Die Siegelabrollungen und Rollsiegel der Stadt Elephantine im 3. Jahrtausend v. Chr.: Spurensicherung eines archäologischen Artefaktes 9781841716855, 9781407327679

Elephantine Island is the largest of the Aswan area islands, and is one of the most ancient sites in Egypt. The sealing

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Die Siegelabrollungen und Rollsiegel der Stadt Elephantine im 3. Jahrtausend v. Chr.: Spurensicherung eines archäologischen Artefaktes
 9781841716855, 9781407327679

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Vorwort
Abstract
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Die Rollsiegel
3. Die Typologie der Lehmverschlüsse
4. Das Inschriftencorpus
5. Die graphematische Erschließung der Inschriften
6. Stadtgeschichtlicher Überblick
Anhang
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BAR S1339 2005 PÄTZNICK

Die Siegelabrollungen und Rollsiegel der Stadt Elephantine im 3. Jahrtausend v. Chr.

DIE SIEGELABROLLUNGEN UND ROLLSIEGEL DER STADT ELEPHANTINE

Spurensicherung eines archäologischen Artefaktes

Jean-Pierre Pätznick

BAR International Series 1339 B A R

2005

Die Siegelabrollungen und Rollsiegel der Stadt Elephantine im 3. Jahrtausend v. Chr. Spurensicherung eines archäologischen Artefaktes

Jean-Pierre Pätznick

BAR International Series 1339 2005

ISBN 9781841716855 paperback ISBN 9781407327679 e-format DOI https://doi.org/10.30861/9781841716855 A catalogue record for this book is available from the British Library

BAR

PUBLISHING

“To the student of the history and civilization of ancient Egypt the importance of these seals and sealings” is very great; to him they are as the coins and gems to the student of Ancient Greece and Rome.” E. Newberry, 1908

Vorwort Am Anfang war der Name .... Kaplony! Doch zunächst nicht, wie man an dieser Stelle vermuten könnte, der von Herrn Prof. Dr. Peter Kaplony, sondern der von Frau Prof. Dr. Ursula Kaplony-Heckel, die meine ersten Schritte in der Ägyptologie in Deutschland am Marburger Institut begleitete. Das Interesse für die Frühzeit jedoch wurde durch das enzyklopädische Werk ihres Gatten geweckt, das mich in besonderem Maße prägen sollte. Nach meinem Wechsel an das Ägyptologische Intsitut in Heidelberg konnte ich durch Selbststudium die erworbenen Kenntnisse vertiefen und wurde gleichzeitig von Herrn Dr. Günter Dreyer auf die Existenz eines noch unpublizierten Siegelmaterials aus den Elephantiner Grabungen aufmerksam gemacht. Im Sommer 1990 fand eine erste Kontaktaufnahme mit Herrn Prof. Dr. Werner Kaiser statt, dem damaligen Leiter des Elephantiner Grabungsprojekts, der mir die Untersuchung der Siegel im Rahmen einer Dissertation antrug. Ein geplanter Beginn der Aufnahmearbeiten im Winter 1990/91 an dem seit 1972 ausgegrabenen Siegelmaterial, das bis auf die Feldarbeiten von G. Dreyer ansonsten kaum dokumentiert war, konnte nach Absage der Elephantiner Grabungskampagne wegen der damals höchst bedrohlichen Kriegssituation im Vorderen Orient erst ein Jahr später in Angriff genommen werden. 1993 folgten zwei weitere intensive Arbeitsaufenthalte in Elephantine, bei denen der größte Teil des Materials gesichtet, sortiert und dokumentarisch erfaßt wurde. Eine schwere Krankheit am Ende der zweiten Kampagne zwang mich zur vorzeitigen Rückkehr nach Deutschland, wo ich mich einer langwierigen medizinischen Behandlung unterziehen mußte, die eine mehrere Monate dauernde Unterbrechung an der Arbeit nach sich zog. Eine Fortsetzung der Aufnahmearbeiten für die Dissertation konnte infolgedessen erst in den Jahren 1995/1996 erfolgen, eine abschließende Kollationierung und Durchsicht des Materials Anfang 1997 vorgenommen werden. In diesen Jahren (6/1996-5/1998) wurde die Arbeit dankenswerterweise durch die Gewährung eines Stipendiums nach dem Landesgraduiertenförderungsgesetz BadenWürttemberg unterstützt, das erheblich zur Fertigstellung der Dissertation beitrug. An dieser Stelle seien für ihre stete Ansprech- und Hilfsbereitschaft sowie ihr Einfühlungsvermögen in manch schwieriger Situation Frau Prof. Dr. Erika Feucht und Frau Trautmann-Wolf besonders genannt, denen ich ganz herzlich danken möchte. Sehr zu Dank verpflichtet bin ich Herrn Prof. Dr. Jan Assmann, der sich bereit erklärte, die “Vaterschaft” für die Dissertation zu übernehmen und mich - als frischgebackenem Vater nicht nach Zürich schickte, “wo Sie eigentlich besser aufgehoben wären”. Mein Dank gilt in gleicher Weise den Herren Prof. Dr. Werner Kaiser, dem ehemaligen und Prof. Dr. Günter Dreyer, dem derzeitigen Leiter des Deutschen Archäologischen Institutes in Kairo, die beide viel Vertrauen in mich setzten, als sie mir das Elephantiner Siegelmaterial überantworteten, und mir zudem mit fachtechnischer Unterstützung hilfreich zur Seite standen. Ferner bin ich Herrn Privatdozent Dr. Detlef Franke sehr verbunden, der die erforderliche akademische Weiterbetreuung dieser Arbeit übernommen hat und bei dem ich stets ein offenes Ohr für meine oft “alternativen” titel-kundlichen Vorstellungen fand. In Herrn Prof. Dr. Antonio Loprieno (Los Angelos) hatte ich während dessen Gastprofessur in Heidelberg 1998 nicht nur einen stets interessierten und aufmerksamen Zuhörer, sondern auch einen Mitstreiter und Berater, dem ich zahlreiche anregende Kommentare und Anmerkungen verdanke. Ebenso sei Herrn Privatdozent Dr. Stephan J. Seidlmayer (Berlin) gedankt, der mich an seinen umfassenden Kenntnissen über Elephantine teilhaben ließ, und der sich stets die Zeit nahm, mit mir u. a. einschlägige Probleme der nubischen Archäologie zu diskutieren. An Herrn Dr. Rainer Pasternak (Kiel) errinere ich mich besonders gern, v. a. an die langen nächtlichen Diskussionen auf Elephantine, denen etliche Anregungen und neue Gedanken entsprangen.

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Frau Dr. Petra Barthelmeß bin ich für die fachliche Durchsicht des ersten Manuskripts und ihre Anmerkungen sehr verbunden. Wenn ich mit meinen abendländischen Vorstellungen manchmal nicht weiterkam, so ging ich in den Innenhof des Grabungshauses und erhielt in Gesprächen mit den ägyptischen Keramikbearbeitern, die oft in aufregenden Diskussionen enden konnten doch so manche Anregung, die meinen Blick für die Siegelpraxis schärften. Auch diesen Mit-”Streitern” danke ich hier. Nicht vergessen möchte ich meine Kommiliton/innen des “Hiwi-Zimmers” für ihre stete Diskussionsbereitschaft und moralische Unterstützung, denen ich in Freundschaft und Dankbarkeit verbunden bin. Da die im Sommer 1999 eingereichten Dissertationsarbeit einige Mängel aufwies, die dem Standard einer wissenschaftlichen Veröffentlichung im Wege gestanden hätten, wurden in ganz besonderer Weise nicht nur die Anmerkungen und Verbesserungsvorschläge meiner beiden Betreuer - Herrn Prof. Dr. J. Assmann und Herrn P. D. Dr. D. Franke - in diese überarbeitete Version der Dissertation mitberücksichtigt, sondern auch und v. a. die gesamte zeichnerische (Umtuschungsarbeiten) der Dokumentation des Siegelmaterials von Elephantine durchgeführt. Herrn Andreas Bischof - nomen est omen - gebührt für seine redaktionelle Leistung an dieser Stelle ein ganz außerordentliches Dankeschön. Wer noch nie die Arbeit eines NichtMuttersprachlers korrigiert hat, kann nicht genug die erforderliche intellektuelle Leistung ermessen und wertschätzen, die eine solche Tätigkeit verlangt. Mein besonders ganz herzlicher Dank sei ihm hier ausgesprochen! Für die Aufnahme dieser Untersuchung in die Internationale Serie der British Archaeological Reports (BAR) möchte ich mich sowohl bei Herrn Prof. Dr. V. Davies, Curator of the Department of Egyptian Antiquities at the British Museum als auch bei Frau Dr. R. Makjanic und Herrn Dr. D. Davison für die verständnisvolle, freundliche, unkomplizierte und sehr professionnelle Art der Betreuung herzlichst bedanken. Même si c´est aussi à la pensée de Mme Paule Posener-Kriéger et de M. Georges Posener, à ceux qui guidèrent mes pas et m´ouvrirent les portes de l´Egyptologie à Massy, voici quelques temps déjà, que je tiens par la même, d´une certaine façon, à dédier aussi en leur hommage cette étude..., widmen möchte ich dennoch diese Arbeit dem Wertvollsten, was mir je das Leben bisher geschenkt hat, meinem liebevollen Sohn Gregor.

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Abstract The Sealings-material of the Town of Elephantine was uncovered and collected by the Deutsches Archäologisches Institut in Cairo (DAI-German Institute) in the years 1972-1991 in 15 archaeological missions. With its more than 1600 objects, it is one of the most important and biggest corpora of its kind that has ever been found in a urban context from the Early Dynastic (Middle/Late Second Dynasty) and from the very beginning of the Old Kingdom (Third Dynasty). The studies on 1040 objects (17 cylinder-seals and 1023 clay-sealings) did not only lead to the establishment of a very differentiated typology - pot-and jar-sealings (Gv. I-V), boxsealings (Tb. 2 a), basket-sealings (Tb. 4), door-sealings (Tv. 1a-c and Tv. 2) and papyrus (document)-sealings (Uv. 1 and Uv. 2) -, of a determination of interesting characteristics of different sealings-methods and also of the possibility to identify the traces of materials, which coud be observed on the back of the clay-seaings, but moreover allowed informative insights into trade and storage of goods in the town of Elephantine. Besides, the impressions of seals revealed the existence of two main groups of seal-bearers: The official sealings of the central and royal administration, which are generally showing the Horusname of the egyptian king in a so called serekh feature together with an anonymous title-bearer and the group of sealings of the local administration. Consequently, the Egyptianisation of the Island of Elephantine begun under king Peribsen (Middle/Late Second Dynasty) latest. In this time took place significantly also the organisation of the cult of the goddess of Elephantine, whose name was in this early time surely not yet Satet. With 18 of 28 official sealings however, the Third Dynasty clearly was the climax of the royal administration on the Island of Elephantine. The decisive starting point for this development was the implantation of a new administrative center - The so called “East Town” - which was in use until the beginning of the 6th Dynasty and whose 97% of all official sealings and more than 50% of the entire sealings-material were found. As a result of this findings we may have to consider this “East Town” district as the “economical” part of the palace complex of the governors of Elephantine. Parallel to the important activity of the central royal administration, the analysis of the sealings of the local administration showed that the local social organisation of the people leaving on or at proximity of Elephantine was in fact more complex that had been expected. In fact we were able to detect and identify different groups of sealings like the one of the functionaries, which bear not only known titles, but also unknown like Hrj m3 - “the one who is over the control” or mDH wx.ty nsw.t nTr(.t) - “the director of the two harbours of the king and of the god/goddess”, of professionals like butchers or singer, of women or of private persons, which only bear a private name. Two other groups of sealings like the one of the mjtr/mjtr.t and of the rnw/rnw.t/rnw.tj could be identified not only as titles, but also as a part of the so called “civil-sealings”, which represented an essential and fundamental pillar of this local administrative system. In this social context the designations nfr m3a qd, s3D, hb, n(j) hb, anx mr(j)/mrr nsw.t and anx wD nTr nfr were interpreted from P. Kaplony as typically private names of the early dynastic times and so as part of the so called “collectiv-sealings”. In fact they could be identified as an another part of the “civil-sealings”, either as forms of titles like nfr m3a jz.t, s3D, hb, n(j) hb or as epitheta like anx mr(j)/-mrr nsw.t and anx wD nTr nfr, leading to the earliest evidence of the existence of elements, which were otherwise only known hitherto later in the inscriptions of biographies of very important noblemen of the Residence. The chance that most of the sealings were found in a stratified archaeological context allowed not only to follow the development of epigraphical and palaeographical characteristics, but also establish a network of very important data and informations leading to an absolute novum in research, i. e, a solid dating method - the chronostratigraphical method (Typology, Archaeology and Epigraphy) - by means most notably of the inscriptions of the sealings.

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Inhaltsverzeichnis Teil I

1. Einleitung ............................................................................................................................................................1 1.1 Die glyptische Forschung in ihrem urbanen Kontext ..............................................................................1 1.2 Neue Zielsetzung und Methodik ............................................................................................................1 2. Die Rollsiegel ......................................................................................................................................................5 2.1 Bedeutung und Funktion der Siegelpraxis .............................................................................................5 2.2 Primäre Funktion des Siegelns................................................................................................................6 2.3 Die Rollsiegel im Elephantiner Material.................................................................................................8 2.4 Zusammenfassung.................................................................................................................................11 3. Die Typologie der Lehmverschlüsse ..................................................................................................................13 3.1 Die Gefäßverschlüsse............................................................................................................................13 3.1.1 Der Typus Gv. I - Topfverschluß 3.1.1.1 Der Typus Gv. I a.....................................................................................................14 3.1.1.1.1 Die Sonderform Gv. I a1 .......................................................................................15 3.1.1.2 Der Typus Gv. I b....................................................................................................16 3.1.1.3 Der Typus Gv. I c.....................................................................................................17 3.1.1.4 Der Typus Gv. I d.....................................................................................................20 3.1.1.5 Der Typus Gv. I e.....................................................................................................20 3.1.1.6 Gesamtzusammenfassung vom Typus Gv. I .............................................................20 3.1.2 Der Typus Gv. II – Stöpselverschluß......................................................................................22 3.1.2.1 Der Typus Gv. II a....................................................................................................22 3.1.2.2 Der Typus Gv. II b ..................................................................................................23 3.1.2.2.1 Die Sonderform Gv. II b1 .....................................................................................23 3.1.2.3 Zusammenfassung ...................................................................................................24 3.1.3 Der Typus Gv. III – Pfropfenverschluß ..................................................................................25 3.1.4 Der Typus Gv. IV – Deckelverschluß.....................................................................................28 3.1.4.1 Der Typus Gv. IV a ..................................................................................................28 3.1.4.2 Der Typus Gv. IV b..................................................................................................29 3.1.4.3 Der Typus Gv. IV c ..................................................................................................30 3.1.4.4 Der Typus Gv. IV d..................................................................................................31 3.1.4.5 Der Typus Gv. IV e ..................................................................................................31 3.1.4.6 Zusammenfassung von Gv. IV - Deckelverschluß - .................................................31 3.1.5 Der Typus Gv. V – Gefäßhalsverschluß .................................................................................32 3.1.5.1 Der Typus Gv. V a ...................................................................................................33 3.1.5.2 Der Typus Gv. V b ...................................................................................................34 3.1.5.3 Zusammenfassung ...................................................................................................37 3.1.6 Die Gefäßverschlüsse: Gesamtzusammenfassung...................................................................38 3.2 Die Tonbullen .......................................................................................................................................40 3.2.1 Der Typus Tb. 1- Krawattenknotenverschluß.........................................................................41 3.2.2 Der Typus Tb. 2......................................................................................................................42 3.2.2.1Der Typus Tb. 2 a – Kistenverschluß...................................................................................42 3.2.2.2 Der Typus Tb. 2 b - Schnur- und Knotenverschluß.............................................................48 3.2.3 Der Typus Tb. 3 – Vorhängeverschluß...................................................................................52 3.2.4 Der Typus Tb. 4 – Korbverschluß ..........................................................................................53 3.2.5 Sonstige .................................................................................................................................53 3.2.5.1 Der Typus Tb. 5 a ....................................................................................................53 3.2.5.2 Der Typus Tb. 5 b ....................................................................................................54 3.2.5.3 Der Typus Tb. 5 c ....................................................................................................54 3.2.6 Die Tonbullen: Gesamtzusammenfassung .............................................................................54 3.3 Die Türverschlüsse ...............................................................................................................................56 3.3.1 Der Typus Tv. 1a-b - Riegelverschluß ...................................................................................56 3.3.1.1Der Typus Tv. 1c -s3D-Riegelverschluß ...................................................................57 3.3.2 Der Typus Tv. 2 –Kordelverschluß ........................................................................................57 3.3.3 Die Türverschlüsse: Gesamtzusammenfassung .....................................................................59

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3.4 Die Urkundenverschlüsse .....................................................................................................................61 3.4.1 Der Typus Uv. 1 ....................................................................................................................61 3.4.2 Der Typus Uv. 2 ....................................................................................................................61 3.4.3 Die Urkundenverschlüsse: Gesamtzusammenfassung ...........................................................61 4. Das Inschriftencorpus .......................................................................................................................................63 4.1 Die Zentralverwaltung: Die Amtssiegel ..............................................................................................63 4.1.1 Die Amtssiegel im Elephantiner Material ..............................................................................63 4.1.1.1 Die Amtssiegel der 2. Hälfte der 2. Dynastie ..........................................................63 4.1.1.2 Die Amtssiegel der 3. Dynastie ...............................................................................66 4.1.1.2.1 Exkurs I: Die Abfolge der Horusnamen der 3. Dynastie ...........................76 4.1.1.3 Die Amtssiegel der 5. Dynastie ...............................................................................79 4.1.1.4 Eine Amtssiegelung der 6. Dynastie ........................................................................82 4.1.1.5 Die unbestimmbaren Amtssiegel .............................................................................83 4.1.1.6 Die Amtssiegel: Gesamtzusammenfassung ..............................................................86 4.2 Die Lokalverwaltung: Die Beamtensiegel ...........................................................................................88 4.2.1 Die Beamtensiegel im Elephantiner Material ........................................................................89 4.2.1.1 Die zS‚ - Schreiber ...................................................................................................89 4.2.1.1.1 Die zS‚ - Schreiber im Elephantiner Material .............................................91 4.2.1.1.2 Zusammenfassung ......................................................................................93 4.2.1.2 Die jrj x(w).t nsw.t ...................................................................................................94 4.2.1.2.1 Lesung und Deutung .................................................................................94 4.2.1.2.2 Die jrj x(w).t nswt im Elephantiner Material .............................................97 4.2.1.2.3 Zusammenfassung .....................................................................................98 4.2.1.3 Die xrj (w)DA.t-Lagerhausverwalter .........................................................................98 4.2.1.3.1 Lesung und Deutung .................................................................................98 4.2.1.3.2 Die xrj (w)DA.t im Elephantiner Material ...................................................99 4.2.1.3.3 Zusammenfassung ...................................................................................101 4.2.1.4 Die Hrj mA-Kontrollbeamten ..................................................................................102 4.2.1.4.1 Lesung und Deutung ...............................................................................102 4.2.1.4.2 Die Hrj mA im Elephantiner Material .......................................................102 4.2.1.4.3 Zusammenfassung ....................................................................................104 4.2.1.5 Die Hrj swDA(w)-Oberster Bewahrer ......................................................................104 4.2.1.5.1 Lesung und Deutung ...............................................................................104 4.2.1.5.2 Die Hrj swDA(w) im Elephantiner Material ...............................................105 4.2.1.5.3 Zusammenfassung ...................................................................................106 4.2.1.6 Die Sms-Begleiter ..................................................................................................107 4.2.1.6.1 Lesung und Deutung ...............................................................................107 4.2.1.6.2 Die Sms im Elephantiner Material ...........................................................108 4.2.1.6.3 Zusammenfassung ...................................................................................111 4.2.1.7 Die mDH wxr.ty nsw.t nTr.t-Direktor der beiden Werften des Königs und der Göttin ....................................................................................................................111 4.2.1.7.1 Lesung und Deutung ...............................................................................111 4.2.1.7.2 Die mDH wxr.ty nsw.t nTr.t im Elephantiner Material ..............................113 4.2.1.7.3 Zusammenfassung ...................................................................................114 4.3 Die Lokalverwaltung: Die Berufssiegel .............................................................................................114 4.3.1 Allgemeines .........................................................................................................................114 4.3.2 Die Berufssiegel im Elephantiner Material ..........................................................................115 4.3.3 Zusammenfassung ................................................................................................................118 4.4 Die Lokalverwaltung: Die Namenssiegel .........................................................................................118 4.4.1 Allgemeines .........................................................................................................................118 4.4.2 Die Namenssiegel im Elephantiner Material ........................................................................119 4.4.3 Zusammenfassung ................................................................................................................120 4.5 Die Lokalverwaltung: Die Frauensiegel ............................................................................................121 4.5.1 Allgemeines .........................................................................................................................121 4.5.2 Die Frauensiegel im Elephantiner Material .........................................................................121 4.5.3 Zusammenfassung ................................................................................................................122 4.6 Die Lokalverwaltung: Die Zivilsiegel ................................................................................................122 4.6.1 Definition .............................................................................................................................122 4.6.2 Der Titel und Status rnw/jrj nw und rnw.tj/jrj nw.tj der Lokalbeamtenschaft .....................124 4.6.2.1 Lesung und Interpretation ......................................................................................124 4.6.2.2 Die Lokalbeamten rnw/jrj nw und rnw.tj/jrj nw.tj m Elephantiner Material ..........128 vi

4.6.2.3 Zusammenfassung ................................................................................................135 4.6.3 Der mjtr Titel und Status .....................................................................................................137 4.6.3.1 Lesung und Interpretation ......................................................................................137 4.6.3.2 Die mjtr im Elephantiner Material .........................................................................141 4.6.3.3 Zusammenfassung .................................................................................................148 4.6.4 Beititel und Epitheta ............................................................................................................149 4.6.4.1 Definition ..............................................................................................................149 4.6.4.2 Der Beititel nfr mAa jz.t ..........................................................................................150 4.6.4.2.1 Belegsituation ..........................................................................................150 4.6.4.2.2 Lesung und Interpretation .......................................................................150 4.6.4.2.3 Der Beititel nfr mAa jz.t im Elephantiner Material ...................................151 4.6.4.2.4 Zusammenfassung ...................................................................................154 4.6.4.3 Der Beititel sAD ......................................................................................................155 4.6.4.3.1 Belegsituation ..........................................................................................155 4.6.4.3.2 Lesung und Interpretation .......................................................................155 4.6.4.3.3 Der Beititel sAD im Elephantiner Material ...............................................156 4.6.4.3.4 Zusammenfassung ...................................................................................159 4.6.4.4 Der Beititel hb/n(j) hb ................................................................................160 4.6.4.4.1 Belegsituation ..........................................................................................160 4.6.4.4.2 Lesung und Interpretation .......................................................................160 4.6.4.4.3 Der Beititel hb/n(j) hb im Elephantiner Material ....................................161 4.6.4.4.4 Zusammenfassung ...................................................................................164 4.6.4.5 Die Epitheta anx mrr-/mrj nswt, /-nb/-nb=f ...........................................................164 4.6.4.5.1 Belegsituation ..........................................................................................164 4.6.4.5.2 Lesung und Interpretation .......................................................................165 4.6.4.5.3 Die Epitheta anx mrr-/mrj nswt, /-nb/-nb=f im Elephantiner Material ....165 4.6.4.5.4 Zusammenfassung ....................................................................................167 4.6.4.6 Das Epitheton anx wD nTr nfr ..................................................................................168 4.6.4.6.1 Belegsituation ..........................................................................................168 4.6.4.6.2 Lesung und Interpretation .......................................................................168 4.6.4.6.3 Das Epitheton anx wD nTr nfr im Elephantiner Material ..........................169 4.6.4.6.4 Zusammenfassung ...................................................................................170 4.6.4.7 Beititel und Epitheta: Überblick ............................................................................170 5. Die graphematische Erschließung der Inschriften ...........................................................................................172 5.1 Zielsetzung und Methodik ..................................................................................................................172 5.2 Die Zweierkomposition ......................................................................................................................173 5.2.1 Die zweikonsonantigen Wörter ............................................................................................173 5.2.1.1Resümee .................................................................................................................174 5.2.2 Die dreikonsonantigen Wörter .............................................................................................174 5.2.2.1Resümee .................................................................................................................177 5.2.3 Die vierkonsonantigen Wörter .............................................................................................178 5.2.4 Die fünfkonsonantigen Wörter ............................................................................................178 5.2.5 Die Zweierkomposition: Zusammenfassung ........................................................................179 5.3 Die Dreierkomposition ......................................................................................................................180 5.3.1 Die zweikonsonantigen Wörter ............................................................................................180 5.3.1.1 Resümee ................................................................................................................181 5.3.2 Die dreikonsonantigen Wörter .............................................................................................181 5.3.2.1 Resümee ................................................................................................................184 5.3.3 Die vierkonsonantigen Wörter .............................................................................................185 5.3.3.1 Resümee ................................................................................................................186 5.3.4 Die fünfkonsonantigen Wörter ............................................................................................187 5.3.5 Die Dualform .......................................................................................................................187 5.3.6 Die Dreierkomposition: Zusammenfassung .........................................................................187 5.4 Die Viererkomposition ......................................................................................................................188 5.4.1 Die zweikonsonantigen Wörter ............................................................................................188 5.4.2 Die dreikonsonantigen Wörter .............................................................................................188 5.4.2.1 Resümee ................................................................................................................191 5.4.3 Die vierkonsonantigen Wörter .............................................................................................191 5.4.3.1 Resümee ................................................................................................................192 5.4.4 Die Viererkomposition: Zusammenfassung..........................................................................192 5.5 Die Fünferkomposition ......................................................................................................................193 5.5.1 Die vierkonsonantigen Wörter .............................................................................................193 vii

5.5.2 Das fünfkonsonantige Wort .................................................................................................194 5.5.3 Die Fünferkomposition: Zusammenfassung .........................................................................194 5.6 Kalligraphien der besonderen Art ......................................................................................................194 5.7 Gesamtzusammenfassung und Ausblick ............................................................................................195 6. Stadtgeschichtlicher Überblick .......................................................................................................................199 6.1 Die Festung: Residenz und administratives Zentrum der Inselstadt von der 2. Hälfte bis zum Ende der 2. Dynastie bzw. Anfang der 3. Dynastie.....................................................................................................................199 6.1.1 Zeitstufe A (2. Hälfte der 2. Dynastie.): Stratum 8 (Sch. I 1.2) und Stratum 7 ...................199 6.1.2 Zeitstufe B (2. Hälfte - Ende der 2. Dynastie): Stratum 6.....................................................200 6.1.3 Zeitstufe C2/D1 (Ende der 2. / Anfang der 3. Dynastie): Stratum 3 ...................................201 6.1.4 Exkurs II: Der Stadtname von Elephantine in der Frühzeit .................................................203 6.2 Der Südbereich des Satettempels: Der Küchengebäudekomplex (Schlachthaus und Bäckerei) es Satettempels seit der 2. Hälfte der 2. Dynastie ...................................................................................................................................203 6.2.1 Exkurs III: Der Satettempel und seine Göttin ......................................................................206 6.3 Der Nordoststadt: Agrar- und Versorgungsbetrieb des Satettempels von der 2. Hälfte der 2. bis in die 4. Dynastie ...........207 6.4 Die Nordoststadt-Erweiterung: Die Metall- und Goldschmiedewerkstatt der Residenz der Statthalter von Elephantine seit Ende der 2. Dynastie .........................................................................................................................................209 6.5 Die Oststadt: Das neue Wirtschaftszentrum der Inselstadt - der Wirtschaftstrakt der Residenz der Statthalter von Elephantine vom Beginn der 3. bis in die späte 5. Dynastie ..............................................................211 6.5.1 Das neue Verwaltungs- und Wirtschaftszentrum der 3. und 4. Dynastie .............................211 Teil II - Anhang Götter- und Königsnamen ....................................................................................................................................217 Titelliste ...............................................................................................................................................................217 Index der Personennamen ....................................................................................................................................218 Literatur- und Abkürzungsverzeichnis .................................................................................................................221 Typologische Tafeln I – XV ....................................................................................................................... 233-247 Paläographische Tafeln XVI - XXIV.......................................................................................................... 248-256 Pläne und Übersichten: Tafeln XXV - XXXVI............................................................................................ 257-268 Teil III - Katalog Aufbau..................................................................................................................................................................270 Katalogteil: Satettempel-Südbereich Kat. 001 – 036 .................................................................................. 272-289 Nordoststadt + Erweiterung

Kat. 037 – 106.................................................................................. 290-324

Festung

Kat. 107 – 274 ................................................................................. 325-410

Oststadt

Kat. 275 – 665.................................................................................. 410-624

Konkordanz..........................................................................................................................................................625

viii

DIE SIEGELABROLLUNGEN UND ROLLSIEGEL DER STADT ELEPHANTINE

versiegelter Objekte und an den aufgebrachten, meist sich mehrfach überlappenden Abrollungen des Siegelnden bieten m. A. n. sowohl die Schwierigkeit als auch den Anreiz bei der Bearbeitung eines Siegelmaterials.2

1. Einleitung 1.1 Die glyptische Forschung in ihrem urbanen Kontext

Unser Wissen über die Sozial- bzw. Verwaltungsstrukturen in den frühgeschichtlichen Zeiten Altägyptens ist äußerst dürftig. Diese Tatsache ist zum Großteil auf ein Paradoxon der Forschung selbst zurückzuführen, die die Welt der Lebenden vorwiegend aus der der Toten zu rekonstruieren versucht und dabei deren urbanes Milieu völlig außer acht läßt. Daß ein solcher Ansatz nicht nur trügerisch, sondern unvollständig ist, weil er lediglich einen Aspekt der Alltagsrealität widerspiegelt, den hochrangige Grabinhaber zudem meist mit einem einseitigen, sehr persönlichen ideellen Charakter versahen, braucht hier nicht näher erläutert zu werden. Auch die in den Königsgräbern bzw. den Gräbern hoher Beamter in den Friedhöfen der Residenzen gefundenen Siegelungen auf Lehmverschlüssen rücken lediglich einen bestimmten Ausschnitt bzw. Aspekt der damaligen Verwaltung in den Blick, indem sie Zeugnis geben von den institutionellen Strukturen, die für die Versorgung der königlichen Grabanlage oder des Grabes des begünstigten Beamten direkt oder indirekt zuständig waren. Die Spitze der Sozialpyramide in Ägypten ist damit zwar erfaßt, doch über die übrige Bevölkerung herrscht selbst unter Fachleuten noch große Unkenntnis.

Als terra incognita der kulturgeschichtlichen Forschung Altägyptens blieb die Glyptik für die Bewertung des Verwaltungswesens sowie des Alltags einer Siedlung jahrzehntelang unbeachtet. Man strafte diesen “Müll” regelrecht mit Mißachtung.1 Solche “Tonklümpchen” waren gerade gut genug beachtet zu werden, sofern sie einen zu erkennenden Königsnamen trugen; ansonsten wurden sie, wenn überhaupt publiziert, meistens ungeachtet ihres jeweiligen Fundkontextes wahllos auf Tafeln zur Anschauung zusammengestellt. Dieses offenkundige Desinteresse der Ägyptologen lag sicher nicht an der geringen Zahl der Objekte, “sprudelten” doch Siegel jedweder Art regelrecht aus der Erde, sei es aus den königlichen Grabanlagen in Abydos und Sakkara bzw. aus denen der höher gestellten Beamten, sei es aus Siedlungsbereichen wie Negade, Abydos, El Kab, Hierakonpolis oder sogar Buhen im ferngelegenen Nubien. Einen maßgeblichen Teil trug dazu sicher eine Forschung bei, deren Schwerpunkt auf der Untersuchung von Inschriftenträgern anderer Größenordnung lag. Es läßt sich auch nicht leugnen, daß es sich bei den Lehmverschlüssen in der Tat zunächst lediglich um Abfallprodukte des altägyptischen Alltags handelt, die zudem meist verrieben, zerbrochen bzw. sekundär verbrannt vorliegen, und somit die Les- bzw. Rekonstruierbarkeit eines Siegelbildes äußerst schwierig, teilweise sogar unmöglich machen. Ferner sind die zumeist nur fragmentarisch erhaltenen gesiegelten Lehmverschlüsse - ob stratifiziert oder auch nicht - häufig in gestörten Fundkontexten von Verfüllungen, Gruben, Mauerwerken, Fußböden und Räumen geborgen worden.

Das Siegelmaterial aus den Siedlungen der Frühzeit und des frühen Alten Reiches enthält unbestritten eine Fülle verwertbarer Informationen, seine Bearbeitung und Auswertung hingegen geschah bislang äußerst ungenügend, von brauchbaren Publikationen ganz zu schweigen.3 Deshalb können an dieser Stelle die enorme akribische und enzyklopädische Materialsammlung von Peter Kaplony sowie die von ihm erarbeiteten Forschungsergebnisse nicht genügend gewürdigt werden, ohne die eine Untersuchung der Frühzeit Ägyptens bzw. ihres Siegelmaterials unmöglich wäre. Auf dem von ihm geschaffenen Fundament, unter Überprüfung der Bausubstanz wie auch einiger Stützelemente baut die vorliegende Untersuchung auf.

Andererseits schlummert in diesen “Tonklümpchen”, gerade weil es sich dabei im wesentlichen um “Einwegprodukte” handelt, ein ungeheures Informationspotential, standen sie doch gewissermaßen am Ende einer Konsum- bzw. einer verwaltungstechnischen Kette, deren enorme kulturgeschichtliche Aussagekraft zur Sozial-, Verwaltungs-, Religionsund Sprachstruktur Altägyptens herauszufiltern Ziel dieser Untersuchung des Siegelmaterials von Elephantine ist. Diese beiden Pole andererseits Informationsgehalte dem Siegel-Träger,

1.2

Neue Zielsetzung und Methodik

Hatte bereits P. E. Newberry auf die Bedeutung des Siegelmaterials aufmerksam gemacht,4 so erkannte als

- Müll einerseits und Datenträger sowie die Ermittlung der an dem Verschluß-Träger und an d. h. an den materiellen Spuren

2

Unter einem Verschluß-Träger ist die Ware bzw. der Gegenstand zu verstehen, auf der bzw. dem ein Verschluß angebracht war, wohingegen der Begriff Siegel-Träger den gesiegelten Verschluß als Inschriftenträger charakterisiert. 3 Erfreulich bleibt dennoch die für die damalige Zeit exemplarische Publikation des Siegelmaterials von El Kab durch B. van de Walle. Sie beinhaltet allerdings keinerlei Information über die Form der Verschlüsse oder die an diesen erhaltenen materiellen Spuren; Zeichnungen oder Fotos fehlen gänzlich, so daß die ergänzende Funktion zwischen Inschriften- und Verschlußträger nicht nachzuvollziehen ist, s. hierzu B. van de Walle, Empreintes de sceaux archaiques, S. 90 ff. und Tf. 41. 4 “To the student of the history and civilization of Ancient Egypt the importance of these seals and “sealings” is very great; to him they are

1 Der Satz “Mister, sie fischen im dreckigen Wasser”, mit dem ein aus den Magazinen kommender, selbst verstaubter, ägyptischer Amtmann meine Arbeit an den Lehmverschlüssen im Museum von Kairo kommentierte, dürfte nicht nur die Einstellung dieses Angestellten gegenüber einem derartigen archäologischen Material widerspiegeln, sondern ebenfalls die Meinung einiger großer Gelehrter “aux mains propres” sein. Daß es dennoch lohnt, sich die Hände schmutzig zu machen, wird diese Arbeit beweisen.

1

JEAN-PIERRE PÄTZNICK

erster W. B. Emery bei der Freilegung des Grabes 33575 aus der Zeit von Horus Aha zu Beginn der 1. Dyn. in Sakkara Nord die Notwendigkeit einer Systematisierung der dort gefundenen Lehmverschlüsse. Seine anfängliche Klassifikation in vier unterschiedliche Verschlußtypen wurde später unter Mitarbeit von A. Klasens6 verfeinert und bildete schließlich die Grundlage für die von P. Kaplony erarbeitete Typologie,7 der sich, zumindest theoretisch, durchaus der Bedeutsamkeit weitergehender Forschung bewußt war.8 Ließ er jedoch bei der Bearbeitung des Siegelmaterials die Einbeziehung des archäologischen Fundkontextes zumeist außer acht,9 so haben Untersuchungen aus dem Vorderen Orient und dem östlichen Mittelmeerraum10 sowie jüngste ägyptologische Arbeiten11 gezeigt, wie wichtig gerade dieser Aspekt für die Siegelforschung ist.

Siegelcorpus war die von M. Ziermann von der 11. bis zur 24. Kampagne geleitete bauforschungstechnische Untersuchung der verschiedenen Bereiche dieser antiken Stadt des Südens, v. a. der Nordoststadt, der Festung und der Oststadt, in denen ein umfangreiches Siegelmaterial ans Tageslicht gefördert wurde.13 Das dieser Untersuchung zugrundeliegende Corpus von 1040 Objekten umfaßt damit nicht nur das gesamte Siegelmaterial, das in fünf Stadtbereichen - Südbereich des Satettempels, Festung, Nordoststadt und ihre Erweiterung, Oststadt - von 1972 bis 1991 in 15 Grabungskampagnen gefunden wurde, sondern ist zudem das größte seiner Art, das bislang aus dieser frühen Zeit altägyptischer Geschichte geborgen wurde und komplett zur Bearbeitung stand. Ziel der vorliegenden Untersuchung ist die chronostratigraphische14 Bestimmung des Elephantiner Siegelmaterials der Frühzeit und des frühen Alten Reiches unter besonderer Berücksichtigung der typologischen Eigenarten, des archäologischen Fundkontextes sowie der epigraphischen Merkmale. Grundlage hierfür ist die Einbindung des Siegelmaterials in die Stratigraphie der urbanen Strukturen Elephantines in Frühzeit und Altem Reich, die v. a. bei den vorausgegangenen Grabungsarbeiten von M. Ziermann und seinem Team dokumentiert wurde.15 Die drei grundlegenden Parameter dieser Untersuchung Typologie, Archäologie und Epigraphie - stellen nicht nur die Pfeiler der in dieser Arbeit angewandten analytischen Methode dar, sondern bieten darüberhinaus eine Handhabe, nach deren Raster auch andere archäologisch erfaßte Siegelbestände in entsprechender Weise aufgenommen und chronostratigraphisch bestimmt werden können.

Das in der vorliegenden Arbeit untersuchte Material stammt aus über 20-jähriger intensiver Grabungstätigkeit des Deutschen Archäologischen Instituts auf der gegenüber der Stadt Assuan gelegenen Insel Elephantine. Mit der archäologischen Untersuchung des Südbereiches des Satettempels durch Günter Dreyer von der 7. bis zur 11. Kampagne in den Jahren 1977 bis 1984 wurde der erste große Siegelfund in stratigraphisch gesichertem Kontext geborgen.12 Entscheidend für das Anwachsen des inzwischen weit über 1600 Objekte umfassenden as the coins and gems to the student of Ancient Greece and Rome.”, s. P. E. Newberry, Scarabs, An Introduction to the Study of Egyptian Seals and Signet Rings, London 1908, S. 3. 5 W. B. Emery, ¡or-AHa, Excavations at Saqqara 1937-1938, Cairo 1939, S. 19 f. 6 A. Klasens, Mud Seal-Impressions, in: GT III, S. 61-72, bes. S. 61 f. mit einer Auflistung der verschiedenen Verschlußtypen. 7 P. Kaplony, Die Inschriften der Ägyptischen Frühzeit (IÄF), ÄA 8, Wiesbaden 1963, S. 49 ff., wo er die grundlegende Bestimmung von sieben unterschiedlchen Verschlußkategorien vornimmt. 8 “Lässt sich je die Beziehung zwischen der Siegel-Aussage und dem Vorkommen des Siegels auf bestimmten Verschlußformen und bei bestimmten Produkten aufschlüsseln, werden die Inventare einen vollen Einblick in die archaische Wirtschaftsgeschichte gewähren”, P. Kaplony, op. cit., Einleitung, XXXIV. 9 So unterblieb bei der Bearbeitung des in den Grabungsjahren 19541957 im Sonnenheiligtum von König Userkaf gefundenen Siegelmaterials eine Kartierung der Fundobjekte sowie eine Beschreibung des jeweiligen Befundes, vgl. P. Kaplony, Die Siegelabdrücke, in: Das Sonnenheiligtum des Königs Userkaf, Band II: Die Funde, hrsg. von H. Ricke, in:BF 8, Wiesbaden 1969, S. 83-114. Auf die Bedeutung dieses Aspektes hinsichtlich des Betriebes im Sonnenheiligtum hatte bereits H. Ricke in seinem Vorwort hingewiesen. 10 So u. a. P. Ferioli and E. Fiandra, in: Origini 12/2, 1983, S. 455-509 (bes. ab S. 469 ff.); R. J. Matthews, Functional and contextual analysis, in: The 6G Ash-Tip and its contents: cultic and administrative discard from the temple?”, Abu Salabikh Excavations Vol. 4, 1993, S. 35 - 46, Abb. 2:1-2:9 und E. Fiandra, A che cosa servivano le cretule di Festos, in: Kongress Chania 1966 “Pepragmena tou B´Diethnous Kritologikon Synedriou A”, Athen 1968, S. 383-397, Tf. P E´- PII B´.P sowie übergreifend Ferioli and E. Fiandra, in: Aegeum 5, Lièges 1990, S. 221 - 229 und Discuss., S. 230 ff. 11 Für das ausgehende Alte Reich, s. L. Pantalacci, in: BIFAO 96, S. 359 - 367; für das Mittlere Reich s. S. T. Smith, in: Aegeum 5, Lièges 1990, S. 197 - 216, Tf. XXXIV-XL und C. von Pilgrim, Elephantine XVIII, S. 234 ff. mit Tf. 38-39. 12 G. Dreyer, in: 7. Bericht, S. 75 ff., Abb. 3- 4; ders., in: 9./10. Bericht, S. 276 ff., Abb. 2-6, Tf. 59-61; ders., in: 11. Bericht, S. 172 ff., Abb. 1-2 und Tf. 52-53.

Die Arbeit gliedert sich in vier Hauptteile zuzüglich Katalog. Im ersten Teil wird eine Klassifikation des Siegelmaterials vorgenommen, nach der fünf Hauptgruppen zu unterscheiden sind: Rollsiegel, Gefäßverschlüsse, Tonbullen, Türverschlüsse und Urkundenverschlüsse. Die typologische Erschließung des gesiegelten Materials bildet einen Schwerpunkt und zielt nicht nur auf die morphologische Einordnung einzelner Typen und Untertypen, sondern auch auf eine mögliche Bestimmung des jeweiligen Verschlußträgers bzw. des ursprünglich damit versiegelten Inhaltes. Sorgfältige Analyse sämtlicher Indizien, deren vorsichtige Interpretation 13 Um möglichen Verständnisschwierigkeiten vorzubeugen, sei angemerkt, daß die in dieser Arbeit verwendeten Begriffe “Nordoststadt” und “Festung” jetzt den von M. Ziermann gebrauchten Bezeichnungen “Satet- Nord” und “Satet- Ost” entsprechen. 14 Nach einem von R. Eichmann, Uruk. Die Stratigraphie, AUWE (Ausgrabungen (in) Uruk-Warka Endberichte) 3, Mainz 1989, S. 2 geprägten Terminus. 15 M. Ziermann, Befestigungsanlagen und Stadtentwicklung in der Frühzeit und im frühen Alten Reich, Elephantine XVI , AV 87, Mainz 1993.

2

DIE SIEGELABROLLUNGEN UND ROLLSIEGEL DER STADT ELEPHANTINE

angesehenen mjtr-Titel neu zu lesen sowie diesem eine weitaus differenziertere Funktion innerhalb der bestehenden Verwaltungsstrukturen zuzuweisen, die ihn, ebenso wie den rnw/rnw.t/rnw.tj-Titelträgern, als wichtigsten Versorgungsträger der lokalen Administration eines Stadtzentrums dieser Zeit ausweisen. Eine ausführliche Darstellung aller behandelten bzw. erwähnten Titel und Epitheta findet sich im Anhang der Arbeit.

sowie der Aufweis von Tendenzen stehen im Vordergrund. Diese ermöglichen einerseits Erkenntnisse über die damalige Praxis von Verpackung und Lagerung unterschiedlichster Produkte und erlauben Rüchschlüsse auf bestimmte Verschließungstechniken und deren funktionelle Differenzierung. In einem nächsten Arbeitsschritt werden die auf den Lehmverschlüssen nachzuweisenden Siegelinschriften selbst unter dem Aspekt der Titelkunde bzw. ihrer Aussagekraft für den Fundkontext betrachtet. Soweit es der Erhaltungszustand zuläßt, werden diese Siegelinschriften zunächst in verschiedene Siegelungskategorien unterteilt: Amts-, Beamten-, Priester-, Berufs-, Frauen-, Namens-, Zivil-, Nubische Siegel oder Berufseinritzungen.

Nach dieser vorwiegend titelkundlichen Behandlung der Siegelinschriften erfolgt in einem dritten Arbeitsschritt die Analyse der einzelnen Wörter bzw. ihres graphematischen Bestandes. Hierfür wird das in dem umfassenden Werk von Jochem Kahl zugrundegelegte System,16 soweit es Relevanz für die Untersuchung besitzt, weiter verwendet. Eine derartige morphologische Untersuchung bietet die Möglichkeit, Strukturen zu erkennen, die nicht nur epigraphische, sondern auch chronostratigraphische Informationen liefern. Hierfür wird die graphische Zusammensetzung von zwei-, drei-, vier- und fünfkonsonantigen Wörtern besonders unter die Lupe genommen und jeweils mit älteren und jüngeren (datierten) Fundkontexten verglichen und untersucht. Epigraphische “Sonderfälle” werden als solche auch gesondert behandelt. Ziel dieser analytischen Methode ist, ein möglichst genaues chronologisches Raster zu erstellen, das die chronostratigraphische Bestimmung des vorliegenden Siegelmaterials gestattet, und das darüberhinaus eine zuverlässige Ergänzung zur keramologischen Untersuchung bietet.

Mit dem Nachweis des Herrschers Asch Peribsen auf den ältesten sowie des Horusnamens von König Merienre (zusammen mit dem Abdruck eines Knopfsiegels) auf den jüngeren Amtssiegelungen ergibt sich für das Elephantiner Siegelmaterial ein chronologisches Spektrum, das insgesamt von der 2. Hälfte der 2. Dyn. bis in die 6. Dyn. reicht. Auffällig ist, daß Amtssiegelungen der 3. Dyn. besonders gehäuft, Amtssiegelungen der 4. Dyn. (bisher) hingegen überhaupt nicht vertreten waren. Um einen weit größeren Siegelkomplex handelt es sich bei den Beamtensiegelungen, die, nach Häufigkeit ihres Vorkommens, in sechs einzelne Gruppen unterteilt wurden: zS, jrj xw.t nsw.t, Hrj wDA.t, Hrj mA, Hrj s(w)DA(.w), Sms(.w) und mDH wxr.ty nsw.t nTr/nTr.t. Weitere jedoch lediglich vereinzelt auftretende Beamtentitel werden an entsprechender Stelle oder in Anmerkungen besprochen. Vorrangiges Anliegen des Verfassers ist hierbei, bisher unbekannte Titel bzw. neue Lesungsvorschläge für bereits existierende Titel so nah wie möglich anhand des erschlossenen Materials zu erklären. Nach dem Muster - Lesung-Deutung, Aussage im Siegelmaterial - werden jeweils auch die übrigen Kategorien von Siegelungen wie Berufs-, Priester- und Namenssiegel sowie Berufseinritzungen bearbeitet. Ferner erfordert der Nachweis einiger Frauensiegel, die bislang in typologischen Arbeiten nicht auftauchen, die Erfassung in einem eigenen Kapitel, da ihre Trägerinnen, zumindest einige von ihnen, ganz offensichtlich in die Verwaltung eingebunden waren.

Ein abschließender stadtgeschichtlicher Überblick faßt die in den vorhergehenden Kapiteln ermittelten Ergebnisse für jedes untersuchte Stadtgebiet zusammen. Die lokale Auswertung zielt nicht nur darauf, die Funktion der jeweiligen Bereiche bzw. Gebäude(komplexe) an sich zu bestimmen und diese in das gesamte Stadtgefüge einzubinden, sondern sie erlaubt außerdem, die stadtgeschichtliche Entwicklung Elephantines von der Mitte bzw. 2. Hälfte der 2. Dyn. bis zum Beginn der 4. Dyn. aufzuzeigen. Die anhand der Analyse des Siegelmaterials von Elephantine erzielten Ergebnisse der funktionallen Bestimmung der einzelnen Stadtbezirke bzw. ihrer chronostrati-graphischen Verbindung sowie die von mir neu vorgeschlagene Kurzchronologie der Stadtentwicklung werden in einem tabellarischen Überblick synoptisch zusammengefaßt, wobei die von M. Ziermann erarbeitete gesamte Baustratigraphie berücksichtigt wird, indem sowohl die Benennung der Zeitstufen (A-D2) als auch die von ihm im einzelnen zusammengestellten stratigraphischen Daten übernommen werden; seine sehr frühen chronologischen Ansätze hingegen werden bis auf D1 (Ende 2. bzw. Beginn 3. Dyn.) aufgrund der an dem Inschriftenmaterial gewonnenen, neuen epigraphischen Erkenntnisse außer acht gelassen.

Den Zivilsiegeln kommt eine besondere Stellung innerhalb dieses zweiten Arbeitsschrittes insofern zu, als sie eine vollkommen neue Kategorie darstellen, die von P. Kaplony noch unter die sogenannten Kollektivsiegel subsumiert wurden. Dabei lassen sich die bisher als Filiationsangabe bestimmten Bezeichnungen rnw/rnw.t/rnw.tj als Titulatur einer Art Lokalbeamtenschaft sowie die “Personennamen der Frühzeit”, wie z. B. nfr mAa jz.t, anx mrr nsw.t/mrj nb=f oder anx wD nTr nfr als begleitende Beititel oder Epitheta ein und desselben Siegelnden identifizieren. Zudem ist es möglich, den bislang als “Palastarbeiter” u. ä.

16

J. Kahl, Das System der ägyptischen Hieroglyphenschrift in der 0.-3. Dynastie, Wiesbaden 1994.

3

JEAN-PIERRE PÄTZNICK

Mykerinos, 2. Hälfte der 4. Dyn.), was eine beträchtliche Verjüngung der Baustratigraphie bzw. der gesamten Stadtentwicklung zur Folge hat.

Zusammengenommen ermöglichen die Ergebnisse einen wesentlich kürzeren Zeitansatz für die Dauer des Besiedlungsprozesses bzw. der Stadtentwicklung von Elephantine als bisher angenommen. So legen die in den älteren Besiedlungsschichten der Festung (Stratum 8, Sch. I 1.2) und in Geb. V in Satet-Süd nachzuweisenden epigraphischen Kriterien einen mit der ägyptischen Inbesitznahme der Insel Elephantine erfolgten Umbau des einheimischen (nubischen) Vorfelds des Satettempels frühestens in die 2. Hälfte der 2. Dyn. nahe. Gegenüber der bisherigen Annahme eines Zeitraumes von umgerechnet 370 Jahren(!) (d.h. von der 1. Hälfte der 1. Dyn., von Horus (WA)D/Horus Dn bis in die 4. Dyn., von König Snofru bis Schepseskaf) umfaßt der in der vorliegenden Untersuchung erschlossene zeitliche Rahmen lediglich 180 bis höchstens 200 Jahre (d. h. von König Peribsen, 2. Hälfte der 2. Dyn., bis König

Mit dieser zeitlichen Reduzierung tritt umso deutlicher die Intensität der Siedlungstätigkeiten in den Vordergrund, wie sie sich in der Festung oder in der Oststadt - als damalige Verwaltungszentren -, sowie in der Nordoststadt - als Agrar- und Versorgungsbezirk -, an den Hinterlassenschaften des gesiegelten Materials auf eindrucksvolle Weise manifestiert. Aus der Arbeit resultierende Überlegungen sind in den drei Exkursen über die Abfolge der Horusnamen in der 3. Dynastie, über den Satettempel und seine Göttin sowie über den Stadtnamen von Elephantine in der Frühzeit zusammengefaßt.

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DIE SIEGELABROLLUNGEN UND ROLLSIEGEL DER STADT ELEPHANTINE

Dba.t23 (den Finger abdrücken, stempeln) beziehen sich im Alten Reich wohl eher auf die Verschließungs- bzw. Versiegelungstätigkeit und nicht auf das Objekt selbst.24 Nach herrschender Meinung kam das Zylindersiegel25 im ausgehenden 4. Jahrtausend, d. h. in der Negade II c-d Zeit aus Vorderasien nach Ägypten.26

2. Die Rollsiegel 2.1 Bedeutung und Funktion der Siegelpraxis Der terminus technicus “Rollsiegel” bezeichnet in der Sphragistik Zylinder aus Stein, Elfenbein, Ton oder Holz, in die, in der Regel spiegelverkehrt, eine Inschrift oder ein Bild - je nach Material - eingeschnitten, -geritzt oder geschnitzt ist, so daß das anschließende Abrollen desselben auf dem feuchten Lehm das Positiv des Siegelbildes wiedergibt. Darüberhinaus weisen die altägyptischen Rollsiegel der Frühzeit und des frühen Alten Reiches in der Regel eine durchlaufende Mittenbohrung auf, durch die eine feine Schnur eingefädelt wurde. Das Siegel konnte so um Hals oder Handgelenk, evtl. auch, mit einer Nadel fixiert, an der Kleidung getragen werden, wie dies z. B. in Vorderasien der Fall war.17

23 WB V, S. 562 ff., v. a. 563, Anm. 7 und S. 566. Als “Siegelabdrücke” ist Dba.t von R. Gundlach, in: ZÄS 86, 1961, S. 3338, bzw. Hrj Dba.wt mit “der, welcher (=dessen Name) sich befindet auf den Siegelabdrücken” übersetzt worden, loc. cit. S. 35. P. PosenerKriéger, Archives Abousir, S. 430 und S. 433 verstand Dba.t ebenfalls als “empreinte de sceau”. Auf eine ganz andere Deutung verweisen A. H. Moussa und H. Altenmüller, Das Grab des Nianchchnum und Chnumhotep, AV 21, Mainz 1977, S. 112, Tf. 39, Abb. 16, wo Dba.t im Zusammenhang mit der Verschließung und Versiegelung großer Vorratsgefäße begegnet und die abgebildete Szene neben der Aufschrift xtm m Dba.t “Verschließen mit dem Lehmverschluß” das Abdrücken eines Lehmbatzens auf einer Umschnürung eines mit einem Tuch abgedeckten Vorratsgefäßes durch einen jrj (j)xt-“Arbeiter” zeigt. 24 Zur Begrifflichkeit s. W. Boochs, op. cit. S. 105 ff. und P. Kaplony, in: LÄ V, 1984, Sp. 294 ff. Anders verhält es sich im Mittleren Reich, wo Dba.t den Siegelring bezeichnet (P. Newberry, Scarabs, S. 92-95), bzw. xtm im Neuen Reich das Amtssiegel; zur Amtsübertragung, bei der einem Beamten das xtm n jAw.t sA nsw.t-“Amtssiegel eines königlichen Sohnes” überreicht wird, s. Newberry, op. cit., Tf. II und N. de G. Davies und A. H. Gardiner, The Tomb of Huy , London 1926, Tf. VI. 25 Inwiefern die glyptische Entwicklung in Ägypten und Vorderasien mit der Verwendung von Stempeln begann, ist nicht gesichert. Sie ist dennoch nicht gänzlich auszuschließen, wie der Fund zweier Steinstempel in zwei Gräbern in Naga-ed-Deir (s. P. V. Podzorski, in: JNES 47, 1988, S. 262 f.) und Harageh (s. R. Engelbach, Harageh, BS 28, London 1923, S. 14, Tf. VI, Abb. 1) aus der Negade II d1 Periode belegen. Mit Spannung darf die Gesamtpublikation des glyptischen Materials von Zawaideh, der Petrie’schen South Town erwartet werden, s. Cl. Barocas, in: BSAK 2, 1988, S. 301 f. Besondere Beachtung verdienen insbesondere die zahlreichen Einstempelungen, die, sollten sie aus einem ungestörten prähistorischen Kontext kommen, eine ähnliche glyptische Entwicklung Ägyptens wie in Vorderasien vermuten lassen. Zur Frage des Stempelgebrauchs in der prädynastischen Zeit Ägyptens verweise ich auf den Beitrag von Podzorski, op. cit., S. 267 und damit auf den Befund einer im Friedhof von Naga-ed-Deir erhaltenen Frauenbestattung aus Negade II d mit der Beigabe eines Stempels, der Parallelen zu einem in einem chalkolithischen Grab in Tell Gerar gefundenen Stempel syrischer Herkunft aufweist, s. O. Keel, Stamp seals - the problem of palestinian workshops in the second millenium and some remarks on the preceding and succeeding periods, in: Seals and Sealings in the Near East - Proceedings of the Symposium held on Sept. 2., 1993 Jerusalem -, Jerusalem 1995, S. 93-142, insbes. S. 94, Abb. 2; in Harageh wurde ebenfalls in einer Bestattung aus Negade II d1 ein “Stamp seal, red jasper” nordsyrischer Herkunft geborgen, s. Engelbach, op. cit., S. 14, Tf. VI, Abb.1 und 3; J. Crowfoot Payne, Catalogue of the Predynastic Egyptian Collection in the Ashmolean Museum, Oxford 1993, S. 203. 26 So H. J. Kantor, in: JNES 11,1952, S. 246 ff., Tf. XX-B und Tf. XXV-B, wo das älteste, sicher zu datierende Rollsiegel aus einem Grabkomplex aus Negade II c stammt, und F. von Bissing, Ägyptische und mesopotamische Siegelzylinder des III. Jahrtausends vor Christus, in: NAWG 12, 1943, S. 481-516, der jedoch den vorderasiatischen Einfluß verneint; zur weiteren Lit. vgl. R. M. Boehmer, Das Rollsiegel im Prädynastischen Ägypten, in: AA 4, 1974, S. 495 ff. und W. Kaiser, in: MDAIK 46,1990, S. 296 ff. bes. S. 298 mit Anm. 57 und Tf. 68 sowie U. Hartung, in: MDAIK 52, 1996, S. 32 f. Dennoch ist die vorderasiatische Sicht dieses Phänomens aufschlußreich, s. B. Teissier, in: IRAN XXV, 1987, S. 27-53 und Abb. 1-14. “Knifes handles, the Hierakonpolis ivories and the slate palettes” stellen für die Autorin “distinctly Egyptian artefacts with only isolated motifs that are alien” dar. Diese “are iconographically intelligible (Greife, verdrehte Schlangen und Tierhälse, Tierdefilees usw., der Verf.) in a Susa II context.”. Zur Frage nach der Herkunft der Motive,

Das Rollsiegel selbst wird in den biographischen Inschriften des Alten Reiches als sDA.t bezeichnet,18 ist jedoch meist nur in Ansicht wiedergegeben.19 Während P. Kaplony das Wort von einem Kausativum - sDA-fahren lassen - herleitet und dies mit “das Rollsiegel über den Lehm fahren lassen” wiedergibt,20 vermutet Boochs ein Wort s(w)DA.t als Ursprung, welches er von einem Kausativ s(w)DA-bewahren, schützen, wohlbehalten sein lassen erschließt.21 Begriffe wie xtm22 (verschließen) oder 17

B. Salje, Siegelverwendung im privaten Bereich, Schmuck-AmulettGrabbeigabe, in: Mit Sieben Siegeln versehen: Das Siegel in Wirtschaft und Kunst im Alten Orient, hrsg. v. E. Klengel-Brandt, Berlin 1997, S. 125 und Abb. 129 mit Darstellung einer Frau als Siegelbesitzerin bzw. -trägerin; vgl. auch mit S. 9, Anm. 64. 18 WB IV, S. 379, Anm. 17-18. Siehe hierzu zur Auswahl S. Schott,Wörter für Rollsiegel und Ring, in: Festschrift H. Junker, WZKM 54, 1954, S. 177-185, insb. 177 f. wie auch P. Kaplony, in: LÄ V, 1984, Sp. 294 ff. 19 Bereits zu Beginn des Alten Reiches ist das Wort sDA.t mit aufgestelltem Rollsiegel als Determinativ in der Titulatur des hohen Beamten Pehernefer aus Sakkara Nord zu belegen, s. H. Junker, in: ZÄS 75, 1939, S. 63-84, bes. S. 64. Der Beamte trägt zu Beginn seiner Laufbahn den Titel xrj sDA.t pr HD, den H. Junker mit “Siegelbewahrer des Schatzhauses” wiedergab, wobei er das Wort sDA.(w)t funktionell mit dem Amtssiegel gleichsetzte. sDA.t begegnet außerdem im Titel mr sDA.t, dessen Bedeutung bislang noch unklar ist, s. H. Junker, a. a. O., S. 64. 20 P. Kaplony, a. a. O.; ein Kausativ sDA kennt aber das Wörterbuch nur in Verben der Bewegung wie “gehen” (WB IV, S. 377 f.), “fahren im Schiff” (WB IV, S. 378, Anm. 11), “durchziehen” (WB IV, S. 378, Anm. 17) oder aber als Ersatz von jT-bringen (WB IV, S. 378, Anm. 13-16). 21 Hierzu bereits K. Sethe (in S. Schott, op. cit., S. 177 f.) und jetzt auch W. Boochs, Siegel und Siegeln im Alten Ägypten, Sankt Augustin 1982, S. 109 und Anm. 3, wo sDA als eine alte Schreibung des jüngeren swDA-wohlbehalten sein lassen, bewahren und beschützen verstanden wird. Dieser neue Ansatz hat nicht nur den Vorteil, auf eine alte Tradition zurückzublicken, sondern fügt sich in den Schutz- und Verantwortungsaspekt ein, die den Gebrauch eines Siegels primär charakterisieren. 22

WB III, S. 350 ff.; s. hierzu u. a. H. G. Fischer, The Reading of in Titles, in: Varia Nova, Egyptian Studies III, New York 1996, S. 50 ff. Dort wird die Hieroglyphe in Titulaturen xtm(w).t bzw. xtm(w).tj und somit der gesamte Titel xtm(w).t(j) bzw. ihre Pluralbildung xtmw.tjw gelesen wie ihn bereits D. Franke, in: GM 83, 1984, S. 103 ff., vorgeschlagen hatte.

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JEAN-PIERRE PÄTZNICK

Seine geographische Ausdehnung erstreckte sich bis nach Nubien,27 wo es in den Gräbern und Siedlungen der AGruppe gefunden wurde, seine zeitliche bis in die 26. Dyn.28

Dennoch läßt gerade dieser scheinbar so klare Befund einige Frage offen: Warum wurde die Habe so deutlich durch die ausdrückiche Verwendung eines Rollsiegels gekennzeichnet? Wäre es nicht ausreichend gewesen, sein “Markenzeichen” einfach in den frisch angebrachten Lehmverschluß einzuritzen und wem hatte die Information gegolten, die die Siegelung beinhaltete? Zudem dürfte die Schutzfunktion des Siegels angesichts der zahllosen, regelrecht organisierten, Grabplünderungen erwiesenermaßen nicht sehr effektiv gewesen sein.30 Sie kann also kaum die eigentliche und ursprüngliche Funktion der Siegelpraxis gewesen sein. Der archäologische Befund prädynastischer Zeit in Ägypten zeigt, daß Rollsiegel zwar Bestandteil reicher Grabausstattungen sowohl von Frauen als auch von Männern waren, jedoch nur in sehr wenigen Gräbern gefunden wurden.31 Beides spricht m. E. für den hohen Stellenwert, der dem Besitz eines Rollsiegels gesellschaftlich beigemessen wurde.32 Möglich ist außerdem, daß ein solches Prestigeobjekt in dieser frühen Zeit als kostbarer Schmuck mit ins Grab gegeben wurde(?)33 Auffallend in diesem Zusammenhang ist, daß in keinem einzigen Grab aus dieser vorgeschichtlichen Zeit mit Rollsiegeln gesiegelte Behälter nachzuweisen waren, die die persönliche Habe des Bestatteten enthalten hätten - ein Tatbestand, der der Funktion des Siegels zur Kennzeichnung persönlichen Eigentums entschieden widerspricht. Vielmehr lassen die Funde versiegelter Waren in frühgeschichtlichen Herrschergräbern, wie z. B. in dem abydenischen Grab U-j34 erkennen, daß das Siegel ursprünglich im Rahmen einer spezifisch zugeteilten

2.2 Primäre Funktion des Siegelns In der gesamten Fachwelt besteht Einigkeit darüber, daß das Siegel über Jahrtausende altägyptischer Geschichte hinweg primär dem Schutz und der Kennzeichnung von Eigentum diente.29 Mit dem Aufdrücken des Siegels auf einen Lehmverschluß wurde demnach die Habe, das Eigentum oder der Besitz des Siegelinhabers gekennzeichnet und sowohl die Unversehrtheit des versiegelten Inhaltes garantiert als auch das Anrecht (bzw. die Rechte) des Siegelnden auf die versiegelte Ware aus dem Siegelbild ersichtlich. die die Ägypter so eifrig kopierten, meint die Autorin: “The most obvious vehicle for transmission of this iconography would have been clay-sealings on consignments of trade goods.” Dies impliziert, daß gesiegelte Produkte aus dem vorderasiatischen Raum nach Ägypten kamen und hier die glyptische Ikonographie bei der Erstellung von Kunstwerken von ägyptischen Handwerkern übernommen wurde. 27 Siehe hierzu die Zusammenstellung einiger Zylinder von G. Björkman und T. Säve Söderbergh, Seals and seal impressions, in: H.A. Nordström & Allii, Neolithic and A-Group Sites, The Scandinavian joint Expedition to Sudanese Nubia Vol. 3:1+3:2, Sweden 1972, S. 117 f. und Tf. 188 - 4 und 189 mit Abbildung eines eingeritzten Tonzylinders aus einem Siedlungsbereich von Serra East (S. 140) und verschiedenen Beispielen von Siegelungen; s. hierzu auch B. B. Williams, Part 1: The A-Group Royal Cemetery at Qustul: Cemetery F, OINE III, Chicago 1986, S. 157, Abb. 57 und167 ff.; und ders., Parts 2 - 4: Neolithic, A-Group and Post-A-Group Remains from Cemeteries W, V, S, Q, T and a Cave East of Cemetery K, Chicago 1989, S. 40 f. und S. 47, Abb. 14 b und Tf. 13 b; s. ebenso SIÄF, S. 3 f. mit Tf. 1, Abb. 884-885. 28 Vgl. hierzu I. Gamer-Wallert, Vermerk: Fundort unbekannt, Ägyptologische Entdeckungen bei Privatsammlungen in und um Stuttgart, Stuttgart 1997, S. 231-233, 235 und S. 239; eine Auswahl königlicher Beispiele aus dem Mitteren Reich findet sich bei Chr. Ziegler, Le Louvre, Les antiquités égyptiennes, Paris 1990, S. 33, E 25685-688 “Coffret et sceaux du roi Montouhotep” und W. M. Fl. Petrie, Scarabs, BS 29, London 1917, Tf. XII, Abb. 28-32, Tf. XIII, Abb. 9-13 und 16, Tf. XIII Senuseret II, Abb. 6-9, Tf. XIII Senuseret III, Abb.14-16, XIV, Abb. 9-18, Tf. XVIII, Abb. 1-2 und Hetep. Ka. Ra wie auch Sebeka. Ka. Ra 1-2; Newberry, Scarabs, S. 54 und Tf. VI und VII. Zu Beispielen von Rollsiegeln aus dem Neuen Reich vgl. Newberry, a. a. O. S. 54 und Tf. VIII sowie Petrie, op. cit., Tf. XXIV, Abb. 13 und 43. Selten belegt sind Rollsiegel von Privatpersonen, s. hierzu das Siegel eines “Vorsteher der Goldschmieden Ka-m-waset, Newberry, op. cit. S. 55, Abb. 32 und die zwei Rollsiegel des Obervermögenverwalters Senenmut, Newberry, op. cit. Tf. VIII, Abb. 4 und E. Eggebrecht, Katalog zur Ausstellung: Ägyptens Aufstieg zur Weltmacht, Hildesheim und Mainz 1987, S. 336 f., Abb. 288. Für weitere Nachweise von Rollsiegeln in der XXV-XXVI. Dyn., vgl. H. R. Hall, Catalogue of Egyptian Scarabs in the British Museum - Royal Scarabs -Vol. I, London 1913, S. 272 und W. Boochs, Siegel und Siegeln im Alten Ägypten, Sankt Augustin 1982, S. 82, Anm. 11. 29 Stellvertretend seien genannt: D. Collon, First Impressions, London 1987, S. 113; P. E. Newberry, Scarabs, London 1908, S. 12-28; W. C. Hayes, Scepter of Egypt I, Harvard University Press Cambridge, Massachusetts 1960, S. 38; P. Kaplony in: LÄ V, 1984, Sp. 934. W. Boochs, op. cit., S. 2 und S. 78 ff. stellt fest: “die primäre Funktion des Siegels ist der Schutz des Eigentums und Besitzes durch Kennzeichnung und Verschluß, wobei das Bild oder die Inschrift auf dem Siegel den Eigentümer und dessen Rechte verkörpert”; zu dem hiermit indirekt angesprochenen rechtlichen Aspekt in der Sphragistik Vorderasiens s. D. Collon, op. cit., S. 113 ff. und dies., Interpreting the Past - Near Eastern Seals-, London 1990, S. 11.

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Die Behauptung von E. Cassin, Le sceau: un fait de civilisation dans la Mésopotamie ancienne, Annals ESC (juillet-août) 1960, S. 744, “l´apposition du sceau sur la porte ou sur le tissu - qui bouche l´ouverture d´un récipient - constitue un obstacle fragile, mais extrêmement efficace: le transgresser, c´est porter atteinte à l´intégrité personnelle de celui dont c´est une émanation et de ce fait mettre en mouvement des forces complexes et dangereuses” ist an sich zwar richtig, doch zeigen die Grabplünderungen in Ägypten und im Vorderen Orient, daß es sich in der Praxis tatsächlich anders verhielt, s. B. J. Kemp, Ancient Egypt, Anatomy of Civilization, London / New York 1989, S. 113, “The physical barriers to theft in ancient Egypt were not very strong. No ingenuity was displayed in inventing locks. Breaking and entering would have been quite simple and the long history of tomb robbery in ancient Egypt shows that some people were strongly motivated towards theft.” 31 Vgl. hierzu das Verhältnis der freigelegten Gräber zu den gefundenen Rollsiegeln in prädynastischen Friedhöfen: Naga-ed-Deir: 635 Gräber/2 Rollsiegel, Ballas: 250 Gräber/1 Rollsiegel; Naqada-Ballas: 3000 Gräber/2-3 Rollsiegel, s. P.V. Podzorski, in: JNES 47, 1988, S. 259268; Hierakonpolis: 172 Gräber/0 Rollsiegel. 32 Ein ähnlicher Befund ist ebenso deutlich in Nubien in Negade III-A im Grabkontext der A-Gruppe festzustellen, s. B. B. Williams, The AGroup Royal Cemetery at Qustul: Cemetery L Part I., OINE III, Chicago1986, S. 170: “The three ivory seals from Cemetery L, Faras, and Sarras West, discussed above, were all found in wealthy tombs of the patrician type.” 33 Der Befund eines großen, reich ausgestatteten Grabes aus Negade IIc in Naga-ed-Deir zeigt, daß das Rollsiegel zu den Preziosen des/der Bestatteten gehörte. Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, daß das Siegel über den damaligen Fernhandel erworben und somit als Schmuck der besonderen Art, nicht jedoch als Schriftträger gebraucht bzw. getragen wurde. 34 Zum Baubefund von Grab U- j s. G. Dreyer, in: MDAIK 49,1993, S. 34 f., Abb. 4 und Tf. 5 b.

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DIE SIEGELABROLLUNGEN UND ROLLSIEGEL DER STADT ELEPHANTINE

administrativen Funktion benutzt wurde,35 ehe es auch in den privaten Bereich Eingang fand.36

Wie wichtig die Kontrolle bzw. die Benennung des zuständigen Beamten war, zeigt das spätestens unter Chasechemui am Ende der 2. Dyn. nachzuweisende Doppelsiegelungssystem, bei dem das anonyme Amtssiegel eines (Staats-)Beamten zusätzlich mit seinem Beamten- bzw. Privatsiegel ergänzt wurde.39 Somit dürfte m. A. n. die primäre Funktion der Siegelpraxis eher in einem verwaltungstechnischen Kontext als einen wesentlichen Bestandteil des Kontrollwesens40 z. B. bei Abgaben oder beim Verschließen von Magazintüren zu sehen bzw. zu verstehen sein.41

Demnach ist das Aufdrücken des Siegelbildes in Verbindung mit dem Namen des Beamten bzw. Privatmannes Ausdruck der Verantwortlichkeit derselben gegenüber einer höhergestellten Instanz bzw. ermöglicht letztere die Kontrolle der betreffenden Person. Der Siegelinhaber geht damit eine Verpflichtung ein, was ihn einerseits zum ordnungsgemäßen Gebrauch seines Siegels zwingt bzw. was andererseits, bei mißbräuchlicher Verwendung, seine Bestrafung zur Folge hat.37 Das Siegel diente somit als Unterschrift bzw. Beglaubigung.38

Über seine Bedeutung bei der Bildung eines tragfähigen Verwaltungsapparates hinaus kam dem Rollsiegel nicht nur eine wichtige Rolle bei der Formierung des altägyptischen Staates zu, indem es diesen wortwörtlich “ins Rollen brachte”, sondern darüberhinaus entscheidend beschleunigte. So bedeutete seine Einführung eine Möglichkeit, den bestehenden Analphabetismus vieler in der Verwaltung Tätiger zu Beginn des administrativen Zentralismus der dynastischen Zeit auf originelle Art und Weise zu umgehen. Durch das Medium des Siegels war ein des Lesens und Schreibens Unkundiger somit dennoch imstande, die Verantwortung für einen ihm zugewiesenen Aufgabenbereich zu übernehmen.

35 Für den Befund von Grab U- j, dem Mehrkammerngrab eines vorgeschichtlichen Herrschers von Negade III - a2 in Abydos, hieße dies, daß die Siegelungen an syrisch-kananäischen Wein- und Vorratsgefäßen nicht ägyptischer, sondern fremder Herkunft sind. Die Abrollungen weisen ein Tierdefilee-Muster auf, das ausschließlich auf nichtägyptischen bzw. vorderasiatischen Importgefäßen syrischpalästinensischer Herkunft angebracht war, wohingegen die ägyptischen Beigaben lediglich Tintenaufschriften (Gefäße) bzw. eingeritzte Elfenbeintäfelchen tragen. Ob der Siegelungsort innerhalb oder außerhalb Ägyptens gelegen war, kann nur vermutet werden, s. U. Hartung, in: MDAIK 49, 1993, S. 49-56 und Abb. 10-11 und Tf. 9 a-h. Hingegen ist ein Abfüllen der Gefäße außerhalb Ägyptens durchaus in Betracht zu ziehen, zumal Behälter mit alkoholischem Inhalt (mit Feigen versüßter Wein!) nicht ägyptisch sind. In diesem Zusammenhang darf mit Spannung der petrographischen Analyse des verwendeten Siegelmaterials entgegengesehen werden, die wesentlich zur Klärung der Herkunft der Produkte beitragen dürfte, wie dies bereits in Ain Basor (Süd-Palästina) vorgenommen wurde, s. A. BenTor, in: BASOR 281, 1991, S. 6 mit der einschlägigen petrographischen Untersuchung von N. Porat. Ein ähnlicher Befund konnte ebenfalls im Norden des Negevs in Nahal Tillah und auch in der Frühbronzezeit nachgewiesen werden, s. T. E. Levy et al., in: BASOR 307, 1997, S. 17. 36 “The earliest cylinder seals, however, do not seem to have been personal but administrative in purpose and the choice of designs probably reflects this.”, s. D. Collon, First Impressions, London 1987, S. 113. Siehe auch J. G. Westenholz,Seals and Sealings in the Ancient Near East, Proceedings of the symposium held on Sept. 2, 1993 Jerusalem, Bible Lands Museum Publication Nr. 1, Jerusalem 1995, S. 8, der auf die Funktion des Rollsiegels in Güterwesen und Handel aufmerksam macht: “The most widespread use of the seals was in the economic system. They constituted the essential technology which made internal commerce and long distance trade possible. Responsability for various types of transactions can be traced through the analysis of seal use.” Diesen Aspekt des Rollsiegels als Informationsträger betont auch ein kürzlich in Israel gefundenes Rollsiegel aus der Amarnazeit, dessen Siegelbild einen Brief auftrug, s. W. Horowitz, in: IEJ 46, 1996, S. 210 ff. 37 Diese Verantwortlichkeit des Siegelträgers tritt m.E. in der biographischen Inschrift des Wesirs Pepiankhheri-ib deutlich zutage: “Nie lag das/ mein Siegel von mir entfernt, seitdem ich zum Beamten gemacht worden bin. Nie wurde ich verhaftet, nie eingekerkert”, Urk. I , 223, -8 ff. und S. Schott, in: WZKM 54,1957, S. 177-185, bes. S. 178 f. mit einer leicht abweichenden Übersetzung. 38 P. Kaplony, in: LÄ V, 1984, Sp. 934: “Das Siegel markiert als “Unterschrift” ... die Habe des Siegelinhabers...”; W. Boochs, op. cit., S. 2 f.: “In der Form der in Ägypten nicht belegbaren Untersiegelung ersetzt der Siegelabdruck für und gegenüber des Lesens und Schreibens Unkundige die eigene Unterschrift und vertritt insoweit den Siegelnden.” Dieser Aspekt wird unverständlicherweise von B. B. Williams völlig abgelehnt: “Sealing was used in Egypt to certify that containers, or documents were intact. A seal was not used to authenticate a document nor as a signature”, s. ders., Aspects of Sealing and Glyptic in Egypt before the New Kingdom, in: Seals and Sealing in the Ancient Near East edited by Mc Guire Gibson and R. D. Biggs, Malibu 1988, S. 138.

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IÄF III, Tf. 72, Abb. 269 mit den Abdrücken Tf. 72, Abb. 269 + Tf. 91, Abb. 346 und Tf. 131, Abb. 801 mit den Abdrücken Tf. 131, Abb. 801 + Tf. 91, Abb. 346. In beiden genannten Fällen handelte es sich bei dem Siegelberechtigten um einen mjtr, vgl. hierzu S. 139 f., Anm. 1396 u. 1397; weitere Beispiele von Doppelsiegelung sind von J. E. Quibell verzeichnet worden, s. ders., Archaic Objects, Plates, Band II, CG 23, Le Caire 1904-1905, Tf. 11, Abb.11105 mit zwei Abrollungen Nr. 198+213 und Tf. 12, Abb.11136 mit zwei Abrollungen Nr. 198+213. In beiden Fällen war der Siegelberechtigte ein rnw. Andere Beispiele von Siegelungen sind z. B. im Mittleren Reich in der Festung von Uronarti (Nubien) nachzuweisen. Diese Doppelsiegelung (amtlich/privat) wird von G. A. Reisner wie folgt ausgelegt “The official in charge of receipts and payments at the storehouse and the treasury, when they had sealed or resealed the doors or receptacles, applied each one his private seal to the official sealing as an additional safeguard to protect himself against an abuse of the office-seal by some subordinate.”, s. G. A. Reisner, in: Kush III, 1955, S. 38; desweiteren finden sich Doppelsiegelungen am Siegelmaterial von Lerna “The House of the Tiles” in Griechenland: “Der Umstand, daß eine Plombe mit zwei verschiedenen Siegeln gestempelt wurde, kann vielleicht wie in Uronarti erklärt werden: Das offizielle Siegel ist mit einem privaten Siegel gegengestempelt o. zwei Privatpersonen führen es gemeinsam aus.”, s. M. Health-Wiencke, Corpus der minoischen und mykenischen Siegel V, 1: Kleinere griechischen Sammlungen, Berlin 1975, S. 28 ff. 40 In den Abusir-Papyri wird offensichtlich eine Reihe von Versiegelungen zunächst von Angehörigen der Ersten Phyle an Ort und Stelle überprüft, bevor diese von der ablösenden Phyle als Zeichen der vollständig geleisteten Dienstübernahme gesiegelt werden, s. P. Posener-Kriéger and J.-L. de Cénival, The Abu Sir Papyri, London 1968, Tf. XXXI B. In diesem Sinne ließen sich die zahlreichen Stempelabdrücke mit Symbolen, wie z. B. nfr-gut, nfr nfr-sehr gut oder nfr nfr.w-hervorragend/”suprême”, die später zur Qualitätsbezeichnung der Inhalte ägyptischer Amphoren des Neuen Reiches dienten, vielleicht auch als Kontrollzeichen oder -marken von Prüfern verstehen. 41 “Le sceau n´est pas seulement une signature, mais il engage la responsabilité administrative de son porteur et l´inscrit dans un réseau d´activités controlées par des procédures comptables”, s. L. Pantalacci, in: BIFAO 96, 1996, S. 362; B. Kemp, op. cit., S. 113: “The great fuss that was made over sealing, including the repeated inspection of seals, was a psychological ploy. It concentrated the minds of these responsable on a specific part of security, laid security open to bureaucratic control, and the link between sealings and the keeper of the seal became a bond of responsability.”

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JEAN-PIERRE PÄTZNICK

Der Siegelinhaber war damit in ein administratives Netzwerk eingebunden, in dem ihm einerseits eine größere persönliche Bedeutung zukam, gleichzeitig unterstand er aber auch den Kontrollmechanismen übergeordneter Instanzen, gegenüber denen er Rechenschaft abzulegen hatte. Eine derartige Einbindung mußte m. E. unweigerlich zur Ausprägung eines hierarchischen Bewußtseins und damit zum Aufkommen einer Beamtenmentalität führen, mit der die Weichen für das Funktionieren der Verwaltung gestellt waren und letztendlich sowohl der beginnende administrative Zentralismus als auch die Macht des Königs an der Spitze des Staates entscheidend gestärkt wurde.

Fund und Kauf von Rollsiegeln lassen sich bereits seit der 2. Hälfte des letzten Jahrhunderts sowohl in Elephantine als auch in der gegenüberliegenden Stadt Assuan feststellen. 1858 wurden von A. Mariette zwei Steinrollsiegel aus der Regierungszeit der Könige Userkaf und Neferirkare der 5. Dyn. auf der Geziret Assuan (Elephantine) gefunden,46 weitere konnten von A. H. Sayce47 auf Elephantine und vom Kairener Museum48 in der Stadt Assuan erworben werden, wo auch das zuletzt aufgetauchte Rollsiegel 1927 angekauft wurde, das sich jetzt im British Museum befindet.49 Ansonsten sind m.W. bis zum Jahr 1972 keine weiteren (publizierten) Rollsiegel gefunden worden. In eben diesem Jahr wurde auch das erste und wohl größte vollständig erhaltene Holzrollsiegel geborgen und von D. Bidoli in extenso veröffentlicht.50

2.3 Die Rollsiegel im Elephantiner Material Die Mehrzahl der in den Museen ausgestellten Rollsiegel, deren Herkunft zumeist mit dem Vermerk “Fundort unbekannt” (F. u.) versehen ist, stammt aus dem Handel oder aus Grabplünderungen; nur in seltenen Fällen sind noch die Umstände nachvollziehbar, unter denen die Zylinder geborgen wurden. Wo dies möglich war, kamen sie in der Regel aus funerärem Kontext, sei es aus königlichen42 oder privaten Gräbern43 sei es aus königlichen Totentempeln.44 Funde von Rollsiegeln und Siegelabrollungen ägyptischer Herkunft innerhalb eines Siedlungskomplexes ließen sich zwar für die prädynastische Periode bisher nicht eindeutig belegen, stellen jedoch in der Frühzeit von der 1. Dyn. an keine Seltenheit dar.45

Seither ist die gesamte Anzahl der in den alten Siedlungsstrukturen der Inselstadt Elephantine des DAI), das spätestens unter Horus Aha zu Beginn der 1. Dyn. begegnet, s. D. Arnold, Gräber des Alten und Mittleren Reiches in El Tarif, AV 17, Mainz 1976, S. 12 und 17. Zum Fund einiger Verschlußfragmente in Hierakonpolis s. J. Brookner, The Archaic Period Sealings, The Hierakonpolis Project III, Excavations of the Archaic Remains East of the Niched Gate Season of 1981 by W. A. Fairservis Jr., New York 1986, S. 24-27, Abb. 13 und 17,125-129 und 221. In der “South Town” in Naqada wurde ein Depot mit einer Vielzahl von Stempelabdrücken (!) freigelegt, die möglicherweise prähistorisch sind, s. Cl. Barocas, in: BSAK 2,1988, S. 301 f. Siehe außerdem R. Di Maria, in: PIREI 9, 1993, S. 38 ff. und dies., News about KHTM, Abstracts of papers of the Seventh International Congress of Egyptologists, Cambridge, 3-9 September 1995, Edited by Chr. Eyre, Oxford 1995, S. 120 f. Zum Fund einer Tonbulle in Buto (Nildelta) mit mehrfach überlappenden Siegelabrollungen s. D. Faltings, in: MDAIK 52, 1996, S. 93 f. mit Abb. 3. 46 PM V, S. 244; Cairo JdE 2092 und RAR II-B, Tf. 51, Abb.1; CG 12900 und RAR II-B, Tf. 65, Abb.1. 47 A. H. Sayce, in: PSBA 22,1900, S. 280 und Tf. I, Abb. 4, wo er das Steinrollsiegel beschreibt als „a large cylinder of white stone of the archaic Babylonian type... It is nearly 4 cent. long and is 2 cent. in diameter. Two small holes have been bored from either end, but without meeting... At all events the fact shows that the cylinder is of local manufacture... The hieroglyphics are rudely cut..”. Es gehört zum Typus Beamtensiegel und ist aufgrund der Gliederung seines Siegelbildes mit vertikalen Trennlinien frühestens in die ausgehende 3. bzw. in die 4. Dyn. zu datieren; Sayce und PM V, S. 244 geben hierzu z. B. “Protodynastic” an (!). 48 Nähere Angaben über des Rollsiegels waren nicht zu erfahren. 49 BM 58436 und IÄF II, S.1153 sowie IÄF III, Tf. 102, Abb. 456; A. J. Spencer, Early dynastic objects in Catalogue of Antiquities in the British Museum, London 1980, S. 60 mit Tf. 37, Abb. 422. Hierbei handelt es sich um das Siegel eines nicht näher zu bestimmenden kAr(j)Titelträgers namens Mr(j) kA aus der Frühzeit. Zu diesem Titel, s. die Titelliste im Anhang sowie S. 311, Anm. 1455. Sollte der Kauf dieses Rollsiegels mit den italienischen Grabungsarbeiten am Simeonkloster in den Jahren 1924-1926 in Verbindung zu bringen sein, ist die Wahrscheinlichkeit groß, daß es von dort entwendet wurde. Dies wäre sowohl Indiz für eine frühzeitliche Bestattung am Westufer im Bereich des Simeonklosters als auch für einen potentiellen Friedhof, so daß die bislang vergeblich gesuchte frühzeitliche Nekropole auf der sogenannten Westinsel eher am Westufer in einem zwischen dem Eingang des Wadis und dem Simeonkloster liegenden Bereich zu erwarten sein dürfte. 50 D. Bidoli, in: 3. Bericht, S. 184 f., Abb. 9. Damals wohl noch als das älteste Objekt seiner Gattung angesehen, ist dieses Rollsiegel mittlerweile das jüngste (!) datierte Exemplar unter den insgesamt 17 geborgenen Rollsiegeln dieses Siegelcorpus.

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U. a. A. Scharff, Die Altertümer der Vor - und Frühzeit Ägyptens, Bd. V der Mitteilungen aus der ägyptischen Sammlung, Berlin 1929, S. 103, Tf. 27, Abb.148-149. Beide Holzrollsiegel sind in Abydos in der Grabanlage von Horus Djer (1. Hälfte der 1. Dyn.) gefunden worden; dessen Talbezirk ist ferner der Fundort vier weiterer Rollsiegel, s. Fl. W. Petrie, Tombs of the Courtiers, BSAE 37, London 1925, S. 4 f., Tf. II, Abb.1- 4 und Tf. III, Abb.10, 11, 13-14. 43 Z. B. A. Scharff, op. cit., S. 98 und Tf. 25, Abb.134 und der Fund eines um den Hals des Verstorbenen gebundenen Rollsiegels (Tiersiegel) in Abusir el-Melek; A. M. Lythgoe and D. Dunham, Hearst Egyptian Expedition, The Predynastic Cemetery N 7000 Naga-ed-Der Part IV, Berkeley and Los Angeles/ London 1965, S. 179-183, Abb. 78 d und 79 h. 44 A. Scharff, op. cit., S. 96 mit Abb. 63, mit Fundangabe: Totentempel des Königs Neferirkare (5. Dyn.). 45 Bezüglich des Siegelmusters mit Tierdefilee im Siedlungskontext sind zwei Funde von Rollsiegeln unsicherer Datierung und Befundsituation in Abydos sowie zwei Verschlüsse der Petrieschen “South Town” in Naqada zu erwähnen, s. hierzu U. Hartung, op. cit., S. 33 und Anm. 40-41. In frühdynastischen Siedlungskontexten lassen sich sowohl Rollsiegel (Fl. W. Petrie, Abydos II, London 1903, S. 29 und Tf. 12, Nr. 186+274 und 187+275; H. de Morgan, in: ASAE 12, S. 44- 46, insbes. S. 44, der ebenfalls ein Steinrollsiegel mit funerärem Muster “Verstorbener vor Opfertisch” (Cairo JE 38913) in der Siedlung von El Adamieh fand, s. W. Needler, Predynastic and Archaic Egypt in the Brooklyn Museum, New York,1984, 383 f.) als auch gesiegelte Lehmverschlüsse belegen, s. B. Midant- Reynes, in: BSFE 117, 1990, S. 20, Abb. 22 a-b und T. E. Peet, The Cemeteries of Abydos Part II.1911-1912., EEF 34, London 1914, S. 5, Abb. 3 und S. 126. Siehe ferner die in Theben West in der Schachtverfüllung einer der Mastabas des frühen Alten Reiches von El Tarif gefundenen, gesiegelten Verschlußfragmente und Steinartefakte, deren Herkunft aus dem unter den Mastabas liegenden, teilweise in die Negade-Zeit-Anf. der 1. Dyn. zu datierenden Siedlungsbereich durchaus möglich scheint. Für diesen Zeitraum sprächen auch die unvollständigen verzerrten Abrollungen mit Tierdefilee-Muster (nach eigenen Beobachtungen am Fotoarchiv

8

DIE SIEGELABROLLUNGEN UND ROLLSIEGEL DER STADT ELEPHANTINE

gefundenen Zylinder auf stattliche 17 Rollsiegel angewachsen, von denen elf aus Holz, drei aus Stein, zwei aus Ton und eins aus Lehm gefertigt sind. Insgesamt zehn Rollsiegel (fünf aus Holz, drei aus Stein und zwei aus Ton) und ein Lehmzylinder stammen aus der Oststadt,51 drei Holzsiegel aus dem Südbereich des Satettempels,52 zwei Holzsiegel aus der Nordoststadt53 und ein weiteres aus dem Südareal der Festung.54

Siegelkörper gezogenen und an seinem Ende zusammengeknoteten Schnur,60 die ein eventuelles Herausrutschen des Zylinders verhindern sollte, sowie andererseits den Nachweis von Personen, die das Rollsiegel um den Hals tragen.61 Anstelle der Verleihung eines Rollsiegels mit einfacher Schnur wurden die höheren Würdenträger bei ihrer Amtseinsetzung am Königshof durch das Umlegen einer reichverzierten Kette ausgezeichnet, an der ein Rollsiegel aus gefrittetem Steinmaterial befestigt war.62 Neben dieser weitverbreiteten Trageweise ist jedoch auch die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, daß das Rollsiegel, nach vorderasiatischem Vorbild, am Handgelenk,63 am Gürtel64 oder an einer große Stecknadel über der Brust65 getragen worden sein könnte.

Die Durchmesser der erhaltenen Rollsiegel betragen zwischen 0,9 und 4 cm, wobei der Hauptanteil bei 2,5-2,6 cm liegt. Unterschiedliche Farbe (von dunkel- bis hellbraun) wie auch Maserung lassen auf die Verwendung von Holz unterschiedlicher Qualität schließen.55 Das Gestein, aus dem die drei Steinzylinder hergestellt wurden, ist von sehr unterschiedlicher Qualität (Kalk-, Sand- und Speckstein). Dennoch ist die Darstellung des eingeritzten Siegelbildes in allen drei Fällen kaum zu erkennen.

Um eine Siegelung anzubringen, wurde zunächst die Schnur abgenommen und das Rollsiegel von dieser heruntergeschoben. Anschließend konnte der Zylinder auf das zu siegelnde Objekt gelegt und mit der flachen Hand

Bis auf eine Ausnahme56 weisen Rollsiegel im allgemeinen eine mittige Bohrung auf,57 deren Durchmesser zwischen 0,25 und 0,7 cm beträgt. Umso auffälliger ist, daß diese bei sämtlichen in der Oststadt gefundenen Ton-, Lehm- und Steinzylindern fehlt.58 Ferner konnte an den Seiten eines Steinsiegels ein konischer Bohransatz nachgewiesen werden.59 Die Funde von Schnurresten in der Lochung zweier Rollsiegel bestätigt einerseits die graphische Wiedergabe der Hieroglyphen

und

60

Wird die Schnur ohne den Siegelkörper gedacht, so hat man eine

Form vorliegen, die in ihrer Ausprägung der Hieroglyphe , sA -Schutz graphisch so verblüffend nahekommt, daß man nicht umhin kann, eine Analogie zwischen der Schnur und der Hieroglyphe anzunehmen. Vgl. hierzu H. Wild, op. cit., Tf. CLXXIV mit Darstellung einer Marktszene mit einem Siegelschneider und seinem Auftraggeber. Der Kunde trägt dabei in der linken Hand eine Schnur in Form eines , sA-Schutz, an der das durchbohrte Rollsiegel angebracht werden soll. Als Schlafmatte eines Hirten deutete es L. Borchardt, in: ZÄS 44,1907, S. 77-79. Für eine andere Deutung des Zeichens als “life preserver”, s. H. G. Fischer, Ancient Egyptian Calligraphy, New York 1979, S. 48. 61 Festung: Kat. 194 und Oststadt: Kat. 396; Newberry, Scarabs,, S. 45. Belege hierfür lassen sich aus dem archäologischen Kontext gewinnen. Repräsentativ sind zwei Rollsiegel, die in Abusir el-Meleq und in Gebelein am Hals zweier Bestatteter, eines Mannes aus dem Anfang der 1. Dyn. und einer Frau aus der 2. Hälfte der 5. Dyn., geborgen wurden, s. A. Scharff, op. cit., S. 98 und G. Brunton, in: ASAE 40, S. 525, Tf. LI, Abb.17. Obwohl sich weitere Belege von Personen mit einem offensichtlich um den Hals gebundenen Rollsiegel erbringen lassen, blieben diese m. W. bislang völlig unbeachtet. Bemerkenswert ist der Befund aus einem Grab in Sakkara, in dessen Dekoration Abbildungen von Vorgesetzten (F. Daumas, L. Epron und H. Wild, Le tombeau de Ti, Fasc. I+II, MIFAO LXV, Le Caire 19391953, Tf. CXXIII und H. Wild, Le Tombeau de Ti, La Chapelle, Fasc. III, MIFAO LXV, Le Caire 1966, Tf. CLII und CLXIV) sowie von Arbeitern (F. Daumas, L. Epron und H. Wild, op. cit., Tf. CXIV, CXXIII-CXXIV und H. Wild, op. cit., Tf. CLXVII-CLXVIII) zu belegen sind. 62 Siehe Urk. I, 59,-17 und 60, -3; W. M. Fl. Petrie beschreibt ein solch prunkvolles Rollsiegel mit Kette sehr detailliert, s. ders., Medum, London 1892, S. 33 und Tf. XIII; in diesem Zusammenhang sei auf den Befund einer im Friedhof von Naga-ed-Deir im Grab N. 1532 freigelegten Bestattung verwiesen, in dem ein goldener Draht gefunden wurde, auf den u. a. ein beschriftetes Rollsiegel aus Gold gefädelt war. Das Rollsiegel fungierte hier als Schmuck für das jenseitige Leben, da es in solch kostbarer Ausführung wohl kaum im Alltag in Gebrauch gewesen sein dürfte, s. G. A. Reisner, The Early Dynastic Cemeteries of Naga-ed-Der, Part. I, Leipzig 1908, S. 31 und Tf. 9. 63 Das aus Nippur stammende Objekt zeigt eine Frau, die an ihrem linken Handgelenk ein Rollsiegel trägt, s. L. Gorelick and E. WilliamsForte, Ancient Seals and the Bible, Malibu 1983, Tf. XII, Abb.1; auch der Golddraht könnte sich am Handgelenk des Verstorbenen befunden haben und nicht, wie üblich am Hals, s. G. A. Reisner, op. cit., S. 31. 64 Newberry, Scarabs, S. 45. 65 B. Salje, Siegelverwendung im privaten Bereich Schmuck-AmulettGrabbeigabe, in: Mit Sieben Siegeln versehen: Das Siegel in Wirtschaft und Kunst des Alten Orients, hrsg. von. E. Klengel-Brandt, Berlin 1997, S. 124 f. und Abb. 129; vgl. mit S. 8, Anm. 17.

mit einer durch den

51 Oststadt: Holzzylinder: Kat. 279, 375, 396, 406 und 515; Steinzylinder: Kat. 391 und die ausgesonderten Steinzylinder Kat. A295 mit Rautenmuster und Kat. A318 mit beidseitigen Bohransätzen; Tonzylinder: Kat. A243 mit Einritzungen unbestimmter Art und Kat. A245; Lehmzylinder: Kat. 576. 52 Satet-Süd: Holzzylinder: Kat. 001, 005 und 012. 53 Nordoststadt: Holzzylinder: Kat. 080 und 084. 54 Festung: Holzzylinder: Kat.194 55 Inwiefern eine eingehende Untersuchung der Holzzylinder aufschlußreiche Informationen über Herkunft und Datierung der verwendeten Holzart liefern könnte, läßt sich an den Holzrollsiegeln des Israel Museums nachzuvollziehen. Dabei wurden nicht nur die Holzqualität und das Herkunftsgebiet (Ägypten, v. a. aber Libanon u. Türkei) einzelner Objekte erschlossen, sondern auch C14- Datierungen erarbeitet, s. hierzu N. Liphschitz, G. Bonani und E. M. C. van den Brink in: GM 158, 1997, S. 33- 41, bes. S. 36 ff. und Tf. 1. Darüberhinaus könnte eine Bestimmung der Holzqualität auf die soziale Stellung des Siegelinhabers, d. h. des Auftraggebers schließen lassen. 56 Oststadt: Kat. 406; es handelt sich hierbei um das Rollsiegel eines mjtr; zur Lesung und Deutung derselben siehe S. 137 ff. 57 Die Durchführung dieser Tätigkeit durch den Siegelschneider wird in den Marktszenen des Alten Reiches wiedergegeben, s. hierzu A. M. Moussa und H. Altenmüller, Das Grab des Nianchchnum und Chnumhotep, AV 21, Mainz 1977, S. 83, Abb.10, sowie H. Wild, Le Tombeau de Ti, Fasc. III-La Chapelle, MIFAO LXV, Le Caire1966, Tf. CLXXIV. 58 Lehmzylinder: Kat. 576 und zwei ausgesonderte Objekte: Kat. A243 und Kat. A245; Steinzylinder: Kat. 391 und zwei ausgesonderte Exemplare Kat. A295 und Kat. A318. 59 Kat. A318; in diesem Zusammenhang ist auf zwei in Giza gefundene Rollsiegel aus Tura-Kalkstein zu verweisen, die an beiden Seiten ähnliche Bohransätze aufweisen und aufgrund ihres gut erhaltenen Zustandes von H. Junker als “Scheinrollsiegel” interpretiert wurden, welche dem Verstorbenen ins Grab mitgegeben wurden, s. H. Junker, in: MIFAO LXVI, Cairo1935-1938, S. 267 ff. Abb. 1 a und Abb. 2 b und Tf. VII.

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JEAN-PIERRE PÄTZNICK

abgerollt werden. Aufgrund des unterschiedlich starken Drucks der Hand entstand dabei eine charakteristische, leicht wellenförmige Oberfläche, die noch an zahlreichen Siegelungen nachzuweisen ist. Demgegenüber gehen E. Amélineau und P. E. Newberry von einer mehr “maschinellen” Siegelungspraxis aus, bei der ein durch die Bohrung des Rollsiegels geführtes, zwischen Daumen und Zeigefinger gehaltenes Holzstäbchen als Hilfsmittel benutzt wurde.66 Trichterförmige Reibungsspuren an beiden Bohrungsausgängen einiger Holzrollsiegel sprechen jedoch gegen solch eine Siegelpraxis.67 Vielmehr ist davon auszugehen, daß mit der Befestigungsschnur selbst das Rollsiegel über den feuchten Ton gerollt wurde.

Über die Siegelinhaber sowie deren soziale Stellung geben die eingeritzten Beschriftungen der Zylinder Auskunft; so ließen sich unter den insgesamt 17 Rollsiegeln des Elephantiner Materials acht Beamtensiegel,70 drei Zivilsiegel,71 zwei Namenssiegel72 sowie vier weitere, nicht zu bestimmende und darum ausgesonderte Siegel nachweisen.73 Von ersteren stammen drei aus dem Südbereich des Satettempels, eins aus dem Festungsareal und vier aus der Oststadt. Aus dem Südareal des Satettempels kam 1972 das erste und bislang größte Rollsiegel ans Tageslicht,74 das einen xrj xtm wDA(.t) jaw rA-“Siegelbewahrer des Kornspeichers des jaw rA- Küchengebäude”75 namens Nt Xnm.t(j)=s(j) a.wj(=j)76 ausweist. Ein weiteres Holzrollsiegel gibt seinen Besitzer namens Jj als rnw.t/jrj nw.t“Lokalbeamter” in der Funktion eines Hrj (w)DA.t mA.t(j)/mA.t-Lagerhausverwalter von “der die erblickt werden darf” oder auch - von “dem was gesehen werden darf” zu erkennen77, während ein drittes einem rnw.tj/jrj nw.tj namens ¤(wA)D Snw in der Funktion eines jrj sSr.t“Hüter der Milchkühe” gehörte.78 Innerhalb des Festungsbereiches wurde lediglich ein einziges Holzrollsiegel gefunden, das die vollständige Titulatur eines zS pr Sna-Schreiber der Produktions- und Verarbeitungsstätten Bw nfr trägt.79

Von besonderer Auffälligkeit ist der Nachweis einer weißlichen Substanz sowohl auf Holzrollsiegeln als auch auf einigen Abrollungen, was Hinweis auf die Verwendung eines Pulvers beim Siegelvorgang sein dürfte. Aller Wahrscheinlichkeit nach diente dieses dazu, ein relativ schnelles Verkleben des in den Siegelmantel eingeritzten Inschriftenbildes durch die noch feuchten, zu siegelnden Oberflächen der Lehmsverschlüsse und damit gleichzeitig seine frühe Unbrauchbarkeit zu verhindern. Hierfür scheinen auch die Tatsachen zu sprechen, daß nur wenige Rollsiegel von ein und derselben Person gefunden wurden - die im anderen Fall relativ oft hätten vernichtet bzw. durch neue ersetzt werden müssen -, und daß sämtliche Siegelbilder bis auf eine Ausnahme gänzlich frei von Lehmresten waren.68 Die Annahme, daß sie nach jedem Siegelungsvorgang sorgfältig - vermutlich unter Verwendung von Wasser - gereinigt wurden, um ein späteres mühsames Auskratzen der angetrockneten Lehmreste aus den Einritzungen zu vermeiden, ist zwar nicht ganz auszuschließen, hätte jedoch eine zügige Tätigkeit sehr verlangsamt, wenn nicht gar unterbrochen. Vor diesem Hintergrund stellt das Bestäuben des Rollsiegels mit einem Pulver (Mehl bzw. Talg, Kalk o. ä.) unmitelbar vor dem Siegelvorgang m. E. die einzig mögliche Alternative dar, die problemloses und zügiges Siegeln gestattete.69

E. vielmehr davon auszugehen, daß sich stattdessen in der Schale eine Art kalkhaltiges Pulver oder Mehl befunden hat. Für die Benutzung von Kalkmehl bei der Einstempelung von Weinamphoren im Neuen Reich spricht auch der Befund in Grab TT 260, wo nicht nur der Holzstempel auf weißem Schaleninhalt abgebildet ist, sondern auch die markanten weißen Stempelabdrücke auf den Lehmkappen bereits versiegelter Gefäße, s. E. Mackay, in: JEA 3, 1916, Tf. XIV und A. Mekhitarian, Ägyptische Malerei, Paris-Genf-New York 1954, S. 19. 70 Zur Unterscheidung von Amts- und Beamtensiegel s. S. 88 f. 71 Zur grundsätzlichen Definition dieses Terminus s. S. 122 ff. 72 Ausführlich hierzu S. 118 ff. 73 Kat. A243, A245, A295 und A318. 74 Satet-Süd: Kat. 001; s. hierzu D. Bidoli, in: 3. Bericht , S. 184 f., Abb. 9. 75 Gegen D. Bidoli, der den Titel Xrj xtm mxr jaw r(A)-“Siegelbewahrer des Kornspeichers der “Mundwaschung” “ las, spricht m. E. die Abbildung eines Getreidespeichers als Ergänzung zu (w)DA, was ausschließlich die Lesung w DA.t-“Getreidespeicher/Lagerraum” zuläßt. Ansonsten ist D. Bidoli zu folgen, der die Hieroglyphengruppe jaw r(A) lediglich für eine andere Schreibung von jaw rA-“Mundwaschung” interpretierte. Zur näheren Bestimmung dieser “Mundwaschung des Königs” als Palastinstitution bzw. - küche, s. S. 204 und Anm. 1922. 76 Anders D. Bidoli, op. cit., 184, der den Namen Nt qd.t=s(j) a.wj(=j) las. Das dargestellte Zeichen stellt jedoch ein Gefäß mit Ausgußtülle dar und kein jz.t- bzw. q-Zeichen und läßt damit eine Lesung obH bzw. Xnm.t zu, s. WB V, S. 27, v. a. Anm. 12 (!). 77 Satet-Süd: Kat. 012; s. hierzu S. 100 f. sowie S. 206, Anm. 1927. Zur genauen Fundlage und dem bisherigen Lesungsvorschlag, s. G. Dreyer, in: MDAIK 38, 1982, S. 282 f. Zu rnw.t/jrj nw.t, s. S. 133 bzw. 135. Siehe auch allgemein hierzu S. 124 ff. und insb. Anm. 1306. 78 Satet-Süd: Kat. 005 und G. Dreyer, a. a. O. und Abb. 6. Den Hinweis auf die sSr.t-Milchkühe verdanke ich D. Franke, siehe hierzu AbdulFattah El-Sabbahy, in: JEA 79, 1993, S. 245, Abb. 1, S. 247, Abb. 2 und Taf. XXIII 2-3, wo diese Milchkühe str.t gelesen werden. H. G. Fischer, Varia Nova, Metropolitan Museum of Art, New-York 1996, S. 192, Anm. 146, liest sie seinerseits richtig sSr.t. In diesem Sinne erscheint es daher nicht unplausibel den Begriff Dw sSr.w der alten Opferlisten als Töpfe mit Milch oder mit Milchprodukten zu interpretieren. Für eine Abrollung dieses Rollsiegels, s. Kat. 006. 79 Festung: Kat. 194; s. hierzu S. 91 u. Anm. 932; aufgrund der unterschiedlichen Breite zahlreicher Abrollungen dieses Beamten kann

66 Siehe Newberry, op. cit., S. 44; E. Amélineau erklärt die Handhabung der Siegelpraxis etwas präziser “...que l´on devait faire tourner avec un manche sur des bouchons en terre où il s´imprimait, absolument comme on passe sur une page fraichement écrite un rouleau de papier buvard enroulé autour d´un cylindre que l´on fait tourner par le même système.”, s. ders, Nouvelles Fouilles d´Abydos III-1 18971898, Paris 1904, S. 78. 67 Bei der Verwendung eines Holzstäbchens würden die Bohrungsausgänge eine weit gleichmäßigere geradlinigere Abnutzung aufweisen als die festgestellten. 68 Festung: Kat. 194 69 Das Verfahren kennt an sich jeder, der einen Teig mit einer Küchenrolle auszurollen versucht und dessen Anhaften durch stetiges Einmehlen der Holzrolle verhindert. In diesem Sinne verweise ich auf Darstellungen in den Privatgräbern des Neuen Reiches (Grab TT188: Parennefer, s. N. de G., Davies, in: JEA 9,1923, Tf. XXVIII A+C), wo die Einstempelungstätigkeit eines Mannes von einem Kollegen unterstützt wird, der eine kleine, angeblich Wasser beinhaltende Schale in der Hand hält. Da die verwendeten Stempel jedoch aller Wahrscheinlichkeit aus Holz (s. Fl. W. Petrie, Objects of Daily Use, BS 42, London 1927, Tf. LX, u. a. Abb. 164 mit Pulverresten (!)) gewesen sein dürften, was einige Objekte aus diesem Zeitraum nahelegen, und Wasser die Einritzungen kaum gründlich gereinigt haben dürfte, ist m.

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DIE SIEGELABROLLUNGEN UND ROLLSIEGEL DER STADT ELEPHANTINE

Von den insgesamt vier Beamtenrollsiegeln der Oststadt stammt eines von einem Hrj mA-“Kontrollbeamter” namens Nwb Hm jmAx,80 ein weiteres von einem mjtr und Hrj mA wDA(.t/.wt)-“Kontrollbeamter des Lagerhauses/der Lagerhäuser” N(j) kA(.j)81 und ein drittes von einer Beamtin (!), die den Titel einer mr.t S.t/mr.t-Vorsteherin des “Agrar-und Produktionsbetrieb” und den unvollständig erhaltenen Namen N(j) jmA.t[...] aufweist.82 Dem vierten Beamtenrollsiegel kommt insofern besondere Bedeutung zu, als der Siegelbesitzer namens £nm jmAx sowohl den Titel n(j) Hm nTr-“Mitglied der Gottesdienerschaft” - wodurch es als Priestersiegel ausgewiesen wird - als auch den eines rnw.tj/jrj nw.tj“Lokalbeamter” sowie den Beititel nfr mAa jz.t innehatte.83

Lokalbeamten namens JTh zuweisen ist und das außerdem die Beititel sAD und nfr mAa jz.t trägt.87 Von den zwei aus der Nordoststadt stammenden Namenssiegeln aus Holz, trägt das eine einen mit der Göttin Neith gebildeten theophoren Namen Nt Xnm(.t) tj skA oA.t Htp(.t),88 und as andere das sehr unsichere unvollständige Siegelbild Nt sf ns nT (nT) tjtj tA ns nT (nT)[…], von dem eine Teilabrollung in der NordoststadtErweiterung erhalten ist.89 2.4 Zusammenfassung Die insgesamt 17 Siegelzylinder des Elephantiner Materials sind vorwiegend aus Holz gefertigt, selten aus Stein oder gar aus Ton, und weisen bis auf wenige Exemplare durchweg eine mittige Bohrung auf, die durch die gesamte Länge verläuft.

Drei weitere Rollsiegel, von denen jeweils eines aus Holz, aus Stein bzw. aus Ton gefertigt sind, können aufgrund zusätzlicher Bezeichnungen wie rnw/jrj nw, rnw.tj/jrj nw.tj, mjtr sowie von Beititeln oder Epitheta primär als Zivilsiegel klassifiziert werden.84 Sowohl Holzrollsiegel als auch Stein- oder gar Tonzylinder sind in der Oststadt gefunden worden. Ersteres trägt die vollständige Titulatur rnw.tj/jrj nw.tj und nfr mAa jz.t eines Siegelinhabers der Lokalbeamtenschaft namens N(j) anx NTr/NTr.t,85 während der Steinzylinder die unvollständige Titelsequenz eines mjtr-Angehörigen namens Pj[…]j erkennen läßt.86

Siegeltechnische Besonderheiten stellen zum einen die Verwendung einer durch den Rollsiegelkörper gezogenen Schnur dar, was eine zügige Abrollung an jedem wie auch immer geformten Gefäß bzw. Gegenstand ermöglichte, zum anderen die Verwendung eines Mehles, Pulvers o. ä., womit die Rollsiegel unmittelbar vor der Abrollung bestäubt wurden, war ein Verkleben der Siegelkörper durch die noch feuchte, lehmige Oberfläche des Verschlusses, verhinderte.

Ein außergewöhnliches Stück stellt der in der Oststadt gefundene kleine gedrungene Lehmzylinder dar, der aus feingeschlämmtem Nilton hergestellt wurde und keinerlei Bohrung aufweist. Zwei unvollständige, sich überlappende Abdrücke eines Rollsiegels sind an der Mantelfläche zu erkennen. Die sich ergänzenden Inschriften ermöglichen lediglich eine teilweise Rekonstruktion des Siegelbildes, das einem rnw/jrj nw[...]

Stadttopographisch sind die Rollsiegel zwar innerhalb des gesamten Stadtgebietes nachzuweisen, überwiegend jedoch in der Oststadt, in der allein elf Exemplare gefunden wurden. Die Siegelinhaber lassen sich mit Ausnahme der vier ausgesonderten Objekte den drei bekannten Hauptgruppen Beamten-, Zivil- und Namenssiegel zuordnen. So sind in der Oststadt alle bisher registrierten sozialen Gruppen, rnw/jrj nw, rnw.tj/jrj nw.tj und mjtr, Priester und Verwaltungsangestellte der Stadtverwaltung vertreten. Den Hauptanteil stellen hierbei die Beamtenund Zivilsiegel, war auf den besonderen Verwaltungscharakter der Oststadt gegenüber den anderen Bezirken verweist. Ebenfalls in diesen Kontext

auf die Existenz von mindestens drei verschiedenen Rollsiegeln geschlossen werden. Dabei stammen die in der Oststadt gefundenen Abrollungen (Kat. 322 und Kat. 622) mit einer Breite von 2,4 cm von einem Rollsiegel (Kat. 194) aus der Festung. Zwei weitere Abrollungen (Kat. 403 und 405) von mind. 3,7 cm Breite belegen die Existenz eines großformatigen Siegels dieses Beamten in der Oststadt. Ferner bezeugen der in den Siegelsequenzen dieses Schreibers der Produktions- und Verarbeitungsstätte Bw nfr bisher nicht bekannten Beititel sAD und das Epitheton anx mrr nb(=j) auf zwei weiteren Abrollungen (Kat. 632 und 457) den Gebrauch eines dritten Rollsiegels in diesem Stadtbezirk. 80 Oststadt: Kat. 279; zu Lesung und Bedeutung des Titels s. S.102; zur Bildung des Personennamens vgl. die in Hierakonpolis in der Siedlung gefundene Abrollung, s. Quibell, Hieraconpolis II, Tf. LXX, Abb. 9. 81 Kat. 406; zu mjtr s. S. 137 ff. 82 Kat. 515; das Frauensiegel ist unvollständig erhalten, was eine sichere Lesung und Deutung erschwert; zur Wiedergabe von S.t/mr.t als Agrar-u. Produktionsbetrieb siehe v. a. S. 106 ff. Anm. 1091, 1093 und 1095 sowie S. 145, Anm. 1458 und v. a. S. 121, Anm. 1229 bzw. S. 211. 83 Kat. 396; ein weiterer Beleg von n(j) Hm nTr findet sich in IÄF III, Tf. 98, Abb. 401; zu Lesung und Deutung von rnw.tj s. S. 124 ff. v. 135 ff, von nfr mAa jz.t, S. 150 ff. 84 Zur Definition des Terminus Zivilsiegel, s. S. 122 ff. 85 Oststadt: Kat. 375; bemerkenswert ist hierbei die hohe Qualität der Ausführung dieses Rollsiegels, was einerseits auf Verwendung eines kostbaren Holzes schließen läßt und andererseits für die hohe Kunst des Handwerks spricht. 86 Kat. 391; zu Lesung und Deutung von mjtr s. S. 137 ff.

87 Kat. 576; zu Lesung und Deutung von sAD, S. 155 ff. Der Zweck dieses Zylinders (evtl. ein Übungsobjekt?) ist bislang unbekannt; weitere Beispiele derartiger gesiegelter kleiner Lehmrollen in Susa und in Ur bestimmt D. Collon als “manufacture of others seals”, wonach ein Rollsiegel um einen unbeschrifteten Tonzylinder abgerollt wurde. Siegeltechnisch völlig neu ist, daß das Siegelbild im Gegensatz zu den üblichen Rollsiegeln nicht in vertieftem, sondern in Hochrelief gearbeitet war. Ein bislang einmaliges Verfahren ist in Nuzi belegt, wo der unbeschriftete Tonzylinder auf einer bereits bestehenden Abrollung abgerollt wurde und dadurch sein Siegelbild erhielt, s. D. Collon, First Impressions - Cylinder Seals in the Ancient Near East -, London 1987, S. 119, Anm. 9-10. 88 Nordoststadt: Kat. 080 89 Kat. 084; für eine in der Erweiterung der Nordoststadt gefundene Abrollung dieses Rollsiegels vgl. Kat. 037. Die Bezeichnung tjtj tA bezieht sich wohl auf dem mit Langhörnern (und Sonnenscheibe (!) ) abgebildeten Oviden, welcher möglicherweise eine Frühform einer Widderverehrung auf Elephantine darstellen haben dürfte. Zum Widderkult siehe ausführlich S. 200, Anm. 1891 u. 1892.

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JEAN-PIERRE PÄTZNICK

Fund eines Siegels in der Festung dürfte Indiz dafür sein, daß ein Teil des ehemaligen Festungsbereiches von den Produktions- und Verarbeitungsbetrieben teilweise als Müllhalde benutzt wurde.

einzubinden sind die drei aus Satet-Süd stammenden Holzrollsiegel der Lokalbeamtenschaft, die sich eindeutig auf eine Versorgungseinrichtung für den Tempel bzw. Kult der Göttin von Elephantine beziehen bzw. von der Nordoststadt, aus der alle Namenssiegel stammen. Der

Rollsiegel

Satet-Süd

Beamtensiegel

NO-Stadt

3

Festung

Oststadt

1

Zivilsiegel Namenssiegel

4

8

3

3

2

2

Ausgesondert Gesamt

4 3

Gesamt

2

1

Tabelle 1: Stadttopographische Verteilung der Rollsiegel

12

11

4 17

DIE SIEGELABROLLUNGEN UND ROLLSIEGEL DER STADT ELEPHANTINE

3. Die Typologie der Lehmverschlüsse

3.1.1 Typus Gv. I - Der Topfverschluß

3.1

Dieser Typus ist bislang in der deutschsprachigen Fachliteratur unter der von P. Kaplony geprägten Bezeichnung “Krugverschluß” bekannt.91 Da es sich einerseits bei einem Krug per definitionem um ein Gefäß handelt, das mit einem Henkel versehen ist, andererseits jedoch Verschlüsse sowie gefundene Gefäße keinerlei Hinweise auf das Vorhandensein eines solchen geben bzw. die gefundenen Gefäße erkennbar nicht mit einem solchen versehen waren, halte ich es für geraten - zumal ein henkelloses Gefäß keramologisch präzise als Topf bezeichnet wird - diese Gefäßverschlußform typologisch als Topfverschluß zu bestimmen.

Die Gefäßverschlüsse

Mit 287 verwertbaren Objekten - es wurden 58 ausgesondert, da sie weder epigraphisch noch typologisch gesichert erfaßt werden konnten - stellen die Gefäßverschlüsse mehr als 43,5 % des gesamten Siegelcorpus dar. Sie weisen je nach Gebrauch und Gefäßform unterschiedliche Verschlußformen auf, wonach sich fünf charakteristische Haupttypen - Topf(Gv. I), Stöpsel- (Gv. II), Pfropfen- (Gv. III), Deckel(Gv. IV) und Gefäßhalsverschlüsse (Gv. V) - bestimmen lassen. Letztere sind zum größten Teil aus ungebranntem Nilton unterschiedlicher Magerungsqualität und von Hand geformt, wie Unregelmäßigkeiten an einigen Verschlüssen sowie zahlreiche Abdrücke von Fingern und innerer Handfläche erkennen lassen. Im Unterschied dazu weisen die glatten Flächen einiger konischer Topfverschlüsse (Gv. I) aller Wahrscheinlichkeit nach auf die Verwendung eines Tonmodelles bei deren Herstellung hin.

Archäologisch läßt sich dieser bereits in der prähistorischen Zeit Altägyptens, z. B. in Maadi in Unterägypten,92 aber auch in der A-Gruppen-Kultur in Nubien nachweisen93 und ist auf zahlreichen Grabdarstellungen des AR, insbesondere im Kontext der Bier- und Brotproduktion zu finden. Diesen zufolge dürfte sich die Verschließung der Biertöpfe in zwei unterschiedlichen Arbeitsgängen vollzogen haben:94

Die Abdrücke an der Unterseite der Gefäßverschlüsse lassen in den meisten Fällen einen Gefäßrand erkennen, so daß nicht nur der Durchmesser, sondern auch die meist geschlossene-Form der versiegelten Gefäße zu ermitteln sind. Die Gestalt der Gefäßverschlüsse ist dabei ebenso anhand der Art und Weise der Anbringung an der Gefäßmündung zu erschließen wie Form, Größe und Länge des Gefäßhalses. Dergleichen aussagekräftig sind die materiellen Spuren, die Abdeckscherben,90 Leinenstoffe, Gräser oder vereinzelt Lehm-, Stein- und Holzdeckel sowie Lederhäute bei der Verschließung des Gefäßes hinterlassen haben.

a) a g(w)t Dwj.w-Tätigkeit des Verengens der Töpfe95 Hierunter ist ein erstes rasches Zupfropfen des Topfes bzw. Verschließen der Öffnung des Gefäßes durch einen frisch hergestellten Verschluß wAD oder sjn-Ton, nicht jedoch das endgültige Abdichten des Inhaltes zu verstehen.96 91

P. Kaplony, IÄF I, S. 49 ff. Demgegenüber hatten die Bearbeiter früherer Typologien, wie W. B. Emery und A. Klasens, diesen Gefäßverschluß bzw. die dicken schweren Lehmhüllungen der Gefäße als “jar-sealings” bezeichnet. 92 Vgl. z. B. I. Rizkana and J. Seeher, Maadi III The Non-Lithic Small Finds and the Structural Remains of the Predynastic Settlement, AV 80, Mainz 1989, Tf. XXIII, Abb. 1. 93 Siehe z. B. H-A. Nordström, op. cit., S. 179 wie auch Tf. 89, Abb. 9 und 146, Abb. 3, Tf. 188, Abb. 4 und 189, Abb. 4-5. 94 Archäologisch läßt sich dieses Verschließungsverfahren am deutlichsten an 20 Krügen (eigentlich Töpfe) im Grabe des ¤Smu verifizieren, die “alle mit einem Nilschlammpfropfen versehen waren, der in der Mitte eine Lochung aufwies. Darüber lag eine flache Nilschlammkappe, die unten bis zum Schulteransatz reichte”, s. S. Hassan, Giza III, S. 86 f. und Abb. 74 f.; auch H. Junker erkannte das Doppelverschließungssystem, s. ders., Giza VII, S. 60 und Abb. 25; in Giza XI, S.163 stellte er fest “Die gefüllten Krüge erhielten einen doppelten Verschluß, einen flachen Deckel und darüber eine kegelförmige Nilschlammkappe”; im Hinblick auf den Inhalt dieser Töpfe bemerkte H. Junker, Giza VII, S. 61, Anm. 1: “Die Krüge müssen eine Flüssigkeit enthalten haben, aber ihre Art läßt sich nicht mehr bestimmen. Nach der chemischen Analyse der Reste des Inhalts eines Kruges (S. Hassan, Giza II, Abb. 173, 1-2) bestanden diese aus 30 % Carbon (Ruß?), und 70 % „mineral matter”, in denen sich Klumpen schwarzen Materials fanden. “ 95 D. Faltings, in: ZÄS 118, 1991, S. 104, Abb. 1 und 115: Dort ist eine Szene dargestellt, wo das Abfüllen der Biertöpfe und das Zupfropfen der Gefäße durch einen frisch angefertigten Tonverschluß offensichtlich rasch aufeinander erfolgte; zu a-Tätigkeit vgl. D. Meeks, AL I , Paris 1977, S. 54. 96 Daß dies zum Schutz vor Verunreinigung geschah, erscheint mir nicht unwahrscheinlich, doch möchte ich mit D. Faltings darin eher eine Maßnahme erblicken, einen möglichen Gärungsprozeß in Gang zu setzen, s. dies., op. cit., S. 116.

Darüberhinaus bieten die Gefäßverschlüsse nicht nur Einblick in das sehr differenzierte Versiegelungsverfahren, sondern liefern zudem gewichtige Indizien für die Bestimmung des Inhaltes oder zumindest dessen grundsätzlicher Qualität (liquide, solide). Somit stellt sich hier ein vielversprechendes und bisher kaum untersuchtes Forschungsgebiet dar, dessen Bedeutung für die frühgeschichtliche Zeit Ägyptens zwar immer wieder betont, jedoch aufgrund des bislang fehlenden Materials nicht wahrgenommen wurde. Dem nachzugehen ist - wo immer es sich anbot - der Schwerpunkt des ersten Teils der vorliegenden Untersuchung. 90 Dieses Verschließungsverfahren mit einer Tonscherbe auf der Mündung eines Gefäßes ist in Ägypten seit vorgeschichtlicher Zeit nachzuweisen, s. J. Seeher, Maadi I The Pottery of the Predynastic Settlement, AV 64, Mainz 1987, S. 37, Tf. 13, Abb. 3 und Tf. 15, Abb. 7: “Still others were found covered with a lid made from a potsherd and smeared with nile mud”; auch H-A. Nordström entdeckte in Gräbern der A-Gruppe in Nubien Reste aufgebrochener Gefäßverschlüsse, die noch eine Abdeckscherbe aufwiesen, s. ders., Neolithic and A-Group Sites, The Scandinavian joint Expedition to Sudanese Nubia Vol. 3:1+3:2, Sweden 1972, Tf. 189, Abb. 3 und 8; zum Nachweis dieses Verfahrens im vorderasiatischen Raum s. u. a. A. von Wickede, Prähistorische Stempelglyptik in Vorderasien, München 1990, S. 30.

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JEAN-PIERRE PÄTZNICK

b) a m(j)r Dwj.w-Tätigkeit des “Verbindens” der Töpfe

Unterseite nachzuweisenden Spuren lassen vorwiegend Gefäßränder mit einem Durchmesser von 4 bis 10 cm erkennen, wobei der Hauptanteil bei 8-9 cm liegt. In sieben Fällen konnte der Abdruck einer auf der Gefäßmündung liegenden Abdeckscherbe nachgewiesen werden, die in vielen Fällen sogar noch im Ton steckte.104 Lediglich an einem Verschluß ist der Abdruck eines unbeschrifteten Niltondeckels als Primärverschluß (PV) festzustellen.105

Diese Angabe bezieht sich auf das Verschmieren bzw. Glattstreichen der Nahtstelle zwischen aufgesetztem Topfverschluß und Gefäßrand.97 Sind wir damit über die Verschließung der Gefäße relativ gut informiert, so schweigen sich die Quellen - seien es inschriftliche oder bildliche - darüber aus, wie diese Kappen später wieder geöffnet wurden. Jedoch deuten die noch erhaltenen Lehmkappen bzw. deren Fragmente darauf hin, daß sie ziemlich rabiat aufgebrochen wurden bzw. aufgebrochen werden mußten, da sie, wenn sie erst festgetrocknet waren, anders kaum öffnen ließen.98 Konkrete Nachweise hierfür liefern die markanten seitlichen Abbruchkanten von noch einigermaßen gut erhaltenen Verschlußkappen. Demnach beschädigte ein gezielter Schlag den äußeren Mantel, wodurch die Gefäßmündung und der darüberliegende Primärverschluß freigelegt wurden.99 Nun konnte das Abhebeln bzw. Abnehmen der Verschlußkappe erfolgen,100 um an den Inhalt des Topfes zu gelangen.101

Sechs Verschlüsse zeigen einen Abdruck an der Unterseite der stumpfkegeligen Haube, der bislang unklar ist.106 Eigentümlich wirkt der an der Oberfläche der Haube mancher Gefäßverschlüsse angebrachte kreisförmige Abdruck, dessen eindeutige Bestimmung bisher nicht möglich war.107 Auffällig ist die topographische Verteilung dieser Verschlußform, nach der alle 23 bisher registrierten Gefäßverschlüsse dieses Typus ausschließlich in der Oststadt gefunden wurden. Die auf den Verschlüssen angebrachten Abrollungen lassen Siegelnde aus staatlicher und lokaler Administration erkennen, wobei sieben Amtssiegel, vier Beamtensiegel, zehn Zivilsiegel sowie zwei Siegel unbestimmbarer Art zu unterscheiden sind.108

Insgesamt lassen sich vier Typen von Topfverschlüssen (Gv. I a-I d) sowie zwei Sonderformen (Gv. I e und I a1) im Elephantiner Siegelmaterial unterscheiden.

Von den sieben erfaßten Amtssiegelungen lassen sich fünf zwei Amtsinhabern aus der Regierungszeit des Horus Netjerichet zu Beginn der 3. Dyn. zuweisen. Während vier von ihnen die Abrollungen eines xrp xnt.(w)t xrj a jz DfA ¡rw NTrj Xt HAj nsw.t n(j) sb ¡rw NTrj Xt Sms nsw.t ra nb ¡rw NTrj Xt-Leiter derjenigen “die an der Spitze der Angestellten der jz DfA sind” (des) Horus Netjerichet, Geleiter und “königlicher Beschützer” (des) Horus Netjerichet, Königlicher Gefolgsmann zu jedem Tag (des) Horus Netjerichet109 tragen, findet auf der fünften die eines ¡rw NTrj Xt sm NTrj Xt zA(w) nxn-Sem-Priester (des) Horus Netjerichet, “Wächter von Nechen” (des) Horus Netjerichet.110

3.1.1.1 Typus Gv. I a Die Gefäßverschlüsse dieses Typs weisen als charakteristisches Merkmal eine stumpfkegelige volle Form auf und entsprechen damit dem Typ IV-1 der Kaplonyschen Typologie.102 Die Verschlußhauben sind zwischen 4 und 9 cm hoch und haben einen Durchmesser von 4 bis 11 cm. In der Regel wurden sie aus Nilton von Hand geformt. Lediglich in sechs Fällen läßt die perfektere Form und Glätte der Verschlußhaube auf die Verwendung eines Modelles schließen.103 Die an der 97 Bemerkenswert ist, daß niemals die Versiegelung der Biertöpfe gezeigt wird, sondern nur deren Verschließung; zur ausschließlichen Verschließung von xtm-Weingefäße s. A. M. Moussa und H. Altenmüller, op. cit., S. 112, Abb. 16 und 103 f., Abb. 13. 98 Bereits C. A. Hope mußte beim Versuch, einen Teil eines Gefäßverschlusses seitlich herauszunehmen, feststellen: “Despite the use of a carpenter´s mallet and chisel I was unsuccessfull in doing so, ...such however is their hardness”, s. ders., Jar Sealings and Amphorae of the 18th Dynasty: A technological Study, Warminster 1977, S. 9 und Anm. 28, weswegen er vermutete, daß die Öffnung der Gefäße unter Zuhilfenahme eines scharfen Gegenstandes geschah (op. cit., S. 8). 99 Ähnlich dem Öffnen einer Auster: auch hier wird zunächst ein Stück der Schale abgezwickt, was ein Auseinanderhebeln erleichtert. 100 Hierzu C. Hope, op. cit., S. 8 f., Anm. 28. 101 Nicht auszuschließen ist, daß bei einer derartigen Gewaltanwendung der Topf zu Bruch ging. 102 IÄF I, S. 51; W. B. Emery, GT III, Tf. 28 c, Grab 3505 von Merika aus dem Ende der 1. Dyn.; RAR I, S. 8 f.; W. B. Emery, - ¡orAHa - Excavations at Saqqara 1937-1938, Cairo 1939, S. 19, Abb. 10, auf der der abgebildete Kaplonysche Typus 3 eher an eine Frühform von Typus IV-1, und zwar den Topfverschluß von Typus Gv. I a erinnert; vgl. auch W. M. Fl. Petrie, Tarkhan I and Memphis V, BS 23, London 1913, Tf. LIV, Abb. 75 c, wo eine in die 1. Dyn. zu datierende Frühform dieses Typus abgebildet ist. Siehe Anhang: Tafel I. 103 C. Hope, op. cit., S. 6 f., der für das Neue Reich den Gebrauch derartiger Modelle bei der Herstellung bestimmter Verschlußhauben für

Zwei weitere Belege für Versiegelungen von Topfverschlüssen durch amtliche Versorgungsinstanzen liegen mit den Resten der Abrollung eines [...]Gottheit wahrscheinlich hält (Malkata-Palast Amenophis’ III.), auch wenn er einräumen muß, daß “unfortunately, no moulds have been found, or at least recognised as such.”. 104 Kat. 293-294, 303-305, 342 und 655. 105 Kat. 446 106 Kat. 311, 334, 339, 389-390 und 422. 107 Kat. 293-294 und 304-305, die alle dieselbe Amtssiegelung tragen. P. Kaplony stieß bei der Sichtung des Materials aus der Siedlung von Buhen in Unternubien (Altes Reich) auf Beispiele mit gleich aussehenden Abdrücken, die in die Zeit König Mykerinos, d. h. in die späte 4. Dyn. datieren. Er sieht darin “eine Kreisscheibe des siegelnden Zylinders abgedrückt”, s. ders., RAR I, S. 9 und 33. Frühere, d. h. zu Beginn der 3. Dyn. datierte Nachweise dieser Art belegt G. Dreyer, die “außerdem mit einer ringförmigen Einstempelung des den Holzkern des Siegels umgebenden Metallmantels” versehen sind, s. ders., in: MDAIK 43, 1987, S. 108, Tf. 15 a. 108 Kat. 339 und 389. 109 Kat. 293-294 und 304-305; zur Titulatur siehe S. 67 ff. 110 Kat. 306 u. S. 68 f.

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DIE SIEGELABROLLUNGEN UND ROLLSIEGEL DER STADT ELEPHANTINE

aus.124 Ein viergliedriges, vollständig erhaltenes, mit vertikalen Trennlinien unterteiltes Siegelbild einer weiblichen Titelträgerin mjtr.t namens Fjfj sowie die epithetische Bezeichnung anx wD nTr nfr stellt einen der deutlichsten Belege für eine Siegelinhaberin bzw. deren Siegeltätigkeit und somit für die Bedeutung der Frau in der Stadtverwaltung im frühen AR dar.125 Die vierte unvollständige Siegelung ist ebenfalls der Sozialgruppe der mjtr-Angehörigen zuzuweisen und läßt v. a. eine 4,5 cm breite Abrollung mit dem Privatnamen Jptn und die Abbildung von mind. zwei wDA.t-Speicher/Lagerhaus erkennen.126 Der fünften Siegelung bzw. dem Beititel sAD sowie dem unvollständigen theophoren Namen £nm[…]nb=s ist hingegen kaum Wert beizumessen.127

von zpA.t tA wr ¡rw xa bA xtm(w.tj) jt bd.t jSd[...]“Schatzverwalter von Gerste, Emmer und Früchten des Thinitischen Gaus des Horus Chaba” aus der späte 3. Dyn.111 sowie den unvollständigen Abdrücken eines ¡rw ©d xa.w xtm(w.tj) jt[...]mr wHa(.w)[…]-“Schatzverwalter von Gerste[…]Vorsteher der Fischer und Vogelfänger” des Horus Djedchau aus der Regierungszeit von König Asosi aus der 2. Hälfte der 5. Dyn. vor.112 Zwei der insgesamt vier Beamtensiegelungen von Typus Gv. I a stammen jeweils von einem zS-Schreiber: die eine,113 die einen Inhaber namens Jrt NTr im Rang eines jrj x(w).t nsw.t ausweist,114 trägt zusätzlich das Epitheton anx mr(j) nsw.t115 sowie einen nicht näher zu bestimmenden Titel (?) oder Kosenname (?) jTT,116 während die zweite mit ihrer Titelangabe zS pr SnaSchreiber der “Produktions- und Verarbeitungsstätte” sowie das Epitheton anx mrr nb=f117 einem Beamten mit Namen Bw nfr118 zuzuordnen ist. Von den zwei übrigen Beamtensiegelungen trägt eine ein vollständiges Siegelbild, das den Siegelbesitzer als anx mrr nb=f und rnw.t/jrj nw.t-“Lokalbeamter” in der Funktion eines jrj jxt wDA.t/wDA.wt-“Verwalter des Lagerhauses / der Lagerhäuser” namens Nfr=f ausweist,119 während von der anderen lediglich die unvollständige Titelbezeichnung […]r wDA.t eines mjtr-Angehörigen erhalten ist.120

3.1.1.1.1 Die Sonderform Gv. I a 1 Die stumpfkegelige Form dieser Verschlußkappe, die in der Oststadt gefunden, wurde weist einen Durchmesser von 10 cm und eine Höhe von 5,4 cm auf und ist eine Variante von Typus Gv. I a.128 Spuren eines breitlippigen Gefäßrandes von 1,8 cm Dicke sowie der Fund eines Lehmpfropfens von 5 cm Durchmesser in einem langhalsigen Gefäß lassen es als gesichert erscheinen, daß diese von Typus Gv. Ia leicht abweichende Verschlußkappe allein zur Verschließung ebensolcher langhalsige Gefäße diente.

Die restlichen zehn Verschlüsse tragen Abrollungen von sechs identifizierbaren Zivilsiegeln. Hierunter sind nicht nur Abdrücke von rnw/jrj nw bzw. rnw.tj/jrj nw.tj“Lokalbeamter” sowie von mjtr-Angehörigen zu finden, sondern außerdem fragmentarische Siegelungen anderer Angehöriger der Ziviladministration. An fünf Verschlußhauben bzw. Fragmenten kann das sechsgliedrige Siegelbild des in der Oststadt mehrfach nachzuweisenden Privatmannes ¡m nb=f rekonstruiert werden.121 Neben der Lokalbeamtenbezeichnung rnw.t/jrj nw.t122 sind die Beititel sAD und nfr mAa jz(.t) zu erkennen.

Als Siegelbild sind neben einer unvollständigen Zivilsiegelung lediglich die Beititel sAD und das unsichere nfr omA(?)... zu erkennen.129 Zusammenfassend weisen die Gefäßverschlüsse von Typus Gv. I a durchweg die stumpfkegelige Form eines umgedrehten Blumentopfes auf. Abdrücke an der Unterseite dieser Verschlüsse stammen entweder direkt von der Gefäßmündung selbst oder lassen auf die Verwendung einer Abdeckscherbe schließen, die zur Verschließung der Gefäßmündung dazwischengelegt wurde. Letztere stellt insofern einen siegeltechnisch bedeutsamen Aspekt dar, als sie Hinweis auf eine Langzeitkonservierung bzw. den Transport von Getreide oder Früchten ist.

Fünf weitere Siegelungen bzw. Bestandteile davon weisen die vollständig erhaltene bzw. zu rekonstruierende, viergliedrige Sequenz zweier “Lokalbeamter” auf. Eine ist einem N(j) anx nfr zuzuordnen, der den Titel rnw.tj/jrj nw.tj-“Lokalbeamter” sowie den Beititel sxm mAa jz.t trägt.123 Eine weitere weist einen Siegelbesitzer namens JA.t(j) als rnw/jrj nw-“Lokalbeamter” sowie nfr mAa jz.t

Auffällig ist, daß alle 24 Verschlüsse dieser Art ausschließlich in der Oststadt gefunden wurden, was den administrativen und wirtschaftlichen Charakter dieses Stadtbezirkes betont. Die Abrollungen weisen die Siegelberechtigten Angehörige der Staatsverwaltung und

111

Kat. 469; eine Besprechung hierzu erfolgt auf S. 75. Kat. 565 sowie ausführlich in Kap. Amtssiegel, S. 82. Kat. 342 114 Zur Besprechung des Titels, s. Kap. Beamtensiegel, S. 94 ff. 115 Siehe hierzu S. 165 f., Anm. 1617. 116 Siehe hierzu S. 93, Anm. 956. 117 Zu weiteren Beispielen und Besprechung dieses Epithetons s. u. a. S. 166. 118 Oststadt: Kat. 322; der Name dieses Schreibers ist nicht nur in der ganzen Oststadt mehrfach anzutreffen, sondern auch im Festungsareal, wo sich ein verbrauchtes Holzrollsiegel (Kat. 194) von ihm fand; s. dazu S. 10, Anm. 79. Siehe v. a. S. 92 ff. 119 Oststadt: Kat. 292 120 Oststadt: Kat. 446; zu den mjtr- Angehörigen, s. 137 ff. 121 Oststadt: Kat. 333-334, 362-363 und 390. 122 Zu rnw/jrj nw /rnw.tj/jrj nw.tj bzw. von rnw.t/jrj nw.t, s. S. 124 ff. 123 Kat. 422 112 113

124

Kat. 655 Kat. 317; zu weiteren Belegen und zur Diskussion der epithetischen Bezeichnung anx wD nTr nfr, s. S. 168 ff. Die Kategorie der Frauensiegel ist besonders S. 121 f. behandelt. 126 Kat. 303. Inwiefern die Abbildung dieser Speicher mögliche Rückschlüsse auf den tatsächlichen verschlossenen und versiegelten Inhalt erlaubt oder ob es sich hier um einen Hinweis auf Abgaben eines Privatmannes handelt, läßt sich nur vermuten. 127 Kat. 311 128 Kat. 580; zu diesem Typus s. Anhang Tafel IV unten. 129 Es handelt sich vielleicht um ein viergliedriges Siegelbild des Typus PN+E1+PN+E2 ? mit zweimaliger Wiederholung des PN, dessen Lesung sehr unsicher ist; zum Beititel sAD s. S. 155 ff. 125

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der lokalen Ziviladministration aus. Trotz der geringen Zahl zeigt diese Verschlußform ein bemerkenswert weites zeitliches Spektrum, das von Anfang der 3. bis zum Ende der 5. Dyn. reicht (Netjerichet bis Djedkare Asosi).

Vier Verschlüsse tragen Beamtensiegel, neun weitere sind dem zivilen Bereich der Administration zuzuordnen, wohingegen zwei keine eindeutigen Spuren einer Siegelung erkennen lassen, die eine Klassifizierung ermöglichen würden.138 Von den Beamtensiegeln stammen zwei aus der Festung, von denen eines das vollständig rekonstruierte Siegelbild einer Hm.t xnt(j.)t“Erste Dienerin/Priesterin”,139 das andere nur die unvollständige Abrollung eines vermutlich als xrp wn.t“Leiter des “umschlossenen Bezirkes” zu lesenden Titels aufweist140. Ein weiteres aus der Oststadt stammendes Siegel läßt den Abdruck eines vollständig erhaltenen Siegels eines kAw(tj) nb=f namens £r(j) anx Ra141 erkennen, der gleichzeitig die Funktion eines rnw.tj/jrj nw.tj-“Lokalbeamter” innehatte, während ein viertes unvollständiges Siegel eines Beamten aus der Oststadt den Titel eines jrj x(w).t nsw.t-“Der vom König Beschützte” aufweist.142

Mehrfache Abrollungen eines xrp xnt.t xrja jz DfA-Leiter der “Vorgesetzten der Angestellten” der jz DfA belegen die Versorgung der Angestellten der Oststadt mit Getreidelieferungen. Die lediglich ein einziges Mal nachzuweisende Angabe xtm(w).t(j) jt bd.t jSd zpA.t tA wr“Schatzverwalter von Gerste, Emmer und Früchten des thinitischen Gaus” benennt darüberhinaus als Ort der Zulieferung ebendiesen Gau, vermutlich die Stadt Thinis selbst.130 Daß eine Kontrolle der angelieferten Waren sowie deren Einlagerung bzw. Verwaltung in den Lagerhäusern der Oststadt auf Elephantine stattfand, belegen nicht nur die Siegelungen der lokalen bzw. zivilen Administration, sondern auch und gerade die Abrollungen eines zS pr Sna-Schreiber der “Produktionsund Verarbeitungstätte”.

Die restlichen sieben Zivilsiegel lassen sich in drei Kategorien unterteilen. Aus der Oststadt stammen drei unvollständige Siegelungen von mjtr-Angehörigen,143 die zudem den Beititel nfr mAa jz.t tragen können.144 Zwei weitere Siegel weisen die bereits auf den Gefäßverschlüssen Gv. I a belegte Privatperson ¡m nb=f, die zudem die Lokalbeamtenbezeichnung rnw.t/jrj nw.t sowie die Beititel sAD und nfr mAa jz.t tragen, auf.145 Ebenfalls auf zwei Objekten finden sich lediglich die für Zivilsiegelungen charakteristischen Bestandteile t(w)t n mrwt wie auch n(j) hb.146

3.1.1.2 Typus Gv. I b Die Verschlußkappen dieses Typus haben eine durchweg konvexe Form mit abgeflachter Oberfläche131 und stellen typologisch eine Übergangsform zwischen Gv. I a und Gv. I c. Ihr Durchmesser beträgt durchschnittlich zwischen 9 und 11 cm, ihre Höhe erreicht kaum 5 cm. Von 13 eindeutig zu bestimmenden Exemplaren dieses Typus’ tragen zehn Spuren eines Primärverschlusses. Darüberhinaus lassen drei den Abdruck eines Lehmpfropfens,132 zwei den einer Abdeckscherbe,133 zwei den eines Steindeckels134 und jeweils einer den eines Deckels von Typus IV a135 und den eines Holzdeckels136 sowie den eines Gefäßverschlusses von Typus Gv. II a137 erkennen. Abdrücke von pflanzlichem Material bzw. von Textilien waren an diesem Verschlußtypus nicht auszumachen, der stadttopographisch lediglich in zwei Stadtbereichen, der Oststadt mit neun und dem Südbereich des Festungsareals mit vier Objekten, vertreten ist.

Zusammenfassend bleibt festzuhalten, daß sich die Verschlußform Gv. I b von Typus Gv. I a insofern unterscheidet, als ihre Kappe eine etwas rundere Form aufweist, dies jedoch nicht so rund wie bei Typus I c, was aber dennoch bisweilen eine klare Unterscheidung zwischen beiden erschwert.147 Im Gegensatz zu Gv. I a findet sich Typus I b nicht nur in der Oststadt, sondern auch im Festungsareal, wo er in dessen früheren Schichten (A: Stratum 8, Schicht I 2) geborgen wurde. Wie Gv. I a ist Gv. I b weder in der Nordoststadt und Erweiterung noch im Südbereich des Satettempels zu finden. Die materiellen Abdrücke an der Unterseite von zehn der 13 Verschlüsse zeigen, daß Gv. I b vorwiegend zur Ummantelung verschiedenartiger Primärverschlüsse wie Stöpsel, Lehmpfropfen, Holz- und Steindeckel oder

130

W. M. Fl. Petrie, Abydos Part I., EEF 22, London 1902, S. 27 f. und Tf. LV, Abb.1 mit dem Teil einer Amtssiegelung eines “Schatzverwalters von Gerste und Emmer der nsw.tjw des thinitischen Gaus” - aus der Regierungszeit von König Schepeseskaf am Ende der 4. Dyn. 131 Typologische Tafel II; vgl. außerdem mit I. Rizkana und J. Seeher, Maadi III The Non-Lithic Small Finds and the Structural Remains of the Predynastic Settlement, AV 80, Mainz 1989, Tf. XXIII, Abb.1; H.A. Nordström & Alii, Neolithic and A-Group Sites, The Scandinavian joint Expedition to Sudanese Nubia Vol. 3:1+3:2, Sweden 1972, Tf.189, Abb. 4-5; G. A. Reisner, The History of the Necropolis of Giza Vol. I - II, Oxford 1942, Tf. 26 b; P. Kaplony, Kleine Beiträge zu den Inschriften der ägyptischen Frühzeit, ÄA 15, Wiesbaden 1966, Tf. XI, Abb.1106 und Tf. XII, Abb. 1108-1109. 132 Festung: Kat. 273; Oststadt: Kat. 658 und Kat. 660. 133 Festung: Kat. 107; Oststadt: Kat. 340. 134 Festung: Kat. 131; Oststadt: Kat. 307. 135 Oststadt: Kat. 321 136 Festung: Kat. 240 137 Oststadt: Kat. 611; s. hierzu S. 22 f.

138

Festung: Kat. 240; Oststadt: Kat. 340. Festung: Kat. 131; siehe hierzu Kap. Frauensiegel, S. 121, Anm. 1231. 140 Festung: Kat. 273; zur Bezeichnung wn.t/nh.t, siehe S. 200, Anm. 1886. 141 Oststadt: Kat. 316 142 Kat. 307; zum Titel jrj x(w).t nsw.t, siehe Kap. Beamtensiegel, S. 94 ff. 143 Kat. 321; Kat. 611; Kat. 660. 144 Kat. 611 u. 660. 145 Oststadt: Kat. 335-336. 146 Festung: Kat. 107 u. Oststadt: Kat. 658. 147 Daß es sich hierbei um eine andere Form von Gv. I c handeln könnte, ist an einigen Exemplaren nicht ganz auszuschließen. 139

16

DIE SIEGELABROLLUNGEN UND ROLLSIEGEL DER STADT ELEPHANTINE

Abdeckscherben gebraucht wurde.148 Eine Bestimmung des Inhalts der Gefäße sowie die Dauer der Lagerung bzw. des weiteren Verwendungszweckes, wie sie für Gv. I a vorzunehmen waren, sind an diesen Verschlüssen aufgrund der unterschiedlichen erhaltenen materiellen Abdrücke nicht möglich.149 Als Siegelnde dieses Verschlußtypus sind lediglich Beamte und Vertreter der lokalen Stadtverwaltung zu erkennen, nicht jedoch des staatlichen Versorgungswesens, wie dies für Gv. I a zutrifft, was den Schluß nahelegt, daß Gv. I b eben lokal verwendet worden ist.

Neben diesen Abdrücken von Gefäßmündungen finden sich darüberhinaus an der Unterseite der Verschlußkappen Spuren unterschiedlicher Materialien. So war an 25 Gefäßverschlüssen eine im Lehm steckende Abdeckscherbe bzw. deren Abdruck nachzuweisen. Ferner lassen Abdrücke von zwei Holzdeckeln,152 zwei Lehmpfropfen,153 zwei flachen154 bzw. zwei konvexen155 Niltonverschlüssen (Gv. II a) mit Abdruck eines feinmaschigen Leinenstoffes156 sowie von einem älteren, wiederverwendeten Gefäßverschluß157 erkennen, daß Typus Gv. I c ein breites Verwendungsspektrum umfaßte (s. nachfolgende Tabelle), weswegen ihm im Versorgungs- und Lagerwesen der Stadtverwaltung eine zentrale Bedeutung zugekommen sein dürfte.

3.1.1.3 Typus Gv. I c Die Verschlußkappen dieses Typus weisen eine extrem konvexe Form auf, womit er - allerdings in einer wesentlich kleineren Ausführung - dem Typus I der Kaplonyschen Typologie entspricht.150 Mit 67 Exemplaren stellt Gv. I c einen beachtlichen Anteil von 64,5% des gesamten Topfverschlußbestandes dar. Sieben Gefäßverschlüsse wurden aufgrund mangelnder Aussagekraft ihres Siegelbildes ausgesondert.151 An 56 Verschlüssen ist der Abdruck eines Gefäßrandes bzw. einer Gefäßmündung zu erkennen, so daß an immerhin 50 Gefäßverschlüssen eine exakte Bestimmung des Durchmessers möglicht ist. Dieser beträgt zwischen 6 und 12 cm, wobei der Hauptanteil im Bereich von 8-10 cm liegt, was auf eine Verwendung dieser Gefäßverschlüsse zur Verschließung sogenannter Biertöpfe sowie von bauchigen Vorratsgefäßen schließen läßt.

Charakteristisch für diese Gruppe von Gefäßverschlüssen ist, wie bereits für Gv. I a und Gv. I b konstatiert, das völlige Fehlen jeglicher Spuren von Gräsern an den Verschlüssen, wie dies für Gv. III oder Gv. IV festzustellen war. Lediglich in zwei Fällen ist der Abdruck eines Strohdeckels158 bzw. einer Abdeckung aus - bastähnlichem (?) - Material nachzuweisen.159 An zwei Verschlußkappen finden sich der konvexe, sich überkreuzende Abdruck eines breiten Papyrusbandes160 sowie die Spuren eines verschnürten Pfropfen aus Papyrus.161 In zwei weiteren Fällen ist der Abdruck eines Pfropfens - offensichtlich aus zusammengeballten Textilien bzw. Lederhaut, die in die Gefäßmündung hineingestopft wurden – auszumachen.162 Mat. Abdrücke

Textilien

Durchmesser

Gv. I c

Pflanz. Deckel

Gv. I c

Unklar

Gv. II a

12 cm

Niltondeckel

11 cm

Lehmpfropfen Holzdeckel

10 cm

Abdeckscherbe

9 cm

Gefäßmündung

8 cm

0

7 cm

100

6 cm 0

10

Tabelle 3: Materielle Abdrücke an Gv. I c

20

Tabelle 2: Größenverteilung der ündungsdurchmesser an Gv. I c 152

Oststadt: Kat. 473 und 544. Oststadt: Kat. 299 und Kat. 508. 154 Satet-Süd: Kat. 024 und Nordoststadt: Kat. 058. 155 Satet-Süd: Kat. 013 und Oststadt: Kat. 609. 156 Satet-Süd: Kat. 013; hierbei handelt es sich um ein aufwendiges Verfahren, bei dem zunächst ein Tuch und ein feuchter Lehmverschluß in die Mündung des Vorratsgefässes hineingestopft wurde, der anschließend mit feuchtem Ton überzogen und gesiegelt wurde. 157 Oststadt: Kat. 299 158 Festung: Kat. 109 159 Oststadt: Kat. 394 160 Festung: Kat. 203 161 Oststadt: Kat. 650 162 Satet-Süd: Kat. 034 und Kat. 033 153

148 Zur Verwendung dieser Doppelverschließungstechnik an Töpfen s. oben S. 13 f. 149 Gerade die Verwendung eines Lehmpfropfens oder Stöpsels als Primärverschluß wären m. E. Indiz für die Verschließung und Versiegelung von Biertöpfen, was auch bildlich in den Gräbern des Alten Reiches dargestellt ist, s. oben S. 14. 150 Hierfür repräsentativ P. Kaplony, IÄF I, S. 50; H.-A. Nordström, op. cit., S.188, Abb. 4; G. A. Reisner, A History of the Giza Necropolis, Vol. I + II, Cambridge-Massachusetts 1955, Abb. 96 und Abb. 98 als Importware sowie Tf. 50 a (obere Reihe), 51 e und Tf. 52 b, c, e und Tf. 52 g. Siehe außerdem Typologische Tafel III. 151 Siehe Konkordanz im Anhang.

17

JEAN-PIERRE PÄTZNICK

Die stadttopographische Verteilung der Gefäßverschlüsse Gv. I c zeigt, daß die 67 bisher sicher erfaßten Objekte in allen untersuchten Siedlungsbereichen vorkommen; während mit 45 Verschlüssen, d. h. über 67 %, der Hauptanteil in der Oststadt gefunden wurde, stammen elf aus dem Südbereich des Satettempels, sieben aus dem Festungsareal und vier aus der Nordoststadt.

Von den 25 Beamtensiegelungen lassen sich 15 der Oststadt, sechs dem Satet-Südbereich sowie jeweils zwei dem Festungsareal und der Nordoststadt zuweisen, was für die besondere Bedeutung der ersteren spricht. In Satet-Süd tragen sechs der insgesamt elf dort gefundenen Siegelungen die Abdrücke von Beamten der Lagerverwaltung bzw. des Versorgungswesens. So findet sich dreimal ein Hrj s(w)DA(.w)-“Oberster Bewahrer”,171 zweimal ein Hrj (w)DA.t-“Lagerhausverwalter”, von denen einer die Funktion eines rnw/jrj nw- “Lokalbeamter” erfüllte172 und einmal ein xtm(w.tj) (w)DA.t/-.wt“Schatzverwalter des Lagerhauses bzw. der Lagerhäuser”173 zu erkennen, was darauf schließen läßt, daß in diesem Bereich Getreide und Nahrungsmittel gelagert bzw. kontrolliert wurden, wodurch seine bisherige Bestimmung als Küchengebäude mit dazugehörigen Magazinen, Höfen und Speichern bekräftigt wird.174

Die Siegelabrollungen lassen Siegelberechtigte aus der staatlichen und der lokalen zivilen Administration erkennen. Fünf Gefäßverschlüsse tragen Abdrücke von Amtssiegelungen, von denen vier in der Oststadt und eine in der Festung gefunden wurden. Bei lezterer handelt es sich um die älteste, die in die Zeit von König Peribsen, d. h. in die 2. Hälfte der 2. Dyn. datiert. Als Siegelnder ist ein AS pr(j) jb=sn Hrj kAp.(w)t Sps-“Oberster der Räucherungen von Asch Peribsen an der Statue” auszumachen.163 An der Unterseite dieses Verschlusses befindet sich der Abdruck zweier überkreuz-liegender Papyrusbänder.

Die 15 in der Oststadt gefundenen Beamtensiegel weisen ein wesentlich differenzierteres Interpretationsspektrum auf. So lassen sich einerseits bereits bekannte Siegelungen von zS-Schreiber175 bzw. zS pr Sna-Schreiber der “Produktionsund Verarbeitungsstätte”176, von Verwaltungsbeamten des Versorgungswesens wie Hrj s(w)DA(.w)-“Oberster Bewahrer”,177 von Sms-Begleiter178 bzw. Sms nsw.t-Königlicher Gefolgsmann179 oder sogar von einem jtj(w)-“Fürst” / “Patron”180 erkennen.

Drei der vier in der Oststadt gefundenen Amtssiegelungen, erwähnen explizit den Namen Horus Sechemchet164 und sind damit in die 2. Hälfte der 3. Dyn. zu datieren. Zusätzlich weist ein Siegelbild die Spuren eines mr Abw xtm(w).t(j) nwb Ab(w)-Vorsteher von Elephantine und “Schatzverwalter des Goldes von Elephantine” auf,165 ein weiteres die eines xtm(w).t(j) jt bSA zA wAD.t “Schatzverwalter von Emmer und Malz der wAD.t -Arbeiterphyle”166 sowie eines den Herrinnennamen von König Sechemchet.167 Auf dem vierten Amtssiegel der Oststadt findet sich neben der Angabe von Horus Chaba, wodurch es an das Späte/Ende der 3. Dyn. zu datieren ist, der unvollständige Abdruck eines xtm(w).t(j) jxt[…]-“Schatzverwalter der Liegenschaften[...]”.168

Darüberhinaus finden sich aber auch Siegelungen von Verwaltenden, die bislang unbekannt sind und auf neue Amtsbereiche in der Oststadt hinweisen dürften. So läßt die Angabe mDH wxr.ty nsw.t nTr(.t)-“Direktor der beiden Werften des Königs und der Göttin”181 auf die Existenz zweier Hafenanlagen bzw. eines staatlichen und göttlichen Werftkomplexes sowie das Siegelbild eines jrj nfr(.w)-“Angehöriger der nfr(.w)”182 auf die Existenz

Die übrigen 62 Verschlüsse lassen 25 Beamten-, 24 Zivilsowie elf nicht näher169 zu bestimmende Siegelungen erkennen. Ferner ist ein Namenssiegel aus der Nordoststadt sowie ein unvollständig erhaltenes, nicht ägyptisches, wohl nubisches Siegel aus der Oststadt auszumachen.170

setze dies spätestens in der 3. Dyn. wirtschaftliche wie diplomatische Beziehungen zwischen Unternubien und Ägypten, d. h. zwischen den lokalen Potentaten und dem ägyptischen Staat voraus, die sicher auch Garant der gerade in dieser Zeit einsetzenden Wirtschaftsblüte von Elephantine bzw. des Ersten Kataraktgebietes waren; siehe hierzu auch S. 47, Anm. 507, S. 144, Anm. 1455 und S. 212 f. 171 Satet-Süd: Kat. 024, 025 u. 031; zum besagten Titel siehe S. 104 ff. 172 Satet-Süd: Kat. 013 und Kat. 022; siehe auch S. 98 ff. 173 Satet-Süd: Kat. 029 174 Siehe dazu auch S. 203 ff. 175 Oststadt: Kat. 404 und 579; allgemeines hierzu, s. S. 89 ff. 176 Oststadt: Kat. 405 u. 622. Es handeln sich um zwei Gefäßverschlüsse, die von dem Beamten Bw nfr versiegelt wurden. Bei Kat. 622 ist die sogar Abrollung des im Festungsareal gefundenen Holzrollsiegels (Kat. 194) dieses Beamten nachzuweisen ! Siehe auch hierzu S. 92. 177 Oststadt: Kat. 513; siehe auch S. 104 ff. 178 Oststadt: Kat. 567 und S. 107 ff. 179 Oststadt: Kat. 394 180 Oststadt: Kat. 508 181 Oststadt: Kat. 313 und 395; s. auch S. 111 ff. 182 Oststadt: Kat. 603; es handelt sich um ein durch vertikale Trennlinien unterteiltes, dreigliedriges Siegelbild mit dem Epitheton anx mrr nsw.t der Form: BT+E+PN. Übergreifend siehe hierzu S. 164 ff. sowie S. 213. Zur Existenz beider Einrichtungen wie auch einer Palastanlage, siehe übergreifend, S. 212 f.

163

Festung: Kat. 203, s. Kap. Amtssiegel, S. 64 ff. Zur Einordnung von Horus Sechemchet in die 2. Hälfte der 3. Dyn. zwischen Horus Sanacht und Horus Chaba s. Exkurs I: Die Abfolge der Horusnamen der 3. Dynastie, S. 76 ff. 165 Oststadt: Kat. 650; s. S. 71 ff. sowie J.-P. Pätznick, in: MDAIK 51, 1995, S. 181, Abb. 29 a. 166 Oststadt: Kat. 662; s. S. 73. 167 Oststadt: Kat. 562, s. S. 71 sowie S. 76. 168 Oststadt: Kat. 578, s. S. 75 f. 169 Festung: Kat. 147; Satet-Süd: Kat. 021,023,027,033-034; Oststadt: Kat. 309, 364,436,472 u. 543. 170 Nordoststadt: Kat. 041; Oststadt: Kat. 429: es handelt sich um eine unvollständige Siegelung sowie die Darstellung von drei hockenden Personen vor einem zeltartigen Flechtwerk, dessen Muster zunächst sehr fremdartig wirkt. Bemerkenswert ist die flache kalottenartige Kopfbedeckung der Personen, die nicht ohne Parallele in der nubischen Kultur, in der pharaonischen Zeiten in Ägypten hingegen nicht belegt ist. Geht man von einem Geschenk eines nubischen Fürsten oder Königs an den Statthalter von Elephantine oder gar den dort weilenden ägyptischen König aus, was aufgrund des ursprünglich mit einem nichtägyptischen Siegel verschlossenen Gefäßes zu vermuten ist, so 164

18

DIE SIEGELABROLLUNGEN UND ROLLSIEGEL DER STADT ELEPHANTINE

palatialen Personals bzw. einer Palastverwaltung schließen. Ferner weist das Siegel eines rnw/jrj nw nTr.t“Lokalbeamter der Göttin”183 auf einen Angehörigen eines Tempelpersonals hin, wohingegen die Siegelung eines HoA und xntj jrj(.w) kA.t-“Dorfschulze” und “Vorgesetzter der Arbeiter”184 Indiz dafür sein könnte, daß in diesem Stadtbezirk Abgaben zu entrichten waren. Darüberhinaus scheint das Siegelbild eines xrp sr Hrj nb.t=f-“Leiter des “Oberstenrates” seiner Herrin” auf bisher kaum wahrgenommenen Strukturen und Aspekten der lokalen Gerichtsbarkeit hinzuweisen, während der erstmalig genannte Titel jrj nz.tj auf einer weiteren Abrollung schwierig zu interpretieren bleibt.185

wie nfr mAa jz.t, sAD, nfr (j)xt zA, t(w)t n mrwt und mA nDm jb nsw.t194 aufweisen. Auffällig bei den mjtr - Siegeln ist, daß sie - bis auf ein Exemplar aus der Festung195 - ausschließlich in der Oststadt gefunden wurden. Abdrücke von Holzdeckeln, die Darstellung eines Lagerhauses bzw. Kornspeichers vom Typus (w)DA.t auf drei Siegelabrollungen196 sowie Abdeckscherben an der Unterseite einiger Verschlußkappen machen deutlich, daß diese mjtr Titelträger in das Versorgungswesen der lokalen Stadtverwaltung eingebunden waren.197 Von den sechs Zivilsiegelungen der Lokalbeamtenschaft rnw/jrj nw bzw. rnw.tj/jrj nw.tj wurde eine in der Festung - in der Variante rnw.t/jrj nw.t198 -, die fünf anderen in der Oststadt gefunden. Von diesen weisen drei die Bezeichnung rnw.tj/jrj nw.tj und zwei ein rnw/jrj nw auf.199

Von den zwei Verschlüssen des Festungsareals sind an einem Spuren eines Hrj (w)DA(.t) wsx.t-“Lagerhausverwalter des wsx.t-Wirtschaftshofes”186 und am anderen spärliche, sich überlappende, unvollständige Reste eines xrp wsx(.t)-“Leiter des wsx.t-Wirtschaftshofes”187 auszumachen, was darauf hindeutet, daß das Festungsareal in das Versorgungswesen eingebunden war.

Acht weitere Zivilsiegelungen lassen Abdrücke von Beititeln wie nfr mAa jz.t,200 sAD,201 nfr (j)x.t zA,202 t(w)t n mrw.t,203 mA nDm jb nsw.t204 und anx mrr nb=f205 erkennen.

Den zwei Beamtensiegelungen der Nordoststadt kommt insofern lediglich eingeschränkte Aussagekraft zu, als die dort gefundenen Verschlußkappen nur Spuren eines unsicheren Hrj saa prj n jz(w).t-“Der über die – zahlenmässige Aufstellung – der Produktion der Werkstätte ist”188 sowie eines nicht näher zu bestimmenden Titeträgers mA Htp(.t)-“Der die Opfergaben beaufsichtigt”189 erkennen lassen. Dennoch ist zu vermuten, daß es sich hierbei um zwei Funktionäre handeln, die in einem Gebäudekomplex der Nordoststadt, in dem Viktualien und Erzeugnisse für den Tempel gelagert wurden, eine Kontrollfunktion innehatten.190

Die restlichen 11 Siegelungen bzw. ihre spärlichen Reste enthalten lediglich Teile von nicht näher zu identifizierenden Personennamen und sind de facto unbestimmbar.206 Zusammenfassend läßt sich festhalten, daß der durch seine geprägte konvexe Form seiner Verschlußkappe gekennzeichnete Typus I c der am meisten verbreitete Gefäßverschluß ist, der sich im Unterschied zu Typus Gv. I a und Gv. I b in allen bisher untersuchten Stadtgebieten findet. Dieser Sachverhalt und die materiellen Spuren an den Verschlüssen deuten v. a. auf ein breites

Von den insgesamt 24 Zivilsiegelungen lassen sich zehn den mjtr191 - hierunter eine mjtr.t192 - und sechs den rnw/jrj nw bzw. rnw.tj/jrj nw.tj zuordnen,193 während acht die zweigliedrige Sequenz PN+E(pitheton) bzw. Beititel

194 Nordoststadt: Kat. 087; Oststadt: Kat. 392, 471, 508, 511, 563, 574 und 659. 195 Festung: Kat. 254; es handelt sich hier um eine unvollständige Abrollung, die ein weiteres Mal in der Festung: Kat. 148 und in SatetSüd: Kat. 004 belegt ist. Auffällig ist das Palindrom des Personennamens ¤nsn, die das Siegel bzw. den Siegelnden besonders ausweist; s. hierzu S. 194. Auf die Kombination der Bezeichnung mjtr und n(j) mr.t auf diesem Siegel wird gesondert eingegangen, s. hierzu Kap. Der mjtr-Titel u. Status, S. 148, Anm. 1475. 196 Oststadt: Kat. 302 und Kat. 473 u. 544. 197 Grundsätzlich hierzu s. S. 148 f. 198 Festung: Kat. 112; der Verschluß wurde mit zahlreichen Gefäßen im sogen. Keramikmagazin oder -depot in Raum XIV gefunden, was, auch aufgrund dieser graphischen Variante, für den verlassenen Zustand dieses Raumes, eine Datierung am Ende der 2. Dyn. bzw. zu Beginn der 3. Dyn. spricht. 199 Oststadt: Kat. 276, 399 u. 408; Kat. 315 u. 663. 200 Oststadt: Kat. 392, 421 u. 511. 201 Oststadt: Kat. 574; zum Beititel sAD , s. S. 155 ff. 202 Nordoststadt: Kat. 087; das selbe Epitheton tragen auch Kat. 007008 aus dem Satet-Südbereich. 203 Oststadt: Kat. 563 204 Oststadt: Kat. 659 205 Oststadt: Kat. 608; vgl. hierzu auch Kat. 405 u. 622. Zum Epitheton anx mrr nb=f, s. S. 164 ff. 206 Satet-Süd: Kat. 021,023, 027, 033-034; Festung: Kat. 147; Oststadt: Kat. 309, 364, 436, 472 u. 543.

183

Oststadt: Kat. 295; zum Titel s. auch S. 131, Anm. 1337. Oststadt: Kat. 291 185 Oststadt: Kat. 299 und Kat. 575; ein Vergleich mit den Titeln xrp nz.t oder Hrj nz.t könnte Hinweis auf den “Inhaber eines Amtes o. einer Stelle” sein. 186 Festung: Kat. 109, s. S. 100., Anm. 1024. 187 Festung: Kat. 260 188 Nordoststadt: Kat. 058 und S. 194 f. 189 Nordoststadt: Kat. 069; es handelt sich hierbei um ein dreigliedriges Siegelbild vom Typus PN+BT+PN. 190 Siehe diesbezüglich v. a. S. 207 ff. 191 Festung: Kat. 148 u. 254, vgl. auch mit Satet-Süd: Kat. 004; Oststadt: Kat. 302, 308, 412, 416, 473, 544, 609 und 621. Hinzu kommen auch Kat. 313 u. 395, die bereits in der Kategorie der Beamtensiegel behandelt wurden, so daß insgesamt elf Siegel von mjtrAngehörigen auszumachen sind. Zu letztgenannten s. S. 137 ff. 192 Oststadt: Kat. 416 mit Beifügung eines feminisierten Beititels sAD.t (!), s. S. 122 u. 157, sowie zweier Epitheta anx mrr nsw.t und anx wD nTr nfr, S. 165 ff. u. 168 ff. 193 Festung: Kat. 112; Oststadt: Kat. 276, 315, 399, 408 und 663. Hinzu kommt auch Kat. 295, das bereits in die Kategorie der Beamtensiegel aufgenommen wurde, so daß insgesamt sieben Siegelungen dieser Sozialgruppe vertreten sind. 184

19

JEAN-PIERRE PÄTZNICK

Verwendungsspektrum von Typus Gv. I c innerhalb des lokalen Versorgungswesens hin. Zu seinem vielfältigen Gebrauch, der wohl im Rahmen der Langkonservierung eines Produktes - beim Transport oder bei der Lagerung zu denken ist, kommt noch seine Versiegelung sowohl durch Vertreter der staatlichen Instanzen als auch durch Siegelnden der lokalen Stadtverwaltung hinzu.

Personennamens […]nb=f[…] und das andere Mal nur die Statusbezeichnung eines mjtr-Angehörigen zu erkennen.210 3.1.1.6 Gesamtzusammenfassung vom Typus Gv. I Der als Topfverschluß bezeichnete Typus Gv. I ist in unserem Material mit 107 Exemplaren und damit 35% des verwertbaren Bestandes an Gefäßverschlüssen vertreten. Grundsätzlich lassen sich vier Formen unterscheiden: stumpfkegelig, flachgewölbt, konvex und konisch, was die Klassifizierung in Gv. I a, Gv. I b, Gv. I c und Gv. I d bzw. Gv. I e zur Folge hat. Unter diesen kann Gv. I c mit insgesamt 67 Gefäßverschlüssen als eine Art Leitform des Typus Gv. I betrachtet werden.

Die Amtssiegelungen stammen - bis auf das älteste Exemplar aus der Regierungszeit des Königs Peribsen (2. H. 2. Dyn.) in der Festung - vorwiegend aus der Zeit des Horus Sechemchet bzw. aus der 3. Dyn. in der Oststadt. Bemerkenswert hierunter ist die Siegelung eines xtmw.tj jt bSA zA wAD.t-“Schatzverwalter von Emmer und Malz der Wadjet-Arbeiterphyle”, die auf die Versorgung einer Arbeiterphyle in der Oststadt hinweist und möglicherweise auch die Tätigkeit dieser innerhalb der lokalen Palastorganisation vermuten läßt.

Anhand der an der Unterseite mancher Verschlüsse nachzuweisenden Spuren ist nicht nur auf die Verschließung bzw. Versiegelung unterschiedlicher Behälter zu schließen, sondern izudem eine Bestimmung der Inhalte möglich. So ist z. B. der Nachweis einer Abdeckscherbe bzw. ihr Abdruck sicherer Hinweis für die Versiegelung von in Töpfen angeliefertem Getreide.211 Andererseits deutet der Abdruck eines Lehmstöpsels oder -pfropfens auf ein Doppelverschließungsverfahren hin, das in Szenen bei der Bierherstellung auf Grabdarstellungen des Alten Reiches überliefert und archäologisch belegt ist.

Die Zivilsiegelungen der lokalen Administration weisen ihrerseits v. a. nicht nur auf unterschiedlichen Kategorien von Beamten aus dem Versorgungswesen hin, sondern auch auf Titelträger wie rnw/jrj nw, rnw.t/jrj nw.t und rnw.tj/jrj nw.tj hin oder tragen das Siegel von mjtr/mjtr.tAngehörigen, wodurch beide Statusgruppen in den ökonomischen Strukturen der lokalen Stadtverwaltung mit eingebunden waren. 3.1.1.4 Typus: Gv. I d

Die Verteilung der Topfverschlüsse in den einzelnen Stadtgebieten, wie sie die nachfolgende Tabelle aufzeigt, läßt erkennen, daß unter Gv. I eine bestimmte Verschlußform auffällig weit verbreitet war, die zur Versiegelung eines vielfach gebrauchten und in großen Mengen produzierten bauchigen Gefäßes, des sogenannten “Biertopfes”, verwendet wurde.

Gv. I d ist nur mit einem einzigen, vollständig erhaltenen Exemplar vertreten, das in der Nordoststadt gefunden wurde.207 Dieser Gefäßverschluß hat eine auffallend konische Form von 11 cm Durchmesser und eine Höhe von knapp 5 cm und entspricht damit Typus II der Kaplonyschen Typologie, wenn auch in einer wesentlich kleineren Ausführung.208

Hauptfundort der Kategorie Gv. I ist die Oststadt, in der allein 80 der insgesamt 107 Topfverschlüsse geborgen wurden, wobei 24 auf Typus Gv. I a und 45 auf Gv. I c entfallen. Dabei stellt der nur in diesem Stadtgebiet nachzuweisende Gv. I a einen Verschlußtyp dar, der für den Transport bzw. die Langzeitkonservierung v. a. von Getreide bestimmt war, während Gv. I c als die meist verwendete und verbreitete Verschlußform nicht nur bei langfristiger Lagerung von Getreide u. ä., sondern vereinzelt auch für die Konservierung von Getränken wie Wein oder Fruchtsäften verwendet wurde.

An der Unterseite dieses Verschlusses, der anhand der Angabe Hrj s(w)DA(.w)-Oberster Bewahrer209 als Beamter des Versorgungswesens bestimmt werden kann, ist der Abdruck eines Stoffes oder Ledertuches zu erkennen, der in eine Gefäßmündung von 8 cm Durchmesser gepfropft war. 3.1.1.5 Typus: Gv. I e Die zwei Gefäßverschlüsse dieses Typus stammen aus der Oststadt und tragen spärliche Spuren von Zivilsiegelungen. Hierbei ist einmal der Bruchteil eines

Somit ist dieser hohen Zahl von Verschlüssen zu entnehmen, daß in der Oststadt konzentriert Getreide und

207

Nordoststadt: Kat. 098 IÄF I, S. 50 f., Anm. 128: “Seit Djoser: Sehr schmale und steile Form, die kaum mehr als den Deckel über der Öffnung bedeckt”.;GT II, Tf. XVIII a; Z. Y. Saad, Ceiling Stelae in Second Dynasty Tombs, SASAE 21, Le Caire 1957, Tf. XVII mit Inhaltsangaben: px(A)Fruchtsaft o. ä. und spx-Fruchtsaft o. ä.; Th. G. Martin, The Tomb of ¡etepka, London 1979, Tf. 9, [5], oberes Register auf einem dickbauchigen Gefäß. Siehe typologische Tafel IV oben. 209 Die Abrollungen wurden lateral von der Basis bis zur Spitze angebracht. Das Siegelbild läßt sich als eine zweigliedrige Sequenz des Typus BT+PN rekonstruieren; zum Titel Hrj s(w)DA(.w), s. Kap. Beamtensiegel, ausführlich S. 104 ff. 208

210

Oststadt: Kat. 310; Kat. 581. Bemerkenswert hierbei ist die Versiegelung einer syropalästinensischen Amphore, deren Mündung zunächst mit einem Ledertuch zugepfropft, anschließend mit einer Tonscherbe abgedeckt und zuletzt mit einer großen Lehmkappe überzogen wurde. Dieses aufwendige Verschließungssystem deutet einerseits auf ein kostbares Produkt wie Öl oder parfümierten Wein, andererseits auf einen langen Transportweg hin, s. G. Brunton, Matmar, London 1948, Tf. XXXVII, Abb. 2. Diesen Hinweis verdanke ich freundlicherweise Frau Dr. Olga Tomasevic. 211

20

DIE SIEGELABROLLUNGEN UND ROLLSIEGEL DER STADT ELEPHANTINE

Trockenfrüchte angeliefert, kontrolliert, versiegelt und eingelagert wurden, die damit deutlich als Versorgungs-

Topfverschlüsse Gv. I a Gv. I a1 Gv. I b

Satet-Süd

Gv. I c

11

und Verwaltungszentrum ausgewiesen ist.

Festung

NO-Stadt

4 7

4

Gv. I d

Gesamt 24

9

13

45

67

1

1

Gv. I e Gesamt

Oststadt 23 1

11

11

5

2

2

80

107

Tabelle 4: Stadttopographische Verteilung der Topfverschlüsse Gv. I a-e

Siegelung von Gv. I Staatlich: Amtssiegel

Gv. I a Gv. I a1 7

Gv. I b

Gv. I c

4

4

25

Lokal: Zivilsiegel: mjtr mjtr.t Lokal: Zivilsiegel: rnw/jrj nw rnw.tj/jrj nw.tj rnw.t/jrj nw.t Lokal: Zivilsiegel: +Beititel / Epitheta Lokal: Namenssiegel

1

3

10

1 3

1

6

3

8

Nubisch Unklar Gesamt

Gv. I e

5

Lokal: Beamtensiegel

5 1

Gv. I d

12 1

34 1

16 10

1

17 1 1

1

1 15

2

2

11

24

13

67

Tabelle5: Verteilung der Siegelungen auf Gv. I -Topfverschlüssen

21

Gesamt

1

1

2

107

JEAN-PIERRE PÄTZNICK

Bestätigt wird dieser verwaltungstechnische Aspekt der Oststadt durch die auf den Gefäßverschlüssen von Typus Gv. I angebrachten Siegelungen, die nicht nur den Abdruck von Amtsträgern, sondern auch den von Beamten und der zivilen Administration aufweisen.

Lagerung. Einige Stöpsel lassen an der Unterseite Spuren eines feinmaschigen Gewebes erkennen, was Hinweis dafür sein dürfte, daß zumindest in einigen Fällen vor dem Verstöpseln ein Stück Stoff über die Gefäßmündung gelegt wurde, wohl aus hygienischen Gründen, auch wenn hierzu weder Inschriften noch Darstellungen Auskunft geben. Interessant ist in diesem Zusammenhang, daß auf diese Weise noch heute in Kairo die großen Zir-Gefäße verschlossen werden, in denen das traditionelle Foulgericht zubereitet und für den Straßenverkauf transportiert wird.216

Deuten die Amtssiegel der 3. und der 5. Dyn. v. a. auf die Versorgung des in der Oststadt von Elephantine eingesetzten Fachpersonals durch die staatliche Versorgungszentrale hin, so verdeutlichen die Siegelungen von Schreibern bzw. Verwaltungsangestellten des Versorgungswesens, von sogenannten “Lokalbeamten” rnw/jrj nw- bzw. rnw.t/jrj nw.t- und rnw.tj/jrj nw.tj sowie von mjtr-Titelträgern, daß diese Anlieferungen kontrolliert und eingelagert bzw. verteilt haben. Darüberhinaus ermöglichen sie die Näherstimmung der Funktion einiger Bereiche. So ist die hohe Anzahl von Siegelungen von Verwaltungsangestellten des Versorgungswesens im Südbereich des Satettempels sicherer Hinweis für die Kontrolle und Lagerung von Naturalien, was diesen Gebäudekomplex als Küchengebäude des Satettempels ausweist.212 In der Oststadt ist ein wesentlich breiteres verwaltungstechnisches Spektrum zu erkennen, das sie zu einem bedeutenden Verwaltungsund Versorgungszentrum macht, wonach sie mögicherweise Bestandteil einer lokal geprägten existierenden Palastverwaltung gewesen sein dürfte.213

So wird nach der Abfüllung über die Öffnung des Gefäßes ein Stück Stoff gelegt und anschließend ein abgerundeter Lehmstopfen leicht in die Mündung hineingedrückt. Auf diese Weise ist ein leichtes Öffnen und Wiederverschließen des Gefäßes bei der Essensausgabe möglich, gleichzeitig wird der Inhalt warm gehalten und vor Verunreinigung geschützt. Demzufolge kann davon ausgegangen werden, daß mit einer ähnlichen Verschlußmethode schon im frühen Alten Reich Lebensmittel wie Bohnen, Fleisch, Fisch o. ä. aufbewahrt oder eingelegt wurden.217 Aufgrund der Form seines unteren Teils lassen sich die 17 Verschlüsse dieses Typs grundsätzlich in zwei Kategorien Gv. II a-b bzw. II b1 unterteilen. 3.1.2.1 Der Typus Gv. II a

3.1.2 Typus Gv. II - Der Stöpselverschluß

Verschlüsse diesen Typs weisen die Form einer großen gewölbten Kappe auf, deren Durchmesser zwischen 5 und 11 cm beträgt und deren Unterseite ebenfalls leicht konvex ist.218 Von den insgesamt neun Exemplaren des Elephantiner Materials mußten drei unbeschriftete Primärverschlüsse (PV)219 aus der Bewertung genommen werden sowie ein weiteres Exemplar220 mit unlesbarer Inschrift ausgesondert werden.

Nach keramologischer Auffassung ist der Stöpsel an sich einen Gefäßteil zum paßgerechten Verschluß einer Gefäßöffnung.214 Der Stöpsel-Verschluß ist von Kaplony als eigenständiger Typus offensichtlich nicht erfaßt, obwohl diese Form während der gesamten altägyptischen Kultur bis in unsere Zeit belegt ist.215 Im Gegensatz zum zuvor behandelten Topfverschluß ist an diesem Typus morphologisch seine konvexe Kappe auffällig. Entscheidend für die Bezeichnung als Stöpsel (engl: stopper, frz: bouchon) sind jedoch die unterschiedlichen Ausprägungen am unteren Teil des Gefäßverschlusses sowie Abdrücke von Lippenrändern der damit verschlossenen Gefäße zeigen, daß Typus Gv. II auf den Lippenrand aufgesetzt und mehr oder minder in die Mündung hineingedrückt wurde. Der Stöpsel war jederzeit abnehmbar und diente daher nur zur kurzzeitigen Verschließung des Inhalts bzw. zum Schutz vor möglicher Verunreinigung durch Staub, Insekten etc., nicht jedoch zur langzeitigen Konservierung oder

Die Abdrücke an der Unterseite der übrigen fünf Verschlüsse lassen Gefäßmündungen mit einem Durchmesser von 4 bis 9 cm erkennen. Außerdem ist in zwei Fällen die feinmaschige Gewebestruktur eines Stoffes sichtbar.221

216

ARD-Weltspiegel vom Juni 1996. In diesem Zusammenhang möchte ich darauf hinweisen, daß in unserem Kulturkreis bei der Zubereitung von Sauerkraut eine ähnliche Methode angewandt wird; ägyptische Freunde machten mich darauf aufmerksam, daß nicht nur Foul so verschlossen wird, sondern eigentlich alle Produkte, die aufzubewahren bzw. zu konservieren sind. 218 Siehe typologische Tafel V oben. Ein Verschluß ähnlicher Form ist in G. A. Reisner, A History of the Giza Necropolis Vol. II, London 1955, Abb. 98 und Tf. 51 e sowie in ders., A Provincial Cemetery of the Pyramid Age, Naga-ed-Der Part III., Leipzig 1932, Tf. 36 belegt. 219 Es handelt sich hierbei um Primärverschlüsse, die mit Gv. I b (Oststadt: Kat. 611) oder Gv. I c (Satet-Süd: Kat. 013 und Oststadt: Kat. 609) versiegelt wurden und bereits behandelt worden sind. 220 Kat. A322 im Anhang. 221 Satet-Süd: Kat. 028 und Kat. 030; Oststadt: Kat. 577. Ein Stoffabdruck ist auch an dem aus Satet-Süd stammenden Primärverschluß Kat. 013 nachweisbar. 217

212

Ausführlich hierzu S. 203 ff. Siehe hierzu v. a. S. 211 ff. 214 Vorschläge zur systematischen Beschreibung von Keramik, Kunst und Altertum am Rhein: Führer des Rheinischen Landesmuseums Bonn, Köln1986, S. 7, 27 und 45. 215 LD II, S. 53; G. T. Martin, op. cit., Tf. 9[5]; C. von Pilgrim,Elephantine XVIII, Typ F, 238 f., Abb. 97 a; C. Hope, op. cit., Abb. 7 e, K 426 unbeschriftet; W. M. Fl. Petrie, Tanis Part II., London 1888, Tf. XXXVI, Abb. 84-85 a und 93; beachtenswert sind ebenfalls die Verschlußformen auf Tf. XXXVI, Abb. 81 und 94. 213

22

DIE SIEGELABROLLUNGEN UND ROLLSIEGEL DER STADT ELEPHANTINE

Die stadttopographische Verteilung von Gv. II a ist relativ gleichmäßig: jeweils zwei Verschlüsse stammen aus dem Südbereich des Satettempels und der Oststadt, der fünfte aus der Nordoststadt.

Zwei der Stöpselverschlüsse stammen aus der Oststadt, der dritte aus der Nordoststadt.229 Abdrücke einer Beamtensiegelung finden sich an zwei, einer Zivilsiegelung an einer Verschlußkappe. Von ersteren weist die eine,230 aus der Nordoststadt stammenden, den Titel rnw/jrj nw mr(.t)-“Lokalbeamter der Meret-Leuten” auf, womit erstmals die Bezeichnung rnw/jrj nw explizit als Titel benutzt wird,231 was der bisherigen Annahme von P. Kaplony m. E. entscheidend widerspricht, es handle sich hierbei um einen in der Frühzeit geläufigen Personennamen.232

Von insgesamt drei Abrollungen von Beamten bzw. Verwaltungsangestellten weist eine222 im Südbereich des Satettempels gefundene, neben dem Titel xtm(w.tj) (w)DA.t/(w)DA(.wt)-“Schatzverwalter des Lagerhauses bzw. der Lagerhäuser” die Titelbezeichnung mjtr auf. Eine weitere223 aus der Nordoststadt gibt den Siegelnden als Hrj (w)DA.(t)-“Lagerhausverwalter” zu erkennen, während die dritte Beamtensiegelung224 aus der Oststadt den Titel zS-Schreiber trägt.

Auf der zweiten,233 aus der Oststadt stammenden Siegelung eines Beamten findet sich die bisher unbekannte Titulatur n(j) af. Die dritte,234 ebenfalls in der Oststadt gefundene Siegelung läßt nur noch den Beititel sAD eines Zivilsiegels und außerdem den Abdruck eines Leinenstoffes an der Verschlußkappe erkennen.

An den zwei übrigen Verschlüssen sind lediglich geringe Spuren von Siegelungen festzustellen. Während es sich bei der einen aus Satet-Süd stammenden um die Einritzung eines Berufstätigen sSm-Schlächter handelt,225 weist die andere in der Oststadt gefundenen eine unvollständige Abrollung der ursprünglichen Titulatur auf, aus der geschlossen werden kann, daß der Siegelnde die Funktion eines rnw.tj/jrj nw.tj-“Lokalbeamter” innehatte und den Beititel nfr mAa jz.t führte.226

3.1.2.2.1 Die Sonderform: Typus Gv. II b 1 Diese Verschlußform ähnelt dem zuvor besprochenen Typ II b, unterscheidet sich jedoch von diesem durch seinen deutlich tiefer in den Gefäßhals ragenden unteren Teil. Die Spuren am Verschluß lassen auf eine breite Mündung des Gefäßes schließen. Gv. II b 1 ist bisher nur ein einziges Mal (!) im Festungsbereich gefunden worden und stellt daher keinen eigenständigen Typus, sondern sehr wahrscheinlich lediglich eine Sonderform von Gv. II b dar.235

3.1.2.2 Typus Gv. II b Von dem oben besprochenen Verschluß Gv. II a unterscheidet sich der Stöpsel dieses Typus durch eine ausgeprägtere Wölbung seiner Kappe, deren Rand zudem weiter über die Gefäßmündung auskragt. Sein unterer Teil ist deutlich tiefer in den Gefäßhals hineingedrückt, so daß der ganze Verschluß einem am Stiel verkürzten Steinpilz gleicht. Abgesehen von einem Exemplar mit 9 cm beträgt sein Durchmesser im Schnitt 4 bis 5 cm und seine Höhe 2,5 cm. Insgesamt sind diesem Typus sieben Verschlüsse zuzuordnen, wovon jedoch nur drei in die Untersuchung aufgenommen wurden.227 Von diesen weisen zwei an der Unterseite den Abdruck eines Lippenrandes von 4-5 cm Dm auf,228 der dritte und größere den eines Vorratsgefäßes von 8 cm Dm. Zudem ist an einem Verschluß ein Gewebeabdruck zu erkennen.

Der besagte Verschluß besitzt einen Durchmesser von 4 cm und eine Höhe von 5 cm und saß - einem Glasstöpsel vergleichbar - auf dem breiten Lippenrand eines Gefäßes von knapp 4 cm Durchmesser. Hinweise, daß zur Verschließung weitere Materialien wie Grasbüschel oder Leinenstoff verwendet wurden, sind dem Verschluß nicht zu entnehmen. Auffällig ist hingegen der Nachweis eines weißen Überzuges an der Seite der Verschlußkappe, der so zunächst nur schwer zu deuten ist. Der geringe Durchmesser des Gefäßverschlusses sowie der leicht ausladende Lippenrand sind m. E. Indiz für die

222

Satet-Süd: Kat. 028 Nordoststadt: Kat. 099 224 Oststadt: Kat. 403; es handelt sich um eine unvollständige Siegelabrollung des Schreibers Bw nfr. 225 Satet-Süd: Kat. 030; diese ist an einem Fragment einer Verschlußkappe angebracht, die aus Satet-Süd stammt. An ihrer Unterseite ist noch ein feinmaschiger Gewebeabdruck erhalten, was darauf hinweist, daß auch in diesem Fall der Gefäßinhalt zunächst mit einem Tuch abgedeckt und anschließend verstöpselt worden war. Die neben einem unbestimmbaren Siegelabdruck gut erkennbar eingeritzte Berufsmarke eines sSm-Schlächter legt nahe, daß es sich bei dem versiegelten Inhalt um ein in Salz eingelegtes bzw. Fleischprodukt gehandelt haben könnte; s. auch S. 116. 226 Oststadt: Kat. 501 227 Vier Verschlüsse (Kat. A010, A072, A324-A325) sind ausgesondert worden, von denen lediglich einer den Abdruck eines Gewebes an der Unterseite aufweist. Siegelungen sind auf diesen Gefäßverschlüssen nicht mehr lesbar bzw. nicht zu erkennen. 228 Zur Vorstellung, wie dieser Verschluß auf einem Gefäß saß, vgl. H. Wild, Le Tombeau de Ti, La Chapelle, Fasc. III, MIFAO LXV, Le Caire 1966, Tf. CXLI-A und Tf. CLIX- CLX. Siehe typologische Tafel V Mitte. 223

229

Aus dem Festungsbereich stammt ein ausgesondertes Exemplar (Kat. A072). 230 Nordoststadt: Kat. 078; dem Abdruck der Mündung nach zu urteilen, hat dieser Funktionär ein kleines Gefäß von 4 cm Durchmesser gesiegelt, dessen Inhalt nicht mehr zu bestimmen ist. 231 Zu weiteren Belegen für rnw/jrj nw mr.t-“Lokalbeamter der MeretLeuten / Meret-Anlage” siehe u. a. S. 131. 232 Zu dieser grundlegenden Unterscheidung s. ausführlich S. 122 ff. 233 Oststadt: Kat. 525; vgl. zu diesem Titel, vgl. die Titelbezeichnung von Hesire wr af.wj-“Großer der beiden Säcke (für Augenschminken)”, s. J. E. Quibell, Tomb of Hesi, Cairo 1913, Tf. 29. Zu af.wj als Säcke, die wAD.w-Grüne und smd.t-Schwarze Augenschminken beinhalteten, s. S. Hassan, Excav. at Giza VI-Part II 1934-35, Cairo 1948, S. 48 f. Eine derartige Deutung des Titels wr af.wj-“Großer der beiden Säcke (für Augenschminken)” wäre darüberhinaus problemlos mit der Tätigkeit des Hesire als Augenarzt zu vereinbahren. 234 Oststadt: Kat. 577; zu diesem Beititel s. ausführlich S. 155 ff. 235 Siehe typologische Tafel V unten.

23

JEAN-PIERRE PÄTZNICK

GV. II a 2

GV. II b 2

NO-Stadt

1

1

Gesamt 4 2

Satet-Süd

2

0

2

Festung Gesamt

0 5

0 3

Topogr. Verteil. Oststadt

GV. II b 1

1 1

1 9

Tabelle 6: Stadttopographische Verteilung der Stöpsel Gv. II Verschließung eines Gefäßtyps Hz oder znbt o. ä.,236 die vorwiegend für Libationen benutzt wurden.

zu vermuten242 und den mjtr Elephantiner bestimmen ließe.

Die auf diesem Stöpselverschluß wie auch auf zahlreichen anderen Versiegelungen nachzuweisenden, sich mehrfach überlappenden Abrollungen stammen vom Siegel eines mjtr Hzmn/Hmr ¤AH.t(j) Htp n(=j),237 wonach ein mjtr vermutlich als Hzmn/Hmr-“Der für Natron/Salz Zuständige” fungiert haben könnte.238 Diese sowie die zu vermutende Gefäßform lassen m. E. möglicherweise auf Natron als Libationsinhalt schließen,239 wofür der zuständige Hzmn/Hmr verantwortlich gewesen wäre und eine Erklärung für die Spuren eines weißen Überzuges am Verschlußrand bieten könnte, nämlich diese als Natron oder Salznachweis zu interpretieren.240 Der mjtr ließe sich damit u. a. dem Kultbereich bzw. dem Kultpersonal der Göttin von Elephantine zuweisen. Interessant in diesem Zusammenhang ist die Tatsache, daß der Verschluß in der Festung gefunden wurde, was eine Verbindung zwischen Festung und Südbereich des Satettempels nahelegt. Durchaus vorstellbar wäre, daß kostbare Produkte wie u. a. Natron in der Festung deponiert bzw. in den dortigen Magazinen unter Verschluß gestanden hätten.241

3.1.2.3 Zusammenfassung

Siegelinhaber

als

Die Gefäßverschlüsse des Typus Gv. II lassen sich typologisch in Gv. II a und Gv. II b unterteilen. Aufgrund seines charakteristischen Aussehens sowie seiner Nutzung wird dieser Verschluß allgemein als Stöpsel bezeichnet, der ausschließlich zur kurzzeitigen Aufbewahrung von Produkten verwendet wurde, die sich anhand einiger Verschlüsse sogar erschließen ließen. So sind beispielsweise der Gewebeabdruck am Verschluß und die Angabe eines sSm(.tj)-Schlächter sicheres Indiz für eingelegte oder gepökelte Fleischprodukte, wohingegen der Mündungsabdruck eines Libationsgefäßes bzw. die Siegelung eines Hzmn/Hmr-“Der für Natron/Salz Zuständige” Natron als Inhalt nahelegt, während der Nachweis des Titels n(j) af auf einer Siegelung keine vertretbare Deutung des Inhalts erfährt. 17 Verschlüsse waren diesem Typ zuzuordnen, von denen jedoch nur neun für eine Bearbeitung bzw. für eine Auswertung in Betracht kamen. Die nachstehende Tabelle veranschaulicht ihre relativ gute Verbreitung innerhalb der einzelnen Stadtbereiche, läßt aber auch ein Übergewicht von Gv. II a gegenüber Gv. II b erkennen. Ferner fällt auf, daß die Festung nur mit einem einzigen Exemplar der Sonderform Gv. II b1 belegt ist.

Auffällig ist der Personenname des Siegelnden, der mit dem Femininum sAH.t(j) gebildet ist, was möglicherweise verleihen könnte in dieser Form die Wiedergabe eines Namens oder sogar eines von den ursprünglichen Namen der Göttin von Elephantine als “Die Herannahende/Die Nahekommende” als Bezeichnung der alljährich wiederkehrenden Flut und nützlichen Überschwemmung

Neun der 17 Verschlüsse tragen Abrollungsspuren, von denen sich sechs als Beamten- und zwei als Zivilsiegel identifizieren lassen. Erstere weisen einerseits Kontrollmarken der Lagerhausverwaltung und des übergeordneten Versorgungswesens auf, was an Titeln wie xtm(w.tj) (w)DA(.t/.wt)-“Schatzverwalter des Lagerhauses bzw. der Lagerhäuser” oder Hrj (w)DA(.t)“Lagerhausverwalter” sowie an den bisher unbekannten Titel eines rnw/jrj nw mr(.t)-“Lokalbeamter der MeretLeuten” ersichtlich wird. Andererseits stellen Angaben wie Hzmn/Hmr-“Der für Natron/Salz Zuständige” (Festung) und n(j) af (Oststadt) einen möglichen Bezug zur lokalen Tempelverwaltung her. In diesen Kontext fügt sich ebenfalls die teilerhaltene Zivilsiegelung eines rnw.tj/jrj nw.tj-“Lokalbeamter”. Auffällig sind zwei Beamtensiegelungen eines Hzmn/Hmr und eines xtm(w.tj)

236

Nach Gard. W 14. Festung: Kat. 146; Kat. 167-171; über 40 Fragmente tragen die Abdrücke dieses Titelträgers; siehe zusammenfassend u. a. S. 305. 238 Zur möglichen Erklärung der eigenartigen Graphie des Siegels, in der Titel und Status des Siegelnden kalligraphisch miteinander kombinieren zu sein scheinen, s. v. a. S. 194. 239 Eine Libation mit Natron mag zuerst etwas befremdlich wirken, doch bemerkt schon P. Posener - Kriéger, Archives Abousir, S. 539 mit Anm. 6, wo zu lesen ist: “La cruche nmst, “contenant de l´eau au natron” qui avait été utilisée pour la salutation ou la “quadruple salutation avec la cruche “nmst”, est emportée à demi pleine par un xntj S ...”. Zu diesem Ritual vgl. mit PT. 1180 c und die viermalige Libation der Göttin Satet. Für die Bezeichnung eines Kruges als Hzmn vgl. P. Posener-Kriéger, op. cit., S. 149 mit Abb. 14. 240 Hier könnte natürlich nur eine chemische Bestimmung dieses weißen Überzuges Gewißheit verschaffen. 241 Hierzu ausführlich S. 201. 237

242

Siehe hierzu den Exkurs III: Der Satettempel und seine Göttin, S. 206 f.

24

DIE SIEGELABROLLUNGEN UND ROLLSIEGEL DER STADT ELEPHANTINE

Siegelung

Festung

Satet-Süd

NO-Stadt

Oststadt

Ges.

Lokal: Beamtensiegel

Gv. II b1 Hzmn/Hmr

Gv. II a+Stoff xtm(w.tj) wDA.(w)t

Gv. II a Hrj wDA.t Gv. II b rnw/ jrj nw mr.t

Gv. II a zS Gv. II b n(j) af

6

Lokal: Zivilsiegel rnw.tj/jrj nw.tj; sAD Lokal: Berufsmarke Gesamt

2 Gv. II a Gv. II b+Stoff

1

Gv. II a+Stoff 2

2

4

1 9

Tabelle7: Verteilung der Siegelungen auf Typus Gv. II - Stöpselverschluß (w)DA(.t), die jeweils einem mjtr-Titelträger zuzuordnen sind und damit die Tätigkeit dieser Personengruppe sowohl im Kult- als auch im Agrarbereich verdeutlichen läßt.243 Die einzige Berufsmarke eines sSm(.tj/.w) als Einritzung auf einem Gv. II verdient insofern Erwähnung, als sie auf ein vermutlich in Salz eingepökeltes Fleischprodukt hinweist und somit eine weitere Sozialgruppe, die der Berufstätigen,244 in die lokale Wirtschaftsorganisation miteinbezieht.

von Milchgefäßen über die gesamte Geschichte Ägyptens hinweg charakteristisch ist.248 Gegen eine derartige Annahme erheben sich jedoch schwerste Bedenken sowohl klimatologischer, paläobotanischer als auch ethnoarchäologischer Art. Denn erstens gilt als unbestritten, daß - mit oder ohne Kräuterverschluß - die Milch in Ägypten wie warmen Ländern überhaupt in kürzester Zeit sauer wird und daher relativ schnell konsumiert werden mußte. Zweitens würde der durch die bakteriellen Eigenschaften der Milch ausgelöste chemische Reaktionsprozeß das Gefäß für eine weitere Benutzung unbrauchbar machen.249 Dies scheint drittens -

3.1.3 Typus Gv. III - Der Pfropfenverschluß Diese Verschlußart taucht bislang in keiner Typologie der Frühzeit und des Alten Reiches aufgezeichnet worden und stellt damit ein verschließungstechnisches Novum dar. Als Pfropfen werden Gefäßverschlüsse bezeichnet, die tief in die Mündung von Flaschen hineingedrückt waren, um so ein hermetisches Verschließen zu gewährleisten. Die aufgrund der Mündung und der Breite des Gefäßhalses ganz unterschiedlichen Formen der Verschlüsse245 ähneln im allgemeinen einem auf den Kopf gestellten Kegelstumpf.

LI. Griffith, A Collection of Hieroglyphs - A Contribution to the History of Egyptian Writing - ASE 6, London 1898, S. 40 f. (“teat or feeder for artificially suckled infants and animals”) ausging und schließlich zur endgültigen Interpretation als Kräuterverschluß führte. Ausschlaggebend war der Ansatz von N. de G. Davies, der hierzu anmerkte: “The marking and green colour of the latter (stopper) seem to indicate that it is a leaf or a bunch of grass, such as a modern Arab would use for the purpose.” N. de G. Davies, The Mastaba of Ptahhetep and Akhethetep at Saqqareh Part II., ASE 9, London 1901, S. 16 mit Tf. XVII, und dem zahlreiche Gelehrte folgten, wie z. B. H. Balcz, in: MDAIK 5, 1934, S. 62, Anm. 1 und Abb. 94 a, c, f, h und 64; Mesnil Dubuisson, Les noms et signes égyptiens désignant des vases ou objets similaires, Paris 1935, insbesondere - Les vases à lait -

Abgesehen von wenigen Exemplaren wird an sämtlichen Verschlüssen die Verwendung pflanzlicher Materialien wie ried- oder bastähnliche Gräser nachzuweisen, was auf einen besonderen Inhalt schließen läßt, dessen nähere Bestimmung jedoch am bisher publizierten Siegelmaterial nicht vorgenommen wurde.246 Einen Hinweis bietet der in Gräbern des Alten Reiches als flammenförmiges, aus einem Topf herausragendes, spitzes grünes Blatt dargestellte “Kräuterverschluß”,247 der für die Darstellung

et , S. 37-44, bes. 42 mit Anm. 6; H. Junker, Giza IV, Tf. XIII, der die gesamte Darstellung als Zubereitung einer frugalen Hirtenmahlzeit (kleine runde Brotfladen und frische Milch) deute; jetzt auch D. Faltings, Die Keramik der Lebensmittelproduktion im Alten Reich, SAGA 14, Heidelberg 1998, S. 19 f. Neuerdings wurde vorgeschlagen die aus dem Milchtopf herausragenden “feather-like leaflets of bright green” als Blätter der Anispflanze zu identifizieren, siehe hierzu B. Abadir, ©sr(t): The Plant and the Drink , in: DE 45, 1999, S. 7-22. 248 Zur Auswahl W. M. Fl. Petrie, Medum, London 1892, Tf. XXI; N. de G. Davies, The Mastaba of Ptahhetep and Akhethetep at Saqqareh Part I., ASE 8, London 1900, Tf. XIII, Abb. 261 und Tf. XVI; ders., The Mastaba of Ptahhetep and Akhethetep at Saqqareh Part II., ASE 9, London 1901, Tf. XVII; LD II, Tf. 66. 249 Was auch die Forderung des Bürgermeisters von Theben Sennefer nach frischer Milch bei seiner Ankunft erklärt: “Also give command to the herdsmen in order to cause them to have milk made ready in new jars in anticipation of my coming.”, R. Caminos, in: JEA 49, 1963, S. 29-37, insbes. 31 und Tf. VI-A Pap. Berlin 10463 Verso; A. Schlott,

243

Siehe hierzu ausführlich S. 148 ff. Verweise diesbezüglich auf Kap. Berufssiegel, S. 116. Typologische Tafel VI 246 C. Meyer, in: LÄ VI, 1986, Sp. 1171, Anm. 44; C. A. Hope, The Jar Sealings, in: Stone Vessels, Pottery and Sealings from the Tomb of Tutankhamun, Edited by J. Baines, Oxford 1993, S. 92 a,114,117-118 und124-127. 247 Die Deutung dieses grünen Blattes durchlief eine interessante Entwicklung, die von der sehr kinderfreundlichen Vorstellung von F. 244 245

25

JEAN-PIERRE PÄTZNICK

abgesehen davon, daß die Lagerung von Milch in Tongefäßen in Ostafrika, das an Ägypten angrenzt, seit eh und je Tabu ist250 - mit einer der Gründe zu sein,251 weshalb die Milch in ganz Afrika in zurechtgeschnittenen Kalebassen - auch Flaschenkürbis genannt - gelagert und/oder transportiert wird.252

All diese Gründe widersprechen m. A. n. einer Deutung des flammenähnlichen, aus dem Milchtopf herausschauenden grünen Blattes als Kräuterverschluß bzw. als ein Pfropfen pflanzlichen Materials.258 Vielmehr legt die Flamme als Bild für den Geruchssinn, wie dies in ähnlicher Weise z. B. für das Wort snTr-Weihrauch zutrifft, es nahe, darin einen Hinweis auf den warmen Geruch der frischgemolkenen - wAD-frisch bzw. frisch riechend - Milch zu sehen.259 Die Abdrücke umwickelter Gräser um den Pfropfen könnten demnach Hinweis auf die Verschließung von Milchprodukten sein, die in den entsprechenden Gefäßen aufbewahrt wurden - was noch heute in ländlichen Gegenden Ägyptens gängige Praxis ist.260 Somit ist davon auszugehen, daß sich in den mit einem Pfropfen verschlossenen Töpfen höchstwahrscheinlich die als smj bezeichnete Dickmilch, Quark o. ä. Sauermilchprodukt befand.261 W. Guglielmi

Vor diesem Hintergrund scheinen die Darstellungen von Melkszenen in Gräbern hoher bzw. höchster Beamter des Alten Reiches, nach denen frisch gemolkene Milch in Bottichen bzw. in großen Tonschüsseln253 mit Ausgußtüllen oder in Krügen254 aufgefangen wurde, äußerst fragwürdig255 - es sei denn, das Innere dieser Schüssel war mit einem glasierten Überzug versehen. Somit kann geschlossen werden, daß der Gebrauch von Flaschenkürbissen nicht nur in Ost-Afrika, sondern auch in Ägypten verbreitet war, worauf die abgebildeten, bauchigen bzw. kugeligen Milchbehälter sowie rundbödige Schüssel256 hinweisen könnten.257

Tf. 76, wo die frisch gemolkene Milch einem Kalb zum Trinken gegeben wird. 258 Bemerkenswert hierbei ist die Determinierung des Wortes jrTt-Milch mit einem Topf ohne und mit gewölbter Verschlußkappe einerseits, mit einem nw-Kugelgefäß mit flammenähnlichem Symbol andererseits. Letzteres weist m. E. auf eine Opferhandlung hin, bei der die Gefäße offen sind und der daraus entweichende Milchgeruch durch dieses Flammensymbol versinnbildlicht ist, s. W. Helck, in: SAK 5, 1977, Tf. III, Kolumne 2. Bei zwei weiteren Erwähnungen wird darüberhinaus jrTt je mit einem Topf ohne Flämmchen (Tf. II, Kolumne 1) bzw. mit einem von einem kappenförmigen Gefäßverschluß verschlossenen Topf (Tf. III, Kolumne 13) determiniert. Sollte andererseits das grüne flammenähnliche Blatt tatsächlich für einen Kräuterverschluß stehen, bliebe zu klären, warum ausgerechnet die Weinamphoren des Neuen Reiches, die sicher zunächst mit einem pflanzlichen Pfropfen verschlossen waren, niemals ein solches flammenähnliche grüne Blatt, wie bei der Darstellung von Milchgefäßen, aufweisen. 259 Die Wiedergabe eines grünen Blattes in der Form eines flammenähnlichen Zeichens erinnert an Gard. R7 “bowl for incense with smoke rising from it”; vgl. auch H. Altenmüller und A. Moussa, op. cit., S. 64, Tf. 17 oberes Register und Tf. 19 mit Darstellung der Beweihräucherung der Statue des Grabbesitzers. In diesem Sinne merkte bereits Davies an: “Milking jar... as it appears in a milking scene, with either a leaf in the mouth, or the steam rising from it”, s. ders., The Mastaba of Ptahhetep and Akhethetep at Saqqareh Part I., ASE 8, London 1900, S. 38. Aufmerksam machen möchte ich darüberhinaus auf ein in Abessinien nachzuweisendes Verfahren, bei dem die Kalebasse vor dem Einfüllen der Milch innen ausgeräuchert und mit einer aromatischen Pflanze eingerieben wird, wodurch einerseits die bakteriellen Prozesse der frischen Milch verhindert werden und andererseits die Milch den aromatischen Geruch der Pflanze annimmt. Diesen interessanten Hinweis verdanke ich freundlicherweise Herrn Dr. B. Ziegler, Botaniker. Zur frischen Qualität eines versiegelten Produktes verweise ich auf die entsprechenden Angaben von W. Hayes, in: JNES 10,1951, Abb. 10-11 und 91 - frisches Tierfett, Abb. 13- frisches Olivenöl ? und Abb. 23frisches Fleisch und frische Früchte. 260 Nach freundlichen Mitteilungen der Herren G. Haeny und H. Jaritz sowie von einigen ägyptischen Freunden; s: hierzu auch H. Winkler, Bauern zwischen Wasser und Wüste, Stuttgart 1934, S. 81 f. Relevant ist die Art und Weise, wie die genannten Milchprodukte (Käse und Weichkäse) in Krüge, sogenannte gjarra gelegt werden und mit einem Pfropfen aus Dattelpalmfaser, lif sowie einem kindskopfgroßen sodda Lehmkloß verschlossen werden; vgl. hierzu auch N. H. Henein, op. cit., S. 150 und Abb. 80. 261 Dieses Milchprodukt hält sich sehr lang und ist bereits in zwei Gräbern der 1. Dyn. nachzuweisen, Zaky und Iskander, in: ASAE 41, 1942, S. 295 ff.; W. B. Emery, A Funeray Repast of the Archaic Period, Leiden1962, S. 7; ders., GT II, Grab 3504, wo der Befund auf Seite 20 f. abgebildet ist und auf Seite 21 wie folgt beschrieben wird: “contains the remains of cheese wrapped in coarse linen”. Dabei

Schrift und Schreiber im Alten Ägypten, München 1989, S. 72 f. und Abb. 28. 250 I. Hofmann, H. Tomandl und M. Zach, in: GM 81, 1984, S. 87-91, insbes. 88 ff. 251 Eine weitere Erklärung könnte in der nachgewiesenen Milchunverträglichkeit zahlreicher afrikanischer Bevölkerungen begründet sein, s. Kosmos Sept. 1994, S. 56, nach freundlichem Hinweis von Herrn Dr. Fr. Hoffmann. 252 Zum heutigen Nachweis von “Grand vase à traire avec couvercle” und “Petit vase à traire avec couvercle” in Ägypten, s. die aufschlußreiche Untersuchung von N. H. Henein, Poterie et Potiers d´Al-Qasr, Oasis de Dakhla, Le Caire 1997, S. 151 f., Abb. 83 und 152, Abb. 84, die bei langen Transportwegen ein Umfüllen der gemolkenen Milch in einen anderen Topf mit einer engeren Mündung belegt. Zur Bezeichnung dieses neuen Gefäßes als “Jarre pour le transport du lait”, s. op. cit., S. 170, Abb. 104. 253 W. K. Simpson, The Offering Chapel of Sekhem-Ankh-Ptah in the Museum of Fine Arts Boston, Boston 1976, S. 9, Abb. 4 und Tf. VI VII a, wo die frisch gemolkene Milch dem Anschein nach einem auf einer Matte sitzenden Vorgesetzten oder älteren Mann gereicht wird. Ansonsten trinken neben den Göttern nur Kinder oder Jungtiere Milch, Erwachsene eigentlich nicht, s. hierzu insbes. die Darstellung einer Kuh, die sowohl ihr Kalb als auch ein kleines Kind säugt, s. R. und J. Janssen, Egyptian Household Animals, Shire Egyptology 12, 1989, S. 8, Abb. 34 sowie Abb. 27. 254 H. Junker, Giza IV, S. 81,Tf. XII-Westwand. 255 Daß Milch nicht nur als landwirtschaftliches Produkt, sondern auch als Luxusgut einen hohen Stellenwert besaß, liegt einerseits in der geringen Milchleistung der altägyptischen Rinder begründet, nach dem Grundsatz “je seltener umso wertvoller”, s. J. Bössneck, Die Tierwelt des Alten Ägypten, München 1988, S. 67 und Abb.107 bzw. 109, sowie in der geringen Zahl an Melkszenen in den Friedhöfen der Residenz (Ganze drei (!) Melkszenen sind in dem zwölfbändigen Werk über Gisa von H. Junker registriert worden), die zudem lediglich Bestandteil der Grabdarstellungen von wohlhabenden Personen am Hofe sind. Ihr frühester Nachweis in Grabanlagen von Königsgemahlinnen (Nebet), von Wesiren (Achtihetep, Ptahhetep, Kagemni, Mereruka, Mereri, Mehu) sowie des Friseurs Tjj im Residenzfriedhof in Sakkara gegen Ende der 5. bzw. zu Beginn der 6. Dyn. ist nicht nur in dieser Hinsicht außergewöhnlich, sondern macht die Melkszene an sich zu einem Topos, der die hohe gesellschaftliche Stellung des Grabinhabers zum Ausdruck bringt. Siehe auch A. Barsanti, in: ASAE 1,1900, S. 155, Abb. 9 aus der Mastaba von Seschemnefer in Sakkara. 256 Siehe R. Lepsius, LD II, S. 77; Eggebrecht et alii, Das Alte Ägypten, München 1984, S. 210 (Grab des Wesirs Kagemni). 257 Siehe R. Lepsius, LD II, S. 66; zum Nachweis dieser Flaschenkürbisse im pharaonischen Ägypten s. L. Keimer, Die Gartenpflanzen im Alten Ägypten I., Hamburg-Berlin 1924, S. 13 f. und 84, Anm. 7; s. auch B. H. Altenmüller und A. M. Moussa, Das Grab des Nianchchnum und Chnumhotep, AV 21, Mainz 1977, S. 154,

26

DIE SIEGELABROLLUNGEN UND ROLLSIEGEL DER STADT ELEPHANTINE

weist in ihrem Aufsatz außerdem darauf hin, daß smj ein Luxusprodukt gewesen ist,262 das an “Tempeln, zum königlichen Sed Fest, als Ehrengabe an Vorarbeiter und Belohnung der Arbeiter (am Fest Amenophis´ I.)” abgegeben wurde.263

kontrollierenden Empfängers - entnehmen, die in der Festung und in der Oststadt belegt sind und die auf ein strenges Kontrollverfahren schließen lassen. In beiden Fällen handelt es sich um Angehörige der Lokalbeamtenschaft, einmal um einen rnw.tj/jrj nw.tj“Lokalbeamter”, der zugleich Hrj wDA.t“Lagerhausverwalter”268 war, sowie um einen rnw/jrj nw[…], der nicht näher zu bestimmen ist.269 Bei den beiden Lieferanten handelt es sich zum einen um einen in der Festung gefundenen Titelträger […]af nfr mrwt...“Vollkommen an Beliebheit...”, dessen Bedeutung unklar ist, sowie um einen mjtr-Angehörigen aus der Oststadt. Grasspuren am Verschluß lassen im ersten Fall auf die Kontrolle eines Milchproduktes durch die Lokalbehörde schließen, während der Abdruck eines Strohdeckels an dem anderen Verschluß auf eine Weinlieferung hinweisen könnte.270

Gv. III ist in unserem Material mit insgesamt sieben Objekten vertreten, von denen vier in der Oststadt und drei in der Festung gefunden wurden. Sämtliche Verschlüsse sind aus organischem Material mit hohem Häckselanteil gefertigt und weisen meist die Form eines auf den Kopf gestellten Kegelstumpfes auf.264 Die glatten und runden Abdrücke von Lippenrändern von 6-8 cm Dm und von 3,5-5,5 cm Höhe entsprechen einerseits den Maßen der Pfropfen selbst und deuten andererseits auf Gefäße mit hohem, sich nach unten verjüngenden Gefäßhals, wahrscheinlich auf Flaschen hin.265 Reste von umwickelten bastähnlichen Gräsern an den Verschlußkörpern zeigen, daß in die Mündung der Flasche zunächst Grasbüschel gelegt und in diese anschließend der grob geformte Lehmpfropfen hineingedreht wurde.

Aufschlußreich für die Funktion dieser mjtr ist ihr Nachweis auf vier der insgesamt sieben Verschlüsse dieses Typus, was ihre Bedeutung bei der Kontrolle bzw. der Verpackung von landwirtschaftlichen Produkten wie Milcherzeugnisse und Wein besonders unterstreicht.271 Demnach ist davon auszugehen, daß diese Titelträger bisher nicht näher zu präzisierende Funktionen im Agrarbereich erfüllten und daß sie die Verwaltungszentren Festung und Oststadt mit so erlesenen Gütern wie Milcherzeugnissen (smj-Dickmilch o. ä.) oder gar Wein beliefert haben werden.

Die an der planen Oberfläche nachzuweisenden, mehrfach parallelllaufenden Abrollungen lassen Abdrücke von Beamten- und Zivilsiegeln, insbesondere von mjtr-Angehörigen erkennen, wobei erstere jeweils die Angaben rnw/jrj nw mr(.t)-“Lokalbeamter der MeretLeuten / - der Meret-Anlage”266 sowie Sms-“Begleiter”267 aufweisen. Nur in einem Fall wurde einer dieser Pfropfen aufgrund der Unlesbarkeit der Siegelinschrift ausgesondert.

Zusammenfassend bleibt festzuhalten, daß die sieben Objekte des als Pfropfen zu bestimmenden Gefäßverschlusses Gv. III ausschließlich in den Abgabebzw. Verwaltungszentren Festung und Oststadt zu finden sind. Ihre Form sowie Abdrücke von Vegetabilien legen den Schluß nahe, daß mit Gv. III Flaschen verschlossen wurden, die neben Wein v. a. Milchprodukte, u. U. sogar Milch beinhalten haben könnten. Sowohl die Rarität des versiegelten Inhaltes als auch seine Kostbarkeit spiegeln sich in der Anbringung einer Doppelsiegelung auf dem Gefäßverschluß wieder, die auf eine besondere Kontrolle bei der Verpackung bzw. Anlieferung schließen läßt. Vom besonderen Interesse sind in diesem Zusammenhang die Siegelungen von Angehörigen der mjtr/mjtr.t, was deutlicher Indiz für ihre Funktion im Agrarbereich ist.

Wie wertvoll der mit diesem Verschluß versiegelte Inhalt für die frühzeitliche Wirtschaft war, läßt sich zwei Doppelsiegelungen - eines Abgabepflichtigen und eines handelte es sich wohl um hausgemachten Frischkäse, wie dies auch heute noch in Ägypten der Fall ist und der in Gefäßen vom Qena-Typus aufbewahrt wird, u. U. bis zu sechs Monaten. Ist der Frischkäse eingefüllt, wird die Öffnung mit einem in Stoff eingewickelten Grasstopfen zugepfropft und dieser in einigen Fällen, wenn eine längere Aufbewahrung des Produktes beabsichtigt ist, anschließend mit einer Lehmhaube überzogen. In ähnlicher Weise werden auch Wasser und Käse aufbewahrt. Weißkäse wird dagegen sofort konsumiert; s. auch W. Guglielmi, in: LÄ III, 1980, Sp. 289, sowie H. Wilson, Egyptian Food and Drink, Shire Egyptology 9, 1988, insbes. S. 47. 262 Bedenkt man die geringe Milchproduktion der ägyptischen Kühe und die diffizile Konservierung gerade in warmen Ländern, so waren sicher Frischmilch und Milcherzeugnisse, wie Sauermilch und Frischkäse seltene und kostbare Produkte der altägyptischen Landwirtschaft. Verwunderlich, daß beide nicht in den Abusir-Papyri der königlichen Totentempelverwaltung im Alten Reich Eintrag gefunden haben. Auch im NR war die Kuhmilch offensichtlich eine Seltenheit, denn von den 1400 Inschriften auf den in Malkata im WestTheben im Palast von Amenophis III gefundenen Gefäßen weisen nur 2 (!) die Angabe jrtt-Kuhmilch auf, W. Hayes, in: JNES 10, 1951, Abb. 14, Nr. 203-204 und Seite 94. 263 W. Guglielmi, in: LÄ V, 1984, Sp. 494. 264 Zum Typus siehe Tafel VI. 265 Vorstellbar wären darüberhinaus Gefäße der Form 31 aber auch 3637, D. Arnold, in: LÄ II, 1977, Sp. 488 f. und Abb. 2. 266 Oststadt: Kat. 462; zu diesem Titel s. S. 131, Anm. 1336. 267 Festung: Kat. 249 und S. 107 ff.

268

Festung: Kat. 117 Oststadt: Kat. 323 270 Siehe u. a. S. 72, wo sich (der) Hinweis(e) auf ein Weindepot des Statthalters von Elephantine m. E. in der Oststadt finden könnte(n). Die Lieferung von Wein durch einen mjtr läßt auf die Existenz von Weinbergen um Elephantine (möglicherweise auf der gegenüberliegenden Westinsel) in dieser frühen Zeit (2. Hälfte der 3. Dyn.) schließen, die unter der Kontrolle der mjtr gestanden haben könnten. Dabei könnte es sich um eine Sorte gehandelt haben, die auf sandigem Boden gedeihen konnte. 271 Zu Kat. 323 aus der Oststadt seien noch Festung: Kat. 182, auf dem lediglich die Angabe mjtr erhalten ist; Oststadt: Kat. 463; es handelt sich hierbei um das mit vertikalen Trennleisten gegliedertes Siegelbild einer mjtr(.t)mit dem Beititel kfA jb und einem unklaren Epitheton qd mA nfr, und Kat. 564 mit dem Epitheton t(w)t n mrwt zu erwähnen. 269

27

JEAN-PIERRE PÄTZNICK

Siegelungen auf Gv. III Lokal: Beamtensiegel Lokal: Zivilsiegel + Epitheton Lokal: Doppelsiegelung - Beamten-u. Zivilsiegel Zivilsiegel + Epitheton - Zivilsiegel Zivilsiegel Gesamt

Festung

Oststadt

Sms(w) mjtr

rnw/jrj nw mr.t

2

mjtr mjtr.t/twt n mrwt

2 1 1

rnw.tj/Hrj wDA.t af[…] /nfr mrwt rnw/rnw.tj/rnw.t mjtr 4

3

Gesamt

1 7

Tabelle8: Lokale Verteilung der Siegelungen auf Gv. III - Pfropfen Die insgesamt 41 Gefäßverschlüsse dieses Typus in unserem Material lassen sich in vier Kategorien Gv. IV ad sowie eine Sonderform Gv. IV e unterscheiden.

3.1.4 Typus Gv. IV - Der Deckelverschluß Nach keramologischer Definition ist ein Deckel (frz: couvercle, engl: lid) ein scheibenartiger oder gewölbter Gegenstand zur paßgerechten Abdeckung einer Gefäßöffnung.272 Der Terminus “Deckel”, wie er in dieser Arbeit übernommen wird, bezieht sich zunächst auf die Morphologie des Verschlußtypus, d. h. auf seine charakteristische Form einer Scheibe. Der sich bisweilen nach oben verjüngende, bisweilen konvexe Abdruck eines kurzlippigen Gefäßrandes an den Seiten dieser Gefäßverschlüsse zeigt, daß sie Töpfe mit einer Mündung von 7-9 cm Dm verschlossen haben. Sie wurden demnach nicht auf die Gefäßmündung aufgesetzt, sondern leicht in diese eingepaßt, d. h. zur paßgerechten Abdeckung einer Gefäßöffnung tatsächlich verwendet. Im Unterschied zu unseren heutigen Deckeln war damit der Verschluß längst nicht so leicht abnehmbar.

3.1.4.1 Typus Gv. IV a Der Form nach handelt es sich bei diesem Verschluß um eine dicke Scheibe mit konkaven Rändern.275 Ober- und Unterseite des Verschlusses weisen ebenfalls eine leicht konkave Form auf. Der Durchmesser variiert zwischen 7 und 8 cm, die Höhe zwischen 2 und 4,5 cm. Lediglich an der Seite eines einzigen Verschlusses war der Abdruck einer kurzlippigen Topfmündung von 7-8,5 cm Dm nachzuweisen. An sechs von 14 Verschlüssen dieses Typs fanden sich Spuren von bastähnlichem, pflanzlichem Material bzw. eines Strohdeckels, einer Abdeckscherbe sowie Stoffabdrücke. In zwei Fällen wurden diese Verschlüsse als ungesiegelte Primärverschlüsse unter einem Topfverschluß vom Typus Gv. I b-c verwendet und ausgesondert.

Bereits J. E. Quibell hatte in seiner Publikation aller damals bekannten Verschlüsse diesen Typus registriert und ihn mit Umschreibungen wie “shape of a very short cork”, “of short cylindrical shape, flat on top, wider below than above, the side smooth and slightly concave” zu bestimmen versucht.273 P. Kaplony erkannte bei der Bearbeitung seines Corpus lediglich zwei Formen, die er als Typus IV-2 in seiner erweiterten Typologie beschrieb.274

Die stadttopographische Verteilung dieser Verschlußform zeigt ein deutliches Übergewicht der Oststadt mit acht Objekten gegenüber drei aus Satet-Süd, zwei aus dem Festungsareal und einer aus der Nordoststadt. Das breite Spektrum an Verschließungstechniken in der Oststadt sowie Reste von Gräsern bzw. das vollständige Fehlen von Spuren an vielen Deckeln ist Indiz dafür, daß mit ihnen Getreide, Tierfett und Milchprodukte verschlossen bzw. versiegelt wurden - was weiter darauf hinweist, daß die Oststadt als Anlaufstelle und Lagerort für die Anlieferung von landwirtschaftlichen Produkten fungierte.

272

Keramik, Vorschläge zur systematischen Beschreibung von Keramik - Suggestions for the Systematic Recording of Pottery Propositions pour une description systématique des céramiques, Kunst und Altertum am Rhein, Rheinisches Landesmuseum Bonn 1986, S. 7, 27 und 45. Auch hier weist die Anmerkung von D. Arnold “die nur oben auf den Rand des Gefäßes aufgesetzt waren” eher auf Deckel als auf Stöpsel, s. dies., in: MDAIK 38, 1982, S. 55 und Tf. 9 b mit der Ankündigung einer Untersuchung der gefundenen Lehmverschlüsse aus dem Pyramidentempel von König Amenemhet III. durch W. Schenck. Siehe illustrierend hierzu typologische Tafel VII. 273 J. E. Quibell, Archaic Objects Tome Premier, CG 23, Le Caire,1905, S. 24 ff. 274 IÄF I, S. 160 f.; unklar, weil nicht unmittelbar nachvollziehbar, bleibt dabei die plötzliche Erwähnung eines (neuen?) Typus IV-B in der Kaplonyschen Verschlußtypologie. Ob es sich dabei um eine Umbenennung von Typus IV-2 in IV-B handelt, kann von unserer Seite nur vermutet werden.

Unter den insgesamt 14 Siegelungen dieser Verschlüsse Gv. IV a lassen sich fünf Beamtensiegel auszumachen, von denen zwei den Titel Hrj (w)DA(.t)Lagerhausverwalter eines rnw.tj/jrj nw.tj-“Lokalbeamter”

275 Siehe typologische Tafel VII oben; vgl. mit J. E. Quibell, op. cit., S. 24, Nr. 11105.

28

DIE SIEGELABROLLUNGEN UND ROLLSIEGEL DER STADT ELEPHANTINE

Gv. IV a Keine Spuren Textilien

Festung 2

Satet-Süd 1 1

Strohdeckel

NO-Stadt 1

Oststadt 4 1

1

Gesamt 8 2 1

Gras/Bast

2

2

Abdeckscherbe

1

1

8

14

Gesamt

2

3

1

Tabelle9: Materielle Abdrücke an Gv. IV a, verteilt auf die Stadtgebiete Siegelungen von Gv. IV a Lokal: Beamtensiegel +Zivilsiegel Lokal: Zivilsiegel mjtr +Beititel Lokal: Berufssiegel Lokal: Namenssiegel Lokal: Frauensiegel Lokal: Unbestimmbares Gesamt

SATETSÜD

FESTUNG

1

1 1

NO-STADT

OSTSTADT

Gesamt

1 1+Stoff

3 2

5

1+Gras 1+Gras

1 1

2

1+Stroh 1+Stoff

3

2

1 1

2

1+Scherbe 1 2 8

1 1 3 14

Tabelle10: Topographische Verteilung der Siegelungen auf Gv. IV a bzw. Hrj s(w)DA(.w)-“Oberster Bewahrer” tragen.276 Von einer dritten Siegelung ist lediglich die unvollständige Angabe Hrj[…]277 erhalten, während ein viertes Siegelbild nur noch einen unvollständigen, unsicheren Titel b[…]S[…]grg(.t)[…] mit dem sAD Beititel278 und das fünfte nur noch die unsichere Titulierung rA Hrj-“Oberster Mund” erkennen lassen.279 Darüberhinaus finden sich auf zwei weiteren Verschlüssen aus dem Südbereich des Satettempels die Berufssiegelungen eines obHw“Kühlender” (Angestellter des Schlachthauses) und eines kAr(j)-“Winzer”.280

trägt.282 Die restlichen vier unvollständigen Siegelungen lassen in einem Fall einen mjtr sowie einen Personennamen,283 in einem weiteren die Angabe Emmer, Gerste[…]+ Reihe von Kornspeichern erkennen,284 wohingegen in den übrigen beiden Fällen nur noch der Personenname auszumachen ist.285 3.1.4.2 Der Typus Gv. IV b Bei diesem Verschluß handelt es sich um eine bis zu 3 cm dicke Scheibe von 7-8 cm Dm, deren leicht konvexe Unterseite breiter ist als die Oberseite, womit er offensichtlich einem bereits von J. E. Quibell286 beschriebenen und damit dem von P. Kaplony287 zugewiesenen Typus IV-2 seiner erweiterten Typologie entspricht. Gv. IV b ist in unserem Material mit sechs Objekten vertreten, die alle in der Oststadt gefunden wurden und meist aus einer sehr groben Magerung mit hohem organischen Anteil gefertigt sind. Die ausgeprägte Form sowie der deutliche Abdruck einer “eingezogenen” Mündung deuten darauf hin, daß mit ihm ein Gefäß vom Typ des geschlossenen Biertopfes von 7-8 cm Dm

Von den insgesamt sieben mehr oder minder gut erhaltenen Zivilsiegelungen, handelt es sich bei zweien um ein Namens-bzw. ein Frauensiegel,281 während ein weiteres - mit dem Muster PN+E - den Beititel nfr mAa jz.t 276

Festung: Kat. 152 und Satet-Süd: Kat. 002. Festung: Kat. 153 278 Oststadt: Kat. 449 mit Stoffabdruck. Ebenso wäre eine Lesung des Titels als wdp.w- Diener, Aufwärter möglich, s. hierzu WB I, S. 388, Anm. 2. 279 Oststadt: Kat. 444 280 Satet-Süd: Kat. 014 mit dem Abdruck eines Strohdeckels, was möglicherweise auf die Aufbewahrung von Wein hinweisen könnte; hierzu s. S. 32, Anm. 315. Satet-Süd: Kat. 016 mit feinmaschigem Leinenstoffabdruck. Es handelt sich hierbei um den Verschluß eines sogenannten ellipsoiden Gefäßes von 7-8 cm Dm. 281 Oststadt: Kat. 443 mit Scherbenabdruck. Zum Namenssiegel, s. ausführlich S. 118 ff.; Oststadt: Kat. 547. Siehe hierzu auch Kap. Frauensiegel, S. 121 f. 277

282

Oststadt: Kat. 510 mit Grasspuren. Oststadt: Kat. 467 mit Grasspuren. 284 Oststadt: Kat. 337 285 Nordoststadt: Kat. 076 mit der Darstellung einer einen Krug tragenden Frau, Oststadt: Kat. 519. 286 Siehe typologische Tafel VII, 2. Reihe; vgl. J. E. Quibell, op. cit., S. 24 f. Nr. 11107-11112, S. 26 Nr. 11116-11118, S. 28 Nr. 11128-29. 287 P. Kaplony, IÄF I, S. 51, Anm. 134. 283

29

JEAN-PIERRE PÄTZNICK

Siegelung von Gv. IV b Lokal: Beamten-u. Zivilsiegel Lokal: Zivilsiegel+Beit. rnw/rnw.t Lokal: Zivilsiegel mjtr.t Lokal: Namenssiegel Gesamt

Keine Spuren

Scherbenabdruck 1

1

1

1

Bast / Gräsern 1

Gesamt 2

1

1

1

2

1

1

4

6

Tabelle 11: Verteilung der Siegelungen auf Typus Gv. IV b verschlossen wurde. In vier Fällen sind an der Unterseite des Verschlusses Reste eines bastähnlichen pflanzlichen Materials bzw. von umwickelten Gräsern nachzuweisen,288 während sich an einem Verschluß der Abdruck einer Abdeckscherbe findet.289

3.1.4.3 Typus Gv. IV c Charakteristisch für diesen Typus, den weder Quibell noch P. Kaplony erwähnen, ist die Form des Verschlußkörpers, die ihn in große Nähe zu den Pfropfenverschlüssen rückt.299 Aus dem vorliegenden Material lassen sich diesem offensichtlich neuen Verschlußtypus insgesamt fünf Objekte zuordnen, die fast ausschließlich aus der Oststadt stammen. Lediglich ein Exemplar wurde im Festungsbereich gefunden.300 Die Verschlüsse weisen einen Durchmesser von 6,5 bis 9 cm und eine Höhe von 3 bis 5 cm auf. Abdrücke an ihren Seiten lassen prinzipiell auf die Verschließung bzw. Versiegelung einer Flasche schließen. Drei Objekte weisen Spuren bzw. Reste eines bastähnlichen Materials auf.

Die Abrollungen an diesen Verschlüssen lassen zwei Beamten- und vier Zivilsiegelungen erkennen, von denen eine ausgesondert wurde,290 sowie ein Namenssiegel,291 das Indiz für eine Abgabe aus dem privaten Bereich ist.292 Auf einer Beamtensiegelung ist ein Hm nTr.t-“Priester der Göttin” und n(j) ds-“Opferer”,293 auf der anderen das unvollständige Siegelbild eines rnw/jrj nw“Lokalbeamter” sowie ein nicht mehr sicher zu lesender Titel auszumachen.294 Von den Zivilsiegelungen läßt eine einen ¡m nb=f erkennen, der zudem sAD und rnw.t/jrj nw.t-“Lokalbeamter” war.295 Zwei weitere Siegelungen weisen die Titelträgerinnen (!) als mjtr.t aus, von denen eine zusätzlich den Beititel nfr mAa jz.t296 trägt, die andere die Sequenz S+PN aufweist.297 Abschließend sei noch eine einzige Namenssiegelung zu erwähnen.298

Auf einer Abrollung sind die spärlichen Reste einer Amtssiegelung eines sbA(w).t(j) aus der Zeit von König Niuserre (5. Dyn.) auszumachen,301 bei den vier übrigen handelt es sich um Zivilsiegelungen, von denen zwei einen mjtr ,302 die zwei anderen lediglich den Personennamen eines unvollständigen Siegelbildes bzw. einen unsicheren Betitelten […]Xr(j)[…] erkennen lassen.303 Auffällig an diesem Typus Gv. IV c ist der Nachweis von Grasspuren auf Verschlüssen mit mjtr-Siegelungen, was erneut Hinweis darauf ist, daß eine Tätigkeit dieser Sozialgruppe in der Oststadt im Zusammenhang mit der Lieferung von landwirtschaftlichen Gütern wie z. B. von Milchprodukten gestanden haben könnte.

288

Oststadt: Kat. 332, 464, 536-537. Oststadt: Kat. 471 Zwar war der Verschluß typologisch identifizierbar und weist zudem Grasspuren auf, doch konnte seine Inschrift nicht erschlossen werden. 291 Oststadt: Kat. 537 mit Grasspuren. Zur Kategorie der Namenssiegel, siehe S. 118 ff. 292 Siehe hierzu S. 120. 293 Oststadt: Kat. 471 mit Scherbenabdruck; zur Signifikanz der Titulatur für die Existenz und Organisation eines Kultpersonals der Göttin von Elephantine in der 3. Dyn. s. S. 212. 294 Oststadt: Kat. 536 mit Grasspuren. 295 Oststadt: Kat. 332 mit Grasspuren. 296 Oststadt: Kat. 320 (ohne Abdruck). Zur Kategorie der Frauensiegeln s. S. 121 f. 297 Oststadt: Kat. 464 mit Grasspuren. 298 Siehe Oststadt: Kat. 332 289 290

299

Siehe typologische Tafel VII, 3. Reihe links. Oststadt: Kat. 341, 466, 522 und 548; Festung: Kat. 116. Oststadt: Kat. 548, siehe hierzu auch Kap. Amtssiegel, S. 82. 302 Festung: Kat. 116 mit Grasspuren; Oststadt: Kat. 466 mit Grasspuren. 303 Oststadt: Kat. 341 mit Grasspuren; Kat. 522. 300 301

30

DIE SIEGELABROLLUNGEN UND ROLLSIEGEL DER STADT ELEPHANTINE

FESTUNG Siegelung von Gv. IV c Staatlich:Amtssiegel Lokal: Zivilsiegel 1 +Grasspuren mjtr Lokal: Unvollständig bzw. Unsicher 1 Gesamt

OSTSTADT

Gesamt

1 1 +Grasspuren 1 1 +Grasspuren 4

1 2 2 5

Tabelle 12: Lokale Verteilung der Siegelungen von Gv. IV c 3.1.4.4 Typus Gv. IV d

3.1.4.5 Die Sonderform: Gv. IV e

Die für diesen Typus bezeichnende Form, die weder bei Quibell noch bei P. Kaplony belegt ist, entspricht einer flachen, runden Tonscheibe mit einer leicht konvexen Unterseite, deren Durchmesser zwischen 6,5 und 7,5 cm beträgt und die eine maximale Höhe von 2 cm aufweist.304 Von den fünf Gefäßverschlüssen dieses Typus wurde einer in der Nordoststadt, die anderen in der Oststadt gefunden.305

Eine flache Form charakterisiert diesen Verschluß, dessen Unterseite etwas kleiner ist als seine obere, und der bei P. Kaplony typologisch nicht aufgenommen zu sein scheint. Ob er von J. E. Quibell in dessen Auflistung des Kaireners Materials erwähnt ist, läßt sich anhand seiner Aufzeichnungen nicht mit letzter Sicherheit feststellen. Stellvertretend für diesen neuen Typus ist ein in der Nordoststadt gefundenes Objekt von 8,5 cm Dm und 1,5 cm Höhe311 - Maße, die auf ein kurzlippiges Gefäß von ca. 8 cm Dm schließen lassen. Spuren materieller Art waren nicht auszumachen.

Ihre Form sowie die an den Seiten auszumachende kurzlippige Gefäßmündung von 7 bis 8 cm Dm lassen darauf schliessen, daß die Verschlüsse zur Versiegelung von Gefäßen des offenen Typus verwendet wurden.

Die Siegelung312 weist einen PN sowie die Darstellung eines Lagerhauses vom Typus wDA.t auf, was m. E. Indiz dafür ist, daß der Verschluß möglicherweise ein mit Getreide gerfülltes Gefäß verschlossen hat und daß die Abgabe privater Natur gewesen sein könnte.

306

Bis auf ein Exemplar mit einem Stoffabdruck aus der Oststadt weisen sie keine weiteren materiellen Spuren auf. Insgesamt sind zwei Beamten- und drei Zivilsiegelungen auszumachen. Bei ersterem handelt es sich zum einen um die eines mDH wxr.t nsw.t nTr(.t)-“Direktor der Werft des Königs und der Göttin” mit dem unsicheren Zusatz xrp Hrj(.w) Snw-“Leiter derjenigen, die auf der SnwUmfassungsmauer” (?) sind erkennen307 sowie einen s(w)DA.t(j)-“Bewahrer”.308

3.1.4.6 Zusammenfassung Deckelverschluß

von

Gv.

IV



Charakteristisch für den Deckelverschluß ist seine aus ungebranntem Nilton gefertigte Form einer bis zu 4 cm dicken Scheibe. Aus unserem Material ließen sich Typus Gv. IV 41 Verschlüsse zuzuordnen, von denen zehn ausgesondert wurden.313 22 davon stammen aus der Oststadt und je drei aus dem Festungsbereich, der Nordoststadt und dem Südbreich des Satettempels.

Die drei Zivilsiegelungen, von denen eine aus der Nordoststadt,309 die zwei anderen aus der Oststadt,310 und hier zudem von ein und demselben Siegelinhaber stammen, sind den mjtr-Angehörigen zuzuordnen.

Insgesamt sind vier verschiedene Verschlußformen zu unterscheiden: Gv. IV a, IV b, IV c und IV d, während die nur mit einem einzigen Beispiel belegte Form Gv. IV e eine Sonderform darstellt. 14 Verschlüsse sind dem Typus Gv. IV a, sechs Gv. IV b, je fünf Gv. IV c sowie Gv. IV d zuzuordnen. Materielle Spuren an den Verschlüssen lassen, neben dem Abdruck von Gefäßrändern, die Verwendung von Gräsern und

304

Typologische Tafel VII, 3. Reihe, rechts. Nordoststadt: Kat. 068; Oststadt: Kat. 275, 277-278 u. 301. 306 Oststadt: Kat. 301 307 Oststadt: Kat. 275; zum Titel und dessen Bedeutung für die Stadt s. S. 113 f. Bemerkenswert hierbei ist der kreisförmige Abdruck einer Seite des Rollsiegels, wie dieser auch auf Amtssiegelungen der Regierungszeit des Horus Netjerichet am Anfang der 3. Dyn. belegt ist, s. hierzu S. 14, Anm. 107. 308 Siehe S. 32, Anm. 315. 309 Nordoststadt: Kat. 068 310 Oststadt: Kat. 277 und 278. 305

311

Siehe typologische Tafel VII unten. Nordoststadt: Kat. 070 313 Acht wurden ausgesondert und zwei unbeschriftet als Primärverschlüsse verwendet (Oststadt: Kat. 321 und Nordoststadt: Kat. 058). 312

31

JEAN-PIERRE PÄTZNICK

Textilien314 sowie zweier Abdeckscherben und einem Strohdeckel315 bei der Verschließung erkennen.

Siegelung eines Hm nTr.t-“Priester der Göttin”, daß die bereits bestehende Tempelverwaltung der wahrscheinlich in der Oststadt zu lokalisierenden Zentralversorgungsstelle der Stadt direkt unterstellt war.

Die Verschlüsse deuten v. a. auf zwei unterschiedliche Schließverfahren hin. Entweder wurde ein kleiner dicker runder Fladen aus feuchtem Lehm direkt in die Mündung eines kurzlippigen Gefäßes (Biertopf oder ovoides Gefäß) eingepaßt, so daß lediglich der Abdruck des Gefäßrandes von 7-9 cm Dm erhalten ist oder aber eine ebensolche dicke Lehmscheibe wurde auf einen “Deckel” aus pflanzlichem Material (in die Mündung des Gefäßes zuvor hineingestopfte Grasbüschel) gedrückt, wofür die Spuren an manchen Verschlüssen sprechen. Mit hoher Wahrscheinlichkeit kann anhand dieser Verschließungsmerkmale auf den möglichen Inhalt der Gefäße geschlossen werden. So zeigen frühere wie heutige Beobachtungen, daß flache Verschlüsse, an denen - abgesehen vom Abdruck des Gefäßrandes - keinerlei materiellen Spuren auszumachen sind, zur Verschließung von Gefäßen mit Tierfett-Inhalt verwendet wurden,316 während der Nachweis von Bast oder einem ähnlichen Pflanzenmaterial an einigen Verschlüssen Hinweis auf die Verschließung eines Sauermilchproduktes, wie z. B. smjDickmilch ist.317

Bemerkenswert ist ferner der Nachweis, wenn auch in geringer Zahl, von Namens-und Frauensiegeln, die entweder aus dem Personennamen oder aus Personenname und Lagerhaus/Getreidespeicher bestehen, und damit auch Indikator für die Einbindung des privaten Sektors in die Wirtschatfsstrukturen des frühen Alten Reiches sind. 3.1.5 Typus Gv. V - Der Gefäßhalsverschluß Seiner Form und seiner Verwendung nach zu urteilen stellt Typus Gv. V nicht nur den meistgebrauchten und damit auch bekanntesten Gefäßverschluß überhaupt dar, sondern läßt sich bereits seit vorgeschichtlicher Zeit in Ägypten sowie im gesamten östlichen Mittelmeerraum318 und Vorderasien319 nachweisen.320 Darstellungen dieses Verschlußtypus in den Gräbern des Alten Reiches, nach denen eine auf einem Knoten sitzende, kleine schwarze Halbkugel321 auf dem Deckel bzw. an der Seite eines Gefäßes angebracht ist, zeigen, daß diese Verschlüsse im allgemeinen auf der Umschnürung eines Deckels bzw. eines von einer Lederhaut oder einem Stoff überspannten Gefäßes, genauer gesagt zwischen der Mündung und Schulterpartie desselben angebracht waren. Die Aufschriften benennen als Inhalt Honig322 sowie kostbare Öle und Essenzen,323 gelegentlich auch Wein324 und verschiedene Getreidearten,325 was zumindest für Produkte wie Öl, Salben und Essenzen sowie für den Nachweis von Deckeln auf die Versiegelung großer Steingefäße schließen läßt.326

Abrollungen auf den Verschlüssen belegen Amts-, Beamten-, Zivil- sowie Namenssiegel und weisen damit auf eine breitgefächerte Nutzung dieses Verschlußtypus hin. Aus der stadttopographischen Verteilung geht eindeutig hervor, daß die mit diesem Deckel versiegelten Milch- und Fettprodukte in der Oststadt von den mjtrTitelträger/innen angeliefert bzw. kontrolliert wurden, was, wie bereits bei Gv. III beobachtet, deren Bedeutung im Agrarbereich unterstreicht. Kontrolliert wurde vorwiegend von Verwaltungsangestellten des Versorgungswesens und der Lokalbeamtenschaft, was einerseits den Angaben Hrj wDA.t-“Lagerhausverwalter”, Hrj s(w)DA(.w)-“Oberster Bewahrer” und s(w)DA.t(j)“Bewahrer” sowie andererseits den Lokalbeamtentitelbezeichnungen rnw/jrj nw, rnw.t/jrj nw.t oder rnw.tj/jrj nw.tj zu entnehmen ist. Darüberhinaus zeigt die

318

M. Health-Wiencke,Kleinere griechischen Sammlungen, Corpus der minoischen und mykenischen Siegel V,1, Berlin 1975, S. 28 ff.: Typus: C- D. 319 M. Marcus, in: Aegeum 5, 1990, Tf. XXVII b; S. Herbord, Neuassyrische Glyptik des 8. - 7. Jh. v. Chr. unter besonderer Berücksichtigung der Siegelungen auf Tafeln und Tonverschlüssen, States Archives of Assyria Studies I, Helsinki 1992, S. 59 f. und Typ 3, Abb. 8. 320 Zur Versiegelung durch Applikation eines umlaufenden Lehmstreifens um den Gefäßhals im Mittleren Reich s. C. von Pilgrim, Elephantine XVIII , S. 237, Typ B mit Abb. 93 e und Tf. 38 p, q, r. Mit Recht vermutet von Pilgrim unter den “package sealings” aus dem Siegelmaterial der nubischen Festungen verkannte Vertreter dieser Verschließungs- und Versiegelungstechnik, s. hierzu ders., op. cit., Anm. 751. 321 Siehe hierzu einige Beispiele in G. Jéquier, Les Frises d´Objets des Sarcophages du Moyen Empire, MIFAO XLVII, Le Caire 1921, S. 142, Abb. 373-384. 322 E. Edel, Zu den Inschriften auf den Jahreszeitenreliefs der “Weltkammer” aus dem Sonnenheiligtum des Niuserre II. Teil, Göttingen 1963, S. 179 und Abb. 11. 323 Z. B. W. M. Fl. Petrie, Medum, London 1892, auf der Scheintür von Rahotep, Tf. XIII, oder W. K. Simpson, The Mastabas of Kawab, Khafkhufu I and II, Boston 1978, Grab G 7140, Abb. 30. 324 H. Altenmüller und A. M. Moussa, Das Grab des Nianchchnum und Chnumhotep, AV 21, Mainz 1977, Abb. 16 mit Verschließung und Versiegelung von Wein, wobei die Versiegelung als Dba.t bezeichnet wird. 325 H. Altenmüller und A. M. Moussa, op. cit., Abb. 13. 326 Mitunter J. E. Quibell, The Tomb of Hesy, Excavations at Saqqara (1911-12), London 1913, Tf. X und XXI; W. M. Fl. Petrie, a. a. O. sowie W. K. Simpson, a. a. O.

314 Von den sechs Verschlüssen dieses Typus, an denen ein Stoffabdruck auf der Unterseite erkennbar ist, wurden vier(!) aufgrund der Unlesbarkeit ihrer Aufschriften ausgesondert; zur Verwendung von Stoffgewebe bei der Verschließung eines Gefäßes, s. v. a. S. 22 f., Anm. 217. 315 P. Munro, in: SAK 10, 1983, S. 279, “...bemerkenswert sind die beiden Abrollungen auf dem flachen, runden Verschluß, dessen Unterseite auch den typischen Abdruck der Strohunterlage aufweist. Kombiniert mit dem Hinweis auf eine Weinlieferung aus dem pr dSr ...”. 316 Das gleiche Merkmal ist an Verschlüssen ähnlicher Form aus dem königlichen Grab von Horus Chasechemui Ende der 2./Anfang der 3. Dyn. nachzuweisen, die auch die Abdrücke von Amtssiegeln aus der Fett(Rinder)-Verwaltung aufweisen, s. hierzu J. E. Quibell, op. cit., Tf. 8, Abb. 198 und Tf. 9, Abb. 201; IÄF III, Tf. 59, Abb. 214 und Tf. 83, Abb. 314. Zum Gebrauch von Tierfett z. B. bei der Beleuchtung der administrativen Gebäude, wie es als Lieferungen in den Abusir Papyri verzeichnet ist, s. P. Posener-Kriéger, Archives Abousir, S. 220, 255 und 346, wo die Lieferungen von Fett/Rindertalg in ds-Biertöpfen Einheiten angegeben werden, wie auch S. 350 ff., 365, 373 und 629; vgl. auch im Neuen Reich die 91 Topfaufschriften mit der Angabe aD wAD-frisches Fett aus der Palastverwaltung von Amenophis III. in Malkata, W. Hayes, in: JNES 10, 1951, Abb. 10-11 und 91. 317 Hierzu ausführlich S. 25 ff.

32

DIE SIEGELABROLLUNGEN UND ROLLSIEGEL DER STADT ELEPHANTINE

Grundsätzlich lassen sich zwei Gefäßhalsverschlußtypen unterscheiden: Gv. V a, der meistens einen auf dem Gefäß mittels einer Schnur fixierten Stein327 oder Holzdeckel328 versiegelte, und Gv. V b, der auf der Umschnürung einer von einem Stoff überspannten Gefäßmündung saß.

Schnürungen auf, die jedoch aufgrund des schlechten Erhaltungszustandes nur schwer zu bestimmen sind. Verbzw. Umschnürungen des Lippenrandes bzw. Spuren der Schulterpartie lassen sich hingegen nur selten eindeutig nachweisen.335 Insgesamt sind unter den einzelnen Verschlüssen von Typus Gv. V a drei Beamtensiegel, fünf Zivilsiegel, ein Berufssiegel sowie zusätzlich sechs Personennamen auf spärlich erhaltenen Siegelbildern ausmachen.336

3.1.5.1 Der Typus Gv. V a Die Verschlüsse dieses Typus weisen eine Form auf, deren Länge 2 bis 4,3 cm und deren Breite 1,7 bis 3,8 cm betragen kann. Charakteristisch ist der Abdruck der Mündungs- und Schulterpartie des Gefäßes sowie der einer Umschnürung.329 Der Gefäßhalsverschluß ist als solcher von Kaplony in dessen Typologie zwar nicht eindeutig identifiziert worden, doch dürften die von ihm in einer späteren Publikation als Kastenverschlußfragmente vom Typus VI-4330 zugeordneten Verschlüsse unserem Typus Gv. V a entsprechen.

Von ersteren stammt eins aus der Nordoststadt, das den nicht näher zu bestimmenden Titel As(w) nsw.t“Königlicher[...]” trägt,337 die zwei anderen aus der Oststadt, von denen eines das unvollständige Siegelbild eines zS-Schreiber namens Bw nfr sowie den Beititel sAD trägt338 und das andere einen Titelträger benennt, der die Funktionen eines mA Htp nTr-“der die Gottesopfer beaufsichtigt”, eines sSm Htp.t-“Schlächter der Opfergaben” sowie eines xw(j) sx.w nTr-“Beschützer des göttlichen /Gottgeweihten Schlachthofes” und sSm.t(j)Schlächter erfüllte.339

Von den 135 Gefäßhalsverschlüssen unseres Materials entfallen auf diese Verschlußart insgesamt 15 Exemplare, von denen acht in der Oststadt, drei in der Nordoststadt und je zwei im Südbereich des Satettempels und der Festung gefunden wurden.331 Die Abdrücke lassen auf die Versiegelung von vier Gefäßgattungen mit unterschiedlich großen Mündungen schließen: kleine Gefäße mit 4-6 cm Dm, mittelgroße Gefäße mit 7-9 cm Dm, große Gefäße mit 10-16 cm Dm, bei denen es sich um Steingefäße handeln könnte - wofür auch der Abdruck eines Henkels spricht,332 der es demnach als Steinkrug ausweisen dürfte - sowie schließlich ein langhalsiges Gefäß von 6 cm Dm.333 In einem einzigen Fall konnte zusätzlich der Abdruck eines verschnürten Holzdeckels ausgemacht werden.334 Die Mehrzahl der Gefäßverschlüsse dieses Typus weist Abdrücke von

Fast sämtliche Zivilsiegelungen tragen unvollständige Siegelbilder. Dennoch sind auf einem ein rnw.tj/jrj nw.tj“Lokalbeamter” mit dem Beititel nfr mAa jz.t340 sowie auf zwei weiteren jeweils ein mjtr zu erkennen341. Auf den zwei übrigen Siegeln ist jeweils lediglich ein Beititel hb bzw. nfr mAa jz.t auzumachen.342 Die zwei Abrollungen eines sSm/sSm.t(j)-Schlächter, die in der Festung und in der Oststadt gefunden wurden,343 sind insofern von Bedeutung, als sie zum einen einen Berufsträger und einen priesterlichen Beamten nennen, der ansonsten äußerst selten belegt ist,344 und zum anderen aufgrund der aus der Tätigkeit des Schlachtens resultierenden Produkte oder Erzeugnisse auf die

327 Vgl. hierzu die Darstellung eines mit einem Henkel versehenen Krug aus Alabaster, an dem die zahlreichen Einlassungen rund um den Gefäßrand zur Verschnürung eines Steindeckels gedient haben dürften, s. G. A. Reisner, A History of the Giza Necropolis Vol. I (Tafeln), London 1942, Tf. 43 f., “Alabaster jug, Type XIV a.” aus Grab G. 2120 A. 328 J. Seeher und I. Rizkana , Maadi III: The Non-Lithic Small Finds and the Structural Remains of the Predynastic Settlement, AV. 80, Mainz 1989, S. 25 “find a lid made of cedar wood”, Tf. 10, Abb.9 und Tf. V, Abb. 13. 329 Siehe typologische Tafel VIII oben. 330 Kaplony ist entgegenzuhalten, daß die Fotos von den Abdrücken nicht, wie zu erwarten wäre, Spuren einer Holzmaserung, sondern stattdessen den Abdruck einer verschnürten glatten Fläche erkennen lassen, wie ihn die versiegelte Wandung von Keramik oder eines Steingefäßes hinterläßt, s. ders., in: CAA 8, Hildesheim 1979, 8,35 Nr. 2431, 8, 39-40 Nr. 2500 und 8, 41 Nr. 2501. 331 Oststadt: Kat. 500, 503, 507, 541, 632, 639, 645 und 649; Nordoststadt: Kat. 053, 091 und 095; Satet-Süd: Kat. 017 und 020; Festung: Kat. 207 und 258. 332 Oststadt: Kat. 632 und 639. 333 Oststadt: Kat. 507 334 Satet-Süd: Kat. 017 mit Holzdeckel. Zum Nachweis eines gewölbten Holzdeckels seit prä-historischer Zeit in Ägypten (Maadi), s. O. Menghin, in: MDAIK 3, 1932, S. 153 und Tf. XXVII 1a-b. Man beachte die Löcher, die zur Befestigung des Deckels auf dem Gefäß dienten.

335

Oststadt: Kat. 649 und Oststadt: Kat. 503 und 645. Satet-Süd: Kat. 020 mit dem Abdruck einer Gefäßmündung von10 cm Dm; Festung: Kat. 207; Oststadt: Kat. 500, 507 (langhalsiges Gefäß), 645 mit einem Gefäßabdruck von 15-16 cm Dm und Kat. 649 mit dem Abdruck der Mündung eines Gefäßes von 10 cm Dm. 337 Nordoststadt: Kat. 095 338 Oststadt: Kat. 632 mit dem Abdruck eines Henkels; zur Bedeutung dieses Beamten in der Stadt Elephantine siehe v. a. Tafel XXXVI mit Kartierung seiner Siegelaktivität in der Oststadt. 339 Oststadt: Kat. 541 mit einer Gefäßmündung von 5 cm Dm. 340 Oststadt: Kap. 639 mit dem Abdruck eines Henkels. 341 Nordoststadt: Kat. 053 mit Abdruck einer Gefäßmündung von 8-9 cm Dm; Satet-Süd: Kat. 017 mit dem Abdruck eines Holzdeckels sowie einer Gefäßmündung von 13 cm Dm. 342 Nordoststadt: Kat. 091 mit einer Mündung von 4 cm Dm; Oststadt: Kat. 503. 343 Festung: Kat. 258 mit einer Gefäßmündung von 8 cm Dm; Oststadt: Kat. 541. 344 Vgl. Kap. Berufssiegel, S. 116. 336

33

JEAN-PIERRE PÄTZNICK

Siegelungen von Gv. SATET-SÜD Va Lokal: Beamtensiegel + Zivilsiegel Lokal: Zivilsiegel mjtr 1+Holzdeckel Lokal: Zivilsiegel +Beititel/Epitheta +rnw.tj rnw.tj Lokal: Berufssiegel Lokal: Unbestimmbares Gesamt

FESTUNG

NO-STADT

OSTSTADT

Gesamt

1

1 1+Henkel

2 1

1

2

1

1 1+Henkel

2 1

1 1 2

3

3 1

1 2

4 8

3

6 15

Tabelle13: Stadttopographische Verteilung der Siegelungen von Gv. V a Versiegelung eines Steingefäßes schließen lassen.345 Abgesehen von diesen beiden eindeutigen Beispielen läßt sich der Inhalt der übrigen Gefäße, die mit dem Gefäßverschluß Gv. V a versiegelt wurden, nicht bestimmen.

Von den insgesamt 135 registrierten Gefäßhalsverschlüssen entfallen allein 120 (88,6%) auf Typus Gv. V b. Hiervon stammen 68 (57,2 %) aus der Oststadt, 39 aus der Festung, neun aus der Nordoststadt und vier weitere aus dem Südbereich des Satettempels. Die herausragende Bedeutung der zwei Stadtbereiche Festung und Oststadt, d. h. der zwei ehemaligen, zeitlich aufeinanderfolgenden Wirtschaftszentren der Stadt Elephantine, wird damit besonders erkennbar.

3.1.5.2 Typus Gv. V b An der Unterseite dieser Verschlüsse finden sich die Abdrücke des unteren Teils der Mündung des Gefäßes sowie die leicht gewölbte glatte Seite seiner Schulterpartie, an der meistens Reste einer feinmaschigen Gewebestruktur erhalten sind. Ebenso ist im Bereich des Gefäßhalses die mehrfache Verschnürung eines meist feinmaschigen Leinenstoffes zu erkennen.346

Topo. Vert. Gv. V b 70

Verschlüsse

60 50 40

Gv. V b scheint als eigenständiger Verschluß in der Kaplonyschen Typologie nicht eindeutig erkannt worden zu sein. Möglich ist jedoch, ihn mit dessen Typus des Beutelverschlusses zu identifizieren, wofür der Abdruck eines umschnürten Leinenstoffes sprechen würde.347

30 20 10 0 Festung

345 Zu den Gefäßen bei Schlachtungszenen s. z. B. L. Epron, F. Daumas, H. Wild, Le Tombeau de Ti, Fasc. I+II - Les approches de la Chapelle -, MIFAO 65, Le Caire 1939/1953, Tf. XIII mit der Angabe von 50 Dw(jw.w)t-Gefäßen und Tf. L (A) mit der Angabe von anDwGefäßen; H. Wild, Le Tombeau de Ti , Fasc. III -La Chapelle-, Le Caire 1966, Tf. CLXIII und Tf. CLXXIX, wo Gehilfen bei der Schlachtung von Tieren abgebildet sind, die verschiedene anDw-Gefäße tragen. Form und v. a. vermeintlicher Inhalt dieser Behälter, wie z. B. Blut, Eingeweide und Herz legen m. E. für die Aufbewahrung den Gebrauch von Steingut nahe. 346 Siehe Anhang typologische Tafel VIII. 347 Eine Unterscheidung war nur insofern möglich, als die Verschlüsse von Typus Gv. V b zum einen den glatten regelmäßigen Abdruck eines von einer Schnur umbundenen, feinmaschigen Leinenstoffes und zum anderen Durchmesser von 4-15 cm aufweisen, die weder für einen Beutel noch für einen Sack in Frage kommen können; hingegen findet sich auf dem Abdruck eines zusammengebundenen Sackes der Nachweis eines zerknitterten grobmaschigen Leinenstoffes sowie einer dicken Kordel. Zum möglichen Nachweis von Paket- bzw.

Satet-Süd

NO-Stadt

Oststadt

Tabelle14: Stadttopographische Verteilung von Gv. V b Ebenso aufschlußreich ist die Betrachtung der auf diesen Verschlüssen angebrachten bzw. erkennbaren Abrollungen, wonach alle bisher erfaßten Siegelungskategorien - Amts-, Beamten-, Zivil-, Berufs-, Namens- und Frauensiegel - vertreten sind. Aus verfüllten Fundkontexten eines Raumes und eines Speichers aus der Oststadt stammt je eine unvollständige Amtssiegelung, die an den Beginn der 3. bzw. in die 6. Dynastie datiert. Während sich auf der einen ein in der Regierungszeit des Sackschnüren in einem Siegelmaterial der 1. Hälfte der 4. Dyn. in Giza s. K. Kromer, Siedlungsfunde aus dem frühen Alten Reich in Giseh, Wien 1978, S. 93.

34

DIE SIEGELABROLLUNGEN UND ROLLSIEGEL DER STADT ELEPHANTINE

die unvollständigen Siegelbilder eines zS-Schreiber,362 darunter auch eines zS pr Sna-Schreiber der Verarbeitungs- und Produktionsstätte Bw nfr363 auf eine Kontrollfunktion im Rahmen der lokalen Versorgung hin. Zudem ist auf teilerhaltenen Siegelungen ein zAb tAj.t(j)“Oberrichter”364 sowie ein vielleicht als mr Hs.t“Vorsteher der Sängerinnen”365 zu lesender Titel genannt. In diesem Zusammenhang sei noch auf zwei Siegelungen eines Hsw-Sänger hinzuweisen, der auch im Amt eines rnw.tj/jrj nw.tj-“Lokalbeamter” stand.366 In diesen administrativen Kontext fügt sich auch eine Siegelung eines rnw/jrj nw-“Lokalbeamter”,367 der eine nicht näher zu präzisierende Funktion, vermutlich mit der pr mjtrDomäne/Verwaltung der mjtr-Leute, ausgeübt haben könnte.

Horus Netjerichet amtierender xrp mjtr-Leiter der mjtrAngehörigen348 findet, weist die andere den Rest des ¡r anx[…]des Horusnamens des Königs Merenre I. sowie zusätzlich den Abdruck einer Gegensiegelung mit einem Knopfsiegel349 auf. Von den insgesamt 28 Beamtensiegeln stammen 16 aus der Festung, neun aus der Oststadt, zwei aus dem Südbereich des Satettempels sowie eine aus der Nordoststadt-Erweiterung. Die auffällige Konzentration der 16 Beamtensiegelungen in der Festung, insbesondere in ihrem Südbereich, deutet auf die verschiedenen Tätigkeiten von Verwaltungsangestellten des Versorgungswesens hin, wie z. B. Hrj (w)DA.t-Lagerhausverwalter,350 Hrj s(w)DA(.w)“Oberster Bewahrer”,351 Hrj mA-“Kontrollbeamter”.352 Darüberhinaus machen Angaben wie Hrj mA zj“Kontrollbeamter des Widders” und nxb-“Priester”353 sowie Sms nTr.t-Begleiter der Göttin354 oder wDA.t(j) jA.t nTr/nTr.t-“der für die Magazine Verantwortliche an der Stätte des Gottes bzw. der Göttin”355 oder der Nachweis eines jrj x(w).t nsw.t-“der vom König Beschützte”356 die besondere Funktion dieses Areales innerhalb des Versorgungswesens der Stadt und für die damalige Tempelverwaltung deutlich. Hinsichtlich der funktionellen Bestimmung der Festung bzw. ihres Südbereichs ist der Befund in einem der letzten Benutzungshorizonte von Raum XI a besonders aufschlußreich. Die dort gefundenen Gefäßhalsverschlüsse des Typus Gv. V b lassen auf die Versiegelung zweier Gefäßmündungen von 6 und 10 cm Dm schließen, die je “tour à tour” das Siegel von drei verschiedenen Titelträgern, einem zA stp.t-“Der für den Schutz der Fleischstücke bzw. für das Erlesenste Zuständige”,357 einem Sms-Begleiter358 und einem Hzmn/Hmr-“Der für Natron/Salz Zuständige”359 tragen, was möglicherweise durch die Existenz eines in Raum XI a tätigen, rotierenden Phylensystems zu erklären wäre, was wiederum der Raum als Magazin identifizieren würde.360

Ganze zwei Beamtensiegelungen waren im Südbereich des Satettempels nachzuweisen, von denen eine von einem Hrj mA-“Kontrollbeamter” als rnw/jrj nw“Lokalbeamter” stammt, während die andere die unvollständige Abrollung eines rnw.tj/jrj nw.tj“Lokalbeamter” darstellt, der zugleich jrj sSr.t-“Hüter der Milchkühe” war.368 In der Nordoststadt-Erweiterung war lediglich ein einziges vollständig erhaltenes Siegelbild eines Sms-Begleiter samt der Titelangabe DA(j) Hrj369 nachzuweisen. Die Zivilsiegelungen stellen mit 61 Objekten den größten Anteil innerhalb der 120 registrierten Abrollungen dieses Verschlußtypus dar. Von ihnen stammen 44 aus der Oststadt, elf aus dem Festungsareal, fünf aus der Nordoststadt+Erweiterung und eine aus dem Südbereich des Satettempels. Aufgrund des unterschiedlichen Erhaltungszustandes der Abrollungen sind die Zivilsiegelungen in drei Gruppen aufzuteilen: eine erste mit sieben Lokalbeamtenbezeichnungen rnw/jrj nw, rnw.t/jrj nw.t und rnw.tj/jrj nw.tj, eine zweite mit 37 Nachweisen von mjtr-Leuten und schließlich eine dritte Gruppe, unter die alle übrigen teilerhaltenen Siegelbilder subsumiert sind und auf denen sich lediglich einzelne Beititel und/oder Epitheta als Zusatz zu einem - erhaltenen oder fehlenden Personennamen finden.

Im Unterschied dazu finden sich unter den in der Oststadt gefundenen neun Beamtensiegelungen - abgesehen von dem Nachweis eines Sms-Begleiter361 bezeichnenderweise gänzlich andere Titelträger als bislang in den übrigen Stadtbereichen. Zum einen weisen

362 Oststadt: Kat. 402 und 454. Die letztgenannte Abrollung weist zusätzlich den Titel rnw.tj/jrj nw.tj-“Lokalbeamter” auf. Siehe hierzu ausführlich S. 124 ff. 363 Oststadt: Kat. 656 364 Oststadt: Kat. 588 365 Oststadt: Kat. 514 366 Oststadt: Kat. 626 und 638. 367 Oststadt: Kat. 439 368 Satet-Süd: Kat. 003 und 006. Letztere Siegelung stammt von einer Abrollung des Rollsiegels Kat. 005, hierzu S. 10 und Anm. 78. 369 Nordoststadt-Erw.: Kat. 040; hier ließe sich der Titel zunächst als eine invertierte Form von Hrj wDA.t-“Lagerhausverwalter” verstehen, s. hierzu S. 110, Anm. 1139. Aufgrund des Titels Sms(w)-“Gefolgsmann” sowie des entsprechenden Tätigkeitsumfeldes (Expedition, Reise, Transport), wäre auch vorstellbar den besagten Titel mit DA(j) Hrj“Oberster Überfahrer/ Oberster Fährmann” wiederzugeben, wofür auch der Inselcharakter Elephantines zu sprechen scheint. Zu DA(j)-“Zu Schiff überfahren, jdn. übersetzen”, s. WB V, S. 512 f. Zu DA für eine beim Begräbnis tätige Person, s. WB V, S. 515, Anm. 7.

348

Oststadt: Kat. 657, s. S. 70. Oststadt: Kat. 665, s. S. 82 f. Festung: Kat. 133 und 135, siehe auch s. S. 99 ff. 351 Festung: Kat. 132, 205 und 244; zum Titel siehe auch S. 104 ff. 352 Festung: Kat. 224 und auch S. 102 ff. 353 Festung: Kat. 192 u. S. 200. 354 Festung: Kat. 220 u. S. 110. 355 Festung: Kat. 114 356 Festung: Kat. 200; zur Lesung des Titels s. S. 94 ff. 357 Festung: Kat. 160 und 163. 358 Festung: Kat. 166 und S. 108 ff. 359 Festung: Kat. 168 und 170; zur umfangreichen Siegeltätigkeit dieses Betitelten s. S. 142 sowie 201. Zu Lesungs- und Deutungsvorschlag siehe ausführlich S. 194. 360 Siehe hierzu S. 201. 361 Oststadt: Kat. 491 349 350

35

JEAN-PIERRE PÄTZNICK

Siegelungen von Gv. V b Staatlich: Amtssiegel Lokal:Beamtensiegel +rnw/jrj nw +rnw.tj/jrj nw.tj +mjtr Lokal: Berufssiegel Berufsmarke Lokal: Zivilsiegel mjtr mjtr.t mjtr.t Lokal: Zivilsiegel Frauensiegel+Epith. Lokal: Zivilsiegel rnw/jrj nw rnw.t/jrjnw.t rnw.tj/jrj nw.tj

Festung

14 1

Satet-Süd

NO-Stadt

Oststadt

1

2 5 1 3

1 1

1 1 1 9

5

2 28

1

3

21 2

37

1

1

2 1 3 16

1

Gesamt

2 1 4

7 16

Lokal: Zivilsiegel + Beititel / Epitheta Lokal:Namenssiegel

1

Lokal: Unbestimmbar

9

1

3

12

25

Gesamt

39

4

9

68

120

1

Tabelle15: Verteilung der Siegelungen auf Gv. V b auf die Stadtgebiete Festung und fünf aus der Nordoststadt,375 wogegen diese in Satet-Süd vollkommen fehlen.

Auffällig ist zunächst der Befund im Südbereich des Satettempels, wonach der einzige Nachweis einer Zivilsiegelung von einem Vertreter der dort tätigen Lokalbeamtenschaft stammt, wie die Siegelung rnw.tj/jrj nw.tj beweist.370 Im Unterschied dazu fehlen diese in der Nordoststadt völlig, während im Festungsbereich zwei Siegelungen dieser rnw/jrj nw-“Lokalbeamter” zu finden sind,371 unter ihnen zudem die älteste ihrer Art, was insofern von großer Bedeutung ist, als sie die ägyptische Besiedlung der Festung von Elephantine frühestens in die Mitte bzw. 2. Hälfte der 2. Dynastie chronologisch verortet.372 Von den vier Siegelungen der Lokalbeamtenschaft aus der Oststadt sind drei den rnw.tj/jrj nw.tj zuzuweisen,373 die vermutlich in die lokale Tempelbehörde eingebunden waren, während die vierte von einem dem Lokalbeamten rnw.t/jrj nw.t374 stammt.

Allein neun der insgesamt elf Zivilsiegelungen aus der Festung lassen sich den mjtr zuordnen, was auf eine verhältnismäßig intensive Siegeltätigkeit derselben in diesem Bereich hindeutet.376 In der Oststadt ist mit 23 Siegelungen die größte Zahl von mjtr nachzuweisen,377 die damit wenig mehr als die Hälfte der insgesamt in diesem Stadtbereich belegten Zivilsiegelungen (44) ausmachen. Von nicht geringer Bedeutung sind die Abdrücke von mjtr.t, was Indiz für weibliche

375

Nordoststadt: Kat. 051, 075, 096, 097 und 104. Festung: Kat. 113, 143, 156, 174, 179, 184, 223, 236 und 255. Kat. 184 weist den Zusatz nb S / nb mr auf, was man zunächst mit - Besitzer eines S-Garten bzw. einer mr- Anlage - wiedergeben könnte. Da das längliche rechteckige Zeichen u. a. auch als Kurzschreibung für grg.t (WB V, S. 188, Pyr., a) bzw. für sTA.t-Arure (WB IV, S. 356 Abk. a, sait.) stehen kann, wäre m. M. n. die Lesung nb grg.t-“Besitzer einer Ansiedlung” sowie nb sTA.t-“Besitzer einer Arure” (eine von einer Arure 52 m x52 m gebildeten Grundfläche) durchaus gerechtfertigt, zumal die Fläche, auf der die ägyptische Festung errichtet wurde, einer Arure (52 mx52 m) entspricht. Zur Funktion der mjtr-Leute innerhalb der Agrarwirtschaft siehe ausführlich S. 141 ff. 377 Oststadt: Kat. 287, 397+Beititel nfr mAa jz.t, 400, 418+Epith. anx mr nsw.t, 447+wDA.t-Speicher, 481- 482, 487+Beititel nfr mAa jz.t, 518+Epith. anx mr nsw.t, 531, 535, 555+Epith. anx mrjj nTr, 592, 597598, 605, 612, 617, 624, 647 und 652. 376

Von den insgesamt 37 registrierten Siegelungen von mjtrTitelträgern stammen 23 aus der Oststadt, neun aus der

370

Satet-Süd: Kat. 011 Festung: Kat. 150 und 270. 372 Festung: Kat. 270; s. hierzu Tabelle 85 sowie J.-P. Pätznick, in: MDAIK 55, 1999, S. 166-173, Tf. I - II. 373 Oststadt: Kat. 411, 502 und 640. 374 Oststadt: Kat. 383. Es handelt sich hierbei um eine Siegelung des Beamten @m nb=f. 371

36

DIE SIEGELABROLLUNGEN UND ROLLSIEGEL DER STADT ELEPHANTINE

Verschlußtyp Gv. V a

Festung 2

Satet-Süd 2

Gv. V b

39

4

Gesamt

41

6

NO-Stadt + Erw. 3

Oststadt 8

Gesamt 15

9

68

120

12

76

135

Tabelle 16: Stadttopographische Verteilung der Gefäßhalsverschlüsse Siegeltätigkeit378 und damit die Einbindung von Frauen in der Verwaltung bzw. deren Zugehörigkeit zu dieser Sozialgruppe sind.

Fläche auszumachen ist, was anzeigt, daß Gv. V genau auf der Umschnürung, bzw. zwischen Mündung und Schulterpartie des Gefäßes saß. Zu unterscheiden sind zwei Verschlußtypen: Gv. V a und Gv. V b. Während erstes neben dem Gefäßrandabdruck dicke Verschnürungsspuren aufweist, ist für Gv. V b der Abdruck eines über den Gefäßrand gespannten und anschließend umschnürten Leinenstoffes charakteristisch. Beide Versiegelungen sind in Ägypten sowohl ikonographisch - auf Grabdarstellungen des AR - als auch archäologisch bis in die römische Zeit gut dokumentiert.

Eine letzte Gruppe von 16 Zivilsiegelungen ist insofern von etwas geringer(er) Aussagekraft, als sich auf ihnen lediglich die Beititel nfr mAa jz.t,379 sAD380 bzw. sAD jz.t381 sowie hb382 und mAa nfr383 oder epithetische Bezeichnungen wie anx mrr nsw.t,384 nfr zA(jxt)385 und mA jb nDm nsw.t386 finden. Abschließend sind noch 25 Siegelungen zu erwähnen, die zwar in allen untersuchten Stadtgebieten vorkommen, jedoch aufgrund ihres schlechten Erhaltungszustandes unbestimmt bleiben müssen.387

Das Elephantiner Siegelmaterial zählt insgesamt 135 Verschlüsse, die dem Typus Gv. V - Gefäßhalsverschluß - zuzuordnen sind, wobei 15 auf Gv. V a und 120 auf Gv. V b entfallen. Die topographische Verteilung beider Verschlußtypen zeigt, daß die Oststadt und das Festungsareal mit 76 bzw. 41 Verschlüssen allein 88,9 % des gesamten Bestandes ausmachen, während gerade zwölf Objekte auf die Nordoststadt und ihre Erweiterung sowie sechs auf den Südbereich des Satettempels entfallen. Auffällig ist, daß von Gv. V a elf aus den Bereichen Oststadt und Nordoststadt und von Gv. V b 107 aus den Bereichen Festung bzw. Oststadt und damit aus den damaligen Wirtschaftszentren der Inselstadt stammen.

Zu diesem Befund kommen schließlich noch zwei weitere Berufssiegelungen von Hm.tj-“Kupferschmied”388 aus der Oststadt und Festung, zudem auch die eingeritzte Berufsmarke eines sSm.t(j)-Schlächter389 auf Gv. V b zu zählen ist. Eine einzige Namenssiegelung aus der Festung weist möglicherweise auf die Abgaben eines Privatmannes hin, wie dies bereits bei Gv. V a beobachtet wurde.390 3.1.5.3 Zusammenfassung

Da die mit Gefäßhalsverschlüssen versehenen Gefäße lediglich für einen kurzen Transportweg oder bestenfalls für eine kurzzeitige Lagerung vorgesehen sein dürften, sind die Siegelungen v. a. aus offiziellen und lokalen Verwaltungsbereichen, aber auch aus dem privaten Bereich Hinweis auf das lokale Versorgungswesen. Dabei kommt den insgesamt 37 Siegelungen von mjtrStatusträgern bzw. -trägerinnen insofern eine besondere Bedeutung zu, als sie sehr wahrscheinlich einen Personenkreis verkörperten, der die Festung, die Nordoststadt und v. a. die Oststadt in der Hauptsache mit Gv. V b verpackten Waren belieferten, die anschließend von Verwaltungsangestellten des Versorgungswesens und der Lokalbeamtenschaft sowie vom Schreiber der pr SnaVerarbeitungs- und Produktionsstätte kontrolliert, registriert, gelagert und später wieder verteilt wurden. Konkrete Rückschlüsse auf einen möglichen Inhalt der Gefäße sind zwar so gut wie keine möglich, doch belegen Ikonographie und Archäologie, daß von einem vielfältigen Gebrauch dieser versiegelungstechnischen Besonderheit auszugehen ist, das demnach zur

Charakteristisch für den Gefäßhalsverschluß ist im allgemeinen weniger seine Form, die sich kaum von einer Tonbulle unterscheidet, als vielmehr der Abdruck einer Umschnürung, die auf einer leicht konvexen, glatten 378

Oststadt: Kat. 284 und 480+Epith. anx mrr nsw.t; zu den Frauensiegeln siehe ausführlich S. 121 f. 379 Oststadt: Kat. 354, 486, 549 und 614; Kat. 401 weist beides, nfr mAa jz.t und sAD, auf. 380 Kat. 318, 378 und 618. 381 Kat. 606 382 Kat. 489 und 594. 383 Kat. 648 384 Kat. 488 und 604. 385 Kat. 489 386 Kat. 496 und 596 387 Satet-Süd: Kat. A004; Nordoststadt: Kat. 062, 064 und 103; Festung: Kat. 130, 176, 189, 204, 209, 210, 218, 262 und 264; Oststadt: Kat. 285, 297, 319, 359, 374, 497, 505, 528, 615 und A 327 und 335. 388 Festung: Kat. 227 und Oststadt: Kat. 629. 389 Festung: Kat. 253 390 Festung: Kat. 177, zu den Namenssiegeln siehe ausführlich hierzu S. 118 ff.

37

JEAN-PIERRE PÄTZNICK

Siegel

Amtssiegel

Beamtensiegel

Berufssiegel

Zivilsiegel+ rnw/rnw.tj

Gv. V a Gv. V b

0 2

3 28

1 3

3 7

Zivilsiegel+ mjtr mjtr.t 2 37

NamensSiegel 0 1

Tabelle 17: Verteilung der Siegelungen von Gv. V a und Gv. V b Gefäßverschlüsse Topfverschl.: Stöpselverschl.: Pfropfenverschl.: Deckelverschl.: Gefäßhalsverschl.: Gesamt Ausges.+Unklar

Gv. I Gv. II Gv. III Gv. IV Gv. V

Festung

Satet-Süd

11 1 3 3 41 59

11 2

NO-Stadt NO-Stadterw. 5 2

3 6 22

3 12 22

Gv. 0

Oststadt

Gesamt

80 4 4 22 76 186

107 9 7 31 135 289 56 345

Tabelle 18: Stadttopographische Verteilung aller Gefäßverschlüsse Bislang waren im Elephantiner Siegelmaterial insgesamt 345 Gefäßverschlüsse nachzuweisen, von denen 56 aufgrund ihrer ungesicherten typologischen Zuordnung sowie der Unlesbarkeit der Aufschriften ausgesondert wurden. Die charakteristischen Formen der übrigen 289 Verschlüsse lassen grundsätzlich fünf unterschiedliche Verschlußformen erkennen - Topfverschlüsse (Gv. I), Stöpselverschlüsse (Gv. II), Pfropfenverschlüsse (Gv. III), Deckelverschlüsse (Gv. IV) und Gefäßhalsverschlüsse (Gv. V) -, von denen auf Gv. I mit 107 und Gv. V mit 135 Objekten allein knapp 82,5 % entfallen.

3.1.6 Die Gefäßverschlüsse: Gesamtzusammenfassung Konservierung unterschiedlicher Produkte, wie z. B. gepökeltes Fleisch oder Fisch, Wein, Naturalien aller Arten und nicht zuletzt auch von Salzbarren oder Natron gedient haben könnte.391 Bemerkenswert hierbei ist der Befund in Raum XI a der Festung, in dem die gelagerten Gefäße möglicherweise Natron bzw. Salz beinhaltet haben könnten, welches regelmäßig durch Angehörige eines rotierenden Phylensystems überprüft und mit einem Gefäßverschluß des Typs Gv. V b versiegelt wurde. Der Nachweis von Siegelungen der Lokalbeamtenschaft rnw.tj/jrj nw.tj in der Oststadt und im Südbereich des Satettempels ist ebenfalls Hinweis auf die Kontrolle und Versiegelung eines kostbaren Produktes. Belege von sSm-Schlächter und Hm.tj-Kupferschmied dürften einerseits auf die Verwendung von Salz bei der Konservierung bzw. Einpökelung von Fleischstücken, andererseits auf seine Verwendung bei der Metallbearbeitung schließen lassen.

Materielle Spuren an der Unterseite der Gefäßverschlüsse von Abdeckscherben, Lehmstopfen sowie bastenähnlichen Gräsern, Textilien, einem Holz- bzw. konvexen Steindeckel deuten nicht nur auf die Vielfalt der Verschließungsverfahren hin, sondern ermöglichen zudem insofern eine Näherbestimmung der jeweils angewandten Methode, als sie Hinweise auf die Qualität des Inhaltes sind, ja sogar Vermutungen über den selben erlauben. Jedoch ist zu bedenken, daß die einzelnen Charakteristika, die in der nachfolgenden Tabelle aufgezeigt sind, in ihrer Verwendung sehr variabel sind und demzufolge lediglich bestimmte Tendenzen bzw. allgemeine Beobachtungen aufzeigen.

Diesem Gesamtbefund ist zu entnehmen, daß die Gruppe der mjtr aufgrund ihres zahlreichen Vorkommens auf Versiegelungen des Typus Gv. V b in fast allen Stadtbereichen die für Wirtschaft und Tempel notwendige Salz- und Natronproduktion kontrolliert bzw. als Zulieferer dafür fungiert haben dürften.

391 Hingewiesen sei auf die grundlegende Bedeutung von Salz innerhalb der altägyptischen Verwaltungs- und Sozialstrukturen, das sehr wahrscheinlich bei Expeditionen zur nahegelegenen Oase Charga abgebaut und nach Elephantine transportiert wurde - ein Sachverhalt, dem bislang viel zu wenig Beachtung geschenkt wurde, so daß auch hier eine eingehende Untersuchung zu wünschen wäre.

38

DIE SIEGELABROLLUNGEN UND ROLLSIEGEL DER STADT ELEPHANTINE

Gefäßverschl. Gv. I Topfverschluß Gv. II Stöpselverschl. Gv. III Pfropfenverschl. Gv. IV Deckelverschl. Gv.V Gefäßhalsverschl.

Abdeckscherbe Getreide

Textilien

Pflanzliches Material Wein

Kein Abdruck

Naturalien

Eingelegtes Produkt Milchprodukt Eingelegtes Produkt Milchprodukt

Tierfett

Natron/Salz Naturalien Wein

Tabelle 19: Gefäßverschlüsse und möglich versiegelte Gefäßinhalte Die Untersuchung der materiellen Spuren zeigt, daß die weit verbreitete, sowohl in den königlichen Grabanlagen als auch in denen hoher Beamter der Frühzeit392 belegte Verschließungspraxis, bei der die Gefäßöffnung zunächst mit einem Tondeckel in Form einer umgekehrten Untertasse bedeckt und anschließend bis zur Schulterpartie mit einer Lehmmasse überzogen wurde, an den Gefäßverschlüssen in unserem Material nicht nachzuweisen ist. Stattdessen findet sich in vielen Fällen u. a. der Abdruck einer Abdeckscherbe bzw. war diese selbst noch im Lehm eingebettet. Eine derartige Art der Verschließung ist seit vorgeschichtlicher Zeit sowohl in den alten Kulturen des Vorderen Orients als auch in Ägypten selbst belegt und stellt zusammen mit der Verwendung von Steinen, Tierhäuten, Textilien oder von Holzdeckeln eines der ältesten Gefäßverschließungsverfahren dar. Dieses findet sich in unserem Material in geradezu charakteristischer Weise fast ausschließlich an den Topfverschlüssen des Typus Gv. I und ist somit besonders in Verbindung mit dem gelegentlich belegten Amtssiegel der Getreideverwaltung - Hinweis auf eine langfristige Lagerung oder den Transport von Gütern fester Art, wie z. B. Getreide, Trocken- oder Hülsenfrüchte. Bemerkenswert hierbei ist der Nachweis von Amts- und Beamtensiegel, was einerseits für eine staatliche Versorgung der Stadt aus dem außerhalb von Elephantine gelegenen Zentralversorgungszentrum spricht und andererseits die Bedeutung des lokalen Versorgungswesen betont, was besonders den Siegelungen der Schreiber auf diesen Gefäßverschlüssen zu entnehmen ist.

Siegelmaterial sowie Hinweise in Sekundärquellen legen als möglichen Inhalt eines mit einem Grasbüschel sowie einem Lehmbatzen zugepfropften Gefäßes ein Milchbzw. Sauermilchprodukt, wie z. B. smj-Dickmilch, nahe. Nachweise von mjtr sowie eines rnw/jrj nw mr.t deuten darüberhinaus nicht nur auf die Existenz einer landwirtschaftlichen Behörde hin, in der beide Gruppen tätig waren, sondern zudem auf die Kontrolle der Landwirtschaftsproduktion und insbesondere der Milchproduktion seitens der Stadtverwaltung.

Die Verwendung bastähnlicher Gräser bei der Verschließung von Gefäßen ist - von wenigen Exemplaren des Typus Gv. IV abgesehen - fast ausschließlich an den Verschlüssen des Typus Gv. III nachzuweisen. Beobachtungen am vorliegenden

Gefäßverschluß Gv. II fungierte ausschließlich als Stöpsel, der - unbeschriftet - als Primärverschluß die Mündung des Gefäßes bedeckte und anschließend von einem Topfverschluß Gv. I überzogen wurde. Es handelt sich hierbei um ein doppeltes Verschließungsverfahren, das aus Grabdarstellung des Alten Reiches bekannt ist, wo es im Zusammenhang mit der Bierproduktion

Demgegenüber lassen Gv. V bzw. insbesondere Gv. V b zwei Verschließungsverfahren, bei denen ein auf das Gefäß gelegter Deckel aus Holz, Stein oder pflanzlichem Material am Gefäß bzw. an seiner Schulterpartie versiegelt, bzw. ein über die Gefäßöffnung gespannter, unterhalb des Lippenrandes festgeschnürter feinmaschiger Stoff aufgedrückt wurde, auf Naturalien und Wein, wahrscheinlich auch Natron bzw. Salz als möglicher Inhalt schließen. Die auffallend hohe Zahl von mjtr Siegelungen auf Verschlüssen des Typus Gv. V b sind m. A. n. deutlicher Indiz für deren Kontrollfunktion bei der Salz- bzw. Natronproduktion bzw. Lagerung, wodurch ein weiterer Tätigkeitsbereich der mjtr-Angehörigen erkennbar wird. Darüberhinaus macht der Nachweis von rnw.tj/jrj nw.tj Siegelungen auf Gefäßverschlüssen vom Typus Gv. V b die Kontrollfunktion der Lokalbeamten der Stadtverwaltung deutlich, was wiederum die Bedeutung des versiegelten Produktes für die lokale Wirtschaft und vielleicht auch für die Kultpraxis im Falle eines Natron-oder Weininhaltes besonders hervorhebt.

392

W. B. Emery, ¡or-AHa - Excavations at Saqqara 1937-1938, Cairo 1939, S. 19 und Abb. 10; J. E. Quibell, op. cit., Tf. 10 und Nr.11052, 11056, Tf. 13 und Nr. 11238, 11256, 11264, Tf. 16 und Nr.11355,11375; E-M. Engel, in: MDAIK 52,1996, S. 68 , Abb. 24 b.

39

JEAN-PIERRE PÄTZNICK

Siegelungen v. Gefäßverschl. Staatlich: Amtssiegel Lokal: Beamtensiegel Lokal: Zivilsiegel rnw/rnw.t rnw.tj Lokal: Zivilsiegel mjtr mjtr.t

Gv. I

Gv. II

Gv. III

12

Gv. IV

Gv. V

Gesamt

1

2

15

34

6

3

9

31

83

10

2

1

1

10

24

2 1

7 2

37 2

62 6

68

2

3 1

5 2

7

1 1

1 1

3 2

5

16 1

Lokal: Berufssiegel Berufsmarke

1

Lokal: Namenssiegel Frauensiegel

1

Nubisch

1

Gesamt

75

1

9

7

24

88

203

Tabelle 20 : Gesamtüberblick der Siegelungen auf den Gefäßverschlüssen (Gv. I, II, III, IV und V) begegnet.393 Abdrücke von Textilien an der Unterseite einiger Verschlüsse legen den Schluß nahe, daß solcherart versiegelte Gefäße eingelegte Produkte, wie z. B. Fleisch zum Inhalt hatten, wofür zudem der Nachweis eines Schlächters auf einem Topfverschluß spricht.

an ihnen keinerlei materielle Spuren auszumachen, wohingegen der Nachweis von Gräsern an anderen Verschlüssen Indiz für die Verschließung von Milchprodukten ist. Die Siegelungen lassen hierbei nicht nur Abrollungen verschiedener Verwaltungsangestellter des Versorgungswesens oder von Angehörigen der Lokalbeamtenschaft erkennen, sondern auch mehrere Privatsiegelungen in Form von Namenssiegel.

Charakteristisch für den Verschlußtypus Gv. IV ist seine flache Form, weswegen er ausschließlich als Deckel verwendet wurde. Dabei konnten mit ihm einerseits Gefäße, die Tierfett oder eine ähnliche Konsistenz beinhalteten, verschlossen werden. In diesem Falle waren

3.2 Die Tonbullen Generell werden damit meist kleine gesiegelte, fein geschlämmte Lehmverschlüsse bezeichnet, die auf einem Knoten saßen oder an einer Verschnürung angebracht waren.394 Bedingt durch die unterschiedliche Größe der Knoten und des zu verschnürenden Gegenstandes weisen sie oft verschiedene Formen auf.

393

Es lassen sich elf Beispiele anführen, bei denen meistens ein Topfverschluß vom Typus Gv. I a-c verwendet wurde bzw. der dargestellte “frische Lehmpfropfen” als Typus Gv. II a zu erkennen ist, wohingegen in der Fachliteratur auch andere Gefäßverschlußtypen, wie z. B. Gv. IV a bzw. ähnliche Lehmpfropfen oder Tondeckel begegnen. Form und Größe des Durchmessers legen zwei Verschlußarten zugrunde: bei der einen wurde die Mündung kurzlippiger Vorratsgefäße, bei der anderen der Gefäßhals bzw. breitere Lippenrand einer Flasche bedeckt. Der Sinn eines solchen Verfahrens bestand offensichtlich nicht darin, ein Gefäß hermetisch zu verschließen, sondern ist vielmehr in seinem häufigeren Gebrauch zu suchen, womit er wie ein abnehmbarer Stöpsel fungierte. Wollte man den Inhalt länger konservieren, so erfolgte eine Verschmierung der Nahtstelle zwischen Lippenrand des Gefäßes und Oberteil der Verschlusses, die anschließend von einer Lehmhaube des Typus Gv. I c überzogen wurde.

394 Zur Vielfalt der bislang gebrauchten Fachtermini s. O. Keel, Corpus der Stempelsiegel - Amulette aus Palästina/Israel von den Anfängen bis zur Perserzeit, Orbis Biblicus et Orientalis 10, Freiburg-Göttingen 1995, S. 116; für eine dem Sachverhalt angemessenere Bezeichnung als “cretula” verweise auf E. Fiandra, in: Or. 64, 1995, S. 359.

40

DIE SIEGELABROLLUNGEN UND ROLLSIEGEL DER STADT ELEPHANTINE

Die Unterseite der gesiegelten Verschlüsse läßt darüberhinaus teilweise bzw. vollständig erhaltene Abdrücke von Gegenständen oder Materialien erkennen, auf denen die Verschlüsse angebracht waren. Hierbei kann es sich um eine Kordel, einen Knoten, um Holzknäufe, -pflöcke, ganze Holzflächen oder sogar umschnürte Textilien handeln - ein Tatbestand, der allein schon das breite Spektrum der Anwendungsmöglichkeiten dieser Versiegelungstechnik verdeutlicht.395

Die Verteilung der insgesamt 20 Objekte von Tb. 1 innerhalb der untersuchten Stadtgebiete beschränkt sich auf zwei Bezirke, den Festungsbereich (3), hier insbesondere Raum XIV im Mittelbereich und die Oststadt (17). Die mehrfach und auf allen Seiten angebrachten Abrollungen weisen nicht nur eine Amtssiegelung aus der Regierungszeit des Horus Chaba aus der ausgehenden 3. Dyn. auf, sondern v. a. Beamten- und Zivilsiegel von Lokalbeamten rnw/jrj nw bzw. rnw.tj/jrj nw.tj und mjtrAngehörigen sowie teilerhaltene Beititel unvollständiger Siegelbilder. Ist das bereits von G. Dreyer besprochene Amtssiegel aufgrund der Angabe des Königs- bzw. des Horusnamens Chaba in die 2. Hälfte der 3. Dyn. zu datieren, so läßt sich die für diese Siegelung typische Amtsfunktion oder -institution neben den Horusnamen vielleicht noch als die eines wr HAt(j) pa(w).t-Großer und Erster der pa(w).t-Leute bestimmen.402

Diese Kategorie von Versiegelungen umfaßt insgesamt 624 der 1040 registrierten Lehmverschlüsse,396 von denen jedoch 304 ausgesondert wurden und weitere 67 typologisch unklar waren. Von den verbleibenden 253 Objekten stammen 117 aus der Oststadt, 93 aus dem Festungsbereich, 41 aus der Nordoststadt samt Erweiterung sowie lediglich zwei aus Satet-Süd. Die im folgenden herausgearbeitete typologische Gliederung der Tonbullen basiert v. a. auf der Untersuchung von 53 vollständig bis gut erhaltenen Objekten.

Von den insgesamt neun Beamtensiegeln stammen drei aus der Festung, unter denen sich ein Mal das vollständige viergliedrige Siegelbild eines Betitelten n(j) xt mit dem Beititel mAa jz.t findet,403 ein Mal die unvollständige Angabe jmjt rA[…]404 und ein Mal die Angabe xt(j) pr, die vermutlich von einem Hausverwalter o. ä. mit der Lokalbeamtenbezeichnung rnw/jrj nw stammt.405 Unter den sechs übrigen aus der Oststadt kommenden Beamtensiegelungen findet sich dreimal der Titel zSSchreiber, von denen zwei dem Beamten namens Bw nfr zuzuordnen sind406 und eine, die die unvollständige Lokalbeamtenbezeichnung rnw[…]/jrj nw[…] sowie den Beititel sAD und als Epitheton anx wD nTr nfr trägt.407 Zwei Siegelungen lassen einen jrj x(w).t nsw.t408 und eine weitere einen Sms-Begleiter409 mit dem Epitheton nfr mr(j) nb=f als Titelträger erkennen. Bemerkenswert ist auch der Nachweis eines xtm(w)-Beschließer, der mit dem eigenen Namen des Beamten in die Tonbulle eingeritzt, nicht jedoch gesiegelt wurde.410

3.2.1 Typus Tb. 1 - Der Krawattenknotenverschluß Charakteristisch für diese Tonbulle, die von Kaplony offensichtlich nicht erkannt wurde,397 ist ihre langgezogene trapezförmige Gestalt, wodurch sie einem gebundenen Knoten gleicht, an dem beide Enden durchtrennt sind, weswegen sie in der vorliegenden Typologie als Krawattenknotenverschluß bezeichnet wird.398 Die in drei Seiten des Verschlusses steckenden Reste der durchschnittenen Verschnürung lassen eine “carrying sling”-Knotenbildung erkennen,399 die nicht nur zur Umschnürung von Säcken oder Stoffballen diente, wie der feinmaschige Textilienabdruck an einem Verschluß erkennen läßt,400 sondern zudem das Tragen schwerer Lasten ermöglichte.401

Die größte Gruppe innerhalb der Tonbullen Typus Tb. 1 ist die der Zivilsiegelungen,411 die mit insgesamt 10 Belegen ausschließlich in der Oststadt nachzuweisen sind.

395 Siehe hierzu auch U. Hartung, in: MDAIK 52, 1996, S. 30-33, Abb. 5 und Tf. 7 a-d. 396 Für ein ähnliches Verhältnis s. S. Herbordt, op. cit., S. 55. 397 Die unter Kategorie VII-3 (“Schnurverschluß mit Plombenform”) der Kaplonyschen Typologie aufgeführten Belege entsprechen in keiner Weise unserer Verschlußform; vgl. IÄF I, S. 54 und IÄF III, Tf.131 f., Abb. 802 und 804. In seiner Besprechung des einzigen bislang auf diesem Verschlußtypus angebrachten Amtssiegels des Horus Chaba bezeichnet G. Dreyer diese Verschlußart als “Schnurverschluß in Plombenform”, deren implizierte Zuordnung zu Kategorie VII-3 der Kaplonyschen Typologie jedoch nicht haltbar ist, s. G. Dreyer, in: MDAIK 43, 1987, S. 108. 398 Siehe typologische Tafel IX oben. Das älteste Beispiel eines Krawattenknotenverschlusses ist in Buto-Tell Faraain gefunden worden und datiert in die protodynastische Zeit, s. D. Faltings, in: MDAIK 52, 1996, S. 93 f., Abb. 3 und Tf. 19 b; weitere Belege dieser Verschlußform finden sich im gesiegelten Material von Vorderasien, s. diesbezüglich Kl. R. Veenhof, On the Identification and Implications of some Bullae from Acemhöyük and Kültepe, 1993, S. 645 ff. und Tf. 124, Abb. 1-7. 399 D. P. Domning, in: CdE 52,1977, S. 59 f., Abb. 4 c. 400 Oststadt: Kat. 586 mit einer Siegelung des Schreibers der pr Sna Bw nfr; inwiefern es sich bei diesem Verschlußtypus um ein Nachfolgemodell der antiquierten “großen Beutelverschlüsse” handelt, kann hier nur vermutet werden. 401 Ausführlich in Domning, a. a. O., Abb. 4 c; noch heute kennen und verwenden Möbelpacker diese Knotentechnik, um schwere Objekte tragen zu können.

402

Oststadt: Kat. 280; G. Dreyer, a. a. O. und Abb. 2, Tf. 15 b., sowie Kap. Amtssiegel, S. 73 ff. 403 Festung: Kat. 108. Zur möglichen Lesung Dr.t/D.t-Hand siehe WB V, S. 580 - (a). 404 Festung: Kat. 115; zum Titel vgl. IÄF III, Tf. 126, Abb. 755 aus der 2. Hälfte der 2. Dyn. (Horus Sechem-ib). 405 Festung: Kat. 219 406 Oststadt: Kat. 457 mit der epithetischen Bezeichnung anx mrr nb(=j), hierzu auch ausführlich S. 164 ff., bes. S. 167 sowie Kat. 586; weitere Belege dieses Beamten finden sich in der Festung (Kat. 194) und in der Oststadt: Kat. 322, 403, 405, 608, 619, 622, 632, und 656. 407 Oststadt: Kat. 377; zur eingehenden Besprechung dieser Beamtengruppe s. S. 124 ff. sowie des Beititels s. S. 155 ff. und des Epithetons s. S. 168 ff. 408 Oststadt: Kat. 538; zum Titel jrj x(w).t nsw.t s. ausführlich S. 94 ff. 409 Oststadt: Kat. 582; zum Titel Sms-Begleiter s. S. 107 ff. 410 Oststadt: Kat. 290 411 Zur Bezeichnung “Zivilsiegel” s. ausführlich S. 122 ff.

41

JEAN-PIERRE PÄTZNICK

Tonbulle Typus Tb. 1 Staatlich: Amtssiegel

FESTUNG

Lokal: Beamtensiegel / + Zivilsiegel Lokal: Zivilsiegel rnw/jrj nw rnw.tj/jrj nw.tj

2 1 (+rnw/jrj nw)

Lokal: Zivilsiegel mjtr mjtr.t Lokal: Zivilsiegel Beititel / Epitheta Gesamt

OSTSTADT

Gesamt

1 2 (1xeingeritzt) 4

4 5

9

2 3

2 3

5

2 1

2 1

3

2 17

3

1

2 20

Tabelle 21: Stadttopographische Verteilung der Siegelungen auf Tb. 1 Unter denen finden sich drei Belege von mjtr412 bzw. mjtr.t413 Titelträger(in) (!) sowie fünf Siegelungen von Lokalbeamten rnw/jrj nw414 und rnw.tj/jrj nw.tj.415 Den Befund komplettieren außerdem zwei unvollständige Abrollungen, an denen zu dem Personennamen je den Beititel hb bzw. nfr mAa jz.t erkennbar ist.416

3.2.2 Typus Tb. 2 Die unter diesen Typus subsumierte Verschlußform umfaßt 225 Exemplare und macht mit 36,1% den größten Anteil innerhalb des gesamten Tonbullen-Corpus aus. Diese Versiegelung weist durchweg eine annähernd runde, kalottenähnliche Form auf, weswegen sie auch als “walnußschalenförmig” bzw. “schildkrötenpanzerförmig” zu bezeichnen ist.

Zusammenfassend ist festzustellen, daß der Verschlußtypus Tb. 1 (Krawattenknotenverschluß) gerade 3,5% (!) der gesamten Tonbullen ausmacht und vermutlich bei der Versiegelung v. a. schwerer Säcke wie eine Art “étiquette” Verwendung fand. Von den vorliegenden Objekten lassen sich allein 75 % als Beamtensiegelungen, wie Schreibern und Lokalbeamten rnw/jrj nw bzw. rnw.tj/jrj nw.tj ausmachen, was Hinweis darauf ist, daß die Titelträger der Stadtverwaltung, insbesondere die der Oststadt, mit der Kontrolle bzw. Lagerung dieser mit Tb. 1 versiegelten Säcke betraut waren. Trägt man in diesem Zusammenhang der geringfügigen Prozentzahl und dem hohen Anteil der Siegelungen von Lokalbeamten der Stadtverwaltung in Rechnung, so wird man in der Annahme nicht fehl gehen, als Inhalt dieser Säcke wertvolle und seltene Produkte zu vermuten. Innerhalb dieses Versorgungsund Lagerungsspektrum kommt ferner den Siegelungen von mjtr-Angehörigen insofern Bedeutung zu. als diese als Lieferanten fungiert haben dürften. Besondere Beachtung verdient hierbei der Nachweis einer mjtr.t, was deutlicher Hinweis auf die Mitwirkung bzw. Siegeltätigkeit von Frauen auf der lokalen Ebene der Stadtverwaltung ist.

Eine Betrachtung der Unterseite der Verschlüsse läßt drei unterschiedliche Arten von Verschnürung erkennen. Zwei davon umbinden entweder eine kleine konkave Fläche aus Holz - wohl eines Knaufes - oder tragen den Abdruck einer verschnürten ebenen Fläche mit Holzmaserungen, wohingegen bei der dritten Art lediglich die Schnürkanäle bzw. die Knotenabdrücke erhalten sind. Die vorliegende typologische Untersuchung unterscheidet demnach prinzipiell zwischen dem Typus Tb. 2 a = Kistenverschluß und Typus Tb. 2 b = Knotenverschluß. 3.2.2.1 Typus Tb. 2 a - Der Kistenverschluß Die unter Typus VI-1417 von Kaplony beschriebene Verschlußform entspricht in unserer Klassifikation der Tonbulle Tb. 2 a. Da eine Vielzahl dieser Verschlüsse den Abdruck von Holzmaserungen bzw. den eines umschnürten Holzknaufes aufweisen, handelt es sich um eine Verschlußart, die in erster Linie zur Versiegelung von Holzkisten verwendet wurde,418 wie dies sowohl in

412 Oststadt: Kat. 432 mit der seltenen Angabe n(j) mjtr-Angehöriger der mjtr/mr.t und Kat. 661; zur Deutung von mjtr, siehe ausführlich S. 137 ff. 413 Oststadt: Kat. 329; siehe auch Kap. Frauensiegel, S. 121 f. 414 Oststadt: Kat. 435 und 448, siehe auch allgemein hierzu S. 124 ff. 415 Oststadt: Kat. 376, 600 und 641. 416 Oststadt: Kat. 627 und 653. Siehe auch das Kap. Beititel und Epitheta, S. 150 ff. und S. 160 ff.

417

IÄF I, S. 53; siehe typologische Tafel X oben. Siehe typologische Tafel X oben und Mitte; vgl. auch G. A. Reisner, A History of the Giza Necropolis, Vol. I+II, Cambridge-Massachusetts, 1955, S. 48; P. Kaplony, Die Siegelabdrücke, in: Das Sonnenheiligtum des Königs Userkaf Band II Die Funde, herausgegeben von H. Ricke, in: BF 8, Wiesbaden 1969, S. 85; ders., Reliefs des Alten Reiches u. Verwandte Denkmäler, in: CAA 8, Teil 3, Hildesheim 1980, S. 34 f. bzw. 39-41 mit Darstellung eines Kastenverschlusses vom Typus VI-4. 418

42

DIE SIEGELABROLLUNGEN UND ROLLSIEGEL DER STADT ELEPHANTINE

Vorderasien419 als auch im östlichen Mittelmeerraum420 belegt ist. Demnach wurden Truhen und Kisten über Löcher an den Seitenwänden mit dem in der Mitte der Deckel angebrachten Holzknauf verschnürt und anschließend versiegelt.421

bezeichnet, die vom jeweiligen Fassungsvermögen abhängig gewesen sein dürften. Das häufig anzutreffende hnw426 bezeichnet zumeist eine große schwere Holztruhe,427 die für Gefäße,428 Ritualutensilien,429 Goldringe,430 Weihrauch,431 Essenzen,432 aber auch Lebensmittel433 und Textilien434 verwendet wurde. Im Unterschied dazu dürfte es sich bei afD.t435 oder xtm.t436 um kleinere Kästen gehandelt haben, in der Papyri,437 Natron,438 Weihrauch439 und verschiedene Essenzen440 aufbewahrt wurden. Eine Besonderheit stellt der mit einem gewölbten Holzdeckel versehenen Kasten dbn dar,441 der bislang in dieser frühen Zeit nur aus Opferlisten bekannt ist.442

Das im MR422 sowie im NR423 bekannte DoppelknaufSystem scheint dabei im AR völlig unbekannt oder zumindest nicht gebräuchlich gewesen zu sein.424 Bezüglich des Inhalts der Holzkisten bzw. -truhen lassen sowohl einzelne Grabdarstellungen als auch eine in den Archiven der königlichen Totentempel nachzuweisende, minutiös geführte Buchhaltung des AR auf eine differenzierte Verwendung der Behältnisse schließen.425 Diese sind mit ganz unterschiedlichen Termini

Bedenkt man die geographische Lage der Stadt Elephantine an der Schwelle zum ersten Katarakt sowie ihre Funktion als Vorposten ägyptischer Interessen, so erscheint die Lagerung kostbarer Güter wie Weihrauch, Natron, Gold sowie v. a. von trockenen Früchten und

419 M. Marcus, op. cit., 1990, Tf. XXVI-d; A. von Wickede, Prähistorische Stempelglyptik in Vorderasien, München 1990, S. 33, Abb. 16; S. Herbord, op. cit.,1992, S. 63, Typus 4 b (Kistenverschluß), Abb. 10-2 sowie Abb. 11 und 65, Typus 4 d (Truhenverschluß), Abb. 10-1. 420 E. Fiandra, A che cosa servivano le cretule di Festos, in: Kongress Chania 1966 Pepragmena tou B´Diethnous Kritologikon Synedriou A, Athen 1968, S. 383 ff.; M. Health-Wiencke, op. cit., S. 28 ff., Typus B. 421 Repräsentativ hierfür: E. Leospo, Mobiliar und Kunsttischlerei, in: Das Alte Ägypten, Das Alltagsleben, Turin 1987, S.149, Anm. 181 und S.150, Anm. 182; F. Daumas, L. Epron und H. Wild, Le tombeau de Ti, Fasc. I+II, MIFAO LXV, Le Caire 1939 - 1953., Tf. XVI, H. Wild, Le Tombeau de Ti, La Chapelle, Fasc. III, MIFAO LXV, Le Caire 1966, Tf. CXLVI B, CL; P. Duell, The Mastaba of Mereruka Part. I and II, Chicago 1938, Tf. 94-95 und Tf. 203 A+B; Sameh, Leben im alten Ägypten, München 1963, S. 162, Abb. 142; P. Posener-Kriéger, Archives Abousir, S. 193, Abb. 27; dies., in: BE 106, 1994, S. 317; L. Klebs, Die Reliefs des alten Reiches, Heidelberg 1915, S. 19; eine andere Vorstellung vertreten P. Newberry, Scarabs, S. 22, Abb. 13; H. G. Fischer, in: LÄ IV, 1982, S. 183 sowie W. Boochs, op. cit., S. 40 f. Ganz offensichtlich existierte seit der Frühzeit noch ein weiteres Verschließungssystem, das für einen Holzkasten mit horizontalem Schiebedeckel ohne Knauf verwendet wurde, vgl. hierzu W. Fl. Petrie, Tarkhan II, London 1914, Tf. I 1479 und Tf. III 11 mit einer Elfenbeinschatulle; für ein Beispiel vertikaler Art, wie es in der Grabkammer des Sechemchet am Alabastersarkophag festzustellen ist, vgl. M. Z. Goneim, Die verschollene Pyramide, Wiesbaden 1955, Tf. 29 und ders., Horus Sekhem-khet the unfinished step pyramid at Saqqara Vol. I, Le Caire 1957, Tf. LII, LIV-LV; s. auch die Zusammenstellung von kostbaren Schatullen aus der Grabung von Heluan - leider ohne Hinweise auf das Verschließungssystem - in Z. Saad, The Excavations at Helwan, Univ. of Oklahoma, USA, 1969, S. 46 f. und Tf. 57-65, bes. 59 (!). 422 Mitunter C. von Pilgrim, op. cit., 1996, S. 234-237, Abb. 93 a-d; E. Leospo, op. cit., 1987, S. 164 f.; W. Kaiser, Katalog: Ägyptisches Museum, Berlin 1967, S. 46, Abb. 484; Chr. Desroches-Noblecourt, Arts de métamorphose ou arts appliqués, in: Le temps des Pyramides, Coll. l´Univers der Formes, Paris 1978, S. 230, Abb. 221. 423 Beispiele dafür finden sich bei A. Eggebrecht et alii, Katalog zur Ausstellung : Ägyptens Aufstieg zur Weltmacht, Hildesheim und Mainz 1987, S. 298, Abb. 253 und 299, Abb. 254, S. 300 f., Abb. 255 und S. 322 f., Abb. 274; N. Scott, The daily Life of the Ancient Egyptians, in: BMMA NS 31.3, New York 1973, “House keeping”, Abb. 9; E. Leospo, op. cit., S. 164, Abb. 202, S. 165, Abb. 204 und S. 166, Abb. 207; Chr. Desroches-Noblecourt, Vie et Mort d´un Pharaon, Toutankhamon, Paris 1963, S. 58, 107 und S. 233 f.; A. Eggebbrecht et alii, op. cit., S. 173. 424 Inwiefern hier ein entwicklungsgeschichtlicher Prozeß auszumachen ist, bedarf erst einer eingehenden Untersuchung des in Ägypten gefundenen archäologischen Materials, ist jedoch aufgrund der bisherigen Beleglage nicht auszuschließen. 425 Für eine reiche Auswahl von Holzbehältern vgl. J. E. Quibell, The Tomb of Hesy, Excavations at Saqqara 1911-1912, Cairo 1913, Tf. XVI-XVIII und Tf. XXI ; M. A. Murray, Saqqara Mastabas Part 1, London 1905, Tf.1-2.

426

WB II, S. 491, Anm. 9-15 u. 18; einige Beispiele: P. Duell, op. cit.,1938, Tf. 69-70, 72-76, 98, 112 A, 118 u. Tf. 203 ; P. PosenerKriéger, Archives Abousir, S. 176; G. A. Reisner, A History of the Giza Necropolis, Vol. I+II, Cambridge-Massachusetts 1955, S. 20, Anm. 6 u. Abb. 19-20, S. 42-45, Abb. 36-38 u. Abb. 44.; M. A. Murray, a. a. O.; W. K. Simpson, The Mastabas of Kawab, Khafkhufu I and II, Boston 1978, Tf. XVIII, Abb. 30 Mitte-Ende; F. Epron, F. Daumas und H. Wild, op. cit., 1939-1953, Tf. CXXVI; LD II, S. 96 sowie IÄF, S. 338, Anm. 1662. 427 Auch dem Befund der Grabanlage von König Chasechemui in Abydos aus der ausgehenden 2. Dyn. kommt hinsichtlich des Inhaltes besondere Bedeutung zu. Amélineau konnte hier noch in situ befindliche Truhen teilweise riesigen (!) Ausmaßes (4,15 m x 2,15 m x 0,64 m) freilegen, die die gesamte Raumfläche einnahmen und in denen eine Unmenge getrockneter Früchte bzw. Gemüse, wie Feigen, Linsen, Sesamkörnern und dergleichen Nahrungsmittel z. T. in versiegelten Gefäßen aufbewahrt wurden, s. E. Amélineau, Nouvelles fouilles d´Abydos III 1897-1898, Paris 1904, S. 125 mit der ausführlichen Beschreibung einer gut erhaltenen Kiste. 428 P. Posener-Kriéger, Archives Abousir, S. 421; vgl. auch die Angaben von E. Amélineau, der in wesentlich früheren Gräbern als denen der ausgehenden 2. Dyn. Kisten geringerer Größe entdeckte, die ganze Sets von Steingeschirr enthielten, s. ders., Nouvelles fouilles d´Abydos III 1897-1898, Paris 1904, S. 125. 429 a. a. O. 430 G. A. Reisner, op. cit., S. 42-45, Abb. 38-39; P. Duell, op. cit., Tf. 98. 431 Ders., op. cit., Tf. 118; W. K. Simpson, op. cit., Abb. 30. 432 P. Duell, op. cit., Tf. 72, 75 und 98. 433 Ders., op. cit., Tf. 112 A; IÄF II, S. 851 und Anm. 968. 434 P. Duell, op. cit., Tf. 69-70, 72, 75 und 98; E. Leospo, op. cit., S. 149, Abb. 181; H. Junker, Giza V, S. 46 f. Abb. 9, oben links. 435 WB I, S. 183, Anm. 15-17; M. A. Murray, op. cit., Tf. 2; P. Posener-Kriéger, op. cit., S. 20, S. 71,S. 185, S. 353 f. und S. 374; H. Wild, Le Tombeau de Ti, La Chapelle, Fasc. III, MIFAO LXV, Le Caire 1966, Tf. CLXXIV mit Darstellung der Durchbohrung des Loches für die Anbringung des Holzknaufes. 436 WB III, S. 352, Anm. 5; W. K. Simpson, op. cit., Abb. 30; P. Posener-Kriéger, op. cit., S. 20, Anm. 2-3. 437 a. a. O., S. 20; dies., in: BE 106,1994, Abb. 1-5. 438 P. Posener-Kriéger, Archives Abousir, S. 353 f. 439 Dies., op. cit., S. 374; W. K. Simpson, op. cit., Abb. 30. 440 a. a. O. 441 H. G. Fischer, in: LÄ IV,1982, S. 182, Abb. 2 a; W. Fl. Petrie, Tarkhan I and Memphis V, London 1913, S. 27 und Tf. XXVIII. 442 M. A. Murray, op. cit., Tf. 1 und 2; umso bemerkenswerter ist der Nachweis einer solchen Kistenform in den in die 3. Dyn. zu datierenden Nekropolen, wo sie als Holzsarg Benutzung fand, W. Fl. Petrie et alii, Medum, London 1892, Tf. XIII; E. Leospo, op. cit., S. 144.

43

JEAN-PIERRE PÄTZNICK

Stoffen und damit die Verwendung von Holzkisten durchaus vorstellbar.443

sowie dem davorliegenden freien Bereich XI b allein 14 (!) Kistenversiegelungen nachzuweisen waren.447

Von den insgesamt 89 bisher registrierten Verschlüssen des Typus Tb. 2 a stammen 38 aus dem Festungsareal, 31 aus der Oststadt, 19 aus der Nordoststadt und einer aus dem Südbereich des Satettempels, womit bereits aufgrund der Häufigkeit des Vorkommens die ersteren zwei deutlich als Lagerungsstätten auszumachen sind. Ferner kann davon ausgegangen werden, daß in der Nordoststadt, in der allein die Kistenverschlüsse 50% der dort gefundenen Tonbullen ausmachen, versiegelte Kisten kontrolliert bzw. gelagert wurden.

Während sich in Raum XI a in einem älteren Fußboden lediglich die Kistenversiegelungen eines mA S-“Der den SBezirk beaufsichtigt”, der zusätzlich den Beititel hb nsw.t trug448 sowie eines mjtr samt einer nicht gesicherten, Beamten- bzw. Berufsangabe kAr(j) fanden,449 ist in jüngeren Besiedlungsschichten von Raum XI a mit Hof XXX eine auffallende Konzentration von Beamtensiegelungen wie die eines Hrj (w)DA.t“Lagerhausverwalter”450 festzustellen, von denen der größte Teil wie bei den dort gefundenen Gefäßverschlüssen Gv. V b451 maßgeblich drei Beamten zuzuordnen ist:

Tb. 2 a

einem Sms-Begleiter namens Znzn,452 einem zA stp.t-“Der für die Fleischstücke bzw. für das Erlesenste Zuständige” namens WAD.wj453 und einem Hzmn/Hmr-“Der für den Natron / Salz Zuständige”, bei dem es sich um einen mjtr namens ¤AH.t nfr Htp.t(j) n (=j) handelt.454

Festung 42,2% Oststadt

1,1% 21,1%

35,6%

N-Oststadt 42,2%

Satet-Süd

21,1% 1,1%

Funde in Hof XXX sowie in Raum XI a zeigen, daß die von diesen drei Beamten versiegelten Kisten in ebendiesen Räumlichkeiten geöffnet wurden, die damit einerseits Tätigkeitsbereich der Beamten waren, andererseits der Lagerung der Kisten dienten, was auch die funktionelle Bestimmung von Raum XI a als Magazin unterstützt. Die später beim Aufbrechen der Kisten anfallenden Verschlußfragmente wurden mit dem nächsten Estrichboden versiegelt, wofür das Fehlen von Versiegelungen dieser Beamten im vorgelagerten offenen Bereich XI b sprechen dürfte. Stattdessen stammen aus ebendiesem zwei Siegelungen, von denen eine den seltenen unklaren Titel Hrj mA zj-“Kontrollbeamter des Widders”455 sowie zusätzlich nxb456 aufweist, die andere den bekannteren Titel Hrj (w)DA.t-Lagerhausverwalter.457 Darüberhinaus finden sich hier zwei Nachweise einer Gegensiegelung auf einem umschnürten Knauf - zum einen ein noch als nxb-“Priester” (o. ä.) auszumachender

35,6%

Tabelle 22: Prozentuales Verhältnis von Tb. 2 a in den Stadtgebieten Auf den Kistenverschlüssen Tb. 2 a lassen sich insgesamt drei Amtssiegel, 28 Beamtensiegel, drei Berufssiegel, 37 Zivilsiegel sowie je ein Priestersiegel und ein nubisches Siegel nachweisen. Von ersteren stammen zwei aus der Oststadt, auf denen sich Reste einer königlichen Titulatur finden - zum einen der Horusname von König Chaba aus der 2. Hälfte der 3. Dyn.,444 zum anderen ein unvollständiger Herrinnenname eines nicht mehr erhaltenen Horusnamens -, jedoch, bis auf die Erwähnung von zA pr-Viehställe o. ä., keinerlei Angaben einer Amtsfunktion festzustellen sind.445 Von dem aus der Festung stammenden Amtssiegel ist lediglich die Bezeichnung mjtr und den unvollständigen Titel xtm[…] zu erkennen, ermöglicht jedoch nicht den zugehörigen Horusnamen sicher zu identifizieren.446

447 Zur Lage dieser Räumlichkeiten siehe im Anhang Tafeln XXVI und XXVIII. 448 Festung: Kat. 185. Zwar ist der stratifizierte Befund der Bauschicht 7 von Stratum A zuzuordnen, das bislang in die 1. Hälfte bzw. Mitte der 1. Dyn. datiert wird, doch weisen sowohl das epigraphische Merkmal hb als auch die Paläographie des Zeichens x mit der Graphie O4 deutlich in die ausgehende 2. Dyn., was gegen die bisherige und stattdessen für eine jüngere Datierung von Stratum A (Mitte bzw. 2. Hälfte der 2. Dyn.) spricht. Siehe zusammenfassend Kap. Stadtgeschichtlicher Überblick mit explikativer Tabelle 91, S. 214. 449 Festung: Kat. 188; zum Titel kAr(j) s. S. 144, Anm. 1455. 450 Festung: Kat. 172, zu dieser Beamtengruppe siehe ausführlich S. 98 ff. 451 Siehe hierfür S. 35. 452 Festung: Kat. 164-165, siehe hierzu Kap. Beamtensiegel, S. 107 ff. 453 Festung: Kat. 161 454 Festung: Kat. 167 und 169; siehe u. a. Disskussion S. 194. 455 Festung: Kat. 193, siehe auch S. 103. 456 Zum Titel nxb, bei dem es sich möglicherweise um eine Art Priestertitel handeln könnte, s. S. 103, Anm. 1057. 457 Festung: Kat. 136

Die überwiegende Zahl - 19 - der Beamtensiegelungen stammen aus der Festung, während fünf in der Oststadt, drei in der Nordoststadt und eine in Satet-Süd gefunden wurden. Auffällig ist, daß im Südareal der Festung, insbesondere in den dortigen Gebäudekomplexen 6/B und 6/D bzw. 6/B mit dazugehörigem Hof XXX, Raum XI

443

E. Edel, Die althieratischen Topfaufschriften, in: Bd. 1 der Felsengräber der Qubbet el Hawa bei Assuan, II. Abt. Wiesbaden 1970, insbes. S. 21-29. 444 Oststadt: Kat. 651; s. ferner S. 76. 445 Oststadt: Kat. 490 und Besprechung S. 85 f. 446 Festung: Kat. 137; Disskussion hierzu S. 83.

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DIE SIEGELABROLLUNGEN UND ROLLSIEGEL DER STADT ELEPHANTINE

Titel,458 zum anderen ein Angehöriger der mjtr,459 was nicht nur Beleg einer strengen Kontrolle, sondern zugleich Hinweis auf den besonderen bzw. kostbaren Inhalt einiger dieser versiegelten Kisten sein dürfte. Beide Sachverhalte sowie die Nähe des Fundortes XI b zu Raum XI a lassen den Schluß zu, daß es sich bei diesen Siegelnden um das in Haus 6/B tätige Personal handeln könnte. Bemerkenswert sind dabei die Siegelungen eines At.tj betitelten mjtr mit dem Namen Ftt, die sowohl im Freibereich XI b eines älteren Niveaus als auch in einem jüngeren Niveau des nahegelegenen Hofes XXVIII in einer Mauerverfüllung gefunden wurden.460

Vorsteher der Viehweide(n)468 bzw. die bislang unbekannte Titelbezeichnung zAw S(.t)/mr(.t)-“Hüter des Bezirkes/-des Agrarbetriebes”469 ergänzt sind.

Im nächstgelegenen Hauskomplex 6/D mit Raum XXII sind bezeichnenderweise Kistenversiegelungen von Sms(.w)-Begleitern gefunden worden, ein Titel, der häufig auf ebensolchen anzutreffen und zudem im Mittelbereich der Festung in Raum XIV belegt ist.461

Der Gesamtbefund setzt zunächst Raum VI vom Gebäude A mit Trägern der lokalen Agrarwirtschaft in Verbindung und läßt damit den Schluß zu, daß dort versiegelte angelieferte oder bereits gelagerte Kisten geöffnet wurden, die demnach möglicherweise landwirtschaftliche Produkte bzw. Viktualien beinhalten haben könnten. Auch der Nachweis einer Siegelung eines s(w)DA Hrj-“Oberster Bewahrer”471 aus einem älteren Fußboden in Raum XXIV desselben Gebäudekomplexes A unterstreiche m. A. n. ebenso dessen funktionelle Bestimmung als Lagerungstätte.

Der Nachweis eines Beamtentitels in Verbindung mit der Angabe eines mjtr-Angehörigen ermöglicht nicht nur Teilbereiche dieser Beamten zu beleuchten, sondern unterstreicht einen der wichtigsten Funktionsbereiche der mjtr-Leute innerhalb der Organisation und Verwaltung der Landwirtschaft umso mehr, erhärtend indies de facto die bisherigen Beobachtungen, die an den Verschlüssen gemacht wurden.470

Bemerkenswert in diesem Hausbereich, der keinen Zugang zum Vorplatz XI b hat, ist der Nachweis zweier Beamtensiegelungen eines Sms-Begleiter, die von ein und derselben Person namens ¡zn.t stammen.462 Beide sind in stratifizierten Fundkontexten geborgen worden: einmal in Raum XXXVII, einer älteren Bauphase von Raum XXII, in dem sich in einer Grube von Raum XXXVIII ebenfalls die Abrollung eines stp zA463-Beamten fand, und einmal mit einer weiteren Kistenversiegelung eines zS-Schreiber 464 in Raum XXII, einer jüngeren Bauphase desselben Gebäudekomplexes.465 Im selben Fundkomplex und aus einer ähnlichen Situation ist noch auf die Siegelungen von zwei mjtr aufmerksam zu machen, von denen die eine aus einer älteren Bauschicht kommt und die Titelbezeichnung mnw tA führt, während die andere den unvollständigen Titel Hrj[…] aufweist und in einem jüngeren Fundkontext gefunden wurde.466

In der Oststadt konnten fünf Beamtensiegelungen identifiziert werden, unter denen zwei mjtr-Titel um die zusätzlichen Angaben x.tj bzw. als (j)rj() (j)x(.t)Verwalter ergänzt sind,472 während drei weitere Siegelungen aus verschiedenen Verfüllungskontexten bislang völlig unbekannte Titel tragen. So handelt es sich bei zwei von denen um die Versiegelung eines umschnürten Holzknaufes, die einmal die Abrollung eines rnw/jrj nw mr(.t)-“Lokalbeamter der Meret-Leute” trägt, das andere Mal um einen weiteren als jr.ty betitelten rnw/jrj nw-“Lokalbeamter”.473 Der dritte Kistenverschluß trägt das Siegel eines Sms-Begleiter auf.474 Eine Interpretation, wie sie der Befund der Nordoststadt ergab, ist für die Oststadt aufgrund ihrer unterschiedlichen Verfüllungskontexte nicht möglich.

Im Unterschied zur Festung sind in der Nordoststadt lediglich drei Beamtensiegelungen nachzuweisen, von denen zwei aus Raum VI und eine aus Raum XXIV von Gebäude A stammen.467 Beide Male handelt es sich um einen mjtr, der zudem um die Titelangabe mr mr/mr(w)-

Gleiches gilt für das einzige Beispiel eines Kistenverschlusses aus Satet-Süd, das aus der Mauerverfüllung des Umgangs 42 a stammt und lediglich die unvollständige Abrollung eines nicht näher zu bestimmenden Beamten Hrj wDA.t-Lagerhausverwalter aufweist.475

458 Festung: Kat. 191. Zu weiteren Nachweisen dieses Beamten siehe auch Kat. 192-193 . Dort ist auch die erhaltene Sequenz durch den Titel Hrj mA-“Kontrollbeamter” ergänzt. 459 Festung: Kat. 191; zu ebendemselben Siegelbesitzer s. auch Kat. 142. Beide wurden im Raum XI b gefunden. 460 Festung: Kat. 144 u. Kat. 196. Vorausgesetzt, daß beide in unterschiedlichen Niveaus gefundenen Abrollungen von ein und demselben Siegel stammen, scheint es ziemlich unwahrscheinlich, daß der Siegelnde während eines Zeitraums von der 2. Hälfte der 1. Dyn. bis zum Ende der 2. Dyn. tätig war! Der zeitliche Abstand zwischen Stratum B und C2/D1 dürfte daher wesentlich kürzer sein als bisher angenommen. 461 Festung: Kat. 215 462 Festung: Kat. 234 und 183. 463 Festung: Kat. 231 464 Festung: Kat. 181 465 Festung: Kat. 234; das Siegel stammt aus der älteren Besiedlungsschicht von Stratum A, Kat. 183 aus dem jüngeren Besiedlungsniveau von Stratum B. 466 Festung: Kat. 229 und Kat. 128. 467 Siehe hierzu Lageplan im Anhang, Tafel XXXIII.

Die 52 restlichen Zivilsiegelungen lassen sich in vier Kategorien von Siegelnden unterteilen: die der mjtr, die 468

Nordoststadt: Kat. 050; zu Lesung und Deutung siehe S. 145. Nordoststadt: Kat. 057; zur Besprechung des Titels zAw S(.t)/mr(.t) s. S. 145, Anm. 1458. 470 Siehe hierzu S. 144 ff. 471 Nordoststadt: Kat. 086; zu diesem Titel siehe ausführlich S. 104 ff. 472 Oststadt: Kat. 523 und Kat. 636. 473 Oststadt: Kat. 530; zur Besprechung derselben sowie zu weiteren Belegen s. S. 124 ff. sowie Kat. 296. 474 Oststadt: Kat. 492 475 Satet-Süd: Kat. 018; zu dieser Beamtengruppe siehe ausführlich S. 98 ff. 469

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JEAN-PIERRE PÄTZNICK

mit 25 Kistenverschlüssen den höchsten Anteil darstellt, die der rnw/jrj nw und rnw.tj/jrj nw.tj - Lokalbeamten mit vier Exemplaren sowie acht weitere, unvollständige Siegelungen, die einen noch erkennbaren Beititel und/oder ein Epitheton aufweisen und schließlich eine Gruppe von 14 Siegelungen, auf denen noch mindestens ein Personenname bzw. eine unägyptische Siegelung zu erkennen ist.

Befund nach zu urteilen, kommt somit Raum VI in Gebäudekomplex A eine zentrale Rolle zu, zumal dort die von mjtr bzw. mjtr.t483 gesiegelten Kistenverschlüsse aufgebrochen und anschließend Versiegelungen in den neuen Estrich des Raumes eingearbeitet wurden. Die große Zahl der auf den Siegelungen angebrachten, unterschiedlichen Personennamen deutet einerseits darauf hin, daß die Versiegelungen nicht von Kisten stammen, die dort gelagert waren, sondern von solchen, die angeliefert wurden, und identifiziert andererseits die mjtr als Lieferanten des Gebäudekomplexes A in der Nordoststadt. Eine Bestimmung der angelieferten Produkte bzw. Güter läßt sich zwar nicht eindeutig vornehmen, doch ist die zusätzliche Angabe der bereits erwähnten mr mr(.w)-Vorsteher der Viehweiden bzw. zAw S(.t)/mr(.t)-“Hüter des Bezirkes” sowie die Deutung von Raum VI als Küche Indiz dafür, daß es sich um Viktualien gehandelt haben dürfte.

Die Verteilung der mjtr zeigt eine auffällige Konzentration v. a. in den zwei Stadtbereichen Festung und Nordoststadt. In ersterer stammen von insgesamt 18 Objekten 13 aus dem Süd- und fünf aus dem Mittelbereich, wobei die meist unvollständig erhaltenen mjtr-Siegelungen im Südbereich keinen besonderen Schwerpunkt erkennen lassen, sondern vielmehr gleichmäßig verteilt sind. Stellt man nur die Siegelungen von mjtr-Angehörigen, die keinen Beamtentitel zusätzlich aufweisen, in Rechnung, so kommen 12 Exemplare in Betracht. In Raum IV eines noch freizulegenden Gebäudekomplexes 6D kann aufgrund des Nachweisen zweier weiterer mjtr-Siegelungen im Estrichboden, von denen eine vielleicht noch die Berufsbezeichnung eines w.t(j)-“Balsamierer” aufweist,476 davon ausgegangen werden, daß hier sowohl Kisten angeliefert, geöffnet als auch gelagert wurden. Eine ähnliche Fundsituation liegt in Hof XXX und in Raum XI a von Hausgebäude 6/B vor, wo unter den gefundenen mjtr-Siegelungen eine davon zusätzlich den Beruf kAr(j)-“Winzer” angibt.477 So ließen sich in einem älteren Niveau des vorgelagerten Freibereiches XI b weitere Siegelungen478 dieser Titelträger nachweisen, die vermutlich aus dem nahegelegenen Raum XI a stammen und als Abfall weggeworfen wurden. Unter diesen fand sich ferner auch der Rest einer Doppelsiegelung eines mjtr und eines nxbTitelträgers.479

In der Oststadt, in der insgesamt acht Kistenversiegelungen die Abdrücke von mjtr aufweisen,484 erlaubt die sehr unterschiedliche Fundlage der Kistenverschlüsse keinerlei sichere funktionelle Bestimmung eines Gebäudes oder Raumes. Ähnlich verhält es sich mit der Identifiziereung des Inhaltes. Weder die bereits erwähnten Beamtentitel noch die zusätzliche Erwähnung eines Ssm.w-“Zuständiger für die Wein-/Ölpresse” als berufliche Angabe eines mjtr bieten hierfür gesicherte Anhaltspunkte.485 Nachweise von rnw/jrj nw und rnw.tj/jrj nw.tj finden sich neben den bereits zwei erwähnten Beamtensiegelungen486 noch an vier weiteren Kistenverschlüssen. Hiervon stammen zwei aus einer Grubenverfüllung der Festung, auf denen lediglich die Angabe rnw.tj/jrj nw.tj zu erkennen ist.487 Von zwei weiteren Exemplaren aus der Oststadt weist eines die Angabe rnw/jrj nw,488 das andere eine unbestimmte Graphie C0 auf, die charakteristisch für die nicht sicher zu bestimmende Form rnw[…]/jrj nw[…] ist.489 Entscheidende Bedeutung kommt dabei Raum L eines länglichen Gebäudes zu, in dessen primärem Boden (B1) das Verschlußfragment mit dem Abdruck eines umschnürten Holzknaufes neben einer Fülle von Portionierungsstücken, ungesiegelten Gefäßverschlüssen, verformten Lehmbatzen und Lehmplättchen gefunden wurde, die eindeutig Indiz einer Siegeltätigkeit in diesem Raum, möglicherweise einer “Siegelstube” sind.

In einem weiteren Hauskomplex 6A im Mittelbereich der Festung konnten in Raum VIII, X und XIV weitere Versiegelungen von Kisten durch mjtr-Angehörigen geborgen werden, wobei die meisten Funde aus Raum XIV kommen und diesen als möglichen Lagerort vermuten lassen.480 In der Nordoststadt stammen 11 der 12 Kistenversiegelungen von mjtr aus Gebäude A, wo sie in den Resten eines Estrichbodens in Raum VI gefunden wurden.481 Lediglich eine Siegelung wurde in Raum XXXVI von Gebäudekomplex B geborgen.482 Dem

Die letzte Siegelung eines Lokalbeamten war in einem in die Mitte der 2. Dyn. zu datierenden Fundkomplex der

476 Festung: Kat. 125 und 129; zur Besprechung der Gruppe der Berufssiegel siehe S. 114 ff. 477 Festung: Kat. 173, 238 wie auch Kat. 188. Siehe auch hierzu S. 144, Anm. 1455. 478 Wie Kat. 198 479 Festung: Kat. 191; siehe hierzu auch S. 103, Anm. 1057. 480 Zur Lage dieses Bereiches, siehe Taf. XXVI-XXVIII. Siehe außerdem Festung: Kat. 208, 212-214 und 226. 481 Nordoststadt: Kat. 042-044, 046-047, 049-050, 052, 055, 057 und 059. Zu Kat. 050 und 057 siehe S. 145. 482 Nordoststadt: Kat. 072. Die Kistenversiegelung stammt aus einer Störung, so daß jeder Deutungsversuch des Objektes hinfällig wird. Zur Lage des Bereiches siehe Tafel XXXII.

483 Nordoststadt: Kat. 042-043; beide Kistenversiegelungen weisen ein und dieselbe Siegelung einer mjtr.t-Angehörigen auf. Natürlich kann nicht ausgeschlossen werden, daß beide Verschlüsse Elemente derselben Kistenversiegelung sind. Zu Frauensiegeln, siehe ausführlich S. 121 f. 484 Oststadt: Kat. 424, 493, 523, 573, 585, 591, 634 und 636. 485 Oststadt: Kat. 523 und 636 sowie Oststadt: Kat. 424. 486 Oststadt: Kat. 296 und 530. 487 Festung: Kat. 149 und 151. Siehe zu dieser Titelbezeichnung S. 124 ff. 488 Oststadt: Kat. 417 489 Oststadt: Kat. 529

46

DIE SIEGELABROLLUNGEN UND ROLLSIEGEL DER STADT ELEPHANTINE

Nordoststadt-Erweiterung festzustellen und weist nicht nur die selten belegte Graphie C5 von rnw.tj/jrj nw.tj, sondern auch das Epitheton anx mr(j)/mr(r) nsw.t490 auf. Auch hier ist aufgrund der eingeschränkten Aussagekraft des Befundes eine nähere Deutung nicht möglich. Die Siegelung gestattet lediglich eine Datierung in die 2. Hälfte der 2. Dyn.

Von den insgesamt neun Kistenversiegelungen der Oststadt stammen acht aus unterschiedlichen Verfüllungskontexten wie in Räumen,503 Mauerwerke,504 Böden505 und Gruben.506 Eine weitere Siegelung, die nichtägyptischen Ursprung ist507 und auf einem Verschluß von ungewöhnlicher mit schwarzen mit weißen Partikeln vermengter, Magerungsqualität angebracht war, läßt möglicherweise auf nubische Herkunft508 und somit auf diplomatische Handelsbeziehungen der Oststadt mit der nubischen Oberhoheit schließen.509

Von den insgesamt acht unvollständigen Zivilsiegelungen mit Beititel und/oder epithetischer Bezeichnung stammen sieben aus der Oststadt und eine aus der Nordoststadt. Die Zivilsiegelung aus der Nordoststadt wurde in einer Grubenverfüllung in Raum XV von Gebäudenkomplex A gefunden.491 Erkennbar ist lediglich die epithetische Bezeichnung anx mrr nsw.t auf dem sehr fragmentarisch erhaltenen Kistenverschluß, womit eine Benutzung der Grube spätestens für das Ende der 2. bzw. in der 3. Dyn. anzunehmen ist,492 was bestens mit dem keramologisch der 3. - 4. Dyn. zuzuordnenden Stratum D2 korreliert.

Zusammenfassung Die stadttopographische Verteilung der insgesamt 89 Kistenversiegelungen läßt hauptsächlich drei Zentren Festung, Oststadt und Nordoststadt - erkennen, in denen darüberhinaus sogar die Bestimmung potentieller Aufbewahrungsorte von Kisten möglich ist. Gehäufte Funde im Südbereich des Festungsareals in Hauskomplex 6/B sowie ein Raum in 6/D Gebäude charakterisieren diese ziemlich eindeutig. In 6/B kann sogar davon ausgegangen werden, daß dort Kisten mit besonderem Inhalt, vermutlich für rituelle Zwecke, gelagert wurden und unter strenger Kontrolle standen. Die bisher gewonnenen Ergebnisse zeigen zunächst, daß von staatlichen, lokalen und zivilen Beamten Kisten versiegelt wurden. Dennoch lassen sich zwei Hauptgruppen von Siegelnden ausmachen: die mjtr, die v. a. in den zwei Stadtbereichen Festung und Nordoststadt vertreten sind und die der Beamtensiegel, die vorwiegend in der Festung belegt sind. Demgegenüber finden Siegelungen der rnw/jrj nw und rnw.tj/jrj nw.tj nur vereinzelt finden. Bei dem dort tätigen Personal handelte es sich um Kontrollbeamte, Lagerhausverwalter, Schutzbeamte und Begleiter, denen die von den mjtr gelagerte Produkte bzw. Waren unterstellt waren. Inwiefern dabei Hauskomplex 6/B in Verbindung mit dem Satettempel bzw. in dessen Abhängigkeit stand kann hier nur vermutet werden.

Unter den sieben Zivilsiegelungen der Oststadt findet sich auf drei als Beititel drei Mal n(j) hb493 bzw. hb,494 zwei Mal sAD,495 hierunter einmal zusätzlich jz.t (sic!) nfr mAa mitführt.496 Lediglich eine Siegelung, deren vertikale Trennleisten für eine Datierung frühestens in die späte 3. Dynastie sprechen, weist noch das Epitheton anx mr(j)/mr(r) nsw.t auf.497 Da es sich bei diesen Beititeln um bedeutende Datierungskriterien der 3. Dyn. handelt,498 stellt ihr Nachweis in unterschiedlichen Verfüllungskontexten der Oststadt einen wesentlichen Terminus postquem für die zeitliche Zuordnung der architektonischen Elemente dar. Die letzten 14 Siegelungen, die aufgrund der klaren Nachweise von versiegelten Kisten stammen und demzufolge in diese Sondergruppe aufgenommen wurden, stellen zwar vom Umfang her den zweitgrößten Siegelkomplex dar, lassen jedoch insgesamt lediglich einen Personennamen oder Reste davon erkennen. Im Südbereich des Festungsareals wurden vier Exemplare v. a. in Gebäudekomplex 6/B in Raum XI a499 sowie dem daran unmittelbar anschließenden Vorbereich XI b500 bzw. XXXVIII501 gefunden. Vier weitere Siegelungen konnten in der Nordoststadt in Gebäudekomplex A in unterschiedlichen Räumlichkeiten und Fundkontexten nachgewiesen werden.502

In der Nordoststadt ist der größte Teil der Kistenversiegelungen in Gebäudekomplex A gefunden worden. Auffällig ist dabei die Konzentration von mjtrSiegelungen in Raum VI, was darauf schließen läßt, daß hier die von mjtr angelieferten Kisten geöffnet und ihr Inhalt in Gebäude A verarbeitet wurde.

490

503

Nordoststadt: Kat. 067; zu diesem Epitheton siehe auch S. 164 ff. Nordoststadt: Kat. 094 492 Erläuternd hierzu s. Tabelle 87. 493 Oststadt: Kat. 434 494 Oststadt: Kat. 495 und 616,; zu diesem Beititel s. ausführlich S.160 ff. 495 Oststadt: Kat. 561 und 635; siehe hierzu auch Oststadt: Kat. 634 und 636 sowie S. 155 ff. 496 Oststadt: Kat. 561; s. S. 154, Tab. 54, (D 7 und E 5). 497 Oststadt: Kat. 494; siehe hierzu ebenso Kat. 481 und 493. 498 Siehe hierzu S. 171, Tabelle 64. 499 Festung: Kat. 157 und 187. 500 Kat. A130 501 Festung Kat. 230 502 Nordoststadt: Kat. 071 wie auch die ausgesonderten Kat. A046, A048 und A051.

Oststadt: Kat. 419 und 425. Ausges. Kat. A262. Oststadt: Kat. 381, 384 und 630. 506 Oststadt: Kat. 610 und 613. 507 Oststadt: Kat. 644; der fremdartige Aspekt dieser Abrollung zeigt sich am Wellenmuster eines nicht mehr zu rekonstruierenden Siegelbildes, wie sich dies auf einem Rollsiegel einer nubischen Bestattung der Post-A-Gruppe findet, s. B. Williams, Parts 2 - 4: Neolithic, A-Group and Post-A-Group Remains from Cemeteries W, V, S, Q, T and a Cave East of Cemetery K, Chicago 1989, S. 47, Abb. 14b und Tf. 13b. 508 Anzumerken ist, daß ägyptische Tonbullen eine auffallend feine Aufbereitung des Niltonmaterials erkennen lassen. Die schwarze Farbe des nubischen Verschlusses ist hier nicht auf die Einwirkung von Feuer zurückzuführen. 509 Siehe übergreifend S. 212.

491

504 505

47

JEAN-PIERRE PÄTZNICK

Festung

Siegelungen an Tb. 2 a

Oststadt

Staatlich: Amtssiegel

1

2

Lokal:Beamtensiegel + mjtr +rnw/rnw.tj Lokal: Berufssiegel + mjtr Lokal: Zivilsiegel mjtr mjtr.t Lokal: Zivilsiegel rnw/jrj nw rnw.tj/jrj nw.tj

13 7

1 2 2

NO-Stadt

Satet-Süd

Gesamt

3 1 2

1

16 11 2

29

2

2 6

10

10 2

26 2

28

2 3

5

2 2

Lokal: Beititel+Epith.

7

Lokal:

1

Nubisch

1 1

8 1

Unbestimmbar

4

8

2

Gesamt

39

31

19

14 1

90

Tabelle 23: Stadttopographische Verteilung der Siegelungen auf den Kistenverschlüssen Tb. 2 a (Körbe jeglicher Art) oder auch von Gefäßverschlüssen des Typus Gv. V a511 handelt, ist somit nicht immer eindeutig zu klären. Jedoch veranschaulicht der Abdruck eines Knotens bzw. einer durchlaufenden Verschnürung nicht nur das reiche Spektrum der Versiegelungspraxis in dieser frühen Zeit, sondern gestattet gleichzeitig eine Fülle möglicher Deutungen.512

Tb. 2 a

Festung

Unbestimmbar

Oststadt

Zivil: Beititel/Epith.

N-Oststadt

Zivil: jrj nw/nwtj

Satet-Süd

Zivil: mjtr Nubischessiegel

Das Elephantiner Siegelmaterial umfaßt 136 Verschlüsse dieses Typs, von denen 65 aus der Oststadt stammen, 51 aus dem Festungsareal, 19 aus der Nordoststadt und eine aus Satet-Süd.

Beamtensiegel Amtssiegel 0

10

20

30

Tabelle 24: Verteilung der Siegelungen Kistenverschlüssen auf die einzelnen Stadtgebiete

Tb. 2 b

an

Festung 37,2% Oststadt

0,7% 13,9%

3.2.2.2 Typus Tb. 2 b - Der Schnur- und Knotenverschluß

37,2%

Zu dieser Kategorie zählen ausschließlich Verschlüsse mit Abdrücken von Knoten bzw. nicht näher zu bestimmenden Verschnürungspuren, wobei eine sichere typologische Zuweisung oft durch den nur noch fragmentarischen Erhaltungszustand erheblich erschwert wird. Ob es sich dabei um Bestandteile von Türverschlüssen des Typus Tv. 2,510 von Behältnissen

Satet-Süd

13,9% 0,7%

48,2%

Tabelle 25: Prozentuales Verhältnis der Tonbullen Tb. 2 b in den einzelnen Stadtgebieten 511

510

48,2%

N-Oststadt

512

Siehe hierzu S. 57 ff.

48

Siehe S. 33 f. Zur Auswahl der Verschlußformen s. Anhang: Tafel X unten.

DIE SIEGELABROLLUNGEN UND ROLLSIEGEL DER STADT ELEPHANTINE

Wie bereits bei den Tonbullen von Typus Tb. 2 a sind auch für Tb. 2 b die Oststadt, die Festung und die Nordoststadt als Zentren erkennbar. Im Unterschied zu den Kistenversiegelungen ist jedoch der Hauptanteil nicht in der Festung, sondern in der Oststadt zu finden. Gleichgeblieben ist hingegen der Anteil der Versiegelungen in der Nordoststadt und im Südbereich des Satettempels.

Kistenverschlüssen Tb. 2 a bekannte Siegelungen des zA stp.t-“Der die Fleischstücke bzw. das Erlesenste schützt” - namens WAD.wj -, des mjtr und Hzmn/Hmr-“Der für Natron/Salz Zuständige” - namens ¤AH.t nfr Htp.t(j) n (=j) - und ferner bisher unbekannte Bezeichnung jrj wDA.t“Wächter/Hüter des Lagerhauses”518 nachgewiesen werden, wodurch das Involvieren dieser Funktionsträger in die Kontrolle der Waren, die im Raum XI a gelagert waren, erhärtet wird und diesen auch funktionnell als Magazinraum etabliert.519

Können in der Festung im wesentlichen der Süd-, der Mittel- und der Nordbereich als die Schwerpunkte der Siegeltätigkeit von Tb. 2 b lokalisiert werden, so überwiegt dennoch mit 37 von insgesamt 50 Schnürverschlüssen ersterer deutlich. Wie bei den Kistenversiegelungen lassen sich dort ebenfalls die Hauskomplexe 6/B (25) mit den vorgelagerten Freibereichen XI b, XXVII und 6/D (12) samt dazugehörigem Raum IV als Hauptfundorte ausmachen.

Zu erwähnen sind zudem zwei Versiegelungen, die aus Grubenverfüllungen des vorgelagerten Bereiches stammen und die jeweils die Titel Hrj mA“Kontrollbeamter” und Hrj s(w)DA(.w)-“Oberster Bewahrer” sowie den Beititel hb tragen.520 Aus Raum XI c einer älteren Baustufe von Gebäudekomplex 6/B stammt wohl die Abrollung eines Sms-Begleiter.521

14 der insgesamt 19 Schnurversiegelungen der Nordoststadt stammen aus Gebäudekomplex A, von denen allein die Hälfte in Raum XV geborgen wurde. In der Oststadt sind lediglich in Raum XXIV zwölf Schnurverschlüsse gefunden worden.

Im Mittelbereich des Festungsareals konnte in Raum XIV von Hauskomplex 6/A lediglich die unvollständige Abrollung eines allem Anschein nach noch als mA wr Beamtentitels identifiziert werden.522 Von den zwei Beamtensiegelungen im Nordteil des Festungsbereichs stammt eine aus Raum XX, auf der ein Hrj mA-Kontrollbeamter auszumachen ist,523 während die zweite aus der Grubenverfüllung von Raum XXXIV den bisher selten belegten Titel rnw/jrj nw nTr/.t“Lokalbeamter des Gottes/der Göttin” trägt.524

Die auf den Schnurverschlüssen angebrachten Siegelungen weisen sämtliche bisher bekannten Kategorien von Siegelnden aus. So finden sich zunächst in der Oststadt zwei Amtssiegelungen, auf denen neben dem Horusnamen Netjerichet erstmals der Titel xtm(w.tj) xAstjw-“Schatzverwalter der Fremde”513 belegt ist und die somit zu Beginn der 3. Dyn. zu datieren sind.

Die 11 Siegelungen aus der Oststadt wurden zum Großteil in Areal II und III in verschiedenen Räumlichkeiten geborgen. Unter ihnen befinden sich drei mjtr Siegelungen, von denen zwei zusätzlich den bisher unbekannten Titel mDH wxr.ty nsw.t nTr/nTr.t-“Direktor der beiden Werften des Königs und der Göttin”525 aufweisen, während sich auf der dritten die Angabe einen

Von den insgesamt 33 Beamtensiegeln stammen 18 aus der Festung, 11 aus der Oststadt und vier aus der Nordoststadt bzw. deren Erweiterung. Wie bereits bei den Kistenversiegelungen waren die Tonbullen des Typs Tb. 2 b vorwiegend im Südbereich des Festungsareals bzw. inbesondere in und um den Gebäudekomplex 6/B samt Hof XXX und angrenzenden Raum XI a sowie in Raum IV bzw. XXII von Hauskomplex 6/D nachzuweisen. In Raum IV wurden drei Siegelungen eines mit wDa mdw/xrw betitelten jrj nw.tj/rnw.tj-“Lokalbeamter”,514 zwei Siegelungen von mjtr-Angehörigen je mit dem Titel At.tj515 bzw. rmn(w)-“Träger” sowie zwei Siegelungen eines Hrj wDA.t-Lagerhausverwalter gefunden;516 eine Funktion, die im übrigen auf einer weiteren Siegelung im vorgelagerten Freibereich XI b geborgen werden konnte.517

518

Festung: Kat. 162 Siehe hierzu S. 201. 520 Kat. 190 und 206; zu dieser Beamtengruppe bzw. dem Beititel siehe S. 102 ff. bzw. S. 104 ff. u. S. 160 ff. 521 Festung: Kat. 242; zu diesen Titelträgern siehe S. 107 ff. 522 Festung: Kat. 211; bemerkenswert hierbei ist der Nachweis des Titels in einer Siedlung und v. a. in einer befestigten Anlage wie der Festung von Elephantine (und nicht wie bisher im sakralen oder sepulchralen Bereich). Zu diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, daß sich der Titel mA wr / wr mA von der 4. Dyn. bis zum Ende der 18. Dyn. unter König Haremhab sich auch im militärischen Kontext und in Expeditionswesen finden kann, s. W. M. Fl. Petrie, Meidum, London 1892, Tf. X ff., M. I. Moursi, Die Hohenpriester des Sonnengottes von der Frühzeit Ägyptens bis zum Ende des Neuen Reiches, MÄS 26, 1972, S. 16 ff. und S. 165 f. (mit gewissem Vorbehalt) und W. Helck, Untersuchungen zur Thinitenzeit, ÄA 45, Wiesbaden 1987, S. 257. Zum Titel siehe zusammenfassend B. Schmitz, in: LÄ II, 1977, Sp. 1249-1254. Möglich wäre m. E. durchaus, daß die Titel mA-“Aufseher/Kontrolleur”, Hrj mA-“Oberster Kontrolleur” und wr mA/mA wr-“Großer Kontrolleur (?)” Ausdruck eines hierarchischen Gefüges sind und somit auf die Existenz einer Aufsichtsbehörde verweisen könnten. 523 Festung: Kat. 251; zu diesem Titel siehe S. 102 ff. 524 Festung: Kat. 268; zum Titel s. S. 131. 525 Oststadt: Kat. 407 und 601; zur Diskussion des Titels mDH wxr.ty nsw.t nTr(.t) s. S. 111 ff. sowie S. 212. 519

Darüberhinaus konnten in Raum XI a und XXX einerseits bereits auf Gefäßhalsverschlüssen Gv. V b und 513

Oststadt: Kat. 452-453; zu Lesung und Deutung des Titels s. S. 69 f. Festung: Kat. 111 u. 134; zu jrj nw.tj/rnw.tj siehe S. 124 ff. 515 Festung: Kat. 121; aus demselben Raum stammt ferner eine Siegelung eines mjtr mit der gleichen Titelbezeichnung At.tj. Zu den mjtr-Angehörigen, siehe im allgemein S. 137 ff., insbes. S. 144, Anm. 1452. 516 Festung: Kat.138-139; zu dieser Beamtengruppe siehe S. 98 ff. 517 Festung: Kat.142; letzterer fand sich nochmals auf einem Kistenverschluß aus demselben Bereich, s. Kat. 191 und S. 45, Anm. 458. 514

49

JEAN-PIERRE PÄTZNICK

Xrj a nsw.t findet526. In Raum XXIV konnten drei weiteren Beamtensiegelungen geborgen werden, die von einem sr Hrj nb.t=f-“Oberster Richter seiner Herrin”, einem jAw.tj nTr.t-“Beamter der Göttin” sowie einem mit jtj-“Fürst, Patron” betitelten rnw/jrj nw-“Lokalbeamter” stammen.527 Unter den Siegelungen, die in Raum XXII gefunden wurden, finden sich neben der Lokalbeamtenbezeichnung rnw/jrj nw die Angaben eines mDH nsw.t pr Sna“königlicher Leiter der Produktionsund Verabeitungsstätten” sowie Hrj anx(.w) pr Sna“Personalchef der Produktionsund Verabeitungsstätten”.528 Der Nachweis der Abrollung in der Verfüllung unter dem Estrich B7 bringt nicht nur diesen Gebäudekomplex mit der pr Sna, einer der wichtigsten Versorgungs- und Arbeitsinstitution der 3. Dyn. in Verbindung, sondern ermöglicht zugleich aufgrund des zusätzlichen Epithetons anx wD nTr nfr die Datierung des Estrichs frühestens in die 1. Hälfte der 3. Dyn.529 Drei weitere Siegelungen stammen aus der Verfüllung unterschiedlicher Räumlichkeiten eines an die alte Stadtmauer anschließenden Siedlungskomplexes. Dort finden sich zwei Nachweise eines zS-Schreiber, von denen eine aufgrund der Unterteilung des Siegelbildes mit vertikalen Trennlinien in die späte 3. Dyn. zu datieren ist.530 Schließlich sei noch auf das Vorkommen eines xrp jz DfA-Leiter der jz DfA in einer Raumverfüllung von Areal III b hingewiesen,531 in dem typische Produktions- und Siedlungsrückstände eines Versorgungszentrums, wie flache Brotbackformen und Gebrauchskeramik gefunden wurden. Von Bedeutung ist in diesem Kontext die Interaktion zweier staatlicher Institutionen, einer übergeordneten Versorgungsinstanz jz DfA532 einerseits sowie einer mit der Produktion von Bier und Brot betrauten pr Sna533 in der Oststadt andererseits, wodurch sowohl wirtschaftlich als auch administrativ die zentrale Funktion dieses teilweise freigelegten Palastbezirkes für die Verwaltung des gesamten urbanen Komplexes besonders betont wird.534

Zeitraum spricht der Titel Hrj mA-“Kontrollbeamter” bzw. für mA, so daß dieser Verschluß die Verwendung von ein grundlegendes Kriterium für den Bau der Stadtmauer darstellt, der demnach frühestens in die ausgehende 2. Dyn. zu datieren ist.535 In der Erweiterung der Nordoststadt fand sich der vereinzelte Abdruck eines stp zA Betitelten, dem jedoch nur insofern Bedeutung zukommt, als der Nachweis von stp zA in Schicht II 1-3 des zugehörigen Stratums 3 gegen die bisherige Datierung in die 1. Hälfte der 2. Dyn. und stattdessen für eine solche frühestens am Ende der 2. Dyn. spricht. Damit dürfte auch die Erweiterung der Nordoststadt entweder bereits in diesem Zeitraum oder zu Beginn der 3. Dyn. erfolgt sein.536 Zwei weitere Beamtensiegelungen waren in jüngeren Besiedlungsniveaus der 3. und 4. Dyn. in der Nordoststadt in Gebäudekomplex A in Raum XV nachzuweisen. Aus einem älteren Niveau der 3. Dyn. stammt die Siegelung eines bisher unbekannten As nsw.t(?),537 während in einer eingelassenen Grube der 4. Dyn. die Beamtensiegelung eines zS-Schreiber geborgen wurde.538 Dieser kann zudem anhand eines Restbestandes seines Namens mit gleichlautenden Siegelungen der Oststadt direkt in Verbindung gebracht werden, was eine bemerkenswerte zeitliche Parallele zwischen beiden Stadtbereichen offenbart.539 Unter den Siegeln der zivilen lokalen Verwaltung lassen sich, neben zwei Berufssiegelungen, überwiegend drei Gruppen unterscheiden: mjtr, rnw/jrj nw bzw. rnw.tj/jrj nw.tj sowie unvollständige Abrollungen, auf denen mindestens ein Beititel und/oder ein Epitheton des Siegelberechtigten zu erkennen sind. Den Hauptanteil stellen auch hier die mjtr mit insgesamt 44 Siegelungen, von denen 20 aus der Festung, 16 aus der Oststadt, sieben aus der Nordoststadt und eine aus Satet-Süd stammen. Sieht man von den sechs Beamtensiegelungen ab, die bereits behandelt wurden bzw. von den zwei Berufssiegelungen, die es noch werden sollen, so lassen sich noch 16 Siegelungen der Festung und 13 der Oststadt, sieben der Nordoststadt bzw. eine der NOErweiterung zuweisen. Die Verteilung der mjtrSiegelungen innerhalb der Festung läßt v. a. den Südbereich bzw. insbesondere Raum IV/XXII im teilausgegrabenen Gebäudekomplex 6D540 sowie den gesamten Hauskomplex 6B (XIa, XIb und XXX)541 als Bereiche erkennen, in denen die Siegelaktivität der mjtr-

Demgegenüber sind in der Nordoststadt lediglich vier unvollständige Schnur- bzw. Knotenversiegelungen gefunden worden. Von diesen stammt der älteste Nachweis aus einer Nivellierungsschicht vor der Stadtmauer der Nordoststadt, die archäologisch zu Stratum 6 gehört, die der Zeitstufe B und damit der 2. Hälfte der 2. Dyn. zuzuordnen ist. Für ebendenselben 526 Oststadt: Kat. 637 und S. 146, Anm. 1468. Neben der üblichen Lesung und Interpretation wäre aufgrund der Form des Armes eine Lesung Xrj mH nsw.t-“Bewahrer der Königselle” zu erwägen. Eine derartige Bezeichnung hätte gerade für einen “Handwerker des Königs” sicher mehr Sinn als die Wiedergabe “Lehrling des Königs” oder auch “Der unter der Anweisung oder der Autorität des Königs ist”. 527 Oststadt: Kat. 356, Kat. 413 und Kat. 370, zu den rnw/jrj nw siehe S. 124 ff. 528 Oststadt: Kat. 414 529 Zur Diskussion s. S. 168 ff. 530 Oststadt: Kat. 426 und 461. 531 Oststadt: Kat. 483 532 Weitere Ausführung hierzu s. S. 67 f. 533 Siehe S. 92, Anm. 943. 534 Zur Deutung der Oststadt als freigelegten Teil der Residenz des Gouverneurs von Elephantine vom Beginn der 3. bis zur 5. Dyn. s. zusammenfassend S. 213.

535

Nordoststadt: Kat. 105; zur Gruppe der Hrj mA-“Kontrollbeamten” siehe S. 102 ff.; zur Relevanz dieser epigraphischen Angabe s. S. 207, Anm. 1934. 536 Nordoststadt: Kat. 066; zur Bedeutung für die Stadtentwicklung s. S. 209 f. 537 Nordoststadt: Kat. 074; vgl. auch S. 33, Anm. 337, wo sich die Siegelung dieses königlichen Beamten der besonderen Art auf einem Gv. V a in der Nordoststadt findet. 538 Nordoststadt: Kat. 092 539 Oststadt: Kat. 312 und 351. 540 Festung: Kat. 110, 118-119 und 123. 541 Festung: Kat. 140-141, 195, 248 und 178.

50

DIE SIEGELABROLLUNGEN UND ROLLSIEGEL DER STADT ELEPHANTINE

Angehörigen besonders intensiv zutage tritt und ähnelt damit dem Befund der Kistenversiegelungen Tb. 2 a.542 Der Rest der mjtr-Siegelungen läßt sich - von vereinzelten Nachweisen im Nordbereich, in Schichtungen von Wegen, und in Mauerwerkverfüllungen abgesehen543 - v. a. in der Hausanlage 6A (IXb, X und XIV)544 nachweisen.

Beititel nfr mAa jz.t auf. Unter den Siegelungen von rnw/jrj nw lassen sich gerade mal drei Exemplaren nachweisen, von denen ein den Beititel sAD mitführt, während zwei unvollständige rnw[…] Lokalbeamtenbezeichungen, von denen ein das Epitheton nDm jb mAa xrw aufweist, gefunden wurden.552 Gerade der Nachweis von Verschlüssen Tb. 2 b von rnw.tj/jrj nw.tj in Vorgängerbauten von Hauptgebäude A stellt insofern ein gewichtiges Datierungskriterium dar, als somit davon ausgegangen werden kann, daß seine Errichtung nach Ende der 2. Dyn. erfogte.553 Zudem weisen die Siegelungen von rnw.tj/jrj nw.tj in fast allen Stadtbereichen auf eine verbreitete Kontrolle der Ware, vermutlich auch von Abgaben, durch die Lokalbeamtenschaft, vielleicht auch für die Tempelverwaltung hin.554

Ein noch deutlicher Befund liegt in der Nordoststadt vor, in der sämtiche sieben relevanten mjtr-Siegelungen im Gebäudekomplex A gefunden wurden. Während lediglich drei Siegelungen aus unterschiedlichen Räumlichkeiten bzw. Schichtungen stammen,545 konnte der überwiegende Teil in Raum VI nachgewiesen werden, womit erneut ähnlich dem Befund der bereits behandelten Tb. 2 a -, die Bedeutung dieses Raumes für mjtr-Angehörige bzw. deren Siegeltätigkeit gekennzeichnet wird.546

Eine letzte Gruppe von Zivilsiegelungen, unter denen 14 in der Oststadt und drei in der Nordoststadt nachzuweisen sind, umfaßt somit 17 unvollständige Siegelsequenzen, auf denen lediglich Beititel, Epitheta und Namen erhalten sind. Hierbei überwiegen drei Gruppen von Beititeln deutlich, fünf nfr mAa jz.t555, fünf sAD bzw. ein sAD.t556 sowie zwei hb.557 In der Oststadt treten zu den bereits bekannten Beititeln Epitheta d, h. zwei anx mr(j)/mrr nsw.t bzw. ein mA jb nDm nsw.t auf.558 Auffällig ist hierbei das konzentrierte Auftreten charakteristischer Beititeln wie nfr mAa jz.t und sAD in der Oststadt, wohingegen diese in der Festung gänzlich fehlen bzw. in der Nordoststadt nur spärlich belegt sind. In zwei einzelnen Fällen weisen sie sogar die Kombinationen hb und mDd nfr st in der Nordoststadt559 oder nfr mAa jz.t und sAD in der Oststadt als Bestandteil der Siegelsequenz des ¡m nb=f auf.560

Im Unterschied dazu konzentrieren sich in der Oststadt die 13 relevanten Siegelungen der mjtr bis auf zwei vereinzelte Exemplare aus einem teilausgegrabenen Gebäude D,547 vorwiegend in den zwei südöstlich von Hauptgebäude A gelegenen Bereichen C und B (an der Stadtmauer).548 Damit lassen sich mit den dort gefundenen Siegelungen von mjtr/mjtr.t549 Verwaltungsbezirke wie ein Depotkomplex für Getreide (C) mit Lager- und Verarbeitungsräumen und Speichern sowie ein vermutlich als Werkstatt zu identifizierenden Bereich (B) in Relation bringen; ein Befund, der möglicherweise Hinweis auf die Funktion der mjtr innerhalb der Wirtschaftsstrukturen der lokalen Stadtverwaltung geben könnten.550 Von den insgesamt 17 Siegelungen von Lokalbeamten rnw/jrj nw bzw. rnw.tj/jrj nw.tj stammen allein 11 aus der Oststadt, fünf aus der Festung, eine aus der Nordoststadt. Zu den bereits fünf behandelten Beamtensiegelungen der Lokalbeamtenschaft der Stadtverwaltung lassen sich somit noch zwei Siegelungen der rnw.tj/jrj nw.tj Betitelten in Raum IV des Südbereiches der Festung sowie ein weiteres Exemplar davon in Raum XV von Gebäude A in der Nordoststadt nachweisen,551 während neun weitere Belege Zeugnis für die Siegelaktivität der Lokalbeamtenschaft in der Oststadt ablegen. Dort treten auf unvollständigen Abrollungen vier rnw.tj/jrj nw.tj je zwei Mal mit einem Personennamen bzw. mit dem

Gerade drei Mal vertreten ist Siegelungen vertreten ist die Kategorie der Berufssiegel. Zwei davon weisen mjtrTitelträger jeweils als mr.t-Angehöriger aus dem Südbereich des Satettempels561 und als jrj swn.t-“Der/Die den Handel macht/betreibt” aus Raum IV im Südbereich

542

552 Oststadt: Kat. 423, 509, 517 und 534 sowie Kat. 382, 437, 532, 590 und 625. 553 Zu diesem Datierungskriterium siehe S. 135. 554 Zum Doppelaspekt der Verwaltung s. S. 212. 555 Nordoststadt: Kat. 088 und Oststadt: Kat. 427, 440, 589 und 643. Zu diesem Beititel siehe S. 150 ff. 556 Nordoststadt: Kat. 101 und Oststadt: Kat. 445, 451, 456 und 485. Die Form sAD.t könnte u. a. auf eine weibliche Titelträgerin hinweisen. Zu diesem Beititel siehe ausführlich S. 155 ff. sowie S. 157. 557 Nordoststadt: Kat. 077 und Oststadt: Kat. 540 und 593. Zu diesem Beititel siehe S. 160 ff. 558 Oststadt: Kat. 477, 554 und Kat. 599. Zum Epitheton anx mr(j)/mrr nsw.t siehe S. 164 ff. 559 Nordoststadt: Kat. 077 560 Oststadt: Kat. 409 561 Satet-Süd: Kat. 004; weitere Nachweise dieses Siegelnden sind in der Festung zu finden (Kat. 148 und 254).

Siehe hierzu S. 46 bzw. S. 48, Tabelle 23. Festung: Kat. 145, 221 und 233. 544 Festung: Kat. 201, 216-217 und 232. Siehe auch Hausplan Tf. XXVIII. 545 Nordoststadt: Kat. 061 (Raum XV, Geb. A); Kat. 056 stammt aus einer älteren Bauphase von Gebäude A (Tf. XXXII), während Kat. 039 in einer Grubenverfüllung der Nordoststadt-Erweiterung geborgen wurde. 546 Nordoststadt: Kat. 048, 054, 060 und 081. 547 Oststadt: Kat. 595 und 620. Zur Lage der Anlagen siehe Tf. XXXV und XXXVI. 548 Oststadt: Kat. 330, 373, 642 sowie 286, 325, 398, 465, 428, 431, 450, und 520. 549 Oststadt: Kat. 465; zu den Frauensiegeln siehe ausführlich S. 121 f. 550 Zur Funktion der mjtr innerhalb der Verwaltung siehe ausführich S. 137 ff. und zusammenfassend S. 148 f. 551 Festung: Kat. 122 und 124; Nordoststadt: Kat. 089. 543

51

JEAN-PIERRE PÄTZNICK

Siegelungen auf Tb. 2 b Staatlich: Amtssiegel Lokal: Beamtensiegel +mjtr +rnw/jrj nw +rnw.tj/jrj nw.tj Beamtensgl.+Beit./Epith. Lokal: Zivilsiegel mjtr mjtr.t

Festung

Satet-Süd

NO-Stadt + -Erweit.

Oststadt

Gesamt

2 4

11 3 1 2 1

5 3 2 1

2 20 6 3 2 2

33

36 7

16

Lokal: Zivilsiegel jrj nw/rnw jrj nw.tj/rnw.tj jrj nw[…]/rnw[…] Lokal: Zivilsiegel Beititel+Epitheta

12 1

35 1

3 4 2

3 7 2

1 1

1 1 1 2

12 2

1 3

Lokal: Namenssiegel /-einritzung Lokal: Berufssiegel mjtr+Berufssiegel

1 1

Unbestimmbares

13

Gesamt

51

14

1

1

17 2 3

4

14

31

19

65

136

Tabelle 26: Gesamtstadttopographische Verteilung der Siegelungen an Knoten- und Schnurverschlüssen Tb. 2 b der Festung aus, wo auch die Siegelung eines kAn(w)“Gärtner” nachzuweisen ist.562

am Verschlußtypus Tb. 2 b aus dem Festungsbereich stammt und daß sie zumeist Abdrücke von Angehörigen der Lagerhausverwaltung und der Kontrollbehörde aufweisen. Die Tatsache, daß sie insbesondere im Südbereich dieses Areals in ganz bestimmten Räumlichkeiten auftreten, betont deren Funktion als Lager- und Verteilungsstätte umso mehr. Eine ähnliche Fundsituation in der Nordoststadt, insbesondere in Raum VI, führt zu einer vergleichbaren Deutung, wobei hier jedoch die mjtr als Personenkreis bestimmt werden konnten, der mit der Belieferung und Verteilung von gesiegelten Produkten betraut war.

Namenssiegel finden sich auf zwei Objekten der Oststadt und zwar jeweils mit einer Abrollung und einer Einritzung, woraus geschlossen werden kann, daß Privatpersonen Siegelungen an Verschlüssen des Typus Tb. 2 b - vermutlich im Rahmen von Abgabeverpflichtungen - vorgenommen haben.563 Abschließend sind noch die Abrollungen von “unbestimmbaren Siegelungen” zu erwähnen, auf denen sich lediglich ein Personenname bzw. Reste davon finden und die darum kaum Aussagekraft besitzen, jedoch der Vollständigkeit halber aufgenommen wurden. Von den insgesamt 31 Belegen stammen 14 aus der Oststadt, 13 aus der Festung und vier aus der Nordoststadt.

Sind in der Nordoststadt und seiner Erweiterung Angehörige der Lagerhaus- und Kontrollbehörden sowie ein Schreiber nachzuweisen, so finden sich in der Oststadt vorwiegend Siegelungen von Beamten des Versorgungswesens bzw. von Schreibern und von mjtr, v. a. im Amt eines “Direktor der beiden Werften des Königs und der Göttin”.

Zusammenfassung von Tb. 2 b Aus einer gesamten Betrachtung der stadttopographischen Verteilung der Schnur-und Knotenverschlüsse läßt sich feststellen, daß über die Hälfte der Beamtensiegelungen 562 Festung: Kat. 120 und 154; zur möglichen Funktion von mjtrAngehörigen als Handelsagenten, siehe S. 148 f. Zur Kategorie der Berufssiegeln siehe S. 114 ff. 563 Oststadt: Kat. 365 und 568. Siehe auch Kap. Namenssiegel, S. 118 ff.

52

DIE SIEGELABROLLUNGEN UND ROLLSIEGEL DER STADT ELEPHANTINE

nicht so sehr ihre Form, die sich kaum von den Tonbullen Tb. 2 a/Tb. 2 b unterscheidet, sondern vielmehr der Nachweis materieller Spuren eines Flechtwerks an der Unterseite der Lehmverschlüsse, das als sogenannte “coiling”-Technik bekannt ist,571 die im gesamten östlichen Mittelmeerraum sowie in Ägypten bei der Korbherstellung angewendet wurde.572 Ferner weist der Abdruck einer mittig verlaufenden Verschnürung über einer gewölbten oder flachen, geflochtenen Fläche darauf hin, daß Korb und Deckel gleicher Fabrikation vor der eigentlichen Versiegelung des Behälters miteinander verschnürt wurden. Eine Bestimmung des Inhalts dieser Körbe ist nicht möglich, sondern läßt sich aufgrund von Grabdarstellungen des AR lediglich vermuten.573

3.2.3 Typus Tb. 3 - Der Vorhängeverschluß Charakteristisch für diesen Typus, den Kaplony als Typus VII-2 identifizierte,564 ist seine halbmondförmige Gestalt, wobei die jüngeren Objekte der 3. bzw. der 4. Dyn. eine etwas fülligere, fast dreieckige Form aufweisen.565 Obwohl nicht gerade im Übermaß belegt, läßt sich diese Verschlußart in der Fachliteratur bereits in der 2. Hälfte der 1. Dyn. nachweisen, in der ebenfalls Siegelnde aus dem Privatbereich anzutreffen sind.566 Da bislang eine detaillierte Untersuchung zu dieser Verschlußform nicht vorliegt, ist weder über die Art der Anwendung noch der Versiegelung allgemein eine konkrete Vorstellung zu gewinnen. Beobachtungen an beschädigten Stellen, die auf eine Versiegelung zweier verknoteter Schnüre deuten, sowie der Nachweis durchtrennter Schnurenden an den Seiten lassen zunächst eine Art Hängeverschluß vermuten, was dieser Verschlußform auch die spezifische Bezeichnung gab, und der dementsprechend als Türverschluß bzw. als Etikett fungiert haben könnte.567

In unserem Siegelmaterial lassen sich drei Verschlüsse von Typus Tb. 4 nachweisen, von denen zwei aus der Oststadt und ein ausgesondertes Exemplar aus der Festung stammen.574 Die Siegelungen zeigen spärliche Reste einer Amtssiegelung aus der Regierungszeit des Königs Neferirkare aus der 1. Hälfte der 5. Dyn.575 sowie den Abdruck mit dem nicht näher zu deutenden Titel jrj T.t.576

Beide Objekte, die stellvertretend für diesen Typus stehen, stammen aus der Oststadt, von denen eines die Abrollung des zs-Schreiber Bw nfr568 bzw. das andere als Bestandteil einer unvollständigen Siegelsequenz eines Zivilsiegels - das Epitheton anx wD nTr nfr aufweist.569

3.2.5 Sonstige 3.2.5.1 Typus Tb. 5 a (1)

3.2.4 Typus Tb. 4 - Der Korbverschluß -

Eine spindelförmige Gestalt von 3 cm Länge und 2,7 cm Breite zeichnet diesen Verschlußtypus aus, an dessen beiden Seiten sich Reste einer durchlaufenden sowie durchschnittenen Verschnürung finden.577 Tb. 5 a ist mit Typus VII-1 von Kaplony zu vergleichen, den dieser als Beutelverschluß bezeichnete.578 Ohne dies gänzlich ausschließen zu wollen, möchte ich jedoch auf die in der Mitte dieser Verschlüsse zu beobachtende Verdickung aufmerksam machen, die auf eine verlehmte bzw. versiegelte Verknotung zweier Schnurenden hinweist, was sie in die Nähe des bereits besprochenen Typus Tb. 3 (Vorhängeverschluß) rückt und damit eine ähnliche Nutzung nahelegen könnte.579

Obwohl bereits im ägyptischen archäologischen Material belegt,570 fanden die Korbverschlüsse in die erweiterte Verschlußtypologie von Kaplony keinen Eingang. Entscheidend für eine Bestimmung desselben ist dabei 564

IÄF I, S. 54 und Anm. 160, sowie IÄF III, Tf. 64, Abb. 229 und Hall,Catalogue of Egyptian Scarabs in the British Museum, London 1913, S. 288 Nr. 2764 sowie IÄF III, Tf. 132, Abb. 807. 565 Siehe typologische Tafel IX Mitte und P. Kaplony, Beschriftete Kleinfunde in der Sammlung G. Michailidis, Istanbul (Türkei) / Belgien 1973, S. 2-3, Tf. 5, Abb. 3 und18, Abb. 3. 566 IÄF II, S. 1191 und IÄF III, Tf. 132, Abb. 807. 567 Inwiefern dieser Verschlußtypus zur Versiegelung zweier, aus einer doppelflügeligen Tür heraushängender Schnurenden diente, wie dies G. A. Reisner suggeriert, s. ders., Mycerinus, Cambridge-Massachusetts 1931, S. 95: “and when closed the two sides of the door...The bars, locks and battens were on the inside, and only the latch strings hung out through the two small holes in the door.”, oder als eine Art Etikett z. B. bei der Einlagerung von schweren Säcken fungierte, kann vorerst nur vermutet werden. Zur Funktion solcher Etiketten im vorderasiatischen Siegelmaterial s. u. a. A. Otto, in: MDOG 124, 1992, S. 50 und 76 ( T. 13). 568 Oststadt: Kat. 619 569 Oststadt: Kat. 628; das Epitheton weist die Graphie J1 (S. 169) auf und war Bestandteil einer durch vertikale Trennleisten gegliederten Siegelsequenz, was diese frühestens der späten 3. Dyn. zuordnet - in die ebenso die Ascheschicht in Raum CXXVI zu datieren ist, in der das Epitheton gefunden wurde. 570 Zum weiteren Nachweis dieser Verschlußform im ägyptischen Raum vgl. u. a. W. Fl. Petrie-G. Brunton, Sedment I, BASAE 34, London 1924, S. 17 f.; P. Kaplony, Die Siegelabdrücke, in: Das Sonnenheiligtum des Königs Userkaf Band II Die Funde, herausgegeben von H. Ricke, in: BF 8, Wiesbaden 1969, S. 99; K. Kromer,Siedlungsfunde aus dem Frühen Alten Reich in Giseh, Wien 1978, Tf. 35, Abb. 7; H. Junker:Giza VI, S. 120 und Abb. 9; Giza VII, Abb. 71 und Giza XI, S. 101, Abb. 22 sowie S. T. Smith, in: Aegeum 5, 1990, S. 201, Tf. XXXV f.

571

Siehe Typologische Tafel IX unten. I. Grumach-Shirun, in: LÄ II, 1977, Sp. 260, Anm. 5; dies., in: LÄ III, 1980,Sp. 740 f., Anm. 2; vgl. auch W. M. Fl. Petrie, Tarkhan I and Memphis V, London 1913, S. 25 und Tf. X, Abb. 1-2; s. außerdem A. von Wickede, op. cit., 1990, S. 32, Abb. 15-2; M. Marcus, op. cit., 1990, Tf. XXVII c-d; P. Ferioli und E. Fiandra, in: Origini 12/2, 1983, Typus O, S. 488 und S. 490, sowie S. 492, Abb. 17 a-b; dies., Archive Techniques and Methods at Arslan Tepe, in: Archives before writing, Turin 1994, S. 149-161, Abb. 1 a c , 2 a b d, 3 bcd, 4, 5; U. Esin, The functional evidence of seals and sealings of Degirmentepe, in: Archives before writing, Turin 1994, S. 67, Abb. 4; S. Herbordt, op. cit., Typ 5, S. 66 f., Abb. 9. 573 Vgl. hierzu z. B. mit T. G. Martin, Hetepka, Tf. 9. 574 Festung: Kat. A100. 575 Oststadt: Kat. 572 und S. 81 f. 576 Oststadt: Kat. 433; zu weiteren Belegen von T.t s. das Titelverzeichnis im Anhang. 577 Siehe typologische Tafel XI oben. 578 IÄF I, S. 54. 579 Vgl. S. 53. 572

53

JEAN-PIERRE PÄTZNICK

Tb. 5 a ist in unserem Material lediglich mit zwei in der Nordoststadt gefundenen Objekten vertreten,580 von denen eines mehrfach die Beamtensiegelung eines vermutlich noch als (w)DA(.tj) mDA.(w)t nsw.t“Angehöriger der Lagerhausverwaltung der Königsställe” zu lesenden Titels trägt, während das andere Spuren eines Zivilsiegels sowie den Personennamen und Beititel nfr mAa jz.t eines weiteren Siegelnden aufweist.

Der Nachweis einer unvollständigen Beamtensiegelung eines Sms nsw.t-Begleiter des Königs namens N(j) sw J(n)p(w) xs[…] auf der konvexen Seite des Verschlusses ist nicht nur Hinweis auf die Kontrolle eines staatlichen Gebäudes oder Lagerraumes durch einen königlichen Beamten, sondern würde auch die Besonderheit bzw. Ausschmückung des Türverschließungssystems an einem derartigen Gebäude erklären.586

3.2.5.2 Typus Tb. 5 b (2)

3.2.6 Die Tonbullen: Gesamtzusammenfassung

Der Verschluß, der in die Kaplonysche Typologie keinen Eingang fand, weist eine abgeflachte, dreieckige Form auf, an dessen unterer Seite der Abdruck einer mittig durchlaufenden, feinen Umschnürung eines Leinenstoffes zu erkennen ist, so daß Tb. 5-b als Stoffballen-oder Sackverschluß bzw. gar als Sonderform des Gefäßverschlusses Gv. V b bestimmt werden könnte.581

Mit insgesamt 624 Objekten, von denen 370 ausgesondert wurden bzw. typologisch unbrauchbar waren (Tb. 0), stellen die Tonbullen den Hauptanteil innerhalb des Elephantiner Siegelcorpus. Sie lassen sich in fünf Typen (Tb. 1, 2 a, 2 b, 3, 4) sowie eine weitere Gruppe von Sonderformen (Tb. 5 a, 5 b, 5 c) unterscheiden, die in sämtlichen untersuchten Stadtbereichen nachzuweisen waren. Die stadttopographische Verteilung der Tonbullen sowie Bestimmung ihrer jeweiligen Funktion gestattet folgende grundsätzlichen Erkenntnisse:

Im Siegelmaterial ist diese Tonbulle lediglich mit einem einzigen, aus dem Festungsbereich stammenden Exemplar belegt, das von einem Hrj (w)DA(.t)Lagerhausverwalter gesiegelt wurde.582

Tonbulle Tb. 1, die aufgrund ihrer Form als Krawattenknotenverschluß bezeichnet wird, diente dazu, “carrying sling”-Knoten zu versiegeln, die vorwiegend als Etiketten an schweren Säcke von Schreibern bzw. Angehörigen der Lokalbeamtenschaft in der Oststadt angebracht waren.

3.2.5.3 Typus Tb. 5 c (3) Diese Verschlußform wurde in der Nordoststadt in einer Hofanlage gefunden und weist eine Länge von knapp 4,5 cm sowie eine Breite von 2,3 cm auf.583 Es handelt sich dabei um eine zur Hälfte erhaltenen Lehmhülle, auf deren glatter konkaver Seite der verschnürte Abdruck der Darstellung eines Lagerhauses - wDA.t - zu erkennen ist.584 Die an eben dieser Seite erhaltene Krümmung des Abdruckes läßt zunächst auf einen Zylinder von etwa 5 cm Dm schließen, auf dem - dem Abdruck nach zu urteilen - das 4 cm breite Bild des Lagerhauses herausgearbeitet war. Nachdem dieses aufgebracht war, wurde es umschnürt und anschließend versiegelt.

Den größten Anteil innerhalb der Tonbullen stellt Typus Tb. 2, der in zwei unterschiedlichen Formen vorliegt. Die an der Unterseite der Verschlüsse nachzuweisenden Spuren ver- und umschnürten Holzes machen deutlich, daß es sich bei den Tonbullen vom Typus Tb. 2 a vorwiegend um Kisten-/Kasten-/Truhenverschlüsse handelt. Sie stellen etwas mehr als 34% des gesamten Tonbullenmaterials und stammen vorwiegend aus der Festung, Nordoststadt und Oststadt, was diese Stadtbereiche zunächst als Abgabestellen und Lagerorte ausweisen dürften. Die darauf angebrachten Siegelabrollungen lassen vorwiegend zwei Gruppen von Siegelnden erkennen, die der Beamten und die der mjtrStatusträger, wobei erstere als Kontrollorgan, letztere hingegen vorwiegend als Lieferanten fungierten. Abweichend hiervon zeigt der Befund in der Nordoststadt, daß die mjtr gelegentlich mit der Lagerung bzw. Kontrolle in Kisten angelieferter Produkte, wie z. B. Naturalien, betraut waren.

Der Sachverhalt, daß ein erhabenes - und nicht ein versenktes - Relief vorliegt, scheint die Verwendung eines Stein- oder Holzrollsiegels auszuschließen. Anzunehmen ist stattdessen, daß ein umschnürter Holzpflock versiegelt wurde, auf dem das Bild eines wDA.t-Lagerhaus herausgearbeitet war. Trifft dies zu, könnte es sich hierbei um einen Türverschluß von Typus Tv. 2 eines Lagerhauses handeln, wofür auch der Fund in der Hofanlage eines Wirtschaftsbereiches in der Nähe zweier Türgänge durchaus sprechen könnte.585

Tonbulle Tb. 2 b wurde aufgrund der Kordel- und Knotenabdrücke als Schnur- bzw. Knotenverschluß bezeichnet und stellt knapp 63% der gesamten Tonbullen dar.

580 Nordoststadt: Kat. 082 und Kat. 073 siehe auch die Titelliste im Anhang. Das älteste bekannte Beispiel dieser Verschlußform ist in die Stufe Naqada II-d zu datieren, s. U. Hartung, in: MDAIK 52, 1996, S. 30 ff., Abb. 5 a-b, Tf. 7 a-b. 581 Siehe die typologische Tafel XI Mitte. 582 Festung: Kat. 133; zu den “Lagerhausverwaltern” siehe ausführlich S. 98 ff. 583 Nordoststadt: Kat. 100 584 Siehe typologische Tafel XI unten. 585 M. Ziermann, Stadtentwicklung, S. 111 und Abb. 45; allerdings ist hier der Siedlungsbereich aus Schicht V-5 abgebildet.

Die Verteilung beider Verschlußformen innerhalb der untersuchten Stadtbezirke läßt eine starke Konzentration vorwiegend in der Oststadt und im Festungsbereich, hier insbesondere im Südbezirk dieses Areals erkennen, was 586

54

Hierzu siehe zum Titel “Begleiter” S. 107 ff.

DIE SIEGELABROLLUNGEN UND ROLLSIEGEL DER STADT ELEPHANTINE

Tonbullen Tb. 0 Tb. 1 Tb. 2 a Tb. 2 b Tb. 3

Festung

Satet-Süd

NO-Stadt

Oststadt

143 3

5

49

173 17

370 20

38 50

1 1

19 19

31 66 2

89 136 2

2

2

Tb. 4 Tb. 5 a

3

Tb. 5 b

3

1

1

Tb. 5 c Gesamt

Gesamt

1 7

235

1

91

291

624

Tabelle 27: Stadttopographische Verteilung der Tonbullen Die als Vorhängeverschluß bestimmte Tonbulle Tb. 3 wurde zur Versiegelung zweier verknoteter Schnüre verwendet, was den Schluß nahelegt, daß sie wie Tb. 1 als Etikett fungieren haben könnte. Die einzigen zwei Objekte dieses Typus stammen aus der Oststadt und tragen Abrollungen eines Schreibers sowie eines Zivilsiegels. Ebenfalls zwei Nachweise des bereits als Korbverschluß bekannten Typus Tb. 4 finden sich ausschließlich in der Oststadt und weisen die Abrollungen eines amtierenden Offiziellen sowie eines Berufssiegels auf. Die Kategorie der unter “Sonstige” subsumierten Versiegelungen besteht aus vereinzelten Sonderformen (Tb. 5 a-c), die vermutlich zur Versiegelung von Etiketten bzw. Kordeln an zweiflügeligen Türen, von Stoffballen oder sogar eines umschnürten, kunstvoll ausgeschmückten Holzpflocks eines königlichen Magazines dienten.

dessen Bedeutung als Lagerungs- und Verteilungsstätte besonders betont. Demgegenüber sind die Funde in der Oststadt häufig in unterschiedlichen Verfüllungskontexten - nur selten ganz bestimmten Räumlichkeiten zuzuordnen und auch funktionell einzubinden. Noch schwieriger ist eine Bestimmung innerhalb des Südbereichs des Satettempels, in dem lediglich zwei Verschlüsse gefunden wurden und denen somit kaum entscheidende Aussagekraft zukommt. Die darauf angebrachten Siegelungen lassen drei unterschiedliche Gruppen von Funktionsträgern - Beamte, Vertreter der Lokalbeamtenschaft und Angehörige der mjtr erkennen, die im allgemeinen einen weit verbreiteten, verwaltungstechnischen Gebrauch von Tb. 2 b innerhalb der Stadtverwaltung zugrundelegen. Siegelungen an Tonbullen Staatlich: Amtssiegel Lokal: Beamtensgl. + Zivilsiegel. Lokal: Berufssgl. + Zivilsiegel Lokal: Namensgl. Lokal: Zivilsiegel mjtr mjtr.t Lokal: Zivilsiegel rnw/jrj nw rnw.tj/jrj nw.tj Lokal: Zivilsiegel Beititel/Epith. Lokal: Nubisch Unbestimmbar Gesamt

Tb. 1 1 4 5

Tb. 2a 3 16 12 2

Tb. 2b 2 19 13 1 1 2

Tb. 3

Tb. 4

Tb. 5a

Tb. 5b

Tb. 5c

1

1

1 1

1

Gesamt 7 43 30 2 3 2

1

2 1

24 2

36 1

62 4

2 3

2 3

5 8

9 14

2

8 1

17

16 89

31 136

20

1

2

Tabelle 28: Verteilung der Tonbullen-Siegelungen 55

1

1 3

29 1 48

2

1

1

254

JEAN-PIERRE PÄTZNICK

nicht eindeutig bestimmt worden, weswegen er wohl auch keinen entsprechenden Eingang in die Typologie von Kaplony fand. Alle sieben Verschlüsse des Elephantiner Siegelmaterials, von denen ein Exemplar aufgrund der nicht mehr zu lesenden Abrollung ausgesondert werden mußte,595 weisen die Abdrücke eines länglichen, im Querschnitt runden, mehrfach mit einem Stoffetzen oder einem Lederriemen umwickelten Riegelbolzens aus Holz von vier bis sechs cm Dm auf. Dies läßt auf zwei unterschiedliche Verschließungs- bzw. Versiegelungsmethoden schließen, die Bestandteil eines von außen zu betätigenden Türverschließungs-bzw. Türöffnungssystems waren.596 Während mit Tv. 1 a ein Türblattriegel vom Typus z eines doppelflügeligen Türeingangs versiegelt wurde,597 diente Tv. 1 b zur Versiegelung des Türwandriegels einer einflügeligen Tür,598 worauf der Abdruck der breiten Holzkramme am Türblatt hinweist, an der der Riegel befestigt bzw. umschnürt wurde.

3.3 Die Türverschlüsse Obwohl in der Fachliteratur seit langem so unterschiedliche Türverschließungs-systeme wie die Verwendung eines Türwandriegels - mit oder ohne Stoßschlüssel -, eines Türblattriegels587 oder lediglich einer einfachen Kordel bekannt sind,588 blieb eine eingehende Untersuchung der an den Versiegelungen erhaltenen Abdrücke von Holzbolzen, Holzrinnen, Verschnürungen und Holzknäufen bislang aus.589 Erst die Arbeiten von E. Fiandra590 am Siegelmaterial der palatialen Anlage von Phaestos auf Kreta gaben hierzu den entscheidenden Impuls, dessen Wirkung, man möchte fast sagen, dessen “Stoßwellen” den gesamten östlichen Mittelmeerraum erfaßten, in der Ägyptologie jedoch nur wenig erkennbare Resonanz zeigten.591 Welche Wirkung die Bearbeitung einer derartigen Verschlußkategorie für die Ermittlung vergangener administrativer Strukturen dennoch haben kann, machen nicht nur die Untersuchungen aus der ägäischen bzw. minoischen und vorderasiatischen Archäologie deutlich,592 sondern auch jüngst erschienene ägyptologische Arbeiten.593 Im vorliegenden Siegelmaterial sind zwei Türverschließungssysteme Wandriegelverschluß und Kordelverschluß - zu unterscheiden.

In unserem Siegelmaterial stammen sechs der insgesamt acht Verschlüsse dieses Typus aus dem Südbereich des Satettempels und zwei aus der Oststadt. Dieser Befund sowie der Nachweis eines z-Riegels in Raum VIII bzw. eines weiteren großen Holzriegels in Raum III in SatetSüd legen die Vermutung nahe, daß Raum VIII mit einer doppelflügeligen Tür und Raum III mit einer einflügeligen Tür verschlossen wurde, was Indiz für zwei unterschiedliche Verwendungszwecke ist. Der Nachweis mehrfacher Abrollungen eines xtm(w).t(j) rnw/jrj nw nfr jxt zA hb-“Schatzverwalter und Lokalbeamter” auf der Verriegelung von Raum VIII sowie das zusätzliche Epitheton nfr jxt zA-“Vollkommen sind die Sachen der Phyle” machen deutlich, daß dessen Kontrolltätigkeit in das bestehende Phylensystem eingebunden gewesen sein könnte.599

3.3.1 Typus Tv. 1 (a-b) - Der Riegelverschluß Obwohl bereits von O. Königsberger eingehend besprochen,594 ist dieser Verschlußtypus an sich bisher 587

Siehe allgemein hierzu O. Königsberger, Die Konstruktion der ägyptischen Tür, ÄF 2, Glückstadt 1936, S. 41 ff., sowie u. a. E. Graefe, in: MDAIK 27, 1971, S. 147 ff. und H. G. Fischer, in: Varia Nova, New York 1996, S. 91 ff., wo vorwiegend Beispiele von doppelflügeligen Schreintüren mit typischem Türblatt-Verschlußsystem gezeigt und besprochen werden. 588 O. Königsberger, op. cit., S. 48 ff.; K. Kuhlmann, in: LÄ V, 1984, Sp. 658-661; P. Behrens, in: LÄ V,1984, Sp. 256 f.; P. Posener-Kriéger, Noms des parties de portes dans les documents d´Abousir , in: FS H. Ricke, BÄBA 12, Wiesbaden 1971, S. 75 ff. und dies., Archives Abousir, S. 430 ff. 589 IÄF I, S. 55. 590 E. Fiandra, in: Bd. A 60,1975, S. 1-25; dies., in: Bd. A 67, 1982, S. 1-18. 591 S. T. Stuart, in: Aegeum 5, 1990, S. 197. 592 Siehe hierzu u. a. die grundlegenden Untersuchungen am Material der Palastanlage von Phaestos (Kreta) von E. Fiandra, in: Bd. A 60, 1975, S.1 ff. bzw. von Arslan Tepe (Anatolien, Türkei) von P. Ferioli und E. Fiandra, in: Origini 12/2, 1983, S. 490 ff., Abb. 21-23 sowie die Arbeiten an den Türversiegelungen des Palastes von Mari (NSyrien) von D. Beyer, in: MARI 4,1985, S. 375 ff., Abb. 1. Zu weiteren exemplarischen Untersuchungen siehe R. J. Matthews, Cities, Seals and Writing: Archaic Seal Impressions from Jemdet Nasr and Ur, Materialien zu den frühen Schriftzeugnissen des Vorderen Orients Band II, Berlin 1993, Abb. 27 b und Tf. 2 Mitte sowie Tf. 3 Mitte; A. Alizadeh, Social and Economic Complexity and Administrative Technology in a Late Prehistoric Context, in: Archives before writing, Ed. by P. Ferioli, E. Fiandra, G. G. Fissore u. M. Frangipane, Turin 1994, S. 50, Abb. 13 mit Darstellung einer versiegelten Magazintür. 593 S. T. Smith, in: Aegeum 5, 1990, S. 197-216, Tf. XXXIV - XL; C. von Pilgrim, Elephantine XVIII, S. 235 ff. mit Vorbehalt gegenüber der Absolutheit dieser Identifikation. 594 Siehe O. Königsberger, op. cit., S. 41 ff. (Blattriegel) und S. 49 ff. (Wandriegel).

Nachweise von Doppelsiegelungen zwischen einem rnw.tj/jrj nw.tj-“Lokalbeamter” und einem weiteren, nicht mehr zu identifizierenden Siegelnden sowie zwischen dem xtm(w).t(j) rnw/jrj nw nfr jxt zA hb und einer Namenssiegelung sind verwaltungstechnisch insofern von Interesse, als sie primär auf die Kontrolltätigkeit von mindestens vier verschiedenen Personen aufmerksam 595

Satet-Süd: Kat. A 008. Siehe typologische Tafel XII oben und Mitte. 597 Der außen am Türblatt angebrachte Riegel diente zur Verschließung zweiflügeliger Türen von Grabkammern, Scheintüren, Kultschreinen oder kleinen Schatullen (z. B. N. Scott, The daily Life of the ancient Egyptians, in: BMMA NS 31.3., New York 1973, Abb. 36). Siehe außerdem H. Junker, Giza III, S. 192 und Abb. 34 mit der Rekonstruktion des Statuenhauses des ¤Smnfr II, sowie die Abbildung einer zweiflügeligen Tür mit der Inv. nr. 1540 bei E. Brunner-Traut, Die altägyptische Grabkammer Seschemnofers III. aus Gisa, 2. verb. Auflage, Mainz 1982, Tf. 28 mit weiteren Beispielen, und B. Schmitz, R. Schulz und M. Seidel, Das Alte Reich, Ausstellungskatalog, Hildesheim 1986, S. 62. 598 O. Königsberger, op. cit., Tf. III, Abb. 3 mit einer etwas “moderneren” Ausführung des Systems aus Assuan. Neben Ausführungen mit Vorhängeschloß konnte ich ähnliche Vorrichtungen an Türen von Ställen oder von Magazinen in der einheimischen nubischen Siedlung auf Elephantine beobachten. 599 Satet-Süd: Kat. 008. 596

56

DIE SIEGELABROLLUNGEN UND ROLLSIEGEL DER STADT ELEPHANTINE

machen, den hohen Wert der in Raum VIII aufbewahrten Güter vermuten läßt und auf die Bedeutung der Phylenorganisation selbst sowie die des Lagerortes innerhalb der lokalen Tempelverwaltung verweist.600 Bemerkenswert in diesem Zusammenhang ist der Nachweis von Namenssiegeln auf einigen der Türverschlüsse, die Zeugnisse von der Siegeltätikeit des privaten Bereiches in diesem verwaltungstechnischen Kontext der Phylenorganisation ablegen dürften.601

Versiegelung saß auf der Ecke oder am Ende des Riegels, was eine Deutung als Kistenverschluß mit hoher Wahrscheinlichkeit ausschließt. Stattdessen ist zu vermuten, daß es sich dabei um die quadratische Variante eines ansonsten eher rundlichen Holzriegels bzw. um einen Türwandriegel handelte, mit dem Speicherräume verschlossen wurden.608 Hierfür spricht auch die Ähnlichkeit der Form des Riegels mit dem Determinativ des Epithetons sAD,609 die zu seiner Bezeichnung sADRiegelverschluß geführt hat.

In Raum III finden sich hingegen Verschlüsse, auf denen lediglich der Abdruck eines Holzriegels zu erkennen ist (Tv. 1b), welcher in diesem Fall auf die Verschließung einer einflügeligen Tür mit einem Türwandriegel hindeutet. Abrollungen auf den Türversiegelungen tragen in jüngsten Schichten den unvollständigen Abdruck eines Zivilsiegels mit dem erhaltenen Beititel sAD.602 Von besonderem Interesse sind jedoch die in den ältesten Besiedlungsschichten von Raum III und VIII von SatetSüd mehrfach belegten Abrollungen eines jrj x(w).t nsw.t“Der vom König Beschützte” mit der zusätzlichen Angabe rnw/jrj nw, sSm a Hm(.w)/Hm.(w)t-“Leiter der (Arbeits-) Tätigkeiten der Hm(.w)-Diener und Hm.(w)tDienerinnen” auf Türverschlüssen Tv. 1a-b, was darauf hinweist, daß sowohl Raum III als auch Raum VIII zum einen direkt der Aufsicht eines Sonderbeauftragten des Königs unterstand, und daß in ihm zum anderen sowohl Produktion als auch Lagerung von Gütern, aller Wahrscheinlichkeit nach Naturalien, durch das dort tätige Personal betrieben wurde.603

Neben der Tatsache, daß dieses einzige Exemplar in der Baugrube eines Speichers der Oststadt gefunden wurde, das zudem Spuren eines rnw.tj/jrj nw.tj-“Lokalbeamter” aufweist, kann lediglich vermutet werden, daß der Riegel bzw. die Siegelung Hinweis auf die Kontrolle eines verschlossenen Raumes oder Speichers durch einen Vertreter der lokalen Tempelverwaltung sind.610 3.3.2 Typus Tv. 2 - Kordelverschluß Dieser Typus scheint als solcher in den bisherigen typologischen Arbeiten nicht erkannt worden zu sein.611 Tv. 2 stellt im Vergleich zu den größeren Exemplaren von Typus Tv. 1 eine wesentlich kleinere Ausführung dar, die als charakteristisches Merkmal den Abdruck eines umschnürten Holzpflockes von 1,5 bis 3 cm Dm aufweist. Auszuschließen ist, daß es sich hierbei um die Versiegelung einer mit einem Holzriegel versehenen Truhe handelt, die im altägyptischen Siegelmaterial vollkommen unbekannt ist. Auch ist die Verlehmung eines Holzpflockes zur Verschnürung von Säcken, wie dies bereits im frühen dritten Jahrtausend in Anatolien nachzuweisen war,612 für das frühgeschichtliche altägyptische Siegelmaterial nicht belegt.613

Aus der Oststadt stammt ein einziger Türverschluß von Typus Tv. 1,604 der wie zwei Exemplare605 aus Satet-Süd nicht näher spezifiziert werden könnte. Auch aus der darauf angebrachten Siegelung waren bis auf den Namen wenig zu erkennen, so daß keine wesentliche Informationen über Verschlußträger und Siegelträger gewonnen werden könnten.

Herbordt, Neuassyrische Glyptik des 8. - 7. Jh. v. Chr. unter besonderer Berücksichtigung der Siegelungen auf Tafeln und Tonverschlüssen, States Archives of Assyria Studies I, Helsinki 1992, Typ 4e, S. 65 f. und Anm. 155. 608 Vgl. hierzu O. Königsberger, op. cit., S. 53, Abb. 67 bes. a (!). Für spätere Formen dieser Verschlußvorrichtung s. ders., op. cit., S. 53-58, sowie G. Daressy, in: ASAE 6, 1906, S. 234-238 und M. Pillet, in: ASAE 24, 1924, S. 187-194. 609 Siehe J.-P. Pätznick; in: MDAIK 51, 1995, Abb. 29 d; zur Graphie D1 s. außerdem S. 158 f sowie Tafel XIX: - D1 -. 610 Inwiefern die in runden Silos gefundenen Verschlüsse von El Kab sowie die von P. Kaplony als Kistenversiegelungen (IÄF I, S. 55) gedeuteten Verschlüsse von Verriegelungen dieser Versorgungseinrichtungen stammen, ließen sich erst nach eingehenden Untersuchungen der materiellen Abdrücke an diesen Versiegelungen ermitteln. 611 Siehe typologische Tafel XIII und XIV. Jetzt auch S. T. Smith, in: CAH 17/3, 1998, S. 219-230, insbes. S. 220 f., Abb. 2. 612 P. Ferioli and E. Fiandra, in: Origini 12/2, 1983, Typus B2, S. 474, Abb. 6 und S. 478; zu weiteren unsicheren Belege dieser Verschlußtechnik im vorderasiatischen Material vgl. R. J. Matthews, Functional and contextual analysis, in The 6G Ash-Tip and its contents: cultic and administrative discard from the temple?, Abu Salabikh Excavations Vol. 4, 1993, S. 38 und Abb. 2:4. 613 Diese Technik ist offensichtlich im Mittleren Reich belegbar, s. S. T. Smith, in: Aegeum 5,1990, Tf. XXXV a und S. 200: “Another kind of sack sealing was found at Askut, with two dowels used for closure”. Die Funktion von Askut als zentrale Scheune wäre Indiz dafür, daß diese Sonder-Sackverschlüsse für Getreidesäcke verwendet wurden.

3.3.1.1 Typus Tv. 1 c - sADsAD-Riegelverschluß Charakteristisch für diesen Türverschluß, der sich im Elephantiner Siegelmaterial lediglich ein einziges Mal findet, ist sein dreidimensionaler Abdruck eines nicht verschnürten, länglichen, L-förmigen Holzbolzens mit viereckigem Querschnitt,606 der bisher nur in ägyptischen Festungen in Nubien im MR nachzuweisen war.607 Die 600

Satet-Süd: Kat. 010 Satet-Süd: Kat. 009 602 Satet - Süd: Kat. 015; zum Beititel sAD s. S. 155 ff. 603 Satet-Süd: Kat. 026; s. S. 97 f. u. 204. 604 Oststadt: Kat. 442 605 Satet-Süd: Kat. 032 und A008. 606 Oststadt: Kat. 654 und typologische Tafel XII unten. 607 G. A. Reisner, in: Kush III, 1955, S. 28 mit Nr. 5, der am Siegelmaterial der ägyptischen Festung von Uronarti (Nubien) aus dem Mittleren Reich ähnliche Beobachtungen an Lehmverschlüssen gemacht hatte: “Each corner seal had been applied to three wooden surfaces forming a corner. They seem to occur in sets of four, and to have sealed some kind of doorlock or box-fastening. Neither the slotsealing nor the corner-sealing have any string mark.” Zum Nachweis dieses Türverschlusses im vorderasiatischen Raum vgl. u. a. S. 601

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JEAN-PIERRE PÄTZNICK

Hinweis für eine mögliche Deutung liefert jedoch ein Vergleich des Elephantiner Befundes mit dem des vorderasiatischen614 und minoischen615 bzw. ägäischen616 Raumes, in denen die Verlehmung eines mit einer Kordel umschnürten Holzpflockes an Magazintüren eindeutig nachgewiesen werden konnte. Daß eine derartige Verschließungsmethode bereits im AR bekannt war, zeigen Einträge der königlichen Totentempelverwaltung in die Abusir-Papyri, in denen sich die Bemerkung findet, daß die Schnur nicht mehr an der Tür deSchlachthauses angebracht ist.617 Ferner lassen Nachbildungen von Kornspeicherhofanlagen erkennen, daß diese Verschließungsmethode im AR und MR bezeugt ist. Von Bedeutung hierbei ist ein in die Ziegelwand der Türlaibung auf halber Höhe eingelassener Holzpflock,618 der zur Verschließung der Holztür mittels einer um diesen Pflock gebundenen Kordel diente, die anschließend versiegelt wurde. Archäologische Beispiele dieser Technik finden sich sowohl in einem vermeintlichen Privatheiligtum der Zweiten Zwischenzeit in Elephantine als auch in einem im NR in Deir el Medine Ramses II. geweihten Heiligtum619 sowie an mehreren 620 Magazintüren.

Darüberhinaus zeigt sich - u. a. am heutigen Eingang des Magazintraktes des deutschen Grabungshauses auf Elephantine -, daß die zu versiegelnde Kordel nicht nur um einen äußeren Holzpflock gebunden war, sondern zudem durch ein Loch im Türblatt zu einem innen angebrachten Schließ- bzw. Wandriegelungssystem führte, was den Schluß nahelegt, daß die Versiegelung mit Tv. 2 üblicherweise als abschließende Kontrollmarke eines derartigen Doppelverschließungsystems angebracht worden war.621 Insgesamt lassen sich 21 Lehmverschlüsse in unserem Material diesem Verschlußtypus zuordnen, von denen zwölf aus der Oststadt, fünf aus dem Festungsareal, zwei aus dem Südbereich des Satettempels und zwei aus der Nordoststadt stammen. Von den darauf angebrachten Siegelungen sind allerdings lediglich 18 von Relevanz, da drei aufgrund der Unlesbarkeit ihrer Siegelinschrift ausgesondert werden mußten.622 Bei den verbleibenden handelt es sich um ein Amts-, zehn Beamten- und acht Zivilsiegel. Auf der in der Oststadt gefundenen Amtssiegelung sind deutlich Serechgebilde und Horuszeichen des Königs zu erkennen, wohingegen ein Horusname völlig fehlt. Desweiteren findet sich der Amtstitel mr sbA.t-Vorsteher der sbA.t, der auf die Kontrolle eines Gebäudes bzw. eines Raumes durch eben jenen Vorsteher der sbA.t-Schule schließen läßt.623

614 E. Fiandra, in: Bd. A 67, 1982, S. 1-18, Abb. 1-2 mit einer reichen Auswahl an Formen sowie Abb. 19; P. Ferioli und E. Fiandra, in: Origini 12/2, 1983, S. 490-502, Abb. 21-23; D. Beyer, in: MARI 4, 1985, S. 376, Abb. 1; A. von Wickede, Prähistorische Stempelglyptik in Vorderasien, München 1990, S. 33 f., Abb. 17; A. Otto, in: MDOG 124, 1992, S. 47, Anm. 9; R. J. Matthews, op. cit., S. 36-38, insbes. S. 40-42, Abb. 2:2 und Abb. 2:8; A. Alizadeh, op. cit., 1994, S. 43, Abb. 7 K- M mit Tabellen S. 47 und 49. 615 E. Fiandra, in: Bd. A 60, 1975, S. 10, Abb. 5 a , S. 11, Abb. 6 a-c und S. 15, Abb. 10 a-c und dies., op. cit.,1979 ?, S. 17, Abb. 5 d; M. Health-Wiencke, in: JNES 35, 1976, S. 127-130, Abb.1A-C. 616 Siehe hierzu insbesondere die Untersuchung des in Lerna (Griechenland) gefundenen Siegelmaterials aus dem sogen. “House of the Tiles”, M. C. Health, in: Hesperia 27, 1958, Tf. 19, Typus B und Tf. 23 Nr. 43 und 66. Typus B (Nr. 43, 66) zeigt den Abdruck einer von außen um den Pflock gewickelten Kordel. 617 Viel Scharfsinn bewies P. Posener-Kriéger, die von dieser Bemerkung her die Verwendung einer Kordel zur Türverschließung vermutete, s. dies., in: BÄBA 12, S. 82 f. Siehe außerdem J.-L. de Cénival und P. Posener-Kriéger,The Abusir Papyri, in: Hieratic Papyri in the British Museum Fifth Series, London 1968, Tf. XXXII A-10 sowie Tf. XXXII. Zum Fund von Verschlüssen im freigelegten Schlachthaus in Abusir s. M. Verner, in: MDAIK 42, 1986, insbes. S. 184. 618 Jr. Breasted, Egyptian Servant Statues, 1948, S. 15, Anm. 68+69 und Tf. 13 b; A. Eggebrecht et al., Das Alte Ägypten, München 1984, S. 264; um weitere, bisher nicht beachtete Beispiele dieses Verschließungssystems an Kornspeichern mit drei bis sechs Kornkammern handelt es sich bei JdE 28818, 45320 und 37563. Im letztgenannten ist teilweise sogar noch ein doppelpflockiges Verschließungssystem der sechs Kornkammer erhalten, bei dem jedoch die Eingangstür mit einem inneren Holzriegel versehen und nicht mit einem Pflock außen angeschnürt ist. 619 E. Fiandra, in: Bd. A 60, 1975, S. 10 f., Abb. 54; A. Roccati, Das Ägyptische Museum Turin, Rom 1991, S. 33, mit der Abbildung eines in Deir el Medineh gefundenen, monumentalen (2, 76 m Hohe !) Holztürrahmens eines König Ramses’ II. geweihten Heiligtums. Das Augenmerk richte sich hierbei auf die linke Türlaibung, in der der Holzknauf noch immer vorhanden ist. Zur Verschließung eines Grabes in Deir el Medineh s. B. Bruyères in: FIFAO II, Le Caire 1925, S. 81, Abb. 14 u. Tf. XXIII-2 c-d. 620 Ein weiteres Beispiel für die Verwendung eines Holzknaufs bzw. Holzpflocks ist der linken Türlaibung eines Magazins aus der Zeit von König Ramses II. zu entnehmen, in der noch das vorgebohrte Loch zu

Mit insgesamt zehn Nachweisen stellen die Beamten die stärkste Gruppe der auf Typus Tv. 2 angebrachten Siegelungen dar, von denen vier bezeichnenderweise den Titel Hrj wDA.t-Lagerhausverwalter tragen,624 was Funktion und Bedeutung von Tv. 2 als Türverschluß von Magazinen noch mehr betont. Zwei Beispiele aus dem Festungsareal (Süd und Mitte)625 weisen Raum IV und X als zu verschließende bzw. zu kontrollierende Aufbewahrungsorte aus, während je ein weiterer Beleg im Südbereich des Satettempels und in der Oststadt nachzuweisen ist. Aufgrund der Angabe Hrj wDA.t n rtH“Lagerhausverwalter der Bäckerei” auf einer Abrollung aus Satet-Süd kann Raum IV relativ sicher als ein der (Tempel-) Bäckerei zugehöriger Aufbewahrungsort bestimmt werden, wohingegen es sich bei Raum XXIV in der Oststadt um einen Magazinraum gehandelt haben dürfte, dessen Funktion jedoch nicht näher zu bestimmen ist.626 Neben diesen Nachweisen von Lagerhausverwaltern fanden sich in der Festung zwei weitere Beamtensiegelungen von Hrj mA-“Kontrollbeamter”,627 erkennen ist, s. S. Snape, in: EA 11, 1997, S. 24, rechte untere Abbildung. 621 Ein ähnliches Türverschließungssystem ist sicher noch an der linken Türlaibung des sogen. Privatheiligtums von Elephantine bzw. an den linken Pfosten des Türgewandung nachzuweisen, s. hierzu C. von Pilgrim, op. cit., S. 152, Abb. 60 b und Tf. 27 a B III. 622 Nordoststadt: Kat. A 049 und Oststadt: Kat. A 285 und A 364. 623 Oststadt: Kat. 566; hierzu die Besprechung des Titels und seiner Fundlage S. 83 ff. 624 Zu diesem Titel s. ausführlich S. 98 ff. 625 Festung: Kat. 127 und 222. 626 Satet-Süd: Kat.019; S. 100 sowie S. 204; Oststadt: Kat. 499. 627 Festung: Kat. 245 und Kat. 263. Zu diesem Titel s. S.102 ff.

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DIE SIEGELABROLLUNGEN UND ROLLSIEGEL DER STADT ELEPHANTINE

wobei in einem Fall der zusätzliche, jedoch nicht näher zu bestimmende Priestertitel nxb darauf hinweist, daß es sich bei Raum XI a um einen Aufbewahrungsort der Tempelverwaltung gehandelt haben könnte.628 Besondere Bedeutung kommt der Abrollung eines mjtr auf einem Türverschluß der Nordoststadt, die ihn zugleich als zAw S(.t)/mr(.t)-“Hüter des S.t/mr(.t)-Agrarbetriebes” ausweist, was zum einen für eine Kontrolle der mjtr-Angehörigen in diesem Stadtbereich spricht und zum anderen eine Bestimmung der sogenannten Nordoststadt als S(.t)/mr(.t)-Agrarbetrieb nahelegt.629

Oststadt lassen zunächst Siegelbilder dreier rnw/jrj nw“Lokalbeamter” erkennen,634 die zudem den Beititel sAD635 sowie das Epitheton nfr mAa jz.t636 aufweisen. Letzteres findet sich außerdem neben einem Namen auf zwei weiteren unvollständigen Siegelungen.637 Die Angaben sAD638 und mjtr639 auf zwei unterschiedlichen Siegelungen mit spärlichen Abrollungsspuren eines mjtr auf einem Türverschluß Tv. 2 lassen vermuten, daß diese gelegentlich Angehörige einer bestimmten Behörde in diesem Versorgungsbezirk gewesen sein könnten, deren zu kontrollierender Verwaltungsbereich allerdings in diesem Fall nicht näher zu ermitteln ist.

In der Oststadt ist neben der bereits erwähnten unvollständigen Siegelung eines Lagerhausverwalters die Abrollung mDH wxr.ty nsw.t nTr(.t)-“Direktor der beiden Werften des Königs und der Göttin” nachzuweisen, auf deren funktionelle Bestimmung an anderer Stelle näher einzugehen ist.630 Aus dem Südbereich des Satettempels stammen zwei weitere bereits bekannte Beamtensiegelungen, die in Raum VIII gefunden wurden. Es handelt sich hierbei zum einen um die mehrfachen Abrollungen eines rnw/jrj nw-“Lokalbeamter” mit der zusätzlichen Angabe xtm(w).t(j)-“Schatzverwalter” sowie dem Beititel hb und dem Epitheton nfr (j)xt zA und zum anderen um eine - ältere - Siegelung, die ebenfalls von einem rnw/jrj nw-“Lokalbeamter” stammt und die zudem die unvollständige Angabe sSm a Hm(.w)[…]-“Leiter der Arbeitstätigkeiten der Diener[…]” aufweist. Beide Siegelungen legen nahe, daß sowohl der nur zum Teil freigelegte Raum VIII als auch weitere einflügelige Magazintüren mit einfachem Kordelsystem verschlossen wurden, und daß diese Lagerorte der Kontrolle des bestehenden Phylensystems bzw. der Personalorganisation des Wirtschaftsbezirks des Tempels unterstanden.631

3.3.3 Die Türverschlüsse: Gesamtzusammenfassung Grundsätzlich sind zwei Türversiegelungen Tv. 1 und Tv. 2 zu unterscheiden, die damit auch zwei voneinander abweichende Verschließungssysteme erkennen lassen: eine außen angebrachte Wand- bzw. Türblattverriegelung mit massivem versiegeltem Riegelbolzen (Tv. 1a - c) und ein Kordel-Türverschluß, bei dem die Tür mittels einer um einen Pflock gebundenen Kordel verschlossen wurde (Tv. 2). Die Untersuchung derselben zeigte, daß die Versiegelungen auf unterschiedlichen Türen - mit einbzw. doppelflügeligem Türblatt - angebracht waren, was Angaben zu Größe und Funktion des jeweiligen Lagerraumes ermöglicht. So wurden Räume, in denen besondere wertvolle Güter aufbewahrt wurden, eher durch Verwendung und Siegelung eines Riegelverschlusses als durch einen Kordelverschluß geschützt, der problemlos zu durchtrennen war. Der hohe Wert des Rauminhaltes ist hierbei u. a. dem Nachweis von Doppelsiegelungen auf ebendiesen Türverschlüsssen von Typus Tv. 1 zu entnehmen - ein Verfahren, daß der doppelten Kontrolle diente und somit deutlicher Indiz für die Lagerung wertvoller Produkte in den Räumen ist. Nachweise von Tv. 1 a - b v. a. im Südbereich des Satettempels bzw. in den Räumen VIII und III deuten auf entsprechende Lagerräume in diesem Tempelversorgungsbereich. Die darauf angebrachten Beamtensiegelungen lassen mit der Errichtung des neuen Wirtschaftskomplexes des Satettempels sogar auf die Existenz eines Zentrallagers schließen, das u. a. zur Versorgung (Naturalien) des Personals bzw. der Phyle diente.

Von den insgesamt acht Zivilsiegelungen stammen sieben aus der Oststadt und lediglich ein einziges Exemplar aus der Festung, das zwar unvollständig erhalten ist, und zudem aus sekundärer Fundlage in einem Mauerwerk vorliegt, das aber dennoch aufgrund seines Epithetons nfr jxt zA632 auf die Verschließung und Versiegelung eines Raumes schließen läßt, in dem Naturalien oder für die Ausstattung der Phyle benötigte Materialien (Bekleidung o. ä. ?) aufbewahrt wurden, die der Kontrolle eines Phylenverwalters unterstanden.633 Die Abrollungen der

Die Typus Tv. 2 zugewiesenen Verschlüsse, die lediglich Spuren der Umschnürung eines meist runden Holzes von 2-3 cm Dm aufweisen, wurden im Gegensatz zu Typus Tv. 1 zur Versiegelung von einfachen Magazinräumen verwendet. Ihrem Nachweis kommt dabei insofern

628

Festung: Kat. 245. Zur Bestimmung des Südbereichs der Festung als Lagerort der lokalen Tempelverwaltung s. S. 201. 629 Nordoststadt: Kat. 057; s. v. a. auch S. 145, Anm. 1458. 630 Oststadt: Kat. 459; allerdings muß hier eingeräumt werden, daß der Abdruck eines Leinenstoffes um den Holzpflock von 1, 5 cm Dm durchaus auch als Nachweis der Versiegelung eines mit einem kurzen Holzstück verschlossenen Sackes sein könnte; zu dieser Verschließungstechnik, die in Ägypten bisher erst im Mittleren Reich belegt ist, s. S. T. Smith, in: Aegeum 5,1990, Tf. XXXV a und S. 200. Zum Titel mDH wxr.ty nsw.t nTr(.t)-“Direktor der beiden Werften des Königs und der Göttin” s. hierzu ausführlich S. 111 ff. 631 Siehe übergreifend S. 204 ff. 632 Festung: Kat. 257; zu diesem Epitheton s. auch Satet-Süd: Kat. 007 und 008, sowie Nordoststadt: Kat. 087. 633 Ein ähnliches Kontrollsystem liegt im Satet-Süd vor vgl. hierzu S. 59 f.

634

Oststadt: Kat. 393, 516 und 521. Oststadt: Kat. 393; zu diesem Beititel s. S. 155 ff. Oststadt: Kat. 516 und 521. 637 Oststadt: Kat. 388 und 633. 638 Oststadt: Kat. 475 639 Oststadt: Kat. 460 635 636

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JEAN-PIERRE PÄTZNICK

Türverschl. Tv. 1 a-b/c Tv. 2

Festung 5

Satet-Süd 6 (1 ausges.) 2

Gesamt

5

8

NO-Stadt 2 (1 ausges.) 2

Oststadt 2 12 (2 ausges.) 14

Gesamt 8 21 29

Tabelle 29: Stadttopograph. Verteilung aller Türverschlüsse Depot bzw. als Lagerstätte ausweist.

besondere Bedeutung zu, als sie die bislang ältesten Exemplare eines solchen Verschlusses in einem in Ägypten ausgegrabenen Siegelmaterial darstellen und damit gleichzeitig den archäologischen Beweis für die Existenz eines bereits in den Abusir-Papyri angedeuteten und von P. Posener-Kriéger angenommenen Kordelverschlusses erbringen. Daß dieser zudem seit vorgeschichtlicher Zeit bei der Verschließung bzw. Versiegelung von Magazinräumen verwendet wurde, zeigen Parallelen aus ganz Vorderasien sowie aus dem Ostmittelmeerraum. Im Elephantiner Material sind auf den meisten Türverschlüssen von Typus Tv. 2, die von Magazintüren vorwiegend aus dem Festungsareal stammen, Abrollungen von Verwaltungsangestellten des Versorgungswesens, z. B. von Lagerhausverwaltern zu finden, was den Südbereich der Festung deutlich als Siegelungen an den Tv. 1 Festung und Tv. 2 Staatlich: Amtssiegl. mr sbA.t[…] Lokal: Beamtensgl. Hrj wDA.t Tv. 2 jrj wDA.t Tv. 2 Hrj mA 2x Tv. 2 mDH wxr.t nsw.t nTr.t xtm(w).t(j)+rnw zAw S.t/mr.t+mjtr Lokal: Zivilsiegel. + rnw/jrj nw / sAD nfr mAa jz.t + mjtr + nfr mAa jz.t +sAD +nfr xf(t) zA Unbestimmbar Lokal: Beamtensgl. sSmaHm/Hm.t+rnw Lokal: Zivilsiegel. +sAD + rnw.tj/jrj nw.tj Lokal: Doppelsgl. xtm(w).t(j)+rnw + Namenssiegel rnw.tj/jrj nw.tj + Namenssiegel Unbestimmbar: Gesamt Tabelle 30:

Neben den bereits bekannten, offiziellen Siegelungen, bei denen es sich um Kontrollmarken der jeweiligen Behörde handelte, ist mit dem Nachweis von Zivilsiegeln auf einen weiteren verwaltungstechnischen Aspekt aufmerksam zu machen. Diese finden sich zum großen Teil in der Oststadt und weisen überwiegend - zum Teil unvollständige - Abrollungen von rnw/jrj nw“Lokalbeamter”, gelegentlich auch von mjtr-Angehörigen auf. Die Tatsache, daß sich diese auch in der Festung und in der Nordoststadt finden, weist darauf hin, daß sie neben ihrer Funktion als Lieferanten des jeweiligen Stadtbezirkes gelegentlich auch zur Kontrolle an Ort und Stelle tätig sein konnten.

Satet-Süd

NO-Stadt

Oststadt

Gesamt

Tv. 2 (?) Tv. 2

Tv. 2 (?) Tv. 2

1 9 3 1 2 1 1 1

Tv. 2 Tv. 2

8 3x Tv. 2

3

Tv. 2 2x Tv. 2 Tv. 2

1 2 1 1

Tv. 2 Tv. 2 2x

2x

Tv. 2

3

Tv. 1

2 2

Tv. 1 Tv. 1

1 1 2

Tv. 1

1

Tv. 1

1

Tv.1 5

8

2

Verteilung der Siegelungen an den Türverschlüssen 60

Tv. 1 14

2 29

DIE SIEGELABROLLUNGEN UND ROLLSIEGEL DER STADT ELEPHANTINE

Schreiber,647 ein anderes Mal den Beititel n(j) hb648 auf. Bemerkenswert ist die Abrollung eines mjtr,649 was vermuten läßt, daß diese Statusträger gelegentlich auch bürokratische Tätigkeiten ausübten. In diesem Zusammenhang ist schließlich noch der Abdruck eines Namenssiegels zu erwähnen, das möglicherweise einer Frau650 gehört hatte und die Einbindung des privaten Bereiches in die lokale Bürokratie nahelegt.

3.4 Die Urkundenverschlüsse Im Unterschied zum bisher behandelten Siegelcorpus stellt diese Verschlußkategorie mit sieben Objekten einen verschwindend geringen Anteil. Ihnen kommt per se als “stummen Zeugen” insofern Bedeutung zu, als sie Einblick in die überaus gewichtige Bürokratie, das Rückgrat einer jeden Verwaltung, geben. Insgesamt lassen sich zwei Verschlußformen unterscheiden: Uv. 1 und Uv. 2.640

3.4.2 Typus Uv. 2 Bei dem Verschluß dieses Typus handelt es sich um eine kleine, fast quadratische, gewölbte “Languette” (Lasche) aus Lehm, deren leicht konkave Unterseite den Abdruck der feinen Verschnürung eines zusammengerollten Papyrusdokumentes aufweist.651 Obwohl bereits 652 bekannt findet sich zu dieser Verschlußform in der Typologie von Kaplony keine entsprechende Parallele.

3.4.1 Typus Uv. 1 Die charakteristische Form dieses Verschlusses stellt durchweg die Hälfte einer bis zu 2 cm langen und 1,8 cm dicken Scheibe dar und entspricht der Objektgattung VI-3 der Kaplonyschen Verschlußtypologie.641 Die Abdrücke an der Unterseite der Verschlüsse lassen deutlich Strukturen von Papyrusfasern sowie von umwickelten Lederbändern erkennen, während seine auffällige, leicht konkave Form auf das Negativ eines zusammengerollten und damit versiegelten Dokumentes hinweist.642 Gerade das geschriebene, zusammengerollte und versiegelte Papyrusblatt läßt auf Typus Uv. 1 ist im Siegelmaterial von Elephantine mit fünf Objekten vertreten, von denen eins aus der Nordoststadt, die übrigen aus der Oststadt stammen. Lediglich ersteres weist die Abrollung eines staatlichen Amtsinhabers auf, die anderen vier lassen ausschließlich Siegelträger aus der lokalen Verwaltung erkennen, was ein absolutes Novum darstellt und weswegen ihnen entscheidende Bedeutung bei der Bewertung der Urkundenverschlüsse zukommt.643

Von den zwei Urkundenverschlüssen Uv. 2 in unserem Material stammt einer davon aus einem gestörten Fundkontext im Nordbereich des Satettempels. Seine überlappenden Abrollungen eines Amtssiegels lassen zwar Serechbild und Horuszeichen erkennen, nicht jedoch den Horusnamen. Zudem findet sich auf ihm eine Amtstitulatur, von der jedoch lediglich zS nsw.t[…] mit dem bislang als “Zögling des Königs” übersetzten Titel sbA.t(j) nsw.t erhalten ist.653 Der andere Verschluß stammt aus einem aufgeschütteten, ebenfalls zum Teil gestörten Fundkontext der Oststadt.654 Statt einer Abrollung weist er drei kreisförmige Abdrücke von etwa 0,5 cm Dm auf, die von der Benutzung eines sogenannten Knopfsiegels stammen, wodurch dieser Verschluß frühestens in die Zeit von der 6. Dyn. bis zur 1. Zwischenzeit einzuordnen ist.655 Ikonographisch lassen die Siegelbilder dieser kleinen runden Stempelabdrücke eine liegende Löwin sowie darunter einen Skorpion erkennen, deren Lesung und Deutung mangels an bisheriger Untersuchung unklar bleiben müssen.

Der einzige Urkundenverschluß mit einer Amtssiegelung wurde in der Nordoststadt in sekundär Fundlage gefunden.644 Er datiert in die Zeit von Seth Peribsen (2. Hälfte der 2. Dyn.) und trägt die offizielle Siegelung eines xtm(w).t(j) (j)xt nb.t Smaj AS Pr(j) jb=sn“Schatzverwalter aller Sachen des Seth/Asch Peribsen von bzw. in Oberägypten”.645 Zwei der Urkundenverschlüsse aus der lokalen Verwaltung weisen die vollständig erhaltenen Abrollungen von rnw.tj/jrj nw.tj-“Lokalbeamter”646 sowie zusätzlich einmal die Beamtensiegelung eines zS-

3.4.3 Die Urkundenverschlüsse: Gesamtzusammenfassung

640

647 Oststadt: Kat. 312; zu weiteren Nachweisen derselben Person in der Oststadt und in der Nordoststadt vgl. mit Oststadt: Kat. 351 sowie Nordoststadt: Kat. 092. 648 Oststadt: Kat. 646 649 Oststadt: Kat. 527 650 Oststadt: Kat. 478, zu den Frauensiegeln siehe S. 121 f. 651 Siehe typologie Tafel XV unten. 652 H. Junker, Giza VII, S. 239, Abb. 98. 653 Satet-Nordbereich: Kat. 036. Zur Besprechung der Amtssiegelung s. S. 79 ff. 654 Oststadt: Kat. 571; zum Nachweis weiterer Abdrücke von Knopfsiegeln im Elephantiner Siegelmaterial s. Kat. 665 sowie Anm. 657. 655 P. Kaplony, in: LÄ III, 1980, Sp. 458 f.; S. J. Seidelmayer, Gräberfelder aus dem Übergang vom Alten bis zum Mittleren Reich, SAGA 1, Heidelberg 1990, S.185-194, Abb. 79-80, Tf. 49-53.

Die sieben Urkundenverschlüsse im untersuchten Siegelmaterial von Elephantine lassen zwei

Siehe typologische Tafel XV oben. IÄF I, S. 54 sowie IÄF III, Abb. 271, 803 u. 805. 642 Siehe hierzu besonders die Darstellung des Logogramms mDA.t in Gard. Y2. Inwiefern die eigentümliche Form eines halbrunden Verschlusses auf die Verwendung eines entsprechenden Models zurückzuführen ist kann hier nur vermutet werden. 643 Offensichtlich wurden bereits aus dem bislang unpublizierten Siegelmaterial von Stadtzentren wie Hierakonpolis und Buhen einige Exemplare dieses Verschlußtypus gefunden, so in: Quibell, Hieraconpolis II, S. 17 und W. B. Emery in: Kush XI, 1963, S. 116. 644 Zu einer weiteren Amtssiegelung auf einem Urkundenverschluß im Elephantiner Siegelmaterial s. S. J. Seidlmayer, in: MDAIK 38, 1982, S. 299-306, Abb. 15, Tf. 65 b. 645 Nordoststadt: Kat. 079; zur Bedeutung dieses Urkundenverschlusses s. S. 64. 646 Zur Lesung und Deutung dieser Titelträger s. insbes. S. 124 ff. 641

61

JEAN-PIERRE PÄTZNICK

Siegelungen an Uv. 1/Uv. 2 Staatlich: Amtssiegel

Nordoststadt / Satet-Nord Uv. 1: 1 Uv. 2: 1

Oststadt 1 1

Lokal: Beamtensgl. + Zivilsiegel (rnw.tj) Lokal: Zivilsiegel mjtr Lokal: Zivisiegel jrj nw.tj/rnw.tj Lokal: Namenssiegel Lokal: Gesamt

Gesamt

Knopfsiegel 2

2

Uv. 1:

1

1

Uv. 1:

1

1

Uv. 1: Uv. 1:

1 1

1 1

Uv. 2

1

1

5

7

Tabelle 31: Stadttopographische Verteilung von Siegelungen an Uv.1/Uv. 2 unterschiedliche Typen erkennen: Uv. 1 und Uv. 2. Ersterer ist von der 2. Hälfte der 2. Dyn. bis in die Regierungszeit von König Djedkare-Asosi belegt.656 Bis auf die Amtssiegelung, die in der Nordoststadt gefunden wurde, stammen alle übrigen vier Belege aus der Oststadt, d. h. aus dem Versorgungszentrum der Stadtverwaltung, was den administrativen Charakter dieses Bezirkes besonders betont. Die Nachweise von zwei rnw.tj/jrj nw.tj-“Lokalbeamter”, von einem mjtr sowie von einer Privatperson auf versiegelten Dokumenten charakterisieren diesen Verschlußtypus nicht nur als Instrument offizieller Siegeltätigkeit, sondern weisen gleichzeitig auf eine bürokratische Einbindung aller wichtigen Bereiche der lokalen Verwaltung sowie auf die seltene und umso kostbare Verwendung von Papyri im Schriftverkehr hin.

Dimension um eine neue, alltägliche(re) wird.657

erweitert

Mit dem zweiten Typus Uv. 2 liegen gerade zwei Exemplare einer jüngeren typologisch bislang kaum beachteten Verschlußform vor, die aus der 1. Hälfte der 5. Dyn. bis mind. zur 6. Dyn. bzw. 1. Zwischenzeit stammt und auf der sich sowohl eine Amtssiegelung als auch runde Abdrücke eines privaten (?) Knopfsiegels nachzuweisen sind. Doch ist davon auszugehen, gerade in diesem Zeitraum, daß sich weitere Exemplare dieses “moderneren” Verschlusses eines Papyrusdokumentes u. a. im Siegelmaterial von Siedlungen sowie von Totenoder Sonnentempeln der Könige der 5. Dyn. verbergen. Extrem auffällig ist hierbei der Nachweis eines Knopfsiegels auf einem Urkundenverschluß, wodurch der Typus zu seiner bisherigen, ausschließlich funerären

656 P. Kaplony, Archaische Siegel und Siegelabrollungen aus dem Delta: Die Arbeit an den Siegeln von Buto, in: The Nile Delta in transition: 4 th.-3 rd. Millenium B. C., Jerusalem 1992, S. 26 f. und 29, wo Beispiele aus dem in Buto freigelegten “Labyrinth” vorgestellt werden; s. ders., RAR II B, S. 338 f., Tf. 92, Abb. 37.

657 In diesem besonderen Kontext sei auf die in einer palatialen Gebäudeanlage der 6. Dyn. neuerdings auf Elephantine zu tausenden(!) gefundenen Stempelabdrücke hingewiesen (nach freundlichem Hinweis von C. von Pilgrim).

62

DIE SIEGELABROLLUNGEN UND ROLLSIEGEL DER STADT ELEPHANTINE

4.

Das Inschriftencorpus

4.1

Die Zentralverwaltung: Die Amtssiegel

4.1.1 Die Amtssiegel im Elephantiner Material Unter den 28 untersuchten Amtssiegelungen weisen insgesamt 20 fast665 sämtliche bekannten Horusnamen von Asch Peribsen (2. Hälfte der 2. Dyn.) bis Horus Chaba (Ende der 3. Dyn.) auf, von denen ersterer zweimal (!) belegt ist und 18 den Horusnamen von Herrschern der 3. Dyn. tragen. Drei weitere Siegelungen, auf denen zwar der Horusname des regierenden Herrschers nicht mehr zu erkennen ist, lassen sich aufgrund ihrer heraldischen Aussagekraft bzw. der erhaltenen Amtstitulatur dennoch den Amtsssiegeln zuzuordnen.

Unter dieser Bezeichnung werden opinio communis jene Siegelungen subsumiert, auf denen sich der Nachweis des Horusnamens des regierenden Königs innerhalb eines Serechs, d. h. einer Umfassungsmauer repräsentativen Charakters findet. In der Frühzeit unterscheidet man zwei Kategorien von Staatssiegeln, die beide von P. Kaplony unter Horusnamenssiegelungen658 geführt werden.

Hinzu kommen schließlich fünf weitere Objekte, die in die 5. und in die 6. Dyn. datieren und zeitlich zwar nicht zum Siegelmaterial gehören, jedoch aufgrund ihres Informationsgehaltes ebenfalls in diesem Kapitel vorgestellt werden sollen.

Während die eine, die der Königssiegel, die im Elephantiner Material nicht belegt sind, ausschließlich den Horusnamen aufweist und keinerlei Hinweis auf den Zuständigkeitsbereich des Amtsinhabers liefert,659 nennen die seit der Regierungszeit des Horus Den (Mitte der 1. Dyn.) nachzuweisenden Amtssiegelungen neben dem Horusnamen des Herrschers auch Verwaltungsinstanz660 bzw. Amtsressort661 des jeweiligen Siegelberechtigten. Die Tatsache, daß in keinem einzigen Falle der Personenname selbst des Siegelnden erwähnt ist, spricht dafür, daß Amtssiegel grundsätzlich die Anonymität des Amtsinhabers wahren662 und daß dieser mit W. Helck “eine mit königlicher Teilmacht ausgestattete Beamtentätigkeit ausübte”.663 Diese läßt sich m. E. vielmehr nur dann aufdecken, wenn eine nicht-staatliche Gegensiegelung der lokalen Ebene darunter angebracht wurde.664

Angesichts dieses Befundes stellt das vollständige Fehlen sämtlicher Herrschern der 4. Dyn. auf Amtssiegelungen einen umso auffälligeren Hiatus dar. Gerade von Königen wie Snofru, Chufu, Chefren oder Mykerinos wären im Rahmen ihrer militärischen Aktivitäten in Nubien,666 ihrer Bautätigkeiten an den Abbaugebieten um Assuan667 oder auf Grund ihrer besonderen Beziehungen zu der entfernten gelegenen Siedlung Buhen668 an der zweiten Nilkatarakt verwaltungstechnische Nachweise auf Elephantine zu erwarten gewesen, umso merkwürdig erscheint der bisher negative Befund innerhalb des Siegelmaterials, der vermutlich auch auf eine Forschungslücke zurückzuführen sein dürfte.669 4.1.1.1 Die Amtssiegel der 2. Hälfte der 2. Dynastie Auf den beiden ältesten, in die Regierungszeit von Asch Peribsen zu datierenden Amtssiegelungen, die innerhalb bzw. in unmittelbarer Nähe (Nordoststadt) des

658 Zum Begriff “Horusnamenssiegel” s. P. Kaplony, in: GM 29,1978, S. 48 und Abb. 1-3. 659 Vgl. hierzu auch P. Kaplony, a. a. O., Abb. 1. und ders., in: LÄ V, 1984, Sp. 294 f. Diese Art von Siegelungen wird von ihm von Anfang bis Mitte der 1. Dyn., d. h. von Horus Aha bis Den belegt, s. IÄF III, Tf. 10 -17. 660 Derartige Nachweise finden sich unter Horus Wadj in der 1. Hälfte der 1. Dyn., s. IÄF III, Tf. 30, Abb. 85 wie auch für die Zeit von Horus Den, s. IÄF III, u. a. mit Tf. 37, Abb.121 - pr HD - und mit Tf. 47, Abb.177 - pr HD H(w)t nTrj -. 661 Ein solches ist offensichtlich seit Horus Den belegt, s. IÄF III, u. a. mit Tf. 30, Abb. 86 - 89 A sowie Tf. 31, Abb. 90A - 92. 662 Eine Entwicklung läßt sich bei einigen Amtssiegelungen aus der Regierungszeit von Horus Den (Mitte der 1. Dyn.) beobachten, die eine Kombination von Beamtensiegel und Personennamen aufweisen, was insofern eine Neuerung darstellt, als es sich dabei um ein Phänomen handelt, das bis dahin lediglich höchsten Beamten vorbehalten war, s. IÄF III, Tf. 67-68, Abb. 242; Tf. 73, Abb. 276 A und Tf. 74, Abb. 276 B, sowie Tf. 74, Abb. 277, und das nach Ende dieser Regierungszeit von Horus Den wieder verschwand. 663 W. Helck, in: LÄ I, 1975, Sp. 227. Siehe hierzu auch Kap. Beamtensiegel, S. 88 f. 664 Beispiele einer derartigen Siegelpraxis liegen m. E. Ausdruck einer weiverbreiteten Praxis der Bürokratie zugrunde, nach der das anonyme Amtssiegel durch die “Unterschrift” des Beamten gegenzeichnet wurde bzw. wird und lassen sich in Ägypten bereits seit der Regierungszeit des Horus Chasechemui am Ende der 2. Dyn. nachweisen, s. IÄF III, Tf. 72, Abb. 269. Beispiele zu Beginn der 3. Dyn. finden sich in: IÄF III, Tf. 131, Abb. 798 und Tf. 131, Abb. 801.

665 Zum Fehlen v. a. der Siegelungen aus der Regierungszeit des Horus Chasechemui am Ende der 2. Dyn., s. J.-P. Pätznick, in: MDAIK 51, 1995, S. 184, Anm. 292. Amtssiegelungen von Horus Sechem-ib, des unmittelbaren Nachfolgers von König Peribsen, im Elephantiner Siegelmaterial werden in der Endpublikation des gesamten Siegelmaterials gebührend vorgestellt. 666 Siehe H. Schäfer, Ein Bruchstück altägyptischer Annalen, Berlin 1902 mit einer entsprechenden Angabe auf dem Palermostein, Tf. I, unteres Register, 2 Kolumne. 667 Verwiesen sei hier insbesondere auf die enorme logistische Leistung beim Abbau und Transport von bis zu 70 Tonnen wiegenden schweren Rosagranitplatten für den Bau der Cheops-Pyramide, s. hierzu R. Stadelmann, Die Ägyptischen Pyramiden, Mainz 1985, S. 119. 668 W. B. Emery, in: Kush 11, 1963, S. 119, Abb. 2 A5-25, A6-18. 669 Siehe bereits J.-P. Pätznick, in: MDAIK 51, 1995, S. 184, Anm. 291. Im Siegelmaterial der 24. Kampagne konnte der Verfasser glücklicherweise fast alle Herrscher der 4. Dyn. (Chufu, Djedefre, Chefren und Mykerinos) auf Amtssiegelungen, die in der Oststadt gefunden worden waren, identifizieren. Nur König Snofru und Schepseskaf fehlten hierbei. Inzwischen sind auch Amtssiegelungen von Horus Nebmaat (Snofru) auf Elephantine gefunden worden. Nach einer freundlichen Mitteilung und Vortrag von Dr. D. Raue am 09. 12. 2001 in Heidelberg.

63

JEAN-PIERRE PÄTZNICK

Festungsareals gefunden wurden,670 läßt sich jeweils eine zweigliedrige Sequenz bestehend aus Amtstitel und Horusname (AT+HN) rekonstruieren.

Süden des Landes in dieser frühen Zeit dokumentiert wird.676 Die zweite in die Regierungszeit von König Peribsen zu datierende Amtssiegelung677 wurde inmitten der Festung auf einem Gefäßverschluß des Typus Gv. I c gefunden, der als Verfüllmaterial für die Erhöhung einer Türschwelle diente678 und somit lediglich als terminus post quem von Relevanz ist. An der Unterseite der Verschlußkappe ist der Abdruck eines breiten Papyrusbandes zu erkennen,679 währens sich auf der Oberfläche die mehrfach überlappenden Abrollungen eines zweigliedrigen, zu rekonstruierenden Siegelbildes eines Amtssiegels finden, was eine Lesung desselben erheblich erschwert.

Die eine Amtssiegelung,671 die aus einem verfüllten Kontext der 3. Dyn. stammt, ist auf einem Urkundenverschluß des Typs Uv. 1 angebracht und trägt folgende Inschrift: AS672 Pr(j) jb=sn673 xtm(w).t(j) (j)xt nb(.t) Smaj-“Vom Asch Peribsen der Schatzverwalter aller Sachen (in) Oberägypten / des Südens”.674 Die Bedeutung einer solchen Siegelinschrift auf Elephantine kann gar nicht hoch genug geschätzt werden, belegt sie doch zum einen, daß die Stadt samt ihrem Einzugsgebiet spätestens in der 2. Häfte der 2. Dyn. unter König Peribsen fest in ägyptischer Hand, und zum anderen, daß sie bereits Teil der Administration Oberägyptens / des Südens war.675 In diesen verwaltungstechnischen Kontext fügt sich auch der Nachweis der Amtssiegelung auf einem Urkunden (!) verschluß, womit nicht nur die administrative Anbindung des Elephantiner Gebietes an Oberägypten bzw. an den von Ägypten kontrollierten Südgebieten, sondern zudem die geopolitische Schlüsselposition von Elephantine als Bollwerk zur Wahrung der ägyptischen Interessen im

Gesichert ist zunächst lediglich die Angabe des im Serech eingefaßten Herrschernamens Pr(j) jb sn sowie die Darstellung eines canidenähnlichen Wappentieres als Wiedergabe des Gott AS. Neu hingegen ist die Art der Krone, die auf dem Haupt des Tieres dargestellt ist, die eine sehr filigrane Wiedergabe entweder der Roten Krone oder der “Nofretete-Krone” anmutet.680 In der auffälligen, Sps zu lesenden Hieroglyphengruppe wirkt die Graphie des Wortes mit einem

670

Zur Bedeutung dieser ältesten Amtssiegelungen für die Stadtentwicklung s. zum einen S. 199, Anm. 1883 sowie Tabelle 88 und zum anderen S. 208. 671 Nordoststadt: Kat. 079; zu dieser bereits von G. Dreyer veröffentlichten Amtssiegelung s. ders., in: MDAIK 43, 1987, S. 108 f., Tf. 15 a-c, sowie M. Ziermann, Stadtentwicklung, S. 139 f. 672 Nicht Seth Peribsen, sondern Asch Peribsen muß an dieser Stelle besonders betont werden, da der Gott Seth auf Amtssiegelungen von König Peribsen nicht explizit genannt wird. Zum Nachweis des Gottes Asch als Wappentier, siehe in Auswahl IÄF III, Tf. 76, Abb. 283 und Tf. 77, Abb. 286. Zum Nachweis des Gottes Seth o. Asch in Königinnentitulaturen in der Frühzeit, s. L. K. Sabbahy, in: GM 135, 1993, S. 81 ff. 673 Siehe hierzu IÄF III, Tf. 76 ff. Ob der heraldische Name von König Peribsen u. a. auch mit - “Asch ist der, der ihre Herzen herauskommen läßt “- zu wiedergegeben wäre, möchte man nicht gänzlich ausschließen. Zum Ausdruck pr(j) jb-“den Mut verlieren”, s. WB I, S. 524,17-18. Gerade dieser furchteinflößende Charakter könnte sich in dem Königsnamen ¤nD-“der Furchteinflössende” -der späteren Königslisten wiederspiegeln und würde gleichzeitig für eine entschiedene Identifizierung von Peribsen mit Sened sprechen. Siehe hierzu ausführlich W. Kaiser, in: GM 122, S. 49 - 55, der eine sehr persönliche Deutung des Befundes gibt. Zu snD, siehe WB IV, S. 183. Die mögliche Deutung von snD-“furchtsam” bzw. snD.w-“der Furchtsame” dürfte für einen Gott bzw. einen Herrscher nicht in Frage kommen. 674 Siehe hierzu S. 61, vgl. auch die Amtssiegelung eines xtm(w).t(j) mDA.t nb.t Smaj ¡r Sxm jb-“Schatzverwalter aller (gesiegelten) Urkunden (von) Oberägypten von Horus Sechem-ib”, s. RT II, Tf. XXI, Abb. 164 und IÄF III, Tf. 132, Abb. 804. Zur Lesung xtm. t(j) bzw. xtm(w).t(j) s. D. Franke, in: GM 83, 1984 b, S. 123 ff. und jetzt H. G. Fischer,Varia Nova, New York 1996, S. 50 ff. 675 Ob Smaj Oberägypten selbst oder ein Territorium bezeichnete, das über die Grenzen von Elephantine hinaus weitere, südlich gelegene Gebiete erfaßte, oder ob es sich dabei um einen territorialen Begriff allgemein für den Süden handelte, ist für diese frühe Zeit nicht mehr sicher zu bestimmen. Spätere Inschriften, wie die des Wnj als dem mr Smaj-“Vorsteher des Südens”, lassen erkennen, daß der Sitz dieser Amtsträger in Thinis, der alten Verwaltungszentrale lag und daß deren Einzugsgebiet kraft ihres Amtes weit in den Süden reichte. Siehe hierzu Urk. I, 105 - 12-13 und 106 f.

voranggestellten Finalphonogramm (FP)

vor dem

Logogramm (L) zunächst zwar befremdlich, ist jedoch in der Frühzeit durchaus belegt.681 Die kalligraphische Wiedergabe zeigt, daß die Gruppe kaum adjektivische Funktion haben dürfte, da sie in diesem Fall das selbe Format wie die obere Hieroglyphengruppe aufweisen würde. Vielmehr ist davon auszugehen, daß es sich bei Sps um ein selbstständiges Substantiv handelt, das mit “Statue/Bild” wiederzugeben wäre und das folglich auch eine zentrale Bedeutung für die Lesung bzw. Deutung des Amtssiegels haben dürfte.682 676 J.-P. Pätznick, op. cit., S. 181. In diesem Zusammenhang kommt dem Nachweis eines zS Smaj-“Schreiber des Südens” auf einer aus der Oststadt stammenden Beamtensiegelung eine besondere Bedeutung zu, s. hierzu Oststadt: Kat. 569 sowie S. 93. 677 Festung: Kat. 203. Erst Jahre nach Entdeckung des Verschlusses gelang es dem Verfasser, die Amtssiegelung von Peribsen zu identifizieren und das Forscherteam in Elephantine davon in Kenntnis zu setzen. Siehe hierzu auch M. Ziermann mit einer eigenen Interpretation des Befundes, ders., in: MDAIK 51, 1995, S. 103 und Anm. 12. 678 Siehe v. a. hierzu Grabungstagebuch. 679 Die leichte Wölbung der Unterseite sowie der Abdruck eines Papyrusbandes von 3 cm Breite lassen vermuten, daß die Verschlußkappe auf der umschnürten Abdeckscherbe eines Vorratsgefäßes von 9 cm Dm saß, s. hierzu ausführlich S. 18. 680 Zu Beispielen der Roten Krone in der Zeit des Horus Chasechemui, verweise auf IÄF III, Tf. 83, Abb. 313-314. 681 Zu Beispielen derartiger Schreibungen von Sps mit vorrangestelltem FP vor dem Logogramm vgl. SIÄF , Tf. 7, Abb. 915-917 und 921. 682 WB IV, S. 451, Anm. 8; vgl. auch mit AL III, S. 288 und KR II, S. 362,10; zu Sps als Bildbezeichnung s. P. Eschweiler, Bildzauber im alten Ägypten, OBO 137, Zürich 1994, S. 32 und S. 44 sowie R. Schultz, Die Entwicklung und Bedeutung des kuboiden Statuentypus,

64

DIE SIEGELABROLLUNGEN UND ROLLSIEGEL DER STADT ELEPHANTINE

unbekannte Schreibweise handelt, die weder in Onomastik des Siegelmaterials noch in späteren Schreibungen ihren Niederschlag gefunden hat.687 Da

als Eine weitere mögliche Deutung von eigenständigem Titel ist in dieser frühen Zeit (2. Hälfte der 2. Dyn.) nicht belegt, sondern begegnet erst in späteren Inschriften des Alten Reiches, so daß diese Interpretation nicht in Frage kommen dürfte.683

und als zudem innerhalb der Zeichengruppe Sps st.t/s(A)T.t-“Statue der Satet” die großformatige

Nicht geringe Schwierigkeiten bereitet die Lesung der folgenden Hieroglyphengruppe. Da aufgrund der Heraldik dieser frühen Zeit eine Deutung als Name bzw. Beititel oder Epitheton auszuschließen ist, kommt für sie lediglich eine Betrachtung als Titelgruppe in Frage.684 Eine

im Darstellung des eigenständigen Substantivs Verhältnis zum erheblich kleineren Namen der Göttin Satet überdimensioniert wirkt - was bei einer Göttin nicht zu erwarten ist -, dürfte diese Lesung von st.t/s(A)T.t-“Satet” auszuschließen sein.

mit Hrj sowie dessen Wiedergabe des Gesichtes Deutung als “Oberster, Chef, der über etwas ist” ist in der Titelkunde Altägyptens vielfach belegt und dürfte folglich auch hier vorliegen. Das

Weit eher in Betracht zu ziehen ist demgegenüber die

kann theoretisch sowohl dem

Wiedergabe von mit sT.t-“Räucherung”,688 so daß der gesamte Titel Hr(j) sT.t Sps mit “der (sich) über die Räucherung (an der) Statue ist/befindet” bzw. “Oberster der Räucherung(en) (an der) Statue” zu lesen wäre.

als auch dem darunter angebrachten Zeichen Gesicht zugeordnet sein, das eine Ähnlichkeit mit der Hieroglyphe Gard. R5/R6

bzw.

=

aufweist.

Ebenso ließe sich aber auch als wrH.t-“Salben”689 bzw. der gesamte Titel mit Hr(j) wrH.t Sps-“Oberster der Salben (für die) Statue” wiedergeben - eine Option, die im Rahmen eines Kultvollzugs an einer Statue durchaus relevant wäre.

Zieht man hingegen das zum zusammen, würde dies für eine weibliche Titelträgerin mit Amtssiegel sprechen, was jedoch in dieser Form bisher nicht belegt ist und darum auch auszuschließen ist/sein dürfte.685 Gilt zum Zeichen als somit die Zugehörigkeit von gesichert, ist gleichzeitig davon auszugehen, daß es sich

In diesem Zusammenhang sei noch auf die mögliche

bei weniger/in keinem Falle um eine Nisbebildung t(j), sondern vielmehr um eine Feminin- bzw. Pluralendung handelt.

Lesung bzw. Deutung von mit kAp.(w)t“Räucherung(en)” bzw. des gesamten Titels mit Hr(j) kAp.(w)t Sps-“Oberster der Räucherungen (an der) Statue” hingewiesen690 - eine Bezeichnung, die bislang in der Form in der Titelkunde nicht belegt ist,691 wonach jedoch der Amtssiegelung kultische Bedeutung - im Rahmen eines Kultes an einer Statue zukäme.

Problematisch bleibt nach wie vor das Zeichen , das weder von einem Initial-noch von einem Finalphonogramm begleitet wird, so daß für die Lesung mehrere Möglichkeiten zu erwägen sind. Naheliegend ist zunächst, die Graphie st.t bzw. s(A)T.t zu lesen686 und sie

Ließen sich somit für das Amtssiegel aus der Regierungszeit des Königs Peribsen bislang mehrere Lesungs- und Deutungsmöglichkeiten aufzeigen, ohne jedoch zu einem endgültigen Ergebnis zu gelangen, so liefern Inschriftenfunde aus dem epigraphischen Material des Djoserbezirks entscheidende Hinweise insofern, als

Sps-Statue zu bringen, so daß in Verbindung mit damit der früheste Nachweis des Namens Satet -“die sich Ergießende”- für die Bezeichnung der Herrin von Elephantine und für ihren Statuenkult in der Inselstadt vorliegen würde. Gegen eine derartige Annahme, so anregend sie auch sein mag, dürfte jedoch die Tatsache sprechen, daß es sich hierbei um eine vollkommen

sie die selben Hieroglyphen und aufweisen.692 Bei näherer Betrachtung zeigt sich, daß - im Unterschied zu den bisherigen Lesungen - die Hieroglyphe das Hohlmaß-Zeichen-HqA.t erkennen läßt,693 so daß zunächst eine Teilwiedergabe des Amtstitels als Hr(j) HqA.t mit

HÄB 34, Hildesheim 1992, S. 705 und 711, die Sps als Statuenbezeichnung ab dem Mittleren Reich ansetzt, womit es sich bei dem Elephantiner Exemplar um den bislang frühesten Nachweis handeln würde. 683 Siehe hierzu PM III-2, S. 930 - 370 - sowie S. 923. 684 Siehe hierzu das Kap. Lagerhausverwalter, S. 98 ff. 685 Zum Nachweis von Frauen auf Beamten-, Zivil- sowie Namensiegeln s. S. 121 f., wohingegen mir kein einziger Beleg von Titelinhaberinnen auf Amtssiegeln ist. Da die Verleihung eines Amtssiegels grundsätzlich mit der Übertragung der magisch geladenen Königsmacht des Herrschers auf den auserwählten Beamten einherging, dürfte eine Frau als Amtssiegelinhaberin in so früher Zeit kaum zu erwarten sein. Zur Unterscheidung von Amts- und Beamtensiegels, s. S. 88. 686 WB IV, S. 328 f.

687

WB IV, S. 348. Zudem sei auf die eingehende Untersuchung von D. Valbelle verwiesen, s. dies., Satis et Anoukis, Mainz 1981, S. 85 f. 688 WB IV, S. 350, Anm.16-17. 689 S. Hassan, Excav. at Giza, Band VI-Part II, Cairo 1934-35, S. 259, wo es allerdings um eine Graphie aus der 6. Dyn. handelt. 690 Zu kAp-“räuchern”, s.WB V, S. 103, Anm. 9 -13. 691 Vgl. diesbezüglich auch den sei dem seit dem AR belegten Titel kAp nsw.t (s.WB V, S. 103, Anm. 15). 692 PD V, S. 30 f., Abb. 45 -9 u. 45 -10. 693 H. Goedicke, Old Hieratic Palaeography, Baltimore 1988, S. 39 a-b U 9 / 470 v. a. “Gebelein-Abusir”.

65

JEAN-PIERRE PÄTZNICK

Festung aufgebrochen wurde und daß es sich bei dem Siegelnden um einen mit religiösen Aufgaben betrauten Beamten der Zentralverwaltung gehandelt haben könnte.

“Oberster des Hohlmaßes” zumindest graphisch gesichert erscheint. Eine Lesung der gesamten Amtssiegelung als Hrj HqA.t Sps-“Oberster des Hohlmaßes (an der/für die) Statue” deutet demnach auf einen für das Hohlmaß der Statue zuständigen Beamten der Zentralverwaltung hin, was sich durchaus in den bereits erwähnten, kultischen Rahmen einfügen würde. Bedenkt man darüberhinaus, daß diese für Getreide, Gold und Myrrhe verwendete Maßeinheit im Alten Reich einer Menge von etwa 4,8 l. entsprach, so könnte dies gleichzeitig Hinweis auf die Größe bzw. das Volumen des versiegelten Gefäßes sein. Da außerdem davon ausgegangen werden kann, daß Getreide für Kulthandlungen nicht in Betracht kommt und Gold in Säcken bzw. in Kisten verpackt war, ist zu vermuten, daß es sich bei dem Inhat des verschlossenen Gefäßes um Myrrhe gehandelt hat. Die Tatsache, daß antjw-“Myrrhen” bei der Zubereitung von Salben-und Parfüms sowie bei Räucherungen Verwendung fand, unterstreicht zudem nicht nur die bisher in Erwägung gezogenen Lesungen des Amtstitels, sondern betont außerdem die Funktion eines Titelsträgers der königlichen Zentralverwaltung im Rahmen des Kultvollzugs an einer Statue zur Zeit des Königs Peribsen in der 2. Hälfte der 2. Dyn. auf Elephantine.

Da zudem Amtssiegelungen generell von der Zentralverwaltung stammende Anordnungen bzw. Lieferungen kenzeichneten, kann davon ausgegangen werden, daß der den Gefäßverschluß siegelnde Beamte nicht in Elephantine, sondern in ebenjener Zentrale in Thinis zu lokalisieren ist - im anderen Falle dürfte er lediglich sein Beamtensiegel benutzt haben und nicht das Amtssiegel. Darüberhinaus spricht die Tatsache, daß sich keinerlei weitere Nachweise dieses einen Amtssiegels im untersuchten Siegelmaterial finden, dafür, daß die Lieferung lediglich einmalig erfolgt war - eventuell aus Anlaß eines Kultfestes, der Einweihung einer neuen Kulteinrichtung oder einer Statue - was jedoch nur vermutet werden kann. In einem derartigen kultischen Kontext kommt dem Nachweis einer Amtssiegelung insofern besondere Bedeutung zu, als sie sowohl Indiz für die zentral geleitete Einrichtung des Kultes für die Herrin von Elephantine bzw. eines Königskultes im Heiligtum der lokalen Gottheit ist als auch für das Interesse des Königs bzw. dessen Administration an einer kultischen und wirtschaftlichen Integration der sogenannten Provinzheiligtümer in das bestehende Verwaltungssystem.

Kann somit zusammenfassend die Inschrift des Siegelbildes m. A. n. entweder als AS Pr(j) jb=sn Hrj kAp.(w)t/sT.t Sps-“Vom Asch Peribsen der Oberster der Räucherungen (an der) Statue” oder aber als AS Pr(j) jb=sn Hr(j) HqA.t Sps-“Vom Asch Peribsen der Oberster des Hohlmaßes (an der / für die) Statue” gelesen werden, bleibt abschließend zu fragen, um wessen Statue es sich hierbei eigentlich handelt.

Beides läßt dies auf einen direkten Einfluß der königlichen Macht bzw. der Zentralgewalt auf den kultischen Bereich schließen, so daß davon auszugehen ist, daß es sich bei den Angehörigen des Kultpersonals spätestens seit der 2. Dyn. Beamte gehandelt hat.

Von entscheidender Relevanz hierfür ist, ob das Wort Sps-“Statue” dem Königsnamen Peribsen zugeordnet wird - oder ob beides getrennt zu lesen ist. Im ersten Fall wäre dies ein Indiz für eine Königsstatue Peribsens auf Elephantine, die mit hoher Wahrscheinlichkeit im Tempelbereich der ortsansässigen Gottheit zu lokalisieren sein und an und an der noch zu Lebzeiten (!) des Herrschers ein besonderer Beamter der Königsverwaltung für den Kultvollzug zuständig gewesen sein dürfte.

Inwiefern der Nachweis einer derartigen Amtssiegelung Hinweis auf die Einrichtung eines Statuenkultes für die Göttin und Herrin von Elephantine nach ägyptischer Auffassung bzw. auf die offizielle Einweihung eines Statuenkultes zur Ehre der Herrin von Elephantine während der Regierungszeit von König Peribsen ist, kann von unserer Seite nur vermutet werden. Jedoch läßt die Tatsache, daß ein Beamter der königlichen Zentralverwaltung mit der Entsendung einer so kostbaren Ware wie Myrrhe nach Elephantine betraut wurde, dies zumindest durchaus als möglich erscheinen.

Trennt man hingegen das Wort Sps-“Statue” von dem Königsnamen Peribsen würde dies für die Existenz einer Gottesstatue auf Elephantine sowie die religiöse Zuständigkeit eines Beamtens König Peribsens für den Kultvollzug sprechen.

4.1.1.2 Die Amtssiegel der 3. Dynastie Abschließend bleibt festzuhalten, daß zum einen weder der Gefäßverschluß noch die Siegelung selbst eindeutig Aufschluß darüber zu geben, ob der Inhalt des Gefässes in Elephantine selbst oder aber in der Residenz gesiegelt wurde. Auch der vermutete Inhalt als Myrrhen läßt sich zwar im Rahmen der Libation und Räucherung im Alltagsritual des Tempels durchaus vorstellen, bleibt zunächst doch sehr hypothetisch, wenn auch denkbar. Als gesichert kann indes davon ausgegangen werden, daß das Gefäß bzw. seine Versiegelung in Elephantine in der

Den Hauptanteil unter den 28 Amtssiegelungen nehmen 18 Exemplare ein, die in eindrucksvoller Weise sämtliche, bisher sicher belegten Herrscher der 3. Dyn. nennen: Horus Netjerichet, Horus Sanacht, Horus Sechemchet und Horus Chaba.694 Ihr Nachweis 694 J.-P. Pätznick, op. cit., S. 184; zu den Amtssiegelungen der 3. Dyn. s. Kahl et alii, Inschriften der 3. Dynastie, S. 7 -161 - ; zur Problematik der Königsabfolge der 3. Dyn. sei auf den Exkurs S. 76 ff. verwiesen; auffällig ist das Fehlen jeglichen Nachweises von (Amts-)Siegelung aus

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DIE SIEGELABROLLUNGEN UND ROLLSIEGEL DER STADT ELEPHANTINE vorwiegend695 - in der Oststadt läßt darauf schließen, daß dieser Stadtbereich in eben diesem Zeitraum als Verwaltungs- und Versorgungszentrums eingerichtet worden war.696

Vom Horus Netjerichet der Leiter derjenigen, die an der Spitze der Angestellten/Arbeiter der jz DfA sind, der Geleiter und königlicher Beschützer (und) königlicher Gefolgsmann zu jedem Tag.

Von den insgesamt acht Amtssiegelungen der Regierungszeit des Horus Netjerichet zu Beginn der 3. Dyn.697 sind allein vier auf Verschlußhauben vom Typus Gv. I a auf uns gekommen, die alle vom gleichen Siegelnden stammen,698 und die seit ihrer Veröffentlichung durch Günter Dreyer keine wesentlichen Erkenntnisse brachten.699 Als Siegelbild konnte eine sechsgliedrige Sequenz mit dreifacher Wiederholung des Horusnamens rekonstruiert werden: xrp xnt.(w)t700 Xrj.(w) a701 jz DfA ¡rw NTrj Xt HAj nsw.t702 n(j) sb703 ¡rw NTrj Xt Sms nsw.t704 ra nb705 ¡rw NTrj Xt -

Die Wiedergabe von xrp xnt.(w)t Xrj.(w) a jz DfA weist den Siegelnden zunächst als Leiter derjenigen aus, die an der Spitze der Angestellten/Arbeiter der jz DfA standen. Zentral hierfür ist die Lesung und Deutung der Gruppe . Ein Femininsubstantiv xnt.t mit der Konnotation “Keller” wie diese von G. Dreyer angenommen wird, ist bisher nicht nachweisbar, so daß diese Möglichkeit zunächst ausfällt.706 Scheidet das Femininum und die 1973, S. 23 ff.; denkbar ist somit m. M. n. auch eine Lesung von Xrj a als “der unter a - Dokument/Vertrag stehende”. Zur Beschränkung der Tätigkeit der Xrj.(w) a-“Arbeiter” im kultischen Bereich s. die ausführliche Diskussion von P. Kaplony, in: RAR II A, S. 42- 46, bes. S. 43 ff. 702 Zieht man eine Parallele zwischen HAj nsw.t und der Angabe HAj nb=f - “un (homme) qui est dans l´entourage de son maître” - auf CG 20538 I c 9 und 20539 II b4, s. WB III, S. 10, Anm. 15 und G. Lefèbvre, Grammaire de l´Egyptien Classique, 2e. édition, Paris 1955, S. 99, § 184, so könnte mit unserem Titel ein Beamter gemeint sein, der sich in der Nähe seines Königs befand. Eine solche Nähe zum Herrscher kommt außerdem durch den weiteren Titel Sms nsw.t ra nb-“königlicher Begleiter an jedem Tag” - dieses Beamten ohnehin besonders zum Ausdruck. 703 Obwohl auch eine Lesung snb für die Schreibung sbn durchaus vertretbar wäre, s. G. A. Reisner, Giza I, Oxford 1942, Giza Grab: G 4240, Tf. 57 b und auch H. G. Fischer, Varia Nova, S. 57, Anm. 21, verdient dennoch die Lesung n(j) sb-“der zum Geleiten Gehörige bzw. Geleiter” gerade im Kontext der Begleitung m. E. doch besondere Aufmerksamkeit, s. hierzu WB IV, S. 82, Anm. 1-2. 704 Der früheste, sicher datierte Beleg von Sms nsw.t stammt aus der Regierungszeit von Horus Netjerichet zu Beginn der 3. Dyn. aus Elephantine und bezieht sich auf unser Amtssiegel. Von den zwei darüberhinaus existierenden Belegen unsicherer Datierung findet sich einer auf der Stele (aus sekundärer Fundlage) von Mr(j) kA, s. W. B. Emery, GT III, London 1958, Tf. 23 b, der andere auf einer Schieferschale aus einer Privatsammlung, s. IÄF III, Tf. 152, Abb. 872 und SIFAR , S. 12 und S. 15 sowie Abb. 16). Zur Deutung von Sms“Gefolge/Gefolgschaft” als Auszeichnung und Gunsterweis des Herrschers für treue und mutige Beamte sei für das Mittleren Reich u. a. auf E. Blumenthal, Untersuchungen zum Ägyptischen Königtum des Mittleren Reiches, Berlin 1970, bes. S. 343 und für das Neue Reich, v. a. für die 18. Dyn., auf H. Guksch, Königsdienst - Zur Selbstdarstellung der Beamten in der 18. Dyn., SAGA 11, Heidelberg 1994, S. 58 ff. und S. 185-198 verwiesen. Zu Sms als Beamtentitel mit militärischem Charakter (Offiziere o. ä.) s. Kap. Beamtensiegel, S. 108. 705 RAR II-A, Tf. 44, Abb. 33, allerdings in der Verbindung Sms wD.t ra nb - “der die Befehle des Goldhorus Menkaure täglich (mit)begleitet”; Tf. 42- 44 mit Angabe eines weiteren Titelträgers Sms wD Mn kAw ra m xAst rsj.t-“der die Befehle des Menkaure in den Südländern (mit)begleitet”. Beide Amtssiegelungen stammen aus einem im zweiten Kataraktgebiet in Buhen ausgegrabenen Siedlungskomplex des Alten Reichs und betonen den Expeditions- und Militärkontext dieses Vorpostens bzw. seinen bewegten Alltag. Ferner sei auf die Verbindung eines HqA Xrj.(w) a-“Chef der Angestellten/Arbeiter” sowie dessen täglicher Begleitung königlicher Aufträge verwiesen, die damit eine Parallele zu unserer Amtssiegelung darstellt, s. RAR II-A, Tf. 14, Abb.12. 706 Die von P. Kaplony vorgeschlagene Wiedergabe “Krüge des Kellers des Harems von Memphis (und) Keller der Versorgungsanlage der Webereien des Harems von Memphis” auf einem Amtssiegel von Horus Semerchet aus der 1. Hälfte der 1. Dyn. (IÄF III, Tf. 68, Abb. 243 u. S. 501) sowie “Keller der Häuser der Weberinnen in Memphis” auf einem Beamtensiegel von Merika am Ende der 1. Dyn. (IÄF III, Tf. 86, Abb. 322 sowie S. 148 u. 501) beruhen auf einer ziemlich eigenwilligen Lesung und Interpretation. Demgegenüber ließen sich m. A. n. beide

der Regierungszeit von Horus Qahedjet, was seine Identifizierung sowie seine Einordnung in die Abfolge der bekannten Herrscher der 3. Dyn. äußerst schwierig macht. 695 Eine in der Nordweststadt gefundene Amtssiegelung aus der Regierungszeit von Horus Sanacht ist bereits von S. J. Seidlmayer veröffentlicht worden, s. ders., in: MDAIK 38, 1982, Tf. 65 a; ders. , Die staatliche Anlage der 3. Dyn. in der Nordweststadt von Elephantine / Archäologische und historische Probleme, in: Haus und Palast im Alten Ägypten, Internationales Symposium 8. bis 11. April 1992 in Kairo, Herausgeber / Editor M. Bietak, Wien 1996, S. 198 ff. und S. 199, Abb.3 oben links. 696 Übergreifend hierzu s. S. 211 ff. 697 Zur Lesung NTrj Xt-“der an Mutterleib Göttliche” s. W. Barta, in: ZÄS 116, 1989, S. 123; demgegenüber liest Kaplony NTr r Xt“göttlicher als die Körperschaft”, s. ders., in: SIFAR , S. 7 und 65 ff.; W. Hayes folgend, der als erster NTr(j) Xt als jry-Xt-nTr deutete, gab H. Goedicke den Horusnamen mit “the One belonging to the body/family of the nTr wieder, s. ders., in: JSSEA XVI, 1986, S. 59 f; desweiteren möglich - unter Einbeziehung des Horus auf dem Serech - wären m. E. auch Lesungen wie “göttlich an Leib ist Horus”, “göttlicher an Leib ist Horus” oder, in Anlehnung an P. Kaplony, die erweiterte Version “Göttlicher als die Körperschaft ist Horus”. 698 Oststadt: Kat. 293-294 und 304-305, s. außerdem S. 14, Anm. 109. 699 G. Dreyer, in: MDAIK 43, 1987, S. 108 f., Abb. 13b, Tf. 15b u. jetzt auch Kahl et alii, op. cit., S. 8 f. 700 Ein Substantiv xnt.t-“Keller” kennt das Wörterbuch in der Form nicht; in Anlehnung an Pyr. T. 1482e - srwD DfA n xntj=f-“Festgemacht sind die Lebensmittel für seinen xntj” - deutet P. Kaplony das dort belegte Wort xntj als “Krugmagazin”, s. ders., IÄF II, S. 1053; demgegenüber und im Rückgriff auf die Deutung des Wörterbuches WB III, S. 301, Anm. 12 - “Ständer für Getränke” - versteht K. Sethe das besagte Lexem xntj eher als “Opferstätte”, s. ders., Übersetzung und Kommentar zu den altägyptischen Pyramidentexten, Bd. VI, Hamburg 1962, S. 167; für eine solche Deutung dürfte m. E. auch das Determinativzeichen sprechen, das einen Vorbereich, eine Halle oder sogar eine Toranlage (Pyr. T. 1726 a-b) kennzeichnen kann; s. diesbezüglich auch WB III, S. 307, Anm. 10 u. 11, wo xnt(j)“Vorhalle” bzw. eine Verschreibung xnt(j) für xnr-“Harem” belegt sind; zu xnt(j) als Bestandteil des Königspalastes im Mittleren Reich s. S. Quirke,The Administration of Egypt in the Late Middle Kingdom, Malden 1990, S. 41, Abb. 1 und S. 231. 701 Da eine Wiedergabe von Xrj a mit “Gehilfe”, wie sie das Wörterbuch vorschlägt - s.WB III, S. 393, Anm. 9-12 - in unserem Falle keinerlei vernünftigen Sinn ergibt, dürfte sie auszuschließen sein. In Anlehnung an Deutungen wie “Untergebener” bzw. “der unter der Leitung jemandes ist” scheint es mir durchaus naheliegend, daß es sich bei der bezeichneten Person um jemanden handeln könnte, “der unter einer Arbeitstätigkeit ist”, im Sinne “der eine Arbeit hat” bzw. “der beschäftigt ist”, womit schlichtweg ein “Arbeiter” gemeint sein könnte. Zu Xrj a nsw.t- “Königlicher Arbeiter”, s. u. a. S. 50, Anm. 526. Bemerkenswert in diesem Zusammenhang ist die Annahme von H. Goedicke, daß “The terms Xrj a indicates..., i.e that they were paid for their work. They apparently differed in this respect from others who were drafted or who sailed at their own expense, s. ders., in: JEA 54,

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Deutung “Keller” aus, so bleibt xnt.t nur noch als Plural xnt.(w)t-Die an der Spitze sind und als Bezeichnung einer Personengruppe aufzufassen.707

sich zum einen Getreide oder Trockenfrüchte als Inhalt in den Gefäßen befand und zum anderen, daß die Produkte entweder für eine langfristige Lagerung oder zum Transport bestimmt waren. Eine derartige Verschließungs- und Versiegelungstechnik, wie die mit feiner Asche aufbereitete Tonqualität, die auf Elephantine für Topfverschlüsse nicht festzustellen ist, die Verwendung eines Tonmodels zur Formung der Haube712 und die anschließende Markierung mit dem Rücken des Rollsiegels713 deuten daraufhin, daß diese Gefäße nicht in Elephantine verschlossen und versiegelt worden sind.714

Die sogenannte jz DfA ist eine seit der 2. Dyn. existierende Versorgungsinstanz,708 deren Funktion für die Landesverwaltung zu Beginn ihrer Entstehung zwar noch recht unsicher ist, die jedoch spätestens in der 3. Dyn. eine übergreifende Landesversorgungsinstanz darstellt, die nicht nur die Königsgräber ausstattete, sondern aller Wahrscheinlichkeit nach das Rückgrat des gesamten damaligen Wirtschaftsystems bildete. Die Leitung dieses Apparates lag seit der 2. Hälfte der 2. Dyn. in den Händen des höchsten Beamten Xr(j) tp(j) nsw.t jz DfA.709 Über die strukturelle Organisation dieser Institution war bislang wenig in Erfahrung zu bringen; allenfalls der Beleg eines Schreibers der jz DfA ließe eine innere Hierarchie im Personal dieser Institution erahnen.710

Zusammenfassend läßt sich sagen, daß es sich bei diesen von einem Beamten der staatlichen Versorgungsinstitution jz DfA versiegelten Töpfe aller Wahrscheinlichkeit nach um eine von der damals in Thinis gelegenen Zentralversorgungsstelle nach Elephantine verschiffte Getreidelieferung für die Versorgung bzw. Entlohnung des im neu eingerichteten Verwaltungsbezirk eingesetzten Xrj.w a-“Arbeiterpersonals/Angestellte” handelt.715 Darüberhinaus ließe dies auf eine landesweit zentral geleitete Versorgung der Arbeitskräfte bzw. der Angestellten durch eine hierfür in der jz DfA zuständige Personalabteilung schließen.716

Erst der Amtstitel der vorliegenden Abrollung eines xrp xnt.(w)t Xrj.(w) a-“Leiter derjenigen, die an der Spitze der Arbeiter der jz DfA sind” läßt eine Personalorganisation dieser Institution erkennen, die mindestens drei Ebenen umfaßte. Demnach stand ein xrp-“Leiter (Direktor)” an der Spitze mehrerer xntj.w - Vorgesetzte, denen wiederum die Xrj.wa-“Arbeitspersonal/Angestellte” unterstellt waren. Die Gruppe der Vorgesetzten ist hier durch den Sammelbegriff xnt(.w)t zum Ausdruck gebracht, der somit als “Vorstand” im Sinne einer Bezeichnung aller xntj- “Vorgesetzte” zu verstehen sein dürfte. Daraus ließe sich die Leitung jeder einzelnen Abteilung von Xrj.wa unter einem xnt(j)-“Erster” bzw. “Vorgesetzter” annehmen.711 Abdrücke von Vorratsgefäßen an der Unterseite der Verschlußhauben vom Typus Gv. I a, deren Mündungen 7-8 cm Dm betrugen und die meistens von einer Abdeckscherbe überdeckt waren, lassen vermuten, daß

Das nächste Amtssiegel, das in derselben Raumverfüllung wie die obigen Verschlüsse gefunden wurde, ist ebenfalls auf einer Verschlußhaube des Typus Gv. I a angebracht.717 An der Unterseite konnte nur noch ein Gefäßabdruck von 8 cm Dm festgestellt werden, während auf der Haube das unvollständige Siegelbild einer viergliedrigen Sequenz zu erkennen ist: ¡rw NTrj Xt sm718[…]¡rw NTrj Xt zAw nxn719 -“Vom Horus Netjerichet der Sem-Priester […] Wächter von Nechen des Horus Netjerichet”. Besonderes Augenmerk verdienen die beiden Titel sm und zAw nxn, die in dieser Kombination nicht nur auf

Inschriften eher als die Bezeichnung eines Amtsträgers der Zentralverwaltung mit der Titulatur ¡r ¤mrXt xn.tj jrp/kAnw jnbw ¡r ¤mrXt xn.tj Hw.t kAnw/jrp jnbw- “Vorderster der Weinkrüge von Memphis von Horus Semerchet / Vorderster am Weinhaus von Memphis” bzw. xn.tj Hw.wt kAnw/jrp jnbw- “Vorderster der Weinhäuser von Memphis” auffassen. In diesem Zusammenhang sei auf den Siegelbildern nicht nur auf die versiegelten Weinkrüge, sondern auch auf die Weinblätter auf den Stützen aufmerksam zu machen, die eine derartige Auffassung gewissermaßen unterstützen. 707 WB III, S. 308, Anm. 13-14. 708 Die frühesten Belege dieser Einrichtung reichen bisher in die Mitte der 2. Dyn., d. h. bis in die Regierungszeit von Horus Ninetjer zurück, s. IÄF III, Tf. 149, Abb. 862 und SIÄF, Tf. 32, Abb. 1072 bis. Spätestens unter König Peribsen muß davon ausgegangen werden, daß das pr HD-“Schatzhaus” eine Abteilung der jz DfA war, s. RT I, Tf. XXI, Abb. 167 und174, sowie Tf. XXII, Abb.183. 709 Eine Frühform dieses Amtes ist spätestens seit der Regierungszeit von Horus Sechem-ib nachzuweisen, RT II, Tf. XXI, Abb.165; E. Naville, Cemetery of Abydos ,T.1, London 1914, Tf. IX; IÄF III, Tf. 72 mit Abb. 267 und findet sich ebenfalls gegen Ende der 2. Dyn., IÄF III, Tf. 127, Abb. 769. 710 RT II, Tf. XXI, Abb. 166. 711 Ein ähnlich hierarchischer Aufbau der mjtr zu Beginn der 4. Dyn. läßt sich dem von Prinz Rahotep getragenen Titel xrp xnt.(w)t (n.t)mjtr entnehmen, s. hierzu W. M. Fl. Petrie, Medum, London 1892, Tf. IX; eine eingehende Besprechung findet sich im Kapitel über den mjtrTitel bzw. Status, S. 137 ff.

712

Siehe S. 14 Anm. 103. Siehe a. a. O., Anm. 107. 714 Vgl. die in die Regierungszeit von Horus Chaba zu datierende Amtssiegelung eines Schatzverwalters der Getreideverwaltung aus dem thinitischen Gau, in dem die Zentralstelle für die gesamte Landesversorgung zu lokalisieren sein dürfte, s. diesbezüglich auch S. 16. 715 Übergreifend hierzu s. S. 75, Anm. 790-791; bemerkenswert hierbei ist der kürzlich gefundene Nachweis von Amtssiegelabrollungen aus der Regierungszeit des Horus Nebmaat (König Snofru), die den Titel mr Xrj(.w) a Abw-“Vorsteher der Angestellten/Arbeiter der Stadt Elephantine” tragen und in den Beginn der 4. Dyn. datieren; nach einem freundlichen Hinweis von D. Raue, der dies auch seinem am 09. 12. 2001 gehaltenen Vortrag in Heidelberg erwähnte. Inwiefern es sich dabei um eine moderne Variante unseres Titels handelt, kann jedoch nur vermutet werden. 716 Siehe hierzu S. 68 und Anm. 708. 717 Oststadt: Kat. 306 718 Der Titel sm ist bereits seit Mitte der 1. Dyn. unter Horus Den nachzuweisen, s. IÄF III, Tf. 52, Abb. 191. 719 Die Titelbezeichnung zAw nxn scheint erst seit der 3. Dyn. existieren, s. IÄF III, Tf. 86, Abb. 324; zur Lesung und Deutung dieses Titels s. v. a. D. Franke, in: SAK 11, 1984, S. 209-217. Eine Lesung jrj“Hüter/Wächter” ist in dieser Zeit abzulehnen, da sie in dieser Form erst in der Herakleopolitenzeit belegt ist, so H. G. Fischer, On the reading of some OK-Titles, in:Varia Nova , New York, 1996, S. 44, Anm. 14. 713

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DIE SIEGELABROLLUNGEN UND ROLLSIEGEL DER STADT ELEPHANTINE

Siegelabrollungen eines in Bet Khallaf bestatteten Beamten namens anx.w,720 sondern auch auf einer aus diesem Grab stammenden Statue zu finden sind,721 womit dieser in der Nähe von Thinis bestattete Beamte der 3. Dyn. aus seinem bislang lediglich funerären Kontext herausrückt und als jemand hervortritt, der mit der Ausübung eines konkreten Amtes betraut war. Hierbei dürfte es sich um einen - wahrscheinlich von Thinis, dem Sitz der damaligen Zentralversorgungsstelle Getreidetransport nach Elephantine handeln, wodurch dieser Beamte m. E. dem Personenkreis zuzurechnen ist, der zu Beginn der 3. Dyn. für die Versorgung bzw. für den Aufbau der auf Elephantine neu etablierten Residenz und den eingerichteten Verwaltungsbezirk zuständig war.722

aus, die sowohl eine Gottheitsform

bzw.

oder

, oder ausschließen Determinative wie läßt, womit auch eine Lesung der sitzenden Person als rw.t(j) oder als aA.tjw ausscheidet,724 schränkt dies doch oder ein. Trägt die Betrachtung auf Forme wie man hinzu die Doppelfeder Kopfausschmückung in Rechnung, so könnte dies sogar auf das Hieroglyphenzeichen Hinweis geben, das bekannterweise mit der Konnotation mSa-“Truppen” behaftet ist und auch mit einer Doppelfeder Kopfbedeckung belegt ist.725 Der mögliche Lesungs- und Deutungsvorschlag des teilerhaltenen Amtstitels als xtm(w).t(j) mSa (.w) bzw. xtm(w).t(j) nHsj.w oder aber als xtm(w).t(j) xAs.tjw-“Schatzverwalter der Fremden/ Barbaren”726 zu identifizieren -, eine Lesung, der für das an der Grenze zum Ausland bzw. zu Nubien gelegene Elephantine insofern erhebliche Bedeutung zukommt, als ein Nachweis eines Schatzverwalters der Nubier bzw. der Fremden/Barbaren auf eine zentral geleitete Versorgung auf Elephantine tätiger Nubier bzw. auf die administrative Einbindung der nubischen Bevölkerung in das soziale und wirtschaftliche Umfeld der Inselstadt Elephantine schließen lassen könnte.

Im Gegensatz zu den bisherigen Siegelungen, die auf Topfverschlüssen angebracht waren, sind die nächsten zwei Amtssiegelungen aus der Regierungszeit des Netjerichet auf zwei Tonbullenfragmenten vom Typus Tb. 2 b zu finden.723 Die teilweise spärlich erhaltene Abrollung eines Amtssiegels ermöglichen keine genauere Angabe über die ursprüngliche Sequenz des Siegelbildes, dessen erhaltenen Inschrift lautet: […]¡rw NTrj Xt xtm(w).t(j) mSa (.w)/nHs(j.w) […]-[…]”Vom Horus Netjerichet der Schatzverwalter der Fußtruppen / - der Nubier / - der Fremden/Barbaren”[…] Die Lesung xtm(w).t(j)-“Schatzverwalter” ist noch an den

Besondere Beachtung verdient in diesem Zusammenhang m. E. die Angabe xrp rw.t(j) Smaj mH.w-“Leiter der Ausländer bzw. ausländischen Arbeitskräfte von Oberund Unterägypten” innerhalb der Titulatur des hohen memphitischen Beamten Chabausokar am Ende der 3. Dyn.727 Die Tatsache, daß er als “Kenner der handwerklichen Künste”, “Leiter der Werkstatt bzw. der Werkstätten” sowie als “Leiter der Tischler, der Bearbeiterinnen von kostbaren und harten Gesteinen728 und der Hornarbeiterinnen”729 ausgewiesen wird, legt den Schluß nahe, daß ausländische Arbeitskräfte nicht nur beschäftigt, sondern darüberhinaus auch administrativ erfaßt wurden.730 Inwiefern jedoch von einer

Beginn des Zeichens xtm links vom Kopf des sitzenden Mannes erkennbar. Zentral dennoch für das Verständnis des Titels ist die Lesung und Deutung dieses eben sitzenden Mannes. Die Beschreibung läßt diesbezüglich folgendes erkennen. Die besagte sitzende Person schaut nach rechts, hat eine Knie sowie den rechten Arm angewinckelt und streckt den linken Arm aus. Was die Hand hielt, läßt sich aufgrund des Erhaltungszustandes der Abrollung nicht mehr identifizieren. Erkennbar sind außerdem ein kurzer Kinnbart, lange Haare bzw. ein langer bis auf die Schulter reichender Kopfbedeckung sowie zwei Feder o. ä. auf dem Haupt. Da weder ein Lesezeichen wie Phonogramm oder Endung aufgeführt sind, bleibt die Lesung und Deutung dieser Figur zunächst dem Betrachter doch sehr verschlossen. Geht man dennoch von der Körperhaltung

724

Vgl. hierzu mit M. A. Murray, Saqqara Mastabas Part. 1, Egyptian Research Account, London 1904, S. 2 ff. und Tf. 1. 725 Siehe hierzu PM III-2 , S. 933. 726 WB III, S. 236 unter “Det. a”. 727 PM III-2, S. 449 f.; M M , - A 2 -; M. A. Murray, op. cit., Tf.1. 728 Siehe hierzu P. Posener-Kriéger, Archives Abousir, S. 163, wo allerdings Ebenholz, Elfenbein und Weihrauch für aA.t durchaus belegt sind. 729 Siehe hierzu ausführlich L. Störk, in: LÄ III, 1980, Sp.7. 730 Bemerkenswert hierbei ist ein Wandfragment aus dem Totentempel von König Sahure aus der 1. Hälfte der 5. Dyn., auf dem anläßlich einer Tributaufzählung die Göttin Seschat u. a. als xnt.t Hw.t rw.t(j)-“die der Produktionseinheit der Fremden/der Ausländer vorsteht” bezeichnet wird. Eine Illustration dieser epithetischen Angabe liegt mit der Aufzählung der der Göttin vorgeführten Kriegsgefangenen mitsamt Familien und Tierherden vor, bei der die rw.t(j) tatsächlich als Ausländer bzw. Fremde zu begreifen sein dürften. In diesem Zusammenhang versteht sich von selbst, daß der hohe Beamte Chabausokar die Funktion eines Hm nTr zSA.t-“Priester der Göttin Seschat” innehatte. Eine weitere Deutung der Personenbezeichnung rw.t(j) als “Fremder” findet sich vereinzelt in Darstellungen von Marktszenen des Alten

720 J. Garstang, Bet Khallaf, Tf. XXVI, Abb.7 und J. Kahl et allii, Inschriften der 3. Dyn., S. 36. 721 Vgl. hierzu die Sitzstatue des gleichnamigen Beamten in Leiden, s. Inv. Nr. AST 18, Schneider & Raven, De egyptische oudheid, Leiden, 1981, S. 46 -21-; weitere Bildnisse dieses Beamten befinden sich ebenfalls in Leiden, s. Inv. Nr. AST 19, op. cit., 46 -21-, Abb. 22 sowie in Paris: A 39, Chr. Ziegler, Le Louvre: Les antiquités égyptiennes, Paris 1990, 23. Da in den 18-19 Regierungsjahren von Horus Netjerichet die Existenz zweier unterschiedlicher Beamter mit gleichlautender Titelkombination kaum anzunehmen ist, womit bislang lediglich der Beamte anx.w ausgezeichnet wurde, liegt es nahe, dürfte in beiden Fällen der Statuenbesitzer von Louvre und Leiden als auch der Siegelnde von Bet Khallaf mit dem Amtstitelträger unserer Siegelung identisch sein. 722 Siehe oben S. 68 f. 723 Oststadt: Kat. 452- 453.

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landesweiten, zentral geleiteten Registrierung ausländischer Arbeitskräfte bereits zu Beginn der 3. Dyn. ausgegangen werden kann, läßt sich an dieser Stelle aufgrund der dürftigen Beleglage nur vermuten.731 bzw. angeregt werden, auch wenn dies im Rahmen der von W. Helck zu Beginn der 3. Dyn. postulierten per Gewalt erzwungenen Einfuhr von Arbeitskräften aus Nubien, verwaltungstechnisch, a priori nicht unplausibel erscheint.

xrp mjtr sowie mr aH-“Vorsteher des Palastes” innehatte,735 weswegen seither angenommen wurde, daß es sich bei den “mjtr” um eine Art Palastarbeiter gehandelt hat.736 Im Unterschied zu dieser Vorstellung kann heute jedoch davon ausgegangen werden, daß es sich bei ihnen um Träger eines besonderen sozialen Status gehandelt haben könnte,737 der zudem, wie der Beleg eines xrp mjtr738 nahelegt, eine hierarchische Struktur gehabt haben dürfte, deren Näherbestimmung jedoch abegesehen von einem unsicheren Nachweis eines zS mjtr“Schreiber der mjtr-Leute”739 - nicht möglich ist.

Ebenfalls aus der Oststadt stammt das letzte Amtssiegel aus der Regierungszeit des Horus Netjerichet,732 das, wie Abdrücke an der Unterseite des Verschlusses zeigen, auf einen Gefäßhalsverschluß vom Typus Gv. V b, d. h. auf der Verschnürung eines mit feinmaschigem Stoff umspannten Gefäßrandes angebracht war. Spuren der sich überkreuzenden Abrollungen ermöglichen zwar keine vollständige Rekonstruktion des Siegelbildes, lassen jedoch auf eine mindestens dreigliedrige Sequenz schließen: “[…]xrp mjtr ¡rw NTrj Xt[…]wp(j)[…]-[…]”Vom Horus Netjerichet der Leiter der mjtr-Leuten”[…] “der, der trennt oder richtet […]”

Vor diesem Hintergrund sind die Nachweise zweier Titelangaben hoher Beamter des AR aus der 4. Dyn. in Sakkara740 und in Meidum741 - xrp xnt.(w)t mjtr bzw. xrp xnt.(w)t n.t mjtr-“Leiter derjenigen, die an der Spitze sind” bzw. “Leiter der Vorgesetzten der mjtr-Leuten” von umso größerem Interesse, da sie möglicherweise Varianten des Titels der 3. Dyn. gewesen sein dürften und somit einen genaueren Blick auf das hierarchische Gefüge der mjtr ermöglichen, das demnach ähnlich wie bei den Xrj.(w) a-“Arbeitspersonal/Angestellte” aus drei unterschiedlichen Ebenen bestanden haben dürften.

Der Angabe xrp mjtr-“Leiter der mjtr-Leute” auf einer Amtssiegelung von Netjerichet kommt insofern Bedeutung zu, als sie damit bereits zu Beginn der 3. Dyn. belegt ist, was gleichzeitig den frühesten bekannten Nachweis dieses Titels darstellt, der sich sowohl in der 4. Dyn.733 als auch in der Spätzeit734 findet. Bislang konnte anhand stilistischer Kriterien - lediglich ein einziger Nachweis der 3. Dyn. zugeordnet werden, der sich auf der Opfertischszene des Beamten Ab nb fand, der die Ämter

Zusammenfassend ist damit festzustellen, daß der Nachweis der Siegelung eines Leiters der mjtr in Elephantine nicht nur den ältesten datierten Beleg dieses Titels darstellt, sondern zudem auf eine Tätigkeit von Angehörigen dieser Statusträger in der Inselstadt schließen läßt, wobei eine eindeutige Bestimmung ihrer Funktion innerhalb der lokalen Verwaltung bzw. der Gesellschaft bislang nicht gelungen ist. Bedeutsam ist immerhin, daß die mjtr-Titelträger spätestens zu Beginn der 3. Dyn. administrativ und organisatorisch einer zentralen Leitungsbehörde und damit einem Staatsbeamten unterstanden.

Reichs, auf denen hockende Warenverkäufer von potentiellen Kunden mit eben dieser Bezeichnung angesprochen werden. Auch hier liegt es nahe, die Anrede zur Charakterisierung eines - aufgrund seines Aussehens oder Dialektes - fremdländisch wirkenden Mannes zu verstehen. Dieser dürfte nicht aus der unmittelbaren Umgebung, sondern - wie dies üblich war - von außerhalb (rw.t, s. WB II, S. 405) gekommen sein, um seine Ware auf dem Markt zu verkaufen, s. A. Moussa und H. Altenmüller, Nianchchnum und Chnumhotep, S. 84, Anm. a und Abb. 10- 4. Register von oben, weswegen ich die vorgeschlagene Übersetzung “fremder Mann” bzw. “Fremder” übernehme. 731 Durchaus plausibel erscheint in diesem Zusammenhang die von W. Helck betonte gewaltsame Rekrutierung von Arbeitskräften aus Nubien zu Beginn der 3. Dyn., s. ders., in: LÄ II, 1977, Sp. 304 und 307; eine ausführliche Darstellung hierzu liegt ebenfalls von W. Helck vor, s. ders., in: SAK 1, 1974, S. 215 ff. Eine damit einhergehende verwaltungstechnische Registrierung ausländischer Arbeitskräfte dürfte in der Erwähnung eines mr xAs.t/-xAs.(w)t-“Vorsteher des Fremdlandes/-der Fremdländer” aus der 3. Dyn. ihren Beleg haben und somit Helcks These stützen. 732 Oststadt: Kat. 657 733 Siehe insbesondere aA Ax.t(j): Sakkara - Abusir, Louvre: B1 - B2; s. zudem Chr. Ziegler, op. cit., S. 96 -103, Abb. 97; BA Hkn(w): Giza, s. S. Hassan, Giza VII, 1938, S. 50, Abb. 40 und 52, Abb. 42. Bemerkenswert ist die Schreibung von mjtr, die nicht das sonst übliche tA-Zeichen aufweist, sondern xAs.t das Fremdland- bzw. Wüstenlandzeichen. Zur weiteren Bedeutung dieses epigraphischen Merkmals für die Funktion dieser Titelträger s. insbes. S. 138 ff. u. Anm. 1393. 734 Louvre A 97, Naophorstatue; s. zudem P. Pierret, Recueil d´inscriptions inédites du Musée égyptien du Louvre Nr. 2, Paris 1874, S. 30 f., der den Titel als “commandant unique du pays re” verstand, dabei jedoch die Angabe mjtr/mjtr.t als mjt.t las und sie “dans le sens “idem” (op. cit., S. 31, Anm. 2) deutete. Für diesen freundlichen Hinweis sei Dr. J. Heise herzlich gedankt.

In der Regierungszeit des Horus Sanacht, des unmittelbaren Nachfolgers von Horus Netjerichet,742 735 Leiden: Inv. AM 10; P. A. A. Boeser, De Monumenten van het oude rijk, Leiden 1905, S. 19 und Tf. XXIII; Schneider und Raven, De egyptische oudheid, Leiden 1981, S. 46, Abb. 23 sowie J. Kahl et allii, Inschriften der 3. Dyn., S. 218 f. 736 Nach W. Helck scheint “mjtr ... ein recht alter Titel für Arbeiter am königlichen Hofe gewesen zu sein.”, s. ders., Beamtentitel, S. 102; konsequenterweise übersetzte er den Titel xrp mjtr mit “Leiter der Palastarbeiter”, s. W. Helck,Thinitenzeit, Wiesbaden 1987, S. 250. 737 Siehe hierzu S. 137 ff. 738 R. Weill, IIe et IIIe dynasties, S. 278 gab den Titel xrp xnt.t mjtr als “Chef de l´intérieur du mater “wieder, fügte jedoch gleich einschränkend hinzu “titre difficile à comprendre - peut-être chef du harem ? - “; P. Kaplonys Übersetzung “Leiter der Elite der Mjtr Arbeiter” (IÄF I, S. 422) folge ich nicht, da erstens ein fem. Substantiv “Elite” für xnt.t nicht nachzuweisen ist, und zweitens die mjtr nicht als Arbeiter zu bezeichnen sind. Zum Helckschen Lesungsvorschlag “Leiter der vordersten Abteilung der Palastarbeiter”, Thinitenzeit, Wiesbaden 1987, S. 282, siehe auch hierzu Diskussion, S. 138 ff. 739 JE 59145 im Museum von Kairo; C. Firth, Step Pyramid I, Cairo 1935, S. 123 Nr. 5 und Tf. 91, Abb. 5. 740 Sakkara-Nord, Grab des Ax.t(j) Htp; M M A1 und R. Weill, op. cit., S. 314. 741 Meidum, Grab des Ra Htp und seiner Gemahlin Nfr.t, die auch mjtr.t war, s. W. Fl. Petrie, Meidum, London 1892, Tf. IX. 742 Siehe hierzu den Exkurs I: Die Abfolge der Horusnamen der 3. Dynastie, S. 76 ff.

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DIE SIEGELABROLLUNGEN UND ROLLSIEGEL DER STADT ELEPHANTINE

Amtstiteln aufgrund des schlechten Erhaltungszustandes der Amtssiegelung nicht mehr entnehmbar ist.

fallen lediglich zwei Amtssiegelungen. Zu dem bereits von Stephan J. Seidlmayer publizierten Fund aus der Nordweststadt743 kommt nun ein weiterer aus der Oststadt hinzu,744 der von einem kleinen, typologisch nicht erfaßbaren Verschlußfragment stammt. Obwohl sich auf diesem nur spärliche Reste einer Amtssiegelung finden, ist dennoch eine mindestens zweigliedrige Sequenz - HN (Horusname) + x(tmw.tj) - auszumachen, von der allein der unvollständige Horusname Sanacht zu identifizieren ist, wohingegen mögliche, ehemals vorhandene Amtstitel oder Epitheta aufgrund des starken verriebenen Oberflächenabriebs nicht mehr zu erkennen sind. Lassen sich demzufolge keinerlei Erkenntnisse über mögliche Wirtschafts- bzw. Gesellschaftsstrukturen gewinnen, so scheint dem im Vergleich zu den übrigen Amtssiegelungen (16 !) der anderen Herrscher der 3. Dyn. überaus seltenen Nachweis von Amtssiegelungen von Horus Sanacht Hinweis immerhin entnehmbar, daß diesem Herrscher lediglich auf eine relativ kurze Regierungszeit beschieden war.

Aus einer Raumverfüllung der Oststadt stammt der Fund einer weiteren Amtssiegelung,749 die ebenfalls auf einem Gefäßverschluß vom Typus Gv. I c angebracht war und dessen an der Unterseite verbliebenen Spuren auf ein Vorratsgefäß deuten, dessen Mündung von 10 cm Dm mit einem flachen Papyrusdeckel verschlossen sowie einer Lehmkappe versiegelt worden war. Der Nachweis eines derartigen Verschließungsverfahrens an großen Weingefäßen aus den abydenischen Gräbern der Könige Peribsen und Chasechemui der ausgehenden 2. Dyn. legt die Vermutung nahe, daß es sich beim Inhalt unseres Gefäßes ebenfalls um Wein gehandelt hat.750 Die Tatsache, daß der untere Teil der Siegelabrollung auf der Verschlußkappe fehlt, verhindert zwar eine exakte Rekonstruktion der gesamten Siegelbreite sowie der beiden aufgeführten Amtstitel, nicht jedoch die des Siegelbildes, das eine ursprünglich viergliedrige Sequenz des Typs - AT+HN+AT1+HN - erkennen läßt, bei dem die Amtstitel dem Horusnamen antithetisch angeordnet sind: mr Abw […] ¡rw ¤xm Xt xtm(w).t(j) nwb Abw ¡rw ¤xm Xt-“Statthalter von Elephantine des Horus Sechemchet (und) Schatzverwalter des Goldes von Elephantine von Horus Sechemchet”.

Aus der Zeit von Horus Sechemchet, der als direkter Nachfolger von Horus Sanacht betrachtet wird,745 stammen drei weitere, recht gut erhaltene Amtssiegelungen, die allesamt in der Oststadt gefunden wurden746 und auf Gefäßverschlüssen vom Typus Gv. I c angebracht waren.747 Ein erster Fund im Siedlungs- und Produktionsabfall eines nicht mehr benutzten Raumes gestattet lediglich eine Datierung postquem. Abrollungsträger ist das Fragment der Verschlußkappe, auf der sich der Abdruck der 2,5 breiten Mündung eines Vorratsgefäßes von 10 cm Dm befindet. Von der aufgebrachten unvollständigen Amtssiegelung ist eine mindestens dreigliedrige Sequenz zu erkennen: […]¡rw ¤xm Xt Nb.ty Htp rn[…]¡rw ¤xm Xt[…][…]”Horus Sechemchet zufrieden ist der Name[…] der beiden Göttinnen Horus Sechemchet[“…], der mit dem Nachweis des Herrinnennamens von Horus Sechemchet als eigenständigem Namen im königlichen Protokoll eine gewichtige bzw. grundlegende Bedeutung für die Horusnamensabfolge der ersten drei Könige der 3. Dyn. zukommt,748 wohingegen eine nähere Aussage zu den

Auffällig ist zunächst der Titel mr Abw-“Statthalter von Elephantine”, der in zweierlei Hinsicht eine Besonderheit darstellt: vermutlich ist er nicht nur der älteste bekannte Beleg eines Stadtvorstehers überhaupt in der Geschichte Altägyptens, sondern zudem der früheste Nachweis eines Stadtvorstehers von Elephantine sowie des Namens Abw für Elephantine.751 Besondere Aufmerksamkeit verdient hierbei die Darstellung einer ovalen Umfassungsmauer mit flankierenden halbkreisförmigen, bastionsartigen Türmen um den Namen Abw herum. Ob diese graphische Wiedergabe um ein Stadt-Determinativ ergänzt war, läßt sich nur vermuten, da das Verschlußfragment an dieser Stelle abgebrochen ist. Auszugehen dürfte m. E. davon sein, daß es sich bei dem ovalen Gebilde um die

743

Siehe S. J. Seidlmayer, in: MDAIK 38,1982, S. 304, Abb. 15 und Tf . 65b. 744 Oststadt: Kat. 587 745 Siehe J.-P. Pätznick, in: MDAIK 51, 1995, S. 181 und Anm. 274 mit einer Aufstellung sämtlicher bisherigen Belege dieses Königs. Zur Nachfolge von Horus Sechemchet auf Horus Sanacht s. den Exkurs I, S. 76 ff. 746 Zu einer weiteren, nicht aus der Oststadt stammenden Amtssiegelung von Horus Sechemchet aus einem frühen Kontext der 4. Dyn. s. M. Bommas, in: MDAIK 53, 1997, S. 141 f., Abb. 12. Dort finden sich zudem Nachweise von Abrollungen mit vertikalen Trennleisten, die ein deutliches Merkmal für die späte 3. bzw. den Beginn der 4. Dyn. darstellen, sowie die Datierung des archäologischen Kontextes (Beginn der 4. Dyn.) die Einordnung von Horus Sechemchet frühestens in der 2. Hälfte der 3. Dyn. vor Horus Chaba nahe. Leider sind sowohl diese Amtssiegelung als auch sämtliche weiteren Verschlüsse dieses Siedlungskontextes aufgrund von Termiten verursachte Schäden verlorengegangen. 747 Oststadt: Kat. 562, 650 und 662. 748 Zur Horusabfolge in der 3. Dyn., s. den Exkurs I, S. 76 ff. Der Herrinnenname von Horus Sechemchet steht eigenständig da, ist also weder vom Horusnamen abgeleitet noch befindet sich über ihm der

Titel nsw.t bj.tj, wie es eigentlich für den Zeitraum vom Ende der 1. Dyn. bis zu Beginn der 3. Dyn. üblich ist. Die frühesten Belege eines Herrinnennamens in der königlichen Titulatur reichen bis in die 2. Hälfte bzw. zum Ende der 1. Dyn. unter Horus Semerchet und Qaa zurück, s. SIFAR, S. 44 und Abb. 1078 bis - mit dem Herrinnenname jrj nTr Nb.ty von Horus Semerchet. Die Bildung des jeweiligen Herrinnennamens läßt sich bis zu Beginn der 3. Dyn. in der Regierungszeit von Horus Netjerichet verfolgen. Offensichtlich spätestens unter Horus Sechemchet scheint ein Novum in der bisherigen Herrschertitulatur aufzutauchen, deren Deutung unklar ist. 749 Oststadt: Kat. 650 750 Siehe S. 18, Anm. 165. 751 Siehe zudem J.-P. Pätznick, in: MDAIK 51, 1995, S. 181, Anm. 275 und Abb. 29 a.

71

JEAN-PIERRE PÄTZNICK

Umfassungsmauer von Elephantine zu Beginn des AR handelt.752

Transport von Wein über weite Entfernungen finden, sondern auch der Umstand, daß eine Weinausgabe aus der Residenz, v. a. seit der 2. Dyn. vorwiegend der Versorgung der Hofstaatsfriedhöfen diente.755 Außerdem kann davon ausgegangen werden, daß eine Lieferung aus Thinis das Siegel des dortigen zuständigen Staatsbeamten und nicht das des Statthalters von Elephantine getragen hätte.

In dieser Fornm bislang unbekannt ist der Titel xtm(w).t(j) nwb Abw-“Schatzverwalter des Goldes von Elephantine”. Zwar läßt sich für die Frühzeit und für das AR der Titel “Schatzverwalter des Goldes” belegen,753 jedoch findet er sich m. W. an keiner Stelle in Verbindung mit einer Stadt. Insofern stellt die Kombination der beiden Titel “Statthalter von Elephantine” und “Schatzverwalter des Goldes von Elephantine”, wie sie hier vorliegt, nicht nur ein eindrucksvolles Zeugnis für die Machtfülle des Amtsinhabers bzw. des Statthalters von Elephantine dar, sondern läßt gleichzeitig auf die Schlüsselstellung der Stadt im frühen AR bezüglich des Handels mit dem aus Nubien gewonnenen Gold schließen.754

Gerade die Tatsache jedoch. daß sich das Siegel von Letztgenanntem auf einem Gefäßverschluß findet, dürfte deutlicher Hinweis darauf sein, daß es sich bei dem Inhalt des Gefäßes um ein an Ort und Stelle produziertes Erzeugnis gehandelt hat - wobei der Umstand, daß kein lokales oder privates Siegel verwendet wurde, gleichzeitig auf einen staatlichen bzw. königlichen Auftraggeber schließen läßt.

So deutlich die beiden Titel bestimmbar sind, so wenig plausibel erscheint ihre Anbringung auf einem Gefäß, dessen vermuteten Inhalt keinerlei Verbindung zu den beiden Titelangaben aufweist. Die Tatsache indes, daß der Gefäßverschluß in Elephantine aufgebrochen sowie der Inhalt hier entnommen bzw. aufgebraucht wurde und daß ferner das Vorratsgefäß mit dem Amtssiegel des “Gouverneurs von Elephantine” versehen war, welches zudem lediglich ein einziges (!) Mal, nämlich nur auf diesem einen Gefäßverschluß, nachgewiesen ist, legt die Vermutung nahe, daß die Siegelung ein einmaliges und damit bedeutsames Ereignis charakterisieren haben dürfte. Obwohl ein solches nicht eindeutig zu bestimmen ist, lassen sich dennoch zwei mögliche Hypothesen in Betracht ziehen. Vorstellbar wäre demnach, daß das Gefäß (bzw. sein Inhalt) Teil einer Lieferung der Zentralverwaltung nach Elephantine war, oder aber, daß mit ihm das Ende einer in Elephantine selbst - oder seinem unmittelbaren Umfeld - erfolgten Produktion eines spezifischen Erzeugnisses angezeigt wurde.

Die Verwendung eines vorwiegend zur Lagerung von Wein dienenden Gefäßes legt darüberhinaus die Vermutung nahe, daß in der näheren Umgebung von Elephantine - in geringem Maße - Weinanbau betrieben wurde - zumal sowohl die klimatische Bedingungen als auch die Bodenbeschaffenheit durchaus geeignet waren, um einen solchen bereits in dieser frühen Zeit zu ermöglichen.756 Da Wein als Luxusgut zum Lebensstandard der privilegierten Schicht der ägyptischen Gesellschaft gehörte sowie bei kultischen Anlässen Verwendung fand,757 ist die Möglichkeit durchaus in Betracht zu ziehen, daß in Elephantine unter staatlicher Kontrolle Wein produziert, eingelagert und von dort auf Anforderung nach Thinis abgeführt wurde.758 755

Ch. Meyer, in: LÄ VI, 1986, Sp. 1174. Der Weinanbau im Gebiet des ersten Kataraktes ist zwar erst in der ptolemäischen Zeit belegt, dennoch möchte ich auf den “Weinberg der Asien-Stadt” aus der 3. Dyn. aus der Zeit des Horus Netjerichet aufmerksam machen, s. hierzu J. Garstang, Bet Khallaf, Tf. X, 12 mit der auf Gefäßverschlüssen angebrachten Auschrift: zA jrp ¤T.t ¡r NTrj Xt - “Phyle des Weingebietes (o. Geschützt ist das Weingebiet) Setjet des Horus Netjerichet”. Zur Annahme eines königlichen Weingebietes, s. A. M. Roth, Egyptian Phyles in the Old Kingdom, SAOC 48, Chicago 1991, S. 192 und 226 mit Abb. K: 10. Zur Deutung der ¤T.t-“Asien-Stadt” als “Stadt der Satet” = Elephantine, s. Exkurs II: Der Stadtname von Elephantine in der Frühzeit, S. 203 f. u. J.-P. Pätznick, in: MDAIK 55, 1999, S. 173. Für die Existenz eines Weingebietes in der Nähe von Elephantine sprächen m. E. auch die Titelträger kAr(j)-“Winzer” sowie HqA kAr.t-“Chef der Winzer” in unserem Material, s. hierzu S. 144 f., Anm. 1455. Auch die Angabe kAnw(.w) ¡w.t kAr(.t) auf einem im Grabe der Königin Neithmeret in Abydos gefundenen Institutions-u. Beamtenssiegel ist mit S. Schott als “Wein der “Weingutsverwaltung” oder aber als “Weinberge der Produktionsanlage der Winzer” zu deuten sein, s. RT I, Tf. XXII, 31, IÄF III, Tf. 35, Abb. 115 sowie S. Schott, Hieroglyphen, Untersuchungen zum Ursprung der Schrift, Wiesbaden 1950, S. 33. Die von P. Kaplony formulierten Einwände - s. IÄF II, Anm. 676 entsprechen zwar der Beleglage, müssen aber dennoch zurückgestellt werden, zumal sich in ebendemselben Grab derselbe Beamte auf einem weiteren Institutions.-u. Beamtensiegel das pr jrp-“Haus des Weines/Haus der beiden Weinkrügen” aufführt, s. RT I, Tf. XXII, 33. 757 Hierzu Mu-Chou POO, Wine and Wine Offering in the Religion of Ancient Egypt, London - New York, 1995, S. 7 u. 27 ff. 758 Zur Weinablieferung eines königlichen Weingartens an die Residenz s. p. Anastasi IV -6, 11- aus der Zeit Ramses II sowie auf die Abbildung im Grab TT 100 des Wezirs Rechmire. Siehe zudem die ausführliche Darstellung von P. Tallet, Quelques aspects du commerce de vin en Egypte ancienne, au Nouvel Empire , in: Le commerce en 756

Gegen erstere Annahme dürfte nicht nur der Sachverhalt sprechen, daß sich bislang weder in Texten noch auf Grabdarstellungen des AR Belege für einen derartigen 752 Ähnliche Gebilde sind z. B. als Determinativ eines befestigten Platzes spätestens seit Horus Den (Mitte der 1. Dyn.) nachzuweisen, s. J. Kahl, Hieroglyphensystem, S. 651 - O1 - mit einer detaillierten Liste der Belege sowie dem Verweis auf die ältere Literatur. Ältere Belege einer derartigen Umfassung ohne flankierende halbkreisförmigen Türme sind bereits in der Zeit von Horus Narmer (Ende der 0. Dyn.) zu erkennen, s. RT II, Tf. X,1 und J. Kahl, o. a. O. Für eine Deutung dieser fortifikatorischen Anlagen als wn.t, s. E. Endesfelder, Probleme der frühen Gesellschaftsentwicklung im Alten Ägypten, Berlin 1991, S. 28 f. Bemerkenswert für Elephantine ist die verblüffende Entsprechung zwischen der Wiedergabe des Hieroglyphenzeichens und dem ovalen Grundriß der in die 3. Dyn. zu datierenden fortifikatorischen Einfassung der gesamten Ostinsel, s. M. Ziermann, op. cit., S. 16, Abb. 5, - “3. Dynastie” -. Diese Umfassungsmauern sind jedoch nicht mit denen der Festung von Elephantine zu verwechseln, die zu dieser Zeit, d. h. zu Beginn der 3. Dyn. größenteils sicher nicht mehr standen. 753 IÄF III, Tf. 88, Abb. 329 und Tf. 95, Abb. 375 bzw. IÄF II, S. 1217 sowie G. A. Reisner und H. S. Smith, The Necropolis of Giza II , Massachussets/Cambridge 1955, S. 48 f. und Abb. 47 mit den Siegelungen eines xtm(w).t(j) nwb wab.t nsw.t bj.tj ¢wfw “Schatzverwalter des Goldes der Mumifierungswerkstatt von König von Ober-u. Unterägypten Cheops”. 754 Übergreifend hierzu s. S. 209 f. sowie S. 213.

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DIE SIEGELABROLLUNGEN UND ROLLSIEGEL DER STADT ELEPHANTINE

Die dritte und letzte Amtssiegelung aus der Regierungszeit des Horus Sechemchet ist auf einem großen Gefäßverschlußfragment des Typus Gv. I c angebracht, der aus einer Raumverfüllung in der Oststadt ebenfalls stammt.759 Die an der Unterseite der Kappe verbliebenen Spuren lassen den Abdruck eines Lippenrandes von 1,8 cm Breite erkennen, wonach der Verschluß auf einer Gefäßmündung von 10 cm Dm saß, über der zudem eine Abdeckscherbe lag, was auf Getreide oder Trockenfrüchte als möglichen Inhalt des Gefäßes hinweist.760

Die Tatsache, daß die wAD.t-Phyle bislang lediglich für die Versorgung königlicher Grabanlagen bzw. von Totentempeln und Palastanlagen zuständig war und daß es sich gleichzeitig bei dem bisher freigelegten Stadtgebiet in Elephantine weder um eine Grabanlage noch um einen Totentempel handelt, macht es wahrscheinlich, daß die Oststadt Teil eines palastähnlichen Baukomplexes, und zwar der Residenz des Statthalters von Elephantine war - von der anzunehmen ist, daß sie größtenteils unter dem heutigen Museumsgarten liegt.767

Das Amtssiegel ist bis zu einer Breite von 4,5 cm erhalten und zudem mehrmals auf der Verschlußkappe angebracht, was eine ziemlich genaue Rekonstruktion des ursprünglichen zweigliedrigen Siegelbildes ermöglicht: ¡rw ¤xm Xt xtm(w).t(j) jt761 bSA zA(w) wAD.t“Schatzverwalter von Gerste und Malz der wAD.t“Arbeiterphyle” von Horus Sechemchet”.

Die letzten fünf Amtssiegelungen der 3. Dyn. datieren in die Regierungszeit von Horus Chaba und stammen ausschließlich aus der Oststadt, in der sie in unterschiedlichen Räumlichkeiten und sekundärer Fundlage geborgen wurden. Die älteste unter ihnen, die bereits von G. Dreyer publiziert worden ist,768 findet sich auf einer Tonbulle vom Typus Tb. 1 (Krawattenknotenverschluß), an der deutlich die durchgeschnittenen Verschnürungsreste zu erkennen sind.769 Obwohl die auf beiden Seiten des Verschlusses mehrfach angebrachten Abrollungen nur z. T. und damit der obere und untere Teil des Siegelbildes kaum oder gar nicht erhalten sind, läßt sich dennoch ein ursprünglich viergliedriges, antithetisch angeordnetes Siegelbild der Form HN+AT+HN+Göttin rekonstruieren: […]xa HA.t(j) pa.(wt) […] ¡rw ¢abA Göttin ¡rw ¢abA“Vom Horus Chaba[…]... Fürst der pa.(w)t-Leute[…], Göttin X Horus Chaba”.

Von besonderer Bedeutung ist die Angabe “Schatzverwalter von Gerste und Malz”, v. a. in Relation mit der wAD.t-“Arbeiterphyle”,762 insofern, als dies nicht nur auf einen Beamten schließen läßt, der für die Getreideversorgung bzw. die Entlohnung der Angehörigen dieser Arbeiterphyle zuständig war,763 sondern auch gewichtige Rückschlüsse über die Organisation der Arbeitskräfte innerhalb der Oststadt erlaubt. Diese waren demnach in ebensolche Phylen unterteilt, die aller Wahrscheinlichkeit nach in ein rotierendes System eingebettet waren, wie dies z. B. innerhalb der Administration der königlichen Totentempel764 oder einer der beiden palatialen Anlagen765 der Frühzeit belegt ist.766

Von Bedeutung ist zunächst der erkennbare Horusname Chaba selbst, dessen Nachweis bislang sich auf Einritzungen auf Steingefäßen in Zawiet el Aryan770 und Dahschur,771 dem Totentempel von König Sahure in 767

Egypte ancienne, Hrsg. N. Grimal und B. Menu, BE 121, 1998, S. 245 ff. und S. 267, Abb. 4, die die Versiegelung und Verschiffung von Weinamphoren zeigt. 759 Oststadt: Kat. 662 760 Siehe u. a. S. 39, Tabelle 19. 761 Bereits H. Wild war der Ansicht: “... les appellations jt et bdt n´apparaissent qu´à la fin de la IIIe dyn.”, s. ders., in: LÄ II, 1977, Sp. 553-555, bes. Sp. 554. Interessant ist hier der für Horus Sechemchet implizierte späte Datierungsansatz innerhalb der 3. Dyn. 762 Nach W. Helck handelt es sich bei dieser “Steuerbord-Wache” um die bereits in der thinitischen Zeit belegte Phyle der Palastarbeiter, s. ders., in: LÄ IV, 1982, Sp.1044; s. zu dieser Thematik außerdem die eingehende Untersuchung von A. M. Roth, Egyptian Phyles in the Old Kingdom, The Evolution of a System of Social Organization, SAOC 48, Chicago 1991; zu wadjet-Phyle s. dies., op. cit., S. 30 ff. 763 Aufgrund der Existenz von fünf Phylen wäre zu überlegen, ob nicht jeweils ein solcher “Schatzverwalter” für je eine Phyle zuständig gewesen ist und somit die Einteilung der Phylen nach bestimmten Tätigkeitsbereichen vorgenommen wurde - was ein Novum darstellen würde. 764 Bemerkenswert ist die Einteilung in fünf Phylen im Djoserbezirk in Sakkara, s. P. Lacau und J.-Ph. Lauer, Inscriptions à l´encre sur les vases, La Pyramide à degrés Tome V, (PD V), IFAO-Le Caire 1965, S. 22 ff., Abb. 34 und 35. 765 W. Helck, a. a. O., Anm. 1; P. Posener-Kriéger, Archives Abousir, S. 571, Anm. 3; etwas differenzierter betrachtet A. M. Roth die Funktion beider königlichen Anlagen, indem sie ¡w.t p-¡r msn mit dem “royal palace” und ¡w.t zA-HA-nb mit dem “royal mortuary cult” identifiziert, s. dies., op. cit., S. 192 bzw. ihren Exkurs: Phyle Organisations in the Royal Palace , S. 193 ff. 766 Siehe hierzu insbes. A. M. Roth, op. cit., S. 77 ff., die zudem neben einem staatlichen Phylensystem auch die Existenz eines privaten erwähnt, s. S. 91 ff.

Zu dieser Annahme s. S. 213 u. Anm. 1979. Oststadt: Kat. 280; G. Dreyer, in: MDAIK 43,1987, S. 108, Abb. 13 b und Tf. 15 b; J. Kahl et allii, Inschriften der 3. Dyn., S. 154. 769 Siehe S. 41, Anm. 402. 770 PM III-2, S. 313; D. Dunham, Zawiet el Aryan - The Cemeteries adjacent to the Layer Pyramid, Boston 1978, S. 34; J. Kahl et alii, Inschriften der 3. Dyn., S. 156-159. Fraglich ist m. E. die Zuweisung der Stufenpyramide von Zawiet el Aryan zu Horus Chaba, von dem der gesamte Pyramidenbezirk, soweit er freigelegt werden konnte, keine einzige Abrollung, geschweige denn irgendeinen sonstigen Nachweis enthält. Erst der Beleg von Einritzungen seines Namens auf diversen Steingefäßen in einer nördlich der Umfassungsmauer des Pyramidenbezirkes vorgelagerten großen Gebäudeanlage gab den Anstoß zu dieser Deutung. Nach Nabil Swelim handelt es sich bei der großen Mastaba Z 500 (PM III-2, S. 314) um den eigentlichen Totentempel der Pyramide sowie bei den Steingefäßen um den Beweis für eine derartige Zuweisung zu Horus Chaba - eine Annahme, die jedoch m. M. n. nicht zwingend ist. Abgesehen davon, ob die große Mastaba Z 500 wirklich als Totentempel zu interpretieren ist (seine Lage nördlich des Pyramidenbezirkes ist nicht ohne an die der großen Mastaba 17 zur Pyramide von Meidum zu erinnern...), könnte es sich bei den Steingefäßen genausogut um einen von einem potentiellen Nachfolger dort deponierten Ehrenerweis handeln, wie dies von Horus Sanacht für Horus Netjerichet im Djoserbezirk sowie von Horus Sechemchet für Horus Sanacht im Korridor des Sechemchet-Pyramide belegt ist, s. hierzu den Exkurs I, S. 163 ff. Zudem steht nach R. Stadelmann “die sog. Layer Pyramid eindeutig in der unmittelbaren baulichen Nachfolge der Stufenpyramide des Sechemchets”, s. ders., Die ägyptischen Pyramiden, Mainz/Darmstadt 1985, S. 75 und Anm. 232. Endgültig klären dürfte dieses Problem allerdings erst eine archäologische Untersuchung des gesamten Pyramidenbezirkes von Zawiet el-Aryan. 771 Manchester Museum 5373, PM III-3, S. 898 f. 768

73

JEAN-PIERRE PÄTZNICK

Abusir772 sowie auf Amtssiegelungen aus Hierakonpolis beschränkte773 und der opinio communis in die ausgehende 3. Dyn., d. h. zwischen Horus Sechemchet und nsw.t Huni, dem Vater von Snofru, eingeordnet wird.774

Unter der Vorderpfote des Löwen kann das Zeichen a-“Arm” sicher bestimmt werden, was zunächst auf eine Lesung des bekannten Titels HA.t(j) a schließen läßt. Da jedoch zudem zwischen HA.t(j) und a die verriebenen Spuren eines viereckigen Zeichens auszumachen sind, bei dem es sich der Form nach

Gut zu lesen ist der gegenüber der schlanken Silhouette einer stehenden Göttin erkennbare Horusname,775 wohingegen von der zusätzlichen Amtstitulatur lediglich Reste erhalten sind, denen sich dennoch aufschlußreiche Hinweise entnehmen lassen - so konnte beispielweise das

entweder um Xr(j), oder aber um a p handelt, könnte sowohl ein Titel Xrj a778 als auch eine Bezeichnung pa.(t)779 vorliegen. Mit ersterem ließe sich die bereits erhaltene Titulatur zu xa HA.t(j) Xrj a - .”... Fürst der Arbeitskräfte/Angestellten” komplettieren, was jedoch eine etwas sonderbare Angabe darstellt, für deren Existenz zudem bislang keinerlei Anhaltspunkte belegt sind. Umso größere Bedeutung kommt demgegenüber der zweiten Variante zu, mit der eine Vervollständigung des Titels zu xa HA.t(j) pa.(wt)-“.... und Fürst der pa.(wt)Leute” möglich wäre, der zwar in dieser Form ebenfalls bislang nicht nachzuweisen ist, dessen Gruppe HA.t(j) pa.(wt) jedoch spätestens in der Titelkunde des MR durchaus nicht unbekannt ist.780 In ihr das Kürzel eines umfassenderen Titels jrj pa.(w)t HA.t(j) a sehen zu wollen, ist m. E. äußerst problematisch, da eine derartige Kombination von jrj pa.(w)t781 und HA.t(j) a,782 die beide

Zeichen Hieroglyphenzeichen HA.t(j) bereits von G. Dreyer als “Fürst” o. ä. bestimmt werden.776 Obwohl die darüber angebrachten Hieroglyphen kaum erhalten bzw. sehr verzerrt wahrnehmbar und darum auch nur schwierig zu bestimmen sind, ist es dennoch möglich, das bislang als t gedeutete Hieroglyphenzeichen über dem Kopf des Löwen insofern zu korrigieren, als es sich hierbei nur um ein verdrücktes r oder aber um die Wiedergabe des Zeichens xa handeln kann.777 Für letzteres spricht dabei vor allem die gerade verlaufende untere Lippe des Zeichens , die eine Lesung r des Zeichens ausschließt, wohingegen die Ähnlichkeit mit dem Bestandteil des Horusnamens aufweist. Über der Hieroglyphe ist ferner das Ende eines vermutlich als Vogelschwanz zu identifizierendes Zeichens zu erkennen, das jedoch nicht näher zu deuten ist.

778

WB III, S. 393, Anm. 9-11. Zu der auf drei unterschiedlichen Ebenen aufgebauten Personalstruktur der Xrj.w a s. siehe oben S. 68 und Anm. 705 mit dem Beleg eines HqA Xrj.w a im gesiegelten Material von Buhen. 779 WB I, S. 503, Anm. 2-11. 780 WB III, S. 25; aufmerksam machen möchte ich an dieser Stelle auf die erst im Mittleren Reich belegte Schreibung, deren Parallele zu der unseres Objektes frappierend ist, s. W. Ward, Index of Egyptian Administrative and Religious Titles of the Middle Kingdom, Beirut 1982, S. 106, Anm. 876, wo die Kombination HA.t(j) pa.(wt)+Stadtname belegt ist - ob allerdings eine derartige Ergänzung in unserem Fall vozunehmen ist, kann nur vermutet werden. 781 Grab 3507 aus der Zeit von Horus Den/Merineith (Mitte der 1. Dyn.); ein möglicher Nachweis des Titels jrj pa.(wt) wäre in der Beamtensiegelung des Usechka (GT III, S. 96, Tf. 106, Abb. 4; RT I, Tf. XXII, Abb. 30) zu sehen, der die Titel sm (Tf. 106, Abb. 6) und HA.t(j) a (RT I, Tf. XXII, Abb. 32) auf verschiedenen Abrollungen nennt; Grab 3506 aus der Zeit des Horus Den (Mitte der 1. Dyn.), in dem die Titelkombination jrj pa.(wt) sD.t nsw.t HA.t(j)? auf dem Türsturz der Grabkammer angebracht ist (GT III, Tf. 83, Abb.1 und IÄF I, S. 129); Grab 3505 aus der Zeit des Horus Qaa (Ende der 1. Dyn.), in dem besonders relevant die Stele von Meri-ka ist, auf der sich u. a. jrj pa.(wt) in Kombination mit sm findet (GT III, Tf. 23 b und Tf. 39). Von Mitte bis Ende der 2. Dyn. begegnet die Titulatur eines Beamten ZS nTr.wj, die sowohl in Sakkara als auch im Grab des Chasechemui um die Titelsequenz jrj pa.(wt) mA wr Xrj HAb.t Hrj tp ergänzt ist (PD IV, S. 60-62, Tf. 23, Abb. 123-126bis; R. Weill, op. cit., S. 194 und E. Amélineau, Nouvelles fouilles d´Abydos II 1896 - 97, Paris 1902, S. 144 und Tf. XXII, Abb. 8 und die in Buto gefundene Amtssiegelung eines sm jrj pa.(wt) namens Jj n £nm, s. diesbezgl. P. Kaplony, Archaische Siegel und Siegelabrollungen aus dem Delta: Die Arbeit an den Siegeln von Buto, in: The Nile Delta in transition: 4 th.-3 rd. Millenium B. C., Jerusalem1992, S. 27 (leider ohne Abb. !); abschließend sei noch der Sockel der Königsstatue (3. Dyn.) erwähnt, auf dem Imhotep ebenfalls den Titel jrj pa.(wt) mitführt (C. Firth,Step Pyramid I, Tf. 58 unten), sowie eine in Bet Khallaf gefundene Amtssiegelung von anx.w, auf der sich die Titelkombination sm jrj p (sic!) findet für, die zu jrj pa.(wt) ergänzt wird, s. IÄF , S. 450 und P. Kaplony, op. cit.,1992, S. 28. 782 Siehe hierzu u. a. IÄF III, Tf. 34, Abb. 105 mit dem frühesten Nachweis dieses Titels (Mitte der 1. Dyn.) unter Horus Den, dessen Titelträger den Namen Wsx kA(=j) trägt - und nicht, wie P. Kaplony mutmaßte, ¤xA kA (!).

772

PM III-2, S. 333. Hierakonpolis II, Tf. LXX, Abb.1; W. M. Fl. Petrie, Scarabs and Cylinders, BS 29, London 1917, Tf. VIII, Abb.2; IÄF III, Tf. 132, Abb. 805; J. Kahl et alii, op. cit., S. 160. 774 Vgl. u. a. R. Stadelmann, op. cit., S. 294 sowie J. von Beckerath, in: LÄ III, 1980, Sp. 543. Einen weitereren Hinweis für diese Einordnung an das Ende der 3. Dyn. stellt m. E. die Erweiterung der bisherigen Königsheraldik um den sogenannten “Goldhorusnamen” dar, wie dies auf einer Amtssiegelung von König Chaba belegt ist, s. W. M. Fl. Petrie, op. cit.,Tf. VIII, Abb. 2; IÄF III, Tf. 132, Abb. 805 und J. Kahl et alii, loc. cit. Aufgrund des frühen Beleges dieses Königstitels unter Horus Chaba sowie der Übernahme des Goldhorusnamens in der Titulatur von Horus Nb mAa.t wäre zu überlegen, ob die Herrscher zeitlich nicht aufeinander folgten, womit dann Horus Chaba und König Huni ein und dieselbe Person wären. 775 Die Göttin hält in der einen Hand einen Stab, in der anderen ein anxZeichen. Derartige Abbildungen lassen sich spätestens unter König Peribsen in der 2 . Hälfte der 2. Dyn. sicher nachweisen, s. IÄF III, Tf. 76, Abb. 83 - worauf dann allerdings die Angabe des Amtstitels folgt; unter Horus Sechem-ib (2. Hälfte der 2. Dyn.) scheint die Gegenüberstellung von Amtstitel und Horusnamen des regierenden Königs mit Vorliebe in Gebrauch gewesen zu sein, s. IÄF III, Tf. 72, Abb. 266-268, während sie seit Chasechemui und seinem unmittelbaren Nachfolger Netjerichet in der Siegelschneidekunst zur Normalität gehörte, s. IÄF III mit u. a. Tf. 78, Abb. 291; Tf. 80, Abb. 303; Tf. 82, Abb. 309 oder Tf. 78, Abb. 292-293; Tf. 80, Abb. 304 ; Tf. 84, Abb. 315-318 und Tf. 85, Abb. 319. 776 G. Dreyer, op. cit., S. 108; zu HA.t(j) s. WB III, S. 25, Anm. 7-10; vgl. auch den Nachweis von HA.t(j) auf einer Amtssiegelung aus der Zeit von Chasechemui, s. IÄF III, Tf. 72, Abb. 270. 777 Dafür spricht nicht nur die Wiedergabe einer feinen Lippenumrandung, sondern auch der links im Bild angedeutete Mundwinkel von r. Auch das, was im ersten Augenblick vielleicht wie eine gerade Linie und damit als der gerade Abschluß von Xra erscheint, ist anhand der Wiedergabe des Zeichens im Horusnamen Chaba sowie den angesprochenen Mundwinkel des “r” zu widerlegen. 773

74

DIE SIEGELABROLLUNGEN UND ROLLSIEGEL DER STADT ELEPHANTINE

steht und einem großen Baum mit ausladendem dicken Ast gleicht - eine äußerst ungewöhnliche Darstellung, die einzig in einer von H. G. Fischer zusammengestellten Paläographie des thinitischen Gauzeichens tA wr eine Parallele besitzt.789

seit der 1. Dyn. vereinzelt begegnen, nicht vor Beginn der 4. Dyn. belegt ist.783 Sowohl die typologische Zuordnung des Verschlusses (Tb. 1) als auch die auf diesem angebrachte Amtssiegelung lassen auf die Versiegelung einer nicht näher zu bestimmenden Lieferung durch einen hohen Würdenträger der zentralen Versorgungseinrichtung schließen. Gerade dessen Betitelung mit “Fürst der pa.(wt)”-Leute” weist ihn als den für die Versorgung der pa.(wt) Verantwortlichen aus, die ihrerseits als eine sozialgeschichtliche Größe der damaligen Zeit zu betrachten sein dürften - unabhängig davon, ob es sich dabei um eine privilegierte Gesellschaftsschicht oder gar Angehörige der Königsfamilie im engsten Sinne handelt.784

Rechts vom Horusnamen sind Spuren einer Amtstitulatur auszumachen, von der sich neben dem Titel “Schatzverwalter” die Zeichen bdt-“Emmer”, jt-“Gerste” bzw. zwt-“Weizen” sowie unter diesen die aus j und einem aus drei Kugeln gebildetes Pluraldeterminativ bestehende Angabe jSd(.t)-“Früchten” identifizieren lassen. Der aus diesen Einzelelementen teilrekonstruierten Amtstitulatur “Schatzverwalter von Gerste, Emmer und jSd(.t)-“Früchten” des thinitischen Gaus” kommt insofern Bedeutung zu, als sie primär über eine Getreide- oder Früchtelieferung gibt, die in Gefäße gefüllt und mit Gefäßverschlüssen des Typus Gv. I a versiegelt wurden. Zusätzlich zu dem als Schatzverwalter von Getreide und Früchten ausgewiesenen Auftraggeber benennt die Abrollung die Herkunft der Lebensmittel, die aus dem thinitischen Gau stammen.790 Beides dürfte Hinweis darauf sein, daß sowohl Getreide als auch Früchte von der in Thinis gelegenen Zentralversorgungsstelle nach Elephantine zur Versorgung des in der Oststadt und im Palast des Gouverneurs tätigen Personals geliefert wurden.791

Eine zweite Amtssiegelung aus der Zeit des Horus Chaba war auf einem Topfverschlußfragment des Typus Gv. I a angebracht, der in einer Raumverfüllung in der Oststadt gefunden wurde785 und lediglich den Abdruck einer Gefäßmündung von 5-6 cm Dm aufweist. Spärliche Reste von Abrollungen des Amtssiegels ermöglichen nur bedingt die Rekonstruktion eines viergliedriges Siegelbildes: […] Gaugottheit von tA wr (vor) ¡rw ¢abA xtm(w).t(j) jt bdt (j)S(d)[…]-[…] Gaugottheit des thinitischen Gaus (vor) Horus Chaba, vom Horus Chaba der Schatzverwalter von Gerste, Emmer und Früchten des thinitischen Gaus […]

Die dritte Abrollung eines Amtssiegels aus der Zeit von Horus Chaba stammt von einem ebenfalls in der Oststadt gefundenen Gefäßverschluß vom Typus Gv. I c,792 an dessen Unterseite der Abdruck einer Gefäßmündung von 8-9 cm Dm zu erkennen ist. Der fragmentarische Verschlußmantel weist zudem Spuren zweier sich überlappender Amtssiegelungen auf, deren schlechter

Auffällig an dieser Angabe ist zunächst die Position des Horusfalken, der nicht, wie üblich, direkt auf dem Serech steht, sondern auf einer über diesem angebrachten Standlinie - ein epigraphisches Merkmal, das m. W. weder in der Frühzeit noch zu Beginn der 3. Dyn. belegt ist.786 Besondere Beachtung verdient ferner die Darstellung des bA-Vogels im Horusnamen bzw. die eigenartige Wiedergabe eines langen Schnabels, die u. U. entscheidend zur - bislang umstrittenen - ornithologischen Einordnung des bA-Vogels beitragen könnte. Links vom Horusnamen, und zwar ihm genau gegenüber sind die Reste eines Gauzeichens zu erkennen, das auf einem auf allen Seiten geschlossenen787 spA.t-Gaudeterminativ788

Gauzeichens (GT II, S. 126, Abb. 194 bzw. IÄF III, Tf. 93, Abb. 363), das mit aufgesetztem Gauemblem spätestens in der Regierungszeit von Sechem-ib (IÄF III, Tf. 126, Abb. 756) und Netjerichet (IÄF III, Tf. 85, Abb. 319) belegt ist. Zur semantischen Unterscheidung von spA.t, DAt.t und Hzp - falls eine solche überhaupt vorliegt - sei auf die eingehende Diskussion von E. Martin-Pardey verwiesen, Untersuchungen zur ägyptischen Provinzialverwaltung bis zum Ende des Alten Reiches, HÄB 1, Hildesheim 1976, S. 5 ff. 789 H. G. Fischer, in: JAOS 74, 1954, S. 30 und 34, Abb. 1 und Abb. 11. 790 Vgl. hierzu RAR II, Tf. 49, Abb.1 sowie den Fund einer in die Regierungszeit von König Schepseskaf (ausgehende 4. Dyn.) zu datierenden Amtssiegelung ¡r ¥ps aA xtm(w).t(j) TA wr jt bd.t nsw.tjw“Schatzverwalter von Gerste und Emmer der nsw.tjw-Leute von Horus ¥ps aA” im thinitischen Gau. Auch hier ist davon auszugehen, daß ein Schatzverwalter von Getreide für die Versorgung bzw. Entlohnung einer bestimmten Gruppe von Arbeitern, und zwar der nsw.tjw-Leute, zuständig war. Da offensichtlich in unserem Fall eine ähnliche Versorgung für die in der Oststadt eingesetzten Angestellten (Xrja, wAD.t-zA) vorliegt, kann demnach von einer überregionalen organisierten Versorgung des Personalwesens in der 3. und in der 4. Dyn. ausgegangen werden, für die ein Schatzverwalter von Getreide und Früchten zuständig war. 791 Heutzutage wäre dies in etwa einem Geldtransport von der “Zentralbank” an die in Elephantine eingerichtete “Zweigstelle” bzw. “Filiale” vergleichbar. Zur Versorgung von Elephantine bzw. des in der Oststadt eingesetzten administrativen Personals s. in diesem Kap. S. 68 f. 792 Oststadt: Kat. 578; s. S. 18, Anm. 168.

783 Siehe hierzu die aufschlußreiche Titulatur des “ältesten Sohnes des Königs” Nefermaat, die dieser während der Regierungszeit seines Vaters Snofru trug und die damit den frühesten Beleg der Titelkombination jrj pa.(wt) HAt(j) a darstellt, W. M. Fl. Petrie, Meidum, London 1892, Tf. XVII,XIX- XX. 784 PT 371 a: nHm NN pa.(wt) m at jm=f-“NN beschützt die pa.(wt) als ein Körperteil/Glied von ihm (das in ihm ist); PT 737 f.: ¡r nb pa.(wt)-“ Horus ist der Herr der pa.(wt)-Leute”; siehe allgemein hierzu P. Kaplony, in: LÄ III, 1980, Sp. 177 ff. 785 Oststadt: Kat. 469; s. auch Kap. Gefäßverschlüsse, S. 15. 786 Allerdings ist es spätestens unter König Chufu nachweisbar, s. RAR II, Tf. 4,5, 7. 787 Eine offene Form des Gauzeichens ist frühestens in der Regierungszeit von Horus Den in der 1. Hälfte der 1. Dyn. auf Verwaltungssiegelungen (weder Königs- noch Beamtensiegelungen) der östlichen und der westlichen (Delta-)Gaue bzw. Gebiete belegt, s. IÄF III, Tf. 67, Abb. 238-239. 788 In die Zeit von Horus Qaa (Ende der 1. Dyn. und Übergang zur 2. Dyn.) gehört wohl der älteste Nachweis eines geschlossenen

75

JEAN-PIERRE PÄTZNICK

Erhaltungszustand eine nur minimale Rekonstruktion eines mindestens viergliedrigen Siegelbildes gestattet: […] xtm[…] ¡rw ¢a (bA) xtm(w).t(j) jxt […]-[…]”vom Horus Chaba der Schatzverwalter der Sachen”[…]

eine799 auf der Versiegelung der Umschnürung eines Holzknaufes, die andere auf einem typologisch nicht sicher zu bestimmenden Verschluß angebracht war. Da beide neben einem lediglich teilweise erhaltenen

Auffällig hieran ist zunächst die Abgrenzung der einzelnen Glieder durch vertikale Trennleisten - ein epigraphisches Merkmal, das m. W. weder auf Königsund Amtssiegelungen der Frühzeit noch auf Amtssiegeln der 3. Dyn. findet. Da vielmehr solche vertikale Trennleisten zum ersten Mal auf einem Siegel unter König Snofru begegneten793 und danach das gesamte AR hindurch nachzuweisen sind,794 stellt unsere Siegelung aus der Zeit von Chaba den ältesten bekannten Beleg und damit zugleich ein grundlegendes Datierungskriterium dar.795

Horusnamen sowie dem tp(j)-“Kopf”800 - kaum Abrollungsspuren aufweist, lassen sich weder vollständige Siegelbilder noch Teile davon rekonstruieren lassen. 4.1.1.2.1 Exkurs I: Die Abfolge der Horusnamen der 3. Dynastie Grundlage für eine Neuordnung der Abfolge der Horusnamen der 3. Dyn. ist der Nachweis des Herrinnennamens von Horus Sechemchet im Elephantiner Siegelmaterial, der trotz unvollständiger Abrollung dennoch als Nb.ty Htp rn[…] bestimmt werden kann.801 Auffällig hieran ist, daß er sich in seiner graphischen Bildung vom eigenen Horusnamen grundsätzlich unterscheidet802 und nicht identisch mit dem ansonsten vorangestellten nsw.t bj.tj Titel des ägyptischen Königs ist, wie dies seit der 2. Hälfte der 1. Dyn. an bis zum Ende dieser Dynastie unter Horus Semerchet oder Horus Qaa in der Frühzeit belegt ist.803

Besondere Aufmerksamkeit verdient ferner der Horusfalke, der statt auf der Serechumfassung auf dem Hieroglyphenzeichen pt-“Himmel” (!) steht, was m. W. bislang in der Königsheraldik der Frühzeit und des frühen Alten Reiches gänzlich unbekannt ist.796 Der Name ¢abA innerhalb des Serechs ist bis auf das xa-Zeichen kaum erhalten, während die Spuren rechts der Serechumfassung einen unvollständigen Amtstitel zu erkennen geben, die den Siegelnden als xtm(w).t(j) jxt797 […]“Schatzverwalter der Sachen”[…] ausweisen.798 Die zwei restlichen Amtssiegelungen aus der Zeit von Horus Chaba stammen beide aus der Oststadt, von denen

Stattdessen begegnet der Herrinnenname von Horus Sechemchet als eigenständiger Name, was einen deutlichen Bruch mit der bisherigen heraldischen Tradition bedeutet.804 Der Nachweis des Herrinnennamens von Horus Sechemchet ist insofern von Relevanz, als er die bislang von W. Helck gegenüber M. Z. Goneim geäußerten Einwände entkräftet.805 Gegenstand der Kontroverse zwischen beiden bildete der Fund eines Elfenbeintäfelchens im Hauptkorridor der südlich des Djoserbezirks nicht fertiggestellten Pyramide von Sechemchet, auf dem sich die Angabe Nb.ty Dsr.t(j) anx findet, deren Zuordnung nicht unproblematisch, gleichzeitig aber auch von erheblicher Bedeutung ist.806 Während M. Z. Goneim der Ansicht war, es könne sich dabei um den Herrinnennamen des bestatteten Königs Sechemchet handeln,807 sah W. Helck in ihm den

793

4. Dyn.: König Snofru, RAR II, S. 6 und Tf. 2, Abb. 4. 794 4. Dyn.: König Cheops, RAR II, Tf. 5, Abb. 3,5-7,14; König Chefren, RAR II, Tf. 13, Abb. 4 u. Tf. 31, Abb. 83; König Mykerinos, RAR II, Tf. 32, Abb.1 und 4 sowie Tf. 45, Abb. 35; König Schepeseskaf, RAR II, Tf. 50, Abb. 2; 5. Dyn.:König Sahure, RAR II, Tf. 57, Abb. 7 u. Tf. 64, Abb. 45; König Neferirkare, RAR II, Tf. 65, Abb. 4-5; König Niuserre, RAR II, Tf. 76, Abb. 32; König Jzezi, RAR II, Tf. 86, Abb. 7 und Tf. 91, Abb. 35; 6. Dyn.: König Merire Pepi 1, RAR II, Tf. 107, Abb. 29; König Neferkare, RAR II, Tf. 113, Abb. 2 und 7 sowie Tf.114, Abb.12. 795 Zur chronologischen Abgrenzung eines derartigen Siegelmaterials sei auf die ausführliche Diskussion von P. Kaplony verwiesen, s. ders., in: IÄF I, S. 44 f, woraus sich ein Datierungsspektrum von der späten 3. Dyn. bis zur 5 . Dyn. ergibt. Die Tatsache, daß die im Grab K2 in Bet Khallaf und in der Nordweststadt gefundenen Siegelbilder keine derartigen vertikalen Abgrenzungen aufweisen, spricht nicht nur gegen die von S. Seidelmayer vorgeschlagene Einordnung von Horus Sanacht am Ende der 3. Dyn., sondern ist deutliches Indiz für seine Verortung von Sanacht in der 1. Hälfte der 3. Dyn., s. hierzu den Exkurs I, S. 76 ff. 796 Vergleichsbeispiele konnten weder IÄF noch RAR ausweisen, weswegen derartige Charateristika wie Nennung des Goldnamens, Vertikalgliederung, eigene Standliniedes Horusfalken sowie dessen Ruhen auf dem Himmelszeichen pt im Vergleich zu den bisherigen Horusnamen außergewöhnliche Innovationen darstellen; lediglich auf einer Amtssiegelung der 6. Dyn. ist das Zeichen des Himmels über dem Falken angebracht, s. hierzu RAR II, Tf. 104, Abb. 20. 797 Zur Schreibung von jxt vgl. die Inschrift von Metjen aus der Zeit König Snofru; s. hierzu H. Schäfer, Ägyptische Inschriften aus den königlichen Museen zu Berlin, Bd. II, Leipzig 1903, S. 76, 1105. D. Kolumne 1. 798 Eine Parallele zu diesem Titel findet sich bereits auf einer in die Zeit von König Peribsen und damit in die 2. Hälfte der 2. Dyn. zu datierenden Amtssiegelung eines Schatzverwalters aller oberägyptischen Sachen von König Peribsen, siehe auch oben S. 64, Anm. 674.

799

Oststadt: Kat. 651; s. auch S. 44. Oststadt: Kat. 584; inwiefern anhand der Spurenreste ein Titel Xrj tp(j) nsw.t auszumachen ist, kann nur vermutet werden. 801 Oststadt: Kat. 562; zum Herrinnenname s. J. von Beckerath, in: LÄ III, 1980, Sp. 540 f. 802 Stellvertretend für das bisherige Muster sei verwiesen für die1. Dyn. auf SIÄF , Tf. 32, Abb. 1078 bis und RT II, Tf. VIII A, Abb. 5 sowie für die 2. Dyn. auf C. Firth, Step Pyramid II, 1935, Tf. 89, Abb. 1-2, Tf. 89, Abb. 8 und Tf. 89, Abb.16. 803 PD IV, Tf. 4, bes. Nr. 21 sowie RT I, Tf. XXVIII, Abb. 72 und Tf. XII, Abb.1. 804 Siehe C. Firth, op. cit., Tf. 29, Abb. 1-2 und Tf. 43; J. Garstang, Bet Khallaf, Grab K1, Tf. VIII, Abb.1; IÄF III, Tf. 95, Abb. 369. 805 W. Helck, Fs H. Junker, in: WZKM 54, 1957, S. 73. 806 JE 92679 im Kair. Mus.; PM III-2, S. 416; M. Z. Goneim, Horus Sekhem-khet the unfinished step pyramid at Saqqara Vol. I, Le Caire 1957, S. 21 f. und Tf. LXV B - LXVI. 807 A. a. O., “It is difficult to determine the exact charakter of this name. It is, however, tempting to see in it the nebty name of the owner 800

76

DIE SIEGELABROLLUNGEN UND ROLLSIEGEL DER STADT ELEPHANTINE

Bestattung gehört haben könnte, bevor offensichtlich restlos geplündert wurde.815

weiblichen Personennamen einer Königin oder Prinzessin.808 Hierbei stützte er sich auf die Arbeit von S. Schott, in der dieser festgestellt hatte, daß “während der Pyramidenzeit das Wort ‘Herrinnen’ zum Namen gehört und daß als Königstitel einzig König von Ober- und Unterägypten ohne Bindung an einen bestimmten Namen verwandt wird”.809 J.-Ph. Lauer, der eine grundsätzlich neutrale Stellung bezog,810 wies darauf hin, daß Beispiele von Nb.ty zur Bezeichnung des Namens eines Königs sehr wohl bereits in der 2. Hälfte der 1. Dyn. zu belegen seien, nicht jedoch zusammengesetzte nsw.t bj.tj Bezeichnungen in der Titulatur eines Königs.811 Darüberhinaus merkte er an, daß der Helcksche Ansatz eines Frauennamens nicht gänzlich ausgeschlossen werden könne, was M. Z. Goneim wiederum als unmöglich zurückwies, da in der Kleider- und Stoffliste des Elfenbeintäfelchens u. a. ein SnD.(w)t-Lendenschurz genannt werde, der ausschließlich männliches Attribut sei.812

diese

Kann somit davon ausgegangen werden, daß der Herrinnenname auf dem Elfenbeintäfelchen einzig dem bestatteten Herrscher, dem die Pyramide ursprünglich geweiht war, zuzuordnen ist, so folgt gleichzeitig daraus, daß die Pyramide selbst nicht Horus Sechemchet - der nachweislich einen anderen Herrinnennamen trägt -, sondern einem bisher unbekannten Vorgänger zugewiesen werden muß. Darüberhinaus läßt auch der Fund lediglich einiger weniger Gefäßverschlüsse mit Amtssiegelungen des Horus Sechemchet im Hauptkorridor der Grabanlage816 an einer derartige Zuweisung erhebliche Zweifel aufkommen. Demgegenüber ist zu vermuten, daß die versiegelten Gefäße lediglich von Horus Sechemchet in seiner Funktion als rechtmäßiger Thronnachfolger des in dieser Pyramide bestatteten Königs deponiert wurden. Muß demnach von einem bislang unbekannten Herrscher der 3. Dynastie ausgegangen werden, dessen Regentschaft zwischen Horus Netjerichet und Sechemchet lag und der schließlich in der bislang als “Pyramide von Sechemchet” bezeichneten Grabanlage bestattet wurde, so kann zugleich die auf dem Elfenbeintäfelchen angebrachte Bezeichnung Nb.ty Dsr.t(j) anx als Wiedergabe des dem Bestatteten zugehörigen Herrinnennamens identifiziert werden.

Bedenkt man zudem, daß bislang kein einziger Nachweis eines männlichen, mit Nb.ty gebildeten Personennamens für diese Zeit existiert,813 so läßt dies nur den Schluß zu, daß es sich bei Nb.ty Dsr.t(j) anx um den Nb.ty- bzw. Herrinnennamen eines Königs handelt. Das mit einem Loch versehene Elfenbeintäfelchen dürfte demzufolge als Etikett fungiert haben, das an einer wertvollen Stoff- oder Kleiderlieferung (bzw. an den damit gefüllten Kisten und Truhen) angebracht war.814 Sowohl die hochwertige Webqualität der aufgelisteten Kleidungsstücke als auch das zur Etikettierung verwendete Elfenbein selbst sind deutliches Indiz dafür, daß die Ware wertvolle Grabbeigabe zu einer reichen - ursprünglich königlichen

Eine Identifizierung dieses unbekannten Pharaos ist zwar auf Anhieb nicht möglich, doch lassen sich m. E. den bereits bekannten Herrinnennamen der Könige der 3. Dyn. einige Anhaltspunkte für einen solchen entnehmen. So sind zunächst zwei der fünf sicher belegten Herrscher der 3. Dyn. - Horus Netjerichet und jetzt auch Sechemchet - eindeutige Herrinnennamen zuzuweisen, wohingegen sie für die drei übrigen Könige - Horus Sanacht, Chaba und Qahedjet - bislang fehlen.

of the pyramid, attested otherwise only by his Horus name Sekhemkhet.” 808 Nach W. Helck handelt es sich bei diesem Herrinnennamen eher um einen mit Nb.ty gebildeten Personennamen, der einer Prinzessin bzw. Königin zuzuweisen ist, ders., in: WZKM 54, S. 72-76 - eine Ansicht, die auch von J. von Beckerath vertreten wird, s. ders., op. cit., S. 51. 809 S. Schott, Zur Krönungstitulatur der Pyramidenzeit, in: NAWG, phil - hist. Kl. 4,1956, S. 56. 810 J.-Ph. Lauer, Histoire des Pyramides T. 1, in: BdE 39, 1962, S. 202. 811 Siehe ders., a. a. O., Anm. 2; E. Naville, Cemetery of Abydos Part. 1, 1914, Tf. XIV, PD IV, Tf. 4, Nr. 19 - 20, Tf. 8, Nr. 37 sowie IÄF III, Tf. 319, Abb. 538; weitere Beispiele dieses Herrinnentitels oder namens finden sich bei J.-Ph. Lauer, in: BIFAO 61, 1961, S. 25-28, bes. 26 f.; vgl. außerdem W. Barta, in: ZÄS 108, 1981, S. 19, Anm. 28, der schlußfolgert, daß “wie Sechem-ib auch Peribsen zwei verschiedene Herrinnennamen getragen hätte, von denen der eine - wie auch bei anderen Königen der Frühzeit und des Alten Reiches - aus dem Horusnamen gebildet worden ist.”. 812 M. Z. Goneim, op. cit., S. 22. Zur Deutung von SnDw.t als “Königlicher Schurz”, s. E. Staehelin, in: LÄ V, 1984, Sp. 744 f. 813 Mit Nb.ty gebildete Personennamen tragen offensichtlich nur Frauen; s. H. Ranke, PN I, S. 180, 189 -190, 264, 423 und 425 sowie ders., PN II, S. 262, 297, 299 und S. 308; beispielhaft zu ¡tp.t(j) Hr Nb.ty - Königstochter und Königin von Horus Netjerichet - sei auf C. Firth verwiesen, s. ders., op. cit., 1935, Tf. 86 u. 87 sowie W. S. Smith, A History of Egyptian Sculpture and Painting in the Old Kingdom, 2. Ed., Boston/Oxford 1949, S. 133, Abb. 48; zu den frühesten Beispielen dieser Komposition vgl. u. a. RT I, Tf. IV, Abb. 3 sowie RT II, Tf. II, Abb. 8 -10 u. Tf. V, Abb. 13 -14. 814 M. Z. Goneim, op. cit.,1957, Tf. LXVB - LXVI; allerdings bleibt unklar, wie die 19 Löcher im unteren Register eines jeden Kästchens zu interpretieren sind.

Während jedoch die Regentschaft von Horus Chaba relativ gesichert unmittelbar auf Horus Sechemchet erfolgte817 und sich von Horus Qahedjet bislang lediglich ein einziger Beleg auf einem Denkmal unbekannter Herkunft fand,818 wodurch beide als potentielle Inhaber 815 Hinweise dafür finden sich bei J.-Ph. Lauer, op. cit., S. 198-200, bes. 200, Anm. 1, der den Schluß zieht: “Il n´est, par conséquent, pas exclu que le roi Sekhem-khet même, soit une jeune reine ou princesse, ait pu être enterré dans cette pyramide, manifestement inachevée, mais dont l´accès de la descenderie, le puits et la chambre sépulcrale avaient été incontestablement bloqués. Si le monument avait été complètement abandonné, ces diverses précautions de fermeture n´auraient guère eu de sens”; vgl. auch Tf. XLI - XLII. 816 M. Z. Goneim, op. cit., 1957, S. 14f., Abb. 27-31 und Tf. XXXVII B; PM III-2, S. 416; s. auch J.-Ph. Lauer, op. cit., S. 190 f. und Tf. XLIII. 817 Vgl. J. von Beckerath, op. cit., 1984, S. 158 u. ders., in: LÄ III, 1980, Sp. 543. 818 Louvre: E. 25982 sowie Ch. Ziegler, op. cit., 1990, S. 54-57, Abb. 55 und 57; s. auch J. Vandier in:CRAIBL 1968, S. 16-22 u. dessen Ansatz der Angleichung von König ¡w(j) n(j) mit dem Horusnamen QA HD.t. Die Tatsache, daß dieser “Horus Qahedjet” nur auf diesem einzigen Denkmal unbekannter Herkunft erwähnt ist und sonst nirgends - auch

77

JEAN-PIERRE PÄTZNICK

Horus Netjerichet fand,824 ebenfalls nur mit einer direkten Abfolge beider Herrscher zu erklären. Ebenso deutet die Tatsache, daß sich keinerlei Amtssiegelungen eines weiteren Königs der 3. Dyn. in diesen Mastabagräbern finden, auf eine zeitliche Nähe von Horus Netjerichet und Horus Sanacht bzw. auf ihre unmittelbare Abfolge hin.825

des Herrinnennamen kaum in Betracht kommen dürften, konnten von Horus Sanacht Amtssiegelungen in Sakkara im sogenannten Djoser-Bezirk im Nordteil der funerären Anlagen nachgewiesen werden - darunter auch ein Depot von versiegelten Gefäßen in unmittelbarer Nähe des Totenkulttempels von Horus Netjerichet.819 Läßt allein schon dieser Umstand darauf schließen, daß die Kultversorgung des verstorbenen Horus Netjerichet durch Horus Sanacht erfolgte, so bringen besonders die Nachweise von Siegelungen eines Xrj HAb.t-“Träger der Buchrolle” auf einigen dieser versiegelten Gefäße820 eine ganz besondere Form der Pietät zum Ausdruck, wie sie eigentlich nur für einen direkten Nachfolger eines verstorbenen Königs vorstellbar ist. Weiteres Indiz für eine derartige “Lignage” - Horus Netjerichet, Horus Sanacht - ist zudem die Tatsache, daß in Wadi Maghara im Sinai Darstellungen der drei Könige der 3. Dyn., Horus Netjerichet, Sanacht und Sechemchet gefunden wurden, wobei auffällig und bezeichnend die unmittelbare Nähe von Horus Sanacht zu Horus Netjerichet bzw. der große Abstand von Horus Sechemchet zu den beiden ist.821

Abschließend sei noch ein weiterer Beleg von Horus Sanacht aus Grab K2 in Bet Khallaf erwähnt,826 dessen Deutung einige Schwierigkeiten verursachte. Die kaum abgedrückte und verriebene Abrollung läßt zum einen Serech und Horusnamen von Sanacht, zum anderen einen links davon abgebildeten gedrungenen, ovalen Ring mit geradem Abschluß auf, in dem eine nicht mit letzter Sicherheit zu identifizierende Inschrift sowie ein darunter befindlicher Amtstitel angebracht ist, der trotz unsicherer Form als xrp Snw.t[…]-“Leiter der Scheunen”[…] gelesen werden könnte.827 K. Sethe und neuerdings auch S. J. Seidlmayer vermuteten darin einen Königsring bzw. eine Kartusche und in Konsequenz daraus in der Inschrift einen Königsnamen, wobei er das vorhandene -kA unter Berücksichtigung des verbleibenden Freiraumes in -nb ergänzte828 und dem Ring um die Hieroglyphe setzte er mit dem auf der Amtssiegelung erhaltenen Horusnamen von Sanacht gleich und bestimmte damit König Nebka als Horus Sanacht - eine Sicht, die derzeit

Darüberhinaus ließe sich durch eine derartige unmittelbare Nachfolge von Horus Sanacht auf Horus Netjerichet der archäologische Befund von Bet Khallaf weit überzeugender deuten. In vier der insgesamt fünf freigelegten großen Grabanlagen (K1-K5) waren ausschließlich Amtssiegelabrollungen aus der Regierungszeit von Horus Netjerichet nachzuweisen,822 in Grab K2 fast nur Amtssiegelungen aus der Zeit von Horus Sanacht.823 Auch ist der Umstand, daß sich in letzterem eine Amtssiegelabrollung aus der Zeit von

nicht in unserem Material, das sämtliche bislang bekannten Horusnamen der 3. Dyn. belegt - ist so auffällig, daß man sich fragen kann (muß), ob dieser Herrscher wirklich je existierte. 819 Siehe C. M. Firth, Step Pyramid I, S. 141, Abb. 18 u. Tf. 25 unten. Wäre Horus Sechemchet direkter Nachfolger von Horus Netjerichet, was bislang angenommen wird, müßten Spuren seiner kultischen Fürsorge in Form von versiegelten Waren aus seiner Regierungszeit in diesem Totenkultbereich und überhaupt im ganzen Bezirk zu finden sein. Tatsache ist jedoch, daß nicht nur keine Amtssiegelung aus seiner Regierungszeit nachzuweisen sind, sondern lediglich die von Horus Sanacht. 820 Auf einem dieser Verschlußfragmente ist noch der religiösen Titel eines Xrj HAb.t zu erkennen, s. PM III-2, S. 405; zur Funktion dieses “Vorlesepriesters” (eigentlich “Träger der Schriftrolle” oder “der im Besitz der Schriftrolle(n) ist”) bei der Durchführung des Totenkultes s. u. a. J. Assmann, Die ägyptische Schriftkultur, in: Schrift und Schriftlichkeit, Writings and It´s Use, Berlin - New York, 1994, S. 472 - 491, bes. S. 481 f. 821 Zu den königlichen Darstellungen vgl. Gardiner & Peet, Inscriptions of Sinai, Part. 1., London 1917, Tf. XV; s. außerdem J. von Beckerath, op. cit., 1984, S. 52: “Der König (Horus Sanacht) gehört stilistisch in die Zeit unmittelbar vor oder nach Djoser (Horus Netjerichet)”. Da vor “Djoser” (=Horus Netjerichet) Horus Chasechemui regierte (s. Dreyers Deutung des Befundes im Königsgrab des Horus Chasechemui), kann Horus Sanacht nur Horus Netjerichet gefolgt sein, was die stilistische Nähe beider Reliefsdarstellungen erklären würde. 822 J. Garstang, Bet Khallaf, Grab K1, Tf. VIII, Abb. X und Grab K3 5, Tf. XXVI. 823 Ders., op. cit., Grab K2, Tf. XIX; zu Lage und Nähe beider Grabanlagen s. Tf. II, Site K.

824 Ders., a. a. O, Grab K2, Tf. XIX, Abb. 21, wo innerhalb des Serechs noch ein nTr-Zeichen zu erkennen ist; s. auch den Artikel über “Sanacht” von W. Helck, in: LÄ V, 1984, Sp. 375; ein ähnlicher Befund liegt im Grab von Peribsen vor, in dem Siegelabrollungen der Könige Peribsen und Sechem-ib auf eine direkte Nachfolge von Horus Sechem-ib schließen lassen; zu Sechem-ib s. u. a. T. Schneider, Lexikon der Pharaonen, Zürich 1994, S. 258 sowie J. Vercoutter, L´Egypte et la vallée du Nil , Tome1, Paris 1992, S. 228. 825 Eine Ansicht, die übrigens als erster K. Sethe vertreten hatte, s. ders., in: J. Garstang, op. cit., 1903, S. 24 f.; ein Vergleich der im sogenannten Grab von Sechemchet gefundenen Töpfe (M. Z. Goneim, op. cit., Tf. XXXVII-A ) mit denen aus Grab K1 u. K5 in Bet Khallaf (J. Garstang, op. cit., 1903, Tf. XXXI, Abb. 21-26) aus der Zeit von Horus Netjerichet spricht deutlich für die vorgeschlagene These. 826 Bet Khallaf, Grab K2; s. hierzu J. Garstang, op. cit., Tf. XIX, Abb.7. 827 Ich danke an dieser Stelle S. J. Seidlmayer, der so freundlich war, mir seine Abzüge zur Verfügung zu stellen. 828 Anders R. Weill, der stattdessen eine Ergänzung mit nfr und somit eine Gleichsetzung des Horusnamens Sanacht mit dem Königsnamen Nfr kA vorschlug - eine Variante, die jedoch aufgrund des geringen Platzes kaum in Betracht kommen dürfte, s. ders., op. cit., 1908, S. 458.

78

DIE SIEGELABROLLUNGEN UND ROLLSIEGEL DER STADT ELEPHANTINE

Abfolge der Horusnamen der Dynastie J. von Beckerath

1

2

3

4

5

Sanacht

Netjerichet

Sechemchet

Chaba

Qahedjet

J. Kahl

Netjerichet

Sechemchet

Chaba

Sanacht

Qahedjet

P. Kaplony

Netjerichet

Sechemchet

Sanacht

Chaba

Netjerichet

Sechemchet

Sanacht

Qahedjet

Netjerichet

Sechemchet

Chaba

Sanacht

Qahedjet

Netjerichet

Sanacht

Sechemchet

Chaba

3.

Mastenbroek S. J. Seidlmayer / G. Dreyer T. Wilkinson Neuer Vorschlag

Tabelle 32: Alte und Neue Einordnung der Horusnamen der 3. Dynastie so den bekannten Königsnamen Nb kA erhielt.829 Diesen jetzt auch von J. von Beckerath vertreten wird,830 jedoch nicht unproblematisch ist, da sie einen König zwischen Horus Chasechemui und Horus Netjerichet voraussetzen würde, was mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit abzulehnen ist, da beide Herrscher direkt aufeinanderfolgten.831

nur schwer mit den archäologischen Befunden in Sakkara, Wadi Maghara und Bet Khallaf zu vereinbaren und wirft mehr Fragen auf als sie Antworten gibt. So ist z. B. Horus Sanacht in Zawiet el Aryan als potentieller Nachfolger von Horus Chaba gar nicht belegt. Zu fragen ist auch, wie sich die Befunde in Bet Khallaf und v. a. in K2 bei einer anzunehmenden Zeitlücke zwischen Horus Netjerichet und Horus Sanacht erklären ließen?836 Ferner wäre zu beantworten, wieso sich Amtssiegel von Horus Sanacht im Bereich des Totentempels von Horus Netjerichet, jedoch keinerlei Nachweise anderer Herrscher der 3. Dyn. finden?

Seinerseits betont S. J. Seidlmayer,832 daß der den Königsnamen beinhaltende Königsring bisher erst seit König Huni833 bzw. König Snofru (Anf. 4. Dyn.) gesichert ist, was gleichzeitig bedeuten würde, daß Horus Sanacht alias König Nebka in die späte 3. Dyn.,834 und zwar unmittelbar vor Huni bzw. nach Horus Chaba einzuordnen wäre.835 Eine derartige Abfolge ist jedoch

Fordert somit der Gesamtbefund m. M. n. zwingend eine Neuordnung der bekannten Horusnamen der 3. Dyn., so betrifft dies im wesentlichen die Stellung von Horus Sanacht, der demzufolge einerseits unmittelbar auf Horus Netjerichet gefolgt und andererseits durch seinen Nachfolger Horus Sechemchet in sogenannten Sechemchet - Komplex in Sakkara bestattet worden wäre. Dies würde gleichzeitig bedeuten, daß es sich bei der auf dem Elfenbeintäfelchen angebrachten Angabe Nb.ty Dsr.t anx um den Herrinnennamen von Horus Sanacht handelt.

829 Siehe den Beitrag von K. Sethe in: J. Garstang, op. cit., S. 24 f, der den Namen innerhalb des Sn-Rings zwar vorsichtig zu ergänzen versuchte, auf eine konkrete Identifizierung aber verzichtete: „But wether the Horusname SAnxt belonged to the same Nebka or to a later King cannot be decided yet”: “Die auf den Denkmälern der ältesten geschichtlichen Dynastien vorkommenden Könige”, in: Beiträge zur ältesten Geschichte Ägyptens”, Berlin 1905, S. 38, erklärt er später, daß der Horusname Sanacht “möglicherweise der des Nebka (ist), dessen Name auf demselben Siegel genannt gewesen zu sein scheint.” 830 J. von Beckerath, Handbuch der Königsnamen, MÄS 20, München 1984, S. 52: “Die Lesung des Restes eines Königsrings (?) mit einem auf “kA” (?) endenden Namen auf dem Siegel Mahasna, t. 19 (7) ist äußerst zweifelhaft.” 831 Siehe hierzu P. Newberry, in: LAAA 2, 1909, Tf. XXII - XXIII, wo der Befund deutlich die Abfolge von Horus Netjerichet nach Horus Chasechemui erkennen läßt. 832 Siehe Anm. 695. 833 Kair. Mus. JE 41566; s. zudem G. Dreyer, in: MDAIK 36, 1980, S. 57 f. und Tf. 71 c-d 834 Diese Verortung in die späte 3. Dyn. wurde übrigens in einem ähnlichen Gedankengang bereits von O. Mastenbroek vertreten, s. ders., Djoser´s dynasty, in: DE IBIS 12-3, 1987, S. 92 f. 835 Zu verweisen ist noch auf die Möglichkeit einer Gleichsetzung von Horus Chaba mit König Huni, was eine Abfolge von Horus Sanacht vor Horus Chaba bedingen würde. Die in Hierakonpolis gefundenen Amtssiegelungen von Horus Nb mAa.t und Horus ¢a bA legen eine

4.1.1.3

Die Amtssiegel der 5. Dynastie

Die erste von insgesamt vier Amtssiegelungen aus der 5. Dyn. stammt aus dem Nordbereich des Satettempels und ist auf einem Urkundenverschluß des Typus Uv. 2 zeitliche Nähe beider Herrscher nahe, s. Hierakonpolis II, Tf. LXX, Abb. 1 u. 2. 836 Der Nachweis der Amtssiegelungen von Horus Netjerichet und Horus Sanacht in diesem Grab K2 dürfte auf eine direkte Abfolge beider Herrscher schließen lassen. Hinweis dafür sind die Nachweise von Amtssiegelungen von Peribsen und Sechem-ib sowie von Chasechemui und Netjerichet in je einer funerären Königsanlage in Abydos, was jeweils auf die direkte Abfolge der Herrscher - ohne Annahme eine Zeitlücke (!) - zu deuten ist.

79

JEAN-PIERRE PÄTZNICK

angebracht.837 Auffällig ist zunächst der Horusfalke, der auf einer eigenen Standlinie über dem oberen Rand der Serechumfassung deutlich zu erkennen ist und eine der Atf ähnliche Doppelfederkrone trägt. Die ältesten Parallelen dieses heraldischen Merkmals auf Amtssiegelungen datieren in die Zeit von König Userkaf zu Beginn der 5. Dyn.838 und sind insbesondere unter den Königen Niuserre, Neferefre und Merire relativ häufig belegt839. Obwohl verrieben lassen sich außerdem die Konturen eines Auges innerhalb des Serechs erkennen und ermöglichen relativ gesichert die Bestimmung des Horusnamen Jrj mAa.t des ersten Königs der 5. Dyn. Userkaf.840

Königs”843 sowie weiteren, mit sbA gebildeten Bezeichnungen wie jmj sbA(.w),844 sbA(w)845 “Ausbilder/Meister” und mr sbA(w) ms.w nsw.t“Vorsteher der Ausbildung/Erziehung der Königskinder”846 auf. Geht man wie J. Osing von einem Femininum sbA(w).t mit zugrundeliegender Bedeutung “Lehre, Unterricht”847 aus, so ließe sich die Angabe sbA(w).t(j) nsw.t mit E. Otto als “Königslehrer” wiedergeben,848 wofür auch der Umstand spricht, daß ein solcher Aspekt der Gelehrtheit, die einem sbA(w).t(j) nsw.t zuteil wird, sowohl mit dem bereits erwähnten Titel Xrj HAb.t-“Träger der Festrituale” auf einer Amtssiegelung aus der Regierungszeit von König Sahure korrespondiert849 als auch mit allen bisher bekannten Belegen dieses Titels aus dem Totenkult, weshalb eine Wiedergabe von sbA(w).t(j) nsw.t mit “Sternenkundige des Königs” bzw. “Königsge-/belehrter” durchaus naheliegend scheint.850

Von der eigentlichen, ca. 1,6 cm breiten Amtssiegelung ist trotz überlappender Abrollungen eine dreigliedrige Siegelsequenz rekonstruierbar: […]¡rw[…]zS sbA.t(j)[…]¡rw[…]-“Vom Horus der Schreiber (und) sbA.t(j)-Ge-/Belehrter[…] des Horus”[…]. Den restlichen Spuren nach zu urteilen, schloß die Beschriftung des Siegelbildes im unteren Bereich mit einem breiten horizontal verlaufenden Band, von dem lediglich die zwei Titelangaben sbA.t(j) nsw.t-“Königsge-/belehrter” und zS nsw.t-“Königlicher Schreiber” erhalten sind.

843

Siehe H. Junker, Giza VII, S. 235, Abb. 96 a-b sowie ders., Giza VI, S. 234 f., Abb. 97 mit der Version sbA(.tj) nsw.t. P. Kaplony vertritt hingegen zwei Ansätze; so schließt er sich zum einen mit der Lesung sbA.w nsw.t, was er mit “Königszögling” übersetzt, der alten Meinung an, s. ders., Die Siegelabdrücke, in: BeiträgeBf. 8, Wiesbaden 1969, S. 94, Abb. 26 und v. a. S. 95 f. mit Anm. 24; RAR II-A, u. a. S. 74 u. S. 76; zum anderen versteht er die Schreibung als sbA.wt(j)/sbA.wt nsw.t, wobei er den Titel sbA.(w)t(j) von einem Femininum sbA.(w)t-“Lehre” ableiten möchte. 844 Der Titel ist als (j)m(j) sbA.(w) in: LD II, S. 76 belegt und wurde bislang durch die Emendierung eines r als m(r) sbA(.w)-“Vorsteher der Steuermänner/Piloten” gelesen, siehe hierzu S. 84, Anm. 886. 845 A. Moussa und H. Altenmüller, Das Grab des Nianchchnum und Chnumhotep, AV 21, 1977, S. 80, Anm. 352, Abb. 10 und Tf. 24, sowie S. 145, Anm. a, Abb. 25 und Tf. 70 b. In beiden Fällen wird die Angabe sbA mit “Meister” wiedergegeben, womit ein “Meister der Rasierer” und ein “(Konzert)-Meister” belegt sind; zu sbA Hza nsw.t“Ausbilder/Lehrer der Sänger des Königs” s. S. Hassan, Giza I, 1932, S. 66 f.; im Mittleren Reich läßt sich ein sbA n pr anx-“teacher of the House of Life” belegen, s. J. Cerny, in: JEA 50, 1964, S. 184. 846 Urk. I, 67 Z. 3; LD II, S. 76; S. Hassan, Giza VII, Cairo 1953, S. 64-71; dazu ausführlich S. 85, Anm. 893-894. 847 Nach J. Osing handelt es sich beide Male um die Nisbeableitung entweder eines Maskulinums sbA(w)-“Lehre, Unterricht” (J. Osing, Die Nominalbildung des Ägyptischen, Mainz 1976, S. 562, Anm. 421) oder eines Femininums sbA(w).t (s. ders., op. cit., S. 563, Anm. 424), wie dies auch bei dwA-dwAw-dwAw.t zu beobachten ist, vgl. hierzu J. Assmann, in: LÄ III, 1980, Sp. 104 mit Anm. 2. Geht man von ersterem aus, so ist m. E. für das Alte Reich eine sichere Unterscheidung zwischen den entsprechenden Nisbebildungen sbA(w)“der der unterrichtet bzw. der Unterrichtende” (J. Osing, op. cit., S. 238) und sbA(wj)-“der Unterrichtete” (J. Osing., op. cit., S. 318 und S. 487) nicht unproblematisch, da meistens in der Titelkunde selbst nur sbA angegeben ist. 848 So in E. Feucht, Das Kind im Alten Ägypten, Frankfurt/New York 1995, S. 229 f. und Anm. 1139. 849 H. Junker, Giza VII, 1944, S. 231 - 236, Abb. 96 a -b; RAR II- A, S. 180 -182, Tf. 58, Abb.13. Die Amtssiegelung dieses Gelehrten läßt sich danach wie folgt rekonstruieren: Xrj HAb.t sbA.t(j) nsw.t jrr wD.t nb=f ¡r Nb xaw-“Vorlesepriester bzw. Träger der Festrituale”, sbA.t(j) nsw.t, “der der vollzieht, das was sein Herr Horus Nebchau anordnet “und Xrj HAb.t Hrj sStA zS.t StA(.t) md.w nTr pr mDA.t-“Vorlesepriester bzw. Träger der Festrituale, Oberster der Geheimnisse bzw. Eingeweihter in die geheimen Schriften der Gottesworte (im) Haus der (versiegelten) Buchrollen”. Der Titel sbA.t(j) nsw.t könnte hier durchaus als “Königsge-bzw. -belehrter” zu verstehen sein. 850 Bemerkenswert hierbei ist die Bezeichnung “sbA”, die auf eine Verbindung von Gelehrtheit und Sternkunde hinweist, die nicht nur graphisch in der Schreibung des Titels mit dem Wort “Stern” zum Ausdruck kommt, sondern auch z. B. in den Abusir-Papyri des Alten Reichs belegt ist, s. W. Helck, in: LÄ VI, 1986, Sp. 377: “Daneben ist

Der Nachweis von sbA.t(j) nsw.t läßt sich in der Titelkunde des AR in der 4. und 5. Dyn. belegt841, wobei sich die frühesten Nachweise bereits in der 1. Hälfte der 4. Dyn. und damit in die Regierungszeit von König Chephren datieren.842 Epigraphisch und graphematisch weist der Titel sbA(w).t(j) nsw.t aufgrund seiner Ergänzung mit femininum t zum Logogramm sbA nicht geringe Ähnlichkeit mit dem Titel sbA nsw.t-“Zögling des

837

Satet - Nordbereich: Kat. 036; zur Typologie, s. S. 61, Anm. 653. Zu dem auf Elephantine gefundenen Rollsiegel von König Userkaf, s. S. 8, Anm. 46. 839 RAR II A: Neferirkare, Tf. 65, Abb.7 und Tf. 69, Abb. 36; Niuserre, Tf. 71, Abb. 3 , Tf. 74, Abb.18, Tf. 75, Abb. 29, Tf. 77, Abb. 37 u. Tf. 79, Abb. 52; Neferefre, Tf. 80, Abb.1 u. Tf. 81, Abb. 2-3; Menkauhor, Tf. 84, Abb. 9; Teti, Tf. 98, Abb. 3; Merire, Tf. 99-106, Tf. 108 -109 sowie Tf. 111; sowie RAR , S. 174 ff. 840 Siehe hierzu zum Vergleich RAR II - A, Tf. 51, Abb. 1 841 Eine Zusammenstellung der älteren Literatur findet sich bei S. J. Seidlmayer, s. ders., in: MDAIK 48, 1992, S. 170 f. Bemerkenswert daran ist, daß der Großteil der datierbaren Quellen dieser Titelinhaber in die 5. Dyn. aus dem funerären Kontext stammt, so z. B. auch M. Verner, Abusir III The Pyramid Complex of Khentkaus, Prag 1995, S. 99, Nr. 143/A/78-c,101, Nr. 298/A/78 und Tf. 22 und 104, Nr. 316/A/78-L mit Tf. 23. Der Titel sbA.t(j) nsw.t scheint in der 6. Dyn. nicht mehr nachweisbar zu sein. 842 RAR II- A, S. 58 ff. u. Tf. 21, Abb. 31, Tf. 24, Abb. 49 u. Tf. 25, Abb. 52 u. 55. Angemerk sei, daß lediglich an diesen beiden Beispielen die Verbindung von sbA.t und nsw.t belegt ist. Zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang die Felsinschrift eines dieser Titelträger im Wadi Hammamat, die in die 1. Hälfte der 4. Dyn., der Zeit von König Djedefre und König Chefren datiert wird.s. G. Goyon, Nouvelles inscriptions rupestres du Wadi Hammamat, Paris 1957, S. 67 und Tf. XIII, Abb. 37 sowie E. Eichler, Untersuchungen zum Expeditionswesen des ägyptischen Alten Reiches, GO 26, Wiesbaden 1993, S. 63 f. Die Kombination von zS a nswt und sbA.t(j) nsw.t findet sich ein weiteres Mal in der Ergänzung einer Abrollung und datiert ebenfalls in die Zeit von König Chefren, s. RAR II-A, Tf. 25, Abb. 55. 838

80

DIE SIEGELABROLLUNGEN UND ROLLSIEGEL DER STADT ELEPHANTINE

auf dem Horus, Form des Urkundenverschlusses - die Amtssiegelung gesichert an den Beginn der 5. Dyn. chronologisch verortet werden. Obwohl der Aussagehalt der erhaltenen Inschrift gering ist, so läßt sich ihr immerhin entnehmen, daß mit der Amtssiegelung eines sbA.t(j) nsw.t-“Ge-/Belehrter des Königs”, der zugleich zS nsw.t-“Königlicher Schreiber” war, eine gesiegelte, schriftliche, offizielle Anweisung der staatlichen Verwaltung von König Userkaf an einen nicht näher zu bestimmenden Adressaten im Nordbereich des Satettempels erfolgt war.858

Die daraus abzuleitende Deutung des Titels sbA(w).t(j) nsw.t als “Königsge-/belehrter” im Sinne von Spezialist der/für Sternenkunde würde somit nicht nur seine Nachweise vorwiegend im königlichen Totenkult, sondern auch die Erwähnung auf Expeditionsinschriften851 außerhalb Ägyptens erklären. Darüberhinaus lassen weitere Titel wie Vorsteher der sbA.t nsw.t,852 Aufseher der wab.w-Priester der sbA.t nsw.t853 oder jmj jxt der sbA.t nsw.t854 nicht nur auf eine administrative Erfassung einer Institution sbA.t nsw.t, einer Art Königsschule / königliche Schule schließen, sondern zeugen zudem von der besonderen Stellung und dem Ansehen der dieser Institution zugehörigen Gelehrten, die in diesem Zusammenhang als sbA(w).t(j) nsw.t bzw. sbA.t(j) nsw.t-“der von der Königsschule” anzusehen wären.855

Träger der zweiten Amtssiegelung aus dieser Zeit ist ein kleines Lehmverschlußfragment vom Typus Tb. 4, das aus der Baugrube eines Mauerwerkes stammt und den Abdruck eines verschnürten Korbdeckels aufweist.859 Das Amtssiegel ist unvollständig und bis zu einer Breite von 1,7 cm erhalten, wobei oberer und unterer Rand fehlen, so daß das Siegelbild lediglich eine zweigliedrige Sequenz erkennen läßt: […] nsw.t (bj.tj) Nfr(jr kA) ra (nTr) nfr ¡rw Wsr (xa.w) […]-[…]”König von Ober- (und Unterägypten) Nefer(irka)re der vollkommene (Gott) Horus User(chau)”[...].

In einen solchen Kontext einfügen würde sich auch die Verbindung der Titel sbA(w).t(j) nsw.t-“Königsge/belehrter” mit dem des zS nsw.t-“Königsschreiber”, wodurch eine derartige Gelehrsamkeit des Königs besonders betont würde. Der Titel zS nsw.t“Königsschreiber” ist in der Titelkunde des Alten Reiches mit gerademal zwei Nachweisen äußerst selten belegt, von denen einer aus dem Ende der 3./ 4. Dyn., der andere aus dem Ende der 6. Dyn. stammt.856

Bemerkenswert ist zunächst, daß der Horusname des Herrschers und sein Königstitel einander gegenüber angebracht sind und der Horusfalke zudem auf einer sich aufbäumenden Schlange steht, die ihrerseits auf dem oberen Rand der Serechumfassungsmauer liegt - ein epigraphisches Merkmal, das in der Königsheraldik erst seit der 4. Dyn. belegt ist.860 Der Horusname innerhalb des Serechhofes ist unvollständig erhalten und läßt lediglich den Beginn eines wsr-Zeichens erkennen, das sich zunächst König Chefren (1. Hälfte der 4. Dyn.) zuweisen ließe. Jedoch spricht der zusätzliche, teilweise erhaltene nsw.t-bj.tj-Thronname eindeutig für eine Bestimmung des Amtssiegels in die Regierungszeit von König Neferirkare (1. Hälfte der 5. Dyn.). Bemerkenswert ist dabei die Einfassung des Königsnamen in eine Kartusche, was seit Ende der 3. bzw. Anfang der 4. Dyn. in der Königsheraldik sicher nachgewiesen ist.861 Ebenso findet sich seit der 4. Dyn. der unter der Kartusche angebrachte Zusatz “der vollkommene Gott”.862 Das Fehlen jeglicher Amtstitulatur

Daß sich der Titel zS nsw.t-“Königsschreiber” jedoch bereits spätestens zu Beginn der 3. Dyn. findet, zeigt seine Erwähnung in der Titulatur des hohen Beamten Hezire aus der Zeit des Horus Netjerichet entnehmen, der u. a. als mDH zS nsw.t-“Direktor der Königsschreiber” ausgewiesen ist.857 Zusammenfassend kann somit aufgrund des gesamten Befundes - Horusname von König Userkaf, Atef-Krone das Tempeldach (tp-Hwt) bereits im Alten Reich nach den AbusirPapyri (s. Posener-Kriéger, Archives Abousir, S. 29 - 33 und S. 510 f.) der Ort, an dem man Tag und Nacht wacht, d. h. astronomische Beobachtungen durchführt.”. In diesem Zusammenhang sei auf die Göttin der Schreibkunst und der Gelehrsamkeit Seschat hinzuweisen, deren Symbol - ein Stab mit aufgesteckter Rosette - als Meßinstrument bei astronomischen Beobachtungen gedient haben könnte, s. W. Helck, in: LÄ V, 1984, Sp. 884 f. Damit wäre auch die aktive Präsenz der Göttin der Baukunst und Patronin der Architekten bei der Gründung bzw. beim Abstecken des Baugeländes für königliche Anlagen und Gotteshäuser aufgrund der notwendigen Abmessungen bzw. vorausgehenden Orientierung an den Sternen nachvollziehbar. 851 Siehe oben Anm. 842. 852 Siehe hierzu Diskussion S. 85 und Anm. 899-900. 853 CG 76 und MM, D21, S. 237. 854 S. Hassan, Giza II, 1936, S. 38, Abb. 35A. 855 Siehe auch weiter unten S. 159. Zu Schulwesen im Alten Ägypten

858

Gerade die bürokratische Aktivität von König Userkaf auf Elephantine läßt sich bestens mit dem starken Interesse dieses Königs für die Inselstadt in Einklang bringen. Man kann dabei natürlich spekulieren ob diese schriftiche Anweisung nicht mit einem unmittelbaren Besuch des Königs Userkaf auf Elephantine zusammenhing wie dies die Inschrift gm.t pr m Abw - “Das Auffinden der Domäne in Elephantine” (Urk. I, 241 -3 ) nahelegt. Der Aufenthalt des Königs auf Elephantine könnte natürlich auch mit der weiteren Reise nach Buhen seine Erklärung haben. 859 Oststadt: Kat. 572; s. auch S. 53. 860 Siehe hierzu RAR A- II: Chefren, Tf. 13, Abb. 4 u. Tf. 14, Abb. 7+12; Mykerinos, Tf. 33, Abb. 9; Userkaf, Tf. 51, Abb. 7; Sahure, Tf. 57, Abb. 9 u. Tf. 59, Abb. 16; Neferirkare, Tf. 65, Abb. 7; Niuserre, Tf. 71, Abb. 3; Menkauhor, Tf. 84, Abb. 10; Djedkare, Tf. 90, Abb. 30 u. 92, Abb. 38; Unas, Tf. 94, Abb. 3 sowie ab der 6. Dyn. Tf. 98 ff. 861 Siehe hierzu oben S. 79. 862 Das früheste Beispiel stammt aus der Zeit von König Cheops, s. RAR II-A, Tf. 4, Abb. 1.

siehe E. Feucht, op. cit., S. 227 ff. Zur Vorstellung von als “école de la noblesse” s. B. Grdseloff, in: ASAE 42, 1943, S. 120 und Anm. 5 und als potentielles Ausbildunszentrum der hohen Beamten der Residenz s. J. C. Moreno Garcia, Etudes sur l´administration, le pouvoir et l´idéologie en Egypte, de l´Ancien au Moyen Empire, Liège 1997, S. 112 f. 856 Sakkara: PM III-2, S. 503 und Giza: G2136, Junker, Giza VI, S. 94-153. 857 Siehe hierzu K. Hirmer u. M. Hirmer, Ägypten, München 1983, Tf. 18 sowie J. Kahl et alii, 3. Dynastie, Wiesbaden 1995, S. 106c.

81

JEAN-PIERRE PÄTZNICK

bereits für die 3. Dyn. der Fall gewesen war868 und noch im MR und in der Zweiten Zwischenzeit sicher zu belegen ist.869

o. ä. Zusätze erlaubt darüberhinaus keinerlei Angaben zum Inhalt des versiegelten Korbes sowie des Siegelnden. Die dritte Amtssiegelung der 5. Dyn. stammt aus umgelagertem Grabungsschutt und war auf einem deckelartigen Gefäßverschluß vom Typus Gv. IV c angebracht, der auf einer Gefäßmündung von 7 cm Dm lag.863 Erkennbar ist die unvollständige Abrollung eines bis zu 4,6 cm breiten großformatigen Amtssiegels, von dessen Siegelbild lediglich eine zweigliedrige Sequenz rekonstruiert werden kann: […] sbA.t(j) ¡rw st jb tA.wy […]-[…] vom Horus st jb tA.wy der sbA.t(j) […].

4.1.1.4 Eine Amtssiegelung der 6. Dynastie Der bisher einzige Nachweis dieser Zeitspanne stammt von einem Verschlußfragment nachzuweisen, das innerhalb der Verfüllung von Ziegelbaumaterial und von Siedlungsabfall in einem Speicher gefunden wurde und das an seiner Unterseite Spuren eines umschnürten Leinenstoffes aufweist, wodurch es als Bestandteil eines Gefäßverschlusses vom Typ Gv. V b identifizierbar ist. Die Abrollung des Amtssiegels, von der sowohl obere als auch untere Begrenzung fehlen, ist spärlich erhalten und läßt lediglich einen winzigen, jedoch bedeutsamen Bestandteil des Horusnamen erkennen: […]¡rw anx (xa.w)[…]

Abgesehen von der Erwähnung König Niuserres (1. Hälfte der 5. Dyn.) sowie der Angabe eines mit sbA.t864 gebildeten, unvollständigen Amtstitels ist dem Siegel keine nennenswerte Information zu entnehmen. Eine letzte Amtssiegelung der 5. Dyn. stammt von der vollständig erhaltenen Haube eines Gefäßverschlusses vom Typus Gv. I a, der in einer Raumverfüllung aus Siedlungsabfall gefunden wurde und an dem der Abdruck der kurzlippigen Mündung eines Vorratsgefäßes von 8,5 cm Dm zu erkennen ist.865 Von der bis zu 4,2 cm großen, überkreuz angebrachten Abrollung läßt sich folgende viergliedrige Sequenz rekonstruieren: ¡rw ©d xa.w xtm(w).t(j) jt[…]¡rw ©d xa.w mr wHa (.w)-“vom Horus Djedchau der Schatzverwalter von Gerste[...] vom Horus Djedchau der Vorsteher der Fischer und Vogelfänger”.

Aufgrund dieser Angabe ist die Amtssiegelung in die Regierungszeit von König Merienre zu datieren und in die Reihe der Belege dieses Herrschers in und um Elephantine einzuordnen.870 Kreisförmige Einstempe-

Wiesbaden 1990, S. 40, Abs. 65 mit weiteren Belegen und mit einem Wortindex von A. Grimm. Funde in Balat aus dem in die 6. Dyn. zu datierenden Palast des Gouverneurs der Oase Dakhla belegen außerdem, daß für eine Kontrolle der Magazine die Verwendung von Papyri nicht unbedingt notwendig war. Stattdessen bediente man sich eines der ältesten Archivierungssysteme dieser Welt, indem die bei den Kontrollen abgefallenen Verschlüsse gesammelt, gebrannt und in der Ecke eines hierfür vorgesehenen Raumes abgelegt wurden. Somit bestand jederzeit die Möglichkeit, die Ein- und Ausgänge in das bzw. aus dem Magazin nachzuvollziehen sowie die hierfür zuständige Person zu identifizieren, s. hierzu L. Pantalacci, in: BIFAO 96, 1996, S. 359-367 sowie Kap. Rollsiegel, S. 7 ff.; ein ähnlich funktionierendes Kontroll- und Archivierungssystem läßt sich bereits zu Beginn des 3. Jtds. in Anatolien, z. B. in Arslan Tepe (Malatya) belegen, s. E. Fiandra und P. Ferioli, Archive Techniques and Methods at Arslan Tepe, in: Archives before writing,1994, S. 149-161. 868 In diesem Zusammenhang möchte ich auch den bislang als “Siegler des Nordens” gelesenen Titel xtm(w.tj) mH.(w) von S. J. Seidlmayer, in: MDAIK 38, 1982, S. 304 ff. und Tf. 65b stattdessen als “Schatzverwalter des Sumpflandgebietes” verstehen. Zum Zeichen mH als allgemeine Bezeichnung für “Sumpflandgebiet”, d. h. als ein Gebiet, in dem Fisch- und Vogelfang natürliche Bestandteile des Alltags sind, wie dies auch im AR belegt ist, s. WB II, S. 125, Anm. 4 und K. Martin, in: LÄ VI, 1986, Sp. 1051 ff.; vgl. in diesem Sinne auch das Kollektivum für Fische mH(.w)t/mHj.t in WB II, S. 127, Anm.10. Eine andere Lesung als D(wj).t-“Papyrus(pflanze)”, die für das AR belegt ist und die zudem unseren neuen Interpretationsvorschlag untermauern würde, könnte ebenfalls erwogen werden, s. WB V, S. 511, Anm. 6-7. 869 Vgl. hierzu C. von Pilgrim, Elephantine XVIII, 1996, S. 275 ff. und 283 f., in dem die Institution einer staatlich kontrollierten Fischerei nahegelegt wird. Inwiefern die dort erwähnten sx.tjw die späteren Nachfolger der Fisch-u. Vogelfänger des Alten Reichs sind, kann an dieser Stelle nur vermutet werden. Interessant in diesem Zusammenhang sind auch die in Elephantine in der Corniche verbauten Steinblöcke, die Reste eines Schutzdekrets von Ramses III. für ein als Sx.t bezeichnetes Gebiet und damit auch für die dort arbeitenden sx.tjw enthalten, s. K. Sethe, Das Zwölfmeilenland Dodekaschoinos an der Grenze von Ägypten und Nubien, Leipzig 1902/Hildesheim 1964, S. 26 ff. Allgemeines zu diesem Grenzgebiet findet sich bei A. Schlott, in: LÄ I, 1975, Sp. 1112 f. 870 Oststadt: Kat. 665, s. zudem Urk. I, 110 u. 111 sowie die Inschrift von Merienre auf dem Naos des Satettempels, die die Präsenz dieses Herrschers im Ersten Kataraktgebiet bzw. in Elephantine eindeutig

Auffällig an dieser Siegelung aus der Regierungszeit von König Asosi (2. Hälfte der 5. Dyn.) sind die beiden Titel xtm(w).t(j) jt […] und mr wHa (.w),866 die zum einen darauf schließen lassen, daß die Lagerung von Getreide unter der Obhut dieses Schatzverwalters stand, und zum anderen, daß ebendies Getreide zur Versorgung der zwei genannten Berufsgruppen der Fischer und Vogelfänger diente. Eine Verwaltung dieser Lebensmittel, d. h. die mit einer solchen einhergehende Einlagerung von Getreide sowie deren Verteilung an Fischer und Vogelfänger durch einen Schatzverwalter und Vorgesetzten läßt darauf schließen, daß beide Berufssparten unter staatlicher Kontrolle standen,867 wie dies auf Elephantine vermutlich 863

Oststadt: Kat. 548; s. zudem S. 30, Anm. 301. Eine ausführliche Diskussion findet sich in diesem Kapitel auf S. 80 ff; zum Nachweis von sbA.t(j) unter König Niuserre s. RAR II, S. 256, Tf. 75, Abb. 23 sowie M. Verner, The Pyramid Complex of Khentkaus, Abusir III, Prag 1995, S. 99. 865 Oststadt: Kat. 565 866 Siehe hierzu K. Martin, in: LÄ VI, 1986, Sp. 1052. 867 Gerade im Hinblick auf die Papyruswirtschaft als königliches “Monopol” erscheint m. E. die Leitung dieser Berufsgruppe der Fischu. Vogelfänger - als Bestandteil der staatlichen Papyrusproduktion durch eine zentrale Behörde nur zu selbstverständlich, von der sie demzufolge auch versorgt und entlohnt wurden, s. hierzu sowie zur Papyruswirtschaft allgemein R. Drenkhahn, in: LÄ IV, 1982, Sp. 667ff. und insb. 669. Auch wenn die Papyri - Produktion vorwiegend der Administration zugute kam, so fanden Papyrusblätter dennoch nicht in all ihren Verwaltungsbereichen Verwendung. Zur Benutzung von Lederhäuten als Schreibmaterial, s. WB V, S. 482, Anm. 6; H. Junker, Weta und das Lederkunsthandwerk im Alten Reich, Wien 1957, S. 24 ff. sowie S. Schott, Bücher und Bibliotheken im Alten Ägypten, Hrsg. E. Schott, 864

82

DIE SIEGELABROLLUNGEN UND ROLLSIEGEL DER STADT ELEPHANTINE

lungen neben dem eigentlichen Amtssiegel, die von einem Knopfsiegel herrühren, deuten darauf hin, daß mit ihm eine Gegensiegelung - gleichsam als zusätzliche, persönliche Unterschrift des Amtssiegelinhabers angebracht worden war.

abgebildet, was die Lesung des Vogels nicht unerheblich erschwert. Der Form nach könnte es sich dabei um das

Ein derartiges Nebeneinander von Knopfsiegel und Horusnamen von König Merienre ist insofern von Bedeutung, als es sich dabei um ein entscheidendes Datierungskriterium für die Verwendung eines Knopfsiegels überhaupt handelt. Auch die Tatsache, daß sein Nachweis direkt aus dem Siedlungsbereich stammt und nicht wie sonst aus funerärem Kontext, stellt bislang ein einmaliges Phänomen dar.871

mwt-“Geier”, zA- bzw. smn-“Gans” oder m“Eule” handeln, doch läßt sich eine Entscheidung - auch anhand des unter dem Vogel befindlichen n oder xt“Holz” - nicht sicher fällen. Unsicher bleiben muß auch die endgültige Bestimmung der restlichen Titelinschrift, derzufolge die Angabe xtm(w.tj) mjtr-“Schatzverwalter der mjtr-Angehörigen” vorliegen könnte.876

Zeichen

nH-“Adler”,

nr-bzw

Weisen somit einerseits die vertikale Trennleiste sowie der verbliebene Restbestand einer Palastfassade unter dem n auf die Abrollung eines Amtssiegels hin, so wäre andererseits davon auszugehen, daß es sich bei dem zugehörigen Horusnamen um einen bisher unbekannten (!) handelt.877

4.1.1.5 Die unbestimmbaren Amtssiegel Nachfolgend ist eine Sammlung diverser Amtssiegelungen zu behandeln, die aufgrund der erhaltenen Serecheinfassungen bzw. der Darstellung des Horusfalken als Amtssiegelungen zu identifizieren sind, auch wenn der Horusname selbst nicht mehr vorhanden bzw. unlesbar ist.

Oststadt: KF 5600 Die aus einer aschehaltigen Raumverfüllung der Oststadt stammende weitere Amtssiegelung878 war auf einem Lehmverschluß angebracht, an dessen Unterseite sich der Abdruck eines mehrfach umschnürten Holzpflockes von 2 cm Dm findet, weshalb er als Türverschluß des Typus Tv. 2 identifiziert werden kann.879 Spärliche Reste zweier sich überlappender Abrollungen ermöglichen lediglich die Rekonstruktion zweier Glieder: […]mr sbA.t ¡rw[…]“Vom Horus der Vorsteher der sbA.t”[…].

Festung: KF 3139 Die erste Siegelung stammt von einem Tonbullenfragment aus dem Südbereich des Festungsareals bzw. des dortigen Hofbereichs,872 das an seiner Unterseite den Abdruck einer verschnürten Holzkiste erkennen läßt und demzufolge als Verschluß vom Typus Tb. 2 a ausgewiesen ist.873 Auf der Oberfläche dieser Versiegelung finden sich Spuren zweier sich überlappender Abrollungen, deren sehr schlechter Erhaltungszustand lediglich die Rekonstruktion einer zweigliedrigen Sequenz ermöglicht: […]xtm((w).t(j))[…]mjtr[…] - […] “Schatzverwalter […]mjtr”[…]

Vom ursprünglichen, innerhalb des Serechs befindlichen Horusnamen ist nur noch ein sehr feiner, kaum wahrnehmbarer vertikaler Strich auszumachen,880 während von der Amtstitulatur einzig die Angabe mr sbA.t[…] zu erkennen ist, die sich zudem nicht mehr vervollständigen läßt, da sowohl unterer wie oberer Rand der Siegelabrollung unkenntlich sind bzw. fehlen.

Eine auffallend dicke Vertikallinie teilt das erhaltene Siegelbild in zwei Hälften,874 in deren linker eine stark

Besondere Aufmerksamkeit kommt damit dem Titel mr sbA.t zu, der in Elephantine bereits zwei Mal belegt ist: neben dem Nachweis auf einer Abrollung findet er sich auf einem im Siedlungskontext verbauten Friesblock

verzerrte Hieroglyphe sowie über dieser ein weiteres, nicht mehr sicher zu identifizierendes Zeichen erkennbar sind,875 während sich in der rechten die Darstellung eines großen - kopflosen - Vogels und ein als n oder xt auszumachendes Zeichen finden. An der Stelle des Vogelkopfes ist die obere Schlaufe des mj-Zeichens,

A-bzw.

876 Ein Titel xtm(w.tj) mjtr-“Schatzverwalter der mjtr-Leute” ist bislang nicht belegt, würde sich jedoch in die Reihe der übrigen Beamtentitel dieser Gruppe bestens einfügen, s. S. 70. und 144 ff. Aufgrund der unterschiedlichen Breite der Siegelungen wäre zu erwägen, ob die Überlappung des Amtssiegels (xtm(w.tj) o. vielleicht auch xtm(w)-“der Schließende/der Siegler...) vom Privatsiegel eines mjtr nicht Ausdruck des bekannten Kontrollverfahren der Gegensiegelung vorliegen könnte. 877 Deutet man sie hingegen als Bestandteile eines mit Mn beginnenden Personennamens, so läge ein Beamtensiegel vor; zur Datierung aufgrund der Vertikalgliederung in die ausgehende 3. Dyn. bzw. in die 4. Dyn. s. S. 76 mit Anm. 793-795. Der an das Ende der 2. Dyn. datierte stratifizierte Fundkontext schließt jedoch eine derartige späte Datierung völlig aus, so daß von einer Amtssiegelung mit einem unbekannten Horusnamen auszugehen dürfte. 878 Oststadt: Kat. 566 879 Siehe hierzu S. 58, Anm. 623. 880 Inwiefern es sich dabei um ein wsr handelt und dies Hinweis auf den Horusnamen Wsr jb von König Chefren ist, läßt sich aufgrund des dürftigen Erhaltungszustandes nur vermuten.

, der zweiten, überlappenden Abrollung

belegen, s. hierzu H. Ricke, in: Beiträge Bf. 6, Kairo 1960, S. 54, Anm. 18 und Abb. 15 sowie auch G. Dreyer, in: MDAIK 31, 1975, S. 56. 871 Ein weiteres Knopfsiegel ist in der Oststadt gefunden worden, s. Oststadt: Kat. 571 und S. 61f. 872 Festung: Kat. 137 873 Hierzu vgl. S. 44. 874 Ausschlaggebend für die Bestimmung dieser Siegelung als Amtsoder Beamtensiegel ist die Deutung der Vertikalleiste, die Rest einer Serechumrahmung oder aber Bestandteil einer Vertikalgliederung sein könnte. 875 Der Form nach könnte es sich hierbei entweder um ein stark abgeriebenes Zeichen für bdt-“Emmer “(Gard.) handeln oder um den Mittelbereich eines mj-Zeichens.

83

JEAN-PIERRE PÄTZNICK

einer Mastaba, allerdings in Verbindung mit nsw.t.881 S. Seidlmayer, der diese Inschrift als Angelpunkt, um die bisherige Belegsituation der mit sbA(w) und sbA.t(j) gebildeten Titel eingehend zu prüfen, kam zu dem Ergebnis, daß mr sbA.t. üblicherweise mit “Vorsteher der Steuermänner” bzw. “Overseer of the pilots” wiedergegeben wird, weshalb er den von ihm entdeckten, neuen Titel mr sbA.t nsw.t ebenfalls einer derartigen die “nautischen” Charakterisierung zuordnete und ihn konsequent mit “Vorsteher der Steuermänner des Königs” übersetzte.882

“Sternenbeobachter” graphisch wie semantisch in Anlehnung an dem späteren Titel (j)m(j) wnwt“Stundenbeobachter”887 eine interessante Parallele und Konotation, die auch sein Dasein am Bug des Totenschiffes gerade im Kontext der Nacht-oder der frühmorgigen Navigation auf dem Nil oder in den Kanälen zumindest rechtfertigen lassen würde. Andererseits könnte auch der Titel m sbA(.w) als “Der in der Eigenschaft als Anweisender ist”888 verstanden werden, womit dieser nicht nur dem heutigen Lotsen in seiner richtweisenden Funktion am Bord eines Segelschiffes entsprechen würde, sondern auch sein Platz am Schiffsbug erklären würde.

Eine intensive Überprüfung der Belegsituation läßt jedoch an einer derartigen Wiedergabe begründete Zweifel aufkommen, zumal prinzipiell weder ein Verbum sbA-“steuern/lenken”883 noch ein Substantiv sbA“Steuermann” bekannt ist884 und zudem beide in der gesamten Titelkunde des AR in diesem Sinne nicht belegt sind.885

Gerade der zu erkennende aufgebahrte schwere Sarg des Verstorbenen auf dem Schiff sowie die eingezogenen Segel lassen unschwer auf das Treideln bei einer Totenfahrt schließen. Umso unverständlicher erscheint hingegen ein “Steuermann” oder gar ein “Vorsteher der Steuermänner” am Bug des Schiffes, da diese eher am Heck, d. h. am Steuerruder stünden wie auch Darstellungen oder Holzmodellen der Totenfahrt / Abydosfahrt es eindrucksvoll widergeben.889

Darüberhinaus zeigte die Durchsicht der fünf Nachweise von mr sbA(w.w) bzw. von mr sbA(w.w)t, daß in zwei Fällen, in denen die Titel in einem nautischen Kontext bzw. im Rahmen einer Totenfahrt begegnen, die Emendierung eines r vorgenommen wurde. So ergänzte K. Sethe aufgrund vorliegender Zeichnungen und Fotographien von G. A. Reisner die Darstellung im Grab von Senedj-ib um ebensolches r, wohingegen die ältere Wiedergabe von R. Lepsius keine Spuren einer derartig verriebenen Stelle zeigt.886 Dabei bedarf es m. E. keiner besonderen Ergänzung. Der Titel (j)m(j) sbA(.w) des dritten Mannes am Schiffsbug erfährt zum einen als

Die zweite Emendierung nahm H. G. Fischer im Grab von ©aw in Deir el Gebrawi vor, indem er die Gruppe m sbA als m(r) sbA- Overseer of pilots ergänzte,890 während N. de G. Davies die gesamte Szene als “one seems to be dancing round the master of the ceremonies”.891 Es scheint durchaus möglich, daß sich H. G. Fischer hier von H. Junker beinflussen ließ (s. dort S. 19, Anm. 15 !), als er selbst anmerkte: “the first group of signs is apparently “captain of the ship’s crew”, and this suggests that the next is m[r] (s)bA- Overseer of pilots”. Im Anschluß an der Deutung der Szene durch N. de G. Davies liegt es aber nahe, darin - jmj jr.ty apr wjA(.w) m sbA jXnwSchiffskapitän, weise (noch) nicht die Navigation/Fahrt an - eine Aufforderung zu dem Schiffskapitän die bevorstehende Totenfahrt noch nicht anzuweisen und sich stattdessen zu Ehren des Verschiedenen an Tanz und Gesang zunächst ablenken zu lassen bzw. mitzubeteiligen - zu erkennen.

881

Zum Befund s. M. Ziermann, in: MDAIK 48, 1992, S. 161 ff., Abb. 1-2 sowie Tf. 37 u. 38 a; zur Inschrift s. S. J. Seidlmayer, a. a. O., S. 167 ff., Abb. 3 u. Tf. 38 b. 882 Diese Belege haben in die Rubrik der nautischen Titel des Alten Reichs entsprechenden Eingang gefunden, s. hierzu v. a. D. Jones, A Glossary of Ancient Egyptian Nautical Titles and Terms, London- New York 1988, S. 61 sowie P. M. Chevereau, in: RdE 40, 1989, S. 23 und Anm. 28. 883 Die Wiedergabe von sbA mit “steuern, lenken” beruht einzig und allein auf einer Interpretation von H. Junker, dessen Zusammenstellung von Belegen eigenartigerweise keine einzige Parallelle im Wörterbuch hat. Auch sbA.t(j) mw, das H. Junker ( Giza IV, 1940, S. 60 ff. Tf. III, V und VII) als “Meister des Wassers” deutet, klingt m. E. eher wie eine ironische Bezeichnung des Adressaten; demgegenüber dürfte jrj sbA.t(=j) (LD II, S. 96) in einer weiteren nautischen Szene als Aufforderung - “Führe die Anweisung/meine Anweisung aus” aufzufassen sein, sowie bereits A. Erman, Reden, Rufe und Lieder auf Gräberbildern des Alten Reiches, Berlin 1919, S. 55 und WB IV, S. 86, Anm. 2. 884 Belegt sind hingegen: sbA-“Stern” s. WB IV, S. 82 f.; sbA-“Tor, Tür” s. WB IV, S. 83; sbA-“Zögling” s. WB IV, S. 84; sbA“Lehrer,Erzieher” s. WB IV, S. 85; sbA-“Lehre, Erziehung” s. WB IV, S. 85, Anm. 6; sbA-“unterrichten, erziehen” s. WB IV, S. 83 f.; sbA als eine Art Sonnenschirm s. H. G. Fischer, in: MMJ 6, 1972, bes. S. 67, Abb. 1, 4 und 5. Vgl. ferner ders., in: JARCE 13,1976, S. 9 f. und Abb. 2; ders., Addenda, in: Ancient Egypt in the Metropolitan Museum Journal, 1977, S. 182 f. 885 Das Wort “Steuer” ist in nautischem Sinn seit dem Alten Reich (WB III, S. 80) mit Hmw wiedergegeben und der Titel “Steuermann” entsprechend mit Hmw bzw. jrj Hmw (WB III, S. 81) belegt. Zu Hmw“Steuermann” s. H. Goedicke, in: JEA 54, 1973, S. 23 ff. 886 LD II, S. 76e; Urk. I, 67, 3.

Die beiden nächsten Titelbezeichnungen - mr sbA(.w) ms.w nsw.t-“Vorsteher der Ausbilder der Königskinder”892 und mr sbA.w ms.w nsw.t Xt=f887

WB I, S. 316, Anm. 2 und J. Osing, in: LÄ VI, 1986, Sp. 100. WB II, S. 1, Anm. VI -25. 889 Siehe hierzu H. Altenmüller, in: LÄ I, 1975, Sp. 44 “Die Besatzung der Barke besteht aus dem Steuermann am Heck und einem Priester als Lotsen, der am Bug mit einem weißen Tuch dem Steuermann Zeichen gibt.”. 890 H. G. Fischer, in: JARCE 13, 1976, S.16, Abb. 8- II. 891 N. de G. Davies, Deir el Gebrâwi, Part II, London 1902, S. 8, Tf. VII - Grab von ©aw-. 892 MM, - D7 -, S. 189; Urk. I, 181 -3; E. Feucht, Das Kind im Alten Ägypten, Franfurt/New-York 1995, S. 229 f., Anm. 1139. Siehe auch W. Helck, Beamtentitel, S. 109 mit Anm. 109 “Lehrer der Prinzen” wobei allerdings angemerkt werden muß, daß neben mr sbA lediglich ms zu erkennen ist. 888

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DIE SIEGELABROLLUNGEN UND ROLLSIEGEL DER STADT ELEPHANTINE

“Vorsteher der Ausbilder der Königskinder seines Leibes”893 - kennzeichnen die Titelträger als...894 Hinzu kommt, daß es sich bei beiden Titelträgern um hochrangige Militäre gehandelt hat, die für die Ausbildung der jungen Prinzen geradezu prädestiniert waren. Wer, wenn nicht diese hochangesehenen erfahrenen Militärführer, hätte sonst den jungen Prinzen die nötigen und grundlegenden Kenntnisse über Waffenausbildung, Menschenführung, Logistik oder auch Truppenbewegung zu Wasser und zu Lande vermitteln können.895

Nachweis eines Amtssiegels auf einem Türverschluß aus der Oststadt von Elephantine insofern besondere Bedeutung zu, als es einen Beamten in der Funktion eines eines mr sbA.t ausweist, der die Tür eines Raumes eines staatlichen Gebäudes verschlossen bzw. versiegelt hat. Die Tatsache, daß der Beamte sein Amts- und nicht sein Beamtensiegel benutzt hatte, wie dies bei der Kontrolle gewöhnlicher Lagerhäuser oder von Magazinräumen der Fall war, macht es durchaus vorstellbar, daß es sich bei dem Gebäude um eine Königsschule als einer Art staatlicher Ausbildungszentrum gehandelt hat.900

Dem fünften - und damit letzten - Nachweis von mr sbA(w)[…] in den Abusir-Papyri896 lassen sich nur wenig Informationen entnehmen, da das Papyrusblatt nach sbA abgebrochen ist und somit jede Ergänzung - sei es mit dem Personennamen des Titelträgers bzw. einer Titulatur - (z. B. mit ms.w nsw.t-“... der Königskinder”) - lediglich im Rahmen der Spekulation bleibt. Allerdings macht die Tatsache, daß mr sbA(w)[…] Bestandteil einer Liste von Palastangestellten ist, und zwar zwischen einem Arzt-snw pr aA-“Arzt des Palastes” und einem “Nagelpfleger des Palastes”, d. h. zwischen hohen Persönlichkeiten, die dem König und seiner Familie nahestanden, macht die Erwähnung eines “Vorsteher(s) der Steuermänner” auf dieser Liste sehr unwahrscheinlich, spricht hingegen deutlich für einen “Vorsteher der Ausbilder...”.

Oststadt: KF 5393 -10 Spuren einer Verschnürung sowie der Maserung von Holz an seiner Unterseite identifizieren einen weiteren, aus einer Raumverfüllung der Oststadt stammenden Verschluß als Kistenverschluß vom Typus Tb. 2 a.901 Obwohl die auf ihm angebrachte Amtssiegelung kaum zu erkennen ist und unterer wie oberer Rand der Abrollung fehlen und somit eine Bestimmung der Breite unmöglich machen, läßt sich dennoch eine viergliedrige Sequenz rekonstruieren: […]¡rw[…]zA ¡rw[…]sxm.ty[…]-[…]”Vom Horus[…] der Ställe[…] sxm.ty[…]des Horus”[…]. Auch in dieser Amtssiegelung ist der Horusname nicht erhalten. Eigenartig ist ein bisher in der Königsheraldik des Elephantiner Materials nicht bekanntes Muster: die Sxm.ty-Doppelkronen von Ober- und Unterägypten,902 das nachweislich zum ersten Mal in der Regierungszeit des Königs Snofru zu Beginn der 4. Dyn. begegnet903 und sich bis zum Ende der 5. Dyn. nachweisen läßt.904 Nicht mehr zu ermitteln ist das unter der Doppelkrone befindliche, mit s beginnende Wort, bei dem es sich kaum um den Beginn des Herrinnennamens von König Snofru handeln dürfte, der bekanntermaßen wie sein nsw.t bj.tjName Nb mAa.t lautet.905

Zusammenfassend bleibt festzustellen, daß die bislang erfolgte Wiedergabe des Titels mr sbA(w) mit “Vorsteher der Steuermänner” ebenso unwahrscheinlich ist wie die des Titels mr sbA(w.w)t nsw.t mit “Vorsteher der Steuermänner des Königs”.897 Demgegenüber läßt die Tatsache, daß der Titel sbA(w).t(j) nsw.t-“Königsge/belehrter” im AR belegt ist,898 darauf schließen, daß es sich bei mr sbA(w).t(j) nsw.t eher um einen “Vorsteher der Königsge-/belehrten” oder gar um den “Vorsteher der Königsschule” auf Elephantine gehandelt haben könnte.899 In diesem Zusammenhang kommt dem

Ebenfalls unbestimmt bleiben muß die Amtstitulatur des Beamten, von der lediglich die Angabe zA in der Form

893

S. Hassan, Giza VII, 1953, S. 65 - 71, Abb. 55 und Abb. 60, Tf. XXXV A -B “Overseer of the Tutors of the Kingschildren”; s. auch S. J. Seidlmayer, op. cit., S. 169. 894 In diesem Zusammenhang sei auf die Statue eines sbA(w) ms.w nsw.t-“Ausbilder der Königskinder” aufmerksam gemacht, bei dessem Vorgesetzten es sich wohl um den mr sbA.w ms.w nsw.t handeln dürfte, was für eine Ausbildung der Königskinder durch unterschiedliche Lehrer sprechen könnte, s. hierzu W. Helck, Beamtentitel, S. 109 mit Anm. 15. 895 Eine Lesung der beiden Titel als “Vorsteher der Steuermänner der Königskinder/-seines Leibes” dürfte aus interpretatorischen Gründen auszuschließen sein. 896 P. Posener-Kriéger,Archives Abousir, S. 388 und S. 596; dies. u. J.L. de Cenival, The Abusir Papyri, in: Hieratic Papyri in the British Museum Fifth Series, London 1968, Tf. LXII-LXII A, Kol. 42 . 897 S. J. Seidlmayer, op. cit., S. 167; folgt man jedoch seiner Deutung, müßte der Titel sbA(w.)t(j) nsw.t-“Steuermann des Königs” sinngemäß aufgefaßt werden, was im Kontext von Expeditionen in die Wüste oder bei der Durchführung von Totenritualen sehr befremdlich wirkt. 898 Siehe hierzu ausführlich oben S. 80 ff. 899 Einen mr sbA.t nsw.t als Vorsteher der “Königsge-/belehrten” oder gar - in Anlehnung an den Begriff at sbA-“Schule” in WB IV, S. 85, Anm. 7 - als “Vorsteher einer sbA.t nsw.t-Königsschule” zu verstehen, wäre in Elephantine durchaus vorstellbar, bedenkt man gerade dort die Bedeutung der Sternenbeobachtungen z. B. beim Sothisaufgang für die

kommende Nilüberschwemmung oder für die Teilnahme an Expeditionen. 900 Inwiefern der anonyme Titelträger mit dem auf dem Friesblock des Mastabagrabes erwähnten identisch ist, kann nur vermutet werden. Obwohl beide die einzigen Belege für eine Schreibung des Titels mr sbA.t darstellen, auf ein staatliches Gebäude in Elephantine in der Oststadt hinweisen und möglicherweise in dieselbe Zeit datieren, läßt sich eine letzte Gewißheit aufgrund der unvollständigen Abrollung bzw. des Nachweises von nsw.t lediglich auf der Architrav der Mastaba nicht erzielen. 901 Oststadt: Kat. 490; zur Tb. 2 a, s. S. 44, Anm. 445. 902 P. Kaplony liest stattdessen Nb.ty, wobei seinem Verweis auf das königliche Epitheton nb sxm.t(y) durchaus zuzustimmen ist , s. hierzu RAR II-A, S. 6 f. 903 P. Kaplony, op. cit., zuzüglich Tf. 2 - 3. 904 Ders., op. cit. S. 348 und Tf. 94, Abb. 7; hierbei handelt es sich um den letzten Herrscher der 5. Dyn., König Unas. Die derzeitige Beleglage weist das Muster der sxm.ty-Doppelkronen für die 6. Dyn. nicht mehr aus. 905 P. Kaplony, op. cit., Tf. 2, Abb. 3 sowie Tf. 3, Abb. 8; s. auch A. H. Gardiner and T. E. Peet, The Inscriptions of Sinai. Part I, London 1917, Tf. II.

85

JEAN-PIERRE PÄTZNICK

Derartige Lieferungen von staatlichen Institutionen lassen zunächst auf den Aufbau der auf Elephantine neu eingerichteten Residenz und Verwaltung schließen.

auszumachen ist, die aber immerhin nahelegt, daß in der Zuständigkeit des Amtsträgers - auch - die Kontrolle der Viehverwaltung bzw. die Versorgung von Viehställen in der Oststadt lag.906

Andererseits scheint ein Teil der Siegelungen den Privatbesitz des Gouverneurs von Elephantine selbst gekennzeichnet zu haben (z. B. ein Weindepot), was Ausdruck hohen Lebensstandards ist. Weitere Amtssiegelungen aus der Zeit von Horus Netjerichet wiederum deuten auf die Organisation und Kontrolle der mjtr-Titelträger als einem der grundlegenden ökonomischen Pfeiler der Stadt- und Zivilverwaltung sowie auf die vorstellbare Existenz einer Behörde hin, die ausschließlich für fremdländische Arbeiter zuständig gewesen sein schien.

Die Tatsache, daß sich diese Amtssiegelung auf einem Kistenverschluß findet, läßt darauf schließen, daß das bzw. die in der Kiste versiegelten Produkt(e) zur Versorgung der in der Oststadt Elephantines befindlichen Viehställe oder tätigen Personals diente. Um welches Produkt bzw. um welche Produkte es sich dabei konkret gehandelt hat, läßt sich nicht mehr eruieren, doch dürfte Getreide als möglicher Inhalt auszuschließen sein, da dies meist in großen versiegelten Vorratsgefäßen gelagert und transportiert wurde.

Die Siegelungen der 5. Dyn., auf denen fast alle Herrscher dieses Zeitraumes genannt sind, lassen zum einen erkennen, darauf, daß Fisch- und Vogelfang staatlich kontrolliert wurden und verweisen zum anderen auf die besondere Aktivität von sbA.t(j) nsw.t-“Königsge/belehrten” (o. ä.), bei denen es sich um eine Art “königlicher Wissenschaftler” gehandelt haben dürfte. Ein derartiger Nachweis impliziert dabei nicht nur die Einrichtung bzw. die Existenz einer Königsschule (o. ä.) in Elephantine - sbA.t nsw.t - als Sternwarte und “Rechenzentrum”, in der Sternenbeobachtungen, v. a. des Sothissterns, durchgeführt und/oder Berechnungen notwendige Berechnungen, z. B. der bevorstehenden Nilüberschwemmung angestellt wurden bzw. die Festlegung des jährlichen Steuersatzes für das gesamte Land erfolgte, sondern bekundet zudem das Interesse der ersten Könige dieser Dynastie für die Inselstadt.907

4.1.1.6 Die Amtssiegel: Gesamtzusammenfassung Das vorliegende Elephantiner Siegelmaterial zählt insgesamt 27 Amtssiegel, die einen Zeitraum von der 2. Hälfte der 2. Dyn. bis zu Beginn der 6. Dyn. umspannen. Auffällig hierbei ist das Fehlen von Amtssiegelungen aus der Regierungszeit von Horus Chasechemui am Ende der 2. Dyn. sowie aus der gesamten 4. Dyn. Die zwei ältesten Amtssiegel datieren in die Zeit von Asch Peribsen (2. Hälfte der 2. Dyn.) und stammen aus der Nordoststadt bzw. der Festung. Während letztere die bürokratische bzw. administrative Einbindung der Inselstadt bzw. deren umschlossenen Bezirks (Festung) in die königliche Verwaltung Oberägyptens bzw. des Südens belegt, ist erstere möglicherweise Hinweis auf eine Kulteinrichtung einer entweder bereits installierten oder von König Peribsen erst gestifteten Statue im Tempel der Göttin von Elephantine.

Die einzige in unserem Material nachzuweisende Amtssiegelung stammt aus der 6. Dyn., und zwar bezeichnenderweise aus der Verwaltung von König Merenre, einem Herrscher dessen Spuren auf und um Elephantine zu finden sind.

Den umfangreichsten Anteil nehmen die Amtssiegelungen der 3. Dyn. ein, die sämtliche heute bekannten Horusnamen von Horus Netjerichet bis Horus Chaba aufweisen und zur Gänze aus der Oststadt, dem neugegründeten Wirtschaftsbereich der 3. Dyn. stammen. Der Hauptanteil dieser Siegelungen war an Topfverschlüssen angebracht und rührt von Lieferungen der - sehr wahrscheinlich in Thinis gelegenen Zentralstelle für Getreideverwaltung her, die für das vermutlich in der Residenz des Gouverneurs von Elephantine tätige - und allem Anschein nach in einem in bestimmten Zeiteinheiten rotierenden Phylensystem organisierte - Personal bestimmt waren.

907 Siehe hierzu auf dem Palermostein die Einträge der Könige Userkaf und Sahure sowie den Vermerk gm.t pr m Abw - “Das (Auf)finden der Domäne in Elephantine”, s. Urk. I, 241 -3 (König Userkaf) und tpj zbj.t r Smaj gm.t pr m Ab(w) rnp.t pXr - “Erstmalige Expedition nach Süden Besuch (Auffinden) der Domäne in (bzw. auf) Elephantine (im) Jahr des Durchziehen”, Urk. I, 243 (x+3) (König Sahure) und zp xmtw gm.t pr m Ab(w) rnp.t xt zp snw Tnw.t - “Dritter Besuch der Domäne in (bzw. auf) Elephantine (im) Jahr nach der zweiten Zählung”, Urk. I, 245 -3 (König Sahure).

906

Zu siehe WB III, S. 413, Anm. 5; zu einem weiteren Nachweis einer Viehverwaltung in der sog. Nordweststadt Elephantines, s. G. Dreyer, in: FS G. Fecht Form und Mass, ÄAT 12, Wiesbaden 1987, S. 99, Abb. 1 b sowie Tf. 2 (I a). Hierbei sollte man von der Vorstellung einer “Schafzucht im Raum Heliopolis” Abschied nehmen und eher eine “Zählung von... der Domäne des Schafsbocks” annehmen, die besser zum lokalen Kontext m. M. n. sich einfügen läßt.

86

DIE SIEGELABROLLUNGEN UND ROLLSIEGEL DER STADT ELEPHANTINE

Verschlüsse Gv. I a/ Gv. I c Gv. IV c Gv. V b Tb.1 Tb. 2 a Tb. 2 b Tb. 4 Tv. 2 Uv. 1/ Uv. 2 Unbest. Gesamt

2. Dyn. späte

3. Dyn. Anf. 5

1

3. Dyn. späte 1 4

5. Dyn.

6. Dyn.

Unbest.

1

7 5 1 2 1 3 2 1 1 1 1 3

1 1

1 1 1

2

2 1 1 1 1 2

2

1

10

8

4

1

Gesamt

3

28

Tabelle 33: Verteilung der Amtssiegelungen nach Verschlüssen und Dyn. Königsnamen Asch Peribsen

Satet-Süd

Festung

Nordoststadt

1

Oststadt

1

Gesamt 2

Horus Netjerichet

8

8

Horus Sanacht

2

2

Horus Sechemchet

3

3

Horus Chaba

5

5

4. Dyn. König Userkaf

0 1

1

König Neferirkare

1

1

König Niuserre

1

1

König Djedkare

1

1

König Merenre

1

1

2

3

24

28

Unbestimmte

1

Gesamt

2

2

Tabelle 34: Topographische Verteilung der Königsnamen auf Amtssiegeln

87

JEAN-PIERRE PÄTZNICK

4.2

ausschlaggebend war, da es ja hierfür die eigens zugeschnittenen Roll- bzw. Beamtensiegel gab.911

Die Lokalverwaltung: Die Beamtensiegel

P. Kaplony bezeichnet mit dem Terminus “Beamtensiegel” ein zweigliedriges Siegelmuster, das prinzipiell aus einem Titel und einem Personennamen zusammengesetzt ist.908 Dabei bleibt allerdings die Bedeutung des verwendeten Begriffes “Beamter” in diesem Kompositum an sich völlig außer acht. Gerade das Wort selbst jedoch trägt in sich den Schlüssel zum Verständnis dieser Siegelkategorie und verdient daher grundsätzliche Betrachtung. Die Frage, die sich aufdrängt, lautet darum: Was ist ein Beamter und wie ist das Wort “Beamter” vom ägyptologischen Standpunkt aus zu begreifen?

Worin aber besteht dann der Unterschied zwischen Amtstitel und Beamtentitel, wenn im Grunde genommen beide “Verbeamtete” sind? Kaplonys Ansatz, ausschließich das Siegelmuster zum Unterscheidungskriterium zu machen, wonach das Amtssiegel durch den Horusnamen des regierenden Königs sowie die Amtstitulatur eines nicht eigens, d. h. namentlich aufgeführten Amtstitelträgers und das Beamtensiegel durch den Titel sowie den diesen begleitenden Personennamen des Funktionärs charakterisiert sind, legt eine Definition nach siegeltechnischen Kriterien zugrunde, die m. E. dem Wesen beider Siegelungen nicht ausreichend gerecht wird bzw. zwischen beiden zu wenig differenziert.912

Nach allgemeingültiger Definition wird unter dem Fachterminus “Beamter” der “Inhaber eines öffentlichen Amtes, entweder im Staatsdienst oder im Dienst privatwirtschaftlicher Unternehmen” verstanden.909 Das Augenmerk richtet sich dabei auf das Wort “öffentlich”, das man gewöhnlich mit “staatlich, städtisch, der Gemeinde angehörend” gleichgesetzt wird.

Die Amtseinsetzung eines Beamten erfolgte nach altägyptischer Amtsauffassung mit der Übergabe des Amtssiegels in der Gegenwart des Königs.913 Das Amtssiegel trägt den Königsnamen, d. h. den Horusnamen des Herrschers und benennt ferner den verwaltungstechnischen Zuständigkeitsbereich, für den der Ausgezeichnete verantwortlich war, wohingegen der Eigenname ist - in dieser Zeit - nie erwähnt ist.

Ägyptologisch verstand seinerseits W. Helck die Beamtenfunktion wie folgt: “Da die Grundlage jeder Verwaltung die Schrift ist, ist Schreiben können Hauptkriterium für die Einfügung eines Einzelnen in die Gruppe der Verwaltenden, die unter Übernahme eines ähnlichen modernen Ausdrucks von uns “Beamte” genannt werden”.910 Eine derartige semantische Übertragung einer recht modernen Deutung auf das administrative Personal des gesamten Verwaltungsapparates zu Beginn des 3. Jt. ist jedoch nicht unproblematisch, bietet sie doch den trügerischen Vorteil, eine bestimmte Gruppe von Verwaltenden etwas näher, d. h. zeitgemäßer zu vergegenwärtigen, was jedoch durch Angleichen zweier Staatsorganisationen geschieht, die de facto grundsätzlich nichts miteinander gemein haben.

Mit der Übertragung des Amtssiegels durch die Hand des Königs geschieht etwas, daß den begünstigten Einzelnen direkt mit dem König in Verbindung bringt und ihn gleichzeitig über seine bisherige Funktion hinaus aufwertet. Mit einer derartigen Beförderung übernimmt er, so Helck, gleichsam einen Bereich der ursprünglichen Königsmacht.914 Er wird damit m. M. n. vom bisherigen Beamtenstatus einer lokalen Verwaltung feierlich in die übergreifende königliche Institution eines Beamten der Zentralverwaltung bzw. zum Staatsbeamten erhoben. Der Unterschied zwischen Beamtensiegel und Amtssiegel läge demnach in der einerseits lokal und andererseits staatlich übertragenen auszuübenden Funktion eines Amtsträgers.

Gegen W. Helck, der im Alten Ägypten allein die Gruppe der zS-Schreiber als “Beamte” verstanden haben wollte, ist indes zu betonen, daß diese Titelbezeichnung sämtliche Funktionsträger einer Verwaltung umfaßte, unabhängig davon ob sie des Schreibens oder Lesens kundig waren, was für die Übernahme von Verantwortung bzw. die Ausübung von Kontrolle nicht

911

Zu diesem besonderen Aspekt der Siegelverwendung siehe S. 7f. RAR I, S. 10 “Die Frühzeit unterscheidet zwischen zwei Haupttypen des Siegels, dem Amtssiegel (HN + Amtsname/ Beamtentitel ohne Beamtenname) und dem Beamtensiegel (Beamtenname + Beamtentitel oder Amtsname);” s. auch ders, in: LÄ V, Sp. 294 f., wonach Kaplony die Amtssiegel als “Verbindungen von Beamtentiteln mit dem Horusnamen des regierenden Königs” bestimmt, was die Frage aufwirft, ob bzw. wie die beiden dann noch zu unterscheiden wären. Ebensowenig zu einer Erklärung trägt die von ihm geäußerte Bemerkung bei, “Die in Serien durch den König edierten sekundären Königssiegel des Alten Reichs stehen sicher weiteren Kreisen des Volkes offen als die alten Beamtensiegel, die ein Amt, einen Beruf voraussetzen”, die zwar der bereits von ihm festgelegten Definition entspricht, jedoch offen läßt, was das Innehaben eines Amtes mit der Ausübung einer beruflichen Tätigkeit gemein hat, s. ders. in RAR I, S. 5. 913 Siehe hierzu S. 9, Anm. 62. 914 W. Helck, Beamtentitel, S. 12 f.; dieses Verhältnis findet in der Aussage “wie ein Gott ein Glied von sich aussendet” für einen vom König entsandten Beamten einen bemerkenswerten Anklang. 912

908

IÄF I , S. 9 und RAR I, S. 5 u.14 f. Wahrig, Deutsches Wörterbuch 1986/87, S. 236. 910 W. Helck, in: LÄ I, 1975, Sp. 672; diese Vorstellung mag sicher für die späteren Epochen der pharaonischen Zeit z. B. für das NR zutreffen, ist aber in dieser frühen Zeit nicht zu behaupten. Auch die zahlreichen Abdrücke von Siegelabrollungen, die vorwiegend in funerärem Kontext (zur Versorgung von Königen wie auch von hohen Beamten) gefunden wurden, sprechen nicht unbedingt für Schriftkenntnis. Vielmehr ist davon auszugehen, daß die Hauptmasse der Verwaltenden in der Frühzeit des Lesens und Schreibens unkundig war - ein Dilemma, dem die Einführung des Rollsiegels durchaus Rechnung getragen haben dürfte. Ein ähnliches Phänomen ließ sich übrigens noch vor einigen Jahrzehnten in Ägypten beobachten, wonach Arbeiter, die nicht schreiben konnten, den Lohnempfang mittels Abdrücken ihres Privatsiegels bestätigten. 909

88

DIE SIEGELABROLLUNGEN UND ROLLSIEGEL DER STADT ELEPHANTINE

Beamtensiegel Rollsiegel Gv.: Tb.: Tv.:

Festung

Satet-Süd

1

3

26

11

43 4

NO-Stadt u. Erweiterung

Oststadt

Gesamt

4

8

8

42

87

1

10

31

85

5

1

3

13

1

1

3

3

84

197

Uv.: Unklar Gesamt

20

74

19

Tabelle 35: Stadttopogr. Gesamtverteilung der Beamtensiegelungen Auffällig ist zum einen, daß die Belege auf Gefäßverschlüssen und Tonbullen allein 88% der gesamten 197 Siegelabrollungen ausmachen, was zunächst auf eine intensive Kontrolle des Güterverkehrs durch die Beamtenschaft hinweist. Zum anderen macht die stadttopographische Verteilung des gesamten Materials, was nachfolgende Tabelle illustriert, lokale Schwerpunkte ihrer Siegeltätigkeit deutlich, wonach allein 42 von insgesamt 87 Gefäßverschlüssen aus der Oststadt stammen, 36 von insgesamt 85 Tonbullen aus der Festung und fünf der 13 Türverschlüsse aus dem Südbereich des Satettempels.

4.2.1 Die Beamtensiegel im Elephantiner Material Siegel dieser Verwaltungsträger konnten an insgesamt 197 untersuchten Objekten (hierunter acht Holzrollsiegel)915 mehr oder weniger gut erhalten nachgewiesen werden. Gefunden wurden sie in sämtlichen Stadtbereichen, wobei 84 aus der Oststadt, 74 aus dem Festungsareal, 20 aus dem Südbereich des Satettempels und 19 aus der Nordoststadt stammen. Abdrücke dieser Beamtensiegel fanden sich auf allen typologisch erfaßten Lehmverschlüssen, wobei 87 Siegelungen auf Gefäßverschlüssen angebracht waren, 85 auf Tonbullen, 13 auf Türverschlüssen, eine einzige auf einem Urkundenverschluß sowie drei weitere auf Verschlüssen, deren typologische Zuordnung nicht gesichert ist - eine Verteilung, die durch nachfolgendes Diagramm verdeutlicht wird:

Die auf den zahlreichen Abrollungen nachzuweisenden Beamtensiegelungen lassen nicht nur eine Fülle von bereits bekannten sowie unbekannten oder schwer zu interpretierenden bzw. zu lesenden Titeln erkennen, sondern ermöglichen zunächst die Klassifikation und Bestimmung von sieben unterschiedlichen Gruppen solcher Beamtensiegelungen, auf die im folgenden näher einzugehen ist: es handelt sich hierbei um die zSSchreiber, die jrj x(w).t nsw.t-“die vom König geschützten”, die Hrj (w)DA.t-“Lagerhausverwalter”, die Hrj mA-“Kontrollbeamter”, die Hrj s(w)DA(.w)-“Oberster Bewahrer”, die Sms-“Begleiter” und die mDH wxr.ty nsw.t nTr(.t)-“Direktor der beiden Werften des Königs und der Göttin”.916

Verschlußtypologie

Beamtensiegel

Unklar Urkundenverschluß Türverschluß Tonbulle

4.2.1.1 Die

Gefäßverschluß 0

100

Der Titel zS917-Schreiber ist spätestens in der 2. Hälfte der 2. Dyn. bekannt und durch die gesamte altägyptische

Tabelle 36: Verteilung der Beamtensiegelungen auf die einzelnen Verschlußformen

915

zS-Schreiber zS

916 Neben diesen Hauptgruppen begegnen ferner einige Titel auf, die gesondert besprochen und im Anhang “Titelliste” mit der entsprechenden Seitenangabe aufgeführt sind. 917 Bei dieser Form handelt es sich um die alte geläufigere Umschrift des Schreibertitels, die zum allgemeinen Verständnis auch in der vorliegenden Arbeit beibehalten wurde, obwohl die korrektere Form nach

Siehe hierzu S. 20 f.

89

JEAN-PIERRE PÄTZNICK

Geschichte belegt.918 Bereits unter König Peribsen lassen sich die ersten Nachweise dieses Titels sichern,919 doch deuten gewichtige Indizien wie der Fund eines unbeschriebenen Papyrusblattes im Grab des hohen Würdenträgers Hemaka aus der Regierungszeit von Horus Den (Mitte der 1. Dyn.)920 und der Nachweis der auf Hieroglyphe der gesiegelten Buchrolle-mDA.t einer Amtssiegelung von Horus Qaa am Ende der 1. Dyn.921 auf einen früheren als den bislang angenommenen Ansatz des Schreibertitels, und zwar in die 1. Dyn. hin.922

Holzpalette, zwei Tintengefäßen, einem Topf sowie einem Griffel bzw. einem Pinsel.923 Spätestens zu Beginn der 3. Dyn. ist neben anderen älteren graphischen Varianten wie Logogramm + 924 Initialphonogramm (L+IP) die volle Graphie aus Logogramm+Initialphonogramm+Finalphonogramm

(L+IP+FP) des Schreiber-Titels etabliert.925 Legt man die Nachweise der 2. Dyn. zugrunde, so ist die funktionale Tätigkeit der Schreiber innerhalb der Verwaltung sehr differenziert zu betrachten. Titel wie “Schreiber der mjtr” oder “Schreiber der jz.t-Mannschaft” könnten auf die Existenz einer Personalverwaltung bzw. auf die Kontrolle eines bestimmten Teils der Bevölkerung bzw. von Arbeitskräften hindeuten,926 während der Titel “Schreiber der zmj.wt-Grenzbereichen/Grenzposten”927 Hinweis auf eine Zoll- bzw. Grenzkontrolle sein könnte. Bemerkenswert hierbei ist der früheste Nachweis eines zS mDA.t nTr-“Schreibers des Gottesbuches”,928 was nicht nur für die Funktion der Schreiber im religiösen Bereich sprechen würde, sondern auch das schriftliche Festhalten von Ritualen sowie der Heiligen Schriften bereits in der 2. Dyn. nahelegen dürfte. Parallel hierzu ist die Aktivität der Schreiber auf der staatlichen Ebene in der jz DfA(.w),929 d. h. in der Landesübergreifenden Versorgungsinstitution der Zentrale oder im pr HD“Schatzhaus” dieser jz DfA(.w)930 deutlich erkennbar. Mit A. Roccati931 wären sie demnach wohl der Kategorie zuzuordnen, “die die Kontrolle über die Ökonomie des Landes ausübten, Gewinne verzeichneten, die Erzeugnisse sichteten und sich um die Verteilung der Ressourcen kümmerten”. Somit dürfte es nicht verwundern, wenn gerade diese verwaltungstechnischen Aspekte diejenigen sind, die in den Siegelungen und Versiegelungen der Schreiber-Gruppe im Siegelmaterial von Elephantine in prägnanterweise bezeugt sind.

Die bisher frühesten bekannten Belege des SchreiberTitels weisen als Graphie durchweg das Logogramm der Schreiberpalette

auf,

bestehend

aus

einer

J. Osing und W. Schenkel “zXAw” lautet, s. hierzu v. a. J. Osing, Die Nominalbildung des Ägyptischen, Mainz 1976, S. 166 sowie W. Schenkel, in LÄ V, 1984, Sp. 699. 918 Hierzu allgemein A. Roccati, “Der Schreiber” in: Der Mensch des Alten Ägypten, Frankfurt/New-York/Paris 1992, S. 79 ff. 919 RT I, Tf. XXII, Abb. 189 (Cairo 104) sowie SIFAR, S. 39 f. und Tf. 23, Abb. 18; s. hierzu auch den Exkurs, S. 203...; weitere gut datierte Nachweise des Schreibertitels lassen sich durchgehend von der Regierungszeit des Horus Sechem-ib (RT I, Tf. XXI, Abb. 166) bzw. des Horus Chasechemui (Ende der 2. Dyn.) bis zum Ende des Alten Reiches belegen, s. u. a. IÄF III, Tf. 87, Abb. 327, Tf. 98, Abb. 405 und Tf. 100, Abb. 431 u. 433 920 W. B. Emery, Hemaka, Excav. at Saqqara, Cairo 1938, S. 41 Cat. Nr. 432 und Tf. 23A. 921 GT II, Grab 3504, S. 127 und Abb. 200; s. hierzu bereits J. Cerny, Paper & Books in Ancient Egypt, London 1952, S. 11, Anm. 38; L. Gestermann, in LÄ V, 1984, Sp. 700 sowie J. Kahl, Hieroglyphenschrift, Q: 1932. Zur typologischen Bestimmung der Versiegelung, s. S. 61. Aus dem Ende der 1. Dyn., d. h. aus der Regierungszeit des Horus Semerchet oder Qaa datiert vermutlich noch eine weitere Stele ( RT I, Tf. XXXI, Abb. 43 und XXXVI, Abb. 43), auf der P. Kaplony (IÄF I, S. 183, St. 43 sowie IÄF II, S. 941, Anm. 1401) die Titulatur eines xtm(w).tj bj.tj +smr +zS identifizierte. Strittig dürfte jedoch die Interpretation des Zeichens nach dem Titel smr sein., bei dem es sich nach Kaplony um eben zS handelt, wofür eine Graphie verwendet wurde, die nicht gerade üblich für die Schreibung von zS ist (vgl. hierzu in dieser Arbeit Tafel XXIV - P - Paläographien). So fehlt innerhalb des rechteckigen Gebildes die Ausmalung beider Tintennäpfe und der dazugehörige Pinsel! Außerdem setzt sich die Einritzung des zS von den anderen Hieroglyphengruppen deutlich ab, die im Gegensatz zum besagten Titel erhaben gearbeitet sind, so daß der Eindruck entsteht, als sei sie nachträglich eingeritzt worden. Dennoch deutet der allgemeine Zustand der Grabstele, v. a. die Abnutzungsspuren unmittelbar nach der Graphie des mutmaßlichen zS Zeichens, die Lektüre - in dubio pro reo eben jenes Titels zS durchaus plausibel, auch wenn sie graphisch eigenwillig erscheinen mag. 922 Ein früherer Beleg des zS -Schreibertitels ist bereits für die 1. Dyn. unter König Den angenommen worden, s. dazu E. Endesfelder, Die Formierung der altägyptischen Klassengesellschaft. Probleme und Beobachtungen, in: Probleme der frühen Gesellschaftsentwicklung im alten Ägypten, Berlin 1991, S. 33 und Anm. 67. Dabei handelt es sich um die im Kestner Museum Hannover aufbewahrte abydenische Grabstele von Nfr p(j)t , auf der P. Kaplony die Titulatur eines smr !zS identifizierte, s. ders., IÄF I, S. 195, St. 188. Eine Überprüfung dieser Stelle (NF I, Tf. XXXV, Abb. 2) läßt jedoch höchstens die Lesung von smr und nfr zu, während ein Zeichen zS bestenfalls zu erahnen ist. Überlegenswert erscheint darüberhinaus die Assoziation des SchreiberTitels mit dem Rang und Funktion eines xtm(w). t(j) bj.tj wie auch der Fund eines unbeschriebenen Papyrusblattes im Grab eines weiteren xtm(w). t(j) bj.tj, so als ob dieser hohe Beamte, einzig und allein, das Schreiben und Lesen mächtig gewesen wäre. Spekulieren läßt sich damit auch, ob dieser hohe Beamte in diesen frühen Zeit nicht die Funktion eines “Schreibers des Königs”, ja vielleicht sogar die eines “Schreibers des Gottesbuchs” ausgeübt haben könnte.

923

Hierzu die Darstellung einer Schreiberpalette in: Ptahhotep, Part. I, Tf. XV, Abb. 342 und Tf. XVIII, Abb. 408. 924 Bet Khallaf, Tf I, 3b. ..und IÄF III, Tf. 92, Abb. 352 wie auch J. Kahl, Inschriften der 3. Dyn., S. 24 Q. 3166 und S. 26 Q. 3168. 925 Siehe hierzu LAAA 2, Tf. 26-XVII sowie IÄF III, Tf. 91, Abb. 347A; zur Auswahl, s. außerdem Hieraconpolis II, Tf. LXX - 19 und Tf. LXX - 18 mit vertikalen Trennleisten (Späte 3. Dyn.). Unsichere Fundstücke zur Auswahl: RT I, Tf. XXII - 189; G.T. Martin, in: JEA 60, 1974, S. 21 ff., insb. 23 und ders., Hetepka, London 1978, S. 19, Tf. 20 -10. 926 IÄF III, Tf. 100, Abb. 433 mit dem Titel zS jz.t -“Schreiber der Mannschaft”, Tf. 151, Abb. 868 und vielleicht auch PD V, S. 44 -79. 927 SIFAR , S. 39 f. und Tf. 23, Abb. 18; s. hierzu auch den Exkurs S. 203. 928 PD IV, S. 57, Tf. 21 -113; zum Begriff des “Gottesbuches”, s. M. Weber, in: LÄ II, 1977, Sp. 791. 929 RT I, Tf. XXI, Abb. 166 sowie IÄF III, Tf. 72, Abb. 268 aus der Regierungszeit des Nachfolgers von König Peribsen Horus Sechem- jb. Zu jz DfA, siehe in dieser Arbeit S. 68. 930 IÄF III, Tf. 92, Abb. 368. 931 Zur Annahme einer Hierarchie innerhalb der Schreiber, siehe A. Roccati, op. cit., insb. 85 f.

90

DIE SIEGELABROLLUNGEN UND ROLLSIEGEL DER STADT ELEPHANTINE

Festung

zS-Schreiber zS Rollsiegel Gefäßverschl.:

Gefäßhalsverschl.:

Tonbullen:

Urkundenverschl.:

NO-Stadt

Oststadt

1

Gesamt 1

Gv. 0 Gv. I a Gv. I b Gv. I c Gv. II a Gv. V a Gv. V b

1 2 1 4 1 1 3

1 2 1 4 1 1 3

Tb. 0 Tb. 1 Tb. 2 a Tb. 2 b Tb. 3

2 2 2 1

2 2 1 4 1

1

1

21

25

1 1

1

Uv. 1 3

Gesamt

1

Tabelle 37: Stadttopographische Verteilung des von zS-Schreibern gesiegelten Materials zS

4.2.1.1.1 Die Siegelmaterial

Schreiber

im

sind als Topfverschlüsse vom Typus Gv. I a-c bzw. als Stöpselverschluß vom Typus Gv. II a zu identifizieren.935 Dieser Befund zeigt, daß die Träger des Schreiber-Titels in der Oststadt überwiegend die Einlagerung und Verteilung von Getreide zu kontrollieren hatten, während ihre Siegelungen auf vier Gefäßhalsverschlüssen vom Typus Gv. V a-b936 vermutlich auf die Kontrolle bzw. Aufbewahrung von kostbarem Salz bzw. Natron hinweisen könnten.

Elephantiner

Die erste der sieben Gruppen von Beamtensiegeln umfaßt im Elephantiner Siegelmaterial alle Nachweise des Titels zS und stellt mit 25 Objekten auch den Hauptanteil der Beamtensiegel, von denen allerdings 10 (!) ein und demselben Titelträger namens Bw nfr zuzuordnen sind. Bemerkenswert ist die topographische Verteilung dieser Gruppe, wonach Schreibersiegelungen, abgesehen vom Südbereich des Satettempels, in allen relevanten Stadtbereichen gefunden wurden. Dennoch ist ein deutliches Übergewicht für die Oststadt auszumachen, aus der allein 21 Objekte stammen, während zwei in der Festung932 und lediglich eines in der Nordoststadt933 gefunden wurde - ein Befund, der die Funktion der Oststadt als wichtiges Versorgungszentrum der Inselstadt in besonderer Weise hervorhebt.934

Darüberhinaus ist ihre Siegeltätigkeit an Tonbullen nachzuweisen, die u. a. Spuren von durchlaufenden Verschnürungen bzw. von Abdrücken eines Knotens erkennen lassen, die schwer interpretierbar sind, wie z. B. vier Tonbullen vom Typus Tb. 2 b oder gar auf zwei des Typus Tb. 0 bzw. ein einziges Mal auf einer Kistenverschluß des Typs Tb. 2 a.937 Anhand zweier Tonbullen vom Typus Tb. 1938 sowie eines Urkundenverschlusses vom Typus Uv.1939 darf als sicher gelten, daß Schreiber außerdem die Einlagerung großer schwerer Säcke kontrolliert und mit ihrem Siegel versehen haben und zudem in der Bürokratie tätig waren.

Das vorliegende Siegelmaterial besteht aus einem Holzrollsiegel sowie aus 13 Gefäßverschlüssen, 10 Tonbullen und einem einzigen Urkundenverschluß. Bezeichnend ist, daß Türversiegelungen in diesem Spektrum völlig fehlen. Neun der 13 Gefäßverschlüsse

935 Gv. 0: Kat. 583; Gv. I a: Kat. 322 u. 342, S. 15; Gv. I b: Kat. 316, S. 16; Gv. I c: Kat. 404-405, 579 u. 622; s. auch S. 18; Gv. II a: Kat. 403; s. hierzu auch S. 23. 936 Gv. V a: Kat. 632 mit Henkelabdruck; s. auch S. 33; Gv. V b: Kat. 402, 454 u. 656; s. hierzu auch S. 35. 937 Tb. 2 b: Kat. 92, 426 u. 461; s. auch S.50; Tb. 0: Kat. 324 und 569; Tb. 2 a: Kat. 181; s. auch S. 45. 938 Tb. 1: Kat. 377 und 586; s. hierzu auch S. 41. 939 Uv. 1: Kat. 312; s. dazu auch S. 61; außerdem sei auf den weiteren Nachweis des Schreiber - Titels auf einem Urkundenverschluß vom Typus Uv. 2 auf einer Amtssiegelung hingewiesen, s. hierzu S. 61.

932 Festung: Kat. 181 und 194; es handelt sich hierbei um das Holzrollsiegel von Bw nfr, zS pr Sn a. Zum Nachweis von Abrollungen dieses Rollsiegels in der Oststadt, s. S. 10, Anm. 79. 933 Nordoststadt: Kat. 092; diese unvollständige Abrollung läßt sich mit einer weiteren vollständig erhaltenen Siegelung (Kat. 316) desselben Schreibers aus der Oststadt identifizieren; von besonderem Interesse ist an diesen beiden Examplaren die chronostratigraphische Verbindung der beiden Stadtbereiche in der 3. Dyn. 934 Hierzu übergreifend S. 211ff.

91

JEAN-PIERRE PÄTZNICK

Der Nachweis einer Siegelung auf einer Tonbulle vom Typus Tb. 3 konnte nicht mehr eindeutig rekonstruiert werden.940

dieses einen Holzzylinders in der Oststadt in datierten Fundkontexten der 3. Dyn. auf einem 3 m (!) höheren Niveau als der Zylinder selbst fanden.946

Die Inschriften weisen zunächst zehn unterschiedliche Schreiber aus, deren Siegelbilder aus bis zu sechs (oder auch mehr) Gliedern bestehen. Von diesen stammen allein neun von jenem zS pr Sna-“Schreiber der Produktions- und Verarbeitungsstätten” Bw nfr, dessen überaus rege Kontrollfunktion auf Gefäßverschlüssen941 und Tonbullen942 nachzuweisen ist. Die Siegelungen belegen somit eindrucksvoll die Vielfalt der Siegelaktivität der zS-Schreiber, die in besonderer Weise einen Bestandteil des Verwaltungsapparates des Versorgungswesens der pr Sna darstellen.943

In der Oststadt lassen sich die Spuren seiner Siegelungen nicht nur auf Gefäßverschlüssen, sondern auch an zwei Tonbullen des Typus Tb. 1 und Tb. 3 nachweisen. Während der Abdruck eines grobmaschigen Leinenstoffes an ersterer es sehr wahrscheinlich macht, daß Bw nfr als Schreiber schwere Getreidensäcke kontrolliert und gesiegelt hat, läßt sich der Gebrauch von Tb. 3 nicht mit letzter Sicherheit bestimmen.947 Faßt man die bisher aus den Siegelungen des zS pr Sna-Schreiber der “Produktionsund Verarbeitungsstätte” namens Bw nfr gewonnenen Erkenntnisse zusammen, so läßt sich ein breiter Wirkungsbereich seiner Siegeltätigkeiten innerhalb der Oststadt erkennen, dessen Schwerpunkt offensichtlich in der Lagerung von Getreide sowie der Kontrolle der Brotund Bierproduktion gelegen hat.948 Die Tatsache, daß ein Schreiber dieser Institution auf Elephantine, d. h. in der Oststadt tätig war, macht die Existenz von entsprechenden Arbeitsbereichen und von Verteilungsund Lagerstätten in diesem Versorgungsbezirk wahrscheinlich. Diese dürften in Gebäudekomplex B anzunehmen sein, in dem der größte Teil des gesiegelten Materials dieses Schreibers gefunden wurde.949

Der Nachweis dreier unterschiedlich breiter Abrollungen (von 2,4 cm bis 3,7 cm) deutet auf hohen Verschleiß bzw. die Nutzung dreier verschiedener Rollsiegel durch seinen Siegelbesitzer Bw nfr und damit auf die intensive Ausübung seines Amtes hin.944 Aufgrund der unterschiedlichen Siegeltätigkeiten, die die Schreiber im allgemeinen auszuführen hatten, scheint es nur allzu selbstverständlich, daß die Abnutzung bzw. die Unbrauchbarkeit eines Rollsiegels die Anschaffung eines neuen Holzzylinders erforderlich machte. Dies würde auch den Fund eines Holzrollsiegels des “Schreibers der Produktions- und Verarbeitungsstätte” Bw nfr im Festungsbereich erklären, das ganz offensichtlich als Abfall dort hineingelangt ist,945 da sich die Abrollungen 940

Tb. 3: Kat. 619; s. auch S. 53. Oststadt: Kat. 322 auf Gv. I a, Kat. 403 auf Gv. II a, Kat. 405 auf Gv. I c, Kat. 622 auf Gv. I c , Kat. 632 auf Gv. V a (mit Abdruck eines Henkels) und Kat. 656 auf Gv. V b. 942 Oststadt: Kat. 586 auf Tb. 1 und Kat. 619 auf Tb. 3. 943 Die Institution der pr Sn sowie der zS -Schreibertitel selbst sind spätestens in der 2. Hälfte der 2. Dyn. belegt, s. PD IV, S. 15 und Tf. 18 Nr. 90, wo “Abgaben aus dem Wüstengebiet bzw. des Fremdlandes” in Verbindung mit der pr Sna pr nsw.t, d. h. mit der “Produktions- und Verarbeitungsstätte des königlichen Hauses” gebracht sind. Zur Deutung von pr Sna als bedeutsamem Verwaltungszweig, der mit der Verarbeitung und Lagerung von Rohstoffen und Getreide sowie der Produktion von Brot und Bier betraut war, s. J. J. Perepelkin, Das “Schnau-Haus” im Alten Reiche, in: XXV. Internationaler Orientalisten-Kongress, Moskau 1960, S. 1-8, T. Savelieva, Houses Sna.w in the Old Kingdom Temple Economy Considered in the Light of the Abu-Sir Papyri, in: Fs M. A. Korostovtsev, Moskau 1993, S. 335-346 sowie P. Andrássy, Das pr Sna im Alten Reich, in: SAK 20, 1993, S. 17-35. Als ältester Beleg der Institution pr Sna wird oft die Beamtensiegelung in IÄF III, Tf. 94, Abb. 367 angegeben, die an den Beginn der 2. Dyn. datiert wird, doch ist die Schreibung von pr Sna extrem ungewöhnlich und zudem in dieser Abfolge nicht belegt, weswegen sie doch kritisch zu betrachten ist. 944 Die Breite des ihm zugewiesenen dritten Rollsiegels ist unvollständig erhalten, läßt sich aber durch den bisher fehlenden Beititel sAD (s. hierzu S. 156) sichern. Auch die Gleichnamigkeit eines anderen Schreibers kann aufgrund der hierfür charakteristischen Graphie des Personennamen Bw nfr sowie des Schreiber - Titels sicher ausgeschlossen werden. Der Nachweis des Beititels und der Befund sprechen sogar für das älteste der drei Rollsiegel von Bw nfr und legen damit eine Datierung des Siegelbildes und der Amtsausübung dieses Schreibers frühestens am Ende der 2. bzw. Beginn der 3. Dyn. nahe. 945 Festung: Kat. 194. Das Rollsiegel wurde zusammen mit Fayenceperlen, Klingenfragmenten, Schabern und ähnlichem Produktions- und Siedlungsabfall in einem stratifizierten Fundkontext geborgen. Der 941

92

Eine weitere Gruppe von sieben Siegelungen weist fast ausschließlich ein viergliedriges Muster BT+PN+S+PN (mit Wiederholung des PN) sowie die Lokalbeamtenbezeichnung rnw.tj/jrj nw.tj neben dem Schreibertitel auf, wobei diese zusätzlich um Beititel oder Epitheta ergänzt sein kann.950 Der Nachweis von rnw.tj/jrj nw.tj auf den Siegelungen, der sich in dieser Weise auf weiteren Siegelbildern von Schreibern der 3. Dyn. findet,951 ist Hinweis auf einen Verwaltungsbereich, innerhalb dessen es sich bei einem Teil der Beamten um Holzzylinder selbst weist einen tiefen und breiten, länglichen Riß auf, der durch das Siegelbild läuft und der Grund gewesen sein dürfte, weshalb das Siegel unbrauchbar geworden und damit in das Abfall gelangt war. Ebenso deuten die Reste einer durchlaufenden abgerissenen Schnur auf die Beseitigung eines von nun an nicht mehr zu gebrauchenden Objektes hin. 946 Zu Abrollungen dieses Rollsiegels in der Oststadt auf mindestens zwei Gefäßverschlüssen vom Typus Gv. I a und Gv. I c, s. Kat. 322 u. 622. 947 Siehe hierzu S. 53. 948 Zur Funktion des zS pr Sna, der hier mit “Schreiber der Produktionsund Verarbeitungsstätten” wiedergegeben ist, sei auf die Darstellung im Grab von §jj in Sakkara verwiesen, wonach ein ebensolcher Beamter genau die genannte Tätigkeit ausübte, s. hierzu L. Epron-F. Daumas, Le Tombeau de Ti, Les Approches de la Chapelle, Fasc. I, MIFAO 65, Kairo1939, Tf. LXVI, 2. Register. 949 Die Siegelungen begegneten besonders konzentriert in den Räumen XIX-XXI, hier auf Gefäßverschlüssen, und in den Räumen CXIXCXX und CXXVI-CXXVII, hier auf Tonbullen, s. hierzu auch Tafel XXXVI. 950 Oststadt: Kat. 377. 951 Oststadt: Kat. 312, 316, 377 u. 454; nach P. Kaplony ist diese Kombination bereits zu Beginn der 3. Dyn. belegt, s. ders, IÄF III, Tf. 91, Abb. 347 A (Abydos) sowie Tf. 96, Abb. 379 (Bet Khallaf).

DIE SIEGELABROLLUNGEN UND ROLLSIEGEL DER STADT ELEPHANTINE leicht zu interpretieren,959 doch erscheint m. E. die Wiedergabe des Titels mit zS Smaj-“Schreiber von Oberägypten / des Südens” durchaus naheliegend,960 zumal Elephantine seit der 2. Hälfte der 2. Dyn. der territorialen Verwaltung Oberägyptens bzw. des Südens angehörte, wie dies aus dem Amtssiegel eines xtm(w).t(j) (j)xt nb.t Smaj AS pr(j) jb=sn-“Schatzverwalter aller oberägyptischen/südlichen Besitztümer des Asch Peribsen” auf einem Urkundenverschluß von Elephantine hervorgeht.961

Angehörige der lokalen Tempelverwaltung gehandelt haben dürfte, die, den materiellen Abdrücken nach zu urteilen, Naturalien in Gefäßen und Säcken verwalteten.952 Dieses bisherige Versorgungsspektrum ist um drei weitere Siegelungen von Schreibern mit unterschiedlicher Aussagekraft zu ergänzen. Zunächst sei eine vollständig zu rekonstruierende sechsgliedrige Siegelsequenz erwähnt,953 die neben dem Privatnamen Jrt nTr eine Rangbezeichnung jrj x(w).t nsw.t,954 das Epitheton eines anx mrr nsw.t955 sowie die bislang unbekannte

Über diese bisherigen Erkenntnisse hinaus lassen die restlichen unvollständigen oder nur sehr spärlich erhaltenen Siegelungen von Schreibern lediglich den Schreibertitel selbst,962 den Titel in Verbindung mit einem Personennamen963 oder aber die Sequenz Titel+Personennamen+Beititel sAD erkennen,964 weshalb ihre Aussagekraft dieser Siegelgruppe insgesamt nur gering ist.

Bezeichnung jTT956 aufweist. Trotz dieser deutlichen Abrollung sowie ihrem Nachweis auf einem vollständig erhaltenen Topfverschluß vom Typus Gv. I a, der noch in situ auf einem Gefäß angebracht war, trägt dieser Fund für die Deutung und Einbindung dieses Schreibers in einen bestimmten Verwaltungsbereich wenig bei, zumal er nur an diesem Objekt belegt ist.

4.2.1.1.2 Zusammenfassung

Einer weiteren Siegelung, auf der ein Schreiber mit der

Der früheste Beleg des Schreibertitels stammt aus einem in die späte 2. Dyn. zu datierenden Kontext der Festung ein Befund, der sich bestens in die bisherige Belegsituation dieses Titels unter den Herrschern Peribsen und Sechem-ib einfügt.

Angabe “Kornspeicher/ Lagerhaus” kombiniert ist, läßt sich lediglich entnehmen, daß der Siegelbesitzer im Lagerwesen tätig war und dort Gefäße kontrolliert bzw. versiegelt hat.957 Von weit gewichtiger Bedeutung sind hingegen die Abrollungsspuren eines zS Smaj, die sich an einem kleinen Verschluß unsicherer typologischer Zuordnung aus der Oststadt finden.958 Aufgrund der vielfältigen Deutungsmöglichkeiten von Smaj

Sind die Siegel der Schreibergruppe auf Elephantine vorwiegend in der Oststadt nachzuweisen, so läßt sich deren Tätigkeit insgesamt in vier verschiedenen Verwaltungsbereichen ausmachen: der pr Sna“Produktions- und Verarbeitungsstätte” (mit dem Schreiber dieser Institution Bw nfr), der Kornspeicheradministration, der lokalen Tempelverwaltung (mit den Siegelungen von rnw.tj/jrj nw.tj) sowie der territorialen Administration des Südens. Diese Sektorisation der Schreiberaktivität in der Oststadt ist nicht nur Indiz für die zentrale Funktion dieses Versorgungsbezirks, sondern zudem die umfangreiche Kontrolle des gesamten Versorgungswesens der Inselstadt durch die Schreiber deutlich macht, wofür die Nachweise ihrer Siegeltätigkeit v. a. auf Gefäßverschlüssen und Tonbullen sprechen. Bemerkenswert hierbei ist, daß der zS-Schreibertitel auf keinem einzigen Siegelbild eines mjtr - Angehörigen zu finden ist - ein Tatbestand, auf den

ist der Beleg nicht

952 Oststadt: Kat. 316 auf Gv. I b, Kat. 377 auf Tb. 1, Kat. 454 auf Gv. V b und und Kat. 461 auf Tb. 2 b. Bemerkenswert sind drei Abrollungen eines Schreibers mit dem Namensbestandteil N(j) mdwt nTr, der auf seinen Status als “Lokalbeamter der Stadtgottheit” anspielen dürfte. Je einmal fand sich dieser auf einer Tonbulle (Kat. 351) und auf einem Urkundenverschluß vom Typus Uv. 1 (Kat. 312) in der Oststadt sowie ein weiteres Mal auf einer Tonbulle (Kat. 092) in der Nordoststadt, was m. E. nicht nur die Verbindung dieses “Agrarbetriebs” mit der Oststadt als zentralem Versorgungsbezirk der Stadt Elephantine, sondern auch mit der lokalen Tempelverwaltung nahelegen könnte; vgl. hierzu übergreifend S. 208u. 212. 953 Oststadt: Kat. 342 954 Zu Lesung und Deutung des Titels, s. unten S. 94 ff. 955 Siehe hierzu S. 164 ff. 956 WB I, S. 151, Anm. 6. Das WB kennt offensichtlich ein Wort jTT mit der Bedeutung “vom fliegen o. ä. eines Vogels”, wonach übertragen auf den Siegelinhaber eine Art nDs rn-“Kosename” o. ä. vorliegen könnte. Die Deutung von jTT als Titel ist zwar nicht auszuschließen, läßt sich jedoch anhand des Befundes kaum verifizieren. Die Bezeichnung der Mafdet als TT.t aA.t mit Kordeldeterminativ (WB V, S. 414, Anm. 1) bzw. die Erwähnung des Wortes TT.t zur Benennung der Schnur des Rollsiegels (!) (P. Kaplony, in: LÄ V,1984, Sp. 300) liefern nur bedingt Hinweise, da beide die Emendierung eines prothetischen j nach sich ziehen, die zu erklären wäre. 957 Oststadt: Kat. 583 mit einem typologisch unsicheren Gefäßverschluß (Gv. 0); vgl. hierzu die Kombination mjtr + wDA.t“Kornspeicher/Lagerhaus” aus der Oststadt (Kat. 544) bzw. PN + wDA.t-“Kornspeicher/Lagerhaus” aus der Nordoststadt (Kat. 062 u. 070). 958 Oststadt: Kat. 569

959

WB IV, S. 472 - 476, bes. 474, wie auch op. cit., 476 f. und 477 f. Demzufolge wäre besagter Titel mit “Schreiber von Oberägypten”, “Schreiber der oberägyptischen Gersten” oder “Schreiber des oberägyptischen Leinens” wiederzugeben - drei Titel, die jedoch bislang in der Titelkunde der Frühzeit und des Alten Reiches unbekannt sind. 960 Die Kombination zS + geographische Angabe läßt sich frühestens seit der 2. Hälfte der 2. Dyn. anhand des Titels eines zS zm(j.w)t“Schreiber der Grenzgebiete” unter König Peribsen nachweisen. Aus der 3. Dyn. stammen die Titel zS zmj.t-“Schreiber des Wüsten- bzw. Nekropolengebietes” (IÄF III, Tf. 92, Abb. 352) und zS jnb.w HD“Schreiber des memphitischen Gaus!” (IÄF III, Tf. 87, Abb. 327). 961 Siehe hierzu S. 64 962 Oststadt: Kat. 324, 402 u. 579. 963 Oststadt: Kat. 426 auf Tb. 2b; es handelt sich hierbei um die Spuren eines mit vertikalen Trennleisten gegliederten Siegelbildes, das somit frühestens in die späte 3. Dyn. datiert. 964 Oststadt: Kat. 404 auf Gv. I c.

93

JEAN-PIERRE PÄTZNICK

Zufügung eines Substantivs herleiten läßt, woraus konsequent die Lesung jrj x.t nsw.t resultierte.971

unten näher einzugehen sein wird, da ihm gewichtige Bedeutung für die Einordnung und Bestimmung dieser Gruppe innerhalb der lokalen Administration zukommen dürfte.965 4.2.1.2 Die

Lassen sich somit die Einzelelemente relativ deutlich bestimmen, so kam es bezüglich der Lesung und Deutung der genannten Titelbezeichnung zu ganz unterschiedlichen Interpretationen.972 So schlug R. Weill973 beispielweise als erster die Lesung jrj jx.t nsw.t vor, die er bereits aber als “Gardien des affaires royales” identifizierte, wobei er sich auf eine Erweiterung des bereits seit Beginn der 2. Dyn. existierenden Titels jrj jx.t974 stüzte, der aufgrund der im MR erweiterten

jrj x(w).t nsw.t

4.2.1.2.1 Lesung und Deutung Die Graphie ist bislang in der Ägyptologie unterschiedlich gelesen und verstanden worden, wofür zwei voneinander abweichende Schreibungen ausschlaggebend gewesen sind. So wurde einerseits als

jrj

jxt

nsw.t

gelesen

und

zu

Schreibung mit dem Determinativ gewöhnlich mit “Verwalter” o. ä. übersetzt wird.975 H. Junker seinerseits rx nsw.t als “Königsenkel”,976 deutete die Graphie worunter er - wie bereits J. Pirenne vor ihm - einen Adelstitel977 verstand. Demgegenüber bestimmte W. Helck die Schreibungen jrj jxt nsw.t und rx nsw.t als zwei unterschiedliche Entwicklungsstufen ein und desselben Titels, wonach sich ersterer - und älterer - von einem “Palastarbeiter” im Laufe des AR zu einem rx nsw.t

einem

andererseits mit rx Verwaltungstitel erhoben,966 nsw.t-“Bekannter” bzw. “Bekannte des Königs”967 wiedergegeben und als Ehren- oder Rangtitel bestimmt.968 Von Relevanz für die vorliegende Untersuchung des Titels ist dennoch die erste Schreibvariante, bei der es sich um die ältere handelt, die in der Form bereits in der 2. Hälfte der 2. Dyn. unter Horus Sechem-ib belegt ist.969 Die Hieroglyphengruppe

setzt sich aus den

drei graphischen Komponenten -

nsw.t +

971 Zur Wiedergabe von jrj jxt nsw.t als “préposé aux affaires du roi”, s. P. Posener-Kriéger, Archives Abousir, S. 387, 398 und 657; als erster lasen C. Firth und B. Gunn die Gruppe “Concerned with the King´s Affairs”, s. dies., Teti - Pyramid Cemet. I, Cairo 1926, S. 157, Anm. 5; “Zu den Angelegenheiten/dem Besitz des Königs Gehöriger”, H. Goedicke, op. cit., S. 61, während D. Lorton sie mit “person attached to royal property” übersetzte, s. ders., in JESHO XX, 1977, S. 7, wie auch R. J. Leprohon, in JARCE XXXI, 1994, S. 46 f. 972 Als eine der ungewöhnlichsten und unnatürlichsten mutete K. Sethe

r +

x.t - zusammen. Während nsw.t hinreichend bekannt ist und demzufolge keiner näheren Erläuterung bedarf, ist zu r+x.t anzumerken, daß es sich dabei um eine Gruppe handelt, die einer in der Titelkunde bekannten Form unterliegt,970 die sich aus der Defektivschreibung der Nisbepräposition jrj mit

dem ägyptischen König zu, indem er jrj x njswt als “zur Placenta des Königs gehörig” las, was er als Bezeichnung für indirekte Nachkommen des Königs verstanden wissen wollte, s. hierzu L. Borchardt, SaHure II, S. 77 und H. Junker, Giza II, S. 39 ff. Nicht weniger abstrus dürfte die von A. M. Blackman geäußerte Vorstellung sein, es handle sich dabei um einen “Guardian of the King´s placenta”, s. ders., in: JEA 3, 1916, S. 245. 973 R. Weill, IIe et IIIe Dynasties, S.185 ff.; siehe dazu auch die Diskussion von H. G. Fischer, in: JNES 18, 1959, S. 237, Anm. 12.; mit seiner Übersetzung “Le gardien des biens royaux” schloß sich P. Lacau (PD IV, S. 16) zwar R. Weill an, zog aber gleichzeitig eine Lesung “Celui qui est chargé du culte royal” in Erwägung; H. G. Fischer seinerseits deutete die Angabe zunächst als “Keeper of the royal properties”, s. ders., Administrative Titles of Women in the Old and Middle Kingdom, Varia Egyptian Studies I, New York 1976, S. 69; hatte er seine anfängliche Lesart rx nswt, die er mit “King´s acquaintance” wiedergibt, zunächst mit der Einschränkung versehen, daß diese “possibly to be interpreted as jrj jxt nswt “keeper of the king´s property”, s. ders., in: LÄ II, 1977, Sp. 409, so hält er neuerdings uneingeschränkt an der früheren Übersetzung “King´s acquaintance” fest, s. ders., Varia Nova, New York 1996, S. 252. 974 IÄF III, Tf. 78, Abb. 295-296 aus der Zeit des Horus Nebre, 1. Hälfte der 2. Dyn. 975 W. A. Ward, Index of egyptian administrative and religious titles of the Middle Kingdom, Beirut,1982, Abb. 65 sowie 533 - 537, “Keeper of Property”;WB I, S. 104, Anm. 1, “Aufseher, Verwalter o. ä.” 976 H. Junker, Giza III, S. 141und Giza XII, S. 171, wo sich eine umfassende Liste der ihm bekannten Belege dieses Titels mit der Lesung rx nsw.t - unter der Verwandschaftsbezeichnung “Königsenkel bzw. Königsenkelin” finden. 977 H. Junker, Giza VI, S. 23 ff.; J. Pirenne, Histoire des Institutions et du droit privé de l´ancienne Égypte I, Bruxelles 1932, S. 196 ff.; H. Kees, in: Or. 17, 1948, S. 82.

965

Siehe hierzu ausführlich S. 167ff. Es war R. Weill, der offensichtlich als erster diese Lesung bzw. Übersetzung vorschlug, s. ders., Des Monuments et de l´Histoire des IIe et IIIe Dynasties Egyptiennes, Paris 1908, S.185 f. 967 Erwähnt sei in diesem Zusammenhang die graphische Anordnung auf der Scheintür von Chabausokar im Kairener Museum, wobei der Umrahmung des Beititels Hrj jb nb=f-“Vertrauter seines Herrn” mittels zweier parallel angebrachter Inschriftengruppen - rx Hmwt - “der die Kunst kennt” (auf der rechten Seite) und rx nswt - “der den König kennt” (auf der linken Seite) - insofern Bedeutung zukommt, als sie den Beititel - “Vertrauter seines Herrn” - semantisch ergänzen. Anders hierzu s. J. Kahl et allii, Inschriften der 3. Dyn., S. 186 b. 968 Siehe prinzipiell hierzu W. Helck, Beamtentitel, S. 146; H. Goedicke liest den Titel zwar weiterhin als rx nswt, versteht ihn aber als einen echten Titel “mit bestimmten Pflichten und Rechten” und weist ihn sogar der Provinzialverwaltung zu, s. ders., Königliche Dokumente aus dem Alten Reich, ÄA 14, Wiesbaden 1967, S. 32 und 104. 969 PD IV, Tf. 18 Nr. 92; dieses Kompositum würde sogar gegen eine ursprünliche Lesung “rx nsw.t” sprechen, da es strenggenommen “rxt(j) nswt” zu lesen wäre, was sich als “Wäscher (o. ä.) des Königs” deuten ließe - ein Titel, der unter den hohen Beamten jener Zeit jedoch kaum zu erwarten ist. 970 Siehe E. Edel, AG, S. 149, §347-2 und WB I, S. 103 f. 966

94

DIE SIEGELABROLLUNGEN UND ROLLSIEGEL DER STADT ELEPHANTINE Hofrangtitel gewandelt habe.978 Ausschlaggebend für die ursprüngliche - “Palastarbeiter”- Vorstellung war dabei die Lesung des Epithetons der Göttin Seschat -

Titel oder aber zwei unterschiedliche Graphien desselben Titels vorliegen.

-xnt.t pr mDAt jrj.w jxt nsw.t -, das W. Helck mit “die vor dem Büro der Akten der jrj.w jxt nsw.t ist” wiedergab und das sich spätestens seit der 5. Dyn. belegen läßt.979

Geht man von der üblichen Lesung des Titels als jrj jxt nsw.t-“der zu den Angelegenheiten des Königs jxt(j) nsw.t Gehörige” aus, so dürfte das Kürzel gelautet haben. Daß ein Beamter dem “königlichen Besitz” angehörte bzw. mehr oder weniger mit königlichen Angelegenheiten betraut war, ist so selbstverständlich, daß für eine eigene Titelbezeichnung eigentlich keine Erfordernis bestanden haben dürfte.

als - jrj.w jxt Aufgrund der Lesung und Deutung von nsw.t-“Königlicher Arbeiter” - wird eine semantische Gleichstellung mit dem Titel die Bezeichnung

impliziert, wonach

als graphische Kontraktion980 des

Somit zeigt sich, daß der Versuch, beide Graphien

zu verstehen wäre - ein bekannteren Titels Vorschlag, dem m. E. nicht nur aufgrund der Übersetzung

und mit der Lesung jrj jxt nsw.t oder rx nsw.t“Bekannter des Königs” in Einklang zu bringen, mit entscheidenden Problemen behaftet ist, so daß sich die Annahme, es handle sich dabei um zwei unterschiedliche Titel geradezu aufdrängt.

des Titels jrj jxt nsw.t als “Palastarbeiter” einige Skepsis entgegenzubringen ist. So bleibt die graphische Realisierung der semantischen Gleichsetzung beider

Gegen die von W. Helck vorgeschlagene Wiedergabe von jr(w) jxt nsw.t mit “Arbeiter983 des Königs” spricht m. E. darüberhinaus die graphische Form, wonach ein Wort “jrj-machen” eigentlich vorauszusetzen wäre, das zwar seit Ende der 1. Dyn. durchweg mit dem Phonogramm

Graphien und derart extrem verschlüsselt, daß der Werdegang von rx oder jrj jxt zu x in keinster Weise nachzuvollziehbar ist.981 Beide Schreibungen sind auf Gefäßfragmenten im Djoser-Bezirk in Sakkara spätestens seit der ausgehenden 2. Dyn. belegt,982 so daß entweder zwei eigenständige

belegt ist,984 in der Bildung des Titels jrj jxt nsw.t jedoch kein einziges Mal begegnet. Bleibt somit festzustellen, daß einerseits die beiden

978

SIFAR, S. 47, wo der Titel jrj jxt nsw.t von P. Kaplony als “Angestellter des Königs” aufgefaßt wird. 979 L. Borchardt, Sahure Tafelband, Berlin 1913, Blatt 1 u. 19, wo die Göttin Seschat im Rahmen einer Zählung von Gefangenen bzw. Fremdvölkern mit den Epitheta xnt.t pr mDA.t nTr-“die dem Haus der

Graphien und offensichtlich einem semantischen Kontext entstammen, andererseits die bisherigen Lesungen des Titels als jrj jxt nsw.t/jrj.w jxt nsw.t oder rx nsw.t keineswegs gerecht werden, so scheinen sowohl neue Lesung als auch neue Deutung beider Titel erforderlich, wozu bereits O. D. Berlev erste Anregungen lieferte, indem er vorschlug den bisherigen Titel des MR - rx nsw.t/rx (n) nsw.t mAa - als jrj xjj/x.w nsw.t bzw. jrj xjj/x.w (n) nsw.t mAa zu lesen. Von

Gottesbücher vorsteht”, xnt.t pr mDAt-“die dem Bücherhaus/der Bibliothek der xw nsw.t vorsteht” und xnt.t H(w.)t rw.tj-“die der Produktionsanlage der Fremden/Ausländer vorsteht” versehen ist. Zur Vorstellung einer “Fremdenbehörde”, s. in dieser Arbeit S. 69 f. und Anm. 730. 980 PD V, S. 53, Tf. 32, Abb. 5-6; demnach stelle das Zeichen innerhalb der Hieroglyphe pr eine Kontraktion vom Typus nsw. t+x (= rx) dar, die deshalb mit “le service des rxj nsw” zu übersetzen sei. 981 Ähnliche Bedenken äußerte H. G. Fischer: “ In the Middle Kingdom...was sometimes employed as a succint writing of the title rx nsw.t “acquaintance of the king”, ...but it is difficult to believe that it was originally read the same way.”, s. ders., in: MMJ 12,1977, S. 8, Anm.

besonderer Relevanz hierfür ist der Austausch von durch

40; stattdessen schlägt er für die Lesung x(nms) nsw.t-“Friend of the King” vor, wobei er sich auf Parallelen in einem seiner Artikel bezieht, s. ders., in: JNES 18, 1959, S. 258, Abb. a-c. Ob dabei eine Angleichung beider Zeichen vorliegt, wie suggeriert wird, bleibt jedoch fraglich. So scheint es genausogut möglich, jrj jxt nsw.t-Leute und xnms-Leute des pr mDA.t-“Bücherhaus” anzunehmen, wie W. Helck dies tut und in beiden genannten Gruppen “Ritualteilnehmer beim Begräbnis” vermutet, s. ders., in: LÄ I, 1975, Sp. 126, Anm. 62. Eine eigene Position vertritt hingegen J.C. Moreno Garcia, der zwar die Lesung von H. G. Fischer übernimmt, jedoch die Wiedergabe mit x.t nsw.t-“biens du roi” kategorisch ablehnt, s. ders.,Etudes sur l´administration, le pouvoir et l´idéologie en Egypte, de l´Ancien au Moyen Empire, Liège 1997, S. 111, Anm. 352. 982 PD V, S. 81 Nr. 220, Abb. 167, wo allerdings das sitzende Kind mit der Hand am Mund auch als Determinativ zum Titel xw nsw.t in der Angabe pr xw nsw.t vorstellbar wäre. Dies würde aber spätestens in

in den Graphien ein und desselben Titels, der

der ausgehenden 2. Dyn. auf die Existenz beider Graphien

und

schließen lassen. Inwiefern es sich bei pr xw.(w) nsw.t um die spätestens in der 2. Dyn. bekannte Verwaltung der jrj.w x(w).t nsw.t handelt, kann an dieser Stelle nur vermutet bzw. angeregt werden. Siehe auch IÄF I, S. 370 f. und IÄF II, Anm. 1824-1825. 983 Vgl. z. B. mit WB I, S. 113 -1 u. 2. 984 Der frühest datierte Beleg einer Schreibung jrj-“machen” mit Augen-Phonogramm findet sich auf einem Elfenbeintäfelchen von Horus Qaa am Ende der 1. Dyn.,s. IÄF III, Tf. 145, Abb. 847 B c. Ein noch älterer Beleg liegt vielleicht bereits aus der Mitte der 1. Dyn. vor, s. W. M. Fl. Petrie und G. A. Wainwright, Tarkhan I and Memphis V, BS 23, London 1913, Tf. XVI, Abb. 6.

95

JEAN-PIERRE PÄTZNICK

die zum königlichen Schutz Gehörige” bzw. als “der / die unter dem Schutz des Königs Stehende”990 lesen ließen,

die Gleichsetzung beider Zeichen impliziert und damit für die neue Lesung spricht985 sowie die Wiedergabe des Kürzels

als x/x.w nsw.t” sinnvoll erklären würde.986

womit gleichzeitig die Austauschbarkeit von

Dennoch ist eine derart direkte Übertragung des

graphisch wie semantisch problemlos Kürzel von nachvollziehbar wäre.

Berlev´schen Lesungsvorschlages auf den Titel früherer Zeiten nur mit einigem Vorbehalt vorzunehmen, zumal die ursprünglichen Schreibungen des Titels der ausgehenden 2. Dyn. und des AR nach dem

als

Funktionell hingegen dürfte der Titel weiterhin wie bisher zu interpretieren sein und mit H. Goedicke991 auf zwei Ebenen zu verstehen sein: zum einen rein verwaltungstechnisch und zum anderen als höchster Hofrang nichtköniglicher Familienangehöriger. Seine Verleihung in früheren Zeiten hing fest mit einem Sonderauftrag des Königs zusammen, wonach der damit ausgestattete Beamte in der betrauten Angelegenheit der Vertreter bzw. der Wahrer der königlichen Interessen bzw. des königlichen Wesens992 war und die königliche

x eine

Endung t aufweisen, die m. E. gegen eine Auslegung als xjj/xw spricht, so daß ursprünglich eine andere Lesung und Deutung als im Mittleren Reich vorliegen dürften. Nicht uninteressant in diesem Zusammenhang ist m. E. der hier angesprochene Schutzaspekt, den die

selbst bzw. des Horus sind. Beide Aspekte - Schutz und Emanation -

Hieroglyphe - als Wiedergabe von xwj-“Schützen” oder xw - besonders zum Ausdruck bringt und der zudem

ausgedrückt, was wiedwerden m. E. durch die Graphie des Titels erum die Teilnahme der so Bezeichneten als Vertreter des Königs d.h als Teile des königlichen Wesens bei bestimmten Handlungen im SedFest erklären würde, s. hierzu F. W. von Bissing und H. Kees, Das Re Heiligtum des Königs Ne-Woser - Re, Band III, Die Grosse Festdarstellung, Leipzig, 1928, Tf. 10, Abb. 202-203 (auch 201) und Abb. 206 wie auch Tf. 23, Abb. 373. Dabei sind die jrj.w x nsw.t beim Ergreifen des Vordertaus und beim Ziehen der Götterbarke dargestellt - eine Tätigkeit, die eigentlich dem König vorbehalten war -, womit sie als “...Vertreter des Königs (sind, der Verf.), der theoretisch die Aufgabe hatte, die “Ruderfahrt” jedes Gottes auszuführen.”, s. F. von Bissing und H. Kees, op. cit., S. 28. Unklar ist allerdings ihr Mitwirken beim Fest HAb HDt (S. 30, Tf. 10, Abb. 206) sowie ihr Nachweis innerhalb einer unvollständigen Inschrift […]pr mDA.t xw/xw(.tj) nsw.t (Tf. 23, Abb. 373). 990 Zu beachten ist hierbei die graphische Wiedergabe des Titels auf der

in der Graphie x(w).t/x(w).t(j) in der Bildung verschiedener Namen der Frühzeit und des Alten Reiches und zu erkennen ist.987 Auf die Titel bezogen,988 hieße dies, daß sich beide semantisch und graphisch jeweils als x(w) nsw.t-“den der König beschützt”989 und als jrj bzw. jrj.t x(w).t nsw.t-“der oder 985

WB III, S. 216 f.; siehe hierzu P. A. A. Boers, Beschrijving van de Egyptische Verzameling in het Rijksmuseum van Oudheden te Leiden: Stèles, Leiden 1909, Tf. VII; D. Meeks betätigte sich als “Porte Parole” der Berlev ´schen Lesart, und zwar in der Titelform des Mittleren Reiches - jrj xjj nsw.t - die er näherbestimmte als “celui qui relève de, appartient à l´essence, la nature royale” bzw. als “émanation royale”, s. ders., in: AL II, Paris 1981, S. 39 und AL III, Paris 1982, S. 27. Ferner finden sich drei weitere Belege aus dem Mittleren Reich bzw. aus der 2. Zwischenzeit, die die Lesung xw nsw.t-“der vom König Beschützte”

Scheintür von Sn.t jt(f)=s sowie die Variante bei Jr.tj, s. H. Junker, Giza V, Abb. 27 und Abb. 48. Zu erwähnen ist ebenfalls die , die kaum eine andere Lesung als x(w) aufschlußreiche Graphie nsw.t zuläßt, s. MM, Sakkara Süd- Dahschur -, Grab D 67 von Nxt auf der zA=s, unten links. Auch die Graphie des Titels Scheintür einer Frau namens ¡tp.t läßt nur zwei Lesungsmöglichkeiten zu: (j)r(j).t xw.t nsw.t bzw./oder (j)r(j).t xw nsw.t, die den neuen Lesungsvorschlag durch ein vollausgeschriebenes (!) Femininums des Titels entschieden bekräftigen, s. hierzu den Katalog Ägyptische Kunst im Liebighaus, Frankfurt am Main 1981, Abb. 1 - Scheintür der Hathorpriesterin Hetepet -. Entscheidend für unseren Lesungsvorschlag

des Kompositzeichens bekräftigen, s. G. T. Martin, in: MDAIK 35,1979, S. 217, Abb. 4 sowie S. 219, Abb. 36 und 50. 986 In ähnlicher Weise hatte schon K. Sethe eine Lesung des Titels als jrj x njsw.t-“zur Placenta des Königs gehörig” bzw. die Titelbezeichnung x njsw.t-“Placenta des Königs” o. ä. hergeleitet, s. H. Junker, Giza II, S. 39; zur “Placenta des Königs”, siehe auch Anm. 972. 987 Obwohl die Schreibung xt für xw.t in WB III, S. 246 nicht belegt ist, läßt sie sich durchaus in einigen Namen der Frühzeit nachweisen, wie z. B. KA x(w) in RT II, Tf. XXVI, Abb. 78 und Tf. XXIX-A, Abb. 78 bzw. KA x(w).t in RT I, Tf. XXXII, Abb. 1 oder auch ¢(w) nsw.t in RT II, Tf. XXVI, Abb. 71 und XXIX, Abb. 71; s. hierzu auch J. Kahl, Hieroglyphenschrift, S. 66, Anm. 71 sowie die Topfmarke x(wj) nTr in RT II, Tf. LV-A, Abb. 137-140.

dürfte m. M. n. die Graphie eines Herrn Ddj.tw/Ddjw.t sein, die lediglich eine Lesung des Titels als xw(.w) nsw.t zuläßt und die A. C. Mace mit “Royal Friend” wiedergibt, s. ders., in: JEA VIII, 1992, S. 14 f. und Tf. III. 991 In diesem Sinn ist auch eine erweiterte Form des Titels als jrj x(w)t nsw.t + Gauzeichen zu verstehen, was aber nicht, wie E. Martin-Pardey zu Recht annimmt, Hinweis auf die Organisation der Gauverwaltung, sondern vielmehr die “Lösung einer bestimmten Aufgabe” innerhalb dieses Gaus bezeichnet, “die sie nicht kraft ihres Gauverwalteramtes ausüben, sondern die unabhängig davon vom König übertragen wurden.”, s. dies., Untersuchungen zur ägyptischen Provinzialverwaltung bis zum Ende des Alten Reiches, HÄB 1, Hildesheim 1976, S. 85 ff., bes. S. 90. Der Titel wird in dieser Form auch als “chargé d´affaire oder préposé aux affaires du roi du nome X” in den Abusir-Papyri erwähnt, s. P. Posener-Kriéger, Archives Abousir, S. 594. 992 So auch D. Meeks, AL II, 1981, S. 39, der dazu anmerkt: “Le titre étant porté par les émissaires que le roi envoyait en mission comme s´ils étaient un membre de lui même.” Besondere Beachtung verdient

988

Die Graphie ist ein Charakteristikum der 3. Dyn. und ist an allen Titelträgern (z. B. Hesire, Chabausokar+Frau, Ankh-wa, Zepa+Frau) dieser Zeit durchweg nachzuweisen. Sie läßt sich noch in der 4. Dyn. neben anderen Varianten belegen und wird erst in der 5.

Dyn. durch die Schreibung allmählich verdrängt. In diesem Zusammenhang gewinnt auch die Bezeichnung der vier Horussöhne als xw.w nsw.t bzw. als “die vom König Beschüzten” in den Pyramidentexten (Spruch 2078) ihre Prägnanz, handelt es sich doch bei ihnen um die “Brut” des Horus, die wie alle Kinder schutzbedürftig und gleichzeitig auch Teil bzw. x(w)-Emanation von uns 989

96

DIE SIEGELABROLLUNGEN UND ROLLSIEGEL DER STADT ELEPHANTINE bis vier Verschlüsse näher einzugehen.1001 So dürfte die Tatsache, daß sich die Mehrzahl der Nachweise dieses Titels in der Oststadt fanden, Hinweis auf die Einbeziehung vom König beauftragter Beamter, d. h. von Vertretern staatlicher Interessen beim Aufbau des neuen Stadtverwaltungszentrums sein, was zum einen aus den mehrfachen Abdrücken eines vollständig zu rekonstruierenden sechsgliedrigen Siegelbildes der Form RT+BT+PN+E+PN+T hervorgeht, das einem Schreiber und jrj x(w).t nsw.t zuzuweisen ist,1002 zum anderen aus der Siegelung eines jrj x(w).t nsw.t auf einer Tonbulle vom Typus Tb. 1, was Hinweis auf die Kontrolle gelieferter Getreidesäcke u. ä. durch diese Titelträger schließen lassen dürfte.

Vollmacht für die erfolgreiche Durchführung seiner Mission erhielt. Die Ernennung zum jrj x(w).t nsw.t bezeichnete jedoch nicht nur einen Sonderbeauftragten des Königs, sondern darüberhinaus einen Status, den beide Geschlechter, Mann und Frau, trugen.993 Demzufolge ist von einem ganz bestimmten Kreis angesehener, geschätzter und begünstigter Personen am Hofe auszugehen,994 die zudem spätestens zu Beginn des AR das Sonderrecht besaßen, diesen Titel innerhalb der Familie weiter zu vererben.995

4.2.1.2.2 Die Material

jrj x(w).t nsw.t im Elephantiner

Gerade sechs Siegelungen tragen in unserem Material den Titel jrj x(w).t nsw.t, von denen drei aus der Oststadt - je eine von einem Topfverschluß vom Typus Gv. I a996 und Gv. I b997 sowie von einer Tonbulle Tb. 1998 - und zwei weitere Siegelungen aus dem Südbereich des Satettempels - je von einem Türverschluß Tv. 1999 stammen, während eine letzte auf einem Gefäßhalsverschluß Gv. V b1000 in der Festung gefunden wurde.

Gewichtigere Bedeutung kommt zwei Siegelungen aus Satet-Süd zu, die von demselben Siegelnden stammen, dessen Siegelbild sich zu einer sechsgliedrigen Sequenz des Typs RT+BT+PN+S+BT+PN rekonstruiert werden kann. Demnach übte dieser vom König beautragte Beamte im Rang eines jrj x(w).t nsw.t die Funktion eines sSm a1003 Hm(.w)/Hm(.w)t-“der die Tätigkeiten der Diener/Dienerinnen1004 anleitet” aus und trug zudem die Lokalbeamtenbezeichnung rnw/jrj nw.1005

Obwohl die Inschriften der Siegelungen fast alle unvollständig bzw. spärlich erhalten sind und meistens lediglich den Titel erkennen lassen, ist dennoch auf drei

Von den Siegelungen dieses Titelträgers ausgehend darf ein Beamter vermutet werden, der zunächst das eingesetzte Personal im neugegründeten Wirtschaftsbereich des Satettempels zu organisieren bzw. anzuleiten hatte. Sein Rang als jrj x(w).t nsw.t läßt auf einen königlichen Auftrag schließen, der m. M. n. im Zusammenhang mit der ägyptischen Reorganisation der Tätigkeiten des neugegründeten Küchengebäudes V (Küche, Depots, Speicheranlagen) südlich des Satettempels gestanden haben dürfte.1006

hierbei die Entsendung eines “jrj xw nsw.t nty m xt Hm=f” nach Abydos, um das Osirisfest im königlichen Auftrag vorzubereiten, s. R. Anthes, Die Berichte des Neferhotep und des Ichernofret über das Osirisfest in Abydos, in: Festschrift zum 150 jährigen Bestehen des Berliner Ägyptischen Museums, Berlin 1974, S. 17 (Zeile 12) und S. 18, Abb. 1 (Zeile 12). Ein dritter Wirkungsbereich dieser Titelträger ist auch in der Teilnahme am Sed-Fest des Königs zu sehen, wo sie durchweg (vielleicht ausschließlich zu diesem Anlaß) die verkürzte Schreibung aufweisen, s. hierzu ausführlich S. 95ff. 993 Unverständlich bleibt in diesem Zusammenhang die unterschiedliche Wiedergabe des gleichen Titels bei Männern und Frauen, wie sie es J. Kahl vornimmt, wonach erstere mit “der, der für die Dinge des Königs verantwortlich ist”, letztere hingegen als “Bekannte des Königs” bestimmt werden, s. ders. et allii, Inschriften der 3. Dyn., S.188 ff. und 194 ff. 994 Dies würde auch die Konzentration dieser Titelträger - als dem König sehr nahestehende Personen - in der Nekropole der Residenz (Thinis bzw. Memphis) erklären. Als besondere Vergünstigungen dürften auch gewisse steuerliche bzw. materielle Vorteile wie die Befreiung von bestimmten Abgabe-oder Arbeitspflichten anzunehmen sein. Vgl. hierzu die Vorteile als xntj-S einer königlichen Pyramidenstadt, die von Abgaben und anderen Verpflichtungen befreit waren, weil sie per königlichem Dekret geschützt waren, s. Urk. I, 210 -7 ff. Von Interesse in diesem besonderen Kontext ist hierbei die Bedeutung des Wortes xw.t, das sowohl Schutz bedeuten kann, gleichzeitig aber auch Befreiung von Abgaben, womit der Titel vielleicht auch als “der vom König von Abgaben Befreite” verstanden werden könnte. 995 Vgl. H. Junker, Giza VI, S. 24 f., Anm 1. T. Mrsich möchte in

1001

Siehe oben Anm. 96-98. Oststadt: Kat. 342 und oben S. 33. Zu sSm im Sinne von “répartir”, s. P. Posener-Kriéger, Archives Abousir I, S. 221, Anm. 1; zur Auslegung von a als “Tätigkeit” s. Anm. 95. 1004 Hm(.w)/Hm(.w)t wird hier als männliche und weibliche Arbeitskräfte bzw als “Diener/Dienerinnen” verstanden. Im Unterschied zu H. Junker, der in der Titulatur von PH r nfr den Begriff “H.(w)t Hm(w).t” mit “Haus der Wäscherinnen” bezeichnete, s. ders., in: ZÄS 75, 1939, S. 64, handelt es sich m. E. dabei um die spätestens in der 2. Hälfte der 2. Dyn. entstandene Einrichtung bzw. Institution besagter “Diener und Dienerinnen”, s. hierzu PD V, S. 79 Nr. 212, Abb. 159 und S. 80 Nr. 219, Abb. 166, wo sich der Nachweis eines H.(w)t Hm.t des Palastes H.(w)t ¡r msn p findet. 1005 Zu Lesung und Deutung siehe S. 124 ff. 1006 Siehe hierzu übergreifend S. 204. 1002 1003

regelrecht die Bezeichnung eines Erbadels erkennen, s. ders., in: LÄ I, 1975, Sp. 1252. 996 Oststadt: Kat. 342; s. auch S. 15. 997 Oststadt: Kat. 307 auf Gv. Ib; s. hierzu auch S. 16. 998 Oststadt: Kat. 545; s. auch S. 41. 999 Satet-Süd: Kat. 026 und 032; s. auch S. 57. 1000 Festung: Kat. 200 und Satet-Süd: Kat. 026.

97

JEAN-PIERRE PÄTZNICK

auf Amtssiegelungen durchgängig belegt ist.1008 sowie eine jüngere, die erstmals auf Amtssiegelungen des Horus Chasechemui am Ende der 2. Dyn. auftaucht und im Unterschied zur bis dato erfolgten Schreibung eine

4.2.1.2.3 Zusammenfassung Entgegen der bislang jrj jxt nsw.t gelesenen Titelangabe für die Graphie ist aufgrund der neugewonnennen Erkenntnisse der Lesung jrj x(w).t nsw.t deutlich den Vorzug zu geben, zumal diese mit dem Kürzel des Titels

Femininendung t

Die bereits von P. Kaplony1010 etablierte Lesung Hrj (w)DA

xw nsw.t sowohl semantisch als auch graphisch besser im Einklang zu bringen ist.

beruht auf der Kombination einer für Nisbepräposition Hrj-“der über etwas ist” mit einem Substantiv (w)DA bzw. (w)DA.t, das in diesem Kontext zu Recht mit Magazin, Lagerhaus bzw. Reservedepot1011 wiederzugeben ist, so daß der gesamte Titel Hrj (w)DA als “Magazinaufseher” bzw. “Lagerhausverwalter” zu lesen sein dürfte.1012 Jüngere Belege des Lexemes (w)DA.t aus der 5. Dyn.1013 zeigen zudem, daß es sich dabei offensichtlich um die Bezeichnung eines Magazins bzw. Getreidelagers und somit lediglich um eine “modernere” Schreibung des alten Wortes (w)DA handeln dürfte.1014

Die Deutung des Titels jrj x(w).t nsw.t-“der zum königlichen Schutz Gehörige”, den man frei übersetzt mit “der unter dem Schutz des Königs Stehende” wiedergeben könnte, ist nach wie vor auf zwei Ebenen, einer rein verwaltungstechnischen sowie einer höfischen zu verstehen. Geht man von einer Art Hofadel aus, so erklärt dies einerseits den seltenen Nachweis dieser Würdenträger im Siegelmaterial von Elephantine, legt jedoch andererseits nahe, darin einen engen Kreis von Personen zu vermuten, die dem Statthalter von Elephantine nahe gestanden haben und bei denen es sich somit um eine Art lokalen Hofadel gehandelt haben könnte. Gerade ihr Vorkommen in der Oststadt ließe sich mit diversen verwaltungstechischen Aufgaben beim Aufbau des neuen Verwaltungszentrums in der Oststadt in Verbindung bringen, was wiederum Ausdruck für das Interesse der staatlichen Verwaltung beim Aufbau einer lokalen Administration auf Elephantine wäre. Die Tatsache, daß zudem einer dieser vom König beauftragten jrj x(w).t nsw.t zu Beginn der ägyptischen Okkupation der Insel in der 2. Hälfte der 2. Dyn. mit der Reorganisation des südlich vom Satettempel gelegenen und neugegründeten Wirtschaftsbezirks beauftragt gewesen sein dürfte, läßt darüberhinaus auf ein deutliches Interesse der königlichen Verwaltung am Aufbau der Tempelwirtschaft auf Elephantine bzw. an der Wirtschaftlichkeit eines Tempels der Provinz und damit des Tempels der Herrin von Elephantine schließen. 4.2.1.3 Die

1008

IÄF III, Tf. 60, Abb. 218; Tf. 73, Abb. 276A; Tf. 74, Abb. 276B+277; Tf. 81, Abb. 306A+B; bemerkenswert in diesem Zusammenhang ist die Schreibung wDA.(t) Hrj, s. Tf. 80, Abb. 304. 1009 IÄF III, Tf. 80, Abb. 303, wo beide Schreibungen - wDA.t Hrj und Hrj wDA.t - belegt sind. 1010 IÄF I, S. 122; zur Schreibung des Zeichens s. in dieser Arbeit Tafel XXIII - L-Paläographie. 1011 WB I, S. 402, Anm. 10-13; s. hierzu M. Bommas, in: MDAIK 50, 1994, S. 23-30, Abb. 1 und Tf. 1. 1012 IÄF I, S. 121 f. Schwierigkeiten bereitete ihm allerdings die Interpretation der erweiterten Form Hrj wDA.t: “Der Feuerbohrer ist hier DA oder (w)DA zu lesen. wDA (o. ä.) “Magazin” ist schon im Alten Reich (...) bekannt. Deshalb bereitet allein die archaische Schreibvariante Hrj DA.t, DA.t Hrj des Titels mit t etwas Schwierigkeit.”, s. ders., in: IÄF I, S. 122. Das Wort wurde von ihm stattdessen mxr gelesen, s. op. cit., S. 389; vgl. ebenso H. Hartmann, Necheb und Nechbet - Untersuchungen zur Geschichte des Kultortes Elkab, Diss. Mainz 1989, S. 46 mit Anm. 208. 1013 So ist auf dem bei tschechischen Grabungen in Abusir gefundenen Steinrollsiegel besagte Scheune oder Getreidelager (w)DA.t (in seiner üblichen Schreibung DAwt) abgebildet, s. M. Verner,Verlorene Pyramiden, Vergessene Pharaonen in Abusir, Prag 1994, S. 126. Vgl. ferner die (angeblich) erst im Neuen Reich belegte Schreibung wDA.t (s. WB I, S. 402). 1014 Eine Trennung in wDA für Reservedepots aller Arten und wDA.t für Getreidelager läßt sich zwar, in Ermangelung einer eingehenden Untersuchung, nicht unbedingt ausschließen, bereitet jedoch aufgrund der Beleglage einige Schwierigkeiten, da eine bildliche Wiedergabe eines wDA - Gebäudes auf Siegelabdrücken bislang nicht bekannt ist. Anders verhält es sich mit dem Getreidespeicher wDA.t, s. z. B. Satet-Süd: Kat. 001 unseres Siegelcorpus sowie IÄF III, Tf. 113, Abb. 627, das in flachbildlichen Darstellungen in üblicher Weise die Frontalansicht eines Gebäudes zeigt, das von einem gewölbten Dach überdeckt ist. Charakteristisch für eine derartige Wiedergabe eines Kornspeichers ist meist die oben auf dem Dach angebrachte und verschließbare Einfüllöffnung sowie die Abbildung von Getreidekörnern im Gebäude selbst, was an der Bestimmung derartiger Anlagen als Getreidesilos keinerlei Zweifel aufkommen läßt, vgl. hierzu B. Schmitz, in: LÄ V,1984, Sp. 592 sowie Anm. 2. Bereits Kaplony machte auf den Unterschied zwischen Snwt und (w)DA.(t) aufmerksam, indem er Snwt als terminus technicus für eine Aneinanderreihung verschiedener (w)DA(.wt) bezeichnete, s. IÄF III, Tf. 94 , Abb. 366, wo er auch einen “Siegler oder Verschließer der Sn(w)t- Anlagen” erwähnt; vgl. außerdem G. A. Reisner, The History of the Necropolis of Giza Bd. II, Oxford 1942 , Tf. 57a sowie G. Jéquier, Fouilles à Saqqarah: Tombeaux de Particuliers Contemporains de Pépi II, IFAO, Le Caire 1929, S. 61, Abb. 69, wo sämtliche Speicher mit dem Begriff Snwt n.t dbH.w prt xrw-“die Scheune des Speisenbedarfs für das Totenopfer” wiedergegeben ist.

Hrj (w)DA.t

4.2.1.3.1 Lesung und Deutung Der Titel läßt sich seit Mitte der 1. bis zu Beginn der 3. Dyn. vorwiegend auf Amtssiegelungen belegen.1007 Die Graphien der Frühzeit unterscheiden grundsätzlich zwei Formen: eine ältere, die aus zwei Elementen Hr

von DA -Zeichens aufweist.1009

und DA

besteht und von Mitte der 1. bis zu Beginn der 3. Dyn.

1007

IÄF III: u. a. Horus Den, Mitte der 1. Dyn.: Tf. 73, Abb. 276 A, Tf. 74, Abb. 277, Tf. 81, Abb. 306 A+B; Horus Adjib, späte 1. Dyn.: Tf. 75, Abb. 278; Horus Qaa, Ende der 1. Dyn.: Tf. 64, Abb. 228, Tf. 75, Abb. 279; Horus Hetepsechemui, Anfang der 2. Dyn.: Tf. 82, Abb. 307; Asch-Peribsen, 2. Hälfte der 2. Dyn.: Tf. 77, Abb. 286, Horus Chasechemui, Ende der 2. Dyn.: Tf. 80, Abb. 303; Horus Netjerichet, Beginn der 3. Dyn.: Tf. 80, Abb. 304.

98

DIE SIEGELABROLLUNGEN UND ROLLSIEGEL DER STADT ELEPHANTINE

Hrj (w)DA.t Rollsiegel Gv. I Gv. II Gv. III Gv. IV Gv. V Tb. 0 Tb. 2 a Tb. 2 b Tb. 5 -2 Tv. 2 Gesamt

Festung 1

Satet-Süd 1 2

NO-Stadt

1 1 1 1 2 2 3 1 2 12

1 4

1

Hrj (w)DA(. t)

1 3

Gesamt 1 3 1 1 1 1 2 2 3 1 4 20

Hrj (w)DA(. t) gesiegelten Materials

Tabelle 38: Stadttopographische Verteilung des von

4.2.1.3.2 Die Material

Oststadt

angebrachte Siegelung keine Eigentumsmarke dar, sondern lediglich eine Kontrollmarke, wie dies aus der Lagerhausverwaltung in Vorderasien1020 bekannt ist.

im Elephantiner

Spuren dieser Beamtengruppe sind in sämtlichen Stadtbereichen auf insgesamt 19 Verschlüssen sowie einem Holzrollsiegel1015 nachzuweisen. Auffällig ist, daß von ersteren allein elf Siegelungen aus dem Südbereich der Festung stammen, und zwar aus dem dortigen Raumkomplex IV-XXII samt Hof XI b und Raum XI a bzw. XI c,1016 während vier weitere Belege dieser Verwaltungsangestellten im Südbereich des Sattempels, drei in der Oststadt und lediglich einer in der Nordoststadt gefunden wurden.

Die auf den Verschlüssen nachweisbaren Abrollungsspuren lassen oft lediglich Teilabdrücke sowie Überschneidungen oder Überlappungen von Siegelungen erkennen, ermöglichen aber dennoch in den meisten Fällen eine Rekonstruktion der zwei-, drei- und viergliedrige Siegelbilder. Hierunter weisen erstere durchweg die Sequenz BT+PN auf, während unter zweiteren lediglich die Sequenz BT+S+PN samt rnw.tj/jrj nw.tj, dem Titel der Lokalbeamtenschaft in der Stadtverwaltung, gesichert ermittelt werden konnte.1021 Die viergliedrigen Siegelbilder weisen lediglich das Muster BT+PN+S+PN samt dem rnw.tj/jrj nw.tj bzw. rnw.t/jrj nw.t - Titel der Lokalbeamtenschaft1022. Auffällig ist hierbei die Wiederholung des Personennamens zu jedem Glied der Siegelsequenz, was bereits auf anderen Beamtensiegelungen festzustellen war.

Ihre umfangreiche Siegeltätigkeit bezeugen die Abrollungen ihrer Siegel sowohl auf Gefäßverschlüssen (Gv. I c, II a, III, IV a und Gv. V b)1017 und Tonbullen (Tb. 0, 2 a-2 b und Tb. 5 -2)1018 als auch auf Türversiegelungen vom Typus Tv. 2,1019 was Indiz einer regen Siegelpraxis der Hrj(.w) (w)DA.t im gesamten Stadtgebiet darstellt.

Alles in allem sind als Statusbezeichnung lediglich Vertreter der Lokalbeamtenschaft bzw. vermutlich auch der lokalen Tempeladministration zu belegen, während Siegelungen von mjtr - Angehörigen hingegen völlig fehlen. Die Orthographien sowohl von rnw.tj/jrj nw.tj als auch von rnw.t/jrj nw.t auf diesen Siegelungen erlauben eine Datierung frühestens ans Ende der 2. Dyn., in die ebenfalls die aus Satet-Süd und aus der Festung stammenden Siegelungen, bei denen es sich um eine jüngere Variante des Titels Hrj (w)DA.t mit t-Endung handelt, einzuordnen sind.1023

Materielle Abdrücke an den einzelnen Verschlüssen lassen erkennen, daß diese Beamten vorwiegend Gefäße unterschiedlichen Inhaltes wie Wein, Milchprodukte, Getreide, aber auch Verpackungen, Holzkisten gesiegelt hatten. Zudem zeigt ihr Nachweis an einigen Türverschlüssen des Typus Tv. 2, daß sie ebenfalls in die Verwaltung von Magazinräumen eingebunden waren. Dabei stellt die an der Umschnürung des Holzpflocks 1015

Satet-Süd: Kat. 012; s. dazu auch in dieser Arbeit S. 10, Anm. 77. Siehe zur Fundlage Tafel XXVI - STO / 6 / B. Festung: Kat. 109 und Satet-Süd: Kat. 013 u. 022, je auf Gv. I c; Nordoststadt: Kat. 099 auf Gv. II a; Festung: Kat. 117 auf Gv. III; Festung: Kat. 152 auf Gv. IV a und Festung: Kat. 135 auf Gv. V b. 1018 Oststadt: Kat. 506 u. 512 auf Tb.0.; Festung: Kat. 136 u.172 auf Tb. 2 a, Kat. 138, 139, 142 auf Tb. 2 b und Kat. 133 auf Tb. 5 -2. 1019 Festung: Kat. 127 u. 222 auf Tv. 2; Satet-Süd: Kat. 019 auf Tv. 2 und Oststadt: Kat. 499 auf Tv. 2. 1016 1017

1020

Siehe hierzu in dieser Arbeit S. 57ff. Festung: Kat. 117; Oststadt: Kat. 506. Es handelt sich bei letzterem um das Siegel des Lagerhausverwalters Nfr a nx, das ebenfalls auf Kat. 499 zu erkennen ist; s. ebenfalls hierzu Tafel XXXVI: L. 1022 Satet-Süd: Kat. 012 1023 Hierzu IÄF III, Tf. 80, Abb. 303. 1021

99

JEAN-PIERRE PÄTZNICK

Auf einen weiteren Aspekt der Funktion der Lagerhausverwalter weist ein Pfropfenverschluß vom Typus Gv. III hin, der in der Festung gefunden wurde und von zwei unterschiedlichen Personen gesiegelt war.1031 Die Abdrücke von Grassspuren am Verschluß lassen auf ein Sauermilchprodukt wie smj-Dickmilch als möglichen versiegelten Inhalt schließen,1032 das, wie dem geringen Restbestand der breiten Siegelung vielleicht noch zu entnehmen ist, von einem Titelträger n(j) mrwt geliefert wurde, was möglicherweise auf eine Abgabeleistung aus dem Kreis der Meret - Angehörigen hinweisen könnte.

Funktion und Aufgabenbereiche der Gruppe der Hrj (w)DA.t-“Lagerhausverwalter” lassen sich anhand zweier Siegelungen näher bestimmen. So weist zum einen der Zusatz auf die Institution des wsx.t-“Wirtschaftshofes” bzw. auf einen ihrer Verwaltungsträger hin.1024 Fundort und Abdruck eines Strohdeckels1025 an der Unterseite der Verschlußkappe eines Gv. I c sind zudem deutliches Indiz für die Existenz eines versiegelten Weindepots in Raumkomplex IV und XXII des Festungsareals, das der Kontrolle des wsx.t-“Wirtschaftshofes” unterstanden haben dürfte. Die offensichtlich enge Verbindung dieser Institution mit der Tempelverwaltung läßt vermuten, daß besagter Raumkomplex als Aufbewahrungsort kostbarer Produkte für den Götterkult gedient haben könnte.1026

Die zweite Abrollung, die am äußersten Rand des Gefäßverschlußes angebracht war, läßt einen Hrj (w)DA(.t)-“Lagerhausverwalter” der rnw.tj/jrj nw.tjLokalbeamtenschaft erkennen.

Die andere Siegelung eines Hrj (w)DA.t“Lagerhausverwalter” stammt aus Raum IV des Südbereichs des Satettempels, und zwar von einem Türverschluß vom Typus Tv. 2.1027 Angesichts der gesicherten Fundlage liegt es nahe, daß es sich bei ihm um eine der Türversiegelungen dieses Raumes handelt. Berüchsichtigt man darüberhinaus, daß sich auf der

Die Tatsache, daß sich beide Siegelungen auf ein und demselben Verschluß fanden, scheint darauf hinzudeuten, daß bei der Warenannahme wertvoller Güter - wozu ein Milchprodukt zweifelsohne zählt - ein strenges Kontrollverfahren wie eine Doppelsiegelung zur Anwendung kam.1033 Neben diesen verwaltungstechnischen Aspekten, die bisher entweder die Kontrollen einer Versorgungsinstitution bzw. das Kontrollwesen selbst betrafen, zeigt der Nachweis des Titels Hrj wDA.t mA.t(j) auf einem Holzrollsiegel aus Satet-Süd eine Komponente, die zunächst nicht als Titelgruppe aufgefaßt wurde, sondern als Personenname.1034 Das Siegelbild weist eine viergliedrige Sequenz - BT+PN+S+PN - mit Wiederholung des Personennamens Jj sowie den Status der Lokalbeamten rnw.t/jrj nw.t auf, wodurch das Siegel frühestens dem Ende der 2. Dyn. zuzuordnen ist. Von Bedeutung für die Funktionsbestimmung ist die Ergänzung des Titels Hrj (w)DA.t um die Wortgruppe mA.t,

Siegelung der Zusatz n(j) rtH-“der der Bäckerei angehört” neben dem Titel Hrj (w)DA.t“Lagerhausverwalter”1028 findet, so läßt sich daraus schließen, daß Raum IV Bestandteil der Bäckerei bzw. in ihm die Tempelbäckerei untergebracht war, womit nicht nur die Lage südlich des Satettempels der traditionellen Südlage dieser Wirtschaftseinrichtung in der Siedlung entsprechen würde,1029 sondern auch durch den archäologischen Fundkontext gestützt würde.1030

1024

Festung: Kat. 109; zur Institution des wsx.t - Wirtschaftshofes - s. ausführlich IÄF I, S. 364 und 387 §25 sowie IÄF II, Anm. 1773, 1778 u. 1792. Zu weiteren Belegen dieser Institution in unserem Material s. Festung: Kat. 260 (mit einem mjtr - Angehörigen in Funktion eines xrp wsx.t “Leiter des wsx.t - Wirtschaftshofes”), hierzu S. 141 und Anm. 1416. Nicht in diese Arbeit aufgenommen, sondern der Gesamtpublikation des Elephantiner Siegelmaterials vorbehalten wurde die am Südhügel, im Bereich der Toranlage des Alten Reiches, gefundene Siegelung eines Hrj mA wsx.t - “Kontrollbeamter des wsx.t - Wirtschaftshofes”. Falls es sich dabei nicht um den Bestandteil eines Personennamens handelt, wäre an einem gesiegelten Verschluß aus El Kab (E 7843, Type A) der Titel sSm(.tj) wsx.t-“Schlächter des wsx.t - Wirtschaftshofes” belegt. 1025 Festung: Kat. 117 1026 Übergreifend hierzu s. Kap. Stadtgeschichtlicher Überblick, S. 201 f. 1027 Satet-Süd: Kat. 019 1028 Zu weiteren Belegen der mit rtH gebildeten Titel, s. H. Junker, Giza XI, S. 130 sowie P. Kaplony, IÄF II, Anm. 1789. Von besonderem Interesse ist hierbei eine Beamtensiegelung, auf der u. a. zwei Brotsorten, das djw-Spitzbrot und das rtH-Fladenbrot als Produkte der pr Sn a wiedergegeben sein dürften (weniger wahrscheinlich ist die von P. Kaplony vorgeschlagene Deutung, es handle sich dabei um den Titel eines jrj jxt Spdw mHw-“Verwalter des Gottes Sopdu im Norden / im Delta”, s. ders., IÄF III, Tf. 94, Abb. 367. 1029 Vgl. hierzu die Angabe aus der unveröffentlichen Grabung einer Bäckerei in Giza, südlich der Chefren-Pyramide, s. H. Wild, in: LÄ I, 1975, Sp. 596; auch die in Tell el Amarna freigelegte(n) staatliche(n) Bäckerei(en) liegen südlich des Atontempels, s. B. Kemp, Anatomy of Ancient Egypt, London / New York 1989, S. 289 ff., Abb. 89 und 96. 1030 Siehe hierzu G. Dreyer, in: MDAIK 40, 1984, S. 173 f., Tf. 53a - d.

die mit den Zeichen diesen liegenden

1031

+

sowie einem zwischen

wiedergegeben ist.1035

Festung: Kat. 117; s. hierzu auch S. 27. Zum Nachweis von Grasspuren als Verschließungsmerkmal eines Gefäßes mit einem Sauermilchprodukt, s. S. 26 ff. und insbes. S. 39, Tabelle 19. 1033 Inwiefern darüberhinaus die Existenz einer Abgabeliste, auf der Titel und Name der Lieferanten sowie Produkte samt zugehöriger Mengenangabe eingetragen waren, kann zwar nicht direkt nachwiesen werden, läßt sich aber aufgrund ähnlicher Einträge auf gefundenen Töpfen auf Elephantine durchaus in Erwähgung ziehen, s. G. Dreyer, Drei Archaisch-Hieratische Gefäßaufschriften mit Jahresnamen aus Elephantine, in: Fs G. Fecht, ÄAT 12, Wiesbaden 1987, S. 98 -109, Abb. 1 a-b und 2 sowie Tf. 2- 4. 1034 Satet-Süd: Kat. 012, s. S. 10, Anm. 77; vgl. auch G. Dreyer, in: MDAIK 38, 1982, S. 283, Abb. 5 und Tf. 61 d rechts, der diesen Titel mittels Emendierung eines initialen s als Name (s)wDA-Hr-mA.t liest. 1035 Ein ähnliches Augendeterminativ ist neben dem mA - Zeichen unmittelbar links neben dem Hts -Zeichen auf dem Foto erkennbar und als Bestandteil der Titulatur der auf dem Gefäß genannten verstorbenen Königin Nb.ty DfA zu verstehen, s. G. Dreyer, in: Fs G. Fecht, ÄAT 12, Wiesbaden 1987, Tf. 4. 1032

100

DIE SIEGELABROLLUNGEN UND ROLLSIEGEL DER STADT ELEPHANTINE

Versiegelungen die Rekonstruktion zweier Siegelbildern ermöglichen, auf denen die Hrj (w)DA.t Titelträgern namentlich genannt sind: Nfr anx,1040 der v. a. im Raum XXIV tätig war, wie u. a. die Türversiegelung des Magazinraumes zeigt, sowie Nfr anx nfr,1041 dessen Siegeltätigkeit in den Räumen XXIV, XXV und XXIX nachzuweisen ist, wobei in letzterem der Name in Verbindung mit einem anderen Titel - Hrj s(w)DA“Oberster Bewahrer”1042 begegnet. Vorausgesetzt es handelt sich beide Male um dieselbe Person, könnte hier ein interessantes Beispiel hierarchischer Unter- bzw. Überordnung vorliegen und zwar insofern als mit dem neuen Titel anscheinend eine höhere Position zum Ausdruck gebracht ist, weshalb anzunehmen ist, daß ein Hrj s(w)DA-“Oberster Bewahrer” über einem Hrj (w)DA(.t)“Lagerhausverwalter” gestanden haben könnte.

Das Verständnis der Graphie ergibt sich demzufolge aus der Beurteilung, ob Hrj (w)DA.t mA.t getrennt voneinander und als zwei verschiedene Titeln des selben Siegelberechtigten gelesen oder aber als ein einziger Titel verstanden wird. Im ersten Fall würde dies eine Lesung mA.t bzw. mA.t(j) und damit einen Titel mA.tj implizieren, der in der Titelkunde der Frühzeit und des Alten Reiches durchaus belegt ist.1036 Allerdings begegnet er, im Unterschied zu unserem Beispiel, nie allein, sondern entweder in Begleitung einer Gottheit1037 oder aber er wird von einem Objekt gefolgt wie dies bei der Bildung des Titels mA.tj mdw. w sStA(.w) n(.w) mdw. w nTr-“der die geheimen Worten von den Gottesworten bzw. Hieroglyphen sieht bzw. lesen kann” der Fall ist. Da außerdem mA.t(j)-“der lesen kann” allein als Titel bisher nicht belegt ist - und falls in unserem Beispiel nicht um jene Ausnahme, die den Regel bestätigt - dürfte davon auszugehen sein, daß es sich bei Hrj (w)DA.t mA.t(j) um nur einen Titel handelt, was m. E. schon allein die Kombination von mA.t(j) + Gottheit nahelegt, da die Betrachtung einer Gottheit (oder des Königs) ein außergewöhnliches Privileg darstellt, das zudem nur ganz bestimmten bzw. auserwählten Personen zuteil wurde.

4.2.1.3.3 Zusammenfassung Festzustellen ist, daß mit der Bezeichnung Hrj (w)DA/(w)DA.t eine Gruppe von Verwaltungsangestellten1043 innerhalb der Strukturen der Lagerhausverwaltung erfaßt ist, die im gesamten Stadtbereich von Elephantine, insbesondere in Satet-Süd, vor allem jedoch in der Festung, dem damaligen Verwaltungszentrum der Inselstadt der 2. Dyn. Spuren ihrer Siegeltätigkeiten, so auf Gefäßen, Tonbullen, (hierunter v. a. Holzkisten) sowie auf Türverschlüssen vom Typus Tv. 2 hinterlassen haben. Dabei handelt es sich nicht um Eigentums- bzw. Besitzmarken, die Siegel waren viemehr ausschließlich Ausdruck der den Besitzern übertragene Kontrollfunktion. Ihre Tätigkeit umfaßte generell jegliche Warenannahme sowie die anschließende Lagerung wertvoller Güter und Produkte und darüberhinaus die Kontrolle diverser Magazintrakte, v. a. im Südbereich der Festung, i Satet-Süd sowie in einigen Räumlichkeiten der Oststadt. Interessant in diesem Zusammenhang ist die Erwähnung von rnw.t/jrj nw.t bzw. rnw.tj/jrj nw.tj - Titelträgern auf einigen der Siegelbilder, was nicht nur Hinweis auf die Zugehörigkeit einiger dieser Verwaltungsträger zur Lokalbeamtenschaft der Stadtverwaltung ist, sondern zudem dafür spricht, daß die entsprechenden Gebäude bzw. Raumkomplexe im Festungsareal unter der Kontrolle der lokalen (Tempel -) Administration gestanden haben könnte.1044

Das Wörterbuch belegt in diesem Zusammenhang die Bezeichnung mAA.t(j) wa mit “was nur einer sehen darf” sowie mAA nTr “den Gott erblicken, schauen”,1038 wonach mA.t(j) mit “die, die erblickt werden darf” bzw. “die zu Erblickende” zu bestimmen wäre, was offensichtlich als Beschreibung der Göttin von Elephantine bzw. die bemerkenswerte tabuisierte Umschreibung ihres Kultwesens verstanden werden darf.1039 Somit ist davon auszugehen, daß mit der Titelgruppe Hrj (w)DA.t mA.t(j) nicht ausschließlich ein Lagerhausverwalter und Lokalbeamter erfaßt ist, dessen Zuständigkeitsbereich ganz offensichtlich in der Lagerhaltung für die lokale Tempelverwaltung lag, sondern daß darüberhinaus der Fundort des Holzrollsiegels eine enge Verbindung von Südbereich des Satettempels und Kult der Göttin von Elephantine, - die die erblickt werden darf - betont. In der Oststadt liegt eine besondere Situation vor, da die erhaltenen zahlreichen Abrollungen auf unterschiedlichen

läßt sich bereits ohne Augendeterminativ in der Wiedergabe des Königinnentitels in der Regierungszeit des Horus Den in der Mitte der 1. Dyn. nachweisen, s. L. K. Sabbahy, in: GM 135, 1993, S. 81 ff. und Abb. 1. und begegnet in dieser einfachen Form bei der Bildung verschiedener Titel wie mA wr (PD IV, Tf. 23 Nr. 124 - 126). 1036 Zu mAA.tj “bezeichne einen, dessen Beruf es ist zu lesen” s. H. Junker, Giza VII, S. 233, wobei einzuschränken ist, daß diese Aussage 1040

nur stimmt, wenn von einem Objekt gefolgt wird, s. hierzu Urk. I, S. 60: “Ich habe deinen Brief gelesen- ...” sowie WB II, S. 8 mit Anm. 13-14. 1037 mA.tj+Gottheit - “der den Gott NN anschauen (darf) / zu sehen pflegt”, s. J. Kahl et al., Inschriften der 3. Dynastie, S. 242. Zu mA.tj “einer, der sieht / der sehen darf / der zu sehen pflegt” s. E. Edel, AG, § 247 und H. G. Fischer, in: GM 128, 1992, S. 71, der darin die “existence of a non-geminating nominalform” erkannte. 1038 WB II, S. 8, Anm. 24 und WB II, S. 7 b, Anm. 14. 1039 Siehe hierzu den Exkurs: “Der Satettempel und seine Göttin”, S. 206f.

Oststadt: Kat. 498 - 500, 502 und 506. Oststadt: Kat. 338, 381und 512. 1042 Oststadt: Kat. 513; zudem s. allgemein zu diesem Titel S.104 ff. 1043 Neben den Hrj wDA.t-“Lagerhausverwalter” finden sich noch weitere “Angestellte” wie jrj (w)DA.t - “Lagerhaushüter- oder -wächter”, aber auch xtm(w.tj) (w)DA.t - “Schatzverwalter des Lagerhauses”, Hrj mA (w)DA(.t) - “Kontrollbeamter des Lagerhauses” und Xrj xtm - “Siegelbewahrer des Lagerhauses” bestimmen. 1044 Zur Aufbewahrung für kultische Handlungen benötigter kostbarer Güter wie Natron bzw. Salz, Wein, Milchprodukte usw. in der Festung, s. S. 201. 1041

101

JEAN-PIERRE PÄTZNICK

4.2.1.4 Die

Hrj mA-Kontrollbeamten

4.2.1.4.2 Der

Die Titelträger Hrj mA sind in unserem Material auf insgesamt zwei Holzrollsiegel1050 und elf Verschlüssen nachzuweisen, wobei von letzteren allein acht aus dem Festungsbereich1051 und je1052 ein weiterer aus Satet-Süd, der Nordoststadt sowie deren Erweiterung stammen.

4.2.1.4.1 Lesung und Deutung Die Bezeichnung Hrj mA ist bislang in der Titelkunde der Frühzeit und des Alten Reiches unbekannt. Ihre graphische Form besteht aus der Defektivschreibung der Präposition

Hrj sowie einem Substantiv

Die Abdrücke der Siegelungen auf Gefäßverschlüssen, Tonbullen und Türversiegelungen zeigen, daß die Hrj mA sowohl kostbare Produkte, wie z. B. Salz oder Natron (Gv. V b) als auch Kisten (Tb. 2 a) und Magazinräume (Tv. 2) kontrollierten.

mA, das

auch um ein Augendeterminativ ergänzt sein kann. Dabei lassen sich zwei Orthographien unterscheiden: zum einen die auf einem Rollsiegel

Dem Nachweis von zwei Türverschlüssen vom Typus Tv. 21053 kommt dabei für die Bestimmung ihres Verwaltungskontextes insofern eine besondere Bedeutung zu, als sie die Gruppe der Hrj mA-“Kontrollbeamter” als lokal tätiges Verwaltungspersonal identifiziert und zudem die Bestimmung der Räume XI b und XXXVIII als Lagershaus ermöglichen.

belegte Form ,1045 die aufgrund ihrer schlichten Wiedergabe die ältere sein dürfte und Bestandteil eines Personennamens ist, und zum anderen die Graphie

Hrj mA im Elephantiner Material

,1046

erweitert die um das besagtes Augendeterminativ ist, das spätestens seit der 2. Hälfte der 2. Dyn. unter Horus Sechem-ib belegt und für die zeitliche Einordnung des Titels von entscheidender Signifikanz ist. Da zudem die Komplementierung mit dem Augendeterminativ nicht nur den Aspekt “sehen, erblicken”,1047 sondern auch “prüfend besichtigen, Aufsicht führen, kontrollieren”1048 beinhaltet, ist eine Lesung Hrj mA in der Bedeutung von “der über der Kontrolle/Aufsicht ist” bzw. von “Kontrollbeamter” für den neuen Titel anzunehmen.1049

Von gewichtiger Bedeutung dürfte die Tatsache sein, daß die Graphie des in Raum XXXVIII gefundenen Titels Hrj mA um ein Augendeterminativ ergänzt ist, was gegen die bisherige Datierung eines der ältesten Bauphasen1054 dieses Lagerraumes in die 1. Hälfte - Mitte der 1. Dyn. spricht und ihn stattdessen in die 2. Hälfte der 2. Dyn. verortet.1055 Auffällig sind ferner drei bzw. vier unterschiedliche Verschlüsse1056 (Gefäßhals-, Kisten-, Türverschlüsse), die im Hofbereich (XI b) im Südbereich der Festung gefunden wurden und zur Gänze demselben Beamten zuzuweisen sind, was die Vielfältigkeit insbesondere seiner, aber auch der Siegeltätigkeit sämtlicher Hrj mA Verwaltungsträger betont, was anhand nachfolgender Tabelle deutlich wird.

1045

IÄF III, Tf. 111, Abb. 603; das Rollsiegel stammt aus dem gestörten Kontext eines Grabes in Naga-ed-Deir und läßt lediglich den mit Neith gebildeten theophoren Name des vor dem Opfertisch sitzenden Verstorbenen zu erkennen. 1046 IÄF III, Tf. 82, Abb. 308; s. außerdem J. Kahl, Hieroglyphenschrift, S. 442 f.; ein weiterer Beleg dieser Schreibung findet sich auf einem Steinrollsiegel (N 1605 -8), das im funerären Kontext der “Late II. Dyn.” ebenfalls in Naga-ed-Deir gefunden wurde, s. G. A. Reisner, The Early Dynastic Cemeteries of Naga-ed-der, Part. I, Leipzig 1908, S. 119, Tf. 44e sowie IÄF III, Tf. 101, Abb. 441. 1047 WB II, S. 7 ff.; eine ähnliche Entwicklung läßt sich für den Titel mA.t(j) ¡r AS/stS nachweisen, der in seiner älteren Form ohne, in seiner jüngeren hingegen mit Augendeterminativ geschrieben wurde, s. u. a. PD IV, Tf. 23 Nr. 123 -126 oder RT II, Tf. XXX, Abb. 128-129 sowie D. Dunham & W. K. Simpson, The Mastaba of Queen Mersyankh III, Giza Mastabas Vol. 1, Boston 1974, Abb. 3 b - 4. 1048 WB II, S. 8, Anm. 15-18. 1049 Die von P. Kaplony behandelten “Kontrollbeamten (?)” haben mit den Titelträgern Hrj mA nichts gemein, s. IÄF I, S. 370 f.; inwiefern die Gruppe der Hrj mA dem anderen Titel mA wr unterstellt war und dieser als “Großer der Aufsicht bzw. der Kontrolle” das Oberhaupt einer landesweit waltenden Kontrollbehörde darstellte, kann an dieser Stelle nicht mit letzter Gewißheit behauptet werden; dennoch scheint es möglich, daß das Amt eines mA wr mit dem heliopolitanischen Sonnenkult ursprünglich nichts gemein hatte, wenn man die Titelträger der Frühzeit (2. Dyn.) und des frühen Alten Reichs betrachtet. Bemerkenswert in diesem Zusammenhang ist, daß der hohe Beamte PH r nfr am Ende der 3. bzw. zu Beginn der 4. Dyn., der sowohl die Stadt (mit Stadtdeterminativ) als auch die Festung (Sn(.t) jwnw mit und ohne Stadtdeterminativ) von Heliopolis befehligte (s. hierzu H. Junker, in: ZÄS 75, 1939, S. 69), nicht den Titel mA wr trug. Erst in der 1. Hälfte der 4. Dyn., vermutlich unter König Djedefre, erscheint der Titel in der neuen (!) Schreibung wr mA mit der Stadt Heliopolis verbunden (Rahotep, Meri-ib oder Kameni).

Zum Nachweis des Titels mA wr in der Provinz an einem befestigten Platz, s. Festung: Kat. 211; weiterhin richtungsweisend sind hierbei die Belege von einigen wr mA(.w) als Expeditionsleiter bzw. - im Neuen Reich - als Festungskommandant, s. hierzu M. I. Moursi, Die Hohenpriester des Sonnengottes von der Frühzeit Ägyptens bis zum Ende des Neuen Reiches, MÄS 26, München-Berlin 1972, S. 165 f.; s. zu diesem Ansatz in dieser Arbeit S. 49, Anm. 522. 1050 Oststadt: Kat. 279; s. hierzu auch S. 11, Anm. 80; Kat. 406; s. hierzu S. 11 sowie S. 146. 1051 Festung: Südbereich: Kat. 190,192,193, 245 und 263; Mittelbereich: Kat. 224; Nordbereich: Kat. 251. 1052 Satet-Süd: Kat. 003 auf Gv. V b; Nordoststadt: Kat. 105 auf Tb. 2 b sowie Nordoststadt-Erweiterung: Kat. 065 auf einer typologisch undefinierbaren Tonbulle vom Typus Tb. 0. 1053 Festung: Kat. 245 und 263; zum Türverschluß vom Typus Tv. 2 s. S. 57ff. 1054 Räume XXXVIII, XXII und IV sind ganz offensichtlich unterschiedlichen Bauphasen des Lagerhauses eines zum Teil ausgegrabenen Gebäudekomplexes zuzurechnen, s. hierzu Tafel XXVI. 1055 Zur grundsätzlichen Umdatierung der ältesten Bau- und Besiedlungsschichten der Festung von der 1. Hälfte - Mitte der 1. Dyn. in die Mitte bzw. in die 2. Hälfte der 2. Dyn., siehe Tabelle 88. 1056 Festung: Kat. 192 auf Gv. V b; Kat. 191 u.193 auf Tb. 2 a; Kat. 245 auf Tv. 2.

102

DIE SIEGELABROLLUNGEN UND ROLLSIEGEL DER STADT ELEPHANTINE

Hrj mA Rollsiegel Gefäßhalsverschl.: Gv. V b Tonbullen: Tb. 2 a Tonbullen: Tb. 2 b Tonbullen: Tb. 0 Türverschluß: Tv. 2 Gesamt

Festung

Satet-Süd

1 3 2

1

2 8

Tabelle 39: Stadttopogr. Verteilung des von

Oststadt 2

1 1 1

2

2

Gesamt 2 2 3 3 1 2 13

Hrj mA gesiegelten Materials

Die Siegelbilder, die sich bis auf wenige Ausnahmen vollständig rekonstruieren lassen, weisen insgesamt zweibis viergliedrige Sequenzen auf, wobei erstere ausschließlich in der Form BT+PN begegnen, während die übrigen in unterschiedlichen vorliegen. So ist eine dreigliedrige Sequenz BT+PN+T samt einer nicht näher

“organisierte” Kultverehrung eines (heiligen) Widders, bei dem es sich somit um einen Vorgänger von Chnum in der Frühzeit von Elephantine gehandelt haben könnte.1061 Ferner lassen die aus unterschiedlichen Estrichen von Raum XI b stammenden Nachweise seiner Siegelungen an Tb. 2 a, Gv. V b und Tv. 2 nicht nur auf einen längeren Zeitraum seiner Siegelaktivität in selbigem schließen, sondern sind zudem Ausdruck seiner vielfältigen Aufgaben. dieser schließen. Auch dürfte der Fund einer Doppelsiegelung1062 auf der Versiegelung eines großen Knaufes einer Kiste/Truhe (Tb. 2 a), die den besagten Hrj mA z(r)j1063 mit einem mjtr - Angehörigen1064 in Verbindung bringt, Hinweis auf den besonderen Wert des Inhaltes der versiegelten Truhe sein.

zu bestimmenden Titelbezeichnung nxb,1057 das auf drei bzw. vier verschiedenen Versiegelungen desselben Siegelbesitzers in der Festung belegt, aber auch ein Exemplar aus Satet-Süd, das die Form BT+PN+S+PN hat und zudem mit dem Titel rnw/jrj nw eines Lokalbeamten zu versehen ist. Zur Bestimmung von Funktion und Aufgabenbereich des Siegelinhabers im Südbereich der Festung sind sowohl die Erweiterung des Titels

NO-St.+Erw.

Ein weiterer Nachweis eines mjtr, dessen Graphie korrekt wiedergegeben - eigentlich jmr.t1065 lauten müßte, findet sich auf einem aus Raum XIX der Oststadt stammenden Holzrollsiegel, auf dem auch der Titel Hrj mA (w)DA.t - “Kontrollbeamter des Lagerhauses” angegeben ist, was seinen Besitzer ebenfalls in die Lagerhausverwaltung einbindet. Sowohl der Fundort des Rollsiegels im Raum XIX als auch seine obengenannte Funktionsbeschreibung legen die Vermutung nahe, daß die Siegelaktivität dieses mjtr - Angehörigen innerhalb dieser Räumlichkeit ausgeübt wurde.

mit samt dem Zusatz

1059 sowie die Angabe nxb von z1058 bzw. entscheidender Relevanz, da sie die Person als Hrj mA zj/zr-“Kontrollbeamter des Widders” ausweisen, wonach selbiger als mit der Aufsicht eines Schafbocks oder aber mit der Kontrolle von Magazinen betraut gewesen sein könnte.1060 Andererseits spricht die Titulatur für eine 1057

Vgl. hierzu WB II, S. 308, Anm. 10 sowie die Erwähnung eines Titels nxb.jj in der Titulatur einiger Hohepriester von Heliopolis, s. G. Daressy, in: ASAE 16, 1916, S.195 ff., 203 f., sowie S. 206; zum im Mittleren Reich belegten Titel nxb.jj m pr nzr, s. WB II, S. 309, Anm. 6 und W. A. Ward, Index of Egyptian Administrative and religious Titles of the Middle Kingdom, Beirut 1982, S. 100, Nr. 836. Zu weiteren Nachweisen dieses Titels in Satet-Süd s. Kat. 031 sowie Kat. 035. 1058 Eine mögliche Verwechslung des “Riegel - z” mit der Wiedergabe

Obwohl die Angabe rnw/jrj nw lediglich auf einem einzigen Siegelbild im Satet-Süd belegt ist, kann davon eine Lesung des Titels als Hrj mA zj/jz-“Kontrollbeamter der Kammer/des Magazinraumes” zur Folge. 1061 In diesem Zusammenhang sei auf die Erwähnung eines pr z(rj)-“Haus/Tempel des Widders/Schafsbocks” auf einer in der Nordweststadt Elephantines gefundenen Topfaufschrift hingewiesen, die bislang als “Schafhürde von Heliopolis” verstanden wurde, s. G. Dreyer, in: Fs G. Fecht, S. 99 und Abb. 1 bzw. S. 103 f. 1062 Festung: Kat. 191; zu Tb. 2 a, s. S. 44. 1063 Es handelt sich hierbei um den selben Titelträger wie bei Festung: Kat. 192, 193 und 245, s. hierzu Anm. 1891-1892. 1064 Vgl. hierzu Festung: Kat. 142 (mit einer weiteren Siegelung dieses Titelträgers); zu den mjtr, s. ausführlich S. 134ff. 1065 Oststadt: Kat. 406; vgl. mit Tafel XVII - 18; zur Annahme, die mjtr/mjtr.t - Angehörigen seien eigentlich identisch mit den Meret Leuten des Alten Reiches siehe hierzu ausführlich S. 148f.

eines korrupierten Augenzeichens läßt sich an Hand des Zusatzes j sicher vermeiden. 1059 Siehe WB III, S. 462 - Pyr. 1060 Festung: Kat. 192 - 193 und 245; s. außerdem übergreifend S. 200; in diesem Zusammenhang sei auf Pyr. 1726 hingewiesen, wo eine z(r)jDoppeltoranlage im Himmel erwähnt ist, so daß es immerhin möglich wäre, den Titel auch als Hrj mA z(r)j-“Kontrollbeamter der beiden Toranlagen” zu lesen und zu deuten. Desweiteren ließe sich zj als eine graphische Inversion von jz verstehen, wie dies bereits an der Schreibung des Widders jz / zj (vgl. Festung: Kat. 270) nachzuweisen ist. Der Vorteil hierbei wäre, die Komponenten Titel, Raum und Gesiegeltes miteinander in Einklang zu bringen, da jz u. a. auch mit der Deutung “Magazinraum” belegt ist und hätte somit

103

JEAN-PIERRE PÄTZNICK

ausgegangen werden - zumindest für diesen einen Verwaltenden -, daß es sich bei den Hrj mA“Kontrollbeamter” um Angehörige der Lokalbeamtenschaft handelt.1066 Außerdem stellen sowohl der Nachweis des Titels rnw/jrj nw als auch die Ergänzung des Titels Hrj mA um das Augendeterminativ

die wohl als eine Art Aufsichtsbehörde1070 fungierten. Bemerkenswert ist auch der Nachweis eines mjtr Angehörigen als Hrj mA (w)DA.t, wonach dieser als Angehöriger dieser Titelträgern und damit seine Funktion als “Kontrollbeamter” innerhalb der Lagerhausverwaltung ausgewiesen sein dürfte.

sichere Anhaltspunkte für eine Einordnung der zugehörigen Schicht frühestens in die 2. Hälfte der 2. Dyn. dar.1067

4.2.1.5 Die

In der Nordoststadt fand sich eine Tonbulle von Typ Tb. 2 b mit dem Titel eines Hrj mA-“Kontrollbeamter” in einer aus Siedlungsabfall bestehenden Nivellierschicht vor der Stadtmauer. Auch wenn damit dem Raum, in dem es gefunden wurde, funktionell keinerlei Bedeutung beizumessen ist, so läßt sich immerhin aufgrund des Nachweises eines Augendeterminativs als Bestandteil der Graphie die Schicht III von Stratum 6 sicher frühestens in die 2. Hälfte der 2. Dyn. zuweisen (entgegen der bisherigen Verortung in der 2. Häfte bis Ende der 1. Dyn.).1068

Hrj s(w)DA(.w)-“Oberster Bewahrer”

4.2.1.5.1 Lesung und Deutung Dieser Titel ist in unserem Material in zwei graphischen und . - belegt. Daß es sich beide Male Varianten um denselben Titel handelt, läßt sich aufgrund anderer Bildungen von Titeln in der Frühzeit wie

Hrj (w)DA(.t)

(w)DA(.t) Hrj1071 schließen. Dabei setzt sich dieser und neue Titel erneut wie die bereits behandelten Hrj wDA/-

4.2.1.4.3 Zusammenfassung

wDA.t und Hrj mA aus einer Nisbepräposition einem Substantiv zusammen. Daß das Zeichen

Der neue Titel , der mit “Kontrollbeamter” wiedergegeben wurde, ist aufgrund seiner graphischen

Hrj und nicht

steht, ist m. E. aus vor, sondern nach dem kalligraphischen Gründen zu erklären, da eine andere

Variante mA+ Augendeterminativ frühestens in die 2. Hälfte der 2. Dyn. einzuordnen, womit er gleichzeitig einen bedeutsamen chronostratigraphischen Anhaltspunkt darstellt. Die Titelträger sind weitgehend in sämtlichen Stadtbereichen, insbesondere jedoch im Südteil des Festungsbereiches belegt. Ihre Siegeltätigkeit v. a. auf Gefäßhalsverschlüssen, aber auch auf Kistenund Türversiegelungen von Magazinen läßt den Schluß zu, daß diese Gruppe von Verwaltenden als Festungspersonal für die Kontrolle von verpacktem und versiegeltem Natron bzw. Salz in Magazinräumen zuständig gewesen sein dürfte. Die Titulatur eines Hrj mA zj-“Kontrollbeamter des Widders” deutet ferner darauf hin, daß der entsprechende Beamte mit der Aufbewahrung bzw. Kontrolle kostbarer Produkte für das Kultfest zu Ehren eines verehrten (heiligen) Tieres betraut war. Darüberhinaus lassen sich aufgrund der Titelbezeichnung

- gegen eine Schreibung des Titels - etwa Anordnung auf der Basis des bei Inschriften und damit auch bei Beschriftung von Rollsiegeln üblichen Quadratnetzes sprichen würde. Auffällig ist, daß dieser Titel bislang in der Titelkunde der Frühzeit und des Alten Reiches unbekannt war, während der Titel spätestens seit der 2. Hälfte der 2. Dyn. unter König Peribsen belegt ist und unter Horus Chasechemui am Ende der 2. Dyn. in der erweiterten Form begegnet.1072 Beide Varianten wurden von P. Kaplony aufgrund der Bezeichnung des Rollsiegels als -sDAw.t mit sDAw.t(j)-“Siegler”1073 wiedergegeben, was, in Konsequenz dieser Interpretation, eine Deutung des neuen Titels als “Oberster Siegler” nach sich ziehen würde. Da jedoch jeder Inhaber bzw. Besitzer eines Rollsiegels demnach als “Siegler” zu bestimmen wäre, scheint eine Titelbezeichnung wie “Siegler” oder “Oberster Siegler” doch sehr fraglich, so daß für den neuen Titel eine andere Lesung und Deutung zugrundeliegen dürfte.

rnw/jrj nw1069 sogar Hrj mA-“Kontrollbeamter” bedingt als Angehöriger der Lokalbeamtenschaft identifizieren, 1066 Satet-Süd: Kat. 003; zum Titel - rnw/jrj nw - s. ausführlich S. 124ff. 1067 Zur Umdatierung der bisherigen Stratigraphie von Satet-Süd, siehe Tabelle 89. 1068 Nordoststadt: Kat. 105; übergreifend s. auch Kap. Stadtgeschichtlicher Überblick, S. 207, Anm. 1934. 1069 Bislang konnte kein einziger Nachweis eines Hrj mA mit der Lokalbeamtenbezeichnung rnw.tj/jrj nw.tj gefunden werden, was m. M. n. möglicherweise als Hinweis auf die Unterscheidung dieser Titelträger zu den rnw/jrj nw und rnw.tj/jrj nw.tj sein könnte. Zu den rnw/jrj nw und rnw.tj/jrj nw.tj siehe hierzu ausführlich S. 124ff.

1070

Siehe hierzu insbesondere S. 102, Anm. 1049. Siehe zudem in diesem Kap., S. 98, Anm. 1008-1009; zur Schreibung von DA siehe Tafel XXIII - L - Paläographien. 1072 Vgl. hierzu IÄF III, Tf. 95, Abb. 368 und Tf. 59, Abb. 214 und Tf. 128, Abb. 775 - 776. 1073 WB IV, S. 78 ff. und 379, Anm. 14; s. zudem P. Kaplony, IÄF I, S. 159 und 161 f. 1071

104

DIE SIEGELABROLLUNGEN UND ROLLSIEGEL DER STADT ELEPHANTINE

Legt man mit W. Boochs1074 der Graphie des Wortes die Bedeutung s(w)DA “wohlbehalten sein lassen, bewahren” zugrunde, die sich ihrerseits auf ein Kausativum von wDA - “heil sein” ableiten ließe, so wäre damit sowohl die Bezeichnung des Rollsiegels mit s(w)DA.t als auch die Lesung und Deutung des Titels s(w)DA/s(w)DA.t(j)-“der heil werden Lassende” im Sinne von “Bewahrer, Hüter” plausibler zu erklären als bisher1075, was auch die Lesung und Deutung des neuen

Eine Rekonstruktion der Siegelbilder läßt zum einen das weit verbreitete zweigliedrige Muster BT+PN erkennen, daneben aber auch viergliedrige Sequenzen, die in unterschiedlichen Kompositionen, wie BT+PN+E+PN (Festung), BT+PN+B+PN und BT+PN+PT+PN (beide Satet-Süd) vorliegen, jedoch als gemeinsames Charakteristikum die Wiederholung des Personennamens zu jedem anderen Glied aufweisen. Das Siegelbild mit der Form BT+PN+B+PN zeigt, daß der Titelträger neben seiner Funktion als Hrj s(w)DA(.w)

als “Der über der Bewahrung ist” bzw. als Titels “Oberster Bewahrer” bestens unterstützen würde.1076

die Tätigkeit eines ausübte, was ihn möglicherweise als “Schafhirten”1081 ausweisen könnte und womit diese Siegelung dem Bereich der Viehwirtschaft bzw. der Tierhaltung zuzuweisen wäre. Für einen derartigen Kontext spricht auch der archäologische Befund der frühesten Schichten des Südbereichs des Satettempels, in denen sich Futtermulden mit Schafs- und Ziegenkot fanden.1082 Da darüberhinaus b.t/b(A).t(j) nach P. Kaplony nicht nur den gewöhnlichen Beruf eines Schafhirten, sondern als Hm nTr ¡rtj-“Gottesdiener / Priester des Widdergottes Cherti” auch den Hirten einer heiligen Herde bezeichnen kann,1083 käme einer solchen Angabe auf den Siegelungen eines Hrj s(w)DA(.w) gewichtige

4.2.1.5.2 Die Hrj s(w)DA(.w) im Elephantiner Material Die Hrj s(w)DA(.w) - Verwaltenden sind mit insgesamt zwölf Siegelungen belegt, wovon fünf aus dem Südbereich des Satettempels,1077 vier aus dem Festungsareal1078 und drei aus der Nordoststadt1079 stammen, während in der Oststadt lediglich ein einziges Exemplar gefunden wurde.1080 Ihre Siegeltätigkeit ertreckt sich ausschließlich auf Gefäßverschlüsse und Tonbullen, wobei jedoch erstere den Hauptanteil ausmachen, wie aus nachfolgender Tabelle ersichtlich wird: Festung

Hrj s(w)DA(.w) Gefäßverschl.:

Gv. I c-d Gv. IVa Gv. 0

Gefäßhalsverschl.:

Gv. V b-c

Tonbullen:

Tb. 2 a

Tonbullen:

Tb. 2 b

Gesamt

Satet-Süd

NO-Stadt

Oststadt

Gesamt

3 1 1

1

1

5 1 1

2

1

3

1

1

1 3

1 3

5

1

12

Tabelle 40: Verteilung des von Hrj s(w)DA(.w) gesiegelten Materials

1074

Siehe hierzu W. Boochs, Siegel und Siegeln im Alten Ägypten, Sankt Augustin 1982, S. 109; s. außerdem ausführlich Kap. Rollsiegel S. 5ff. 1075 Dabei ist das Tätigkeitsfeld dieses Beamten weitgefächert: den Inschriften nach zu urteilen oblag ihnen die Verwahrung “aller Geschmeide des Königs” oder “aller fettenden Produkte”, wie z. B. Parfum, Salbe und kostbare Öle, s. hierzu Anm. 1072. 1076 Siehe hierzu WB IV, S. 81, Anm. 7. 1077 Satet-Süd: Kat. 002 auf Gv. IV a, Kat. 024-025 u. Kat. 031 auf Gv. I c sowie Kat. 035 auf Gv. 0. 1078 Festung: Kat. 132 und 244 auf Gv. V b und Kat. 206 auf Tb. 2 b. 1079 Nordoststadt: Kat. 085 auf Gv. V c und Kat. 098 auf Gv. I d; Kat. 086 auf Tb. 2 a. 1080 Oststadt: Kat. 513 auf Gv. I c mit Abdeckscherbe.

1081

Satet-Süd: Kat. 025; der Titel b(A).t(j) bzw. b.t begegnet in dieser Form mit einem liegendem Schafsbock als Determinativ, erst ab der 5. Dyn. auf. Bei der Bildung eines Personennamens wurde es durch das

Zeichen des Tierfells ersetzt, s. P. Posener-Kriéger, Archives Abousir II, S. 387, Anm. 6 und D. Meeks, AL I, 1977, S. 124. Das vorliegende Beispiel aus den in die Frühzeit zu datierenden Schichten des Südbereichs des Satettempels stellt somit das älteste Beispiel seiner Art dar, s. H. Goedicke, in: Fs H. Junker,WZKM 54, 1957, v. a. S. 49 f. und IÄF I, S. 473 in der Bildung eines Königinnennamens der Frühzeit. 1082 G. Dreyer, in: 11. / 12. Bericht, S. 172 und Tf. 52. 1083 P. Kaplony, in: LÄ I, 1975, Sp. 944 f.

105

JEAN-PIERRE PÄTZNICK

Bedeutung insofern zu, als damit dieser Beamte direkt in Verbindung mit der Haltung einer (heiligen) Schafsherde gebracht würde und andererseits der Nachweis eines Tierkultes bzw. die kultische Verehrung eines Schafsbocks auf Elephantine in der Frühzeit und damit lange vor der Verehrung von Chnum anzusiedeln wäre.1084

anderen um einen Hrj s(w)DA, um einen “Oberste(n) Bewahrer” handeln würde. Sieht man hingegen im anderen Fall eine lexikalische Zugehörigkeit von zu , so wäre zunächst zu klären, ob das vertikale Wellenmuster innerhalb von entweder mr oder S zu lesen sei, wie dies bereits seit den Anfängen der 1. Dyn. belegt ist,1090 so daß für die

Ebenfalls aus dem Südbereich des Satettempels stammt der Fund einer Hrj s(w)DA(.w) - Siegelung mit einer bislang unbekannten zusätzlichen Bezeichnung nxb,1085

die Alternativen - S.t/mr.t - zur Auswahl Lesung von stünden, womit für den gesamten Titel Hrj s(w)DA(.w)/s(w)DA Hrj + entweder die Lesung “Oberster Bewahrer des S.t/spA.t-“Distrikt(s)”1091 oder aber “Oberster Bewahrer des mr.t-“Agrarbetrieb(es)”1092 möglich wäre.1093

deren graphische Wiedergabe (L+FP, Pflanze+Bein) sich zwar mit den in El Kab gefundenen Siegelungen vergleichen läßt1086 und die in Anlehnung an die im Wörterbuch belegten Beispiele als “Priestertitel” wiedergegeben wird, dennoch aber keine Näherbestimmung der Funktion von nxb ermöglicht.1087

4.2.1.5.3 Zusammenfassung Die eingehende Untersuchung der in unserem Material belegten Hrj s(w)DA(.w) - “Oberster der Bewahrer” zeigt, daß es sich bei ihnen um eine neu gedeutete Gruppe von Beamten handelt, die ihren Abrollungen nach zu urteilen, vorwiegend den Inhalt von Gefäßen (zehn der insgesamt zwölf Verschlüsse!) siegelten bzw. kontrollierten, wodurch sie zunächst als eine Behörde der Lagerverwaltung in Satet-Süd und in der Nordoststadt ausgewiesen sind. Von den zwei zu bestimmenden Graphien des Titels - Hrj s(w)DA(.w) und s(w)DA(.w) Hrj stammt erstere aus den ältesten Schichten des Südbereichs des Satettempels, während s(w)DA(.w) Hrj aufgrund des mitgeführten Beititels hb (in das Ende der 2. Dyn.)1094 in jüngeren Niveaus der Festung nachzuweisen war.

Waren bislang die Belege des Titels Hrj s(w)DA(.w) aus Satet-Süd mit der Tierhaltung in Verbindung zu bringen bzw. wiesen sie damit auf mutmaßlich priesterliche Tätigkeiten hin, so läßt das auf einem Gefäßverschluß von Typus Gv. V c (samt dem Abdruck eines gewölbten Steindeckels) in der Nordoststadt gefundene zweigliedrige Siegelbild BT+PN eines Hrj s(w)DA(.w) einen anderen Tätigkeitsbereich erkennen.1088 Entscheidend für die dortige Interpretation des Titels Hrj s(w)DA(.w) ist die Zufügung bzw. die Deutung der Hieroglyphengruppe

, bzw. die Bestimmung von

t, die entweder dem Zeichen zuzurechnen ist und damit Hr.t/Hrj.t zu lesen wäre oder aber zu gehört.

Die Siegelbilder dieser Beamtengruppe lassen grundsätzlich zwei graphische Muster erkennen: BT+PN, das in dieser zweigliedrigen Form bereits weit verbreitet ist sowie ein variantenreiches Spektrum an viergliedrigen Sequenzen.

Im ersten Fall würde demzufolge ein Titel vorliegen, den man, vorausgesetzt das stünde als

Die Untersuchung ergab, daß die Gruppe der Hrj s(w)DA(.w) generell im Versorgungswesen des

, als s(w)DA Hr.t - “Bewahrer / Hüter Determinativ zu des “Hr.t-Geflügelhofs”1089 deuten könnte, was der Nachteil nach sich ziehen würde, sieht man von der somit erschlossenen Funktion dieses Beamten ab, daß man jenen Verwaltenden gleichzeitig aus der rubrizierten Kategorie von Beamten kategorisch ausschließen müßte, da es sich bei ihm lediglich um einen s(w)DA, also um einen “einfachen” “Bewahrer”, nicht jedoch wie bei den

1090

IÄF III, Tf. 8, Abb. 24, 22, Abb. 47, 30, Abb. 88 und Tf. 121, Abb. 725.

1091

Vgl. hierzu die Erwähnung eines

Bereichs in der Titulatur eines

mjtr S. 145 und die eines - Distrikts auf einem Edikt von Neferirkare aus der 5. Dyn. für den Tempel in Abydos, s. H. Goedicke, Königliche Dokumente aus dem Alten Reich, ÄA 14, Wiesbaden 1967, S. 25 f. und Abb. 2. Zur Deutung von S als “District de production” sei auf P. Posener-Kriéger verwiesen, s. dies., Archives Abousir II, S. 578 f. und Anm. 5. 1092 Hierzu WB II, S. 98, Anm. 1. 1093 Vgl. hierzu einen bereits aus dem Königsgrab von Horus Qaa in Abydos für das Ende der 1. Dyn. belegten Titel in: IÄF III, Tf. 88, Abb. 335. Im Gegensatz zur bisherigen Lesung dieses Titels, wie P. Kaplony sie vornimmt (IÄF I, S. 421 und IÄF II, S. 642 mit weiteren graphischen Varianten, s. IÄF III, Tf. 93, Abb. 362, Tf. 102, Abb. 463, Tf. 103, Abb. 477 und Tf. 104, Abb. 484), könnte es sich hierbei um das Siegel eines Hrj s(w)DA(.w) S.t/mr.t nb.t - “Oberster Bewahrer aller S.t/mr.t-“Bezirk(e)”“ bzw. “Betrieb(e)” und somit um eine Frühform des in unserem Material belegten Titels handeln. 1094 Siehe hierzu S. 160 ff.

1084

Siehe hierzu S... und übergreifend in Kap. Stadtgeschichtlicher Überblick, S. 200, Anm. 1891-1892. 1085 Satet-Süd: Kat. 031 und 035. 1086 B. Van de Walle, Empreintes, S. 90 ff. und Tf. 41 E 7794-95 sowie E 7797, E 7803. 1087 WB II, S. 308, Anm. 10 und 309, Anm. 6; inwiefern der Titel Hrj tpj nxb ursprünglich auf die Stadt El Kab anspielt, läßt sich aufgrund der frühesten Schreibungen des Titels ohne Stadtdeterminativ m. M. n. nur mit Vorbehalt vermuten. 1088 Nordoststadt: Kat. 085. 1089 WB III, S. 194, Anm. 14 sowie P. Behrens, in: LÄ II, S. 506 f.

106

DIE SIEGELABROLLUNGEN UND ROLLSIEGEL DER STADT ELEPHANTINE Sms nsw.t1100 oder in Personennamen1101 findet sich

Satettempels bzw. in der Tempelorganisation anzusiedeln ist. Im Südbereich des Satettempels, d. h. im Versorgungsbezirk dieses Heiligtums lassen sich Indizien für ihre Kontrollfunktion im Zusammenhang mit der Haltung einer Schafherde entnehmen, die möglicherweise mit dem Kult eines auf Elephantine bereits in der Frühzeit verehrten Schafsbocks in Verbindung zu bringen sein könnte. Darüberhinaus weist die zusätzliche - nicht näher zu bestimmende priesterliche(?) - Angabe nxb auf einigen Siegelbildern auf die unmittelbare Tätigkeit dieser im kultischen Bereich hin.

ausschließlich das Logogramm Sms . Entsprechend der Deutung des Wörterbuches - “folgen, dienen, geleiten oder herbeibringen”1102 - bereitet die Übersetzung des Titels mit “Gefolgsmann, Bediensteter, Begleiter” keinerlei Schwierigkeit und ist als solche längst Lehrmeinung geworden.1103 Anders hingegen verhält es sich jedoch mit der Bestimmung bzw. der Abgrenzung des Tätigkeitsbereiches dieser Titelträger.1104

Desweiteren deutet die in der Nordoststadt gefundene Siegelung eines Hrj s(w)DA(.w) mr.t - “Oberster Bewahrer des mr.t-“Agrarbezirk(es)” auf einen weiteren Zuständigkeitsbereich dieser Beamten innerhalb der Versorgung der Tempel-oder Stadtadministration bzw. auf die Nordoststadt als mr.t - “Agrarbetrieb” hin.1095

Nach Darstellungen in Privatgräbern des Alten Reiches werden mit Sms(.w) zunächst oft Zwerge in unmittelbarer Nähe des Grabherrn1105 oder aber nHsj-Nubier1106 bezeichnet, deren Tätigkeiten wie “Sandalentragen”1107 oder “Ausführen des Lieblingstiers des Grabherrns”1108 sie als Begleiter bzw. als Teil des Haushaltspersonals gehobener Privatpersonen ausweisen. In einen derartigen privaten Kontext ist auch der einzige Nachweis eines Sms - Titelträger in den Papyri von Abusir der königlichen Totentempelverwaltung einzuordnen, der im Auftrag seines Herrn Geflügel an dieser Institution abgibt,1109 was darauf hindeutet, daß die Sms(.w) vertrauenswürdige

4.2.1.6 Die Sms-Begleiter 4.2.1.6.1 Lesung und Deutung Die bisher von P. Kaplony zusammengestellten Belege von Sms weisen frühestens in die 3. Dyn.1096 Schreibungen dieses Titels lassen im wesentlichen zwei graphische Kompositionen erkennen: eine zweigliedrige Form L+FP

1097

Graphie stellt hier eine Ausnahme insofern dar, als sie hier in der Form IP S + FP s + L Sms vorliegt. 1099 RAR II A, S. 88, mit dem Nachweis eines sHD Sms(w) jz(w)t (so P. Kaplony!) und RAR II, Tf. 29, Abb.76; IÄF III, Tf. 85, Abb. 319 und J. Kahl et alii., Inschriften der 3. Dyn. , S. 36 f. mit dem Nachweis eines Titels […]Sms xrp / sxm[…]spA.wt jmnt.t; W. Helck, Untersuchungen zur Thinitenzeit, Wiesbaden 1987, S. 251 und C. Ziegler, Catalogue des stèles, peintures et reliefs égyptiens de l´Ancien Empire et de la Première Période Intermédiaire, Musée du Louvre, Paris 1990, S. 97 und 99, 102-103 und Kahl et alii., op. cit., S. 206 f. und 210 f. mit dem Nachweis eines Titels xrp Sms.w mr.w / spA.wt. 1100 IÄF III, Tf. 152, Abb. 872 mit der Aufschrift wp(j) S nmt.t nTr.w (m) spA.t jnb HD; G. Dreyer, in: 13. /14. Bericht , S. 109, Abb. 13 c sowie J. Kahl et alii., op. cit., S. 8 f. Aufgrund der Überbelichtung der Aufnahme bleibt vorerst der früheste Beleg von Sms nsw.t auf der Stele des Merika aus der Zeit des Horus Qaa am Ende der 1. Dyn. unsicher, s. W. B. Emery, GT III, Tf. 28 b; vgl. außerdem P. Kaplony, IÄF I, S. 504 sowie die von W. Helck vorgeschlagene Lesung HkA nsw.t, s. ders., op. cit., S. 231 e. 1101 IÄF II, S. 649 f. sowie IÄF III, Tf. 6, Abb.12. 1102 WB IV, S. 482 ff. 1103 Die Wiedergabe mit “Kammer(Leib-)diener” scheint zwar vergangenen Zeiten zu entstammen, trifft jeoch in mancher Hinsicht erstaunlich zu. 1104 Siehe hierzu die ausführliche Darstellung von H. Goedicke, s. ders., Königliche Dokumente aus dem Alten Reich, ÄA 14, Wiesbaden 1967, S. 49 ff. Verwiesen sei auch auf H. Junker, Giza XII, S. 176 mit weiteren Belegen dieses Titels. 1105 Siehe H. Junker, Giza V, S. 8, Abb. 1 Nr. 3. u. 11. 1106 Siehe ders., Giza III, S. 179, Abb. 27; die sprichwörtliche Zuverlässigkeit der Nubier als Haushaltspersonal fußt vielleicht bereits in dieser Zeit. 1107 Siehe hierzu ders., Giza V, S. 8, Abb. 1 Nr. 3 sowie Giza III, S. 179, Abb. 9 und 27; der früheste bekannte Sandalenträger des Königs findet sich auf der Narmerpalette hinter Horus Narmer. 1108 Siehe hierzu z. B. H. Junker, Giza II, S. 194, Abb. 28 und B. van de Walle, La Chapelle funéraire de Neferirtenef, Bruxelles 1978, Tf. 12. 1109 P. Posener-Kriéger, Archives Abousir, S. 300, 303 und 633; s. auch dies. und J. L. de Cenival, The Abu Sir Papyri, London 1968, Tf. XLII A und XLII.

sowie eine dreigliedrige IP+L+FP

.1098 Lediglich bei einigen Komposita1099 wie im Titel 1095

Siehe übergreifend S. 208 ff.; in diesem Zusammenhang ist auf die

, und hinzuweisen, unterschiedlichen Graphien die bislang als grg.t - “Gründung” gelesen bzw. aufgefaßt wurden, m. E. vielleicht doch eher als mr/mr.t aufzufassen wären, s. H. K. JacquetGordon, Les Noms des Domaines funéraires sous l´Ancien Empire Égyptien, BE XXXIV, Le Caire 1962, S. 204(9), 209 (1), 265 (11, 1314), 266 (20-21, 23), sowie MTn: 323 (1) und PH r nfr: 330 (15). Auffällig ist die Wiedergabe (14)von grg.w, die sich deutlich von der Schreibung (15) unterscheidet. Die Lesung S.t bzw. spA.t wäre dann aufgrund der Zufügung des “r” auszuschließen, weshalb einzig mr.t als mögliche Lesung in Betracht zu ziehen wäre - was zudem nicht nur semantisch, sondern auch funktionell mit dem mr.t“Agrarbetrieb bzw. Versorgungsbetrieb” der Nordoststadt auf Elephantine besser vereinbaren ließe. Von einer rein staatichen Versorgung von Tempel und Palast der 3. Dyn. durch selbigen mr.t“Versorgungsbetrieb” hätten sich im Laufe des Alten Reiches die eigentliche Totenversorgung des hochgeborenen Privatmanns nach diesem Muster entwickelt. Dabei ist weiter zu überlegen, ob nicht ein Zusammenhang zwischen den mr.t -Leuten und den mr.t - Einrichtungen besteht bzw. ob jene auf ebendiesen tätig gewesen waren. 1096 Vgl. hierzu die Bemerkung von P. Kaplony, IÄF I, S. 504: “Einfache Gefolgsleute ohne Zusatz-njswt treten erst spät auf”. 1097 SIÄF, S. 54, Abb. 910, wo sich die Titelangabe Sms nwb - “der das Gold begleitet oder herbeiführt” findet. 1098 A. a. O., S. 54, Abb. 911, wo der Titelinhaber zusätzlich die epithetische Bezeichnung nfr mA a jz.t trägt; IÄF III, Tf. 101, Abb. 439 sowie A. J. Spencer, Early dynastic objects in: Catalogue of Antiquities in the British Museum, London 1980, S. 60 und Tf. 37, Abb. 417. Die

107

JEAN-PIERRE PÄTZNICK

Bedienstete waren, wie sie in unmittelbarer Nähe des Königs auch anzunehmen sind.1110

Beleglage auch für die Frühzeit und das Alte Reich vermutet werden.1116

Die Tatsache, daß die Sms(.w) zudem in Fremdgebieten genannt sind,1111 weist möglicherweise auf die Begleitbzw. Schutzfunktion hin, wonach sie bei Expeditionen für die Sicherung sowohl der begangenen Wege als auch der eroberten kostbaren Beute1112 vor Übergriffen durch die einheimische Bevölkerung oder sonstigen Raubüberfällen verantwortlich gewesen sein könnten.1113

4.2.1.6.2 Die Sms - Begleiter im Elephantiner Material Da diese Titelträger im bisher bekannten Material lediglich auf Rollsiegeln1117 belegt sind und Nachweise weder aus den Königsgräbern der Frühzeit noch aus Grabanlagen von hohen Beamten oder aus Siedlungsbefunden existieren, ist der reiche Fund von insgesamt 19 Siegelungen dieser Titelträger aus Elephantine umso bedeutsamer.

Daß es sich bei den Sms(.w) - Titelträgern bereits in dieser Zeit um eine organisierte Schutztruppe1114 oder gar Offiziere des damaligen Heeres- bzw. Transportwesens gehandelt haben dürfte, wie dies u. a. W. Helck für das Mittlere Reich annimmt,1115 kann trotz dürftiger

Von diesen stammen allein 17 aus den Stadtbereichen Festung (11) und Oststadt (6) sowie je eine aus der Nordoststadt und deren Erweiterung. Zudem waren in der Festung allein acht Siegelungen von Sms(.w) im Südbereich nachzuweisen (vier Kistenverschlüsse vom Typus Tb. 2 a,1118 je auf einer vom Typus Tb. 01119 und Tb. 2 b1120 sowie je auf einem Gefäßverschluß vom Typus Gv. III1121 und Gv. V b1122) und lediglich zwei im Mittelbereich1123 (je auf einem Kistenverschluß vom Typus Tb. 2 a und auf einem Gefäßhalsverschluß vom Typus Gv. V b) sowie auf einer einzigen im Nordbereich (auf einer Tonbulle vom Typus Tb. 0).1124 Bei den Funden im Südareal handelt es sich um.

1110

RAR II A, S. 40 ff., wo das tägliche Geleit der königlichen Macht mit der Ausschmückung der Kronen an der königlichen Stirn in enge Verbindung gesetzt wird; auch P. Kaplony schließt einen Zusammenhang zwischen dem “königlichen Diener” und seiner Rolle in bestimmten Festritualen nicht aus, s. hierzu IÄF III, Tf. 152, Abb. 872 und ders., in: ZÄS 88, 1962, S. 12 f. und Abb.16, wo der Titel “Königlicher Diener/Gefolgsmann” mit der wp(.t)S - “Einweihung” eines im 1. Unterägyptischen Gau befindlichen Sakralbezirkes zu tun hat. In diesem Kontext des Königsgefolges stellt m. E. die Person hinter Narmer den archaischen Vorgänger des Sms nswt dar, der ebenfalls die Sandalen seines Herrn trägt, wie dies die späteren Diener beim Privatmann tun. Eine adäquate Übersetzung des “königlichen Dieners oder Gefolgsmanns” könnte z. B. “Paladin” lauten, s. hierzu R. Hannig, Großes Handwörterbuch Ägyptisch-Deutsch, Mainz 1995, S. 823 - ein Titel, der bereits am Hofe Karls des Großen einen vornehmen Helden im Gefolge bezeichnete, s. hierzu H. Sachs-Villatte, Wörterbuch Franz.-Deutsch, 2. Auflage Berlin - München - Zürich 1966, S. 642. 1111 Siehe hierzu RAR II A, S. 120 ff. sowie die Titel zweier in Buhen (Nubien) mehrfach belegter Sms wD(.t)[…]MnkAwr a m xAs.t (rsjt) - “der die Befehle des (Königs) Mykerinos in den (südlichen) Fremdländern begleitet”, oder auch RAR II B, Tf. 42, Abb. 31 bes. Nr. 21777, Sms wD.t r a nb - “der die Befehle des Goldhorus Mykerinos täglich begleitet/herbeibringt” sowie RAR II B, Tf. 44, Abb. 32. 1112 Hinweis hierfür ist m. E. die Verbindung von Sms mit den Angaben von “Öl, Salbe, Kleidern und Myrrhen”, s. WB IV, S. 484, Anm.8 u.11. 1113 Deutliches Indiz dafür dürfte u. a. der Titel sHD Sms(.t) jz(.t)- “Aufseher der Begleitung der Mannschaft” sein, s. RAR II B, Tf. 29, Abb.76, der auf die Eskorte der Arbeiter auf der Baustelle schließen läßt. Siehe ebenfalls R. J. Leprohon, in: BE 106, S. 287 mit Anm. 1722, der seinerseits die einfachen Sms.w als “garde du corps” versteht, ansonsten aber “la fonction d´état- major, ou tout simplement d´escorte des troupes” dieser “garde du corps” offen läßt. 1114 Der Nachweis eines wr(?) xrp Sms jmnt.t - “Großer (?) Leiter der Begleiter/Begleitung der westlichen Verwaltungsdistrikte” könnte auf eine landesweite Organisation der Sms.w nach Gauen bzw. des Deltas schließen lassen, s. hierzu IÄF III, Tf. 15, Abb. 319 sowie IÄF II, S. 875, Anm. 1084. 1115 W. Helck, in: LÄ IV,1982, Sp.131, wo er die “Smsj.w” des Mittleren Reiches als “Berufsoffiziere” bezeichnet.” S. Quirke zählt die Sms.w zu den “regular military titles”, s. ders., in: RdE 37,1986, S. 122 sowie ders.,The Administration of Egypt in the Late Middle Kingdom, New Malden 1990, S. 86, Anm. 9 u. S. 247. S. zudem auch H. G. Fischer,Varia Nova, New York 1996, S. 131 und139, Tf. 26, mit dem Nachweis eines militärischen Titels a nx n(j) nwt und von vier diesem offensichtlich unterstellten sHD.w Sms.w - “Inspector of Liegemen”; zu sHD Sms.w als Vorgesetzter eines 100 Mann starken Kontingents, s. Denkstein von Sbk xwj, in: K. Sethe, Ägyptische Lesestücke, Leipzig 1924, S. 83. Im Unterschied dazu vertrat R. O. Faulkner die Meinung: “the retainers Smsw seem originally to have been a non military class of personal attendants on the King or personages of high degree.”, s. ders., in: JEA 39,1953, S. 38 f.

1116

So läßt der Beleg eines xrp Sms(.w) aus dem Alten Reich auf eine innere Organisation dieses Schutz- und Begleitpersonals schließen, s. N. de G. Davies,The Mastaba of Ptahhetep and Akhethetep at Saqqareh Part I., London 1900, Tf. XXII. Bemerkenswert in diesem Zusammenhang ist die Haltung und Tracht des Titelträgers, die eigentlich die eines Jägers sind, s. Tf. XVIII. Ebenso weist H. Goedicke den Sms.w vornehmlich kriegerische Funktion zu, s ders., Königliche Dokumente aus dem Alten Reich, ÄA 14, Wiesbaden1967, S. 50 ff. Besonders anregend ist hier die Deutung des Sms(.w) ¡r als königlicher Kriegsdienst bzw. als “ein administrativer Terminus für eine Art Waffendienstpflicht”. Nach dieser Vorstellung ließe sich m. E. der alle zwei Jahre stattfindende Horusdienst der Frühzeit als eine Art Wehrpflicht/Militärdienst vorstellen, zu der die Bevölkerung im Dienste des Königs für verschiedene staatliche Unternehmen, wie Kriegsführung, Expeditionen, Grenzsicherung oder aber zur Durchführung großangelegter Bauprojekte rekrutiert wurde. Vor diesem Hintergrund wäre zu überlegen, ob die einmalige Erwähnung des Sms ¡r in der 6. Dyn. nicht mit der großen Truppenaufhebung dieser Zeit, z. B. mit der des Wnj (Urk. I, 101) in Verbindung zu bringen ist. Zum Militärwesen im Alten Reich, s. E. Eichler, Untersuchungen zum Expeditionswesen des ägyptischen Alten Reiches, Wiesbaden 1993, S. 198 ff., worin er die Existenz eines stehenden Heeres im Alten Reich befürwortet. 1117 Vgl. hierzu IÄF III, Tf. 101, Abb. 439 und SIÄF, Tf. 6, Abb. 910911; in diesem Zusammenhang sei auch auf den Fund eines unpublizierten Holzrollsiegelfragments aus der Verfüllung eines Grabschachts der 4. Dyn. in Dahschur zu hingewiesen - nach freundlichem Hinweis von N. Alexenian. 1118 Festung: Kat. 164 - 165, die den selben Siegelnden Znzn“Stechmücke” aufweisen; Kat. 183 sowie 234, die als Siegelnden einen ¡zn.t bA zu erkennen geben; eine fünfte Kistenversiegelung (Kat. 215) stammt aus dem Mittelbereich der Festung; zum Typus Tb. 2 a siehe S. 44. 1119 Kat. 241 1120 Kat. 242; zum Typus Tb. 2 b siehe S. 49. 1121 Kat. 249; s. hierzu ausführlich S. 25ff. 1122 Kat. 166, das den selben Titelträger wie Kat. 164-165 aufweist; zur Beteiligung desselben an einem rotierenden Phylensystem siehe die ausführliche Darstellung S. 35 und S. 201. 1123 Festung - Mitte: Kat. 215 und Kat. 220. 1124 Festung - Nord: Kat. 269

108

DIE SIEGELABROLLUNGEN UND ROLLSIEGEL DER STADT ELEPHANTINE

Festung

Sms Tonbulle:

Gefäßverschl.:

Gefäßverschl.: Gesamt

Tb. 1 Tb. 2 a Tb. 2 b Tb. 5 -c Tb. 0

NO-Stadt + Erweiterung

5 1

Oststadt

Gesamt

1 1

1 6 1 1 3

1 2

Gv. I c Gv. III

1

Gv. V b

2 11

1 2

2 1

1

1

4

2

6

19

Tabelle 41: Stadttopographische Verteilung des von Sms-“Begleiter” gesiegelten Materials Sms Die sechs Siegelungen von Sms(.w) aus der Oststadt finden sich auf drei Tonbullen - einer nicht bestimmbaren Typus Tb. 01125 sowie je einer vom Typus Tb. 11126 und Tb. 2 a1127 - und auf drei Gefäßverschlüssen: zwei vom Typus Gv. I c1128 und einer vom Typus Gv. V b.1129

Tierfett sind die fehlenden materiellen Spuren an der Unterseite des einzigen Gv. IV.1133 Zwei weitere Gefäßverschlüsse der Oststadt mit dem Abdruck einer Abdeckscherbe bzw. mit den Spuren eines pflanzlichen Deckels weisen zum einen auf Getreide, zum anderen auf Wein als möglichem Inhalt der Gefäße hin.1134

Komplettiert wird der Befund von einem Gefäßhalsverschluß vom Typus Gv. V b aus der Nordoststadt-Erweiterung1130 sowie von einer Tonbulle vom Typus Tb. 5-c1131 aus der Nordoststadt.

Insgesamt sind zwei Kategorien von Siegelbildern zu erkennen: das weit verbreitete zweigliedrige Muster BT+PN, das sich ausschließlich in der Festung findet, und außerdem verschiedene viergliedrige Varianten. Lediglich in einem einzigen Fall kann von einer mind. fünfgliedrigen Siegelsequenz mit der erhaltenen Abfolge ?+E+PN+BT+PN+BEI+? ausgegangen werden.1135 Besondere Bedeutung kommt hierbei der Erweiterung des Siegelbildes mit dem Beititel sAD und dem Epitheton anx wD nTr nfr zu, wonach eine Datierung des Siegelbildes frühestens in die 3. Dyn. möglich ist.1136

Tabelle 34 verdeutlicht die besondere Bedeutung der beiden Stadtgebiete Festung und Oststadt. Während in letzterer die Sms(.w) ziemlich gleichmäßig auf Tonbullen und Gefäßverschlüssen verteilt sind, zeigt der Befund der Festung, daß die Hälfte (6) der Siegelungen die Abdrücke eines umwickelten Knaufes sowie weitere Verschnürungen von Holzkisten aufweisen. Die Tatsache, daß Sms(.w) Siegelungen meist im Südbereich geborgen wurden, läßt darauf schließen, daß an diesem Ort durch eben diese Titelträger Holzkisten kontrolliert wurden, über deren Inhalt allerdings keine näheren Angaben zu entnehmen waren. Die Abdrücke dieser Titelträger auf drei Gefäßhalsverschlüssen Gv. V b weisen auf Versiegelungen von Gefäßen hin, die Natron bzw. Salz beinhaltet haben könnten.1132 Sicherer Hinweis für die Versiegelung eines fettenden Inhalts wie Salbe oder

Charakteristisch für die viergliedrigen Siegelbilder, die sich bezeichnenderweise sowohl in der Oststadt als auch in der Nordoststadt-Erweiterung finden, ist zunächst die Wiederholung des Personennamens zu jedem einzelnen seiner Glieder. Dabei weisen die Sequenzen der Oststadt durchweg die Form BT+PN+E+PN auf, die um Epitheta wie anx mrr nsw.t1137 oder nfr mrj nb=f ergänzt sind, wodurch sie frühestens am Ende der 2. bzw. in die 3. Dyn. zu datieren sind. Aufgrund der die einzelnen Glieder des Siegelbildes voneinander abgrenzenden vertikalen Trennleisten ist sogar ein Datierungsansatz des Siegels

1125

Oststadt: Kat. 550 Oststadt: Kat. 582 und zu Tb. 1 siehe S. 41f. 1127 Oststadt: Kat. 492 und zu Tb. 2 a siehe S. 42ff. 1128 Oststadt: Kat. 394, mit einem Deckel aus pflanzlichem Material; versehen ist dieses Objekt mit dem Siegel eines Sms nsw.t-“Königlicher Begleiter”; Oststadt: Kat. 567, mit einer Abdeckscherbe. 1129 Oststadt: Kat. 491, auf einem Gv. V b. Es handelt sich hierbei um den selben Titelträger wie bei Kat. 492; zu den Gefäßverschlüssen vom Typus Gv. V b siehe S. 34ff. 1130 Nordoststadt-Erweiterung: Kat. 040; zu Gv. V b siehe S. 34ff. 1131 Nordoststadt: Kat. 100; zu dieser Sonderform siehe S. 54. 1132 Siehe hierzu Tabelle 14, S. 37. 1126

1133

Siehe S. 32, Anm. 316. Vgl. hierzu S. 32, Anm. 315. Oststadt: Kat. 550 auf einer typologisch nicht näher zu bestimmenden Tonbulle vom Typus Tb. 0. 1136 Zu diesen Beititel und Epitheton, s. S. 155ff. u. 168ff. 1137 Oststadt: Kat. 567 1134 1135

109

JEAN-PIERRE PÄTZNICK

die Schreibung des Titels auf vier der insgesamt 12 Siegelungen zu finden ist.1142 Da diese sowohl in den ältesten als auch in den jüngsten Befunden der Stadtgebiete (Festung, Oststadt und NordoststadtErweiterung) nachzuweisen ist und zudem auch auf Siegelbildern mit vertikalen Trennlinien aus dem Ende der 3. Dyn. bzw. der 4. Dyn. begegnet,1143 dürfte es sich

frühestens in die 2. Hälfte der 3. Dyn. bzw. in die 4. Dyn. zu verorten.1138 Das in der Erweiterung der Nordoststadt gefundene Beispiel einer viergliedrigen Siegelsequenz weist die unübliche Form BT+PN+T/B+PN mit Wiederholung des Personennamens sowie der zusätzlichen Angabe Hrj DA auf, deren Lesung als Hrj (w)DA.(t) am plausibelsten erscheinen dürfte1139 - auch wenn damit zwei Titel auf dem selben Siegel aufgeführt sind.

bei M1 um einen weit verbreiteten dennoch wertlosen chronostratigraphischen Durchläufer handeln, der durchgängig in der altägyptischen Titelkunde belegt ist.

Abgesehen von diesem einen Beispiel begegnet der Titel Sms meistens allein oder mit Beititeln bzw. mit epithetischen Bezeichnungen versehen. Darüberhinaus ist er in drei Fällen mit einem Substantiv kombiniert: so findet sich z. B. auf einem sehr fragmentarischen Gefäßhalsverschluß vom Typus Gv. V b aus der Festung die seltene Titelangabe Sms nTr.t - “Begleiter/Diener der Göttin”1140, während die zwei anderen Belege (ein Gefäßverschluß vom Typus Gv. I c und eine Tonbulle vom Typus Tb. 5 -c) aus der Ost- bzw. Nordoststadt den sonst nur auf Amtssiegelungen bekannten Titel Sms nsw.t - “Königlicher Begleiter”. 1141

Anders

verhält

es

sich

mit

den

dreigliedrigen

Kompositionen IP+L+FP M3 oder IP+FP+L M4, deren geradezu spezifische Raumverteilung sie zueinander chronologisch bestimmen läßt. M3 findet sich ausschließlich in der Oststadt, während M4 lediglich im Festungsareal, und zwar in Verbindung mit M1 bereits in den früheren Schichten der Festung (Siedlung) anzutreffen ist, weshalb davon ausgegangen werden kann,

Neben diesen unterschiedlichen epigraphischen Schreibvarianten lassen sich bis zu fünf Paläographien des Titels Sms bestimmen, die ihrerseits eine zwei- und

daß

eine dreigliedrige Form aufweisen. Die eine, L+FP, (M1), setzt sich aus einem Logogramm und einem Finalphonogramm zusammen und ist auf insgesamt sieben Siegelungen der Stadtbereiche Festung (4), Nordoststadt-Erweiterung (1) und Oststadt (2) nachzuweisen. Auffällig hierbei ist der hohe Anteil von M1 - Graphie innerhalb des Festungsbereiches, in dem

M3 jünger ist als

M4.1144

M2, die Bei Schreibungen wie L+FP+IP ausschließlich in der Festung belegt sind, handelt es sich um wenig bezeugte Graphien des Titels, die eigenwillige Schreibungen des jeweiligen Siegelbesitzers wiederspiegeln dürften und chronostratigraphisch nicht weiter verwertbar sind. Die stratigraphische Einbindung der paläographischen Merkmale in der Festung und in den anderen Stadtteilen läßt folgendes erkennen:

1138

Oststadt: Kat. 582 Nordoststadt-Erw.: Kat. 040; zum Vergleich siehe S. 98, Anm. 1009. Eine Deutung des Zusatzes Hrj DA in diesem Siegelbild ist mehrfach möglich: so läßt er sich in Verbindung mit Sms zum Titel Sms (n) Hrj (w)DA(.t) - “Begleiter bzw. Diener des Lagerhausverwalters” zusammenziehen - eine Angabe, die durchaus bekannt ist, wie vereinzelte Beispiele von Dienern eines Beamtens zeigen, s. z. B. WB IV, S. 486, Anm. 4. Gegen eine derartige Zusammenziehung spricht jedoch nicht nur der große Abstand zwischen beiden Titelbestandteilen, sondern auch die Tatsache, daß beide durch den jeweiligen Zusatz des Personennamens als eigenständiges Glied der Sequenz gekennzeichnet sind. Betrachtet man Hrj DA hingegen als eigenständigen Titel, so läßt sich dieser mit “der über dem/über den Feuerbohrer(n) ist” wiedergeben eine Lesung, die gerade im Fundkontext der Nordoststadt-Erweiterung als Metall- und Goldschmiedewerkstatt nicht abwegig erscheint, vgl. hierzu Kap. Stadtgeschichticher Überblick, S. 210.

1139

Zur Deutung von DA als Feuerbohrer, s. u. a. W. Spiegelberg, in: ZÄS 58, 1923, S. 150 f. sowie zuvor A. Ungnad, in: ZÄS 43, 1906, S. 161 f. Schließlich ließe sich Hrj DA auch mit “der über dem Überfahren/Übersetzen ist” wiedergeben, womit dieser Sms - Titelträger als “Fährmann” anzusehen wäre. 1140 Festung: Kat. 220. Der Titel dürfte auch hier als Bestandteil des Kultpersonals der Göttin von Elephantine aufzufassen sein, s. hierzu S. 131 und Anm. 1337-1338. 1141 Oststadt: Kat. 394, S. 18, Anm. 179 und Nordoststadt: Kat. 100, s. S.54.

1142

Zur Schreibung von Sms s. Tafel XXII - M - Paläographien. Eine ähnliche Bildung findet sich beispielweise auf einem Amtssiegel von Horus Sanacht, s. J. Kahl et alii., Inschriften der 3. Dyn., S. 140 f. 1143 Oststadt: Kat. 492 1144 Siehe u. a. Kat. 567 und 582, wo sich M3 auf einem Siegelbild mit vertikalen Trennlinien findet und daher frühestens in die späte 3. Dyn. bzw. an den Beginn der 4. Dyn. sicher zu datieren ist; vgl. hierzu auch SIÄF , Tf. 6, Abb. 911.

110

DIE SIEGELABROLLUNGEN UND ROLLSIEGEL DER STADT ELEPHANTINE

Stadtgebiete

Strat. / Bauschicht

Ägypt. Inbetriebnahme der Festung A: Mitte/2. H. 2. Dyn.

Strat. 8 Schicht I 1.2

B: 2. Hälfte 2. Dyn. Festung

Strat. 6 Schicht III -1

B: 2. Hälfte 2. Dyn. Festung

Strat. 6 Schicht III -1

B: 2. Hälfte 2. Dyn. Festung

Strat. 6 Schicht III -2

C2: Ende 2. Dyn. NO-Erweiterung

Str. 2 Schicht III-2

Paläograph. Varianten

M1

M4

M1

M2

M4 M1

Oststadt: Areal III B Späte-Ende 3. Dyn.

M1

Oststadt: Areal I/II B Späte-Ende 3. Dyn. M3 Tabelle 42: Stratigraphische Einbindung der Graphien des Titels Sms Dem Befund nach dürften die Sms(.w) Teil des Festungspersonals gewesen sein, ja es ist sogar davon auszugehen, daß sie in den militärischen Kontext einer solchen befestigten Anlage eingebunden bzw. durch die Übernahme von verwaltungstechnischen Aufgaben potentielle Führungspersönlichkeiten (Offiziere) waren.

4.2.1.6.3 Zusammenfassung Faßt man die bisherigen Ergebnisse zusammen, so zeigen die erhaltenen Abdrücke an den Verschlüssen, daß die Sms.w - Titelträger neben vereinzelten Gefäßen (Gv. I c und Gv. V b) in der Hauptsache Kisten versiegelten. Fundorte der Versiegelungen, die im Südbereich des Satettempels völlig fehlen, sind - neben vereinzelten Belegen aus der Nordoststadt und ihrer Erweiterung vorwiegend die Festung und die Oststadt, die demnach Anlaufstelle für Anlieferungen bzw. Ort ihrer Kontrolltätigkeiten waren. Besonders im Südbereich des Festungsareals wurden die in Kisten verpackten Waren angeliefert, kontrolliert und eingelagert, was dafür sprechen dürfte, daß die wohl wichtigste Funktion der Sms.w - “Begleiter” Transport und Begleitung sowie die Kontrolle von Waren darstellen dürfte. Daß sie darüberhinaus ganz offensichtlich mit weiteren spezifischen Aufgabenbereichen - offizieller wie kultbezogener Art (?) - betraut waren, zeigen vereinzelte Belege zweier Sms nsw.t aus der Oststadt und aus der Nordoststadt sowie von einem Sms nTr.t(!) aus der Festung.

4.2.1.7 Die

und

4.2.1.7.1 Lesung und Deutung Der Titel ist in der gesamten Titelkunde Altägyptens bisher weder in der Frühzeit noch im Alten Reich belegt. Graphisch setzt er sich aus vier bzw. fünf Zeichen zusammen, die in zwei Register unterteilt sind. Das obere Feld weist die Hieroglyphen

nsw.t und

die auch in der Kombination invertierten Reihenfolge

nTr/nTr.t auf, oder in der

begegnen können. Das

und in untere Register enthält die Zeichen einer kontraktierten Form. Dennoch taucht in den meisten

Ansonsten lassen die Siegelungen der Sms(.w) erkennen, daß es sich bei ihnen um einen eigenständigen Personenkreis handelte, da sie weder die Gruppenbezeichnungen der mjtr noch die der rnw/jrj nw bzw. rnw.tj/jrj nw.tj aufweisen.

Fällen die Anordnung

bzw.

auf, womit die

beiden - Zeichen durch ein einzelnes werden können. 111

ersetzt

JEAN-PIERRE PÄTZNICK

Nicht geringe Schwierigkeiten bereitet hingegen die

Die Axt wird hier allerdings nicht mjb.t,1145 sondern mDH gelesen und findet sich in dieser frühen Form in einigen Titeln der Frühzeit und des Alten Reiches.1146 Dabei scheint sie auf die Funktion eines “Vorstehers” oder gar “Leiters” bzw. “Administrators” oder “Direktors” hinzudeuten, wie die Austauschbarkeit von mr - “Vorsteher” und manchen Titulaturen erkennen läßt.1147

und bzw. Verknüpfung der beiden Register von nsw.t und nTr/nTr.t mit der Gruppe mDH qAqA(w). Einen Ansatz könnte die Anordnung der Zeichen in den beiden Registern liefern, da so eine Zuordnung von nsw.t zu mDH und von nTr/nTr.t zu q(A)q(A) möglich wäre, woraus sich eine Lesung mDH nsw.t q(A)q(A) nTr/nTr.t und damit ein Titel “Königlicher Schiffszimmermann der Gottesbarke/-barken” ergäbe.1153 Daß eine derartige -

mDH in

Eine sonderbare Graphie stellt das darunterliegende wenn auch durchaus vorstellbare - Deutung des Titels

dar, da das Zeichen sonst stets einfach und nicht in der doppelten Form begegnet, weshalb mehrere Deutungen möglich sind. Neben einer Lesung als wnm, das bereits im Alten Reich in der Konotation “essen” bzw. “Nahrungsmittel / Speisen” belegt ist,1148 kennt das

jedoch kaum zutreffen kann, zeigen die Varianten bzw. , die beide eine andere Lesung von fordern und damit auch gegen die Lesung bzw. Deutung von

mit einem Lautwert q(A)q(A) in der Wörterbuch Bedeutung “Flußschiff”.1149 In einem ebensolchen

als qAqA bzw. “Flußschiff” sprechen.

Kontext findet sich die Graphie auch im Titel xrp q(A)q(A.w) - “Leiter der Flußschiffe”1150 aus der 5. und 6. Dyn. In Anlehnung an diesen Titeln läge es nahe, die im

In Anlehnung an die graphische Variante scheint hingegen die Annahme, daß

unteren Register befindliche Gruppe mDH qAqA(.w) zu lesen und die gesamte Titulatur mit “Leiter / Administrator der Flußschiffe” zu übersetzen. Allerdings ist in diesem nautischen Kontext noch ein weiterer Lesungsvorschlag in Erwägung zu ziehen. Auschlaggebend hierfür ist die Schreibung des Wortes “Schiffszimmermann”, das seit dem Mittleren Reich (laut

bzw.

und

und

damit + bzw. + als parallele Anordnung gestaltet sind, weitaus aufschlußreicher. Von zentraler Bedeutung für die Übersetzung und Interpretation des Titels ist daher die Bestimmung des

+ Schiff wie-

Hieroglyphenzeichens , das als Bestandteil von Titeln wie sms(w) wxr.t - “Ältester der Werft” und mDH wxr.t aA.t bzw. mDH wxr.t aA.t pr aA bereits bekann ist1154 und

dergegeben wird. Steht demnach tatsächlich für die Schreibung qAqA - “Flußschiff”, so wäre die Parallele zur Graphie unseres Siegels so frappierend, daß sie die

die Lesung wxr.t nahelegen.1155 Was demzufolge für seinerseits eine Lesung bzw. Deutung der gesamten

Wörterbuch!)

1151

mit der Graphie

Wiedergabe von mDH qAqA(.w) mit “Schiffszimmermann der Qaqa-Barke/Barken” regelrecht fordern würde.1152

Zeichengruppe entweder als mDH nsw.t wxr.t nTr/nTr.t - “Königlicher Direktor der Werft des Gottes/-der Göttin” oder mDH wxr.t nsw.t nTr/nTr.t - “Direktor der Werft des Königs und des Gottes/-der Göttin implizieren würde1156 -

1145

WB II, S. 42, Anm. 14. WB II, S. 190 f. 1147 Siehe hierzu W. Helck, Beamtentitel, S. 75. 1148 WB I, S. 320 u. S. 321, Anm. 19 mit der Angabe “Fütterung des Viehs”. Vgl. außerdem mit der Determinierung des Wortes Sb(.w) “Nahrung, Opferspeisen bzw. Proviant”, s. WB IV, S. 437, Anm. 6-9 bzw. WB I, S. 371, Anm. 5 sowie P. Kaplony, in: Or. 41, 1966, S. 72; zu wSb-“sich (er)nähren” siehe WB I, S. 371, Anm. 3 - 4 . 1149 WB V, S. 14, Anm. 5. 1150 Zu diesem Titel, s. ebda., Anm. 8; s. außerdem P.- M. Chevereau, in: RdE 40,1989, S. 21; PM III-2 , S. 694 sowie N. de G. Davies, The Mastaba of Ptahhetep and Akhethetep Part I, London 1900, Tf. XXI. 1151 WB II, S. 190, Anm.10. 1152 Vgl. hierzu die im British Museum ausgestellte Sitzstatue des anx wa, auf der der Titel “Schiffszimmermann” bereits für die Frühzeit bzw. für das frühe Alte Reich (3. Dyn.) belegt ist. Dort trägt der Dargestellte u. a. den Titel “Schiffszimmermann der/des “smA - Stier”- Barke oder Schiffes, s. A. J. Spencer, Catalogue of Egyptian Antiquities in the British Museum, V Early Dynastic Objects, London 1980, S. 13, Abb. 1 und Tf. I sowie IÄF I, S. 446 f. Zur “smA - Stier”-Barke, s. auch den in die Mitte-2. Hälfte der 2. Dyn. datierten Beleg mit Nennung des 1146

Königs Weneg (“wAD ns”), PD IV, S. 17 und Tf. 20 Nr. 106. Zur weiteren Erwähnung dieser Barke bzw. dieses Königsschiffes in der Frühzeit bzw. in der Regierungszeit des Königs Ninetjer (Mitte der 2. Dyn.), s. W. Helck, in: ZÄS 83,1958, S. 94 f. und Abb. 2 und IÄF I, S. 599 f. 1153 Zum Titel mDH nsw.t, vgl. PM III-2 , S. 932, Ziffer 320. 1154 WB II, S. 190, Anm. 14. 1155 Einen Überblick über die Belege findet sich in PM III-2 , S. 933 K. Boats, barks, and dockyards- sowie in der Untersuchung von N. Dürring, Materialien zum Schiffsbau im Alten Ägypten, Berlin 1995, insbes. auf S. 174 ff. 1156

Der Titel mDH nsw.t wird v. a. von “Königlichen Architekten” getragen und kommt im Zusammenhang von Werften nicht vor, so daß diese Lesung bzw. Deutung auszuschließen ist. Darüberhinaus möchte ich - zur Verdeutlichung der vorgeschlagenen Wiedergabe des Titels - auf die Schreibungen

112

und

DIE SIEGELABROLLUNGEN UND ROLLSIEGEL DER STADT ELEPHANTINE

Reich, wie aus privaten und königlichen Inschriften hervorgeht, besonders gekenn-zeichnet.1161

eine Auslegung des Titels, die sich wohl in der erweiterten Graphie

wiederspiegeln dürfte.

4.2.1.7.2 Die mDH wxr.t(y) nsw.t nTr/nTr.t / mDH wxr.t nsw.t nTr/nTr.t im Elephantiner Material

Auch wenn die bisherige Deutung des Wortes wxr.t mit “Werft” nicht immer überzeugt,1157 läßt die Durchsicht der Belege des Alten Reiches dennoch folgendes erkennen:1158 das Wort wxr.t bezeichnete in einigen Städten Ägyptens1159 in den meisten Fällen einen Werkplatz, an dem Holzschiffe hergestellt wurden.1160 Da der Titel eines wr/sms(w) wxr.t - “Großer bzw. Ältester der Werft” auch bei der Aufsicht der Möbelherstellung belegt ist, dürfte es dem Sachverhalt angemessen sein, nicht nur eine Wiedergabe von wxr.t mit “Werft” anzunehmen, sondern darin zudem in erweitertem Sinn einen Holzberarbeitungsbetrieb zu sehen. Dies schließt natürlich nicht die Möglichkeit aus, solche Betriebe im Hafenbereich zu lokalisieren, da sie schließlich gerade in unmittelbarer Nähe von Holzdepots zu erwarten sind.

Insgesamt sechs Verschlüsse, die alle aus der Oststadt1162 stammen, tragen die Siegelungen dieser Titelträger, von denen sich drei auf Gefäßverschlüssen vom Typus Gv. IV d1163 und Gv. I c1164 und zwei an Tonbullen vom Typus Tb. 2 b1165 fanden sowie ein weiterer auf einem Türverschluß vom Typus Tv. 2 (?),1166 woraus ersichtlich wird, daß diese Beamtengruppe gleichermaßen nicht nur Gefäße mit Getreide (Gv. I c) oder fettenden Produkten wie Tierfett (Gv. IV d) als Inhalt siegelten, sondern zudem ganz unterschiedliche Behältnisse. Die fünf zu rekonstruierenden Siegelbilder auf den Verschlüssen lassen unterschiedliche Muster erkennen: zum einen ein zweigliedriges der Form BT+PN,1167 zum anderen ein viergliedriges Muster BT+PN+S+PN, das sich zwei Mal findet und jeweils von demselben Siegelinhaber stammt,1168 und schließlich eine fünfgliedrige Sequenz S+PN+BT+E+PN, die ebenfalls zwei Mal den einen und demselben Siegelnden ausweist.1169

Mit einer derartigen Aufteilung der Bereiche, wie sie aufgrund des Titels mDH wxr.ty nsw.t nTr(.t) anzunehmen sein dürfte, darf somit auf die Existenz zweier unterschiedlicher Hafenbereiche mit in diese integrierten Holzverarbeitungsbetrieben geschlossen werden, deren Lage zum einen im windgeschützten Süden der Inselstadt, zum anderen an der Ostflanke von Elephantine, gegenüber der modernen Stadt Assuan zu suchen sein dürfte. Beide sind bezeichnenderweise nicht nur heute noch bevorzugte Ankerplätze für die Fellukas der Inselbevölkerung, sondern zudem bereits seit dem Alten

Auffällig ist, daß sich auf vier Siegelungen die Titelangabe mjtr findet und daß diese zugleich als mDH wxr.t(y) nsw.t nTr.t - “Direktor der beiden Werften des Königs und Gottes/-der Göttin” ausgewiesen sind - eine Amtsbezeichnung, deren Tätigkeitsbereich allerdings nur schwer zu bestimmen ist, da der Titel in fünf von sechs Siegelungen weder von einer beruflichen Tätigkeit noch durch Zufügung einer zusätzlichen Titelangabe ergänzt

aufmerksam machen, wonach zunächst zwar eine Lesung mDH nsw.t (j)qd(.w) nahezuliegen scheint, die jedoch aufgrund der zweiten Graphie in mDH (j)qd(.w) nsw.t zu korrigieren sein dürfte, s. hierzu WB V, S. 74 III c -12. 1157 Ein Beispiel dafür stellt der vermeintliche Titel “Direktor der großen Werft” im Grab eines Barbiers, einer Art Kämmerer des Palastes dar, der wohl kaum mit der Überwachung der Arbeiten an den Schiffen einer “großen Werft” betraut gewesen sein dürfte, s. MM - D 67 sowie P. Kaplony, in: LÄ I, 1975, Sp. 618. Auch die mit dem Nachweis xtm(w.tj) wxr.t mwt msw nsw.t N(j) mA a.t Hp(j) - “Schatzverwalter der Werft der Königsmutter Nimaathapi” im abydenischen königlichen Grabkomplex des Horus Chasechemui (Ende der 2./Anfang der 3. Dyn.) einhergehende Vorstellung eines Beamten, der wohl den (privaten) Bootsbau und die Flotte im Haushalt der Königinmutter unter seiner Kontrolle gehabt hätte, scheint in diesem Zusammenhang äußerst unwahrscheinlich, s. IÄF III, Tf. 86, Abb. 325 und IÄF I, S. 161, 301 und 529 wie auch IÄF II, Anm. 983 u. 994. Stattdessen legen die Siegelungen auf Gefäßverschlüssen von Typ IV B die Kontrolle von Fett- und Ölvorräten im Haushalt der Königin und Königsmutter Nimaathapi durch diesen Beamten nahe. 1158 H. G. Fischer, Dendera in the third millenium B. C., New York 1968, S. 211 ff. 1159 Die topographische Verteilung dieser wxr.t - Holzverarbeitungsbetriebe läßt allgemein eine Konzentration der Belege im Bereich von Memphis sowie vereinzelte Nachweise in Meir, Deir el Gebrawi, Dendera und Thinis erkennen, s. hierzu N. Dürring, op. cit., S. 191 ff. und H. G. Fischer, op. cit., S. 211. 1160 Siehe hierzu R. Drenkhahn, in: LÄ VI, 1986, Sp. 1224; vgl. in diesem Zusammenhang die aus einer Werft wxr.t hergestellte eindrucksvolle Schiffsarmada, die den Verstorbenen auf seiner Jenseitsreise begleiten soll, H. Junker, Giza IV, S. 73 ff. und Tf. X; s. hierzu auch E. M. Pardey, Schiffbau, in: LÄ V 1984, Sp. 617.

1161

Zu erwägen wäre, ob der Hafen der Göttin - wxr.t nTr.t - und der daran angeschlossene Holzbearbeitungsbetrieb nicht an der Ostseite der Insel, und zwar im Bereich der römischen Treppen gelegen haben könnte, der teilweise noch heute als Werftplatz benutzt wird. Gerade dort bezeugen die königlichen (Unas, Ende der 5. Dyn.) wie privaten Inschriften bis in die römische Zeit die Bedeutung des Ortes beim Anlanden der Barkenprozession der Göttin Satet von Elephantine. Auch die Lagerung der aus Nubien importierten exotischen Hölzer wie mrw und aS dürfte eine große Depotfläche beansprucht haben, die auf der Insel selbst jedoch nicht vorhanden war, weswegen davon auszugehen ist, daß sie möglicherweise an der Stelle - oder im Umfeld - der modernen Stadt Assuan gelegen haben könnte. 1162 Ein weiteres Beispiel dieses Titels ist auf einer Siegelung der Nordweststadt zu erkennen. 1163 Kat. 275, zum Typus Gv. IV d siehe S. 34, Anm. 307. 1164 Kat. 313 sowie 395. Beide tragen das gleiche Siegel. Zum Typus Gv. I c siehe S. 17ff. und S. 18. 1165 Kat. 407 u. 601; hierbei handelt es sich um zwei unterschiedliche Siegelungen desselben Inhabers; zu Tonbullen vom Typus Tb. 2 b, s. ausführlich S. 48ff. 1166 Kat. 459. Zu Tv. 2 siehe S. 57ff.; die Unsicherheit der typologischen Zuordung resultiert sowohl aus dem zu erkennenden Stoffabdruck als auch aus den Spuren eines Holzgegenstands von 1,5 cm Dm, was insgesamt auf die Verschnürung eines Sackes mit einem Holzstück hindeuten könnte, wie dies allerdings erst im Mittleren Reich belegt ist. Sollte es zutreffen, wäre die Versiegelung in unserem Material das bisher früheste bekannte Beispiel seiner Art in Ägypten. 1167 Kat. 459 1168 Kat. 407 und 601. 1169 Kat. 313 und 395.

113

JEAN-PIERRE PÄTZNICK

bzw. erläutert wurde. Lediglich in einem einzigen,1170 sehr unsicheren Fall, ist der Zusatz eines weiteren Titels auszumachen. Auf ein nicht mehr zu identifizierendes Glied der Siegelsequenz, das vermutlich den Personennamen des Siegelinhabers wiedergeben haben dürfte, folgt eine Titelangabe, deren Beginn als xrp -

4.3 Lokalverwaltung: Die Berufssiegel 4.3.1 Allgemeines Angesichts der Vorstellung, daß - wie schon H. Brunner bemerkte - Berufe “neben der Notwendigkeit für sich und seine Familie den Lebensunterhalt zu schaffen”, prinzipiell ein Dienst an der Gemeinschaft sind, “die freilich in Ägypten durch den König repräsentiert wird”, womit “jede Berufstätigkeit Königsdienst” ist,1173 empfielt es sich den Begriff des “Berufes” mit einer klaren Definition zumindest formal zu bestimmen, um so eine mögliche Verwechslung mit anderen Titeln vorzubeugen. Unter einem Beruf werden demnach in der vorliegenden Arbeit Tätigkeitsangaben erfaßt, die zum einen auf die Ausübung eines Handwerkes bzw. einer bestimmten Kunstfertigkeit verweisen und die zum anderen weder einen Beamtentitel noch eine Titelangabe darstellen bzw. wiedergegeben.1174

“Leiter” auszumachen ist, worauf die Bezeichnun Hr(j) sowie eine unter diesem befindlichen, jedoch nicht deutlich zu erkennenden Hieroglyphe folgt und mit einem nw - Topfzeichen abschließt. Das unvollständig

Hr ähnelt erhaltene langgezogene Gebilde unter dem T, so daß man an einerseits einem invertierten dieser Stelle Tnw zu lesen sein könnte. Andererseits würden die erhaltenen Zeichen ebenfalls für eine Lesung Snw sprechen, so daß letztlich für Lesung und Deutung des gesamten Titels zwei Möglichkeiten in Betracht gezogen werden müssen:

Die Kategorie von Berufssiegelungen ist in der Fachliteratur weder erwähnt noch als solche umfassend behandelt worden.1175 Dabei ließen gerade einige in verschiedenen Museen aufbewahrte Rollsiegel erkennen, daß diese Siegelnden bereits in der Frühzeit Ägyptens in unterschiedlichen Bereichen einer beruflichen Tätigkeit nachgingen. Grabplatten aus Heluan und Sakkara der 2. bzw. 3. Dyn. bezeugen sogar, daß spätestens in dieser Zeit eine innere Organisation einiger dieser Berufe, wie z. B. im Handwerk, nämlich bei Tischlern und Bildhauern existierte.1176 Im Alten Reich lassen sich Berufstätige, wie Koch, Bäcker, Töpfer, Schlächter, Ruderer, Sänger, Tänzer(innen), Musiker sowie weiteres Dienst- und Unterhaltungspersonal nicht nur in den königlichen Archiven des Totentempels von Neferirkare in Abusir1177 belegen, sondern ebenso in einigen vornehmen Haushalten.1178 Spätere Nachweise bezeugen darüberhinaus, daß sich einige Handwerker neben den staatlichen Aufträgen auch mal einen “Nebenverdienst”

xrp Hr(j.w) Tnw - “Leiter von denen, die über / auf / xrp Hr(j.w) Snw - “Leiter von Tnw sind” oder denen, die über / auf dem Snw sind”. Die Tatsache, daß sich diese Siegelung auf einem Gefäßverschluß vom Typus Gv. IV d befindet, läßt zudem auf ein fettendes Produkt als Inhalt des gesiegelten Gefäßes schließen1171 und bietet keinerlei Hinweis die mitgeführten Titelangaben zu verstehen. 4.2.1.7.3 Zusammenfassung Mit dem neuen Titel mDH wxr.t/wxr.t(y) nsw.t nTr/nTr.t ist eine Gruppe von Verwaltenden erfaßt, die bisher nur auf Elephantine und fast ausschließlich in der Oststadt der 3. Dyn. nachzuweisen ist. Den Angaben nach umfaßte ihre Tätigkeit vorwiegend die Leitung der Werft bzw. der beiden Werftanlagen des Königs und der Göttin auf Elephantine, darüberhinaus aber auch die Kontrolle bzw. Überwachung der Produktion der jeweiligen Holzverarbeitungsbetriebe sowie des dazugehörigen Güterumschlags, vielleicht sogar des Zollamtes. Auffällig ist, daß diese Tätigkeiten fast ausschließlich von mjtr Angehörigen ausgeübt wurden.1172

1173

H. Brunner, in: LÄ I, 1975, Sp. 717. Wird eine Berufsangabe mit dem Zusatz ntr, nsw. t bzw. nb/ nb. t begleitet, so wird diese als Titelangabe bzw. als Beamtentitel aufgefaßt. 1175 Einige davon werden bei P. Kaplony unter dem Beamtensiegelmuster z. B. IÄF III, Tf. 95, Abb. 371 (Tischler), bzw. unter dem des “Kollektivsiegels”, wie z. B. IÄF III, Tf. 96, Abb. 386 (Steinmetz) u. Abb. 387 (Jäger) erwähnt, andere wiederum erhalten eine Amtsbezeichnung, wie z. B. IÄF III, Tf. 98, Abb. 404 (Prospektor). 1176 Zaki Saad, Ceiling Stelae in Second Dyn. Tombs, SASAE 21, Le Caire 1952, S. 20 ff., Tf. XII und S. 31 ff., Tf. XVIII; vgl. auch die in Sakkara Nord gefundenen Fragmente einer Scheintür eines Hmwt“Handwerker” aus der 3. Dyn., hierzu T. G. Martin, The Tomb of Hetepka, London 1979, S. 20 mit Tf. 20, Abb. 13, sowie die im Kairener Museum ausgestellte Scheintür von Chabausokar, der ganz offensichtlich seiner Titulatur nach die oberste Leitung der Handwerker in der Residenz innehatte, s. J. Kahl et alii, lnschriften der 3. Dyn., S. 186-193 und S. 128 f. 1177 P. Posener-Kriéger, Archives Abousir, S. 587 und S. 604 f. 1178 H. Junker, Giza II, S. 165 f., Abb. 20. 1174

1170

Kat. 275 auf einem Verschluß vom Typus Gv. IV d; s. hierzu Anm. 1163. 1171 Zur möglichen Verwendung von Tierfett für die Beleuchtung sei auf die Abusir-Papyri verwiesen, die Angaben zu Lieferungen und Gebrauch desselben enthalten, s. P. Posener-Kriéger, Archives Abousir II, S. 629. 1172 Siehe hierzu insbesondere S. 145f. sowie die übergreifend Darstellung in Kap. Stadtgeschichtlicher Überblick, S. 212 f.

114

DIE SIEGELABROLLUNGEN UND ROLLSIEGEL DER STADT ELEPHANTINE

denen Siegelungen sowie die Einritzung einer Berufsangabe waren sowohl auf Gefäßhalsverschlüssen vom Typus Gv. V a und Gv. V b, desweiteren auf Tonbullen vom Typus Tb. 2 a und Tb. 2 b angebracht. Die Berufssiegelungen der Oststadt fanden sich auf vier Gefäßhalsverschlüssen vom Typus Gv. V a und Gv. V b sowie je auf einem Kistenverschluß (Tb. 2 a) und auf einem Korbverschluß (Tb. 4), wohingegen die vier Siegelungen aus Satet-Süd ausschließlich auf Gefäßverschlüssen vom Typus Gv. I c, Gv. II a und Gv. IV a nachzuweisen sind.

mit der Ausschmückung der Grabanlage eines vornehmen Grabbesitzers gönnen konnten.1179 4.3.2

Die Berufssiegel im Elephantiner Material

Die Gruppe der Berufssiegel in unserem Material besteht aus 17 Siegel- bzw. Schriftträgern, von denen sieben aus dem Festungsareal, sechs aus der Oststadt und vier aus dem Südbereich des Satettempels stammen. Die in der Festung bzw. vorwiegend in deren Südbereich gefun-

Berufssiegel Gv. I c

Festung

Satet- Süd 1

Oststadt

Gesamt 1

Gv. II a

1

1

Gv. IV a

2

2

Gv. V a

1

1

2

Gv. V b

2

3

5

Tb. 2 a

2

1

3

Tb. 2 b

2

1

2

Tb. 4 Gesamt

1 7

6

4

1179 Hierzu ausführlich E. Eichler, Untersuchungen zum Expeditionswesen des ägyptischen Alten Reiches, GO 26, Wiesbaden 1993, S. 318 f.

115

17

JEAN-PIERRE PÄTZNICK

Auffällig ist zunächst ein deutliches Übergewicht der Gefäßverschlüsse (11), von denen allein die Gefäßhalsverschlüsse (Gv. V a und V b) mit sieben Nachweisen deutlich den Hauptanteil ausmachen, wohingegen bei den Tonbullen (6) die Kistenversiegelungen (Tb. 2 a) mit drei Belegen dominieren. Insgesamt ist ein breites Spektrum von Siegelungsträgern erkennbar, von denen allein fünf aufgrund des nachzuweisenden Gewebeabdruckes als Gv. V b zu bestimmen sind, was Hinweis auf Natron bzw. Salz als möglicher Gefäßinhalt sein dürfte. Desweiteren lassen der auf zwei Gefäßverschlüssen vom Typus Gv. II a und Gv. IV a erkennbare Stoffabdruck sowie der Nachweis eines Strohdeckels vermuten, daß in den mit diesen Verschlüssen versehenen Gefäßen Eingepökeltes wie Fleisch oder Fisch, eventuell sogar Wein auf-bewahrt wurde.1180

Händler/Die Händlerin”,1191 wdpw-“Aufwärter, Diener” bzw. obH.w- “Kühlender”,1192 Ssm(w)-“Zuständiger für die Öl-/Weinpresse, Kelterer”1193 Sowie jrj T.tAngehöriger der Trägern” bzw. “Träger”.1194 Auffällig hierbei ist die Tatsache, daß sich auf drei Siegelungen neben der Berufsbezeichnung auch die Angabe mjtr findet, was darauf hindeutet, daß diese besonders im Bereich der Agrarwirtschaft sowie des Handels tätig waren.1195 Neben derartigen Berufssiegelungen bzw. Berufsmarken mit einer vorwiegend zweigliedrigen Sequenz B+PN läßt sich darüberhinaus eine Gruppe nachweisen, die aus einer mindestens viergliedrigen Sequenz besteht. Auffällig ist hierbei die grundsätzliche Einbindung der Berufsangabe auf Beamtensiegeln mit Wiederholung des Privatnamens, was sich nicht nur an einem aus dem Südbereich des Satettempels gefundenen Objekt zeigt, auf dem der Beruf eines b.t(j)-“Hirt”1196 mit dem Titel eines Hrj s(w)DA(.w)- “Oberster Bewahrer”1197 genannt ist,

Anhand der vorhandenen Inschriften lassen sich unterschiedliche Gruppen von Berufstätigen ermitteln. Demnach befinden sich unter den Siegelnden Berufe, wie sSm(w)/ sSm.t(j)1181-“Schlächter” auf Abrollungen und Einritzungen aus der Festung1182 bzw. lediglich als Ritzmarke aus dem Südbereich des Satettempels1183 bzw. auf einer weiteren Siegelung aus der Oststadt,1184 desweiteren zwei Siegelungen von Hm.tj- “Erzarbeiter/Kupferschmied” jeweils einmal aus

1191

Festung: Kat. 120 auf einer Tb. 2 b; s. hierzu noch S. 52 sowie S. 144; s.WB IV, S. 68, Anm. 4. Satet-Süd: Kat. 014 auf einem Gefäßverschluß vom Typus Gv. IV a mit dem Abdruck eines Strohdeckels; siehe hierzu auch S. 29, Anm. 280 sowie S. 204, Anm. 1918. Aufgrund der Wiedergabe des Gefäßes ohne

1192

der Festung1185 und der Oststadt,1186 sowie kAr(j)“Winzer” jeweils aus dem Südbereich des Satettempels1187 und der Festung.1188 Zusätzlich existieren

beide Lesungen IP oder FP (Initial-o. Finalphonogramme) sind für und Deutungen möglich; beide finden sich übrigens in den Schlachtungszenen der Gräber des Alten Reiches, s. hierzu ausführlich H. G. Fischer, in: Or. 29,1960, S. 173, Fig. 4 u. Anm. 2. 1193 Oststadt: Kat. 424 auf einem Kistenverschluß vom Typus Tb. 2 a mit dem zusätzlichen Titel mjtr, s. hierzu auch S. 46 sowie S. 146. 1194 Oststadt: Kat. 433; vgl. mit dem Titel mr T.t in MM 55, S. 328 sowie WB V, S. 411 -5. Siehe zudem G. Roquet, in: BE 81, 1979, S. 440 und vielleicht auch D. Meeks, in: AL III, S. 328 “équipe”. Die Auslegung der Berufsbezeichnung als “Träger” findet mit ihrem Nachweis auf einem Korbverschluß (Tb. 4) gewissermaßen Unterstützung; s. auch hierzu S. 53. 1195 Siehe hierzu ausführlich S. 148f. 1196 Zur Angabe, die sich auf einem Verschluß vom Typus Gv. I c Satet-Süd: Kat. 025 - findet, s. S. 18, Anm. 171 sowie S. 105, Anm. 1081; die Lesung b(A).t(j) bzw. b.t(j) läßt sich nur von der graphischen

mehrere einfach belegte Berufsbezeichnungen wie kAn(w)-“Gärtner”,1189

wt(j)-“Balsamierer(?)”,1190

jr(j) swn.t-“Der/Die Handel treibt” bzw. “Der

1180

Zu diesen Merkmalen siehe u. a. S. 23 f. und S. 32, Anm. 315 sowie S. 39, Tabelle 19. 1181 WB IV, S. 292, Anm. 11 sowie S. 292, Anm. 12-13. Siehe hierzu außerdem H. G. Fischer, in Or. 29, 1960, S. 168 ff. und insbes. S. 180. 1182 Festung: Kat. 258 auf einem Gefäßverschluß vom Typus Gv. V a mit der Bezeichnung sSm.t(j)-“Schlächter”; s. auch S. 33 f.; sowie Kat. 253 auf einem Gefäßverschluß vom Typus Gv. Vb mit der Einritzung sSm.(w); s. auch S. 37. 1183 Satet-Süd: Kat. 030 auf einem Gv. II a mit Stoffabdruck (!); s. auch S. 23, Anm. 225 sowie S. 204. 1184 Oststadt: Kat. 541; s. auch S. 33. 1185 Festung: Kat. 227 auf einem Gv. V b; s. hierzu auch S. 37. 1186 Oststadt: Kat. 629 auf einem Gv. V b; s. hierzu auch S. 37. 1187 Satet-Süd: Kat. 016 auf Gv. IV a mit Stoffabdruck, siehe hierzu auch S. 29, Anm. 280. 1188 Festung: Kat. 188 auf einer Tonbulle vom Typus Tb. 2 a mit der zusätzlichen Angabe mjtr; s. hierzu auch S. 44, Anm. 449 sowie S. 46 u. S. 144f, Anm. 1455. 1189 Festung: Kat. 154 auf einer Tb. 2 b; s. hierzu auch S. 52, Anm. 562; zur Schreibung s. WB V, S. 107 als Graphie des Wortes “Garten”. 1190 Festung: Kat. 129 auf einer Tb. 2 a und mit der zusätzlichen Angabe mjtr; s. hierzu S. 46 sowie S. 144; vgl. außerdem Gard. V 38, PT. 1202; trotzdem bleiben Lesung und Deutung unsicher.

ableiten, die in der Frühzeit üblicherweise auf Komposition Determinative verzichtet, weswegen das Semogramm nicht eigens aufgeführt ist, da man es demzufolge auch mit der Schreibung des Widdergottes $rtj hätte verwechseln können. Daß zudem ein Determinativ der Form zur Wiedergabe von b.t(j)-“Hirt” nicht unbedingt erforderlich ist, zeigt sein Ersatz durch die Darstellung einer Tierhaut ; s. auch die Erwähnung von b.t(j)-“Hirt” in Archives Abousir, S. 387, Anm. 6 und in AL I, S. 124. ZumTitel Hrj s(w)DA(.w) siehe S.104ff. Ob es sich bei dem Nachweis von b.t(j)-“Hirt” um den von P. Kaplony postulierten “Schafhirt der heiligen Herde” handelt, läßt sich zwar nicht beweisen, scheint mir jedoch angesichts der auf Elephantine spätestens in der 2. Dyn. belegten Verehrung eines Schafbockes durchaus naheliegend; s. hierzu ausführlich S. 200, Anm. 1891-1892 sowie zu bA.t(j) als Schafhirt bzw. als Priester des Widdergottes Cherti P. Kaplony, in: LÄ I, 1975, Sp. 632 ff. und ders., op. cit., Sp. 944. 1197

116

DIE SIEGELABROLLUNGEN UND ROLLSIEGEL DER STADT ELEPHANTINE

Siegelnde “Schlächter”: sSm(w) (Einritzung) BS+sSm.t(j) sSm.t(j) Hm.tj “Erzarbeiter” ZS: mjtr B: jrj swn.t “Händler/-in” kAn(w) “Gärtner” ZS: mjtr B: kAr(j) “Winzer” ZS: mjtr B: wt(j) “Balsamierer” BS: “O.Bew.” B: b.t(j): “Hirt” wdpw “Diener” o. ä. ZS: rnw.tj B: @sw: “Sänger” ZS: mjtr B: Ssm(w) “Kelterer” jrj T.t “Träger” o. ä. Gesamt

Gv.Ic

Gv.IIa

Gv.IVa

Gv.Va

Gv.Vb

Tb.2a

Tb.2b

Tb.4

Gesamt 4

1

1 1 1

2

1

2 1

1

1

1

kein mjtr 1

2

1

1

1

1 1

1 2

2

1

1 1

1

2

2

5

Tabelle 44: Verteilung der Verschlüsse auf die einzelnen Berufssiegel

117

3

2

1 1

1 17

JEAN-PIERRE PÄTZNICK

sondern zudem an einem Verschluß aus der Oststadt, auf dem sich die Berufsbezeichnung sSm.t(j)- “Schlächter” in Verbindung mit den Titein mA Htp nTr-“Der die Gottesopfer beaufsichtigt”, sSm(w) Htp(.t)- “Schlächter der Opfergaben” und xw(j) sxw nTr-“Der den Schlachthof des Gottes schützt” findet.1198 Ein weiteres viergliedriges Muster, der die Abfolge S+PN+B+PN mit Wiederholung des Personennamens, verbindet den Status/Titel eines rnw.tj/jrj nw.tj-“Lokalbeamter” mit der Berufsbezeichnung Hsa-“Sänger”.1199 4.3.3

die Kontrolle und wahrscheinlich auch in die gewerbliche Nutzung von Salz und Natron legt es nahe, daß sowohl Abbau als auch Lagerung und Verteilung dieser lebenswichtigen Mineralien zentral verwaltet wurden, möglicherweise in den nahegelegenen Oasen, wie z. B. Charga bzw. Kurkur.1202 Wurde auf diesem Wege die Bedarfsdeckung der staatlichen Wirtschaft an ebendiesen Produkten stets gewährleistet, so ist gleichzeitig davon auszugehen, daß sich die Bevölkerung auf dem Binnenmarkt wahrscheinlich über Oasenbewohner u. a. mit Salz versorgte.1203 Ebenso läßt der Befund in SatetSüd auf eine Lagerung von eingepökeltem oder eingelegtem Fleisch oder Fisch unter Aufsicht eines Verwaltungsangestellten schließen, der von Beruf Schlächter war, was umso mehr die Bestimmung des dortigen Gebäudes als Küche (Schlachthaus und Bäckerei) untermauert.1204

Zusammenfassung

Aufgrund des Nachweises von insgesamt 17 Inschriftenträgern in fast allen Stadtbereichen, auf denen sich die unterschiedlichsten Berufsbezeichnungen wie z. B. Schlächter, Kupferarbeiter usw. finden, ist eine Gruppe von Berufstätigen zu bestimmen, die bislang im Siegelmaterial der Frühzeit und des Frühen Alten Reiches äußerst spärlich belegt war.

Eine gesonderte Stellung innerhalb dieser Berufskategorien nehmen in der Oststadt zum einen die Siegelung eines Hsw-Sänger ein, der gleichzeitig den Status eines Lokalbeamten rnw.tj/jrj nw.tj innehatte1205 sowie die eines sSm.t(j)- “Schlächter”, der verschiedene Funktionen im Kontext des “Schlachthofes des Gottes” ausübte und schließlich der Nachweis eines b.t(j)-“Hirt” aus dem Südbereich des Satettempels, der den Beamtentitel Hrj s(w)DA-“Oberster Bewahrer” führte.1206

Die Tatsache, daß sich diese Angaben ausschließlich auf Tonbullen und Gefäßverschlüssen und nicht auf Türverschlüssen und Urkundenverschlüssen fanden, ist deutliches lndiz dafür, daß die diesem Personenkreis Zugehörigen nicht in das Kontrollwesen, z. B. von Magazinräumen u. ä., involviert waren und vermutlich auch als Analphabeten sich nicht einen Schreiber leisten konnten. Für eine bescheidene Stellung innerhalb der Gesellschaft dürfte v. a. die Einritzung des Berufes und des Namens auf Verschlüssen zu werten sein, womit einige unter ihnen wohl sich nicht immer ein Rollsiegel leisten konnten. Diese Beobachtung trifft insbesondere auf die Berufskategorie der sSmw- “Schlächter” zu,1200 die im Gegensatz zu den Siegelungen von sSm.t(j)“Schlächter” nur in Formen von Einritzungen zu finden sind, so daß möglicherweise ein Unterschied zwischen den sSmw-“Schlächter” und den sSm.t(j)- “Schlächter” vorliegen könnte.1201

Die Tatsache, daß Berufsangabe und Beamtentitel auf einigen viergliedrigen Siegelbildern miteinander kombiniert wurden, verdeutlicht, daß gewöhnliche Berufstätige zusätzlich mit dem Amt eines Verwaltungsangestellten oder eines mjtr-Angehörigen betraut werden konnten, wodurch sie in die bestehende Stadt-und Tempelverwaltung bzw. Agrarwirtschaft eingebunden waren und somit einen weiteren Aspekt der lokalen administrativen Organisation hervorheben. 4.4 Die Namenssiegel

Der Umstand, daß sich die Siegelungen von Schlächtern, Kupferarbeitern auf Gefäßverschlüssen vom Typus Gv. V b finden, ist m. E. Hinweis darauf, daß von ihnen Gefäße versiegelt wurden, die möglicherweise zur Aufbewahrung von Salz oder Natron gedient haben könnten, was auf ihre Verwendung beim Einpökeln von Fleisch und Fisch oder aber bei der Kupferverarbeitung schliesen 1äßt. Die daraus abzuleitende lokaladministrative Einbindung einiger Berufstätige in

4.4.1. Allgemeines Charakteristisch für diese Siegelungen ist, daß sie lediglich den Personennamen des Siegelnden tragen und demzufolge als Privatsiegel im wahrsten Sinn des Wortes zu bestimmen sind.1207 Allein ihre Existenz legt die 1202

Zur Salz-Verhüttung in den Oasen s. R. Fuchs, in: LÄ V, 1984, Sp. 371 ff. und H. Ziegert, in: LÄ V, 1984, Sp. 374 f. 1203 Man denke hierbei an die Reise des sogenannten sx.t(j)“Oasenbewohner” der “Bauerngeschichte” aus dem Wadi Natrun, von wo selbiger u. a. HmA.t-Salz und Hsmn-Natron in das Niftal mitbrachte, s. zuletzt R. B. Parkinson, The Tale of the Eloquent Peasant, Oxford 1991, S. 2. 1204 Siehe u. a. ausführlich S. 204. 1205 Siehe Anm. 1199. 1206 Siehe oben Anm. 1196-1197. 1207 Bereits P. Kaplony bezeichnete die sechste Kategorie seiner Klassifikation als Privatsiegel und zudem als “Muster, die nur Personennamen erwähnen”, s. IÄF I, S. 9. Belegt sind Privatsiegel bereits auf Siegelabdrücken der Frühzeit, s. IÄF III, Abb. 106 und 115, wie auch Tf. 6, Abb. 7-10, 12-15.

1198

Oststadt: Kat. 541; hierbei handelt es sich um einen aus Tafl geformten Gefäßverschluß vom Typus Gv. V a, s. hierzu S. 33. sowie S. 457. Zum Schlachthof s. A. Eggebrecht, in: LÄ V, 1984, Sp. 640 f. 1199 Oststadt: Kat. 626 und 628 auf Gv. V b, s. hierzu S. 35. Beide Siegelungen stammen von der selben Person. Zum Titel rnw.tj/jrj nw.tj siehe ausführlich S. 124 ff. 1200 Siehe hierzu A. Eggebrecht, in: LÄ V, 1984, Sp. 638 und ders., in: LÄ V, 1984, Sp. 641 f. 1201 Die Art des Unterschiedes könnte eventuell im Personenkreis, in dessen Auftrag die Schlachtung durchgeführt wird, d. h. ob privat oder staatlich, zu finden sein.

118

DIE SIEGELABROLLUNGEN UND ROLLSIEGEL DER STADT ELEPHANTINE private Verwendung von Siegeln nahe.1208 Darüberhinaus stellen sie das Pendant zu den Königssiegeln der 1. Hälfte der 1. Dyn. dar, von denen einige nur den Horusnamen des regierenden Herrschers tragen, andere hingegen ausschließlich den Personennamen des Siegelbesitzers. Gefunden wurden diese Privatsiegelungen bzw. deren Träger in funerären Kontexten, selten in der Siedlung selbst,1209 und datieren bereits in den Beginn der 1. Dyn.;1210 umso wertvoller erscheint die Untersuchung der Namenssiegel der Stadt Elephantine. 4.4.2

gehandelt haben. Die Verschlüsse vom Typus Gv. V b hingegen könnten auf die Versiegelung von Natron/ Salz hindeuten.1214 Der Nachweis einer einzigen Namenssiegelung auf einem Urkundenverschluß1215 stellt ein absolutes Novum dar; dies umso mehr, als mit dieser Kategorie von Siegelungen ihre Einbindung in die lokale Bürokratie nahegelegt wird. Aufgrund der Tatsache, daß solch ein verwendeter Papyrus enorm teuer und somit auch kostbar war, kann geschlossen werden, daß dieser eine Siegelinhaber der betuchteren Bevölkerungsschicht der Stadt Elephantine angehörte.

Die Namenssiegel im Elephantiner Material

In unserem Material finden sich die Namenssiegelungen auf zwei Holzrollsiegeln sowie auf insgesamt 13 Verschlüssen, die in sämtlichen Stadtbereichen in unterschiedlicher Konzentration gefunden wurden. So stammen sechs davon aus der Oststadt, drei aus der Nordoststadt und Erweiterung und je eines aus dem Südbereich des Satettempels und der Festung.1211 Neben dem Nachweis von zwei Holzrollsiegeln1212 reicht das Spektrum des gesiegelten Materials von der Versiegelung von Gefäßverschlüssen (6 Expl.), über vereinzelten Tonbullen (3) bis hin zu je einem Urkunden- und Türverschluß.

Eine weitere Namenssiegelung an einem Türverschluß (Tv.1 a), der in der Verfüllung eines Raumes im Südbereich des Satettempels gefunden wurde, ist Hinweis auf eine Kontrolltätigkeit des Siegelinhabers in den dortigen Magazinen.1216 Ob diese im Rahmen einer in Phylen unterteilte oder einer ähnlichen dienstverpflichtenden Arbeitsorganisation erfolgte, sei dahingestellt, wäre allerdings aufgrund der Abusir-Papyri durchaus in diesem Kontext vorstellbar. Die Siegelungen selbst tragen in der Hauptsache ausschließlich den Personennamen des Siegelbesitzers. Lediglich an einem Beispiel aus der Nordoststadt ist dieser mit der Abbildung eines Kornspeichers bzw. wDA.t-Lagerhauses ergänzt.1217 In elf Fällen handelt es sich um theophore Namen, wobei allein neun Mal die Göttin Neith genannt ist. Auffällig hierbei ist eine Gruppe von sechs Siegelungen, die eine besondere Graphie dieser Göttin aufweisen.1218 Im Unterschied dazu selten begegnet eine Namenskomposition mit dem Gott Ptah.1219 Zwei Exemplare weisen Namensbildungen auf, die weder theophore noch basilophore Elemente beinhalten,1220 während ein weiteren Objekt möglicherweise die Einritzung eines Tiernamens - P(w)jj/Pjj-“Floh” aufweist.1221

Die nachfolgende Tabelle macht deutlich, daß vorwiegend Gefäßverschlüsse Namenssiegelungen tragen, wobei insbesondere deckelartige Gv. IV überwiegen, mit denen Töpfe mit kurzem wulstartigen Lippenrand verschlossen wurden.1213 Der Abdruck von feinmaschigem Gewebe bzw. von Gras 1äßt zudem auf die Versiegelung von Lebensmitteln, wie z. B. eingelegtes Fleisch oder Fisch, bzw. von Sauermilchprodukten schließen. Da die Verschlüsse vom Typus Gv. IV darüberhinaus keine weiteren Spuren aufweisen, dürfte es sich bei dem Inhalt der mit ihnen verschlossenen Gefäße um Fettprodukte (Tierfett) 1208

Daß diese Feststellung längst nicht so selbstverständlich ist, wie sie zu sein scheint, verdeutlicht sowohl die Meinung von B. Williams “Private use of seals was rare or non existent”, s. ders., Aspects of Sealing and Glyptic in Egypt before the New Kingdom, in: Seals and Sealing in the Ancient Near East edited by McGuire Gibson and R. D. Biggs, Malibu 1988, S. 135 ff., als auch die von J. H. Johnson “Cylinder seals bearing the names of Individuals have been found in Lower-class Archaic period tombs. No examples are known where such seals were used to seal anything.” oder auch “Neither seals nor sealings with non royal personal Names are attested from the Old Kingdom.”, s. dies., Private Name Seals of the Middle Kingdom, in: Seals and Sealing in the Ancient Near East edited by McGuire Gibson and R. D. Biggs, Malibu 1988, S. 141 ff. 1209 Für den Fund von Privatsiegeln im Siedlungsbereich verweise ich u. a. auf zwei Rollsiegel, die im Südwestteil der antiken Stadt El Kab gefunden wurden, s. A. H. Sayce, in: PSBA 22, 1900, S. 279 und. Tf. 1, Abb. 1-2. 1210 Der größte Teil dieser Siegel befindet sich in Museen, in denen sie meistens als Privatrollsiegel ausgestellt und bei denen es sich in vielen Fällen um Bestandteile von Privatsammlungen handelt. 1211 Oststadt: Kat. 365, 371, 443, 478, 537 und 568; NO-Stadt: Kat. 041, 070 und NO-Stadterw.: Kat. 037 als Abrollung von Kat. 084; Satet-Süd: Kat. 009 wie auch Festung: Kat. 177. 1212 NO-Stadt: Kat. 080 und Kat. 084 wie auch S. 11., Anm. 88 u. 89. 1213 Siehe hierzu S. 28 ff.

1214

Siehe hierzu S. 37 ff. sowie S. 39, Tabelle 19; zudem s. auch u. a. S. 38, Anm. 391. 1215 Oststadt: Kat. 478; s. auch hierzu S. 61. Mit dem Nachweis eines Namenssiegels auf einem Urkundenverschluß läßt sich die Behauptung von R. Giveon “In the earlier period people who were of low rank had seals to their names: we must assume that they never sealed any document.” widerlegen, s. ders., Egyptian Scarabs of Western Asia from the Collections of the British Museum, London 1985, S. 11; in dieser Urkundenversiegelung eine Art Begleitschreiben zu einer Lieferung zu sehen, wie dies in der Ramessidenzeit belegt ist, stellt zum gegenwärtigen Zeitpunkt durchaus eine mögliche Alternative dar, s. diesbezüglich P. Posener-Kriéger, in: JEA 64, 1978, S. 85 und Tf. XIV+XIVA. 1216 Siehe hierzu S. 57, Anm. 601 sowie S. 59 u. Tabelle 30. 1217 Nordoststadt: Kat. 070 mit Gv. IV e; s. hierzu auch S. 31. 1218 Zu ihrer Deutung s. Exkurs III: Der Satettempel und seine Göttin, S. 206. sowie Tafel XX: F-Paläographien von Neith. 1219 Nordoststadt: Kat. 070 1220 Oststadt:Kat. 371 auf Tb. 0 sowie Kat. 478 mit Uv. 1. 1221 Oststadt: Kat. 568 auf einer Tb. 2 b, siehe hierzu S. 52 sowie WB I, S. 502, Anm. 2.

119

JEAN-PIERRE PÄTZNICK

Namenssiegel

Festung

[...] (sno) nT MH.t wr.t j(nn)[...] jfDn.j Nt Xnm jfnD PtH wn(w) Nt Xnm(.t) mr(j) Hm.w=f Nt Xnm(.t) sn.t Smaj Nt Xnm.t s(j) bb.t=s @tp rD(j)=f Htp.t=f N(j) anx Nt P(w)jj/Pjj Nt Xnm(.t) s(j) Sndj Sbb.t @tp.tj janx=f Htp Nt tf sno nT tjt MH.twr.t jnn[...] NtXnm(.t)tjs(.t) kA oA.t Htp(.t) Gesamt

Oststadt

NO-Stadt + Erweiterung Erweit.: Gv. 0

Satet-Süd

Gesamt 1

Gv. I c

1

Gv. IV e

1 2

Gv. IV a Gv. IV b Gv. V b

1 Tb. 0

1

Tb. 2 b Tb. 2 b

2 Tv. 1 a Doppelsieg.

Uv. 1

1 1

RS

2

RS 1

6

5

1

13

Tabelle 45: Stadttopographische Verteilung der mit Namenssiegeln versehenen Objekte sich zudem die Indienstnahme eines Schreibers leisten konnte.1222

4.4.3 Zusammenfassung Der Nachweis von Namenssiegelungen in unserem Material zeigt, daß kleine Gruppen von Siegelnden existierten, die weder zu den mjtr-Titelträgern, noch zu den rnw/jrj nw bzw. rnw.tj/jrj nw.tj-“Lokalbeamter” zuzurechnen waren und weder einen Beruf ausübten noch ein Amt innehatten. Dennoch waren sie in die lokale Verwaltung eingebunden, innerhalb der sie eine nicht näher zu präzisierenden Kontrollfunktion ausübten, bzw. mit der sie auch brieflich in Kontakt standen und von der sie zu Dienstleistungen in den Tempelmagazinen herangezogen werden konnten.

Die Siegel lassen ferner ein deutliches Übergewicht neun von insgesamt 13 Nachweisen - an theophoren Namen der Göttin Neith bzw. deren Elephantiner Form erkennen, was ihre Besitzer zunächst als Elephantiner ausweist.1223 1222

Vgl. hierzu A. Roccati, DerMensch des Alten Ägypten, Frankfurt/ M., New York, Paris 1992, S. 86. DaB dies jedoch nicht immer der Fall war, zeigt die Einritzung des Personennamens auf einer Tonbulle, s. Oststadt: Kat. 568. 1223 Da die Führung des Haushaltes in Altägypten seit eh und je den Frauen unterstand, möchte ich auf die Möglichkeit hinweisen, in den sog. Namenssiegeln unseres Corpus reine Frauensiegel, bzw. Siegel haushaltsführender Personen angesehener Elephantiner Familien vielleicht doch zu vermuten, s. diesbezüglich Kap. Frauensiegel, S. 121f. Plausibel erscheint zudem, daß es sich hierbei auch um Siegelungen von sogenannten Abwt-“Familien oder Klientel” handeln könnte. Die Nennung ausschließlich des Privatnamens bzw. desselben nach Angabe des Gefäßinhalts findet sich auf einigen Töpfen in den Gräbern von Qubbet el Hawa, gegenüber der modernen Stadt Assuan, s. diesbezüglich E. Edel, Die althieratischen Topfaufschriften in Bd. 1 der Felsengräber der Qubbet el Hawa bei Assuan, II. Abt. Wiesbaden 1970, S. 74. Hierbei waren 39 der insgesamt erfaßten 208 Personennamen unbetitelt sowie ohne Filiationsangaben, vgl. mit Tf. 21, Abb. 68 - 71, 121 oben. Siehe zudem ders., Die althieratischen Topfaufschriften, Bd. 2 der Felsengräber der Qubbet el Hawa bei Assuan, II. Abt. Wiesbaden 1971, Tf. 133-141, Tf. 144-158 und 174-

Inwiefern dieser Personenkreis darüberhinaus einen besonderen Status innerhalb der zivilen Administration der Stadt innehatten, läßt sich nicht eindeutig bestimmen. Darin sogar eine soziale Randgruppe wie die der Fellahin oder gar Angehörige einer niedrigen Sozialschicht zu vermuten, ist jedoch auszuschließen, da diese sich kaum den Luxus hätten leisten können, einen wertvollen Papyrus zu besitzen bzw. zu versiegeln, so daß anzunehmen bleibt, daß zumindest ein Siegelbesitzer einer besser situierten Gesellschaftsschicht angehörte, der

120

DIE SIEGELABROLLUNGEN UND ROLLSIEGEL DER STADT ELEPHANTINE

Auffällig ist zunächst ein Holzrollsiegel aus der Oststadt, das der Inschrift nach einer mr.t mr.t-“Vorsteherin des mr.t-“Agrarbetriebes” zugeordnet werden kann.1229

4.5 Die Frauensiegel 4.5.1 Allgemeines Vielleicht schon seit der Negade-Zeit belegt,1224 sicher aber von der 1. Dyn.1225 bis in die Erste Zwischenzeit,1226 lassen sich immer wieder Frauensiegel sowohl aus königlichen als auch aus privaten Grabkomplexen nachweisen. Umso unverständlicher ist das bislang äußerst geringe Interesse an einer umfassenden Untersuchung dieses deutlich zu bestimmenden Corpus von weiblichen Siegelberechtigten in der altägyptischen Glyptik, die zweifelsohne einen bedeutsamen Beitrag zur Frauenforschung leisten würde.

Dem Nachweis einer Beamtin bzw. Vorgesetzten eines landwirtschaftlichen Versorgungsbezirks, der ganz offensichtlich in der Nordoststadt zu lokalisieren ist,1230 kommt insofern besondere Bedeutung zu, als er zum einen den frühesten Beleg einer Frau als Beamtin überhaupt darstellt und zum anderen auf den hohen Verantwortungsbereich hinweist, der selbiger zuteil geworden war.

4.5.2 Die Frauensiegel im Elephantiner Material

jHm.t xnt(.t)-“Erste Dienerin/Priesterin” zuzuweisen und stammt aus dem Festungsareal.1231

Der

Der Umstand, daß die bislang publizierten Frauensiegel ausschließlich im funerären Kontext nachgewiesen wurden, verleiht dem Fund von Siegelungen weiblicher Siegelinhaber in einem urbanen Umfeld wie der Stadt von Elephantine eine umso gewichtigere Bedeutung.

t oder

Beleg

einer

Amtsträgerin

ist

einer

11 weitere Siegelungen, die aus der Oststadt und der Nordoststadt stammen, weisen ihre Titelträgerinnen als mjtr.t aus.1232 Abrollungen auf unterschiedlichen Gefäßverschlüssen (Gv. I c1233 mit und ohne Abdeckscherbe, Gv. III,1234 Gv. IV a1235 mit und ohne Grasspuren, Gv. IV b1236 Mit und ohne Grasspuren/Strohdeckel und Gv. V b1237 mit umschnürtem Stoff) oder auf Tonbullen (Tb. 0,1238 Tb. 11239 oder Tb. 2 a1240 sowie Tb. 2 b1241) lassen darauf schließen, daß landwirtschaftliche Produkte an die Oststadt geliefert und unter Aufsicht eben der mjtr.t verpackt wurden. Bemerkenswert ist dabei besonders, daß einige Siegelungen die Femininendung t, andere wiederum Nachweise einer weiblichen Form des Beititels sAD-sAD.t1242 - bzw. Beititel wie nfr mA jz.t-“Vollkommen an Aufsicht ist die Mannschaft” oder Epitheta wie kfA-jb -

Die insgesamt 18 Siegelungen lassen sich in zwei Gruppen unterteilen:1227 Beamtensiegel einerseits und Zivilsiegel andererseits, wobei letztere ihrerseits wiederum in die mjtr.t sowie Siegelbilder mit Beititeln mit Femininendung sind.

zweite

tj1228 unterscheiden

176, insbesondere auch Tf. 142, auf der sich ausschließlich der Personenname findet; ders., Die althieratischen Topfaufschriften aus den Grabungsjahren 1972-1973, II. Abt. Wiesbaden 1975, Tf. 2-20, 42 sowie 100 unten. Interessant hierbei ist, daß dieser Personenkreis dem bestatteten Gaufürsten von Elephantine nahestand und sein Hofstaat, seine Klientel gebildet haben dürfte. 1224 Siehe P. V. Podzorsky, in: JNES 47,1988, S. 262 f., Abb. 3 mit dem Nachweis eines Stempels aus dem Frauengrab N 7501 aus der Negade II d-Periode. 1225 Siehe u. a. für die 1. Dyn. A. Scharff, Die Altertümer der Vor- und Frühzeit Ägyptens Band V, Berlin 1929, S. 103 Nr. 148 und Tf. 27, Abb. 148 bzw. IÄF III, Tf. 34, Abb. 107 sowie für die 5. Dyn. G. Brunton, in: ASAE 40, 1940, S. 525 und Tf. LI, Abb. 17. 1226 Siehe hierzu den unpublizierten Degree of Master of Arts of the Departement of Classical and Near Eastern Archaeology von C. H. Röhrig, First Intermediate Period Seal-amulets, S. 12 f. und Anm. 26. Zu den aufgeführten Argumenten, die gegen eine Verwendung als Siegel bzw. als Stempel sprechen, ist anzumerken, daß diese Objekte um den Hals von Verstorbenen gebunden gefunden wurden, was m. E. nichts über die Trageweise noch über den Gebrauch im Alltag besagt. Daß tatsächlich mit diesen sogenannten Siegel-Amuletten gesiegelt wurde, 1äßt sich inzwischen nicht nur aufgrund der Einstempelungen in unserem Material belegen, sondern v. a. anhand der Funde zahlreicher Stempelsiegelungen in der Siedlung auf Elephantine im stratifizierten Fundkontext der 6. Dyn. sowie der Ersten Zwischenzeit, s. hierzu S. 61, Anm. 655 bzw. S. 62, Anm. 657. Für das Mittlere Reich sei u. a. auf die Siegel bzw. skaraboiden Stempel einer als Nb.t pr betitelten Frau besonders hinzuweisen, s. G. T. Martin, in: MDAIK 35, 1979, S. 223 - Nr. 65-67 -. 1227 Eine weitere Kategorie von Frauensiegeln könnte mit den Namenssiegeln vorliegen, s. hierzu S. 120f., Anm. 1223. 1228 Wenn die t-Endung doch meist ein Femininum kennzeichnet, so stellt die tj-Endung keinesfalls ein absolutes Feminin-Kriterium dar, da es sich im Falle einer Nisbenbildung dabei sowohl um ein Femininum

als auch um ein Maskulinum handeln kann. Hierzu E. Edel, AG, u. a. § 246-247. 1229 Oststadt: Kat. 515; s. auch S. 11 f., Anm. 82. Zum mr.t“Agrarbetrieb”, s. S. 145, Anm. 1458 sowie S. 211. 1230 Siehe hierzu insbes. S. 207 ff. 1231 Festung: Kat. 131 auf einem Gv. I b mit Abdruck eines Steindeckels, s. hierzu S. 16, Anm. 139; zur möglichen funktionalen Gleichsetzung zw. Hm.t und Hm.t nTr, siehe H. G. Fischer, in: LÄ IV, 1982, Sp. 1103, Anm. 14. 1232 Oststadt: Kat. 284 und 465, Kat. 317, Kat. 320, Kat. 329, 416, Kat. 463, Kat. 464 und Kat. 480; Nordoststadt: Kat. 042 und 043. 1233 Oststadt: Kat. 416 (mit Abdeckscherbe) und 563, siehe hierzu außerdem S. 19 f. 1234 Oststadt: Kat. 463; s. auch S. 27, Anm. 271. 1235 Oststadt: Kat. 510 (mit Grasspuren) und Kat. 547 (mit dem Personennamen) N(j) mAa.t Hp(j); zu Gv. IV a s. auch S. 29, Anm. 281. 1236 Oststadt: Kat. 320 und 464 (mit Strohdeckel); s. auch S. 30, Anm. 296-297. 1237 Oststadt: Kat. 284 (hierbei handelt es sich um dieselbe Person wie Kat. 465) und Kat. 480; zu Gv. V b s. auch S. 37, Anm. 378. 1238 Oststadt: Kat. 546 auf einer unbestimmten Tonbulle vom Typ Tb. 0. 1239 Oststadt: Kat. 329; s. außerdem S. 42, Anm. 413. 1240 Nordoststadt: Kat. 042-043, wobei es sich in beiden Fällen um dieselbe Person handelt; zu Tb. 2 a siehe S. 46, Anm. 483. 1241 Oststadt: Kat. 428, 445 und 465; zu Tb. 2 b siehe ausführlich S. 51, Anm. 549. 1242 Oststadt: Kat. 416; zu weiteren Belegen von sAD.t vgl. mit Kat. 445 (auf einer Tb. 2 b) und 546 (auf einer Tb. 0). Zum Beititel sAD, S. 155 ff., insbes. S. 157, Anm. 1552.

121

JEAN-PIERRE PÄTZNICK

Frauensiegel Beamtensieg.: Zivilsiegel: mjtr.t

Festung 1 x GV. I b

Nordoststadt 2 2x Tb. 2 a

Zivilsiegel: mjtr.t+Epith. Zivilsiegel: Epith./Beititel+?

Privatnamen+? Gesamt

1

2

Oststadt l x Rollsiegel 7 2x Gv. IV b/-b1 2x Gv. V b 1x Tb. 1 2x Tb. 2 b 2 lx Gv. I c lx GV. III 4 1x Gv. Ic 1x Gv. IV a 1x Tb. 0 1x Tb. 2b lx GV. IV a 15

Gesamt 2 9

2 4

1 18

Tab. 46: Stadttopographische Verteilung der Frauensiegelungen “sparsam” o. ä.1243 erkennen lassen. Demnach ist eine zugeteilte administrative Funktion der mjtr.tTitelträgerinnen bereits für die 3. Dyn. belegt, die möglicherweise auch im Bewußtsein der eigenen Stellung ihren Niederschlag gefunden haben könnte, was m. E. eine Erklärung sowohl für die Regelmäßigkeit bieten würde, mit der Frauen während des gesamten AR diesen Titel auch dann noch trugen, als die männlichen Träger ihn schon längst - seit Beginn der 4. Dyn. ablegen mußten bzw. abgelegt hatten als auch für die meist matrilinear erfolgte Übertragung dieses Status.1244

hinsichtlich Verpackung bzw. Zulieferung landwirtschaftlicher Produkten betont. Die Siegelaktivität in diesem Sektor bezeugen nicht nur die zahlreichen Belege von mjtr.t-Titelträgerinnen, sondern auch die Leitung eines derartigen Agrarund Versorgungsbetriebes durch eine weibliche Vorgesetzte. Namenssiegel scheinen aufgrund ihrer Bildung mit der Göttin Neith und der auffallenden Femininendungen auf Frauensiegel hinzuweisen. Unsicher sind einige unvollständige Abrollungen mit Personennamen, die dennoch zumeist Femininendungen erkennen lassen.

Obwohl die zweite Gruppe von Zivilsiegelungen schwerer zu erfassen ist, da die Siegelbilder lediglich unvollständig erhalten sind, ist dennoch erkennbar, daß sie ebenso wie die Namenssiegel auffällige Femininendungen in den mitgeführten Beititeln sAD.t oder twt n mrwt bzw. typische weibliche Personennamen1245 wie N(j) mAa.t Hp(j) aufweisen.1246

Bedenkt man darüberhinaus, daß in der Frühzeit und im AR die Femininendung t bei Lexemen in vielen Fällen ausfallen kann, so ist unter den Siegelungen von mjtr sowie in einigen Beititeln bzw. Epitheta oder Namen eine weit größere Anzahl von potentiellen Frauensiegeln als bisher angenommen sicher zu vermuten... 4.6 Die Lokalverwaltung: Die Zivilsiegel

4.5.3 Zusammenfassung

4.6.1 Definition

Mit dem Nachweis von mindestens 18 Frauensiegeln in den Besiedlungsschichten von Elephantine ist zum ersten Mal eine Gruppe von Siegelnden erfaßt, die bislang nur vereinzelt und ausschließlich in funerärem Kontext begegnete. Auffällig in unserem Material ist der Fund von weiblichen Siegelungen in der Nordoststadt und besonders in der Oststadt, d. h. in den Stadtbezirken der 3. und 4. Dyn., was die Bedeutung v. a. von letzterem

Mit dem Begriff Zivilsiegel1247 wird von mir eine besondere Kategorie von Privat-siegelungen bezeichnet, die einen weiteren Zweig der Lokalverwaltung darstellen und zum Teil als Siegel der Stadt-und Tempelverwaltung anzusprechen sein dürften. Charakteristische Bestandteile dieser - neuen - Gattung von Siegeln sind primär - neben der Erwähnung des eigenen Personennamens und unabhängig davon, ob ein Beamtentitel oder eine Berufstätigkeit aufgeführt ist - die Angabe seiner Sozialzugehörigkeit, die ihn entweder als

1243

Oststadt: Kat. 463, auf der beide (Beititel und Epitheton) aufgeführt sind; die Lesung kfA-jb/kfA verdanke ich einer Anregung von Herrn PD. Dr. D. Franke; zu kfA s. außerdem WB V, S. 120 -10. 1244 Siehe hierzu u. a. S. 140. 1245 Hierunter fallen u. a. auch Namen wie N(j)anx Nt (Kat. 365), die bereits unter dem Kapitel der Namenssiegel behandelt wurden, s. ebendort, insbes. S. 120f., Anm. 1223 sowie Tabelle 45. 1246 Oststadt: Kat. 546 und Kat. 563 (mit Beititel t(w)t n mr.wt und Namen @tp.tj auf einem Gv. 1 c) sowie Kat. 547.

1247

Unter dem Wort “Zivil” ist hierbei seine primäre Bedeutung, und zwar das lateinische “civilis” im Sinne von “citoyen bzw. bürger” und somit der Bewohner einer Stadt bzw. der zur Administration einer Stadt Gehörige verstanden.

122

DIE SIEGELABROLLUNGEN UND ROLLSIEGEL DER STADT ELEPHANTINE Angehörigen der Schicht der mjtr1248 oder aber der Lokalfunktionäre der rnw bzw. rnw.tj1249 ausweist, sowie darüberhinaus die eines oder mehrerer zusätzlicher Beititel1250 und/oder epithetischer1251 Bezeichnungen.

Zeit mit dem Titel zA/zA.t nsw.t-Königssohn/-tochter1254 sowie der Bildung von Personennamen1255 (2. Hälfte der 2. Dyn.-3. Dyn.) belegt ist und demzufolge einen Nachweis in der Glyptik jener Zeit erwarten lassen würde - der allerdings vollständig fehlt.1256

Voraussetzung für die Bestimmung und das Verständnis dieser neuen glyptiscinhen Gattung ist demzufolge die Untersuchung ihrer einzelnen spezifischen Elemente, aus denen diese Kategorie von Siegelungen zusammengesetzt ist.

Demgegenüber bestreitet P. Vernus entschieden die Doppelnamigkeit als Filiationsangabe im Mittleren Reich.1257 Entsprechenden Nachweisen auf Graffiti der Gaufürsten der 12. Dyn. in den Steinbrüchen von Hatnub räumt er lediglich eine Mittelstellung zwischen dem Mittleren und dem späten Alten Reich ein, indem er darin einen Rückgriff auf eine in dieser Zeit nicht mehr gängige Praxis vermutet.1258 Nachweise von Doppel- und Dreinamigkeit als mögliche Filiationsangabe dreier Generationen (Sohn - Vater - Großvater) sind vereinzelt an Königsdekreten in Koptos1259 und v. a. auf Papyri in Elephantine sowie in der zeitgleichen Nekropole von Qubbet el Hawa belegt.1260 Angesichts einer derart spröden Beleglage, die sich zudem auf einen enormen Zeitraum erstreckt, stellen die vereinzelten Nachweise lediglich Sonderfälle einer potentiellen Filiation dar, denen darum keinerlei repräsentative Bedeutung beizumessen ist und die ferner eine Verbindung mit der Mehrfachnennung von Personennamen auf Siegeln am Ende der 2. Dyn. oder in der 3. Dyn. äußerst unwahrscheinlich machen.

Dies ist insofern von besonderer Bedeutung, als die Angaben auf den Siegelbildern - seit Peter Kaplony - bis heute durchweg als “typischen Personennamen der Frühzeit”1252 begriffen und diese Siegelungen als “Kollektivsiegel” bezeichnet werden. P. Kaplony unterscheidet dabei aufgrund der unterschiedlichen Siegelmuster zwischen Kollektivsiegel mit und ohne Filiationsangabe und mit und ohne Angabe des gemeinsam geführten Berufs- bzw. Beamtentitels. Den Nachweis unterschiedlicher “Personennamen” auf ein und demselben Siegel interpretiert er als Aneinanderreihung mehrerer Namen verschiedener Privatpersonen, die “zur Person des Hauptmusters in engstem Verhältnis, nämlich in dem von Sohn zum Vater”,1253 stehen. Darüberhinaus versteht er die übrigen Siegelungen als Kollektivsiegel ohne Filiationsangabe, wobei er das Nebeneinander von Personennamen und vorangestelltem Berufs- oder Beamtentitel als Angabe von Arbeitskollegen wertet, die dieselbe Tätigkeit ausübten oder im selben Büro saßen - vergleichbar etwa mit einer Gemeinschaftspraxis oder Anwaltssozietät.

So wird man stattdessen in dem sich wiederholenden Hauptglied der Siegelsequenz den Privatnamen des Siegelbesitzers sowie in den zusätzlich jeweils einmal (!) aufgeführten sogenannten Personennamen oder “Söhnen” 1254

IÄF III, Tf. 95, Abb. 367, die den frühesten Beleg des Titels zA nswt zu Beginn der 2. Dyn. auf Siegelabrollungen darstellen und die aus der königlichen Grabanlage von Horus Hetepsechemui in Sakkara ans Tageslicht kamen, s. A. Barsanti, in: ASAE 3, 1902, S. 182-184 und G. Maspéro, in: ASAE 3, 1902, S. 185- 90, bes. S. 189, Type Nr. 5. 1255 RT I, Tf. XXIX, Abb. 87 W30; RT II, Tf. XXII , Abb. 90; s. auch E. Naville, Umm el-Ga`ab, in: The Cemeteries of Abydos, Part I, EEF 33, London 1914, Tf. XI. 1256 P. Kaplony erklärte sich diese Eigenart mit der Anmerkung “Der Ausdruck zA-Sohn kann fehlen”, s. ders., IÄF I, S. 26. 1257 “Bref, rien n´indique, dans la documentation de moi connue, que juxtaposer des noms ait jamais été, au Moyen Empire, un procédé systématique et largement répandu de noter la filiation.”, s. P. Vernus, in: RdE 23, 1971, S. 195. 1258 Zu diesen Inschriften, siehe R. Anthes, Die Felsinschriften von Hatnub, UGAÄ 9, 1964, Graffiti 14, I; 16, I; 19, I, S. 41, wo eine Filiation über drei Generationen - Neheri, Sohn von Djehutinacht, Sohn von Kay - genannt ist. 1259 Urk. I 298-7 u. -15; 299-17; 300-9; 302-3; letztgenannter Beleg läßt nur vermuten, daß beide Personennamen eigentlich denselben Titel “Einziger Freund” tragen. 1260 Auf einem Privatbrief aus Elephantine, pBerlin 8869, P.C. Smither, An Old Kingdom Letter concerning the crimes of Count Sabni, in: JEA 28, 1942, bes. S.18 a, in dem der Autor der Auffassung ist: “the names of the grandfather and father precede in honorific inversion”. Merkwürdig ist dabei, daß nur der Vater keinen Titel hat. Nachweise dieser Filiationsangabe belegt E. Edel außerdem in Urk. I, 134 - 14 aus dem Grab von Pepinacht Heka-ib und in einem von ihm und seinem Team untersuchten Grab 93, s. ders., Die Felsengräber der Qubbet el Hawa bei Assuan, Bd. II/1/2, S. 72 und Tf. 74/74 A. Hierzu könnte der einzige Beleg aus dem gesamten althieratischen inschriftlichen Corpus auf eine Unaufmerksamkeit des Schreibers zurückzuführen sein, da ansonsten das Verwandschaftsverhältnis zwischen beiden genannten Personen eindeutig mit der Angabe zA-Sohn vermerkt ist.

Problematisch an einer derartigen Einteilung bzw. Schlußfolgerung, wie P. Kaplony sie vornimmt, daß es sich bei der Nennung mehrerer Personennamen auf demselben Siegel um eine Filiationsangabe handle, ist jedoch, daß sie zwar durchaus für zwei Namen denkbar ist, nicht jedoch für drei oder gar mehr “Söhne”. Zudem bereitet bei derart zahlreichen potentiellen Nachfolgern die Frage nach der Vererbung von Ämtern nicht unerhebliche Schwierigkeiten. Darüberhinaus sind m. E. an Kaplonys Vorstellung allein schon aufgrund der Tatsache, daß diese “Söhne” auf den Siegeln immer wieder die gleichen Namen, wie nfr qd mAa, sAD, anx mrr/mrj nsw.t, rnw/rnw.tj oder hb/n(j) hb getragen hätten, berechtigte Zweifel angebracht. Desweiteren ist die Beobachtung auffällig, daß die angeblichen Filiationsangaben niemals das Wort zA-Sohn nennen, welches jedoch gerade in jener frühen

1248

Zu den mjtr - Titelträgern s. die ausfühliche Darstellung S. 137ff. Siehe hierzu das Kap. “Der Titel und Status rnw/jrj nw und rnw.tj/jrj nw.tj der Lokalbeamtenschaft” S. 124ff. 1250 Siehe hierzu die ausführliche Besprechung S. 149ff. 1251 Siehe hierzu S. 164ff. 1252 “...bildet in den Kollektivsiegeln mit Filiationsangabe ein Personenname das durchlaufend wiederholte Glied. Die Zwischenglieder werden aber nicht durch Titel, sondern durch sich unterscheidende Personennamen dargestellt.”, s. P. Kaplony, IÄF I, S. 25. 1253 A. a. O. 1249

123

JEAN-PIERRE PÄTZNICK

nen” verstandene - zusätzliche epithetische Bezeichnungen oder aber Beititel treten.

epithetische Bezeichnungen bzw. Beititel anzunehmen haben. Bezüglich der Existenz von Kollektivsiegelungen mit Berufs- oder Beamtentitel, wie sie von P. Kaplony seinerzeit verstanden wurden, läßt sich zwar die Doppelnennung von Arbeitskollegen seit der 1. Dyn. belegen,1261 jedoch fast ausschließlich in einem gänzlich anderen, nämlich funerären Kontext, auf Stelen und Statuen, während die auf diesen Siegeln bzw. auf deren Abdrücken genannten “Personennamen” in ein rein administratives alltägliches Umfeld gehören.

4.6.2 Der Titel und Status beamtenschaft

und

der Lokal-

4.6.2.1 Lesung und Interpretation Beide Bezeichnungen tauchen frühestens in der 2. Hälfte der 2. Dyn. in den Talbezirken der Könige Peribsen1264 und Chasechemui1265 nur auf Siegelabrollungen von Privatsiegelungen auf und sind auch während der gesamten 3. Dyn. nachzuweisen.1266 Zu Beginn der 4. Dyn. verschwinden sie aus dem Siegelmaterial,1267 so daß sich ihre Laufzeit von der 2. Hälfte der 2. Dyn. bis zum Ende der 3. Dyn. eingrenzen läßt, womit sich ein feste chronologische Größe ergibt. Epigraphisch setzen sich beide Bezeichnungen grundsätzlich aus vier Konsonantenzei-

Bedenkt man den grundlegenden Kontrollcharakter der Siegelpraxis,1262 der ja an das Verantwortungsbewußtsein des Einzelnen appellierte, würde umso mehr verwundern, wenn ein Arbeitskollege die Verantwortung für die ihm gleichgestellten übrigen Arbeitskollegen übernäme bzw. diese sich auf eben jenen Arbeitskollegen verließen, ja, ihm geradezu ihre eigene volle Verantwortung übertrügen. Vielmehr ist davon auszugehen, daß sich jeder Einzelne auf seinen ganz persönlichen, ihm zugewiesenen Zuständigkeitsbereich beschränkte, weswegen die Vorstellung eines “Gemeinschaftssiegels” unägyptisch und unbürokratisch wirkt. Hinzu kommt, daß im Falle eines “Interessenkonfliktes” bzw. eines Vergehens der Verantwortliche aus einer größeren Zahl von potentiellen Tätern nur schwer ausfindig zu machen wäre. Beide Bedenken legen m. E. den einzig möglichen Schluß nahe, daß wir es bei dieser Art von Siegelungen nicht mit Kollektivsiegeln (mit Berufs- oder Beamtentitel) zu tun haben, sondern, daß es sich dabei vielmehr um Beamten- bzw. Berufssiegel handelt, die neben dem Personennamen des Siegelinhabers diverse epithetische Bezeichnungen bzw. Beititel tragen.

chen -

+

+

+

bzw.

+

+

+

- zusammen, wobei beide Hieroglyphen w und tj zunächst auf eine Maskulin- bzw. Femininendung zunächst schließen lassen können. Da jedoch die erweiterte Schreibung

+

+

+

+

die

Femininendung stützt, ist die Gruppe als eine feminine Form bzw. Nisbebildung aufzufassen.1268 Von zentraler Bedeutung für Lesung und Übersetzung beider Gruppen ist die Bestimmung der Pflanzenhieroglyphe 1269

, die erstmals Mitte der 1. Dyn. bei der Bildung

Eine weitere Überlegung betrifft die bei diesen Siegelungen häufig belegten - angeblichen “Personennamen” rnw/rnw.tj. Diese begegnen sowohl in der einen als auch in der anderen Kategorie, sind jedoch bisher kein einziges Mal auf Siegeln von mjtr - Angehörigen nachzuweisen, weswegen sich die Schlußfolgerung aufdrängt, daß es sich bei ihnen zunächst um eine Titelbezeichnung handelt, die eine ganz bestimmte soziale Gruppe charakterisiert haben dürfte. Die Tatsache, daß die Titel rnw/rnw.tj auf Siegelungen von mjtr - Angehörigen nicht vorkommt, spricht für zwei zu unterscheidende Titelgruppen, was insbesondere durch die Angabe zweier eigenständiger Siegelungen - von einem mjtr und einem Schreiber rnw.tj - auf demselben Verschluß bestätigt wird.1263

1264

Abydos III, Tf. IX , Abb. 8, 13 u. 16, Tf. X, Abb. 23 u. 27.

und

sind in Sakkara in dem bisherigen Siegelmaterial der königlichen Grabanlage von Horus Ninetjer aus der Mitte der 2. Dyn. nicht zu finden. Diesen Hinweis verdanke ich der freundlichen mündlichen Mitteilung von Herrn Prof. Munro, dem Leiter der Ausgrabungen dieses Grabdenkmals in Sakkara. 1265 Aus dem Grab von Horus Chasechemui (RT I, Tf. XXIV, Abb. 213) stammt der Beleg mit der Titelangabe , während die übrigen aus dessen Talbezirk ans Tageslicht kamen, s. J. Garstang u. P. E. Newberry, Excavations at Abydos, 1909: Preleminary Description of the Principal Finds, in: LAAA II, S.125-130, bes. Tf. XXIV, Abb.14 und Tf. XXV, Abb. 16-18. 1266 Hierakonpolis II, Tf. LXX, Abb.16,17 u. 21 und Tf. LXXI , Abb. 34, 35, 43 und Q 125; Bet Khallaf, Tf. VIII, Abb. 3 (a) und Tf. X, Abb.13. 1267 Sie sind z.B. im Siegelmaterial der Siedlung des Alten Reiches Buhen (4. u. 5. Dyn.) offensichtlich nicht vorhanden, s. RAR I, S. 372, wo lediglich Bestandteile wie “anx mrr njswt” oder “Nfr qd mAa.t” vorzuliegen scheinen. 1268 E. Edel belegt eine Austauschbarkeit der Zeichen tj und t als feminine Endungen von Partizipial- endungen und an Pronomina, nicht jedoch an Nomina, s. ders. AG, § 41. Dasselbe graphische Phänomen läßt sich auch an der Bildung von Nisben nachweisen, s. ders., AG, § 345. 1269 Siehe hierzu H. G. Fischer, Ancient Egyptian Calligraphy, New York 1979, S. 34.

Quintessenz dieser bisherigen Ausführungen ist, daß die von P. Kaplony ausgewiesenen “Kollektivsiegelungen” mit und ohne Filiation sowie mit und ohne Berufs- oder Beamtentitel - nicht existieren. Statt angeblicher “Väternamen” werden die Namen der eigentlichen Siegelbesitzer genannt, zu denen - bis dato als Namen von “Söh1261

Vgl. IÄF I, S. 26. Zu Funktion und Verständnis der Siegelpraxis, s. S. 8 ff. S. IÄF I,S. 165 f. und Anm. 1050; außerdem J.-P. Pätznick, in: MDAIK 51, 1995, S. 183 f. 1262 1263

124

DIE SIEGELABROLLUNGEN UND ROLLSIEGEL DER STADT ELEPHANTINE

unterschiedliche Positionen auszumachen, so handelt es sich für die Einen dabei um ein zweikonsonantiges Hieroglyphenzeichen mit dem Lautwert rn, wohingegen die Anderen darin eine Hieroglyphe mit dem Lautwert n(w)/n(w.t) sehen. Als erster deutete K. Sethe diese Zeichengruppe als einen Titel1275 bzw. Epitheton rnw bzw. -

eines Frauennamens begegnet, wo sie um die Hieroglyphe

ergänzt wird.1270

Desweiteren ist sie im Protokol von Königstitulaturen von Herrschern der 2. Dynastie nachweisen, und zwar auf dem Palermostein als Bestandteil der Hieroglyphen-

aufgrund einer graphischen Verwechslung von tj mit nDm - rnw.tj, den bzw. das er mit “teacher” bzw. mit “pleasant teacher” übersetzte.1276 Indem er die beiden r und n zu einem Wort ersten Konsonanten

1271 gruppe sowie zwei weitere Male in dem eines nicht näher einzuordnenden Königs Nwb nfr auf.1272

Spätestens

in

der

ausgehenden

2.

Chasechem (!)) wird das Pflanzenzeichen

Dyn.

(Horus

rn zusammenfügte und das nachfolgende Pflanzen-

als Haupt-

zeichen als Phonogramm zu rn verstand, schuf er ein neues, zweikonsonantiges Hieroglyphenzeichen mit dem Lautwert rn, welches er mit der Pflanze selbst deutete, die er als “an unblown southern plant Smaj” identifizierte und damit rn als “child, young” charakterisierte bzw. als junge Pflanze bestimmte. Für die Deutung des bisher in dieser Form unbelegten Wortes rn als “Kind, Junge” stellte er eine semantische Brücke zu dem im Mittleren Reich belegten Verbum rnn-ein Kind warten bzw. es aufziehen1277 her, welches er wiederum mit dem in der 18. Dyn. belegten mna.t-säugen, aufziehen1278 in Beziehung brachte und daraus eine Schlußfolgerung für rnw als “teacher” bzw. rnw.tj als “pleasant teacher” ableitete. Ist an dieser Vorgehensweise allein schon die Heranziehung eines sehr späten Belegs äußerst bedenklich, so hat sie darüberhinaus den großen Nachteil, daß das Pflanzenzeichen in dieser Komposition von rnn niemals einzeln

bestandteil zur Schreibung des Stadtnamens nxb(.t)-El Kab in Verbindung mit dem Finalphonogramm b verwendet.1273 Zu Beginn der 3. Dyn. findet sich auf einem sehr fragmentarisch erhaltenen, aus Heliopolis stammenden Schrein von Horus Netjerichet eine Verdoppelung der Hieroglyphe

innerhalb des zweikonsonanti-

gen Zeichens mit dem bekannten - und unumstrittenen - Lautwert nn,1274 der auch das älteste Beispiel dieser Schreibung darstellt. Obwohl die Lesung von Lautwerte wie n/nw oder nxb durchaus in Frage kommen könnte, herrscht in Fachkreisen bezüglich der Lesung des Pflanzenzeichens

inner-

begegnet, sondern stets doppelt als und - m. E. weder halb der Hieroglyphengruppen philologisch noch semantisch überzeugend - weitgehend Übereinstimmung. Sind zunächst grundsätzlich zwei

nn belegt ist.1279

Wie K. Sethe vertrat auch R. Weill die Existenz eines zweikonsonantigen Pflanzenzeichens falls zunächst als Pflanze

1270

E. Amélineau, Nouvelles fouilles d’Abydos I1895-96, Paris 1899, Tf. XXXVII (erste oben links) und RT I, Tf. XXXII, Abb. 26; die Stele befindet sich in der staatlichen Sammlung ägyptischer Kunst in München, s. D. Wildung, Ägypten vor den Pyramiden, Mainz 1981, S. 44 mit Abb. 43. Interessant ist dabei die Anordnung der Hieroglyphen in einem Quadrat, die verdeutlicht, daß der Personenname bishlang unvollständig wiedergegeben wurde, da unter dem nw-Topf ein beschädigtes Hieroglyphenzeichen sowie ein abschließendes n auszumachen sind. Die langgestreckte Form deutet dabei auf ein H oder nDm hin. 1271 H. Schäfer, Ein Bruchstück altägyptischer Annalen, Berlin 1902, S. 22 und Tf. I. 1272 PD IV, Tf. II 29 u. Tf.19 Nr. 98. 1273 El Kab, Tf. XXXVII. Die Geiergöttin wird dort als xnt(j.t) nxb(.t)“die an der Spitze der Stadt El Kab ist”- bezeichnet; s. hierzu auch die gesiegelten Lehmverschlüsse, die aus dem Wirtschaftsbereich des archaischen Tempels von El Kab stammen, B. van de Walle, Empreintes, S. 90-98 und Tf. 41; zur möglichen Existenz eines Priestertitels (o. ä.) nxb.jj sei auf Kat. 191-193 (Festung) sowie auf Kat. 031 und 035 (SatetSüd) verwiesen; s. zudem G. Daressy, in: ASAE 16, 1916, S. 195 ff., wo die Mehrzahl der Titulaturen den auch die Bezeichnung nxb.jj aufweisen; vgl. außerdem die Anmerkungen von A. H. Gardiner zum Titel Hrj tpj nxb(.jjw)-“der an der Spitze der nxb(.jjw) ist”, in: ZÄS 45, 1908, S. 126 sowie W. Helcks Interpretation des Titels Hrj tpj nxb(.jjw) als “Kronenwärter”, Beamtentitel, S. 42. Zur Schreibung der Stadt nxb.t siehe die von P. Kaplony formulierte, sehr eigenwillige Arbeitshypothese und Begründung, ders., in: LÄ VI, 1986, Sp. 1147 f. sowie Anm. 7. 1274 J. Kahl et alii, Inschriften der 3. Dyn., S. 116 f.

rn, das er eben-

+rn-“Kind” deutete. Später

kam er zu der Ansicht “Pour nous veut dire fils / fils agréable”, woraus er folgerte, daß die gesamte Gruppe als Filiationsangabe “Sohn von” zu deuten sei.1280 Der Nachweis des Pflanzenzeichens in der königlichen Titulatur von Horus Ninetjer auf dem Palermostein aus der Mitte der 2. Dyn., wo es - in der Kombination Nwb beginnenden verzum unvollständigen, mit meintlichen Namen einer Königin in Beziehung stand, führte zur Übersetzung “Kind der Königin X”.1281 Eine solche Interpretation ist insofern problematisch, als die 1275

WB II, S. 428, Anm. 21. J. Garstang, Bet Khallaf, S. 24. 1277 WB II, S. 436; ebenso ist der Titel rnn.t-“Amme/Wärterin” erst in der 18. Dyn. zu belegen, s. WB II, S. 436, Anm. 16 u.17 u. S. 437, Anm. 1. 1278 WB II, S. 77, Anm. 10-13; dennoch ist das Wort mna.t-“Amme” seit dem Alten Reich, WB II, S. 78, Anm. 4, der Titel mna.t-“Erzieher” seit dem Mittleren Reich belegt, WB II, S. 78, Anm. 11-12. 1279 WB II, S. 272 ff. 1280 R. Weill, IIe et IIIe Dyn., S. 174. 1281 H. Schäfer, Ein Bruchstück altägyptischer Annalen, Berlin 1902, S. 22 u. Tf. I. 1276

125

JEAN-PIERRE PÄTZNICK

Titelträger eine höhere Position innegehabt hätten als die rnw/rnw.tj, was aber nachweislich keinesfalls zutraf.1288 Zudem ist die Tatsache auffällig, daß diese angeblichen Personennamen ausschließlich zwischen der 2. Hälfte der 2. Dyn. und dem Ende der 3. Dyn. belegt sind und anschließend aus dem altägyptischen Onomastikon vollständig verschwanden.1289 Dessen ungeachtet deutet auch J. Kahl die Angaben rn.w bzw. rn.tj als Personennamen,1290 verzichtet allerdings auf eine Übersetzung und beschränkt sich stattdessen auf die Umschrift als solche.1291

Bezeichnungen rnw-“junger Mann” bzw. rnw.tmutterloses Mädchen1282 zum einen erst im Neuen Reich belegt sind und zum anderen niemals als Filiationsangabe - zudem in dieser Schreibung - verwendet werden. H. Schäfer, der die Gruppe rn zunächst ebenfalls mit “Sohn von” wiedergab, mußte schließlich aufgrund eines Annalenfragments von Horus Djer aus der 1. Hälfte der 1. Dyn. feststellen, daß es “durch die Inschrift auf dem Kairischen Bruchstück unmöglich gemacht (ist, der Verf.), das “rn” als “Kind” zu deuten und mit Hilfe des “nbw/nwb” einen Namen der Mutter des Königs zu bilden.”1283 Indem er stattdessen rn nwb-“Goldname” deutete, blieb jedoch weiterhin der Lautwert rn beibehalten, der lediglich neu mit “Name” übersetzt wurde - was indes noch problematischer ist, da das Wort rn-“Name” in dieser Weise bzw. determiniert oder ergänzt durch die Pflanzenhieroglyphe

Festzuhalten bleibt somit, daß die Lesung des Hieroglyphenzeichens als Zweikonsonantenzeichen rn mittels der vorliegenden Belegsituation kaum zureichend zu begründen ist. Sie stellt vielmehr lediglich ein von K. Sethe entwickeltes Konstrukt dar, dem sich die Mehrheit der Fachkollegen - von wenigen Ausnahmen wie z. B. B. Grdseloff abgesehen - kritiklos angeschlossen haben. Und

nirgendwo belegt ist.

dies, obwohl Orthographien wie

P. Kaplony seinerseits übernimmt zwar für das Pflanzen1284

+

sowie der

Nachweis eines doppelten Zeichens mit dem Lautwert nn, daß ursprünglich von einem gänzlich anderen Lautwert auszugehen sein dürfte.1292 So könnte allein

zeichen den Lautwert rn, leitet dies jedoch von in den Opferlisten der Frühzeit bzw. dem frühen Alten Reich nachzuweisenden Wort rn-“Jungtier” ab1285 und gab daran anschließend die Pflanzenhieroglyphe mit “der Junge, der Jugendliche”1286 wieder. Lesung und Übersetzung sind auch hier in Zweifel zu ziehen, da ein Wort rn-“Jungtier”, wenn determiniert, auf den Denkmälern dieser frühen Zeit graphisch nirgends mit dem Pflanzen-

schon die Äquivalenz der Graphie von lichen Wiedergabe von

und der laut-

auf eine Gleichsetzung der

Pflanzenhieroglyphe mit dem Lautwert n hinweisen.1293 Bereits B. Grdseloff hatte vorgeschlagen, das

zeichen , sondern mit dem Kopf eines Kalbes wiedergegeben ist. Für den Fall einer lautlichen Übereinstimmung - rn = Pflanzenhieroglyphe = Jungtier -, wie dies von P. Kaplony vorgeschlagen wird, wäre dann der

1288

Hierzu sei aus dem Elephantiner Material auf eine unpublizierte Siegelung aus der sogenannten Südstadt hingewiesen, die den Siegelinhaber als rnw/jrj nw und zudem auch als xrp mjtr ausweist, wonach die Bezeichnung mjtr als Titel bestimmt wäre, s. hierzu ausführlich S. 137ff. 1289 P. Kaplony machte zwar auf den eigenartigen Befund aufmerksam, bekräftigte dennoch: “Die Tatsache, daß Rnw in den archaischen Texten als Name überaus häufig begegnet, sich aber in späterer Zeit nicht mehr belegen läßt, ändert unsere Auffassung nicht.”

Nachweis der Pflanze in der Schreibung des Wortes rn-“Jungtier” zu erwarten - was jedoch nicht der Fall ist. Bezüglich der mit der Pflanzenhieroglyphe gebildeten

1290

Wobei er wie Sethe ein Zweikonsonantenzeichen mit dem Lautwert rn annimmt, s. J. Kahl, Hieroglyphenschrift, S. 926; dort allerdings die Hieroglyphe als “m6” gesondert aufgeführt und mit dem Lautwert rn versehen ist, deren Funktion als Logo- bzw. als Phonogramm offen bleibt. 1291 J. Kahl et alii, Inschriften der 3. Dyn., S. 22 f. u. 26 f. sowie S. 239, im Index der Personennamen. 1292 Nach E. Edel liegt bei der Bildung der Demonstrativpronomina nn, nw und nf: “natürlich ein Element n - (zugrunde), aus dem die einzelnen Formen durch Anfügen der unterschiedlichen Endungen - n, - w, - f entstanden sind”, s. ders., AG, S. 88, § 196. Demgegenüber vertritt W.

Kompositionen und , die für P. Kaplony lediglich ein weitverbreitetes Personennamensspektrum aus archaischer Zeit darstellen, begründet er das Fehlen eben jener Personennamen auf den Gefäßinschriften der Stufenpyramide von Horus Netjerichet in Sakkara damit, daß sie höchstwahrscheinlich nur im “Mittelstand” verbreitet waren.1287 Dies würde jedoch bedeuten, daß die mjtr 1282

WB II, S. 429, Anm. 8-9. G. Maspéro, Le Musée Egyptien, Tome III, Le Caire 1915, S. 33 ff. sowie Tf. XXV. H. Schäfer, in: MDAIK 4,1933, S. 9; zur Lesung des königlichen Titels als rn nbw-“Goldname” vgl. die von P. Kaplony zusammengestellte Literatur in IÄF II, S. 690, Anm. 72. 1284 Zur botanischer Herkunft und Lesung dieses Pflanzenzeichens s. die von P. Kaplony z. T. nur schwer nachvollziehbare Diskussion und Vorstellung in IÄF I, S. 389 f. und 556 ff. sowie ders. in: LÄ VI, 1986, Sp. 1146 ff. 1285 J. E. Quibell, The Tomb of Hesy, Excav. at Saqqara, Tf. XXIX, Abb. 1 und XXX, Abb. 4 (Horus Netjerichet); s. auch J. Kahl, Hieroglyphenschrift, S. 446, Anm. 197. 1286 Siehe hierzu IÄF I, S. 557. 1287 Ders., a. a. O. S. 556 ff.

Schenkel die Ansicht, daß “ein einzelnes

1283

keinen Wert (hat), aus dem

ableiten läßt”, s. ders., in: LÄ V, sich der Lautwert der Gruppe 1984, Sp. 714. Von paläographischem Interesse ist die Assimilation der Hieroglyphen und , s. hierzu H. G. Fischer, in: Varia Nova, New York 1996, S. 205-207 sowie CT I, Spruch 48 b u. CT IV, Spruch 5 a. Zu diesen Beispielen graphischer Austauschbarkeit ließe sich auch IÄF III, Tf. 833 zählen. Das älteste Beispiel hierfür dürfte allerdings mit einem Elfenbeintäfelchen aus der Zeit von Horus Qaa (Ende der 1. Dyn.) vorliegen, s. RT II, Tf. VIII, Abb.1 u. IÄF III, Tf. 145, Abb. 847Bb, auf dem 4000 am.t - “Asiaten / Asiatinnen” erwähnt sind. 1293 Etwas befremdlich dagegen wirkt die Ansicht von V. Loret, der die

126

DIE SIEGELABROLLUNGEN UND ROLLSIEGEL DER STADT ELEPHANTINE

zunächst ein Personenname Nwnj bzw. N(j) nw ergeben könnte.1300 Für eine solche Annahme spräche auch der

mit einem urZeichen einer sprießenden Pflanze sprünglich existierenden und verlorengegangenen Wort nw/nwt für “Binse” zu identifizieren1294 - ein Ansatz, der in Fachkreisen allerdings keine Resonanz fand, obwohl die Belegsituation eher für einen Lautwert n/nw/nwt als für rn zunächst sprechen würde.

statt des ansonsten üblichen .1301 Erstere zeigt durch das Fehlen des n an, daß die Hieroglyphe der

Der bislang früheste bekannte Nachweis der Pflanzen-

für n bzw. für ein mit n beginsprießenden Pflanze nenden Wort stehen dürfte,1302 während in der zweiten

hieroglyphe findet sich wie eingangs erwähnt auf einer Steinstele im königlichen Friedhof von Horus Den (Mitte der 1. Dyn.) in Abydos.1295 Im Namen der Besitzerin be-

durch graphisch ergänzt sein dürfte. das fehlende Beide Schreibungen würden nicht nur die bereits von B.

gegnet die Graphie (ergänzt von ), die von A. Klasens als sn gedeutet wurde, weshalb er, wenn auch mit einer gewissen Unsicherheit, den Namen ¤nw? las.1296 Im Unterschied dazu gab P. Kaplony den Personennamen der Stelenbesitzerin mit N(jt) Nxb(.t)1297 wieder, was eine Schreibung für Nxb(.t) voraussetzen würde, die in dieser Form jedoch erst im Mittleren Reich belegt ist.1298 Dem-

Grdseloff vorgeschlagene Lesung von als nw erhärten, sondern verleihen zudem dem Einkonsonantenzeichen innerhalb der beiden Bezeichnungen und einen eigenständigen Wert, und zwar als Defektivschreibung der Nisbenpräposition jrj-“zugehörig zu”,

gegenüber ist aber wohl für das Pflanzenzeichen ein phonetischer Wert nw anzunehmen,1299 womit sich

so daß sich die Wiedergabe jrj nw für für

Hieroglyphe

innerhalb der Gruppe

mit einem Lautwert

nahm, erklärte, “ was undoubtedly biliteral originally and had a value “nn”, but whether it actually retained this value in Ptolemaic texts or whether it has become simple “n” in certain cases is quite problematical. I am inclined to suspect that it had become monoconsonantal “n”, but pending a detailed survey of the circumstances in which the sign is used, it is best to leave the question open”, s. ders., in: ASAE 43, 1943, S. 307. had the

Austauschbarkeit der Schreibungen von

,

,

mit oder mit und damit auch auf gleichlautenden Wörtern anspielen könnten.1303 Eine derartige

als “nxb - Blüten der Pflanze nn.t, siehe fizierung der Pflanze hierzu ausführlich P. Kaplony, in: LÄ VI, 1986, Sp. 1147. 1295 E. Amélineau, Nouvelles fouilles d’Abydos I 1895-96, Paris 1899, Tf. XXXVII im oberen Register, letzter Stein rechts; RT I, Tf. XXXII, Abb. 26. 1296 A. Klasens, in: OMRO 37, 1956, S. 30, Abb. 7, Nr. 110; mit diesem Namen wird diese Hofdame ebenfalls auf ihrer Grabstele im Münchener Katalog bezeichnet, s. D. Wildung et alii, Katalog zur Staatlichen Sammlung ägyptischer Kunst, München 1976, S. 33. 1297 IÄF I, S. 518. 1298 Eine Überprüfung der Schreibung nxb.t im Alten Reich zeigt, daß

Nnw(?) (so Fischer !), die aber mit den Hieroglyphenzeichen +

+

wiedergegeben wurde. Auch hier scheint eine Lesung Nw des

+ + Namens durchaus angebracht, der in der Form vorkommt. Beispiele für eine Konstruktion der Form HP (Hauptphonogramm) + IP (Initialphonogramm), wie sie in der Schreibung der Gruppe vorliegt, sind im Siegelmaterial der 1. Dyn. nachweisbar, vgl. z. B. die Schreibungen von nb in: IÄF III, Tf. 99, Abb. 415 sowie Tf.102, Abb. 460, wo sich drei graphische Möglichkeiten des Namens ¥d finden. 1300 Mit dieser Graphie ist der Personenname nicht weiter belegt, doch vgl. hierzu H. Ranke, PN I, S. 182, Nr. 20 und Nr. 26-27 sowie S. 206, Nr. 9 u. 13. 1301 Beide Graphien sind im Talbezirk von Peribsen in Abydos gefunden worden und stellen damit die ältesten bekannten Graphien dieser Form dar, s. Abydos III, Tf. IX, Abb. 8 und13; vgl. auch R. Weill, IIe et IIIe Dyn., S.198, Abb. 8. 1302 Vgl. hierzu die ähnliche Graphie mit dieser Titelbezeichnung in: Hierakonpolis II, Tf. LXX, Abb. 21. 1303 WB II, S. 213, Anm. 7 u.11; vgl. parallell zu dem Aufsteigen des Königs zum Himmel sein Hinabsteigen in die “untere Welt”, die hier als

die graphische Ergänzung der Hieroglyphe mit dem Komplement in dieser Zeit nicht belegt ist, und daß sie selten von einem Stadtzeichen determiniert wird, vgl. hierzu z. B. das Denkmal des Prinzen Kanefer, BM 1324 und die Scheintür des Satchu, in: LD II 86 b - 87 aus der 4. - Anf. 5. Dyn. Zu einer schwer nachvollziehbaren Graphie von nxb in der Frühzeit, s. P. Kaplony, in: LÄ VI, 1986, Sp. 1149. 1299 Auch die andere mögliche Auflösung der Hieroglyphengruppe mit =

mit “der

Allerdings scheint mir der - m. E. ausschlaggebende Umstand bislang völlig außer acht geblieben zu sein, daß die unterschiedlichen Graphien des Begriffes nn.t“Unterwelt” in den Pyramidentexten auf die

was value n, nw in rn nDm (rnw.tj !). Grdseloff doubt to whether originally bilateral nn, but in that case the precise word of origin is apparently unknown and must presumably have been a word *nw or *nwt “rush” now lost.”, s. H. W. Fairman, a. a. O. Für die Identi-

der Gleichsetzung

ergeben würde. Die Übersetzung von

zu nw zugehörig ist” bzw. von mit “der zu nw.tj zugehörig ist” legt damit zwar eine Titelbezeichnung nahe, wirkt aber dennoch zunächst kaum schlüssig, da sowohl nw als auch nw.tj allem Anschein nach unbekannt, weil nicht direkt zu belegen sind.

le signe , s. ders., La Flore Pharaonique, Paris 1892, S. 304 - 309. H. W. Fairman hingegen, der insgesamt eine zurückhaltende Position ein-

“Grdseloff remarks that Sethe pointed out long ago that

bzw. jrj nw.tj

nn

consiste en la répétition versieht: “c’est parce que la valeur “nn” de d´une seule et même lettre “n” que l´on répète également, par analogie,

1294

und

Nachweis zweier eigenartiger Schreibungen -

läge eine Übereinstimmung der Pflanzen-

hieroglyphe mit dem Lautwert nw nahe, s. hierzu H. G. Fischer, The Nubian Mercenaries of Gebelein, in: KUSH 9, 1961, S. 56-59, Anm. 20 sowie Abb. 3 und Tf. XI mit der Schreibung des Personennamens

127

JEAN-PIERRE PÄTZNICK

Homophonie würde bedeuten, daß - lautlich gesehen eine Übereinstimmung von

und

4.6.2.2 Die Lokalbeamtentitel phantiner Material

sowie von

und , oder bestanden haben könnte. Damit ist zwar noch keine semantische Äquivalenz nachgewiesen, eine solche läßt sich aber auch gänzlich auszuschließen, weswegen eine Übersetzung von

bzw.

im Ele-

Beide Titelbezeichnungen sind auf insgesamt 97 Inschriftenträgern, d. h. auf fünf Rollsiegeln1307 (vier aus Holz und ein Zylinder aus Ton) und 92 Lehmverschlüssen erhalten. Alle mit ihnen versehenen Objekte stammen aus den bisher freigelegten relevanten Stadtbereichen, wobei allein 68 auf die Oststadt entfallen, 14 auf die Festung, elf auf den Satettempel sowie vier auf die Nordoststadt samt deren Erweiterung. Siegelungen

jrj

nw/nw.t mit “Der zur Stadt Gehörige” bzw. von jrj nw.tj mit “Der zum Stadtgott / Stadtgottheit gehörig ist” durchaus gerechtfertigt erscheinen würde, zumal dies

von rnw/jrj nw und rnw.tj/jrj nw.tj finden sich bis auf zwei Exemplaren unsicherer Art auf allen typologisch bisher erfaßten Siegelträgern: Tonbullen (42), Gefäßverschlüssen (37), Türversiegelungen (9) und Urkundenverschlüssen (zwei) sowie typologisch unbestimmbaren Verschlüssen (zwei).1308

nicht nur mit den Endungen t und tj, sondern auch mit der dokumentierten funktionnellen Bestimmung dieser Titelträger in der Lokalverwaltung bestens übereinstimmen würde.1304 Dennoch ist die vorgeschlagene Übersetzung aufgrund 1305 der erwiesenen Phonologie des Wortes als n(w).t bzw. n`t als äußerst spekulativ zu betrachten, auch wenn die vermuteten Funktionsbereiche beider Titelbezeichnungen innerhalb der Stadt-und Tempelverwaltung in das Siegelmaterial von Elephantine merkwürdigerweise und eindrucksvoll ihren Niederschlag gefunden haben.1306

Unter den 37 Gefäßverschlüssen, von denen ein Exemplar1309 nicht mehr bestimmbar war und demzufolge dem Typus Gv. 0 zugeordnet wurde, sind 15 Topfverschlüsse vom Typus Gv. I a - c sowie 14 Gefäßhalsverschlüsse vom Typus Gv. V a und Gv. b besonders zu erwähnen. Bis auf je ein Objekt aus dem Südbereich des Satettempels1310 und der Festung1311 sind alle anderen 13 Topfverschlüsse in der Oststadt1312 geborgen worden, wodurch einer der grundsätzlichen Funktionsaspekte der Oststadt als Lagerungs- und Verteilungszentrum von Getreide für die gesamte Stadt eindrücklich markiert ist, in den

nw.t-“die Stadt” bezeichnet wird, PT 149 a-b; vgl. auch in diesem Zusammenhang die Identifikation von nw.t als der Unteren Welt mit dem unterirdischen Jenseitspalast von Horus Netjerichet im DjoserBezirk in Sakkara, s. Fl. D. Friedman, Notions of Cosmos in the Step Pyramid Complex, in: Fs W. K. Simpson, Boston 1996, S. 340 ff., insbes. S. 345, Abb. 2; S. 346, Abb. 3 und S. 349, Abb. 4. 1304 Zur Bedeutung der Stadt im Alten Reich sei auf M. Atzler verwiesen, der als “Sitz der agierenden Gewalt” und “in der nwt sitzend”, d. h. als administrative oder kultische Gewalten versteht, die sich nicht dadurch auszeichnen, daß sie in der Stadt wohnen, sondern wie sie den dort installierten Instititutionen dienen, s. ders., in: CdE 47,1972, S. 17 ff., v. a. ab S. 23 ff; s. auch D. Franke, Zur Bedeutung der Stadt in Altägyptischen Texten, in: Städtische Formen und Macht. Veröffentlichung der Interdisziplinären Arbeitsgruppe Stadtkulturforschung, hrsg. von M. Jansen, J. Hoock und J. Jarnut, Aachen 1994, S. 29 - 51. 1305 Zur Vokalisation nw.t vgl. G. Fecht, Wortakzent und Silbenstruktur, Untersuchungen zur Geschichte der ägyptischen Sprache, ÄF 21, Glückstadt - Hamburg - New York 1960, S. 54 mit Anm.167 mit älteren Literaturangaben; J. Osing, Die Nominalbildung des Ägyptischen, Mainz 1976, S. 378; s. auch PN I, S.169, Nr. 5 u. 7 mit dem Namen Nw.t(j); PN II, S.145. Siehe in diesem Zusammenhang auch die Statue des Stadtgottes (?) Nw.t(j) im Katalog Geschenk des Nils: Ägyptische Kunstwerke aus Schweizer Besitz, Basel 1978, S. 30, Abb. 104 a - b.

zugleich die Siegelaktivität der rnw.tj/jrj nw.tj eingebunden ist.

rnw/jrj nw und

Von den insgesamt 13 Gefäßhalsverschlüssen des Typus Gv. V b stammen acht aus der Oststadt, drei aus Satet Süd und zwei aus der Festung.1313 Charakteristisch für diesen Verschlußtypus ist der Abdruck eines den Gefäßhals mehrfach umwindenden Stoffes, was darauf hinweist, daß kostbare Produkte wie z. B. Salz o. Natron in der Oststadt unter Verwaltung der rnw/jrj nw bzw. von rnw.tj/jrj nw.tj - Lokalbeamten gestanden haben könnten, was seinerseits die Bedeutung der Oststadt als Versorgungszentrum umso mehr unterstreicht. Auch die Hieroglyphengruppe in: PD V, S. 69, -172, Abb. 123, die P. Lacau als “Titre demande à être éclairci” bezeichnete, könnte in diesem Sinne als eine Schreibvariante von nw.t, nw.t(j) bzw. jrj nw.(t) oder auch von nsw.t,nsw.t(j) bzw. von jrj nsw(.t), jrj nsw.t(j) aufgefaßt werden. Zu nsw.tjw als “catégorie de population dépendante, attachée au service du roi”, s. jetzt auch J. C. Moreno Garcia, in: ZÄS 124, 1997, S. 124 ff. 1307 Satet-Süd: Kat. 005 und 012; Oststadt: Kat. 375, 396 und 576. Zur Disskussion s. Kap. Rollsiegel S. 11. 1308 Oststadt: Kat. 557 und 560. 1309 Oststadt: Kat. 468 1310 Satet-Süd: Kat. 013 1311 Festung: Kat. 112 1312 Oststadt: Kat. 276, 292, 295, 315-316, 336, 362-363, 399, 408, 422, 655 u. 663. Zum Typus Gv. I siehe ausführlich S. 13ff. 1313 Oststadt: Kat. 383, 411, 439, 454, 502, 626, 639-640; Satet-Süd: Kat. 003, 006 und 011; Festung: Kat. 150 und 270. Zum Typus des Gefäßhalsverschlusses Gv. V siehe ausführlich S. 32ff.

1306

Eine weitere Interpretationsmöglichkeit besteht darin, und als allgemeine Bezeichnungen der Angehörigen des bisher in der Fachliteratur unter dem Kollektivum besser bekannten nsw.tjw aufzufassen. In diesem Falle wären zwar beide Titel als jrj nsw(.t) und jrj nsw.tj neu zu lesen, doch würde die graphische Austauschbarkeit der

und dies durchaus erlauben, s. hierzu H. G. Pflanzenzeichen Fischer, Calligraphy, New York 1979, S. 34, M22. Hierbei durfte es sich wohl kaum um die Bezeichnung nsw.t - des ägyptischen Königs handeln, da diese in der Titelkunde der Nisbenbildung jrj sinngemäß und grundsätzlich vorgestellt ist, so daß zunächst von einem bisher unbekannten Ausdruck oder Substantiv auszugehen ist.

128

DIE SIEGELABROLLUNGEN UND ROLLSIEGEL DER STADT ELEPHANTINE Je ein Gefäßverschluß der Festung und der Oststadt,1314 die als zwei von insgesamt drei Pfropfen vom Typus Gv. III zu identifizieren sind, verdienen innerhalb der Gefäßverschlüsse insofern Erwähnung, als sie neben der Abrollung eines rnw.tj/jrj nw.tj - Titelträgers je den eines nicht näher zu bezeichnenden af bzw. den eines mjtr Angehörigen tragen. Der Nachweis von Grasspuren an dem einen bzw. eines Strohdeckels an dem anderen Verschluß ist ein sicheres Indiz dafür, daß in den entsprechenden Gefäßen entweder Milchprodukte wie z. B. smj - Frischkäse oder aber Wein verschlossen wurden.1315 Der Tatsache, daß die Abrollung dieses nicht näher zu deutenden af Lieferanten bzw. mjtr Angehörigen von der eines rnw.tj/jrj nw.tj Lokalbeamtern überlappt ist, läßt sich entnehmen, daß das versiegelte Gefäß vor Einlagerung entweder durch den jeweiligen rnw.tj/jrj nw.tj - Lokalbeamten frisch gesiegelt wurde oder aber, daß dieser Beamter nach der Siegelung des Verpackers sein Siegel als Kontrollmarke angebracht hat. Beide Beispiele ermöglichen nicht nur eine klare Unterscheidung zwischen Lieferanten und Empfängern bzw. hier zwischen Verpacker und Kontrolleur, sondern erlauben darüberhinaus in einem Fall die Bestimmung eines mjtr - Angehörigen als Lieferant von Landprodukten wie z. B. Wein und die der rnw.tj/jrj nw.tj - Lokalbeamten - gerade als Hrj wDA.t “Lagerhausverwalter” - als Mitglied der lokalen Administration anzunehmen, die die angelieferte Ware unter strenger Kontrolle abzunehmen hatten.1316 Gerade die doppelte Kontrolle bei der Verpackung und Versiegelung dieser Gefäße, sowie die geringe Anzahl solcher Doppelsiegelungen in unserem Material spricht m. E. für die besondere Qualität des Gefäßinhaltes, wie es für die Verpackung und Versiegelung von Milchprodukten und Wein durchaus anzunehmen sein dürfte.1317

weist und das von einem rnw.tj/jrj nw.tj - der zudem rj wDA.t - “Lagerhausverwalter” war, verschlossen bzw. versiegelt wurde.1320 Von den insgesamt 42 Tonbullen stammen allein 30 davon der Oststadt, neun aus der Festung sowie drei aus der Nordoststadt samt Erweiterung.1321 Die Tatsache, daß meist nur noch der Verschnürungsabdruck erkennbar ist, erschwert die Identifikation der Siegelträger erheblich bzw. macht sie gar unmöglich. Demzufolge waren 17 Objekte dem Typus Tb. 2 b und elf weitere Exemplare der Kategorie der Tb. 0 zuzuordnen. Lediglich in 14 Fällen ließen die erhaltenen materiellen Abdrücke die Versiegelung schwerer Lasten wie z. B. von Säcken - Tb. 1 (sieben Exemplare)1322 - bzw. Holzkisten - Tb. 2 a (sieben Objekte)1323 - erkennen. Türverschlüsse sind im allgemeinen (mind. fünf der ins, rnw/jrj nw und , rnw.tj/jrj gesamt neun) durch nw.tj selten gesiegelt worden und nur in den Stadtbereichen Satet-Süd und Oststadt nachzuweisen. Fünf Objekte sind dabei dem Typus Tv. 1 zuzuordnen, von denen vier1324 aus dem Südbereich des Satettempels stammen. Lediglich ein einziges Exemplar, das den unverschnürten Abdruck der Sonderform sAD - Verschluß aufweist, wurde in der Oststadt gefunden.1325 Ebenfalls aus der Oststadt stammen drei Türverschlüsse vom Typus Tv. 2 mit dem charakteristischen Abdruck eines mehrfach umwickelten Holzpflocks, wogegen lediglich ein Exemplar von Tv. 2 im Satet-Süd nachzuweisen war.1326 Die Nachweise von , rnw/jrj nw und von , rnw.tj/jrj nw.tj auf Türverschlüssen der Oststadt unterstreichen die Existenz von Magazin- und Lagerräumen in diesem Stadtbezirk und binden unmißverständlich die Angehörigen der Lokalbeamtenschaft in das Lager- und Kontrollwesen ein.

Das dritte Beispiel eines Gefäßverschlusses vom Typus Gv. III weist ebenfalls Grasspuren am Verschlußkörper auf und trägt die Siegelung eines rnw mr(.t) - “Lokalbeamter der Meret-Leute”,1318 was auf eine Lieferung bzw. Abgabe eines Milchproduktes an die Oststadt, dem damaligen Verwaltungszentrum der Stadt Elephantine hinweist und Meret - Leute wie mjtr - Angehörige mit der Land-bzw. Milchwirtschaft1319 in Verbindung bringt.

Dem Nachweis von rnw/jrj nw- und rnw.tj/jrj nw.tj auf Versiegelungen von Urkundenverschlüssen, wie sie an zwei Beispielen1327 aus der Oststadt nachzuweisen ist, kommt insofern besondere Bedeutung zu, als sie die Funktion der Oststadt als lokale administrative Zentrale

In diesen besonderen wirtschaftlichen Kontext fügen sich auch zwei der insgesamt drei Deckeln vom Typus Gv. IV aus der Oststadt ein, an denen Gras- bzw. Bastspuren nachzuweisen sind und die das Siegel eines rnw.t/jrj nw.t bzw. eines rnw/jrj nw tragen, während das dritte Exemplar aus der Festung, das keinerlei materielle Spuren auf-

1320

Oststadt: Kat. 332, 536 und Festung: Kat. 152; zum Gv. IV s. S. 28ff. 1321 Einen Überblick hierzu gibt Tabelle. 47. 1322 Festung: Kat. 219 und Oststadt: Kat. 376, 377, 435, 448, 600 und 641. Zum Typus Tb. 1 s. ausführlich S. 41f. 1323 Festung: Kat. 149 und 151; beide Objekte stammen aus der Verfüllung der selben Gruben im Südbereich dieses Bezirkes; NordoststadtErweiterung: Kat. 067 mit einem der seltenen Nachweis der Graphie C5 dieses Titels, s. hierzu auch S. 135 und Tf. 50; Oststadt: Kat. 296, 417 und 529-530; zum Typus Tb. 2 a s. S. 42ff. 1324 Satet-Süd: Kat. 008, 010, 026 und 032; s. außerdem S. 56f. 1325 Oststadt: Kat. 654; siehe zu dieser Sonderform S. 57. 1326 Oststadt: Kat. 393, 516 und 521; Satet-Süd: Kat. 007; zum Typus Tv. 2 siehe S. 57ff. 1327 Oststadt: Kat. 312 und 646; der Siegelinhaber von Kat. 312 ist zudem in der Oststadt auf Kat. 351 und in der Nordoststadt (!) auf Kat. 092 nachzuweisen; zur administrativen Relation zwischen Oststadt und Nordoststadt s. ausführlich Anm. 952 ; zum Typus Uv. 1 siehe S. 61.

1314

Festung: Kat. 117 und Oststadt: Kat. 323. Zu diesen Merkmalen, s. S. 36 und Tabelle 19. 1316 Vgl. hierzu S. 27. 1317 Aus meiner bisherigen beruflichen Erfahrung läßt sich dieses doppelte Kontrollverfahren bei der Verpackung von kostbaren Produkten in der Industrie immer noch verifizieren und kennzeichnet selbige damit in besonderem Maße. 1318 Oststadt: Kat. 462; zum Typus Gv. III s. S. 27, Anm. 266. 1319 Siehe hierzu S. 148f. sowie übergreifend S.211ff. 1315

129

JEAN-PIERRE PÄTZNICK

rnw/jrj nw rnw.t/jrj nw.t rnw.tj/jrj nw.tj Rollsiegel Tonzylinder Gv. 0 Gv. I a-c Gv. II Gv. III Gv. IV Gv. V a-b Tb. 0 Tb. 1 Tb. 2 a Tb. 2 b Tv. 1 Tv. 2 Uv. 1 Unklar Gesamt

Festung

NO-Stadt + Erweit.

1 1 1 1 2 1 1 2 5

14

1 1 1

4

Oststadt

Satet-Süd

Gesamt

2 1 1 13 1 2 2 8 9 6 4 11 1 3 2 2 68

2

5

1

3

4 1

11

1 15 2 3 3 13 11 7 7 17 5 4 2 2 97

Tabelle 47: Topogr. Verteilung des Siegelmaterials der “Lokalbeamten” unterstreicht und gleichzeitig das Spektrum der Siegeltätigkeit der rnw/jrj nw- und rnw.tj/jrj nw.tj - Titelträger ausweitet, indem sie deren Mitwirkung in der lokalen Bürokratie der Stadtverwaltung deutlich macht.

noch einzugehen sein wird. Dennoch seien an dieser Stelle einige gewichtige Beobachtung dazu angemerkt. So taucht die Graphie , rnw/jrj nw bereits in den ältesten Besiedlungsniveaus der Festung1329 sowie des Südbereichs des Satettempels auf, wo sie in Verbindung mit Beamtentiteln wie xtm(w).t(j) -“Schatzverwalter”, sSm a Hm(.w)/Hm.(w)t - “Anleiter der Tätigkeit(en) der Diener / Dienerinnen” bzw. jrj x(w).t nsw.t - “der vom König Beschützte” auf Türverschlüssen - Tv. 1 und Tv. 2 -1330 sowie auf Tonbullen, z. B. mit der Siegelung Hrj mA “Kontrollbeamter”1331 begegnet.

Betrachtet man vor diesem Hintergrund den jeweiligen Erhaltungszustand der einzelnen Siegelbilder, so lassen sich zunächst prinzipiell zwei Gruppen von Siegelungen ermitteln. Eine umfaßt insgesamt 26 vollständig erhaltene bzw. leicht zu rekonstruierende Siegelbilder, wobei zweiund sechsgliedrigen Siegel-sequenzen zu unterscheiden sind. Den weitaus größeren Teil indes beinhaltet eine zweite Gruppe von insgesamt 71 unvollständigen Siegelungen, die demnach in Kategorien von “mindestens zweigliedrig bis mindestens sechsgliedrige” aufgeteilt sind.

Grundsätzlich ist die Siegeltätigkeit der , rnw/jrj nw Lokalbeamten in allen untersuchten Stadtbereichen nachzuweisen und kann mit Beamten- und Beititeln sowie Epitheta kombiniert sein, aber auch eigenständig auftreten.

Die Tatsache, daß auf einem Urkundenverschluß unseres Materials der Titel zS - “Schreiber” gemeinsam mit , rnw.tj/jrj nw.tj begegnet, fügt sich nicht nur in die bisherige Beobachtung ein, wonach der Schreiber-Titel ausschließlich mit letzterer Titelbezeichnung und nicht

Aus der Festung stammt der Beleg eines in Verbindung mit einem xt(j) pr - “Hausverwalter?”,1332 während sich diese Graphie in der Oststadt auf mehreren Beamtensiegelungen findet, und zwar neben bislang unbekannten Titeln wie z. B. jr.ty1333 sowie unvollständig erhaltenen Titelangaben wie [...]pr mjtr - “...Domäne /

mit nachzuweisen ist,1328 sondern das sonstige Fehlen dieser Kombination von z‚ mit der anderen Titelbezeichnung , rnw/jrj nw dürfte Hinweis auf eine semantische bzw. verwaltungstechnische Unterscheidung der beiden Termini sein, worauf in der Zusammenfassung

1329

Festung: Kat. 270; zur weiteren Bedeutung dieses Siegels für die Datierung der Festung s. insbes. S. 36, Anm. 372. 1330 Satet-Süd: Kat. 007-008, 026 und 032; siehe hierzu auch Anm. 1324 sowie S. 121. und 126. 1331 Satet-Süd: Kat. 003; zum Titel Hrj mA - “Kontrollbeamter” s. ausführlich S. 102ff. 1332 Festung: Kat. 219; zu Tb. 1 s. S. 41f. 1333 Oststadt: Kat. 296

1328

Oststadt: Kat. 312; diese Beobachtung ist nicht nur im Siegelmaterial von Elephantine festzustellen, sondern auch im Inschriftenkorpus von P. Kaplony, s. hierzu IÄF III, Tf. 91, Abb. 347A, 93, Abb. 361 und 96, Abb. 379.

130

DIE SIEGELABROLLUNGEN UND ROLLSIEGEL DER STADT ELEPHANTINE

rnw/jrj nw = Beamtentitel rnw/jrj nw nTr/nTr.t rnw/jrj nw mr(.t)/mr.t Gesamt

FESTUNG 1

NO-STADT / ERW.

Tb. 2 b1 1

1

Gv. II b

1

OSTSTADT

Gesamt

1

Gv. I c

2

2

Gv. III Tb. 2 a

3

3

5

Tabelle 48: Verteilung der Siegelaktivität der rnw nTr / nTr.t und der rnw mr(.t) / mr.t Beamten bestimmten Titelcharakter beider Bezeichnungen1338 unterstreicht, die damit erneut als Titelträger mit einer besonderen Qualifikation bzw. besonderem Aufgabenbereich ausgewiesen sind und sich gleichzeitig

Verwaltung der mjtr - Leuten” bzw. j a [...]n S auftaucht, die jedoch kaum interpretierbar sind.1334 In diesem Zusammenhang kommt dem unstratifizierten Fund eines noch unpublizierten, vollständig erhaltenen Verschlusses aus der Südoststadt besondere Bedeutung

von anderen - und - Titelinhabern mit oder ohne Beamtentitel deutlich unterscheiden.

insofern zu, als sein mehrfacher Siegelabdruck eines , rnw/jrj nw zusammen mit dem Beamtentitel xrp mjtr “Leiter der mjtr - Leute” , kennzeichnet dies doch die

Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang der Nachweis des Titels in der Oststadt, der die Existenz eines zuständigen Beamten der damaligen Lokalverwaltung im Dienste der Tempelverwaltung belegt.1339 In welchem hierarchischen Verhältnis ein rnw/jrj nw nTr(.t) “Lokalbeamter der Göttin” zu dem zeitgleich auftretenden Hm nTr(.t) - “Gottesdiener” (ab der 3. Dyn.) stand bzw. welcher spezielle Aufgabenbereich ihm unterlag, darüber sind allerdings aus dem vorliegenden Material keine Information zu entnehmen. Sicher ist nur, daß man sich die Organisation der Tempelverwaltung bzw. ihres Personals in diesen frühen Zeiten (2. Hälfte der 2. Dyn. und 3. Dyn.) wesentlich differenzierter vorzustellen haben dürfte als bisher angenommen.

, rnw/jrj nw eben jenen eindeutig als Vorgesetzten der mjtr - Leute kennzeichnet.1335 Schließlich sei noch eine Gruppe von fünf Siegelungen genannt, die die Graphie aufweisen und von denen drei (zwei aus der Oststadt, eine aus der Nordoststadt),1336 , rnw mr(.t)/jrj nw mr(.t) - “Lokalzudem die Angabe beamter der Meret - Leute” tragen und zwar an Verschlüssen, die auf Holzkisten und Vorratsgefäßen angebracht waren. In einem Fall - ein Pfropfen vom Typus Gv. III - kann aufgrund der nachzuweisenden Grasspuren am Verschlußkörper davon ausgegangen werden, daß dieser Beamte die Anlieferung und Lagerung von Milcherzeugnissen kontrolliert hat. Zwei weitere Belege mit

Neben Beamtentiteln lassen die Siegelungen von , rnw/jrj nw - Lokalbeamter Kategorien erkennen, innerhalb deren sie lediglich mit der zusätzlichen Angabe eines Personennamens bzw. Beititels oder Epitheta versehen begegnen. So belegen drei Nachweise, von denen einer - der älteste seiner Art - aus den frühesten Besiedlungsschichten der Festung, die beiden anderen hingegen aus der Oststadt stammen, die Bezeichnung

den Graphien bzw. , rnw/jrj nw nTr/nTr.t - “Lokalbeamter der Göttin” stammen von der Versiegelung einer Verschnürung aus der Festung bzw. von einem Topfverschluß vom Typus Gv. I c in der Oststadt.1337 Diese Gruppe von Siegelungen ist insofern für die

, rnw/jrj nw als eigenständigen Titel.1340

Deutung von und , von besonderem Interesse, als sie aufgrund der zusätzlichen Angabe wie nTr.t, nsw.t bzw. auch mr(.t) den eingangs dieser Untersuchung

Fünf weitere Siegelungen, sämtlich aus der Oststadt, weisen zusätzlich Beititel bzw. Epitheta auf. Unter ersteren (drei Objekte) finden sich u. a. nfr mA a jz.t - eine

1334

Oststadt: Kat. 439 und 536. Dieser Beleg stammt aus der unpublizierten “Südstadt” und wird in der endgültigen Publikation des Elephantiner Siegelmaterials gebührend vorgestellt. 1336 Oststadt: Kat. 462 und 530; Nordoststadt: Kat. 078; s. auch Anm. 1323. 1337 Festung: Kat. 268; Oststadt: Kat. 295 mit dem Beititel nfr mAa jz.t nTr.t (!), s. auch hierzu S. 19, Anm. 183; zum Überblick über die topographische Verteilung der Siegeltätigkeit dieser Beamten, s. S. 131, Tabelle 48. 1335

1338

Vergleichbar hierzu wäre z. B. die ähnliche Titelbildung, die man bei Sms - “Begleiter” zu‚ šms nsw.t - “Begleiter des Königs” oder auch Sms nTr/nTr.t - “Gottesbegleiter” feststellen kann, s. S. 110. 1339 Siehe hierzu S. 212. 1340 Festung: Kat. 270; zu diesem besonderen Siegel s. Anm. 1329; Oststadt: Kat. 417 und 437, wobei letzteres Siegel die Bezeichnung sn.t Smaj - “Schwester des Südens” in der Bildung des Personennamens aufweist, die sicher sich nur auf die Göttin von Elephantine, Satet, beziehen kann, s. außerdem den Exkurs, S. 206f.

131

JEAN-PIERRE PÄTZNICK

Gefäßhalsverschluß vom Typus Gv. V b, während der dritte Beleg das Siegelbild des Hrj wDA.t “Lagerhausverwalter” Nfr a nx ausweist.1348 Was die

Bezeichnung, die sich zu nfr mA a jz.t nTr.t (!) bzw. nfr mA a jz.t mjtr (!) erweitern läßt,1341 aber auch die Angabe sAD.1342 Letztgenannter Beititel ist auf einer Siegelung belegt, die neben der graphischen Variante C5 des rnw/jrj nw ein unbekanntes Epitheton kA.w nb.t=f trägt.1343 Ergänzend hierzu lassen sich noch acht weitere

Graphie auf Beamtensiegelungen, die im Südbereich des Festungsareals gefunden wurden, betrifft, so ist sie auf vier Verschlüssen nachzuweisen, wovon zwei Tonbullen vom Typus Tb. 2 b - das Siegel eines nicht näher zu deutenden Titelträgers wD a mdw/xrw aufweisen und die zwei übrigen - Gefäßverschlüsse vom Typus Gv. III und IV a - die Siegelung eines weiteren Hrj wDA.t “Lagerhausverwalter” tragen,1349 wodurch die Kontrollfunktion dieser Titelträger bei der Einlagerung angelieferter Produkte wie Milcherzeugnisse oder Wein besonders betont wird, wie aus den Abdrücken zweier Siegelungen an einem Pfropfen vom Typus Gv. III, nämlich dem des Lieferanten und dem des zuständigen Beamten bzw. des Verpackers und des Kontrolleurs hervorgeht.1350

unvollständigen Siegelungen von , rnw/jrj nw anführen, von denen drei lediglich ebendiese Bezeichnung aufweisen, während vier Exemplare zudem einen Personennamen erkennen lassen.1344 Darüberhinaus findet sich ein Objekt, auf dem neben einem Personennamen die graphische Variante C5 von rnw/jrj nw erhalten ist.1345 Während Siegelungen mit bereits in den ältesten Siedlungsschichten nachzuweisen sind (2. Hälfte der 2. Dyn.) und vorwiegend aus dem alten Stadtkern, Festung und Südbereich des Satettempels, stammen, sind sechs

Neben dem Nachweis von Beamtentiteln taucht auch die

-Beamtensiegelungen mit dieser der insgesamt 10 Graphie in jüngeren Siedlungskontexten (3. - 4. Dyn.) der Oststadt und vier weitere in denen der Festung geborgen worden. Allerdings ist an dieser Stelle auf ein Holzrollsiegel bzw. dessen unvollständigen Abdruck hinzuweisen, der im Südbereich des Satettempels in eine in die späte 2. Dyn. zu datierende Schicht gefunden wurde und neben der graphischen Variante (C6) eines rnw.tj/jrj nw.tj - Lokalbeamten den Titel jrj sSr.t - “Hüter der Milchkühe” aufweist.1346

mit Beititeln bzw. Epitheta und sogleich Bezeichnung auch als eigenständiger Titel in Verbindung mit Personennamen auf, wie dies am Beispiel einer zweigliedrigen Siegelsequenz der Form S+PN zu ersehen ist.1351 mit einem Beititel, so weist die Erscheint die Graphie - vollständig erhaltene oder zu rekonstruierende - Siegelung in den meisten Fällen eine viergliedrige Abfolge der Form S+PN+BEI+PN auf, wobei das BEI sowohl in erhaltenen als auch in unvollständigen Abrollungen zumeist den Beititel nfr mAa jz.t genannt ist.1352 Abweichungen hierzu sind Bezeichnungen wie sxm mAa jz.t oder n(j) hb, die an zwei Objekten nachzuweisen sind.1353 Eine Besonderheit in diesem Zusammenhang stellt der Nachweis einer sechsgliedrigen Siegelsequenz - S+PN+BEI1+ PN+BEI2+PN - dar, wobei als Beititel nfr mAa jz.t und sAD aufgeführt sind.

Drei der in der Oststadt gefundenen Beamtensiegelungen tragen den Titel zS - “Schreiber” und sind je an einem Urkundenverschluß sowie zwei Gefäßverschlüssen vom Typus Gv. I b und Gv. V b angebracht.1347 Von den übrigen drei ist lediglich der Nachweis eines Titels n(j) Hm nTr - “Mitglied der Gottesdienerschaft” in Verbindung mit der Bezeichnung auf einem Holzrollsiegel erwähnenswert sowie eines Hsw - “Sänger” auf einem

Im Unterschied zu dieser Beleglage an Beititeln sind Epitheta selten belegt und lediglich an zwei unvollständigen

1341

Oststadt: Kat. 655 sowie Kat. 295; bemerkenswert hierbei ist die Zusammensetzung des Titels rnw nTr.t und des Beititels nfr mAa jz.t nTr.t, die die Funktion dieses Siegelbesitzers innerhalb eines organisierten Kultes der Göttin (von Elephantine, d. h . Satet) eindrucksvoll untermauern; s. hierzu auch Anm. 1337; Oststadt: Kat. 435, wobei es sich womöglich um eine differenzierte Angabe innerhalb der Verwaltung der mjtr - Angehörigen handelt, s. hierzu auch S....; zum Beititel nfr mAa jz.t siehe ausführlich Kap, S. 150ff. 152, Anm. 1501. 1342 Oststadt: Kat. 393, zu sAD s. Kap., S. 155ff. 1343 Oststadt: Kat. 393 auf einem Türverschluß vom Typus Tv. 2, zu diesem Typus siehe S. 57ff.; zur Graphie C5 siehe S. 135. 1344 Festung: Kat. 150 und Oststadt: Kat. 560 bzw. 590; Oststadt: Kat. 347, 448, 468 und 663. 1345 Oststadt: Kat. 529 auf einer Tonbulle vom Typus Tb. 2 a, zu diesem Typus siehe S. 42ff. 1346 Satet-Süd: Kat. 005-006; zum Rollsiegel siehe S. 10. 1347 Oststadt: Kat. 312; Kat. 316 u. 454; zu den Gefäßverschlüssen vom Typus Gv. I b und Gv. V b siehe S. 16f sowie S. 34ff.; Oststadt: Kat. 377; zur Verbindung von 1328.

1348

Oststadt: Kat. 396; s. auch Anm. 83; Kat. 626; zum Typus Gv. V b s. hierzu S. 34; Kat. 506; weitere Nachweise dieses Beamten finden sich außerdem in der Oststadt auf Kat. 498-500 u. 502; einen Überblick der Siegeltaktivität von Nfr anx in der Oststadt vermittelt Tafel XXXVI; zum Titel Hrj wDA.t -“ Lagerhausverwalter” s. ausführlich S. 98ff. 1349 Festung: Kat. 111 u. 134; auffällig ist hierbei der Name des Titelträgers - Smn sA/sA(.t) psD.t -, der möglicherweise eine weitere Umschreibung der Gottheit als “Sohn der Neunheit” bzw. der Göttin von Elephantine als “Tochter der Neunheit” darstellen könnte, s. hierzu S. 49 sowie den Exkurs, S. 206f; zur Tonbulle vom Typus Tb. 2 b, siehe S. 48ff. 1350 Festung: Kat. 117 und 152; siehe hierzu außerdem S. 27; zu den Gefäßverschlüssen vom Typus Gv. III und Gv. IV a s. insbes. S. 25ff. sowie S. 28f. 1351 Oststadt: Kat. 411, auf einem Gefäßverschluß vom Typus Gv. V b, zu diesem siehe S. 34ff. 1352 Oststadt: Kat. 375, 376 und 664; zu diesem Beititel s. ausfühlich S. 150ff; Oststadt: Kat. 276, 423 sowie Oststadt: Kat. 408, 509, 639; stellen Beispiele unvollständiger Siegelungen dar. 1353 Oststadt: Kat. 422, s. auch S. 15 sowie Kat. 646, zu letzterem s. Kap S. 160ff.

mit dem Titel zS -“Schreiber “siehe Anm.

132

DIE SIEGELABROLLUNGEN UND ROLLSIEGEL DER STADT ELEPHANTINE

Abrollungen aus dem Südbereich des Satettempels sowie aus der Erweiterung der Nordoststadt erkennbar. Auf der Siegelung aus letztgenanntem Bereich findet sich neben der besonderen Graphie C5 von rnw.t(j)/jrj nw.t(j) das Epitheton anx mr(j)/mr(r) nsw.t,1354 während auf dem Türverschluß - Tv. 1 - aus Satet-Süd das Epitheton mr(j)

Zur Vervollständigung der Nachweise von den

Von in den Stadtbereichen der Inselstadt ist noch auf eine Gruppe von 15 Siegelungen hinzuweisen, deren unvollständige Graphie zwar eine gesicherte titelkundliche Zuordnung erschwert, die aber dennoch zu dieser Gruppe der Lokalbeamtern zu rechnen ist und mit C0 gekennzeichnet ist. Die Graphie C0 ist zunächst auf vier Beamtensiegelungen zu finden, von denen drei aus der Oststadt stammen, die vierte hingegen aus dem Südbereich des Satettempels, auf der der Titel Hrj wDA.t - “Lagerhausverwalter” genannt ist. Von den drei Siegelungen der Oststadt findet sich zum einen den Titel jtj - “Fürst, Patron” sowie zwei Mal die Bezeichnung zS - “Schreiber”, einmal in Verbindung mit dem Epitheton anx wD nTr nfr und dem Beititel sAD sowie das andere Mal gemeinsam mit dem Beamtentitel Hrj anx(.w) pr Sna - “Oberster der Angestellten/Arbeiter der Produktions-und Versorgungsstätte” und demselben Epitheton anx wD nTr nfr.1361

jb anx sowie der Titel , rnw.tj/jrj nw.tj - “Lokalbeamter” nachzuweisen ist.1355 Abschließend ist noch eine Gruppe von 17 unvollständigen Siegelungen zu behandeln, auf denen u. a. ein Personenname sowie die Titelbezeichnung nw.tj erkennbar sind.1356

bzw.

, rnw.tj/jrj

, rnw.t/jrj nw.t auf acht Hierunter ist die Graphie Siegelungen belegt, die in sämtlichen Stadtbereichen außer dem Bezirk der Nordoststadt und ihrer Erweiterung gefunden wurden, wobei der größte Teil davon aus der Oststadt stammt und hierhin bis auf ein Exemplar demselben Siegelbesitzer ¡m nb=f zuzuweisen sind.

Fünf weitere Objekte aus der Oststadt tragen die Beititel1362 nfr mAa jz.t oder sAD bzw. beide zusammen1363 sowie das bislang unbekannte Epitheton nDm jb mAa xrw.1364 Eine letzte Gruppe schließlich von sechs Siegelungen, die bis auf ein Exemplar aus dem Festungsbereich sämtlich aus der Oststadt stammen, ist dadurch charakterisiert, daß sie mindestens einen Personennamen und die Graphie C0 erkennen lassen.1365

, Desweiteren findet sich der Nachweis eines rnw.t/jrj nw.t - Lokalbeamten zwei Mal in Verbindung mit einem Beamtentitel: zum einen auf einem Holzrollsiegel aus dem Südbereich des Satettempels,1357 das zusätzlich einen Hrj wDA.t mA.t(j) - “Lagerhausverwalter von der, die erblickt werden darf “ nennt, zum anderen auf einer Siegelung der Oststadt,1358 auf der der Beamtentitel jrj jxt wDA.t/wDA.(w)t - “Verwalter des Lagerhauses bzw. -der Lagerhäuser” sowie das Epitheton anx mrr nb=f belegt sind.

Hinsichtlich der paläographischen Charakteristika beider Bezeichnungen und deren zeitlichen Einordnung sind v. a. zwei von insgesamt acht Schreibungen zu erwähnen.1366 Die eine, , (in der Paläographie = C1) stellt einen “Durchläufer” dar, der sowohl in den stratigraphisch ältesten Besiedlungsschichten des Festungsareals und des Südbereich des Satettempels, als auch in den jünger zu datierenden Niveaus der 3. Dyn. der Oststadt zu finden ist. Von geradezu zentraler Bedeutung für die

Fünf Siegelungen aus der Oststadt, die sämtlich von einem ¡m nb=f stammen, weisen neben der Graphie den Beititel sAD auf.1359 Abschließend ist eine unvollständige Siegelung aus der Festung zu nennen, von der lediglich die Titelbezeich-

zeitliche Bestimmung der Titelangabe ist der Nachweis dieser Graphie in den ältesten Niveaus der Festung von Elephantine und des Südbereichs des Satettempels sowie ihre zeitliche Korrelation zu den frühesten Belegen dieser Schreibung aus der 2. Hälfte der 2. Dyn. im abydenischen Talbezirk von König Asch/Seth Peribsen.1367 Gestützt wird dieser chronologische Ansatz durch

, rnw.t/jrj nw.t sowie ein Personenname erhalnung ten sind, deren Bedeutung jedoch für die zeitliche Verortung der funktionnellen Aufgabe der Festung frühestens am Ende der 2. Dynastie grundlegend ist.1360 1354

Nordoststadt-Erweiterung: Kat. 067; zu diesem Epitheton siehe S. 164ff; zur Graphie C5 siehe S. 135. Satet-Süd: Kat. 010; zum Typus Tv. 1a siehe S. 56f.; zu weiteren Doppelsiegelungen s. a. a. O. 1356 Nordoststadt: Kat. 089; Satet-Süd: Kat. 011; Festung: Kat 122,149, 151 sowie 124; zu letzterem vgl. mit Kat. 111 und 134, die dasselbe Siegel tragen; Oststadt: Kat. 348, 351 (dieses Siegel findet sich ebenfalls auf Kat. 312), 355, 501, 502 ( dasselbe Siegel ist auch auf Kat. 506 belegt), 517, 534, 557, 640-641 und 654. 1357 Satet-Süd: Kat. 012; siehe hierzu S. 10 sowie S. 206. 1358 Oststadt: Kat. 292, s. hierzu S. 15 wie auch S. 165ff. 1359 Oststadt: Kat. 332, 336, 362-363 und 383. 1360 Festung: Kat. 112; zur Bedeutung dieser Siegelung für die Datierung der Funktionsaufgabe der Festung, s. Anm. 138 sowie S. 201 u. Tab. 88.

1361

Satet-Süd: Kat: 013; zum Titel “Lagerhausverwalter” s. ausführlich S. 98ff.; Oststadt: Kat: 370, Kat: 377 (zum Titel “Schreiber” siehe S. 89ff.; zum Tb. 1 siehe S. 41f.), Kat: 414 (zum Epitheton anx wD nTr nfr s. ausfühlich Kap., S. 168ff. ). 1362 Oststadt: Kat: 382, zu sAD siehe Kap., S. 155ff.; Kat: 516 und 521, zum Typus Tv. 2 siehe S. 57ff.; zu nfr mAa jz.t sei auf S. 150ff. verwiesen. 1363 Oststadt: Kat: 576; zur Besonderheit dieses Tonzylinders siehe S. Anm. 87. 1364 Oststadt: Kat: 625 1365 Festung: Kat: 237; Oststadt: Kat: 323, 343, 372, 468 und 532. 1366 Siehe hierzu Tafel XVIII - C. 1367 A. a. O.

1355

133

JEAN-PIERRE PÄTZNICK

Die “Lokalbeamten” rnw/jrj nw - TITEL rnw/jrj nw +Beamtentitel rnw/jrj nw +BEI / Epitheton rnw/jrj nw + PN+? /+? rnw.tj/jrj nw.tj - TITEL rnw.tj +Beamtentitel jrj nw.tj rnw.tj +BEI / Epitheton jrj nw.tj rnw.tj + PN+? / +? jrj nw.tj rnw.t/jrj nw.t +Beamtentitel rnw.t/jrj nw.t +BEI / Epitheton rnw.t/jrj nw.t + PN+? / +? rn(w,-.tj,-.t) + Beamtentitel rn(w,-.tj,-.t) + BEI / Epitheton rn(w,-.tj,-.t) + PN +? / +? Gesamt

FESTUNG 1

Gv. Vb

1

Tb. 1

1

SATET-SÜD

NO-STADT

OSTSTADT

1 7 Tv. 1/Tv. 2 RS, Gv. Vb

3

4 Gv. III/IV Tb. 2b

1

1 Tv. 1a Doppelsieg.

1

Tb. 0

1

Gv. Vb

1

Tb. 0

1

RS

13

11

8 Gv. Ic Tb. 0, 1, 2a/b 1 Gv. Vb

9

6

RS, Uv.1 Gv.Ib/Vb Tb. 0 12 RS, Uv.1 Gv. Ia/Ic/Va Tb.0, 1, 2b

10

11 Gv. Vb Tb. 0, 1, 2b Tv. 1a 1 Gv. I a

17 2

5

5

Gv.I a-b Gv. IVb/Vb

Gv. I c

5

1

14

1 1

1

Gv. IV/Vb Tb. 2 a 5 Gv. Ia/Ic Tb. 1, Tv. 2

Gv. Vb

4 Tb. 2a/b

Gesamt

Gv. II a

3

Tb. 0 11

Tb. 1/2b

4

5 RS? Tv. 2, Tb. 2b

5

5

6

2

Tabelle 49: Stadttopograph. Verteilung der Siegelaktivität der Siegelungen aus der Brandschicht (Schicht V) des “Labyrinth-Gebäudes” in Buto (Tell el-Faraain), die

Gv. 0, III Tb. 0, 2b

65

,

,

91

.

Grabanlage des Horus Ninetjer in Sakkara (Mitte der 2. Dyn.) belegt sind.1368 Eine ähnlich gebildete Bezeichnung taucht erstmals in der Zeit von König Ninetjer auf und ist als fester Bestandteil seiner auf dem Palermostein angebrachten Königstitulatur zu erkennen. Dieser Befund macht den Nachweis dieser Bezeichnung auf nichtköniglichen Siegelungen recht unwahrscheinlich und

ebenfalls die Graphie C1 tragen, die von Ch. Köhler keramologisch “noch vor Ende der 2. Dyn.” umdatiert wurde. Die Übereinstimmung zwischen Keramik und Glyptik läßt sich in diesem Befund bestens mit einem Datierungsansatz in die 2. Hälfte der 2. Dyn. in Einklang bringen. Diese chronologische Relation zwischen der

1368

Graphie C1

Allerdings muß an dieser Stelle eingeräumt werden, daß die königlichen Grabanlagen der 1. Hälfte der 2. Dyn., z. B. von Hetepsechemui und Raneb bis auf wenig Steingeschirr und Verschlüsse vollkommen geleert bzw. nicht vollständig untersucht wurden, so daß hier in der bisherigen Beleglage ein Hiatus zwischen dem Ende der 1.

und der späten 2. Dyn. wird noch erhärtet

durch die Tatsache, daß sowohl als auch weder in den königlichen Grabkomplexen des Horus Den und Qaa (Mitte bis Ende der 1. Dyn.) in Abydos noch in der

Dyn. und Mitte der 2. Dyn. besteht, in dem auch die Schreibung vorkommen könnte.

134

DIE SIEGELABROLLUNGEN UND ROLLSIEGEL DER STADT ELEPHANTINE

jrj nw jrj nw.tj

C0

C1

C2

C3

C4

Festung SatetSüd NOStadt Oststadt Gesamt

1 1

3 5

8 2

1 1

1

1 13 16

31 42

C6

C7

1 6 8

1 2

2 3

2

Ges.

14 11

2

1 13 21

C5

1

4

2 3

68 97

Tabelle 50: Gesamtverteilung der Graphien C0-C7 auf die Stadtgebiete daß die Graphie auf den Siegelbildern der Oststadt zudem mit einer epithetischen Angabe wie anx mrr nb=f oder dem Beititel sAD versehen ist, das Holzrollsiegel von Satet-Süd hingegen einen Beamtentitel trägt.

bekräftigt umso mehr den Datierungsansatz von C1 nach Horus Ninetjer, wofür auch der Negativbefund aus seiner königlichen Grabanlage sprechen könnte. (C2) in Demgegenüber ist die graphische Variante fast allen Stadtbereichen nachzuweisen, wobei der Hauptanteil aus der Oststadt stammt. Lediglich vereinzelt tauchen sie in den jüngeren Niveaus (Ende der 2. Dyn.) der Festung, des Südbereichs des Satettempels und der Nordoststadt auf. Von besonderer Relevanz ist der Befund in Satet-Süd, wo der stratigraphisch älteste

Mit der weitaus selteneren Graphie C5 , rnw.t/jrj nw.t, die vereinzelt in der Nordoststadt und Oststadt begegnet, könnte durchaus eine graphische Variante von C3 vorliegen.1371 Bei C4, C6 und C7, die zwar als Graphien aufgeführt sind, handelt es sich vorwiegend - so v. a. C4 und C7 - um Titelbezeichnungen.1372

Nachweis der Titelangabe aus einem am Ende der 2. Dyn. zu datierenden Fundkontext stammt, während zwei weitere Belege dieser Graphie in einer in die 3. Dyn. zu datierenden Raumverfüllung gefunden wurden, so daß sich eine zeitliche Einordnung zwischen der ausgehenden 2. Dyn. und dem Beginn der 3. Dyn. ergäbe. Dies wird nicht nur durch die ältesten bekannten Belege dieser Graphie aus dem Talbezirk des Horus Chasechemui am Ende der 2. Dyn. bzw. zu Beginn der 3. Dyn.1369 sowie aus den in die 1. Hälfte der 3. Dyn. zu datierenden Grabanlagen in Bet Khallaf1370 untermauert, sondern auch durch den Nachweis dieser graphischen Variante in den jüngeren, in die 3. Dyn. zu datierenden Niveaus des Festungsareals, von Satet-Süd und v. a. der Oststadt.

4.6.2.3 Zusammenfassung

Ebenfalls in diesen Zeitraum, den Übergang von der 2. zur 3. Dyn. datiert eine weitere graphische Variante,

Inwiefern es sich bei diesem Personenkreis um eine bewußt eingesetzte örtliche Machtinstanz handelt, die zur Durchführung einer gezielten territorialen Politik, d. h. bei der Gründung und Verwaltung von Stadtzentren sowie der Etablierung eines Lokalkultes samt zugehörigem Fachpersonal spätestens in der 2. Hälfte der 2. Dyn. eingesetzt worden war, kann an dieser Stelle nur vermutet werden.

Die bisher als geläufige Personennamen der Frühzeit identifizierten Bezeichnungen und sowie ihre graphische Varainten erweisen sich bei genauer Betrachtung als eine Gruppe von Titelträgern der Lokalverwaltung, die vielleicht als jrj nw/-nw.t - bzw. jrj nw.tj zu lesen sind und die spätestens von der 2. Hälfte der 2. Dyn. bis zum Ende der 3. Dyn. in sämtlichen bekannten Städten (Buto, Ombos, Abydos, El Kab, Hierakonpolis und Elephantine) sowie zeitgenössischen königlichen oder privaten Grabanlagen Altägyptens (Bet Khallaf, Sakkara, Abydos) nachzuweisen sind.

, rnw.t (C3), die ebenfalls aus dem Talbezirk von König Chasechemui stammt und in unserem Material auf einem Holzrollsiegel aus dem Südbereich des Satettempels sowie an fünf Gefäßverschlüssen der Oststadt nachzuweisen ist, wobei als Siegelbesitzer allein vier ¡m nb=f und lediglich einer Nfr nennen. Auffällig ist dabei,

Beide Bezeichnungen begegnen nicht nur auf Beamtensiegeln, sondern auch auf Zivilsiegelungen, wo sie neben genannten Personennamen erwähnt sind. Aufgrund dieses

1369

S. dazu P. E. Newberry, Impressions of seals from Abydos, in: LAAA II, 1909, Tf. XXV, Abb.17 u. 18. Hierzu sei auf den Fund der Siegelung eines Schreibers in der in die Zeit von Horus Netjerichet zu datierenden Grabanlage K1 verwiesen,

1370

Sachverhaltes ist zu vermuten, daß die mit und u. ä. Graphien Bezeichneten in der damaligen Gesellschaft

auch die epithetische Bezeichauf der sich neben der Titelangabe nung anx wD nTr nfr findet, s. J. Garstang, Bet Khallaf, Tf. VIII, Abb. 3 a.

1371 1372

135

Nordoststadt-Erw.: Kat. 067; Oststadt: Kat. 393 und 529. Siehe hierzu v. a. Tabelle 48.

JEAN-PIERRE PÄTZNICK

FESTUNG: Zeitstufen

Stratum Bauschicht

Epigraph. Merkmale

C2/D1: Ende 2. Dyn. - Anf. 3. Dyn.

Früheste Belege Horus Chasechemui, Ende der 2. Dyn.

C2 C3

C:

2. H. 2. Dyn.

B:

2. H. 2. Dyn.

A: Mitte-2. H. 2. Dyn.

Str. 4 Schicht III -2 Str. 6 Schicht III -1 Str. 8 Schicht I 1-2

C1 C1 Asch Peribsen Horus Sechem-ib Mitte-2. H. 2. Dyn.

C1

Tabelle 51: Stratigraphische Einbindung der Graphien mung der Festung ab Bauschicht I 1. 2

,

u.

und chronostratigraphische Bestim-

sAD , hb - oder des selteneren Epithetons anx mrr nsw.t/nb=f. Fünfgliedrige Siegelsequenzen sind demgegenüber lediglich in der Oststadt belegt und weisen neben der Wiederholung des Privatnamens oft die zwei Beititel nfr mAa jz.t und sAD auf.

eine Art “soziale Gruppe” bzw. “Stand” verkörpert haben könnten. Ihr Nachweis insbesondere auf Beamtensiegelungen, z. B. von Schreibern oder Lagerhausverwaltern, macht deutlich, daß diese Funktionsträger in allen damals relevanten Ressorts der Stadtverwaltung tätig waren. Der Umfang ihrer Tätigkeiten läßt sich anhand der Fülle hinterlassener Versiegelungen von Magazintüren, Vorratsgefäßen, Säcken und Urkundenverschlüssen ermessen. Demnach unterstanden ihnen die Verwaltung des Lagerwesens, die Kontrolle der Produktions- und Verarbeitungsstätten sowie die Verteilung der unterschiedlichsten Güter innerhalb der damaligen Stadtverwaltung. Die Funktionäre dürften außerdem Teile der lokale Bevölkerung beaufsichtigt haben, wie der Titel rnw/jrj nw mr.t - “Lokalbeamter der Meret-Leuten” erkennen läßt. Der Nachweis des Titels xrp mjtr - “Leiter der mjtr”

Betrachtet man die Siegelungen dieser Titelträger unter paläographischem Gesichtspunkt, so sind von den insgesamt sieben unterschiedlichen Graphien zunächst fünf von besonderer Bedeutung - C1-C3 und C5 bzw. C6 -, da sie, insbesondere erstere drei, zur Bestimmung chronostratigraphischer Kriterien v. a. C1-C3 maßgeblich sind. In diesem Zusammenhang kommt dem Fund der Graphie C1 in älteren Besiedlungsschichten des Festungsareals und des Südbereichs des Satettempels entscheidende Bedeutung zu, da somit eine Datierung der Schichten in der 2. Hälfte der 2. Dyn. möglich ist.1373 Demgegenüber stellen C2 und C3 jüngere graphische Varianten dar, die in der Zeit des Übergangs vom Ende der 2. Dyn. zum Beginn des frühen Alten Reiches (3. Dyn.) auftauchen und bis zum Ende der 3. Dyn. belegt sind.

- Angehörigen auf einer Siegelung eines -Beamten zeigt zudem, daß diese vereinzelt sogar jener anderen bedeutenden Gruppe von Titelträgern dieser frühen Zeit übergeornet sein konnten. Spezifische Aufgabenbereiche sind ferner jenen Siegelinhabern zuzuweisen, die die Bezeichnung rnw/jrj nw nTr/nTr.t - “Lokalbeamter der Göttin” tragen und die in der Festung und Oststadt, d. h. in deren jeweiligen Verwaltungszentrum belegt sind.

Tabelle 43 verdeutlicht das zeitliche Spektrum der bisherigen graphischen Varianten der in der Festung gefundenen Siegelungen von

Betrachtet man die Gliederung der Siegelbilder, so lassen sich unterschiedliche Muster erkennen, die hauptsächlich aus drei- bis sechsgliedrigen Sequenzen bestehen, worunter die drei- wie auch die sechsgliedrigen wohl die ältesten darstellen, da sie bereits auf Siegelungen belegt sind, die aus den ältesten Besiedlungsschichten der Festung und des Südbereichs des Satettempels geborgen wurden. Viergliedrige Siegelbilder deuten einen neuartigen Typus an, der in sämtlichen bisher untersuchten Stadtbereichen, v. a. aber in jüngeren Niveaus der Oststadt begegnet. Kennzeichnend hierfür ist die Wiederholung des Personennamens zu jedem weiteren Glied sowie die zusätzliche Angabe eines Beititels - nfr mAa jz.t,

und

.

Bemerkenswert ist, daß neun der insgesamt 13 Siegelunaufweisen, die zudem alle in gen die Graphie C2 keramologisch datierten Fundkontexten der 3. Dyn. bzw. der ausgehenden 2. Dyn. begegnen, von denen nicht eine aus den ältesten Schichten des Festungsareals stammt. Ihre Übereinstimmung findet diese Tatsache in den im Talbezirk von König Chasechemui (Ende der 2. / Anfang der 3. Dyn.) belegten Parallellen, so daß für diese Graphie eine sichere zeitliche Einordnung am Übergang zur 3. Dyn. sowie für die 3. Dyn. möglich ist. 1373

136

S. hierzu Tabelle 88, S. 202 sowie Tabelle 89, S. 205.

DIE SIEGELABROLLUNGEN UND ROLLSIEGEL DER STADT ELEPHANTINE

Im Unterschied dazu finden sich die Graphie C1 sowie ihre Komposita in den ältesten Besiedlungsschichten des Südbereichs des Satettempels wie auch des Festungsareals, wo die frühesten Nachweise aus der Bauschicht I 1.2 stammen, die damit auch die ägyptische Inbetriebnahme der Festung chronostratigraphisch frühestens ab der 2. Hälfte der 2. Dyn., d. h. in die Regierungszeit des Asch/Seth Peribsen erlauben.1374 4.6.3 Der

B.

sowie ausführlichere graphische Varianten wie z.

daß eine derartige Lesung keinesfalls B. aufrechtzuerhalten ist1381 bzw. nach einer eingehenden Überprüfung der Einzelvarianten dieser Bezeichnung verlangt. Von entscheidender Bedeutung für einen neuen- und m. E. adäquateren - Lesungsvorschlag ist zunächst die Bestimmung des Lautwertes für sowie die Beantwortung der Frage, wie sich dieser mit dem übrigen

Titel und Status

lautlich ergänzen bzw. Teil des Titels vervollständigen läßt. Lediglich drei Möglichkeiten kommen hierfür in Betracht : -mj,-mr und zmn.

4.6.3.1 Lesung und Interpretation Die bisher als mjtr - o. ä. - gelesene Titelbezeichnung taucht spätestens am Ende der 2. Dyn. auf und läßt sich über eine Fülle verschiedener graphischer Varianten (25!) bis zum Ende des Alten Reiches nachweisen.1375 Der

ist zwar selten belegt, taucht Ein Lautwert zmn für jedoch bereits im Alten Reich1382 auf und findet sich vereinzelt im Mittleren Reich, und zwar vorwiegend in der Schreibung der Ortschaft Semenu in Oberägypten.1383 Auch wenn eine derartige Lesung den Vorteil böte, einige Schreibungen und Graphien des Titels mit einem n - erklären zu können,1384 ist sie dennoch abzulehnen, wofür insbesondere diejenigen Graphien1385 ausschlag-

früheste bekannte Beleg - in der Schreibung stammt aus dem abydenischen Grabkomplex von Horus Chasechemui (Ende der 2. Dyn.).1376 Neben dieser Kurzform sind auch ausführlichere und geläufigere

gebend sind, denen ein j - - vorangestellt ist und deren Wiedergabe gänzlich ohne Sinn wäre. Scheint damit

Graphien , oder bekannt, wie sie v. a. in der nachfolgenden Zeit der 3. Dyn. belegt sind. Die in der Forschung bislang übereinstimmend akzeptierte Lesung mjtr bzw. ihr Femininum mjtr.t läßt sich morpholo-

allein die Lesung mr bzw. mj für das Zeichen eher in Frage zu kommen, so entspricht dem Hieroglyphenzeichen bereits im Alten Reich ein bestimmter Lautwert,1386 der den Nachweis von - r - in den meisten

zurückgisch auf die häufig belegte Schreibung führen, die von F. Ll. Griffith als mater1377 bzw. von W. Helck und P. Kaplony als mtr bzw. mjtr1378 gelesen wurde - eine Lesart, die seither in dieser Form Eingang in die Fachliteratur gefunden hat und bis heute Standardlesung1379 ist - obwohl schon früh der Versuch unternommen wurde, die Hieroglyphengruppe anders zu lesen.1380

Schreibungen des Titels z. B. bei erklärt.

und

Nicht geringe Bedeutung kommt darüberhinaus einigen Kurzformen des Titels wie etwa zu. Problematisch

Trotz weitverbreiteter Akzeptanz der Wiedergabe von 1381

G. Roquet, in: BIFAO 77,1977, S.125, Anm. 10, der die bisherige Lesung mjtrt/mitrt ablehnt und stattdessen m*lt vorschlägt. WB III, S. 453, - 4 und zur Auswahl PT 533, 849,1416 b, 1418 b und 1420 b. 1383 L. Habachi, in: MDAIK 31, 1975, 33 f. und Abb. 4, O. Perdu, in: RdE 29, 1977, S. 68 f. und 78; und R. Müller-Wollermann, in: CdE LXXI, 1996, S. 12, Abb. 2. 1384 H. Junker, Giza V, S.141 u. Abb. 36, 40.; T. G. H. James, HTBM I, London 1961, Tf. 39, Abb. 3 (Nr. 1176); A. Rowe, in: Fischer, Giza Minor Cemetery, Philadelphia 1924, S. 146, Tf. 49, Abb. 1. bei manchen Schreibungen des Titels Anzumerken ist, daß sich erklären ließe - ein Phänomen, auch graphisch als Ableitung von das mit den Graphien des Wortes D.t vergleichbar ist, s. hierzu J. J. Perepelkin, Privateigentum in der Vorstellung der Ägypter des Alten Reiches, herausgegeben und übersetzt v. R. Müler-Wollermann, Tübingen 1986, S. 132 ff.

mit mjtr zeigen andere Kurzschreibungen, wie z.

1382

1374

Siehe hierzu Tabelle 88, S. 202 und synoptische Tafel 91 auf S. 214 u. außerdem J.-P. Pätznick, in MDAIK 55, 1999, S.166 ff. sowie Tabelle I u. II. 1375 Der Titel mjtr konnte ursprünglich sowohl von männlichen als auch von weiblichen Titelträgern bis zu Beginn der 4. Dyn. getragen werden. Von da an jedoch und während des gesamten Alten Reiches weisen lediglich Frauen diese Bezeichnung auf. 1376 IÄF III , Tf. 91, Abb. 346. 1377 F. Ll. Griffith, Hierakonpolis II, S. 55. 1378 W. Helck, Beamtentitel, S. 102 und P. Kaplony, IÄF II, S. 1206. 1379 Allerdings distanzierte sich W. Helck am Ende seines Lebens von dieser Lesung und Deutung und schlug stattdessen eine Gleichsetzung von mATr.t und mjtr.t vor, was jedoch philologisch noch inhaltlich vertretbar ist, s. ders., in: FS J. Leclant, BE 106, 1994, S. 221-229, Abb. 2, bes. 228 (!). Eine weitere Alternative zur Deutung von mjtr schlägt P. Kaplony vor, indem er sie als ein “m-Partizip eines Verbes jtr - reisen” deutet, s. ders., SIFAR , Anm. 100. 1380 So schlug z. B. B. Gunn eine Lesung mjtj jrj tA vor, die er anschließend jedoch unübersetzt ließ, s. ders., in: ASAE 28, 1928, S. 164, B11 und Tf. III, Abb. 8.

1385 Vgl. hierzu die Graphie einer Titelinhaberin (Giza: Grab 2110, s. hierzu G. Reisner, History of the Necropolis of Giza, Vol. I und

eines Titelinhabers auf einem in II, Oxford 1942, Tf. 33 a bzw. Louvre befindlichen Holzrollsiegel. Letzteres läßt sich aufgrund der Unterteilung mit vertikalen Trennleisten frühestens in die späte 3. bzw. zu Beginn der 4. Dyn. datieren. Siehe auch Tafel XVII: B18. 1386 Zu diesem besonderen Merkmal, s. v. a. E. Edel, ÄG, § 762.

137

JEAN-PIERRE PÄTZNICK

bleiben jedoch unzählige Schreibvarianten, da in keiner anderen Titelbezeichnung dieser frühgeschichtlichen Zeit bzw. in der altägyptischen Titelkunde überhaupt jemals ein Titel so viele verschiedene (mindestens 25 (!)) Graphien erfahren hat - ein herausragendes Phänomen, das umso auffälliger ist, da ägyptische Titel in der Regel durch fest etablierte Schreibungen gekennzeichnet waren und daß nahezulegen scheint, daß die Ägypter mit der Transkription des Titels nicht unerhebliche Schwierigkeiten hatten. Ist damit die entscheidende Frage nach seiner Herkunft aufgeworfen, als bei einer rein ägyptischen Titelbezeichnung derartige Schreibunsicherheiten nicht auftreten, so lassen die angesprochenen Schreibunsicherheiten nur den Schluß zu, daß ein ursprünglich fremder Titel “ägyptisiert wurde. Versucht man dann, diesen Titel “ägyptologisch” zu deuten bzw. zu lesen, so

Die Funktion, die diese mjtr einst im altägyptischen Staatsapparat ausübten, wurde von W. Helck zunächst der palatialen Verwaltung zugeordnet, der in dem Titel eine Bezeichnung für eine Art von Palastarbeiter sah.1391 Eine derartige Bestimmung läßt sich jedoch mit Verweis auf den Titel xrp mjtr-“Leiter der mjtrAngehörigen” innerhalb der Titulaturen von hohen Beamten am Hofe nur bedingt begründen,1392 denn die Identifikation dieses Titels mit der eigentlichen Palastverwaltung ist damit insofern noch nicht erwiesen, als an keiner Stelle eine Komplementierung des Titels mit pr aA“Palast” oder pr nsw.t-“Königshaus” zu finden ist, wie dies eigentlich zu erwarten wäre, entsprechen sich Titel und Palastverwaltung. Da die Titel eines hohen Beamten nicht nur die aktuellen, sondern sämtliche während seiner Laufbahn ausgeübten Posten und Funktionen wiedergeben konnten, ist die Gleichsetzung eines “Leiter der mjtrAngehörigen” mit einem vermeintlichen “Leiter der Palastarbeiter”, wohl möglich, jedoch keinesfalls unbedingt zwingend. Vielmehr legt der Nachweis von weiteren Vorgesetzten der mjtr in der Wüsten- oder Fremdlandverwaltung nahe, daß sie mit der Kontrolle wichtiger Handelsrouten wie der des Horusweges und von Grenzposten betraut waren, so daß die Aktivitäten der ihnen unterstellten mjtr ebenfalls im Bereich der Verwaltung auswärtiger Gebiete zu suchen sind.1393

stellt m. E. das mit seinem entsprechenden Lautwert mr einen gewichtigen Ausgangspunkt dar, der zudem die phonologische Umschreibung m*l ohne weiteres zuläßt, womit auf die von G. Roquet vorgeschlagene Lesung m*lt statt mjtr zu verweisen ist, der auf die phonologische Umwandlung von r zu l und des tALandzeichens zu t aufmerksam macht. 1387 Daß dieses tA-Hieroglyphenzeichen sich auch graphisch in ein verwandeln kann, läßt sich als epigraphisches Phänomenon im Alten Reich u. a. an manchen Graphien des Titels belegen.1388 Zudem zeigen

Von besonderer Bedeutung ist hierbei der Nachweis eines Zivilsiegels mit der mjtr-Titelbezeichnung auf einem Verschluß, auf dem sich auch eine Amtssiegelung findet,1394 die m. E. nicht - wie von P. Kaplony angenommen - von zwei unterschiedlichen und in einem hierarchischen Verhältnis zueinander stehenden Personen herrühren, sondern bei denen es sich vielmehr um zwei Siegel ein und desselben (!) Inhabers handelt. Die Gegensiegelung der Amtssiegelung mit dem eigenen Zivilsiegel fungierte demzufolge wie eine Unterschrift, wodurch - sofern dies für notwendig erachtet wurde - ein

einige Graphien , oder oder - dieser Titelbezeichnung derartige graphischen Parallelen mit den Schreibungen der Präpositionen jmr, mr, mj, mj.t(j) oder mjt(w)-“gleich, gleichwie” bzw. des Substantivs “Gleicher”,1389 daß neben dem neuen Lesungsvorschlag des Titels als mr.t unbedingt auch die Möglichkeit in Erwägung gezogen werden muß, daß es sich bei dieser Bezeichnung um eine besondere soziale Gruppe, nämlich mr.(w)t-“Gleichgestellte” handeln könnte.1390 1387

A. a. O. A. a. O. 1389 WB II, S. 36 und 39 f. 1388

Form “wie/gleichwie...” in der gesamten Titelkunde nicht belegt und von daher abzulehnen. 1391 W. Helck, Beamtentitel, S.102. Maßgeblich für diese Deutung war die Bezeichnung des Beamten Abneb als mr aH-“Vorsteher des Palastes” und als xrp mjtr-“Leiter der mjtr-Angehörigen”, s. auch hierzu J. Kahl et allii, Inschriften der 3. Dyn., S. 218 f. Dieser Ansicht teilt u. a. Daoud, op. cit., insbes. S. 88, wo es heißt: “This might suggest that the mjtrw are probably a class of workmen, or perhaps a palace type of servants.” und auch M. Baud, BE 126 (1-2), Le Caire 1999, S. 279, wo er die Funktion dieser Titelträger als “liés à l´organisme du travail au sein de la Résidence et du palais royal” auffaßt. 1392 Eine Zusammenstellung dieser “Leiter” der mjtr findet sich in IÄF I, S. 422 und bei Kh. Daoud, op. cit. S. 83 ff. 1393 S. Hassan, Giza VII, S. 50, Abb. 40 und 52, Abb. 42, Tf. XXVIIIB. Im Titel des Vorgesetzten könnte hierfür das Determinativzeichen durch ersetzt worden sein. Zur Deutung des Titels für die funktionnelle Bestimmung dieser Titelträger, siehe hierzu ausführich, S. 139ff. Bereits P. Kaplony (IÄF I, S. 166) brachte die Bezeichnung mjtr mit der Wüstenverwaltung in Verbindung: “Das Nebeneinander des mjtr-Kollektivsiegels mit dem Siegel des ‘Vorstehers der Fremdländer’ ... setzt einen Auftrag voraus, den die mjtr- Mannschaft außerhalb des Niltals ausführen muß”. 1394 Siehe die Darstellung in IÄF III, Tf. 72 unten links mit dem Amtssiegel (Abb. 269) und mit dem Zivilsiegel (Tf. 91, Abb. 346).

1390

Eine weitere Herleitung des Titels wäre von der Gruppe mjt die Präposition “gleichwie, wie” möglich, (s. hierzu ), was zunächst auf eine Komposition des Titels mit einer Präposition mj, gefolgt von einer nicht näher zu bestimmenden substantivierten Bezeichnung schließen lassen könnte, s. hierzu E. Edel, op. cit., § 390 und § 345. Im Unter-

, als jrj tA, was schied dazu liest B. Gunn hingegen die Gruppe von Anderen aufgegriffen und mit “der/die zum Land Gehörige” übersetzt und als Bezeichnung eines gebürtigen Ägypters interpretiert wurde, so z. B. H. Kees, der den Titel jrj tA als “der zum Land Gehörige” bzw. als “Vertreter des Volkes” verstand, s. ders., Das ReHeiligtum des Königs Ne-Woser-Re, Bd. III, Leipzig 1928, S. 19. oder als Auch die sehr hypothetische Auslegung des Titels “der/die an dem Land gebundene, würde auch den Kontext des Landbesitzes bestens unterstreichen; zu “binden, anschliessen u. ä., s. WB II, und in ließe S. 105, Anm. 19. Eine Zerlegung des Titels in zwar die Lesung des Titels als mr(w)t/mj.t(j) jrj tA sowie seine Übersetzung “der/die wie/gleichwie ein Landbesitzer ist” zu, was zudem die Verbindung dieser Titelträger mit dem Landbesitz bzw. mit der Landverwaltung unterstriechen würde, doch ist ein derartiger Titel in der

138

DIE SIEGELABROLLUNGEN UND ROLLSIEGEL DER STADT ELEPHANTINE

überdies als stp mTn(.w) wn.(w)t xAs.t nb.(w)t , d. h. als einer “der die Beduinenführer (Scheikhs) vom wn.(w)tFremdland (Süd-Palästina) und aller Fremdländer auserwählt” bezeichnet wird und dem damit als Angehörigem der Administration der Fremdländer die Ernennung dieser Scheikhs und damit die politische und ökonomische Kontrolle über die in den Fremdgebieten lebende Bevölkerung oblag. Bemerkenswert in diesem Zusammenhang ist der Fund des Rollsiegels eines mjtrAngehörigen in Palästina, das aufgrund seiner vertikalen Trennleisten frühestens an das Ende der 3. Dyn. bzw. in die 4. Dyn. zu datieren ist.1399 Dies gilt ebenfalls für eine Titelträgerin, deren Name JzrAn auf nicht-ägyptischer Herkunft verweist und die demnach Ausländerin gewesen sein dürfte, die aber dennoch den ägyptischen (?) Titel eines Angehörigen der mjtr bzw. n(j) mr.(w)t trug.1400

bis dahin - noch - anonymer Amtssiegelträger anhand der Abrollung seines Zivilsiegels eindeutig, d. h. namentlich, identifiziert werden konnte.1395 Eine solche Vereinigung zweier Siegelungen auf eine Person erfüllte damit nicht nur eine gewisse verwaltungstechnische Kontrollaufgabe, sondern hat darüberhinaus weitreichende Konsequenz für die Deutung des bisher als Rang- oder gar als “Palastarbeitertitel” - angesehenen mjtr- Angehörigen, wodurch der anonyme Amtstitelträger wr1396/mr xAs.t“Großer/Vorsteher des Fremdlandes bzw. Fremdgebietes”1397 bzw. wr/mr ¤x.t-“Großer/Vorsteher des ¤x.tFremdland bzw.-gebietes, d. h. der Verwalter eines auswärtigen Gebietes als einen mjtr-Angehörigen ausweisen würde. Gestützt wird eine derartige Verbindung eines mjtr mit der Verwaltung von Fremdländern durch die Steleninschrift eines dieser Titelträger,1398 der

Faßt man die bisherigen Beobachtungen zusammen, ist

1395

In der Weise wie ein Beamter einer x-beliebigen Administration nach der offiziellen Einstempelung dies noch mit seiner eigenen Unterschrift beurkunden muß. Dabei stünde an der Stelle des offiziellen Stempels die anonyme Amtssiegelabrollung und an der der Unterschrift die darunter angebrachte Siegelung des genannten mjtr-Angehörigen. 1396 Der von A. H. Gardiner in Abydos III, S. 40 vorgeschlagenen und von Kaplony in IÄF I, S. 163 und 166 übernommenen Lesung xAs.t sowie dem frühesten bekannten Beleg eines mr xAs.t-“Vorsteher des Fremdlandes” fehlt m. M. n. die Überzeugungskraft. Das gespaltene Schwanzende des Vogels deutet eher auf einen wr-Vogel als eine Eule hin. Auch das nachfolgende r würde als Finalphonogramm eine Lesung wr problemlos unterstützen. Die früheste mir bekannte Schreibung eines mr-“Vorsteher” stammt von der Amtssiegelabrollung des mr Abw“Vorsteher von Elephantine” aus der Regierungszeit des Horus Sechemchet und ist in die 3. Dyn. zu datieren, s. J.-P. Pätznick, in: MDAIK 51, 1995, S.181 f., Abb. 29 a.

der Titel nicht wie bisher als mjtr, sondern aller Wahrscheinlichkeit nach als mr.t zu lesen und könnte somit für diese frühe Zeit, d. h. spätestens in der 2. Hälfte der 2. Dynastie, auf die Existenz einer angesehenen Schicht der Bevölkerung hinweisen,1401 die vermutlich nicht ägyptischer Herkunft,1402 aber dennoch in die altägyptische Gesellschaft integriert war und als “Land/Grundbesitzer/Pächter” einen besonderen Status innerhalb der Gesellschaft und bei der Verwaltung auswärtiger Gebiete1403 bzw. an der Grenze Ägyptens inne gehabt of every foreign land.” und auch J. Kahl et allii, Inschriften der 3. Dyn. , S. 220 f. 1399 H. H. von der Osten, Ancient Oriental Seals in the Collection of Mr. E. T. Newell, OIP 22, Chicago 1934, S. 80 und Tf. 36, Abb. 642, bezeichnete sie als “unintelligible inscription” und datierte sie in den Zeitraum der 13.-16. Dyn.(!). Demgegenüber wies es P. Kaplony zurecht in die spätarchaische Zeit (3.- 4. Dyn. ) zurück, s. IÄF II, S. 1147 und in IÄF III, Tf. 98, Abb. 403. 1400 N. Thomas u. a., op. cit., S.130, Abb. 42. 1401 Dies möchte man in der Tatsache erkennen, daß jeweils ein oder zwei kostbare Gefäße von einigen Mitgliedern dieser Schicht der königlichen Grabausstattung von Horus Netjerichet mitgegeben wurden und diese Gabe als jnw- “Geschenk” bezeichnet wurde, s. z. B. PD V, S. 37, Nr. 51, Tf. 23, Abb. 7; S. 48, Nr. 91, Abb. 72; S. 48, Nr. 93, Tf. 29, Abb. 1; S. 71, Nr. 181, Tf. 34, Abb. 2. Besondere Bedeutung kommt in dieser Hinsicht der Auszeichnung eines mjtr mit dem hohen Rang eines jrj x(w).t nsw.t am Hofe zu, wie dies aus dem Netjerichet/DjoserBezirk in Sakkara belegt ist, s. C. Firth and J. E. Quibell, The Step Pyramid II, Cairo 1935, Tf. 90, Abb. 6; auf Tf. 91, Abb. 5 muß die Bestimmung des zu erkennenden mj-Zeichens als Bestandteil des vorangehenden zS -“Schreiber” als Titel oder als Personenname völlig offen bleiben. 1402 In diesem Kontext erfahren das Toponym jw mjtrw sowie die Belege von stationierten Nubiern aus der 1. Zwischenzeit bzw. die Angaben von Getreidenabgaben von Fremden aus dem Neuen Reich eine besondere Konotation, indem sie das Verständnis des Toponyms als “Insel oder Land der m*lt.w -“Ägyptisierte Fremde” “durchaus rechtfertigen würden, s. H. G. Fischer, in: KUSH 9, 1961, S. 44 ff. Zur weiteren Literatur vgl. F. Gomaà, Die Besiedlung Ägyptens während des Mittleren Reiches I, TAVO 66/I, Wiesbaden 1986, S. 122 ff. Zur Ägyptisierung von Nubiern im Dienste Ägyptens, s. L. Bell, Interpreters and Egyptianized Nubians in Ancient Egyptian Foreign Policy: Aspects of the History of Egypt and Nubia, Univ. of Pennsylvania, Ph. D., Ann Arbor, Michigan 1976, passim. 1403 Hypothetisch, dennoch m. E. durchaus überlegenswert, erscheint aus dem selben Djoser-Bezirk von Sakkara der mögiche Zusammenhang zwischen dem Nachweis von jnw xAs.t- “Tribute/Geschenke vom

kann aufgrund der AnordDie anschließende Hieroglyphengruppe nung der einzelnen Zeichen nur schwerlich xAs.t gelesen werden. Um xAs.t zu lesen, hätte es eigentlich genügt das “Fremdlandzeichen” allein zu belassen, wie es in der Titelkunde der Frühzeit üblich ist, so daß die Ergänzung des Logogramms von Hieroglyphen auf die Bezeichnung eines bestimmten Toponyms hinweisen bzw. wiedergeben dürfte. Sie vorliegende Orthographie ist allenfalls als sx.t durch die antithetische Anbringung zum Horusnamen zu verstehen und als solche m. A. n. als Sechet-“Fremdland” zunächst vielleicht zu erkennen, das bereits auf einem Elfenbeintäfelchen aus der Zeit des Horus Qaa am Ende der 1. Dyn. (G. Dreyer, in: EA 3, 1993, S. 10) sowie in einer Liste von Toponymen im Totentempel von König Djedkare (A. Grimm, in: SAK 12, 1985, Tf. 1 und in: GM 106, 1988, S. 23 ff. mit der Lesung xAs.t) begegnet. Legt man einige Oasen-Toponyme zugrunde, erscheint es durchaus plausibel, darin auch die Bezeichnung eines Oasengebiets zu vermuten, s. diesbezüglich H. Gauthier, Dictionnaire des noms géographiques contenus dans les textes hiéroglyphiques, Tome V, 1928, S. 48. Erkennt man im Wort sx.t eine Kurzform von wsx.t, wäre sogar die Bezeichnung “die Breite” als Toponym für die Oase Charga erwägenswert, s. ders., op. cit., Tome 1, S. 206, wo gerade ein Teil dieser Oase damit bezeichnet wird. Andererseits könnte es sich dabei ebenfalls um den Bereich handeln, der spätestens unter Ramses III unter königlichem Schutz stand, (K. Sethe, Dodekaschoinos, das Zwölfmeilenlandgebiet an der Grenze von Ägypten und Nubien, UGAÄ 2, 1896, S. 82 ff. u. F. Ll. Griffith, in: JEA 13, 1927, S. 207 f.) und in der ptolemäischen und römischen Zeit mit der Dodekaschoinos oder auch Zwölfmeilenland genannten Pufferzone zwischen Nubien und Ägypten identifiziert wurde. 1397 Ein weiterer Nachweis eines “Großen des Fremdlandes” ist im Sinai zu finden, wo der Titel des Setka als wr n xAs.t / wr rA n xAs.t wiedergegeben ist, s. E. Edel, Beiträge zu den ägyptischen Sinaiinschriften, Göttingen 1983, S. 170 f. und Abb. 4. Hier wird üblicherweise das schlichtweg als xAs.t - “Fremdland” gelesen und Logogramm gedeutet. 1398 H. G. Fischer, in: JNES 18, 1959, S. 262 f., Abb. 24 und Tf. XI. Dort liest er die Inschrift als “recruiter of the desert guides of Wnt and

139

JEAN-PIERRE PÄTZNICK

die mjtr - Titelträger jedoch durchaus ihrer Standeszugehörigkeit1412 bewußt und dementsprechend stolz auf sie waren, zeigen insbesondere die weiblichen Angehörigen während des gesamten Alten Reiches.1413 Auch die Tatsache, daß der in El Berscheh bestattete mächtige Gaufürst Djehutihotep der XII. Dyn. innerhalb seiner

haben könnte. Daß diese ägyptisierte “Nobilität” unter Staatskontrolle stand, wird duch den Titel xrp mjtr“Leiter der mjtr” belegt, der spätestens seit Beginn der 3. Dyn. nachgewiesen ist.1404 Zu Beginn der 4. Dyn. wurde die bisherige Organisation der mjtr gestrafft und unterstand einem Vorgesetzten der Vorgesetzten (!), d. h. einem Prinzen des Königshauses zA nsw.t n (h)t=f mit dem Titel eines xrp xnt.(w)t n.t mjtr-“Leiter der Vorgesetzten der mjtr”.1405

umfangreichen Titulatur diesen Titel trägt, zeugt zur Genüge m. E. von dem hohen Wert, den er dem Stand eines mjtr beigemessen hatte.1414

Gleichzeitig sind die Mitglieder dieser Sozialschicht in einem weiteren Aufgabenbereich, und zwar im Umfeld der lokalen ägyptischen Tempelverwaltung anzutreffen, wofür insbesondere Abrollungsfunde in und um Tempelbereiche in Abydos,1406 Hierakonpolis,1407 Ombos,1408 und El Kab1409deutliche Indizien liefern. Allerdings erlauben diese weder exakte Aussagen über spezifische, dort ausgeübte Tätigkeiten noch darüber, welcher Art ihre Verbindung zur jeweiligen Tempeladministration war.1410 Auch der Nachweis des Hathor-, bzw. des selteneren Neith-Priesterinnentitels bei einigen mjtr.t - Titelträgerinnen verdeutlicht zwar ihre Einbindung bei der Durchführung des Kultes an zwei Residenzgöttinnen, läßt aber darüberhinaus keinerlei konkrete Rückschlüsse auf die funktionale Bestimmung des Titels zu.1411 Daß sich

person who served in a mrt.t capacity for the cult of the particular divinity”; vgl. auch mit IÄF I, S. 517. Es sei an dieser Stelle auf die Ähnlichkeit des blumigen Kopfschmucks einer mjtr.t (Giza V, S. 161) und jenen von Meret-Sängerinnen wie auch auf den Nachweis von mjtr.t-Titelträgerinnen als Gemahlinnen der “Aufseher der MeretSängerinnen” aufmerksam gemacht, s. A. Moussa and H. Altenmüller, The Tomb of Nefer and Ka-hay, AV 5, Mainz 1971, Tf. 33 und 39; beides könnte eine mögliche, religiöse Erklärung für die Beibehaltung des Titels bei Frauen während des gesamten Alten Reichs bieten, womit ein Zusammenhang zwischen den mjtr.t-Titeträgerinnen und den sog. mr.t - Hathor-Heiligtümern zumindest vorstellbar erscheint und darum nicht unerwähnt an dieser Stelle bleiben sollte. 1412 Das Wort “Stand” wird hier als Äquivalent von “Berufsgruppe” (Kaufmannsstand)” verstanden, s. Wahrig, Deutsches Wörterbuch, München 1986, S. 87. 1413 H. Junker, Giza IX, S. 243, Abb. 111; dabei erfuhr die Deutung der mjtr.t-Titelträgerinnen einen forschungsgeschichtlich interessanten Zirkelkreis: wurden diese zuerst von “Palastarbeiterinnen” zu “women of rank” erhoben (s. H. G. Fischer, Administrative Titles of Women in the Old and Middle Kingdom, in: Varia Egyptian Studies I, MMA, New York 1976, S. 69 und Anm. 1), so setzten sie anschließend Moussa und Altenmüller, mit der Bezeichnung “Lady” gleich, s. dies., a. a. O., S.16 sowie Tf. 33 u. 39. Auch P. Kaplony versah den Titel u. a. mit der Konotation “Herr” bzw. “Dame”, s. ders., op. cit., S. 421. Nach diesem Höhenflug wurden die mjtr.t-Titelträgerinnen schließlich zu nicht näher zu bestimmenden “Konkubinen ?” abgewertet, s. A. Moursi, Die Statuengruppe des Jpsx und der ¡nwt.sn, in: Gedenkschrift für W. Barta, D. Kessler/R. Schulz (Hrsg.), MÄU 4, Frankfurt 1995, S. 289 f., wohingegen Kh. Daoud, wenn auch mit spürbarem Vorbehalt, zur Vorstellung von palatialen Arbeitskräften zurückkehrte, s. ders., in: SAK 23, 1996, S. 83-102, insbes. S. 95: “Although the nature of the Mjteret post is obscure, it seems most likely that it identifies a class of workwomen who possibly as suggested by Helck were associated with working in the royal court.”; ähnlich versteht dies auch C. Keller, der den Titel mjtr.t als “lower-echelon employee attached to the palace (such as a weaver) deutet, s. ders., in: N. Thomas, G. D. Scott III und B. G. Trigger, The American Discovery of Ancient Egypt, Los Angelos1995, S. 130, Abb. 42. 1414 P. E. Newberry, El Bersheh Part I., ASE 3, London 1892, Grab Nr. 2, Tf. VII, Tf. XII und XVIII. Bei einer Deutung des Titels als Palastarbeiter ist kaum anzunehmen, daß ein Fürst einen solchen in seine Biographie aufnehmen würde; vielmehr muß von einer “würdigeren” Deutung dieses Titels ausgegangen werden. In diesem Zusammenhang ist m. E. auch die mjtr -Bezeichnung in der Titulatur des Gaufürsten von Berscheh Djehutihotep mit einer möglichen politischen Tätigkeit bzw. einem kaufmännischen Auftrag in Palästina zu erklären (s. hierzu PM VII, Oxford 1951, S. 381, W. S. Smith, in: AJA 55, 1951, S. 321 und G. I. Davies, Megiddo, Cambridge 1986, S. 41 f.). Gerade der Fund einer Statue dieses Gaufürsten in Megiddo spricht m. E. nicht nur für eine administrative Tätigkeit bzw. die gelungene Durchführung eines Auftrages (Ankauf von Viehherden in Syrien!) dieses hohen Beamten für seinen König in dieser Stadt, sondern auch für das fast königliche Privileg, eine eigene Statue im Stadtheiligtum deponieren zu dürfen, s. hierzu die Abbildung der sitzenden Statue in: G. Loud, Megiddo II Seasons of 1935-1939, Chicago 1948, Tf. 265). Anders versteht es allerdings W. Helck, der darin und auch in anderen Belegen von Privatstatuetten im Ausland Zeugnisse eines blühenden Statuenhandels mit Ägypten vermutet, s. ders., Die Beziehungen Ägyptens zu Vorderasien im 3. und 2. Jt. v. Chr., s. ÄA 52, Wiesbaden 1971, S. 70 f.

Ausland” auf Inschriften von Horus Sechem ib peri n maat (2. H. 2. Dyn.) und den frühesten mir bekannten Belegen dieses Titels

und

, siehe PD V, S. 37 Nr., Tf. 23 -7 und 34 -2. S. auch allgemein hierzu G. Husson und D. Valbelle, L´Etat et les Institutions en Egypte des premiers Pharaons aux Empereurs romains, Paris 1992, S. 62 sowie S. Hassan, Excav. at Giza 1935-1936, Vol. II,Cairo 1953 , S. 50 ff. und Abb. 40 und 42. 1404 S. R. Weill, IIe. et III. Dynasties Egyptiennes, Paris 1908, S. 219 f. ; s. hierzu Oststadt: Kat. 657, S. 70. 1405 Es handelt sich hierbei um den Prinzen Rahotep aus Meidum, der bemerkenswerterweise auch Gemahl einer mjtr.t, d. h. einer Frau dieses “Standes” war, s. W. M. Fl. Petrie, Medum, London 1892, Tf. IX und XV und Daoud, op. cit., S. 88 mit Ausnahme von Nr. 5. Letzterer läßt aufgrund des vorhandenen Platzes allenfalls die Emendierung des mjZeichens als Vollschreibung von mjtr zu und setzt gleichzeitig ein Mitglied dieser Sozialschicht mit einem militärischen Schreibertitel zS apr.w jdw nfr Sps direkt in Verbindung, s. LD II, 93, Grab 73 e. 1406 W. M. Fl. Petrie, Abydos II, Tf. XVI, Abb. 9. 1407 J. E. Quibell, Hierakonpolis II, Tf. LXX, Abb. 10, 14 und 22. 1408 W. M. Fl. Petrie u. J. E. Quibell, Naqada and Ballas, London 1896, Tf. LXXX, Abb. 29. 1409 J. E. Quibell, S. Clarke u. J. J. Tylor, El Kab, London 1898, S. 6 und 20 mit Tf. XX, Abb. 33; die auf einem gebrochenen Elfenbeinrollsiegel angebrachte Bezeichnung mjtr.t stammt aus dem Grabschacht einer Mastaba der frühen 4. Dyn. und gehörte sehr wahrscheinlich der Bestatteten. 1410 Die Funde von Siegelungen in den umliegenden Häusern des Tempelbezirkes und insbes. aus einer Steinbearbeitungswerkstatt interpretierte Quibell als Bezahlungen in Naturalien für bestellte Steingefäße oder Ware die von einer Tempel- oder Stadtbehörde gewährleistet wurde, op. cit., S. 17. Gerade im Kontext der Tempelverwaltung könnte die Deutung der mjtr als Angehörige der ansonsten in der Fachliteratur bekannten Gruppe der Meret-Leuten erwogen werden, zumal die Meret bisher aus den Texten nur als Kollektivum bekannt ist. Sie wurden bisher als “Hörige” gedeutet, dennoch siehe zuletzt J-C. Moreno Garcia, in: JEA 84, 1998, S. 71-83 mit einer etwas differenzierten Ansicht. 1411 M. Galvin, The Priestesses of Hathor in the OK and the Ist. Interm. Period, (Brandeis University Diss.),1982, S. 28 ff., die festgestellt hat: “In all 5 cases, the writing of .... preceeded the priestly title and appears to be read as one title. In either case, the implication would be one of a

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DIE SIEGELABROLLUNGEN UND ROLLSIEGEL DER STADT ELEPHANTINE

Festung Rollsiegel Gefäßverschlüsse - davon Gv. V b Tonbullen - davon Tb. 2 a - davon Tb. 2 b Türverschluß: Tv. 2 Urkundenverschl. Unklar Gesamt

NO-Stadt 19

12

Satet-Süd 7

5 40

18 19

Oststadt

1

12 7

23 1

1

27

3

2 76 41

34 8 16

1

59

2 48

2

19

Gesamt

94 37 43

1 1 1 87

2 1 1 176

Tabelle 52: Stadttopographische Verteilung der mjtr Daß sich gerade die im Rahmen der Verwaltung auswärtiger Gebiete tätigen Titelträger in der kleinen Insel- und Grenzstadt Elephantine finden - sei es als “Kolonisten” oder als “Kaufleute” -, wird darum kaum verwundern, ja war im Grunde genommen in einer Siedlung der 2. Hälfte der 2. bis zu Beginn der 4. Dyn. an der Südgrenze Ägyptens naturgemäß regelrecht zu erwarten.

ist auch die stadttopographische Verteilung in der Festung und Oststadt: aus letzterer stammen allein 23 Gefäßverschlüsse vom Typus Gv. V b (54,7%), aus ersterer 12 der insgesamt 19 (65%!), was sich nicht nur mit der zeitlichen Relation beider Stadtbereiche zueinander erklären läßt, sondern auch mit der jeweiligen funktionalen Bestimmung der zugehörigen Gebäudekomplexe.

4.6.3.2 Die mjtr im Elephantiner Material

Der gesiegelte Corpus von insgesamt 94 Tonbullen stammt, abgesehen von einem Verschluß aus SatetSüd,1415 vorwiegend aus den drei übrigen Stadtbereichen, von denen 40 Objekte auf die Festung, 34 auf die Oststadt und 19 auf die Nordoststadt entfallen. Hierunter finden sich 37 Kistenverschlüsse vom Typus Tb. 2 a und 43 Schnurverschlüsse vom Typus Tb. 2 b. Eine Betrachtung der lokalen Verteilung dieser beiden zeigt, daß in der Festung das prozentuale Verhältnis von Kisten- und Schnurverschlüssen mit 43,6% zu 48,7% relativ ausgeglichen ist, während in der Nordoststadt die Kistenverschlüsse mit 63,2% (!) deutlich überwiegen. Im Unterschied dazu sind in der Oststadt wesentlich mehr Schnurverschlüsse (47%) als Kistenverschlüsse (25%) gefunden worden.

In unserem Material begegnen die Angehörige dieser Status- bzw. Titelträger auf insgesamt 176 gesiegelten Verschlüssen sowie zwei Rollsiegeln. Obwohl in sämtlichen Stadtbereichen nachzuweisen, zeigt die stadttopographische Verteilung der Siegelträger eine auffallend starke Häufung von Siegelungen von mjtrAngehörigen in der Festung und in der Oststadt, in denen allein 59 bzw. 87 Objekte gefunden wurden (während aus der Nordoststadt 27 und dem Südbereich des Satettempels lediglich 3 Funde stammen), so daß selbige in diesem frühzeitlichen Stadtgefüge deutlich als Sammelpunkt für angelieferte und zu lagernde Produkte bzw. Waren bestimmt werden können - ein Tatbestand, der die zentrale Funktion beider Stadtbereiche in der gesamten Stadtverwaltung hervorhebt und gleichzeitig die Frage nach der Qualität der angelieferten Güter aufwirft.

Festung Betrachtet man diese Beobachtungen unter Berücksichtigung der Siegelinhaber, fällt eine ganz unterschiedliche Verteilung der Siegelungen von mjtrAngehörigen innerhalb der einzelnen Siedlungsbereiche bzw. Haushaltskomplexe auf. So sind von den insgesamt 59 Siegelungen des Festungsareals 41 (68 %) in seinem Südbereich, 17 im Mittelbereich und lediglich ein einziges Exemplar im Nordbereich geborgen worden. Von besonderem Interesse ist der Fund eines mjtrAngehörigen in einer Nebenkammer der Festungsmauer, bei dem es sich um den ältesten Nachweis dieser Gruppe

Sofern die Erschließung der erhaltenen materiellen Abdrücke es ermöglicht, kann - wie aus nachfolgender Tabelle nachsichtlich wird - von einer umfangreichen Siegelpraxis der mjtr-Angehörigen vorwiegend auf Tonbullen und Gefäßverschlüssen ausgegenagen werden, wohingegen ihr Nachweis auf Urkunden- und Türverschlüssen aüßerst selten ist. Hierbei fallen insbesondere zwei Gruppen von Versiegelungen - Gefäßverschlüsse und Tonbullen - auf, die mit 76 bzw. 94 Objekten über 97% des gesamten Siegelmaterials ausmachen. Von ersteren entfallen allein 48 auf den jünger datierten (3.-4. Dyn.) Bereich der Oststadt, während lediglich 19 dem älteren Festungsareal zuzuschreiben sind. Beachtenswert ist hier der hohe Anteil an Gefäßhalsverschlüssen vom Typus Gv. V b, die immerhin 41 Objekte (ca. 55%) umfassen. Von Bedeutung

handelt und der zudem den Titel xrp ws.t-“Leiter des Wirtschaftshofes / - der Halle” aufweist, womit der Siegelinhaber bereits als Funktionsträger des lokalen Versorgungswesens zu erkennen sein dürfte.1416 1415

Satet-Süd: Kat. 004 Festung: Kat. 260 auf einem Gv. I c; zu diesem s. S. 19 ; zu wsx.t“Wirtschaftshof” s. S. 100, Anm. 1024.

1416

141

JEAN-PIERRE PÄTZNICK

Südbereich der Festung: Lokale Verteilung STO/6/ B: Raum XI a Raum XI b Hof XXX STO/6/ D: Raum IV (neu) Raum XXII (alt) Raum XXVIII Raum XXXVII Gesamt

Gv.

Gv. V b

Tb.

Tb. 2 a

Tb. 2 b

1 0 5 1 1 2 1 11

1

2 3 3 12

2 1 3 5

1 2 6

2

1

1

24

12

10

5 0 0 1 7

Gesamt 3 3 10 13 1 4 1

16 14 5 35

Tabelle 53: Lokale Verteilung der mjtr im Südbereich der Festung Desweiteren zeigen die Funde von Siegelungen im Hof sowie in den Estrichböden, daß die mjtr-Angehörigen innerhalb des Südbereichs des Festungsareals vornehmlich in den zwei Hauskomplexen-STO/6/B (Raum XI a+XXX) und STO/6/D (Raum IV bzw. XXII)1417 - tätig waren, wofür die Funde von Siegelungen im Hof sowie in den Estrichböden dieser Räumlichkeiten sprechen. Auffällig ist dabei besonders der stratifizierte Befund der Böden B6 und B7 von Raum XI a u. Raum XXX, in denen zahlreiche Versiegelungen gefunden wurden, die die Abdrücke von mindestens acht Personen erkennen lassen. Aufgrund der Funddichte und dem stratifizierten Befund kann auf einen direkten Bezug zwischen den Siegelnden und dem Fundort geschlossen werden ein Tatbestand, der für die zeitgleiche Existenz dieser Personen bzw. die Interaktion ihrer Arbeiten in diesen Räumlichkeiten spricht. So lassen sich neben den Abdrücken eines Hrj wDA.t-“Lagerhausverwalter”, eines stp zA-“Schutzbeamter”, eines Sms-“Begleiter” sowie eines Namenssiegels zahlreiche Siegelungen von mindestens zwei Angehörigen der mjtr nachweisen, deren Abdrücke an Kisten-,1418 Schnur-1419 und Gefäßhalsverschlüssen1420 angebracht waren.1421 Bemerkenswert sind dabei die Belege eines Hzmn/Hmr-“Der für Natron/ Salz Zuständige” - auf verschiedenen Verschlußträgern.1422

Nordoststadt Eine ähnliche Fundsituation ist in der Nordoststadt an den 27 dort gefundenen Siegelungen zu beobachten, bei denen es sich um 19 Tonbullen und sieben Gefäßverschlüsse handelt, wobei von ersteren 12 den Kistenversiegelungen vom Typus Tb. 2 a,1424 von letzteren fünf den Gefäßhalsverschlüssen vom Typus Gv. V b1425 zuzuweisen sind. Wie bereits für das Material der Festung läßt diese Beobachtung auch hier den Schluß zu, daß sich die Tätigkeit der mjtr vorwiegend auf Kisten- und Gefäßhalsverschlüsse konzentrierte, wenn auch nicht ausschließlich - wie ihre Nachweise je auf einem Gv. IV d1426 und auf Gv. V a1427 sowie auf mehreren Tonbullen vom Typus Tb. 2 b1428 zeigen. Bezüglich der Fundorte der jeweiligen Siegelungen ist die Konzentration von mjtr/mjtr.t - Abdrücke in Gebäude A, insbesondere in Raum VI auffällig, in dem allein 17 Objekte, vorwiegend auf Holzkistenversiegelungen vom Typus Tb. 2 a auszumachen waren - ein Umstand, der zunächst entweder auf Lieferungen von verschiedenen mjtr/mjtr.t-Angehörigen deutet oder aber auf eine Lagerung diverser Vorräte in Kisten hinweist, die je nach Bedarf geöffnet und wieder verschlossen bzw. versiegelt wurden. Für letzteres spricht m. E. der Nachweis mehrerer Siegelabrollungen auf Tb. 2 a - Objekten, die von ein und derselben stammen und demzufolge eher auf ein an Ort und Stelle, im Rahmen eines rotierenden Phylensystems kontrollierenden tätiges Personals hinweist, wie dies bereits im Südbereich der Festung konstatiert werden konnte. Gestützt wird diese Annahme durch zwei Siegelungen desselben mjtr-Angehörigen, der zusätzlich als zA.w S.t/mr.t/spA.t-“Hüter des Agrarbetriebes bzw. des Bezirkes” ausgewiesen wird.1429 Der Nachweis sowohl auf einem Türverschluß von Typus Tv. 2 als auch auf einer Kistenversiegelung vom Typus Tb. 2 a ist insofern

Wenn auch in geringerer Anzahl als im Südbereich, so ist doch im Mittelbereich des Festungsareals ebenfalls ein weiterer Hauskomplex - STO/6/A - auszumachen, in dem sich - v. a. in den Räumen XIV u. X - Spuren der Siegeltätigkeit einiger mjtr-Angehörigen an Kisten-, Schnur- und Gefäßhalsverschlüssen sowie an Knotenversiegelungen vorkommen.1423 1417 Zur Lage dieser Hauskomplexe s. M. Ziermann, 19. / 20. Bericht, Abb. 2; vgl. auch mit Tafel XXVI sowie XXVII; zur Kartierung der Siegelaktivität der mjtr s. Tafel XXVIII. 1418 Festung: Kat. 167, 169 und 173: zum Typus Tb. 2 a s. S. 42ff. 1419 Festung: Kat. 171; zum Typus Tb. 2 b s. S. 48ff. 1420 Festung: Kat. 168, 170 und 174; zum Typus Gv. V b s. S. 34ff. 1421 Das ungewöhnlich hohe Vorkommen von Siegelungen der mjtr in diesem Raum könnte Indiz für die Aufbewahrung nicht mehr benötigter Verschlüsse sein, die später als Müll in Bodenverfüllungen oder anderweitig benutzt wurden. Für die Aufbewahrung von Verschlüssen in der altägyptischen Administration des AR (6. Dyn.), s. L. Pantalacci, in: BIFAO 96, 1996, S. 361 f. 1422 Festung: Kat. 146, 148, 167-171; s. hierzu S. 24, Anm. 237, S. 35, Anm. 359 sowie S. 44u. 49 bzw. S. 194. 1423 Festung: Kat. 113-114, 201-202, 208, 212-214, 216-217, 221, 223, 225-226, 232, 254-255.

1424

Nordoststadt: Kat. 042-044, 046- 047, 049-050, 052, 055, 057, 059 und 072; zum Typus Tb. 2 a s. S. 42ff. Nordoststadt: Kat. 051, 075, 096-097 und 104; zum Typus Gv. V b s. S. 34ff. 1426 Nordoststadt: Kat. 068; zum Typus Gv. IV d s. S. 31. 1427 Nordoststadt: Kat. 053; zum Typus Gv. V a s. S. 33f. 1428 Nordoststadt: Kat. 048, 054, 056, 060-061, 081 sowie NordoststadtErw.: Kat. 039; zum Typus Tb. 2 b s. S. 48ff. 1429 Nordoststadt: Kat. 045, 057; zur Lesung und Deutung des Titels s. S. 145, Anm. 1458. 1425

142

DIE SIEGELABROLLUNGEN UND ROLLSIEGEL DER STADT ELEPHANTINE Tonbullen die 16 Tb. 2 b1439 (gegenüber acht Kistenversiegelungen vom Typus Tb. 2 a)1440 deutlich. Daneben find sich noch drei Objekte vom Typus Tb. 1,1441 sowie sieben Tonbullen unsicherer Typologie Tb. 0.1442 Wie in der Nordoststadt ist auch hier der Nachweis eines mjtrAngehörigen auf einem Türverschluß des Typs Tv. 2 deutlicher Hinweis für die Einbindung dieser Titelträger in das Kontrollwesen.1443 Von Bedeutung ist darüberhinaus der Abdruck eines mjtr-Angehörigen auf einem Urkundenverschluß von Typus Uv. 1,1444 der damit in die Stadtverwaltung bzw. in die Bürokratie direkt eingebunden ist, wodurch die besondere Stellung - zumindest einiger - dieser mjtr dokumentiert sein dürfte.1445

von besonderem Interesse, als sie die Funktion dieses mjtr-Angehörigen innerhalb des beschäftigten Personals v. a. bei der Kontrolle von Magazinräumen unterstreicht, und ferner den Gebäudekomplex A der Nordoststadt als Teil einer landwirtschaftlichen Einrichtung ausweist, womit die bereits von M. Ziermann angedeutete Funktion von Raum VI1430 als Küche eine gewisse Unterstützung erfährt. Oststadt Im Unterschied zu den Siedlungsbereichen Festung und Nordoststadt, die gegenüber den Gefäßverschlüssen eine Überzahl der Tonbullen aufweisen, überwiegen in der Oststadt die ersteren mit insgesamt 48 Objekten. Von diesen lassen sich 23 Exemplare als Gefäßhalsverschlüsse vom Typus Gv. V b1431 identifizieren, wodurch die bislang beobachtete Tendenz eines Übergewichts dieses Verschlußtypus innerhalb der Gefäßverschlüsse erneut bestätigt wird und demnach ein siegeltechnisches Charakteristikum der mjtr-Angehörigen sein dürfte. Hinzu kommt in diesem Stadtbereich, daß ein nicht geringer Teil der Siegelungen (15 Objekte) auf Topfverschlüssen von Typus Gv. I auszumachen ist, was Hinweis auf Langzeitkonservierung1432 von Produkten ist und darüberhinaus die Funktion der Oststadt als Lageruns- bzw. Verwaltungszentrum deutlich macht. Neben drei Gv. I a1433 finden sich zwei Exemplare von Gv. I b1434 (mit einem Tonpfropfen) und zehn Gv. I c.1435 Hinzu kommen sieben Gefäßverschlüsse vom Typus Gv. IV (a-d)1436 und drei Gv. III,1437 die beide - insbesondere erstere -, Hinweis für kurze Aufbewahrungszeit der gesiegelten Güter bzw. für relativ kurze Transportwege sind.1438

Um innerhalb dieses Stadtbereiches eine spezifische Bestimmung der einzelnen Räumlichkeiten vorzunehmen, in denen die mjtr-Angehörigen tätig waren, ist ein Blick auf die gesamte Materialverteilung innerhalb der ausgegrabenen Siedlungsstrukturen der Oststadt notwendig. Unter der Voraussetzung, daß die in Verfüllungen gefundenen Siegelungen von mjtr aus der unmittelbaren Umgebung stammen, in der sie ihre Tätigkeiten ausübten, läßt sich zunächst eine Konzentration ihrer Siegelungen in den Arealen II a und II b beobachten, wobei eine Häufung in den Räumen XXI (der wohl als Hof gedient hat), XX, XXIV, XXV, XIX und CXXVI auffällt.1446 Ein weiteres Areal konzentrierter mjtr-Siegelungen findet sich im Bereich der Steinbearbeitungswerkstatt, südlich von Gebäude A, wo der Befund Ähnlichkeit mit der zeitgleichen (3. Dyn. / Anf. 4. Dyn.) Fundsituation der Häuser des Tempebezirks in Hierakonpolis aufweist. Desweiteren ist in ebendiesen Räumlichkeiten, v. a. im zentralen Bereich C, ein konzentrierter Fund von Siegelungen des Schreibers der Produktions- und Verarbeitungsstätten Bw nfr nachzuweisen, was eine Kontrollfunktion in ihnen Kraft seines Amtes naheliegen dürfte.

Fiel bisher bei den Tonbullen das Verhältnis zugunsten der Kistenverschlüsse vom Typus Tb. 2 a (gegenüber den Schnur- bzw. Knotenverschlüssen vom Typus Tb 2b) auf, überwiegt in diesem Stadtgebiet unter den insgesamt 34

Faßt man die bisherigen Beobachtungen zusammen, so zeigt sich zunächst das Nachweise von mjtr - Siegelungen in sämtlichen Stadtbereichen Elephantines zu finden sind. Darüberhinaus ist jedoch eine auffallend hohe Konzentration ihrer Siegelungen in der Festung, insbesondere in deren Südbereich, in der Nordoststadt in Gebäude A sowie in der Oststadt festzustellen, was Beleg für eine intensive Aktivität ihrer Mitglieder in diesen Gebäudebzw. Raumkomplexen ist. Auffallend häufige Versiegelung von Kisten- und Gefäßhalsverschlüssen läßt darauf schließen, daß die mjtr - Angehörigen u. a. mit dem Vertrieb von Salz bzw. der Produktion von Natron und demnach mit einem sehr kostbaren Rohstoff betraut waren.

1430

M. Ziermann, in: 13./14. Bericht, S. 89ff. u. Abb. 6; s. auch im Kap. “Ausblick” S. 208. 1431 Oststadt: Kat. 284 (Frauensiegel=Kat. 465), 287, 397, 400, 418, 447, 480 (Frauensiegel), 481- 482, 487, 518, 531, 535, 555, 592, 597-598, 605, 612, 617, 624, 647 und 652; zum Gv. V b siehe auch hierzu S. 34ff. Zu den Frauensiegeln s. ausführlich Kap. S. 121 ff. 1432 Siehe hierzu S. 20ff. 1433 Oststadt: Kat. 303 mit Abdeckscherbe (=302), 317 (Frauensiegel, s. hierzu Kap. S. 121f.) und 446 mit einem Tonpfropfen); zum Typus Gv. I a s. S. 14f. 1434 Oststadt: Kat. 611 und 660; zum Typus Gv. I b s. S. 16f. 1435 Oststadt: Kat. 302(=303), 308, 313, 395, 412, 416, 473 und 544 je mit Abdruck eines Holzdeckels, 609 und 621; zum Typus Gv. I c s. S. 17ff. 1436 Oststadt: Kat. 467(=466) mit dem Abdruck von Gräsern am Verschluß, zu Gv. IV a s. S. 28f.; Kat. 320 (Frauensiegel), Kat. 464 (mit Abdruck eines Strohdeckels an der Verschlußunterseite) zum Typus Gv. IV b s. S. 29f.; Kat. 466(=467); zu Gv. IV c s. S. 30f.; Kat. 277-278; zum Typus Gv. IV d s. S. 31. 1437 Oststadt: Kat. 323; hierbei handelt es sich um eine Doppelsiegelung von einem rnw-/-tj-“Lokalbeamten” und von einem mjtr-Angehörigen auf dem selben Gefäßverschluß, an dem der Abdruck eines Strohdeckels zu erkennen ist; zu Gv. III und zu diesem “Merkmal”, s. je S. 27 und S. 32; Oststadt: Kat. 463 (Frauensiegel) sowie Kat. 564. 1438 Siehe hierzu S. 38ff. sowie Tabelle 19.

1439

Oststadt: Kat. 286, 325, 330, 373, 398, 407, 428, 431, 450, 465 (Frauensiegel=Kat. 284), 520, 595, 601, 620, 637 und 642; zum Typus Tb. 2 b s. S. 48ff. 1440 Oststadt: Kat. 424, 493, 523, 573, 585, 591, 634 und 636; zum Typus Tb. 2 a s. S. 42ff. 1441 Oststadt: Kat. 329 (Frauensiegel), 432 und 661; zu Tb. 1 s. S. 41f. 1442 Oststadt: Kat. 281, 282, 288, 289, 410, 479 und 607. 1443 Oststadt: Kat. 460; zum Typus Tv. 2 s. S. 57ff. 1444 Oststadt: Kat. 527; zu Uv. 1 s. S. 61 1445 Zur Siegelung s. auch S. 143 1446 Zur Kartierung des Befundes s. Tafel XXXVI.

143

JEAN-PIERRE PÄTZNICK

Beamtentitel identifizieren, die die Bestimmung des jeweiligen Funktionsbereich innerhalb der Administration ermöglichen.

Der Versiegelung eines Urkundenverschlusses aus der Oststadt kommt m. E. insofern besondere Bedeutung zu, als er Indiz für eine gehobene Stellung der mjtr innerhalb der altägyptischen Gesellschaft ist, was einerseits durch die Verwendung eines so wertvollen Materials wie Papyrus, andererseits durch die Einbindung in den Schriftverkehr mit der lokalen Bürokratie zum Ausdruck gebracht wird.

Im Festungsareal sind 13 Verschlüsse mit mjtr-Angabe zusätzlich mit einem Beamtentitel versehen, unter denen sich zum einen u. a. der bereits erwähnte Hmr/Hzmn“der für das Salz/Natron Zuständige” findet und zum anderen ein der ältesten Nachweise aus den ältesten Besiedlungsniveaus der Festung stammt, der die Kurzform (Tafel XVI: A27) sowie die bisher nur hier belegte Titelbezeichnung mnw tA-“der an der Erde angepflockt ist (?)” aufweist,1450 weshalb davon auszugehen ist, daß dieser Personenkreis eine bestimmte Tätigkei innerhalb des Agrarsektors bzw. des Versorgungswesens ausübten. Die übrigen Siegelungen aus jüngeren Niveaus weisen neben einem unvollständigen Titel,1451 ansonsten “entwickeltere” bzw. “modernere” Graphien von mjtr, aber auch zusätzliche Titel wie rmnw-“Träger”, (w)DA.t(j) jA.t nTr.t“Magazinzuständiger für die Stätte der Göttin” sowie die mehrfach belegte, bislang jedoch unbekannte Bezeichnung jAt.tj-“der für die Milch Zuständige” (?) auf.1452 Zu diesen ausgewiesenen Beamtentiteln treten noch drei weitere Nachweise von Berufsangaben hinzu, die sich als

Auf die Stellung der Frauen ist an dieser Stelle besonders besonders aufmerksam zu machen, da sie als Titelträgerinnen ebenfalls auf verschiedenen Gefäßverschlüssen zu finden sind und demzufolge integrierter Bestandteil der damaligen lokalen Wirtschaft bzw. als solcher auch verwaltungstechnisch erfaßt waren. Über diese ersten Beobachtungen hinausgehende spezifischere, die mjtr - Angehörigen betreffende Informationen zur Funktion innerhalb und soziale Einbindung in die damalige Gesellschaft sind in der Regel nicht zu erhalten, da ihre Siegelungen zumeist keine derartigen Hinweise enthalten. Es scheint regelrecht so, daß bereits die Angabe des Titels (mit oder ohne Beititel bzw. Epitheta) ausreichend gewesen ist, Funktion und Status ihrer Mitglieder innerhalb der Gesellschaft eindeutig zum Ausdruck zu bringen. Umso größeres Interesse ist angebracht, wenn neben der mjtr - Bezeichnung weitere Titel u. ä. Angaben zu erkennen sind.

jr(j) swn.t-“der/die Handel treibt”1453 w.t(j)“Balsamierer(?)”1454 und

So sind im Siegelmaterial von Elephantine zunächst 28 zusätzliche Beamtentitel nachzuweisen, von denen vier unvollständig bzw. kaum zu lesen sind sowie der Abdruck eines bisher unbekannten, in seiner Lesung unsicheren, Titel Hrj nf(.w)-“Oberster der Schiffer”.1447

kAr(j)-“Winzer”1455 bestim-

1450

Festung: Kat. 229 Festung: Kat. 128 Festung: Kat. 110, 114 sowie Kat. 121, 144 und 196; die Übersetzung des Titels “der für die Milch Zuständige” ist lediglich als Vorschlag zu verstehen, die jedoch gestützt wird durch das Substantiv jA.t.t, s. WB I, S. 22, Anm. 1- 4; eine derartige Funktion würde darüberhinaus das bisher ermittelte Tätigkeitsspektrum der mjtr in der Landwitschaft bestens bekräftigen. 1453 Festung: Kat. 120; vermutlich aus kalligraphischen Gründen wurde das Auge-Hieroglyphenzeichen zwischen dem s und der Gruppe wn.t gesetzt. 1454 Festung: Kat. 129; zur Lesung der Hieroglyphe s. die GardinerListe: V38 sowie WB I, S. 378, Anm. 8-9. Siehe allgemein zu Berufssiegelungen S. 114ff. 1451 1452

Viele der Abdrücke lassen sich ein und demselben Siegelinhaber zuordnen, so z. B. in der Festung, in der allein sechs von 13 Siegelungen Abrollungsspuren eines -Hmr1448 “Der für das Salz Zuständige” (bzw. Hzmn1449 -“Der für das Natron Zuständige”) tragen, oder in der Nordoststadt, in der mindestens zwei Verschlüsse von

1455

Festung: Kat. 188. Die mitgeführte Bezeichnung - kAr dürfte hier als “Winzer” oder ähnliche oenologische Berufsangabe zu verstehen sein, womit gleichzeitig die Bezeichnung mjtr mit der lokalen Land.bzw. Weinproduktion von Elephantine in Verbindung gebracht wäre. Zur Vorstellung eines lokalen Weinanbaus um Elephantine, s. hierzu S. 72, Anm. 756 Bislang wurde die Ansicht vertreten, kAnw sei die übliche, in der Frühzeit und im Alten Reich verwendete Schreibung und die Bezeichnung kArjj erst in der XIII. Dyn. in Buhen (!) belegt, s. M. Abd er-Raziq, in: MDAIK 35, 1979, S. 246 f. Bereits S. Schott machte aber auf einem Amtssiegel des Horus Den (Mitte der 1. Dyn.) mit der Angabe von kAnw - “Weingärten der Institution H.(w)t kAr aufmerksam und deutete diese als “Weingutsverwaltung”, s. ders., Hieroglyphen und Untersuchungen zum Ursprung der Schrift, Wiesbaden 1950, S. 33. Verwiesen sei in diesem oenologischen Kontext auf ein weiteres Siegelbild desselben Beamten Usechka, das u. a. ein “Weinmagazin / Magazin der Weinamphoren”- pr jrp erwähnt, s. RT I Tf. XXII, 33. - Eine, wenn auch sehr spät belegte, m. E. jedoch erwägenswerte Alternative zur Deutung des Titels kAr stellt das Toponym kArj dar, das von der frühen 18. Dyn. bis in die meroitische Zeit dasjenige Gebiet bezeichnete, in dem die nubischen Könige ihren Hauptsitz hatten, so daß kAr für den nubischen Herrscher selbst stand - eine Tatsache, die sowohl noch im Namen des königlichen Friedhofs der Herrscher in ElQurru, “Die Königliche”, als auch im Namen der Residenz Kairma = Kerma ihren Niederschlag findet, s. dazu S. Sauneron, J. Yoyotte, in:

einem zA.w S(.t)/mr(.t)/spA.t-“Hüter des Agrarbetriebes” stammen. Demgegenüber weisen andere Objekte zwar mehrfach Spuren ein und desselben Beamtentitels auf, sind jedoch zwei unterschiedlichen Siegelinhabern zuzuordnen, wie das Beispiel zweier Verschlüsse der Oststadt zeigt, die den Titel mDH wxr.ty nsw.t nTr(.t)-“Leiter der beiden Werften des Königs und der Göttin” tragen. Insgesamt lassen sich acht 1447

Oststadt: Kat. 607 Festung: Kat. 146, 167-171. Die phonologische Entwicklung von r zu A würde die Wandlung von Hmr zu HmAt erklären - nach einer freundlichen Anregung von A. Loprieno. Vgl. hierzu die Wortanalyse von W. Vycichl, Dictionnaire étymologique de la langue copte, Leuven 1983, S. 112 und 299, wo u. a. das Wort Hml als Metathesis für mlH erklärt wird. Zur Metathesis siehe S. 194 1449 Diese Möglichkeit wird ausführlich S. 194 behandelt. 1448

144

DIE SIEGELABROLLUNGEN UND ROLLSIEGEL DER STADT ELEPHANTINE

Diesem Beamtentitel sowie seiner Anbringung auf einem Türverschluß vom Typus Tv. 2 kommt insofern besondere Bedeutung zu, als mit ihm der Hauskomplex A der Nordoststadt als Teil einer landwirtschaftlichen Einrichtung zu bestimmen sein dürfte, der demzufolge (auch) von mjtr-Angehörigen bewirtschaftet wurde.

men lassen. Im Südbereich des Satettempels ist die Siegelaktivität von lediglich zwei mjtr-Titelträgern nachzuweisen, von denen der erste die schlichte Bezeichnung n(j) mr.t-“Der zu den Meret-Leuten gehört” erkennen läßt,1456 während der zweite mit dem Titel xtm(w).t(j) wDA.t“Schatzverwalter des Lagerhauses/Speichers”1457 versehen ist.

Mit der dritten Siegelung, die den bekannten Titel mr mr(.w) -“Vorsteher der Viehweide(n)”1459 trägt und damit diesen Siegelinhaber als mit der Rinder-und Feldverwaltung betraut ausweist, ist auf einen weiteren Funktionsbereich der mjtr verwiesen, die demnach auch für die Fleischversorgung der Stadt Elephantine zuständig gewesen haben dürften. Da diese aus dem unmittelbaren Umfeld der Inselstadt nicht zu gewährleisten war, mußten Rinder von außerhalb, und zwar vermutlich aus Unternubien importiert werden, womit die Tätigkeit der mjtr erneut durch eine Beziehung zum Ausland charakterisiert sein dürfte.1460

Aus der Nordoststadt stammen drei Belege von Beamtentiteln, die diesen Stadtteil hauptsächlich als Agrarbereich kennzeichnen. Hierunter finden sich zwei Abrollungen derselben Person, die die Graphie

der mjtr-

zA.w mr.t/spA.tAngehörigen sowie den Titel “Hüter des Agrarbetriebes bzw. des Bezirkes” tragen.1458 BIFAO 50, 1952, S. 183 ff.; A. J. Arkell, in: Kush III, 1955, S. 94; J. Leclant, J. Yoyotte, in: KEMI 14, 1957, S. 72, Anm. a. Darin jedoch eine Bezeichnung für einen bestimmten nubischen Häuptling zu erkennen, halte ich für die Frühzeit und das Frühe Alte Reich für recht schwer vertretbar - auch wenn gerade diese Vorstellung einen unwiderstehlichen Reiz ausübt. 1456 Satet-Süd: Kat. 004; hierbei sei anzumerken, daß zwei weitere Nachweise dieses einen mjtr aus der Festung existieren (Kat. 148 u. 254). 1457 Satet-Süd: Kat. 028; s. hierzu auch Tab. 54 mit weiteren Nachweisen von Titelträgern der Lagervorratshaltung, die als mjtrAngehörigen ausgewiesen sind. 1458 Nordoststadt: Kat. 045 und 057; problematisch bleibt dabei die

In der Oststadt taucht zwar der größte Anteil (10) an Beamtensiegelungen auf, allerdings läßt sich nur die Häfte davon relativ sicher bestimmen. Hervorzuheben ist hierunter der bisher unbekannte Titel , mDH wxr.tj nsw.t nTr(.t)-“Direktor der beiden Werften des Königs und der Göttin”1461 auf zwei Topfverschlüssen vom Typus Gv. I c sowie die epigraphische Variante desselben auf zwei Tonbullen des Typus Tb. 2 b. Mit diesem Titel werden mjtr-Titelträger bezeichnet, deren Nachweis auf die Existenz zweier, jeweis zusätzlich mit einem Holzverarbeitungsbetrieb ausgestatteten Hafenanlagen auf der Inselstadt während der 3. Dyn. schließen läßt.1462

unter der sitzenden Person , das Deutung des Zeichens zunächst sowohl S als auch mr bzw. grg (selten) gelesen werden kann, s. hierzu J. Kahl, Hierogyphenschrift , Anhang II, S. 612 (“mr”) und S. 613 f. (“S(j)”) bzw. 616 (“grg(.t)”). Während das Zeichen sowohl eine Lesung S(j) als mr zuläßt, scheinen solche Zeichen wie oder je nur mit grg oder spA.t behaftet bzw. verankert zu sein, s. hierzu ders., op. cit., Anhang II, S. 621 und 616 ff. sowie S. 616 bzw. 623. Hierbei kann das

entweder bzw. sowohl dem

S.t/mr.t/spA.t-“Farm/Agrarbetrieb bzw. Bezirk” im selben Gebäude bzw. in der ummauerten Nordoststadt an Plausibilität. Zum Nachweis einer mr.t S.t/mr.t/spA.t-“Vorsteherin des Agrarbetriebes bzw. des Bezirkes”, s. Kap. Frauensiegel, S... . 1459 Nordoststadt: Kat. 050; zum Titel mr mr(.w)-“Vorsteher der Viehweide(n)”, vgl. IÄF II, S. 1139 sowie IÄF III, Tf. 89, Abb. 339; LD II, S. 106. Lesung und Bedeutung des Titels sind spätestens aufgrund von Parallelen aus dem Mittleren Reich gesichert, s. z. B. CAA Boston I, S. 87; für eine Lesung mr.w-“Rinderweiden” sei auf den Palermostein verwiesen, s. H. Schäfer, Ein Bruchstück altägyptischer Annalen, Berlin 1902, Tf. 1. Darüberhinaus bestünde die Möglichkeit, den Titel auch als “Vorsteher der Weberei” zu verstehen, was mit den Kistenversiegelungen übereinstimmen würde. 1460 Siehe in diesem Zusammenhang L. Störk in: LÄ V, Sp. 259, wo die Rolle Nubiens als Rinderlieferant für die ägyptische Wirtschaft betont wird. Verweisen möchte ich auch auf den mjtr - Titel des mächtigen Gaufürsten Djehutihetep aus El Berscheh sowie den Fund seiner Statue in Meggiddo, deren Existenz mit einem vorstellbaren Kaufauftrag des Königs zu erklären wären, s. hierzu Anm... und vgl. hierzu R. Giveon, in: LÄ IV, 1982, Sp. 2 f. mit der Erwähnung des Siegels eines “Viehzählers”, das in einem datierten Kontext der frühen MB-Zeit in Meggiddo (!) gefunden wurde. 1461 Oststadt: Kat. 313 und 395 sowie Kat. 407 und 601. 1462 Die Träger des Titels mDH wxr.ty nsw.t nTr(.t)-“Direktor der Werft des Königs und der Werft der Göttin” - dürften die Leitung zweier Hafenbereiche auf Elephantine im Süden (Bereich Südhügel) und im Osten (an der Stelle der römischen Treppen) inne gehabt haben. In diesem Zusammenhang dürften sie auch für den Bau von Schiffen für

als

als Femininendung dienen. Da in der Schreibung auch dem des Titels jrj-“Wächter, Hüter” frühestens in der Herakleopolitenzeit belegt ist, ist dieses Zeichen als zA.w bzw. zA.w .t(j) wohl zu lesen, s. H. G. Fischer, On the reading of some OK-Titles, in: Varia Nova, NewYork 1996, S. 44 und Anm. 14. Versteht man hingegen das Zeichen als spA.t d. h. als eine Bezeichnung eines ummauerten Bezirkes, erscheint die Wiedergabe des Titels mit “Hüter des Bezirkes” zumindest vertretbar. Auch die späteren Belege für diese Bezeichnung z. B. in der Titulatur des Beamtens Achti aa wie xrp S.t bj.tj oder mAA kA.t nb.t S.t bzw. -‚ nsw.t oder H. Goedicke, ÄA 14, S. 25 f. legen ebenfalls als eine Deutung von S.t als spA.t-“Bezirk” nahe. Zur Lesung von spA.t-“Distrikt”, s. H. G. Fischer, op. cit., S. 95 u. Anm. 424, K. Gödecken, Eine Betrachtung der Inschriften des Meten im Rahmen der sozialen und rechtlichen Stellung von Privatleuten im ägyptischen Alten Reich, Ä.A. 29, Wiesbaden 1976, S. 45 sowie T. G. H. James, The Hekanakht-Papyri, London. 1961, S. 28, Diskuss. § 68, Tf. 3, Kol. 6 u. 8 sowie Tf. 3 a Vs. 9. Eine weitere Möglichkeit bietet die bereits bei T. G. H. James angesprochene Übersetzung “a type of estate or farm”, wie sie sich im Hekanacht-Brief findet, s. Fischer, op. cit., S. 160, Anm. 698. Diese Lösung würde nicht nur die Übersetzung unseres Titels zA.w S.t/mr.t/spA.t als “Hüter der Farm/des Agrarbetriebs bzw. des Bezirkes” wahrscheinlich machen, sondern würde sich außerdem in den archäologischen Fundkontext bestens einfügen. Darüberhinaus gewönne der Nachweis eines s(w)DA Hrj S.t/mr.t/spA.t-“Oberster Bewahrer der

145

JEAN-PIERRE PÄTZNICK

Eine Abrollung aus der Kategorie der Berufssiegelungen weist einen mjtr-Angehörigen als Ssmw-“Zuständiger für die Wein-/Ölpresse” aus, womit einer dieser mjtrTitelträger der Weinverwaltung bzw. erneut der Landwirtschaft zuzuordnen ist.1469

Auffällig ist dabei die im Titel implizierte Unterscheidung von sakralem und staatlichem Bereich. Die Leitung beider Werften setzt nicht nur die Einrichtung von Lagerungsplätzen und Verarbeitungswerkstätten voraus, sondern auch die Beschaffung des nötigen Rohstoffes, der allerdings im umliegenden Gebiet von Elephantine nicht besonders reichlich vorhanden war, weswegen von einem Import von Hölzern verschiedenster und auch wertvoller Art, z. B. von Ebenholz, aus Nubien ausgegangen werden. Dies verdeutlicht erneut die “Geschäftsbeziehung” einiger mjtr-Angehörigen mit dem Ausland bzw. den Verwaltungsinstanzen auswärtiger Gebiete. In diesem Zusammenhang wäre demnach auch auf den vermeintlichen Nachweis eines Hrj nf(.w)“Oberster der Schiffer”1463 aufmerksam zu machen, der die Funktion eines mjtr gerade innerhalb beider Hafenanlagen der Insel besonders zum Ausdruck bringt.

Wie die nachfolgende Tabelle Aufstellung verdeutlicht, lassen die zusätzlichen Beamtentitel und Berufsangaben ein umfassendes und vielschichtiges Tätigkeitsfeld der mjtr-Angehörigen innerhalb der lokalen Stadtverwaltung erkennen, wonach ihnen in dieser frühgeschichtlichen Zeit die gesamte Versorgung von Elephantine mit landwirtschaftlichen Produkten, Fleisch und auch mit Rohstoffen oblag. Der Umstand, daß dies aus dem unmittelbaren Umfeld der Inselstadt selbst nicht zu gewährleisten war sowie diverse Titelbezeichnungen legen darum den Schluß nahe, daß die mjtr-Angehörigen u. a. in regem Handelskontakt mit der nubischen Bevölkerung gestanden haben dürfen. Neben diesen, auf das Ausland bezogene Tätigkeiten waren darüberhinaus einige Vertreter dieser Siegelinhaber innerhalb der lokalen Lagerverwaltung aktiv, wonach ihnen u. a. die Kontrolle von Getreidespeichern bzw. Lagerhäusern unterstand, während andere vermutlich in der Gefolgschaft eines hohen Würdenträgers standen und von diesem mit - spezifischen, jedoch nicht mehr zu ermittelnden - Aufträgen betraut wurden.

Weitere Titelzusätze wie Hrj mA (w)DA.t-“Kontrollbeamter des Lagerhauses” und der unvollständige [...]r wDA.t-“... des Lagerhauses” machen offensichtlich, daß einige Angehörige dieser Titelträger innerhalb der Magazinenverwaltung tätig gewesen sind, wobei eine genauere Bestimmung ihrer Funktion nicht mehr möglicher ist.1464 Anhand weiterer Bezeichnungen wie xt(j)1465 und mjtr jrj nxn1466 sind Titelträger zu ermitteln, die vielleicht im Gefolge eines höher gestellten Amtsträgers bzw. im Auftrag dieses Amtsinhabers gehandelt haben dürften,1467

Eine Eigenart der mjtr-Siegelungen besteht darin, daß sie gelegentlich die Funktion von Zivilsiegelungen haben können. Sie tragen in den meisten Fallen Namen und Statuszugehörigkeit und nur selten einen Beititel oder ein Epitheton. Der am häufigsten genannte Beititel (16 von insgesamt 30) nfr mAa jz.t begegnet v. a. in der Graphie E1,1470 während sechs Siegelbilder das Epitheton anx mrr/mrj nsw.t aufweisen. Lediglich vereinzelt sind bekanntere1471 EQ \Beititel und Epitheta wie hb/n(j) hb, sAD/ sAD.t(j) und anx wD nTr nfr sowie unbekanntere1472 wie anx mr(j) nTr, t(w)t n mr.wt, mA nDm jb nsw.t und kfA jb zu erkennen, und zwar v. a. in drei verschiedenen Typen von Siegelsequenzen: zweigliedrig (S+PN), dreigliedrig (S+PN+E) und viergliedrig (S+PN+E+PN, mit Wiederholung des PN). Festzuhalten ist hierbei, daß die ältesten Versionen nur als zweigliedriges Muster begegnen und erst ab der 3. Dyn. drei- und viergliedrige Formen charakteristisch sind. Bemerkenswert ist der Nachweis von allein 25 der insgesamt 30 Beititel und Epitheta in der Oststadt der 3. und 4. Dyn., worunter sich auch zwölf (von insgesamt 16) Belege des Beititels nfr mAa jz.t finden. Bis auf die ausschließlich in der Festung belegte Angabe n(j) hb, stammen alle weiteren Belege von Beititeln und Epitheta aus den jünger datierten Bereichen (3. Dyn.) der Nordoststadt und Oststadt und stellen damit ein sicheres Datierungskriterium dar.

während mit dem bereits bekannten Titel (h)rj a nsw.t-“Königlicher Arbeiter”1468 ein mjtr-Angehöriger mit der Realisierung eines vom König erteilten Auftrags betraut gewesen sein dürfte, dessen spezifische Tätigkeit jedoch nicht zu bestimmen ist.

Expeditionen sowie für die Herstellung der Gottesbarke für Prozessionen zuständig gewesen sein, s. hierzu Kap. Beamtentitel, S. 111ff. 1463 Oststadt: Kat. 607. Dort taucht der besagte Titel mit einem weiteren unsicherer Art auf einer Tb. 0. Die Lesung Hrj nf(.w)-“Oberster der Schiffer”, bisher unbelegt, erscheint zumindest gerade im Rahmen des nautischen und insularen Kontextes von Elephantine vertretbar; zu nfw s. WB II, S. 251 bzw. zum Titel Hrj nf(.w)s. a. a. O. S. 251 - 7. 1464 Oststadt: Kat. 406; hierbei handelt es sich um ein Holzrollsiegel, s. hierzu S. 11 ; sowie Oststadt: Kat. 446 auf einem Gv. I a, s. hierzu S. 15 Ein weiterer Beleg für die Tätigkeit von mjtr-Angehörigen in der Lagervorratshaltung läßt sich auch im Satet-Süd nachweisen, s. S. 23. 1465 Oststadt: Kat. 523 auf einer Tb. 2 a. Die Bezeichnung xt(j) wird als Abkürzung des Titels (j)m(j) xt aufgefaßt, s. hierzu WB III, S. 344, - I sowie S. 347, - 5. 1466 Oststadt: Kat. 636. Diese Abfolge läßt verschiedene Kombinationen zu, die alle im Katalog an der entsprechenden Stelle aufgeführt sind. 1467 Dies erinnert gerade im Kontext von Abgabenpflichtigen gewissermaßen an den D.t von Beamten in den Abusir-Papyri der späten 5. Dynastie, die im Auftrag ihres Herrn Abgaben leisteten, s. hierzu P. Posener-Kriéger, die diese Leute als “représentant” erkannt hat, s. dies., Abousir II, S. 661. 1468 Oststadt: Kat. 637, vgl. auch die Statuengruppe im PelizaeusMuseum Hildesheim, wo der Mann den Titel eines (h)rj a nsw.t [...]“Königlicher Arbeiter [der Lederhandbearbeitung]” trägt und seine Frau den Titel mjtr trägt, s. E. Martin-Pardey, Plastik des Alten Reiches Teil. 1, CAA Pelizaeus Museum, Hildesheim 1977, Blatt 4/8 und 8/8. Zur Diskussion des Titels (h)rj a nsw.t siehe S. 67, Anm. 701.

1469

Oststadt: Kat. 424 auf einer Tb. 2 a; zu diesem Typus s. S. 42ff. Zu diesem Beititel s. ausführlich S. 150ff. 1471 Zu den Beititeln n(j) hb und sAD/sAD.t(j) siehe je S. 160ff. und S. 155ff.; für das Epitheton anx wD nTr nfr sei auf S. 164ff. verwiesen. 1472 Siehe zu letztgenannten Oststadt: Kat. 555, 564, 609 sowie 463 (Frauensiegel). 1470

146

DIE SIEGELABROLLUNGEN UND ROLLSIEGEL DER STADT ELEPHANTINE

mjtr/mr.t +Beamtentitel xrp wsx.t/hAjj.t rmn-“Träger” o. ä (w)dA.t(j) jA.t nTr.t jAt.tj/(j)At.tj

Festung

NO-Stadt

Oststadt

Gv. I c Tb. 2 b Gv. V b Tb. 2 a/Tb. 2 b Tb. 2 a/Tb. 2 b Gv. V b Tb. 2 b Gv. II a

n(j) mr.t/mr.t xtm(w).t(j) wDA.t zAw mr.t/S.t mr mr(w) mDH wxr.ty nsw.t nTr(.t) Hrj nf(.w) Hrj mA (w)DA.t ...r wDA.t xt(j) mjtr (j)r(j) nxn mjtr + Berufsangabe jr(j) swn.t wt(j) kAr(j) Ssmw

Satet-Süd

Tv. 2 Tb. 2 a Tb. 2 a Gv I c (2x) Gv. V b Tb. 2 b Tb. 0 RS Gv. I a Tb. 2 a Tb. 2 a Tb. 2 b Tb. 2 a Tb. 2 a Tb. 2 a

Tabelle 54: Mit den mjtr auftretende Beamtentitel und Berufsangaben mjtr +Beititel +Epitheta nfr mAa jz.t hb / n(j) hb anx mrr/mr(j) nsw.t sAD/sAD.t(j) anx wD nTr nfr anx nTr mr(jj) t(w)t n mr.wt mA jb nDm nsw.t kfA jb Gesamt

Festung

NO-Stadt

Oststadt

Gesamt

1 1

3

12

3

6 2 1 1 1 1 1 25

16 1 6 2 1 1 1 1 1 30

2

Tabelle 55: Zusammen mit der mjtr auftretende Beititel und Epitheta Paläographisch ist die Bezeichnung mjtr in unserem Material an einer Fülle von graphischen Varianten nachzuweisen. Nach der vorliegenden tabellarischen Zusammenstellung (Tafel XVI u. XVII) lassen sich dabei

sierte Form1473 des Hieroglyphenzeichens auf, weshalb zu vermuten ist, daß der Gebrauch dieses Phonems am Beginn seiner Entwicklungsgeschichte steht. Dem Nachweis des Hieroglyphenzeichens ist in diesem frühgeschichtlichen Kontext insofern eine besondere Bedeutung beizumessen, als es ein Charakteristikum der 2. Dyn. ist und gleichzeitig - als Kurzform - die bisherige

27 verschiedene Formen des Zeichens sowie 20 morphologisch unterschiedliche, epigraphische Kompositionen nachweisen. Die frühesten Formen von mjtr Bezeichnungen stammen aus den ältesten Besiedlungsschichten der Festung und weisen noch keine standardi-

1473

147

A - Graphien des Zeichens mj s. Tafel XVI.

JEAN-PIERRE PÄTZNICK

mjtr

1. Dynastie

2. Dynastie

3. Dynastie

4. Dynastie

--------------------------

--

--------

-----------------------

-----------------------

---

-----------------------

-----------------------

--------

-----------------------

-----------------------

Tabelle 56: Laufzeit der mjtr-Graphien im Elephantiner Material mjtr Lesung mjtr grundlegend in Frage stellt. Neben der Möglichkeit, die Statusbezeichnung mit einem einzigen Phonem wiederzugeben - ein Sachverhalt, der bis zu Beginn der 3. Dyn. zu beobachten ist - wird

tisierung” einer vermutlich originär nicht ägyptischen Titelbezeichnung vorgenommen wurde. Mit Roquet erscheint sogar eine Vokalisation m*lt der ursprünglichen kurzen Graphien des Titels durchaus gerechtfertigt. Trotz der Vielfalt möglicher Schreibungen ist die vorgeschlagene neue Lesung mr.t bzw. mr.tj/mj.tj sowie deren Übersetzung mit “der/die Gleichgestellte” die vertretbarste, so daß damit die singuläre Schreibung von Personen vorliegen könnte, die ansonsten in der Mehrzahl als MeretLeute in der Titelkunde belegt sind.1475 Möglicherweise wurden mit diesem Titel in Grenzgebieten eingesetzte ägyptische “Kolonisten” und “Handelsagenten” bezeichnet, die primär mit Aufgaben innerhalb der Landwirtschaft oder aber der Rohstoffbeschaffung für die Stadt betraut gewesen sein dürften. Vermutlich als Pächter von Landparzellen besaßen die mjtr/mr.t einen besonderen Status innerhalb der altägyptischen Gesellschaft, mit dem sie ein gewisses Ansehen erwarben, worüber sie selbst einigen Stolz empfunden haben dürften und der - meist (zumindest während des gesamten Alten Reiches) matrilinear - weitervererbt wurde.

darüberhinaus das Zweikonsonantenzeichen bereits ab der 2. Hälfte der 2. Dyn. Bestandteil einer ausführlicheren . Dieses Schreibung des Titels in der Form B1: Kompositum ist bereits in der Zeitstufe B der Festung und damit in der 2. Hälfte der 2. Dyn. viermal belegt und zudem neben jüngeren graphischen Kompositionen wie oder , die erst in der ausgehenden 2. Dyn. begegnen, bis zum Beginn der 3. Dyn. nachzuweisen.1474 Bis in diese Zeit ist die Form B1 Standardschreibung von mjtr, während anschließend eine allmähliche Ablösung durch die modernere jüngere graphische Komposition B3 stattfindet, deren Gebrauch besonders in den jünger datierten Funden der Ost- und Nordoststadt (3. Dyn. / Beginn der 4. Dyn.) charakteristisch ist.

Daß diese mjtr/mr.t- Titelträger, die nachweislich auch in die Verwaltung auswärtiger Gebiete integriert waren, gerade in einer grenznahen Region wie der Insel Elephantine Spuren ihrer Tätigkeiten hinterlassen haben, kann daher nicht verwundern und bietet gerade in diesem frühgeschichtlichen urbanen Kontext die einmalige Gelegenheit, den tatsächlichen Wirkungsbereich bzw. die Funktionen zu ermitteln, die die Angehörigen dieses “Standes” sowohl innerhalb der lokalen Stadtverwaltung als auch innerhalb der damaligen Sozialstruktur innegehabt hatten.

4.6.3.3 Zusammenfassung Die neue Beleglage und die detaillierte Untersuchung der bislang als mjtr gelesenen und mit “Palastarbeiter” (u. a. m.) wiedergegebenen Titel führt zu einer gänzlich neuen Interpretation dieser Personengruppe. Aufgrund der Fülle von graphischen Varianten (Tafel XVI: A = 27 (!) und XVII: B = 20 (!)), die in dieser Größenordnung für einen ägyptischen Titel äußerst ungewöhnlich ist, kann davon augegangen werden, daß hier der Versuch einer “Ägyptisierung” einer vermutlich originär nicht 1474

B-Paläographien dieses Kompositums s. Tafel XVII. In dieser Konstellation begegnen ebenso die fünf Belege von mjtr/mr.t-Angehörigen aus dem Djoser-Bezirk in Sakkara. Auffällig ist dabei die Häufigkeit

1475

Bemerkenswert hierbei ist Kairo 1707 (Wörterbuchzettelarchiv), wo der Titel einer Frau die in diesem Zusammenhang die ungewohnte, dennoch sehr aufschlußreiche Graphie aufweist, die kaum einen anderen Schluß zuläßt als der besagte Titel n(j) mr.t zu lesen; eine Bezeichnung, die bereits auf dem Siegel des mjtr namens Snsn sowohl in der Festung als auch im Satet-Süd zu erkennen sein dürfte, s. hierzu Festung: Kat. 148 u. 254 sowie Satet-Süd: Kat. 004.

, das an drei der fünf Belege zu finden ist und des Kompositums sie frühestens am Ende der 2. Dyn. bzw. zu Beginn der 3. Dyn. einordnet, s. PD V: S. 48, Abb. 72, Nr. 91; Tf. 23, Abb. 7, Nr. 51; Tf. 29, Abb. 1, Nr. 93; Tf. 34, Abb. 2, Nr. 181 und C. Firth, Step. Pyr. II, Tf. 90, Abb. 6.

148

DIE SIEGELABROLLUNGEN UND ROLLSIEGEL DER STADT ELEPHANTINE

Waren damit bisher die mjtr/mr.t-Angehörigen prinzipiell in die Urbachmachung des Umlandes von Elephantine bzw. in die Versorgung der Inselstadt (mit Milchprodukten, Fleisch (Rinder), Salz, Öl/Wein) involviert, so kommen v. a. in der Oststadt der 3. Dyn. völlig neue Titel hinzu, die eine deutliche Ausweitung ihres bisher eher agrar gearteten Funktionsbereiches erkennen lassen. Zusätzlich genannten Beamtentiteln ist zudem zu entnehmen, daß einige mjtr/mr.t mit der Leitung der zwei Werften und - damit einhergehend - der zwei Hafenanlagen von Elephantine betraut werden konnten, womit ihnen das gesamte Handelswesen bzw. die ökonomische Ader der Inselstadt unter ihrer Kontrolle gestanden haben dürfte.

mjtr/mr.t-Angehörige sind in unserem Siegelmaterial bereits in den ältesten Besiedlungsschichten der Mitte bis 2. Hälfte der 2. Dyn. in der Festung sowie im Satet-Süd nachzuweisen und während der gesamten 3. Dyn. bis zum Beginn der 4. Dyn. in zahlreichen graphischen Varianten durchgehend präsent. Dabei lassen sich morphologogisch mehrere graphische Kompositionen unterscheiden, deren älteste das Hieroglyphenzeichen darstellt, das bis in die 3. Dyn. anzutreffen ist. Parallel dazu taucht bereits in der 2. Hälfte der 2. Dyn. in den Schichten von Stratum 7 des auf, das jedoch Festungsareals das Kompositum nur kurz Leitform dieses Titels war und spätestens gegen Ende der 2. Dyn. durch die neue graphische Komposition

4.6.4 Beititel und Epitheta

verdrängt wird, die ihrerseits zur führenden Schreibung des Titels für das gesamte AR avanciert.

4.6.4.1 Definition

Die stratigraphische Einbindung der morphologischen Kriterien dieses Titels macht gleichzeitig deutlich, daß dieser nicht erst am Ende der 2. Dyn. entstanden ist, wie die bisherigen Publikationen andeuten, sondern bereits zur Zeit der ägyptischen Inbetriebnahme der Festung auf Elephantine spätestens von der 2. Hälfte der 2. Dyn. an nachgewiesen werden kann. Parallel dazu läßt sich eine interessante funktional-inhaltliche Entwicklung des Titels beobachten. Während nämlich der in den ältesten Schichten der 2. Hälfte der 2. Dyn. auftretenden mjtr/mr.t eng

Die neue und grundsätzliche Überlegung hierzu liefert das Siegelwesen an sich sowie die funktionale Bestimmung des Siegels. Der Besitz desselben ist prinzipiell etwas sehr persönliches, das man mit niemandem, nicht einmal mit seiner Frau (die ja ihr eigenes Siegel besitzt),1478 geschweige denn mit Arbeitskollegen teilt. Es bringt unmißverständlich die Verantwortung zum Ausdruck, die einem damit allein zuteil wurde. Von dieser individuellen Vorstellung ausgehend, die der Anfertigung eines ganz eigenen Siegels zugrundeliegt, erhalten dieselben, in den Siegelsequenzen der spätarchaischen Zeit (2. Hälfte der 2. Dyn. bis Ende der 3. Dyn.) immer wieder begegnenden Wortgruppen eine neue semantische Dimension. Sie kommen auf den Siegelbildern lediglich ein einziges Mal vor und sind daher mit dem sich meist wiederholenden Privatnamen nicht zu identifizieren bzw. zu verwechseln. Derartige Qualifikationen stellen besondere Eigenschaften des Siegelbesitzers heraus, die nachfolgend ebenfalls als Beititel oder als Epitheta aufgefaßt werden. Erstere gelten dabei in dieser frühen Zeit als Pseudo-Titelbezeichnungen, die den eigentlichen administrativen Titel zwar ergänzen, jedoch für diesen nicht repräsentativ sind, da sie auf Denkmälern der spätarchaischen Zeit, z. B. auf Speisetischszenen in den Gräbern vollkommen unerwähnt bleiben. Das Mitführen eines oder mehrerer Epitheta hat einen anderen

mit der Institution des wsx.t-“Wirtschaftshof / Halle” verbunden zu sein scheint, zeigen die Siegelungen der jüngeren Besiedlungsniveaus vom Ende der 2. Dyn. im Südbereich des Festungsareals, daß Angehörige dieses “Standes” dort vornehmlich mit der Kontrolle bzw. Abgabe von verpackten, z. T. auch importierten und kostbaren Waren bzw. Produkte wie Natron oder Salz in Holzkisten und in Gefäßen betraut waren. Noch weiter differenzieren läßt sich die Betrachtung der jüngeren, in die 3. und den Beginn der 4. Dyn. zu datierenden Befunde der Nordost- und Oststadt. So zeigen Siegelungen aus der ersterem Stadtbereich, daß die mjtr/mr.t vorwiegend für die Versiegelung von Kisten zuständig waren. Die Erwähnung einiger zusätzlicher Beamtentitel ermöglicht die Bestimmung des Fundortes als S(.t)/mr(.t)/spA.t-“Agrarbetrieb” bzw. “Bezirk”, d. h. als Bestandteil einer umfassenden landwirtschaftlichen Produktions-und Anlieferungsstätte,1476 in der die abgegebenen Lebensmittel und sonstigen Produkte und Waren aufbewahrt und teilweise von den mjtr/mr.t verwaltet wurden.1477

nicht nur die dort gefundenen Amtssiegelungen des HA.tj a mr Hm(.w) nTr Jmnjj snb die Funktion dieses Gebäudes bezeugen; vielmehr bestätigt meine Lesung der Titel xtm(w).t(j) jxt S/spA.t -“Schatzverwalter der Produkte des S(.t)/spA.t-“der Farm/des Agrarbetriebes/des Bezirks” und xtm(w).t(j) abb.wj a pr -“Schatzverwalter der Langhornrinder und der aArbeitskraft der Domäne” - die ökonomische Funktion dieses Gebäudes als Versorgungsstätte und Agrarbetrieb und lassen in diesem Gebäudekomplex des Mittleren Reiches und der 2. Zwischenzeit den funktionellen Nachfolger der “Nordoststadt” der Frühzeit bzw. des frühen Alten Reiches erkennen. 1478 Vgl. hierzu die Situation im Papyrus Westcar, wo die Gemahlin in Abwesenheit ihres Mannes die von ihm verschlossene und versiegelte Kiste aufbricht und anschließend ihr eigenes Siegel aufdrückt, A. M. Blackman, The Story of King Kheops and the Magicians, Ed. for publ. W. V. Davies, London 1988, S. 16, Z. 12,5-6.

1476

Hierzu sei auf P. Posener-Kriéger, die das Toponym rA S, gelegentlich mit einem pr Sna verbunden, als “organisme fournisseur de denrées” versteht, s. dies., Archives Abousir II, S. 617. 1477 Vgl. auch v. Pilgrim, Untersuchungen in der Stadt des Mittleren Reiches und der Zweiten Zwischenzeit, Elephantine XVIII, AV 91, Mainz 1996. Für eine ähnliche Versorgungsfunktion im Mittleren Reich sei insbesondere auf das von C. v. Pilgrim untersuchte Gebäude H 84 in Elephantine verwiesen, das er als xtmw identifiziert hat. Ich möchte an dieser Stelle noch einen Schritt weitergehen, da meiner Auffassung nach

149

JEAN-PIERRE PÄTZNICK

Sinn und drückt unmißverständlich das Verhältnis des Beamten zum König sowie die belebende Kraft der Liebe des ägyptischen Herrschers zu den auserwählten Amtsträgern aus. Obwohl auf Denkmälern dieser Zeit nicht belegt, sind sie dennoch als Vorreiter einer Tradition zu verstehen, die sich nicht nur im Dekorationsprogramm niedergeschlagen hat, sondern auch in den biographischen Inschriften der Gräber des Alten Reiches ihren Wiederhall findet, womit sie eigentlich die Wurzel der “Autobiographie” bilden. 4.6.4.2 Der Beititel

oder in unmittelbarer Nähe der Hieroglyphengruppe scheint graphisch dieser Gruppe zugehörig zu sein - was durch zwei weitere Beobachtungen erhärtet wird: Bei einer Umstellung des Zeichens

phengruppe , wie sie in der seltenen Form vorkommen kann, ist eine Plazierung von auf dem nachgestellten bzw. festzustellen.1484 Dieser Umstand erweckt den Eindruck, als würde die Stellung der

nfr mAa jz.t

Gruppe einen direkten Einfluß auf die Plazierung des Zeichens nach sich ziehen. Ein anderer Beleg zeigt die ungewöhnliche Stellung des Zeichens direkt unter

4.6.4.2.1 Belegsituation Graphisch wird diese epithetische Bezeichnung meist mit

,1485 so daß auch hier die beiden hieroglyphischen Elemente fest zusammenzugehören scheinen, weswegen

der Hieroglyphengruppe wiedergegeben. Die frühesten bekannten Nachweise dieser Schreibung stammen aus den abydenischen Talbezirken der Könige Peribsen und Chasechemui (2. Hälfte der 2. Dyn./Ende der 2. Dyn. bzw. Beginn der 3. Dyn.)1479 und begegnen auf Siegelsequenzen während der gesamten 3. Dyn.1480 Zu Beginn der 4. Dyn. scheint diese Bezeichnung dann aus dem Siegelmaterial verschwunden zu sein.1481

mit dem Zusatz eine Determinierung der Gruppe bereits in dieser Zeit anzunehmen ist. Für die Lesung von würde dies bedeuten, daß keinesfalls als qd sondern vielmehr als jz.t-“Mannschaft, Grab, Werkstatt” zu verstehen sei, wie sich dies in archaischen Titeln findet.1486 Schwierig bleibt die Deutung der Hieroglyphengruppe

4.6.4.2.2 Lesung und Interpretation

, die bislang im Wörterbuch nicht belegt ist.1487 Das

Diese Zusammensetzung dreier Hieroglyphenzeichen wurde von Kaplony als Personenname nfr qd mAa.t gelesen und mit “Schön ist das Wesen der Maat” übersetzt.1482 Da diese Lesung jedoch eine Inversion der Zei-

Fehlen des Zeichens in der Gruppe auf der Mehrzahl der Belege bestätigt, daß es für die Lesung mAa.t nicht zwingend ist. Aufschlußreich für die Lesung

chen und voraussetzt, die nur selten belegt ist,1483 kann ihr kaum allgemeine Geltung zugeschrieben werden. Der Nachweis des Zeichens

von ist der Nachweis der Femininendung nfr.t auf einigen Belegen, die damit indirekt auf ein feminines Bezugswort innerhalb der Hieroglyphengruppe hinweist1488 - womit einer Verknüpfung von nfr.t und jz.t

entweder über

1479 Abydos III, Tf. X, Abb. 24. Allerdings muß darauf aufmerksam gemacht werden, daß es nicht ausgeschlossen erscheint, daß der Einzelfund im Talbezirk von Peribsen aufgrund seiner Nähe zum Talbezirk von Chasechemui von diesem dort hätte hineinkommen können; Abydos III, Tf. IX, Abb. 14 und P. E. Newberry, op. cit. Tf. XXIV, Abb. 11-14. 1480 J. Garstang, Bet Khallaf, Tf. X, Abb. 13, XIX, Abb. 25; J. E. Quibell Hierakonpolis II, Tf. LXX, Abb. 18 mit vertikalen Trennleisten. 1481 Ein ähnlicher Befund ist an den Siegelungen mit der sozialen Bezeichnung rnw/jrj nw und rnw.tj/jrj nw.tj zu verzeichnen, so daß möglicherweise das Verschwinden beider Bezeichnungen auf den Siegelbildern auf eine radikale Reform zu Beginn der 4. Dynastie zurückzuführen ist. Inwiefern dies eine umfassende soziale Umstrukturierung unter den Königen Snofru oder Cheops widerspiegelt, läßt sich zwar nicht direkt beweisen, kann aber auch nich gänzlich ausgeschlossen werden. 1482 So P. Kaplony, IÄF, S. 549. Personenname sind allerdings nur in der Form Nfr mAa.t, PN I, S. 196, 17 oder Nfr qd, PN I, S. 200, 15 zu belegen; W. Helck, in: LÄ III, Sp. 1118, Anm. 2, äußert sich darüber zurückhaltend: “Die bei Kaplony , Inschriften, 483. 404. 543 aufgeführten, angeblich mit mAa.t gebildeten Personennamen sind entweder in der Lesung unsicher oder in der zeitlichen Zuweisung.” 1483 IÄF III, Tf. 89, Abb. 341 oder Tf. 100, Abb. 431 mit Umkehrung und dem Zusatz sowie SIÄF, Tf. 6, Abb. 909, wo des Zeichen

die Gruppe

nur mit dem Zeichen

und der Hierogly-

1484

IÄF III, Tf. 89, Abb. 341; das Fehlen von

als Komplemen-

und die hierfür verwendete Einfügung des Zusatzes tierung von mAa macht die Austauschbarkeit und die Komplementierung beider Zeizugunchen deutlich und klärt damit die Frage der Zugehörigkeit zu sten einer Lesung mAa in entscheidener Weise. 1485 IÄF III, Tf. 100 , Abb. 431 und A. J. Spencer, Catalogue of Egyptian Antiquities in the British Museum V, Early Dynastic Objects, London 1980, S. 60, Tf. 37, Abb. 419. Ein Wort mAa.w - “Erzeugnisse, Tribute, Kostbarkeiten” mit diesem Determinativ und Pluralstrichen belegt das Wörterbuch (WB II, S. 23, 10-13) erst ab dem MR. 1486

, smsw jz.t - “Kammerältester” auf den Holzpanellen des Hezire-Grabes zu Beginn der 3. Dyn.; s. auch H. G. Fischer , “An Old Kingdom Monogram : “, in: ZÄS 93, 1966, S. 56 - 69, wo der Autor, nach einer ausführlichen Diskussion der Graphien qd und jz/jz.t (bes. Abb. 3) die Lesung jrj (w) jz.t anstelle der anderen Variante jrj(w) qd für den alten Titel eines “Grabbauers” oder “Tomb Maker” bevorzugt. 1487 Das Wörterbuch kennt lediglich einen Beleg (WB II, S. 23, 10-13), wo mAa (.w) allerdings mit der Bedeutung “Kostbarkeiten, Erzeugnisse” mit jenem Zeichen und einem Pluraldeterminativ vorkommt. 1488 IÄF III, Tf. 96, Abb. 388 u. Abydos III, Tf. X, Abb. 24; IÄF III, Tf. 99, Abb. 418 und Tf.100, Abb. 431 und A. J. Spencer, op. cit., S. 60, Tf. 37, Abb. 419.

wiedergegeben ist.

150

DIE SIEGELABROLLUNGEN UND ROLLSIEGEL DER STADT ELEPHANTINE

bereits als oberste Königspflicht in der Namenserweiterung des Horus Sechem-ib als pr(j) n mAa.t aus der 2. Hälfte der 2. Dyn. angedeutet ist.1494

nichts im Wege stünde. Werden die Elemente des Monogramms auch allmählich faßbar, so bestehen bezüglich ihrer Anordnung und Lesung noch viele Unsicherheiten. Eigentümliche Schreibungen1489 sowie die Austauschbarkeit der Zeichen und

Interessant ist, daß in diesem Monogramm der 3. Dyn. und damit einem bis jetzt als Personennamen verkannten Beititel der Ursprung der späteren Maat-Ideologie bereits verschlüsselt gewesen sein dürfte. Dafür spricht auch der Nachweis dieses Beititels in einer Zeit, in der der Staat von Horus Chasechemui in einem Gewaltakt neu zusammengefügt wurde (Ende der 2. Dyn.). Ebenso kommt ihm bei der Neuorganisation des Landes sowie der Führung der beiden Länder geradezu grundlegende religiöse und politische Bedeutung zu.

erschweren das Verständnis erheblich.1490 In

Anbetracht der Häufigkeit, mit der sich findet - elf (von 16) Belege -, die zugleich die älteste Form (Ende der 2. Dyn.) darstellt, kann sie wohl als die ursprüngliche Anordnung gelten. Davon ausgehend wird eine Lesung nfr/nfr.t(j) mAa (.t) jz.t1491 -“Vollkommen ist der/die, der/die die Mannschaft führt” bzw. “Der/Die vollkommen ist bei der Führung/Leitung der Mannschaft” vorgeschlagen.

4.6.4.2.3 Der Beititel

Dabei dürfte das Monogramm besonders die mustergültige Führung der Mannschaft oder des Büros des Siegelbesitzers bezeugt haben und spielt ganz offensichtlich auf das Führungswesen, z. B. die Qualität der Menschenführung des Siegelinhabers an, womit der Motor, d. h. die treibende Kraft der altägyptischen Verwaltung zum Ausdruck gebracht wird.1492 Beide, sowohl der Vorgesetzte als auch der Untergebene, stehen somit für die zwei Komponenten eines “contrat social”. Entscheidend für das Funktionieren dieses Verhältnisses ist die Festlegung der Rollen, wonach jeder weiß, an welcher Stelle er sich befindet und wo seine Verpflichtungen gegenüber dem anderen liegen. Während der Vorgesetzte gegenüber seinen Untergebenen Fürsorgepflicht hat, hat dieser wiederum Leistung und Gehorsam zu erbringen. Eine solche gegenseitige Pflichterfüllung schafft eine funktionierende Ordnung innerhalb der Hierarchie bzw. der altägyptischen Gesellschaft, die schon lange als das Wesen der Maat-Konzeption erkannt worden ist1493 und

dem Beititel in Fundkontexten geborgen wurden, die frühestens in die 3. Dyn. zu datieren sind und daher eine interessante chronologische Parallele zum abydenischen Befund des Talbezirks von König Chasechemui (Ende 2./Begin der 3. Dyn.) sowie zum Siegelmaterial der Stadt Hierakonpolis (vorwiegend 3. Dyn.) aufzeigen.

im Elephantiner Material

Dieser Beititel findet sich auf 67 Siegelungen, von denen allein 61 aus der Oststadt stammen. Fünf weitere wurden in der Nordoststadt und lediglich eine in der Festung gefunden, wohingegen keine einzige auf dem Siegelmaterial des Südbereichs des Satettempels nachzuweisen ist. Bemerkenswert ist die Tatsache, daß die Siegelungen mit

Innerhalb der 67 erhaltenen Siegelsequenzen unseres Materials ist auf vollständig erhaltenen bzw. zu rekonstruierenden Siegelbildern (22) sowie auf Bruchteilen davon (45) erkennbar. Erstere lassen sich in verschiedenen Kategorien von Sequenzen erfassen:

1489

U. a. IÄF III, Tf. 100, Abb. 428 u. A. J. Spencer, op. cit. S. 59, Tf. 37, Abb. 410, Tf. 100, Abb. 429 u. ders., ibid. S. 62, Tf. 38, Abb. 444; vgl. die graphischen Formen E5 u. E6 auf Tafel XX und siehe S. 279 f. 1490 U. a. P. Kaplony ,IÄF III, Tf. 89, Abb. 341 u. 100, Abb. 431; ders., SIÄF, Tf. 5, Abb. 903. 1491 IÄF III, Tf. 98, Abb. 404 und A. J. Spencer, a. a. O. S. 59, Tf. 37, Abb. 411. Das t könnte Femininendung zu mAa.t sein oder die Lesung jz.tbestätigen. Möglich wäre auch, es als gemeinsamer Nenner, d. h. als Femininendung von beiden, mAa.t und jz.t, zu verstehen. 1492 Hierzu für sich sprechend die 5. Maxime in der Lehre des Ptahhotep: “Wenn du ein Mann in leitender Stellung bist, der vielen Befehle gibt, dann strebe fortwährend nach richtigem Handeln, bis dein Verhalten ohne Fehl ist”, nach J. Assmann, Maat, Gerechtigkeit und Unsterblichkeit im Alten Ägypten, München 1990, S. 92. 1493 J. Assmann, op. cit., insbes. die Maat als “das Füreinander-Handeln als aktive Solidarität/ Reziprozität, S. 60 ff. Noch treffender drückte dies Assmann mit den Worten aus: “Sur le plan de la société, la Maât établit les liens qui lient l´homme à l´homme et assurent l´intégration sociale, “Que c´est beau d´agir pour celui qui agit” oder auch “Heureux est le coeur de celui qui agit pour celui qui a agi pour lui”, J. Assmann, Maât, l´Egypte et l´idée de justice sociale, Paris 1989, S. 41. In diesem Zusammenhang möchte ich auf die Lesung der folgenden Siegelinschrift nfr mAa jz.t st=f-“Vollkommen ist der, der die Mannschaft seines Büros (!) führt” hinweisen, die dies m. E. bestens unterstreicht bzw. ergänzt, s. hierzu B. van de Walle, El Kab III, Typ E: E 7836-7838.

Lediglich ein Exemplar der Oststadt zeigt ein zweigliedriges Siegelbild der Form PN+BEI.1495 Dreigliedrige Siegelsequenzen finden sich auf fünf Siegelungen von mjtr/mjtr.t-Angehörigen der Nordoststadt und der Oststadt, wo sie die Muster S+PN+BEI und S+BEI+PN aufweisen1496 sowie auf zwei weiteren Siegeln der Oststadt mit der Abfolge PN+BEI+PN.1497 Viergliedrige Siegelsequenzen lassen sich auf 13 Siegel 1494 Siehe W. Barta, in: ZÄS 116, 1989, S. 118 und S. 129, der Peribsen als - “Der ihr Herz Hervorkommenlassende” - und Sechem-ib als - “Der des Herzens Mächtige” - bzw. Sechem-ib pr(j) n mAa.t- “Der des Herzens Mächtige, der herauskommt zur Maat” - übersetzt. 1495 Oststadt: Kat. 508, 510 und 511; vgl. hierzu IÄF III, Tf. 99, Abb. 419. Bemerkenswert ist hier die Gliederung des Siegelbildes mit vertikalen Trennleisten, wodurch es signifikantes Merkmal für eine Datierung ab der 2. Hälfte/Ende der 3. Dyn. ist. 1496 Nordoststadt: Kat. 046 und 048; Oststadt: Kat. 487 und 661; Oststadt: Kat. 284 stellt ein Frauensiegel (=mjtr.t), s. hierzu ausführlich Kap. Frauensiegel S. 121 f. 1497 Oststadt: Kat. 420 sowie 511.

151

JEAN-PIERRE PÄTZNICK

Vollst. Siegelsequenz S: Sozialstand/Status PN+BEI S+PN+BEI / S+BEI+PN PN+BEI+PN S/BT+PN+BEI+PN u. ä. S+BT+PN+BEI PN+BT+PN+BEI S+PN+BEI+PN S+PN+BEI1+PN+BEI2+PN GESAMT

Oststadt rnw

mjtr

NO-Stadt mjtr

rnw.tj

GESAMT

1 2

1

1

2 1 1 1

4

4

1

7

8

4 1

1 3

1

1 5 2 1 1 1 10 1 22

Tabelle 57: Stadttopographische Verteilung des Beititels nfr mAa jz.t in vollständig erhaltenen Siegelsequen zen bildern nachweisen, die damit über 50% der vollständig erhaltenen Siegelungen ausmachen. Von diesen stammen 12 aus der Oststadt und eins aus der Nordoststadt. Zwei Belege nennen einen Beamtentitel und zeigen viergliedrige Muster der Form S/BT+PN+BEI+PN bzw. S+BT+PN+BEI. In diesem Fall trägt der Siegelbesitzer den Titel rnw/jrj nw nTr.t-“Lokalbeamter der Göttin” mit dem hierzu charakterisierenden Beititel nfr mAa jz.t nTr.t (!), während der andere Siegelinhaber als n(j) Hm nTr-“ Angehöriger der Priesterschaft” ausgewiesen ist.1498 Lediglich in einem Fall war eine Sequenz PN+BT+PN+BEI einem jtj-“Fürst / Patron” in der Oststadt zuzuweisen.1499 Bei den übrigen viergliedrigen Siegelsequenzen handelt es sich um neun Zivilsiegel der Form S+PN+BEI+PN mit Wiederholung des PN. Dabei stellen die mjtr/mjtr.t1500 vier und die rnw/jrj nw bzw. rnw.tj/jrj nw.tj1501 fünf Belege.

mjtr - (6) und der rnw/jrj nw bzw. rnw.tj/jrj nw.tjLokalbeamtenschaft (10) zuzuordnen. Neben zwei Abrollungen, auf den nur der Beititel nfr mAa jz.t erkennbar ist,1503 entstammen 20 Exemplare der Kategorie “mind. zweigliedrig” und zeigen hauptsächlich zwei Varianten auf: an 16 Teilsiegelungen ist die Abfolge BEI+PN+?/ PN+BEI+? zu erkennen,1504 während drei die Sequenz BEI+S+? bzw. S+BEI+? aufweisen.1505 Zu dieser Kategorie gehört der vereinzelte Beleg BEI+KP (Kornspeicher)+? aus der Oststadt.1506 Die Gruppe der “mind. dreigliedrigen” Siegelungen läßt 16 Exemplare erkennen. Abgesehen von zwei vereinzelten Mustern ?+BEI1+PN+BEI2+? bzw. ?+BEI+?+ BT+S+?, welches den Titel xt(j) eines mjtr-Angehörigen ausweist1507 sind wiederum zwei Gruppen zu unterscheiden: während der eine PN+BEI+PN+?1508 vier Exemplare zuzuordnen sind, stellt das andere Muster BEI+PN+S+? und seine zahlreichen Kombinationen mit 10 Objekten den Hauptanteil dieser Kategorie, wobei sowohl mjtr als auch rnw/jrj nw bzw. rnw.tj/jrj nw.tj-“Lokalbeamten” je fünf Siegelungen zuzurechnen sind.1509

Lediglich ein einziger Nachweis für eine sechsgliedrige Sequenz ist in der Oststadt gefunden worden und weist die Abfolge S+PN+BEI1+PN+BEI2+PN eines rnw.tj/jrj nw.tj-“Lokalbeamter” auf. Bezeichnend für diese Sequenz ist das Mitführen der zwei Beititel sAD (BEI1) und nfr mAa jz.t (BEI2) sowie die Wiederholung des PN zu jedem Glied des Siegelbildes.1502

Am variantenreichsten ist die Gruppe der “mind. viergliedrigen” Siegel. Sie stellt mit fast je einem Beleg vier verschiedene Abfolgen, die u. a. in der nachfolgenden Tabelle aufgeführt sind.1510 Darüberhinaus weist sie eine erste Beamtensiegelung der Abfolge BT1+BT2+?+ BEI+PN auf, welche die Bezeichnung Hm nTr.t n(j) ds“Diener der Göttin und Schlächter/Opferer” trägt sowie ein zweites Beamtensiegel mit der Sequenz

Demgegenüber steht ein Komplex von 45 mangelhaften Siegelsequenzen, die zum größten Teil (42, d. h. 93,5% !) aus der Oststadt stammen. Aufgrund der Unvollständigkeit der Siegelbilder sind sie in verschiedene Kategorien (sog. Mindestgliederung) unterteilt worden, so daß zwischen “mind. zweigliedrig” bis “mind. fünfgliedrig” zu unterscheiden ist. Von diesen sind insgesamt 16 der 1498

1503

Oststadt: Kat. 295, s. auch hierzu Kap. Ausblick S. 212; mit Kat. 396 handelt es sich um ein Holzrollsiegel s. diesbezüglich S. 11 und Kap. Ausblick S. 212 1499 Oststadt: Kat. 508 1500 Nordoststadt: Kat. 047; Oststadt: Kat. 308, 397 und Kat. 320 sowie Kat. 465 (Frauensiegel=mjtr.t-Status-/Titelträgerin), siehe hierzu S. 141ff. 1501 Oststadt: Kat. 375, es handelt sich hierbei um ein Holzrollsiegel, s. hierzu S. 11; Oststadt: Kat. 376, 379, 664 von rnw.tj/jrj nw.tj“Lokalbeamten” und Kat. 435 eines rnw/jrj nw und nfr mAa jz.t (der) mjtr, womit die höhere Einstufung der rnw/jrj nw-“Lokalbeamten” gegenüber den mjtr-Titelträgern weiterhin belegt wäre, s. hierzu bereits S. 136 1502 Oststadt: Kat. 600, s. auch S. 41f.; zu sAD siehe S. 155ff.

Oststadt: Kat. 542 und 614. Nordoststadt: Kat. 073 und 088 sowie Oststadt: Kat. 283, 346, 354, 369, 388, 392, 421, 427, 503, 549, 556, 589, 643 und 653. 1505 Oststadt: Kat. 276, 315 und 423, die alle rnw/rnw.tj-“Lokalbeamten” ausweisen. 1506 Oststadt: Kat. 558 1507 Oststadt: Kat. 409, zur Abrollung siehe Anm. 560 Kat. 523, s. hierzu S. 146, Anm. 1465. 1508 Oststadt: Kat. 390, stellt eine Teilversiegelung des Siegels von ¡m nb=f, 440, 486 und 633. 1509 Festung: Kat. 123 mit der Graphie E7, s. hierzu S. 154; Oststadt: Kat. 281, 585, 611 und 642, zu mjtr siehe S. 137ff.; Oststadt: Kat. 408, 509, 516, 521, 639 und 655, zu den “Lokalbeamten” siehe S. 124ff. 1510 Oststadt: Kat. 401,471, 526 und 561. 1504

152

DIE SIEGELABROLLUNGEN UND ROLLSIEGEL DER STADT ELEPHANTINE

Mind. Siegelseq. S: Sozialstand/Status BEI+PN+? / PN+BEI+? BEI+S+? / S+BEI+? BEI+KP+? BEI+PN+S+? u. ä. BEI1+PN+BEI2+? PN+BEI+PN+? BEI+?+BT+S+? PN+BEI1+PN+BEI2+? BT+PN+BEI+PN+? BT1+BT2+?+BEI+PN PN+BEI1+?+BEI2+PN+? S+PN+?+BEI2+BEI1+PN+? PN+BEI2+PN+BEI1+PN+? ?+BEI+? GESAMT

Festung mjtr

mjtr

Oststadt rnw

rnw.tj

1

2

3

3

14

NO-Stadt mjtr

Ges.

2

16 3 1 11 1 4 1 1 1 1 1 1 1 2 45

1 1

4 1 4 1 1 1 1 1

1

1

1 2 27

5

10

2

Tabelle 58: Stadttopographische Verteilung des Beititels nfr mAa jz.t in unvollständigen Siegelsequenzen BT+PN+BEI+PN+?.1511

Graphie E1 als ein chronologisches Charakteristikum der 3. Dyn. Dieser Zeitansatz im frühen Alten Reich wird sowohl von den aufgezeigten Parallellen aus dem abydenischen Talbezirk von König Chasechemui (Ende der 2./Beginn der 3. Dyn.) untermauert, als auch von der epigraphischen Seite unterstützt. Ausschlaggebend hierfür ist der Nachweis von E1 und weiteren Bezeichnungen auf ein und derselben Siegelsequenz, die für diese Zeiteinordnung geradezu typisch sind. Fünfmal begegnet E1 zusammen mit der Graphie C2 von rnw.tj/jrj nw.tj oder mit sAD. Einmal taucht sie sogar mit C2 und sAD auf einer vollständig erhaltenen sechsgliedrigen Sequenz auf. Dreimal findet sie sich gemeinsam mit der graphischen Variante C1 rnw/jrj nw.1514

Lediglich zwei Beispiele sind der Kategorie der “mind. fünfgliedrigen” Siegelmuster zuzuweisen.1512 Beide sind in der Oststadt gefunden worden und zeigen die Formen S+PN+?+BEI2+BEI1+PN+? bzw. PN+BEI2+PN+ BEI1+PN+?. In beiden Fällen ist ein zusätzlicher Beititel entweder - nfr mAa jz.t (BEI1) oder sAD (BEI2) - wie beim sechsgliedrigen und “mind. dreigliedrigen” Muster hinzugefügt, so daß hier möglicherweise ein weiteres Charakteristikum vorliegen könnte. Betrachtet man die graphische Wiedergabe der Gruppe näher, so lassen sich sieben Varianten unterscheiden, die sowohl im Katalog als auch im fortlaufenden Text mit E0-E7 bezeichnet sind.1513 E0 charakterisiert alle nicht paläographisch einwandfrei erkennbaren Spuren dieser Gruppe. E1 stellt das wohl älteste (Ende der 2. Dyn./Beginn der 3. Dyn.) und häufigste (39) Muster dar, daß an 35 der 62 Siegelsequenzen der Oststadt bzw. an vier von fünf (!) Exemplaren in der Nordoststadt nachzuweisen ist. Diese Graphie findet sich im Unterschied dazu nicht in den Schichten der Festung. Diese Tatsache, daß die Schreibung E1 konzentriert in der Oststadt, d. h. aus den freigeleten Baustrukturen eines Verwaltungskomplexes der 3. Dyn., und vereinzelt in der Nordoststadt in Räumlichkeiten eines ebenfalls in die 3. Dyn. zu datierenden Gebäudes auftaucht, erweist die

E2 stellt die Variante mit dem graphischen Zusatz dar. Diese Schreibung ist an 13 Siegelungen nachweisbar, die alle aus der Oststadt stammen. Auch E2 ist als Datierungskriterium der 3. Dyn. zu werten, wofür nicht nur der datierte Fundkontext, sondern auch das gemeinsame Auftreten auf einer Siegelung mit der Graphie C2 spricht. E3 und E4 weisen die Femininendung t oberhalb oder unterhalb der Gruppe mAa auf. Beide Schreibungen sind im Siegelmaterial kaum vertreten und kommen ansonsten nur in der Oststadt vor. Während E3 lediglich einmal begegnet, finden sich drei Siegelungen von E4. E5 weist eine sehr eigentümliche Schreibung auf, die im Material lediglich ein einziges Mal vertreten ist und ansonsten in der Literatur nicht nachzuweisen ist. Die Graphie zeigt eine ungewöhnliche Anordnung, nach der

1511

Oststadt: Kat. 471 sowie Kat. 526 mit dem unklaren/unsicheren Titel tj nxb.t (?). 1512 Oststadt: Kat. 576 und Kat. 335 als Siegelung von ¡m nb=f. 1513 Siehe zunächst Tafel XX - E im Anhang. Außerdem ist darauf

die Hieroglyphe

hinzuweisen, daß die graphische Wiedergabe der Gruppe nicht nur innerhalb dieser sechs Varianten erstarrt ist, sondern daß sie eine Fülle an Kompositionsmöglichkeiten aufweist, die durchaus verschiedene Graphien miteinander kombinieren können.

1514

in der Mitte bleibt, während die Zei-

Zur zeitlichen Einordnung der Graphien C1 und C2 und von D, s. Tabelle 51 auf S. 136 sowie Tabelle 60 auf S. 154

153

JEAN-PIERRE PÄTZNICK

Festung

nfr mAa jz.t E0 E1 E2 E3 E4 E5 E6 E7 E8 GESAMT

Oststadt

Nordoststadt 1 4

7 35 12 2 2 1 1 1 1 61

1

5

GESAMT 8 39 12 2 2 1 1 1 1 67

Tabelle 59: Stadttopographische Verteilung der paläographischenVarianten E0-E8 des Beititels nfr mAa jz.t Oststadt E0 E1 E2 E4 E5

C0

C1

XX

X

C2 X XX X

C4

D0

D1

D3

D4/D5

X

X

X

X

D7

X X

Tabelle 60: Zusammen mit den Graphien E0-E5 des Beititels nfr mAa jz.t vorkommende Paläographien

chen

mit ihm auf die Menschenführungsqualität des Siegelinhabers angespielt sein. Diese Bezeichnung taucht erstmals auf Siegelungen im abydenischen Talbezirk des Königs Chasechemui (Ende der 2./Anfang der 3. Dyn.) auf. Ihr Fundkontext stimmt dabei sowohl mit dem der Stadt Hierakonpolis als auch mit dem auf Elephantine überein, wo Siegelfunde in verstärkter Konzentration in der Nordoststadt und v. a. in der Oststadt aus Fundkontexten der 3. Dynastie zum Vorschein kamen.

und die Plätze tauschen.

E6 ist durch die Inversion von mA gekennzeichnet und ebenfalls nur mit einem einzigen Exemplar belegt, das in der Oststadt gefunden wurde. Ebenso stellt E7 eine einmalige graphische Variante dar, die nur in der Festung in Schichten der 3. Dyn. geborgen wurde. Hierbei kommt es zu einem Austausch von und , während wie gewöhnlich an erster Stelle bleibt. Mit der Nachstellung der Gruppe

Die epithetische Bezeichnung ist auf 67 Siegelsequenzen erhalten, von denen 64 Zivilsiegelungen und lediglich drei Beamtensiegelungen darstellen. 22 Siegelbilder sind vollständig zu rekonstruieren, während 45 nur teilweise erhalten sind. Dabei lassen sich insgesamt zwei-, drei-, vier- und sechsgliedrige Muster unterscheiden, unter denen die dreigliedrigen und viergliedrigen überwiegen. Erstere zeigen Siegelungen von mjtrAngehörigen aus der Nordoststadt und aus der Oststadt, während letztere prinzipiell auf Siegelungen von rnw/jrj nw und rnw.tj/jrj nw.tj-Lokalbeamten1516 aber auch auf denen von mjtr-Leuten (7:8) zu finden sind.1517 Graphisch

ist auch die Nachziehung des Zeichens

auf die Gruppe

festzustellen.1515

Tabelle 54 macht einerseits das reiche Kombinationsspektrum von E1 zusammen mit anderen Bezeichnungen auf derselben Siegelsequenz anschaulich sowie andererseits den Nachweis der Graphie C2 von rnw.tj/jrj nw.tj zusammen mit dem Beititel nfr mAa jz.t, womit seine epigraphische Einordnung in die 3. Dyn. zu bestimmen ist.

in acht Schreibvarianten (E1läßt sich der Beititel E8) unterteilen, wovon hauptsächlich zwei, E1 und E2, die je mit 39 und 12 auf den 67 Siegelsequenzen erkennbar sind, von Relevanz sind. Der Nachweis von E1 und E2 zusammen mit den Graphien C1 oder C2 von

4.6.4.2.4 Zusammenfassung Faßt man die bisherigen Ergebnisse zusammen, so entpuppt sich die bisher als Personenname gedeutete Hieroglypengruppe als ein eigenständiger Beititel. Legt man für diesen die Lesung nfr mAa jz.t zugrunde, so dürfte 1515

1516

20 Siegelungen von rnw/jrj nw und rnw.tj/jrj nw.tj-“Lokalbeamten” mit der Hieroglyphengruppe stammen ausschließlich aus der Oststadt. 1517 Zivilsiegelungen von mjtr mit dieser epithetischen Bezeichnung lassen sich hingegen in drei Stadtbereichen nachweisen. Zwölf der insgesamt 16 stammen aus der Oststadt, drei aus der Nordoststadt und nur eine aus der Festung.

Zur Deutung dieses auffälligen Merkmales als neuen Lesungs-

vorschlag der Gruppe

s. Anm. 1484

154

DIE SIEGELABROLLUNGEN UND ROLLSIEGEL DER STADT ELEPHANTINE in Negade.1526 Ein ähnlicher Befund ist weder aus dem Siegelmaterial von Buto im Delta aus der 2. Hälfte der 2. Dyn. noch in dem von Buhen am zweiten Nilkatarakt aus der 4. und 5. Dyn. bekannt. Beide Fundorte stecken mit diesem negativen Befund einen Zeitraum ab, der die ausgehende 2. Dyn. und die 3. Dyn. ziemlich genau umspannt und eine zeitgeschichtliche Periode widerspiegelt, die ihren Niederschlag in den datierten Befunden der ausgehenden 2. Dyn. und des frühen Alten Reichs gefunden hat.

rnw/jrj nw bzw. von rnw.tj/jrj nw.tj und/oder von D1, D3 und D4/D5 von sAD in derselben Siegelsequenz spricht für die 3. Dyn. als epigraphisches Charakteristikum für dieses Monogramm. Läßt sich dieser chronologische Ansatz durch den archäologischen Befund sichern, dann erfährt die paläographische Erschließung der Bezeichnung gerade aus diesem gesicherten Fundkontext eine bisher nicht geahnte chronostratigraphische Dimension, die das Monogram auf Siegelsequenzen der spätarchaischen Zeit zu einem grundlegenden datierungsrelevanten Kriterium der 3. Dyn. werden läßt.

4.6.4.3.2 Lesung und Interpretation Epigraphisch wird diese Bezeichnung meistens1527 mit

4.6.4.3 Der Beititel sAD AD einer Anordnung von vier Hieroglyphenzeichen wiedergegeben. Dabei stellen von der Plazierung ausge-

4.6.4.3.1 Belegsituation Der früheste Beleg1518 dieser Bezeichnung auf Siegelbildern ist bereits im Grab von Horus Chasechemui am Ende der 2. Dyn. in Abydos zu finden.1519 Weitere Nachweise sind in verschiedenen sepulchralen Bereichen, wie z. B. im Talbezirk des Königs Chasechemui in Abydos,1520 in Gräbern der 1. Hälfte der 3. Dyn. in Bet Khallaf1521 und in einem großen gestörten Grab des SüdFriedhofes von el-Qubanije1522 gefunden worden; andere wiederum stammen aus dem profanen Milieu von Siedlungen in Abydos,1523 Hierakonpolis,1524 El-Kab1525 und

hend die Morpheme

, s das Initialphonogramm (IP) und

, D das Finalphonogramm (FP) dieses Lexems. Das dritte Element , sA taucht meistens1528 am Ende dieser Gruppe auf, so daß der Schluß naheliegt, darin entweder das Semogramm/Determinativzeichen oder aber einen bestimmten graphischen Bestandteil dieser Hieroglyphengruppe zu erkennen bzw. zu vermuten. Charakteristisch für die Schreibung dieser Bezeichnung ist jedoch

1518

RT II, Tf. XXII, Abb. 189, wo nur noch das Palmenzeichen erhalten ist sowie der Titel zS- “Schreiber”. P. Kaplony in IÄF, S. 847, Anm. 953 hält es für möglich, daß die Siegelung aus einem anderen nahegelegenen funerären Komplex , d. h. aus dem Talbezirk von Peribsen stammen könnte, doch ist die Fundlage bisher ungeklärt geblieben. 1519 Bei der Durchsicht des gesiegelten Materials aus der Grabanlage dieses Königs aus den Magazinen des Kairener Museum konnte ich einen weiteren Beleg dieser Bezeichnung sichern. Es handelt sich dabei um JdE11114, wo die Reste des Initialkomple-

die Wiedergabe einer Palmenhieroglyphe 1525

1529

unmittel-

B. van der Walle, Empreintes de sceaux archaiques, Fouilles de El Kab III, Bruxelles 1954, Typus D, E 7828 - 7834 und E 7854; IÄF III, Tf. 93, Abb. 373. Dort führt der Siegelinhaber außerdem den Beamtentitel sHD (oder swD ?) nxb sowie die epithetische Bezeichnung anx mrr nsw.t. 1526 W. M. Fl. Petrie, Naqada and Ballas, Tf. LXXX, Abb. 35, wo nur noch die Palmenhieroglyphe und der Name des Siegelnden zu erkennen sind. Die Siegelung stammt nach Petries Angaben aus der “Tempelarea, Lower Levels”. Damit wären die unteren Niveaus des Tempelbereichs von Ombos entweder mit Siedlungsabfall der 3. Dyn. verfüllt oder aber sie datieren eben in diese Zeit . 1527 Eine Zusammensetzung von drei Hieroglyphen liegt ganz offensichtlich mit einer Siegelung in Hierakonpolis vor, s. Hierakonpolis II, Tf. LXXI , Abb. 39. 1528 Für eine Plazierung des Zeichens noch vor dem FP (Finalphonogramm), vgl. B. van de Walle, op. cit., E 7833. 1529 Ein ähnliches Palmenzeichen mit einem vorrangestelltem IP (Initialphonogramm) wird in einer Inschrift des Alten Reiches mit der Abbildung einer Sänfte bzw. einem Tragsessel determiniert, was damals von K. Sethe als sbnr-“Angenehm macher” gelesen wurde, s. Urk. I, 231, eine Übersetzung, die auch von I. Gammer-Wallert übernommen wurde, s. dies., Die Palmen im Alten Ägypten, MÄS 1, Berlin 1962, S. 40. Die relevante Textpassage befindet sich auf einem Steinpfeiler der verschollenen oder versandeten Grabanlage von PtH Hr Htp n(=j) im Kairener Museum; in diesem Zusammenhang sei auf Z. Saad, Ceiling Stelae in II. Dyn. Tombs from the Excavations at Heluan, SASAE 21, Cairo 1957, Tf. XXVII verwiesen, wo auf einer Stele der 3. Dyn. in der Rubrik der mitgegebenen Holzgegenstände eine Sänfte erwähnt ist, die Saad auf S. 48 als sAD - “a kind of furniture, judging from the determinativ its probably a palankeen” - beschrieb; zu sAD als Bezeichnung eines Bestandteiles der Grabausstattung der 3. Dynastie, vgl. hierzu die Angabe auf der Scheintür von ¢a (j) bA.w ¤kr, Grab Sakkara 3073, am Ende der 3. Dyn. im Kairener Museum, s. M. Murray, Sakkara, Bd.I, Tf. I + II. Als solches wurde auch sAD in der Möbel-Liste von P. Kaplony behandelt, s. hierzu ders., IÄF I, S. 339.

ments , gefolgt vom Palmenzeichen, sowie der Beginn eines mit dem Gott Min gebildeten, theophoren Namens zu erkennen sind. Es ist dabei nicht unwahrscheinlich, darin eine weitere Siegelung des bereits in Anm. 1518 besprochenen umstrittenen Fundexemplars zu sehen. Bemerkenswert ist außerdem, daß zwei Abdrücke von unterschiedlichen Siegelnden auf einem Verschluß angebracht waren, so daß auch hier ein Beispiel einer Doppelsiegelung vorläge; ein weiterer Nachweis dieser Bezeichnung aus der Zeit von Horus Chasechemui konnte ich einer Zeichnung entnehmen, die mir freundlicherweise von G. Dreyer vorgelegt worden war. 1520 RT II, Tf. XXIV, Abb. 216; Abydos III, Tf. IX, Abb. 10; P. E. Newberry, in: LAAA II, 1909, Tf. XXV, Abb. 22. 1521 J. Garstang, Bet Khallaf, Tf. X, Abb. 13. 1522 H. Junker, Kubanieh Süd, Wien 1909, S. 121, Abb. 63. Der gesiegelte Lehmverschluß wurde in Grab P 225, “einer Anlage mit Treppeneingang aus der späteren Zeit des Friedhofes “mit rechteckigem Grundriß des Typus VII gefunden. Junker merkte an: “A-Epoche, geplündert”. Der Siegelabdruck zeigt neben dem vermeintlichen PN des Siegelnden nicht nur die Reste eines Palmenzeichens, sondern auch das Epitheton nfr mAa jz.t, was sicherer Hinweis für die Datierung des Siegelbildes spätestens in die 3. Dynastie ist, so daß schlließlich die Datierung des Grabbefundes eine geradezu unmögliche zeitliche Diskrepanz von über 200 Jahren (!), nämlich von der 1. Hälfte der 1. Dyn. bis zur 3. Dyn. aufweist. Somit ist entweder das Grab umzudatieren oder aber davon auszugehen, daß die A-Gruppe mit der 1. Dyn. nicht aus Unternubien verschwand, sondern vielmehr bis in die 3. Dyn. als eine Art Post-Gruppe weiter existierte. 1523 W. M. Fl. Petrie, Abydos II, London 1903, Tf. XVI, Abb. 9. 1524 J. E. Quibell, Hierakonpolis II, Tf. LXXI, Abb. 39.

155

JEAN-PIERRE PÄTZNICK

bar nach dem IP, die eine Bestimmung dieses Zeichens innerhalb dieser Gruppe als Phonogramm (P) zunächst plausibel macht. Die graphematische Auflösung könnte diesbezüglich auf eine sehr fortgeschrittene Schreibung eines dreikonsonantigen Wortes in der Form IP+P+FP+L schließen lassen1530 und die Lesung der Gruppe als sAD zunächst als vertretbar erscheinen. Aufgrund der Belege des Wörterbuches1531 und v. a. der Pyramidentexte scheint sogar eine Erweiterung von sAD zu s(w)AD möglich.1532 Die Eigenart mancher seltenen Graphien, bei denen das Palmenzeichen von einer anderen,

4.6.4.3.3 Der Beititel sAD im Elephantiner Material Der Beititel sAD ist auf 47 Siegelbildern nachzuweisen, die bis auf ein Exemplar aus dem Südbereich des Satettempels und aus der Nordoststadt sämtlich (45) in der Oststadt gefunden wurden. sAD ist Bestandteil von Siegelsequenzen sowohl von Beamten- als auch von Zivilsiegeln, wobei von ersteren 10, von letzteren 43 belegt sind. Auf Beamtensiegelungen findet sich der Beititel sAD dreimal gemeinsam mit dem Schreibertitel zS,1537 je zweimal mit dem Titel Sms-“Begleiter” derselben Person und mit dem Titel sr Hrj nb.t=f-“Oberster Richter seiner Herrin”(?).1538 In drei weiteren Fällen sind drei bisher unklare Titel genannt. Eins davon weist den Siegelbesitzer als mjtr jrj nxn/mjtr nxn aus, den zweiten läßt lediglich den Rest eines nicht mehr deutbaren Titels b[...]S[...]grg(.t) gerade noch erkennen,1539 während der dritte das Siegel eines rnw/jrj nw-“Lokalbeamter” mit dem unklaren Titel kA.w nb.t=f ausweist.1540

keulenähnlichen Hieroglyphe,1533 , ersetzt werden kann, hätte hingegen die Lesung der Gruppe als swD zur Folge. Die damit resultierende Austauschbarkeit der Lexeme swAD und swD ist zwar frühestens ab dem Mittleren Reich und im Neuen Reich zur Genüge belegt,1534 läßt sich aber weder im Alten Reich noch in der Frühzeit belegen, so daß diese Alternative - so auch anregend sie auch mag mangels an Belegen für die Lesung und Deutung dieser Hieroglyphengruppe auszuschließen sein dürfte.

Betrachtet man die einzelnen Siegelsequenzen, in denen sAD begegnet, genauer, so sind vier vollständige und sechs unvollständige zu unterscheiden. Die vollständigen weisen vier- bis sechsgliedrige Muster auf. Von diesen benennt eine den Siegelbesitzer als mjtr jrj nxn und zeigt die viergliedrige Abfolge S/BT+PN+BEI+PN mit wiederholtem PN.1541 Eine weitere davon weist eine fünfgliedrige Sequenz der Form S+PN+BEI+PN+BT eines rnw/jrj nw-“Lokalbeamter” auf.1542 Die zwei nächsten gehören je einem Schreiber, wobei die eine ein fünfgliedriges Muster BT1+PN+BEI+PN+BT2 mit einem unvollständigen Titel Hrj[...]S[...] und mit Wiederholung des PN aufweist,1543 während die andere den Beamten Bunefer mit einer sechsgliedrigen Sequenz BT1+PN+

Liest man als swAD-“grün werden, gedeihen lassen”, so würde dies an den Ausdruck swAD sjn-“das Ablösen des Siegels” erinnern.1535 Die Bezeichnung könnte dann wie ein Titel wirken und auf die Siegeltätigkeit des Beamten selbst, d. h. auf die Abnahme der alten Versiegelung bzw. auf die Anbringung einer neuen, frischen (“das Grün-Werden-Lassen”) durch seinen Besitzer und damit auf die Bedeutung der Verantwortungsübernahme anspielen. Eine mögliche Übersetzung und Deutung der Bezeichnung könnte dann s(w)AD.w-“der Grün-WerdenLassende” gelautet haben und auf die Verschließung und Versiegelung besonderer wichtigen Räumlichkeiten andeuten.1536

tivzeichen oder Semogramm derselben. Ein Hinweis für eine separate findet sich m. E. in den Graphien mit Lesung des Zeichens sA dem “Keulenzeichen” auf den Beamtensiegelungen der “Aufseher von El Kab”. Da beides nicht sAD gelesen werden kann, muß sA für sich allein übersetzt werden. Hierfür stehen z. B. Möglichkeiten wie “das satt machende” bzw. “Stall” (CT I, 98 und Faulkner, S. 207) zur Verfügung, während die andere Gruppe swD mit “überweisen, zuweisen” (WB IV, S. 78 - 6 u.10) zu wiedergeben wäre. Die damit resultierende Auslegung des Beititels könnte versuchsweise mit swD sA-“der an den Ställen o. ä. zuweist” wiedergegeben werden, was sich auch mit den Versiegelungen, die in großen Getreidesilos im alten Tempelbereich von Elkab gefunden wurden, durchaus in Einklang bringen ließe und Hinweis auf die Kontrollfunktion des Siegelnden bei der Verteilung von Getreide oder anderen Ressourcen sein könnte. Darüberhinaus bzw. inwiefern der besagte sAD/s(w)AD-Beititel mit dem gleichnamigen sAD-Fest bzw. mit dessen Ausübung zusammenhängen könnte, kann nur in Ermangelung an Belegen bzw. an Hinweisen angeregt werden. 1537 Oststadt: Kat. 377, 404 und 632, zum Titel “Schreiber” s. ausführlich Kap. hierzu S. 89ff. 1538 Oststadt: Kat. 550 u. 552 sowie 299 u. 366; zum Titel “Begleiter” und zum “Leiter des oberen Rates seiner Herrin”(?) s. je S. 107ff. und S. 50 1539 Oststadt: Kat. 636, s. auch für eine unvollständige Abrollung des Siegels Kat. 635; Kat. 404, zum mjtr jrj nxn bzw. mjtr nxn s. S. 146 1540 Oststadt: Kat. 393, s. auch S. 132 1541 Oststadt: Kat. 636 1542 Oststadt: 393 1543 Oststadt: Kat. 404

Zu Sänftenbesitz als Statussymbol höherer Amtsträgern ab Ende der 3. Dyn., s. U. Köhler-Rössler, in LÄ IV, 1984, Sp. 334. 1530 Zu dieser Wortkomposition, siehe S. 190. 1531 WB IV, S. 64, 7-11. 1532 PT § 565 c, 695 c und 696 a-b. 1533 Vgl. diesbezüglich mit B. van de Walle, El Kab III, Typ C: E 7813+E 7815 sowie Typ D: E 7828-7834 bzw. IÄF III, Tf. 93, Abb. 360. Ein anderes Zeichen als die “Keule” oder der “Palmen” kann auch u. U. die Bezeichnung sAD komplementieren, s. hierzu J. Garstang, Bet Khallaf, K1 -13 aus dem Grab der Königin Nj mAa.t Hp(j), Gemahlin von Horus Chasechemui und Mutter von Horus Netjerichet. Siehe auch IÄF III, Tf. 89, Abb. 340. 1534 WB IV, S. 78 und Anm. 11-14. 1535 WB IV, S. 64, 11. 1536 Vgl. hierzu mit dem Ausdruck swAD sjn, der von den Gaufürsten in ihren Titulaturen wie ein Beititel behandelt wird, s. R. Anthes, Die Felseninschriften von Hatnub, UGAÄ 9, Leipzig 1928 - Hildesheim 1964, S. 82, der einen anderen Sinn annimmt, als die bisher im Wörterbuch vorgeschlagene Übersetzung “Das Siegel wiederauflegen”. Daß dies nur einen gut vertretbaren Vorschlag stellt, läßt natürlich auch weitere Überlegungen zu. in der besag- Eine davon bietet m. E. die Orientierung des Zeichens ten Hieroglyphengruppe. Gerade die entgegengesetzte Ausrichtung (El Kab III, S. 92, Typ. D: E 7828) innerhalb des Beititels sowie seine Abwesenheit (P. Kaplony, Beschriftete Kleinfunde in der Sammlung Michailidis, Istambul (Türkei) und Belgien 1973, S. 2 f., Tf. 5 -3 und 18 Zeichen eher als eigen-3) in einigen Schreibungen lassen das sA ständiger Bestandteil der Titelgruppe erscheinen als ein Determina-

156

DIE SIEGELABROLLUNGEN UND ROLLSIEGEL DER STADT ELEPHANTINE BT2+PN+BEI+PN eines seiner Siegels ausweist.1544

wobei auffällig die sehr seltene Femininendung bzw. Nisbebildung eines Femininums ist.1552 Die einzige sechsgliedrige Form S+PN+BEI1+PN+BEI2+PN ist einem rnw.tj/jrj nw.tj-“Lokalbeamter” zuzuweisen.1553 Bemerkenswert an dieser Abfolge ist die gleichzeitige Nennung der Graphien C2, E1 vom anderen Beititel nfr mAa jz.t mit sAD, was die Einordnung dieses Beititels lediglich in die 3. Dyn. erlaubt.

Unvollständige Siegelsequenzen sind auf sechs Beamtensiegeln zu erkennen, von denen zwischen “mind. zweibis “mind. fünfgliedrigen” Mustern zu unterscheiden ist. Die “mind. viergliedrige” Form findet sich auf einer Siegelung eines nicht mehr sicher zu lesenden Beamtentitels b[...]S[...]grg(.t) mit der erhaltenen Abfolge PN+BEI1+PN+BT+? samt Wiederholung des PN.1545 Das einzige Beispiel des Musters “mind. zweigliedrig” zeigt die Form BT+?+BEI+? mit dem Titel sr Hrj nb.t=f“Oberster Richter seiner Herrin”(?).1546 Lediglich zwei Beispiele von “mind. dreigliedrigen” Siegelbildern mit den Formen ?+BEI+PN+BT+? und BT+PN+BEI+? sind je auf der Abrollung eines bereits bekannten sr Hrj nb.t=f“Oberster Richter seiner Herrin”(?) und auf der eines Sms-“Begleiter” zu erkennen.1547

Unvollständige Siegelsequenzen lassen sich demgegenüber in einer viel größeren Zahl nachweisen und sind zudem als “mind. zwei-”, “mind. drei-”, “mind. vier-” und “mind. fünfgliedrige” Muster zu unterscheiden. “Mind. zweigliedrige” Formen finden sich auf 19 Siegelungen und zeigen bis auf ein Beispiel (BEI+S+?1554) die Abfolge PN+BEI+? bzw. BEI+PN+?.1555

Ein und derselbe Privatmann und Begleiter ist auch in der erhaltenen Abfolge ?+E+PN+BT+PN+BEI+? einer der zwei belegten “mind. fünfgliedrigen” Sequenzen zu erkennen. Von besonderer Bedeutung ist hierbei der Nachweis der epithetischen Bezeichnung anx wD nTr nfr, die die chronologische Bestimmung von sAD in die 3. Dyn. geradezu untermauert. Die andere “mind. fünfgliedrige” Form zeigt das Muster S+?+PN+E+BT+?+BEI des Siegels eines Schreibers.1548 Die Angabe seines “Sozialstandes” als rnw.tj/jrj nw.tj“Lokalbeamter” wird mit der Graphie C8 wiedergegeben. Auch hier begegnen die epithetische Bezeichnung anx wD nTr nfr und der Beititel sAD in derselben Siegelsequenz. Legt man alle drei Kriterien zugrunde, so spricht dies für die chronologische Relevanz von sAD für die 3. Dyn.

Verschwindend gering erscheinen im Unterschied dazu die vier Beispiele von “mind. dreigliedrigen” Siegelbildern der Form PN+BEI+PN+?, E+?+BEI+PN+?, BEI1+PN+BEI2+? sowie KP(Kornspeicher) +PN+ BEI+?.1556 “Mind. viergliedrige” Siegelsequenzen sind auf sechs Siegelbildern zu belegen, die sehr unterschiedliche Gliederungsmuster zeigen. Drei von ihnen BEI+PN+S+PN+?, PN+BEI+PN+S+? sowie S+PN+?+ BEI+PN+? - stammen dabei von ein und demselben Privatmann namens ¡m nb=f.1557 Bemerkenswert ist, daß in diesen Fällen der Beititel sAD zusammen mit der Graphie C3 rnw.t/jrj nw.t eines Lokalbeamten begegnet und somit erneut seine Einordnung in das frühe Alte Reich erhärtet. Die drei übrigen “mind. viergliedrigen” Muster lassen einen mjtr-Angehörigen (PN+S+PN+BEI+? und der Wiederholung des PN) sowie zwei Privatmänner (PN+E+PN+BEI+?) und (PN+BEI1+BEI2+PN+?) erkennen.1558 Von Interesse ist hier die Nennung der epithetischen Bezeichnung E5 von nfr mAa jz.t (BEI2) und D7 von sAD (BEI1) auf ein und demselben Siegel, was trotz eigenwilliger Ausrichtung und Anordnung der Hieroglyphen der Beititel sAD erneut als Datierungskriterium für die 3. Dyn. bekräftigt.

Dem Befund von 10 Beamtensiegeln steht ein Komplex von 37 Zivilsiegeln ohne Beamtentitel gegenüber, deren schlechter Erhaltungszustand in seltenen Fällen eine vernünftige Rekonstruktion des Siegelbildes ermöglicht.1549 Dennoch lassen sich vier-, fünf- und sechsgliedrige vollständige Muster ausmachen. Ein einziges viergliedriges Siegelbild der Form PN+BEI+PN+E weist eine epithetische Bezeichnung, anx mrr nsw.t und einen Beititel sAD, in derselben Sequenz mit Wiederholung des PN auf.1550 Das - ebenfalls einzige - fünfgliedrige Muster S+E1+BEI+E2+PN, das die Siegelung einer mjtr(.t) trägt,1551 weist die ungewöhnliche Abfolge von zwei epithetischen Bezeichnungen und einem Beititel anx mrr nsw.t, sAD.t(j) (!) und anx wD nTr nfr auf,

Zwei Siegelungen zeigen ein “mind. fünfgliedriges” Muster - PN+BEI1+PN+BEI2+PN+? -, von denen eines von dem Privatmann und auch als Lokalbeamten rnw.t/jrj 1552

Oststadt: Kat. 349, 445 und 546, wo erneut die Schreibung von sAD.t zu erkennen ist. Oststadt: Kat. 600 1554 Oststadt: Kat. 382 1555 Satet-Süd: Kat. 015; Nordoststadt: Kat. 101 und Oststadt: Kat. 318, Kat. 333-334 als Siegelungen von ¡m nb=f, Kat. 378, 386, 415, 438, 451, 456, 574, 618. Beachtenswert die Kat. 349, 445 und 546 mit dem Femininum sAd.t und Kat. 606 mit der bisher unbekannten Titelbezeichnung sAD jz.t sowie Kat. 635, vgl. mit Kat. 636. 1556 Oststadt: Kat. 485, 311, vgl. hierzu mit Kat. 299 und 366, Kat. 409 als Teilsiegelung von ¡m nb=f sowie Kat. 631 mit Darstellung eines Kornspeichers. 1557 Oststadt: Kat. 322, 336 und 363. 1558 Oststadt: Kat. 621 wie auch Kat. 401 und Kat. 561.

1544

1553

Oststadt: Kat. 632, zu weiteren Siegeln des Schreibers Bunefer siehe S. 212, Anm. 1971. 1545 Oststadt: Kat. 449 1546 Oststadt: Kat. 366, vgl. hierzu mit Kat. 299. 1547 Oststadt: Kat. 299 und Kat. 552, vgl. hierzu mit der Siegelung Kat. 550. 1548 Oststadt: Kat. 377 1549 Hierzu zählen Siegelungen, auf denen nur der besagte Beititel erhalten ist wie Oststadt: Kat. 475, 559 sowie 577, die allesamt entsprechend in der Tabelle 55 in die Rubrik “Unklar” aufgeführt sind. 1550 Oststadt: Kat. 580 1551 Oststadt: Kat. 416

157

JEAN-PIERRE PÄTZNICK

Der Beititel sAD Beamtensiegel: Vollständig. Sequenzen S+PN+BEI+PN+BT S/BT+PN+BEI+PN BT1+PN+BEI+PN+BT2 BT1+PN+BT2+PN+BEI+PN Unvollst. Sequenzen BT+?+BEI+? BEI+PN+BT+? BT+PN+BEI+? PN+BEI+PN+BT+? S+?+PN+E+BT+?+BEI+? E+PN+BT+PN+BEI+? Zivilsiegel: Vollständ. Sequenzen PN+BEI+PN+E S+E1+BEI+E2+PN S+PN+BEI1+PN+BEI2+PN Unvollst. Sequenzen BEI+PN+? BE+S+? PN+BEI+PN+? BEI1+PN+BEI2+? KP+PN+BEI+? E+?+BEI+PN+? BEI+PN+S+PN+? PN+BEI+PN+S+? S+PN+?+BEI+PN+? PN+S+PN+BEI+? PN+BEI1+BEI2+PN+? PN+BEI1+PN+BEI2+? S+PN+?+BEI1+BEI2+PN+? PN+BEI1+PN+BEI2+PN+? Gesamt

Sa-Süd

NO-Stadt rnw/rnw.tj

Oststadt mjtr

Ges.

1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1

1

16 1 1 1 1 1 3 rnw.t/ jrj nw.t 1 1 1 1

1

1

7

3

1 32

1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 18 1 1 1 1 1 3 1 1 1 1 1 44

Tabelle 59: Stadttopographische Verteilung des Beititels sAD auf vollständigen und unvollständigen Siegelsequenzen nw.t bekannten ¡m nb=f stammt1559 und das die zwei epithetischen Bezeichnungen sAD und nfr mAa jz.t gemeinsam mit der Graphie E1 erwähnt. Das andere Muster S+PN+?+BEI1+BEI2+PN+? ist auf der Siegelinschrift eines rnw/jrj nw-“Lokalbeamter” auf einem Rollsiegel aus Ton zu erkennen.1560 Entscheidend ist aber auch hier der Nachweis von sAD mit der Graphie E1 von nfr mAa jz.t, die das Datierungskriterien sAD der 3. Dyn. unterstützt.

elf verschiedene graphische Varianten unterschieden, die mit der Kennzeichnung D0-D11 versehen wurden.1561 Dabei steht D0 für sämtliche Graphien von sAD, die paläographisch nicht mehr zu bestimmen waren. D1 stellt eine Komposition von drei Hieroglyphenzeichen der Form (IP+L+S) dar. Bemerkenswert ist, daß das Lförmige möglicherweise ein bisher unbekanntes Determinativ wiedergibt. Neun Belege zählt diese Graphie, die alle der Siegelsequenz des Lokalbeamten ¡m nb=f zuzuordnen sind, so daß hier sehr wahrscheinlich eine eigene Graphie vorliegt. Von Bedeutung ist ihr Nachweis auf einer Siegelsequenz von ¡m nb=f zusammen mit der selten belegten C3 rnw.t/jrj nw.t eines Lokalbeamten und der epithetischen Bezeichnung E1 von nfr mAa jz.t, wodurch D1 als wertvolles Datierungskriterien der 3.

Tabelle 55 zeigt zusammenfassend die unterschiedlichen Sequenzen von Beamten- und Zivilsiegelungen, in denen der Beititel sAD begegnet. Paläographisch werden darüberhinaus insgesamt bis zu 1559

Oststadt: Kat. 335 Oststadt: Kat. 576 auf einem Tonzylinder, s. hierzu Kap. Rollsiegel S. 11, Anm. 87.

1560

1561

158

Siehe Tafel XIX - D im Anhang.

DIE SIEGELABROLLUNGEN UND ROLLSIEGEL DER STADT ELEPHANTINE

Paläograph. von sAD Satet-Süd NO-Stadt Oststadt Gesamt

D0

D1

D2

D3

D4

D5

D6

D7

D8

D9

D10

D11

Ges.

1 1

1 1 45 47

1 1 10 10

9 9

2 2

10 10

7 7

2 2

1

1 1

1 1

2 2

1

Tabelle 60: Verbreitung der Paläographien D0-D11 des Beititels sAD in den Stadtgebieten Dyn. ausgewiesen ist. Mit D2 ist eine Komplementierung der Gruppe

D10 und D11 stammen jeweils aus der Nordoststadt und Oststadt und stellen beide sehr eigenwillige graphischen Varianten dar, die jeweils nur einmal belegt sind.

mit den

und zu verzeichnen. Diese Hieroglyphen Graphie ist lediglich zweimal belegt. Im Unterschied dazu stellt die graphische Variante D3 mit der Ergänzung

Zusammenfassend sind nachfolgend die wichtigen paläographischen und epigraphischen Kriterien und deren stadttopographische Verteilung zusammengestellt im Tabelle 60.

und mit zehn des Stammes durch die Zeichen Belegen die meist vertretene Graphie dar. Bedeutungsvoll für die chronologische Einordnung dieser Schreibung ist ihr Vorkommen gemeinsam mit anderen epigraphischen

4.6.4.3.4 Zusammenfassung Die Untersuchung hat gezeigt, daß die bisherige Ansicht, sAD als einen Personennamen der Frühzeit aufzufassen, nicht gerechtfertigt ist. Stattdessen erwies sich dieser als ein Beititel, dessen Sinn allerdings uns noch verschlossen bleibt, auch wenn dieser vielleicht das Recht bestimmte Raumkontrollen vorzunehmen zum Ausdruck bringen könnte. Diese außerordentliche Verfügungsgewalt war v. a. vom Ende der 2. Dyn. und v. a. während der 3. Dyn. in ganz Ägypten nur wenigen Privilegierten, in der Hauptsache Beamten, wie z. B. Schreibern, und selten mjtr-Angehörigen zuteil.

oder an wD nTr nfr oder Bezeichnungen wie E1 von mit der Graphie C1 von rnw/jrj nw und C2 von rnw.tj/jrj nw.tj, die die epithetische Bezeichnung D3 zu einem weiteren grundlegenden Datierungskriterien der 3. Dyn. machen. D4 und D5 zeigen dieselbe Anordnung der Hieroglyphen. Beide Male tritt zu das Zeichen . D4 ist auf sieben Siegelsequenzen nachzuweisen, in einem Fall sogar mit Femininendung bzw. mit der Nisbebildung eines Femininums. D5 ist lediglich einmal im Südbereich des Satettempels belegt.1562

Der Beititel sAD ist in 47 Siegelsequenzen von Beamtenund v. a. von Zivilsiegelungen nachzuweisen. Die stadttopographische Verteilung zeigt eine geradezu exklusive Fundsituation, und zwar insofern als 43 der insgesamt 45 sAD -Belege aus der Oststadt stammen und nur eins aus dem Südbereich des Satettempels und Nordoststadt. Hinzu kommt der Negativbefund aus dem Festungsareal. Bezeichnend für den Beititel ist ihr Nachweis auf Elephantine v. a. in keramisch datierten Fundkontexten der 3. Dyn., so daß hier ein Charakteristikum vorliegt.

D6 und D7 sind nur diesen beiden Siegelinhabern eignende Graphien. Charakteristisch für beide ist die Ersetzung des Initialkomplements durch die Palmenhieroglyphe. D6 ist auf zwei Siegeln nachzuweisen, wohingegen D7 mit dem typisch hierfür invertierten lediglich einmal vorkommt. Der Nachweis von D6 zusammen mit der epithetischen Bezeichnung anx wD nTr nfr in derselben Siegelsequenz weist auch diese Graphie in die 3. Dyn. D7, die nur einmal belegt ist, weist eine eigenwillige Graphie E5 auf und ist daher ebenfalls in die 3. Dyn. einzuordnen.

Auffallend bei diesen Siegelungen ist einerseits der Nachweis von sAD innerhalb der Siegelbilder von Beamten, wie z. B. Schreibern, sowie auf Zivilsiegelungen von Lokalbeamten und andererseits ihr seltenes Vorkommen innerhalb der von mjtr-Angehörigen, so daß der Eindruck entsteht, als handle sich bei der Mitführung des Beititels sAD um eine umschriebene Tätigkeit, die meist allein den Beamten zueigen war.

D8 und D9 sind ein- bzw. zweimal belegt. Markant ist hier die Ersetzung des Palmenzeichens durch eine wADPflanze, womit möglicherweise eine phonetische Verbindung zwischen beiden vorliegt. Interessant ist, daß gerade D9 auf einem offensichtlich frühen Siegel des Schreibers Bw nfr auftaucht, was sonst nie der Fall ist.

1562

Eine Betrachtung der vollständig erhaltenen bzw. zu rekonstruierenden Siegelbilder zeigt, daß sAD auf Siegelungen mit vier- bis sechsgliedrigen Mustern mit Wiederholung des PN des Siegelbesitzers begegnet. Diese Tatsache dürfte somit den unvollständigen, “mind. zwei-“ bis “mind. fünfgliedrigen” Siegelbildern größtenteils zugrun

Satet-Süd: Kat. 015

159

JEAN-PIERRE PÄTZNICK

sAd + D0 D1 D2 D3 D4/D5 D6 D7 D8 D9 D10 D11

C0 X

C1

C2

C3

C5

C8

E1 X XX

X

X X

XX X X

X

X

X

E5

I4

I5

J0

J2

o. a.

X

X

X

+B19

X X

J1+M3

+B3

Tabelle 61: Zusammen mit den Paläographien von sAD auftretende Epigraphien Talbezirk von König Peribsen1563 und aus dem Grab von König Chasechemui stammen und datieren damit spätestens in die 2. H. der 2. Dyn. bzw. an das Ende der 2. Dyn. In diesem einen geschlossenen Fundkontext zei-

deliegen. Sowohl in vollständigen als auch in teilerhaltenen Siegelsequenzen ist dem Zusammentreffen von sAD mit verschiedenen datierungsrelevanten Kriterien der 3. Dyn., wie weiteren Beititeln oder epithetischen Bezeichnungen wie nfr mAa jz.t , anx wD nTr nfr oder auch mit der Angabe rnw/jrj nw bzw. rnw.tj/jrj nw.tj insofern eine besondere Bedeutung beizumessen, als sie den chronologischen Aspekt von sAD gerade für die 3. Dyn. entscheidend prägen.

gen sie bereits zwei Kompositionen

1564

und

.1565 Weitere Belege dieser Angabe finden sich im funerären Kontext in Sakkara in einem Privatgrab der 3. Dyn.1566 sowie in den Siedlungsstrukturen von Abydos,1567 Hierakonpolis1568 und Elkab.1569

Richtet man das Augenmerk auf die epigraphischen Eigenarten, mit denen der Beititel sAD auf Siegelbildern wiedergegeben ist, so sind nicht weniger als elf verschiedene graphische Varianten (D1- D11) auszumachen.

4.6.4.4.2 Lesung und Interpretation Die an ebengenannten Fundorten nachzuweisende Bezeichnung hb/n(j) hb zeigt auf Siegelungen unterschiedliche graphische Kompositionen. Früheste Belege tauchen bereits in der ausgehenden 2. Dyn in der abydenischen Grabanlage von König Chasechemui auf, und zwar in zwei charakteristischen Zusammensetzungen. Die

Angesichts der vorliegenden Beleglage ragen dennoch zwei Graphien, D1 und D3, deutlich heraus. Da D1 aber ausnahmslos auf dem einen Siegel des Lokalbeamten ¡m nb=f vorkommt, ist wohl in D3 die geläufigere und richtungsweisende Schreibung von sAD zu sehen. Diese Gewichtung von D3 gegenüber den anderen graphischen Varianten ist auch der tabellarischen Aufstellung (Tabelle 61) zu entnehmen, die das kombinationsreiche Spektrum dieser Graphie mit verschiedenen Beititeln und Epitheta wie nfr mAa jz.t (E1), anx wD nTr nfr (J2), anx mrr nsw.t (I5) sowie mit unterschiedlichen graphischen Varianten der Lokalbeamtenbezeichnung rnw/jrj nw und rnw.tj/jrj nw.tj (C1, C2, C8) aufzeigt und der mit insgesamt 15 unterschiedlichen, datierungsrelevanten Elementen eine außerordentliche Bedeutung zukommt, die sAD v. a. zu einem vollwertigen Datierungskriterium der 3. Dyn. machen.

1563

Abydos III, Tf. X, 24 und IÄF III, Tf. 96, Abb. 388 mit dem Nachweis des Beititels nfr mAa jz.t sowie eines Beamtentitels jaq.w jz.t“Der Zutritt zur Kammer hat”. Für die Lesung jaq.w vgl. IÄF III, Tf. 97, Abb. 399. Demnach wäre die Legende auf der Narmer-Palette nicht mit “Großer der Tür” o. ä. zu übersetzen, sondern mit aq (= Vogel+Tür) im Sinne von “königlicher Einzug” zu verstehen, was der Darstellung der Prozession von Narmer mit Standarten und hohen Würdenträgern aus seinem Lager DbA.t(j)-“Das Ausgestattete” - weit eher entspräche. 1564 IÄF III, Tf. 88, Abb. 333; Tf. 92, Abb. 354 mit unvollständig erhaltenem Siegelbild und Tf. 95, Abb. 374. Beispiele von Gegensiegelung fanden sich mit diesem Siegel und dem Amtssiegel (IÄF III, Tf. 83, Abb. 314) auf zwei weiteren Verschlüssen (JdE 11105 u. 11136) dieses königlichen Grabes; s. auch Quibell, Archaic Objects, T. 2, CG 24, Cairo 1904, Tf. 11 und Tf. 12; IÄF III, Tf. 130, Abb. 794 ; Tf. 131, Abb. 798, wo die Bezeichnung n(j) hb auf dem Beamtensiegel eines jrj x(w).t nsw.t mit der Graphie C1 von rnw/jrj nw vorkommt. 1565 IÄF III, Tf. 88, Abb. 333 mit dem Titel jrj x.t. 1566 Sakk. Grab 3050, Subsid. S: Exc. Nr.: 72/73 -139 [6127], s. hierzu J. T. Martin, Hetepka, S. 19, Tf. 20, Abb. 11 zusammen mit dem Beititel nfr mAa jz.t. 1567 Abydos II, Tf. XVI, Abb. 8, wo diese Bezeichnung auf dem Siegel eines Hm nTr begegnet. 1568 Hierakonpolis II, Tf. LXX, Abb. 14-16. 1569 B. van der Walle, Empreintes, Typus I bis: E 7844 und Typus H: E 7843; IÄF III, Tf.93, Abb. 357.

4.6.4.4 Der Beititel hb/n(j) hb 4.6.4.4.1 Belegsituation Die frühesten bekannten Nachweise dieser Bezeichnung sind auf Siegelbildern erhalten, die aus dem abydenischen

160

DIE SIEGELABROLLUNGEN UND ROLLSIEGEL DER STADT ELEPHANTINE

präpositionaler Ausdruck nj - zugehörig zu - fungieren, was zur Lesung des Epithetons als n(j) hb geführt hat.1579

eine, , setzt sich aus vier Hieroglyphenzeichen zusammen.1570 Zu beachten ist, daß das wiedergegebene Pflugzeichen eine verblüffende Ähnlichkeit mit der Pflugform aufweist, die in der Schreibung von pr Sna begegnet. Das tA-Zeichen unter dem Pflug ist in diesem königlichen Fundkontext (und nur dort!) zweimal belegt und könnte für die Deutung des Epithetons aufschlußreich sein, zumal dieses Charakteristikum seiner Zeit in weiteren Graphien von hb/n(j) hb zu finden ist.

Wenn die Lesung an sich keine große Schwierigkeit bereitet, so bleibt zunächst Deutung und Übersetzung dieses Wortes verschlossen. Bereits Petrie sah in ihm eine Titelangabe und übersetzte, von den beiden Graphien ausgehend, mit “Der zum Pflug Gehörige”, was und er schließlich als “Land- bzw. Pflugarbeiter” interpretierte.1580 Zieht man jedoch die zusätzlich genannten Titel, wie jrj jxt , jaq.w jz.t , jmj aHa.w oder auch sSm(.w) wsx.t/h(A)j(.t) und sD.tj in Betracht, die sich gemeinsam mit dem Beititel hb bzw. n(j) hb auf den Siegelbildern finden, so dürfte diese Gruppe von Verantwortlichen kaum im Agrarbereich tätig gewesen sein. Legt man für das Lexem hb die eigentliche, seit dem Alten Reich belegte Übersetzung “eintreten, betreten”

Belege für eine Dreierkombination ohne Zufügung eines tA-Zeichens sind je einmal auf einer Abrollung im abydenischen Talbezirk von König Peribsen,1571 in der Stadt Hierakonpolis1572 sowie auf einem Holzrollsiegel unbekannter Herkunft zu finden.1573 Eine weitere, aus 1574 vier Zeichen bestehende Variante hat die Form und ist lediglich in Elkab im Wirtschaftsbereich des alten

zugrunde, so wäre die kurze Graphie

Tempels nachzuweisen.1575 Eine dritte Graphie, , bei der sich das n eingeschoben hat, ist aus den Siedlungsbereichen von Hierakonpolis1576 und Elkab1577 belegt. Eine außergewöhnliche Graphie ist auf zwei Museumsexemplaren zu begutachten.1578 Befremdlich wirkt hier insbesondere das Fehlen des ansonsten auf allen Graphien vorhandenen Pflugzeichens.

mit n(j) hb-“Der Eintretende” wiederzugeben bzw. dem Betreten zugehörig ist”. Auffällig und m. E. richtungsweisend ist hierbei der Zusatz des Titels jaq.w jz.t“Der Zutritt zur Kammer o. ä. hat” sowie des Beititels hb“Der Eintretende/Der eintreten darf” - auf derselben Siegelabrollung, womit eine semantische Korrelation zwischen Titel und Beititel gegeben ist, die die Wiedergabe von hb/n(j) hb mit “Zutrittsbefugter” gestattet.1581 Demnach könnten die Träger dieses Beititels eine Art Haushaltspersonal wiedergeben haben, die gleichwohl als mjtrAngehörige oder auch als rnw/jrj nw bzw. als rnw.tj/jrj nw.tj ihren Dienst vornehmlich in Verwaltungsgebäuden (Palästen und Tempeln) versehen haben könnten.

Seit den frühesten datierten Belegen aus der ausgehenden 2. Dyn. scheint die Orthographie dieser epithetischen Bezeichnung festzustehen. Graphematisch löst sich dies in der Schreibung eines zweiradikalen Wortes hb des Typus IP+FP+HP auf. Der Zusatz von n in der Viererkonstellation

mit hb-“Der

kann dann nur noch als

4.6.4.4.3 Der Beititel hb/n(j) hb im Elephantiner Material

1570

IÄF III, Tf. 92, Abb. 354 und Tf. 95, Abb. 374 mit der Angabe rnw/jrj nw und einem unbekannten Beamtentitel, der graphisch viele Ähnlichkeit mit dem von H.G. Fischer, A False Door of the Old Kingdom in Bologna, in: Egyptian Studies I -Varia-, New York 1976, S. 1316, Tf. I diskutierten Titel jmj aHa. w hat; für einen weiteren Beleg dieses Titels, s. G. T. Martin, op. cit., Tf. 21. 1571 Abydos III, Tf. X, Abb. 24 und Anm. 56. 1572 Hierakonpolis II, Tf. LXX, Abb.14, wo sich diese Bezeichnung auf einem mit vertikalen Trennlinien gegliederten Siegelbild eines mjtrAngehörigen findet. Die Abrollung ist damit frühestens in die ausgehende 3. Dyn. zu datieren. Dieser Datierungsansatz korreliert auf verblüffende Weise mit der Amtssiegelabrollung des Horus Chaba aus der 2. Hälfte der 3. Dynastie. 1573 IÄF III, Tf. 96, Abb. 376. Die Schreibung hb begegnet auf diesem Siegelbild zusammen mit der Graphie C2 von rnw.tj/jrj nw.tj sowie der Titelbezeichnung sD.t(j)-“ Zögling” o. ä. 1574 IÄF III, Tf. 88, Abb. 333 mit dem Titel jrj jxt-“Verwalter”. 1575 B. van der Walle, El Kab III, S. 97, Typus H: E 7843, wo die Bezeichnung n(j) hb mit dem Titel sSm wsx.t[...]-“Schlächter oder Leiter des Wirtschaftshofes[...]” auf derselben Siegelung nachzuweisen ist. 1576 Hierakonpolis II, Tf. LXX, Abb. 15 -16. 1577 B. van de Walle, op. cit., S. 97, Typus I bis: E 7844 und IÄF III,Tf. 93, Abb. 357. 1578 IÄF III, Tf. 89, Abb. 341 und SIÄF , Tf. 5, Abb. 903, wo sich neben dieser sehr eigenwilligen Graphie auch eine ebenso ungewöhnliche Wiedergabe des Beititels nfr mAa jz.t findet. Hingewiesen sei an dieser Stelle auf den Nachweis von hb und nfr mAa jz.t auf einer Abrollung aus dem Talbezirk von Peribsen, s. Abydos III, Tf. X, Abb. 24 und IÄF III, Tf. 96, Abb. 388.

Insgesamt ist dieser Beititel auf 19 Siegelungen erhalten, von denen der Hauptanteil (12) aus der Oststadt stammt. Drei Exemplare wurden im Festungsareal und je zwei im Südbereich des Satettempels und in der Nordoststadt gefunden. 1579

Aufgrund der Ähnlichkeit mancher Graphien wäre eine Verwechslung mit dem Wort hbnj- Ebenholz (WB II, S. 487, 7-12) nicht auszuschließen was aber spätestens beim Vergleich der ursprünglichen Schreibungen nicht mehr relevant ist, da ein solcher für die Lesung hb spricht. 1580 Petrie, Scarabs and Cylinders with Names, BS 29, London 1917, S. VI; anders Kaplony, der es als PN deutet, s. diesbezüglich IÄF , S. 524. 1581 Die früheren Belege dieses Beititels mit tA-“Erde/Erdboden/Land” ließen sich dann mit “Zutritts-berechtigter zum Land” übersetzen. Versteht man tA als Bezeichnung eines heiligen Bezirkes, wie es mit dem späten Titel jrj tA bzw. dem funerären Ritual zA tA suggeriert wird, so böten die Nachweise dieses Beititels auf Abrollungen im königlichen Grabkontext keine Überraschung. Zu jrj tA als Titel, s. D. Meeks, in: AL I, 1977, S. 36 f. Nach einer Anregung von D. Franke, wäre an dieser Stelle zu erfragen tA-Zeichens durch das n nicht vorob ein Ersetzen des liegen würde, wie dies bereits an den Schreibungen von D.t und des mjtr/mr.t-Titels mehrfach beobachtet wurde, s. hierzu S. 137, Anm. 1384.

161

JEAN-PIERRE PÄTZNICK

der Versiegelung einer Holzkiste bzw. von einem Gefäßverschluß des Typs Gv. I b stammen.1590

Von den sechs Beamtensiegelungen weisen zwei Exemplare aus der Festung den Beititel hb als Bestandteil einer viergliedrigen Siegelsequenz BT+PN+BEI+PN eines Hrj s(w)DA(.w)-“Oberster Bewahrer” - an einer Tonbulle von Typus Tb. 2 b bzw. einer “mind. dreigliedrigen” Sequenz BT+PN+BEI+? mit dem Titel mA S-“Der das S“Bezirk/Areal” kontrolliert” auf.1582 Im Südbereich des Satettempels findet es sich auf dem sechsgliedrigen Siegelbild BT+PN+S+E+PN+BEI eines xtm(w).t(j)“Schatzverwalter” - auf Verschlußfragmenten von Türverschlüssen Tv. 2 und Tv. 1,1583 die zusätzlich die Graphie C1 rnw/jrj nw sowie das Epitheton nfr jxt zA tragen. In der Oststadt begegnet hb sowohl in der unvollständigen, “mind. viergliedrigen” Siegelsequenz PN+BT+BEI+?+S+? als auch in der vollständigen fünfgliedrigen Abfolge S+PN+BT+BEI+PN des selben mjtr-Angehörigen gemeinsam mit dem Titel mDH wxr.tj nsw.t nTr(.t)-“Direktor der beiden Werften des Königs und der Göttin” - je auf einem Topfverschluß Gv. I c.1584

Die nachfolgenden Tabellen zeigen zusammenfassend die stadttopographische Verteilung aller mit hb gebildeten Siegelsequenzen. Dabei ist jede Kategorie von Siegelbildern mit dem entsprechenden Verschlußtypus aufgelistet, so daß gesiegelte Ware und Siegelnder sowie das zugehörige Stadtgebiet auf einen Blick erfaßt werden können. Tabelle 63 ist als komplementär zur ersten tabellarischen Zusammenstellung zu betrachten und spezifiziert nach Stadtgebiet die Art der dort vorkommenden Versiegelungen. Daraus läßt sich z. B. ableiten, daß zehn der 18 Verschlüsse an allen Arten von Verpackungen, schweren Säcken und Holzkisten, angebracht waren, so daß es sich möglicherweise um transportierte bzw. angelieferte Ware gehandelt haben könnte, die von diesen Verwaltenden kontrolliert wurden. Siegelungen mit dem Beititel hb/n(j) hb sind demgegenüber selten auf Gefäßverschlüssen und noch weniger auf Tür- bzw. Urkundenverschlüssen belegt.

Von den 13 Zivilsiegelungen ohne Beamtentitel stammen eine aus dem Festungsareal, zwei aus der Nordoststadt und zehn aus der Oststadt. Bis auf zwei vollständig erhaltene viergliedrige Siegelsequenzen liegen die Siegelbilder nur bruchstückhaft vor,1585 die sich in die Kategorien “mind. zwei-“ bis “mind. viergliedrig” unterscheiden.

Hinsichtlich der epigraphischen Merkmale, mit denen die epithetische Bezeichnung hb/n(j) hb wiedergegeben ist, sind fünf graphische Varianten zu unterscheiden, die mit G1-G5 bezeichnet wurden.1591 G1 setzt sich aus der drei-

Die zwei vollständigen Siegelbilder wurden in der Nordoststadt und in der Oststadt gefunden. Beide zeigen die Formen PN+BEI+PN+E und S+PN+E+PN, wovon die erste das Epitheton mDd nfr st auf einer Tonbulle von Typus Tb. 2 b aufweist1586 und die andere sich auf einem Urkundenverschluß Uv. 1 mit der Siegelung eines Lokalbeamten rnw.tj/jrj nw.tj der Oststadt findet.1587

zusammen und ist gliedrigen Hieroglyphengruppe mit neun Nachweisen die meist belegte Graphie, die in allen vier untersuchten Bereichen auf Siegelungen vorkommen.1592 In der Oststadt findet sie sich auf einem Siegelbild mit vertikalen Trennleisten,1593 was ein sicherer Hinweis für eine Datierung des Siegels in die späte 3. Dyn. ist. In der sechsgliedrigen Sequenz eines Beamtensiegels aus dem Südbereich des Satettempels findet sie sich gemeinsam mit der Graphie C1 rnw/jrj nw,1594 weshalb hier frühestens eine Einordnung von G1 innerhalb der 2. Hälfte der 2. Dyn. und der 3. Dyn. als möglich erscheint. In einer ähnlichen Zusammensetzung ist sie bereits im Grabe von König Chasechemui auf Siegelungen gefunden worden, so daß diese Graphie G1 spätestens am Ende der 2. Dyn. belegt ist.1595

Gerade sieben “mind. zweigliedrigen” Siegelbilder weisen beide Formen BEI+PN+? bzw. PN+BEI+? auf und stammen allesamt aus der Oststadt, wo sie sich vorwiegend (5) an Tonbullen (Tb. 1, 2 a, 2 b)1588 und zwei Mal an einem Gefäßhalsverschluß Gv. V b finden.1589 Drei Beispiele einer “mind. dreigliedrigen” Siegelsequenz finden sich sowohl in der Festung als auch in der Oststadt. Im ersteren Bezirk ist die Abfolge S+PN+BEI+? auf der Siegelung eines mjtr-Angehörigen zu finden, während im zweiten Stadtbereich beide Formen PN+?+BEI+PN+? bzw. PN+BEI+?+E+? mit dem seltenen Epitheton twt n mrw.t aufzuweisen sind, die je von

G4 zeigt eine Graphie, die kaum von G1 zu unterscheiden ist. Eine Differenzierung ist lediglich anhand der verschiedenen Pflugformen vorzunehmen. Diese Variante ist in unserem Material an fünf Siegelsequenzen nachzuweisen, die bis auf ein Exemplar aus der Festung alle aus der Oststadt stammen.1596 Ein Ansatz in die 3. Dyn. ist aufgrund des Nachweises eines mit vertikalen Trennleis-

1582

Festung: Kat. 206, zu diesem Titel siehe S. 192 ff.; Kat. 185 (Tb. 2 a - Kistenversiegelung). 1583 Satet-Süd: Kat. 007 und 008, s. auch hierzu S. 56ff. 1584 Oststadt: Kat. 313 und 395, zu diesem Titel, siehe S. 111 ff. 104 1585 Nordoststadt: Kat. 091, auf dem nur den Beititel hb erhalten ist, wofür er auch in die Rubrik “Unklar” auf der Tabelle. 62 aufgeführt ist. 1586 Nordoststadt: Kat. 077 1587 Oststadt: Kat. 646, zu Uv. 1 siehe hierzu ausführlich S. 61 1588 Oststadt: Kat. 495 (Tb. 2 a), 616 (Tb. 2 a), 540 (Tb. 2 b), 593 (Tb. 2 b) und Kat. 627 (Tb. 1). Weitere Beispiele sind je an einem Exemplar in der Festung: Kat. 185 (Tb. 2 a) und in der Nordoststadt: Kat. 077 (Tb. 2 b) nachzuweisen. 1589 Oststadt: Kat. 489 und 594.

1590

Oststadt: Kat. 434 und 658. Siehe hierzu Tafel XXI. 1592 Festung: Kat. 185, 206; Satet-Süd: Kat. 007 und 008; Nordoststadt: Kat. 077 und 091; Oststadt: 489, 495 und 616. 1593 Oststadt: Kat. 616 1594 Satet-Süd: Kat. 007 und 008. 1595 RT II, Tf. XXIV, Abb. 208 u. 213. 1596 Festung: Kat. 221 und Oststadt: Kat. 540, 593-594 und 627. 1591

162

DIE SIEGELABROLLUNGEN UND ROLLSIEGEL DER STADT ELEPHANTINE

Festung

hb/n(j) hb Zivil.+Beamtensiegel: BT+PN+BEI+? BT+PN+BEI+PN BT+PN+S+E+PN+BEI

Oststadt

NO-Stadt

Satet-S.

1 Tb. 2 a 1 Tb. 2 b rnw Tv. 1/-. 2

S+PN+BT+BEI+PN PN+BT+BEI+?+S+? Zivilsiegel o. Be. : S+PN+BEI+PN PN+BEI+PN+E BEI+PN+? / PN+BEI+? PN+?+PN+BEI+? PN+E+?+BEI+? S+PN+BEI+?

1 1 7 1 1

1 7 1 1 mjtr 1 Tb. 2 b 3

1 1 2 1 1

mjtr 2 Gv. I c rnw.tj 1 Uv. 1

Unklar Gesamt

Gesamt

1 2

12

1 1 19

2

Tabelle 62: Stadttopographische Verteilung des Beititels hb/n(j) hb in Siegelsequenzen hb/n(j) hb Tonbulle Tb. 1 Tonbulle Tb. 2 a Tonbulle Tb. 2 b Urkundenv. Uv. 1 Gv. I b / Gv. I c Gv. V b / GV. V a Tv. 1 / Tv. 2 Gesamt

Festung 1 2

3

Oststadt 1 3 2 1 3 2

NO-Stadt

1

12

2

Satet-Süd

1 2 2

Gesamt 1 4 5 1 3 3 2 19

Tabelle 63: Stadttopographische Verteilung des mit hb/n(j) hb gesiegelten Materials ten gegliederten Siegelbildes aus Hierakonpolis anzunehmen.1597 Jedoch scheint diese Graphie bereits spätestens in der ausgehenden 2. Dyn. belegt zu sein, wie eine Siegelung aus dem abydenischen Talbezirk von König Peribsen zu zeigen scheint.1598

mit der epithetischen Bezeichnung t(w)t n mrw.t findet, die in der 4. Dyn. gut belegt ist. Die Graphie G3 weist ein eingefügtes n auf und ist nur in der Oststadt der 3. Dyn. belegt, ein Befund, der sich bestens mit den Parallelen aus dem Siegelmaterial der 3. Dyn. der Stadt Hierakonpolis1602 sowie aus dem Tempelbereich von Elkab1603 vergleichen läßt.

Die Graphie G2 ist um das Zeichen n sowie eine weitere Variante eines Pfluges ergänzt. Zwei Belege aus der Oststadt,1599 von denen eine zusätzlich die Graphie C2 rnw.tj/jrj nw.tj aufweist, erlauben eine Datierung von G2 frühestens zu Beginn der 3. Dyn. Eine solche Schreibung von G2 mit nachgestelltem n ist ebenfalls im Grab von Horus Chasechemui belegt und läßt daher ebenfalls einen Datierungsansatz in diese Zeit zu.1600

Tabelle 64 zeigt, daß die Graphien G1 und G4 in neun bzw. in fünf der insgesamt 18 Schreibungen von hb/n(j) hb in allen relevanten Stadtbereichen vorkommen und die verbreitesten und geläufigsten Varianten darstellen.1604 Daher ist nicht auszuschließen, daß die dreigliedrige die älteste und wohl urHieroglyphengruppe sprünglichste Schreibung von hb ist. Das deutliche Übergewicht von G1 und G4 gegenüber den anderen graphischen Varianten spiegelt sich in der Belegsituation

Auch die Graphie G5 ist von G2 kaum zu unterscheiden. Das einzige Unter-scheidungsmerkmal besteht auch hier lediglich in der Wiedergabe des Pfluges. G5 ist ein einziges Mal in der Oststadt belegt,1601 wo es sich zusammen 1597

1602

Hierakonpolis II, Tf. LXX, Abb. 14. Siehe Abydos III, Tf. X, Abb. 24. 1599 Oststadt: Kat. 434 und 646. 1600 RT II, Tf. XXIV, Abb. 207. 1601 Oststadt: Kat. 658

Hierakonpolis II, Tf. LXX, Abb. 15-16, einmal sogar mit der Graphie C1 von rnw/jrj nw belegt. 1603 van de Walle, Empreintes, Typus I b: E 7844; IÄF III, Tf. 93, Abb. 357. 1604 Siehe typologische Tafel XXI.

1598

163

JEAN-PIERRE PÄTZNICK

hb/n(j) hb G1 G2 G3 G4 G5

Festung + mA+ “Auge” / O4 / L2

Oststadt

Satet - Süd + C1 / O2

+ C2 / O5/ O2 + B5 + A5 / jr(j)+”Auge” + t(w)t n mrw.t

1

Tabelle 64: Zusammen mit den Paläographien des Beititels hb/n(j) hb auftretende epigraphische Merkmale der Oststadt wieder, wo allein sieben von elf Schreibungen diese beiden Graphien aufweisen. Zwar ist G1 in allen Siedlungsbereichen belegt, tritt jedoch verstärkt in der Oststadt auf. Dort wie auch im Südbereich des Satettempels weist G1 zusätzlich das ansonsten selten belegte Epitheton nfr jxt zA auf. G4 ist in zwei Stadtbereichen, der Festung (1) und der Oststadt (4) belegt. Beide Befunde zeigen, daß es sich bei dieser Graphie um eine jüngere, frühestens in die 3. Dyn. zu datierende Variante der älteren G1 handelt, die damit ein wichtiges chronologisches Kriterium seit der 2. Hälfte der 2. Dyn. darstellt.1605

Holzkisten erkennen, so daß Träger des Beititels hb/n(j) hb direkt in Verbindung mit der Aufbewahrung von Säcken und Kisten gebracht werden können. In diesem Zusammenhang kommt den Abdrücken eines Schatzverwalters aus dem Südbereich des Satettempels gemeinsam mit diesem Beititel sowie der Bezeichnung rnw/jrj nw eines Lokalbeamten auf Versiegelungen mächtiger Holzverriegelungen eine ganz wesentliche Bedeutung insofern zu, als das Mitführen des Beititels hb-“Der Zutrittsberechtigte/-befugte” - auf diesem Siegel mit der Verschließung und dem Zugang zu Tempelmagazinen in Verbindung gebracht werden kann.

4.6.4.4.4 Zusammenfassung

Epigraphisch ist dieser Beititel vorwiegend auf viergliedrigen bis sechsgliedrigen Siegelsequenzen nachzuweisen, die damit die Grundlage für die meistens nicht mehr zu rekonstruierenden “mind. zwei-” bis “mind. fünfgliedrigen” Siegelbilder darstellen.

Somit zeigt sich auch hier, daß es sich bei diesem angeblichen Personennamen der Frühzeit (2. Hälfte der 2. Dyn.-Dyn.) in Wirklichkeit ebenfalls um einen Beititel hb/n(j) hb handelt.

Paläographisch sind von fünf Graphien zwei von Relevanz. Die am häufigste verwendete graphische Komposition präsentiert sich v. a. als G1. Entscheidend hierbei ist die Wiedergabe des Pflugzeichens, die die Herleitung einer jüngeren Graphie von einer älteren Version ermöglicht. G1, die ältere Graphie, läßt sich von der ausgehenden 2. Dyn. bis in die 3. Dyn. hinein belegen, wohingegen die jüngere G4, nur während der gesamten 3. Dyn. nachzuweisen ist.

Den mitgeführten Beamtentiteln nach zu urteilen handelte es sich um eine Qualifikation, die eine Zutrittsberechtigung zu bestimmten Räumlichkeiten im funerären Kontext (Grab/Talbezirk) sowie im Siedlungsbereich (Tempel oder Palast) oder in anderen Verwaltungseinrichtungen darstellte, weshalb sich die Siegelinhaber auch “Zutrittsbefugter” nennen haben könnten. Eine weitere Beobachtung am alten Material, wonach mjtr/mr.t-Angehörige als auch rnw/jrj nw bzw. rnw.tj/jrj nw.tj-“Lokalbeamten” diesen Beititel trugen, konnte auch am untersuchten Siegelmaterial bestätigt werden.

4.6.4.5 Die Epitheta anx mrr nsw.t/nsw.t/-mrj nsw.t/nsw.t/-nb, -nb=f 4.6.4.5.1 Belegsituation

Die Frage nach dem tatsächlichen Aufgabenbereich dieser Zutrittsberechtigten kann nicht mit letzter Sicherheit beantwortet werden, jedoch sind gerechtfertigte Ansätze hierzu möglich. Zunächst zeigt die stadttopographische Verteilung der Nachweise des Beititels hb/n(j) hb eine auffallende Konzentration in der Festung und v. a. in der Oststadt, in der elf von insgesamt 18 Belegen gefunden wurden. Bei beiden handelt es sich um ehemalige Verwaltungszentren, von denen das eine (Oststadt) das andere (Festung) zu Beginn der 3. Dyn. abgelöst hatte. Sowohl die Abrollungen der Oststadt als auch die des Festungsareals lassen ein Übermaß (neun von 14) an aufgebrochenen Versiegelungen von Verpackungen und

Die bisher frühesten, sicher datierten Belege dieser epithetischen Bezeichnung lassen sich spätestens am Ende der 2. Dyn. bzw. zu Beginn der 3. Dyn. nachweisen, wo sie auf Siegelungen im abydenischen Talbezirk des Horus Chasechemui gefunden wurden.1606 Weitere undatierte Beweise dieses Epithetons sind v. a. aus Siedlungsbereichen wie Abydos,1607 Elkab,1608 Hierakonpolis1609 und

1606 P. E. Newberry, op. cit. Tf. XXVI, Abb. 17 und IÄF III, Tf. 91, Abb. 347 A, wo die zu rekonstruierende Beamtensiegelung eines Schreibers die Kombination dieser epithetischen Bezeichnung mit der Graphie C2 von rnw.tj/jrj nw.tj belegt; Newberry op. cit. Tf. XXV, Abb. 16 und IÄF III, Tf. 92, Abb. 353 mit dem Nachweis dieses Beititels sowie der graphischen Variante C3 von rnw.t/jrj nw.t. 1607 IÄF III, Tf. 97, Abb. 390 . Das hier vollständig erhaltene Siegelbild eines mjtr-Angehörigen vereint diese Bezeichnung mit der Graphie D2 des anderen Beititels sAD.

1605

Vgl. den Nachweis von G4 mit der Graphie C2 von rnw.tj/jrj nw.tj auf einem Holzrollsiegel in IÄF III, Tf. 96, Abb. 376 und auf einem Siegelbild mit Trennleisten aus den Siedlungsstrukturen von Hierakonpolis aus der 3. Dyn., s. auch Hierakonpolis II, Tf. LXX, Abb. 14.

164

DIE SIEGELABROLLUNGEN UND ROLLSIEGEL DER STADT ELEPHANTINE Ombos (Negade)1610 bekannt.1611 Zu dieser Belegsituation kommen vereinzelte kontextlose Nachweise auf Siegelabrollungen1612 sowie auf Rollsiegeln1613 in Museen hinzu. Bemerkenswert ist dabei der Nachweis von anx mrr nsw.t auf Siegelbildern mit vertikalen Trennleisten,1614 was für die Einordnung in die ausgehende 3. Dyn. spricht, so daß für anx mrr nsw.t/-mrj nsw.t/-nb, -nb=f ein Zeitraum von der ausgehenden 2. Dyn. bis zum Ende der 3. Dyn. anzunehmen ist.1615

mrr(.w) nsw.t-“Ein Lebender, den der König (ständig) liebt” - vertretbar erscheint. Eine weitere Graphie, , die nur auf den Abdrücken zweier Rollsiegel aus Hierakonpolis bzw. einem Museum nachzuweisen ist, datiert spätestens in den Beginn der 3. Dyn. Im Unterschied zu der weit verbreiteten Version anx(.w) mrr(.w) nsw.t zeigt diese Hieroglyphengruppe keine Verdoppelung des r in mrr, so daß hier die Lesung anx(.w) mr(jj) nsw.t-“Ein Lebender, der vom König geliebt wird” - in Frage kommen dürfte.

4.6.4.5.2 Lesung und Interpretation In den bisherigen Publikationen finden sich lediglich zwei Arten epithetischer Bezeichnungen: anx mrr nsw.t und anx mr(j) nsw.t.1616 Andere Varianten, wie anx mrr nb=f, -nb oder gar anx mrr nb.t begegnen dagegen gar nicht. In der Mehrzahl der Belege, d. h. in elf von insgesamt zwölf Siegelungen, ist das Epitheton anx mrr nsw.t

4.6.4.5.3 Die Epitheta anx mrr nsw.t/nsw.t/-mrj nsw.t u. ä im Elephantiner Material Auf insgesamt 23 Siegelungen des Elephantiner Materials und einem Holzzylinder lassen sich diese epithetischen Bezeichnungen erkennen. Allein 21 von ihnen stammen aus der Oststadt, während zwei in der Nordoststadt und ihrer Erweiterung und lediglich eine einzige, auf einem Holzrollsiegel, im Südbereich des Festungsareals gefunden wurden. Diese signifikante stadttopographische Verteilung sowie die datierten Fundkontexte der Oststadt (3. und 4. Dyn.) stimmen mit dem Befund des abydenischen Talbezirkes von Horus Chasechemui, wie auch mit dem der Siedlungen überein und bestätigen somit erneut das bisher datierungsrelevante Spektrum der Epitheta für die 3. Dyn.

in der hieroglyphischen Zusammensetzung auf den Siegelbildern zu erkennen. Die frühesten bekannten Belege dieser Graphie sind im Siegelmaterial des abydenischen Talbezirks von König Chasechemui nachzuweisen und somit spätestens ans Ende der 2. Dyn. bzw. zu Beginn der 3. Dyn. zu datieren. Bemerkenswert ist dabei die Verdoppelung des Konsonanten r im Lexem mrr, die für jene Zeit geradezu progressiv anmutet. Andererseits stellt sie für die Lesung des Monogramms einen grundlegenden Ansatz dar, und zwar insofern als sie mit der Übersetzung einer Relativform der Art anx(.w)

Die verschiedenen epithetischen Bezeichnungen lassen sich sowohl auf Zivilsiegelungen mit Beamtentiteln (acht) als auch auf Zivilsiegelungen o. Beamtentiteln (16) nachweisen. Vier der Beamtensiegel sind zS-“Schreiber” zuzuordnen. Bis auf die Abrollungen eines im Rang eines jrj x(w).t nsw.t stehenden zS-“Schreiber” mit der unklaren Bezeichnung jTT1617 sind alle Belege dem bekannten Beamten Bw nfr, dem zS pr Sna-“Schreiber der Produktions- und Verarbeitungsstätte” zuzuordnen.1618 Darunter befindet sich auch der einzige Nachweis dieser epithetischen Bezeichnung in der Festung, und zwar auf einem dort gefundenen, beschädigten Holzrollsiegel.1619

1608

IÄF III, Tf. 93, Abb. 360 und van de Walle, Empreintes, S. 92 Typus D: E 7828-7834 und E 7854. Diese Verschlüsse ermöglichen die Bestimmung des sechsgliedrigen Siegelbildes eines “Aufseher (o. ä.) von Elkab (?)”, das eine Kombination des Epithetons und der Graphie D2 des Beititels sAD aufweist, wie sie auch im abydenischen Beispiel belegt ist. 1609 Hierakonpolis II, Tf. LXXI, Abb. Q125. Die abgebildete Abrollung eines Holzrollsiegels belegt die Bezeichnung anx mr(j) nsw.t sowie die Graphie C2 von rnw.tj/jrj nw.tj. 1610 W. M. Fl. Petrie, Nagada and Ballas, Tf. 80, Abb. 28 und IÄF III, Tf. 93, Abb. 361, wo das rekonstruierte Siegelbild eines Hm nTr und jHm.t samt der Bezeichnung anx mrr/mrj nsw.t sowie die Graphie C2 von rnw.tj/jrj nw.tj zu erkennen ist. 1611 In der Nordweststadt ist ebenfalls diese Bezeichnung, allerdings in der Form anx mrr nb.t(!), auf dem zu rekonstruierenden, fünfgliedrigen Siegelbild eines Schreibers zusammen mit der Graphie D3 von sAD nachzuweisen. Der Datierung der Verfüllung der Substrukturen nach zu urteilen ist diese epithetische Bezeichnung der 3. Dyn. zuzuordnen; hierzu sei S. J. Seidelmayer für die Zusendung der Fotoabzüge und Zeichnungen herzlich zu danken. 1612 IÄF III, Tf. 133 , Abb. 814 und IÄF, S. 174, wo andere Nachweise dieser Epitheta vorliegen. 1613 IÄF III, Tf. 96, Abb. 380 mit einem unsicheren Beamtentitel sowie der Graphie C2 von rnw.tj/jrj nw.tj; Tf. 96, Abb. 383 u. 386; Tf. 99, Abb. 425 und Tf. 100, Abb. 433. 1614 IÄF III, Tf. 96, Abb. 383 mit einem nicht sicheren Beamtentitel nfr.wt HqA[...] und einem unklaren Beititel; IÄF III, Tf. 96, Abb. 386 zeigt das viergliedrige Siegelbild eines (R)r.t(j) nTr mit der graphischen Variante E2 von nfr mAa jz.t und anx mrr nsw.t. 1615 Es kann nicht ausgeschlossen werden, daß diese Bezeichnungen auf Siegelungen der 4. Dyn. vorkommen könnten. Richtungsweisend wäre dann das eben erwähnte Siegel mit vertikalen Trennlinien in IÄF III, Tf. 96, Abb. 383. 1616 Beide werden von Kaplony als Personennamen gelesen, s. IÄF, S. 452 ff.

Drei weitere Nachweise tragen so unterschiedliche Titel wie jrj nfr(.w),1620 Sms-“Begleiter”1621 oder jrj jxt wDA(.w)t-“Verwalter der Lagerhäuser”.1622 Die erhaltenen bzw. zu rekonstruierenden Siegelbilder lassen insgesamt je ein drei-, und vier- und darüberhinaus ausschließlich sechsgliedrige Siegelsequenzen erkennen. Das dreigliedrige Muster BT+E+PN ist auf dem Beamtensiegel eines jrj nfr(.w) erhalten, das viergliedrige BT+PN+E+PN auf 1617

Oststadt: Kat. 342 (auf Gv. I a). Zum Titel Schreiber s. allgemein hierzu S. 89ff. Festung: 194 (Rollsiegel) und Oststadt: 322 (auf Gv. I a), 622 (auf Gv. I c) und 656 (Gv. V b). 1619 Festung: Kat. 194. Abrollungen dieses Siegels lassen sich in der Oststadt an Kat. 322 und v. a. an Kat. 622 nachweisen; siehe auch S. 212, Anm. 1971. 1620 Oststadt: Kat. 603 (auf Gv. I c); zum Titel, siehe auch S. 213 1621 Oststadt: Kat. 567 (auf Gv. I c) und S. 108ff. 1622 Oststadt: Kat. 292 (auf Gv. I a). 1618

165

JEAN-PIERRE PÄTZNICK

nx mr-/mrr nsw.t / nb /nb=f S: Sozialstatus Zivilsiegel +Beamtentitel BT+E+PN BT+PN+E+PN BT1+PN+E+PN+BT2 +PN RT+BT+PN+E+PN+T(?) PN+BT+?+E+PN+? ?+S+PN+E+BT+? Zivilsiegel. o. Beamtentitel S+PN+E+PN S+E1+BEI+E2+PN S+PN+E+? u. ä. E+PN+? u. ä. PN+E+PN+? Unklar Gesamt

Festung

NO-Stadt und Erweiterung rnw.tj

Oststadt rnw.t

Ges. mjtr/-.t

1

1 1 2

1 1 3

1 1

1 1 1

1 1 1

3

1 1 1 5 2

1

1 1

1

1

7

13

2 1 5 5 2 1 24

Tabelle 65: Stadttopographische Verteilung der Epitheta anx mr/mrr nsw.t oder -nb=f/nb(=j) nb=f/nb(=j) dem Siegelbild eines Sms-“Begleiter”.1623 Sechsgliedrige Siegelsequenzen finden sich ausschließlich auf vier Siegelungen von Schreibern. Von diesen lassen sich drei mit einer Form - BT+PN+BT1+PN+E+PN - Bw nfr, dem zS pr Sna-“Schreiber der Produktions- und Verarbeitungsstätte”- zuweisen, während eine weitere RT+BT+PN+E+PN+T - einem Schreiber namens Jr.t nTr angehörte, der im Rang eines jrj x(w).t nsw.t stand.1624

S+E1+BEI+E2+PN trägt.1627 Die beiden letztgenannten stammen von mjtr.t-Siegelinhaberinnen. Die vier übrigen mjtr-Siegelungen sind der Kategorie der unvollständigen, “mind. dreigliedrigen” Siegelsequenzen zuzuordnen: ?+PN+E+S+?, ?+E+S+PN+? sowie ?+E+PN+S+? wobei eine weitere erhaltene Abfolge S+PN+E+? Teilsiegelung einer mjtr.t-Titelträgerin stellt.1628 Hinzu kommt aus der Nordoststadt eine mind. dreigliedrige Form - PN+S+E+? eines “Lokalbeamten” rnw.t/jrj nw.t.1629 Die restliche Gruppe von Siegelungen setzt sich aus einer Gruppe von erhaltenen “mindest zweigliedrigen” Siegelsequenzen der Form E+PN+?1630 und von “mindest dreigliedrigen Siegelbildern mit der Abfolge PN+E+PN+?1631 je mit fünf und zwei Exemplaren zusammen. Lediglich ein Beispiel aus der Nordoststadt, das nur aus einem erhaltenen Epitheton bestand, wurde als “Unklar” ausgewiesen.1632

Unvollständige Beamtensiegel liegen in zwei Beispielen eines “mind. viergliedrigen” Musters vor. Das eine erhaltene - S+PN+E+BT+? zeigt den Siegelinhaber als einen jrj jxt wDA.(w)t-“Verwalter der Lagerhäuser” - mit der Bezeichnung der Lokalbeamtenschaft rnw.t/jrj nw.t auf, das andere PN+BT+?+E+?+PN - läßt sich vermutlich zu einem weiteren sechsgliedrigen Siegelbild von Bw nfr vervollständigen.1625 Von den insgesamt 16 Zivilsiegeln o. Beamtentiteln tragen zunächst sieben die Bezeichnung mjtr bzw. zwei bis drei davon sogar explizit das Femininum mjtr.t, womit zum ersten Mal in unserem Material Frauen als Siegelinhaberinnen eindeutig identifiziert sind.1626 Drei der sechs Siegelungen dieser Statusträger sind vollständig erhalten: zwei viergliedriges - S+PN+E+PN - sowie ein fünfgliedriges, das das bereits bekannte Muster

Paläographisch zeigen diese Epitheta sechs unterschiedliche Graphien, die im Katalog sowie hier im Text 1627

Oststadt: Kat. 418 (auf Gv. V b), Kat. 329 und Kat. 416. Oststadt: Kat. 325 (auf Tb. 2 b), Kat. 518 (auf Gv. V b), Kat. 570 (Typus unklar) sowie Kat. 480 (auf Gv. V b). Zu Gv. V b siehe S. 34ff. 1629 Nordoststadt: Kat. 067 (auf Tb. 2 a), s. hierzu S. 47, Anm. 490. 1630 Oststadt: Kat. 488 (auf Gv. V b), 494 (Tb. 2 a), 554 (auf Tb. 2 b), vgl. mit Kat. 325; 604 (auf Gv. V b) und 608 (auf Gv. I c), vgl. mit Siegelungen des Schreibers Bw nfr. Hierbei sei anzumerken, daß das Siegelbild der beiden Kat. 488 u. 494 mit vertikalen Trennleisten gegliedert ist, was sie frühestens in die späte 3. Dyn. bzw. zu Beginn der 4. Dyn. einordnen lassen. 1631 Oststadt: Kat. 457 und 477 (auf Tb. 2 b). Bei der Kat. 457 (auf Tb. 1) handelt es sich um die teilerhaltene Siegelung des Schreibers Bw nfr. 1632 Nordoststadt: Kat. 094 (auf Tb. 2 a). 1628

1623

Oststadt: Kat. 603 und Kat. 567. Festung: Kat. 194 und Oststadt: Kat. 322 u. 622; Kat. 342. Zum jrj x(w).t nsw.t s. S. 94ff. 1625 Oststadt: Kat. 292 und Kat. 656. 1626 Oststadt: Kat. 329 (auf Tb. 1), Kat. 416 (auf Gv. I c) sowie Kat. 480 (auf Gv. V b). Allgemein zu Frauensiegeln siehe auch S. 121f. 1624

166

DIE SIEGELABROLLUNGEN UND ROLLSIEGEL DER STADT ELEPHANTINE

nx mr/ mrr nswt/ nb=f/nb(=j) I0 I1 I2 I3 I4 I5 I6 Gesamt

A3 mjtr/ mr.t

B10/ 19 mjtr/ mr.t

C3 / C5 rnw.t/ jrj nw.t

D3 sAD.t

D4/D5 sAD

J0 anx wD nTr nfr

X X

X

X X

X X

X

Ges.

5 1 4 0 6 4 1 21

Tabelle 66: Zusammen mit den Epitheta anx mr(j)/mrr nsw.t bzw.. nb=f/nb(=j) vorkommende epigraphische Merkmale mit I 0 - I 6 verzeichnet sind.1633 I 0 läßt zwar die Spuren eines der Epitheta erkennen, diese sind jedoch paläographisch nicht näher zu bestimmen. I 1 zeigt eine besondere hieroglyphische Zusammensetzung des Epithetons anx mrr nsw.t, die nur auf dem Siegel des Schreibers und jrj x(w).t nsw.t Jr.t nTr vorkommt und daher eine eigenwillige persönliche Schreibung darstellen dürfte. I2 zeigt die graphische Variante anx mrr nb=f und findet sich fast nur auf allen Siegelabrollungen des zS pr Sna“Schreiber der Produktions- und Verarbeitungsstätte” namens Bw nfr. Dabei taucht I 2 nur mit der Graphie C3 eines Lokalbeamten rnw.t/jrj nw.t auf dem unvollständigen Siegelbild eines jrj jxt wDA(.w)t-“Verwalter der Lagerhäuser” - auf,1634 womit I 2 frühestens am Ende der 2. bzw. zu Beginn der 3. Dyn. datiert werden kann.

auch hier eine persönliche Vorliebe dieses Beamten für diese Schreibung zu verzeichnen sein dürfte.1635 4.6.4.5.4 Zusammenfassung Anders als bisher angenommen werden die frühesten bekannten Belege von anx mrr/ mr(j) nsw.t u. ä., die im bislang publizierten Material von Siedlungen wie in Hierakonpolis, Abydos, Elkab, Ombos, sowie im abydenischen Befund des Talbezirkes von Horus Chasechemuis der ausgehenden 2. bzw. zum Beginn der 3. Dyn. auftauchen, nicht als Personennamen aufgefaßt, sondern als Epitheta. Ob für das Auftauchen dieser epithetischen Bezeichnungen auf Siegelbildern der 3. Dyn. von Beamten oder mjtr/mr.t-Angehörigen ein gegebener Anlaß ausschlaggebend war, ist nicht zu entscheiden. Sicher ist nur, daß damit einerseits die Reziprozität der Liebe zwischen König und Untertan bekräftigt wird und daß sich andererseits der Eindruck aufdrängt, darin den Vorläufer für die Semantik zu erkennen, die in Grabinschriften des Alten Reiches mit Kurzformen wie z. B. mrr nb=f/-nsw.t sowie in biographischen Inschriften ihren Niederschlag gefunden haben.

Die Form I 3 anx mrj nsw.t läßt sich nicht eindeutig belegen. I 4 stellt einen Grenzfall zwischen den beiden Lesungen anx mrj- und -mrr nsw.t und kann anhand der Schreibung nicht entschieden werden. Fünfmal ist diese Graphie nachzuweisen, dreimal auf mjtr/mjtr.t bzw. mr.tSiegelungen und jeweils einmal auf einem Beamtensiegel sowie auf zwei unvollständigen Siegelsequenzen.

In unserem Material tauchen diese und auch andere Varianten wie anx mrr nb=f/-nb(=j) vornehmlich in der Oststadt auf, wo sich allein 21 der insgesamt 24 Siegelungen von Beamten und Angehörigen der Ziviladministration finden. Beachtenswert ist dabei die geradezu auffallende Verwendung dieser epithetischen Bezeichnungen auf Siegelbildern von mjtr/mr.t bzw. mjtr.Statusträger(inne)n, die immerhin sieben der 16 Zivilsiegelungen ohne Beamtentiteln stellen. Demgegenüber zeugen die zwei Beispiele mit der Lokalbeamtenbezeichnung rnw.t/jrj nw.t vom seltenen Gebrauch dieser Epitheta auf Siegelungen von Lokal- bzw. Stadtbeamten. Die vollständig erhaltenen bzw. zu rekonstruierenden Siegelbilder zeigen drei- bis sechsgliedrige Muster mit der hier-

I 5 ist bereits als anx mrr nsw.t am Ende der 2. bzw. zu Beginn der 3. Dyn. im abydenischen Talbezirk von Horus Chasechemui nachzuweisen. Viermal läßt sich diese graphische Variante in unserem Material nachweisen: dreimal auf Siegeln von mjtr/mjtr.t bzw. mr.tAngehörigen, wobei sie einmal zusammen mit den Graphien D3 des Beititels sAD.t(j) und J1 des Epithetons nfr anx wD nTr begegnet und lediglich einmal auf einem mit vertikalen Trennleisten gegliederten Beamtensiegel eines Sms-“Begleiter”, ein Muster, das die Graphie I 5 bis in die späte 3. Dyn. bzw. zu Beginn der 4. Dyn. einordnen läßt. I 6 zeigt eine Sonderform anx mrr nb/nb(=j), die nur auf der Abrollung eines Siegels von Bw nfr auftaucht, so daß

1635

Gerade im Fall des Schreibers namens Bw nfr, der wohl auf Elephantine eine lokale Größe gewesen ist, dürfte das Mitführen solcher Formen von Epitheta wie anx mrr nb=f bzw. anx mrr nb=j Hinweis zur Nähe und Ergebenheit dieses Beamtens dem Gouverneur von Elephantine, seinem Herrn, gegenüber.

1633

Siehe zu den Graphien Tafel XXII. 1634 Für eine ähnliche Kombination auf einer Siegelung aus dem Talbezirk des Horus Chasechemui mit der Graphie C3 von rnw.t/jrj nw.t und dem Epitheton anx mrr nsw.t, s. IÄF III, Tf. 92, Abb. 353.

167

JEAN-PIERRE PÄTZNICK eindrucksvoll unter Beweis gestellt wurde.1640

für meist typischen Wiederholung des PN des Siegelbesitzers. Eine besondere Bedeutung kommt hierbei vier Siegelbildern zu, die eine Unterteilung mit vertikalen Trennlinien aufweisen, was die epithetischen Bezeichnungen nicht nur zu Beginn, sondern auch in die ausgehende 3. bzw. in die 4. Dyn. belegt.

4.6.4.6.2 Lesung und Interpretation Dieses Monogramm ist aus vier Hieroglyphenzeichen gebildet, deren Lesung im einzelnen bereits bekannt ist. Schwierig ist in Anbetracht der Diversität der

Paläographisch sind in dieser Hinsicht zwei der insgesamt sechs Graphien, I 4 und I 5, von besonderer Relevanz. Grundlegende Bedeutung kommt jener Kombination zu, die die Graphien dieses Epithetons gemeinsam mit Beititeln wie sAD/sAD.t sowie mit anderen Epitheta wie anx wD nTr nfr erkennen läßt und somit epigraphisch charakteristiche Datierungselemente aufweist, die Siegelbilder und das Epitheton anx mr(j)-/-mrr nsw.t vom Ende der 2. bis in die späte 3. Dyn. bzw. zu Beginn der 4. Dyn. einordnen läßt. 4.6.4.6 Das Epitheton

graphischen Anordnung wie

,

oder der Variante

lediglich die Bestimmung der richtiaus Elephantine gen Abfolge für die Lesung. Theoretisch böten sich zwei Möglichkeiten an, eine horizontale und eine vertikale. Legt man hierbei die auffälligen Anordnungen der zweigliedrigen Hieroglyphengruppen , sowie zugrunde, die in verschiedenen Einzelgraphien vorkommen, so scheint dies eine vertikale Anordnung bzw. Lesung des Monogramms zu fordern. Gerade die

nfr anx wd wd nTr

4.6.4.6.1 Belegsituation Diese Zusammensetzung von vier Hieroglyphen ist im gesamten, bisher von Kaplony publizierten Siegelmaterial der Frühzeit nur dreimal belegt. Hiervon stammen zwei aus dem Grabkomplex in Bet Khallaf, der in die erste Hälfte der 3. Dyn. in die Regierungszeiten der Horus Netjerichet und Sanacht datiert wird1636 und ein weiteres von einem Museumsobjekt.1637 Entscheidend für uns sind die zwei Exemplare aus dem geschlossenen, datierbaren Fundkontext. Die Bezeichnung anx wD nTr nfr fand sich erstmals im Grab K1, das in die Zeit des Horus Netjerichet zu Beginn der 3. Dyn. datiert, auf Abrollungen eines Beamtensiegels, das neben der Funktion eines zS nD.w nTr-“Schreiber der Gottessalben” auch die Bezeichnung rnw.tj/jrj nw.tj eines Lokalbeamtens trägt.1638 Der zweite Beleg stammt aus einer anderen, in die Zeit des Horus Sanacht zu datierenden Grabanlage.1639 Das Monogramm ist in den mehrfach sich überlappenden Abdrücken eines nicht mehr zu rekonstruierenden Siegelbildes erhalten und zeigt eine Anordnung, die im Elephantiner Siegelmaterial oft vorkommt. Der geschlossene Fundkontext sowie seine Datierung zu Beginn bzw. in der 1. Hälfte der 3. Dyn. sind darum für die Bestimmung der epithetischen Bezeichnung nfr anx wD nTr als Datierungskriterium der 3. Dyn. geradezu grundlegend, was sich am Elephantiner Befund verifizieren läßt, wie der Nachweis des Epithetons aus datierten Substrukturen der 3. Dyn. in der von S. J. Seidelmayer untersuchten sog. Nordweststadt

Gruppe , deren Graphie unverändert bleibt sowie , die graphisch beliebig gestaltet werden kann, unterstützen eine vertikale Lesung des Monogramms, woraus sich folgende Lesungsalternativen ergeben würden: nfr anx nTr wD-“Vollkommen ist der Lebende, dem der Gott befiehlt” oder wD nTr nfr anx-“Dem der Gott befiehlt, ist vollkommen an Leben” bzw. wD nTr anx nfr-“Dem der Gott befiehlt, ist ein vollkommener Lebender”. Was eine horizontale Lesung des Monogramms auszuschließen scheint, erweist sich als ein Trugschluß, da die Anordnungen der Hieroglyphen in diesem Monogramm auch horizontale Lesungen wie z. B. anx wD nfr nTr-“Ein Lebender, dem der göttliche Vollkommene/dem der vollkommene Gott befiehlt” bzw. wD anx nTr nfr oder wD nfr nTr anx-“Vollkommen der, dem der lebende Gott befiehlt” ebenfalls zulassen können. Als älteste und wohl auch als ursprüngiche Lesung dieses Monogramms dürfte die Version nfr anx wD nTr“Vollkommen an Leben ist, dem der Gott befiehlt” - zu bestimmen sein wie diese zu Beginn der 3. Dyn. im datierten Grabkontext K1 in Bet Khallaf in der Regierungszeit des Horus Netjerichet bereits belegt ist, womit in diesem Fall sowie in den jüngeren Graphien des Monogramms die dauernde belebende Befehlskraft des zu Lebzeiten bereits als göttlich angesehen Herrschers der 3. Dyn. besonders bezeugt würde.

1636

Zur Bestimmung der Königsabfolge Horus Netjerichet und Sanacht siehe Exkurs I: Zur Abfolge der Horusnamen der 3. Dynastie, S. 76ff. 1637 SIÄF , Tf. 5, Abb. 899, wo diese epithetische Bezeichnung auf dem viergliedrigen, von vertikalen Trennleisten unterteilten Beamtensiegel eines sHD.t(j) (?) smn.t(j) vorkommt, womit das Epitheton bis in die ausgehende 3. Dyn. bzw. 4. Dyn. zu belegen wäre. 1638 J. Garstang, Bet Khallaf, Grab K1, Tf. VIII, Abb. 3 a und IÄF III,Tf. 96, Abb. 378. 1639 Ders., op. cit., Grab K2, Tf. XIX, Abb. 11 u. 12.

1640

So z.B am Befund der von S. J. Seidlmayer ausgegrabenen Nordweststadt, wo ein weiterer Nachweis dieser Bezeichnung mit der Graphie D4/D5 des Epithetons sAD in Gebäudesubstrukturen der 3. Dyn. gefunden wurden, s. ders. Die staatliche Anlage der 3. Dyn. in der Nordweststadt von Elephantine, in “Haus und Palast im alten Ägypten”, Intern. Symposiums 8. - 11. April 1992 in Kairo, Wien 1996, S. 199, Abb. 3.

168

DIE SIEGELABROLLUNGEN UND ROLLSIEGEL DER STADT ELEPHANTINE

nfr anx wD nTr ?+E+PN+BT+PN+BEI+? S+?+PN+E+BT+?+BEI+? S+BT+PN+E+PN+? S+E1+BEI+E2+PN S+PN+E+PN PN+E+? Gesamt

J1 J2

M3 X

I5

C0 rnw... jrj nw[...]

D3 sAD

X

B6 B19 mjtr.t

Ges.

X

X

X X

X X

D6 sAD

X

X

X

X X

X

1 1 1 1 1 1 6

Tabelle 67: Zusammen mit dem Epitheton nfr anx x wD D nTTr vorkommende epigraphische Merkmale dem Beititel sAD.t (!) auf.1645 Lediglich ein Zivilsiegel weist eine “mind. zweigliedrige” Sequenz des Typs PN+E+? auf.1646

4.6.4.6.3 Das Epitheton nfr anx wD nTr im Elephantiner Material Zu der bisher dürftigen Belegsituation dieser epithetischen Bezeichnung treten sechs Nachweise hinzu, die bezeichnenderweise ausnahmslos in der Oststadt der 3. Dyn. gefunden wurden, womit sich dieser Befund in das chronologische Spektrum der 3. Dyn. der Gräber von Bet Khallaf sowie der Nordweststadt von Elephantine bestens einfügen läßt. Diese Fundsituation wird dadurch gestützt, daß die Bezeichnung weder auf Siegelabrollungen der Nordoststadt noch auf denen der Festung oder des Südbereichs des Satettempels zu finden ist.

Paläographisch lassen sich zwei graphische Varianten bestimmen, die sowohl im Text als auch im Katalog mit J1und J2 bezeichnet wurden.1647

J2 zeigt die Form und ist an vier der sechs Belege nachzuweisen. Diese Konstellation ist nicht nur graphisch weit verbreitet, sondern läßt sich zeitlich über die gesamte 3. Dyn. beobachten, wie der früheste Nachweis dieser Schreibung aus der Zeit von Sanacht und der ausgehenden 3. Dyn. auf einem mit vertikalen Trennlinien gegliederten Siegelbild bezeugen. J2 begegnet einmal gemeinsam mit einer unvollständigen Graphie C0 und ein weiteres Mal mit dem Beititel D6 von sAD, wodurch die Einordnung in die 1. Hälfte der 3. Dyn. besonders zum Ausdruck kommt.

Alle sechs Siegelungen lassen sich jeweils mit drei Exemplaren als Zivilsiegel mit Beamten- bzw. ohne Beamtentitel bestimmen. Unter erstgenannten tragen die drei das bereits bekannte, hier “mind. fünfgliedrige” Siegelbild des Typs - S+?+PN+E+BT+?+BEI+? eines Schreibers mit dem Beititel sAD und der Graphie D3 sowie einer unvollständigen rnw[...]/jrj nw[...] Lokalbeamtenbezeichnung C0.1641 Ein weiterer Abdruck zeigt ebenso auf einer “mind. fünfgliedrigen” Siegelsequenz - S+BT+PN+ E+PN+? die paläographisch nicht mehr zu bestimmende Angabe C0 rnw/jrj nw[...] der Lokalbeamtenschaft sowie den Titel Hrj anx(.w) pr Sna-“Chef des Personals” (“Der über den “Lebenden ist”) der Produktions- u. Verarbeitungsstätte”1642 (wohl die Arbeiter, der Verf.).1643 Die dritte Siegelung weist das ebenfalls bereits bekannte “mind. fünfgliedrige” Siegelbild der Form - ?+E+PN+BT+PN+BEI+? eines Sms-“Begleiter” - mit der selten belegten graphischen Wiedergabe D6 des Beititels sAD auf.1644

J1 hingegen - stellt eine graphisch seltene und ältere Form dar (wie auch die Beispiele aus dem Grab K1 in Beit Khallaf) und unterscheidet sich von J2 nur durch eine leichte Abweichung der Anordnung der Zeichen nfr anx wD nTr. J1 ist auf einer unvollständigen Siegelung mit der Graphie C0 von rnw[...]/jrj nw[...] sowie der Variante D3 des Beititels sAD belegt. Auf einem weiteren Siegelbid kommt J1 sowohl mit den Graphien I 5 des Epithetons anx mrr nsw.t und B19 von mjtr als auch mit der D3 des Beititels sAD.t (!) zusammen, so daß hier allein schon die graphischen Elemente das Siegelbild bzw. J1 in die 3. Dyn. datieren. Die Tatsache, daß J1 im gegensatz zu J2 bisher nicht auf Siegelbildern mit vertikalen Trennleisten nachzuweisen ist, könnte als Hinweis für die ältere und ursprüngliche Form des Monogramms nfr anx wD nTr gewertet werden.1648

Zwei sicher zu erkennenden Siegelbilder eines Zivilsiegels ohne Beamtentitel finden sich auf Abrollungen von mjtr.t-Angehörigen je auf einem Gv. I a und auf einem Gv. I c und weisen sowohl ein viergliedriges S+PN+E+PN als auch ein fünfgliedriges Muster S+E1+BEI+E2+PN mit dem Epitheton anx mrr nsw.t und

1645

Oststadt: Kat. 317 mit vertikalen Trennleisten und Kat. 416; siehe auch S. 121f. sowie S. 15u. 19. 1646 Oststadt: Kat. 628 mit vertikalen Trennleisten. 1647 Siehe hierzu Tafel XXII - J im Anhang. 1648 Für eine Einordnung von J1 zu Beginn der 3. Dyn. vgl. mit dem Befund von Grab (K1) von der Königin Nimaathapi, Gemahlin von

1641

Oststadt: Kat. 377, s. auch hierzu S. 15 Vgl. hierzu WB I,S. 200, 9 und 201, 1- 4. Oststadt: Kat. 414, s. auch hierzu S. 50, Anm. 528. 1644 Oststadt: Kat. 550 1642 1643

169

JEAN-PIERRE PÄTZNICK

4.6.4.6.4 Zusammenfassung

plexes der 3. Dyn. geborgen wurde.

Die epithetische Bezeichnung nfr anx wD nTr läßt sich seit Beginn der 3. Dyn. nachweisen. Sowohl die Befunde von Bet Khallaf als auch von Elephantine bestätigen zur Genüge das Datierungsspektrum, in dem diese hieroglyphische Gruppe auf Siegelbildern begegnet. Eine Lesung und Interpretation dieser epithetischen Bezeichnung ist aufgrund der verschiedenen graphischen Varianten in der Anordnung der einzelnen Hieroglyphenzeichen nur schwer endgültig möglich, weswegen hier lediglich eine Anregung dazu geboten werden kann. Dennoch sei darauf hingewiesen, daß bei aller Vorläufigkeit das Monogramm eindeutig auf die belebende Befehlsgewalt des Königs hinweist, der hier sogar zu Lebzeiten bereits als Gott bezeichnet wird. Das Tragen dieses Monogramms auf seinem Siegel erlaubt nur schwer eine Interpretation. Wahr ist, daß es die Befehlsgewalt des Königs verherrlicht und daß es auf Siegeln ansonsten äußerst selten vorkommt, weswegen es naheläge, darin die besondere Auszeichnung für einen vom König persönlich angeordneten Auftrag zu sehen, den der Betroffene zur vollen Zufriedenheit des Herrschers erfüllt hätte. Dennoch bleibt diese Vorstellung, auch wenn sie nicht gänzlich auszuschließen wäre, sehr konjektural.

Mit 141 von insgesamt 163 Nachweisen sind allein 87% (!) aus diesem Verwaltungsbezirk ans Tageslicht befördert worden. Diese außerordentliche Beleglage unterstreicht in höchstem Maße den Zeitraum, in dem diese Beititel und epithetischen Bezeichnungen vorkommen und stimmt mit der bisher beobachteten Fundsituation in königlichen funerären Anlagen der ausgehenden 2. Dyn. in Abydos (Talbezirk der Könige Peribsen und Chasechemui) sowie der Siedlungsbereiche in Ombos (Tempelbezirk), Abydos (Stadt und Tempelbezirk), Hierakonpolis (Stadt und Tempelbezirk) und Elkab (Tempelbezirk) überein. Gerade die Einbettung dieser Beititel und Epitheta v. a. in die 3. Dyn. bietet die entscheidende chronologische Grundlage für die Datierungsrelevanz einzelner epigraphischer Kriterien. Ihr Nachweis gemeinsam mit weiteren Bezeichnungen, wie z. B. rnw.tj/jrj nw.tj der Lokalbeamtenschaft auf ein und derselben Siegelsequenz macht die einzelnen Kriterien zu einem sicheren chronologischen Raster. Die stratigraphisch gesicherten, in die 3. Dyn. weisenden epigraphischen und paläographischen Charakteristika

Das Epitheton nfr anx wD nTr findet sich ausschließlich in der Oststadt auf Beamtensiegeln, teilweise mit der Bezeichnung der Lokalbeamtenschaft und sogar auch auf Siegeln von mjtr.t. Es liegen zwei Graphien - J1

bestätigen die Beititel hb bzw.

und

, nfr mA jz.t,

, sAD,

,

, n(j) hb und Epitheta anx mr(j)/ -mrr nsw.t,

, /-nb=f, /-nb, , nfr anx wD nTr als grundlegende chronostratigraphische Elemente der 3. Dyn. und demzufolge die Zuweisung jeglicher Abrollung bzw. jeglichen Siegelbildes mit diesen Bezeichnungen in diesen Zeitraum, was nachfolgende tabellarische Aufstellung deutlich macht. Grundlegend für die angegebenen Zeitansätze sind Parallelfunde aus gesicherten Kontexten, wie z. B. dem Könisgrab und Talbezirk von Chasechemui (frühestens Ende der 2. und Beginn der 3. Dyn.) oder die Beamtengrabanlagen von Bet Khallaf (Beginn und 1. Hälfte der 3. Dyn.), die aufgrund der gefundenen Amtssiegelungen des jeweils regierenden Herrschers eine chronologisch gesicherte Datierung ermöglichen.

J2 - vor, von denen J2 mit vier von sechs Belegen das geläufigere und jüngere ist. Der Nachweis gemeinsam mit dem Beititel sAD sowie den Graphien C0 und I 5 weisen diese Siegelbilder in die 3. Dyn. Daß dieser Datierungsansatz vom Befund selbst bestätigt wird, festigt nicht nur die bisherige chronologische Einordnung dieser epithetischen Bezeichnung in die 3. Dyn., sondern ermöglicht darüberhinaus, das Monogramm chronostratigraphisch in der 3. Dyn. zu verankern. 4.6.4.7 Beititel und Epitheta: Überblick Als wesentlichstes Ergebnis ist vorerst festzuhalten, daß mit Bezeichnungen wie nfr mAa jz.t, hb/n(j) hb, sAD oder anx mr(j)/-mrr nsw.t/-nb=f/-nb und nfr anx wD nTr keine Personennamen wiedergegeben werden, sondern daß es sich dabei um Beititel und Epitheta handelt, die feste Bestandteile der Siegelbilder von Beamtentitelträgern sowie von Angehörigen der Ziviladministration spätestens seit der 2. Hälfte der 2. Dyn. bis zum Anfang der 4. Dyn. sind. Es mag daher nicht verwundern, daß der größte Teil davon ausgerechnet aus der Oststadt, d. h. aus den Baustrukturen eines administrativen GebäudekomHorus Chasechemui und Mutter von Horus Netjerichet, in Beit Khallaf, s. hierzu eingangs Anm. 1638.

170

DIE SIEGELABROLLUNGEN UND ROLLSIEGEL DER STADT ELEPHANTINE

BEITITEL und EPITHETA

2. Hälfte der 2. Dyn.

Ende der 2. Dyn.

3. Dynastie Anfang Ende IIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIII

E1 IIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIII

IIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIII

IIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIII

IIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIII

IIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIII

IIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIII

IIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIII

IIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIII

D3 G1 G2 I 4/I 5

IIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIII

IIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIII

J2

Tabelle 68: Laufzeit und chronostratigraphische Bestimmung der auf den Siegelbildern vorkommenden Beititel und Epitheta

171

JEAN-PIERRE PÄTZNICK

dienen dabei in der Rekonstruktion des Wortes meist als Initial- bzw. Finalphonogramme (IP/FP), als - komplementäre - Phonogramme (P) und/ oder als Endungen (E), Zweikonsonantenzeichen1653 hingegen als HauptPhonogramm (HP),1654 selten als (P). Dreikonsonantenzeichen begegnen im Regelfall als Logogramme (L) oder auch als Determinativ (D).1655

5. Die graphematische Erschließung der Inschriften 5.1 Zielsetzung und Methodik In diesem Kapitel soll das einzelne Wort bzw. seine Zusammensetzung, insbesondere die Struktur, nach der zwei-, drei- und mehrkonsonantige Wörter gebildet werden, näher untersucht werden. Das für eine solche morphologische Untersuchung einzelner Lexeme angewandte analytische Verfahren zerlegt zunächst das betreffende Lexem in seine einzelnen Bestandteile (Grapheme). Dieser De-komposition folgt anschließend seine Rekomposition anhand der systematischen Bestimmung der jeweiligen graphematischen Funktion der Morpheme und Lexeme.

Somit verfolgt diese Untersuchung zwei Absichten: Basierend auf der grundlegenden Arbeit von J. Kahl1656 soll einerseits dessen graphematische Systematisierung auf den inschriftlichen Corpus der vorliegenden Arbeit Anwendung finden sowie diesen darüberhinaus erweitern und verfeinern. Die Erstellung eines detaillierten strukturellen lexikalischen Gerüsts ermöglicht so das Lesen und Übersetzen schwieriger und verschlüsselter Schreibungen von Personennamen und Titeln aus der Frühzeit sowie zu Beginn des AR bzw. gestattet zumindest, die jeweilige Wortkonstruktion nachzuvollziehen - was bislang mehr oder weniger aus dem “Bauch” heraus oder rein assoziativ - und z. T. ägyptologisch höchst fragwürdig - geschehen war. Desweiteren besteht die Intention, die anhand der graphematischen Untersuchung erschlossenen, lexikalischen Strukturen in die gesamte Stadtstratigraphie von Elephantine einzubinden, womit erstmals die chronologische Verankerung bereits herausgearbeiteter Wortstrukturen bzw. -kompositionen unterschiedlicher Art sowie der zeitliche Nachvollzug des strukturellen Entwicklungsprozesses einiger Lexeme bzw. deren chronologische Bestimmung möglich wäre.

Von zentraler Bedeutung hierbei ist die Transkription des gesprochenen Wortes in schriftliche Zeichen.1649 Eine solche geschah unter Verwendung des Rebussystems, mit dem die altägyptische Sprache von Beginn an ihre Wörter kodifiziert hat. Entscheidend für den Gebrauch eines Wortes innerhalb des Rebus war dann die Bestimmung seiner Funktion entweder als Bestandteil in einem umfassenderen Zusammenhang oder aber als reines Lautwertzeichen. Je nachdem, ob mit ihm eine konkrete ideelle Vorstellung verknüpft war bzw. es sie geradezu verkörperte oder aber ob der Schwerpunkt auf seiner phonetischen Eigenschaft lag, fungierte es entweder als Ideogramm (Begriffszeichen) bzw. Logogramm1650 (Wortzeichen) oder, zur Bildung anderer Wörter als Phonogramm1651 (Lautzeichen).1652 Einkonsonantenzeichen

erster unterschied dabei E. Edel, AG, S. 14 ff., ein- bis dreikonsonantige Phonogramme. In dieser Einteilung folgte ihm auch P. Vernus, La Langue Égyptienne, in: Les Langues dans le Monde Ancien et Moderne, 3e. Partie, Les Langues Chamito-Sémitiques, Paris 1988, S. 161. Demgegenüber unterschied J. Kahl, op. cit. S. 61-78, lediglich Ein- und Zweikonsonantenzeichen und ordnete die Dreikonsonantenzeichen den Logogrammen zu. 1652 Sehr gut ist dies am Beispiel des Zeichens zu verifizieren, das als Ideogramm bzw. Logogramm für “Haus” sowie als Phonogramm mit dem Lautwert pr/pr(j) fungieren kann. 1653 Die Tendenz, Zweikonsonantenzeichen als Phonogramme zu bezeichnen, findet sich im Ansatz bereits bei P. Kaplony, Die Prinzipien der Hieroglyphenschrift, in: BE 64 - 1, 1972, S. 8. 1654 Um den Ort der verwendeten Phonogramme innerhalb des Wortes näher zu bestimmen, wurde zwischen HP (Haupt-Phonogramme, die entweder als phonetisches Kompositum fungieren oder das zweikonsonantige Wort selbst darstellen), IP/FP (Initial-/Final-Phonogramme, die entweder am Anfang oder am Ende des Wortes stehen) und P (Komplementäre Phonogramme, die zumeist als Kausativbildung oder in der Pleneschreibung von Drei- und Mehrkonsonantenzeichen begegnen) unterschieden. 1655 “Cette précision de sens apportée au son, c´est le role du déterminatif: on place, après un signe, un autre signe qui classe le premier dans une catégorie déterminée de signification”, P. Lacau, Sur le système hiéroglyphique, in: BE 25,1954,S. 107 f. und Anm.1. Interessant ist hier der Vermerk “L´indicatif de sens était aussi nécessaire que l´indicatif de son. Il est possible même que le determinatif général ait précédé le signe-lecture adjoint au signe-image.” Hingegen versteht es Depuydt, op. cit., S. 34, als die kommende linguistische Herausforderung: “It may be concluded that an exact definition of the determinative that goes beyond the traditional concept that determinatives determine the meaning of a word in a general way remains one of the important tasks of the synchronic study of script and language.” 1656 J. Kahl, Das System der ägyptischen Hieroglyphenschrift in der 0. - 3. Dynastie , Wiesbaden 1995.

1649

L. Depuydt, On the Nature of the Hieroglyphic Script , in: ZÄS 121,1994, S. 20 ff. 1650 Logogramm, [griech. logos>Wort, Rede< und gramma>Schrift, GemäldeLaut