlaßzugehörigkeit ........................................................................................................ 19 1.

2. 11.

Personengesellschaften ................................................................... 20 a) Vererblichkeit von Personengesellschaftsanteilen .................... 20 aa) Fortsetzung der Gesellschaft ohne den oder die Erben....... 20 bb) Fortsetzung der Gesellschaft mit dem oder den Erben ....... 21 (1) Einfache Nachfolgeklausel ........................................ 23 (2) QualifIzierte Nachfolgeklause1... ................................ 24 b) Nachlaßzugehörigkeit des vererbten Personengesellschaftsanteils ......................................................................................... 25 aa) AbspaItungsthese - Vererbung des Gesellschaftsanteils am Nachlaß vorbei ............................................................ 27 bb) Nachlaßzugehörigkeit des Gesellschaftsanteils trotz Sondererbfolge ....................................................................... 31 GmbH ............................ ............................................... ...... ........... 38

TestamentsvollstrecklUlg und FremdvelWaltung im Gesellschaftsrecht ... 39 1.

Personenbezogenheit der Mitgliedschaft ......................................... 39

8

Inhaltsverzeichnis

2. 3.

m.

Prinzip der Selbstorganschaft ......................................................... .41 Abspaltungsverbot ....................................................... .... ............... 44

Kollision der erbrechtlichen Wld gesellschaftsrechtlichen HaftWlgsgrWldsätze .............................................................................................. 52 I.

2.

3.

Offene Handelsgesellschaft ............................................................. 53 a) Das Wahlrecht des Gesellschafter-Erben aus § 139 HGB Wld das AusschlagWlgsrecht als Ansatz zur LÖSWlg des HaftWlgswiderspruches .......................................................................... 54 b) Sittenwidrigkeit der TestamentsvollstreckWlg in der offenen Handelsgesellschaft ................................................................. 58 c) Unzulässigkeit der Testamentsvollstredamg bei Unüberwindbarkeit der HaftWlgswidersprüche? .......................................... 64 Kommanditgesellschaft ................................................................... 65 a) HaftWlg des Gesellschafter-Erben bei noch nicht erbrachter Hafteinlage .............................................................................. 65 b) HaftWlg des Gesellschafter-Erben nach § 172 IV HGB ............. 68 c) HaftWlg des Gesellschafter-Erben infolge einer ErhöhWlg der Haftsumme .............................................................................. 71 d) HaftWlg des Gesellschafter-Erben nach § 176 HGB .................. 73 GmbH ............................................................................................. 74 a) HaftWlg des Gesellschafter-Erben infolge einer Kapitalerhö~ .........................•.............................................................. ~

b)

4.

HaftWlg des Gesellschafter-Erben infolge eines Verstoßes gegen das AuszahlWlgsverbot ...................................................... 78 c) HaftWlg des Gesellschafter-Erben im Falle der UnterkapitalisieTWlg ..................................................................................... 79 Exkurs ....................................... .................. ........ ........................... 80 a) Stille Gesellschaft ....................................... ...... ....................... 80 b) Gesellschaft bürgerlichen Rechts .............................................. 81

IV. ZusammenfassWlg ............................................. ..................................... 82

2. Teil Die Voraussetzungen der Testamentsvollstreckung im Gesellschaftsrecht

§ 4.

Personengesellschaften ................................................................................ 84

Inhaltsverzeiclmis

§ 5.

9

1.

Das Erfordernis der Zustinunung durch die Mitgesellschafter ......... ........ 84

II.

Ausleglmgsprobleme .............................................................................. 85

m.

Testamentsvollstreckung durch einen Mitgesellschafter.. ... .......... ........... 88

GmbH .............................. ............................................................................ 89

3. Teil Die Stellung des Testamentsvollstreckers im Hinblick auf die mitgliedschaftlichen Rechte und Pflichten des Gesellschafter-Erben

§ 6.

§ 7.

Überblick .................................... .... .......... ........ .... ...................................... 92 1.

Problemstellung ........................................ ...... ................... .

............ 92

II.

Meinungsstand und Stelhmgnahme .... .. .... .. ...... .. .................................... 93

Kompetenzen des Testamentsvollstreckers an einzelnen Mitgliedschaftsrechten ........................................................................................................ 96 1.

Konunanditanteil und GmbH .................................................................. 96 I. 2.

Wahmehrnung von Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnissen .................................................................................................. 96 Ausübung des Stimmrechts und des Zustinunungsrechts zu Gesellschafterbeschlüssen ......................................................................... 98 a) Schranken der Ausübung des Stimmrechts und des Zustimmungsrechts gegenüber der Gesellschaft .................................. 99 aa) Stinunverbote .............................................. .......... ... ........ 99 bb) Treuepflicht des Testamentsvollstreckers ........................ 101 b) Schranken der Ausübung des Stimmrechts und des Zustimmungsrechts gegenüber dem Gesellschafter-Erben ................. 107 aa) Das Verbot unentgeltlicher Verfügungen nach § 2205 S. 3 BGB ........................................................................ 107 (I) Die Mitwirkung an Beschlüssen als Verfugung ........ 107 (2) Die Unentgeltlichkeit der Verfügung ........................ 110 (3) Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen das Verbot unentgeltlicher Verfügungen......................... . 115

10

Inhaltsverzeichnis

3. 4. 5. 6. 7. 8.

n.

Testamentsvollstreckung an der "Außenseite" des Anteils eines unbeschränkt haftenden Personenhandelsgesellschafters? ............................ 138 I. 2. 3. 4.

m.

bb) Das Verbot persönlicher Verpflichtung nach § 2206 BGB ............................................................................... 117 cc) Einschränkung der Mitwirlrungsbefugnisse des Testamentsvollstreckers durch die Kembereichslehre? ............ 120 Recht zur Teilnahme an Gesellschafterversammlungen .................. 124 Geltendmachung fehlerhafter Gesellschafterbeschlüsse ................. 125 Informationsrechte ........................................................................ 126 actio pro socio ............................................................................... 128 VeIWaltung der vermögensrechtlichen Anspruche aus der Gesellschaftsbeteiligung ......................................................................... 130 Lösungsrechte des Gesellschafters ................................................. 131 a) Verteilung der Kompetenzen zwischen Gesellschafter-Erben und Testamentsvollstrecker .................................................... 132 b) Verbot unentgeltlicher Verft1gungen nach § 2205 S. 3 BGB ... 134

VeIWaltung der vermögensrechtlichen Anspruche aus der Gesellschaftsbeteiligung ......................................................................... 138 Lösungsrechte des Gesellschafters ................................................. 142 Eingeschränkte Aufsichts- und Mitwirk."UIlgsrechte des Testamentsvollstreckers? ....................................................................... 144 Die Wirk."UIlg des § 2214 BGB ....................................................... 146

Zusammenfassung ................................................................................ 146

4. Teil Testamentsvollstreckung und Handelsregister

§ 8.

Anmeldungen zum Handelsregister durch den Testamentsvollstrekker .............................................................................................................. 149

§ 9.

Eintragung eines Testamentsvollstreckervermerks in das Handelsregister ............................................................................................................. 152

Inhahsverzeichnis

11

5. Teil

Gründung einer Gesellschaft und Erwerb eines Gesellschaftsanteils durch den Testamentsvollstrecker

§ 10.

Kollision der erb rechtlichen und gesellschaftsrechtlichen Haftungsgrundsätze ................................................................................................. 155 I.

Komrnanditanteil ................................................................................. 155 1. 2.

Il.

Derivativer Anteilserwerb ........ ..................................................... 155 Originärer Anteilserwerb ............. ................................................. 157

GmbH .................................................................................................. 158 1. 2.

Derivativer Anteilserwerb .......... ............ ................ ...... ................. 158 Originärer Anteilserwerb .............................................................. 160

§ 11.

Gründung einer Gesellschaft und Erwerb eines Gesellschaftsanteils bei Vorhandensein einer Erbengemeinschaft ........................................... 163

§ 12.

Gesellschaftsanteile als Nachlaßsurrogat ...................................... ........... 165

§ 13.

Eingriff in die Privatsphäre des Erben? ............... ................................... 168

6. Teil

Ersatzkonstruktionen

§ 14.

§ 15.

Bevollmächtigung des Testamentsvollstreckers ....................................... 172 I.

Auflage zur Erteihmg einer Wlwiderruflichen Wld verdrängenden Vollmacht ................................................................................................... 173

Il.

ErteilWlg einer widerruflichen Vollmacht Wld deren Widerruf als auflösende BedingWlg der Erbeinsetzung .................................................. 177

Treuhänderische Übertragung der Gesellschaftsbeteiligung .................. 179 I.

Rechtliche Konstruk-tion der TreuhandlösWlg ....................................... 180

Inhaltsverzeichnis

12

n. rn.

Haftungsrechtliche Bedenken ............................................................... 182 Rechtsstellung des Testamentsvollstreckers als Treuhänder.. ................ 186

§ 16.

Vorübergehende Umwandlung des Gesellschaftsanteils in eine Kommanditbeteiligung ..................................................................................... 188

§ 17.

Schluß betrachtungen ................................................................................ 191

Literatur ................................................................................................................ 193

§ 1. Einleitung Seit jeher löst der Tod eines Gesellschafters oftmals keine Probleme, er schafft sie vielmehr erst. Das Spannungsverhältnis zwischen Gesellschaftsrecht und Erbrecht sorgt deshalb bereits seit Jahrzehnten für vertiefte Diskussionen in Wissenschaft und Rechtsprechung. Hier ist es namentlich die Frage nach der Möglichkeit einer Testamentsvollstreckung an Gesellschaftsbeteiligungen, deren kontroverse Erörterung zunehmend an Tradition gewinnt. Die breite Flut an Veröffentlichungen zu diesem Themenkomplex ist kaum noch überschaubar und wird sich angesichts der zahlreichen, noch offenen Detailfragen und deren praktischer Relevanz auch schwerlich aufhalten lassen. Als Herausforderung für den Juristen erweisen sich dabei insbesondere die verschiedensten, im Widerstreit stehenden Interessen, die es in Einklang zu bringen gilt. So lassen sich auch in einem als Gesellschaft betriebenen Unternehmen Generationenwechsel nicht vermeiden. Auf Seiten des Erblassers, zuweilen aber auch auf Seiten der verbliebenen Gesellschafter besteht dann zumeist der Wunsch nach einer kontinuierlichen Fortführung des Unternehmens. Häufig steht das Lebenswerk des Erblassers auf dem Spiel, und die mit Mühe geschaffenen Vermögenswerte sollen nicht ohne Not zerschlagen werden. Sind Erben vorhanden und sollen sie in das Unternehmen eintreten, um dort verantwortliche Positionen zu übernehmen, wird von ihnen eine entsprechende Qualifikation gefordert. Fehlt diese, bietet sich das erbrechtliche Institut der Testamentsvollstreckung auf den ersten Blick als ideale Übergangslösung an. Deren Kehrseite ist freilich aus der Sicht des Erben die mit einer Testamentsvollstreckung regelmäßig einhergehende Bevormundung. Dieser Gesichtspunkt gewinnt besondere Bedeutung, wenn es Gesellschaftsbeteiligungen sind, die der Verwaltung eines Testamentsvollstreckers unterstellt werden sollen, denn der Erbe soll nach dem Willen des Erblassers von jeglicher unternehmerischer Entscheidungsgewalt ausgeschlossen werden, gleichwohl aber als Gesellschafter die unternehmerischen Risiken tragen. Desweiteren berührt die mit einer Testamentsvollstreckung einhergehende Fremdverwaltung der Gesellschaftsbeteiligung auch die Interessen der verbliebenen Gesellschafter. Ihnen mag zwar an unternehmerischer Kontinuität gelegen sein, aber namentlich in Familiengesellschaften können sie gesellschafts-

14

§ I. Einleitung

fremden Einflüssen durch einen Testamentsvollstrecker auch durchaus ablehnend gegenüber stehen. Zudem kann sich die Bindung des Testamentsvollstreckers an den Willen des Erblassers als unangenehme Begleiterscheinung erweisen, weil dessen Weisungen der Vergangenheit entspringen, unternehmerisches Denken aber zukunftsorientiert ist und ein hohes Maß an Dynamik und Flexibilität erfordert. In noch stärkerem Maße verdienen die Interessen des Rechtsverkehrs Beachtung. Hier wird nach Rechtssicherheit und nach funktionierenden Unternehmen verlangt, die in ihrer Handlungsfahigkeit nicht etwa durch die bloße Mitwirkung eines Testamentsvollstreckers beeinträchtigt werden dürfen. Insbesondere müssen die Gesellschaftsgläubiger darauf vertrauen können, daß die angeordnete Testamentsvollstreckung den Erben nicht aus der haftungsrechtlichen Verantwortung als Gesellschafter entläßt. Über alledem dürfen die Interessen des Testamentsvollstreckers nicht vergessen werden. Er benötigt klare Verhaltensmaßstäbe, um eine effektive Verwaltung der Gesellschaftsbeteiligung gewähren zu können und sich mit seiner besonderen Verantwortlichkeit dem Erben gegenüber vertraut zu machen. Insoweit sind seine gesetzlich geregelten Machtbefugnisse gesellschaftsrechtlich zu konkretisieren. Daneben ist für den Testamentsvollstrecker auch von Interessse, inwieweit er selbst aufgrund seiner Mitwirkungsbefugnisse in dem Unternehmen persönlich in den Pflichtenkatalog eines Gesellschafters eingebunden werden kann. Aus diesem Geflecht verschiedenster Interessen ist ein harmonisierendes Miteinander zu schaffen, das dem Institut der Testamentsvollstreckung im GeseIlschaftsrecht weitgehende Entfaltungsmöglichkeiten verschafft. Dabei soll mit der vorliegenden Abhandlung versucht werden, dem Problembereich schärfere Konturen zu verleihen, indem zwischen der gesellschaftsrechtlichen Zulässigkeit der Testamentsvollstreckung, deren Voraussetzungen und schließlich der Präzisierung der einzelnen Kompetenzen des Testamentsvollstreckers getrennt wird. Im Anschluß daran wird das Verhältnis des Testamentsvollstreckers zum Handelsregister beleuchtet. Ferner soll der Frage nachgegangen weden, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen es dem Testamentsvollstrecker gestattet ist, sich für den Erben an der Gründung einer Gesellschaft zu beteiligen oder einen Gesellschaftsanteil zu erwerben. Zuletzt werden die anstelle einer Testamentsvollstreckung vorgeschlagenen Ersatzkonstruktionen behandelt.

J. Teil

Die Zulässigkeit der Testamentsvollstreckung im Gesellschaftsrecht

§ 2. Die gesetzliche Rechtsmacht des Testamentsvollstreckers und ihre Grenzen im allgemeinen Wer zu Lebzeiten Verrnögenswerte geschaffen hat, möchte häufig auch über den Tod hinaus seinen Einfluß darauf nicht verlieren. Das Gesetz stellt hierzu in den §§ 2197 ff. BGB das erbrechtliche Institut der Testamentsvollstreckung zur Verfügung. So kann sich der Erblasser einer Person seines Vertrauens bedienen und ihn kraft letztwilliger Anordnung zum Testamentsvollstrecker ernennen l . Die Motive, die den Erblasser zur Anordnung einer Testamentsvollstreckung veranlassen, sind letztlich unbeachtlich, können aber sehr vielfaltig sein. Das kann der Wunsch sein, die zweckmäßige Aufteilung seines Nachlasses unter den Erben zu sichern oder aber den Nachlaß als Einheit zu erhalten, weil er in ihm sein Lebenswerk erblickt. Den Erblasser kann Fürsorge für seine Hinterbliebenen, aber auch schlichte Herrschsucht leiten. Hat sich der Erblasser für die Anordnung einer Testamentsvollstreckung entschieden, so bietet ihm das Gesetz verschiedene Gestaltungsmöglichkeiten. Regelmäßig liegt die Aufgabe des Testamentsvollstreckers in der Bewirkung der Auseinandersetzung unter den Miterben und sonstigen am Nachlaß Beteiligten. Die Testamentsvollstreckung ist dann Auseinandersetzungs- oder Abwicklungsvollstreckung und dient dazu, mögliche Streitigkeiten unter den Beteiligten zu verhindern oder beizulegen. Der Erblasser kann die Testamentsvollstreckung aber auch zum Zwecke der dauerhaften Verwaltung des Nach-

I In Betracht kommen insbesondere Rechtsanwälte und Notare, aber auch sonst sachkundige Personen. Der Erblasser kann auch eine juristische Person zum Testamentsvollstrecker ernennen, vgl. LangelKuchinke, Erbrecht, 3. Aufl., § 29 IV 3 a. S. 472.

16

§ 2. Gesetzliche Rechtsrnacht des Testamentsvollstreckers

lasses anordnen. Das ist in §§ 2209, 2210 BGB bis zu einem Zeitraum von 30 Jahren zugelassen und kann als Dauer- oder Verwaltungsvollstreckung2 gewollt sein3 . Das Gesetz läßt in § 2208 BGB die Ernennung eines Testamentsvollstreckers aber auch lediglich zum Zwecke der Erfüllung bestimmter Sonderaufgaben zu; eine solche Anordnung bildet jedoch eher die Ausnahme. Hat der Testamentsvollstrecker nach § 2202 I BGB die Annahme des Amtes gegenüber dem Nachlaßgericht erklärt, so gibt ihm das Gesetz eine außerordentliche Machtfülle. Zum Zwecke der Verwaltung nimmt er den Nachlaß in Besitz und kann nach § 2205 S. 2 BGB über Nachlaßgegenstände verfügen, soweit er dies nicht unentgeltlich tut4 . Im Rahmen der §§ 2206, 2207 BGB ist er ferner berechtigt, Verbindlichkeiten für den Nachlaß zu begründen5 , und er ist nach §§ 2212, 2213 BGB auch zur Prozeßführung in Nachlaßangelegenheiten befugt. Um dem Testamentsvollstrecker eine ungestörte Verwaltung des Nachlasses zu ermöglichen, verwehrt die Vorschrift des § 2214 BGB den Eigengläubigern des Erben den Zugriff auf die der Testamentsvollstreckung unterliegenden Nachlaßgegenstände6 . Einzig den Weisungen des Erblassers hat der Testamentsvollstrecker nach § 2203 BGB zu folgen. Dem steht der Erbe weitgehend machtlos gegenüber. Er hat kein Weisungsrecht gegenüber dem Testamentsvollstrecker, und ihm ist, soweit dessen Rechtsrnacht reicht, die Herrschafts- und Verfügungsgewalt über den Nachlaß gemäß § 2211 I BGB entzogen7. Diese Machtlosigkeit des Erben findet einzig in den nach § 2220 BGB zwingenden Vorschriften der §§ 2216, 2218, 2219,

2 Zum Unterschied zwischen Dauer- und VeJWaltungsvollstreckung: Staudinger/Reimann, BGB, 12. Aufl., § 2209 Rz. 1. Beide Bezeichnungen werden aber auch häufig synonym gebraucht. 3 Mit einer derartigen Verwaltungs- oder Dauervollstreckung steht das deutsche Recht weitgehend allein. Andere Rechtsordnungen dulden eine dauerhaftere Vollstreckung allenfalls in zeitlich sehr engen Grenzen, vgl. dazu Lange/Kuchinke, Erbrecht, 3. Aufl., § 29 I 2, S. 462. 4 Der Testamentsvollstrecker wird insoweit nach § 2205 S.3 BGB in seiner Verfiigungsmacht dinglich beschränkt. Ohne Zustimmung des Erben vorgenommene Verfiigungen sind auch bei Gutgläubigkeit des Erwerbers unwirksam, vgl. RGZ 105, 246, 250; SoergellDamrau, BGB, 12. Aufl., § 2205 Rz. 78, 81. 5 Will sich der Testamentsvollstrecker durch sein Handeln nicht selbst verpflichten, muß er allerdings offen rur den Nachlaß tätig werden; es gilt insoweit § 179 BGB, vgl. Lange/Kuchinke, Erbrecht, 3. Aufl., § 29 VI 3 d, S. 494; MünchKomm.lBrandner, BGB, 2. Aufl., § 2206 Rz. 8; Soerge/IDamrau, BGB, 12. Aufl., § 2206 Rz. 3. 6 Mit dem Erbfall bildet der Nachlaß infolge der angeordneten Testamentsvollstreckung ein Sondervermögen und vereint sich nicht mit dem Eigenvermögen des Erben. 7 VerfUgt er dennoch, tut er dies als Nichtberechtigter, und es gelten nach § 2211 II BGB die Vorschriften über den Erwerb vom Nichtberechtigten entsprechend.

§ 2. Gesetzliche Rechtsmacht des Testamentsvollstreckers

17

2227 BGB ein Korrektiv8 . Der Testamentsvollstrecker ist dem Erben nach § 2216 BGB zur ordnungsgemäßen Verwaltung des Nachlasses und nach §§ 2218, 666 BGB zu Auskunft und Rechnungslegung verpflichtet; verletzt er diese Pflichten schuldhaft, kann er nach § 2219 BGB auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden. Bei schwerwiegenden Pflichtverletzungen kann darüber hinaus nach § 2227 BGB auf Antrag des Erben das Nachlaßgericht den Testamentsvollstrecker entlassen. Problematisiert wird seit jeher die rechtliche Einordnung der Tätigkeit des Testamentsvollstreckers9 , Man hat ihn als gesetzlichen Vertreter der Erben oder des Nachlasses 10 , als Inhaber eines privativen Amtes I 1 und als Treuhänder 12 bezeichnet. Kaum eine der vertretenen Meinungen vermag die Rechtsstellung des Testamentsvollstreckers befriedigend zu erklären, gilt es doch, sowohl der Fremdnützigkeit seiner Tätigkeit wie auch seiner gesetzgeberischen Bezeichnung als Amtsinhaber gerecht zu werden. Beidem wollte schließlich der Bundesgerichtshof Rechnung tragen und bezeichnete den Testamentsvollstrecker zugleich als Treuhänder und als Inhaber eines privaten Amtes, zu dem er allein durch den Willen des Erblassers berufen sei 13. In der Praxis kommt dem Streit eine nur untergeordnete Rolle zu, etwa hinsichtlich der Frage nach der direkten oder analogen Geltung des § 181 BGB im Falle der Testamentsvollstreckung oder der richtigen Parteibezeichnung im Prozeß14,

8 Die Vorschrift des § 2220 BGB gilt über ihren Wortlaut hinaus auch fiir § 2227 BGB, vgl. Soergel/Damrau, BGB, 12. Aufl., § 2220 Rz. 2. 9 Ein Überblick über den Meinungsstand findet sich bei Soergel/Damrau, BGB, 12. Aufl., Vor § 2197 Rz. 2 ff.; LangelKuchinke, Erbrecht, 3. Aufl., § 29 111, S. 465 ff. 10 Vgl. die Nachweise bei Lange/Kuchinke, Erbrecht, 3. Aufl., § 29 111 2 a, S. 466. 11 So die wohl h.M., vgl. RGZ 56, 330; 61, 145; 76, 125; BGHZ 13, 203, 205; RGRKlKregel, BGB, 12. Aufl., Vor § 2197 Rz. 11; Staudinger/Reimann, BGB, 12. Aufl., Vorbem. zu §§ 2197 f[ Rz. 12; LangelKuchinke, Erbrecht, 3. Aufl., § 29 111 5, S. 469. Sie stützt sich vorwiegend auf den Wortlaut des Gesetzes, vgl. §§ 2197. 2201, 2202, 2221, 2224 f[ BGB. 12 Vgl. Kipp/Coing, Erbrecht, 14. Aufl., § 66 III, S. 369. 13 BGHZ 25, 275, 279; BGH NJW 1983,40. 14 Vgl. LangeiKuchinke, Erbrecht, 3. Aufl., § 29 111 1, S. 465 f Zur Bedeutungslosigkeit des Streites im Hinblick auf die Testamentsvollstreckung an Gesellschaftsbeteiligungen: Richardl, S. 14 ff. 2 Dörrie

§ 3. Erbrechtliche und gesellschaftsrechtliche Bedenken gegen die Zulässigkeit der Testamentsvollstreckung im Gesellschaftsrecht Wer nach der Möglichkeit einer Testamentsvollstreckung an Gesellschaftsbeteiligungen fragt, sieht sich namentlich im Personengesellschaftsrecht zahlreichen Bedenken gegenübergestellt, die einer verwaltenden Tätigkeit des Testamentsvollstreckers generell entgegen stehen können I. Dabei reicht die Spannweite möglicher Einwände von der Frage der Nachlaßzugehörigkeit vererbter Gesellschaftsanteile über den weiten Problembereich der Fremdverwaltung im Gesellschaftsrecht bis hin zu haftungsrechtlichen Bedenken aufgrund der Verschiedenartigkeit von erbrechtlichen und gesellschaftsrechtlichen Haftungsregelungen. Das Meinungsbild zur Zulässigkeit der Testamentsvollstreckung an Gesellschaftsanteilen unterscheidet sich rechtsformspezifisch ganz erheblich. Während die Testamentsvollstreckung am Anteil eines unbeschränkt haftenden Personengesellschafters namentlich aus den erwähnten haftungsrechtlichen Erwägungen überwiegend als unzulässig erachtet wird2 , hat sich um die Zulässigkeit der Testamentsvollstreckung an einer Kommanditbeteiligung bis heute eine ausgesprochen heftig geführte Kontroverse entwickelt. So wurde in der

I Den nachfolgenden Ausfilhrungen wird die Anordnung einer VerwaItungstestamentsvollstreckung zugrundegelegt, denn die sogenannte Abwicklungsvollstreckung ist auch im Personengesellschaftsrecht nicht weiter problematisch, vgl. SchlegelbergerlK. Schmidt, HGB, 5. Aufl., § 139 Rz. 45; SoergellDamrau, BGB, 12. Aufl., § 2205 Rz. 26 ff.; ders., NJW 1984, 2785, 2786; Siebert, FS A Hueck, 321, 339.

2 RGZ 170, 392, 394; BGHZ 24, 106, 112f; BGHZ 68, 225, 239; BGH LM Nr. 6 zu § 105 HGB; BGH WM 1969,492,493; Fischer in Großkomm. HGB, 3. Aufl., § 105 Anm. 28 c; Ulmer in Großkomm. HGB, 3. Aufl., § 139 Anm. 68; MünchKomm./Brandner, BGB, 2. Aufl., § 2205 Rz. 28; A. Hueck, OHG, 4. Aufl., § 28 11 5, S. 416; H. Westermann, Personengesellschaften, Rz. 506; Wiedemann, Übertragung, S. 331 ff.; Buschmann, S. 26; Richardi, S. 43; differenzierend BGHZ 98, 48; auch Bommert, BB 1984, 178, 182; LangeiKuchinke, Erbrecht, 3. Aufl., § 29 V 7 c, S. 485 in Fn. 186; a.A Einmahl, AcP 160 (1961), 29, 35 ff.;Marotzke, JZ 1986,457,466; Hüfner, S. 134 f.; wohl auch SchlegelbergerlK. Schmidt, HGB, 5. Aufl., § 139 Rz. 51.

I. Vererblichkeit und Nachlaßzugehörigkeit

19

Rechtsprechung 3 und vielerorts auch in der Literatur4 vertreten, der Testamentsvollstrecker könne auch den Anteil eines Kommanditisten nicht verwalten. Der Bundesgerichtshof hat sich nunmehr in einer jüngeren Entscheidung5 der Gegenauffassung in der Literatur' angeschlossen und die Testamentsvollstreckung an einer Kommanditbeteiligung für zulässig erachtet, ohne freilich dabei alle auftretenden Fragen klären zu können. Für die GmbH wiederum wurde die Möglichkeit der Verwaltung des Geschäftsanteils durch einen Testamentsvollstrecker von der weit überwiegenden Ansiehe zu keinem Zeitpunkt ernsthaft in Frage gestellt. Die nach wie vor aktuellen Probleme im Zusammenhang mit der Zulässigkeit einer Testamentsvollstreckung an Gesellschaftsbeteiligungen sollen nachfolgend eingehend beleuchtet werden. I. Vererblichkeit von Gesellschaftsanteilen und deren Nachlaßzugehörigkeit Der Testamentsvollstrecker ist in seiner Rechtsmacht nach §§ 2205, 2206 BGB auf den Nachlaß beschränkt. Soll er also verwaltend tätig werden, ist dazu logisch vorrangig die Vererblichkeit und die Nachlaßzugehörigkeit des zu verwaltenden Gegenstandes erforderlich. Gerade das aber ist im Hinblick auf Gesellschaftsbeteiligungen keineswegs selbstverständlich.

3 RGZ 172, 199, 203; BayObLG DB 1978, 79; BayObLG WM 1983, 1092, 1093; OLG Frankfurt, NJW 1983, 1806; OLG Hamburg, ZIP 1984, 1226, 1228; offengelassen in BGHZ 24, 106, 113; BGHZ 91, 132, 137 f.; BGH NJW 1985, 1953, 1954.

4 Schlegelberger/Geßler, HGB, 4. Aufl., § 177 Rz. 4; RGRKlKregel, BGB, 12. Aufl., § 2205 Rz. 8; Weber, FS Stiefel, 829, 850; Richardi, S. 84 ff.; auch Ulmer, ZHR 146 (1982), 555, 558 ff; ders. NJW 1984, 1496, 1499; Koch, NJW 1983, 1762, 1764. 5 BGHZ 108, 187, 191 ff; vgl. auch den Vorlagebeschluß des OLG Hanun, DB 1989, 821.

Schilling in Großkomm. HGB, 4. Aufl., § 177 Rz. 12 ff; Schlegelberger/K. Schmidt, HGB, 5. Aufl., § 177 Rz. 25 ff.; H. Westermann, Personengesellschaften, Rz. 507; Damrau, NJW 1984, 2785, 2786ff; Bommert, BB 1984, 178, 183; Esch, NJW 1981, 2222, 2224ff; Eschelbach, S. 130; WesseIs, S. 77 ff 6

7 BGH NJW 1959, 1820; BGH BB 1977, 10, 12; BGH DB 1989, 1715; Hachenburg/Zutt, GmbHG, 8. Aufl., Anh. § 15 Rz. 119; BaumbachIHueck, GmbHG, 15. Aufl., § 15 Rz. 16; Scholz/Winter, GmbHG, 7. Aufl., § 15 Rz. 208; MünchKomm./Brandner, BGB, 2. Aufl., § 2205 Rz. 42; Wiedemann, Übertragung, S. 338; Däubler, Vererbung des Geschäftsanteils, S. 41; Knur, Die Familiengesellschaft, S. 186; Barella, GmbH-Rdsch. 1959,45,47; F1eck, FS R. Fischer, 107, 114 f.; Priester, FS Stimpel, 463, 466; Vogel, GmbH-Rdsch. 1971, 132, 137; aA Sehe/er, S. 29 f.; Täteberg, S. 125.

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§ 3. Erbrechtliche und gesellschaftsrechtliche Bedenken

1. Personengesellschaften

a) Vererblichkeit von Personengesellschaftsanteilen

Schließen sich mehrere Personen zu einer Personengesellschaft zusammen, so tun sie das in aller Regel aufgrund des einander entgegengebrachten Vertrauens. Es entstehen Bindungen persönlicher Art, und der Personengesellschaft ist daher ein Wechsel im Bestand ihrer Gesellschafter grundsätzlich fremd. So verwundert es auch nicht weiter, daß im Falle des Todes eines persönlich und unbeschränkt haftenden Gesellschaftes die Gesellschaftsbeteiligung nicht etwa schlechthin auf dessen Erben übergeht, sondern in §§ 727 BGB, 131 Nr. 4, 161 II HGB im Zweifel die Auflösung der Gesellschaft vorgesehen ist; lediglich der Tod eines Kommanditisten hat nach § 177 HGB im Grundsatz nicht zugleich die Auflösung der Gesellschaft zur Folge, weil dessen gesellschaftlicher Beitrag weniger in persönlicher Mitwirkung als vielmehr in seiner Kapitalgeberfunktion zu erblicken ist8 . Wird nun die Gesellschaft infolge des Todes eines ihrer Gesellschafter aufgelöst, so gibt sie ihre werbende Tätigkeit auf und tritt in das Stadium der Liquidation. Die Gesellschaft besteht dann als Liquidationsgesellschaft fort, ohne ihre Identität zu verlieren. Dem Zweck nach ist sie nunmehr auf ihre Abwicklung gerichtet. Der Erbe, und bei Vorhandensein mehrerer Erben auch die ungeteilte Erbengemeinschaft, werden ohne weiteres Zutun im Wege der Universalsukzession Gesellschafter der Liquidationsgesellschaft mit allen dazugehörigen Befugnissen9 . aa) Fortsetzung der Gesellschaft ohne den oder die Erben Häufig wird eine Auflösung der Gesellschaft nicht im Interesse der verbliebenen Gesellschafter liegen. Ihnen kann namentlich daran gelegen sein, das mühsam aufgebaute Unternehmen als Existenzgrundlage zu erhalten, ohne aber zugleich einen Nachfolger für den verstorbenen Gesellschafter in ihren Personenverband aufnehmen zu wollen. Schon das Gesetz gibt ihnen deshalb in §§ 736 BGB, 138 HGB die Möglichkeit, die Gesellschaft mittels einer so-

8 Entsprechendes gilt nach § 234 11 HGB fiir den Tod eines stillen Gesellschafters. 9 Vgl. Wiedemann, Übertragung, S. 171; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 2. Aufl., § 45 V I b, S. 1097 f. In einer Liquidationsgesellschaft wird die Testamentsvollstreckung ganz überwiegend zugelassen, vgl. BGH NJW 1981, 749, 750; MünchKomrn./Brandner, BGB, 2. Aufl., § 2205 Rz. 26; SoergeVDamrau, BGB, 12. Aufl., § 2205 Rz. 27.

1. Vererblichkeit und Nachlaßzugehörigkeit

21

genannten Fortsetzungsklausel fortzuführen 1o . Für diesen Fall wird bestimmt, daß die Mitgliedschaft mit dem Tod des Gesellschafters erlischt. Die weiteren Rechtsfolgen richten sich nach § 738 BGB. Der Anteil des verstorbenen Gesellschafters wächst nach § 738 I 1 BGB den übrigen Gesellschaftern an. Der nach § 738 I 2 BGB entstehende Abfindungsanspruch fallt, soweit er gesellschaftsvertraglich nicht ausgeschlossen ist, in den Nachlaß und steht den Erben ZU11. bb) Fortsetzung der Gesellschaft mit dem oder den Erben In der Praxis werden die Beteiligten allerdings zumeist daran interessiert sein, im Falle des Todes eines Gesellschafters einen Nachfolger in die Gesellschaft aufzunehmen. Dem Erblasser kann etwa daran gelegen sein, den Gesellschaftsanteil seinen Abkömmlingen als Erwerbsquelle zukommen zu lassen, und die übrigen Gesellschafter werden darauf bedacht sein, den mit einem möglichen Abfindungsanspruch verbundenen Kapitalabfluß zu verhindern und das Haftungspotential der Gesellschaft durch einen finanzstarken, aber auch qualifizierten Nachfolger zu erhalten. Zur Verwirklichung dieses Zieles sind zwei unterschiedliche Wege denkbar. Einmal kann der Gesellschaftsvertrag eine sogenannte Eintrittsklausel vorsehen. Sie ist als Vertrag zugunsten Dritter (§ 328 I BGB) zu qualifizieren 12 und gibt dem Begünstigten die Befugnis zum Eintritt in die Gesellschaft, ohne daß er zugleich Erbe des verstorbenen Gesellschafters sein muß. Konstruktiv erlischt dabei die Mitgliedschaft mit dem Tod des Gesellschafters, und erst die Ausübung des Eintrittsrechts durch den Begünstigten läßt in dessen Person eine neue Mitgliedschaft aufleben. Die Nachteile dieser Lösung liegen auf der Hand. Der Begünstigte kann zum Eintritt in die Gesellschaft nicht verpflichtet werden 13, und es kann zudem doch der so unerwünschte Abfindungsanspruch

10 Ulmer in Großkonun. HGB, 3. Aufl. § 138 Rz. 7; Schlegelberger/K. Schmidt, HGB, 5. Aufl., § 138 Rz. 7. 11 Ein solcher Abfmdungsanspruch unterliegt unstreitig der Verwaltung durch den Testamentsvollstrecker, vgl. BGH NJW 1981, 749, 750; Fischer in Großkonun. HGB, 3. Aufl., § 105 Anrn. 28 e; BaumbachiDudeniHopt, HGB, 28. Aufl., § 139 Anrn. 4 b; Soerge/lDamrau, BGB, 12. Aufl., § 2205 Rz. 39; A. Hueck, OHG, 4. Aufl., § 2811 5, S. 418; Richardi, S. 82; zweifelnd wohl RGZ 170,392,

395.

12 Vgl. Ulmer in Großkomm. HGB, 3. Aufl., § 139 Anrn. 15; H. Westermann, Personengesellschaften, Rz. 549. 13 Vgl. A. Hueck, OHG, 4. Aufl., § 28 11 1 a, S. 405 ff.; Siebert, Gesellschaftsvertrag und Erbrecht, 3. Aufl., S. 12 f.

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§ 3. Erbrechtliche und gesellschaftsrechtliche Bedenken

der Erben nach § 738 I 2 BGB zur Entstehung gelangen l4. Für die Testamentsvollstreckung ist zudem von entscheidender Bedeutung, daß sich der Eintritt in die Gesellschaft aufgrund einer Eintrittsklausei als Rechtsgeschäft unter Lebenden darstellt. Mangels erbrechtlicher Anknüpfungspunkte kann sich in diesem Fall die Venvaltungsmacht des Testamentsvollstreckers nicht auf die Gesellschaftsbeteiligung erstrecken l5 . Weitaus häufiger findet sich in Gesellschaftsverträgen eine sogenannte Nachfolgeklausel. Anders als bei einem Kommanditanteil, der bereits nach § 177 HGB ohne weiteres vererblich ist l6 , wird der Anteil eines unbeschränkt haftenden Gesellschafters durch die Nachfolgeklausel erst vererblich gestellt l7 . Sie bedingt, daß der oder die Erben mit dem Tod eines Gesellschafters auf erbrechtlichem Wege 18 automatisch in dessen Position einrücken, ohne daß es hierzu noch besonderer rechtsgeschäftlicher Erklärungen bedarfl9 . Nun trifft den solchermaßen in die Gesellschaft einrückenden Erben aber neben der unbeschränkten Gesellschafterhaftung aus §§ 128, 130 HGB möglichenveise auch das Wettbewerbsverbot aus § 112 HGB und nach § 114 HGB die Pflicht zur Geschäftsführung. Um den Erben nicht der mißlichen Situation auszusetzen, zwischen der PflichtensteIlung eines unbeschränkt haftenden

14 Vgl. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 2. Aufl., § 45 V 5, S. 1108; MünchKomm.lUlmer, BGB, 2. Aufi., § 727 Rz. 40. 15 Marotzke, AcP 184, 541, 556 ff. und 571 ff. Im übrigen kann der Testamentsvollstrecker auch das Eintrittsrecht nicht ausüben, da es dem Erblasser zu Lebzeiten nicht zustand und deshalb nicht in den Nachlaß fallt, vgl. Richardi, S. 82 f; Weiler, DNotZ 1952,283,289; aA Hilfner, S. 137 ff.

16 BGHZ 68,225,230; Schilling in Großkomm. HGB, 4. Aufl., § 177 Rz. 6; Schlegelberger/K. Schmidt, HGB, 5. Aufl., § 177 Rz. 9. Freilich kann der Gesellschaftsvertrag auch etwas anderes bestimmen. 17 So die h.M., vgl. BGHZ 22, 186, 191; BGHZ 68, 225, 229; MünchKomm.lUlmer, BGB, 2. Aufl., § 727 Rz. 21; aA K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 2. Aufl., § 45 V 3, S. 1100 f

18 BGHZ 68, 225, 231; Ulmer in Großkomm. HGB, 3. Aufl., § 139 Anm. 51; Schlegelberger/K. Schmidt, HGB, 5. Aufl., § 139 Rz. 21; SoergeliHadding, BGB, 11. Aufl., § 727 Rz. 24; aA Flume, AT BGB 111, § 18 11 2, S. 378 ff.; ders., FS Schilling, 23, 30 ff.; Brox, Erbrecht, 13. Aufl., Rz. 754. Sie qualifIZieren die Nachfolgeklausel als Vertrag zugunsten Dritter auf den Todesfall und somit als Rechtsgeschäft unter Lebenden. 19 Dabei geht die Mitgliedschaft nach heute ganz h.M. in ihrer Gesamtheit, einschließlich aller Mitverwaltungsrechte auf den Erben über, vgl. Siebert, Gesellschaftsvertrag und Erbrecht, 3. Aufl., S. 11; H.P. Westermann, Vertragsfreiheit, S. 362; H. Westermann, Personengesellschaften, Rz. 474; Einmahl, AcP 160 (1961), 29, 34; Richardi, S. 6; aA noch Schlicht, NJW 1954, 984, 985; Wolf, NJW 1954, 1549, 1550; neuerdings auch Hüfner, S. 96 f Nach dieser Auffassung sollten allein die vermögensrechtliche Seite der Mitgliedschaft auf erbrechtlichem Wege auf den Erben übergehen, die Mitverwaltungsrechte hingegen in dessen Person neu entstehen.

1. Vererblichkeit und Nachlaßzugehörigkeit

23

Gesellschafters und der Ausschlagung der gesamten Erbschaft20 entscheiden

zu müssen, eröffnet ihm § 139 I, III HGB binnen einer Frist von drei Monaten die Möglichkeit, sein Verbleiben in der Gesellschaft davon abhängig zu ma-

chen, daß ihm die Stellung eines Kommanditisten eingeräumt wird. Nehmen die übrigen Gesellschafter einen dahingehenden Antrag des Erben an, kann dieser nach § 139 IV HGB auch seine Haftung für die Altverbindlichkeiten der Gesellschaft auf den Nachlaß beschränken. Wird der Antrag des Erben auf Umwandlung der Gesellschaftsbeteiligung hingegen abgelehnt, kann er nach § 139 11 HGB ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist sein Ausscheiden aus der Gesellschaft erklären21 , ebenfalls mit der Möglichkeit, seine Haftung für bestehende Gesellschaftsverbindlichkeiten auf den Nachlaß zu beschränken. Will der Erbe unbeschränkt haftender Gesellschafter bleiben, wird ihm sowohl für Alt- wie Neuverbindlichkeiten der Gesellschaft die erbrechtliche Haftungsbeschränkung verwehrt22 . (1) Einfache Nachfolgeklausel

Von einer einfachen Nachfolgeklausel spricht man, wenn der Erbe bzw. bei Erbenmehrheit alle Erben des verstorbenen Gesellschafters in dessen GesellschaftersteIlung einrücken sollen. Ist nur ein Erbe vorhanden, so geht die Mitgliedschaft ohne weiteres auf ihn über. Besonderheiten ergeben sich aber, wenn der verstorbene Gesellschafter mehrere Erben hinterläßt. Sie bilden nach § 2032 BGB eine Erbengemeinschaft. Die aber kann nach h.M.23 nicht Mitglied einer Personengesellschaft sein. Der Grund hierfür ist zum einen im haftungsrechtlichen Bereich zu suchen, denn die beschränkbare Erbenhaftung aus § 2059 BGB läßt sich nicht mit der unbeschränkten Haftung eines unbeschränkt haftenden Gesellschafters vereinbaren. Zum anderen ist eine Erbengemeinschaft als erzwungener Zusammenschluß nur schwer lenkbar. Wenn20 Eine Ausschlagung nur einzelner Erbschaftsgegenstände ist nach § 1950 BGB nicht möglich. 21 Die Rechte aus § 139 HGB gelangen erst mit dem Erbfall in der Person des Gesellschafter-

Erben zur Entstehung. Sie fallen nicht in den Nachlaß und unterliegen deshalb auch nicht der Verwaltungsbefugnis eines Testamentsvollstreckers, vgl. RGZ 170, 392, 395; Ulmer in Großkomm. HGB, 3. Aufl., § 139 Anm. 81; BaumbachIDudenIHopr, HGB, 28. Aufl., § 139 Anm. 4 E;A. Hueck, OHG, 4. Aufl., § 28 1I 5, S. 416; Wiedemann, Übertragung, S. 321; Richardi, S. 73; zweifelnd Rieper, S. 128; a.A noch Bondi, ZBlHR 1926,308,320. 22 Ulmer in Großkomm. HGB, 3. Aufl., § 139 Anm. 151; SraudingerlMarorzke, BGB, 12. Aufl., § 1967 Rz. 61; a.A hinsichtlich der Altverbindlichkeiten: Liebisch, ZHR 116 (1954),128,153 ff.

23 So bereits RGZ 16,40,56 zu Art. 123 1I ADHGB; vgl. ferner BGHZ 22, 186, 192; BGHZ 68, 225,237; Sieberr, Gesellschaftsvertrag und Erbrecht, 3. Aufl., S. 21; Liebisch, ZHR 116 (1954), 129, 133 ff.; Wiedemann, Übertragung, S. 196 ff.; K. Schmidr, Gesellschaftsrecht, 2. Aufl., § 45 V 3 a, S. llOI f.; a.A fiir die Gesellschaft bürgerlichen Rechts: F7ume, BGB AT lIl, § 18 1II3, S. 395 f.

§ 3. Erbrechtliche und gesellschaftsrechtliche Bedenken

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gleich das Gesetz in den §§ 2038 ff. BGB der Erbengemeinschaft ein gewisses Maß an Handlungsfahigkeit verleiht, fallt ihr eine Willensbildung und -betätigung naturgemäß doch recht schwer. Als Mitglied einer "persönlichkeitsbezogenen Arbeits- und Haftungsgemeinschaft"24, wie Personengesellschaften es in aller Regel sind, ist die Erbengemeinschaft daher untauglich. Aus diesem Grunde vollzieht sich die Vererbung des Anteils an einer Personengesellschaft bei Vorhandensein mehrerer Erben in Abweichung vom Grundsatz der Universal sukzession im Wege der Sondererbfolge25 . Der Anteil geht außerhalb des gesamthänderisch gebundenen Nachlasses unmittelbar und geteilt der jeweiligen Erbquote entsprechend auf die Erben über. Die ursprünglich nur für Anteile unbeschränkt haftender Personengesellschafter geschaffene Sondererbfolge wurde später auch auf die Vererbung einer Kommanditbeteiligung übertragen, um eine einheitliche Behandlung aller Personengesellschaften zu gewährleisten26 . (2) Qualifizierte Nachfolgeklausel

Hinterläßt der Erblasser mehrere Erben, sollen aber nicht alle, sondern nur einer oder einzelne die Nachfolge in der Gesellschaft antreten, spricht man von einer qualifizierten Nachfolgeklausel. Auch hier vollzieht sich der Übergang des Gesellschaftsanteils im Wege der Sondererbfolge. In den Einzelheiten aber bereitet die qualifizierte Nachfolgeklausel nicht unerhebliche Schwierigkeiten. Fraglich ist zunächst, ob der gesamte Gesellschaftsanteil des Erblassers oder nur ein der Erbquote entsprechender Teil auf den oder die als Nachfolger benannten Erben übergehen soll. Der Bundesgerichtshof27 vertrat insoweit anfangs die Auffassung, jener Miterbe, der als Nachfolger des verstorbenen Gesellschafters vorgesehen sei, erhalte nur einen seiner Erbquote entsprechenden Teil der Gesellschaftsbeteiligung, im übrigen wachse diese nach allgemeinen Regeln den übrigen Gesellschaftern an. Die nicht zur Nachfolge in die Gesellschafterstellung zugelassenen Miterben sollten zur gesamten Hand einen Abfindungsanspruch gegen die Gesellschaft erhalten. Die Kritik an dieser Konstruktion ließ nicht lange auf sich warten 28 , und der Bundesge24 RG DR 1943, 1224; BGHZ 22, 186, 192; BGH WM 1981, 140, 141. 25 Vgl. die Nachweise in Fn. 23. Eine Sondererbfolge kennt das Gesetz nur ganz ausnahmsweise,

so etwa im Höfe- und Heimstättenrecht, vgl. LangeiKuchinke, Erbrecht, 3. Aufl., § 5 III 2 b, S. 72.

26 Vgl. RGZ 171,328,330 f; BGHZ 58, 316, 317; A. Hueck, ZHR 125 (1963), 1,6; kritisch neuerdings Ulmer, NJW 1990,73,75. 27 BGHZ 22, 186, 194.

28

Vgl. Siebert, Gesellschaftsvertrag und Erbrecht, 3. Aufl., S. 44 f; Wiedemann, Übertragung, S. 193 ff.; Ulmer, ZGR 1972, 195,211.

1. Vererblichkeit und Nachlaßzugehörigkeit

25

richtshof nahm die nächste sich bietende Möglichkeit zum Anlaß, seine Entscheidung zu korrigieren29 . Nunmehr soll derjenige Erbe, der die gesellschaftliche Nachfolge des Erblassers antritt, dessen Anteil unmittelbar und in vollem Umfang erwerben. Freilich darf dieser Erbe auf diesem Wege nicht mehr erhalten, als ihm aufgrund seiner Erbquote zusteht3o . Deshalb ist eine etwaige Differenz zwischen dem Wert der Gesellschaftsbeteiligung und dem Wert seiner Erbquote am Gesamtnachlaß im Verhältnis zu den weichenden Miterben auszugleichen; sie haben in einem solchen Fall gegen den in die Gesellschaft eingetretenen Erben einen schuldrechtIichen Ausgleichsanpruch, gerichtet auf Zahlung einer entsprechenden Geldsumme 31 . b) Nachlaßzugehörigkeit des vererbten Personengesellschaftsanteils

Sieht der Gesellschaftsvertrag eine Nachfolgeklausel vor, so wird nach den bisherigen Ausführungen der Gesellschaftsanteil eines verstorbenen Gesellschafters auf erbrechtIichem Wege auf den oder die Erben übertragen. Damit steht der erforderliche Anknüpfungspunkt für die Anwendung erbrechtIicher Regeln und somit für das Institut der Testamentsvollstreckung zur Verfügung. Infolge der auf den Nachlaß beschränkten Rechtsrnacht des Testamentsvollstreckers ist aber desweiteren nach der Nachlaßzugehörigkeit des vererbten Gesellschaftsanteils zu fragen. Diese Fragestellung mag auf den ersten Blick überraschen, gehört der Gesellschaftsanteil doch zum hinterlassenen Vermögen des Erblassers und folglich zur Erbschaft. Dennoch erfreut sich das Problem der Nachlaßzugehörigkeit vererbter Personengesellschaftsanteile einer lebhaften Erörterung im Schrifttum32 und vermochte sogar den 11. Zivilsenat33 29 BOHZ 68,225,237 f. 30 BOHZ 22, 186, 197; BOHZ 68, 225, 238; Wiedemann, Übertragung, S. 210 f; ders. JZ 1977, 689,691. 31 Fraglich ist allein, aus welchen Nonnen der Anspruch herzuleiten ist. Wohl herrschend ist die Auffassung, es seien die §§ 2050 ff. BOB - mit Ausnahme des § 2056 BGB - anzuwenden, vgl. Brox, Erbrecht, 13. Aufl., Rz. 761; F1ume, BOB AT 111, § 18 VI 2, S. 405 ff.; H. Westermann, Personengesellschaften, Rz. 542; Säcker, Oesellschaftsvertragliche und erbrechtliche Nachfolge in Gesarnthandsmitgliedschaften, S. 94 ff.; PalandtlEdenhofer, BOB, 52. Aufl., § 2050 Rz. 19 mwN. 32 Vgl. aus der neueren Literatur: Ulmer, FS Schilling, 79 ff.; ders., ZHR 146 (1982), 555, 558 ff.; ders, NJW 1984, 1496 ff.; Koch, BB 1987,2106 ff.; Marotzke, AcP 187 (1987), 223 ff.; Esch, NJW 1984, 339 ff.; Stodolkowski, FS Kellermann, 439 ff.; F1ume, NJW 1988, 161 ff.; ders., FS MüllerFreienfels, 113 ff.; ders. ZHR 155 (1991), 501 ff.; Raddatz, Die Nachlaßzugehörigkeit vererbter Personengesellschaftsanteile, 1991. 33 Der rur das Gesellschaftsrecht zuständige 11. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes verneinte lange Zeit die Nachlaßzugehörigkeit vererbter Personengesellschaftsanteile, vgl. BOHZ 47, 293, 295 ff.; BOHZ 91, 132, 135 ff.; BOH NJW 1981, 749, 750; NJW 1985, 1953, 1954; BOH JZ 1987, 880; anders aber zuletzt in BOHZ 108, 187, 191 ff.

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§ 3. Erbrechtliche und gesellschaftsrechtliche Bedenken

und den IVa-Zivilsenat34 des Bundesgerichtshofes in seiner Rechtsprechung zu entzweien. Schon das Reichsgericht35 verneinte die Nachlaßzugehörigkeit vererbter Personengesellschaftsanteile, weil sich die Rechtsstellung des GesellschafterErben in der Gesellschaft inhaltlich nicht nach Erbrecht, sondern nach Gesellschaftsrecht richte und ihn zudem eine über den Nachlaß hinaus greifende GeseIlschafterhaftung treffe; auch unterliege er als Gesellschafter einer Bindung persönlicher Art. Überzeugen konnte das Reichsgericht mit dieser Begründung freilich nicht 36 . Einmal sieht das Gesetz in § 139 I HGB die Möglichkeit der Vererbung von Personengesellschaftsanteilen ausdrücklich vor und bietet daher in § 139 III HGB dem Erben haftungsrechtlich einen hinreichenden Schutz37 . Zum anderen leitet das Erbrecht vererbliche Rechtspositionen stets über, ohne daran interessiert zu sein, nach welchen Vorschriften sich der Inhalt dieser Rechtspositionen richtet38 . Ebensowenig konnte Liebisch39 mit seiner Theorie Anhänger finden. Er qualifizierte die Beteiligung in einer Personengesellschaft aufgrund ihres personenrechtlichen Gehalts als ein Sondergut, das zwar grundsätzlich vererbt werden könne, aber nicht mit dem übrigen Vermögen eines Gesellschafters auf einer Stufe stehe und deshalb auch im Falle seines Todes nicht dem Nachlaß zugeordnet werden könne. Ihm war entgegenzuhalten, daß die deutsche Rechtsordnung zwar das Sondervermögen, nicht aber das "Sondergut" als einheitliches Rechtsinstitut kennt40. In den Mittelpunkt der Diskussion um die Nachlaßzugehörigkeit vererbter Personengesellschaftsanteile ist heute vielmehr die sogenannte Abspaltungsthese gerückt. 34 Der rur das Erbrecht zuständige IVa-Zivilsenat sprach sich stets rur die Nachlaßzugehörigkeit aus, vgl. BGH NJW 1983,2376; BGHZ 98, 48,51; auch BGHZ 109,214,216 ff.

35 RGZ 170, 392, 394; RGZ 172, 199,203 f.; RG, DR 1943, 1228, 1229. 36 Vgl. nur Siebert, FS A Hueck, 321, 325 f.; Richardi, S. 10 f.; Weiler, DNotZ 1952, 283, 287 f.; Marolzke, JZ 1986,457,458. 37 Vgl. Siebert, FS A Hueck, 321, 325 f.; dazu auch Weiler, DNotZ, 1952,283,294 f.

38 Vgl. Marolzke, JZ 1986,457,458. Wird etwa das Eigentum an einem Grundstück vererbt, so richten sich die Eigentumsrechte des Erben nach Sachenrecht, ohne daß das Grundstück deshalb aus dern Nachlaß auszugliedern wäre. 39 Liebisch, ZHR 116 (1954), 129, 133 ff., 137. 40 Vgl. Wiedemann, Übertragung, S. 160 f.; Säcker, Gesellschaftsverragliche und erbrechtliche Nachfolge in Gesamthandsmitgliedscha1ten, S. 78 ff.; Ulmer, FS Schilling, 79, 81; gegen Liebisch auch Richardi, S. 11 f.

I. Vererblichkeit und Nachlaßzugehörigkeit

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aa) Abspaltungsthese - Vererbung des Gesellschaftsanteils am Nachlaß vorbei Ausgangspunkt der sogenannten Abspaltungsthese ist nach herkömmlichem Verständnis die Anerkennung der Sondererbfolge in Personengesellschaftsanteile. Sie sei dafür verantwortlich, daß die Gesellschaftsbeteiligung zwar zur Erbschaft, nicht aber zum Sondervermögen "Nachlaß" gehöre. Vielmehr unterliege die Gesellschaftsbeteiligung wegen der Unfähigkeit einer Erbengemeinschaft, Gesellschafter in einer Personengesellschaft zu sein, zu keinem Zeitpunkt der gesamthänderischen Bindung nach § 2032 BGB, sondern werde "am Nachlaß vorbei" dem Gesellschafter-Erben persönlich zugeordner t . Die dergestalt erfolgte Zuordnung des Gesellschaftsanteils zum Privatvermögen des Gesellschafter-Erben sei zudem endgültig, sie werde nicht "nachträglich in bestimmten erbrechtlich bedeutsamen Fällen wieder aufgehoben", um etwa eine Nachlaßverwaltung, einen Nachlaßkonkurs oder eine Testamentsvollstreckung zu ermöglichen42 . Diese Zuordnung des vererbten Gesellschaftsanteils zum Privatvermögen des Gesellschafter-Erben soll nun aber nicht nur im Falle einer Erbenmehrheit gelten, sondern aus "systematischen Gründen"43 auch für den Fall, daß der Erblasser von einem Alleinerben beerbt wird44. Zwar verschmelze bei einer Alleinerbschaft mit dem Erbfall grundsätzlich das Privatvermögen des Erben mit dem Nachlaß. Die Anodnung einer Testamentsvollstreckung verhindere das aber, und auch die Anordnung der Nachlaßverwaltung, des Nachlaßkonkurses oder des Nachlaßvergleichs führe wieder zu einer rückwirkenden Trennung von Nachlaß und Privatvermögen des Erben. Stelle man nun die Frage, welcher der beiden Vermögensmassen der vererbte Gesellschaftsanteil zuzuordnen sei, so könne dies wiederum nur das Privatvermögen des Gesellschafter-Erben sein, weil nur auf diese Weise dem persönlichen Charakter der Mitgliedschaft Rechnung getragen werde45 .

4t BGHZ 91, 132, 135; BGH NJW 1981,749,750; Ulmer, NJW 1984, 1496, 1499; ders., ZHR 146 (1982), 555, 561; auch BayObLG, WM 1983, 1092; OLG Frankfurt, NJW 1983, 1806; Koch, BB 1987, 2106, 2109 ff.; ders., NJW 1983, 1762, 1763. 42 BGHZ 91,132,135. 43 Ulmer, NJW 1984, 1496, 1498.

44 Vgl. BGHZ 91, 132, 137; Ulmer, FS Schilling, 79, 90 ff.; ders., NJW 1984, 1496, 1498. 45 U/mer, FS Schilling, 79, 90 ff. Er spricht in Abgrenzung zur Sondererbfolge bei einer Erbenmehrheit hier von einer Sonderzuordnung.

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§ 3. Erbrechtliche und gesellschaftsrechtliche Bedenken

Wird nun dergestalt die Nachlaßzugehörigkeit vererbter Personengesellschaftsanteile verneint, fragt man fast zwangsläufig nach den Rechten der am Nachlaß beteiligten Personen. Zu denken ist hierbei an die Pflichtteilsberechtigten oder an die im Falle einer qualifizierten Nachfolgeklausel weichenden und daher ausgleichungsberechtigten Miterben, ganz besonders aber interessiert die rechtliche Stellung der Nachlaßgläubiger. Nicht selten wird die GeseIlschaftsbeteiligung einen wesentlichen Bestandteil des Vermögens des Erblassers bilden. Die Nachlaßgläubiger, die zu Lebzeiten des Erblassers auf dessen gesamtes Vermögen Zugriff nehmen konnten, haben deshalb ein gesteigertes Interesse daran, daß ihnen das Vermögen des Erblassers auch nach dessen Tod unvermindert zur Verfügung steht. Das wird besonders verständlich, wenn der Erbe sich des Zugriffs der Nachlaßgläubiger auf sein Privatvermögen entziehen will und von der Möglichkeit Gebrauch macht, seine Haftung für die Verbindlichkeiten des Erblassers auf den Nachlaß zu beschränken. Einzig der Nachlaß kann den Nachlaßgläubigern dann noch zur Befriedigung ihrer Forderungen dienen. Den Interessen der Nachlaßgläubiger stehen auf der anderen Seite jene der Eigengläubiger des Erben gegenüber. Sie werden zwar jeden Vermögenszuwachs bei ihrem Schuldner willkommen heißen, sind aber nicht in gleichem Maße schutzbedürftig wie die Nachlaßgläubiger, weil ihnen auch vor dem Erbfall nur das Eigenvermögen des Erben zur Verfügung stand. Nach allgemeinem Verständnis kommt deshalb dem Nachlaß die Funktion eines Haftungsobjekts zu, aus dem sich die Nachlaßgläubiger mit Vorrang vor den Eigengläubigern des Erben befriedigen können46 . Um das sorgfaltig abgestimmte erbrechtliche Haftungssystem nicht aus den Fugen geraten zu lassen und den Nachlaß nicht seiner Funktion als Haftungsobjekt zu berauben, hat man Lösungen ersonnen, den unliebsamen haftungsrechtlichen Folgen einer Ausgliederung des Gesellschaftsanteils aus dem Nachlaß zu begegnen. So wurde etwa versucht, dem Nachlaß über eine analoge Anwendung des § 1978 11 BGB ausgleichend für den entgangenen Gesellschaftsanteil einen Ersatzanspruch gegen den Gesellschafter-Erben zukommen zu lassen47 . Mittels dieser nur sehr schwer nachvollziehbaren Analogie48 sollte dem Nachlaß, wenn schon nicht der Gesellschaftsanteil als solcher, so doch zumindest der Anteilswert zugeordnet werden; den Nachlaßgläubigern sollte

46 Vgl. BGHZ 98, 48, 54; LangelKuchinke, Erbrecht, 3. Aufl., § 48 I 2, S. 936; KipplCoing, Erbrecht, 14. Aufl., § 9212, S. 518; Brox, Erbrecht, 13. Aufl., Rz. 613 ff. 47 Vgl. HP. Westermann, JuS 1979, 761, 769; H Westermann, Personengesellschaften, Rz. 526, jeweils fiir den Fall der Erbenrnehrheit; dem Gedanken nach zunächst auch Ulmer, ZGR 1972, 324, 328 ff.; ders., FS Schilling, 79, 87 ff. 48 Vgl. HP. Westermann, JuS 1979,761,769: "an den Haaren herbeigezogen".

I. Vererblichkeit und Nachlaßzugehörigkeit

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dann über die Vorschrift des § 135 HGB nach Pfandung des Wertanspruchs der Zugriff auf den Gesellschaftsanteil offen stehen49 . Der Nachteil einer derartigen Lösung liegt darin, im Falle einer Haftungsbeschränkung des Gesellschafter-Erben auf den Nachlaß den Nachlaßgläubigern nicht den vorrangigen Zugriff vor den Eigengläubigern des Gesellschafter-Erben gewähren zu können, weil diesen trotz der mit einer erbrechtlichen Haftungsbeschränkung verbundenen Nachlaßsonderung der Zugriff auf den endgültig dem Privatvermögen des Erben zugeordneten Gesellschaftsanteils nach § 135 HGB möglich bliebe5o . Als Ausweg aus dieser Situation wurde schließlich eine Konstruktion vorgeschlagen, der die Abspaltungsthese ihren Namen verdankt. Nach einer bereits von Flechtheim51 vertretenen und namentlich von Ulmer52 fortentwickelten Auffassung, der sich zunächst auch der für das Gesellschaftsrecht zuständige 11. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes53 und ein Teil der Literatur54 anschlossen, soll dem Nachlaß nicht nur ein Anspruch auf Ersatz des Anteilswertes zugebilligt werden, sondern es sollen die den Anteilswert verkörpernden (künftigen) Ansprüche auf das Auseinandersetzungsguthaben bzw. auf Abfindung bei vorzeitigem Ausscheiden aus der Gesellschaft, und in gewissen Grenzen auch die Gewinnansprüche55 von der übrigen Mitgliedschaft abgetrennt und dem gesamthänderisch gebundenen Nachlaß zugeordnet werden. Diese vermögensrechtlichen Ansprüche seien nach § 717 S. 2 BGB frei übertragbar, heißt es, und deshalb stehe ihrer Nachlaßzugehörigkeit aus gesellschaftsrechtlicher Sicht nichts entgegen56 . Um nun auf den Anteilswert auch tatsächlich zugreifen zu können, stehe den Nachlaßgläubigern, aber auch dem 49 Abweichend H. Westermann, Personengesellschaften, Rz. 526. Er will dem Nachlaß einen Anspruch auf Rückgewähr des Gesellschaftsanteils geben und die Zwangsvollstreckung direkt in den Gesellschaftsanteil zulassen; dagegen Ulmer, FS Schilling, 79, 89. 50 Ulmer, FS Schilling, 79, 89. 51 DüringerlHachenburglF7echtheim, HGB, 3. Aufl, § 139 Anm. 12, 15; vgl. auch A. Hueck, OHG, 4. AufI., § 28 II 2 b, S. 411 in Fn. 25. 52 Ulmer, FS Schilling, 79, 80 ff.; ders., BB 1977, 805, 807; ders., NJW 1984, 1496, 1500 ff.; ders., JuS 1986,856, 859 ff.; ders., JZ 1987, 881 ff.; ders., in: MünchKornm., BGB, 2. AufI., § 727 Rz. 27 a; ders., in: Großkomm. HGB, 3. AufI., § 139 Rz. 55.

53 BGHZ 91, 132, 135 ff.; BGH NJW 1981,749,750; BGH NJW 1985, 1953, 1954; JZ 1987, 880; vgl. auch OLG Frankfurt, NJW 1983, 1806. 54 Staudinger/KeßLer, BGB, 12. AufI., § 727 Rz. 28; SoergellHadding, BGB, 11. AufI., § 727 Rz. 44; Koch, NJW 1983, 1762 ff.; ders., BB 1987,2106 ff. 55 ULmer, JuS 1986,856,860. 56 ULmer, FS Schilling, 78, 90; ders., NJW 1984, 1496, 1500.

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§ 3. Erbrechtliche und gesellschaftsrechtliche Bedenken

Testamentsvollstrecker oder dem Nachlaßvenvalter die Vorschrift des § 135 HGB analog zur Verfügung. Durch Pfändung des Anspruchs auf das Auseinandersetzungsguthaben und anschließende Kündigung der Gesellschaft könne Befriedigung aus dem Anteilswert erlangt werden 57 . Auf diese Weise sei der Vorrang der Nachlaßgläubiger vor den Eigengläubigem des GesellschafterErben gewährleistet, weil durch die Wirkung der separatio bonorum58 den Eigengläubigem der Zugriff auf den im Nachlaß befindlichen Anteilswert verwehrt sei59 . Freilich sahen sich die Vertreter der Abspaltungslehre unter dem Gesichtspunkt des Schutzes nachlaßbeteiligter Dritter alsbald verschiedenen Bedenken ausgesetzt, die ihre Ursache vornehmlich in der endgültigen Zuordnung des Anteils zum Privatvermögen des Gesellschafter-Erben hatten. So wurde etwa darauf hingewiesen, daß den Gläubigem eines Gesellschafters grundsätzlich nicht nur eine Pfändung des künftigen Anspruchs auf das Auseinandersetzungsguthaben, sondern daneben auch eine Pfändung der Gesellschaftsbeteiligung selbst möglich sei 6o . Weil aber nach übenviegender Auffassung eine Pfändung der Gesellschaftsbeteiligung einer zuvor erfolgten Abtretung des nur künftigen Anspruchs auf das Auseinandersetzungsguthaben - und damit auch der Abspaltung desselben zugunsten des gesamthänderisch gebundenen Nachlasses - vorgehe61 , sei die Position der Nachlaßgläubiger nicht hinreichend gesichert62 . Gleiches gelte für den Fall, daß der Gesellschafter-Erbe von seiner Verfügungsbefugnis über den Gesellschaftsanteil, die ihm aufgrund dessen endgültiger Zuordnung zum Privatvermögen ja stets verbleibe, Gebrauch mache und ihn einschließlich der Vermögensrechte veräußere63 . Auch dann werde eine Vorausabtretung des Auseinandersetzungsanspruchs gegenstandslos, weil der nur künftige Anspruch mit der Veräußerung des Gesellschaftsan-

57 Ulmer, NJW 1984, 1496, 1500; ders., JuS 1986,856,860; ders., FS Schilling, 79, 97 ff. Gegen eine analoge Anwendung des § 135 HGB fiir die Nachlaßgläubiger insbesondere Stodolkowski, FS Kellennann, 439, 445 f. 58 Sie bezeichnet die Trennung des Nachlasses vom Privatvermögen des Erben. 59 Nur noch ergänzend will Ulmer, FS Schilling, 79, 101, einen Wertanspruch des Nachlasses analog § 1978 BGB heranziehen, wenn das tatsächliche Auseinandersetzungsguthaben hinter dem Wert des Gesellschaftsanteils im Zeitpunkt des Erbfalles zurückbleibt. 60 Vgl. dazu BGH WM 1972,81,82; Wiedemann, Übertragung, S. 425; Huber, Vermögensanteil, S.143.

61 Vgl. BGHZ 104,351,351 (filr die GmbH); Wiedemann, Übertragung, S. 286; F1ume, BGB AT 111, § 17 III, S. 354 f.

62 Stodolkowski, FS Kellermann, 439, 444. 63 F1ume, FS Müller-Freienfels, 113, 122; ders., NJW 1988, 161, 162; Bommert, BB 1984, 178, 181; Stodolkowski, FS Kellennann, 439, 444 f. und 446 f.

I. Vererblichkeit und Nachlaßzugehörigkeit

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teils in der Person des Veräußerers nicht mehr zur Entstehung gelangen könne64 . Die Vertreter der Abspaltungsthese wußten allerdings auch darauf eine Antwort. Es sei zwar richtig, daß sowohl im Falle einer Pfandung als auch im Falle der Veräußerung des Anteils eine vorangegangene Abtretung des Auseinandersetzungsanspruchs hinfallig werde. In der mit der Vererbung von Personengesellschaftsanteilen verbundenen Abspaltung der Vermögensrechte von der übrigen Mitgliedschaft sei aber überhaupt keine Abtretung zu erblicken. Vielmehr werde der Gesellschaftsanteil bereits mit der Vererbung seiner Vermögensrechte vorbehaltlich des auf den Gesellschafter-Erben persönlich entfallenden Gewinnanteils "entkleidet". Der Gesellschafter-Erbe habe diese Ansprüche also nie erlangt, und deshalb seien sie weder für die Eigengläubiger des Gesellschafter-Erben durch eine Pfandung verwertbar noch könne darüber verfügt werden65 . Letztlich stellen die Vertreter der Abspaltungsthese damit ein zwar gekünstelt wirkendes66 , aber doch in sich geschlossenes Konzept zur Verfügung. Nachteilig wirkt sich lediglich die Tatsache aus, daß bereits die fehlende Nachlaßzugehörigkeit des vererbten Gesellschaftsanteils eine Testamentsvollstreckung oder Nachlaßverwaltung daran ausschließt. bb) Nachlaßzugehörigkeit des Gesellschaftsanteils trotz Sondererbfolge In der Literatur bildete sich alsbald eine breite Front gegen die Ausgliederung der ihrer Vermögensrechte "entkleideten" Gesellschaftsbeteiligung aus dem Nachlaß67 Unterstützt wurden die Literaturstimmen durch den für das Erbrecht zuständige IVa-Zivilsenat des Bundesgerichtshofes68 . Sie haben 64 vgl. dazu BGHZ 88, 205, 296 f. 65 BGH NJW 1985, 1953, 1954; BGH JZ 1987, 880; Ulmer, NJW 1984, 1456, 1501 f.; ders., JuS 1986, 856, 860. 66

Das räumt auch Ulmer, NJW 1984, 1456, 1501, ein.

67 Vgl. Schilling in Großkomrn. HGB, 4. Aufl., § 177 Rz. 12; F7ume, ZHR 155 (1991), 501, 509 ff.; ders., NJW 1988, 161 ff.; ders., FS Müller-Freienfels, 113, 119 ff.; Marotzke, AcP 187 (1987), 223, 225 ff.; ders., JZ 1986, 457, 459; Damrau, NJW 1984, 2785, 2786; Bommert, BB 1984, 178, 179 ff.; Esch, NJW 1981, 2222, 2224 f.; ders., NJW 1984, 339, 341; Müller, JR 1986, 507, 508; Schmitz, ZGR 1988, 140, 150; Eschelbach, S. 30 ff.; Friedrich, S. 84 ff.; umfassend Raddatz, Die Nachlaßzugehörigkeit vererbter Personengesellschaftsanteile, 1991. 68 BGH NJW 1983, 2376 (obiter dictum); BGHZ 98, 48, 53 f. Terminologisch ist diese Entscheidung allerdings etwas unglücklich, wenn zum einen die Zuordnung des Gesellschaftsanteils

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§ 3. Erbrechtliche und gesellschaftsrechtliche Bedenken

letztlich die besseren Argumente für sich, und so hat sich neuerdings auch der 11. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes für die Nachlaßzugehörigkeit vererbter Personengesellschaftsanteile ausgesprochen69 . Wer den Gesellschaftsanteil als solchen aus dem Nachlaß ausgliedern will, bedarf hierzu plausibler Grunde, denn im Grundsatz umfaßt der Nachlaß das gesamte auf den oder die Erben übergegangene Vermögen des Erblassers7o . Man sucht aber vergebens nach einer tragfahigen dogmatischen oder doch zumindest praktischen Begründung für das behauptete Fehlen der Nachlaßzugehörigkeit vererbter Personengesellschaftsanteile, oder anders formuliert, warum der Gesellschafter-Erbe "wie Peter Schlemihl ohne Schatten Gesellschafter ohne den Vermögenswert seiner Beteiligung"7! werden soll. Ein erster Ansatz führt zum Begriff des Nachlasses. Wenn der vererbte Personengesellschaftsanteil zwar unstreitig zur Erbschaft72, nicht aber zum Nachlaß gehören soll, liegt die Vermutung nahe, daß terminologisch zwischen den Begriffen "Erbschaft" und "Nachlaß" zu unterscheiden sei. Wenngleich im erbrechtlichen Schrifttum73 die Erbschaft zumeist als Gegenstand der Erbfolge aus der Sicht des Erben bezeichnet wird, während dem Nachlaß die Bedeutung eines haftenden Sondervermögens in seiner Beziehung zu Dritten beigemessen wird, so betont doch selbst Ulmer, daß allein eine begriffliche Abgrenzung die Ausgliederung des Anteils aus dem Nachlaß nicht zu erklären vermag, weil die im Gesetz vorgenommene Unterscheidung zwischen beiden Begriffen allenfalls eine tendenzielle sei 74 . Im weiteren Verlauf der Suche nach einer Begründung für die behauptete Ausgliederung vererbter Personengesellschaftsanteile aus dem Nachlaß begegzum Privatvermögen betont wird, gleichzeitig aber auch dessen Nachlaßzugehörigkeit berurwortet wird. 69 BGHZ 108, 187, 192 ff. Ulmer, NJW 1990, 73, 74 f., hat die Entscheidung - auf seinem Standpunkt beharrend - als Akt höchstrichterlicher Rechtsfortbildung qualifiziert. Lediglich rur den Fall der Testamentsvollstreckung, nicht aber rur Nachlaßverwaltung und -konkurs habe der H. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes die Nachlaßzugehörigkeit des Anteils ausgesprochen; gegen eine derartige Interpretation der Entscheidung zu Recht: F1ume, ZHR 155, 501, 513 f. 70 Vgl. LangeiKuchinke, Erbrecht, 3. Aufl., § 5 I, S. 67 f.

7! F1ume, DB 1983,2271,2272; ders., FS Müller- Freienfels, 113, 119. 72 So auch Ulmer, NJW 1984,1496,1500.

73 Vgl. etwa StaudingerlBoehmer, 11. Aufl., § 1922 Rz. 76; BartholomeyczikiSchlüter, Erbrecht, 11. Aufl., § 6 I 3, S. 31. 74 Ulmer, JuS 1986, 856, 859; ders., NJW 1984, 1496, 1498; ders., FS Schilling, 79, 85; vgl. auch BGHZ 98, 48, 53; Raddatz, S. 39 f.

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net man der Vorschrift des § 2032 BGB. Nach deren Wortlaut wird der Nachlaß im Falle einer Erbenmehrheit gemeinschaftliches Vermögen der Erben. Nun kann aber der vererbte Personengesellschaftsanteil aus bereits an anderer Stelle genannten GIiinden75 nicht der gesamthänderischen Bindung der Erben unterliegen. Er geht vielmehr im Wege der Sondererbfolge geteilt und unmittelbar auf die Erben über. Es ließe sich folglich denken, daß nur jener Teil des Nachlasses, der tatsächlich der gesamthänderischen Bindung unterliegt, auch tatsächlich als Nachlaß zu betrachten seF6. Das kann aber aus zweierlei Gründen nicht sein. Zum einen ist zu beachten, daß mitunter auch solche Erbschaftsgegenstände, die aufgrund einer Nachlaßteilung nicht mehr gesamthänderisch gebunden sind, durchaus noch als nachlaßzugehörig behandelt werden können. So kann etwa auch nach der Teilung des Nachlasses noch die Dürftigkeitseinrede aus § 1990 BGB geltend gemacht werden, wenn der Nachlaß überschuldet ist77 . Den Fall der Überschuldung des Nachlasses erfaßt auch die Vorschrift des § 216 11 KO. Sie spricht sogar wörtlich aus, daß die Eröffnung des Nachlaßkonkurses auch nach der Teilung des Nachlasses zulässig ist. Und zuletzt sind in diesem Zusammenhang auch die Vorschriften des Höfe- und Heimstättenrechts78 zu nennen, die einen gesetzlichen Fall der Sondererbfolge vorsehen, gleichwohl aber eine Ausgliederung des Hofes oder der Heimstätte aus dem Nachlaß nicht vorsehen. Den anderen Grund, weshalb die Durchbrechung des § 2032 BGB aufgrund der Sondererbfolge die fehlende Nachlaßzugehörigkeit des Anteils dogmatisch nicht zu erklären vermag, liefern die Vertreter der Abspaltungsthese selbst, denn auch im Falle der Alleinerbschaft soll der Anteil als solcher "am Nachlaß vorbei" vererbt werden 79 . Wenn das so sein soll, vermag die mit der Sondererbfolge verbundene Durchbrechung des § 2032 BGB keine hinreichende Argumentationsgrundlage für die Vertreter der Abspaltungslehre zu bieten. Vielmehr stehen die in § 2032 BGB vorgesehene gesamthänderische Bindung und der Begriff des Nachlasses in keinerlei Beziehung zueinander 8o . Nun scheint es in der Tat auch weniger das Prinzip der Sondererbfolge als solches zu sein, das zur dogmatischen Begründung der Abspaltungsthese herangezogen wird, als vielmehr die der Sondererbfolge zugrunde liegenden 75 Vgl. oben § 3 I I a bb (I). 76 In diesem Sinne wohl Koch, NJW 1983, 1762, 1763; ders. BB 1987, 2106, 2110; auch OLG Frankfurt, NJW 1983, 1806. 77 Vgl. StaudingerlMarolZke, BGB, 12. Aufl., § 1990 78 Vgl.

Rz. 45.

§§ 4 HöfeO, 31 AVO zum ReichsheirnstättenG.

79 BGHZ 91, 132, 137: Ulmer, FS Schilling, 79, 90 ff: Koch, NJW 1983, 1762, 1764.

80 BGHZ 98, 48, 53 f.; MarolZke, JZ 1986, 457, 459; RaddalZ, S. 41 ff.; F1ume, FS MüllerFreienfels, 113, 120. 3 Dörrie

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§ 3. Erbrechtliche und gesellschaftsrechtliche Bedenken

rechtlichen und praktischen Envägungen. So führt denn auch Ulmer aus, die Gesellschaft sei eine Haftungs- und Arbeitsgemeinschaft, und deshalb werde eine Zuordnung der Gesellschaftsbeteiligung zum Nachlaß deren mitgliedschaftlichem Charakter und dem aus der persönlichen Verbundenheit der Gesellschafter resultierenden, unverzichtbaren Interesse an einer persönlichen Ausübung der unübertragbaren Herrschaftsrechte durch den GesellschafterErben nicht gerecht. Seine Ausführungen münden schließlich in die prägnante Aussage, daß die Tätigkeitspflicht in der Gesellschaft nicht den Nachlaß, sondern den Erben persönlich treffe 81 . Nun wird aber wohl niemand ernstlich behaupten wollen, nicht der Erbe, sondern der Nachlaß werde Gesellschafter82 . Dazu ist der Nachlaß mangels Rechtspersönlichkeit nicht in der Lage. Im übrigen stehen aber auch die mit der Mitgliedschaft in einer Personengesellschaft verbundenen Bindungen persönlicher Art der Zugehörigkeit des vererbten Anteils zum Nachlaß keineswegs entgegen. Der Nachlaß fragt in seiner Eigenschaft als haftendes Sondervermögen zunächst überhaupt nicht nach Bindungen persönlicher Art. Wird ein Gesellschaftsanteil vererbt, sind vielmehr Erb~ schaft und Nachlaß in ihrem Umfang identisch83 . Die Bindungen persönlicher Art gewinnen erst dann an Bedeutung, wenn man auf die Funktion des Nachlasses als ein durch den Testamentsvollstrecker oder den Nachlaß(konkurs-)venvalter venvaltetes Sondervermögen abstellt84 . Einer Mitwirkung dieser Personen in einer Personengesellschaft stehen unter dem Gesichtspunkt der Höchstpersönlichkeit der Mitgliedschaft in der Tat gesellschaftsrechtliche Bedenken entgegen. Mit der Nachlaßzugehörigkeit vererbter Personengesellschaftsanteile hat das aber nichts zu tun. Es hieße das Pferd von hinten aufzäumen, wollte man die Mitwirkungsbefugnisse eines Testamentsvollstreckers oder eines Nachlaß-(konkurs-)venvalters in einer Personengesellschaft zugleich über die Nachlaßzugehörigkeit des hinterlassenen Gesellschaftsanteils entscheiden lassen. Für die Mitwirkungsbefugnisse der den Nachlaß venvaltenden Personen sind allein gesellschaftsrechtliche Envägungen maßgeblich, die Nachlaßzugehörigkeit des zu venvaltenden Anteils ergibt sich hingegen bereits aus dessen Vererblichkeit. Nach alledem zeigt sich, daß es der Abspaltungsthese schlechthin an einer dogmatischen Begründung fehlt. Die behauptete Ausgliederung des Gesellschaftsanteils aus dem Nachlaß findet im Gesetz ebensowenig eine Stütze wie 81 Ulmer, FS Schilling, 79, 91, 92. Letztlich macht er sich damit die Argumentation des Reichsgerichts aus RGZ 170, 392, 394 zu eigen. 82 Unklar insoweit allerdings OLG Hamburg, MDR 1982, 849, 850; dagegen Damrau, DNotZ 1984,660 f. 83 Vg!. LangelKuchinke, Erbrecht, 3. Aufl., § 5 I, S. 68. 84 In diesem Sinne letztlich wohl Ulmer, FS Schilling, 79, 86; ders., NJW 1984, 1494, 1498.

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die geforderte Abspaltung der Vermögensrechte aus dem Anteil zur Sicherung der Nachlaßgläubiger85 . Die Abspaltungsthese ließe sich daher als Akt der Rechtsfortbildung - denn nur ein solcher kann sie sein - allenfalls dann rechtfertigen, wenn sich mit ihr ein umfassenderer Schutz der am Nachlaß beteiligten Personen verwirklichen lassen würde. Dieser Aspekt verlangt insbesondere deshalb Beachtung, weil der Gesetzgeber die im Zusammenhang mit der Vererbung von Anteilen an Personengesellschaften auftretenden Probleme überhaupt nicht erkannt hat. Die Lücken sind durch Rechtsfortbildung zu schließen. Dabei ist aber der Tribut, den das Erbrecht bereits durch die Anerkennung der Sondererbfolge an das Gesellschaftsrecht gezollt hat, auf ein Minimum zu beschränken86 . Nun geht es vor allem darum, den Nachlaß in seiner Eigenschaft als Haftungsobjekt möglichst ungeschmälert zu erhalten, gleichwohl aber dem einzelnen Erben die Möglichkeit der erbrechtlichen Haftungsbeschränkung nicht zu nehmen. Mit Rücksicht auf diese Interessenlage könnte es durchaus gerechtfertigt sein, den Gesellschaftsanteil aus dem Nachlaß auszugliedern, wenn sich auf diese Weise interessengerechtere Ergebnisse erzielen lassen könnten87 . Letztlich weist die Abspaltungsthese allerdings auch unter diesem Gesichtspunkt keine nennenswerten Resultate auf, die bei Nachlaß zugehörigkeit des vererbten Gesellschaftsanteils nicht in gleichem Maße erreichbar sind, wenn die Regelungen des Erbrechts nur hinreichend flexibel gehandhabt werden 88 . Das gilt zunächst für den Schutz des einzelnen Miterben vor der Inanspruchnahme seines Privatvermögens seitens der Nachlaßgläubiger. Problematisch ist die Gewährung dieses Schutzes deshalb, weil die Sondererbfolge zwangsläufig zu einer Nachlaßteilung im Sinne der §§ 2059 ff. BGB führt, wenn die vererbte Gesellschaftsbeteilung den einzig bedeutenden Vermögenswert der Hinterlassenschaft des Erblassers darstellt 89 . Die Nachlaßteilung hat wiederum zur Folge, daß den Erben die besondere Einrede aus § 2059 I I BGB verloren geht und darüberhinaus nach § 2062 HS. 2 BGB die Anordnung einer Nachlaßverwaltung ausgeschlossen ist. Nun scheint es fast so, als würde der einzelne Miterbe diese Rechte allein aufgrund der Sondererbfolge verlieren.

85 F1ume, ZHR 155 (1991), 501, 508; ders., FS Müller- Freienfels, 113, 122; Hüfner, S. 91 mwN. 86 So Wiedemann, Übertragung, S. 207. 87 In diesem Sinne Ulmer, NJW 1984, 1496, 1500. 88 Eine umfassende Gegenüberstellung findet sich bei Raddatz, S. 47 Ir.; vgl. auch die Ausfiihrungen von Stodolkowski, FS Kellermann, 439, 449 ff. 89 Vgl. MünchKomm.lDülZ, BGB, 2. Aufl., § 2059 Rz. 8; H.P. Westermann, AcP 173 (1973),24, 37 ff.; Stodolkowski, FS Kellermann, 439, 452; aA StaudingerlMarotzke, BGB, 12. Aufl., § 2059 Rz. 16; Ulmer, ZGR 1972, 195, 203 in Fn. 44. Sind weitere Vermögenswerte vorhanden, tritt eine Nachteilung nicht ein, vgl. dazu Stodolkowski, FS Kellermann, 439, 450 ff.; Raddatz, S. 70 ff.

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§ 3. Erbrechtliche und gesellschaftsrechtliche Bedenken

Die Vertreter der Abspaltungsthese vermeiden diese Konsequenz, weil sie die übertragbaren Vermögensrechte von der Mitgliedschaft abspalten und aus ihnen einen gesamthänderisch gebundenen Nachlaß bilden. Lehnt man die Abspaltungsthese ab, stellt sich die Situation etwas schwieriger, aber keineswegs unlösbar dar90 . Zwar wird die Vorschrift des § 2059 I 1 BGB in der Tat keine Anwendung mehr finden können91 . Dazu besteht aber nach der Teilung des Nachlasses auch gar kein Bedürfnis mehr92 , zumal sich die Vorschrift des § 2062 BGB interessengerecht interpretieren läßt. Ihr liegt gedanklich eine Sanktionierung der Erben zugrunde, denn diese sollen dazu bewegt werden, etwaige Nachlaßverbindlichkeiten aus dem noch ungeteilten Nachlaß zu begleichen93 . Tun sie das nicht, soll ihnen auch nicht das für sie günstige Instrument der Nachlaßverwaltung zur Verfügung stehen. Geht der Anteil aber im Wege der Sondererbfolge bereits geteilt auf die Erben über, gibt es nichts zu sanktionieren. Deshalb bleibt den Erben in diesem Fall auch nach der Teilung des Nachlasses das Recht erhalten, die Nachlaßverwaltung zu beantragen94. Hinreichend geschützt sind auch die Nachlaßgläubiger. Ihnen steht der vererbte Gesellschaftsanteil auch bei einer Zuordnung zum Nachlaß zur Verfügung. Er unterliegt grundsätzlich den mit der separatio bonorum verbundenen Wirkungen. Das heißt für den Fall der Nachlaßverwaltung und der Testamentsvollstreckung, aber auch für den Nachlaßkonkurs, daß den Eigengläubigern des Gesellschafter-Erben der Zugriff auf den Gesellschaftsanteil verwehrt ist. Die Vorschriften der §§ 198411, 2214 BGB, 221 KO untersagen Zwangsvollstreckungsmaßnahmen der Eigengläubiger eines Erben in den Nachlaß. Gleichzeitig wird dem Gesellschafter-Erben nach §§ 1984 I, 2211 BGB, 6 KO die Verfügungsbefugnis über den Gesellschaftsanteil entzogen. Dabei spielt es keine Rolle, ob und inwieweit es einem Nachlaß-(konkurs-)verwalter oder Testamentsvollstrecker gestattet ist, durch Wahrnehmung von mitgliedschaftlichen Rechten auch in die inneren Angelegenheiten der Gesellschaft mitzuwirken. Es geht hier allein um die vorrangige Befriedigung der Nachlaßgläubiger,

90 Einen Überblick zu den vorgeschlagenen Lösungen geben Stodolkowsld, FS Kellermann, 439, 450 und Raddatz, S. 60 ff. 91 Vgl. MünchKomm.lDütz, BGB, 2. Aufl., § 2059 Rz. 8; Raddatz, S. 73; aA Stodolkowski, FS Kellermann, 439, 453. 92 Vgl. MünchKomm.lDütz, BGB, 2. Aufl., § 2059 Rz. 2. 93 Vgl. MünchKomm.lDütz, BGB, 2. Aufl., § 2062 Rz. 2;H.P. Westermann, AcP 173 (1973),24, 37. 94 Unklar ist allerdings, ob entgegen dem Wortlaut des § 2062 HS. 1 BGB jeder einzelne Erbe die Nachlaßverwaltung beantragen darf, befiitwortend: MünchKomm.lDütz, BGB, 2. Aufl., § 2062 Rz. 10; auch Raddatz, S. 74 ff., allerdings mit abweichendem dogmatischen Ansatz; ablehnend Stodolkowsld, FS Kellermann, 439, 452 f.

I. Vererblichkeit und Nachlaßzugehörigkeit

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und dazu bedarf es einer Mitsprache innerhalb der Gesellschaft nicht. Allerdings sollte es dem Naohlaß-(konkurs-)verwalter und dem Testamentsvollstrecker möglich sein, den Anteilswert zu liquidieren. Denkbar sind insoweit zwei Wege. Man kann ihnen einmal das ordentliche Kündigungsrecht aus § l32 HGB und die Auflösungsklage nach § l33 HGB zur Verfügung stellen, wobei der in letzterem Fall erforderliche wichtige Grund darin zu erblicken ist, daß zur Begleichung von Nachlaßverbindlichkeiten flüssige Mittel benötigt werden95 . Zum anderen kann man aber auch - oder darüberhinaus - auf eine analoge Anwendung des § l35 HGB zurückgreifen, um dem Nachlaß-(konkurs-)verwalter und dem Testamentsvollstrecker ohne vorherige Vollstrekkungsmaßnahme die Kündigung der Gesellschaft zu ermöglichen96 . Freilich sollte dann darauf geachtet werden, daß die Verwertung des Gesellschaftsanteils auch tatsächlich zur Befriedigung der Nachlaßgläubiger erforderlich ist97 . Zuletzt bietet die Abspaltungsthese auch hinsichtlich der mit einer qualifizierten Nachfolge verbundenen Probleme keine zwingenden Vorteile. Wenn Ulmer98 darauf hinweist, daß die Abspaltung der Vermögens rechte von dem Gesellschaftsanteil und deren gesamthänderische Bindung durch die Erbengemeinschaft auch etwaige Ausgleichsansprüche der nicht zur Nachfolge in die Gesellschaft berufenen Erben gegen die Gesellschafter gewordenen Erben99 dinglich sichere, so ist das zwar eine durchaus positive, aber keineswegs rechtlich gebotene Nebenfolge der Abspaltungsthese. Etwaige Ausgleichsansprüche der weichenden Miterben sind schuldrechtlicher Natur und auf Zahlung eines entsprechenden Geldbetrages gerichtet. Ein Vergleich mit den ebenfalls schuldrechtlichen Ansprüchen der Pflichtteilsberechtigten aber zeigt, daß solche Ansprüche aus erbrechtlicher Sicht keineswegs dinglich gesichert sein müssen 100. Im Ergebnis sprechen damit weder dogmatische noch praktische Erwägungen für eine Ausgliederung des vererbten Personengesellschaftsan-

95 So F1ume, ZHR 155 (1991), 501, 510 f; ders., FS Müller-Freienfels, 113, 123 f; a.A StaudingerlMarotzke, BGB, 12. Aufl., § 1985 Rz. 20 (rur die Nachlaßverwaltung).

96 Stodolkowski, FS Kellermann, 439, 455; H.P. Westermann, AcP 173 (1973),24, 41 f; Ulmer, FS Schilling, 79, 97 ff.; ferner BGHZ 91, 132, 137 (rur den Nachlaßkonkurs); Wiedemann, Übertragung, S. 340 (rur die Testamentsvollstreckung); BaumbachIDudenIHopt, HGB, 28. Aufl., § 135 Anrn. 1 B (rur die Nachlaßverwaltung); a.A A. Hueck, OHG, 4. Aufl., § 28 II 5, S. 419 in Fn. 60; StaudingerlMarotzke, BGB, 12. Aufl., § 1985 Rz. 21 (jeweils rur die Nachlaßverwaitung). 97 Anderenfalls kommt eine Schadensersatzpflicht des Testamentsvollstreckers (§§ 2219, 2216 BGB) oder des Nachlaßverwalters (vgl. §§ 1975, 1915 I, 1833 BGB) in Betracht.

98 Ulmer, FS Schilling, 79, 100. 99 Vgl. dazu oben § 3 I I a bb (2). 100 Vgl. Stodolkowski, FS Kellermann, 439, 446 ff, 456 f

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§ 3. Erbrechtliche und gesellschaftsrechtliche Bedenken

teils aus dem Nachlaß. Vielmehr kann der Anteil aus erbrechtlicher Sicht grundsätzlich auch der Verwaltung eines Testamentsvollstreckers unterstellt werden, soweit dem nicht gesellschaftsrechtliche Erwägungen entgegen stehen. 2. GmbH

Ungleich einfacher als im Recht der Personengesellschaften ist die Frage der Vererblichkeit und Nachlaßzugehörigkeit von Geschäftsanteilen an einer GmbH zu beantworten. Das Gesetz spricht in § 15 I GmbHG die Vererblichkeit des Geschäftsanteils ausdrücklich aus, und sie kann nach h.M.lol auch nicht aufgrund einer entsprechenden Satzungsbestimmung ausgeschlossen werden. Der Übergang auf den Erben erfolgt ausschließlich auf erbrechtlichem Wege. Dabei geht die Mitgliedschaft des Erblassers, vorbehaltlich höchstpersönlicher Sonderrechte und Nebenleistungspflichten, grundsätzlich in ihrer Gesamtheit mit allen dazugehörigen Rechten und Pflichten auf den Erben über l02 . Hinterläßt der Erblasser mehrere Erben, fällt ihnen wegen § 18 GmbHG der Geschäftsanteil in ihrer Eigenschaft als Erbengemeinschaft ungeteilt ZU103. Eine Sondererbfolge kennt das Recht der GmbH nicht. Sie kann nach h.M. 104 auch nicht durch Satzung begründet werden. Zweifel an der Nachlaßzugehörigkeit des vererbten Geschäftsanteils sind nach alledem nicht ersichtlich. Sie wird deshalb auch von der ganz überwiegenden Auffassung ausdrücklich bejaht l05 . Einer Testamentsvollstreckung an 101 BaumbachIHueck, GmbHG, 15. Aufl, § 15 Rz. 12; LutterlHommelhoff, GmbHG, 13. Aufl, § 15 Rz. 2; Hachenburg/Zutt, GmbHG, 8. Aufl., § 15 Rz. 5 mwN. 102 BaumbachlHueck, GmbHG, 15. Aufl., § 15 Rz. 10. 103 Die Vorschrift des § 18 III 2 GmbHG setzt voraus, daß eine Erbengemeinschaft Inhaber des Geschäftsanteils sein kann.

104 BaumbachIHueck, GmbHG, 15. Aufl., § 15 Rz. 9; Hachenburg/Zutt, GmbHG, 8. Aufl., Anh. § 15 Rz. 105; Wiedemann, Übertragung, S. 95 f.; Däubler, Vererbung des Geschäftsanteils, S. 25 f., 105 f. Ist ein bestinunter Nachfolger rur den Erblasser in der Gesellschaft erwünscht, so kann der Erbe dazu verpflichtet werden, den Geschäftsanteil an diese Person abzutreten. Das kann in der Satzung bestimmt werden, aber auch durch letztwillige Verfiigung in Form des Vermächtnisses nach § 2174 BGB, vgl BaumbachlHueck, GmbHG, 15. Aufl., § 15 Rz. 13, 14. 105 BGH NJW 1959, 1820, BGH NJW-RR 1991, 1056; BaumbachIHueck, GmbHG, § 15 Rz. 9; Hachenburg/Zutt, GmbHG, 8. Aufl., Anh. § 15 Rz. 105; LutterlHommelhoff, GmbHG, 13. Aufl., § 15 Rz. 2; K. Schmidr, Gesellschaftsrecht, 2. Aufl., § 35 II 3 a, S. 875; Priester, FS Stirnpel, 463, 466; FeIler, S. 13; aA nur Töreberg, S. 125.

Il. Testamentsvollstreckung und Fremdverwaltung

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einem Geschäftsanteil stehen unter diesem Gesichtspunkt keine Bedenken entgegen. II. Testamentsvollstreckung und Fremdverwaltung im Gesellschaftsrecht Neben dem vorwiegend erbrechtlichen Problem der Nachlaßzugehörigkeit vererbter Gesellschaftsanteile sieht sich die Testamentsvollstreckung im GeseIlschaftsrecht auch verschiedenen, spezifisch gesellschaftsrechtlichen Bedenken ausgesetzt. Sie haben ihre Ursache darin, daß mit der Person des Testamentsvollstreckers - sollte er nicht aus dem Kreis der Mitgesellschafter stammen - ein außenstehender Dritter zur Wahrnehmung der mitgliedschaftlichen Befugnisse des Gesellschafter-Erben berechtigt sein soll. Das kann bereits den verbliebenen Gesellschaftern widerstreben. Doch auch aus Gründen des Verkehrsschutzes sind Einwände denkbar, wenn Inhaberschaft und Ausübung der Mitgliedschaftsrechte auseinanderfallen und damit unternehmerische Verantwortlichkeit und Entscheidungsmacht nicht mehr in den Händen des Gesellschafters vereint sind. Der Problemschwerpunkt liegt dabei einmal mehr im Personengesellschaftsrecht. Gerade dort gerät die mit der Testamentsvollstreckung einhergehende Fremdverwaltung des Gesellschaftsanteils in Konflikt mit der gesetzgeberischen Vorstellung von einer stark individualbezogenen Personenvereinigung. 1. Personenbezogenheit der Mitgliedschaft

Schließen sich mehrere Personen zu einer Personengesellschaft zusammen, so manifestiert sich darin das einander entgegengebrachte Vertrauen. Jeder einzelne von ihnen ist in gleichem Maße am wirtschaftlichen Erfolg der Gesellschaft interessiert und trägt persönlich die Risiken eines Mißerfolges. Das bedingt in aller Regel nicht nur eine gleichgerichtete Ausübung der Mitgliedschaftsrechte, sondern bindet diese zugleich unmittelbar an die konkrete Person der Gesellschafter lO6 . Sie können deren Ausübung nicht ohne weiteres einem gesellschaftsfremden Dritten überlassen, der nicht selbst der Förderung des Gesellschaftszwecks verpflichtet ist. Nichts anderes gilt für den Erblasser, der seine Gesellschaftsbeteiligung letztwillig der Verwaltungsmacht eines Testamentsvollstreckers unterstellen möchte. Der Testamentsvollstrecker ist an einem wirtschaftlichen Erfolg oder Mißerfolg des Unternehmens allenfalls in-

106 Nicht zuletzt deshalb werden Personengesellschaften auch heute noch häufig als persönlichkeitsbezogene Haftungs- und Arbeitsgemeinschaften bezeichnet, vgl. BGHZ 22,186,192; BGH NJW 1981,749,750.

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§ 3. Erbrechtliche und gesellschaftsrechtliche Bedenken

direkt beteiligt, wenn sein Vergütungsanspruch aus § 2221 BGB an die Erträge aus den getätigten Geschäften geknüpft ist. Das kann ein risikofreudiges Verhalten des Testamentsvollstreckers ebenso zur Folge haben wie eine zu große Zurückhaltung bei der Verwaltung des Gesellschaftsanteils. Im Ergebnis steht deshalb auch außer Frage, daß sich die Gesellschafter einer Personengesellschaft den Testamentsvollstrecker durch den Erblasser nicht aufdrängen lassen müssen. Weil aber die Verpflichtung der Gesellschafter, ihre mitgliedschaftlichen Rechte persönlich auszuüben, allein in ihrem Verhältnis zueinander Wirkung entfaltet, können sie aufgrund der ihnen gewährten Gestaltungsfreiheit durch Beschluß oder entsprechende Vertragsklauseln durchaus die Mitwirkung eines Testamentsvollstreckers zulassen und ihn auf diese Weise in ihren Vertrauensverband aufnehmen 107 . Die Personenbezogenheit der Mitgliedschaft vermag folglich die Testamentsvollstreckung an einem Personengesellschaftsanteil nicht zu hindern. Gleiches gilt im Ergebnis auch für die GmbH. Sie ist bereits dem Grundsatz nach kapitalistisch strukturiert und schon deshalb regelmäßig nicht an der Person ihrer Mitglieder interessiert. Gleichwohl sind aber auch in einer GmbH personalistische Züge nicht selten anzutreffen 108 . Die Ausgestaltung der Satzung kann im Einzelfall eine weitgehende Annäherung der GmbH an die Personengesellschaften bewirken. So können beispielsweise alle Gesellschafter zur aktiven Mitarbeit in der Gesellschaft verpflichten werden, oder die Ausübung der Mitgliedschaftsrechte kann auf die Gesellschafter beschränkt werden, indem etwa die Stimmabgabe durch einen Vertreter in der Satzung untersagt wird. Wenn aber erst durch die Satzung eine personalistische Struktur geschaffen wurde, steht es den Gesellschaftern selbstverständlich auch frei, diese wieder aufzuweichen und die Testamentsvollstreckung zuzulassen 109 .

107 BGHZ 108,187,189; BGH NJW 1985, 1953, 1954; OLG Hamburg, ZIP 1984, 1226, 1228; OLG Harrun, BB 1989, 821; Schilling in Großkomm. HGB, 4. Aufl., § 177 Rz. 13; Schlegelberger/K. Schmidt, HGB, 5. Aufl., § 177 Rz. 30; BaumbachiDudeniHopt, HGB, 28. Aufl., § 139 Arun. 4 A; Wiedemann, Übertragung, S. 337; Bommert, BB 1984, 178, 183; Richardi, S. 19; Buß, S. 21. 108 Vgl. etwa BGHZ 9, 163; BGHZ 14, 57; BGH NJW 1983, 2880, 2881. Umfassend dazu insbesondere Immenga, Die personalistische Kapitalgesellschaft, S. 63 ff. 109 Auf die Frage, ob und in welcher Fonn eine Zustimmung im Einzelfall sowohl in der GmbH als auch in der Personengesellschaft tatsächlich erforderlich ist, wird an anderer Stelle einzugehen sein, vgl. unten § 4 und § 5.

II. Testamentsvollstreckung und FremdveIWaltung

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2. Prinzip der Selbstorganschaft

Als Hindernis einer Testamentsvollstreckung im Gesellschaftsrecht wird zuweilen das Prinzip der Selbstorganschaft genannt 110 . Dieses Prinzip weist im Grundsatz die organschaftlichen Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnisse bei Personengesellschaften den unbeschränkt haftenden Gesellschaftern zu und verbietet eine Übertragung oder Ausübungsüberlassung dieser Handlungsbefugnisse an Dritte. Sein Wirkungsbereich beschränkt sich aber nicht ausschließlich auf Personengesellschaften, sondern kann sich auch auf die GmbH erstrecken. Zwar sieht die Vorschrift des § 6 III GmbHG die Möglichkeit einer Fremdorganschaft vor, doch kann kraft Satzung die Geschäftsführung auch an die Mitgliedschaft gebunden und der GmbH so zu einer Selbstorganschaft verholfen werden 111. Während sie aber in der GmbH selbst erwählt und damit dispositiv ist, wird im Personengesellschaftsrecht in der Selbstorganschaft von der h.M.112 ein zwingendes Prinzip erblickt, das den Gesellschaftern Grenzen in ihrer Gestaltungsfreiheit setzt. Es gilt uneingeschränkt indes nur für die organschaftliche Vertretungs-, nicht hingegen für die Geschäftsführungsbefugnis 113. Vor dieser Hürde steht in der Tat auch die Testamentsvollstreckung, wenn mit der vererbten Gesellschaftsbeteiligung organschaftliche Handlungsbefugnisse verbunden sind und der TestamentsvolIstecker nicht aus dem Kreis der persönlich haftenden Mitgesellschafter gewählt wird. Man wird auch ungeachtet zahlreicher Stimmen in der neueren Literatur114, die zumeist unter Hinweis auf praktische Bedürfnisse die Fremdorganschaft in Personengesellschaften befürworten, nicht umhin können, am Prinzip der Selbstorganschaft in seiner zwingenden Ausgestaltung festzuhalten. Der Grund hierfür ist wohl weniger in einer zu untersagenden Selbstentmachtung der Personengesell-

110 K.

Schmidt, Gesellschaftsrecht, 2. Aufl., § 45

v 7, S. 1114; Schilling, FS Schmidt, 208, 214 ff.

Jmmenga, Die personalistische Kapitalgesellschaft, S. 102; Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, § 6 IV 1 a, S. 343. 111 Vgl.

112 Vgl. BGHZ 26, 330, 332 f; 33, 105, 108; 36, 292, 295; 41, 367, 369; 51, 198, 200; Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, § 6 IV 1, S. 343 f; Flume, AT BGB VI, § 14 VIII, S. 240 ff.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 2. Aufl., § 14 II 2 e, S. 336 ff. 113 Es kann beispielsweise nach BGHZ 51, 198,201, auch ein Kommanditist unter Ausschluß aller Komplementäre die Geschäfte der Gesellschaft fUhren, er kann aber nicht nicht die alleinige Vertretungsmacht haben; vgl. dazu auch A. Hueck, OHG, 4. Aufl., § 10 II 2, S. 119; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 2. Aufl., § 14 II 2 b, S. 334. 114 Teichmann, Gestaltungsfreiheit, S. 116 ff.; H.P. Westermann, Vertragsfreiheit, S. 153 ff., 328 ff.; ReinhardiSchultz, Gesellschaftsrecht, 2. Aufl., Rz. 167 ff.; HelmIWagner, BB 1979, 225 ff.; Marotzke,1Z 1986, 457, 460; Buß, S. 26 ff.

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§ 3. Erbrechtliche und gesellschaftsrechtliche Bedenken

schaft 115 und schon gar nicht in einem zuweilen postulierten Gleichlauf von Herrschaft und Haftung l16 zu suchen. Es sind vielmehr die Interessen des Rechtsverkehrs, die eine Ausübung der organschaftlichen Vertretungsbefugnisse durch die unbeschränkt haftenden Gesellschafter selbst gebieten. Das Recht der Personengesellschaften verzichtet gänzlich auf zwingende Vorschriften zur Kapitalaufbringung und -erhaltung. Es steht den Gesellschaftern vielmehr frei, ein Gesellschaftsvermögen zu bilden. Wie anders soll dann der Rechtsverkehr vor ruinösen Handlungen eines Unternehmers zu schützen sein als durch eine unbeschränkte Haftung, die auch vor einem Zusammenbruch des Unternehmens nicht Halt macht. Es ist zwar in der Tat die Frage berechtigt, ob denn diese Haftung fehlendes Kapital zu ersetzen vermag ll7 , denn eine Garantie für vernünftige unternehmerische Handlungsweisen kann auch sie nicht geben. Aber sie verspricht doch ein Mindestmaß an Sicherheit I 18. Nun kennt das Prinzip der Selbstorganschaft auch Ausnahmen. So sieht etwa das Gesetz unter den Voraussetzungen des § 14611 1 HGB die Ernennung von Liquidatoren durch das Gericht vor. Eine weitere Durchbrechung der Selbstorganschaft gestattet der Bundesgerichtshof 119 für die Dauer eines Ausschlußprozesses gegen den einzigen geschäftsführungs- und vertretungsbefugten Gesellschafter; in diesem Zeitraum soll auch ein Dritter allein zur Wahrnehmung der Geschäftsführung und Vertretung befugt sein. Zuletzt kann auch die Beteiligung einer Kapitalgesellschaft an einer Personengesellschaft zu einer faktischen Durchbrechung des Prinzips der Selbstorganschaft führen, wenn die Kapitalgesellschaft zugleich die Geschäfte der Personengesellschaft führt, selbst aber von der ihr gesetzlich gewährten Möglichkeit der Fremdorganschaft Gebrauch macht. Doch keine dieser Ausnahmen läßt Rückschlüsse auf eine Berechtigung des Testamentsvollstreckers zur Ausübung der organschaftlichen Befugnisse des Gesellschafter-Erben zu.

115 So FIume, BGB AT III, § 14 VIII, S. 240 ff; vgl. auch Nitschke, Die kÖlperschaftlich strukturierte Personengesellschaft, S. 240; Wiedemann, JZ 1969,470,471.

116 Vgl. Müller-Erzbach, AcP 154 (1955), 299, 342; wohl auch Nitschke, Die kÖlperschaftlich strukturierte Personengesellschaft, S. 238; vgl. dazu ferner Immenga, Die Kapitalgesellschaft, S. 117 ff Zur Kritik am Gleichlauf von Herrschaft und Haftung als zwingendes Ordnungsprinzip des Gesellschaftsrechts, vgl. BGHZ 45, 204, 206 f.; FIume, BGB AT III, § 14 VIII, S. 244; Wiedemann, Übertragung, S. 326 ff.; Teichmann, Gestaltungsfreiheit, S. 125 ff 117 Vgl. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 2. Aufl., § 18 IV 2, S. 439. 118 Darin klingt eine VerlaJüpfung von Herrschaft und Haftung zwar an, sie wird dadurch aber nicht zu einern Grundprinzip unserer Wirtschaftsordnung erhoben, vgl. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 2. Aufl., § 14 II 2 e, S. 337 f. 119 BGHZ 33, 105, 108 ff

II. Testamentsvollstreckung und FremdvelWaltung

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Ist der Testamentsvollstrecker nicht bereits selbst Gesellschafter und soll oder will er es auch nicht werden l20 , helfen folglich allein rechtsgeschäftliehe Gestaltungen, um die Hürde der Selbstorganschaft zu nehmen. Dem gesellschaftsfremden Testamentsvollstrecker kann von den übrigen Gesellschaftern Prokura oder besser noch eine umfassende und unwiderrufliche Handlungsvollmacht 121 erteilt werden l22 . Darüber hinaus ist dafür Sorge zu tragen, daß die organschaftlichen Handlungsbefugnisse des Gesellschafter-Erben für die Dauer der Testamentsvollstreckung ruhen, will man den Zweck ihrer Anordnung nicht vereiteln. Das geschieht nach §§ 114 11, 125 I HGB gesellschaftsvertraglieh entweder durch eine ausdrückliche Regelung, oder sie wird durch Auslegung der Zustimmung der übrigen Gesellschafter zur Testamentsvollstreckung entnommen l23 . Der Testamentsvollstrecker vertritt dann nicht mehr den Gesellschafter-Erben in seinen organschaftlichen Befugnissen, sondern aus eigenem Recht die Gesellschaft l24 . Zu berücksichtigen bleibt allerdings noch ein Sonderfall. Es ist durchaus vorstellbar, daß der Erblasser das einzig organschaftlieh handlungsbefugte Mitglied der Gesellschaft war. Da in jeder Personengesellschaft die organschaftliehe Vertretung durch einen unbeschränkt haftenden Gesellschafter grundsätzlich gewährleistet sein muß, scheint die Testamentsvollstreckung spätestens in einer solchen Konstellation zu scheitern. Genau besehen handelt es sich dabei allerdings um ein allgemeines Problem des Gesellschaftsrechts, das mit der Anordnung einer Testamentsvollstreckung letztlich überhaupt nichts zu tun hat l25 . Die Lösung wird im allgemeinen in der Entstehung einer Gesamtvertretungsbefugnis aller unbeschränkt haftenden Gesellschafter erblickt l26 , wobei freilich im Falle einer Testamentsvollstreckung der Gesell-

120 Zu der Möglichkeit, den FremdvelWalter als Gesellschafter ohne Kapitalanteil in die Gesellschaft aufrunehmen, vgl. Wiedemann, Übertragung, S. 374; Huber, Verrnögensanteil, S. 289 ff.; HelmIWagner, BB 1979, 225, 227. 121 Die Handlungsvollmacht kann im Unterschied zur Prokura unwiderruflich erteilt werden, vgl. BGH WM 1971, 956; HeymanniSonnenschein, HGB, § 54 Rz. 21; BaumbachiDudeniHopt, HGB, 28. Aufl., § 54 Anrn. 4. Ein Widerruf aus wichtigem Grund bleibt allerdings stets möglich. 122 BGHZ 36, 292, 295; Richardi, S. 23 f.; Buschmann, S. 10 f.; Hüfner, S. 128. Eine derartige Bevollmächtigung wird man in aller Regel bereits durch Auslegung der Zustimmung der verbliebenen Gesellschafter zur Testamentsvollstreckung entnehmen können, vgl. Richardi, S. 24.

123 Richardi, S. 24; Hüfner, S. 128 f. 124 Vgl. Wiedemann, 'Übertragung, S. 377. 125 Vgl. etwa HelmIWagner, BB 1979, 225, 226, die unter anderem diese Fallkonstellation zur Begründung eines praktischen Bedürfuisses nach Fremdorganschaft anfUhren. 126 BGHZ 33, 105, 108; BaumbachIDudenIHopt, HGB, 28. Aufl., § 127 Anrn. I C; Richardi, S. 24; Hüfuer, S. 129.

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§ 3. Erbrechtliche und gesellschaftsrechtliche Bedenken

schafter-Erbe auszunehmen wäre l21. Eine Testamentsvollstreckung an der vererbten Gesellschaftsbeteiligung scheitert demnach nur dann zwingend am Prinzip der Selbstorganschaft, wenn der Erblasser der einzige Komplementär einer Kommanditgesellschaft war 128 . 3. Abspaltungsverbot

Auf ihrem dornigen Weg durch das Gesellschaftsrecht begegnet die Testamentsvollstreckung auch dem sogenannten Abspaltungsverbot. Es sollen danach das Stimmrecht sowie sonstige aus der Mitgliedschaft fließenden Mitverwaltungsrechte nicht losgelöst von dieser auf Dritte übertragen werden können. Die Rechtsprechung l29 hat das Abspaltungsverbot, dessen gesetzlicher Ausgangspunkt in § 717 S. I BGB erblickt wird, für die Personengesellschaften entwickelt und hat es mit überwiegender Zustimmung der Literatur 130 als zwingenden Grundsatz des Gesellschaftsrechts ausformuliert. Später fand das Abspaltungsverbot dann auch Eingang in das Recht der GmbH und wurde dort mit der "Einheitlichkeit der Mitgliedschaft" begründet l31 . Weil aber das Abspaltungsverbot nicht nur die rechtstechnische Übertragung der Mitverwaltungsrechte erfassen soll, sondern daneben auch deren dauerhafte und verdrängende Ausübung durch Drittem, wird es teilweise für ein Scheitern der Testamentsvollstreckung im Gesellschaftsrecht verantwortlich gemacht 133 . Das triffi indes nicht zu. Bereits die Wertungsgrundlagen und die Tragweite der behaupteten Unabdingbarkeit des Abspaltungsverbots sind alles andere als unstreitig. Weitgehende Einigkeit herrscht lediglich darüber, daß man sich zur Begründung des Abspaltungsverbots nicht schlechthin auf das "Wesen der 127 AA Richardi, S. 24 f 128 Vgl. WJzu Hüfner, S. 129 f 129 BGHZ 3,354,357; BGHZ 20, 363, 365; BGHZ 36, 292, 293.

130 Fischer in Großkomm. HGB, 3. Aufl., § 119 Anm. 25; MünchKomm.lUlmer, BGB, 2. Aufl., § 717 Rz. 7; StaudingerlKeßler, BGB, 12. Aufl., § 717 Rz. 7; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 2. Aufl., § 19 III 4, S. 455; Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, § 7 I Ib, S. 362;A. Hueck, OHG, 4. Aufl., § 11 11 3, S. 166 f; Reuter, ZGR 1978,633,638 ff.; aA Bälz, ZGR 1980, 1,72 ff. 131 BGHZ 43, 261, 267; BGH WM 1968, 96, 97; BayObLG, WM 1986, 226, 227; BaumbachIHueck, GmbHG, 15. Aufl., § 47 Rz. 28; ScholzlK. Schmidt, GmbHG, 7. Aufl., § 47 Rz. 20; differenzierend Fleck, FS R. Fischer, 107 ff.; aA HachenburglHüjfer, GmbHG, 8. Aufl., § 14 Rz. 32 ff. 132 BGHZ 3, 354, 357; A. Hueck, JZ 1952, 115, 116; Teichmann, Gestaltungsfreiheit, S. 225, Beuthien, ZGR 1974,26,82.

133 SchlegelbergerlGeßler, HGB, 4. Aufl., § 139 Rz. 14; Richardi, S. 39 ff.; Weipert, JR 1954, 60; kritisch auch Reuter, ZGR 1978,633,641.

H. Testamentsvollstreckung und Fremdverwaltung

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Gesamthand"134 oder das "Wesen der Personengesellschaft"135 verweisen lassen muß. Dem Wesensargument fehlt der erforderliche Aussagegehalt, um rechtliche Fragestellungen hinreichend nachvollziehbar zu erfassen 136. Im übrigen aber finden sich die verschiedensten Aussagen 137 . Teilweise wird das Abspaltungsverbot lediglich als rechtstechnisches Konstruktionsprinzip verstanden, das die unmittelbare Abtretung einzelner Mitverwaltungsrechte untersagt und damit die Unteilbarkeit des Gesellschaftsanteils postuliert. Schuldrechtliche Gestaltungen sollen im Rahmen des § 138 BGB hingegen möglich bleiben 138 . Andere greifen darüberhinaus auf allgemein-zivilrechtliche Grundsätze zurück und führen zur näheren Erläuterung des Abspaltungsverbots den Grundgedanken des § 137 BGB an. Die Vorschrift verbiete zwar zunächst nur die dinglich wirkende Beschränkung der Verfügungsbefugnis durch Rechtsgeschäft, sie habe aber die Sicherheit des Rechtsverkehrs und ganz besonders die Funktionsfähigkeit der Zwangsvollstreckung im Sinn. Weil der Gesellschafter jedoch durch Abtretung der Mitverwaltungsrechte die inhaltlichen Befugnisse vom Recht abzweige und damit den Gesellschaftsanteil auszuhöhlen vermöge, sei die Zwangsvollstreckung fiir den Vollstreckungsgläubiger möglicherweise ein "Schlag ins Wasser" 139. Wieder andere rücken die Notwendigkeit verbandsautonomer Entscheidungsmacht in den Vordergrund. So wird vertreten, die Einflußnahme Dritter auf die Willensbildung der Gesellschaft beeinträchtige den regelmäßigen Gleichlauf von Gesellschafts- und Gesellschafterinteressen und werde etwa durch das "Hineindringen demokratischer Selbstverständlichkeiten in das Privatrecht" untersagtl4O, oder die "Richtigkeitsgewähr" verbandsrechtlicher Willensbildung sei gefahrdet, wenn der Verband nicht selbstgesteuert agiere l41 . In ganz ähnlicher Weise wird das Abspaltungsverbot 134 So etwa BGHZ 3, 354, 357; BGH JZ 1960,490,491. Gegen eine Argumentation mit dem Begriff der Gesamthand wendet sich insbesondere Erman, FS Nipperdey I, 277, 285 f 135 BGH DB 1953,965. 136 Vgl. dazu Teichmann,

Gestaltungsfreiheit, S. 3 ff.; Wüst, FS Duden, 749, 756 ff.; ferner Scheuerle, AcP 163 (1964), 429 ff. Das Wesensargument hat sich heute auch weitgehend aus der geseIlschaftsrechtlichen Diskussion verabschiedet

137 Einen Überblick hierzu gibt Reuter, ZGR 1978, 633, 634 ff. Westermann, Personengesellschaften, Rz. 321 ff.; auch H.P. Westermann, Vertragsfreiheit, S. 396, 442. Diese Ansicht stützt sich auf sachenrechtliche Erwägungen. Auch dort kann etwa der Herausgabeanspruch des Eigentümers aus § 985 BGB nicht abgetreten werden, vgl. MünchKomm.lMedicus, BGB, 2. Aufl., Vor § 985 Rz. 5. Gegen ein rein formales Verständnis des Abspaltungsverbots etwa Ulmer, ZHR 146 (1982), 555, 577; Fleck, FS R. Fischer, 107, 115. 138 H.

139 Wiedemann, Übertragung, S. 285, 286; dagegen Teichmann, Gestaltungsfreiheit, S. 222 ff. 140 Teichmann, Gestaltungsfreiheit, S. 191; auch Beuthien, ZGR 1974, 26, 82; gegen einen Rückgriff auf öffentlich- rechtliche Ordnungsprinzipien: Reuter, ZGR 1978, 633, 640. 141 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 2. Aufl., § 19 III 4 a, S. 455; Reuter, Privatrechtliche Schranken, S. 154 ff.; ders., ZGR 1978,633,640 ff.

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§ 3. Erbrechtliche und gesellschaftsrechtliche Bedenken

zuletzt auch als allgemeine Schranke der Privatautonomie gedeutet. Es sei ein verbotener Verzicht auf Selbstbestimmung, wenn die Gesellschaft sich der Mitwirkung eines Dritten an der internen Willensbildung nicht jederzeit wieder entledigen könne l42 . Auch die Rechtsprechung verfolgt keine einheitliche Linie. In seiner ersten und grundlegenden Entscheidung sprach sich der Bundesgerichtshof143 ausdrücklich gegen ein rein formales Verständnis des Abspaltungsverbots aus, als er die Erteilung einer unwiderruflichen Stimmrechtsvollmacht unter gleichzeitigem Stimmrechtsverzicht des bevollmächtigenden Gesellschafters trotz Zustimmung der Mitgesellschafter für unwirksam erklärte. Schon in der nächsten einschlägigen Entscheidung wurde aber die unwiderrufliche und verdrängende Vollmacht eines Kommanditisten zugunsten eines Mitgesellschafters in einen Stimmrechtsausschluß unter gleichzeitiger Erhöhung des Stimmrechts jenes Mitgesellschafters umgedeutet l44 . Noch einen Schritt weiter ging der Bundesgerichtshofl45 , als er sogar die Schaffung eines Stimmrechts für einen Nichtgesellschafter und damit erheblichen Fremdeinfluß auf die Willensbildung der Gesellschaft zuließ. In diese unklare Linie fügt sich auch jene Entscheidung, welche die Zulässigkeit einer sogenannten Vertreterklausel zu Lasten von Kommanditisten-Erben aussprach l46 . Danach soll der Gesellschaftsvertrag mehrere Kommanditisten-Erben verpflichten können, auf die Wahrnehmung der Mitverwaltungsrechte zu verzichten und diese durch einen gemeinsamen, auch gesellschaftsfremden Vertreter einheitlich ausüben zu lassen, um so einer mit der Sondererbfolge einhergehenden Zersplitterung der vererbten Kommanditbeteiligung begegnen zu können. In zwei weiteren Entscheidungen kam dann auch das Problem der Testamentsvollstreckung an Gesellschaftsbeteiligungen zur Sprache. Zunächst erklärte der Bundesgerichtshof147 die Ausübung des Stimmrechts in der GmbH durch einen Testamentsvollstrecker für vereinbar mit dem Abspaltungsverbot, und den vorläufigen Schlußpunkt setzte schließlich die Zulassung der Testamentsvollstreckung an 142 F1ume, BGB AT VI, § 14 VII, S. 236 f; wohl auch Luner, AcP 180 (1980), 84,151; dagegen Reuter, ZGR 1978,633,639. 143 BGHZ 3, 354, 357, 359.

144 BGHZ 20, 363, 366 ff., 370. 145 BGH JZ 1960, 490 mit zust. Arun. A. Hueck. Relativiert wird diese Entscheidung freilich dadurch, daß die Stimme des Dritten nur bei Stimmengleichheit fiir die Beschlußfassung den Ausschlag geben sollte.

146 BGHZ 46,291,294 ff.; ebenso BGH GmbH-Rdsch. 1989,120, 121 fiir die GmbH. 147 BGH DB 1976, 2295, 2296 f Schon zuvor wurde die Testamentsvollstreckung in der GmbH zugelassen, allerdings ohne nähere Begründung, vgl. BGH NJW 1959, 1820 f.; BGHZ 51, 209, 214 ff.

H. Testamentsvollstreckung und Fremdverwaltung

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Kommanditanteilen unter ausdrücklicher Berücksichtigung des Abspaltungsverbots l48 . Diese beiden letzten Entscheidungen befinden sich im Einklang mit der weit überwiegenden Ansicht in der Literatur, die eine Testamentsvollstreckung an Gesellschaftsbeteiligungen ebenfalls nicht am Abspaltungsverbot scheitern lassen möchte l49 . Die vorgetragenen Begründungen variieren allerdings erwartungsgemäß erheblich und zeugen von der bestehenden Unsicherheit im Umgang mit dem Abspaltungsverbot. So ist die Argumentation etwa eine ausschließlich formale, wenn man sich auf den Standpunkt stellt, die Testamentsvollstreckung führe zu keiner Abspaltung von Mitgliedschaftsrechten, sondern lediglich zu einer Trennung von Rechtinhaberschaft und Rechtsausübung l50 . Materielle Anliegen, wie beispielsweise der Schutz der Gesellschaft vor Fremdeinflüssen, läßt diese Auffassung völlig unberücksichtigt. Andere ziehen ergänzend einen Vergleich mit dem gesetzlichen Vertreter eines geschäftsunfähigen Gesellschafters heran, der ganz unzweifelhaft einen Gesellschaftsanteil verwalten kann 151. Auch im Falle der Testamentsvollstreckung erfolge keine rechtsgeschäftliche Übertragung von mitgliedschaftlichen Befugnissen, vielmehr sei die Testamentsvollstreckung ein von der Rechtsordnung zur Verfügung gestelltes Instrument, dem man im Gesellschaftsrecht nicht die Anwendung versagen dürfe 152. Ein Vergleich mit der gesetzlichen Vertretung eines geschäftsunfähigen Gesellschafters ist in der Tat verlockend, letztlich aber doch etwas zweifelhaft. Die gesetzliche Vertretung beruht auf der Notwendigkeit, jeder natürlichen oder juristischen Person die Teilnahme am Rechtsverkehr zu ermöglichen. Sie besteht daher im öffentlichen Interesse. Der Testamentsvollstreckung liegt hin148 BGHZ 108, 187, 199. 149 Für die Personengesellschaften: H.P. Westermann, Vertragsfreiheit, S. 360 ff.; Bommert, BB 1984, 178, 182; Damrau, NJW 1984,2785,2788; Emmerich, ZHR 132 (1969), 297, 300 ff.; Holeh, DNotZ 1958,282,286 ff.; Marotzke, JZ 1986, 457, 460; Michaelis, ZAkDR, 233, 234; Quack, BB 1989, 2271, 2273 f.; Schilling, FS Schmidt, 208, 213; Ulmer, NJW 1990, 73, 78; Eschelbach, S. 49 ff., 66 f.; Hüfner, 133 f.; Wesseis, S. 117 ff. Für die GmbH: ScholzlK. Schmidt, GmbHG, 7. Aufl., § 47 Rz. 16; Priester, FS Stimpel, 463, 467 f.; Reck, FS R. Fischer, 107, 114; Wiedemann,

Übertragung, S. 338.

150 So aber Schilling, FS Schmidt, 208, 213, 217; Emmerich, ZHR 132 (1969), 297, 301; Hüfner, S. 134; Wesseis, S. 117. 151 Vgl. dazu BGHZ 44, 98, 100 (Gebrechlichkeitspfleger); Fischer in Großkomm. HGB, 3. Aufl., § 105 Rz. 24; Soergel/Hadding, BGB, 11. Aufl., § 709 Rz. 28; Scholz/Winter, GmbHG, 7. Aufl., § 15 Rz. 202 ff.

152 Priester, FS Stimpel, 463, 467; Bommert, BB 1984, 178, 182; Banek, S. 222 f.; auch Wiedemann, Übertragung, S. 336 f.; ähnlich Michaelis, ZAkDR 1943,233,234.

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§ 3. Erbrechtliche und gesellschaftsrechtliche Bedenken

gegen ein willkürlicher Rechtsakt zugrunde, der zwar ein Gebot der Vernunft sein mag, aber in keiner Weise rechtlich zwingend ist 153 . Es ist deshalb auch nicht zutreffend, wenn behauptet wird, im Falle der Testamentsvollstreckung erfolge keine rechtsgeschäftliche Übertragung mitgliedschaftlicher Befugnisse I54 . Wenngleich die Rechtsmacht des Testamentsvollstreckers gesetzlich umrissenen Grenzen unterliegt, so basiert seine Tätigkeit doch auf der letztwilligen Verfügung des Erblassers, und die ist nichts anderes als ein RechtsgeschäftISS. Zweifelhaft ist auch die Auffassung, die Testamentsvollstreckung sei mit dem Abspaltungsverbot vereinbar, soweit der Testamentsvollstrecker nicht nur einzelne, sondern alle aus der Mitgliedschaft fließenden Mitverwaltungsrechte wahrnehme. In diesem Fall sei die Einheitlichkeit der Mitgliedschaft gewahrt I56. Nun verbindet sich mit der Mitgliedschaft in einer Gesellschaft sicherlich ein in sich abgestimmtes System von Rechten und Pflichten, dennoch ist damit keineswegs gesagt, daß das Abspaltungsverbot neben der qualitativen auch eine quantitative Unteilbarkeit der Mitgliedschaft ausspricht. So verwundert es auch nicht, wenn namentlich in der GmbH eine nach § 2208 I 1 BGB auf das Stimmrecht beschränkte Testamentsvollstreckung überwiegend zugelassen wird 157. Zuletzt ist auch die für Kommandisten-Erben und in der GmbH zugelassene Vertreterklausel nur bedingt mit einer Testamentsvollstreckung vergleichbar I58 . Während der Testamentsvollstrecker nach § 2203 BGB von Weisungen des Erben unabhängig ist und auch nur unter den Voraussetzungen des § 2227 BGB vorzeitig seines Amtes enthoben werden kann, beruht die Zulässigkeit der Vertreterklausel gerade auf der Weisungsgebundenheit des Vertreters und der Widerruflichkeit seiner Vertretungsmacht l59 . Die Weisungsgebundenheit 153 Vgl. auch Richardi, S. 18 ff.; Siebert, StbJB 1955/56, 326. 154 So Bommert, BB 1984, 178, 182. 155 Vgl. LangeIKuchinke, Erbrecht, 3. Aufl., § 32 I 3, S. 555. 156 BGHZ 108, 187, 199; Schilling, FS Schmidt, 208, 213 f; Wesseis, S. 117. 157 BGH DB 1976, 2295, 2296 f; OLG Hamm, BB 1956, 511; Hachenburg/Zun, GmbHG, 8. Aufl., Anh. § 15 Rz. 119; Schilling, FS Schmidt, 208, 217; HaegelelWinkler, Der Testamentsvollstrecker, 11. Aufl., Rz. 395; Wiedemann, Übertragung, S. 338; Haegele, Rpfleger 1969, 186, 189; a.A Priester, FS Stirnpel, S. 468; ScholzlWinter, GmbHG, 7. Aufl., § 15 Rz. 156. 158 So aber BGHZ 108, 187, 199; Emmerich, ZHR 132 (1969), 297, 303; H.P. Westermann, Vertragsfreiheit, S. 360 f 159 Vgl. BGHZ 46,291,294 ff.; BGH GmbH-Rdsch. 1989, 120, 121; SchlegelbergerlMartens, HGB, 5. Aufl., § 161 Rz. 80; K. Schmidt, ZHR 146 (1982), 525, 531 f; Immenga, ZGR 1974, 385, 399 f. Die Vertreterklausel ablehnend: Reuter, Privatrechtliche Schranken, S. 212 ff., 221.

11. Testamentsvollstreckung und FremdvetWaltung

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des Vertreters verliert zwar an Bedeutung, wenn ihn die vertretene Gesellschaftergruppe oder auch die Vertreterklausel für bestimmte Beschlußgegenstände von Weisungen freistellt, oder der Gruppenvertreter bei Uneinigkeiten innerhalb der Gruppe nach pflichtgemäßem Ermessen entscheiden kann 160. Gleichwohl bleiben die Unterschiede zwischen der Testamentsvollstreckung und einer Vertreterklausel unübersehbar. Nach alledem fragt es sich natürlich, wie denn nun das Abspaltungsverbot zu begründen ist und wie sich die Testamentsvollstreckung an einer Gesellschaftsbeteiligung damit vereinbaren läßt. Anzusetzen ist zunächst auf formaler Ebene. Ein völlig verselbständigtes und möglicherweise rastlos wanderndes Stimmrecht als wichtigstes aller MitverwaItungsrechte wird sich mit den gesetzgeberischen Vorstellungen, wie sie in §§ 47 II GmbHG, 119 HGB zum Ausdruck gekommen sind, sicherlich kaum vereinbaren lassen. Das Stimmrecht ist schlechthin mit der Mitgliedschaft in einer Gesellschaft verbunden l61 . Darüber hinaus ist im Rahmen einer nach § 138 BGB vorzunehmenden Abwägung zu fragen, weIche materiellen Anliegen mit dem AbspaItungsverbot verfolgt werden. Nach richtiger Auffassung läßt sich das AbspaItungsverbot insofern nur auf Vorbehalte gegen übermächtige Einflüsse gesellschaftsfremder Dritter auf die Willensbildung der Gesellschaft stützen 162 und damit in einem weiteren Sinne als Ausprägung des Grundsatzes der Verbandssouveränität verstehen l63 , dem im Personengesellschaftsrecht sicherlich mehr Gewicht zukommen wird als im Recht der GmbH. Weitergehende materielle Anliegen werden nicht verfolgt. Den Selbstschutz des betroffenen Gesellschafters übernimmt die heute weitgehend anerkannte Kernbereichslehre l64 , der insofern eigenständige Bedeutung zukommt l65 . Sie garantiert dem einzelnen Gesellschafter einen Mindestbestand an Mitwirkungsrechten und verhindert so eine mögliche Selbstentmündigung. Die Interessen der Gesellschaftsgläubiger werden im Personengesellschaftsrecht weitgehend durch das Prinzip der Selbstorgan160 Zu diesem Fragenkreis ausfiihrlich: A. Hueck, ZHR 125 (1963), 1, 18 ff.; K. Schmidt, ZHR 146 (1982),525,548 ff.; Jmmenga, ZGR 1974,385,399 ff. 161 Vgl. HachenburglHüjfer, GmbHG, 8. Aufl., § 47 Rz. 53; H.P. Westermann, Vertragsfreiheit, S. 396; H. Westermann, Personengesellschaften, Rz. 321, dessen sachenrechtlicher Erwägung insoweit zuzustimmen ist. 162 Vgl. Reuter, ZGR 1978,633,640 ff.; Heck, FS R. Fischer, 107, 118 f. 163 Vgl. HachenburglHüjfer, GmbHG, 8. Aufl., § 45 Rz. 13,28; Bälz, ZGR 1980, 1,73 f.; auch K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 2. Aufl., § 5 I 3, S. 75; eingehend zum Grundsatz der Verbandssouveränität: Wiedemann, FS Schilling, 105, 111 ff. 164 Vgl. dazu insbesondere H.P. Westermann, Vertragsfreiheit, S. 351 ff.; Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, § 7 I 1 b, S. 360 ff.; Löffler, NJW 1989,2656 ff.

165 Bälz, ZGR 1980, 1,72; Heck, FS R. Fischer, 107, 121; ähnlich auch Wiedemann, Übertragung, S. 282 f.; Ulmer, ZHR 146 (1982), 555, 577; Erman, FS Nipperdey 1,277,290. 4 Dönie

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§ 3. Erbrechtliche und gesellschaftsrechtliche Bedenken

schaft und im Recht der GmbH durch die Vorschriften über die Kapitalaufbringung und -erhaltung geschützt. Und zuletzt wird man auch den Schutz des Rechtsverkehrs und die Funktionsfähigkeit der Zwangsvollstreckung nicht als ein mit dem Abspaltungsverbot verfolgtes Anliegen betrachten können, denn gründsätzlieh "muß der Gläubiger die Vermögenslage beim Schuldner so hinnehmen, wie er sie vorfindet" 166. Mit einem dergestalt umrissenen Abspaltungsverbot läßt sich eine Testamentsvollstreckung vereinbaren, soweit man die Grenzen der gesellschaftsrechtlich gewährten Gestaltungsfreiheit nicht allzu eng zieht. Unter formalen Gesichtspunkten bleiben die mitgliedschaftlichen Befugnisse mit der Mitgliedschaft verbunden, lediglich die Ausübung erfolgt durch den Testamentsvollstrecker l67 . Im übrigen sind auch übermächtige Fremdeinflüsse durch einen Testamentsvollstrecker nicht zu befürchten. Der Testamentsvollstrecker verfolgt mit der Verwaltung der Gesellschaftsbeteiligung keine eigennützigen Interessen, er ist vielmehr dem Willen des Erblassers als ehemaligem Gesellschafter und der ordnungsgemäßen Verwaltung des Nachlasses verpflichtet. Für ein Fehlverhalten, durch das er Nachteile für die von ihm verwaltete Gesellschaftsbeteiligung herbeiführt, hat er sich nach §§ 2216, 2219 BGB dem Erben gegenüber zu verantworten. Bereits diese Verantwortlichkeit wird den Testamentsvollstrecker regelmäßig dazu veranlassen, sein Verhalten ebenso am wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens auszurichten wie alle anderen Gesellschafter auch l68 . Freilich muß das nicht immer so sein. Deshalb wird für die Personengesellschaften bisweilen vorgetragen, die Mitwirkung eines geseIlschaftsfremden Testamentsvollstreckers vertrage sich nicht mit der in einer Gesellschaft vorhandenen G/eichgerichtetheit der Gese//schafterinteressen I69 . Der Testamentsvollstrecker handele zwar nicht eigennützig und sei dem Erben für eine ordnungsgemäße Verwaltung des Nachlasses verantwortlich, darüber hinaus diene er aber auch den Belangen der Nachlaßgläubiger l70 , und zudem sei er den Anweisungen des Erblassers verpflichtet, dessen Willen schon bald in Widerspruch zu den Interessen der übrigen Gesellschafter geraten könne l7l . Diese Einwände vermögen im Ergebnis nicht zu überzeugen. Zuzugeben ist 166 Teichmann, Gestaltungsfreiheit, S. 223; ebenso Fleck, FS Stimpel, 107, 121, 123. Die Testamentsvollstreckung war von dieser Argumentation ohnehin nicht betroffen, da durch §§ 2205, 2211 BGB die Verfiigungsmöglichkeit nicht ausgeschlossen, sondern nur verlagert wird, vgl. BGHZ 56,275,279. 167 Schilling, FS Schmidt, 208, 213, 217; Emmerich, ZHR 132 (1969), 297, 301. 168 Vgl. Fleck, FS R. Fischer, 107, 118.

169 Wiedemann, Übertragung, S. 339 f.; Rohljf, S. 95 ff.; Banck, S. 226 f.; auch Richardi, S. 38. 170 Rohljf, S. 96. 171 Banck, S. 227.

11. Testamentsvollstreckung und Fremdverwaltung

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zwar, daß die Vorschriften der §§ 2216, 2219 BGB der Gesellschaft oder den Gesellschaftern allenfalls einen indirekten Schutz vermitteln; sie bieten ihnen kein zuverlässiges Mittel, dem Testamentsvollstrecker im Zweifelsfall ein gesellschaftsfreundliches Verhalten abzuverlangen und auf diese Weise die Interessenparallelität in der Gesellschaft herzustellen \72. Es darf indes nicht unberücksichtigt bleiben, daß die angesprochene Gleichgerichtetheit der Gesellschafterinteressen keineswegs ein starres gesellschaftsrechtliches Postulat ist, sondern allenfalls eine regelmäßig anzutreffende Randerscheinung. Es bleibt den Gesellschaftern im Rahmen ihrer vertraglichen Gestaltungsfreiheit weitgehend selbst überlassen, wie sie ihr Innenverhältnis ausfonnen. Sie können folglich der Mitwirkung eines Testamentsvollstreckers nach ihrem Belieben zustimmen. Ganz maßgeblich kommt noch hinzu, daß als Korrelat einer etwaigen Mitwirkung in der Gesellschaft der Testamentsvollstrecker wie ein Gesellschafter der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht zu unterwerfen ist 173 . Dank dieser entscheidenden Maßnahme erfolgt auch im Pflichtenbereich eine Einbindung des Testamentsvollstreckers in den Gesellschaftsverband. Damit ist der Testamentsvollstrecker nicht nur mittelbar über die Vorschriften der §§ 2216, 2219 BGB den Interessen der Gesellschaft verpflichtet, sondern auch direkt. Bereits aus diesem Grunde darf der Testamentsvollstrecker gesellschaftsfremde Interessen nicht verfolgen und auch solche Weisungen des Erblassers nicht beachten, die bereits bei ihrer Erteilung treuwidrig waren oder es im Wandel der Zeiten erst wurden. Wird der Testamentsvollstrecker auf solche Weise in die Gesellschaft integriert, kann seine Tätigkeit nicht am Abspaltungsverbot scheitern.

172 Die Vorschrift des § 2219 BGB normiert lediglich Schadensersatzansprüche des Erben, nicht hingegen solche der Nachlaßgläubiger oder sonstiger Dritter, vgl. MünchKomm.lBrandner, BGB, 2. Aufl., § 2219 Rz. 8. \73 Vgl. auch Schilling in Großkomm. HGB, 4. Aufl., § 177 Rz. 12; Ulmer, NJW 1990, 73, 81; Eschelbach, S. 84 ff.; Raddatz, S. 172 (jeweils fiir die Kommanditgesellschaft); Rieper, S. 170 ff.; unklar F1eck, FS R. Fischer, 107, 119; a.A Richardi, S. 38; Hüfoer, S. 119; Friedrich, S. 195. Noch nicht geklärt ist allerdings, wie sich die Treuepflicht des Testamentsvollstreckers dogmatisch begründen läßt, vgl. dazu unten § 7 I 2 a bb.

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§ 3. Erbrechtliche und gesellschaftsrechtliche Bedenken

m. Kollision der erbrechtlichen und gesellschaftsrechtlichen Haftungsgrundsätze Neben der vorwiegend erbrechtlichen Frage der Nachlaßzugehörigkeit vererbter Gesellschaftsanteile und dem gesellschaftsrechtlichen Problem der Fremdverwaltung in Personenverbänden sind es ganz besonders haftungsrechtliche Aspekte, die im Mittelpunkt der Diskussion um die Zulässigkeit der Testamentsvollstreckung im Gesellschaftsrecht stehen. Das Erbrecht beschränkt die Rechtsrnacht des Testamentsvollstreckers in §§ 2205, 2206 BGB auf den Nachlaß. Der Testamentsvollstrecker verwaltet nur den Nachlaß als Sondervermögen, er ist hingegen nicht befugt, den Erben über den Nachlaß hinaus mit seinem Privatvermögen zu verpflichten 174. Die vom Testamentsvollstrecker im Rahmen seiner Verpflichtungsmacht begründeten Verbindlichkeiten sind vielmehr Nachlaßverbindlichkeiten im Sinne des § 1967 BGBI75. Hierfür haftet der Erbe zwar zunächst persönlich und unbeschränkt, das Gesetz gibt ihm aber in § 2206 11 BGB die Möglichkeit, seine Haftung hinsichtlich der Nachlaßverbindlichkeiten nach allgemeinen Vorschriften l76 auf den Nachlaß zu beschränken 177. Aus gesellschaftsrechtlicher Sicht stehen dieser beschränkbaren Erbenhaftung namentlich im Recht der Personenhandelsgesellschaften zahlreiche Haftungsvorschriften gegenüber, die möglicherweise mit der im Belieben des Erben stehenden erbrechtlichen Haftungsbeschränkung in unüberwindbarem Widerspruch stehen. Und auch das Recht der GmbH ist nicht völlig frei von Haftungstatbeständen, die im Falle einer Testamentsvollstreckung zu einer Kollision mit der beschränkbaren Erbenhaftung führen können. Ob und gegebenenfalls wie mögliche Spannungsverhältnisse zwischen erbrechtlichen und gesellschaftsrechtlichen Haftungsnormen zu lösen sind, läßt 174 Von dieser Verpflichtungsbeschränkung kann auch der Erblasser den Testamentsvollstrecker nicht befreien; der Wortlaut des § 2207 BGB ist insofern mißverständlich, vgl. dazu MünchKornm./Brandner, BGB, 2. Aufl., § 2207 Rz. 2. 175 RGZ 132, 143, 144; KG OLGE 17, 354; Einmahl, AcP 160 (1961), StaudingerlReimann, BGB, 12. Aufl., § 2206 Rz. 16; MünchKornm./Brandner, BGB, § 2206 Rz. 14. Terminologisch genau handelt es sich um sog. Nachlaßerbenschulden, die dem Erbfall aufgrund eines nachiaßbezogenen Handelns entstehen, vgl. LangelKuchinke, 3. Aufl., § 49 V, S. 958. 176 Vgl. §§ 1975 ff., 1990 I, 2059 I BGB; 113 I Nr. 4 VerglO; 780 ff. ZPO. 177 Vgl. auch Motive in: Mugdan V, S. 234.

29, 36; 2. Aufl., erst nach Erbrecht,

III. Kollision der Haftungsgrundsätze

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sich aufgrund der Verschiedenartigkeit der gesellschaftsrechtlichen Haftungstatbestände nur rechtsforrnspezifisch beantworten. 1. Offene Handelsgesellschaft

In besonderer Deutlichkeit tritt die Kollision der erbrechtlichen und gesellschaftsrechtlichen Haftungssysteme im Hinblick auf eine Testamentsvollstreckung in der offenen Handelsgesellschaft zutage. Der Gesellschafter-Erbe, der aufgrund einer Nachfolgeklausel in die GesellschaftersteIlung des Erblassers einrückt, haftet nach §§ 128, 130 HGB gemeinsam mit den übrigen Gesellschaftern als Gesamtschuldner für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft persönlich und unbeschränkt. Geht man davon aus, daß der Testamentsvollstrecker zwar nicht organschaftlich, aber doch rechtsgeschäftlich geschäftsführungs- und vertretungsbefugt sein soll, so könnte er auf diesem Wege Gesellschaftsverbindlichkeiten begründen, für die dem Gesellschafter-Erbe seinerseits wegen § 2206 11 BGB jederzeit die Möglichkeit der erbrechtlichen Haftungsbeschränkung offen stehen müßte l78 Der Gesellschafter-Erbe würde vom persönlich und unbeschränkt haftenden Gesellschafter zum gegenständlich beschränkt haftenden Gesellschafter. Nun ließe sich freilich denken, den erbrechtlichen Regeln über die beschränkbare Erbenhaftung sei aufgrund des praktischen Bedürfnisses nach Anerkennung der Testamentsvollstreckung an Gesellschaftsanteilen der Vorrang vor den gesellschaftsrechtlichen Haftungsregelungen zu gewähren. Diese einzig von Baur l79 zu der insoweit vergleichbaren Haftungssituation einer Testamentsvollstreckung an einem Handelsgeschäft l80 vertretene Testamentsvollstrecker/ösung ist aber ebenso bestimmt wie zweifelsfrei abzulehnen. Zum einen spricht das Gesetz selbst in § 128 S. 2 HGB den zwingenden Charakter der unbeschränkbaren Gesellschafterhaftung aus. Und wenn darüber hinaus in

178 Zwar handelt der Testamentsvollstrecker bei Begründung der Gesellschaftsverbindlichkeiten in erster Linie filr die Gesellschaft, und nur mittelbar filr den Nachlaß. Daraus darf aber nicht gefolgert werden, daß dem Gesellschafter-Erben die Haftungsbeschränkung auf den Nachlaß verwehrt sei, weil es sich bei der vom Testamentsvollstrecker begründeten Gesellschaftsverbindlichkeit um keine Nachlaßverbindlichkeit handele; so aber Marotzke, JZ 1986, 457, 461; Hüfner, S. 131. Sie ist zumindest auch Nachlaßverbindlichkeit, und zwar zumindest insoweit, als eine Inanspruchnahme des Gesellschafter-Erben aus § 128 HGB in Betracht kommt, vgl. dazu auch Friedrich, S. 111 ff.

179 Baur, FS Dölle, 249, 261. Er hält sowohl Alt- wie Neugläubiger durch deren Zugriffsmöglichkeit auf den um die Surrogate erweiterten Nachlaß (§ 2041 BGB analog) und die Pflicht des Testamentsvollstreckers zur ordnungsgemäßen Verwaltung (§ 2216 BGB) rur hinreichend geschützt. 180 Vgl. dazu etwa RGZ 132, 138, 144; BGHZ 12, 100, 102; Brandner, FS Stimpel, 991 ff.; HaegeleIWinkler, Der Testamentsvollstrecker, Rz. 297 ff.

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§ 3. Erbrechtliche und gesellschaftsrechtliche Bedenken

§ 105 I HGB die offene Handelsgesellschaft als eine Gesellschaft definiert wird, bei der gegenüber Gesellschaftsgläubigern die Haftung keines Gesellschafters beschränkt ist, so ist damit eindeutig ein Gesellschaftstyp normiert, der eine beschränkbare Haftung ihrer Gesellschafter nicht zuläßt l81 . Die diesen Vorschriften zugrunde liegende Intention liegt auf der Hand. Das Recht der offenen Handelsgesellschaft kennt keine Vorschriften über die Aufbringung und Erhaltung eines Gesellschaftsvennögens, und im Rahmen vertraglicher Gestaltungsfreiheit ist es den Gesellschaftern sogar freigestellt, überhaupt ein Gesellschaftsvennögen zu bilden. Als Korrektiv hierzu bedarf es der in § 128 HGB normierten Zugriffsmöglichkeit der Gesellschaftsgläubiger auf das Privatvennögen der haftenden Gesellschafter. Eine Durchbrechung des in § 128 HGB normierten Grundsatzes der persönlichen und unbeschränkten Gesellschafterhaftung zugunsten der beschränkbaren Erbenhaftung kommt folglich nicht in Betracht I 82. Will man dem Testamentsvollstrecker die Verwaltung des Anteils an einer offenen Handelsgesellschaft ennöglichen, ist nach anderen Lösungswegen Ausschau zu halten.

a) Das Wahlrecht des Gesellschafter-Erben aus § J39 HGB und das Ausschlagungsrecht als Ansatz zur Lösung des Haftungswiderspruches

Da sich die unbeschränkbare Gesellschafterhaftung in der offenen Handelsgesellschaft als unabdingbares Element des Personengesellschaftsrechts erwiesen hat, und es auch dem Erblasser zwingend verwehrt ist, die Verpflichtungsmacht des Testamentsvollstreckers über den in §§ 2206, 2207 BGB festgelegten Rahmen hinaus zu erweitern, bleibt damit allein die Frage, ob es nicht etwa der Gesellschafter-Erbe selbst ist, der mit der Annahme der Erbschaft und der sich anschließenden Ausübung oder Nichtausübung des Wahlrechts aus § 139 I, III HGB der Testamentsvollstreckung den Weg ebnet. Vorrangiges Augenmerk gilt hierbei der haftungsrechtIich besonders relevanten Vorschrift des § 139 HGB. Der Gesellschafter-Erbe hat nach § 139 I, III HGB innerhalb einer Frist von drei Monaten die Möglichkeit, die Stellung eines Kommanditisten zu wählen. Macht er von diesem Recht Gebrauch und 181 Eine "OHG mit beschränkter Haftung" ist allenfalls dann vorstellbar, wenn sie sich ausschließlich aus juristischen rersonen zusammensetzt, deren Haftung auf das Gesellschaftsvermögen beschränkt ist (vgl. § 129 a HGB).

182 Vgl. auch H.P. Westermann, Vertragsfreiheit, S.366 f; Emmerich, ZHR 132 (1969), 297, 310; Holeh, DNotZ 1958,282,291; Buschmann, S. 23; Buß, S. 34 ff. Dieses Ergebnis wird letztendlich

auch durch die Vorschrift des Art. 2 EGHGB bestätigt, welche bei einem Aufeinandertreffen handelsrechtlicher Vorschriften und solchen des BGB die letzteren zurücktreten läßt, vgl. dazu etwa Brandner, FS Stimpel, 991, 995 ff.

III. Kollision der Haftungsgrundsätze

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nehmen die übrigen Gesellschafter einen dahingehenden Antrag an, so haftet er für die bis zu diesem Zeitpunkt entstandenen Gesellschaftsverbindlichkeiten nach erbrechtlichen Vorschriften, d.h. er hat die Möglichkeit der erbrechtlichen Haftungsbeschränkung 183 . Wählt er hingegen nicht die Stellung eines Kommanditisten und bleibt persönlich haftender Gesellschafter, so haftet er sowohl für die Altverbindlichkeiten wie auch für die künftigen Verbindlichkeiten der Gesellschaft nach §§ 130, 128 HGB persönlich und unbeschränkbar 184 . Zuweilen wird nun in diesem Regelungsgehalt des § 139 HGB eine Möglichkeit erblickt, die haftungsrechtlichen Divergenzen zwischen Erbrecht und Gesellschaftsrecht zu überwinden. So findet sich die Auffassung, mit der Nichtausübung des Wahlrechts aus § 139 I, III HGB und der damit verbundenen unbeschränkten Gesellschafterhaftung aus §§ 130, 128 HGB verzichte der Gesellschafter-Erbe zugleich freiwillig auf die Möglichkeit der erbrechtlichen Haftungsbeschränkung 185 . Wähle er nicht die Stellung eines Kommanditisten, hafte er ausschließlich nach Gesellschaftsrecht. Das gelte ganz unabhängig davon, ob für den Gesellschaftsanteil Testamentsvollstreckung angeordnet worden sei oder nicht. Der Gesellschafter-Erbe könne im Hinblick auf seine künftige Haftung frei entscheiden und sei durch § 139 HGB hinreichend geschützt, da allein ihm das dort normierte Wahlrecht zustehe 186 . Der Verlust erbrechtlicher Haftungsbeschränkungsmöglichkeiten sei folglich auf sein eigenes Verhalten zurückzuführen 187 . Wolle er sich der damit verbundenen unbeschränkten Verpflichtungsmacht des Testamentsvollstreckers nicht unterwer183 Das ist freilich nicht ganz genau, denn den Gesellschafter-Erben soll nach heute h.M. neben der erbrechtlichen Haftung filr die bis zur Umwandlung entstandenen Gesellschaftsverbindlichkeiten auch die gesellschaftsrechtliche Haftung des eintretenden Kommanditisten nach §§ 173, 171 f HGB treffen, d.h. er haftet persönlich, aber auf die Höhe der Einlage beschränkt, wenn diese noch nicht erbracht oder an den Erblasser zurückgezahlt wurde. Für diese Haftung soll die Möglichkeit der erbrechtlichen Haftungsbeschränkung nicht bestehen, vgl. dazu K. Schmidt, ZGR 1989,445 ff. 184 Das ist im Hinblick auf die Altverbindlichkeiten der Gesellschaft umstritten, aber doch h.M., vgl. A. Hueck, OHG, 4. Aufl., § 28 v I, S. 428; H. Westermann, Personengesellschaften, Rz.491; Wiedemann, Übertragung, S. 242; BaumbachIDuden/Hopt, HGB, 28. Aufl., § 139 Anm. 1 D; aA Liebisch, ZHR 116 (1954), 128, 154 f

185 Weiler, DNotZ 1952, 283, 295; Einmahl, AcP 160 (1961), 29, 35 ff.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 2. Aufl., § 45 V 7, S. 1114; Hüfner, S. 130 ff.; Rehmann, BB 1985,297,299; vgl. auch Buß, S. 39 ff.;Emmerich, ZHR 132 (1969), 297, 309 fund 321 f; differenzierend Marotzke, JZ 1986,459,462 f. 186 Einmahl, AcP 160 (1961), 29, 37. 187 Ergänzend wird auf die Fälle der §§ 1994 I 2, 2005 BGB verwiesen. Auch dort verliere der

Erbe die Möglichkeit der erbrechtlichen Haftungsbeschränkung, ohne daß es darauf ankomme, ob die Verbindlichkeiten vor oder nach dem Erbfall entstanden seien. Dennoch sei auch in diesen Fällen die Testamentsvollstreckung möglich, vgl. Emmerich, ZHR 132 (1969), 297, 304 f; Buß, S. 41; Marotzke, JZ 1986,459,464.

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§ 3. Erbrechtliehe und gesellschaftsrechtliche Bedenken

fen und sei er auch an der Stellung eines Kommanditisten nicht interessiert, müsse er eben die gesamte Erbschaft nach §§ 1942 ff. BGB ausschlagen und gegebenenfalls nach § 2306 I 2 BGB den Pflichtleilsanspruch geltend machen l88 . Nun läßt sich in der Tat kaum bestreiten, daß mit der Ausübung oder Nichtausübung der Wahlmöglichkeiten aus § 139 I, III HGB aus gesellschaftsrechtlicher Sicht zugleich die Frage der erbrechtlichen Haftung entschieden wird. Allerdings ist die Annahme, der Gesellschafter-Erbe unterwerfe sich durch die Wahl der Stellung eines unbeschränkt haftenden Gesellschafters zugleich der unbeschränkten Verpflichtungsmacht des Testamentsvollstreckers, doch recht lebensfremd, zumal § 139 HGB lediglich die erbrechtliche Haftung für bereits bestehende, nicht hingegen für künftige Gesellschaftsverbindlichkeiten regelt. Der Gesellschafter-Erbe wird sich der Tragweite seiner Entscheidung in aller Regel überhaupt nicht bewußt sein. Ungeachtet dessen ist bereits die behauptete Freiwilligkeit der Entscheidung des Gesellschafter-Erben keinesfalls zwingend gewährleistet. So wird zum einen vielerorts vertreten, auf das Wahlrecht des Erben könne wegen § 139 V HGB zwar nicht gesellschaftsvertraglieh, aber doch letztwillig eingewirkt werden, sei es durch eine Auflage nach §§ 1942, 2192 BGB, die Befugnisse aus § 139 HGB dem Testamentsvollstrecker zu überlassen, oder durch ein Vermächtnis zugunsten der übrigen Gesellschafter, vom Erben die Ausübung des Wahlrechts in der gewünschten Form verlangen zu können l89 . Freilich wird man einer derartigen Ansicht kaum folgen können, will man den mit der Vorschrift des § 139 HGB bezweckten Schutz des Erben nicht über die Hintertür letztwilliger Gestaltungen wieder vollkommen entwerten l90 . Dennoch birgt dieser Streit gewisse Unwägbarkeiten, zumal eine höchstrichterliche Entscheidung hierzu noch aussteht. Zum anderen aber verrät auch ein Blick in § 13911 HGB, daß nicht allein der Gesellschafter-Erbe darüber zu entscheiden hat, ob er die gewünschte Stellung eines Kommanditisten erhält. Vielmehr können die übrigen Gesellschafter einen dahingehenden Antrag des Gesellschafter-Erben ohne weiteres ablehnen. Dann hat er nur noch die Möglichkeit, aus der Gesellschaft auszuscheiden oder unbeschränkt 188

Weiler, DNotZ 1952, 283, 296; Holeh, DNotZ 1958, 282, 295; Einmahl, AcP 160 (1961),

29,38. 189 Vgl. SehlegelbergerlGeßler, HGB, 4. Aufl., § 139 Rz. 5; RGRKlWeipert, HGB, 2. Aufl., § 139 Anrn. 2; A. Hueek, OHG, 4. Aufl., § 28 II 1, S. 408; Sehmitz-Valekenberg, S. 4l. 190 Vgl. Wiedemann, Übertragung, S. 167; Siebert, FS A Hueck, 321, 337 in Fn. 38; konsequent auch Emmerieh, ZHR 132 (1969), 297, 321 in Fn. 76.

III. Kollision der Haftungsgrundsätze

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haftender Gesellschafter zu bleiben l91 . Die Motive, die den GesellschafterErben zuletzt doch zu einem Verbleib in der Gesellschaft bewegen, können gerade in Familiengesellschaften die Freiwilligkeit seiner Entscheidung weit in den Hintergrund drängen. Nun stützt man sich zur Überwindung der haftungsrechtlichen Divergenzen zwischen Gesellschaftsrecht und Erbrecht aber nicht ausschließlich auf das Wahlrecht des Gesellschafter-Erben aus § 139 I, III HGB, vielmehr wird ergänzend oder unabhängig davon die Annahme der Erbschaft herangezogen, um einen konkludenten Verzicht des Gesellschafter-Erben auf die erbrechtliche Möglichkeit der Haftungsbeschränkung auch für die vom Testamentsvollstrecker begründeten Gesellschaftsverbindlichkeiten zu begründen l92 . Dem Gesellschafter-Erbe sei es nach den Vorschriften der §§ 1942 I, 1944 I BGB möglich, die Erbschaft binnen einer Frist von sechs Wochen auszuschlagen. Schlage er aus, werde er nach § 1953 I BGB so behandelt, als sei er niemals Erbe und damit auch niemals Gesellschafter geworden. Schlage er die Erbschaft hingegen nicht aus, sei mit ihr die Testamentsvollstreckung untrennbar verbunden l93 . Weil die Erbschaft eine unentgeltliche Zuwendung sei, müsse sich der Gesellschafter-Erbe, der von der Testamentsvollstreckung wisse, dann auch mit den entsprechenden Haftungsrisiken abfinden 194. Für den Fall, daß der Gesellschafter-Erbe die Erbschaft angenommen habe, ohne von der Anordnung der Testamentsvollstreckung zu wissen, sei er durch die Möglichkeit, seine Annahmeerklärung nach §§ 1954 ff., 119 11 BGB wegen Irrtums über eine verkehrswesentliche Eigenschaft anzufechten, hinreichend geschützt 195 . Man wird kaum annehmen können, daß der Gesetzgeber durch die Regelungen zur Annahme der Erbschaft derart weitreichende Folgen, wie sie in einer unbeschränkten Verpflichtungsmacht des Testamentsvollstreckers zu erblicken sind, überhaupt im Auge hatte. Das wird schon allein durch die Existenz der Vorschrift des § 2206 11 BGB bestätigt. Wenn dort dem Erben das

191 Vgl. auch H.P. Westermann, Vertragsfreiheit, S. 367. Freilich kann der Gesellschaftsvertrag abweichend von der Regelung des § 139 II HGB die Wahl des Gesellschafter-Erben von der Zustimmung der übrigen Gesellschafter unabhängig machen; § 139 V HGB steht dem nicht entgegen, da der Gesellschafter-Erbe durch eine solche Regelung nur begünstigt wird. 192 Weiler, DNotZ 1952,283,296; Einmahl, AcP 160 (1961), 29, 38; Marotzke, JZ 1986,459, 463; auch Donner, DNotZ 1944, 143, 146, der im lnnenverhältnis zwischen Testamentsvollstrecker und Gesellschafter-Erben allerdings nur eine Weisungsbefugnis des Testamentsvollstreckers annimmt.

193 Weiler, DNotZ 1952, 283, 296; Holeh, DNotZ 1958, 282, 295; ebenso Sommer, DNotZ 1936,937,941.

194 So Donner, DNotZ 1944, 143, 146; Holeh, DNotZ 1958,282,295. 195 Marotzke, JZ 1986,459,463.

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§ 3. Erbrechtliche und gesellschaftsrechtliche Bedenken

Recht zugebilligt wird, fur die vom Testamentsvollstrecker begründeten Verbindlichkeiten die erbrechtliche Haftungsbeschränkung geltend zu machen, so kommt darin zum Ausdruck, daß eben nicht bereits mit der Annahme der Erbschaft konkludent der Verzicht auf die erbrechtliche Haftungsbeschränkung erklärt wird. Das gilt unabhängig davon, ob sich im Nachlaß die Beteiligung an einer offenen Handelsgesellschaft befindet oder nicht. Zudem vermag der Venveis auf das Ausschlagungsrecht dann nicht zu überzeugen, wenn sich im Nachlaß noch andere Gegenstände von nicht unbedeutendem Wert befinden. Da das Erbrecht eine Teilausschlagung nicht kennt, müßte der Erbe die gesamte Erbschaft ausschlagen, wenn er sich vor den mit einer Testamentsvollstreckung verbundenen Risiken furchtet. Das aber ist schlechterdings unbillig. Im Ergebnis kann jedenfalls auch das Ausschlagungsrecht keinen hinreichenden Schutz vor den mit einem fremdvenvalteten OHG-Anteil verbundenen, völlig unabsehbaren Haftungsrisiken bieten 196 . b) Sittenwidrigkeit der Testamentsvollstreckung in der offenen Handelsgesellschaft Aber auch wenn man entgegen der zuvor geäußerten Zweifel eine Übenvindung der haftungsrechtlichen Divergenzen durch die Annahme der Erbschaft und der Nichtausübung des Wahlrechts aus § 139 I, III HGB für möglich halten sollte, so verbleiben doch aus anderen, allgemein-rechtlichen Gründen erhebliche Einwände gegen die Zulässigkeit der Testamentsvollstreckung in einer offenen Handelsgesellschaft. Wenn nämlich behauptet wird, es sei der Gesellschafter-Erbe selbst, der durch die Annahme der Erbschaft und die Nichtausübung des Wahlrechts konkludent der Testamentsvollstreckung zustimme, so muß man doch im Anschluß daran zwangsläufig fragen, ob denn unsere Rechtsordnung unter dem Blickwinkel der sittenwidrigen Selbstentmündigung überhaupt rechtsgeschäftliche Erklärungen gestattet, die den Erklärenden mit seinem gesamten Vermögen unwiderruflich der unbeschränkten Verpflichtungsmacht eines Dritten aussetzen. Grundsätzlich gibt unsere Rechtsordnung jedem Einzelnen das Recht, seine privatrechtlichen Lebensverhältnisse beliebig zu gestalten. Es gilt insoweit der Grundsatz der Privatautonomie. Die Privatautonomie wird aber nicht nur

196 Gegen eine solch weitreichende Bedeutung des Ausschlagungsrechts auch Siebert, FS A Hueck, 321, 336; Richardi, S. 32; Buß, S. 71 ff.; ferner H.P. Westermann, Vertragsfreiheit, S. 374 f.; Nordemann, NJW 1963, 1139, 1140; Richardi, S. 51.

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durch verschiedene gesetzliche Verbote l97 , sondern in besonderem Maße auch durch die Generalklausei des § 138 BGB begrenzt. Sie verbietet sittenwidrige Rechtsgeschäfte, und es entspricht insoweit einhelliger Auffassung, daß die rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit des Einzelnen aus Gründen einer sittenwidrigen Selbstentmündigung dort ihre Grenzen findet, wo der Schutz seiner wirtschaftlichen Selbstbestimmung nicht mehr gewährleistet ist l98 . Eine gesetzgeberische Bestätigung findet das in der Vorschrift des § 310 BGB, die Verträge, durch die sich der eine Teil verpflichtet, sein künftiges Vermögen oder einen Bruchteil seines künftigen Vermögens zu übertragen oder mit einem Nießbrauch zu belasten, für nichtig erklärt. Wiedemann l99 bringt aus handelsrechtlicher Sicht auch die Vorschrift des § 52 I HGB in die Diskussion ein. Sie bestimmt als Kehrseite der weitgehenden Vertretungsmacht des Prokuristen zwingend die Widerruflichkeit der Prokura und will damit gerade die Selbstentmündigung verhindern. Wer als Kaufmann persönlich haftet, soll sich nicht unbeschränkt der Verpflichtungsmacht eines Dritten unterwerfen können, ohne dessen Person ein stets aktualisiertes Vertrauen entgegenzubringen2oo . Von besonderem Interesse ist in diesem Zusammenhang zuletzt auch eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 12.7.1965 201 . Dort hatte sich der Gesellschafter einer offenen Handelsgesellschaft durch eine Vereinbarung mit den übrigen Gesellschaftern dazu verpflichtet, die Ausübung seiner gesamten gesellschafterlichen Rechte auf Lebenszeit einem sogenannten Treuhänder zu übertragen, ohne an dessen Auswahl mitwirken oder ihm Weisungen erteilen und ihn abberufen zu können. Der Bundesgerichtshof entschied, der Gesellschafter habe sich in weiten Bereichen seines wirtschaftlichen Betätigungsfeldes der freien Selbstbestimmung begeben. Gerade unter Berücksichtigung der unbeschränkten persönlichen Haftung für Gesellschaftsverbindlichkeiten sei die Vereinbarung daher nach § 138 BGB nichtig. Ein Gesellschafter-Erbe, der einer Testamentsvollstreckung über seine Beteiligung an einer offenen Handelsgesellschaft unwiderruflich zustimmt, tut

197 Vgl. dazu Larenz, Allgemeiner Teil des deutschen Bürgerlichen Rechts, 7. Aufl, § 22 II,

S. 429 ff.

198 Anschaulich wird das in Art. 27 II des schweizerischen Zivilgesetzbuches fonnuliert: "Niemand kann sich seiner Freiheit entäußern oder sich in ihrem Gebrauch in einem das Recht oder die Sittlichkeit verletzenden Grade beschränken."

199 Wiedemann, Übertragung, S. 325. 200 So hat auch das OLG München, JFG Bd. 14 (1937), 428, 433 ff., eine testamentarische Anordnung, die den Erben zur Erteilung einer unwiderruflichen Generalvollmacht und Prokura verpflichten sollte, als sittenwidig behandelt; vgl. ferner K. Schmidt, Handelsrecht, 3. Aufl., § 16 III 5, S.429. 201 BGHZ 44, 158 ff.

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§ 3. Erbrechtliche und gesellschaftsrechtliche Bedenken

aber ebenfalls nichts anderes, als sich mit seinem gesamten Vermögen der unbeschränkten Verpflichtungsmacht eines Dritten zu unterwerfen. Auch er hat keine Möglichkeit, auf die Auswahl des Testamentsvollstreckers Einfluß zu nehmen, und mit einer Dauer von bis zu 30 Jahren gibt § 2210 BGB der Testamentsvollstreckung einen zeitlichen Rahmen, der in Anbetracht des unabsehbaren Haftungsrisikos für den Gesellschafter-Erben die Annahme einer sittenwidrigen (Selbst-)Entmündigung ebenfalls unterstützt. Nun ist allerdings die Sittenwidrigkeit eines Rechtsgeschäfts unter Berücksichtigung aller wesentlichen Umstände des Einzelfalls zu beurteilen202 , und es darf deshalb nicht unberücksichtigt bleiben, daß das Rechtsinstitut der Testamentsvollstreckung in den Vorschriften der §§ 2216, 2218, 2219, 2227 BGB zugunsten des Erben gewisse Schutzmechanismen bereit hä1t 203 . Der Testamentsvollstrecker ist gemäß § 2216 BGB zur ordnungsgemäßen Verwaltung des Nachlasses verpflichtet, und wenn er diese Pflicht schuldhaft verletzt, hat er nach § 2219 BGB dem Erben den entstandenen Schaden zu ersetzen. Nach §§ 2218, 666 BGB hat der Erbe gegen den Testamentsvollstrecker ein Recht auf Auskunft und Rechnungslegung, und zudem gibt § 2227 BGB dem Erben die Möglichkeit, bei Vorliegen eines wichtigen Grundes die Entlassung des Testamentsvollstreckers beim Nachlaßgericht zu beantragen. Zuletzt darf auch nicht vergessen werden, daß der Gesellschafter-Erbe ja nicht nur durch den Testamentsvollstrecker, sondern auch durch die Mitgesellschafter mit seinem gesamten Vermögen verpflichtet werden kann204 . Indes vermögen auch diese Gesichtspunkte am Ergebnis einer sittenwidrigen Selbstentmündigung des Gesellschafter-Erben durch seine - konkludente Zustimmung zur Testamentsvollstreckung nichts zu ändern. Soweit der Gesellschafter-Erbe in gleichem Maße durch die übrigen Gesellschafter verpflichtet werden kann, ist zu berücksichtigen, daß diese zugleich sich selbst mitverpflichten. Das wirkt bei der Begründung von Gesellschaftsverbindlichkeiten in aller Regel als natürliches Korrektiv für ein gewissenhaftes Wirtschaften ohne übermäßige unternehmerische Risiken 205 . Allein die Haftung des Testamentsvollstreckers aus § 2219 BGB kann ein solches Korrektiv nicht ersetzen206 . Zwar können Schadensersatzpflichten durchaus auch präventiv 202 Vgl. nur MünchKomm.lMayer-Maly, BGB, 2. Aufl. § 138 Rz. 24 mwN. 203 Darauf stellen Holeh, DNotZ 1958,282, 295, und Marotzke, JZ 1986, 459, 464 ff. ab; vgl. auch BGHZ 12, 100, 103 zur Testamentsvollstreckung an einem Handelsgeschäft. 204 Ein Gesichtspunkt, auf den insbesondere Marotzke, JZ 1986, 459, 462 und 464 f., mit Nachdruck hinweist. 205 Vgl. Wüst, JZ 1989,270,271. 206 Vgl. auch Wiedemann, Übertragung, S. 330; Emmerieh, ZHR 132,297,323; Buß, S. 64.

III. Kollision der Haftungsgrundsätze

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wirken, die Haftung aus § 2219 BGB aber ist verschuldensabhängig. Gerade in einem risikofreudigen kaufmännischen Handeln wird sich nur selten eine schuldhafte Pflichtverletzung erblicken lassen, und sie wird sich noch schwieriger nachweisen lassen, zumal der Testamentsvollstrecker auch in unternehmerischen Fragen nach seinem Ermessen entscheidet und dieses Ermessen gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar ist207 . Zudem hilft auch ein noch so begründeter Schadensersatzanspruch nichts, wenn beim Schuldner nichts zu holen ist. Man könnte nun einwenden, die Testamentsvollstreckung müsse aber doch zumindest dann möglich sein, wenn als Testamentsvollstrecker ein Mitgesellschafter benannt werde. In der Tat erfährt insoweit selbst der in § 52 I HGB normierte Grundsatz des jederzeit möglichen Widerrufs einer Prokura eine geseIlschaftsrechtliche Durchbrechung: der Widerruf läßt sich in entsprechender Anwendung der §§ 117, 127, 161 11 HGB ebenfalls auf das Vorliegen eines wichtigen Grundes beschränken, wenn die Prokura einem Kommanditisten mit Rücksicht auf dessen GesellschaftersteIlung erteilt wird 208 . Auf den Fall der Testamentsvollstreckung hat das jedoch keinerlei Auswirkung. Die Sachlage ist insofern eine vollkommen andere, als mit der Testamentsvollstreckung eine vollständige Verdrängung des Gesellschafter-Erben aus den gesell schafterlichen Kontroll- und Mitspracherechten bezweckt ist. Es ist aber unter anderem gerade die sich aus der Existenz dieser Rechte ergebende Möglichkeit ihrer Ausübung, welche die persönliche und unbeschränkte Haftung des Gesellschafters rechtfertigt209. Aus eben diesem Grunde verdient auch die gelegentlich vorgebrachte Auffassung, eine Testamentsvollstreckung müsse jedenfalls dann möglich sein, wenn der Testamentsvollstrecker zur Geschäftsführung und zur Vertretung der Gesellschaft nicht befugt sei 21O, keine Zustimmung. Zwar vermag in diesem Fall der Testamentsvollstrecker im Außenverhältnis keine Gesellschaftsverbindlichkeiten zu begründen, so daß mangels einer entsprechenden Handlung des Testamentsvollstreckers eine Kollision zwischen der erbrechtlich beschränkten Verpflichtungsmacht des Testamentsvollstreckers und der persönlichen und unbeschränkten Haftung des Gesellschafter-Erben auf den ersten Blick nicht besteht. Maßgebend ist aber die Tat207 Vgl. BGH NJW-RR 1990, 1420, 1422. 208 BGHZ 17, 392, 394 ff.; Joost in Großkomm. HGB, 4. Aufl., § 52 Rz. 5. 209 Damit befmdet man sich im Umfeld des von Siebert, FS A Hueck, 321, 335 aufgestellten Satzes, daß eine Haftung ohne Herrschaft außerhalb der Fälle notwendiger gesetzlicher Vertretung nicht existiere. Allgemeine Gültigkeit kann diese Aussage allerdings nicht beanspruchen, vgl. Buß, S. 45 f.; Friedrich, S. 154 ff.; auch Wiedemann, Übertragung, S. 327 ff.; Richardi, S. 34.

210 Bommert, BB 1984, 178, 182; vgl. auch Marotzke, JZ 1986, 459, 465 f.; LangeIKuchinke, Erbrecht, 3. Aufl., § 29 V 7 c, S. 485 in Fn. 186.

§ 3. Erbrechtliche und gesellschaftsrechtliche Bedenken

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sache, daß eben auch einem von der Geschäftsführung und Vertretung ausgeschlossenen Gesellschafter angesichts seiner sonstigen Mitwirkungsrechte ein nicht unerhebliches Maß an Mitbestimmung verbleibt, das ihm zumindest einen mittelbaren Einfluß auf seine Haftung sichert211 . Auch hinsichtlich dieser verbleibenden Mitwirkungsrechte kann er sich nicht völlig in die Hände eines Dritten begeben, ohne sich zugleich in sittenwidriger Weise selbst zu entmündigen212 . Schließlich hilft auch die Möglichkeit des Gesellschafter-Erben, beim Nachlaßgericht nach § 2227 BGB die Entlassung des Testamentsvollstreckers zu beantragen, nicht mehr über die Sittenwidrigkeit der Testamentsvollstreckung hinweg. Einmal hätte der Gesellschafter-Erbe das Vorliegen eines wichtigen Grundes zu beweisen, und das dürfte ihm in unternehmerischen Angelegenheiten schwer fallen213 . Zum anderen aber hilft der Weg über § 2227 BGB dem Gesellschafter-Erben unter Umständen erst dann, wenn es bereits zu spät ist und sich das mit der Testamentsvollstreckung für ihn verbundene Haftungsrisiko voll verwirklicht hat. Wenn sich nach alledem der Gesellschafter-Erbe nicht einmal freiwillig der unbeschränkten Verpflichtungsmacht des Testamentsvollstreckers wirksam unterwerfen kann, darf ihm auch der Erblasser eine solche Bevormundung nicht aufdrängen. In der letztwilligen Anordnung der Testamentsvollstreckung ist folglich nichts anderes als eine sittenwidrige Knebelung des GesellschafterErben zu erblicken 214, soweit ihm dadurch die Mitwirkung in inneren Angelegenheiten der Gesellschaft verwehrt werden so1l2l5. An dieser Feststellung vermag auch der vereinzelt anzutreffende Hinweis, daß die Zuwendung der Erbschaft schließlich unentgeltlich erfolge 216 , nichts zu ändern. Zweifelhaft ist bereits, ob im Zusammenhang mit der Zuwendung von Anteilen eines nach §§ 128, 130 HGB haftenden Gesellschafters überhaupt von "Unentgeltlichkeit" gesprochen werden kann. Die wohl überwiegende Auffassung verneint das grundsätzlich für den Fall der Schenkung, weil gerade in der Übernahme der persönlichen Haftung des Gesellschafters und seiner Verpflichtung zur Mitar-

211 Ganz abgesehen davon wäre der Testamentsvollstrecker durch die Ausübung des Stinunrechts oder durch eine Zustimmung zu ungewöhnlichen Geschäften nach § 116 II HGB zumindest mittelbar in der Lage, Gesellschaftsverbindlichkeiten zu begründen, vgl. Wiedemann, Übertragung, S. 322. 212 ln diesem Sinne insbesondere BGHZ 44, 158, 159 ff.

213 Vgl. dazu BGH NJW-RR 1990, 1420, 1422. 214 lm Ergebnis ebenso

Buß, S. 68.

Emmerieh, ZHR 132 (1969), 297, 317 ff.; Siebert, FS Hueck, 321, 336;

215 Es macht auch wenig Sinn, dem Testamentsvollstrecker nur einzelne Mitverwaltungs- oder Kontrollrechte des Gesellschafter-Erben zur Ausübung zu überlassen. Das fuhrt zu Rechtsunsicherheiten und wird in aller Regel kaum im Interesse des Erblassers und der übrigen Gesellschafter liegen.

216 Donner, DNotZ 1944, 143, 146; Holeh, DNotZ 1958,282,295.

Hr. Kollision der Uaftungsgrundsätze

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beit in der Gesellschaft (§ 114 HGB) eine entsprechende Gegenleistung zu erblicken sei2l7 . Entsprechendes muß auch hier gelten. Es ist der GesellschafterErbe, den die persönliche Haftung aus §§ 128, 130 HGB trifft. Die damit gerade im Falle der Testamentsvollstreckung verbundenen Risiken werden durch die "unentgeltliche" Zuwendung der Gesellschaftsbeteiligung nicht gemildert, sie werden im Grunde vielmehr erst geschaffen. Auch die "Unentgeltlichkeit" der Zuwendung kann daher schwerlich die Unterwerfung des Zuwendungsempfangers unter die Verpflichtungsrnacht eines Dritten rechtfertigen. Das so gefundene Ergebnis wird zu guter letzt auch durch eine seinerzeit aufsehenerregende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts 218 bestätigt. In dem Leitsatz der Entscheidung heißt es: "Es sei mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht Minderjähriger (Art. 2 I i. v.m. Art. 1 I GG) nicht vereinbar, daß Eltern ihre Kinder kraft elterlicher Vertretungsmacht (§ 1926 BGB) bei Fortführung eines ererbten Handelsgeschäftes in ungeteilter Erbengemeinschaft finanziell unbegrenzt verpflichten können." In den Entscheidungsgriinden wurde unter anderem ausgeführt, eine "Fremdbestimmung" habe der Gesetzgeber zwar im Bereich der gewillkürten Vertretung vorgesehen, anders als es dort der Fall sei, könne aber das minderjährige Kind nicht auf die Vertretungsbefugnis seiner Eltern einwirken. Die Wirkungen des elterlichen Vertretungsrechts seien noch hinnehmbar, wenn sich die Haftung des Minderjährigen bei einern ererbten und fortgeführten Handelsgeschäft auf das im Wege der Erbfolge erworbene Vermögen beschränke. Es sei aber mit dem Recht des Minderjährigen auf individuelle Selbstbestimmung nicht zu vereinbaren, wenn Eltern ihre minderjährigen Kinder kraft der ihnen zustehenden Vertretungsmacht mit erheblichen Schulden in die Volljährigkeit "entlassen" könnten. Diese Erwägungen treffen auf die Testamentsvollstreckung in einer offenen Handelsgesellschaft in gleichem Maße zu. Das Ausschlagungsrecht des Gesellschafter-Erben und sein Wahlrecht aus § 139 HGB ändern daran bekanntlich nichts, weil die mögliche Gesellschafterhaftung des Erben zum Zeitpunkt der Ausübung seiner Rechte in ihrem Umfang völlig unabsehbar bleibt.

217 BOU LM Nr. 3 zu § 516; BOU WM 1965,359; SoergeVMühl, BOB, 11. Aufl., § 516 Rz. 19; StaudingerlReus, BOB, 12. Aufl., § 516 Rz. 47; differenzierend BOU NJW 1981, 1956. Teilweise wird eine gemischte Schenkung befiirwortet, vgl. WiedemannIHeinemann, DB 1990, 1649, 1651 mwN. 218

BVerfGE 172, 155, 170 ff.

§ 3. Erbrechtliehe und gesellschaftsrechtliche Bedenken

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c) Unzu/ässigkeit der Testamentsvollstreckung bei Unüberwindbarkeit der Haftungswiderspyüche?

Die bisherigen Ausführungen haben gezeigt, daß eine verwaltende Testamentsvollstreckung in der offenen Handelsgesellschaft nicht durchführbar ist, sofern der Gesellschafter-Erbe dadurch vollständig an der Wahrnehmung seiner mitgliedschaftlichen Befugnisse gehindert werden soll. Damit stellt sich die Frage, ob die Anordnung der Testamentsvollstreckung ihre beabsichtigte Wirkung vollkommen verfehlt und der Testamentsvollstrecker aus diesem Grunde den Gesellschaftsanteil unter den Voraussetzungen des § 2217 BGB dem Gesellschafter-Erben zur freien Verfügung zu überlassen hat. Das ist im Ergebnis zu verneinen. Die Vorschrift des § 2084 BGB gebietet es, dem letzten Willen des Erblassers im Rahmen des rechtlich Möglichen Geltung zu verschaffen, sei es im Wege der Auslegung oder der Umdeutung des Testaments219 . Man hat deshalb zunächst nach Ersatz/ösungen gesucht, die dem Rechtsinstitut der Testamentsvollstreckung möglichst nahe kommen. Gedacht wurde hierbei insbesondere an eine Umdeutung der letztwillig angeordneten Testamentsvollstreckung in ~ine Auflage zur treuhänderischen Übertragung des Gesellschaftsanteils auf den benannten Testamentsvollstrecker, oder an eine Auflage, diesen umfassend zu bevollmächtigen 22o . Die Zulässigkeit und inhaltliche Ausgestaltungen derartiger Hilfskonstruktionen sind allerdings überaus zweifelhaft. Sie werden an anderer Stelle daher noch eingehend zu beleuchten sein221 . Ungeachtet der vorgeschlagenen Hilfskonstruktionen ist aber auch zu fragen, ob denn die angeordnete Testamentsvollstreckung nicht wenigstens partielle Rechtswirkungen entfalten kann. Hier sind es insbesondere die in § 717 S. 2 BGB für übertragbar erklärten vermögensrechtlichen Positionen eines Gesellschafters sowie die Verfogungsbefugnis über die Mitgliedschaft in ihrer Gesamtheit, die im Mittelpunkt der Diskussionen um partielle Machtbefugnisse des Testamentsvollstreckers stehen. Der IVa-Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat in einer neueren und vieldiskutierten Entscheidung222 die genannten Rechte dem Testamentsvollstrecker zur Ausübung zugewiesen und zur Veranschaulichung die Formel von der "Testamentsvollstreckung an der Außenseite eines Gesellschaftsanteils" geprägt. Präzisere Aussagen ließ er allerdings vermissen und öffnete so Spekulationen über die Tragweite seiner Entschei219 Vgl.

StaudingerlReimann, BGB, 12. Aufl., § 2084 Rz. I.

220 Vgl. RGZ 172, 199,204 f.; BGHZ 12, 100, 103; BGHZ 24, 106, 112. 221 Unten

§§ 14, 15 und 16.

222 BGHZ 98, 48, 57.

III. Kollision der Haftungsgrundsätze

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dung Tür und Tor. Ob und gegebenenfalls in welchen Grenzen eine Testamentsvollstreckung am Anteil eines nach § 128 HGB haftenden Gesellschafter-Erben in dieser Form tatsächlich möglich ist, soll im Zusammenhang mit den Kompetenzen des Testamentsvollstreckers an den einzelnen Mitgliedschaftsrechten erörtert werden223 . 2. Kommanditgesellschaft

Hinsichtlich der Gesellschafterhaftung in einer Kommanditgesellschaft ist zwischen Komplementären und Kommanditisten zu unterscheiden. Der Komplementär haftet den Gesellschaftsgläubigern für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft gemäß §§ 161 11, 128-130 HGB wie der Gesellschafter einer offenen Handelsgesellschaft persönlich und unbeschränkt. Insofern kann auf die vorangegangen Ausführungen verwiesen werden. Vollkommen anders stellt sich hingegen die Haftungssituation des Kommanditisten dar. Zwar kann auch er von Gesellschaftsgläubigern für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft in Anspruch genommen werden, doch ist seine Haftung nach § 171 I HS. 1 HGB summenmäßig auf die in das Handelsregister einzutragende Haftsumme 224 beschränkt, und sie trifft ihn nach §§ 171 I, 172 IV HGB nur, soweit er die Hafteinlage nicht in Höhe der deklarierten Haftsumme erbracht hat oder ihm etwas aus dem Gesellschaftsvermögen zurückgezahlt wurde. Dafür ist der Kommanditist nach dem gesetzlichen Leitbild der §§ 164, 170 HGB aber auch von der Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis ausgeschlossen. Betrachtet man sich diese Ausgangslage, so scheinen einer Testamentsvollstreckung an einem Kommanditanteil aus haftungsrechtlicher Sicht auf den ersten Blick keine durchgreifenden Bedenken entgegenzustehen. Gleichwohl verbergen sich aber auch hier zahlreiche Probleme, die es zu überwinden gilt. a) Haftung des Gesellschafter-Erben bei noch nicht erbrachter Hafteinlage

Soweit ein Kommanditist die Hafteinlage nicht erbracht hat, haftet er nach § 171 I HS. 1 HGB bis zur Höhe der deklarierten Haftsumme für die Verbind223 Unten § 7 11. 224 Von der Haftsumme zu unterscheiden ist die sogenannte Pflichteinlage. Die Haftsumme bezeichnet die Höhe der im Gesellschaftsvertrag vereinbarten und im Handelsregister einzutragenden "Einlage" und betrifft die Außenhaftung des Kommanditisten. Die Pflichteinlage ist hingegen der Gesellschaft gegenüber zu erbringen. In aller Regel wird sie der Höhe der Haftsumme entsprechen, kann aber auch von ihr abweichen, vgl. dazu BGH DB 1977, 1249. 5 Dörrie

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§ 3. Erbrechtliche und gesellschaftsrechtliche Bedenken

lichkeiten der Gesellschaft persönlich und unmittelbar. Diese Haftung trifft nach § 173 HGB auch den in eine bestehende Gesellschaft eintretenden Kommanditisten, und zwar sowohl für die vor seinem Eintritt begründeten Altverbindlichkeiten als auch für die nach seinem Eintritt begründeten Neuverbindlichkeiten der Gesellschaft. Das soll nach h.M. 225 gleichermaßen für den als Kommanditist in die Gesellschaft eintretenden Erben gelten. Ihm soll nicht nur für die Neuverbindlichkeiten der Gesellschaft, sondern auch für die bereits zu Lebzeiten des Erblassers begründeten Altverbindlichkeiten der Gesellschaft die Möglichkeit der erbrechtlichen Haftungsbeschränkung versagt bleiben. Dessen ungeachtet wird vielerorts behauptet, die Testamentsvollstreckung sei auch im Falle einer noch nicht erbrachten Hafteinlage ohne Einschränkung zulässig226 . Die Haftung des Kommanditisten-Erben nach §§ 173, 171 I HS. 1 HGB entstehe unabhängig von der Anordnung einer Testamentsvollstreckung bereits mit dem Erbfall. Angesichts der Tatsache, daß nach §§ 164, 170 HGB der Kommanditist von der Geschäftsführung und Vertretung der Gesellschaft ausgeschlossen sei, könne auch der einen Kommanditanteil verwaltende Testamentsvollstrecker keine Gesellschaftsverbindlichkeiten begründen, für die der Gesellschafter-Erbe persönlich einzustehen habe. Eine mögliche Haftung des Gesellschafter-Erben beruhe vielmehr auf der organschaftlichen Geschäftsführung und Vertretung der Komplementäre und darauf, daß der Erblasser die Hafteinlage nicht erbracht habe 227 . Eine derart pauschale Aussage vermag nicht recht zu überzeugen. Es ist zwar richtig, daß die Haftung des Gesellschafter-Erben aus §§ 173, 171 I HS. 1 HGB für die noch zu Lebzeiten des Erblassers begründeten Gesellschaftsverbindlichkeiten mit der Tätigkeit eines Testamentsvollstreckers in keinerlei Zusammenhang steht. Sie geht erbrechtlich auf den GesellschafterErben über, ganz gleich, ob eine Testamentsvollstreckung für die vererbte Kommanditbeteiligung angeordnet ist oder nicht. Etwas anderes gilt hingegen bezüglich der nach dem Eintritt des Gesellschafter-Erben begründeten Gesell225 RGZ 123, 366, 370; Wiedemann, Übertragung, S. 234; H. Westermann, Personengesellschaften, Rz. 932; SchlegelbergerlK. Schmidt, HGB, 5. Aufl., § 173 Rz. 43; LangeIKuchinke, Erbrecht, 3. Aufl., § 49 VI 2b, S. 961; SoergellStein, BGB, 12. Aufl., Vor § 1967 Rz. 24; aA mit beachtlichen Argumenten: Liebisch, ZHR 116 (1954), 128, 160 ff.; StaudingerlMarotzke, BGB, 12. Aufl. § 1967 Rz.62. 226 BGHZ 108, 187, 196 (; SchlegelbergerlK. Schmidt, HGB, 5. Aufl., § 177 Rz. 28, 31; Schilling in Großkomm. HGB, 4. Aufl., § 177 Rz. 14; Brandner, FS Kellermann, 37, 41, 44; Damrau, NJW 1984,2785,2788; Schmellenkamp, MittRhNotK 1986, 181, 185; Reimann, DNotZ 1990,190, 191; Eschelbach, S.1l8; Wesseis, S. 97( 227 BGHZ 108, 187, 196 f.; Damrau, NJW 1984,2785,2788; Quack, BB 1989,2271,2272; Eschelbach, S. 118.

III. Kollision der Haftungsgrundsätze

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schaftsverbindlichkeiten. Sie können durchaus in ursächlichem Zusammenhang mit der angeordneten Testamentsvollstreckung stehen. Wenngleich die Haftung des Gesellschafter-Erben für derlei Gesellschaftsverbindlichkeiten in aller Regel auf der Tätigkeit der Komplementäre beruht, weil grundsätzlich nur diese die laufenden Geschäfte der Gesellschaft führen, so ist es dennoch vorstellbar, daß in bestimmten Fallkonstellationen die Haftung des Gesellschafter-Erben auf ein Handeln des Testamentsvollstreckers zurückzuführen ist. Zu berücksichtigen ist dabei etwa die Möglichkeit des Testamentsvollstreckers, über die Zustimmung zu außergewöhnlichen Geschäften nach § 164 HGB die Haftung des Gesellschafter-Erben zu beeinflussen. Ferner ist nicht auszuschließen, daß ein Komplementär der Gesellschaft zum Testamentsvollstrecker ernannt wird und durch seine Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnisse den Gesellschafter-Erben ebenfalls verpflichtet. Und zuletzt ist es auch nicht undenkbar, daß einem gesellschaftsfremden Testamentsvollstrecker im Hinblick auf seine Vertrauensstellung rechtsgeschäftlieh Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnisse eingeräumt werden 228 . In all diesen Fällen kann das Handeln des Testamentsvollstreckers haftungsbegründend wirken und die bekannten haftungsrechtlichen Divergenzen zwischen Erbrecht und Gesellschaftsrecht hervorrufen. Das kann je nach Höhe der deklarierten Haftsumme ein ganz erhebliches Haftungsrisiko für den Gesellschafter-Erben mit sich bringen. Der Fall einer noch nicht erbrachten Einlage bleibt deshalb für die Testamentsvollstreckung an einem Kommanditanteil nicht ohne Folgen. So wird man den Testamentsvollstrecker sicherlich zunächst verpflichten müssen, im Rahmen der ordnungsgemäßen Verwaltung die Hafteinlage aus dem Nachlaß unverzüglich zu erbringen 229 . Tut er das, steht seiner Verwaltungstätigkeit unter diesem Gesichtspunkt nichts entgegen. Ist ihm das nicht möglich, weil etwa der übrige Nachlaß hierzu nicht ausreicht oder sich seine Verwaltungsbefugnis nach § 2208 I 2 BGB lediglich auf den vererbten Kommanditanteil beschränkt230 , so wird man sich fragen müssen, ob dem Testamentsvollstrecker die Befugnis zur Ausübung der Mitverwaltungsrechte zu verweigern ist231 . Eine Antwort auf diese Frage ist nicht leicht zu finden. Letztlich wird hierüber

228 Der Bundesgerichtshofhat in BGHZ 108, 187, 195 (eine vergleichbare Fallkonstellation zwar in Erwägung gezogen, aber nicht näher erörtert. 229 Vgl. Esch, NJW 1981,2222,2225; Rowedder, FS Goerdeler, 445, 461. 230 In diesem Fall wird man möglicherweise den Erben durch Auslegung der letztwilligen Verfiigung dazu veIpflichten können, die Hafteinlage aus dem übrigen Nachlaß zu erbringen, um die Testamentsvollstreckung zu ermöglichen. 231 So Rowedder, FS Goerdeler, 445, 461 und 466; Buschmann, S. 170 (; wohl auch Bommert, BB 1984, 178, 183.

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§ 3. Erbrechtliche und gesellschaftsrechtliche Bedenken

eine Einzelfallabwägung entscheiden müssen. So wird eine Testamentsvollstreckung bei noch nicht erbrachter Hafteinlage grundsätzlich dann nicht in Betracht kommen, wenn der Testamentsvollstrecker rechtsgeschäftliche Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnisse wahrnehmen soll und auf diese Weise in der Lage wäre, den Gesellschafter-Erben auch mit seinem Privatvermögen zu verpflichten232 . Im übrigen wird man die Testamentsvollstreckung jedenfalls dann zulassen können, wenn die Haftungsrisiken angesichts einer nicht übermäßig hohen Haftumme überschaubar bleiben233 . Eine sittenwidrige (Selbst-)Entmündigung ist dann nicht zu befürchten. Läßt hingegen die Höhe der deklarierten und noch nicht erbrachten Haftsumme unter Abwägung aller Einzelumstände eine sittenwidrige Einschränkung der wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit des Gesellschafter-Erben befürchten, scheidet nach den bereits für die offene Handelsgesellschaft gefundenen Ergebnissen aus Gründen der zwingend zu gewährleistenden Selbstbestimmung des Gesellschafter-Erben eine verwaltende Tätigkeit des Testamentsvollstreckers aus 234 . b) Haftung des Gesellschafter-Erben nach § 172 IV HGB

Weitere haftungsrechtliche Bedenken gegen die Zulässigkeit der Testamentsvollstreckung an Kommanditanteilen folgen aus der Vorschrift des § 172 IV HGB. Wird die erbrachte Hafteinlage an den Kommanditisten ganz oder teilweise zurückgezahlt, so ist das zwar gesellschaftsrechtlich durchaus statthaft235 , die Hafteinlage gilt aber nach § 172 IV 1 HGB insoweit als nicht geleistet, und es lebt die Haftung aus § 171 I HS. 1 HGB wieder auf. Gleiches gilt nach § 172 IV 2 HGB, wenn ein Kommanditist Gewinnanteile entnimmt, während sein Kapitalkonto durch Verlust unter den Betrag der geleisteten Einlage herabgemindert wird oder durch die Entnahme sein KapitaIanteil unter den bezeichneten Betrag herabgemindert wird. Im Vordergrund steht dabei der Fall des § 172 IV 1 HGB, weil dieser tatbestandlieh Schwierigkeiten bereitet und deshalb im Falle einer Testamentsvollstreckung für den GesellschafterErben besondere haftungsrechtliche Risiken mit sich bringt. Als "Rückzah232 H. Westermann, Personengesellschaften, Rz. 847; Raddatz, S. 162; abweichend Brandner, FS Kellerrnarm, 37, 44, der in der Wahrnehmung von Geschäftsfilhrungs- und Ver1retungsbefugnissen durch den Testamentsvollstrecker lediglich eine pflichtwidriges Verwaltungshandeln erblickt. 233 Vgl. aber Weber, FS Stiefel, 829, 846 ff., der gerade im Hinblick auf derartige Konstellationen die Testamentsvollstreckung an Kommanditanteilen aus Gründen der Rechtssicherheit generell rur unzulässig halt.

234 Auch hier läßt sich in der Annahme der Erbschaft nicht etwa eine - konkludente - Zustimmung zur Testamentsvollstreckung erblicken, vgl. Raddatz, S. 161; aA Damrau, NJW 1984, 2785, 2785; Friedrich, S. 193; Wesseis, S. 98. 235 Vgl. Schilling in Großkomm., HGB, 4. Aufl.,

§ 172 Rz. 8.

III. Kollision der Haftungsgrundsätze

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lung" wird jede verrnögenswerte Zuwendung aus dem Gesellschaftsverrnögen an den Kommanditisten behandelt, der keine angemessene verrnögenswerte Gegenleistung gegenübersteht236 . So wird etwa eine inadäquat hohe Tätigkeitsvergütung vom Tatbestand des § 172 IV I HGB ebenso erfaßt wie ein Darlehen zu unangemessen geringen Zinsen und die Auszahlung des Abfindungsguthaben an einen ausgeschiedenen Kommanditisten 237 . Wäre es nun dem Testamentsvollstrecker gestattet, einen Kommanditanteil zu verwalten, so könnte er in Ausübung seiner Verwaltungstätigkeit durch Erfüllung eines der genannten Haftungstatbestände aus § 172 IV HGB zugleich die Gefahr einer persönlichen Inanspruchnahme des Gesellschafter-Erben für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft zur Entstehung gelangen lassen, ohne daß sich dieser einer Inanspruchnahme seines Privatvermögens durch die beschränkbare Erbenhaftung entziehen könnte 238 . Allein an der Vorschrift des § 172 IV HGB soll eine Testamentsvollstreckung an Kommanditanteilen dennoch nicht scheitem239 . Vielmehr ist zunächst der Ausnahmecharakter der Haftungstatbestände des § 172 IV HGB zu betonen; sie stehen gerade nicht für die haftungsrechtliche Regel im System der Kommanditistenhaftung24O . Zudem sind dem Testamentsvollstrecker derlei haftungsbegründende Handlungen wegen § 2206 BGB ohne Zustimmung des Gesellschafter-Erben selbstverständlich zu untersagen. Unklar bleiben dabei allerdings die rechtlichen Folgen eines Zuwiderhandeins. Teilweise findet sich die Aussage, der Testamentsvollstrecker über-

236 Vgl. BGHZ 39,319,331; Schlegelberger/K. Schmidt, HGB, 5. Aufl., §§ 171, 172 Rz. 66; Schilling in Großkomm. HGB, 4. Aufl., § 172 Rz. 9. 237 Vgl. SchlegelbergerlK. Schmidt, HGB, 5. Aufl., §§ 171, 172 Rz. 67 ff. mit zahlreichen weiteren Beispielen. 238 Ist die Testamentsvollstreckung rur die Kommanditbeteiligung an einer GmbH & Co. KG angeordnet, gilt rur die Haftung des Kommanditisten in den Fällen der Rückgewähr von Einlagen und kapitalersetzenden Darlehen entsprechendes. Einschlägig sind insoweit die Vorschrift des § 172 a HGB und die auch nach deren Inkrafttreten zu beachtende bisherige Rechtsprechung zur Anwendung der §§ 30, 31 GmbHG in der GmbH & Co. KG, vgJ. dazu Schilling in Großkomm. HGB, 4. Aufl. § 172 a Rz. 17 ff. 239 BGHZ 108, 187, 197 f.; Schilling in Großkomm. HGB, 4. Aufl., § 177 Rz. 14; SchlegelbergerlK. Schmidt, HGB, 5. Aufl., § 177 Rz. 34; Bommert, BB 1984,178,183; Esch, NJW 1981,2222,2225; Rowedder, FS Goerdeler, 445, 462; Eschelbach, S. 126 ff.; Raddatz, S. 162 ff.; aA RGZ 172, 199,204; OLG Frankfurt, NJW 1983, 1806; Schlegelberger/Geßler, HGB, 4. Aufl., § 177 Rz. 4; Richardi, S. 87 ff.; auch Weber, FS Stiefel, 829, 843 ff. 240 Vgl. auch Rowedder, FS Goerdeler, 445, 462.

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§ 3. Erbrechtliche und gesellschaftsrechtliche Bedenken

schreite schlicht die Grenzen seiner Vertretungsmacht241 . Daraus könnte man schließen, eine vom Testamentsvollstrecker haftungsbegründend empfangene Zahlung aus dem Gesellschaftsvermögen habe im Außenverhältnis nicht die gesellschaftsrechtliche Haftung des Gesellschafter-Erben zur Folge, sondern verpflichte unter analoger Anwendung des § 179 BGB nur den Testamentsvollstrecker gegenüber den Gläubigern der Gesellschaft. Dem Bemühen, den Gesellschafter-Erben vor den Gefahren einer persönlichen Verpflichtung durch den Testamentsvollstrecker zu bewahren, ist das zwar durchaus dienlich, mit dem gläubigerschützenden Charakter der §§ 172 IV, 17l I HGB ist eine derartige Auffassung allerdings kaum zu vereinbaren. Anspruchsgegner bleibt für die Gläubiger der Gesellschaft auch im Falle der Testamentsvollstreckung der Gesellschafter-Erbe. Rechtliche Konsequenzen hat ein Zuwiderhandeln des Testamentsvollstrecker aber im Innenverhältnis zum Gesellschafter-Erben. Dieser kann nämlich, soweit er der Rückzahlung der Hafteinlage nicht zugestimmt hat, über § 2216 BGB vom Testamentsvollstrecker die Rückzahlung der empfangenen und im Wege der Surrogation analog § 2041 BGB242 in den Nachlaß gelangten Leistungen in das Gesellschaftsvermögen verlangen243 . Reicht der Nachlaß hierzu nicht mehr aus und erleidet der Gesellschafter-Erbe durch eine persönliche Inanspruchnahme für Gesellschaftsverbindlichkeiten einen Schaden, kann er vom Testamentsvollstrecker nach §§ 2219, 2216 BGB Schadensersatz verlangen, weil eine Handlung, die zum Wiederaufleben der persönlichen Haftung des Gesellschafter-Erben führt, außerhalb einer ordnungsgemäßen Verwaltung des Nachlasses liegt244. Unabhängig davon läßt sich auch ein Bereicherungsanspruch der Gesellschaft gegen den Testamentsvollstrecker diskutieren, wenn man einer Handlung des Testamentsvollstreckers, die den Gesellschafter-Erben ohne Möglichkeit der erbrechtlichen Haftungsbeschränkung im Außenverhältnis zu Gesellschaftsgläubigern persönlich verpflichtet, im Innenverhältnis zur Kommanditgesellschaft die Wirksamkeit versagt245. Ein solcher Schritt sollte schon deshalb Beachtung finden, weil eine andere Betrachtungsweise faktisch in den Bereich 241 Schlegelberger/K. Schmidt, HGB, 5. Aufl., § 177 Rz. 34; Ulmer, NJW 1990, 73, 78; Reimann, DNotZ 1990, 190, 191; unklar auch BGHZ 108, 187, 197 f; Bommert, BB 1984, 178, 183; Esch, NJW 1984, 2222, 2225.

242 Vgl. RGZ 138, 134; MünchKomm.lDütz, BGB, 2. Aufl., § 2041 Rz. 3; SoergellWolj, BGB, 12. Aufl., § 2041 Rz. 2. 243 Die Vorschrift des § 2216 BGB nonniert nicht nur einen Verhaltensmaßstab, sondern gibt dem Erben auch die Möglichkeit, den Testamentsvollstrecker auf Vornahme oder Unterlassung ordnungsgemäßer Handlungen zu verklagen, vgl. Staudinger/Reimann, BGB, 12. Aufl., § 2216 Rz. 5. 244 Vgl. auch Esch, NJW 1981, 2222, 2225; Schmellenkamp, MittRhNotK 1986, 181, 185; Hüjher, S. 151. 245 Ulmer, ZHR 146 (1982), 555, 567; Eschelbach, S. 127; auch BGHZ 108, 187, 198; Bommert, BB 1984, 178, 183; kritisch Raddatz, S. 164.

1Il. Kollision der Haftungsgrundsätze

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einer Verpflichtung zu Lasten Dritter fuhrt, und die läßt sich mit dem Grundsatz der Privatautonomie nicht vereinbaren246 . c) Haftung des Gesellschafter-Erben infolge einer Erhöhung der Haftsumme

Auch eine mit Zustimmung des Testamentsvollstreckers beschlossene und in das Handelsregister eingetragene Erhöhung der Haftsumme kann für den Gesellschafter-Erben die Gefahr einer persönlichen - wenn auch summenmäßig auf die Höhe der Hafteinlage beschränkten - Inanspruchnahme für Verbindlichkeiten der Gesellschaft mit sich bringen, der er sich aus Gründen des Gläubigerschutzes nicht durch die beschränkbare Erbenhaftung entziehen kann. Gleichwohl hindert auch diese Haftungskonstellation nicht die Zulässigkeit der Testamentsvollstreckung an einem Kommanditanteil. Der erforderliche Schutz des Gesellschafter-Erben läßt sich auf anderem Wege sicherstellen. Zweifellos überschreitet der einer Haftsummenerhöhung zustimmende Testamentsvollstrecker seine Kompetenzen, soweit weder der Nachlaß noch ein bestehendes Rücklagenkonto die Erhöhung der Haftsumme abdecken247 . Die Frage nach den rechtlichen Konsequenzen dieses Pflichtverstoßes ist allerdings differenzierend zu beantworten. So ist zunächst auf den der Haftsummenerhöhung zugrundeliegenden Gesellschafterbeschluß zu blicken. Man wird angesichts des damit verbundenen haftungsrechtlichen Risikos für den Gesellschafter-Erben, mit seinem Privatvermögen in Anspruch genommen zu werden, nicht umhin können, den Beschluß grundsätzlich für unwirksam zu erklären. Nur auf diese Weise läßt sich ein möglichst effektiver Schutz des Gesellschafter-Erben gewährleisten. Stimmt der Gesellschafter-Erbe dem Beschluß nicht ausdrücklich zu, entfallt für ihn im Innenverhältnis zur Gesellschaft damit die Verpflichtung, die erhöhte Hafteinlage zu erbringen248 . Freilich sollte der Gesellschafter-Erbe unter entsprechender Anwendung des § 2206 11 BGB jedenfalls dann zur Zustimmung verpflichtet sein, wenn der Testamentsvollstrecker nachweist, daß die ihm zur Verfügung stehenden Mittel ohne weiteres ausreichen, jegliches persönliche Haftungsrisiko für den 246 Vgl. BGHZ 54, 145, 147; 58, 216, 219; MünchKomm./Gottwald, BGB, 2. Aufl., § 328 Rz. 97 ff. 247 Vgl. Schilling in Großkomm. HGB, 4. Aufl., § 177 Rz. 17; Ulmer, ZHR 146 (1982), 555, 566. 248 Vgl. BGHZ 108, 187, 198; H. Westermann, Personengesellschaften, Rz. 847; Damrau, NJW 1984,2785,2788; Bommert, BB 1984, 178, 183; Friedrich, S. 196; Buschmann, S. 170; im Ergebnis ebenso Ulmer, ZHR 146 (1982), 555, 566; Eschelbach, S. 119 f; Raddatz, S. 16. Sie ziehen zur Begrundung allerdings die sogenannte Kembereichslehre heran, vgl. dazu eingehend unten § 7 I 2 b cc.

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§ 3. Erbrechtliche und gesellschaftsrechtliche Bedenken

Gesellschafter-Erben auszuschließen. Reichen die Mittel hingegen nicht aus, macht sich der Testamentsvollstrecker der Gesellschaft gegenüber analog § 179 BGB schadensersatzpflichtig. Freilich kann der Gesellschafter-Erbe die Unwirksamkeit des Beschlusses den Gesellschaftsgläubigern nicht entgegenhalten, wenn die Erhöhung der Haftsumme erst einmal in das Handelsregister eingetragen ist oder nach § 172 11 HGB in handelsüblicher Weise kundgemacht oder den Gesellschaftsgläubigern von der Gesellschaft mitgeteilt wurde. Der Gesellschafter-Erbe läßt sich aber dennoch auch im Außenverhältnis hinreichend vor einer persönlichen Inanspruchnahme schützen. So ist im Falle der Anmeldung einer Haftsummenerhöhung zum Handelsregister das Registergericht zu verpflichten, den Antrag auf Eintragung abzulehnen, wenn der Gesellschafter-Erbe der Haftsummenerhöhung seine Zustimmung verweigert hat249 . Festzustellen ist das im Rahmen einer Anhörung des Gesellschafter-Erben im Eintragungsverfahren250 . Verletzt das Registergericht diese Pflicht und trägt es die Haftsummenerhöhung ohne die erforderliche Zustimmung des Gesellschafter-Erben ein, besteht nach allgemeinen Grundsätzen die Möglichkeit eines Amtshaftungsanspruches aus Art. 34 GG, § 839 BGB. Zudem bleibt auch der anmeldende Testamentsvollstrecker dem Gesellschafter-Erben aus §§ 2219, 2216 BGB zum Ersatz eines entstandenen Schadens verpflichtet. Die Außenhaftung des Kommanditisten kann indes auch ohne Eintragung in das Handelsregister zur Entstehung gelangen, wenn die Haftsummenerhöhung von der Gesellschaft nach § 172 11 HGB kundgemacht oder den Gläubigern in sonstiger Weise mitgeteilt wird. Nach h.M.251 darf dies aber nicht ohne die Zustimmung des Kommanditisten geschehen. Das muß auch im Falle der Testamentsvollstreckung gelten. Die Zustimmung darf nur durch den Gesellschafter-Erben erfolgen, nicht hingegen durch den Testamentsvollstrecker252 . Anderenfalls wäre der Testamentsvollstrecker in der Lage, den GesellschafterErben ohne die Möglichkeit der erbrechtlichen Haftungsbeschränkung mit sei-

249 BGHZ \08, 187, 198. Ungeachtet dessen kann man auch daran denken, den die Haftsummenerhöhung anmeldenden Testamentsvollstrecker - etwa in vorsichtiger Analogie zu § 8 II GmbHG - versichern zu lassen, daß die Hafteinlage bereits bewirkt ist. 250 BGHZ 108, 187, 198; Brandner, FS Kellermann, 37, 48 f.; D. Mayer, 976,978. Abweichend Damrau, NJW 1984,2785,2788; Raddatz, S. 166; Friedrich, S. 196. Sie wollen angesichts der Regelung des § 175 HGB dem Gesellschafter-Erben das Anmelderecht zur alleinigen Ausübung überlassen. 251 Schilling in Großkomm. HGB, 4. Aufl., § 172 Rz. 5; Schlegelberger/K. Schmidt, HGB, 5. Aufl., §§ 171, 172 Rz. 36; BaumbachiDudeniHopt, HGB, 28. Aufl., § 172 Anm. 1 B.

252 BGHZ \08, 187, 198; Eschelbach, S. 122; Friedrich, S. 197.

111. Kollision der Haftungsgrundsätze

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nem Privatvermögen ZU verpflichten. Das aber käme einer verbotenen Verpflichtung zu Lasten Dritter gleich.

d) Haftung des Gesellschafter-Erben nach § J 76 HGB Eine summenmäß;g unbeschränkte Haftung des Kommanditisten für Verbindlichkeiten der Gesellschaft bringen schließlich die Haftungstatbestände des § 176 HGB mit sich. Nach § 176 I HGB haftet ein Kommanditist gleich einem persönlich und unbeschränkt haftenden Gesellschafter für die Verbindlichkeiten der Kommanditgesellschaft, wenn die Gesellschaft ihre Geschäfte mit Zustimmung des Kommanditisten aufgenommen hat, ohne in das Handelsregister eingetragen zu sein. Ebenso haftet nach § 176 11 HGB der in eine bestehende Handelsgesellschaft eintretende Kommanditist für die zwischen seinem Eintritt und dessen Eintragung in das Handelsregister begründeten Verbindlichkeiten der Gesellschaft. Wurden derlei Verbindlichkeiten noch zu Lebzeiten des Erblassers begründet, stehen sie mit der angeordneten Testamentsvollstreckung in keinerlei Zusammenhang, sie gehen vielmehr mit dem Kommanditanteil auf erbrechtlichem Wege auf den Gesellschafter-Erben überm. Seine Haftung hierfür kann der Gesellschafter-Erbe nach allgemeinen Grundsätzen auf den Nachlaß beschränken254. Diese Möglichkeit ist ihm hingegen versagt, wenn nach dem Erbfall neue Gesellschaftsverbindlichkeiten hinzukommen. Das birgt erhebliche Haftungsrisiken, die sich im Hinblick auf eine angeordnete Testamentsvollstreckung nicht schlechthin damit abtun lassen, daß der Testamentsvollstrecker mangels Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnissen hierfür nicht verantwortlich zu machen sei 255 . Zudem ist es auch überaus fragwürdig, ob der Gesellschafter-Erbe durch die Verpflichtung des Testamentsvollstreckers, auf die noch ausstehende Eintragung der Kommanditgesellschaft oder des vererbten Kommanditanteils unverzüglich hinzuwirken, hinreichend geschützt wird256 . Den einzig effektiven Schutz des Gesellschafter-Erben erlangt man vielmehr nur dann, wenn es ihm überlassen bleibt, die entsprechenden Anmeldungen zum Handelsregister in eigener Zuständigkeit vorzunehmen und 253 BGHZ 108, 187, 197; Schilling in Großkomm. HGB, 4. Aufl., § 177 Rz. 14; vgl. auch Schlegelberger/K. Schmidt, HGB, 5. Aufl., § 176 Rz. 22; HeymanniHorn, HGB, § 176 Rz. 15. 254Vgl.HeymannIHorn, HGB, § 176 Rz. 15. 255 So aber SchlegelbergeriK. Schmidt, HGB, 5. Aufl., § 177 Rz. 31. 256

So BGHZ 108, 187, 197; SchlegelbergerlK. Schmidt, HGB, 5. Aufl., § 177 Rz. 31.

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§ 3. Erbrechtliche und gesellschaftsrechtliche Bedenken

die nach §§ 107, 108 I, 161 11 HGB erforderliche Mitwirkung der übrigen Gesellschafter durchzusetzen251. Aus dem soeben genannten Grund bereitet es haftungsrechtlich auch keine Schwierigkeiten, wenn der Gesellschafter-Erbe einen zwar eingetragenen Kommanditanteil erbt, eine Eintragung der erbrechtlichen Nachfolge aber unterbleibt. Selbst wenn man entgegen der h.M.258 den Anwendungsbereich des § 176 11 HGB auf jegliche Rechtsnachfolge und somit auch auf den Eintritt in die Gesellschaft erstreckt259 , so ist der Gesellschafter-Erbe doch in jedem Fall durch sein Anmelderecht geschützt260 . Auf diese Weise kann er in eigener Verantwortung über seine Haftung entscheiden. Im praktischen Ergebnis stehen nach alledem haftungsrechtliche Erwägungen einer Testamentsvollstreckung an der Kommanditbeteiligung nicht entgegen. Der Gesellschafter-Erbe läßt sich im Einzelfall durch entsprechende Maßnahmen vor einer Inanspruchnahme seines Privatvermögens hinreichend schützen, ohne daß die Machtbefugnisse des Testamentsvollstreckers dadurch nennenswerte Einbußen erleiden. 3. GmbH

Als haftungsrechtlich weitgehend unproblematisch scheint sich auf den ersten Blick die Testamentsvollstreckung in der GmbH zu erweisen. Nach § 13 11 GmbHG haftet den Gesellschaftsgläubigem für Verbindlichkeiten der GmbH allein das Gesellschaftsvermögen. Seit jeher nimmt die ganz h.M.261 251 Schilling in Großkornrn. HGB, 4. Aufl., § 177 Rz. 20. Das entbindet den Testamentsvollstrecker freilich nicht von der Verpflichtung, im Rahmen einer ordnungsgemäßen Verwaltung des Nachlasses ebenfalls unverzüglich ftlr die ausstehende Eintragung zu sorgen. 258 SchlegelbergerlK. Schmidt, HGB, 5. Aufl., § 176 Rz. 21; Schilling in Großkornrn. HGB, 4. Aufl., § 176 Rz. 17; HeymannIHorn, HGB, § 176 Rz. 15; Huber, ZGR 1984, 146, 160 ff.; Raddatz, s. 168 f.; zurückhaltend BGHZ 108, 187, 197.

259 Vgl. BGH NJW 1983, 2258, 2259; BaumbachiDudeniHopt, HGB, 28. Aufl., § 176 Anrn.3 B. 260 Schilling in Großkornrn. HGB, 4. Aufl., § 177 Rz. 20; Ulmer, ZHR 146 (1982), 555, 567; Hüfner, S. 152 f.

261 BGH NJW 1959, 1820; BGH BB 1977, 10, 12; BGH DB 1989, 1715; Hachenburg/Zun, GrnbHG, 8. Aufl., Anh. § 15 Rz. 119; BaumbachlHueck, GrnbHG, 15. Aufl., § 15 Rz. 16; Scholz/Winter, GrnbHG, 7. Aufl., § 15 Rz. 208; MünchKornrn.lBrandner, BGB, 2. Aufl., § 2205 Rz. 42; Wiedemann, Übertragung, S. 338; Däubler, Vererbung des Geschäftsanteils, S. 41; Knur, Die Familiengesellschaft, S. 186; Barella, GrnbH-Rdsch. 1959,45, 47; Fleck, FS R. Fischer, 107, 114 f.; Priester, FS Stirnpel, 463, 466; Vogel, GrnbH-Rdsch. 1971, 132, 137.

III. Kollision der Haftungsgrundsätze

75

diese Haftungssituation zum Anlaß, die Testamentsvollstreckung an einem Geschäftsanteil zuzulassen262 . Dem ist im Ergebnis zuzustimmen, wenngleich auch die Gesellschafter einer GmbH verschiedene Verpflichtungen vermögensrechtlicher Art treffen. Insbesondere ist an die Verpflichtung des Gesellschafters zu denken, auf die gezeichnete Stammeinlage Einzahlungen zu leisten. Zu nennen ist ferner die Ausfallhaftung der Gesellschafter aus §§ 24, 31 III GmbHG und die in § 31 I GmbHG normierte Verpflichtung zur Rückerstattung solcher Zahlungen, die unter Verstoß gegen § 30 GmbHG geleistet wurden. Und zuletzt kann die Satzung nach §§ 24 - 26 GmbHG die Möglichkeit einer Nachschußpflicht vorsehen oder die Gesellschafter nach § 3 11 GmbHG zu Nebenleistungen verpflichten. Soweit nun eine der genannten Verpflichtungen bereits zu Lebzeiten des Erblassers zur Entstehung gelangt ist, geht sie erbrechtlich auf dessen Erben über. Diese können nach allgemeinen Grundsätzen ihre Haftung hierfür auf den Nachlaß beschränken263 . Eine angeordnete Testamentsvollstreckung bleibt hierauf ohne Einfluß, dem Gesellschafter-Erben erwachsen folglich daraus keine zusätzlichen Risiken. Ist es hingegen erst der Testamentsvollstrecker, der im Rahmen seiner Verwaltungstätigkeit einen der aufgeführten gesellschaftsrechtlichen Haftungstatbestände zur Entstehung gelangen läßt, wird sich eine vergleichbar eindeutige Antwort nicht finden lassen. Das gilt namentlich dann, wenn zwingende Vorschriften über die Aufbringung und Erhaltung des Stammkapitals und damit auch Gläubigerinteressen berührt sind. Die auf den Nachlaß beschränkte Verpflichtungsrnacht des Testamentsvollstreckers läßt sich damit nicht ohne weiteres in Einklang bringen 264. Das Argument der Gegenansicht265 , auch der auf erbrechtlichem Wege in eine GmbH einrückende Erbe könne schließlich seine Haftung für die Verpflichtungen des Erblassers aus §§ 19 ff., 31 GmbHG auf den Nachlaß beschränken und deshalb seien diese Vorschriften generell mit 262 Das mag etwas überraschen, wenn man sich den über Jahrzehnte gefiihrten Streit um die haftungsrechtliche Zulässigkeit der Testamentsvollstreckung an einem Kommanditanteil vor Augen hält, weisen beide Haftungssysteme doch erhebliche Gleichartigkeiten auf, vgl. insbesondere Rowedder, FS Goerdeler, 445, 454 ff. 263 So die heute h.M., vgl. HachenburglZutt, GmbHG, 8. Aufl., Anh. § 15 Rz. 103; BaumbachlHueck, GmbHG, 15. Aufl., § 15 Rz. 10; Däubler, Vererbung des Geschäftsanteils, S. 12 f.; Feiler, S. 29 ff.; Koch, Die Zuordnung des vererbten GmbH-Geschäftsanteils, S. 102 ff., 132a f.; Barella, GmbH-Rdsch. 1954,45,46; aA Wiedemann, Übertragung, S. 234 ff.; Töteberg, S. 45 ff.

264 BaumbachIHueck, GmbHG, 15. Aufl .. § 1 Rz. 46, 47; Priester, FS Stimpel, 463, 478; Fischer, JZ 1954,426,427. 265 So insbesondere Koch, ZHR 146 (1982), 118, 124; vgl. ferner LutterlHommelhoff, GmbHG, 13. Aufl., § 2 Rz. 7; Heinemann, GmbH-Rdsch. 1985,349,350.

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§ 3. Erbrechtliche und gesellschaftsrechtliche Bedenken

der beschränkbaren Erbenhaftung vereinbar, hält einer kritischen Betrachtung nicht stand. Wenn der einrückende Erbe seine Haftung nach den allgemeinen Vorschriften der §§ 1975 ff., 2059 BGB beschränken kann, so beruht das schlechthin auf dem erbrechtlichen Übergang des Geschäftsanteils und dem Fehlen einer dem § 139 HGB vergleichbaren Vorschrift266 . Wenn hingegen der Gesellschafter-Erbe für die vom Testamentsvollstrecker herbeigeführten Verbindlichkeiten unter dem Gesichtspunkt der Kapitalautbringung und -erhaltung unbeschränkt haften sollte, so beruht das auf der Willkürlichkeit, mit der dieser eine Haftung zur Entstehung gelangen lassen kann. Beides ist folglich nicht vergleichbar. Deshalb sind auch hier haftungsrechtliche Divergenzen zwischen erbrechtlichen und gesellschaftsrechtlichen Regelungen durchaus vorstellbar.

a) Haftung des Gesellschafter-Erben infolge einer Kapitalerhöhung Zu haftungsrechtlichen Gefahren für den Gesellschafter-Erben könnte insbesondere eine unter Mitwirkung des Testamentsvollstreckers beschlossene und durchgeführte Kapitalerhöhung nach §§ 55 ff. GmbHG, 1 ff. KapErhG führen 267 . Unproblematisch ist insoweit noch der Fall einer sogenannten nominellen Kapitalerhöhung. Hier erfolgt die Kapitalerhöhung allein aus Gesellschaftsmitteln, und zwar nach § 1 I KapErhG durch Umwandlung von Rücklagen. Weil folglich neue Einlagen nicht zu leisten sind268 , kommt eine Inanspruchnahme des Gesellschafter-Erben mit seinem Privatvermögen in keinem Fall in Betracht. Die Rechtslage sieht aber anders aus, wenn eine sogenannte effektive Kapitalerhöhung beschlossen wird, in deren Folge mit der Übernahme neuer Stammeinlagen dem Gesellschaftsvermögen neue Mittel von außen zugeführt werden. Könnte der Testamentsvollstrecker anläßlich eines solchen Beschlusses gemäß § 55 I, III GmbHG für den Gesellschafter-Erben die Übernahme einer neuen Stammeinlage erklären, so würde mit dem Zustandekommen des Übernahmevertrages und der Eintragung des Erhöhungsbeschlusses in das Handelsregister für den Gesellschafter-Erben zugleich die Verpflichtung entstehen, die Einlage unter den Voraussetzungen des § 19 GmbHG zu erbrin-

266 Däubler, Vererbung des Geschäftsanteils, S. 12 f. 267 Praktisch relevant wurde diese Fallkonstellation namentlich im Zuge der GmbH-Novelle, als das gesetzlich vorgeschriebene Mindeststanunkapital einer GmbH von 20.000 DM auf 50.000 DM heraufgesetzt wurde, vgl. dazu Heinemann, GmbH-Rdsch. 1985, 349 ff. 268 Nach § 8 II KapErhG gelten die Einlagen mit der Eintragung des entsprechenden Beschlusses in das Handelsregister als vollständig eingezahlt.

III. Kollision der Haftungsgrundsätze

77

gen269 . Nun handelt es sich bei der Verpflichtung zur Leistung der Einlage aber um ein zentrales Element des im GmbH-Recht strikt geltenden Grundsatzes der Kapitalaufbringung, der sich mit der jederzeitigen Möglichkeit einer Haftungsbeschränkung auf den Nachlaß nicht verträgt270. In Anbetracht dieser Tatsache könnte man geneigt sein, den Übemahmevertrag notwendig für wirksam zu halten271 und den Gesellschafter-Erben auf die Möglichkeit eines Schadensersatzanspruches gegen den Testamentsvollstrecker aus § 2219 BGB zu verweisen, weil dieser seine Kompetenzen überschreitet, falls der Nachlaß die für die übernommene Stammeinlage erforderlichen Mittel nicht bereithält. Das hat im Grunde aber zur Konsequenz, daß man dem Testamentsvollstrekker eine wirksame Begründung von Verbindlichkeiten zu Lasten des Gesellschafter-Erben gestattet. Deshalb wird man zum Schutze des GesellschafterErben die Übemahmeerklärung des Testamentsvollstreckers grundsätzlich für unwirksam halten müssen272 . Verweigert der Gesellschafter-Erbe dem Übernahmevertrag seine Zustimmung, ist er zur Leistung der Einlage nicht verpflichtef13 . Daran ändert ganz ausnahmsweise auch die Eintragung der Kapitalerhöhung in das Handelsregister nichts. Zwar werden materielle Mängel des Übemahmevertrages in aller Regel durch die Eintragung des Kapitalerhöhungsbeschlusses geheilt274, gleichwohl führt sie aber nicht zu einem Zahlungsanspruch gegen den Gesellschafter-Erben, weil eine Heilung dann nicht eintritt, wenn ein Gesellschafter bei der Übernahmeerklärung vollmachtlos vertreten wurde 275 . Nichts anderes aber geschieht im Grunde, wenn der Testamentsvollstrecker die Grenzen seiner Verpflichtungsmacht überschreitet. Er macht sich allerdings in diesem Fall analog § 179 BGB der Gesellschaft gegenüber schadensersatzpflichtig276 . 269 Vgl. zu den Einzelheiten HachenburglUlmer, GmbHG, 8. Aufl., § 55 Rz. 75 ff. 270 BaumbachlHueck, GmbHG, 15. Aufl., § I Rz. 46, 47; Priester, FS Stirnpel, 463, 478; aA Lutter/Hommelhojf, GmbHG, 13. Aufl., § 55 Rz. 16; Heinemann, GmbH-Rdsch. 1985, 349, 350; Koch, ZHR 146 (1982), 118, 124.

271 So Priester, FS Stirnpel, 463, 478. 272 Vgl. auch Fischer, JZ 1954,426,427. 273 Auch hier läßt sich wieder daran

denken, den Gesellschafter-Erben in entsprechender Anwendung des § 2206 II BGB zur Zustimmung zu verpflichten, wenn der Testamentsvollstrecker die Stanuneinlage in vollem Umfang eingezahlt hat oder der Nachlaß jedes Haftungsrisiko abdeckt, vgl. oben § 3 III 2 c.

274 Vgl. HachenburglUlmer, GmbHG, 8. Aufl., § 57 Rz. 49; Lutter/Hommelhojf, GmbHG, 13. Aufl., § 57 Rz. 13. 275 Vgl. HachenburglUlmer, GmbHG, 8. Aufl., § 57 Rz. 50; BaumbachiDudenlZällner, GmbHG, 15. Aufl., § 57 Rz. 16; Rowedder/Zimmermann, GmbHG, 2. Aufl., § 57 Rz. 34. 216 Vgl. auch Hachenburg/Ulmer, GmbHG, 8. Aufl., § 57 Rz. 50. Seiner Schadensersatzpflicht könnte der Testamentsvollstrecker etwa durch Übernahme eines rur den ausgefallenen neu ausgegebenen Geschäftsanteils nachkommen.

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§ 3. Erbrechtliche und gesellschaftsrechtliche Bedenken

Freilich läßt die geschilderte Fallkonstellation die Wirksamkeit der Kapitalerhöhung im übrigen unberührt2n . Das birgt aufgrund der auch hier geltenden Regelungen über die Ausfallhaftung der Gesellschafter aus § 24 GmbHG für den Gesellschafter-Erben ein gewisses haftungsrechtliches Restrisiko. Indes handelt es sich hierbei um einen Ausnahmetatbestand, der den GesellschafterErben nicht unangemessen belastet. Man sollte deshalb eine unter Mitwirkung des Testamentsvollstreckers beschlossene und durchgeführte Kapitalerhöhung auch aus Gründen des Gläubigerschutzes ausnahmsweise nicht gleich für unwirksam oder gar unzulässig erklären. Wie gering die Haftungsrisiken für den Gesellschafter-Erben sind, zeigt sich schon anhand der Tatsache, daß ungeachtet einer möglichen Ausfallhaftung eine Zustimmung der Gesellschafter zu dem Erhöhungsbeschluß nach § 53 III GmbHG für entbehrlich erachtet wird278 . Im übrigen ist eine Kapitalerhöhung und die möglicherweise daraus folgende Ausfallhaftung für den Gesellschafter-Erben auch dann denkbar, wenn der Testamentsvollstrecker daran überhaupt nicht mitgewirkt hat. Hat er doch mitgewirkt und war eine über die Mittel des Nachlasses hinausreichende Ausfallhaftung vorhersehbar, so schützt den Gesellschafter-Erben die Schadensersatzpflicht aus §§ 2219, 2216 BGB, wenn der Testamentsvollstrecker die Kapitalerhöhung hätte verhindern können. b) Haftung des Gesellschafter-Erben infolge eines Verstoßes gegen das Auszahlungsverbot Eine persönliche Haftung des Gesellschafter-Erben ist auch unter dem Gesichtspunkt des Auszahlungsverbotes nach § 30 I GmbHG denkbar. Werden aus dem Gesellschaftsvermögen Leistungen 279 erbracht und sinkt dadurch dessen Wert unter den Betrag des satzungsmäßig festgelegten Stammkapitals, so trifft den empfangenden Gesellschafter nach § 31 I GmbHG gegenüber der Gesellschaft insoweit eine Erstattungspflicht28o . Es handelt sich hierbei um zwingende Vorschriften des GmbH-Rechts, deren zentrale Aufgabe es ist, der Gesellschaft und vor allem ihren Gläubigem das publizierte Stammkapital zu erhalten. Folglich vermag der einen Geschäftsanteil verwaltende Testamentsvollstrecker durch die Entgegennahme entsprechender Leistungen eine Verbindlichkeit des Gesellschafter-Erben zu begründen, für die diesem die Berufung auf seine beschränkbare Erbenhaftung versagt bleiben muß. Dem Testa277 Vgl. HachenburglUlmer, GmbHG, 8. Aufl., § 57 Rz. 50. 278 Vgl.

HachenburglUlmer, GmbHG, 8. Aufl., § 55 Rz. 16.

279 Hierbei muß es sich nicht notwendig um Zahlungen in Geld handeln, vielmehr kommen Leistungen jeglicher Art in Betracht. 280 Darüber hinaus normiert § 31 III GmbHG eine Ausfallhaftung fiIr die übrigen Gesellschafter.

Hf. Kollision der Haftungsgrundsätze

79

mentsvollstrecker sind derlei Handlungen deshalb nicht nur gesellschaftsrechtlich, sondern auch erbrechtlich untersagt. Handelt er zuwider, sind die empfangenen Leistungen, die via erbrechtlicher Surrogation analog § 2041 BGB in den Nachlaß gelangt sind, von ihm bereits nach der gesellschaftsrechtlichen Regelung des § 31 GmbHG zu erstatten281 . Sind die Leistungen im Nachlaß nicht mehr vorhanden, so haftet der Gesellschafter-Erbe mit seinem Privatvermögen. Seinem Schutz dienen dann nur noch RegreßanspTÜche gegen den Testamentsvollstrecker aus §§ 2219, 2216 BGB, weil dieser seine Machtbefugnisse überschreitet, wenn er verbotswidrig Auszahlungen entgegennimmt. In keinem Fall aber erwächst dem Gesellschafter-Erben aus der angeordneten Testamentsvollstreckung über den vererbten Geschäftsanteil angesichts des Ausnahmecharakters der §§ 30, 31 GmbHG und der Verantwortlichkeit des Testamentsvollstreckers ein unzumutbares Haftungsrisiko. c) Haftung des Gesellschafter-Erben im Falle der Unterkapitalisierung

Eine summenmäßig unbeschränkte Gesellschafterhaftung in Form eines Haftungsdurchgriffs wird schließlich im Falle der Unterkapitalisierung einer GmbH diskutiert282 . Ist das Unternehmen geradezu offensichtlich mit Eigenkapital - sei es nun durch Stammkapital, Gesellschafterdarlehen oder -zuschüsse - unzureichend ausgestattet, so können die Gesellschafter den Vorzug ihrer beschränkten Haftung aus § 1311 GmbHG verlieren. Wer mit beschränkter Haftung ein Unternehmen betreibt, soll die wirtschaftlichen Risiken nicht durch eine unzulängliche, dem Geschäftsumfang inadäquate Kapitaldecke auf die Gläubiger abwälzen können. Führt die Unterkapitalisierung zur Konkursreife des Unternehmens, so haften die Gesellschafter in der Insolvenz den Gesellschaftsgläubigern gesamtschuldnerisch mit ihrem Privatvermögen283 . Freilich trifft die Haftung nur jene Gesellschafter, die durch ihr Verhalten die Unterkapitalisierung zurechenbar verursacht haben. Sanktioniert wird demnach unter den genannten Voraussetzungen ein Fehlverhalten der verantwortlichen Gesellschafter. Den Gesellschafter-Erben kann aber gerade dieser Vorwurf grundsätzlich nicht treffen. Er ist angesichts der angeordneten Testamentsvoll281 Es ist keineswegs ausgeschlossen, daß auch Dritte, die in einem besonderem Näheverhältnis zum Gesellschafter stehen, als Zahlungsempflinger neben dem Gesellschafter nach § 31 GmbHG in Anspruch genommen werden können, vgl. BGHZ 81, 365, 369; HachenburglUlmer, GmbHG, 8. Aufl., § 31 Rz. 21. 282 Vgl. dazu HachenburglUlmer, GmbHG, 8. Aufl., Anh. § 30 Rz. 35 ff.; ScholziEmmerich, GmbHG, 7. Aufl., § 13 Rz. 75 ff.; Rowedder, GmbHG, 2. Aufl., § 13 Rz. 22 ff.; Wüst, DStR 1991, 1388,1390 ff. und 1424,1426 ff.; ders., JZ 1989, 817, 819 ff.; ders., JZ 1992,710 ff. 283 Vgl. HachenburglUlmer, GmbHG, 8. Aufl., Anh. § 30 Rz. 55 ff.; Wüst, DStR 1991, 1424, 1427 C.; ders., JZ 1992,710,714.

80

§ 3. Erbrechtliche und gesellschaftsrechtliche Bedenken

streckung grundsätzlich von der Mitwirkung in der Gesellschaft ausgeschlossen. Denkbar ist daher bei entsprechendem Verhalten allenfalls eine eigene Haftung des Testamentsvollstreckers. Selbst wenn das - etwa bei einer Einmann-GmbH - möglich sein sollte, so muß sich zwar der Gesellschafter-Erbe die Handlungen des Testamentsvollstreckers nach § 278 BGB oder analog § 31 BGB zurechnen lassen, doch er kann hierfür nach allgemeinen Grundsätzen seine Haftung auf den Nachlaß beschränken284 . Zusätzliche haftungsrechtliche Risiken entstehen dem Gesellschafter-Erben im Falle einer Testamentsvollstreckung demnach auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Unterkapitalisierung. 4. EIkurs

a) Stille Gesellschaft In einer stillen Gesellschaft beteiligt sich ein stiller Gesellschafter finanziell durch eine Vermögenseinlage arn Unternehmen eines anderen und ist dafür an den Gewinnen beteiligt. Im Hinblick auf eine angeordnete Testamentsvollstreckung ist daher zu unterscheiden. Soweit der Erblasser das Unternehmen oder seine Beteiligung daran hinterläßt, entscheidet die gewählte Unternehmensform285 über die Zulässigkeit der Testamentsvollstreckung. Eine Testamentsvollstreckung an der Beteiligung des stillen Gesellschafters ist hingegen stets unbedenklich286 . Die stille Gesellschaft ist eine reine Innengesellschaft. Im Rechtsverkehr tritt nur der Unternehmensträger in Erscheinung. Allein er wird gemäß § 230 11 HGB aus getätigten Rechtsgeschäften berechtigt und verpflichtet. Der stille Gesellschafter ist demgegenüber frei von haftungsrechtlicher Verantwortung287 . Geschäftsverbindlichkeiten, die den

284 Vgl. MünchKomm.lBrandner, BGB, 2. Aufl., § 2219

Rz. 16 ff.

285 Entgegen dem Wortlaut des § 230 I HGB ist eine stille Beteiligung nicht nur an Handelsgeschäften möglich, sondern an Unternehmen jeglicher Art, soweit Kaufinannseigenschaft nach §§ I ff. HGB vorliegt, vgl. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 2. Aufl., § 62 11 1 a, S. 1544. 286 Vgl. BGH WM 1962, 1084, 1085; MünchKomm.lBrandner, BGB, 2. Aufl., § 2205 Rz. 40; Soerge/IDamrau, BGB, 12. Aufl., § 2205 Rz. 47; StaudingerlReimann, BGB, 12. Aufl., § 2205 Rz. 87; EschiSchulze zur Wiesche, Vermögensnachfolge, Rz. 618; H aegelelWinkler, Der Testamentsvollstrecker, 11. Aufl., Rz. 391. 287 Das gilt grundsätzlich auch in einer atypischen stillen Gesellschaft, in der dem stillen Gesellschafter Geschäftsfilhrungs- und Vertretungsbefugnisse zustehen, vgl. BGH WM 1964, 296, 297.

III. Kollision der Haftungsgrundsätze

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stillen Gesellschafter treffen, vermag ein Testamentsvollstrecker deshalb nicht zu begtiinden. b) Gesellschaft bürgerlichen Rechts

Vor haftungsrechtlichen Hindernissen steht die Testamentsvollstreckung hingegen in der Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Nach der herrschenden Lehre von der Doppelverpflichtung haftet den Gläubigern der Gesellschaft nicht nur die Gesamthand für die von den geschäftsführenden Gesellschaftern im Rahmen ihrer Vertretungsmacht begtiindeten Verbindlichkeiten, sondern daneben auch der einzelne Gesellschafter mit seinem Privatvermögen persönlich288 . Nicht zuletzt aus diesem Grund hat der Bundesgerichtshof2 89 eine Testamentsvollstreckung in der Gesellschaft bürgerlichen Rechts für unzulässig erachtet. Ganz so zwingend, wie es auf den ersten Blick zu sein scheint, ist diese Folgerung allerdings nicht. Die Rechtsform der Gesellschaft bürgerlichen Rechts erfreut sich nicht zuletzt deshalb großer Beliebtheit, weil der Gesetzgeber die Ausgestaltung der gesellschaftlichen Verhältnisse in weitem Maße den Gesellschaftern überlassen hat. So läßt sich die Vertretungsmacht der geschäftsführenden Gesellschafter gesellschaftsvertraglich auf das Gesamthandsvermögen beschränken. Wird dergestalt die Haftung der Gesellschafter mit ihrem Eigenvermögen für rechtsgeschäftlich begtiindete Verbindlichkeiten der Gesellschaft ausgeschlossen 29o , kann auch an eine Testamentsvollstreckung in der Gesellschaft bürgerlichen Rechts gedacht werden291 . Allerdings lassen sich die Haftungsrisiken der Gesellschafter durch eine Beschränkung der Vertretungsmacht nicht vollständig bannen. Es besteht vielmehr die Möglichkeit, daß es die geschäftsführenden Gesellschafter versäumen, die Beschränkung ihrer Vertretungsmacht im Rechtsverkehr offenzulegen oder zumindest erkennen zu lassen292 .

288 BGHZ 74, 240, 242; OLG Hanun, NJW 1985, 1846; MünchKommJUlmer, BGB, 2. Aufl., § 714 Rz. 24mwN. 289 BGH NJW 1981,749,750. 290 Vgl. OLG Hanun, NJW 1985, 1846; StaudingerlKeßler, BGB, 12. Aufl., § 714 Rz. 12; Hadding, FS Rittner, 133, 140 ff.; kritisch Wüst, FS Duden, 749, 768. 291 So Bommert, BB 1984, 178, 183; im Ergebnis auch Hüfoer, S. 155 ff. 292 Vgl. BGH BB 1990, 1085; NJW 1985,619; OLG Hamm, NJW 1985, 1846. 6 Dörrie

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§ 3. Erbrechtliche und gesellschaftsrechtliche Bedenken

Dann können die Regeln der Anscheins- und Duldungsvollmacht wieder zu einer persönlichen Haftung der Gesellschafter führen 293 . Dagegen kann allenfalls noch die Bezeichnung der Gesellschaft als "BGB-Ges. m. Haftungsbeschränkung" 294 helfen. Ob sich aber damit die potentiellen Haftungsrisiken wirksam beseitigen lassen, ist zu bezweifeln. Letztlich wird man aufgrund dieser haftungsrechtlichen Unwägbarkeiten bei der Gesellschaft bürgerlichen Rechts - wie bei der offenen Handelsgesellschaft auch - jedenfalls insoweit zur Unzulässigkeit der Testamentsvollstreckung tendieren müssen, als die Mitwirkung in inneren Angelegenheiten und die Vertretung der Gesellschaft in Frage steht. IV. Zusammenfassung

Der vererbte Gesellschaftsanteil fällt unabhängig von der jeweiligen Gesellschaftsform in den Nachlaß und ist folglich nicht bereits aus erbrechtlichen Gründen der Verwaltung durch einen Testamentsvollstrecker entzogen. Ebensowenig stehen spezifisch gesellschaftsrechtliche Bedenken einer Testamentsvollstreckung an Gesellschaftsanteilen entgegen. Was zunächst eine wie auch immer geartete Personenbezogenheit der Mitgliedschaft bertrifft, so läßt sie sich durch die Zustimmung der übrigen Gesellschafter zur Testamentsvollstreckung ohne weiteres überwinden. Auch das sogenannte Abspaltungsverbot bereitet kein unüberwindbares Hindernis, weil durch einen Testamentsvollstrecker keine übermächtigen Fremdeinflüsse zu befürchten sind, zumal er selbst treuepflichtig ist und auf diese Weise bis zu einem gewissen Grad in den Gesellschaftsverband einbezogen wird. Einzig das Prinzip der Selbstorganschaft verlangt im Hinblick auf vererbte Personengesellschaftsanteile nach Konzessionen. Dem Testamentsvollstrecker ist es nicht gestattet, organschaftliche Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnisse in der Gesellschaft wahrzunehmen. Es ist daher insoweit auf rechtsgeschäftliche Konstruktionen auszuweichen, etwa der Erteilung einer Prokura oder einer umfassenden Handlungsvollmacht. Den eigentlichen Problemschwerpunkt bilden indes haftungsrechtliche Erwägungen, die aus der auf den Nachlaß beschränkten Verpflichtungsmacht des Testamentsvollstreckers und der bisweilen unbeschränkbaren Gesellschafterhaftung resultieren. Hier ist rechtsformspezifisch zu differenzieren. Während sich im Hinblick auf Kommanditbeteiligungen und Geschäftsanteile an einer GmbH die Testamentsvollstreckung auch aus haftungsrechtli293 MünchKomm.lUlmer, BGB, 2. Aufl., § 714 Rz. 34; Wüst, JZ 1989,270 f

294 So in dem vom OLG Hanun, NJW 1985, 1846, 1847 entschiedenen Fall.

IV. Zusammenfassung

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cher Sicht durchführen läßt, indem man haftungsbegriindende Maßnahmen entweder aus dem Kompetenzbereich des Testamentsvollstreckers ausklammert oder auf seine Schadensersatzpflicht aus § 2219 BGB verweist, sieht die Situation in der offenen Handelsgesellschaft vollkommen anders aus. Dort führt die Testamentsvollstreckung im Ergebnis zu einer sittenwidrigen Bevormundung des Gesellschafter-Erben. Dem Testamentsvollstrecker können allenfalls partielle Machtbefugnisse verbleiben, wie etwa die Verwaltung der vermögensrechtlichen Ansprüche oder die Verfügungsbefugnis über die Mitgliedschaft.

2. Teil

Die Voraussetzungen der Testamentsvollstreckung im Gesellschaftsrecht

§ 4. Personengesellschaften

L Das Erfordernis der Zustimmung durch die Mitgesellschafter Als im Grundsatz unerläßliche Voraussetzung der Testamentsvollstreckung in Personengesellschaften I hat sich die Zustimmung der Mitgesellschafter erwiesen2. Dieses Erfordernis beruht auf dem vertrauensbezogenen Zusammenschluß zu einem Personenverband, der auf die konkreten Persönlichkeiten seiner Mitglieder gestützt ist. Der einzelne Gesellschafter ist verpflichtet, die ihm zustehenden Mitverwaltungsrechte persönlich auszuüben. Infolgedessen kann auch der Erblasser nicht einseitig durch Anordnung einer Testamentsvollstreckung einem beliebigen Dritten die Ausübung dieser Rechte aus der vererbten Gesellschaftsbeteiligung überlassen. Indes wirkt der persönliche Bezug allein im Verhältnis der Gesellschafter untereinander, und sie können deshalb im Rahmen der ihnen nach § 109 HGB weitgehend zugestandenen Gestaltungsfreiheit auch die Mitwirkung eines Testamentsvollstreckers gestatten. So kann die Möglichkeit einer Testamentsvollstreckung an vererbten Gesell-

I Obgleich die Testamentsvollstreckung am Anteil eines unbeschränkt haftenden Personengesellschafters allenfalls partiell zugelassen werden kann (vgl. oben § 3 III I c), soll sie an dieser Stelle nicht ausgeklammert werden. 2 Vgl. oben § 3 11; so auch die ganz h.M., vgl. BGHZ 108, 187, 191; BGHZ 68, 225,241; OLG Hamburg, ZIP 1984, 1226, 1227; OLG Hamm, NJW-RR 1991, 837, 839; SchlegelbergerlK. Schmidt, HGB, 5. Aufl., § 139 Rz. 51 a; Ulmer in Großkomrn. HGB, 3. Aufl., § 139 Anrn. 70; A. Hueck, OHG, 4. Aufl., § 28 11 5, S. 416; Siebert, FS A Hueck, 321, 326, Richardi, S. 20; abweichend allein Einmahl, AcP 160 (1961), 29, 38 ff.

H. Auslegungsprobleme

85

schaftsbeteiligungen bei einer sorgfaltigen Ausgestaltung des Gesellschaftsvertrags bereits in Gestalt einer sogenannten Testamentsvollstreckerklausel Berücksichtigung gefunden haben. Fand sie im Gesellschaftsvertrag keinen ausdrücklichen Niederschlag, bleibt die Erteilung der Zustimmung auch noch nachträglich aus Anlaß des Erbfalls möglich3 . In diesem Fall ist eine Beschlußfassung der übrigen Gesellschafter mit der im Gesellschaftsvertrag vorgesehenen Mehrheit erforderlich, aber auch ausreichend4 . Für den Zeitraum bis zur Erteilung der Zustimmung bleibt die Anordnung der Testamentsvollstreckung für die Gesellschaftsbeteiligung schwebend unwirksam5 . Der Gesellschafter-Erbe ist während dieses Schwebezustandes zur Ausübung der Mitverwaltungsrechte befugt. Er ist dabei nicht etwa an Weisungen des Testamentsvollstreckers gebunden6 , da anderenfalls das Erfordernis der Zustimmung zur Testamentsvollstreckung durch die Hinterür der Weisungsgebundenheit des Gesellschafter-Erben seiner eigentlichen Bedeutung beraubt werden könnte.

n. Auslegungsprobleme Ist die Testamentsvollstreckung kraft gesellschaftsvertraglicher Regelung ausdrücklich zugelassen oder haben ihr die überlebenden Gesellschafter nach dem Erbfall unverzüglich zugestimmt, so treten hinsichtlich des Zustimmungserfordernisses keine weiteren Schwierigkeiten auf. Unklarheiten bestehen hingegen, wenn der Gesellschaftsvertrag zu einer Testamentsvollstreckung schweigt, zugleich aber die vertragliche Ausgestaltung des Gesellschaftsverhältnisses Zweifel an einem spezifischen Vertrauensverhältnis der Gesellschafter untereinander begründet. Dann ist zu fragen, ob dem Gesellschaftsvertrag im Wege der Auslegung nach §§ 133, 157 BGB die erforderliche Zustimmung zu einer Testamentsvollstreckung entnommen werden kann oder eine Zustimmung gar völlig entbehrlich ist.

3 BGHZ 108, 187, 191; U1mer, NJW 1990,73,76; Siebert, FS A. Hueck, 321 326; Esch, NJW 1981,2222,2225. 4 A.A Rieper, S. 171. Er verlangt in Anwendung der §§ 116 H, 164 S. 1 HS. 2 HGB eine Zustimmung aller Gesellschafter; wohl auch Schlegelberger/K. Schmidt, HGB, 5. Aufl., § 139 Rz. 51 a;Marotzke, JZ 1986,457,460. 5 BGHZ 24, 106, 114; BaumbachiDudeniHopt, HGB, 28. Aufl., § 139 Anm. 4 A 6 BGHZ 24, 106, 114 f; a.A. Rieper, S. 175.

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§ 4. Personengesellschaften

Für die Kommanditgesellschaft findet sich in diesem Zusammenhang die Auffassung, daß ein Gesellschaftsvertrag, der die freie Vererblichkeit des Kommanditanteils nach § 177 HGB nicht ausschließe, zugleich die Mitwirkung eines Testamentsvollstreckers in der Gesellschaft gestatte; nichts anderes sei anzunehmen, wenn gesellschaftsvertraglieh die freie Übertragung des Anteils gestattet sei 7. Wenn die Gesellschafter bereit seien, jeden Erben oder Anteilserwerber in die Gesellschaft aufzunehmen, dann könnten sie auch gegen die Ausübung der mitgliedschaftlichen Befugnisse durch einen Testamentsvollstrecker nichts einzuwenden haben. In der gleichen Weise argumentiert ein Teil des vorwiegend älteren Schrifttums zu der offenen Handelsgesellschaft im Hinblick auf gesellschaftsvertragliehe Nachfolgeklauseln, soweit diese allgemein die Vererblichkeit des Gesellschaftsanteils vorsehen und den Personenkreis möglicher Erben nicht näher konkretisieren 8 . Darin sei ebenfalls die Zustimmung der übrigen Gesellschafter zur Testamentsvollstreckung zu erblicken. Nun wird sich in der Tat ein Zurückweichen der personalistischen Bindungen in der Gesellschaft schwerlich leugnen lassen, wenn den Gesellschaftern angesichts der freien Übertragbarkeit von Gesellschaftsanteilen die Person eines Rechtsnachfolgers gleichgültig zu sein scheint. Namentlich in Publikumskommanditgesellschaften wird man folglich zumindest auf eine ausdrückliche Zustimmung der übrigen Gesellschafter verzichten können, weil dort personalistische Züge in aller Regel überhaupt nicht mehr feststellbar sind9 . Im übrigen aber sollte nur mit größter Vorsicht der freien Übertragbarkeit des Gesellschaftsanteils im Wege der Auslegung die Zustimmung der Gesellschafter zu einer Testamentsvollstreckung entnommen werden, denn es besteht materiell ein erheblicher Unterschied zwischen der Rechtsinhaberschaft einer Mitgliedschaft und der Ausübung mitgliedschaftlicher Befugnisse durch einen Dritten, der selbst am wirtschaftlichen Erfolg oder Mißerfolg eines Unternehmens nicht unmittelbar beteiligt ist. Den Testamentsvollstrecker kann diese Tatsache angesichts seiner gegenüber dem Gesellschafter-Erben bestehenden Verantwortlichkeit aus §§ 2219, 2216 BGB zu einer allzu vorsichtigen und zurückhaltenden Verwaltung des Gesellschaftsanteils veranlas-

7 Soerge/lDamrau, BGB, 11. Aufl., § 2205 Rz. 33; Schilling, FS W. Schrnidt, 208, 216; auch Brandner, FS Kellennann, 37, 48, allerdings nur filr den Fall der freien Übertragbarkeit. 8 Holeh, DNotZ 1958, 282, 299; Donner, DNotZ 1944, 143, 149; Sommer, DNotZ 1936, 937, 941; v. Godin, Nutzungsrecht, S. 118; HaegeleIWinkler, Der Testamentsvollstrecker, 11. Aufl., Rz. 347; wohl auch BGHZ 68,225,241. 9 VgJ. auch Schlegelberger/K. Schmidt, HGB, 5. Aufl., § 177 Rz. 30; Ulmer, NJW 1990, 73, 75 f.; HaegelelWinkler, Der Testamentsvollstrecker, 11. Aufl., Rz. 347; Reithmann, BB 1984, 1394, 1395.

H. Auslegungsprobleme

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sen lO , er kann sich andererseits aber ebensogut zu riskanten unternehmerischen Handlungen hinreißen lassen, weil er um die Verschuldensabhängigkeit der Haftung aus § 2219 BGB weiß und diese deshalb nicht fürchtet. Auch wenn der Testamentsvollstrecker der gesellschafterlichen Treuepflicht zu unterwetfen ist 11, wird sich der zwischen Rechtsinhaberschaft und Rechtsausübung bestehende Unterschied regelmäßig nicht ohne eine entsprechende Zustimmung der Gesellschafter beseitigen lassen l2 , zumal die noch immer bestehenden Ungewißheiten über die Verteilung der Kompetenzen zwischen dem Testamentsvollstrecker und dem Gesellschafter-Erben in gesellschaftsrechtlichen Angelegenheiten 13 unter Umständen zu Auseinandersetzungen zwischen den Beteiligten führen können, die eine dauerhafte Lähmung des Geschäftsbetriebes zur Folge haben können l4 . Ebensowenig wird sich übrigens auch einer gesellschaftsvertraglich zugelassenen Vertretung in der Ausübung von Mitverwaltungsrechten - etwa in Form einer sogenannten Vertreterklausel - durch Auslegung die etforderliche Zustimmung der übrigen Gesellschafter zur Testamentsvollstreckung entnehmen lassen l5 . Wenngleich in diesem Falle das Auseinandetfallen von Rechtsinhaberschaft und Rechtsausübung ausdrücklich gestattet ist, so bleiben doch unübersehbare Unterschiede zwischen der Bevollmächtigung eines Dritten und der Testamentsvollstreckung. Während der Bevollmächtigte weisungsabhängig und widerruflich tätig ist, handelt der Testamentsvollstrecker stets weisungsungsunabhängig, verdrängend und in eigener Verantwortung. Derartiges aber kann mit der Gestattung einer schlichten Vertretung nicht gewollt sein l6 . Letztlich kann folglich nur in der widerspruchruchslos hingenommenen Mitwirkung des Testamentsvollstreckers in gesellschaftsinternen Angelegenheiten konkludent zugleich die etforderliche Zustimmung der übrigen Gesellschafter zu der Testamentsvollstreckung innerhalb der Gesellschaft erblickt werden.

10 So OLG Hamburg, ZIP 1984, 1226, 1227;A. Hueck, OHG, 4. Aufl., § 28 II 5, S. 416 Fn. 49. 11 Vgl. Schilling in Großkomrn. HGB, 4. Aufl., § 177 Rz. 12; Ulmer, NJW 1990, 73, 81; Eschelbach, S. 84 ff.; RaddalZ, S. 172; dazu auch unten § 7 I 2 a bb. 12 Vgl. auch Ulmer in Großkomm. HGB, 3. Aufl., § 139 Anm. 70; Wiedemann, Übertragung, S. 336; Siebert, FS A. Hueck, 321, 327; Richardi, S. 21; Eschelbach, S. 89; Hüfner, S. 121 f.; dazu auch oben § 3 II 3. 13 Dazu sogleich unter § 6 und § 7. 14 Vgl. Ulmer, NJW 1990,73,76; wohl auch Schlegelberger/K. Schmidt, HGB, 5. Aufl., § 177 Rz.30. 15 So aber Schilling, FS W. Schmidt, 208, 216; Richardi, S. 21. 16 Vgl. auch oben § 3 II 3.

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§ 4. Personengesellschaften

m. Testamentsvollstreckung durch einen Mitgesellschafter Durchaus vorstellbar und zuweilen auch empfehlenswert ist die Ernennung eines Mitgesellschafters zum Testamentsvollstrecker. Gerade in Familiengesellschaften, die darauf bedacht sind, jegliche Fremdeinflüsse zu vermeiden, wird sich eine derartige Konstellation antreffen lassen. Weil in diesem Fall aber der Testamentsvollstrecker bereits in den gesellschafterlichen Vertrauensverband einbezogen ist, wird teilweise eine Zustimmung der übrigen Gesellschafter für entbehrlich gehalten 17. Das trifft aber nicht zu. Betrachtet man sich etwa den Fall der Stimmrechtsvollmacht, so stellt man fest, daß eine solche auch einem Mitgesellschafter nicht erteilt werden kann, ohne daß die übrigen Gesellschafter zustimmen l8 . Wenn das für die Stimmrechtsvollmacht gilt, muß es erst recht auch für die Testamentsvollstreckung durch einen Mitgesellschafter gelten, zumal dieser völlig unabhängig von Weisungen des Gesellschafter-Erben tätig ist und dessen Gesellschaftsanteil nach seinem freien Ermessen verwaltet. Von entscheidender Bedeutung für das Erfordernis einer Zustimmung durch die Mitgesellschafter ist dabei letztlich die Tatsache, daß sich die Machtverhältnisse innerhalb der Gesellschaft zugunsten des zum Testamentsvollstrecker ernannten Gesellschafters verschieben. Er kann durch die zusätzliche Ausübung des fremden Stimmrechts seinen eigenen Interessen in der Gesellschaft ein größeres Gewicht verleihen l9 . Aus diesem Grunde ist eine Zustimmung zur Testamentsvollstreckung auch dann zu verlangen, wenn ein Mitgesellschafter zum Testamentsvollstrecker ernannt wird2o .

17 Soergel/Hadding, BGB, 11. Aufl., § 727 Rz. 44; HaegeleIWinkler, Der Testamentsvollstrekker, 11. Aufl., Rz. 346.

18 Vgl. RGZ 123, 289, 299; Wiedemann, Übertragung, S. 350; Fischer in Großkomm. HGB, 3. Aufl., § 119 Anm. 27. 19 Vgl. dazu Zöllner, Schranken mitgliedschaftlicher Stimrnrechtsmacht, S. 36. 20 So auch Eschelbach, S. 89 f.

§5.GmbH Grundlegend anders stellt sich die Ausgangssituation in der GmbH dar. Wenn die Satzung nichts anderes bestimmt, kann ein Gesellschafter nach § 15 I GmbHG frei über seinen Geschäftsanteil verfügen. Zudem kann der Gesellschafter nach § 47 III GmbHG einen beliebigen Dritten mit der Ausübung seines Stimmrechts betrauen, ohne daß es hierzu der Zustimmung seiner Mitgesellschafter bedarf. Das unterscheidet die GmbH maßgeblich von Personengesellschaften, und deshalb scheint es fast so, als sei in der Person des Testamentsvollstreckers in keinem Fall ein der Gesellschaft aufgedrängter Dritter zu erblicken und folglich eine Zustimmung der Gesellschafter zur Mitwirkung eines Testamentsvollstreckers entbehrlich. Das ist in solcher Uneingeschränktheit aber unzutreffend. So läßt sich zunächst die in § 47 III GmbHG vorgesehene Möglichkeit der Erteilung einer Stimrnrechtsvollmacht mit der angeordneten Testamentsvollstreckung nicht vergleichen, weil der Testamentsvollstrecker bekanntlich weisungsunabhängig und verdrängend tätig ist. Zum anderen ist im Hinblick auf die in § 15 I GmbHG normierte freie Übertragbarkeit des Geschäftsanteils einmal mehr der maßgebliche Unterschied zwischen Rechtsinhaberschaft und bloßer Rechtsausübung durch einen Dritten zu betonen, der für die GmbH in gleichem Maße zu gelten hat wie für Personengesellschaften und allenfalls durch ein völliges Zurückweichen personaler Bindungen oder eben durch die Zustimmung der übrigen Gesellschafter beseitigt werden kann. Nun sind aber auch in einer GmbH personalistische Strukturen gerade im mittelständischen Bereich keineswegs selten anzutreffen I. Dank der ihnen weitgehend gewährten Gestaltungsfreiheit können die Gesellschafter einer GmbH ihr Unternehmen einer Personengesellschaft beträchtlich annähern. Auf diese Weise kann insbesondere eine als Familiengesellschaft geführte GmbH unliebsame Fremdeinflüsse auf die Gesellschaft verhindern. So kann

1 Vgl. Immenga, Die personalistische Kapitalgesellschaft, S. 63 ff.; HachenburglUlmer, GmbHG, 8. Aufl., A1lg. Ein!. Rz. 8; BaumbachIHueck, GmbHG, 15. Aufl., § 3 Rz. 34; Wüst, FS Duden, 749, 752.

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§ 5. GmbH

etwa die Satzung die Mitwirkung eines Testamentsvollstreckers ausdrücklich ausschließen2. Stimmen die Gesellschafter in einem solchen Fall nicht doch noch ad hoc der Testamentsvollstreckung an dem vererbten Geschäftsanteil zu, bleibt dem Testamentsvollstrecker die Ausübung der Mitverwaltungsrechte versagt. Gleiches hat im übrigen auch zu gelten, wenn die Satzung eine Testamentsvollstreckung zwar nicht ausdrücklich untersagt, gleichwohl aber die Ausübung der Mitgliedschaftsrechte zwingend an die Person der jeweiligen Gesellschaftern bindet 3 . Ein weiterer Fall personalistischer Strukturierung der GmbH ist in der auf einen bestimmten Personenkreis begrenzten Stimmrechtsvollmacht zu erblicken. Auch mit einer solchen Regelung wird zumeist das Ziel verfolgt, Fremdeinflüsse auf die Willensbildung der Gesellschaft auszuschließen. Deshalb ist auch einem Testamentsvollstrecker die Ausübung der Mitverwaltungsrechte zu versagen, wenn er nicht den in der Satzung gestellten Anforderungen entspricht4. Schließlich ist auch eine Satzungsregelung, welche die in § 15 I GmbHG gewährte freie Veräußerlichkeit einschränkend an bestimmte Erfordernisse knüpft oder gar ausschließt, nicht unüblich. Entgegen der ganz überwiegenden Auffassung im Schrifttum5 ist auch in solchen Fällen die Testamentsvollstreckung grundsätzlich nicht ohne Zustimmung der übrigen Gesellschafter möglich, weil auch mit einer Vinkulierung des Geschäftsanteils das Ziel verfolgt werden kann, Fremdeinwirkungen von der Gesellschaft femzuhalten. Insofern wird man verlangen können, daß beispielsweise die für einen Anteilserwerber in der Satzung geforderten Qualifikationsmerkrnale auch in der Person des Testamentsvollstreckers vorhanden sind. Insbesondere aber muß in Familiengesellschaften eine auf den Kreis der Familienmitglieder beschränkte Abtretbarkeit des Geschäftsanteils auch für die Testamentsvollstreckung Beachtung finden. Stimmen die Gesellschafter der

2 HachenburglZutt, GmbHG, 8. Aufl., Anh. § 15 Rz. 119; LutterlHommelhoff, GmbHG, 13. Aufl., § 15 Rz. 6; BaumbachlHueck, GmbHG, 15. Aufl., § 15 Rz. 16; ScholzlWinter, GmbHG, 7. Aufl., § 15 Rz. 208 a.E.; Schilling, FS Schmidt, 208, 217; Petzoldt, GmbH- Rdsch. 1977,25,28; unklar Wiedemann, Übertragung, S. 338. 3 ScholzlWinter, GmbHG, 7. Aufl., § 15 Rz. 208; Däubler, Vererbung des Geschäftsanteils, S. 41; Petzoldt, GmbH- Rdsch. 1977, 25, 28. In diesen Fällen werden aber in aller Regel die aus der Mitgliedschaft fließenden vennögensrechtlichen Ansprüche der Testamentsvollstreckung unterliegen, vgl. Hachenburg/Zutt, GmbHG, 8. Aufl., Anh. § 15 Rz. 119; Priester, FS Stimpel, 463, 471 f. 4 Schilling, FS Schmidt, 208, 217. 5 ScholzlWinter, GmbHG, 7. Aufl., § 15 Rz. 208 a.E.; MünchKomm.lBrandner, BGB, 2. Aufl., § 2205 Rz. 42; Priester, FS Stimpel, 463, 470; HaegelelWinkler, Der Testamentsvollstrecker, 11. Aufl., Rz. 398; Doubler, Vererbung des Geschäftsanteils, S. 41. Begründet wird dies meist mit dem formalen Argument, es sei nicht der Testamentsvollstrecker, sondern der Erbe, der die Rechtsnachfolge in der Gesellschaft antrete, vgl. Priester, FS Stimpel, 463, 470.

§ 5. GmbH

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Tätigkeit eines familienfremden Testamentsvollstreckers nicht zu, muß die Testamentsvollstreckung gesellschaftsintern unterbleiben 6 .

6 So auch Knur, Die Familiengesellschaft, S. 186.

3. Teil

Die Stellung des Testamentsvollstreckers im Hinblick auf die mitgliedschaftlichen Rechte und Pflichten des Gesellschafter-Erben

§ 6. Überblick I. Problemstellung

Während in den vergangenen Jahrzehnten das Problem der Zulässigkeit einer Testamentsvollstreckung im Personengesellschaftsrecht einen Stammplatz in der wissenschaftlichen Diskussion hatte, zeichnet sich nunmehr eine Neuorientierung ab, nachdem sich der IVa-Ziviisenat des Bundesgerichtshofs erst für eine Testamentsvollstreckung an der "Außenseite" des Anteils eines unbeschränkt haftenden Personengesellschafters aussprach 1 und wenig später der 11. Zivilsenat die Testamentsvollstreckung an einem Kommanditanteil für zulässig erachtete2, in beiden Entscheidungen jedoch die rechtliche Stellung des Testamentsvollstreckers nicht näher umrissen wurde. Im Zuge der unweigerlich einsetzenden Diskussion um die Konkretisierung der Befugnisse des Testamentsvollstreckers im einzelnen3 wird künftig auch die seit jeher für zulässig erachtete Testamentsvollstreckung an einem GmbH-Geschäftsanteil aus ihrem bisherigen Schattendasein heraustreten.

1 BGHZ 98, 48, 57; vgl. bereits oben § 3 III 1 c. 2 BGHZ 108, 187, 191 ff. 3 Vgl. nur die kontroversen Beiträge zur Testamentsvollstreckung an einer Komrnanditbeteiligung von Ulmer, NJW 1990, 73, 77 ff.; Mayer, ZIP 1990, 976, 978 f.; Brandner, FS Kellerrnann, 37, 43 ff.

Il. Meinungsstand und Stellungnahme

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Die hierbei auftretenden Probleme der Rechtsmacht und der Pflichtenbindung des Testamentsvollstreckers sind unter zwei Blickwinkeln zu betrachten. Zum einen wird man fragen müssen, wie im einzelnen das Verhältnis des Testamentsvollstreckers zu der Gesellschaft und zu den Gesellschaftern auszugestalten ist. Zum anderen aber sind es vornehmlich Fragen der Kompetenzverteilung zwischen dem Testamentsvollstrecker und dem Gesellschafter-Erben, die einer Klärung bedürfen und deshalb im Mittelpunkt der Betrachtungen stehen werden. Nun ist die Rechtsmacht des Testamentsvollstreckers - vorbehaltlich anderweitiger Anordnungen des Erblassers nach §§ 2208 I, 2216 11 BGB - ja bekanntermaßen sehr weitreichend4 . Er nimmt den Nachlaß nach § 2205 S.2 BGB in Besitz und verdrängt den Erben nach § 2211 BGB insoweit von jeglicher Rechtsausübung. Das Gesetz wirkt der Machtlosigkeit des Erben freilich in verschiedenen Vorschriften entgegen. So ist der Testamentsvollstrecker nach § 2206 BGB in der Eingehung von Verbindlichkeiten auf den Nachlaß beschränkt, die Vorschrift des § 2205 S. 3 BGB untersagt ihm unentgeltliche Verfügungen über Nachlaßgegenstände und in §§ 2216, 2219 BGB wird ihm unter Androhung einer Schadensersatzpflicht die ordnungsgemäße Verwaltung des Nachlasses aufgegeben. Wird der Testamentsvollstrecker aber gesellschaftsrechtlich tätig, drängt sich die Frage auf, ob diese Vorschriften auch den Gesellschafter-Erben hinreichend schützen oder ob diesem angesichts des unverzichtbaren Selbstschutzes eines jeden Gesellschafters ein gewisser Bereich unentziehbarer "mitgliedschaftlicher Grundrechte" 5 zur eigenen Ausübung verbleiben muß.

n. Meinungsstand und Stellungnahme In der Literatur macht sich eine Tendenz bemerkbar, die Verteilung der Kompetenzen zwischen dem Testamentsvollstrecker und dem GesellschafterErben nicht nur anband der gegebenen erbrechtlichen Mittel vorzunehmen, sondern daneben auch gesellschaftsrechtliche Grundsätze zur Beschränkung seiner Rechtsmacht heranzuziehen. So findet sich für das Personengesellschaftsrecht die Auffassung, dem Gesellschafter-Erben sei ungeachtet der angeordneten Testamentsvollstreckung die Ausübung solcher Mitgliedschafts-

4 Vg1. dazu bereits oben § 2. 5 Vgl. Wiedemann, Gesellschaftsrecht I. § 7 I 1. S. 358.

§ 6. Überblick

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rechte vorbehalten, deren sich kein Gesellschafter entäußern könne6 . Genannt werden unter anderem die actio pro socio, die außerordentlichen Kontrollrechte aus §§ 118 11, 166 III HGB und das Recht eines jeden Gesellschafters, die Gesellschaft nach §§ 723 III, 133 III HGB jederzeit aus wichtigem Grund zu kündigen oder ihre gerichtliche Auflösung zu betreiben. In ihrer pauschalisierenden Formulierung läßt sich diese Aussage allerdings nicht aufrechterhalten. Die Frage der Abdingbarkeit oder Unabdingbarkeit eines Rechts hat mit dem Problem der Kompetenzen eines Testamentsvollstreckers nichts gemein. Allein durch die Anordnung der Testamentsvollstreckung werden dem Gesellschafter-Erben keine mitgliedschaftlichen Befugnisse genommen, sie bleiben vielmehr mit der Mitgliedschaft verbunden. Lediglich die Rechtsausübung liegt formal in den Händen des Testamentsvollstreckers. Das aber entspricht jenen Vorstellungen, wie sie der Gesetzgeber der Testamentsvollstreckung in §§ 2205, 2211 BGB zugrunde gelegt hat. Es kann daher allenfalls im Einzelfall unter Berücksichtigung des Schutzzweckes der jeweiligen Norm zu prüfen sein, ob sich die Ausübung eines unentziehbaren Mitgliedschaftsrechts durch den Testamentsvollstrecker in den durch §§ 2205, 2206 BGB und § 138 BGB gesteckten Grenzen hält. Ähnliches ist im Ergebnis auch der Auffassung entgegenzuhalten, der Gesellschafter-Erbe sei neben dem Testamentsvollstrecker schlechthin zur Wahrnehmung solcher Mitgliedschaftsrechte befugt, deren Ausübung einen wichtigen Grund voraussetze. Im Zuge der entstehenden "Doppelzuständigkeit" könne der Gesellschafter-Erbe in eigener Zuständigkeit beispielsweise die Rechte aus §§ 133, 146 11, 166 III HGB sowie die Unwirksamkeit eines Gesellschafterbeschlusses geltend machen 7. Warum das so sein soll, wird indes an keiner Stelle gesagt. Und tatsächlich ist es nur schwer nachvollziehbar, weshalb der Testamentsvollstrecker etwa die Antragsrechte aus §§ 117, 127, 140 HGB, die ja ebenfalls einen wichtigen Grund voraussetzen, nicht unter Ausschluß des Gesellschafter-Erben wahrnehmen können soll, wenn dieser dadurch keine Nachteile erleidet. Eine umfassende Einschränkung der Machtbefugnisse des Testamentsvollstreckers an Gesellschaftsbeteiligungen hat auch die weitgehende Übertragung der sogenannten Kernbereichslehres auf die Machtbefugnisse eines Testamentsvollstreckers zur Folge. Die Kernbereichslehre dient dem Schutz des

6 So Marotzke, JZ 1986,457,466 f.; teilweise auch Eschelbach, S. 91 ff. 7 So Schilling

in Großkonun. HGB, 4. Aufl., § 177 Rz. 18.

S Vgl. dazu H.P. Westermann, Vertragsfreiheit, S. 351 ff.; Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, § 7 I 1 b, S. 360 ff.; Löffler, NJW 1989, 2656 ff.

1I. Meinungsstand und Stellungnahme

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Minderheitsgesellschafters und umfaßt nicht nur die ohnehin als unverzichtbar ausgestalteten Mitgliedschaftsrechte9, sondern konstituiert für die Personengesellschaften dartiber hinaus ein Zustimrnungsrecht lO des einzelnen Gesellschafters zu solchen Beschlüssen, die in rechtlicher und vermögensmäßiger Hinsicht in seine Mitgliedschaft eingreifen 11. Nun wird behauptet, weil mit der Kernbereichslehre ein absoluter Schutz des Gesellschafters bezweckt sei, könne auch der Testamentsvollstrecker das Zustimmungsrecht des Gesellschafter-Erben in kernbereichsrelevanten Angelegenheiten nicht eigenmächtig ausüben 12. Das scheint in der Tat auf den ersten Blick einer kritischen Betrachtung standzuhalten, denn die der Kernbereichslehre zugrunde liegende Idee des Individualschutzes der einzelnen Gesellschafter hat ihren Ursprung in der Vorschrift des § 138 BGB13, und die darf auch hinsichtlich der mit einer Testamentsvollstreckung regelmäßig einhergehenden Bevormundung des Erben nicht aus den Augen verloren werden. Gleichwohl wird die Kernbereichslehre etwas übereilt zur Einschränkung der Rechtsmacht des Testamentsvollstreckers herangezogen. Zumeist bleibt völlig unberücksichtigt, daß das Erbrecht in §§ 2205 S. 3,2206,2219 BGB eigene Schutzmechanismen zugunsten des Erben bereit hält. Nur wenn sich anband dieser Vorschriften keine interessengerechte Ergebnisse erzielen lassen, darf die Kernbereichslehre zur Konkretisierung der Kompetenzen des Testamentsvollstreckers dienen. Ob das der Fall ist, soll nachfolgend untersucht werden.

9 Schlegelberger/K. Schmidt, HGB, 5. Aufl., § 119 Rz. 24 f.; BaumbachlHueck, GmbHG, 15. Aufl., § 14 Rz. 13; Löffler, NJW 1989,2656,2657 f.

10 BGH NJW 1985, 974; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 2. Aufl., § 16 III 3, S. 387 f.; Hachenburg/Ulmer, GmbHG, 8. Aufl., § 53 Rz. 59.

11 Für das Personengesellschaftsrecht findet sich eine Zusanunenstellung kernbereichsrelevanter Beschlußgegenstände bei Löffler, NJW 1989, 2656, 2657 ff. 12 Für die Personengesellschaften: SchlegelbergerlK. Schmidt, HGB, 5. Aufl., § 139 Rz. 51 b; Ulmer, NJW 1990,73,79; ders., ZHR 146 (1982),555, 568; HaegelelWinkler, Der Testamentsvollstrecker, 11. Aufl., Rz. 372; Mayer, ZIP 1990,976, 978; Quack, BB 1989, 2271, 2273; Reimann, DNotZ 1990, 190, 192; Eschelbach, S. 91 ff., 99 ff.; Raddatz, S. 173 ff.; Buschmann, S. 172 ff.; offengelassen in BGHZ 108, 187, 198. Für die GmbH: K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 2. Aufl., § 35 1I 3 c, S. 878; Priester, FS Stirnpel, 463, 481 f.; HaegelelWinkler, Der Testamentsvollstrecker, 11. Aufl., Rz. 404, Buschmann, S. 185; wohl auch Wiedemann, Übertragung, S. 338.

13 Vgl. H.P. Westermann, Vertragsfreiheit, S. 352 f.;Immenga, ZGR 1974,385,417; Erman, FS Nipperdey 1,277,291.

§ 7. Kompetenzen des Testamentsvollstreckers an einzelnen Mitgliedschaftsrechten

L Kommanditanteil und GmbH 1. Wahrnehmung von Geschäftsführungs- und Vertretungs befugnissen

Mit dem Geschäftsanteil an einer GmbH, aber auch mit der Kommanditbeteiligung sind zuweilen auch unternehmerische Leitungsbefugnisse verbunden. So wird gerade in der personalistisch strukturierten GmbH die Geschäftsführung in der Satzung nach § 3 11 GmbHG häufig als ein Sonderrecht der Gesellschafter statuiert, um die Geschicke der Unternehmensleitung in eigenen Händen halten zu können 1. Der Kommanditist ist demgegenüber nach der in §§ 164, 170 HGB getroffenen Grundentscheidung zwar von der Geschäftsführung und Vertretung der Gesellschaft ausgeschlossen2 , dennoch sind auch mitarbeitende Kommanditisten durchaus keine Seltenheit. Sie können aufgrund der dispositiven Natur des § 164 HGB gesellschaftsvertraglieh zur Geschäftsführung befugt sein, und diese Befugnis kann ihnen dann nur unter den erschwerten Voraussetzungen des § 117 HGB wieder entzogen werden, d.h. bei Vorliegen eines wichtigen Grundes und durch richterliches UrteiP. Mit einer solchen Geschäftsführungsbefugnis korrespondiert gelegentlich auch eine entsprechende Vertretungsbefugnis des Kommanditisten, die in Gestalt einer Prokura erteilt werden kann und deren Entziehung in Abweichung

1 Vgl. BGH GmbH-Rdsch. 1982, 129; Baumbach / Hueck, GmbHG, 15. Aufl., § 3 Rz. 47; Jmmenga, Die personalistische Kapitalgesellschaft, S. 102.

2 Dem Kommanditisten wird allerdings über den Wortlaut des § 164 S. 1 HS. 2 HGB hinaus ein Zustirnmungsrecht zu solchen Handlungen der geschäftsfiihrenden Gesellschafter gewährt, die über den gewöhnlichen Betrieb des Gewerbes der Gesellschaft hinausgehen. Dieses Zustirnmungsrecht wird durch den Testamentsvollstrecker ausgeübt, vgl. Ulmer, NJW 1990,73,78. 3 BGHZ 17, 392, 395; Schilling in Großkornm. HGB, 4. Aufl., § 164 Rz. 10; H. Westermann, Personengesellschaften, Rz. 880 a.E.; auch Schlegelberger / Martens, HGB, 5. Aufl., § 164 Rz. 30.

I. Kommanditanteil und GmbH

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von § 52 I HGB ebenfalls eines wichtigen Grundes und eines richterlichen Urteils bedarf 4 . Nun wird sich die Frage nach einer Ausübung dieser Befugnisse durch den Testamentsvollstrecker in aller Regel überhaupt nicht stellen, da ihrer Erteilung sowohl in der Kommanditgesellschaft5 als auch in der GmbH6 zumeist ein besonderes Vertrauen in die Fähigkeiten des jeweiligen Gesellschafters zugrundeliegt und sich ein solches Vertrauen nicht erbrechtlich übertragen läßt. Für die Prokura etwa wird die Unübertragbarkeit in § 52 I HGB sogar ausdrücklich ausgesprochen7 . Freilich bleibt es den übrigen Gesellschaftern unbenommen, den Testamentsvollstrecker unter den üblichen Voraussetzungen zum Geschäftsführer zu bestellen oder ihm Prokura zu erteilen. Wenn der Testamentsvollstrecker eine Kommanditbeteiligung verwaltet, ist aus haftungsrechtlicher Sicht lediglich darauf zu achten, daß die Hafteinlage in vollem Umfang erbracht ist und die Kommanditbeteiligung auch in das Handelsregister eingetragen ist8. Ganz ausnahmsweise kann allerdings die Satzung einer GmbH das Recht zur Geschäftsführung auch an die Mitgliedschaft als solche binden und sie auf diese Weise als allgemeines Mitgliedschaftsrecht ausgestalten9 . Ebenso kann die Geschäftsführungsbefugnis eines Kommanditisten ihre Grundlage in dessen besonderer kapitalmäßiger Beteiligung bzw. in der Höhe seiner Hafteinlage haben und deshalb mit der Beteiligung untrennbar verbunden sein. In beiden Fällen geht die Geschäftsführungsbefugnis mit der Gesellschaftsbeteiligung auf den Rechtsnachfolger über. Für die Frage, ob der Testamentsvollstrecker diese Befugnis ausüben kann, kommt es dann entscheidend darauf an, inwieweit eine etwa erforderliche Zustimmung der übrigen Gesellschafter zur Testamentsvollstreckung auch eine derartige Konstellation erfaßt. Das wird im Zweifel nicht anzunehmen sein, wenn die Zustimmung nicht gerade im Hinblick auf die konkrete Person des Testamentsvollstreckers oder dessen fachli-

4 BGHZ 17, 392, 395; Joost in Großkomm. HGB, 4. Aufl., § 52 Rz. 5; H. Westermann, Personengesellschaften, Rz. 864. 5 Vgl. Fischer, BB 1956, 839, 841; auch Ulmer in Großkomm. HGB, 3. Aufl., § 139 Arun. 62. 6 Vgl. Baumbach / Hueck, GmbHG, 15. Autl., § 15 Rz. 10; Däubler, Vererbung des Geschäflsanteils, S. 10. 7 Andere Vollmachten erlöschen mit dem zugrundeliegenden Rechtsverhältnis (§ 168 BGB), bei einem Auftrag oder einem Geschäflsbesorgungsvertrag im Zweifel mit dem Tod des Bevollmächtigten (§§ 673 S. 1,675 BGB). 8 Vgl. oben § 3 IIl2 a undd.

9 Baumbach / Hueck / Zöllner, GmbHG, 15. Aufl., § 35 Rz. 11. 7 Dörrie

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§ 7. Kompetenzen des Testamentsvollstreckers im einzelnen

cher Qualifikation erteilt wurde 1o . Wenn das allerdings ausnahmsweise einmal der Fall sein sollte, muß auch der Testamentsvollstrecker berechtigt sein, anstelle des Gesellschafter-Erben geschäftsführend für die Gesellschaft tätig zu werden. Während das in der GmbH keinerlei Probleme bereitetlI, ist für die Kommanditbeteiligung hingegen das Prinzip der Selbstorganschaft zu beachten l2 . Die gesellschaftsvertraglich vereinbarte Geschäftsführungsbefugnis eines Kommanditisten ist angesichts ihrer nur unter den erschwerten Voraussetzungen des § 117 HGB möglichen Entziehung gewissermaßen organschaftlieh abgesichert. Zwar kann auch ein Dritter Geschäftführungsbefugnisse in einer Personenhandelsgesellschaft wahrnehmen, diese dürfen jedoch nicht organschaftlieher Natur sein J3 Gerade das aber wäre der Fall, wenn der Testamentsvollstrecker kraft seines Amtes die organschaftlich abgesicherten Geschäftsführungsbefugnisse des Gesellschafter-Erben wahrnehmen dürfte, ohne selbst in irgendeiner Art den Weisungen der übrigen Gesellschafter unterworfen zu sein. Dem Testamentsvollstrecker können Geschäftsführungsaufgaben allenfalls durch schuldrechtliche Abrede übertragen werden l4 . Konstruktiv ist deshalb der Testamentsvollstrecker für die Dauer seines Amtes rechts geschäftlich mit den entsprechenden Geschäftsführungsbefugnissen zu betrauen, die Befugnisse des Kommanditisten-Erben haben hingegen zu ruhen, um eine konkurrierende Tätigkeit zu verhindern l5 . 2. Ausübung des Stimmrechts und des Zustimmungs rechts zu Gesellschafterbeschlüssen

Im Mittelpunkt der Mitverwaltungsrechte eines Gesellschafters steht das Stimmrecht. Es gibt grundsätzlich jedem Mitglied einer Gesellschaft die Möglichkeit, an der Beschlußfassung und damit am Prozeß der kollektiven Willensbildung innerhalb der Gesellschaft mitzuwirken. Vom Stimmrecht zu un-

10 vgl. Brandner, FS Kellennann, 37, 43; wohl auch Ulmer, NJW 1990, 73, 76 (jeweils zur Testamentsvollstreckung an einer Kommanditbeteiligung). 11 Hachenburg / Zutt, GmbHG, 8. Aufl., Anh. § 15 Rz. 121; Rowedder, GmbHG, 2. Aufl., § 15 Rz. 71; Priester, FS Stimpel, 463, 472. 12 Abweichend Richardi, S. 23; Friedrich, S. 210; auch Brandner, FS Kellennann, 37, 44. 13 Vgl. Schlegelberger / K. Schmidt, HGB, 5. Aufl., § 114 Rz. 53; A. Hueck, OHG, 4. Aufl., § 10 Il 2, S. 119 in Fn. 10; ders. JZ 1954,362,363. 14 Vgl. Schlegelberger / K. Schmidt, HGB, 5. Aufl., § 114 Rz. 53. 15 Vgl. dazu auch oben § 3 Il 2.

I. Konunanditanteil und GmbH

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terscheiden ist das verschiedentlich gewährleistete Zustimmungsrecht 16 des Gesellschafters l7 . Auch hier wird zwar zunächst ein Einfluß auf die kollektive Willensbildung normiert, anders als bei der Ausübung des Stimmrechts ist der Gesellschafter aber nicht nur zur bloßen Mitwirkung an dem Gesellschafterbeschluß befugt, vielmehr ist dessen wirksames Zustandekommen von seiner Stimme abhängig. Nach der in §§ 2205, 2211 BGB vom Gesetzgeber getroffenen Grundentscheidung steht dem Testamentsvollstrecker die alleinige Entscheidungsmacht über die Ausübung des Stimmrechts und eines Zustimmungsrechts zu. Da beiden Rechten aber eine solch zentrale Bedeutung im Katalog mitgliedschaftlicher Mitspracherechte zukommt, werden die Machtbefugnisse des Testamentsvollstreckers diesbezüglich auf verschiedene Weise eingeschränkt. Er kämpft dabei an zwei Fronten zugleich. Zum einen hat er jene Schranken der Rechtsausübung zu beachten, die auch einen Gesellschafter treffen, zum anderen zieht das Gesetz in §§ 2205 S. 3, 2206 BGB der Rechtsrnacht des Testamentsvollstreckers allgemeine Grenzen, die gesellschaftsrechtlich gerade im Zusammenhang mit der Stimmrechtsausübung besondere Relevanz erlangen. a) Schranken der Ausübung des Stimmrechts und des Zustimmungsrechts gegenüber der Gesellschaft

aa) Stimmverbote Eine rechtsformunabhängige Schranke der Stimmrechtsausübung kann sich aus Interessenkollisionen ergeben, die häufig ein Stimmverbot nach sich ziehen. Auf diese Weise soll ein Einfluß gesellschaftsfremder Sonderinteressen auf die Beschlußfassung der Gesellschaft von vorneherein ausgeschlossen werden l8 .

16 Zu nennen sind etwa die Vorschriften der §§ 53 III GmbHG, 35 BGB oder das Zustinunungsrecht eines Gesellschafters in kembereichsrelevanten Angelegenheiten. 17 Vg1. eingehend Zöllner, Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht, S. 104 tT., 109 ff.; Wiedemann, Übertragung, S. 33 f

18 Vgl. dazu Zöllner, Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht, S. 145 ff.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 2. Aufl., § 21 II 2, S. 499 ff. Positivrechtliche Regelungen hierzu finden sich nur vereinzelt, so etwa in §§ 47 IV GmbHG, 136 AktG. Im Personengesellschaftsrecht werden Stimmverbote hingegen nur angedeutet, wie beispielweise in §§ 127, 140 HGB und § 712 BGB ("die übrigen Gesellschaftern).

§ 7. Kompetenzen des Testamentsvollstreckers im einzelnen

100

Für die Ausübung des Stimmrechts durch den Testamentsvollstrecker ergibt sich daraus zweierlei. Zum einen ist er von der Abstimmung ausgeschlossen, wenn in der Person des Gesellschafter-Erben Gründe vorliegen, die für diesen zu einem Stimmverbot geführt hätten. Denn es entspricht einem an sich selbstverständlichen und in § 136 12 AktG zum Ausdruck gekommenen Grundsatz, daß ein Gesellschafter, der selbst an der Ausübung seines Stimmrechts gehindert ist, diese auch einem Dritten nicht überlassen kann l9 . Mögliche Beschlußgegenstände lassen sich insoweit der Vorschrift des § 47 IV GmbHG entnehmen. Weil niemand Richter in eigener Sache sein so1l20, wird dort einem Gesellschafter, der durch die Beschlußfassung etwa von einer Verbindlichkeit befreit werden soll, insoweit die Ausübung des Stimmrechts versagt. Gleiches gilt, wenn in einem Beschluß über die Einleitung oder Erledigung eines Rechtsstreites gegen einen Gesellschafter entschieden werden S01l21. Ist von solchen Beschlüssen der Gesellschafter-Erbe betroffen, kann auch der Testamentsvollstrecker dessen Stimmrecht nicht ausüben. Darüber hinaus entspricht es heute aber auch einem anerkannten Grundsatz, daß niemand zur Ausübung eines fremden Stimmrechts befugt sein darf, in dessen Person die Voraussetzungen eines Stimmverbotes vorliegen22 . Ist es also der Testamentsvollstrecker selbst, der gesellschaftsfremde Sonderinteressen in die Beschlußfassung hineintragen könnte, darf er das Stimmrecht aus der verwalteten Gesellschaftsbeteiligung nicht ausüben. Derartige Überlegungen sind keineswegs nur theoretischer Natur, wenn man sich die Möglichkeit vor Augen hält, daß auch ein Mitgesellschafter zum Testamentsvollstrecker ernannt werden kann und schon deshalb auch in der Ausübung eines fremden Stimmrechts grundsätzlich etwaigen Stimmverboten unterliegt23. Zudem ist beispielsweise auch aus der Rechtsprechung ein Fall bekannt, in dem sich ein Testamentsvollstrecker, der zwar nicht Gesellschafter einer GmbH, aber Mitglied eines Beirats war, mit der Stimme aus dem von ihm verwalteten Geschäftsanteil an dem Gesellschafterbeschluß über die

19 Zöllner, Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht, S. 272.

20 Vgl. Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, § 8 I 4, S. 422. 21 Weitere Beispiele fmden sich bei Baumbach / Hueck / Zöllner,

GmbHG, 15. Aufl., § 47 Rz.

45 ff.

22 Vgl. Zöllner, Schranken mitgliedschaftlicl:er Stimrnrechtsmacht, S. 272 ff.; Wiedemann, Übertragung, S. 355 ff. 23

Für den einen Geschäftsanteil verwaltenden Testamentsvollstrecker ergibt sich das bereits aus

§ 47 IV I GmbHG.

1. Kommanditanteil und GmbH

101

Entlastung des Beirats beteiligte24 . Die Mitwirkung des Testamentsvollstrekkers wurde in der Entscheidung zutreffend an den Stimmverboten des § 47 IV 1 GmbHG gemessen und folgerichtig auch für unwirksam erklärt. Zugleich wurde die praktisch relevante Frage geklärt, ob denn in Fällen dieser Art das Stimmrecht des Gesellschafter-Erben ruht oder er selbst zur Ausübung befugt sein soll. Der Bundesgerichtshof entschied in letzterem Sinne und führte aus, es entspreche einem allgemeinem Grundsatz, daß bei rechtlicher Verhinderung des Vertreters oder Amtswalters der Vertretene selbst das Stimmrecht ausüben könne. Zudem stehe es auch nicht in der Rechtsrnacht des Erblassers, den Erben außerhalb der Verwaltungsbefugnis des Testamentsvollstreckers in seiner Verfügungsmacht über den Nachlaß zu beschränken25 . Das ist im Grundsatz zweifellos richtig, denn in der Tat lassen die in der Person des Testamentsvollstreckers liegenden und zu einem Ausschluß seiner Befugnisse führenden Gründe das Verfügungsrecht des Erben wieder aufleben26 . Allerdings wird diese allgemeine Erwägung der Testamentsvollstreckung an einem Gesellschaftsanteil kaum gerecht. Es macht wenig Sinn, einem GesellschafterErben, der im übrigen nach dem Willen des Erblassers von jeglicher Mitwirkung in der Gesellschaft ausgeschlossen sein soll, ohne den erforderlichen Einblick in den Geschäftsbetrieb eine einzelne Stimmrechtsausübung aus dem Gesamtkomplex der mitgliedschaftlichen Rechte zu gestatten. Das wird im übrigen auch nicht im Interesse der übrigen Gesellschafter liegen. Man sollte daher in diesen Fällen das Stimmrecht ruhen lassen und dem GesellschafterErben einen Interessenkonflikt in der Person des Testamentsvollstreckers zurechnen. Der Praxis ist freilich dennoch anzuraten, durch entsprechende gesellschaftsvertragliche Regelungen für eine KlarsteIlung über die Stimmrechtsausübung in Konstellationen der genannten Art zu sorgen. bb) Treuepflicht des Testamentsvollstreckers Ein Gesellschafter wird nicht nur durch Stimmverbote, sondern daneben auch durch die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht in der Ausübung seines

24 BGH DB 1989, 171511'. In einern anderen Fall (BGHZ 51, 209, 213 ff) beteiligte sich ein geseIlschaftsfremder Testamentsvollstrecker mit der Stimme des Gesellschafter-Erben an seiner Wahl zum Geschäftsfilhrer einer GmbH; das wurde ihm - dort allerdings in entsprechender Anwendung des § 181 BGB - nicht gestattet, vgl. dazu auch Schah / K. Schmidt, GmbHG, 7. Aufl., § 47 Rz. 181; Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, § 3 III 2, S. 183. 25 BGH DB 1989, 1715, 1716; vgl. auch BGHZ 51, 109,217; Schah / K. Schmidt, GmbHG, 7. Aufl., § 47 Rz. 155; Fleck, Anrn. zu LM Nr. 13 zu § 47 GmbHG. 26 Vgl. RGRK

I Kregel, BGB, 12. Aufl., § 2205 Rz. 14 und § 2225 Rz. 9.

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§ 7. Kompetenzen des Testamentsvollstreckers im einzelnen

Stimmrechts beschränkt27 . Sie ist im Gesellschaftsrecht von grundlegender Bedeutung und prägt sowohl in den Personengesellschaften28 als auch in der GmbIF9 in besonderem Maße den Pflichtenkatalog eines Gesellschafters. Die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht vermag Schadensersatzansprüche gegenüber einzelnen Gesellschaftern oder der Gesellschaft30 ebenso zu begründen wie Unterlassungspflichten31 und auch positive Stimmpflichten32 . Hat sich heute eine Systernatisierung und inhaltliche Bestimmung der Treuepflichten weitgehend herausgebildet, so ist doch ihre dogmatische Grundlage nach wie vor umstritten. Im Hinblick auf Personengesellschaften wird sie teilweise in einer besonderen Ausprägung des allgemeinen Grundsatzes von Treu und Glauben aus § 242 BGB erblickt33, zum Teil wird die Treuepflicht als Inhalt der gesellschaftsvertraglichen Förderpflicht aus § 705 BGB begriffen34, man hat sie als selbständigen Inhalt und Hauptpflicht des Gesellschaftsverhältnisses bezeichnet3 5 oder als eine "auf Richterrecht beruhende Generalklausel"36. Variierende Begründungen finden sich auch für die GmbH. Sie reichen von einer Ableitung der Treuepflicht aus einer neben der GmbH bestehenden Gesellschaft bürgerlichen Rechts über eine Herleitung aus dem deliktsrechtlichen Schutz der Mitgliedschaft bis hin zur Annahme einer unmittelbaren Vertragsbeziehung zwischen den GmbH-Gesellschaftern37 . Bei aller Unstimmigkeit in diesem Punkt herrscht aber doch Einigkeit darüber, daß die Treuebindungen des Gesellschafters letztlich Ausfluß der gesellschaftsvertraglich begründeten

27 Vgl. Zöllner, Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht, S. 335 ff.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 2. Aufl., § 21 II 3, S. 503 ff. 28 Vgl. A. Hueck, Der Treuegedanke im Recht der OHG, in: FS Hübner, 1935, S. 72 ff.; ders., Der Treuegedanke im modernen Privatrecht, 1947; Fischer in Großkomm. HGB, 3. Aufl., § 105 Anm.31 a ff.; MünchKomm. / Ulmer, BGB, 2. Aufl., § 705 Rz. 181 ff. 29 Vgl. BGHZ 65, 15, 19 (ITT-Entscheidung); Winter, Mitgliedschaftliche Treuebindungen, S. 43 ff. 30 MünchKomm / Ulmer, BGB, 2. Aufl., § 705 Rz. 31

198.

Ulmer in Großkomm. HGB, 4. Aufl., § 105 Rz. 235.

32 BGHZ 44, 40 ff.; Winter, Mitgliedschaftliche Treuebindungen, S. 31 ff., 167 ff.; kritisch Wüst, JZ 1985, 1077, 1079. 33 Vgl. nur MünchKomm. / Roth, BGB, 2. Aufl., § 242 Rz. 117; Stau dinger / Keßler, BGB, 12. Aufl., Vor § 705 Rz. 42. 34 Vgl. Lutter, AcP 180 (1980),84, 102 ff.; Soergel / Hadding, BGB, 11. Aufl., § 705 Rz. 58. 35 Vgl. A. Hueck, Der Treuegedanke im modemen Privatrecht, S. 16 ff.; Fischer in Großkomm. HGB, 3. Aufl., § 105 Anm. 31 a.

36 Vgl. Ulmer in GroßKomm. HGB, 4. Aufl., § 105 Rz. 233. 37 Vgl. dazu mit eingehenden Stellungnahmen die Nachweise

Treuebindungen, S. 43 ff.

bei Winter, Mitgliedschaftliche

I. Kommanditanteil und GmbH

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Mitgliedschaft sind. Gerade daran fehlt es aber einem Testamentsvollstrecker, der nicht zugleich selbst Gesellschafter ist; er übt lediglich die Rechte eines Gesellschafters uneigennützig aus. Es dürften aber keine Zweifel daran bestehen, daß der Testamentsvollstrecker nicht ohne jegliche Pflichtenbindung gegenüber der Gesellschaft zur Ausübung mitgliedschaftlicher Rechte befugt sein kann. Es stellt sich daher die Frage, wie eine Beachtung der Treuepflichten durch den Testamentsvollstrecker erreicht werden kann. Man könnte bei der Beantwortung dieser Frage zunächst versucht sein, den Testamentsvollstrecker nicht selbst der Treuebindung zu unterwerfen, sondern ausschließlich an die mitgliedschaftliche Position des Gesellschafter-Erben anzuknüpfen. Dieser unterliegt ungeachtet einer angeordneten Testamentsvollstreckung allein aufgrund seiner Mitgliedschaft der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht, wenngleich er selbst zur Wahrnehmung mitgliedschaftlicher Rechte nicht befugt ist. Ein treuwidriges Handeln des Testamentsvollstreckers wäre dem treuepflichtigen Gesellschafter-Erben dann unter entsprechender Anwendung des § 278 BGB zuzurechnen38 , und dieser wäre dafür verantwortlich, den Testamentsvollstrecker zu den fraglichen Handlungen oder Unterlassungen zu bewegen. Diese Lösung ist allerdings umständlich und führt auch kaum zu praxisgerechten Ergebnissen. Aus der Sicht der Gesellschaft hätte der Umweg über den Gesellschafter-Erben eine nicht unerhebliche Entwertung der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht zur Folge, zumal der Testamentsvollstrecker an Weisungen des Gesellschafter-Erben überhaupt nicht gebunden wäre. Das könnte letztlich auch Folgen für den Gesellschafter-Erben haben. Er liefe nämlich Gefahr, bei wiederholt treuwidrigem Verhalten des Testamentsvollstreckers aus der Gesellschaft ausgeschlossen zu werden 39 , wenn er nicht selbst rechtzeitig nach § 2227 BGB die Entlassung des Testamentsvollstrekkers beim Nachlaßgericht beantragt40. Es ist deshalb ein Ansatzpunkt zu einer eigenen Treueverpflichtung des Testamentsvollstreckers zu suchen.

38 Das ist der bei einer Testamentsvollstreckung übliche Weg. Der Erbe muß sich Pflichtverletzungen des Testamentsvollstreckers bei Ausübung seines Amtes über § 278 BGB zurechnen lassen, vgl. Soergel/ Damrau, BGB, 12. Aufl., § 2219 Rz. 8; Stau dinger / Reimann, BGB, 12. Aufl., § 2205 Rz. 69. Im Innenverhältnis zum Testamentsvollstrecker kann der Erbe aber nach § 2219 BGB Regreß nehmen. 39 Auch schwerwiegende Verstöße gegen die Treuepflicht können einen wichtigen Grund flir den Ausschluß eines Gesellschafters aus der Gesellschaft bilden, vgl. flir die Personengesellschaften: RGZ 163, 35, 38; MünchKomm. / Ulmer, BGB, 2. Aufl., § 705 Rz. 198; Soergel I Hadding, BGB, 11. Aufl., § 705 Rz. 64; flir die GmbH: BGHZ 9, 157, 163; Grunewald, Der Ausschluß aus Gesellschaft und Verein, S. 47. 40 Vgl. Ulmer, NJW 1990,73,81.

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§ 7. Kompetenzen des Testamentsvollstreckers im einzelnen

Auf dem Weg dorthin wurde an die mitgliedschaftliche Stellung des Erblassers angeknüpft. Der Testamentsvollstrecker sei ebenso wie der Erblasser der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht untenvorfen41 . Nun kann es aber keineswegs so sein, daß die Treuepflicht des Erblassers schlechterdings auf den Testamentsvollstrecker übergeht. Hierzu bedürfte es eines Übertragungstatbestandes, und ein solcher ist nicht in Sicht. Präziser ist daher schon der Rückgriff auf die letztwillige Verfügung des Erblassers. Dessen Venvaltungsauftrag sei die Treuebindung als inhaltliche Beschränkung der Rechtsmacht des Testamentsvollstreckers nach § 2208 I BGB zu entnehmen42 . In der Tat vermag der Erblasser den Testamentsvollstrecker auf diese Weise mit dinglicher Wirkung43 an die gesellschafterliche Treue zu binden und dadurch die Nichtigkeit treuwidrig abgegebener Stimmen herbeizuführen44 . Das allein hilft der Gesellschaft allerdings wenig, denn der mögliche Inhalt einer Anordnung nach § 2208 I BGB erschöpft sich bereits in der Beschränkung der Rechtsmacht des Testamentsvollstreckers. Die Gesellschaft könnte hingegen die Vornahme oder die Unterlassung von Handlungen, wie sie durch die Treuepflicht geboten sein können, von dem Testamentsvollstrecker aus § 2208 I BGB nicht verlangen. Bleibt man beim Venvaltungsauftrag des Erblassers als Anknüpfungspunkt für eine Treuepflicht des Testamentsvollstreckers, so bietet sich ein weiterer Lösungsweg an. Jede Ausübungsüberlassung von mitgliedschaftlichen Befugnissen ließe sich als ein Schuldverhältnis mit Schutzwirkung für die Gesellschaft denken, wobei die Schutzwirkung durch die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht zu konkretisieren wäre45 . Das Rechtsinstitut des Vertrages mit Schutzwirkung für Dritte wäre damit aber weitgehend überfordert. Einmal fügt sich die letztwillige Verfügung als einseitiges Rechtsgeschäft nicht recht in das vertragliche Konzept dieses Rechtsinstitut ein46 . Zum anderen stehen auf der Rechtsfolgenseite der Schuldverhältnisse mit Schutzwirkung für Dritte grundsätzlich nur Schadensersatzansprüche des Dritten. Unterlassungs- und

41 So Schilling in Großkomm. HGB, 4. Aufl., § 177 Rz. 12. 42 So Eschelbach, Testamentsvollstreckung, S. 84 ff 43 Vgl. Staudinger / Reimann, BGB, 12. Aufl., § 2208 Rz. 14. 44 Zur Nichtigkeit treuwidrig abgegebener Stimmen, vgl. Zöllner, Schranken mitgliedschafUicher Stimmrechtsmacht, S. 366 ff 45 So F1eck, FS Rob. Fischer, 107, 119, der diesem Lösungsansatz allerdings nicht weiter nachgeht. 46 Dieses Manko ließe sich konstruktiv allenfalls über die Annahme des Amtes durch den Testamentsvollstrecker (§ 2202 BGB) lösen.

I. Kommanditanteil und GmbH

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Handlungspflichten, wie sie die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht vorsieht, werden sich hingegen damit nur schwerlich begründen lassen. Letztlich bedarf es derart dogmatisch umständlicher Konstruktionen überhaupt nicht, um den Testamentsvollstrecker der Treuepflicht zu unterwerfen. Sie folgt vielmehr aus einem eher selbstverständlichen Gesichtspunkt. Mit der Anordnung einer Testamentsvollstreckung wird der Erbe nach §§ 2205, 2211 BGB grundsätzlich von jeglicher Einwirkungsmöglichkeit auf den Nachlaß ausgeschlossen. Diese Verdrängungswirkung bedeutet im Falle der Testamentsvollstreckung an einer Gesellschaftsbeteiligung aber nichts anderes, als daß der Testamentsvollstrecker im Hinblick auf die mitgliedschaftlichen Befugnisse faktisch an die Stelle des Gesellschafter-Erben tritt. Damit hat er für die Dauer seines Amtes jene Einwirkungsmöglichkeiten auf die Geschicke der Gesellschaft, die auch ein Gesellschafter hat. Allein diese Tatsache muß eine Anbindung des Testamentsvollstreckers an die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht zur Folge haben47 . Er selbst kann deshalb auf Abgabe eine der gesellschafterlichen Treue entsprechenden Stimmabgabe verklagt werden, er hat schädigende Wettbewerbshandlungen zu unterlassen und er macht sich bei einer schuldhaften Verletzung seiner Treuepflicht schadensersatzpflichtig48. Aufgrund der eigenen Treuebindung des Testamentsvollstreckers ist deshalb auch eine Konfliktsituation, die sich für ihn aus einer mit dem Gesellschaftsinteresse kollidierenden letztwilligen Verwaltungsanordnung des Erblassers ergeben kann, zugunsten der Gesellschaft zu entscheiden49 . Nun stellt sich die Frage, welche Folgen wiederholte und schwerwiegende Verstöße des Testamentsvollstreckers gegen seine Treueverpflichtung nach sich ziehen. Es sollte im Ergebnis nicht daran gezweifelt werden, daß der Gesellschaft eine Möglichkeit zur Verfügung stehen muß, sich von der Person des Testamentsvollstreckers in solchen Fällen wieder zu lösen, ohne gleich den Ausschluß des Gesellschafter-Erben aus der Gesellschaft betreiben zu müssen 50 . Unklar ist hingegen, unter welchen Voraussetzungen und auf welchem Wege sich die Gesellschaft der Mitwirkung des Testamentsvollstreckers wieder entledigen kann. Es bieten sich insofern zwei Lösungsmöglichkeiten

47 Vgl. auch Ulmer, NJW 1990, 73, 81. Eine Treuepflicht des Testamentsvollstreckers generell verneinend: Hüji1er, S. 119; Friedrich, S. 195; auch Richardi, S. 38. 48 Umgekehrt kommt ihm jedenfalls im Personengesellschaftsrecht dann auch die Haftungserleichterung aus § 708 BGB gegenüber der Gesellschaft zugute, soweit die Vorscluift nicht gesellschaftsvertraglich ausgeschlossen ist, vgl. dazu MünchKomm. / Ulmer, BGB, 2. Aufl., § 708 Rz. 16. Zur Anwendung des § 708 BGB in der GmbH: Winter, Mitgliedschaftliche Treuebindungen, S. 110 f

49 AA wohl Banck, S. 227. 50 So aber

Ulmer, NJW 1990,73,81.

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§ 7. Kompetenzen des Testamentsvollstreckers im einzelnen

an. Man kann einmal auf gesellschaftsrechtlicher Ebene vorgehen und dem Testamentsvollstrecker schlicht durch Gesellschafterbeschluß die Mitwirkung in der Gesellschaft untersagen51 bzw. unter entsprechender Anwendung des § 140 HGB den ansonsten für den Ausschluß eines Gesellschafters gebräuchlichen Weg der Ausschließungklage einschlagen. Zum anderen kann aber auch die erbrechtliche Vorschrift des § 2227 BGB zum Zuge kommen, die den Beteiligten die Möglichkeit eröffnet, die Entlassung des Testamentsvollstreckers zu beantragen, hierfür aber den Gang zum Nachlaßgericht erforderlich macht52 . Eine Gesamtbetrachtung entscheidet für eine entsprechende Anwendung des § 2227 BGB. Denn der Ausschluß des Testamentsvollstreckers von jeglicher Mitwirkung in der Gesellschaft hat notwendig auch die Absetzung des Testamentsvollstreckers im Verhältnis zum Gesellschafter-Erben hinsichtlich des Gesellschaftsanteils zur Folge. Hierfür sieht § 2227 BGB aber die besondere Zuständigkeit des Nachlaßgerichtes53 vor, die allein durch das Vorhandensein gesellschaftsrechlicher Verhältnisse nicht umgangen werden kann. Zwar ist der Beteiligtenbegriff in § 2227 BGB eng zu interpretieren, um eine Testamentsvollstreckung durch fortwährende Entlassungsanträge nicht unnötig zu beeinträchtigen54. Die Gesellschaft wird aber mit der Person des Testamentsvollstrecker unmittelbar konfrontiert und hat daher das für einen Beteiligten erforderliche rechtliche Interesse an einer Antragsbefugnis. Bei einer Testamentsvollstreckung an einem Geschäftsanteil wird der Antrag nach vorausgegangenem Gesellschafterbeschluß von der GmbH gestellt, vertreten durch den Geschäftsführer. Ähnliches gilt für die Testamentsvollstreckung an einem Kommanditanteil. Entgegen § 140 HGB wird man einen Antrag aller Gesellschafter nicht verlangen können. Vielmehr hat auch hier nach einer mehrheitlichen Beschlußfassung die durch ihre vertretungsberechtigten Gesellschafter vertretene Gesellschaft den Antrag zu stellen.

51 Rieper, S. 175. 52 So Eschelbach, S. 86. 53 Vgl. zur Zuständigkeit des Nachlaßgerichts auch §§ 72, 73 FOG; 16 I Nr 5 RPflG. 54 Vgl. MünchKomm. / Brandner, BGB, 2. Aufl., § 2227

Rz. 4.

I. Kommanditanteil und GmbH

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b) Schranken der Ausübung des Stimmrechts und des Zustimmungsrechts gegenüber dem Gesellschafter-Erben

aa) Das Verbot unentgeltlicher Verfügungen nach § 2205 S. 3 BGB Eine Schranke der Machtbefugnisse des Testamentsvollstreckers gegenüber dem Gesellschafter-Erben findet sich in § 2205 S.3 BGB. Zum Schutze der substantiellen Erhaltung des Nachlasses werden ihm dort unentgeltliche Verfügungen über Nachlaßgegenstände zwingend 55 untersagt. Die Anwendung dieser Vorschrift hinsichtlich der Mitwirkungsbefugnisse des Testamentsvollstreckers an der Beschlußfassung mag zunächst überraschen und etwas konstruiert wirken. Wie sich nachfolgend aber zeigen wird, kommt dem Verbot unentgeltlicher Verfügungen in diesem Bereich eine entscheidende Bedeutung zu. (1) Die Mitwirkung an Beschlüssen als Verfügung

Die Frage der Verfügungsqualität von Mitverwaltungsrechten, namentlich des Stimmrechts, ist keineswegs neu. Eingang in die wissenschaftliche Diskussion fand sie im Zusammenhang mit der Vorschrift des § 1375 a.F. BGB zum früheren gesetzlichen Güterstand der Nutznießung und Verwaltung, soweit dort dem Ehemann Verfügungen über das in Ehe eingebrachte und von ihm zu verwaltende Gut untersagt wurden 56 . Später war es das in § 1365 BGB normierte Verfügungsverbot, dessen Anwendung gerade im Hinblick auf gesellschaftsrechtIiche Vereinbarungen erhebliche Schwierigkeiten bereitete und auch heute noch bereitet57 . In jüngerer Zeit ist es insbesondere das auch für den Vorerben geltende Verbot unentgeltlicher Verfügungen aus § 2113 11 BGB, das mit der Ausübung von Mitverwaltungsrechten in Zusammenhang gebracht wird 58 .

55 Auch der Erblasser kann den Testamentsvollstrecker nicht letztwillig von dem Verbot befreien, vgl. MOnchKomm. / Brandner, BGB, 2. Aufl., § 2220 Rz. 5. 56 Vgl. KG JFG 8, 169; Peters, Ausübung des Stimmrechts, S. 34, der die Problematik erstmals eingehender beleuchtete. 57 Vgl. Fischer, NJW 1960, 937ff.; Sandrock, FS Duden, 513 ff., mit zahlreichen Nachweisen aus der Literatur.

58 Vgl. BGHZ 78, 177, 182 ff.; Lutter, ZGR 1982, 108, 118 ff.; Michalski, DB 1987, Beilage Nr. 16, S. 16 [; FeUer, S. 186 ff.; Banck, S. 81 ff.

108

§ 7. Kompetenzen des Testamentsvollstreckers im einzelnen

Der Verfügungsbegriff des § 2205 BGB ist wie in §§ l375 a.F., l365, 2113 11 BGB auch in rechtstechnischem Sinne zu verstehen59 . Danach sind Verfügungsgeschäfte als solche Rechtsgeschäfte zu definieren, die unmittelbar darauf gerichtet sind, ein bestehendes Recht zu übertragen, es zu belasten, aufzuheben oder inhaltlich zu ändern6o . Ein solches Recht, auf das rechtsgeschäftlich eingewirkt werden muß, kann auch die Mitgliedschaft in einer Gesellschaft sein61 . Nun ist auch der Gesellschafterbeschluß - mit der einzelnen Stimmabgabe als Willenserklärung62 - ein Rechtsgeschäft63 , und er beeinhaltet damit aus der Sicht des einzelnen Gesellschafters zugleich auch eine Verfügung, wenn er sich unmittelbar auf dessen Mitgliedschaft auswirkt64. Das kann etwa dann der Fall sein, wenn durch eine Änderung des Gewinnverteilungsschlüssels oder die nachträgliche Einführung einer Beschränkung der Abfindung in Form sogenannter Buchwertklauseln die vermögensrechtliche Stellung der Gesellschafter beeinträchtigt wird. Von Bedeutung können in diesem Zusammenhang ferner Eingriffe in einzelne Mitverwaltungsrechte oder Sonderrechte sein, und nicht zu vergessen sind solche Beschlüsse, die eine Pflichtenvermehrung des Gesellschafters zum Gegenstand haben 65 . Kann somit dem Gesellschafterbeschluß in bestimmten Fallkonstellationen Verfügungsqualität zukommen, schließt sich unmittelbar daran die Frage an, ob

59 Vgl. MünchKomm / Brandner, BGB, 2. Aufl. § 2205 Rz. 5. 90, 399; BGHZ 1, 294, 304; F1ume, BGB AT 11, § 11,5, S. 140; MünchKomm. / Thiele, BGB, 2. Aufl., § 185 Rz. 5; Staudinger / Dilcher, BGB, 12. Aufl., Ein!. zu §§ 104-185 Rz. 44. 60 Vgl. RGZ

61 Für die GmbH ergibt sich das bereits daraus, daß die Mitgliedschaft als echtes subjektives Recht des Gesellschafters qualifIZiert wird, vg!. Baumbach / Hueck, GmbHG, 15. Aufl., § 14 Rz. 5. Im übrigen kann unstreitig auch die Einwirkung auf ein bestehendes Rechtsverhältnis den Verfiigungsbegriff erfiillen, vgl. MünchKomm. / Thiele, BGB, 2. Aufl., § 185 Rz. 7; F1ume, BGB AT 11, § 11,5, S. 141.

62 Vgl. BGHZ 14,264,267; Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, § 3 III 1, S. 179; Bartholomeyczik, Die Stimmabgabe, S. 2 ff. 63 Vgl. RGZ 140, 174, 177; BGH WM 1961,301; Soergel! Hadding, BGB, 11. Aufl., § 709 Rz. 24; Scholz / K. Schmidt, GmbHG, 7. Aufl., § 45 Rz. 21; Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, § 3 111 1, S. 179; Baltzer, Der Beschluß, S. 177 f.; Bartholomeyczik, Die Stimmabgabe, S. 37; aA RGZ 122, 367,369; BGHZ 33, 189, 191.

64 Lutter, ZGR 1982, 108, 112; Peters, Ausübung des Stimmrechts, S. 35; Feiler, S. 189 f.; Banck, S. 83; wohl auch Sandrock, FS Duden, 513, 527. Dabei darf es nicht darauf ankommen, daß in der GmbH satzungsändemde Beschlüsse nach § 54 111 GmbHG erst mit der Eintragung in das Handelsregister Wirksamkeit erlangen, vgl. Feiler, S. 196 Fn. 2; Peters, Ausübung des Stimmrechts, S. 35 (rur die AG); abweichend Sandrock, FS Duden, 513, 529 f. 65 Zahlreiche Beispiele rur relevante Beschlußgegenstände finden sich bei

Paschke, ZIP 1985, 129, 134 ff.

Feiler, S. 208 ff.;

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auch bereits die Mitwirkung am Zustandekommen des Beschlusses die Voraussetzungen einer Verfügung im Sinne des § 2205 BGB erfüllt. Das ist zunächst immer dann anzunehmen, wenn der Beschluß nicht bereits durch die Stimmabgaben der Gesellschafter, sondern erst durch die davon zu unterscheidende Zustimmung der Gesellschafter, wie sie namentlich im Bereich der Kernbereichslehre erforderlich ist, wirksam zustandekommt. Weil der Beschluß ohne die Erteilung der Zustimmung schwebend unwirksam ist66 , kommt ihr unmittelbar rechtsändernde Wirkung und damit Verfügungsqualität ZU67 . Etwas schwieriger gestaltet sich die Situation in den Fällen der Stimmabgabe. Unmittelbar rechtsändernd und damit auch verfügend wirkt sie jedenfalls dort, wo allein sie den Ausschlag für das Zustandekommen eines positiven Gesellschafterbeschlusses gibt68 . Das wird offenkundig im Fall der IBeschlußfassung" durch den Alleingesellschafter69 einer Kapitalgesellschaft7o , und ebenso offenkundig wird das bei Geltung des Einstimmigkeitsprinzips, weil ein rechtsändernder Gesellschafterbeschluß ohne die Stimme eines jeden Gesellschafters nicht zur Entstehung gelangen kann. Nichts anderes gilt darüber hinaus auch im Falle der Stimmabgabe durch den Mehrheitsgesellschafter, wenn allein seine Stimme den Gesellschafterbeschluß mit der erforderlichen Mehrheit herbeizuführen vermag 71.

66 Vgl. Hachenburg / Ulmer, GmbHG, 8. Aufl., § 53 Rz. 80 f; Löffler, NJW 1989,2656,2661. 67 Priester, FS Stimpel, 463, 482 f; Michalski, OB 1987, Beilage Nr. 16, S. 16; Lutter, ZGR

1982, 108, 120; Peters, Ausübung des Stimmrechts, S. 46; Feiler, S. 205 ff.; Banck, S. 84 f Im allgemeinen wird allerdings darüber gestritten, ob die Zustimmung zu einer Verfiigung selbst als Verfiigung zu behandeln ist. Im Ergebnis steht die Anwendbarkeit der Verfiigungsvorschriften jedoch außer Frage, vgl. dazu Staudinger / Dilcher, BGB, 12. Aufl., § 182 Rz. 10. 68 AA Banck, S. 85 ff., der die Stimmabgabe unter keinen Umständen als Verfiigung qualifizieren will. 69 Hier fehlt es freilich an einer kollektiven Willensbildung, formal wird jedoch der Begriff des Beschlusses beibehalten, vgl. dazu Zöllner, Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht, S. 11 f

70 Vgl. Lutter, ZGR 1982, 108, 119; im Ergebnis auch Peters, Ausübung des Stimmrechts, S. 34 ff., 44 f, und Sandrock, FS Duden, 513, 530, die im übrigen aber der positiven Stinunabgabe in Kapitalgesellschaften die Verfilgungsqualität absprechen, weil die Beschlußfassung durch die Hauptversammlung erfolge und diese ein Organ der Gesellschaft sei. Die Rechtswirkung des Beschlusses sei deshalb nicht auf den Willen der einzelnen Gesellschafter zurückzuführen, sondern auf jenen der Gesellschaft. Diese rein konstruktive Argumentation führt indes im Ergebnis zu einer wenig sachgerechten Differenzierung des Stimmrechts, das seiner Struktur nach rechtsformunabhängig gleich zu behandeln ist, vgl. Zöllner, Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht, S. 11.

71 Lutter, ZGR 1982, 108, 119; wohl auch Sandrock, FS Duden, 513, 530.

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§ 7. Kompetenzen des Testamentsvollstreckers im einzelnen

Nun werden sich die bislang genannten Konstellationen der Stimmrechtsausübung in der Praxis eher als Ausnahmefalle erweisen. Schwierigkeiten bereitet die Frage nach dem Verfügungscharakter der in Frage stehenden Stimmabgabe namentlich dort, wo sie auf das Zustandekommen des verfügenden Gesellschafterbeschlusses nicht allein ursächlich gewirkt hat, wie es bei der Geltung des Mehrheitsprinzips der Regelfall sein wird. Hier fehlt der einzelnen Stimmabgabe bereits die Qualität eines Rechtsgeschäfts. Sie ist vielmehr nur Teil eines solchen, weil sie die mit ihr gewollten Rechtsfolgen allein nicht auszulösen vermag 72 . Rechtsgeschäftliche Wirkung entfaltet erst der sich aus den einzelnen Stimmabgaben zusammensetzende Gesellschafterbeschluß. Herkömmlicher Dogmatik folgend wird man deshalb in diesen Fällen die positive Stimmabgabe nicht als Verfügung im technischen Sinne bezeichnen können, wenn nicht gerade sie den entscheidenden Ausschlag für die erforderliche Mehrheit gibt13 . Freilich sollte der Testamentsvollstrecker angesichts der nur schwer vorhersehbaren Möglichkeit, daß gerade seine Stimme über das Ergebnis der Abstimmung entscheidet, das Verfügungsverbot des § 2205 S. 3 BGB dennoch im Auge behalten. (2) Die Unentgeltlichkeit der Verfügung Erhebliche Probleme bereitet die Bestimmung der Unentgeltlichkeit einer verfügenden Mitwirkung des Testamentsvollstreckers an Gesellschafterbeschlüssen. Als ganz oder teilweise unentgeltlich im Sinne des § 2205 S. 3 BGB und damit unwirksam wird eine Verfügung dann bezeichnet, wenn der Testamentsvollstrecker den Nachlaß objektiv durch Rechtsgeschäft ohne vergleichbare Gegenleistung schmälert und darüber hinaus aus subjektiver Sicht die Unzulänglichkeit der Gegenleistung kannte oder bei ordnungsgemäßer Verwaltung hätte erkennen müssen74 . Nun ist diese herrschende Unentgeltlichkeitsformel gerade hinsichtlich ihrer objektiven Komponente auf den rechtsgeschäftlichen Normalfall zugeschnitten, in dem sich Leistung und Ge-

72 Bartholomeyczik, Die Stimmabgabe, S. 35 ff.; Baltzer, Der Beschluß, S. 147; FeIler, S. 193 f 73 Priester, FS Stimpel, 463, 475; Peters, Ausübung des Stinunrechts, S. 38; wohl auch Michalski, DB 1987, Beilage Nr. 16, S. 16; a.A Lutter, ZGR 1982, 108, 119; FeIler, 197, 198 ff. 74 Vgl. RGZ 105,246,248 f; BGH NJW 1963, 1613, 1614; MünchKomm. / Brandner, BGB, 2. Aufl., § 2205 Rz. 63; Soergel! Damrau, BGB, 11. Aufl., § 2205 Rz. 62. In der Literatur wird zum Schutz des Rechtsverkehrs teilweise darüber hinaus die Erkennbarkeit der Pflichtverletzung auf Seiten des Empf"angers verlangt, vgl. Lange / Kuchinke, Erbrecht, 3. Aufl., § 29 VI 2 b, S. 490 f; andere verlangen eine Einbindung des Unentgeltlichkeitsbegriffes in das System der Schenkung und damit eine Einigung über die Unentgeltlichkeit, vgl. SpeIlenberg, FamRZ 1974, 350, 354 f; Müller, WM 1982, 466, 470 f. Durchsetzen konnten sich diese Ansichten allerdings nicht.

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genleistung direkt gegenüberstehen und anhand der jeweiligen Marktsituation ohne weiteres auf ihre Gleichwertigkeit hin überprüft werden können. Die Ausgangslage ist aber eine vollkommen andere, wenn der Testamentsvollstrecker verfügend auf die von ihm verwaltete Gesellschaftsbeteiligung einwirkt, indem er etwa durch seine Zustimmung zu einem Gesellschafterbeschluß auf vorhandene Sonderrechte 75 oder das Stimmrecht16 des Gesellschafter-Erben verzichtet. Hier wird sich ein synallagmatisches Verhältnis kaum einmal ausmachen lassen. Und wo dies doch einmal der Fall sein sollte, bleibt noch immer die Frage der Gleichwertigkeit der Leistungen zu klären. Diese Schwierigkeiten dürfen indes nicht dazu führen, dem Testamentsvollstrecker jegliche Mitwirkung an gesellschaftsvertragsändernden Beschlüssen zu versagen oder umgekehrt die Gesellschaft uneingeschränkt der Unwirksamkeitsfolge des § 2205 S. 3 BGB auszusetzen, wenn einer Beeinträchtigung der Mitgliedschaftsrechte des Gesellschafter-Erben durch den Testamentsvollstrecker eine wie auch immer geartete direkte Gegenleistung nicht gegenübersteht. Einen Ausweg aus dieser Konfliktsituation zeigte der 11. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes zu der wegen § 2113 11 BGB vergleichbaren Situation bei der Vorerbschaft auf17 . Er betonte zunächst, daß nicht jede Beeinträchtigung der Mitgliedschaftsrechte, die nicht durch Geld oder durch andere rechtliche Vorteile ausgeglichen werde, unentgeltlich und damit unwirksam sei. Zur Begründung zog sich der Bundesgerichtshof ganz auf die subjektive Komponente der herrschenden Unentgeltlichkeitsformel zurück. Eine verfügende Mitwirkung an Gesellschafterbeschlüssen sei dann nicht unentgeltlich, wenn sie sich im Rahmen einer ordnungsgemäßen Verwaltung der Gesellschaftsbeteiligung "aufgrund des Gesellschaftsverhältnisses als wirtschaftlich notwendig oder zweckmäßig erweist". Ordnungsgemäß verwaltet sei die Gesellschaftsbeteiligung regelmäßig, wenn die Änderung des Gesellschaftsvertrages alle Gesellschafter rechtlich und tatsächlich in gleicher Weise nachteilig treffe. Soweit sich die Änderung des Gesellschaftsvertrages nur einseitig belastend auf die Mitgliedschaft auswirke, sei dies jedefalls dann nicht unentgeltlich, wenn die Beeinträchtigung mitgliedschaftlicher Rechte billigerweise als Konzession dafür erwartet werden könne, daß die anderen Gesellschafter durch ihren Kapi-

75 Da der Vorschrift des § 35 BGB ein allgemeines verbandsrechtliches Prinzip zu entnehmen ist, können einem Gesellschafter Sonderrechte nur mit dessen Zustimmung entzogen werden, vgl. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 2. Aufl., § 18 III 3 c, S. 454. 76 Sowohl hinsichtlich einer Kommanditbeteiligung als auch in der GmbH ist nach h.M. ein Verzicht auf das Stimmrecht mit der Zustimmung des betroffenen Gesellschafters möglich, vgl. fiir die Kommanditbeteiligung: BGHZ 20, 363; Schlegelberger / Martens, HGB, 5. Aufl., § 161 Rz. 70; fur die GmbH: BGHZ 14, 264, 269; Schoiz / Priester, GmbHG, 7. Aufl., § 53 Rz. 46. 77 BGHZ 78,177,182 ff.; BGH NJW 1981,1560,1562.

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§ 7. Kompetenzen des Testamentsvollstreckers im einzelnen

taleinsatz den Bestand des Unternehmens sichern. Das komme im wirtschaftlichen Ergebnis auch dem verwalteten Gesellschaftsanteil zugute 78. Auf diese Weise entzieht sich der Bundesgerichtshof gewollt einer monetären oder rechtlichen Bewertung einzelner Mitgliedschaftsrechte und überprüft die Unentgeltlichkeit vertragsändernder Maßnahmen allein anband des Pflichtenmaßstabes eines sorgfaltigen Verwalters. Das scheint auf den ersten Blick praktikabel und in jeder Hinsicht gelungen. Zustimmung verdient der vorgeschlagene Lösungsweg namentlich insoweit, als gleichmäßig belastende Gesellschaftsvertragsänderungen grundsätzlich nicht als unentgeltlich zu behandeln sind, denn aus unternehmerischer Sicht steht möglichen Nachteilen für die belastete Gesellschaftsbeteiligung nicht nur die Chance wirtschaftlichen Erfolges gegenüber, vielmehr ist in der Belastung sämtlicher Beteiligungen zugleich eine entsprechende Gegenleistung zu erblicken79 . Im übrigen aber bietet der Lösungsweg des Bundesgerichtshofes aus dogmatischer Sicht hinreichende Angriffsflächen für Kritik 80 . Der Gesetzgeber hat nicht nur für die Vorerbschaft, sondern auch für die Testamentsvollstreckung die Folgen pflichtwidriger Nachlaßverwaltung aus Gründen des Verkehrsschutzes auf das Innenverhältnis zum (Nach-)Erben beschränkt und für diese Fälle in §§ 2130 ff., 2219 BGB lediglich eine Schadensersatzpflicht des Vorerben und des Testamentsvollstreckers normiert. Im Außenverhältnis soll demnach die Wirksamkeit getätigter Verfügungen von der Verpflichtung zur ordnungsgemäßen Verwaltung des Nachlasses vollkommen unberührt bleiben81 , vielmehr wird deren Unwirksamkeit auf die ausdrücklich normierten Fälle der §§ 2113 - 2115,2205 S. 3 BGB beschränkt. Weil das so ist, wird dem Bundesgerichtshof vorgeworfen, er habe systemwidrig in einem Akt höchstrichterlicher Rechtsfortbildung zwei vom Gesetzgeber ausdrücklich getrennte Regelungsbereiche verknüpft, indem er die Wirksamkeit der getätigten Verfügungen allein von deren wirtschaftlicher Notwendigkeit oder Zweckmäßigkeit abhängig mache und so den Pflichtenmaßstab der ordnungsgemäßen Verwaltung des Nachlasses in das Außenver-

78 BGHZ 78, 177, 185 ff.; zustimmend MünchKomm. I Gruns/...y, BGB, 2. Aufl., § 2113 Rz. 22 a; Soergel/ Harder, BGB, 12. Aufl., § 2113 Rz. 23; Lutter, ZGR 1982, 108, 114; Priester, FS Stimpel, 463, 476; Ebeling, BB 1985, 1933, 1934; Banck, S. 97 f. 79 Vgl. Paschke, ZIP 1985, 129, 135; ferner auch BGHZ 22, 186, 194; BGH JZ 1980, 105, 106; Großfeld, JZ 1981, 769, 775. 80 Vgl. insbesondere Paschke, ZIP 1985, 129, 131 ff.; ferner Michalski, DB 1987, Beilage Nr. 16, S. 16 f. (jeweils zur Vorerbschaft).

81 Vgl. eingehend dazu SpeIlenberg, FamRZ 1974,350,351 ff.

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hältnis trage. Auch für einseitig belastende Änderungen des Gesellschaftsvertrages sei eine adäquate Gegenleistung zu fordern 82 . Diese sei in der Differenz des Wertes der Gesellschaftsbeteiligung vor und nach der Durchführung einer Gesellschaftsvertragsänderung zu suchen 83 . Dem ist im Grundsatz zuzustimmen. Wenngleich auch bei der wertmäßigen Erfassung von Gesellschaftsbeteiligungen Schwierigkeiten offenkundig sind84, so schrecken sie doch selbst den Bundesgerichtshof nicht ab, für den Fall der Veräußerung eines Gesellschaftsanteils der herkömmlichen UnentgeltIichkeitsformel treu zu bleiben und eine vollwertige Abfindung zu verlangen 85 . Dann ist es nur konsequent, an der gesetzgeberischen Trennung von Verfügungsbefugnis und der Pflicht zur ordnungsgmäßen Verwaltung des Testamentsvollstreckers86 festzuhalten und im Hinblick auf das Gebot der substantiellen Erhaltung des Nachlasses stets ein angemessenes Entgelt für die Verfügungen des Testamentsvollstreckers zu verlangen, das anband eines wertmäßigen Vergleichs der Gesellschaftsbeteiligung vor und nach der Umgestaltung des Gesellschaftsvertrages zu ermitteln ist. Freilich läßt sich nicht leugnen, daß ein derartiges Vorgehen zunächst eher theoretisierend als praxisgerecht anmutet. Ein Unternehmen, das sich stetig wirtschaftlichen Veränderungen ausgesetzt sieht, bedarf flexibler und angemessener Reaktionsmöglichkeiten, die je nach Lage des Einzelfalls auch in einer Änderung der Gesellschaftsstruktur und damit verbundenen Eingriffen in die mitgliedschaftlichen Rechte einzelner Gesellschafter erblickt werden können87 . Die Forderung betroffener Gesellschafter nach einem angemessenen Entgelt kann dann auch angesichts der langwierigen Bemesssung desselben durchaus unangebracht sein. Wenn der Verzicht auf ein Entgelt nicht bereits dem Gebot der gesellschaftsrechtIichen Treuepflicht entspringt88, kann allein die Zustimmung des Gesellschafter-Erben einer unentgeltlichen Verfügung

82 Paschke, ZIP 1985, 129, 136; im Ergebnis auch Feiler, S. 208 ff. 83 Paschke, ZIP 1985, 129, 134.

84 Vgl.

dazu Großfeld, Unternehrnens- und Anteilsbewertung im Gesellschaftsrecht, 1988; ders., JZ 1981, S. 769 ff.

85 BGHZ 78, 177, 182; BGH NJW 1984, 362, 364. 86 Das gilt selbstverständlich in gleichem Maße rur den Vorerben. 87 Vgl. nur die Ausgangssituation in BGHZ 78, 177, 183. 88 Die Frage nach einer unentgeltlichen Verfiigung des Testamentsvollstreckers

stellt sich dann nicht, wenn dessen Mitwirkung an der Beschlußfassung seiner Treuepflicht entsprungen ist, weil in diesem Fall auch der Gesellschafter-Erbe nicht anders hätte entscheiden können. 8 Dörrie

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§ 7. Kompetenzen des Testamentsvollstreckers im einzelnen

des Testamentsvollstreckers zur Wirksamkeit verhelfen89 . Eine derartige Zustimmung des Gesellschafter-Erben ist nach heute h.M.90 ungeachtet eines entgegenstehenden Erblassserwillens durchaus zulässig, da die Vorschrift des § 2205 S. 3 BGB allein dem Schutze des Erben dient. Brauchbar ist dieser Weg vorliegend allerdings nur dann, wenn der Gesellschafter-Erbe unter bestimmten Umständen zu der Zustimmung auch verpflichtet werden kann. Auf der Suche nach einer Vorschrift, die eine derartige Verpflichtung normiert, wird man bei den Regelungen zur Vorerbschaft fündig 91 . Dort wird in § 2120 BGB bestimmt, daß der Nacherbe seine Einwilligung zu solchen Verfügungen des Vorerben zu erteilen hat, die zwar einer ordnungsgemäßen Verwaltung des Nachlasses entsprechen, vom Vorerben aber nicht mit Wirkung für den Nacherben vorgenommen werden können. Das hat entsprechend auch für das Recht der Testamentsvollstreckung zu gelten. Wenn hier eine dem § 2120 BGB entsprechende Vorschrift fehlt, so erklärt sich das letztlich daraus, daß die Verfügungsbefugnis des Testamentsvollstreckers wesentlich umfangreicher als die des Vorerben ausgestaltet ist und lediglich durch das Verbot unentgeltlicher Verfügungen eingeschränkt wird. Die Normierung einer Zustimmungspflicht des Erben zu ordnungsgemäßen Verfügungen des Testamentsvollstrekkers war damit im Grundsatz entbehrlich, zurnal sich unentgeltliche Verfügungen des Testamentsvollstreckers nur schwerlich als ordnungsgemäße Verwaltung des Nachlasses vorstellen ließen. Die Besonderheiten des Gesellschaftsrecht können indes zu anderen Ergebnissen führen, wie die vom Bundesgerichtshof 92 entschiedenen Fallkonstellationen zeigen. Die entsprechende Anwendung des § 2120 BGB gestattet den Rückgriff auf den auch vom Bundesgerichtshof herangezogenen Maßstab der ordnungsgemäßen Verwaltung des Nachlasses, ohne daß es einer höchstrichterlichen Rechtsfortbildung bedarf 93. Einseitig belastenden und nicht durch ein angemessenes Entgelt ausgeglichenen Eingriffen in seine Mitgliedschaft durch den Testamentsvollstrekker hat der Gesellschafter-Erbe dann zuzustimmen, wenn sie einer ordnungsgemäßen Verwaltung des Nachlasses entsprechen. Der Testamentsvollstrecker ist seinerseits aus dem gesellschaftsrechtlichen Treuegedanken verpflichtet,

89 Zwar sind dem Testamentsvollstrecker nach § 2205 S. 3 BGB unentgeltliche V~rfiigungen gestattet, wenn sie einer sittlichen Pflicht oder einer auf den Anstand zu nehmenden Rücksicht entsprechen. Dieser Ausnahme lassen sich rur die vorliegenden Fälle aber kaum brauchbare Maßstäbe entnehmen. 90 Vgl. BGHZ 57, 84,92; MünchKomm. I Brandner, BGB, 2. Aufl., § 2205 Rz. 71; Soergel / Damrau, BGB, 12. Aufl., § 2205 Rz. 78.

91 Die Vorschrift des § 2206 II BGB behandelt nur die Eingehung von Verbindlichkeiten durch den Testamentsvollstrecker. 92 Vgl. BGHZ 78,177; BGH NJW 1981, 1560. 93 Paschke, ZIP 1985, 129, 136 f.; Michalski, DB 1987, Beilage Nr. 16, S. 16 f.

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diese Zustimmung einzuholen, und es bleibt ihm unbenommen, dies auch dann zu tun, wenn ein Entgelt zwar ersichtlich ist, ihm aber Zweifel an dessen Vollwertigkeit kommen94 . (3) Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen das Verbot unentgeltlicher Verfügungen Verfügt der Testamentsvollstrecker unentgeltlich über Nachlaßgegenstände, so ist aus erbrechtlicher Sicht die Unwirksamkeit der Verfügung vorgesehen, wenn der Erbe hierzu nicht seine Zustimmung erteilt95 . Diese Rechtsfolge gilt in gleichem Maße für die unentgeltlich verfügende Stimmabgabe oder Zustimmung des Testamentsvollstreckers. Welche Auswirkungen das auf den in Frage stehenden Beschluß hat, ist damit allerdings noch nicht gesagt. Sie bestimmen sich vielmehr nach gesellschaftsrechtlichen Grundsätzen und sind rechtsformspezifisch verschieden. Verwaltet der Testamentsvollstrecker den Anteil eines Kommanditisten, so hat seine unentgeltlich verfügende und damit unwirksame Stimmabgabe zugleich die schwebende Unwirksamkeit des Beschlusses zur Folge, wenn Einstimmigkeit gefordert war oder bei Geltung des Mehrheitsprinzips seine Stimme für das Erreichen der erforderlichen Mehrheit den Ausschlag gab 96 . Ebenso führt nach allgemeinen Grundsätzen eine unwirksame Zustimmung des Testamentsvollstreckers zugleich zur schwebenden Unwirksamkeit des Beschlusses97 . Zur Wirksamkeit verhilft dem Beschluß allein die Zustimmung des Gesellschafter-Erben, zu deren Erteilung dieser in entsprechender Anwendung des § 2120 BGB verpflichtet sein kann. Etwas anders stellt sich die Rechtslage im Falle der Testamentsvollstrekkung in einer GmbH dar. Ist die über das Abstimmungsergebnis entscheidende

94 Vgl. Soergel / Harder, BGB, 12. Aufl., § 2120 Rz. 3; Palandt / Edenhofer, BGB, 52. Aufl., § 2120 Rz. I. 95 Vgl. BGHZ 57, 84, 92; Lange / Kuchinke, Erbrecht, 3. Aufl., § 29 VI 2 b, S. 490 f; MünchKomm. / Brandner, BGB, 2. Aufl., § 2205 Rz. 70 ff.; Soergel / Damrau, BGB, 12. Aufl., § 2205 Rz. 78; Staudinger / Reimann, BGB, 12. Aufl., § 2205 Rz. 29. 96 Vgl. Schlegelberger / Manens, HGB, 5. Aufl., § 119 Rz. 11; A. Hueck, OHG, § 11 V 1, S. 179 ff.; auch BGHZ 78,177,187; Lutter, ZGR 1982,108,112; Michalski, DB 1987, Beilage Nr. 16, S. 17. Nach den bereits getroffenen Feststellungen kommt auch allein in diesen Fällen der Stimmabgabe Verfilgungsqualität zu. 97 Vgl. Zöllner, Schranken rnitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht, S. 116; A. Hueck, OHG, § 11 V 2 c, S. 185.

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§ 7. Kompetenzen des Testamentsvollstreckers im einzelnen

Stimmabgabe des Testamentsvollstreckers aufgrund ihrer Unentgeltlichkeit unwirksam, so zieht das unter analoger Anwendung aktiemechtlicher Vorschriften grundsätzlich die Anfechtbarkeit des Beschlusses durch den Gesellschafter-Erben nach sich98 . Freilich ist die Anfechtung nicht zeitlich unbegrenzt möglich. Sie hat vielmehr innerhalb einer angemessenen Frist zu erfolgen, für deren Bestimmung die Monatsfrist des § 246 I AktG die untere Grenze bildet99 . Für den Gesellschafter-Erben ist die Anfechtungsbefugnis deshalb nur dann von Nutzen, wenn er von dem Anfechtungsgrund rechtzeitig Kenntnis erlangt. Gewährleistet wird das in aller Regel bereits durch die Verpflichtung des Testamentsvollstreckers, bei dem Gesellschafter-Erben die Zustimmung zu unentgeltlichen Eingriffen in dessen Mitgliedschaft einzuholen. Unabhängig davon ist der Testamentsvollstrecker aber auch nach §§ 2218, 666 BGB verpflichtet, den Gesellschafter-Erben von einer entsprechenden Satzungsänderung in Kenntnis zu setzen 1OO • Verletzt der Testamentsvollstrecker seine Pflichten, bleibt dem Gesellschafter-Erben noch immer der Schadensersatzanspruch gegen den Testamentsvollstrecker aus §§ 2219, 2216 BGB. Die häufigsten und damit eigentlich praxisrelevanten Fälle werden jene einer etwa nach §§ 53 III GmbHG, 35 BGB erfolgten Zustimmung des Testamentsvollstreckers zu Gesellschafterbeschlüssen sein, zumal durch sie besonders offenkundige und intensive Eingriffe in die Mitgliedschaft des Gesellschafter-Erben möglich sind. Die unentgeltliche Zustimmung ist unwirksam, und das hat wie im Falle der Verwaltung eines Kommanditanteils durch den Testamentsvollstrecker zugleich die endgültige Unwirksamkeit des Beschlusses zur Folge, wenn der Gesellschafter-Erbe nicht freiwillig seine Zustimmung erteilt oder sie unter entsprechender Anwendung des § 2120 BGB zu erteilen hat. Eine nach § 256 ZPO auf die Unwirksamkeit des Beschlusses gerichtete Feststellungsklage 101 des Gesellschafter-Erben ist allerdings aus Gründen der Rechtssicherheit analog § 242 11 AktG nur innerhalb einer Frist von drei Jahren nach Eintragung in das Handelsregister möglich. Verstreicht die Frist un-

98 Vgl. Hachenburg / Raiser, GmbHG, 8. Aufl., Anh. § 47 Rz. 17; ebenso Lutter, ZGR 1982, 108, 119; Michalski, OB 1987, Beilage NT. 16, s. 17; Feiler, S. 230 ff. 99 Vgl. BGHZ 101, 113, 117; Lutter / Hommelhoff, GmbHG, 13. Aufl., Anh. § 47 Rz. 56; abweichend Hachenburg / Raiser, GmbHG, 8. Aufl., Anh. § 47 Rz. 117 f.

100 Den Testamentsvollstrecker trifft zwar keine allgemeine Benachrichtigungspflicht gegenüber dem Erben, sie kann aber in seinem eigenen Interesse geboten sein, vgl. MünchKomm. / Brandner, BGB, 2. Aufl., § 2218 Rz. 9. 101 Vgl. BGHZ 15, 177, 181; Hachenburg / Ulmer, GmbHG, 8. Aufl., § 53 Rz. 91.

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genutzt, tritt Heilung ein 102 . Es verbleiben dann unter den Voraussetzungen der §§ 2219, 2216 BGB wiederum allenfalls Regreßansprüche gegen den Testamentsvollstrecker. bb) Das Verbot persönlicher Verpflichtung nach § 2206 BGB Der Testamentsvollstrecker ist im Rahmen seiner Verwaltungstätigkeit nach § 2206 BGB auch berechtigt, Verbindlichkeiten für den Nachlaß zu begründen, und im Falle einer Dauertestamentsvollstreckung ist er dabei nach §§ 2209 S. 2, 2207 BGB im Verhältnis zu Dritten im Zweifel nicht einmal an das Gebot ordnungsgemäßer Verwaltung gebunden I 03. Allerdings ist die Verpflichtungsmacht des Testamentsvollstreckers nach § 2206 II BGB stets auf den Nachlaß beschränkt; es ist ihm verwehrt, den Erben auch mit seinem Privatvermögen zu verpflichten. Nun sind im Gesellschaftsrecht aber Beschlüsse denkbar, die eine Pflichtenvermehrung einzelner oder aller Gesellschafter zum Gegenstand haben und daher auch die Gefahr einer persönlichen Inanspruchnahme des Gesellschafter-Erben mit sich bringen können I 04. Für die Kommanditgesellschaft ist insoweit insbesondere die Erhöhung der Einlage- bzw. Beitragspflicht oder der Haftsumme des Gesellschafter-Erben zu nennen. Hat der Testamentsvollstrekker einem derartigen Beschluß zugestimmt 105 , so wird man hinsichtlich der rechtlichen Konsequenzen unterscheiden müssen. Einer Erhöhung der Einlage- bzw. Beitragspflicht des Gesellschafter-Erben kann der Testamentsvollstrecker durchaus wirksam zustimmen. Der Gesellschafter-Erbe kann aber im Falle einer Inanspruchnahme durch die Gesellschafter seine Haftung nach erbrechtlichen Regeln auf den Nachlaß beschränken. Gesellschaftsrechtliche Bedenken stehen dem nicht entgegen. Die genannten Verpflichtungen betreffen allein das Verhältnis der Gesellschafter untereinander, gläubigerschützende

102 Das war fiiiher streitig, ist aber heute h.M., vgl. Hachenburg I Ulmer, GmbHG, 8. Aufl., § 53

Rz. 91; Lutter I Hommelhoff, GmbHG, 13. Aufl., Anh. § 47 Rz. 28; Baumbach I Hueck I Zöllner, GmbHG, 15. Aufl., Anh. § 47 Rz. 36 ff.; Lutter, ZGR 1982, 108, 120 [; aA Feller, S. 242.

103 Vgl. MünchKomm. / Brandner, BGB, 2. Aufl., § 2209 Rz. 11. Das befreit den Testamentsvollstrecker wegen § 2220 BGB allerdings in keinem Fall von der Verantwortlichkeit aus §§ 2219, 2216 BGB gegenüber dem Erben. 104 V gl. dazu bereits oben § 3 III 2 c und 3 a. 105 Pflichtenvermehrende Beschlüsse bedürl'en biets der Zustimmung des betroffenen Gesellschafters; insoweit enthalten die §§ 53 III GmbHG, 180 I AktG einen allgemeinen verbandsrechtlichen Grundsatz, vgl. Hachenburg I Ulmer, GmbHG, 8. Aufl., § 53 Rz. 67; Hefermehll Bungeroth, in: Geßler / Hefermehl / Eckardt / Kropff, Aktiengesetz, § 180 Rz. 4.

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§ 7. Kompetenzen des Testamentsvollstreckers im einzelnen

Vorschriften werden nicht berührt 106. Weil in der Kommanditgesellschaft die Gesellschafter der Testamentsvollstreckung grundsätzlich ihre Zustimmung erteilen müssen 107, haben sie sich auch mit der Möglichkeit einer erbrechtlichen Haftungsbeschränkung durch den Gesellschafter-Erben abzufinden 108 . Anders ist hingegen eine unter Mitwirkung des Testamentsvollstreckers beschlossene Haftsumrnenerhöhung des Gesellschafter-Erben zu behandeln. Zwar mag man auch hier zunächst den Beschluß als solchen stets für wirksam halten und dem Gesellschafter-Erben im Innenverhältnis die Möglichkeit der erbrechtlichen Haftungsbeschränkung zugestehen, steht die Bildung eines haftenden Gesellschaftsvermögens doch im Belieben der Gesellschafter, wie sich insbesondere der Vorschrift des § 172 IV HGB entnehmen läßt. Da die Haftsumme aber stets dazu bestimmt ist, den Umfang einer möglichen Haftung des Kommanditisten im Außenverhältnis zu deklarieren, wird man zur Erlangung eines möglichst effektiven Schutzes des Gesellschafter-Erben vor einer Inanspruchnahme durch Gesellschaftsgläubiger bereits den entsprechenden Beschluß grundsätzlich für unwirksam halten müssen 109 . Der GesellschafterErbe ist allerdings unter Zugrundelegung des Gedankens aus § 2206 II BGB zur Erteilung der Zustimmung verpflichtet, wenn der Testamentsvollstrecker die Hafteinlage aus dem Nachlaß oder aus einem bestehenden Rücklagenkonto erbracht hat. Decken die dem Testamentsvollstrecker zur Verfügung stehenden Mittel hingegen die Haftsummenerhöhung nicht ab und entsteht der Gesellschaft daraus ein Schaden, kann sie analog § 179 BGB bei dem Testamentsvollstrecker Regreß nehmen. Der Gesellschafter-Erbe selbst wird hingegen im Verhältnis zur Gesellschaft 110 in keinem Falle mit seinem Privatvermögen verpflichtet, wenn er der Rechtshandlung des Testamentsvollstreckers nicht ausdrücklich seine Zustimmung erteilt. In der GmbH sind zunächst die Fälle einer Kapitalerhöhung von Interesse. An einer nominellen Kapitalerhöhung kann der Testamentsvollstrecker uneingeschränkt mitwirken, weil hierbei auf bereits vorhandene Gesellschaftsmittel

106 Vgl. Schlegelberger / K. Schmidt, HGB, 5. Aufl., §§ 171, 172 Rz. 11. Das Verhältnis der Gesellschafter untereinander wird durch das Prinzip der Vertragsfreiheit bestimmt. 107 Vgl. oben § 4 I. 108 Ebenso Friedrich, S. 130; a.A fiir die offene Handelsgesellschaft: Richardi, S. 28. 109 Vgl. bereits oben § 3 III 2 c. Daneben gilt es zu beachten, daß derartige Beschlüsse nach § 2206 12 i.V.m. § 2205 S. 3 BGB auch unter dem Gesichtspunkt der unentgeltlichen VerfUgung unwirksam sein können, wenn die erforderlichen Mittel dem Nachlaß entnommen werden, eine Gegenleistung aber nicht feststellbar ist. 110 Zu den Folgen der Eintragung einer unwirksamen Haftsummenerhöhung in das Handelsregister, vgl. bereits oben § 3 III 2 c.

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zurückgegriffen wird und eine persönliche Haftung des Gesellschafter-Erben von vorneherein ausscheidet 111. Wird hingegen eine effektive Kapitalerhöhung beschlossen, ist die Sachlage eine völlig andere. Dem Testamentsvollstrecker ist es dann nicht nur untersagt, ohne Zustimmung des Gesellschafter-Erben für diesen die Übernahme eines neuen Geschäftsanteils zu erklären, sondern er hat wegen einer möglichen Ausfallhaftung des Gesellschafter-Erben nach § 24 GmbHG neben dem Umfang des Nachlasses auch die finanziellen Möglichkeiten der übrigen Gesellschafter im Auge zu behalten. Tut er das nicht in hinreichendem Maße und hätte er die Kapitalerhöhung mit der Stimme des Gesellschafter-Erben verhindern können, so bleibt die Kapitalerhöhung als solche zwar wirksam, der Testamentsvollstrecker haftet dem Gesellschafter-Erben aber im Falle einer Inanspruchnahme durch die Gesellschaft aus § 2219 BGB auf Schadensersatz112. Gesellschaftsrechtlich verpflichten kann der Testamentsvollstrecker den Gesellschafter-Erben in der GmbH ferner durch die Begründung von Nebenleistungspflichten nach § 3 11 GmbHG. Hier kommen Leistungen jeglicher Art in Betracht, Geld- oder Sachleistungen ebenso wie Handlungs- und Unterlassungspflichten, letztere insbesondere in Form von Wettbewerbsverboten 113 . Soweit es sich um die Begründung von Geld- oder Sachleistungspflichten für den Gesellschafter-Erben handelt, kann der Testamentsvollstrecker seine Zustimmung hierzu bedenkenlos dann erteilen, wenn der Nachlaß hinreichende Deckung bietet I 14. Ist das nicht der Fall, so bleibt dem Gesellschafter-Erben noch immer die Möglichkeit der erbrechtlichen Haftungsbeschränkung l15 . GeseIlschaftsrechtliche Bedenken stehen dem nicht entgegen, handelt es sich doch bei der Schaffung von Nebenleistungspflichten um eine rein gesellschaftsinterne Angelegenheit, die zwingende Vorschriften über die Aufbringung und Erhaltung des Stammkapitals und damit auch Gläubigerinteressen unberührt läßt" 6 . Die GmbH und ihre Gesellschafter, die um die Mitwirkung eines Testamentsvollstreckers in ihren Reihen wissen, sind deshalb nicht an-

111 Vgl. oben

§ 3 III 3 a.

112 Vg1. oben § 3 III 3 a. 113 Vgl. Hachenburg / Ulmer, GmbHG, 8. Aufl., § 3 Rz. 75 ff.; Baumbach / Hueck, GmbHG, 15. Aufl., § 3 Rz. 40 ff. mit zahlreichen Beispielen. 114 Vgl. Priester, FS Stirnpel, 463, 479 f.; Haegele I Winkler, Der Testamentsvollstrecker, 11. Aufl., Rz. 403. 115 Vgl. Schoiz / Winter, GmbHG, 7. Aufl., § 15 Rz. 208; Priester, FS Stimpel, 463, 479; Däubier, Vererbung von Geschäftsanteilen, S. 41; wohl auch Hachenburg I Zutt, GmbHG, 8. Aufl., Anh. § 15 Rz. 120; aA Wiedemann, Übertragung, S. 338; v. Burchardt, GmbH-Rdsch. 1954, 150, 152.

116 Vgl. Hachenburg / Ulmer, GmbHG, 8. Aufl., § 3 Rz. 73.

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ders ZU behandeln als andere Teilnehmer des Rechtsverkehrs auch. Sie müssen sich mit der beschränkbaren Erbenhaftung abfinden, die GmbH kann aber bei dem Testamentsvollstrecker analog § 179 BGB Regreß nehmen. Ganz sicher unwirksam ist hingegen die Zustimmung des Testamentsvollstreckers zu solchen Gesellschafterbeschlüssen, die Nebenleistungen in Form persönlicher Handlungs- oder Unterlassungspflichten des Gesellschafter-Erben begründen. Hier kann die zu erbringende Leistung dem Nachlaß überhaupt nicht entnommen werden. Vielmehr handelt es sich um einen nicht gestatteten Eingriff des Testamentsvollstreckers in die Privatsphäre des GesellschafterErben. Erteilt dieser hierzu nicht seine Zustimmung, bleibt der Beschluß unwirksam. Das kann der Gesellschafter-Erbe binnen einer Frist von drei Jahren nach Eintragung des Beschlusses in das Handelsregister mit der Feststellungsklage nach § 256 ZPO gerichtlich geltend machen 117. Ein letzter Blick gilt der Begründung von Nachschußpflichten nach §§ 26 ff. GmbHG durch den Testamentsvollstrecker, sei es durch deren Einführung oder Erhöhung, oder durch Umwandlung einer beschränkten in eine unbeschränkte Nachschußpflicht. Der Testamentsvollstrecker kann wie im Falle der Begründung von Nebenleistungspflichten die erforderliche Zustimmung hierzu ohne weiteres dann erteilen, wenn ausreichende Nachlaßmittel zur Verfügung stehen. Im übrigen stehen auch hier einer Anwendung der erbrechtlichen Vorschriften über die Beschränkung der Haftung auf den Nachlaß durchgreifende Bedenken nicht entgegen, weil zwingende Vorschriften über die Kapitalaufbringung nicht berührt werden und der Gesellschaft selbst keine besondere Schutzwürdigkeit zukommt ll8 . Der Gesellschaft verbleiben wiederum Regreßansprüche gegen den Testamentsvollstrecker analog § 179 BGB. cc) Einschränkung der Mitwirkungsbefugnisse des Testamentsvollstreckers durch die Kembereichslehre? Im Mittelpunkt der Diskussion um die Machtbefugnisse des Testamentsvollstreckers an einer von ihm verwalteten Gesellschaftsbeteiligung steht die sogenannte Kembereichslehre ll9 . Ursprünglich nur als Grenze des zulässigen Stimmrechtsverzichts im Personengesellschaftsrecht ~edacht12o. hat sich die

117 Vgl. die Nachweise in Fn. 101. 118 Vgl. Däubler, Vererbung des Geschäftsanteils, S. 41; ferner die in Fn. 115 Genannten. 119 V g1. bereits oben § 6 11.

120 Grundlegend 8GHZ 20, 363, 370. Die Entscheidung gilt als Ausgangspunkt der Kernbereichslehre.

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Kernbereichslehre als Ausprägung des namentlich in § 138 BGB zum Ausdruck kommenden Selbstschutzprinzips zu einem umfassenden Mindestschutz des einzelnen Gesellschafters vor Mehrheitsentscheidungen und zu einem festem Bestandteil gesellschaftsrechtlicher Dogmatik entwickelt l21 . Sie garantiert dem Gesellschafter ein lediglich durch die gesellschafterliche Treuepflicht eingeschränktes Zustimmungsrecht zu solchen Beschlüssen, die seine rechtliche und vermögensmäßige Stellung in der Gesellschaft beeinträchtigen. Dabei gewinnt die inhaltliche Bestimmung kernbereichsrelevanter Beschlußgegenstände zunehmend schärfere Konturen l22 . Neben den ohnehin zwingend ausgestalteten Gesellschafterrechten sind etwa auch Beschlüsse über die Schaffung und Beseitigung von Sonderrechten sowie die Schaffung zusätzlicher Belastungen der Mehrheitskompetenz nicht zugänglich. Gleiches gilt für Eingriffe in die Vermögensrechte eines Gesellschafters, aber auch für den Ausschluß vom Stimmrecht und die Änderung der Stimmrechtsverhältnisse. Aber nicht nur das Personengesellschaftsrecht, auch das Recht der GmbH kennt einen mehrheitsfesten Kernbereich mitgliedschaftlicher Rechte 123 . Hier ist ebenfalls zunächst der Kreis unverzichtbarer Mitgliedschaftsrechte zu nennen; zudem hat bereits der Gesetzgeber in § 53 III GmbHG aufgrund des in der GmbH geltenden Mehrheitsprinzips ein Zustimmungsrecht der betroffenen Gesellschafter zu pflichtenvermehrenden Beschlüssen ausdrücklich normiert. Darüber hinaus ist - wie im Personengesellschaftsrecht - die Beeinträchtigung von Sonderrechten unter analoger Anwendung des § 35 BGB ebenfalls nur mit Zustimmung des betroffenen Gesellschafters möglich; zu der Schaffung von Sonderrechten zugunsten einzelner Gesellschafter gibt in der GmbH der Gleichbehandlungsgrundsatz den benachteiligten Gesellschaftern ein Zustimmungsrecht. Nun will die weit überwiegende Auffassung in der Literatur 124 diese Zustimmungsrechte der Verwaltungsmacht des Testamentsvollstreckers entzie-

121 Vgl. dazu H.P. Westermann, Vertragsfreiheit, S. 351 ff.; Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, § 7 I, S. 357 ff.; Immenga, ZGR 1974, 385, 415 ff. Die Kembereichslehre dürfte heute den gleichfalls individualschützenden Bestimmtheitsgrundsatz im Gesellschaftsrecht weitgehend verdrängt haben, vgl. Mecke, BB 1988, 2258, 2261 ff.; Wüst, ZHR 152 (1988), 215, 225. 122 Ausfiihrlich dazu Löffler, NJW 1989,2656,2657 ff.; Hennerkes / Binz, BB 1983,713,716. 123 Vgl. dazu Hachenburg I Ulmer, GmbHG, 8. Aufl., § 53

Rz. 58 ff.

Rz. 51 b; Ulmer, NJW 1990,73,79; ders., ZHR 146 (1982),555,568; Haegele I Winkler, Der Testamentsvollstrecker, 11. Aufl., Rz. 372; Mayer, ZIP 1990, 976, 978; Quack, BB 1989, 2271, 2273; Reimann, DNotZ 1990, 190, 192; Eschelbach, S. 91 ff., 99 ff.; Raddatz, S. 173 ff.; Buschmann, S. 172 ff.; offengelassen in BGHZ 108, 187, 198. Für die GmbH: K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 2. Aufl., § 35 II 124 Für die Personengesellschaften: Schlegelberger I K. Schmidt, HGB, 5. Aufl., § 139

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hen und dem Gesellschafter-Erben zur alleinigen l25 bzw. zur gemeinschaftlichen Ausübung mit dem Testamentsvollstrecker l26 überlassen. Nach einer Begründung für dieses Vorgehen sucht man jedoch zumeist vergeblich. Gelegentlich wird darauf hingewiesen, daß der mit der Kernbereichslehre bezweckte Schutz des einzelnen Gesellschafters vor Fremd- und Mehrheitsherrschaft unter Zugrundelegung des § 138 BGB eine Einschränkung der Machtbefugnisse des Testamentsvollstreckers gebiete 127. Auch sei eine völlige Entmündigung des Gesellschafter-Erben in Bezug auf seine Mitgliedschaftsrechte, wie sie mit einer uneingeschränkten Venvaltungsmacht des Testamentsvollstreckers einhergehe, mit der persönlichen GesellschaftersteIlung nicht vereinbar l28 ; man dürfe die anerkannten Schutzkonzepte des Gesellschaftsrechts durch die Anerkennung der Testamentsvollstreckung an Gesellschaftsbeteiligungen nicht außer Kraft setzen 129. Diese Argumentation kann nicht überzeugen. Die angesprochene Fremdherrschaft ist der Testamentsvollstreckung immanent, und deshalb stellt schon das Gesetz in §§ 2205 S. 3, 2206 BGB ein Instrumentarium zur Verfügung, das der verdrängenden Rechtsrnacht des Testamentsvollstreckers die erforderlichen Grenzen setzt. Diese Vorschriften bieten dem Gesellschafter-Erben bei flexibler Handhabung auch im Falle einer Testamentsvollstreckung an einer Kommanditbeteiligung oder an einem Geschäftsanteil hinreichenden Schutz. Das mögen einige Beispiele verdeutlichen. Eine Vermehrung gesellschafterlicher Leistungspflichten ist dem Testamentsvollstrecker im Rahmen der Möglichkeiten des von ihm venvalteten Nachlasses nach § 2206 I BGB grundsätzlich zu gestatten. Es ist kein Grund ersichtlich, warum dies anders sein sollte. Reicht der Nachlaß einmal nicht aus, bleibt dem Gesellschafter-Erben nach allgemein-erbrechtlichen Grundsätzen die Möglichkeit, seine Haftung auf den Nachlaß zu beschränken. Erst wenn die jederzeit beschränkbare Erbenhaftung aus Gründen des Gläubigerschutzes keine Anwendung mehr finden kann, wie etwa im Fall der eingetragenen Haftsummenerhöhung eines Kommanditisten, wird man die entsprechenden Maßnahmen des Testamentsvollstreckers ohne

3 c, S. 878; Priester, FS Stimpel, 463, 481 f.; Haegele / Winkler, Der Testamentsvollstrecker, 11. Aufl., Rz. 404, Buschmann, S. 185; wohl auch Wiedemann, Übertragung, S. 338.

125 Quack, BB 1989,2271,2273; wohl auch Eschelbach, 101. 126 Ulmer, NJW 1990,73,80 f.; ders. ZHR 146 (1982), 555, 568; Mayer, ZIP 1990,976,978; Priester, FS Stimpel, 463, 484. 127 Buschmann, S. 173. 128 Ulmer, ZHR 146 (1982), 555, 565; auch Priester, FS Stimpel, 463, 482. 129 Raddatz, S. 174.

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die Zustimmung des Gesellschafter-Erben für unwirksam halten müssen 130 . Man mag dies mit einer partiellen Anwendbarkeit der Kernbereichslehre begründen l31 , man kann aber ebensogut auf die viel allgemeinere Erwägung zurückgreifen, daß auch ein Testamentsvollstrecker nicht in der Lage sein darf, Verträge zu Lasten eines Dritten abzuschließen. Der Machtbereich des Testamentsvollstreckers wird dadurch keineswegs eingeschränkt, denn die erforderliche Zustimmung des Gesellschafter-Erben läßt sich in entsprechender Anwendung des § 2206 11 BGB jedenfalls dann erzwingen, wenn der Testamentsvollstrecker nachweist, daß angesichts ausreichender Nachlaßmittel oder bereits geleisteter Einzahlungen haftungsrechtliche Risiken für den Gesellschafter-Erben nicht zu befürchten sind. Desweiteren kann der Testamentsvollstrecker im Rahmen seiner Verwaltungsmacht auch der Beseitigung von allgemeinen Mitgliedschaftsrechten oder Sonderrechten des Gesellschafter-Erben zustimmen; das ist erbrechtlich in §§ 2205, 2211 BGB so vorgesehen. Der Testamentsvollstrecker darf dies wegen § 2205 S. 3 BGB nur nicht unentgeltlich tun 132 . Ebenso ist er zu Eingriffen in die vermögensrechtliche Position ohne die Zustimmung des Gesellschafter-Erben berechtigt, soweit der Beeinträchtigung ein entsprechendes Entgelt gegenübersteht. Hervorzuheben ist an dieser Stelle insbesondere, daß sich auch der Bundesgerichtshof in seiner Rechtsprechung zur Vorerbschaft im Gesellschaftsrecht nicht gescheut hat, das Verbot unentgeltlicher Verfügungen mit leichten ModifIkationen anzuwenden l33 . Warum also sollte er das nicht auch im Falle der Testamentsvollstreckung an Gesellschaftsanteilen tun und insoweit auf den Gebrauch der Kernbereichslehre verzichten. Nach alledem wird sich kaum ein kernbereichsrelevanter Beschlußgegenstand fInden lassen, der den Kompetenzen des Testamentsvollstreckers aus zwingenden Gründen des Selbstschutzes eines Gesellschafter-Erben zu entziehen wäre. Der Mindestbestand an Gesellschafterrechten, also jene Rechte, deren sich ein Gesellschafter auch mit seiner Zustimmung nicht entledigen kann, bleibt dem Gesellschafter-Erben bereits deshalb erhalten, weil auf sie selbstverständlich auch der Testamentsvollstrecker nicht wirksam verzichten kann. Es kann folglich keine Rede von einer völligen Entmündigung des Erben in

130 Vgl. dazu oben § 3 III 2 c und 3 a sowie vorstehend unter bb.

13l Unklar BGHZ 108, 187, 198. 132 Das gilt auch rur die Zustimmung des Testamentsvollstreckers zur Schalfung von Sonderrechten bestimmter Gesellschafter, soweit dadurch die Mitgliedschaft des Gesellschafter-Erben beeinträchtigt wird. 133 Vgl. insbesondere BGHZ 78, 177, 182 ff.

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bezug auf seine Mitgliedschaftsrechte sein. Soweit der Testamentsvollstrecker die Gesellschaftsbeteiligung nicht ordnungsgemäß verwaltet, haftet er dem Gesellschafter-Erben aus §§ 2219, 2216 BGB für einen entstandenen Schaden. Aus den soeben genannten GIiinden vermag schließlich auch ein Vergleich der Testamentsvollstreckung mit dem Fall der sogenannten Vertreterklausel nicht zu überzeugen l34 . Wenn die h.M.135 dort nach einer Übertragung der Kernbereichslehre zur Beschränkung der Befugnisse des Gruppenvertreters verlangt, so tut sie das, weil brauchbare Korrektive, wie sie im Recht der Testamentsvollstreckung vorhanden sind, fehlen. Im übrigen ist es nichts anderes als eine bare Selbstverständlichkeit, daß der Gruppenvertreter die Gesellschafter-Erben nicht ohne deren Zustimmung persönlich verpflichten darf136. Es dürften letztlich Vorbehalte gegen die etwas unzugänglichen Regelungen des Erbrechts und das durchaus legitime Streben nach klaren Abgrenzungskriterien der Rechtsrnacht des Testamentsvollstreckers sein, die dazu verleiten, die Befugnisse des Testamentsvollstreckers unter Zuhilfenahme der Kernbereichslehre auf gesellschaftsrechtlichem Wege einzuschränken. Dieser Schritt führt aber nicht nur zu einer Umgehung der in §§ 2205, 2211 BGB getroffenen gesetzgeberischen Regelungen, sondern durch die Hintertür wieder zu einer kaum hinnehmbaren Entwertung des - zumindest in der Kommanditgesellschaft - erst nach langwierigen Diskussionen anerkannten Instituts der Testamentsvollstreckung. Ohne Not ist der vom Erbrecht vorgegebene Weg nicht zu verlassen. Die Kernbereichslehre darf daher nicht zur Konkretisierung der Machtbefugnisse des Testamentsvollstreckers herangezogen werden l37 , wenn es der Erblasser nicht letztwillig nach § 2208 I I BGB anordnet. 3. Recht zur Teilnahme an Gesellschafterversammlungen

Wird eine Gesellschafterversammlung einberufen, so steht jedem Gesellschafter zwingend das Recht auf Teilnahme zu 138. In Ausübung seines Verwaltungsauftrages nimmt der Testamentsvollstrecker fraglos auch dieses Recht

134 So Ulmer, ZHR 146 (1982),555,564. 135 VgL nur H.P. Westermann, Vertragsfreiheit, S. 354; H. Westermann, Personengesellschaften, Rz. 323; K. Schmidt, ZHR 146 (1982),525,533 f. 136 VgI.A. Hueck, ZHR 125 (1963),1,10. 137 VgL auch Brandner, FS Kellennann, 37, 41; Rowedder, FS Goerdeler, 445, 465; mit abweichender Begründung ebenso Friedrich, S. 183 ff.

138 Vgl. dazu Vogel, Gesellschafterbeschlüsse und Gesellschafterversammlung, 2. Aufl, S. 71 ff.; Immenga, ZGR 1974,385,414.

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des Gesellschafter-Erben wahr l39 . Anderenfalls \\