Die Septuaginta der Samuelbücher: Untersucht unter Einbeziehung ihrer Rezensionen 9783525536940, 9783647536941, 3525536941

Die Dissertation ist ein Beitrag zur Übersetzungs- und Textgeschichte der Samuelbücher. Im Zentrum steht die Arbeitsweis

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Die Septuaginta der Samuelbücher: Untersucht unter Einbeziehung ihrer Rezensionen
 9783525536940, 9783647536941, 3525536941

Table of contents :
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Title Page
Copyright
Table of Contents
Body
Vorwort
1 Einleitung
1.1 Thema und Aufbau der Arbeit
1.2 Forschungsgeschichte
1.2.1 Die Entdeckung der Kaige-Rezension
1.2.2 Die textgeschichtliche Stellung der Samuel-LXX
1.2.3 Neuere Untersuchungen zur Samuel-LXX
1.3 Material und Methodik
1.3.1 Der Weg zu Old Greek
1.3.2 Die hebräische Vorlage des Übersetzers
1.3.3 Nicht Zirkelschluss, sondern Puzzle
1.4 Quellen und Darstellung
1.4.1 Verwendete Ausgaben und Zitationsweisen
1.4.2 Gruppierung der LXX-Handschriften
1.5 Die Übersetzungstechnik in den Samuelbüchern
1.5.1 Überblick über die Übersetzungsweise
1.5.2 Zur Auswahl der untersuchten Phänomene
2 Die Übersetzung von Konjunktionen
2.1 Die Wiedergabe von satzverbindendem כִּי
2.1.1 Einleitung
2.1.2 ‎כי‎ als Einleitung von Adverbialsätzen
2.1.2.1 Kausalsätze
2.1.2.2 Temporalsätze
Exkurs: καὶ ἐγένετο/ἐγενήθη für וַיְהִי und die Rezensionen
2.1.3 Nominalisierendes כִּי
2.1.3.1 ‎כִּי‎ nach verba sentiendi, dicendi und affectuum
2.1.3.2 ‎כִּי‎ nach Fragepartikeln
2.1.4 Adversatives כִּי
2.1.4.1 Übersetzungsweise
2.1.4.2 Änderungen der Rezensionen
2.1.5 ‎כִּי‎ bei Schwurformeln
2.1.6 ‎כִּי‎ in Kombination mit anderen Konjunktionen
2.1.7 Ergebnis
2.1.7.1 Zur Arbeitsweise des Übersetzers
2.1.7.2 Vergleich mit anderen Übersetzern
2.1.7.3 Zu den Rezensionen
2.2 Die Wiedergabe von satzverbindendem וְ
2.2.1 Zur Methodik
‎2.2.2 וְ als Verbinder gleichgeordneter Sätze
2.2.2.1 Wiedergabe durch καί
2.2.2.2 Asyndetische Satzverbindung
2.2.2.3 Auslassung bei Inf.- und Part.-Konstruktionen
2.2.2.4 Wiedergabe durch δέ
2.2.2.5 Wiedergaben durch οὐδέ
2.2.2.6 Zusammenfassung
‎2.2.3 וְ + unterordnende Konjunktion
2.2.3.1 Gleichgeordnete Nebensätze
‎2.2.3.2 וְ + unterordnende Konjunktion am Satzbeginn
2.2.3.3 Zusammenfassung
‎2.2.4 וְ apodosis
2.2.4.1 Bei Nebensätzen
2.2.4.2 Beim casus pendens
2.2.4.3 Zusammenfassung
2.2.5 Ergebnis und Übersetzungsvergleich
3 Die Übersetzung von Infinitivkonstruktionen
3.1 Einführung
3.2 Die Übersetzung von בְּ + infinitivus constructus
3.2.1 Einleitung
3.2.2 Temporales בְּ + infinitivus constructus
3.2.2.1 Ἐν τῷ + Infinitiv
3.2.2.2 Genetivus absolutus
3.2.2.3 Nebensatz
3.2.3 Modales בְּ + infinitivus constructus
3.2.4 Ergebnis und Übersetzungsvergleich
3.3 Die Übersetzung von כְּ + infinitivus constructus
3.3.1 Einleitung
3.3.2 Temporales כְּ + infinitivus constructus
3.3.2.1 ‎ו‎
3.3.2.2 Übrige Fälle
3.3.2.3 Schlussfolgerung
3.3.1 Handlungsvergleichendes כְּ + infinitivus constructus
3.3.2 Ergebnis
3.4 Zusammenfassung und Übersetzungsvergleich
4 Griechische Partizipialkonstruktionen
4.1 Einführung
4.2 Participium coniunctum
4.2.1 Einleitung
4.2.2 Figura etymologica
4.2.3 λέγων für לֵאמֹר
4.2.4 Infinitive
Exkurs: Ergänzendes Partizip
4.2.5 Finite Verbformen
4.2.5.1 Enumerative Redeweise
4.2.5.2 Nebensatzvertretendes participium coniunctum
4.2.6 Ergebnis
4.3 Genetivus absolutus
4.3.1 Einleitung
4.3.2 ‎בּ‎ und כְּ + Infinitiv
4.3.3 ‎כָּל־יְמֵי‎ + Infinitiv
4.3.4 Ausdrücke mit עוֹד
4.3.5 Zeitbestimmende Sätze mit vorgezogenem Subjekt
4.3.6 Andere Vorlagen
4.3.7 Ergebnis und Übersetzungsvergleich
5 Tempora: Imperfekt und praesens historicum
5.1 Einführung
5.2 Imperfekt
5.2.1 Einleitung
5.2.2 Der Imperfektgebrauch des Übersetzers
5.2.2.1 Iteratives Imperfekt
5.2.2.2 Schilderndes Imperfekt
5.2.2.3 Verben, die ihr Ziel nicht in sich selbst tragen
5.2.2.4 Zusammenfassung und Übersetzungsvergleich
5.2.3 Lukianische Rezension
5.2.3.1 Harmonisierungen innerhalb eines Kontextes
5.2.3.2 Einzeln stehende Imperfekte
5.2.3.3 Besondere Fälle
5.2.3.4 Zusammenfassung
5.2.4 Imperfekt im Kaige-Bereich
5.2.4.1 Änderungen durch die Kaige-Rezension
5.2.4.2 Änderungen der lukianischen Rezension
5.2.4.3 Zusammenfassung
5.3 Praesens historicum
5.3.1 Einleitung
5.3.2 Kontexte für das praesens historicum
5.3.2.1 Kriegerisches und herrschaftliches Agieren
5.3.2.2 Ortsveränderungen
5.3.2.3 Kultische Handlungen
5.3.2.4 Weitere Kontexte
5.3.2.5 Fazit
Exkurs: 2Sam 10,6 als Beginn des Kaige-Abschnitts
5.3.3 Lukianische Rezension
5.3.3.1 Überarbeitung von Kontexten
5.3.3.2 Praesens historicum bei λέγω
5.3.3.3 Zusammenfassung
5.3.4 Praesens historicum im Kaige-Bereich
5.3.4.1 Zuordnung der rezensionellen Eingriffe
5.3.4.2 Nicht handschriftlich bezeugte praesentia historica
Exkurs: Konjekturen als Option der Textkritik
5.3.4.3 Zusammenfassung
5.4 Ergebnis
5.4.1 Zum Tempusgebrauch des Übersetzers
5.4.2 Vorgehen und Motivation der Rezensionen
5.4.2.1 Kaige-Rezension
5.4.2.2 Lukianische Rezension
6 Ertrag
6.1 Die griechische Übersetzung der Samuelbücher
6.1.1 Die Arbeitsweise des Übersetzers
6.1.2 Anlass, Kontext und Zeit der Übersetzung
6.1.3 Die Koine als sprachliche Referenz
6.1.4 Zur Einheit der Samuel- und Königeübersetzung
6.2 Die Rezensionen: Charakter und Kontext
6.2.1 Griechischer Text
6.2.1.1 Die Kaige-Rezension
6.2.1.2 Die lukianische Rezension
6.2.2 Hebräischer Text
6.2.2.1 Zur Chronologie der überlieferten Texttypen
6.2.2.2 Die protomasoretische Rezension
6.3 Ausblick
6.3.1 Die Samuelbücher in der atl. Textforschung
6.3.2 Kaige und die Göttinger kritische Ausgabe
6.3.3 Schluss
Abkürzungsverzeichnis
Anhang A: Imperfekte des Kaige-Bereichs
Anhang B: Praesentia historica der Samuelbücher
Anhang C: Hebräische Wurzeln der praesentia historica
Literatur
Bibelstellenindex

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© 2016, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525536940 — ISBN E-Book: 9783647536941

De Septuaginta Investigationes (DSI) Herausgegeben von Anneli Aejmelaeus, Kristin De Troyer, Wolfgang Kraus, Emanuel Tov In Zusammenarbeit mit Kai Brodersen (Erfurt, Deutschland), Cécile Dogniez (Paris, Frankreich), Peter Gentry (Louisville, USA), Anna Kharanauli (Tbilisi, Georgien), Armin Lange (Wien, Österreich), Alison Salvesen (Oxford, GB), David Andrew Teeter (Cambridge, USA), Julio Trebolle (Madrid, Spanien), Florian Wilk (Göttingen, Deutschland)

Band 7

Vandenhoeck & Ruprecht

© 2016, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525536940 — ISBN E-Book: 9783647536941

Raimund Wirth

Die Septuaginta der Samuelbücher Untersucht unter Einbeziehung ihrer Rezensionen

Vandenhoeck & Ruprecht

© 2016, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525536940 — ISBN E-Book: 9783647536941

Mit 6 Tabellen

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISSN 2198-1140 ISBN 978-3-525-53694-0 Weitere Ausgaben und Online-Angebote sind erhältlich unter: www.v-r.de © 2016, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Theaterstraße 13, D-37073 Göttingen/ Vandenhoeck & Ruprecht LLC, Bristol, CT, U.S.A. www.v-r.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Printed in Germany. Gesamtherstellung: Hubert & Co GmbH & Co. KG, Robert-Bosch-Breite 6, D-37079 Göttingen Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier.

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Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Januar 2015 als Dissertationsschrift von der Theologischen Fakultät der Universität Heidelberg angenommen und für den Druck geringfügig überarbeitet. Ihr Thema hatte mir Prof. Dr. Anneli Aejmelaeus (damals Göttingen, jetzt Helsinki) im Jahr 2006 vorge­ schlagen. Der fachlichen Begleitung und menschlichen Ermutigung von Anneli Aejmelaeus ist es zu verdanken, dass das Vorhaben erfolgreich war. Sie hat mir kontinuierlich Feedback gegeben und zahllose Einzelfragen mit mir diskutiert. Für die Theologische Fakultät der Universität Heidelberg erstellte sie ein externes Fachgutachten. Ich danke Anneli Aejmelaeus herz­ lich für ihre großartige Unterstützung auf dem Weg zur Promotion. Ein besonderer Dank gilt auch Prof. Dr. Manfred Oeming (Heidelberg), der die Betreuung der Arbeit nach dem Wechsel von Anneli Aejmelaeus von der Universität Göttingen an die Universität Helsinki übernahm. Er begleitete die letzte Etappe auf dem Weg zur Fertigstellung und unterstützte mich durch sein Interesse an meinem Thema und anregende Gespräche über die von mir vertretenen Thesen. Für sein Erstgutachten bedanke ich mich herzlich, ebenso bei Prof. Dr. Jan Christian Gertz (Heidelberg) für das Kor­ referat. Eine große Hilfe und wichtige Motivation war der regelmäßige Aus­ tausch in der Forschungsgruppe „Textual Criticism of the Septuagint“ der Akademie Finnlands, deren Mitglieder unter Leitung von Anneli Aejme­ laeus Fragen der Textgeschichte und Textkritik der Samuelbücher diskutiert haben. Ich danke Dr. Tuukka Kauhanen, Marketta Liljeström, Jessi Orpana, Dr. Elina Perttilä, Christian Seppänen und Miika Tucker für die Zusam­ menarbeit und der Akademie Finnlands für die Ermöglichung von Reisen zu den Arbeitstreffen der Gruppe sowie zu alttestamentlichen Tagungen und Kongressen. Im Mai 2014 hatte ich Gelegenheit, im Rahmen eines Seminars des Centre of Excellence in Changes in Sacred Texts and Tradi­ tions der Akademie Finnlands Teile meiner Ergebnisse vorzustellen. Von vielen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern habe ich Anre­ gungen für meine Arbeit bekommen. Prof. emer. Dr. Raija Sollamo (Hel­ sinki) hat mir Hinweise zum Kapitel über die Verbalsyntax gegeben; Dr. Anssi Voitila (Universität Joensuu, Finnland) machte mich auf Literatur zu dieser Thematik aufmerksam. Von großem Wert für mich waren Gespräche mit Dr. Philippe Hugo (Fribourg), Prof. Dr. Anna Kharanauli (Tiflis) und Dr. Timothy Michael Law (Oxford) über Fragen der Textkritik. Christian Albers, Günter Baum, Jakob Baum, Lisa Burgwinkel, Reinhard Herren­ brück, Niels John und Maria Schiffels danke ich dafür, dass sie Teile der Arbeit Korrektur gelesen haben.

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Vorwort

Von Oktober 2006 bis Dezember 2007 genoss ich das Privileg eines Sti­ pendiums der Hessischen Lutherstiftung. Seit dem Jahr 2008 habe ich die Dissertation parallel zum Pfarrdienst in der Evangelischen Martin-LutherGemeinde Wirges, seit 2012 in der Evangelischen Paulusgemeinde Darm­ stadt fortgeführt. Ohne die Unterstützung meiner Frau Hanna Wirth wäre dies nicht möglich gewesen. Ich bin ihr zutiefst dankbar, dass sie dieses Pro­ jekt mitgetragen hat. Darmstadt, im Oktober 2015

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Raimund Wirth

Inhalt Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

5

1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 1.1 Thema und Aufbau der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 1.2 Forschungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2.1 Die Entdeckung der Kaige-Rezension . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2.2 Die textgeschichtliche Stellung der Samuel-LXX . . . . . . . . . 1.2.3 Neuere Untersuchungen zur Samuel-LXX . . . . . . . . . . . . . .

13 13 16 19

1.3 Material und Methodik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3.1 Der Weg zu Old Greek . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3.2 Die hebräische Vorlage des Übersetzers . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3.3 Nicht Zirkelschluss, sondern Puzzle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

22 22 24 24

1.4 Quellen und Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 1.4.1 Verwendete Ausgaben und Zitationsweisen . . . . . . . . . . . . . 26 1.4.2 Gruppierung der LXX-Handschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 1.5 Die Übersetzungstechnik in den Samuelbüchern . . . . . . . . . . . . . . . 29 1.5.1 Überblick über die Übersetzungsweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 1.5.2 Zur Auswahl der untersuchten Phänomene . . . . . . . . . . . . . . 36 2 Die Übersetzung von Konjunktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Die Wiedergabe von satzverbindendem ‫כּ ִי‬i . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.2 ‫ כּ ִי‬als Einleitung von Adverbialsätzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.2.1 Kausalsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.2.2 Temporalsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Exkurs: καὶ ἐγένετο/ἐγενήθη für ‫ ו ַי ְה ִי‬und die Rezensionen . . . . 2.1.3 Nominalisierendes ‫כּ ִי‬i . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.3.1 ‫ כּ ִי‬nach verba sentiendi, dicendi und affectuum . . . 2.1.3.2 ‫ כּ ִי‬nach Fragepartikeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.4 Adversatives ‫כּ ִי‬i . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.4.1 Übersetzungsweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.4.2 Änderungen der Rezensionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.5 ‫ כּ ִי‬bei Schwurformeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.6 ‫ כּ ִי‬in Kombination mit anderen Konjunktionen . . . . . . . . . . 2.1.7 Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.7.1 Zur Arbeitsweise des Übersetzers . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.7.2 Vergleich mit anderen Übersetzern . . . . . . . . . . . . . . 2.1.7.3 Zu den Rezensionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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39 39 39 40 40 45 45 47 48 49 50 50 54 54 58 60 60 62 63

8

Inhalt

2.2 Die Wiedergabe von satzverbindendem ְ ‫ו‬i . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.1 Zur Methodik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.2 ְ ‫ ו‬als Verbinder gleichgeordneter Sätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.2.1 Wiedergabe durch καί . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.2.2 Asyndetische Satzverbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.2.3 Auslassung bei Inf.- und Pt.-Konstruktionen . . . . . 2.2.2.4 Wiedergabe durch δέ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.2.5 Wiedergaben durch οὐδέ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.2.6 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.3 ְ ‫ ו‬+ unterordnende Konjunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.3.1 Gleichgeordnete Nebensätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.3.2 ְ ‫ ו‬+ unterordnende Konjunktion am Satzbeginn . . . 2.2.3.3 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.4 ְ ‫ ו‬apodosis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.4.1 Bei Nebensätzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.4.2 Beim casus pendens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.4.3 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.5 Ergebnis und Übersetzungsvergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

65 65 68 68 70 72 73 75 75 76 77 79 80 81 81 82 83 83

3 Die Übersetzung von Infinitivkonstruktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 3.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 3.2 Die Übersetzung von ְ ‫ בּ‬+ infinitivus constructus . . . . . . . . . . . . . . . 89 3.2.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 3.2.2 Temporales ְ ‫ בּ‬+ infinitivus constructus . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 3.2.2.1 Ἐν τῷ + Infinitiv . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 3.2.2.2 Genetivus absolutus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 3.2.2.3 Nebensatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 3.2.3 Modales ְ ‫ בּ‬+ infinitivus constructus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 3.2.4 Ergebnis und Übersetzungsvergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 3.3 Die Übersetzung von ְ ‫ כּ‬+ infinitivus constructus . . . . . . . . . . . . . . . 99 3.3.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 3.3.2 Temporales ְ ‫ כּ‬+ infinitivus constructus . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 3.3.2.1 ‫ ו ַי ְה ִי‬und ‫ ו ְה ָי ָה‬+ infinitivus constructus . . . . . . . . . . . 100 3.3.2.2 Übrige Fälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 3.3.2.3 Schlussfolgerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 3.3.1 Handlungsvergleichendes ְ ‫ כּ‬+ infinitivus constructus . . . . . . 105 3.3.2 Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 3.4 Zusammenfassung und Übersetzungsvergleich . . . . . . . . . . . . . . . . 109 4 Griechische Partizipialkonstruktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 4.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 4.2 Mit participium coniunctum wiedergegebene Konstruktionen . . . 113 4.2.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 4.2.2 Figura etymologica . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114

© 2016, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525536940 — ISBN E-Book: 9783647536941

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4.2.3 λέγων für ‫מר‬ ֹ ‫ל ֵא‬i . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 4.2.4 Infinitive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 Exkurs: Ergänzendes Partizip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 4.2.5 Finite Verbformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 4.2.5.1 Enumerative Redeweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 4.2.5.2 Nebensatzvertretendes participium coniunctum . . . 128 4.2.6 Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 4.3 Genetivus absolutus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 4.3.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 4.3.2 ְ ‫ בּ‬und ְ ‫ כּ‬+ Infinitiv . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 4.3.3 ‫ כּ ָל־י ְמ ֵי‬+ Infinitiv . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 4.3.4 Ausdrücke mit ‫עֹוד‬i . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 4.3.5 Zeitbestimmende Sätze mit vorgezogenem Subjekt . . . . . . . 140 4.3.6 Andere Vorlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 4.3.7 Ergebnis und Übersetzungsvergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 5 Tempora: Imperfekt und praesens historicum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 5.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 5.2 Imperfekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 5.2.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 5.2.2 Der Imperfektgebrauch des Übersetzers . . . . . . . . . . . . . . . . 152 5.2.2.1 Iteratives Imperfekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 5.2.2.2 Schilderndes Imperfekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 5.2.2.3 Verben, die ihr Ziel nicht in sich selbst tragen . . . . . 160 5.2.2.4 Zusammenfassung und Übersetzungsvergleich . . . 162 5.2.3 Lukianische Rezension . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 5.2.3.1 Harmonisierungen innerhalb eines Kontextes . . . . 166 5.2.3.2 Einzeln stehende Imperfekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 5.2.3.3 Besondere Fälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 5.2.3.4 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 5.2.4 Imperfekt im Kaige-Bereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 5.2.4.1 Änderungen der Kaige-Rezension . . . . . . . . . . . . . . . 178 5.2.4.2 Änderungen der lukianischen Rezension . . . . . . . . . 182 5.2.4.3 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 5.3 Praesens historicum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 5.3.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 5.3.2 Kontexte für das praesens historicum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 5.3.2.1 Kriegerisches und herrschaftliches Agieren . . . . . . . 189 5.3.2.2 Ortsveränderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 5.3.2.3 Kultische Handlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 5.3.2.4 Weitere Kontexte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 5.3.2.5 Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 Exkurs: 2Sam 10,6 als Beginn des Kaige-Abschnitts . . . . . . . . . . . . 199 5.3.3 Lukianische Rezension . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201

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Inhalt

5.3.3.1 Überarbeitung von Kontexten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 5.3.3.2 Praesens historicum von λέγω . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 5.3.3.3 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 5.3.4 Praesens historicum im Kaige-Bereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 5.3.4.1 Zuordnung der rezensionellen Eingriffe . . . . . . . . . 206 5.3.4.2 Nicht handschriftlich bezeugte praesentia historica 210 Exkurs: Konjekturen als Option der Textkritik . . . . . . . . . . . . . . . . 212 5.3.4.3 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 5.4 Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 5.4.1 Zum Tempusgebrauch des Übersetzers . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 5.4.2 Vorgehen und Motivation der Rezensionen . . . . . . . . . . . . . . 216 5.4.2.1 Kaige-Rezension . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 5.4.2.2 Lukianische Rezension . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 6 Ertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 6.1 Die griechische Übersetzung der Samuelbücher . . . . . . . . . . . . . . . 219 6.1.1 Die Arbeitsweise des Übersetzers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 6.1.2 Anlass, Kontext und Zeit der Übersetzung . . . . . . . . . . . . . . 222 6.1.3 Die Koine als sprachliche Referenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 6.1.4 Zur Einheit der Samuel- und Königeübersetzung . . . . . . . . . 225 6.2 Die Rezensionen: Charakter und Kontext . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 6.2.1 Griechischer Text . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 6.2.1.1 Die Kaige-Rezension . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 6.2.1.2 Die lukianische Rezension . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 6.2.2 Hebräischer Text . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 6.2.2.1 Zur Chronologie der überlieferten Texttypen . . . . 233 6.2.2.2 Die protomasoretische Rezension . . . . . . . . . . . . . . . 234 6.3 Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 6.3.1 Die Samuelbücher in der Textforschung . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 6.3.2 Kaige und die Göttinger kritische Ausgabe . . . . . . . . . . . . . . 243 6.3.3 Schluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 Anhang A: Imperfekte des Kaige-Bereichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 Anhang B: Praesentia historica der Samuelbücher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 Anhang C: Hebräische Wurzeln der praesentia historica . . . . . . . . . . . . . . 257 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 Bibelstellenindex . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267

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1 Einleitung 1.1 Thema und Aufbau der Arbeit In dieser Arbeit wird untersucht, wie die hebräischen Samuelbücher im zweiten Jahrhundert vor Christus ins Griechische übersetzt wurden. Wich­ tige Leitfragen sind: Wie wörtlich oder frei arbeitet der Übersetzer? Wie konstant oder variierend gibt er bestimmte syntaktische Strukturen wieder? Welche besonderen sprachlichen Fähigkeiten hat er und wo liegen seine Grenzen? Wie sehr ist sein griechischer Text als übersetzter Text erkennbar, d. h. wie stark ist die Interferenz des Hebräischen? Die für ausgewählte Phänomene vorgenommenen querschnittartigen Untersuchungen einer jeweils hohen Zahl von Fällen führen zu statistisch abgesicherten Antworten auf solche Fragen. Sie ermöglichen überdies einen fundierten Vergleich mit der Arbeitsweise anderer Übersetzer der Septua­ ginta. Es kann gezeigt werden, wie der Samuelübersetzer im Konzert der Übersetzer einzuordnen ist – was er mit anderen gemeinsam hat und was ihn von ihnen unterscheidet. Wegen der besonderen Überlieferungssituation des Samueltextes im Kaige-Abschnitt (2Sam 10,6–24,25) ist es wichtig, auch die beiden großen Rezensionen der Samuel-Septuaginta in den Blick zu nehmen, die Kaigeund die lukianische Rezension. Als Rezensionen sind sie Fortschreibungen der Arbeit des Übersetzers in signifikant anderen theologischen Kontexten. Die Analysen dieser Arbeit tragen dazu bei, die historisch-theologische Situation der Erstübersetzung, der Kaige- und der lukianischen Rezension einzuschätzen und das jeweilige Vorgehen bei der Übersetzungs- bzw. Rezensionsarbeit zu charakterisieren. Die so gewonnenen Kenntnisse sind grundlegend für eine seriöse textkritische Arbeit an den Samuelbüchern, insbesondere im Kaige-Bereich. Durch die Analysen der Übersetzungs- und Rezensionsgeschichte des griechischen Samueltextes ergeben sich auch interessante Einblicke in die Textgeschichte der hebräischen Samuelbücher. Besonders ihre letzte Bear­ beitungsstufe, der masoretische Text, kann theologisch profiliert werden. Das von der Forschung bereits zusammengetragene Material wird in dieser Arbeit durch weitere Beobachtungen ergänzt. Vom Aufbau her beginnt die Arbeit mit der Erhebung des aktuellen For­ schungsstandes sowie methodischen Reflexionen (Kapitel 1). Ausgehend von einer ersten Skizze der Übersetzungsweise in den Samuelbüchern wird die Auswahl der detailliert zu untersuchenden Phänomene begründet. Im Zentrum steht die Beschreibung der Übersetzungstechnik in den grie­ chischen Samuelbüchern, zunächst anhand von Phänomenen der hebräi­

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Einleitung

schen (Kapitel 2 und 3), dann der griechischen Syntax (Kapitel 4 und 5). Wo immer es das Material zulässt, wird der Blick auch auf die beiden großen Rezensionen erweitert. Besonders im Bereich der griechischen Tempora (Kapitel 5) führt dies zu einer wesentlichen Vertiefung der bisherigen Kenntnisse. Eine philologisch wie historisch-theologisch angelegte Übersicht über die Ergebnisse schließt die Untersuchung ab (Kapitel 6). Die Text- und Rezensionsgeschichte des griechischen Textes kommt dabei ebenso in den Blick wie die letzte Bearbeitungsstufe der hebräischen Samuelbücher.

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Forschungsgeschichte

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1.2 Forschungsgeschichte 1.2.1 Die Entdeckung der Kaige-Rezension In seinem Aufsatz „The Greek Translators of the Four Books of Kings“1 (1907) beschreibt Henry St. John Thackeray (1869–1930) ein Phänomen, das in der Forschungsgeschichte des 20. Jahrhunderts große Bedeutung für das Verständnis der Samuelübersetzung bekam. Der griechische Stil in den Samuel- und Königebüchern unterscheidet sich in bestimmten Passagen vom übrigen Text: Während für weite Strecken ein wenig profiliertes Über­ setzungsgriechisch festzustellen ist,2 finden sich in zwei Abschnitten auffal­ lend wörtliche und dabei oft unidiomatische Entsprechungen zum hebräi­ schen (masoretischen) Text. Thackeray führt dies darauf zurück, dass verschiedene Übersetzer am Werk waren, und gliedert die Samuel- und Königebücher anhand der von ihm wahrgenommenen Merkmale in fünf Abschnitte:3 α (1Sam 1,1–31,13); ββ (2Sam 1,1–11,1); βγ (2Sam 11,2–1Kön 2,11); γγ (1Kön 2,12–21,43 LXX / 20,43 MT); γδ (1Kön 22,1–2Kön 25,30).

Für die ersten beiden Abschnitte α und ββ konstatiert Thackeray eine große Ähnlichkeit der Übersetzungsweise,4 die er in kurzen Stichworten charak­ terisiert; unter anderem stellt er eine gewisse Unsicherheit bei der Wieder­ gabe bestimmter hebräischer Vokabeln fest.5 Sein Hauptinteresse gilt den beiden besonders wörtlich übersetzten Abschnitten βγ (2Sam 11,2–1Kön 2,11) und γδ (1Kön 22,1–2Kön 25,30). Für sie beschreibt er die Überset­ zungstechnik differenziert anhand von zehn Merkmalen, unter anderem der Wiedergabe von ‫גּ ַם‬i(auch ‫ו ְג ַם‬i)6 durch καί γε, die später zum Namensgeber 1 2 3

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Thackeray, Henry St. John, The Greek Translators of the Four Books of Kings, in: The Journal of Theological Studies 8/1907, 262–278. Thackeray charakterisiert die Sprache in einer späteren Veröffentlichung als „indifferent Greek“ (Thackeray, Grammar, 13). Die Nomenklatur der Abschnitte, die von der späteren Forschung übernommen wurde, orientiert sich daran, welche der vier griechischen Bücher der Königtümer im jeweiligen Abschnitt vertreten sind: α umfasst das gesamte Buch Βασιλειῶν Α᾽, ββ einen Teil aus Βασιλειῶν Β᾽, βγ einen Abschnitt aus Βασιλειῶν Β᾽ sowie Βασιλειῶν Γ᾽ etc. S. Thackeray, Greek Translators, 263. S. Thackeray, Greek Translators, 274–276. 15-mal steht ‫ גּ ַם‬im Kaige-Bereich im Griechischen καί γε gegenüber (2Sam 11,12.17.21; 12,14; 14,7; 15,24; 16,23 bis; 17,5 bis; 18,2.22.26; 19,31); dreimal einfaches καί (2Sam 12,13.27; 15,19). Neunmal steht ‫ ו ְג ַם‬καί γε gegenüber (2Sam 11,24; 13,36; 15,19; 17,10.16; 19,41.44; 20,26; 21,20); in keinem Fall einfaches καί. Die Angaben beziehen sich auf den Rahlfs-Text und wurden mit Hilfe des Tov-Polak-Moduls von BibleWorks ermittelt.

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Einleitung

dieser Abschnitte werden sollte.7 Thackeray hält diese wörtlichen Teile der Samuel- und Königebücher für das Werk eines späteren Übersetzers und stellt für den Übergang von ββ zu βγ die These auf, dass der Erstübersetzer seine Tätigkeit mit 2Sam 11,1 eingestellt habe, weil er den Batseba-Skandal nicht habe wiedergeben wollen8 (für die anderen Übergänge gibt er keine Erklärung). Die Beobachtungen Thackerays aufnehmend untersucht Balmer H. Kelly (1914–2000) in seiner Dissertation „The Septuagint Translators of I Samuel and II Samuel 1: 11–11: 1“ (1947),9 ob es für die Abschnitte von 1Sam 1,1– 31,13 (bei Thackeray α) und 2Sam 1,1–11,1 (ββ) zwei unterschiedliche oder einen gemeinsamen Übersetzer gebe, und postuliert einen Übersetzerwech­ sel zwischen 2Sam 3,5 und 3,6. Diese These beruht allerdings auf einer schmalen Basis an untersuchten Phänomenen, und im Ergebnis reduziert sich der Unterschied zwischen den Abschnitten darauf, dass in 1Sam 1,1– 2Sam 3,5 viele Transliterationen und in 2Sam 3,6 ff eine wörtlichere Über­ setzungsweise vorliege.10 Zu einer grundlegend neuen Sicht der Abschnitte βγ und γδ stößt Domi­ nique Barthélemy (1921–2002) in seinem Buch „Les Devanciers d’Aquila“ (1963)11 vor, indem er ihre Wörtlichkeit nicht auf einen anderen Übersetzer, sondern auf eine rezensionelle Bearbeitung der ursprünglichen Übersetzung im Stil Aquilas zurückführt. Thackeray hatte in „The Four Books of Kings“ wertvolle Vorarbeit zu dieser für die Forschung bahnbrechenden Erkennt­ nis geleistet, nicht zuletzt durch seine Bemerkung: „It appears that Aquila was not the first to found a school of literal translation.“12 Barthélemy gelingt es, durch Verknüpfung seiner Kenntnis jüdischer Schriftauslegung, der Analyse des Textes der griechischen Zwölfpropheten­ rolle von Nahal Hever und den Überlieferungssträngen der Septuaginta das

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S. Thackeray, Greek Translators, 267–274; zu ‫ גּ ַם‬S. 271. S. Thackeray, Greek Translators, 266. Kelly, Balmer H., The Septuagint Translators of I Samuel and II Samuel 1: 11–11: 1. Diss. (masch.), Princeton 1948, Druck Michigan 1983. 10 Kelly, 121 f. Zwar stimmt es, dass in 1Sam mehr Transliterationen vorkommen als in 2Sam 1,1–11,1; Grund ist jedoch die Häufigkeit entsprechender Vorlagen in diesem Abschnitt wie etwa ‫א ֵפֹוד‬i (1Sam 2,18.28; 14,3.18 bis; 22,18; 23,6.9; 30,7; nur einmal in 2Sam: 2Sam 6,14 – hier überdies mit einem Adjektiv versehen, so dass der Übersetzer anders agierte). Die für 2Sam 3,6 ff behauptete rigide Reproduktion „[of] the structure of the Hebrew“ (Kelly, 122) steht auf einer schmalen Datenbasis (s. ebd., 104–108) und lässt sich durch breitere Untersuchungen wie in dieser Arbeit nicht verifizieren. Die Arbeit Kellys leidet an einem fehlenden Bewusstsein für die Möglichkeit einer mit dem MT nicht identischen Vor­ lage; alle Abweichungen werden von ihm den Übersetzern und ihrer „Theologie“ zuge­ schrieben (s. ebd., 235–237). 11 Barthélemy, Dominique, Les Devanciers d’Aquila. Première publication intégrale du texte des Fragments du Dodécaprophéton, trouvés dans le désert de Juda, précédée d’une étude sur les traductions et recensions grecques de la Bible réalisées au premier siècle de notre ère sous l’influence du Rabbinat palestinien, Leiden 1963. 12 Thackeray, Greek Translators, 273.

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Forschungsgeschichte

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Bild einer jüdischen Rezensionsbewegung zu zeichnen, die (zeitlich vor Aquila) an einer verwörtlichenden Annäherung der LXX an den Texttypus des masoretischen Textes arbeitete. Diejenigen LXX-Handschriften, die einen solchermaßen revidierten Text aufweisen, fasst Barthélemy zur „groupe καίγε“ zusammen. Mit dieser Benennung nimmt er eines der von Thackeray für βγ und γδ beobachteten Merkmale auf (die fast durchge­ hende Entsprechung καί γε für ‫ גּ ַם‬und ‫)ו ְג ַם‬. Eine Schwäche der Darstellung Barthélemys liegt in seiner Bewertung des lukianischen Textes der Samuel- und Königebücher, den er (abgesehen von hexaplarischem Einfluss) für identisch mit der ursprünglichen Überset­ zung (Old Greek) hält, weil er in den Kaige-Abschnitten nicht die Merk­ male der Kaige-Rezension aufweist. Dass der lukianische Text seinerseits eine Rezension mit bestimmten rezensionellen Merkmalen ist, zeigt nahezu zeitgleich Sebastian Brock in „The Recensions of the Septuagint Version of I Samuel“ (1966).13 Mit stupender Kenntnis der Handschriften analysiert er zunächst den hexaplarischen Einfluss auf die L-Handschriftengruppe, um dann die rezensionellen Merkmale der „lukianischen“14 Bearbeitung herauszuarbeiten. Diese im Jahr 1996 nachgedruckte Dissertation ist ein bis heute unentbehrliches Handbuch für Textgeschichte und Textkritik des ers­ ten Samuelbuchs.15 Im Jahr 1992 legt Bernard E. Taylor eine neue, auf

13 Sebastian P. Brock, The Recensions of the Septuagint Version of I Samuel, Diss.(masch.), Oxford 1966; Neudruck mit einem Vorwort von Natalio Fernández Marcos, Torino 1996 (abgesehen von Einleitung und Register identisch im Text, aber abweichend in der Seiten­ zählung). Ich zitiere Brocks Arbeit nach dem Druck von 1996. 14 Brock verwendet den Terminus stets in Anführungszeichen, weil die Beteiligung des Antiochener Märtyrers Lukian (hingerichtet 312 n.Chr.) an der Rezensionsarbeit histo­ risch nicht abzusichern ist (Einzelheiten s. Brock, Recensions, 177–180). 15 Brocks Charakterisierung des lukianischen Textes als Rezension wurde in jüngster Zeit von Siegfried Kreuzer (Kreuzer, Old Greek) mit ideologiekritischem Ansatz (Kreuzer, Text, 33–38; weniger scharf in ders., Barthélemy and Beyond, 247) in Zweifel gezogen. Kreuzer hält den lukianischen Text für praktisch identisch mit Old Greek und fasst seinen Weg zu dieser Annahme im Jahr 2010 folgendermaßen zusammen: „I ventured to say that, if Ant [=der lukianische Text] is close to the OG [Old Greek] in the kaige sections, this most probably is also the case in the non-kaige sections.“ (Kreuzer, Reply, 91) In dieser Argumentationsfigur liegt ein grundlegender methodischer Fehler. Zwar ist unbestritten, dass der lukianische Text in den Kaige-Abschnitten Old Greek näher steht als die kaigerezensierten nichtlukianischen Handschriften. Daraus kann man jedoch nicht schlussfol­ gern, dass dies auch im Non-Kaige-Bereich gegenüber den nicht (jedenfalls nicht entfernt in gleichem Maße) kaige-rezensierten nichtlukianischen Handschriften so sein müsse. In späteren Veröffentlichungen hat Kreuzer seine Ansicht im Non-Kaige-Bereich zu belegen gesucht (Kreuzer, Älteste Septuaginta; Codex Vaticanus; Zur Frage). Die von ihm gegebe­ nen Beispiele für ganz unterschiedliche Sachverhalte (Lesarten von Eigennamen, Über­ schüsse in einer der Überlieferungen, Differenzen bei der Verwendung des Artikels u. a.) vermögen jedoch nicht den Beweis zu führen gegen die nach Phänomenen geordnete, auf sehr breiter Materialbasis ruhende Arbeit Brocks. Zurecht bemerken Kauhanen/Law: „If a single conclusion is put forward [sc. dass der lukianische Text nahezu identisch sei mit Old Greek], […‫ ]ו‬the other possible explanations must be shown to be inadequate.“ (Kauhanen/ Law, 87).

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Einleitung

EDV-Vergleichen basierende Studie des lukianischen Textes des 1. Samuel­ buchs vor, welche die Ergebnisse Brocks bestätigt.16 Ebenfalls bald nach der Veröffentlichung Barthélemys korrigiert James Donald Shenkel einen weiteren Punkt der Analyse Barthélemys. In seinem Buch „Recensional Development in the Greek Text of Kings“ (1968) belegt er anhand verschiedener Beobachtungen, dass in den Samuelbüchern der Kaige-Texttypus nicht erst ab 2Sam 11,2, sondern bereits in 2Sam 10 vor­ liegt.17 Abgesehen von diesen Korrekturen hat sich die Deutung Barthélemys bewährt. Es ist heute Konsens in der Forschung darüber erreicht,18 dass der Unterschied des griechischen Stils in den Abschnitten βγ und γδ nicht auf Übersetzerwechsel zurückgeht, sondern Ergebnis einer rezensionellen Überarbeitung ist.

1.2.2 Die textgeschichtliche Stellung der Samuel-LXX Bereits im 19. Jahrhundert formuliert Otto Thenius (1801–1876) in seinem Samuel-Kommentar19 folgende These: Es „ist sehr häufig der Fall, […‫ ]ו‬dass das von der Uebers. Dargebotene dem masoret. Text vorzuziehen sei […‫]ו‬ und dass dieselbe ihrer ganzen Beschaffenheit nach wie ein hebr. MS [Manuskript] anzusehen, und als das vorzüglichste Mittel zur Kritik des T. [Textes] zu benutzen ist.“20 Thenius ist also der Meinung, dass in der von der LXX gespiegelten hebräischen Vorlage oftmals bessere Lesarten als im masoretischen Text überliefert seien. Das Werk von Thenius wird für Julius Wellhausen (1844–1918) zum Anlass,21 die Benutzung der Septuaginta für die Textkritik der Samuelbü­ cher methodisch zu fundieren und einen textkritischen Kommentar vorzu­ legen: In „Der Text der Bücher Samuelis“ rekonstruiert er mit Hilfe der LXX zahlreiche, im Vergleich zum MT ältere22 hebräische Lesarten. Die Arbeit Wellhausens aufnehmend, legt Samuel R. Driver (1846–1914) für den englischen Sprachraum ein analoges, ebenfalls bis heute wertvolles Buch vor (1890 / 1913).23 Andere Exegeten, insbesondere Pieter A. H. de Boer (1910– 16 Taylor, Bernard A., The Lucianic Manuscripts of 1 Reigns, Volume 2: Analysis, Atlanta (Georgia) 1993. 17 S. Shenkel, 117–120. Shenkel nimmt den Beginn von Kaige für 2Sam 10,1 an (ebd., 118). 18 S. Hugo, Textgeschichte, 6. 19 Thenius, Otto, Die Bücher Samuelis erklärt, Leipzig 21864. 20 Thenius, XXI f (Hervorhebung im Original). 21 S. Wellhausen, 1–3, wo er Thenius scharf kritisiert. 22 „Man kann nemlich im Allgemeinen annehmen, dass diejenige Recension der Grund­ schrift, auf welche die späteren Versionen zurückgehen, der uns überlieferten [sc. dem MT] sehr nahe kam, weit näher, als die, nach welcher die LXX übersetzt.“ (Wellhausen, 5; Her­ vorhebung verändert). 23 Driver, Samuel R., Notes on the Hebrew Text and the Topography of the Books of Samuel, Oxford 1890; erweiterte Neuauflage Oxford 1913.

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1989),24 halten den masoretischen Text für in der Regel besser und schreiben abweichende Lesarten der LXX der Arbeitsweise des Übersetzers zu. Willard A. Beling (1919–2009) veröffentlicht 1947 die Untersuchung „The Hebrew Variants in the First Book of Samuel Compared with the Old Greek Recensions“.25 Er sichtet darin alle von Benjamin Kennicott und Giovanni Bernardo De Rossi im 18. Jahrhundert sowie von Christian D. Ginsburg Anfang des 20. Jahrhunderts zusammengetragenen vom MT abweichenden hebräischen Lesarten und überprüft jeweils, ob es Entsprechungen in der anzunehmenden Vorlage der Septuaginta gibt. Sein Ergebnis ist, dass nicht mit dem MT übereinstimmende Vorlagen, wie sie sich aus den Lesarten der LXX erschließen lassen, erstaunlich oft in einer Variante in der hebräischen Überlieferung bezeugt sind. Daraus schlussfolgert er, dass der hebräische Text in zwei vormasoretischen Versionen überliefert worden sei, nämlich in den vom B-Text und von den lukianischen Handschriften gespiegelten Fas­ sungen.26 Auch wenn diese These durch die Qumran-Funde und die Er­ kenntnisse Barthélemys überholt wurde, zeugt sie von einer guten Intuition Belings für die Nähe des Übersetzers zu seiner Vorlage bzw. den Einflüssen des Hebräischen (des MT) auf die lukianische Rezension. Im Jahr 1955 beginnt die Veröffentlichung der Qumran-Texte in der Reihe „Discoveries in the Judaean Desert“27 und ihre Rezeption durch die Forschung. Für die Textgeschichte der Samuelbücher erweisen sich die Funde vom Toten Meer als besonderer Glücksfall: In Qumran wurde nicht nur relativ viel, sondern auch besonders alter Text dieser Bücher gefun­ den.28 Die Auswertung der Samuelrollen zeigt bald, dass insbesondere 4QSama und 4QSamb einen vom MT verschiedenen Texttypus überliefern, der ein erhebliches Maß an Übereinstimmung mit der anzunehmenden Vorlage der 24 De Boer war Herausgeber der Samuelbücher der BHS; die wichtigste Veröffentlichung zu den Samuelbüchern ist seine Dissertation unter dem Titel „Research Into the Text of 1 Samuel I–XVI. A Contribution to the Study of the Books of Samuel“ (Leiden 1938). 25 Beling, Willard A., The Hebrew Variants in the First Book of Samuel Compared With the Old Greek Recensions, Diss.(masch.), Princeton 1947, Druck Michigan 1983. 26 Beling, 168–170. Beling gibt keine quantitative oder qualitative Gesamtanalyse des Charak­ ters der griechischen Textfamilien. Bezüglich des masoretischen Textes kommt er intuitiv zu folgendem Schluss: „[T]he evidence seems to warrant the conclusion that M sometimes chose a tradition, which was more consonant with the advanced theological ideas of its own times. Moreover, there seems to be evidence that M not only chose the better of two traditions (i. e., better in their judgment), but also on occasion cleverly changed the tradi­ tion, in order to perpetuate a reading which was more acceptable in their developed theo­ logy.“ (ebd., 170; Hervorhebung des Originals aufgehoben). 27 Bereits vor Erscheinen des Samuelbandes (DJD XVII) wurden Lesarten veröffentlich, ins­ besondere in der Dissertation von Eugene Ulrich (The Qumran Text of Samuel and Jose­ phus, Missoula 1978). 28 4QSama wird auf 50–25 v.Chr. datiert (DJD XVII, 5); 4QSamb als eine der ältesten Rollen überhaupt auf 250 v.Chr. (ebd., 220). Den mit Abstand größten Überlieferungsumfang hat 4QSama mit 3656 Wörtern (gut 10 % verglichen mit der Wortanzahl des MT von 34.252); s. Ulrich, Variant Editions, 624, Anm. 3.

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Einleitung

Septuaginta hat.29 Durch die Samueltexte aus Qumran werden diejenigen Forscher eindrucksvoll bestätigt, die die Unterschiede zwischen LXX und MT im Wesentlichen nicht auf die Übersetzungsweise, sondern auf eine andere und ältere hebräische Vorlage des Übersetzers zurückgeführt hatten. Viele der Lesarten, die Wellhausen mit Hilfe der LXX rekonstruiert hatte, wurden tatsächlich aufgefunden.30 Angesichts der klaren Evidenz, die die Lesarten aus Qumran dafür gebracht haben, dass die LXX ein älteres Textstadium gegenüber dem MT widerspiegelt,31 verwundert es, dass auch in jüngerer Zeit einige Forscher dem MT eine prinzipielle Priorität geben wollen. Hier ist insbesondere die Arbeit von Stephen Pisano, „Additions or Omissions in the Books of Samuel“ (1984)32 zu nennen. Pisano sieht in den Texttypen von LXX und 4QSama „a further literary activity“ gegenüber dem Texttypus des MT; nur in Ausnahmefällen hält er eine Lesart der LXX oder von 4QSama für älter.33 Dieser schwerlich aufrecht zu erhaltenden Deutung folgt David Toshio Tsumura in seinem Kommentar zum ersten Samuelbuch (2007).34 29 In einer neuen statistischen Auswertung voneinander abweichender Lesarten kommen Frank Moore Cross und Richard Saley zu dem Ergebnis, dass 4QSama und die Vorlage der LXX gegen Lesarten des MT in etwa 50 % der Fälle unterschiedlicher Lesarten zusam­ mengehen, während 4QSama und MT gegen die Vorlage der LXX in etwa 13 % überein­ stimmen (Cross/Saley). Zu ganz ähnlichen Ergebnissen (für 4QSama und auch für 4QSamb) kommt Christian Seppänen auf Basis umfassender statistischer Auswertungen der Texttypen (Seppänen, Christian, Hebrew Text of Samuel. Differences Between the Masoretic Text, the Septuagint, and the Qumran Scrolls in 1 Sam 1–2 Sam 9; in Vorberei­ tung). Die große Nähe zwischen 4QSama und der Vorlage der LXX hatte bereits Eugene Ulrich (s. oben Anm. 27) gezeigt; die Arbeit Ulrichs wurde von Emanuel Tov einer kriti­ schen Durchsicht unterzogen mit dem Ergebnis: „4QSama’s frequent agreement with the LXX and Josephus’ biblical text has been demonstrated beyond doubt.“ (Tov, Septuagint, 283). 30 Z. B. zu 1Sam 2,21 ‫קד‬ ַ ָ‫כּ ִי־פ‬i: „LXX richtig ‫( “ויפקד‬Wellhausen, 46), so auch in 4QSama. Und weiter zu diesem Vers: „Im Folgenden ist ‫ ותהר‬ungereimt und ‫ ותלד עוד‬der LXX im Rechte.“ (ebd.); exakt so bestätigt es 4QSama. 31 S. die Zusammenfassung der umfangreichen Analysen von Cross/Saley, 54: „[T]he evi­ dence allows for only one compelling conclusion, that 4QSama stands firmly rooted in the Hebrew textual tradition reflected in the Old Greek, with only a minimum of cross-fertili­ zation detectable with the textual tradition which was to develop into the Proto-Rabbinic and Rabbinic Recensions.“ Auch Walter Dietrich kommt aufgrund seiner Analysen zu die­ ser Einschätzung und nimmt „ein relativ hohes Alter der G-Tradition“ an (Dietrich, 40*) sowie eine spätere (wenn auch nicht lineare oder restlos zu erhebende) Entwicklung auf den masoretischen Text hin (ebd., 40* f). Dass die LXX ein älteres Stadium der Textent­ wicklung widerspiegelt, zeigt sich auch in 1Sam 17 f: Die Unterschiede der David-GoliathGeschichte lassen sich konsistent so deuten, dass der MT eine erweiterte Fassung der Vor­ lage der LXX darstellt. S. dazu ausführlich Tov, Septuagint, 333–362, mit dem Ergebnis (ebd., 356), „that the Masoretic version of 1 Samuel 16–18 combined two originally sepa­ rate versions“. 32 Pisano, Stephen, Additions or Omissions in the Books of Samuel. The Significant Pluses and Minuses in the Massoretic, LXX und Qumran Texts, Fribourg/Göttingen 1984. 33 Pisano, 283 f. 34 Tsumura, David Toshio, The First Book of Samuel, Grand Rapids. „In recent years such

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Forschungsgeschichte

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1.2.3 Neuere Untersuchungen zur Samuel-LXX Im Jahr 1992 hat Anneli Aejmelaeus unter dem Titel „The Septuagint of 1 Samuel“35 eine Übersicht über die Übersetzungstechnik im ersten Samuel­ buch vorgelegt. Nach einer Einführung in den Stand der Forschung und die methodologischen Fragestellungen der textgeschichtlichen und -kritischen Arbeit am ersten Samuelbuch beschreibt sie die Übersetzungsweise für ver­ schiedene syntaktische und lexikalische Phänomene. Ihre Analysen gehen dabei sowohl vom Hebräischen aus, indem sie beispielsweise die Wieder­ gabe bestimmter Konjunktionen darstellt, als auch vom Griechischen, indem sie den Gebrauch von genetivus absolutus, participium coniunctum und der griechischen Tempora durch den Übersetzer skizziert.36 Dabei zieht sie die Linien auch auf die Weiterentwicklung des griechischen Texts in der Kaige- und der lukianischen Rezension aus. In jüngster Zeit sind zwei Dissertationen speziell zur Textgestalt im Kaige-Bereich der Samuelbücher erschienen: „The Greek Kaige Version of 2 Reigns 11: 1–3 Reigns 2: 11“ von Paul McLean (2004)37 und „Die hebräi­ schen und griechischen Textformen der Samuel- und Königebücher“ von Jong-Hoon Kim (2009).38 Paul McLean nimmt in seiner Arbeit zum Kaige-Bereich nicht den erreichten Stand der Forschung auf. Vielmehr beschreibt er die Textgestalt von βγ als Übersetzung und konstatiert „the translator’s [!] use of a variety of translation techniques. These include: standard Hebrew-Greek transla­ tion equivalents; awkward or overworded isomorphic translations at several grammatical levels […‫ ;]ו‬and good linguistic interpretations.“39 Im Licht der Ergebnisse Barthélemys, dass dieser Abschnitt kaige-rezensiert wurde, wäre diese Vielfalt konsistent zu erklären gewesen.40

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an overemphasis on the LXX as against MT has been criticized by […‫ ]ו‬notably Pisano.“; Tsumura 2007, 8. Tsumuras Kommentar steht in evangelikalem Kontext (s. S. X); das Bemühen des Autors, den MT als ältesten und besten Text zu verteidigen, könnte mit des­ sen Rolle als maßgeblichem Text seiner Glaubensgemeinschaft zu tun haben. Der Aufsatz ist aus einem Vortrag beim 8. Kongress der International Organization for Septuagint and Cognate Studies (Paris 1992) entstanden und wurde mehrfach veröffent­ licht, zuletzt in der zweiten Auflage von „On the Trail of the Septuagint Translators“ (2007), nach der ich zitiere. Mit der Studie von Anneli Aejmelaeus war ich in ständigem Dialog beim Verfassen der vorliegenden Arbeit. S. Aejmelaeus, On the Trail, 128–137. Diese Arbeit aus dem Jahr 2004 (Knox College / University of Toronto) ist bisher unveröf­ fentlicht. Ich danke Paul McLean, dass er sie mir als Datei im Portable Document Format (pdf) zur Verfügung gestellt hat. Kim, Jong-Hoon, Die hebräischen und griechischen Textformen der Samuel- und Könige­ bücher. Studien zur Textgeschichte von 2Sam 15,1–19,9, Göttingen 2009. McLean, 532. McLean nimmt zur Kenntnis, dass „scholarly consensus suggests that the Kaige version is a composite text which consists of an original layer of Old Greek […‫ ]ו‬plus partial Kaige revisions“ (McLean, 533, Hervorhebung des Originals aufgehoben). Umso bedauerlicher ist es, dass er diesen Forschungskonsens für seine eigenen Analysen nicht berücksichtigt.

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Einleitung

Die Arbeit von Jong-Hoon Kim ist im Kern ein fortlaufender textkriti­ scher Kommentar zu 2. Samuel 15,1–19,9. Die Analysen Kims leiden dabei an methodischen Schwächen. So differenziert er für den B-Text nicht deut­ lich genug zwischen den dort vorfindlichen Merkmalen von Old Greek einerseits und der Kaige-Rezension andererseits, sondern ordnet die Lesar­ ten des Codex Vaticanus pauschal der Kaige-Rezension zu.41 Schwerer noch wiegt, dass Kim den Charakter des lukianischen Textes nicht so präzise fasst, wie es für fundierte textkritische Entscheidungen nötig ist. So vermerkt er einerseits den Einfluss der Hexapla auf die LGruppe, rückt aber andererseits die Hexapla in seinem Stemma weit weg von der Überlieferungslinie des L-Textes.42 Nicht geklärt ist auch die für die Textkritik zentrale Frage, inwieweit der L-Text eine Rezension ist. Kim bemerkt hierzu sibyllinisch, man könne rezensionelle Merkmale „nur schwer konkret nachweisen“.43 Diese Unklarheit entsteht dadurch, dass er die rezensionellen Merkmale des L-Textes durch einen Vergleich mit dem B-Text im Kaige-Bereich zu erkennen versucht.44 Eine solche Analyse muss jedoch im Non-Kaige-Bereich im Gegenüber zum nicht-kaige-rezensierten B-Text durchgeführt werden. Wegen der methodischen Schwächen muss man mit den Ergebnissen Kims kritisch umgehen.45 Im Jahr 2007 hat Jürg Hutzli eine Monographie zur Text- und Literarge­ schichte von 1. Samuel 1–2 vorgelegt.46 Sein textkritischer Kommentar zu diesen Kapiteln ist ein wertvoller Dialogpartner und methodisch sinnvoll fundiert durch die „vorgängige[.] Eruierung der Eigenart der griechischen Übersetzung im gesamten Textbereich 1Sam“.47 Allerdings ist die in ihrer Grundausrichtung zutreffende Skizze der Übersetzungsweise an vielen Punkten zu pauschal, etwa in der Behauptung, der Übersetzer lasse „ver­ 41 S. Tabellen wie Kim, 119, wo Lesarten des B-Textes durchgehend als „KR“ [Kaige-Rezen­ sion] gelten, obwohl einige von ihnen zweifellos auf den Übersetzer zurückgehen. In der Arbeit Kims fehlt eine Zusammenführung seiner Ergebnisse zu einem umfassenden Bild der Kaige-Rezension (er schreibt dazu nur wenige Zeilen; S. 405 f). 42 Kim, 408; 414. Anscheinend hat Kim die grundlegende Arbeit Brocks zu diesem Thema nicht (s. Kim, 405, Anm. 1) oder nicht vollständig zur Kenntnis genommen: Er gibt denje­ nigen Abschnitt Brocks, in dem dieser den erheblichen Einfluss hexaplarischer Lesarten auf die L-Gruppe nachweist, so wieder: „Auch wenn er [Brock] viele bedeutende Beobach­ tungen machen konnte, war es schwierig, generelle Linien herauszuarbeiten, so dass er fest­ stellte: ‚Variants, however, like human beings, should be treated as individuals‘.“ (ebd., 21). Diese Zusammenfassung wird den Ergebnissen Brocks in keiner Weise gerecht (s. Brock, Recensions, 303–307, insbesondere auch das Stemma auf S. 307). 43 Kim, 405. 44 Kim, 373–376; hier folgt er offenbar dem Ansatz seines Doktorvaters Siegfried Kreuzer (s. dazu oben Anm. 15). 45 So fasst es zu Recht Georg Fischer in einer Rezension der Arbeit Kims zusammen: „Over­ all, K.’s work is worth consulting, but his interpretations have to be dealt with cautiously.“ (Fischer, Review, 572). 46 Hutzli, Jürg, Die Erzählung von Hanna und Samuel. Textkritische und literarische Ana­ lyse von 1. Samuel 1–2 unter Berücksichtigung des Kontextes, Zürich 2007. 47 Hutzli, Hanna und Samuel, 27; die Beschreibung der Übersetzungsweise S. 38–46.

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Forschungsgeschichte

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schiedene kleinere Wörter“ der hebräischen Vorlage aus.48 Die von Hutzli als Beleg angeführten fünf Beispiele für die Auslassung von ‫ שׁ ָם‬können eine derart verallgemeinernde Aussage nicht tragen; zudem legt sich für zwei dieser Stellen eine andere Sicht nahe.49 Ebenfalls zu einfach ist seine An­ nahme, dass der Samuelübersetzer hebräische Tempora schematisch in be­ stimmte griechische Tempora übertragen müsse; diese nicht verifizierte Hypothese steht im Hintergrund einer Aufzählung „folgende[r] Unregel­ mässigkeiten“.50 Hutzli zeichnet ein grosso modo zutreffendes Bild, wird aber in den Details seiner zu Recht ausgesprochenen Warnung vor „verall­ gemeinernden Tendenzen“51 nicht gerecht. Im Zentrum der Arbeit Hutzlis steht die kritische Rekonstruktion einer allen drei Textformen der Samuelbücher (LXX, Qumran und MT) zugrun­ deliegenden älteren Textfassung der beiden ersten Kapitel von 1. Samuel.52 Von dieser kritisch erhobenen früheren Textform ausgehend, skizziert Hutzli die redaktionsgeschichtliche Entwicklung hin zu den drei uns über­ lieferten Fassungen. Dabei leitet ihn die Frage, welche theologischen Motive sich für die „Grunderzählung“ und ihre späteren Bearbeitungen erkennen lassen und was sich daraus über Anlass, Zeit und Ort der Bearbeitungen erschließen lässt. Die Analysen Hutzlis sind mit großer Sachkenntnis durchgeführt und ein wichtiger Beitrag zum Verständnis der literarischrezensionellen Entwicklung der Samuelbücher.

48 Hutzli, Hanna und Samuel, 40 (Hervorhebung im Original). 49 In 1Sam 2,14 ist in der protomasoretischen Rezension zu ‫לה‬ ֹ ִ ‫ ה ַבּ ָא ִים שׁ ָם בּ ְשׁ‬geändert wor­ den, weil es aus Jerusalemer Sicht nicht opportun schien, dass „ganz Israel“ nach Schilo kommt, um dort JHWH zu opfern (vgl. die anderen, von Hutzli selbst beobachteten Ein­ griffe im kulttheologischen Bereich: Hutzli, Hanna und Samuel, 146 f; 271). D.h. ‫ שׁ ָם‬wurde nicht vom Übersetzer ausgelassen, sondern war in der Vorlage der LXX nicht enthalten (κατὰ τάδε ἐποίουν παντὶ Ἰσραὴλ ἐρχομένοις θῦσαι Κυρίῳ ἐν Σηλώμ; Vorlage: ‫כּ ָכ ָה‬ ‫לה‬ ֹ ִ ‫י ַע ֲשׂוּ ל ְכ ָל־י ִשׂ ְרָא ֵל ה ַבּ ָא ִים לזבח ליהוה בּ ְשׁ‬i). In 1Sam 9,6 enthielt Old Greek mit ἐκεῖ anders als von Hutzli angenommen eine Entsprechung für ‫שׁ ָם‬i; δὴ ἐκεῖ fehlt lediglich in B 121; in 509 fehlt δὴ ἐκεῖ ὅπως ἀπαγγείλῃ ἡμῖν τὴν. Hutzlis Analyse basiert auf dem Text von Rahlfs, der in der Regel dem Codex Vaticanus folgt und in 1Sam 9,6 den Fehler von B übernommen hat. 50 Hutzli, Hanna und Samuel, 40 f. Der Tempusgebrauch des Übersetzers richtet sich nicht schematisch nach seiner Vorlage, sondern wird stark von seinem Sprachgefühl gesteuert (s. dazu unten Kapitel 5). 51 Hutzli, Hanna und Samuel, 46. 52 S. Hutzli, Hanna und Samuel, 140 f.

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Einleitung

1.3 Material und Methodik 1.3.1 Der Weg zu Old Greek Der griechische Text der Samuelbücher ist über viele Jahrhunderte hand­ schriftlich überliefert worden. Bei zahlreichen Stellen gibt es unterschiedli­ che Lesarten in den Handschriften bzw. Handschriftenfamilien. In der Sep­ tuagintaforschung besteht heute Konsens darüber, dass die Textlinien der griechischen Überlieferung auf einen gemeinsamen Ausgangstext (Old Greek) zurückgehen. Um diesen Ausgangstext, um die ursprüngliche Über­ setzung der Samuelbücher im zweiten vorchristlichen Jahrhundert geht es, wenn die Übersetzungsweise der Samuelbücher dargestellt wird. Old Greek unter kritischer Sichtung aller wichtigen Handschriften sowie der übrigen zugänglichen Evidenz (insbesondere der Tochterübersetzun­ gen) herzustellen, ist Zielsetzung des Göttinger Septuaginta-Unternehmens. Für die Samuelbücher liegen die Bände der Göttinger Ausgabe noch nicht vor, so dass die Frage nach dem ursprünglichen Text immer mitzustellen ist. Für meine textkritische Arbeit habe ich die Kollationshefte des Göttinger Septuaginta-Unternehmens einsehen dürfen.1 Für das erste Samuelbuch hat mir überdies Anneli Aejmelaeus als Herausgeberin des Göttinger Bandes Einblick in die Editionsarbeit und ihren vorläufigen kritischen Text gewährt. Die textkritischen Analysen nehmen im Non-Kaige-Bereich den Text der Handausgabe von Alfred Rahlfs (1865–1935)2 zum Ausgangspunkt. Auch wenn sich dieser Text über weite Strecken bewährt, bedarf er an nicht wenigen Stellen der Korrektur, insbesondere deshalb, weil Rahlfs in aller Regel dem Codex Vaticanus folgt,3 in den etliche Korrekturen nach dem masoretischen Texttypus eingedrungen sind.4 Wo ich einen anderen ursprünglichen Text annehme als Rahlfs, ist dies stets gekennzeichnet; ebenso, wo ich den vorläufigen Text der Göttinger kritischen Ausgabe (GA) übernommen habe bzw. mit ihm übereinstimme.

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2 3

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Ich danke der Herausgeberin des ersten Samuelbandes, Anneli Aejmelaeus, und dem frü­ heren Herausgeber des zweiten Bandes, Philippe Hugo, dass sie mir die Einsichtnahme ermöglicht haben. Rahlfs, Alfred (Hg.): Septuaginta, id est Vetus Testamentum Graece iuxta LXX interpretes; Stuttgart 1935. Mit exzellenter textkritischer Intuition nimmt Rahlfs jedoch auch Lesarten anderer Hand­ schriften in seinen Text und dokumentiert dann die Lesart von B im Apparat. Das unter­ scheidet seine Ausgabe von der diplomatischen Ausgabe von Brooke/McLean (Cambridge 1906 ff), die dem B-Text folgt. Anders als Rahlfs, der in seinem Apparat eine Auswahl abweichender Lesarten bietet, dokumentieren Brooke/McLean die Lesarten einer Vielzahl weiterer Handschriften vollständig sowie auch Lesarten von Tochterübersetzungen. Dies hat Anneli Aejmelaeus erkannt und nachgewiesen; s. Aejmelaeus, How to Reach, 195–204.

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Material und Methodik

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Ganz anders stellt sich die Situation für den Kaige-Abschnitt der Samuel­ bücher dar (2Sam 10,6–24,25).5 Hier enthält der von Rahlfs gebotene, auf dem Codex Vaticanus basierende Text die Merkmale der Kaige-Rezension;6 dies gilt in aller Regel auch für die übrigen nichtlukianischen Handschriften. Die lukianischen Handschriften haben im Kaige-Bereich (wie im NonKaige-Bereich) einen nach den Prinzipien der lukianischen Rezensenten überarbeiteten Text. Die Überlieferung des griechischen Textes in Form zweier Rezensionen bringt es mit sich, dass der hinter der Kaige- bzw. lukianischen Rezension stehende ursprüngliche Text durchgehend kritisch rekonstruiert werden muss. Daher gebe ich bei textkritischen Analysen im Kaige-Bereich immer den Kaige-Text (in der Regel folge ich der Ausgabe von Rahlfs) und den lukianischen Text an und frage von beiden rezensionellen Fassungen aus nach Old Greek. Ein möglicher Trugschluss wäre die Annahme, die lukianische Rezension überliefere im Kaige-Bereich praktisch Old Greek.7 Dieser Eindruck kann entstehen, weil die Dichte der rezensionellen Eingriffe der lukianischen Rezensenten geringer ist als diejenige der Kaige-Rezensenten und somit der lukianische Text Old Greek insgesamt näher steht als der Kaige-Text. Aller­ dings gibt es auch erhebliche rezensionelle Eingriffe in der L-Gruppe. Die im Non-Kaige-Bereich zu gewinnende Kenntnis der lukianischen Rezen­ sionsprinzipien ist für die Herstellung der ursprünglichen Übersetzungs­ weise im Kaige-Bereich unerlässlich. Von den Tochterübersetzungen habe ich die altlateinischen Lesarten (OL115 und OLMg) durchgehend berücksichtigt.8 Nach meiner aus zahlrei­ chen Vergleichen gewonnenen Erfahrung ist OL115 ein besonders wertvol­ ler Textzeuge für die ursprüngliche Septuaginta und spiegelt oft einen alten griechischen Text.9 Auch die Marginallesarten können wertvolle Einsichten in die Textgeschichte vermitteln; sie folgen nach meiner Beobachtung dem lukianischen Text.

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7 8 9

Zur Abgrenzung s. unten den Exkurs: 2Sam 10,6 als Beginn des Kaige-Abschnitts (S. 199). Rahlfs hatte den Unterschied natürlich wahrgenommen; er hielt diesen Abschnitt im Anschluss an Thackeray (Rahlfs, Septuagintastudien, 187–189) für die Arbeit eines zweiten Übersetzers. Zum zweiten Buch der Könige, wo ebenfalls der Kaige-Texttypus vorliegt, notiert er: „Nun ist […‫ ]ו‬das zweite Buch oft stumpfsinnig genau übersetzt.“ (ebd., 293) Die im Kaige-Bereich wesentlich größeren Unterschiede zwischen den B- und den L-Les­ arten hatte Rahlfs ebenfalls bemerkt; sie waren ein Puzzlestück, für das die Forschung vor den Erkenntnissen Barthélemys (s. oben Abschnitt 1.2.1) keinen sinnvollen Platz fand. Mit ausdrücklichem Vorbehalt vermutet Rahlfs, dass die lukianischen Rezensenten für das zweite Königebuch eine andere griechische Vorlage hatten (ebd., 293 f). S. oben S. 15 (Anm. 15). Zu den Ausgaben s. unten Abschnitt 1.4.1. So auch Kauhanen, Proto-Lucianic Problem, 163 f.

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Einleitung

1.3.2 Die hebräische Vorlage des Übersetzers Die Samuel-Texte aus Qumran weisen einen Texttypus auf, welcher der Vorlage der Samuel-Septuaginta nahesteht. Wo genau die Überlieferung der beiden wichtigsten Qumran-Handschriften 4QSama und 4QSamb im Strom der Textentwicklung zu verorten ist, bedarf noch weiterer Klärung. Sicher ist, dass diese Texte der Vorlage der LXX einerseits deutlich näher stehen als dem MT10 und andererseits nicht mit der Vorlage der LXX identisch gesetzt werden dürfen – das zeigen signifikante Unterschiede zwischen Les­ arten der LXX und 4QSama.11 Bei einer Untersuchung der Übersetzungsweise der griechischen Samuel­ bücher ist die Frage nach der hebräischen Vorlage immer mitzustellen. Aus­ gangspunkt der Klärung ist aus praktischen Gründen der MT, wie ihn der Codex Leningradensis überliefert (Biblia Hebraica Stuttgartensia). Wegen ihres hohen textgeschichtlichen Ranges sind Lesarten aus Qumran, wo immer sie vorliegen, zu berücksichtigen. In den Analysen dieser Arbeit sind in Qumran überlieferte, vom MT abweichende Lesarten grundsätzlich dokumentiert.

1.3.3 Nicht Zirkelschluss, sondern Puzzle Ausgangspunkt der textkritischen Beurteilung einer Stelle ist der griechische Text und die Frage nach seiner ältesten Form,12 d. h. nach dem Wortlaut, wie ihn der Übersetzer aufgeschrieben oder diktiert hat. Dazu werden die überlieferten griechischen Lesarten miteinander verglichen; auch Lesarten von Tochterübersetzungen der Septuaginta können Hinweise geben. Gleichzeitig wird die Frage nach der Vorlage gestellt; hier ist der MT der Ausgangspunkt. Kenntnisse der Übersetzungstechnik sind unentbehrlich, um eine nicht eindeutige Situation einschätzen und den ältesten griechischen Wortlaut sowie die Vorlage des Übersetzers bestimmen zu können. Was wie ein Zirkelschlussverfahren klingt, gleicht in Wirklichkeit der Arbeit an einem großen Puzzle,13 bei der an der Anordnung der bekannten Teile mit Überlegung und Intuition gearbeitet wird. Je stimmiger das Gesamtbild, desto höher ist die Qualität der getroffenen Entscheidungen. 10 S. dazu oben S. 18 (Anm. 29). 11 S. zusammenfassend Tov, Septuagint, 296. Eine Analyse für 4QSamb führt derzeit Chris­ tian Seppänen durch (s. oben S. 18, Anm. 29). 12 Mit Philippe Hugo, Textgeschichte, 339: „Der erste Schritt […‫ ]ו‬ist die Bestimmung der ältesten Form der griechischen Übersetzung.“ 13 Die Metapher stammt von Anneli Aejmelaeus: „The real story of the origins of the Septua­ gint is like a big puzzle for which only a few pieces are available.“ (Aejmelaeus, Oral Trans­ lation, 5). Was das methodisch für die textkritische Arbeit bedeutet, reflektiert sie detail­ liert in ihrem Aufsatz „What Can We Know about the Hebrew Vorlage of the Septua­ gint?“ (Aejmelaeus, On the Trail, 71–106).

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Material und Methodik

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Bei der Arbeit an diesem Puzzle ist es ein wichtiges methodisches Prin­ zip, vom Sicheren auszugehen und zum Klärungsbedürftigen fortzuschrei­ ten. Für die Erhebung der Übersetzungstechnik für ein bestimmtes Phäno­ men bedeutet dies, dass die Analyse unzweifelhafter Lesarten und Überset­ zungsweisen die Basis bildet, von der aus man zu weniger eindeutigen Les­ arten und Übersetzungsweisen voranschreitet. Weiterhin sind zuerst die gewöhnlichen und regelmäßigen Übersetzungen darzustellen, bevor unge­ wöhnlich erscheinende Wiedergaben daraufhin überprüft werden, ob sie übersetzungstechnisch bedingt sind, oder ob sie auf eine andere Vorlage oder rezensionelle Eingriffe zurückgehen. Für den Umgang mit der Kaige-Rezension heißt das Beginnen auf siche­ rem Terrain, dass man bei der Untersuchung ihrer rezensionellen Merkmale von Phänomenen ausgeht, die in ausreichender Zahl auch im Non-KaigeAbschnitt vorliegen. Dann lassen sich die Unterschiede der griechischen Entsprechungen für dieses Phänomen, mithin die rezensionellen Eingriffe von Kaige gut abgesichert feststellen. Für die lukianische Rezension gilt, dass die Prinzipien dieser Rezension im Non-Kaige-Bereich im Gegenüber zu den nicht kaige-rezensierten nichtlukianischen Lesarten erhoben werden müssen. Auf dieser Basis gewinnt man das nötige Wissen dafür, sachgemäß mit den Lesarten der lukianischen Handschriften auch im Kaige-Bereich umgehen zu können.

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Einleitung

1.4 Quellen und Darstellung 1.4.1 Verwendete Ausgaben und Zitationsweisen Im Folgenden gebe ich einen Überblick, welche Quellen bzw. Textausgaben ich verwende und wie die Darstellung der Texte organisiert ist. Der hebräische Text folgt – wo nicht anders bezeichnet – dem masoreti­ schen Text des Codex Leningradensis, wie ihn die Biblia Hebraica Stuttgar­ tensia bietet. Die Vokal-Punktation der Masoreten habe ich als Lesehilfe beibehalten, obwohl dem Übersetzer ein unpunktierter Konsonantentext vorlag,1 für den er in mehrdeutigen Fällen eine andere Vokalisation ange­ nommen haben kann als die Masoreten. Die masoretischen Akzente über­ nehme ich dagegen nicht, denn bei der Zitation von Textausschnitten wür­ den häufig korrespondierende Akzente auseinandergerissen und die Logik des Akzentsystems zerstört. Wo ich eine vom MT verschiedene Vorlage annehme, gebe ich dies in Fußnoten an, bei Rekonstruktionen größerer Abschnitte auch im Haupt­ text. Rekonstruktionen lasse ich grundsätzlich unpunktiert. Bei der Wiedergabe von Lesarten aus Qumran folge ich, wo nicht anders notiert, der Ausgabe von Frank Moore Cross (4QSama und 4QSamb), Eugene Ulrich (4QSamc) sowie von Dominique Barthélemy und Józef Tadeusz Milik (1QSam).2 Die Kennzeichnungen in der Ausgabe von Cross und Ulrich (DJD XVII), welche Buchstaben auf den Rollen nur teilweise sichtbar sind, habe ich nicht übernommen. Bei den Lesarten aus Qumran ergänze ich keine Punktation. Bei der Ver­ wendung von Vokalbuchstaben bin ich, wo ich Passagen rekonstruiere, nicht um eine Imitation der älteren Bräuche bemüht, wie sie sich in Qumran zeigen, sondern orientiere mich an der Orthographie des masoretischen Textes (so schreibe ich ‫לא‬i, nicht ‫לוא‬i; ‫כל‬i, nicht ‫כול‬i; ‫כי‬i, nicht ‫כיא‬i). Gelegentlich verwende ich die Terminologie „Der Übersetzer las“, z. B. „Der Übersetzer las die Präposition ְ ‫ בּ‬in seiner Vorlage.“ Damit lasse ich bewusst in der Schwebe, ob die Vorlage tatsächlich ‫ ב‬enthielt, oder ob in der Vorlage beispielsweise ‫ כ‬stand, das der Übersetzer aber als ‫ ב‬wahrnahm.

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Die Funde aus Qumran deuten darauf hin, dass dieser Text mehr Vokalbuchstaben enthielt als der masoretische („4QSama is regularly fuller than M, that is, makes increased use of vowel letters.“ So Cross in DJD XVII, 5). Cross, Frank Moore/Parry, Donald W./Saley, Richard J./Ulrich, Eugene (Hg.), Qumran Cave 4 / XII. 1–2 Samuel, Oxford 2005 (DJD XVII). Die Ausgabe ist für 4QSama (DJD XVII, 1–197) und 4QSamb (DJD XVII, 199–246) von Frank Moore Cross als Chief Editor verantwortet; Donald W. Parry und Richard Saley haben wichtige Zuarbeiten geleistet (s. DJD XVII, xiv). Eugene Ulrich hat 4QSamc ediert (DJD XVII, 246–267). 1QSam wurde veröffentlicht in Barthélemy, Dominique/Milik, Józef Tadeusz (Hg.), Qumran Cave I, DJD I, Oxford 1955. 4QSamc und 1QSam spielen wegen ihres geringen Umfangs faktisch keine Rolle für meine Arbeit.

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Quellen und Darstellung

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Der griechische Text folgt, wo nicht anders gekennzeichnet, der Hand­ ausgabe von Alfred Rahlfs.3 Den lukianischen Text gebe ich nach der Aus­ gabe von Natalio Fernández Marcos und José Ramón Busto Saiz an4 und verwende das übliche Siglum L, aber auch den Begriff L-Gruppe, durch den ich daran erinnere, dass die Zurückführung der „lukianischen“ Lesarten auf eine Person namens Lukian eine Fiktion sein dürfte.5 Für den griechischen Text habe ich mich entsprechend den Gewohnhei­ ten heutiger Ausgaben zur Beigabe einer Interpunktion entschieden. Ich folge dabei weitestgehend der Ausgabe von Brooke und McLean.6 Von den Tochterübersetzungen durchgehend verglichen habe ich die alt­ lateinischen Lesarten des Palimpsestus Vindobonensis (als Sigel verwende ich OL115) sowie die in mittelalterlichen lateinischen Bibelausgaben überlie­ ferten altlateinischen Marginallesarten (OLMg).7 Für OL115 folge ich der Ausgabe von Bonifatius Fischer;8 bei den Marginallesarten der Ausgabe von Ciriaca Morano Rodríguez.9 Bei den Texten von OL115 habe ich den Gebrauch von u und v den heutigen Gewohnheiten angepasst (vir statt uir, davit statt dauit); Abkürzungen wie dms (dominus) habe ich aufgelöst.

1.4.2 Gruppierung der LXX-Handschriften Als Sigel für die LXX-Handschriften verwende ich die Göttinger Nomen­ klatur, die Alfred Rahlfs entwickelt hat.10 3

Rahlfs, Alfred (Hg.), Septuaginta. Id est Vetus Testamentum graece iuxta LXX interpretes, Stuttgart 1935. Eine Neuausgabe mit einigen Emendationen legte Robert Hanhart im Jahr 2006 vor (Septuaginta. Id est Vetus Testamentum graece iuxta LXX interpretes edidit Alfred Rahlfs. Editio altera quam recognovit et emendavit Robert Hanhart. Duo volumina in uno, Stuttgart 2006). In den Samuelbüchern wurden folgende Stellen verbessert: 1Sam 6,3 (Εἰ ἐξαπεστέλλετε Rahlfs / Εἰ ἐξαποστέλλετε Hanhart); 14,29 (μέλιτος τοῦτου / μέλιτος τούτου); 17,46 (τὸ κῶλα / τὰ κῶλα); 20,29 (πράρεζαν / τράπεζαν); 2Sam 8,12 (ἐκ τῆς γῆς Μωαβ / ἐκ τῆς Μωαβ); 13,10 (ταμίειον / ταμιεῖον); die Liste der Änderungen in Karrer, Martin/Kraus, Wolfgang (Hg.), Septuaginta deutsch, Stuttgart 2009, S. 1494. 4 Fernández Marcos, Natalio/Busto Saiz, José Ramón (Hg.), El Texto Antioqueno de la Bib­ lia Griega, Band 1: 1–2 Samuel, Madrid 1989. 5 S. Barthélemy, Problèmes textuels, 78–83, der vom „mythe de l’edition lucianique“ spricht, der konstruiert wurde, um eine hohe Verbreitung dieser Ausgabe zu erreichen (ebd., 78– 80; das Zitat S. 78). 6 Brooke, Alan E./McLean, Norman/Thackeray, Henry St. John (Hg.), The Old Testament in Greek. Volume 2, Cambridge 1935. 7 OL steht für Old Latin; die Ziffer 115 bezieht sich auf die Nummerierung der Handschrif­ ten durch das Beuroner Vetus-Latina-Institut; Mg steht für Marginallesart. 8 Fischer, Bonifatius, Palimpsestus Vindobonensis, in: ders., Beiträge zur Geschichte der lateinischen Bibeltexte (Vetus Latina. Die Reste der altlateinischen Bibel, Band 12), Frei­ burg 1986, 309–381. 9 Morano Rodríguez, Ciriaca, Glosas marginales de „vetus latina“ en las biblias vulgatas españolas: 1–2 Samuel, Madrid 1989. 10 Verzeichnis der griechischen Handschriften des Alten Testaments. Für das SeptuagintaUnternehmen aufgestellt von Alfred Rahlfs, Berlin 1914. Im Göttinger Septuaginta-Unter­

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Einleitung

Die Gruppierung folgt Anneli Aejmelaeus, wie sie sie für die Göttinger kritische Ausgabe des ersten Samuelbuchs vorgenommen hat.11 Da sich die Handschriftenfamilien auch durch das zweite Samuelbuch fortsetzen,12 behalte ich diese Gruppierung durchgehend bei. Außerdem verwende ich die Sigla OL115 für das altlateinische Wiener Palimpsest (5. Jh.); OLMg für altlateinische Marginallesarten spätmittelalterlicher spanischer Vulgataausgaben.13 Handschriftengruppierung (nach Anneli Aejmelaeus) Codices: A B M V Gruppierung der übrigen Handschriften: O = 247–376 L = 19–82–93–108–127 CI = 98-(243)14–379–731 CII = 46–52–236–242–313–328–530 C’ = CI + CII a = 119–527–799 b = 121–509 d = 44–68–74–106–107–120–122–125–134-(370)–610 f = 56–246 s = 64–92–130–314–381–488–489-(762) Keiner Handschriftenfamilie zugeordnet: 29 55 71 158 244 245 318 (342) 460 554 707

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nehmen wird derzeit eine aktualisierte Auflage des Handschriftenverzeichnisses erarbeitet; bereits erschienen ist der Band für die Handschriften bis zum 8. Jahrhundert (A. Rahlfs, Verzeichnis der griechischen Handschriften des Alten Testaments. Die Überlieferung bis zum VIII. Jahrhundert. Bearbeitet von Detlef Fraenkel, Göttingen 2004). Bei Nachweisen werden Handschriften oder Handschriftengruppen in der Reihenfolge ihrer Position in der Gruppierung genannt, z. B. B V 243–731 a 56 29 55 71 244 318 (Mss. mit der Lesart ἦλθαν in 2Sam 24,7). S. Rahlfs, Verzeichnis. Mit Beginn des zweiten Samuelbuchs ändert sich die Handschrif­ tensituation zunächst nicht. Für 2Sam 15,28–18,19 liegt der Text zusätzlich in der Hand­ schrift 700 vor (10./11. Jh.; Vatikanische Bibliotheken); mit 2Sam 20,18 bricht die Überlie­ ferung der Handschrift 376 ab (15. Jh., Realbibliothek Escorial). Letzteres hat zur Folge, dass das Siglum O ab 2Sam 20,19 nicht mehr verwendet werden kann, sondern Ms. 247 als einzelne Handschrift geführt wird. Zu den Ausgaben s. oben Anm. 8 und 9. Die Klammern bezeichnen Handschriften, die größere Lücken aufweisen; der Umfang der Handschriften ist im Handschriftenverzeichnis von Alfred Rahlfs dokumentiert (s. oben Anm. 10).

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Die Übersetzungstechnik in den Samuelbüchern

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1.5 Die Übersetzungstechnik in den Samuelbüchern 1.5.1 Überblick über die Übersetzungsweise In der folgenden Skizze der Arbeitsweise des Übersetzers1 fasse ich die Ergebnisse der bisherigen Forschung2 zusammen und runde die Darstellung durch einige zusätzliche Beobachtungen ab. Diese Übersicht soll helfen, diejenigen Phänomene auszumachen, für die eine detailliertere Untersu­ chung besonders lohnenswert erscheint. Die Wiedergabeweise des Samuelübersetzers steht auf der Skala von einer wörtlichen, ausgangssprachlich orientierten Übersetzungsweise bis hin zu einer freien, auf die Idiomatik der Zielsprache ausgerichteten Übersetzung3 auf der wörtlichen Seite. Sie ist aber nicht stereotypisierend.4 Vielmehr hat der Übersetzer für viele hebräische Konstruktionen eine wörtliche Stan­ dardwiedergabe, der er in einem großen Teil der Fälle folgt, von der er aber auch abweicht – teils, weil anders der Sinn nicht bewahrt werden kann, teils auch ohne erkennbar zwingenden Grund. So bevorzugt er etwa für ְ ‫ בּ‬+ infinitivus constructus die wörtliche Wieder­ gabe mit ἐν τῷ + Infinitiv, verwendet aber manchmal auch den genetivus absolutus. Die hebräische Kopula ְ ‫ ו‬gibt er weitestgehend mit καί wieder, kann sie aber in Einzelfällen aus syntaktischen Gründen auch auslassen oder – ganz selten – durch δέ oder γάρ repräsentieren. Den infinitivus absolutus der figura etymologica gibt er ganz überwiegend mit einem participium coniunctum wieder, selten aber auch durch ein Substantiv.

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Theo van der Louw entwickelt die Vorstellung, dass die LXX-Übersetzer mit einem Vor­ leser und einem Schreiber zusammengearbeitet haben (Louw, Dictation). Seine auf diesem Hintergrund gegebenen Erklärungen einiger Phänomene (etwa mutmaßlich durch Hörfeh­ ler entstandene Fehlübersetzungen) sind plausibel, aber nicht zwingend. In den Samuelbü­ chern habe ich keine Stellen gefunden, für die sich das Bild eines solchen „Teamworks“ aufdrängen würde. Meine Darstellung orientiert sich an Aejmelaeus, On the Trail, 123–141. Kürzere Skizzen der Übersetzungsweise finden sich bei Thackeray, Greek Translators, 274–276, und Hutzli, Hanna und Samuel, 38–46. James Barr hat die Möglichkeiten zur Klassifizierung der Übersetzer umfassend reflektiert (Barr, Typology). Die jüngere Diskussion fasst Joachim Schaper zusammen (Schaper, 34– 45). Thackeray sieht die Übersetzungsweise der Samuel- und Königebücher (Non-KaigeBereiche) in einer Mittelstellung zwischen „good Κοινή Greek“ und „literal or unintelli­ gent versions“ und bezeichnet ihren griechischen Text daher als „indifferent Greek“ (Tha­ ckeray, Grammar, 13). Ein ähnliches Bild zeichnet Raija Sollamo anhand ihrer Untersu­ chung der Wiedergabeweise von Semipräpositionen (d. h. präpositional gebrauchter Kom­ binationen einer Präposition und eines Nomens, z. B. ‫בעיני‬i). Die Non-Kaige-Abschnitte der Samuel- und Königebücher gehören zu derjenigen Gruppe von Übersetzungen, die sie so charakterisiert: „Literal and slavish renderings prevail in this […‫ ]ו‬group […‫]ו‬, free ren­ derings becoming rarer, […‫ ]ו‬and the stereotyping tendency being evident.“ (Sollamo, Semiprepositions, 286).

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Einleitung

Eine ähnliche Tendenz zu Standardwiedergaben lässt sich für die Lexik beobachten. Wie bei den syntaktischen Phänomenen bindet sich der Über­ setzer aber nicht sklavisch an seine bevorzugten Äquivalente. So gibt er etwa ‫ ירד‬Qal weitgehend mit καταβαίνω wieder, kann aber – je nach Kon­ text – auch εἰσέρχομαι und ἔρχομαι verwenden. Bei Wörtern, die im Heb­ räischen eine breite Semantik haben wie ‫ בוא‬Qal, verwendet der Übersetzer eine größere Zahl von Standardäquivalenten (bei ‫ בוא‬am häufigsten ἔρχομαι, auch εἰσέρχομαι; öfter auch παραγίνομαι; einige Male ἥκω; sel­ ten andere Verben). Deutlich ist, dass der Übersetzer sowohl in der Lexik als auch bei der Wiedergabe syntaktischer Strukturen keinerlei Interesse an einer Variation um der Variation willen hat. Der Übersetzer ist im Griechischen sicher. Mit dem Hebräischen hat er dagegen öfter Probleme. Relativ häufig errät er ihm unbekanntes Vokabular, so etwa ‫‚ צִנּ ָה‬Schild‘, für das er aus dem Kontext τὰ ὅπλα ‚die Waffenaus­ rüstung‘ errät (1Sam 17,7); ‫‚ מ ְצוּד ָה‬Festung‘, das er mit περιοχή ‚Umge­ bung‘ wiedergibt (1Sam 22,4 f); oder ‫‚ חרשׁ‬pflügen‘, dessen Bedeutung er sich aus dem Kontext heraus mit θερίζω ‚ernten‘ erschließt (1Sam 8,12). Manchmal gibt der Übersetzer hilfsweise ein im Hebräischen ähnliches Wort wieder, wenn er eine Vokabel nicht kennt: In 1Sam 24,12 übersetzt er ‫‚ צדה‬auflauern‘ durch ‫‚ צרר‬fesseln‘; in 1Sam 14,32;5 25,14 ‫‚ עיט‬sich schrei­ end auf etwas / auf jemanden stürzen‘ durch ‫ נטה‬/ κλίνω ‚sich hinwenden‘; in 1Sam 6,12 ‫‚ געה‬brüllen‘ durch ‫‚ יגע‬müde werden‘. Ein im Vergleich mit den anderen Übersetzungen der LXX auffälliges Merkmal ist die relativ häufige Verwendung von Transliterationen, wenn der Übersetzer Vokabeln nicht kennt,6 so etwa ιαριμ7 für ‫ חרם‬Hifil ‚ban­ nen‘ (1Sam 15,3.8), γεδδουρ für ‫‚ גּ ְדוּד‬Streifzug‘ / ‚Räuberbande‘ (1Sam 30,8.15 bis.23) oder αραφωθ für ‫„ ה ָרִפֹות‬die Körner“ (2Sam 17,19). ִ ַ ‫רשׂ א ֶת־ה ַמּ ָס ָך ְ ע ַל־פְּנ ֵי ה ַבּ ְא ֵר ו‬ ֹ ְ ‫תּפ‬ ִ ַ ‫קּח ה ָא ִשּׁ ָה ו‬ ַ ‫תּ‬ ִ ַ‫ו‬ 2Sam 17,19 ‫תּשׁ ְטַח ע ָל ָיו‬ ‫לא נֹוד ַע דּ ָב ָר‬ ֹ ְ ‫ וה ָרִפֹות ו‬καὶ ἔλαβεν ἡ γυνὴ καὶ διεπέτασεν τὸ ἐπικά­ λυμμα ἐπὶ πρόσωπον τοῦ λάκκου καὶ ἔψυξεν ἐπ᾽ αὐτῷ αραφωθ ,8 καὶ οὐκ ἐγνώσθη ῥῆμα.

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Das Qere ‫ ו ַיּ ַע ַט‬entspricht der Vorlage der Septuaginta (so auch Aejmelaeus in ihren Grin­ field Lectures im Jahr 2010, noch unveröffentlicht). Eine Zusammenstellung von Wörtern, die den Übersetzern der LXX unbekannt waren und die sie deshalb transliterierten, findet sich bei Tov, Septuagint, 507–509. Neben Samuel und Könige haben Richter und Chronik vergleichsweise viele solcher Transliterationen. So GA mit der Mehrheit der Handschriften in 15,3; Rahlfs liest ιεριμ. L 554c lesen παλάθας ‚Fruchtkuchen‘ (offenbar hatten die lukianischen Rezensenten ein Bild vor Augen, dass man Fruchtkuchen solchermaßen trocknete); OL115 lateres ‚Ziegel­ steine‘ (ratend; vielleicht in der Vorstellung, der Brunnen sei zugemauert worden).

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Die Übersetzungstechnik in den Samuelbüchern

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Oft sind den Transliterationen übersetzende Dubletten beigefügt worden (1Sam 15,3 καὶ ἐξολεθρεύσεις αὐτόν und καὶ ἀναθεματιεῖς αὐτόν;9 15,8 ἀπέκτεινεν und ἐξωλότρευσεν), oder sie wurden in bestimmten Hand­ schriften durch eine Übersetzung ersetzt (1Sam 30,8.15.23 σύστρεμμα in der L-Gruppe).10 1Sam 15,8 ‫חרִים ל ְפִי־חָרֶב‬ ֱ ֶ ‫פּשׂ א ֶת־א ֲג ַג מ ֶל ֶך ְ־ע ֲמ ָל ֵק חָי ו ְא ֶת־כּ ָל־ה ָע ָם וה‬ ֹ ‫ת‬ ְ ִ ‫ו ַיּ‬ καὶ συνέλαβεν τὸν Ἀγὰγ βασιλέα Ἀμαλὴκ ζῶντα, καὶ πάντα τὸν λαὸν (#ἐξωλόθρευσεν καὶ A [>καί] d 554) ιαριμ ἀπέκτεινεν ἐν στόματι ῥομφαίας. Der Transliteration des Übersetzers wurden die Dubletten ἀπέκτεινεν (alle Handschriften außer O L) sowie ἐξωλόθρευσεν (A d 554) zur Seite gestellt.11 In O L sind ιαριμ und ἀπέκτεινεν durch ἐξωλόθρευσεν ersetzt, d. h. diese Lesart ersetzt die Transliteration des Übersetzers (ιαριμ) und die frühe Dublette ἀπέκτεινεν. Anders als von Emanuel Tov vermutet,12 schlägt der Übersetzer ihm unbekannte Wörter nicht im Pentateuch nach: ‫‚ גּ ְדוּד‬Streifschar‘ und ‫חרם‬ Hifil ‚bannen‘ transliteriert er, obwohl er eine Übersetzung im Pentateuch hätte finden können.13 Die Beobachtung, dass der Pentateuch jedenfalls für diesen Übersetzer nicht als „Lexikon“ dient, bestätigt sich durch Stichproben im Bereich des religiösen Vokabulars. So hat er bei Wörtern für böses, sündiges Handeln in vielen Fällen Wiedergabeweisen, die sich im Pentateuch finden und sich durch die gesamte LXX ziehen, etwa ἁμαρτάνω für ‫ חטא‬bzw. ἁμαρτία für ‫חַטּ ָאת‬i. Es gibt aber auch Unterschiede zwischen den Samuelbüchern und dem Pentateuch. In Samuel wird für ‫ פֶּשׁ ַע‬ἀσέβεια und ἀνομία verwendet (1Sam 24,12; 25,28), im Pentateuch dagegen ἀδικία (Gen 31,36; 50,17; Ex 22,8; 34,7; Lev 16,16.21; Num 14,18). ἀδικία wiederum verwendet der

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Beide Dubletten sind in Ms. 127 durch Obeloi als Zusätze gekennzeichnet. In Anpassung an den MT fehlen die Dubletten in 121 d; καὶ ἀναθεματιεῖς αὐτόν fehlt darüber hinaus durch einen Homoioteleuton-Fehler in V 82 74 (s. den App. der GA). Zu den Lesarten in 1Sam 15,3 s. Anneli Aejmelaeus, Where Do Doublets Come from?, in: Festschrift für John Lee (in Vorbereitung). In 1Sam 30,8 auch in Ms. 246; außerdem als Marginalanmerkung in M 56 554; in 30,15 als Marginalanmerkung in 799 und 554; in 30,23 σύστρεμμα auch in f sowie als Marginalie in 554. Zur textlichen Entwicklung dieser Stelle s. Anneli Aejmelaeus, Where Do Doublets Come from?, in: Festschrift für John Lee (in Vorbereitung). So Tov, Septuagint, 183: „The Greek Torah served as a lexicon for the later translators who often turned to that translation when encountering difficult Hebrew words.“ Für den Samuelübersetzer lässt sich das nicht zeigen. ‫ גּ ְדוּד‬kommt vor in Gen 49,19 (πειρατήριον); ‫ חרם‬in Ex 22,19 (ὀλεθρεύω); Lev 27,28 f; Num 21,2 f; Dtn 13,16; 20,17 (jeweils ἀνατίθημι); Dtn 2,34; 3,6.8 (jeweils ἐξολεθρεύω) sowie Dtn 7,2 (ἀφανίζω).

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Einleitung

Samuelübersetzer für ‫ע ָֹון‬i, was im Pentateuch mit ἀνομία oder ἁμαρτία wiedergegeben wird (zahlreiche Fälle; ἀδικία nur Lev 16,22; Dtn 19,15).14 Auch für nicht-theologische Wörter zeigt sich Ähnliches, beispielsweise bei Vokabeln für Tiere. Es gibt Konsenswiedergaben durch die gesamte LXX, etwa – naheliegend – κύων für ‫כּ ֶל ֶב‬i. Bei anderen Vokabeln zeigt sich die Eigenständigkeit des Übersetzers. So gibt er das kollektive ‫צאן‬ ֹ mit ποίμνιον wieder (16-mal im Non-Kaige-Bereich), nur ausnahmsweise mit πρόβατον oder πρόβατα (1Sam 25,18; 2Sam 7,8), wohingegen im Penta­ teuch τὰ πρόβατα Übersetzungsstandard ist (102-mal; τὰ ποίμνια nur Gen 31,4). Für ‫‚ ע ֵג ֶל‬Stierkalb‘ verwendet der Übersetzer δάμαλις (1Sam 28,24; auch 1Kön 12,28.32; 2Kön 10,29; 17,16), alle anderen Übersetzer dagegen μόσχος (Ex sechsmal; Dtn einmal; andere Bücher 14-mal) oder μοσχάριον (Lev dreimal; Jes und Dodekapropheton je einmal); lediglich der Psalter hat neben zweimal μόσχος auch einmal δάμαλις (Ps 29,6). Diese Beobachtungen machen deutlich, dass der Übersetzer den Penta­ teuch nicht hebräisch-griechisch studiert und als „Lexikon“ benutzt hat. Es gibt allerdings Stellen, die darauf hindeuten, dass er den griechischen Penta­ teuch kennt, etwa 1Sam 25,37‫קר בּ ְצֵאת ה ַיּ ַי ִן מ ִנּ ָב ָל…ו‬ ֶ ‫בּ‬ ֹ ַ ‫ ו ַי ְה ִי ב‬καὶ ἐγένετο πρωί ὡς ἐξένηψεν #ἀπὸ τοῦ οἴνου Ναβάλ…‫ו‬ In dieser Übersetzung klingt der griechische Text von Gen 9,24 an: Gen 9,24‫קץ ֹנחַ מ ִיּ ֵינֹו…ו‬ ֶ ‫ ו ַיּ ִי‬ἐξένηψεν δὲ Νῶε ἀπὸ τοῦ οἴνου …‫ו‬ Ebenfalls vom griechischen Pentateuch inspiriert sein könnte die Vokabel ἐμπεριπατέω für das Wandeln Gottes unter dem Volk in 2Sam 7,6: καὶ ἤμην ἐμπεριπατῶν (ְ ‫תה ַלּ ֵך‬ ְ ִ ‫מ‬i) ἐν καταλύματι καὶ ἐν σκηνῇ; vgl. Gen 3,8 ְ ‫מ‬i); Lev 26,12 (καὶ ἐμπεριπατήσω für (περιπατοῦντος für ְ ‫תה ַלּ ֵך‬ ‫תּי‬ ִ ְ ‫תה ַלּ ַכ‬ ְ ִ ‫ו ְה‬i) und Dtn 23,15 (ἐμπεριπατεῖ für ְ ‫תה ַלּ ֵך‬ ְ ִ ‫מ‬i).15 Die Kenntnis des Pentateuchs ist auch anzunehmen für die Wiedergabe­ weise in ַ ‫תן־ל ָנוּ שׁ ִב ְע ָה א ֲנ ָשׁ ִים מ ִבּ ָנ ָיו ו ְהֹו‬ ֶ ָ ‫י ִנּ‬ 2Sam 21,6 ‫קע ֲנוּם ל ַיהו ָה בּ ְג ִב ְע ַת שׁ ָאוּל בּ ְחִיר‬ ‫ י ְהו ָה‬δότω ἡμῖν ἑπτὰ ἄνδρας ἐκ τῶν υἱῶν αὐτοῦ, καὶ ἐξηλιάσωμεν #αὐτοὺς τῷ Κρίῳ ἐν Γαβαὼν Σαοὺλ ἐκλεκτοὺς Κυρίου.

14 Im Kaige-Abschnitt wird zu ἀνομία geändert in 2Sam 14,9; 19,20; 24,10 (auch 2Kö 7,9); die Originalübersetzung ἀδικία ist jeweils in den lukianischen Handschriften erhalten. Lediglich in 2Sam 22,24 wäre es möglich, dass der Übersetzer ausnahmsweise ἀνομία für ‫ ע ָֹון‬verwendet hat (vgl. Ps 18,24 [17,24 LXX]). 15 Auseinander gehen die Übersetzungsweisen im Pentateuch und in Samuel dagegen beim „Wandeln vor“ Gott: ‫ התהלך לפני‬wird in Gen 17,1; 24,40 mit εὐαρεστέω ἐναντίον über­ setzt, in 1Sam 2,30.35 mit διέρχομαι ἐνώπιον.

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Die Übersetzungstechnik in den Samuelbüchern

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In der Wortwahl ἐξηλιάζω als Äquivalent für ‫יקע‬i (Qal: ‚brechen‘; Hifil: ‚aufhängen mit gebrochenen Knochen‘) klingt Num 25,4 an: Num 25,4 ‫תם ל ַיהו ָה‬ ָ ‫קע אֹו‬ ַ ‫קח א ֶת־כּ ָל־רָאשׁ ֵי ה ָע ָם ו ְהֹו‬ ַ ‫משׁ ֶה‬ ֹ ‫ו ַֹיּאמ ֶר י ְהו ָה א ֶל־‬ ‫ונ ֶג ֶד ה ַשּׁ ָמ ֶש‬i ׁ καὶ εἶπεν Κύριος τῷ Μωυσῇ Λαβὲ πάντας τοὺς ἀρχηγοὺς τοῦ λαοῦ καὶ παραδειγμάτισον αὐτοὺς Κυρίῳ ἀπέναντι τοῦ ἡλίου . Auf die Übersetzung von ‫ יקע‬Hifil ‚in die Sonne hängen‘ wäre der Überset­ zer ohne Num 25,4 kaum gekommen. Aufgrund der gemeinsamen Vokabel ‫ יקע‬Hifil in Numeri und Samuel ist es sogar denkbar, dass der Übersetzer den Pentateuch hier hebräisch-griechisch verglichen hat. Zwingend ist es aber nicht, denn eine Kenntnis des griechischen Textes von Num 25,1–9 reicht aus, um zu erkennen, dass in 2Sam 21,1–9 vom gleichen Vorgang die Rede ist: Menschen werden „vor JHWH“ aufgehängt, um dessen Zorn zu besänftigen. Einen Anklang an die Psalmensprache sehe ich in der Vokabel ὁδηγέω für die Führung des Volkes durch JHWH in 2Sam 7,23.16 Dem Übersetzer gelingen immer wieder schöne Wiedergaben in Einzel­ fällen. Oft hat man bei diesen Stellen den Eindruck, dass er sich für sie mehr Zeit genommen hat17 und deshalb zu einem guten Ergebnis kam. Dies gilt beispielsweise für den Anfang des Buchs, wo er (entgegen seiner sonstigen Gewohnheit) sowohl die Wortfolge variiert als auch ְ ‫ ו‬ohne Äqui­ valent belässt (1Sam 1,1):18 1Sam 1,1 ‫תי ִם צֹופִים…ו‬ ַ ָ ‫ ו ַי ְה ִי א ִישׁ א ֶחָד מ ִן־ה ָרָמ‬Ἄνθρωπος ἦν ἐξ Ἁρμαθάιμ Σιφά…‫ו‬ Bei der theologisch prägnanten Aussage in 1Sam 16,7 fällt auf, dass der Übersetzer nicht wie sonst καί als Wiedergabe für ְ ‫ו‬i, sondern das stilistisch hier wesentlich bessere δέ benutzt:19 1Sam 16,7 ‫ ה ָא ָד ָם י ִרְא ֶה ל ַע ֵינ ַי ִם ו ַיהו ָה י ִרְא ֶה ל ַלּ ֵב ָב‬ἄνθρωπος ὄψεται εἰς πρόσωπον, ὁ δὲ θεὸς ὄψεται εἰς καρδίαν.

16 ὁδηγέω wird praktisch nur von der Führung Gottes verwendet (Einzelheiten bei Michae­ lis, 102) und ist ein typisches Wort des griechischen Psalters (27-mal; sonst Ex 13,17; 15,13; 32,34; Num 24,8; Dtn 1,33; Jos 24,3; 2Sam 7,23; 1Chr 17,21; Neh 9,12.19; Hiob 31,18; Pred 2,3; Jes 63,14). 17 Theo van der Louw weist auf Ergebnisse der Übersetzungswissenschaften hin, dass weni­ ger geübte Übersetzer oft schneller übersetzen und deshalb mehr Fehler machen als erfah­ rene Übersetzer (Louw, Approaches, 22). 18 Andere Bücher beginnen mit καί, etwa Josua und Richter. 19 Ebenso bei der sehr ähnlichen Aussage 1Sam 15,29 LXX.

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Einleitung

In einzelnen Fällen20 gebraucht der Übersetzer ein participium coniunctum zur Wiedergabe eines Nebensatzes oder eines epexegetischen Infinitivs – auch diese Übersetzungen können als gelungen gelten. 1Sam 14,52 ‫ ו ְרָא ָה שׁ ָאוּל כּ ָל־א ִישׁ גּ ִבֹּור ו ְכ ָל־בּ ֶן־חַי ִל ו ַיּ ַא ַס ְפֵהוּ א ֵל ָיו‬καὶ ἰδὼν Σαοὺλ πάντα ἄνδρα δυνατὸν καὶ πάντα ἄνδρα υἱὸν δυνάμεως, καὶ συνήγαγεν αὐτοὺς πρὸς αὐτόν. ֹ ֱ ‫חטִאים ל ַיהו ָה ול ֶא‬ ֹ ‫ ה ִנּ ֵה ה ָע ָם‬ἡμάρτηκεν ὁ λαὸς τῷ 1Sam 14,33 ‫כל ע ַל־ה ַדּ ָם‬ Κυρίῳ φαγὼν σὺν τῷ αἵματι.

Solche Leistungen in Einzelfällen zeigen, dass der Übersetzer von seinen Fähigkeiten her idiomatischer hätte übersetzen können, als er es durch sein wörtliches Vorgehen in der Regel tut. Auffällig ist, dass die stilistisch schö­ nen Einzelfälle praktisch nur dann vorkommen, wenn keine größeren Seg­ mente zu überblicken waren, um diese Wiedergaben zu erreichen.21 Interessant ist die überdurchschnittlich häufige Verwendung22 des gene­ tivus absolutus, der als Merkmal einer freien Wiedergabeweise gilt,23 was sich nicht ins Bild eines wörtlichen Übersetzers fügt. Ebenfalls passen der häufigere Gebrauch des genetivus absolutus und die sehr seltene Verwen­ dung des eng verwandten participium coniunctum nicht zusammen. Hier gibt es Bedarf nach einer genaueren Untersuchung. Eine besondere Stärke des Übersetzers wird auf einem Gebiet deutlich, wo er sich stärker von seinem Sprachgefühl als von den hebräischen Formen leiten lässt: Die griechischen Tempora wählt er meist gekonnt und relativ unabhängig von den Verbformen des Hebräischen und schafft durch sie oft schöne Erzählstrukturen. ‫תה ו ַיּ ִשׁ ְא ֲבוּ־מ ַי ִם …ו ו ַֹיּאמ ְרוּ שׁ ָם חָטָאנוּ ל ַיהו ָה‬ ָ ָ‫מּצְפּ‬ ִ ַ ‫קּב ְצוּ ה‬ ָ ִ ‫ו ַיּ‬ ‫מּצְפָּה‬ ִ ַ ‫פּט שׁ ְמוּא ֵל א ֶת־בּ ְנ ֵי י ִשׂ ְרָא ֵל בּ‬ ֹ ְ ‫ ו ַיּ ִשׁ‬καὶ συνήχθη ὁ λαὸς24 εἰς Μασσηφάθ, #καὶ ὑδρεύονται ὕδωρ …‫ ו‬καὶ εἶπαν Ἡμαρτήκαμεν ἐνώ­ πιον Kυρίου · #καὶ ἐδίκαζεν Σαμουὴλ τοὺς υἱοὺς Ἰσραὴλ εἰς Μασσηφάθ.

1Sam 7,6

20 S. Aejmelaeus, On the Trail, 133. Die Beispiele (1Sam 14,33.52) sind übernommen von ebd., 134 f. 21 „It is typical of most good free renderings used by this translator that he only needed to consider a small segment of the Hebrew text at a time.“ (Aejmelaeus, On the Trail, 135). 22 Für die Samuelbücher zähle ich 28 genetivi absoluti. Ilmari Soisalon-Soininen, Studien, 176, gibt ihre Gesamtzahl in der Septuaginta mit rund 200 an, so dass rund 14 % aller gene­ tivi absoluti in den Samuelbüchern stehen, die vom Textumfang her etwa 8 % des griechi­ schen Alten Testaments (im Hebräischen kanonische Bücher) ausmachen. 23 S. Soisalon-Soininen, Studien, 175–180. 24 Zur Lesart s. unten S. 194 (Anm. 28).

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Die Übersetzungstechnik in den Samuelbüchern

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Für die vier hebräischen Verben im Impf.cons. verwendet der Übersetzer Aorist, praesens historicum und Imperfekt. Durch die unterschiedlichen Tempora werden die einzelnen Handlungen unterschiedlich akzentuiert; es entsteht ein schönes Erzählgefüge. Für den Samuelübersetzer spezifisch ist der häufige Gebrauch des prae­ sens historicum in erzählenden Kontexten. Dies wurde bereits von Thacke­ ray notiert, ohne dass er die Prinzipien der Verwendung dieses Tempus hätte konsistent erklären können.25 Für dieses Phänomen lohnt eine nähere Untersuchung. Die Flexibilität des Übersetzers bei der Wahl der griechischen Tempora und die durch sein gutes Sprachgefühl erreichten Ergebnisse zeigen, wie sehr er im Griechischen zuhause ist. Diese und weitere Beobachtungen sprechen dafür, dass Griechisch seine Muttersprache ist. Eine Besonderheit im Bereich der Tempora ist es, dass die Rezensionen (sowohl die Kaige- als auch die lukianische Rezension) auffallend viele Änderungen vornehmen.26 Hier konnte von der Forschung noch keine hin­ reichende Klarheit über die Prinzipien dieser Eingriffe hergestellt werden,27 so dass sich eine genauere Untersuchung nahelegt. Nach allem, was ich beobachtet habe, greift der Übersetzer nicht glosso­ lierend oder weglassend in den Textbestand seiner Vorlage ein. Für viele der von einigen Exegeten auf die Übersetzungsweise zurückgeführten Unter­ schiede zum MT kann inzwischen durch Lesarten aus Qumran eine entspre­ chende hebräische Vorlage als gesichert gelten. Der bereits von Forschern des 19. Jahrhunderts gewonnene Eindruck eines quantitativ und qualitativ wörtlich arbeitenden Übersetzers28 ist durch die Funde aus Qumran erheb­ lich gestärkt worden.29 An einem Punkt erlaubt sich der Übersetzer dennoch eine religionsge­ schichtlich-theologische Umdeutung seiner Vorlage, ohne dass er dazu in die Quantität des Textbestandes eingreifen würde. Er verwendet für

25 Thackeray, Jewish Worship, 20–22; zu Einzelheiten seiner Deutung des praesens histori­ cum s. Wirth, 118 f. 26 S. Aejmelaeus, On the Trail, 137 f. 27 Anssi Voitila hat eine Studie für den Kaige-Bereich vorgelegt (Voitila, Tenses). Er folgt allerdings einem „pragmatic point of view“ (ebd., 213), d. h. die Frage nach dem lukiani­ schen Text als Rezension ist für ihn nicht zentral. 28 So formuliert etwa Julius Wellhausen: „In Opposition gegen Frankel hat Thenius darin das entschiedenste Recht […‫]ו‬, dass die älteste griechische Uebersetzung der Bücher Samuelis zurückgehe auf eine von der massorethischen stark verschiedene Recension der Urschrift. […‫ ]ו‬Die Bücher Samuelis sind […‫ ]ו‬im Ganzen äusserst wörtlich übersetzt.“ Allerdings „schliesst die durchgehende Wörtlichkeit, welche richtiger Unbehülflichkeit genannt wer­ den könnte, […‫ ]ו‬Ausnahmen im Einzelnen keineswegs aus.“ (Wellhausen, 9 f). 29 S. Aejmelaeus, On the Trail, 124: „Leaving aside the question of originality, it is obvious that the Septuagint translation [sc. of 1 Samuel] may be considered to reflect its Vorlage fairly faithfully. Divergence from the MT need not be attributed to the free rewriting of the translator.“

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Einleitung

bestimmte religiöse termini technici, deren Bedeutung er kannte,30 Transli­ terationen statt einer Übersetzung, wodurch ihre Funktion verschleiert wird. Dies gilt für das Losorakel ‫ א ֵפֹוד‬/ εφουδ (1Sam 2,18.28; 14,3.18 bis; 22,18; 23,6.9; 30,7), die Kulthöhe ‫ בּ ָמ ָה‬/ βαμα (1Sam 9,12.13.14.19.25; 10,5; ֹ ‫ ר‬/ ροως dort, wo der Gipfel einer Kulthöhe bezeichnet 11,8) sowie für ‫אשׁ‬ ist (2Sam 15,32; 16,1). 1Sam 9,12 ‫ כּ ִי ה ַיֹּום בּ ָא ל ָע ִיר כּ ִי ז ֶב ַח ה ַיֹּום ל ָע ָם ובּ ַבּ ָמ ָה‬διὰ τὴν ἡμέραν ἥκει εἰς τὴν πόλιν, ὅτι θυσία σήμερον τῷ λαῷ ἐν Βαμα . Durch die Transliteration erscheint Βαμα als Ortsname. Dass es um eine Kulthöhe geht, ist im Griechischen nicht mehr zu erkennen. Diese Beobachtung unterstreicht, wie sehr man sich vor Pauschalurteilen hüten muss. Obwohl der Übersetzer den hebräischen Text – in den Worten von Otto Thenius31 – „mit diplomatischer Genauigkeit“ wiedergibt, erlaubt er sich eine solche religionsgeschichtliche Korrektur. Die Vorsicht vor Pau­ schalurteilen ist auch bei vielen anderen Phänomenen wichtig: Dass der Übersetzer die Konjunktionen δέ und γάρ fast nie verwendet, heißt nicht, dass er sie in Einzelfällen nicht doch benutzen kann. Dass er in die Wort­ folge in aller Regel nicht eingreift, erlaubt nicht, jede im Vergleich zum MT abweichende Wortstellung ohne Weiteres auf eine andere Vorlage zurück­ zuführen. Vielmehr gilt, dass jedes Phänomen nach allen Seiten auszuloten ist und alle Vergleichsstellen zu berücksichtigen und zu bewerten sind. Nur so können Übersetzungsmuster und Abweichungen erkannt und ein diffe­ renziertes Bild der Arbeitsweise des Übersetzers gezeichnet werden.

1.5.2 Zur Auswahl der untersuchten Phänomene Die vorliegende Untersuchung der Übersetzungsweise will das in der For­ schung erarbeitete Bild überprüfen, differenzieren und erweitern. Die Phä­ nomene werden dazu so ausgewählt, dass der Übersetzer bei einer großen Zahl von Fällen beobachtet werden kann. Ausgangspunkt ist stets die Untersuchung gewöhnlicher Fälle. Erst auf Basis einer ausreichenden Kenntnis des Üblichen können mutmaßliche Besonderheiten richtig einge­ schätzt werden. Ich beginne mit der Darstellung der Wiedergabeweise der Konjunktio­ nen ‫ כּ ִי‬und ְ ‫ו‬i (Kapitel 2). Die Beobachtung ihrer Übersetzungsweise eignet sich gut, die Stetigkeit bzw. Variabilität des Übersetzers sowie seine Auf­ 30 Was für ‫ א ֵפֹוד‬wegen der Häufigkeit dieses Wortes wahrscheinlich ist, kann für ‫ בּ ָמ ָה‬und ‫אשׁ‬ ֹ ‫ ר‬bewiesen werden: Wenn ‫ בּ ָמ ָה‬in profanen Kontexten vorkommt, gibt es der Überset­ zer mit ὕψος wieder (2Sam 1,19.25; 22,34); ebenso verwendet er für die ihm vertraute und in rund 50 Fällen jeweils kontextgemäß übersetzte Vokabel ‫ראשׁ‬ ֹ nur in den beiden kulti­ schen Fällen eine Transliteration. 31 So Thenius, XVIII, als Quintessenz seiner Analyse der Übersetzungsweise.

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merksamkeit für den Kontext festzustellen. Weil beide Konjunktionen je nach Kontext unterschiedliche Funktionen wahrnehmen, können sie semantisch sinnvoll nicht durchgehend gleich wiedergegeben werden. In Kapitel 3 untersuche ich hebräische Infinitive, die von den Präpositio­ nen ְ ‫ בּ‬und ְ ‫ כּ‬abhängig sind. Diese Konstruktionen sind deshalb besonders interessant, weil sie Nebensätze vertreten können (in der Regel Temporal­ sätze), und – wie Ilmari Soisalon-Soininen beobachtet hat32 – in der Septua­ ginta deutlich verschieden wiedergegeben werden. Es ist zu erwarten, dass die Arbeitsweise des Samuelübersetzers durch die Untersuchung ihrer Wie­ dergabeweise profiliert werden kann. Dann wechsle ich die Perspektive, indem ich von Phänomenen der grie­ chischen Syntax ausgehe (Kapitel 4). Mit participium coniunctum und gene­ tivus absolutus nehme ich zwei Konstruktionen in den Blick, die als Merk­ male einer freien Übersetzungsweise gelten und die mutmaßlich zu überset­ zungstechnisch interessanten Fällen führen.33 Beim genetivus absolutus stellt sich die Frage, wie sich seine relativ häufige Verwendung in den Samuelbüchern in das Bild eines im Großen und Ganzen wörtlichen Über­ setzers fügt. Schließlich untersuche ich den Gebrauch des griechischen Imperfekts und des praesens historicum durch den Übersetzer (Kapitel 5). Dabei frage ich nicht zuerst nach den hebräischen Vorlagen dieser Tempora, sondern nach der Logik ihrer Verwendung im Griechischen.34 Weil die Eingriffe der Rezensionen bei diesen Tempora auffällig, aber wenig erforscht sind, widme ich ihnen besondere Aufmerksamkeit.35 Meine Untersuchung konzentriert sich in ihren vier Hauptteilen auf syn­ taktische Phänomene der Übersetzungsweise. Damit steht sie in der Tradi­ tion der Helsinki-Schule. Ihr Begründer, Ilmari Soisalon-Soininen (1917– 2002), hat in seinem Werk auf beeindruckende Weise gezeigt, wie die

32 S. Soisalon-Soininen, Infinitive, 80 f. 33 Ilmari Soisalon-Soininen begründet eine Überblicksstudie zum genetivus absolutus folgen­ dermaßen: „Wenn man nun einen Ausdruck wählt, der für das Griechische charakteristisch ist, für den es im Hebräischen keinen genau entsprechenden gibt, stößt man auf seltenes Material, das Beispiele für eine freie Wiedergabe liefert. Als eine solche sprachliche Erscheinung habe ich hier den griechischen genetivus absolutus gewählt. Eigentlich müßte im Zusammenhang damit das participium coniunctum betrachtet werden.“ (Soisalon-Soini­ nen, Studien, 176). 34 Wichtige Anregungen zu diesen Untersuchungen haben mir gegeben die Bücher von Tre­ vor Evans (Verbal Syntax in the Greek Pentateuch. Natural Greek Usage and Hebrew Interference, New York 2001) und Anssi Voitila (Présent et imparfait de l’indicatif dans le Pentateuque grec: une étude sur la syntaxe de traduction, Helsinki/Göttingen 2001). 35 Für die lukianische Rezension ist eine fundierte, auf den Non-Kaige- und Kaige-Bereich bezogene Untersuchung auch deshalb wichtig, weil die in jüngster Zeit von Siegfried Kreu­ zer vertretene These zum Charakter des lukianischen Textes (s. oben S. 15; Anm. 15) der Korrektur bedarf. Am Beispiel der Tempora lässt sich gut zeigen, dass nur eine Erhebung der rezensionellen Merkmale der L-Gruppe im Non-Kaige-Bereich eine fundierte Ein­ schätzung der Phänomene des Kaige-Bereichs ermöglicht.

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Einleitung

Arbeitsweise der Übersetzer anhand der Syntax beschrieben und miteinan­ der verglichen werden kann.36 Dennoch behalte ich auch die Lexik immer im Blick und notiere dazu etliche Beobachtungen. Das gilt auch für die Rezensionen, denn sowohl die Kaige- als auch die lukianische Rezension greifen in Syntax und Lexik ein.

36 Über Ilmari Soisalon-Soininen bemerkt Emanuel Tov in einer Bestandsaufnahme zu „Nature and Study of the Translation Technique of the Septuagint“: „By far the greatest contribution to the study of translation technique by a single scholar is found in the work of I. Soisalon-Soininen and his students.“ (Tov, Septuagint, 246).

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2 Die Übersetzung von Konjunktionen 2.1 Die Wiedergabe von satzverbindendem ‫כּ ִי‬i 2.1.1 Einleitung ‫ כּ ִי‬ist mit rund 4500 Belegen im MT und 413 in den hebräischen Samuelbü­

chern1 eines der häufigsten satzstrukturierenden Elemente. Seine vielfälti­ gen syntaktischen Funktionen machen es zu einem interessanten Gegen­ stand übersetzungstechnischer Untersuchungen. In der Forschung wird angenommen, dass der Gebrauch von ‫ כּ ִי‬als Kon­ junktion sprachgeschichtlich auf eine (im biblischen Hebräisch im Vergleich zum konjunktionalen Gebrauch seltene)2 demonstrative Grundbedeutung ‚ja‘ / ‚gewiss‘ zurückgeht.3 Bei den Belegen in den Samuelbüchern ist diese mutmaßliche Grundbedeutung möglicherweise für ‫ כּ ִי‬bei Schwurformulie­ rungen erkennbar.4 Die Untersuchung des Umgangs des Übersetzers mit ‫ כּ ִי‬gliedere ich nach den Satzarten, die ‫ כּ ִי‬einleitet:5 – 242-mal leitet ‫ כּ ִי‬Adverbialsätze ein (Abschnitt 2.1.2), ganz überwiegend Kausal- und in einigen Fällen Temporalsätze. – 99-mal steht ‫ כּ ִי‬bei nominalisierten Satzteilen, die Verben der Wahrneh­ mung (2.1.3.1) oder Fragepronomina (2.1.3.2) objektartig ergänzen.6 – 26-mal hat ‫כּ ִי‬i (auch ‫כּ ִי א ִם‬i) die Funktion einer Adversativ-Konjunktion (2.1.4). – 15-mal wird ‫ כּ ִי‬in Schwurformulierungen gebraucht (2.1.5). – Zehnmal steht ‫ כּ ִי‬in Kombination mit anderen Konjunktionen (2.1.6).

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Hier und im Folgenden nicht berücksichtigt sind diejenigen Passagen des MT, die in der LXX keine Entsprechung haben, insbesondere in 1Sam 17 f. „By far the most common function of kî is that of a subordinating conjunction“ (Schoors, 253). S. auch die entsprechend wenigen Belegstellen bei Gesenius, Handwörterbuch, s.v. ‫ כּ ִי‬I und bei Koehler/Baumgartner s.v. ‫ כּ ִי‬II A. S. zusammenfassend Aejmelaeus, Function, 195 f. S. Schoors, 248–253. Ich halte es für nicht gesichert, dass ‫ כּ ִי‬in Schwurformulierungen den demonstrativen Fällen näher steht als den konjunktionalen (s. unten bei Anm. 91). Deutlich ist, dass es sich um einen gattungsmäßig geprägten Gebrauch handelt; daher bilde ich für die Schwurformulierungen eine eigene Gruppe. Für keinen Fall der demonstrativen Ver­ wendung halte ich die Einleitung von Adversativsätzen durch ‫כּ ִי‬i (gegenSchoors, 251–253; anders Aejmelaeus, Function, 200 f). In Gliederung und Terminologie folge ich weitestgehend Schoors. Bei diesen Fällen ist auch die in Samuel einmal belegte Einleitung wörtlicher Rede durch ‫ כּ ִי‬behandelt (1Sam 29,8).

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Die Übersetzung von Konjunktionen

2.1.2 ‫ כּ ִי‬als Einleitung von Adverbialsätzen Im masoretischen Text der Samuelbücher leitet ‫כּ ִי‬i 236-mal einen Kausalund sechsmal einen Temporalsatz ein.7 2.1.2.1 Kausalsätze Die mit ‫ כּ ִי‬eingeleiteten Kausalsätze folgen8 der Satzaussage des Hauptsat­ zes, um sie zu begründen. ֹ ְ ‫תּה ִי חַטּ ַאת ה ַנּ ְע ָרִים גּ ְדֹול ָה מ‬ ְ ַ‫ו‬ 1Sam 2,17 ‫אד א ֶת־פְּנ ֵי י ְהו ָה וכּ ִי נ ִא ֲצוּ ה ָא ֲנ ָשׁ ִים‬ ‫ א ֵת מ ִנ ְחַת י ְהו ָה‬Καὶ ἦν ἡ ἁμαρτία τῶν παιδαρίων ἐνώπιον Κυρίου μεγάλη σφόδρα, ὅτι ἠθέτουν τὴν θυσίαν Κυρίου. ָ ‫ א ַל־‬μὴ θῇς τὴν καρδίαν σου 1Sam 9,20 ‫תּשׂ ֶם א ֶת־ל ִבּ ְך ָ ל ָה ֶם וכּ ִי נ ִמ ְצָאוּ‬ αὐταῖς ὅτι εὕρηνται.

Neben strenger Kausalität wie in den voranstehenden Beispielen drückt ‫כּ ִי‬ auch Kausalität aus „in a broad sense that includes such nuances as cause, reason, motivation and explanation“.9 2Sam 4,2 ‫תּחָשׁ ֵב ע ַל־בּ ִנ ְי ָמ ִן‬ ֵ ‫תי מ ִבּ ְנ ֵי ב ִנ ְי ָמ ִן וכּ ִי גּ ַם־בּ ְא ֵרֹות‬ ִ ‫ר‬ ֹ ֶ ‫ בּ ְנ ֵי רִמֹּון ה ַבּ ְא‬υἱοὶ Ῥεμμὼν τοῦ Βηρωθαίου ἐκ τῶν υἱῶν Βενιαμίν, ὅτι Βηρὼθ ἐλογίζετο τοῖς υἱοῖς Βενιαμίν. Hier wird eine Hintergrundinformation mit ‫ כּ ִי‬eingeleitet. Der Übersetzer benutzt dennoch ὅτι, obwohl im Griechischen unterschiedliche Konjunk­ tionen für strenge Kausalität (ὅτι und διότι als gebräuchlichste) und für Kausalität in einem engeren und weiteren Sinne verwendet werden (insbe­ sondere γάρ).10 Hinzu kommen weitere Alternativen wie ὡς und ἕνεκα (ἕνεκεν) sowie Adverbien wie οὖν und δή,11 die sich für eine differenzie­ rende Wiedergabe des kausalen ‫ כּ ִי‬eignen. Der Samuelübersetzer nutzt die vielfältigen Möglichkeiten der griechi­ schen Sprache jedoch nicht. Er verwendet nahezu ausschließlich ὅτι (in 229 7 8

Die Zahlen beruhen auf meiner Einzelanalyse aller Belege für ‫כּ ִי‬i. Aejmelaeus, Function, 196–199, unterscheidet in ihrer Untersuchung der syntaktischen Funktionen von ‫ כּ ִי‬zwischen denjenigen Konstellationen, bei denen der ‫כּ ִי‬-Satz dem Hauptsatz vorausgeht, und denjenigen, bei denen der ‫כּ ִי‬-Satz folgt. Bei Kausalsätzen steht der ‫כּ ִי‬-Nebensatz mit ganz wenigen, von Aejmelaeus benannten Ausnahmen (S. 197 f mit Anm. 14) hinter der zu begründenden Aussage (so stets in den Samuelbüchern). 9 Aejmelaeus, Function, 202. 10 Die verschiedenen Bedeutungsnuancen von γάρ (von adverbiell im Sinne von ‚nämlich‘ bis hin zu ‚weil‘) fächern Kühner/Gerth II, § 545, auf. 11 Zu kausalem ὡς s. Kühner/Gerth II, § 569 a; zu ἕνεκα ebd., § 569 b; zu οὖν und δή sowie weiteren Adverbien ebd., §§ 500–507.

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Die Wiedergabe von satzverbindendem ‫כּ ִי‬

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von 236 Fällen = 97 %, einschließlich dreier Fälle von διότι).12 In Fällen von Kausalität im engeren Sinne ist dies sprachlich unauffällig. Bei einer Kausalität im weiteren Sinne dagegen entspricht ὅτι nicht der griechischen Idiomatik.13 1Sam 10,24 ‫מהוּ בּ ְכ ָל־ה ָע ָם‬ ֹ ָ ‫תם א ֲשׁ ֶר בּ ָחַר־בֹּו י ְהו ָה וכּ ִי א ֵין כּ‬ ֶ ‫ ה ַרְּא ִי‬Εἰ ἑορά­ κατε ὃν ἐκλέλεκται ἑαυτῷ Κύριος; ὅτι οὐκ ἔστιν αὐτῷ ὅμοιος ἐν πᾶσιν ὑμῖν. Auch in diesem Beispiel geht es um keinen streng logischen Begründungs­ zusammenhang. γάρ wäre die deutlich bessere Alternative gewesen. Solcher Gebrauch von ὅτι in zahlreichen Fällen und das damit einherge­ hende fast völlige Fehlen der für griechische Texte so typischen Konjunk­ tion γάρ14 führen zu einem insgesamt unidiomatischen Eindruck der kausa­ len Satzverbindung. Die ganz seltenen Variationen, bei denen der Überset­ zer kausales ‫ כּ ִי‬nicht mit ὅτι wiedergibt und so eine bessere Idiomatik erreicht, fallen demgegenüber kaum ins Gewicht: Dreimal verwendet er καί (1Sam 27,8; 2Sam 1,9; 19,7); dreimal γάρ (1Sam 28,20; 2Sam 23,5 bis) und einmal ὡς (1Sam 13,13). Einmal verzichtet der Übersetzer auf eine Wieder­ gabe von i‫כּ ִי‬i(1Sam 19,4). Für diese seltenen Variationen lohnt es sich zu fra­ gen, warum der Übersetzer seinen Standard verlässt. Bei den Wiedergaben vom kausalem ‫ כּ ִי‬durch καί vermeidet der Überset­ zer zweimal eine unlogische Aussage, wie sie durch ὅτι entstanden wäre (1Sam 1,9; 2Sam 19,7).15 Nicht ganz klar ist, warum er in 1Sam 27,8 diese Wiedergabe wählt.

12 Ein Bedeutungs- oder Intensitätsunterschied zwischen ὅτι und διότι ist nicht nachweisbar (s. Kühner/Gerth II, § 569, 2; Blass/Debrunner/Rehkopf, § 456, Anm. 1 und 3). Stellen­ nachweis für διότι als Entsprechung für ‫כּ ִי‬i: 1Sam 17,36 (Hier nehme ich an, dass διότι ‫כּ ִי‬ entspricht und τίς ὁ ἀπερίτμητος οὗτος ὅς einem ausgefallenen Textstück ‫מי הערל הזה‬ ‫אשׁר‬i; die Rekonstruktion ist aus dem Tov-Polak-Modul von BibleWorks übernommen. In keinem Fall ist die Annahme von ὅς als Äquivalent für ‫ כּ ִי‬belastbar.); 2Sam 13,12; 19,43. 13 Das Problem der fast mechanischen Verwendung von ὅτι durch den Übersetzer ist, „that in Greek ὅτι normally acquires a strong causal sense of ‘because’, and thus actually fits only in a small minority of cases, whereas in most cases of the Hebrew causal ‫כּ ִי‬i, the cor­ rect choice would have been the explanatory γάρ.“ (Aejmelaeus, On the Trail, 131). 14 Nur sechsmal in den Samuelbüchern: 1Sam 20,30; 28,20; 2Sam 17,9; 18,23 und 23,5 bis (als Äquivalent für ‫כּ ִי‬i1Sam 28,20; 2Sam 23,5 bis). 15 Hier trifft die These van der Louws zu: „Behind each transformation stands a literal rende­ ring that has been rejected.“ (Louw, Transformations, 49; Hervorhebung des Originals aufgehoben). In ihrer Generalisierung hat diese Aussage allerdings zu wenig im Blick, dass Übersetzer aufgrund ihres Sprachgefühls auch direkt (intuitiv) zu nicht wörtlichen Wie­ dergaben kommen (in den Samuelbüchern besonders eindrücklich im Bereich der Verbal­ syntax; s. dazu unten Kapitel 5).

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Die Übersetzung von Konjunktionen

2Sam 1,9 ‫תתֵנ ִי וכּ ִי א ֲחָז ַנ ִי ה ַשּׁ ָב ָץ וכּ ִי־כ ָל־עֹוד־נ ַפְשׁ ִי‬ ְ ‫מ‬ ֹ ‫ו ַֹיּאמ ֶר א ֵל ַי ע ֲמ ָד־נ ָא ע ָל ַי וּ‬ ‫ בּ ִי‬καὶ εἶπεν πρός με στῆθι δὴ ἐπάνω μου καὶ θανάτωσόν με ὅτι κατέσχεν με σκότος δεινόν καὶ ἔτι16 ἡ ψυχή μου ἐν ἐμοί.

Der Übersetzer gibt 2‫ כּ ִי‬mit καί statt mit ὅτι wieder und bewahrt so die Logik des Erzählten. ָ ְ ‫אה ֲב ֶיך ָ וכּ ִי ה ִגּ ַד‬ ֹ ‫שׂנ ְא ֶיך ָ ו ְל ִשׂ ְֹנא א ֶת־‬ ֹ ‫ל ְא ַה ֲב ָה א ֶת־‬ 2Sam 19,7 ָ ‫תּ ה ַיֹּום כּ ִי א ֵין ל ְך‬ ‫ שׂ ָרִים ו ַע ֲב ָד ִים‬τοῦ ἀγαπᾶν τοὺς μισοῦντάς σε καὶ μισεῖν τοὺς ἀγαπῶν­ τάς σε, καὶ ἀνήγγειλας σήμερον ὅτι οὔκ εἰσιν οἱ ἄρχοντές σου οὐδὲ παῖδες. ָ ְ ‫ כּ ִי ה ִגּ ַד‬hat sich Der Sinn der Formulierung ‫תּ ה ַיֹּום כּ ִי א ֵין ל ְך ָ שׂ ָרִים ו ַע ֲב ָד ִים‬ dem Übersetzer nicht erschlossen. Nach seinem Text existieren die von David vernachlässigten ‫ שׂ ָרִים‬und ‫ ע ֲב ָד ִים‬gar nicht (οὔκ εἰσιν). In diesem Missverständnis taugt die Aussage schlecht zur Begründung des Vorher­ gehenden. Der Übersetzer mildert das Problem ab, indem er καί statt ὅτι verwendet. In 1Sam 27,8 las der Übersetzer ‫ הנה‬als ‫ה ִנּ ֵה‬i (ἰδού) statt als ‫ה ֵנּ ָה‬i (Perso­ nalpronomen 3. Pers. Pl. fem.): ִ ֵ ‫ו ַיּ ַע ַל דּ ָו ִד ו ַא ֲנ ָשׁ ָיו ו ַיּ ִפְשׁ ְטוּ א ֶל־ה ַגּ ְשׁוּרִי ו ְה ַגּ ִרְז ִי ו ְה ָע ֲמ ָל‬ 1Sam 27,8 ‫קי וכּ ִי ה ֵנּ ָה‬ ‫ ֹישׁ ְבֹות ה ָא ָרֶץ…ו‬καὶ ἀνέβαινεν Δαυὶδ καὶ οἱ ἄνδρες αὐτοῦ καὶ ἐπε­ τίθεντο ἐπὶ πάντα τὸν Γεσιρὶ καὶ ἐπὶ τὸν Ἀμαληκίτην · καὶ ἰδοὺ ἡ γῆ κατῳκεῖτο…‫ו‬

Will der Übersetzer das Aufeinandertreffen von ἰδού und ὅτι vermeiden und verwendet deshalb καί?17 Wahrscheinlicher ist, dass die Vorlage ‫והנה‬ enthielt oder der Übersetzer intuitiv so las.18 In drei Fällen gibt der Übersetzer kausales ‫ כּ ִי‬durch γάρ wieder (1Sam 28,20; 2Sam 23,5 bis).

16 Statt καὶ ἔτι lesen ὅτι πᾶσα A B O 121 (Rahlfs) – eine Annäherung an den protomasoreti­ schen Texttyp (‫ כּ ִי־כ ָל־עֹוד‬MT). Vgl. auch Hiob 27,3 (‫תי ב ִי‬ ִ ָ ‫כּ ִי־כ ָל־עֹוד נ ִשׁ ְמ‬i); auf diese Stelle weist Wellhausen (zu 2Sam 1,9) hin. Ich nehme an, dass die Vorlage des Übersetzers ‫כּל‬ ֹ nicht enthalten hat. 17 Gegen diese Annahme spricht, dass die Verbindung bei als wörtlich geltenden Übersetzern häufiger (14-mal) als Wiedergabe von ‫ כּ ִי ה ִנּ ֵה‬belegt ist: Ri 13,5; Ps 11,2 (10,2 LXX); 48,5 (47,5 LXX); 59,4 (58,4 LXX); 73,27 (72,27 LXX); 83,3 (82,3 LXX); 92,10 (91,10 LXX); Hhld 2,11; Jes 65,18; Jer 30,3; 45,5; 50,9; Ez 30,9; 36,9. Anders übersetzt ist die Konstruk­ tion 26-mal: Jes 3,1; 26,21; 60,2; 65,17; 66,15; Jer 1,15; 8,17; 25,29; 34,7; 46,27; 49,15; Hos 9,6; Joel 4,1; Am 4,2.13; 6,11.14; 9,9; Mi 1,3; Hab 1,6; Sach 2,13.14; 3,8.9; 11,16; Mal 3,19. 18 Diese Erklärung liegt näher, weil nur einem Beleg von ‫כּ ִי ה ִנּ ֵה‬i (1Sam 27,8) 48 Belege für ‫ ו ְה ִנּ ֵה‬in den Samuelbüchern gegenüberstehen (1Sam 4,13; 5,3.4; 9,7.14 usw.).

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Die Wiedergabe von satzverbindendem ‫כּ ִי‬

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2Sam 23,4 f ‫תי ע ִם־א ֵל וכּ ִי ב ְרִית‬ ִ ‫־כ ֵן בּ ֵי‬19‫לא‬ ֹ ‫מ ִֹנּג ַהּ מ ִמּ ָטָר דֶּשׁ ֶא מ ֵא ָרֶץ וכּ ִי־‬ ‫ עֹול ָם שׂ ָם ל ִי‬καὶ ὡς ἐξ ὑετοῦ χλόης ἀπὸ γῆς, οὐ γὰρ 20 οὕτως ὁ οἶκός μου μετὰ Ἰσχυροῦ · διαθήκην γὰρ αἰώνιον ἔθετό μοι. Der Übersetzer versteht die Metapher vom sprießenden Gras (V. 4) nicht als verheißungsvolle Aussage, sondern als Negativfolie zum Königtum ֹ ‫כּ ִי־‬i) Davids.21 Dadurch wird die logische Anknüpfung von V. 5 (‫לא־כ ֵן‬ schwierig. Der Übersetzer mildert das Problem durch die Verwendung von γάρ ab. 1Sam 28,20 ‫לא א ָכ ַל ל ֶחֶם כּ ָל־ה ַיֹּום ו ְכ ָל־ה ַלּ ָי ְל ָה‬ ֹ ‫לא־ה ָי ָה בֹו וכּ ִי‬ ֹ ַ ‫כּח‬ ֹ ‫ גּ ַם־‬καὶ ἰσχὺς ἐν αὐτῷ οὐκ ἦν ἔτι · οὐ γὰρ ἔφαγεν ἄρτον ὅλην τὴν ἡμέραν καὶ ὅλην τὴν νύκτα ἐκείνην.22

Es könnte sein, dass der Übersetzer ein unmittelbares Aufeinandertreffen von ἔτι und ὅτι vermeiden will und deshalb γάρ verwendet. In 1Sam 13,13 benutzt der Übersetzer ὡς zur Wiedergabe von ‫כּ ִי‬i: ָ ְ‫לא שׁ ָמ ַר‬ ֹ ‫תּ‬ ָ ְ ‫ו ַֹיּאמ ֶר שׁ ְמוּא ֵל א ֶל־שׁ ָאוּל נ ִס ְכּ ָל‬ 1Sam 13,13 ‫תּ א ֶת־מ ִצְו ַת י ְהו ָה‬ ‫תּך ָ א ֶל־י ִשׂ ְרָא ֵל ע ַד־עֹול ָם‬ ְ ְ ‫תּה ה ֵכ ִין י ְהו ָה א ֶת־מ ַמ ְל ַכ‬ ָ ַ ‫לה ֶיך ָ א ֲשׁ ֶר צִוּ ָך ְ וכּ ִי ע‬ ֹ ֱ‫א‬ καὶ εἶπεν Σαμουὴλ πρὸς Σαούλ Μεματαίωταί σοι, ὅτι οὐκ ἐφύλαξας τὴν ἐντολήν μου ἣν ἐνετείλατό σοι Κύριος · ὡς νῦν ἡτοίμασεν Κύριος τὴν βασιλείαν σου ἕως αἰῶνος ἐπὶ Ἰσραήλ.

Übersetzung des hebräischen Textes: „Und Samuel sprach zu Saul: Töricht hast du gehandelt, dass du nicht gehört hast auf den Befehl JHWHs, deines Gottes, den er dir befohlen hat. Denn jetzt hätte23 JHWH dein Königtum befestigt über Israel bis in Ewigkeit.“ Der Übersetzer geht mit der Herausforderung dieses Satzes gut um, indem er ὡς + Aorist zum Ausdruck einer nicht erfüllten oder erfüllbaren Absicht24 verwendet. Diese Übersetzung ist ein Beispiel dafür, wie er bei

19 Die bessere Vokalisierung wäre ‫( *ל ָא‬so Stoebe, Das zweite Buch Samuelis, z. St.) oder ‫לא‬ ֻ * (s. Gesenius, Handwörterbuch, s.v. ‫לוּ‬i); diese Partikel hat die Bedeutung ‚fürwahr‘. Der Übersetzer las die Negation ‫לא‬ ֹ i. 20 Die L-Gruppe liest hier ὅτι, wie auch bei γάρ2. 21 Dass er dabei Psalm 89,5 LXX (90,5 MT) im Ohr hatte (ὡσεὶ χλόη παρέλθοι), wäre mög­ lich, ist aber nicht zu beweisen. 22 Einige hebräische Handschriften lesen ‫כל־היום ההוא‬i. ἐκείνην hatte eine hebräische Vor­ lage. 23 S. Gesenius/Kautzsch, § 106, Randbuchst. p: Der Satz drückt eine Handlung aus, „deren Vollziehung in der Vergangenheit nicht als wirklich, sondern nur als möglich vorgestellt werden soll […‫ו‬i], z. B. […‫ו‬i] 1 S [1. Samueli] 13,13 (‫ה ֵכ ִין‬i)“. 24 „ὡς is also used with past tenses of the indic. to express a purpose which has not been or

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Die Übersetzung von Konjunktionen

aller „easy technique“25 dennoch den Kontext im Blick behält und falsche Übersetzungen vermeidet, die sich durch eine mechanische Verwendung von ὅτι ergäben. Nicht übersetzt ist 2‫ כּ ִי‬in 1Sam 19,4: ֹ ְ ‫ כּ ִי לֹוא חָטָא ל ָך ְ ו ְוכ ִי מ ַע ֲשׂ ָיו טֹוב־ל ְך ָ מ‬ὅτι οὐχ ἡμάρτηκεν εἰς 1Sam 19,4 ‫אד‬ σέ καὶ τὰ ποιήματα αὐτοῦ ἀγαθὰ σφόδρα.

Die Sätze sind logisch gleichgeordnet. Durch einfaches καί vermeidet der Übersetzer den falschen Eindruck einer eigenständigen zweiten Begrün­ dung. Ebenfalls kein Gegenüber im Griechischen scheint ‫ כּ ִי‬in 1Sam 24,12 zu haben: ִ ְ‫ו ְא ָב ִי רְא ֵה גּ ַם רְא ֵה א ֶת־כּ ְנ ַף מ ְע ִיל ְך ָ בּ ְי ָד ִי וכּ ִי בּ ְכ ָר‬ 1Sam 24,12 ‫תי א ֶת־כּ ְנ ַף‬ ‫תּיך ָ דּ ַע וּרְא ֵה כּ ִי א ֵין בּ ְי ָד ִי רָע ָה ו ָפֶשׁ ַע‬ ִ ְ ‫ מ ְע ִיל ְך ָ ו ְלֹא ה ֲרַג‬καὶ ἰδοὺ τὸ πτερύ­ γιον τῆς διπλοΐδος σου ἐν τῇ χειρί μου · ἐγὼ ἀφῄρηκα τὸ πτερύγιον καὶ οὐκ ἀπέκταγκά σε · καὶ γνῶθι καὶ ἰδὲ σήμερον ὅτι οὐκ ἔστιν κακία ἐν τῇ χειρί μου οὐδὲ ἀσέβεια.

ִ ְ‫כּ ִי בּ ְכ ָר‬i, sondern ‫אני‬ Die Übersetzung zeigt, dass der Übersetzer nicht ‫תי‬ ‫ בכרתי‬las.26 Es sind ganz wenige Ausnahmen, bei denen der Übersetzer kausales ‫כּ ִי‬ nicht mit ὅτι übersetzt. Insgesamt pflegt er sehr konsequent eine „easy tech­ nique“ (ὅτι in 97 % der Fälle). Die Ausnahmen zeigen, dass er dennoch den Sinn im Blick behält und nicht mechanisch verfährt. Er weicht von seinem Standard ab, wo es nötig ist, um inhaltlich falsche Übersetzungen zu ver­ meiden.

cannot be fulfilled“ (Liddell/Scott/Jones s.v. ὡς B II 2; zu 1Sam 13,13 s. Aejmelaeus, On the Trail, 131: „to be understood as an unreal wish“). 25 James Barr hat diesen Terminus geprägt (Barr, Typology, 26). Er charakterisiert damit das wörtliche Vorgehen vieler Übersetzer als pragmatisches Vorgehen, mit dem nicht der Anspruch einer „originalgetreuen“ Übersetzungsweise verbunden war wie später etwa bei Aquila: „Some of the practices which led in a literal direction may well have been generated by the practical problems of translating. It may seem convenient to analyse on a word-forword basis. It saves trouble if the same equivalence is used again and again. […‫[ ]ו‬These translators] were not literalists in any ideological sense.“ (ebd., 50). 26 Ebenfalls textkritisch zu erklären sind m.E. die folgenden Stellen. 1Sam 2,2: ὅτι οὐκ ἔστιν hatte ‫ כי אין‬zur Vorlage (4QSama); der MT liest ohne ‫כּ ִי‬i (s. Aejmelaeus, Kingdom, 360, Anm. 27). 1Sam 2,21: 4QSama liest wie die Vorlage ‫ויפקד‬i (MT ‫קד‬ ַ ָ‫כּ ִי־פ‬i). 1Sam 4,7: καὶ εἶπον deutet auf ‫ ויאמר‬statt ‫כּ ִי א ָמ ְרוּ‬i(MT) als Vorlage der LXX hin. 1Sam 26,12: Die Vor­ lage las wohl ohne ‫כּ ִי‬i (vermutlich so auch 4QSama; s. DJD XVII, z. St.). 2Sam 16,10: Die Vorlage las wahrscheinlich wie das Qere: ‫כה‬i[‫ = ]ו‬καὶ οὕτως (Ketib ‫כּ ִי‬i). 2Sam 17,11: οὕτως ִ ְ‫כּ ִי י ָע ַצ‬i); in A B O 700 (Rahlfs) συμβουλεύων deutet auf ‫ כה־יעצתי‬als Vorlage hin (MT ‫תּי‬ ist ὅτι als Repräsentation von ‫כּ ִי‬i(MT) ergänzt.

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Die Wiedergabe von satzverbindendem ‫כּ ִי‬

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Rezensionelle Eingriffe der Kaige-Rezension sind für die Wiedergabe von kausalem ‫ כּ ִי‬nicht erkennbar und auch nicht zu erwarten, weil die Ver­ wendung von ὅτι als regelmäßigem Äquivalent für ‫ כּ ִי‬den Prinzipien der Rezensenten entsprochen hat. In der L-Gruppe gibt es die gelegentliche Änderung von ὅτι zu διότι; offenbar bevorzugen die lukianischen Rezen­ senten διότι nach einem Vokal (1Sam 8,7; 9,16; 15,11; 20,26.31; 21,9; 30,12.13; 31,4; 2Sam 5,6).27 In den anderen Fällen einer Änderung zu διότι liegt eine erkennbare Zäsur vor (Beginn wörtlicher Rede bzw. eines neuen Gedankens: 1Sam 13,11; 22,17; 30,6.22; 2Sam 9,13).28 2.1.2.2 Temporalsätze Sechsmal leitet ‫ כּ ִי‬in den hebräischen Samuelbüchern einen Temporalsatz ein.29 Dabei steht dreimal die Erzähleinleitung ‫ו ַי ְה ִי כּ ִי‬i (1Sam 1,12;30 2Sam 7,1; 19,26)31 und dreimal das futurische ‫ו ְה ָי ָה כּ ִי‬i (1Sam 10,7; 25,30; 2Sam 7,11 f).

Exkurs: καὶ ἐγένετο/ἐγενήθη für ‫ ו ַי ְה ִי‬und die Rezensionen ְ ַ ‫ו‬i) verwendet der Als Äquivalent für die Erzähleinleitung ‫ו ַי ְה ִי‬i (und ‫תּה ִי‬ Samuelübersetzer (Non-Kaige-Bereich) 24-mal καὶ ἐγένετο (44 %)32 und 31-mal καὶ ἐγενήθη (56 %).33 Die Einführung neuer Erzählab­ schnitte mit καὶ ἐγένετο ist ein über die gesamte LXX verbreiteter Heb­ 27 In diesen Fällen liest nur die L-Gruppe (sporadisch auch 554) διότι. Zur tendenziellen Bevorzugung von διότι nach Vokalen in den ptolemäischen Papyri s. Mayser I, § 32, 2 a: „διότι statt ὅτι, bei Herodot sehr häufig, in der attischen Prosa seltener […‫]ו‬, begegnet in ptolem. Papyri bisweilen nach Vokalen. […‫ ]ו‬Doch findet sich διότι auch nach Konsonan­ ten.“ (Hervorhebung im Original). 28 Dass die nichtlukianischen Handschriften διότι, die lukianischen dagegen ὅτι lesen, kommt nur bei Umformulierungen durch die lukianischen Rezensenten vor (1Sam 21,6; 30,24; 2Sam 2,27). 29 Nicht aufgenommen ist 1Sam 17,48; für diese Stelle setze ich voraus, dass ‫קם‬ ָ ‫ ו ְה ָי ָה כּ ִי־‬bei der Erweiterung der David-Goliath-Geschichten an die Stelle von ‫ויקם‬i (καὶ ἀνέστη) gesetzt wurde. 30 Für 1Sam 1,12 gehe ich von ‫ ויהי כי‬als Vorlage aus (MT ‫ו ְה ָי ָה כּ ִי‬i); s. die Übersetzung der LXX, καὶ ἐγενήθη (sie ist praktisch ausnahmslos Wiedergabe dieser Formel). Eine ähnli­ che Konstellation findet sich in 2Sam 6,16: Dort hat der MT ebenfalls ‫ו ְה ָי ָה‬i; die Lesart der LXX, καὶ ἐγένετο, lässt auf ‫ ויהי‬schließen, was durch 4QSama bestätigt wird. 31 In 2Sam 6,13 liest der MT ebenfalls ‫ו ַי ְה ִי כּ ִי‬i; die Übersetzung καὶ ἦσαν μετ᾽ αὐτῶν spiegelt allerdings eine Vorlage ‫ויהיו עמם‬i, so dass diese Stelle für die Analyse der Wiedergabe von ‫ כּ ִי‬ausscheidet. 32 1Sam 3,2; 4,10.18; 8,1; 9,26; 13,10; 19,9; 23,6; 24,17; 25,37.38; 2Sam 1,1.2; 2,1.17.23; 3,1.6; 4,4; 7,1.4; 8,1.6; 10,1. 33 1Sam 1,4; 1,12 (dazu oben Anm. 30); 1,20; 4,1.5; 5,9.10; 7,2.13; 10,9 (s. App. der BHS); 10,27; 11,11.14.15.19; 15,10; 16,6.21; 19,20.23; 20,27.35; 24,2.6; 25,2; 27,7; 28,1; 30,1; 31,8; 2Sam 1,2; 6,16 (vgl. 4QSama).

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Die Übersetzung von Konjunktionen

raismus.34 Das Passiv καὶ ἐγενήθη findet sich häufiger auch in Josua, Richter, Könige, im Psalter und in Jeremia. Die lukianische Rezension ändert in den Samuelbüchern καὶ ἐγενήθη praktisch durchgehend ins Medium καὶ ἐγένετο (Ausnahmen: 1Sam 30,1; 31,8; 2Sam 15,3).35 Die Kaige-Rezension verändert ebenfalls Passiva in Media: Während im Non-Kaige-Bereich καὶ ἐγενήθη als Wiedergabe von ‫ ו ַי ְה ִי‬überwiegt, hat der B-Text im Kaige-Bereich bei 20 Fällen 16mal Medium (80 %)36 und viermal Passiv (20 %).37 Eine Reduktion des Anteils von καὶ ἐγενήθη lässt sich auch für die Kaige-Bereiche der Köni­ gebücher beobachten.38 Durch diese gleichzeitigen Eingriffe der Kaige-Rezensenten und der L-Gruppe zugunsten des Mediums ist es mit den klassischen Methoden der Textkritik nicht möglich, für die Kaige-Abschnitte der Samuelbücher die ursprünglichen Passiva des Übersetzers wiederherzustellen.39 In den drei Fällen von ‫ ו ַי ְה ִי כּ ִי‬verwendet der Übersetzer καὶ ἐγένετο ὅτε / καὶ ἐγενήθη ὅτε und gibt damit den Sinn zutreffend, allerdings in hebraisti­ schem Idiom40 wieder: Es wird von einem zeitlich zu definierenden (ὅτε) Geschehen der Vergangenheit (‫ ו ַי ְה ִי‬/ καὶ ἐγένετο) erzählt. Die durch ὅτε eingeleitete Zeitangabe steht dabei gleichzeitig zur (in der Vergangenheit spielenden) Handlung des Hauptsatzes.41 2Sam 7,1 ‫אי ְב ָיו‬ ֹ ‫ו ַי ְה ִי כּ ִי־י ָשׁ ַב ה ַמּ ֶל ֶך ְ בּ ְב ֵיתֹו ו ַיהו ָה ה ֵנ ִיחַ־לֹו מ ִסּ ָב ִיב מ ִכּ ָל־‬ #καὶ ἐγένετο ὅτε ἐκάθισεν ὁ βασιλεὺς ἐν τῷ οἴκῳ αὐτοῦ, καὶ Κύριος κατεκληρονόμησεν αὐτὸν κύκλῳ ἀπὸ πάντων τῶν ἐχθρῶν αὐτοῦ.

34 „Originale griechische Belege für das einführende ἐγένετο gibt es nicht. Es verträgt sich […‫ ]ו‬nicht mit griechischem Satzbau.“ (Beyer, 30). Ausführlich dargestellt wurde „das bib­ lische καὶ ἐγένετο und seine Geschichte“ von Johannessohn, 161–194. Eine Schwäche sei­ ner Darstellung ist allerdings, dass er unreflektiert von einer chronologischen Übersetzung der LXX beginnend mit Genesis ausgeht (ebd., 163). Für das Neue Testament weist er darauf hin, dass der Hebraismus in einigen Fällen dadurch abgemildert wird, dass ἐγένετο δέ steht (ebd., 207 f). 35 S. Brock, Recensions, 233: „All occurrences of aor. pass. in Kms and Chr have been che­ cked: the ‚Lucianic‘ mss consistently remove it.“; mit wenigen Ausnahmen, die Brock ebd. nennt. 36 2Sam 11,1.2.14; 12,18; 13,23.30.36; 15,1.2.7.12; 17,27; 19,26; 21,1; 22,19; 23,19. 37 2Sam 11,16; 13,1; 16,16; 21,18. 38 Allerdings ist im Non-Kaige-Bereich von Könige der Anteil von καὶ ἐγενήθη mit 26 % (12-mal) gegenüber καὶ ἐγένετο mit 74 % (35-mal) deutlich niedriger als in den Samuelbü­ chern. Im Kaige-Bereich sinkt er auf 15 % (achtmal) gegenüber 85 % (47-mal) καὶ ἐγέ­ νετο. 39 Weitere Überlegungen unten im Exkurs: Konjekturen als Option der Textkritik (S. 212). 40 S. oben Anm. 34. 41 Kühner/Gerth II, § 566.

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Die Wiedergabe von satzverbindendem ‫כּ ִי‬

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Auch bei der Wiedergabe des futurischen ‫ ו ְה ָי ָה‬teilt der Übersetzer die heb­ raistische42 Wiedergabekonvention der LXX: καὶ ἔσται.43 Folgt eine zeitli­ che Näherbestimmung des Geschehens durch ‫כּ ִי‬i, verwendet der Übersetzer die Konjunktion ὅταν (=ὅτε ἄν), welche die Handlung als „bestimmte ein­ zelne in der Zukunft liegende“ kennzeichnet44 (1Sam 10,7; 25,30).45 1Sam 10,7 ָ ‫תּמ ְצָא י ָד ֶך‬ ִ ‫אתֹות ה ָא ֵלּ ֶה ל ָך ְ ע ֲשׂ ֵה ל ְך ָ א ֲשׁ ֶר‬ ֹ ָ ‫בא ֶינ ָה ה‬ ֹ ‫ת‬ ְ ‫ו ְה ָי ָה כּ ִי‬ #καὶ ἔσται ὅταν ἥξει τὰ σημεῖα ταῦτα ἐπὶ σέ, ποίει πάντα ὅσα ἐὰν εὕρῃ ἡ χείρ σου. Textkritisch zu erörtern ist 2Sam 7,11 f: ָ ְ ‫ו ְה ִגּ ִיד ל ְך ָ י ְהו ָה כּ ִי־ב ַי ִת י ַע ֲשׂ ֶה־לּ ְך ָ י ְהו ָה וכּ ִי י ִמ ְל ְאוּ י ָמ ֶיך ָ ו ְשׁ ָכ ַב‬ 2Sam 7,11 f ‫תּ‬

ָ ‫תי א ֶת־ז ַרְע ֲך‬ ִ ‫מ‬ ֹ ‫קי‬ ִ ֲ ‫תיך ָ וה‬ ֶ ‫ב‬ ֹ ֲ ‫ א ֶת־א‬καὶ ἀπαγγελεῖ σοι Κύριος ὅτι οἶκον οἰκοδομήσεις αὐτῷ. V. 12καὶ ἔσται ἐὰν πληρωθῶσιν αἱ ἡμέραι σου καὶ κοιμηθήσῃ μετὰ τῶν πατέρων σου καὶ ἀναστήσω τὸ σπέρμα σου.

Die Lesart der LXX deutet darauf hin, dass die Vorlage am Übergang von V. 11 zu V. 12 statt des (in der Version des MT überflüssigen) Tetragramms ‫ והיה‬hatte. καὶ ἔσται ἐάν ist hebraistisch als Einleitung eines futurischen Temporalsatzes verwendet.46 Zusammenfassend ist festzuhalten: Der Übersetzer hatte keine Schwie­ rigkeiten, die Fälle des temporalen Gebrauchs von ‫ כּ ִי‬zu erkennen. Es folgt jeweils auf ‫ ו ַי ְה ִי‬bzw. ‫ ו ְה ָי ָה‬an Stellen der Erzählungsgliederung, so dass der temporale Charakter unmittelbar deutlich war. 2.1.3 Nominalisierendes ‫כּ ִי‬i Mit Antoon Schoors kann man ‫ כּ ִי‬als „nominalizing particle“ bezeichnen, wenn ihm in deutscher Übersetzung ‚dass‘ entspricht. Es hat dann die Funktion, „noun clauses like Greek ὅτι“ einzuführen.47 In den Samuelbü­ chern lässt sich der nominalisierende Gebrauch von ‫ כּ ִי‬weiter aufgliedern in 42 καὶ ἔσται bedeutet eigentlich „es wird möglich sein“ (s. Beyer, 64, Anm. 1). 43 1Sam 2,36; 3,9; 4,9; 8,20; 10,7; 12,15; 16,16; 17,9.36; 23,23; 25,29 f; 25,30; 27,12; 2Sam 6,22; 10,11; 11,20; 14,2.26; 15,5.33.35; 17,9. 44 Kühner/Gerth II, § 567, 2 (Hervorhebung des Originals aufgehoben). 45 In 1Sam 25,30 haben B a b 64–381 244 460 für ‫ ו ְה ָי ָה כּ ִי־י ַע ֲשׂ ֶה י ְהו ָה‬καὶ ἔσται ὅτι ποιήσει Κύριος (Rahlfs). Ich halte diese Lesart für sekundär gegenüber καὶ ἔσται ὅταν ποιήσει Κύριος. Der Kontext zeigt, dass dem Übersetzer der Charakter einer futurischen Gesche­ hensskizze bewusst war. Auch der in vielen Handschriften auf ὅταν folgende Indikativ Futur ποιήσει (statt klassisch ποιήσῃ) zwingt nicht zur Annahme von ὅτι als Old Greek, steht ὅταν doch in der LXX öfter mit Indikativ (s. Blass/Debrunner/Rehkopf, § 383, Anm. 6, und Muraoka s.v. ὅταν). 46 S. Muraoka s.v. ἐάν III a. 47 Schoors, 253. S. auch Sipilä, 180 f: „Many ‫ כי‬clauses may be understood as object clauses. The particle introducing such clauses is said to be a nominalizing particle and accordingly Hebrew ‫ כי‬may be called in these cases ‘nominalizing ‫’כי‬.“

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Die Übersetzung von Konjunktionen

– ‫כּ ִי‬-Sätze zur Ergänzung von verba sentiendi, dicendi und affectuum (2.1.3.1) und48 – ‫כּ ִי‬-Sätze nach Fragepronomina (2.1.3.2). 2.1.3.1 ‫ כּ ִי‬nach verba sentiendi, dicendi und affectuum 92-mal werden Verben des Wahrnehmens, Mitteilens und Fühlens in den Samuelbüchern mit nominalisierendem ‫ כּ ִי‬konstruiert.49 Am häufigsten ergänzt wird das Verb ‫ ידע‬Qal (39-mal in den Samuelbüchern),50 gefolgt von ‫ ראה‬Qal (26-mal),51 ‫ שׁמע‬Qal (11-mal),52 ‫ נגד‬Hifil und Hofal (neun­ mal),53 ‫ נחם‬Nifal (dreimal)54 sowie je einmal ‫ אבל‬Hitpael (1Sam 6,19), ‫בין‬ Qal (1Sam 3,8), ‫ בשׁר‬Piel (2Sam 18,19) und ‫ גלה‬Qal (1Sam 22,8). 1Sam 3,20 ‫ו ַיּ ֵד ַע כּ ָל־י ִשׂ ְרָא ֵל מ ִדּ ָן ו ְע ַד־בּ ְא ֵר שׁ ָב ַע וכּ ִי נ ֶא ֱמ ָן שׁ ְמוּא ֵל ל ְנ ָב ִיא‬ ‫ ל ַיהו ָה‬καὶ ἔγνωσαν πᾶς Ἰσραὴλ ἀπὸ Δὰν καὶ ἕως Βηρσάβεε ὅτι πι­ στὸς Σαμουὴλ εἰς προφήτην τῷ Κυρίῳ. Die Übersetzung von ‫ כּ ִי‬durch ὅτι ist naheliegend, nimmt ὅτι doch in der griechischen Syntax bei Verben wie γινώσκω die gleiche syntaktische Funk­ tion wie ‫ כּ ִי‬wahr.55 Es kann kaum verwundern, dass der Samuelübersetzer diese Wiedergabeweise für diese Konstruktionen durchgehend anwendet. ִ ַ ‫ ו ו‬καὶ εἴδετε ὅτι 1Sam 12,12 … ‫תּרְאוּ כּ ִי־נ ָחָשׁ מ ֶל ֶך ְ בּ ְנ ֵי־ע ַמֹּון בּ ָא ע ֲל ֵיכ ֶם‬ Ναὰς βασιλεὺς υἱῶν Ἀμμὼν ἦλθεν ἐφ᾽ ὑμᾶς…‫ו‬ 48 Dass Sipilä die verba sentiendi und die verba dicendi strikt getrennt behandeln will, weil „the use of object clauses after verba sentiendi differs from the use of object clauses after verba dicendi“ (Sipilä, 181), leuchtet mir nicht ein. 49 Zu dieser Konstruktionsweise s. Gesenius/Kautzsch, § 157; sie sprechen von „Objekt­ sätze[n] durch ‫ כּ ִי‬eingeführt“ (ebd., § 157 b). 50 1Sam 3,13 (αἷς ἔγνω gehört zu Old Greek, cf. OL115: quas ipse scivit); 3,20; 4,6; 6,9; 12,17 (mit ‫ראה‬i); 14,3; 17,46.47; 18,28 (mit ‫ראה‬i); 20,3.7.9; 20,12 (die Vorlage enthielt ‫ידע‬i, wie οἶδεν zeigt; die Stelle ist unten S. 57 besprochen); 20,30.33; 22,17.22; 23,9; 24,12 (2‫ כּ ִי‬mit ‫ראה‬i); 14,21; 25,17 (mit ‫ראה‬i); 26,4; 28,1.14; 29,9; 2Sam 1,5.10; 2,26; 3,37.38; 5,12 bis; 11,16; 14,1; 17,8.10; 19,7 (4‫כּ ִי‬i); 19,21.23. 51 1Sam 5,7; 10,14.24; 12,12; 12,17 (mit ‫ידע‬i); 13,6.11; 14,29 (lies διότι, nicht δὴ ὅτι [Rahlfs]. Das zweite ὅτι dieses Satzes ist kausal); 17,51; 18,28 (mit ‫ידע‬i); 23,15; 24,12 (2‫ כּ ִי‬mit ‫ידע‬i); 25,17 (mit ‫ידע‬i); 26,3; 28,21; 31,5.7 bis; 2Sam 10,6.9; 10,14.15.19; 12,19; 17,23; 20,12. 52 1Sam 7,7; 14,22; 22,6; 23,10; 25,4.7; 2Sam 4,1; 5,17; 8,9; 11,26; 16,21. In 1Sam 25,39 hat der MT eine Ergänzung ‫ו ַיּ ִשׁ ְמ ַע דּ ָו ִד וכּ ִי מ ֵת נ ָב ָל ו ַֹיּאמ ֶר בּ ָרוּך ְ י ְהו ָה‬i, die auch in einige der LXXHandschriften eingedrungen (καὶ ἤκουσεν Δαυὶδ καὶ εἶπεν Εὐλογητὸς Κύριος) und in Ms. 127 durch Obeloi als hexaplarische Ergänzung gekennzeichnet ist. 53 1Sam 3,13; 10,16; 22,21; 23,7.13; 27,4; 2Sam 7,11; 12,18; 19,7. 54 1Sam 15,11.35; 2Sam 13,39. 55 „Die durch die Konjunktionen: ὅτι […‫ ]ו‬und ὡς […‫ ]ו‬eingeleiteten Substantivsätze […‫]ו‬ bezeichnen entweder a) das Objekt (Akkusativ) von Verbis sentiendi, declarandi und dicendi […‫ ;]ו‬oder b) das Objekt von Verbis affectuum; […‫ ]ו‬oder c) enthalten eine Erklä­ rung des Hauptsatzes oder eines einzelnen Wortes in demselben.“ (Kühner/Gerth II, § 550, 1; Hervorhebung im Original).

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Die Wiedergabe von satzverbindendem ‫כּ ִי‬

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Eine Variation findet sich in 1Sam 13,11, offenbar weil der Übersetzer nicht zweimal hintereinander ὅτι verwenden will: ִ ‫ת ו ַֹיּאמ ֶר שׁ ָאוּל וכּ ִי־רָא ִי‬ ָ ‫ו ַֹיּאמ ֶר שׁ ְמוּא ֵל מ ֶה ע ָשׂ ִי‬ 1Sam 13,11 ‫תי כ ִי־נ ָפַץ ה ָע ָם‬ ‫ מ ֵע ָל ַי…ו‬καὶ εἶπεν Σαμουήλ Tί πεποίηκας; καὶ εἶπεν Σαούλ Ὅτι εἶδον # ς διεσπάρη ὁ λαὸς56 ἀπ᾽ ἐμοῦ…‫ו‬ ὡ

Ein Sonderfall des auf ein verbum dicendi bezogenen Objektsatzes ist die Einleitung direkter Rede57 durch ‫כּ ִי‬i;58 sie findet sich in den Samuelbüchern nur einmal: 1Sam 29,8 ‫תי‬ ִ ‫ ו ַֹיּאמ ֶר דּ ָו ִד א ֶל־א ָכ ִישׁ וכּ ִי מ ֶה ע ָשׂ ִי‬καὶ εἶπεν Δαυὶδ πρὸς Ἀγχούς Τί πεποίηκά σοι; Der Übersetzer löst die Schwierigkeit, vor die ihn dieses ‫ כּ ִי‬stellt,59 indem er es nicht repräsentiert. 2.1.3.2 ‫ כּ ִי‬nach Fragepartikeln In der Forschung konnte bisher keine Einigkeit über die syntaktische Deu­ tung von Konstruktionen hergestellt werden wie in 2Sam 7,18:60 2Sam 7,18 ‫לם‬ ֹ ֲ ‫תנ ִי ע ַד־ה‬ ַ ‫א‬ ֹ ‫תי וכּ ִי ה ֲב ִי‬ ִ ‫דנ ָי י ְהו ִה ווּמ ִי ב ֵי‬ ֹ ֲ ‫ו ַֹיּאמ ֶר ומ ִי א ָֹנכ ִי א‬i Am ehesten überzeugt m.E. die Argumentation von Antoon Schoors, der in diesem Satztypus eine durch ‫ כּ ִי‬nominalisierte Objektergänzung des Frage­ pronomens sieht: „[T]he kî-clause develops the interrogative pronouns mâ or mî […‫ ];ו‬kî introduces a nominalized or object clause sensu lato.“61 In den hebräischen Samuelbüchern kommen neben 2Sam 7,18 (‫כּ ִי…ומ ִי‬i) sieben auf ‫ מ ָה‬bezogene, von ‫ כּ ִי‬eingeleitete Ergänzungen vor (1Sam 11,5;

56 Die L-Gruppe liest διότι εἶδον ὅτι διεσπάρη ὁ λαός. 57 S. Joüon/Muraoka, § 157 c: ‫„ כּ ִי‬with a verbum dicendi with direct speech as its object“. 58 Die wissenschaftliche Diskussion über die Verwendung von ‫ כּ ִי‬am Übergang zu wörtli­ cher Rede fasst zusammen Aejmelaeus, On the Trail, 32. 59 Stoebe, Das erste Buch Samuelis, z. St., sieht in diesem ‫ כּ ִי‬eine „deiktische Intervention“, also eine demonstrative Verwendung von ‫כּ ִי‬i, und übersetzt: „Also, was habe ich denn getan?“ 60 Den Stand der Diskussion fasst Aejmelaeus, Function, 201 f, zusammen. Sie selbst bevor­ zugt eine Deutung ausgehend von der kausalen Funktion von ‫כּ ִי‬i. Gesenius/Kautzsch bezeichnen den Gebrauch als konsekutiv (Gesenius/Kautzsch, § 107, Randbuchst. u). Der Versuch Muilenbergs, diese (wie überhaupt alle) Verwendungsweisen von ‫ כּ ִי‬logisch aus einer emphatischen Grundbedeutung herzuleiten, wirkt gewollt: „Nothing is more com­ mon than the appearance of the particle after an urgent imperative; […‫ ]ו‬similarly […‫ ]ו‬after an urgent question.“ (Muilenberg, 147). 61 Schoors, 263.

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Die Übersetzung von Konjunktionen

20,1; 29,8; 2Sam 7,18; 9,8; 19,23.35).62 Es ist naheliegend, dass der Überset­ zer auch in diesen Fällen ὅτι verwendet.63 1Sam 11,5 ‫ ו ַֹיּאמ ֶר שׁ ָאוּל ומ ַה־לּ ָע ָם וכּ ִי י ִב ְכּוּ‬καὶ εἶπεν Σαούλ Τί ὅτι κλαίει ὁ λαός;64 2Sam 9,8 (mit ergänztem Hilfsverb): ‫ת א ֶל־ה ַכּ ֶל ֶב ה ַמּ ֵת‬ ָ ‫ומ ֶה ע ַב ְדֶּך ָ וכּ ִי פָנ ִי‬ ‫ א ֲשׁ ֶר כּ ָמֹונ ִי‬τίς εἰμι ὁ δοῦλός σου ὅτι ἐπέβλεψας ἐπὶ τὸν κύνα τὸν τεθνηκότα τὸν ὅμοιον ἐμοί;

Insgesamt ist die Übersetzungsweise von nominalisierendem ‫ כּ ִי‬nicht auf­ fällig. Die Standardwiedergabe des Übersetzers, ὅτι, eignet sich gut und wird von ihm durchgehend verwendet.

2.1.4 Adversatives ‫כּ ִי‬i 2.1.4.1 Übersetzungsweise Nach einem verneinten Satz kann ‫ כּ ִי‬einen Satz einleiten, der eine positive Alternative65 zum Verneinten benennt (‚sondern‘; ‚außer‘; ‚vielmehr‘). In den hebräischen Samuelbüchern finden sich 2666 mit ‫ כּ ִי‬oder dem bedeu­ tungsgleichen67 ‫ כּ ִי א ִם‬eingeleitete Adversativsätze. In einigen Fällen ist es eine Frage der Interpretation, ob man den durch ‫ כּ ִי‬eingeleiteten Satzteil als Kausal- oder Adversativsatz verstehen will:

62 Nicht behandelt sind hier die Fälle, in denen ‫ כּ ִי‬in enger Verbindung mit der Interrogativ­ partikel ֲ ‫ ה‬bei Fragen steht (1Sam 10,1; 17,43; 2Sam 9,1; 13,28), da hier selbständige Frageund keine Nebensätze eingeleitet werden. 63 S. oben Anm. 55 (Buchst. c). 64 Die L-Gruppe hat die am masoretischen Texttyp orientierte Formulierung καὶ εἶπε Σαούλ Τί ἔστι τῷ λαῷ ὅτι κλαίουσιν; 65 Begriffliche Anlehnung an Sipilä, 141: „The ‫ כי‬clause […‫ ]ו‬may express a positive alterna­ tive after a negative clause.“ 66 Stellennachweis (hochgestellte Ziffern bezeichnen das erste bzw. zweite ‫ כּ ִי‬eines Verses; bei unterstrichenen Stellen steht ‫כּ ִי א ִם‬i): 1Sam 2,15; 2,16; 2,30; 6,3; 8,72; 8,19; 10,19; 12,122; 18,25; 21,5; 21,61; 21,72; 22,172; 26,10; 27,1; 30,17; 30,22; 2Sam 3,13; 5,6; 12,3; 13,321; 13,33; 16,18; 19,292; 21,2; 24,24. Nicht aufgenommen wurde 1Sam 2,15; ‫כּ ִי א ִם־חָי‬i(MT am Vers­ ende) ist eine offensichtlich spätere Erweiterung und in der LXX nicht enthalten (McCar­ ter, I Samuel, Textual Notes z. St.; Jürg Hutzli dagegen nimmt theologische Gründe an, weshalb in der LXX ‫ כּ ִי א ִם־חָי‬weggelassen worden sei: Assoziationen zum Dionysos-Kult hätten vermieden werden sollen – so notiert bei Dietrich, z. St.). 67 Sofern nicht ‫ כּ ִי‬und ‫ א ִם‬ihre je eigene Bedeutung behalten, sondern als ein Ausdruck ste­ hen, ist kein Bedeutungsunterschied zwischen adversativem ‫ כּ ִי‬und adversativem ‫כּ ִי א ִם‬ erkennbar; s. Waltke/O’Connor, § 39.3.5 d: „Related to the uses of ‫ אכן‬to restrict the immediately preceding clause is the restrictive use of ‫ כי‬and ‫כי אם‬i.“ Faktisch so auch Joüon/Muraoka (§ 172 c), selbst wenn sie mutmaßen, ‫„ כּ ִי א ִם‬perhaps [!] has a slightly less strong nuance“.

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Die Wiedergabe von satzverbindendem ‫כּ ִי‬

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1Sam 1,22; 2,16; 20,9 (‫כּ ִי א ִם‬i); 22,17 (‫ו ְכ ִי י ָד ְעוּ‬i); 2Sam 5,6; 20,21.68 Der Über­ setzer entscheidet sich durchweg für die kausale Bedeutung, obwohl auf­ grund des vorausgehenden verneinten Satzes ein adversatives Verständnis nähergelegen hätte. Man kann dies als „easy technique“ verstehen: Solange nichts gegen die Standard-Übersetzung mit ὅτι spricht, bleibt er dabei und überprüft nicht, ob ‫ כּ ִי‬im Hebräischen auch anders verstanden werden könnte. Sowohl für ‫ כּ ִי‬als auch für ‫ כּ ִי א ִם‬benutzt der Übersetzer als Äquivalente a) einfaches ἀλλά (1Sam 6,3; 21,6: 1‫;)כּ ִי‬ b) ἄλλ᾽ ἤ69 (1Sam 2,10;70 8,7.19; 18,25; 2Sam 12,3; 16,18; 24,24);71 c) Verbindungen von ἀλλ᾽ ἤ mit ὅτι: – ὅτι ἀλλ᾽ ἤ: 1Sam 2,30; 21,5.7; 30,17.22; 2Sam 13,32.33; 19,29; 21,2; – ἀλλ᾽ ἢ ὅτι: 1Sam 10,19; 12,12; d) ἐὰν μή (1Sam 27,1;72 2Sam 3,13). Bestimmte Kriterien für die Auswahl zwischen den unter a bis c genannten Übersetzungsweisen konnte ich nicht feststellen. Im Folgenden gebe ich jeweils ein Bespiel. a) 1Sam 6,3 (ἀλλά): ‫תּשׁ ִיבוּ לֹו א ָשׁ ָם‬ ָ ‫קם וכּ ִי־ה ָשׁ ֵב‬ ָ ‫רי‬ ֵ ‫אתֹו‬ ֹ ‫תּשׁ ַלּ ְחוּ‬ ְ ‫ א ַל־‬μὴ δὴ ἐξαποστείλητε αὐτὴν κενήν, ἀλλὰ 73 ἀποδιδόντες ἀπόδοτε αὐτῇ τῆς βασάνου. b) 1Sam 8,19 (ἀλλ᾽ ἤ): ְ ‫לּא וכּ ִי א ִם־מ ֶל ֶך‬ ֹ ‫מע ַ בּ ְקֹול שׁ ְמוּא ֵל ו ַֹיּאמ ְרוּ‬ ֹ ְ ‫ו ַי ְמ ָא ֲנוּ ה ָע ָם ל ִשׁ‬ ‫ י ִה ְי ֶה ע ָל ֵינוּ‬Καὶ οὐκ ἠβούλετο ὁ λαὸς ἀκοῦσαι τοῦ Σαμουήλ, καὶ εἶπαν αὐτῷ Οὐχί, ἀλλ᾽ ἢ βασιλεὺς ἔσται ἐφ᾽ ἡμᾶς. ֹ ‫אם־י ְהו ָה חָל ִיל ָה לּ ִי וכּ ִי־מ ְכ ַבּ ְד ַי א ֲכ ַבּ ֵד וּ‬ ֻ ְ ‫תּה נ‬ ָ ַ ‫ו ְע‬ c) 1Sam 2,30 (ὅτι ἀλλ᾽ ἤ): ‫בז ַי‬ ‫קלּוּ‬ ָ ֵ ‫ י‬καὶ νῦν φησὶν Κύριος Μηδαμῶς ἐμοί, ὅτι ἀλλ᾽ ἢ τοὺς δοξάζοντάς με δοξάσω, καὶ ὁ ἐξουθενῶν με ἀτιμωθήσεται.

68 In 2Sam 5,6 liest der MT ‫כּ ִי א ִם‬i; die LXX (ὅτι) spiegelt jedoch eine Lesart ohne ‫ א ִם‬wider, wie sie sich auch in 4QSama findet. 69 S. die Lexika s.v. ἀλλά, z. B. Menge/Güthling (Nr. 1 c): „nach Negationen und Fragen mit negat. Sinn: als, außer, ausgenommen […‫ ;]ו‬meist ἀλλ᾽ ἤ“. 70 Dass dem (gegenüber dem MT überschüssigen) Text der LXX in diesem Vers eine hebräi­ sche Vorlage zugrunde liegt, steht außer Frage. Dazu ausführlich (auch zur Parallele in Jer 9,22 f) Aejmelaeus, Text, 373 f. 71 Unterstreichungen in den Stellenangaben bezeichnen textkritisch hergestellte LXX-Lesar­ ten, die vom Rahlfs-Text abweichen; zur Begründung s. im Folgenden. 72 Hier hatte die Vorlage der LXX (ἐὰν μὴ διασωθῶ) ‫כּ ִי אם א ִמּ ָל ֵט‬i. Durch einen Sprung des Auges von ‫ ואם‬zu ‫ ואמלט‬fiel ‫ א ִם‬im hebräischen Text aus; die im MT nun vorfindliche figura etymologica ‫ כּ ִי ה ִמּ ָל ֵט א ִמּ ָל ֵט‬erklärt McCarter, I Samuel, Textual Notes z. St., so: Nach dem Wegfall von ‫„ א ִם‬the verb was strengthened with the infinitive absolute“. 73 ἀλλ᾽ ἤ L–82.

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Die Übersetzung von Konjunktionen

Während Adversativsätze mit ἀλλά bzw. ἄλλ᾽ ἤ genuin griechischer Aus­ drucksweise entsprechen,74 wirkt die Kombination von ἀλλ᾽ ἤ mit ὅτι syn­ taktisch überladen.75 In der LXX findet sie sich außerhalb der Samuel- und Königebücher praktisch nicht.76 Für diese ungelenken Formulierungen ist die Überlegung berechtigt, ob ὅτι später ergänzt worden sein könnte, um eine wörtliche Entsprechung mit ‫ כּ ִי‬herzustellen.77 Auch wenn dies in einzelnen Fällen zutreffen mag, sollte man diese Annahme m.E. wegen der handschriftlich oftmals guten Bezeu­ gung78 nicht generalisieren. Und umgekehrt ist auch damit zu rechnen, dass das Fehlen von ὅτι in Handschriften eine bewusste oder unbewusste stilisti­ sche Korrektur dieser Formulierungen ist. Die teilweise Wiedergabe von ‫כּ ִי‬ oder ‫ כּ ִי א ִם‬mit ὅτι ἀλλ᾽ ἤ bzw. ἀλλ᾽ ἢ ὅτι halte ich für ein Merkmal der Arbeitsweise des Samuel- und Königeübersetzers. ֱ d) 2Sam 3,13 (ὅτι ἐάν): ‫הב ִיא ֲך ָ א ֵת מ ִיכ ַל‬

79

‫תרְא ֶה א ֶת־פָּנ ַי וכּ ִי א ִם־ל ִפְנ ֵי‬ ִ ‫לא־‬ ֹ ‫ בּ ַת־שׁ ָאוּל‬Οὐκ ὄψει τὸ πρόσωπόν μου ἐὰν μὴ ἀγάγῃς τὴν Μελχὸλ θυγατέρα Σαούλ.

Der Übersetzer gibt das adversative ‫ כּ ִי א ִם‬sinnwahrend mit konditionalem ἐὰν μή wieder – ein Zeichen für seine Aufmerksamkeit für den Inhalt. Ein besonderer Fall von adversativem ‫ כּ ִי א ִם‬ist 1Sam 26,10, wo diese Konjunktionsverbindung innerhalb einer Schwurformulierung steht:

74 S. die Lexika s.v. ἀλλά. 75 Nach Muraoka (s.v. ἄλλά Nr. 4 d) ist diese Kombination in griechischen Texten vor der Septuaginta nicht belegt. 76 ἀλλ᾽ ἤ ὅτι: Ri 15,13 (A-Text ἀλλά); 1Sam 2,30; 21,5; 21,7; 30,17; 30,22; 2Sam 13,33; 21,2; 1Kön 18,18; 2Kön 4,2; 5,15; 10,23; 14,6; 17,36.39; 23,23; 2Chr 2,5; Pred 5,10; ὅτι ἀλλ᾽ ἤ: Num 13,28; 1Sam 10,19; 12,12; 2Sam 19,29. Die ähnlich häufigen Belege in Samuel und Könige sind ein Indiz für die enge Verwandtschaft dieser Bücher (s. unten Abschnitt 6.1.4). 77 So Aejmelaeus, On the Trail, 132: „ὅτι being clearly suspect of having been added later to reproduce ‫כּ ִי‬i, sometimes before, sometimes after ἀλλ᾽ ἤ.“ 78 Bezeugungen für ὅτι ἀλλ᾽ ἤ: 1Sam 2,30 (ὅτι > 74–125–134 s–64); 21,5 (ὅτι > a–527 44–74– 107–125–610; εἰ μή L 554mg); 21,7 (ὅτι > L 328 b 44–107–125–610 56 381 71 554); 30,17 (ὅτι > O L f 44–125 71 158 245 318 460); 30,22 (ὅτι > L 509 44–74–125 245 460); 2Sam 13,32 (ὅτι in allen Mss.; διότι L; + ἀλλ᾽ ἤ L a f 55mg 158 244 342 372 460 554mg); 13,33 (ὅτι > 68–120–122; ἀλλ᾽ ἤ > A f); 19,29 (ὅτι > L 44–74–125 71 245 342 460 707; ἀλλ᾽ ἢ ὅτι A B O a 509 55 244c); 21,2 (ὅτι ἀλλ᾽ ἤ A B 509 64–381 55 244; ὅτι L; andere ἀλλ᾽ ἤ). Bezeugungen für ἀλλ᾽ ἢ ὅτι: 1Sam 10,19 (ὅτι > A O L 509 130–381); 12,12 (ὅτι > A 119 b s 244 460); die beiden Streichungen sind erkennbar eine quantitative Anpassung an den masoretischen Texttyp. 79 ‫ ל ִפְנ ֵי‬ist im Vergleich zur LXX überschüssig; wie vielfach in der Literatur festgestellt, han­ delt es sich bei ‫ כּ ִי א ִם‬und ‫ ל ִפְנ ֵי‬um Alternativen (ausführlich s. Driver, z. St.), d. h. der MT hat hier Lesarten addiert. Die scheinbare Analogie 2Sam 3,35 ist keine (dazu unten Anm. 89).

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Die Wiedergabe von satzverbindendem ‫כּ ִי‬

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1Sam 26,10 ‫ו‬i… ‫ ו ַֹיּאמ ֶר דּ ָו ִד חַי־י ְהו ָה וכּ ִי א ִם־י ְהו ָה י ִגּ ָפֶנּוּ‬iκαὶ εἶπεν Δαυίδ Ζῇ Κύριος, ἐὰν μὴ Κύριος παίσῃ αὐτόν, …‫ו‬ Diese Stelle ist ein weiteres Beispiel dafür, wie der Übersetzer den Inhalt im Blick behält. Er sieht zwar nicht den Rückbezug auf V. 8,80 übersetzt aber sinnwahrend: David verwahrt sich dagegen, dass Hand an Saul angelegt wird. Anscheinend unübersetzt bleibt ‫ כּ ִי‬in 1Sam 28,13: 1Sam 28,13 ‫ת‬ ִ ‫תּירְא ִי וכּ ִי מ ָה רָא ִי‬ ִ ‫ ו ַֹיּאמ ֶר ל ָהּ ה ַמּ ֶל ֶך ְ א ַל־‬καὶ εἶπεν αὐτῇ ὁ βασιλεύς Μὴ φοβοῦ, εἰπὸν τίνα ἑόρακας . Ich nehme an, dass die Vorlage des Übersetzers ‫ כּ ִי‬nicht enthalten hat.81 εἰπόν wurde durch den Übersetzer der Verständlichkeit wegen eingefügt. Für den Kaige-Bereich besteht textkritischer Klärungsbedarf für 2Sam 13,32; 16,18; 19,29; 21,2 und 24,24 (die L-Gruppe, teils mit weiteren Hand­ schriften, liest an diesen Stellen anders als die nichtlukianischen Handschrif­ ten). In 2Sam 13,32 dürfte der Übersetzer analog zu V. 33 ὅτι ἀλλ᾽ ἤ übersetzt haben.82 In 16,18; 24,24 wird der Übersetzer seiner sonstigen Gewohnheit nach (1Sam 8,19; 10,19; 12,12; 17,43) οὐχὶ ἀλλ᾽ ἤ übersetzt haben; jeweils überliefert in der L-Gruppe. In 2Sam 19,29 lesen einige Handschriften ὅτι nicht; einige lesen es vor und einige hinter ἀλλ᾽ ἤ. Alle drei Lesarten sind für den Übersetzer denkbar; eine sichere textkritische Entscheidung halte ich für nicht möglich. In 2Sam 21,2 schließlich wirkt die Lesart der L-Gruppe glättend (ὅτι ἀπὸ τῶν καταλοίπων τῶν Ἀμορραίων). Die Lesart der nicht­ lukianischen Handschriften (ὅτι ἀλλ᾽ ἢ ἐκ τοῦ λείμματος τοῦ Ἀμορραίου)83 dürfte ursprünglich sein.

80 Die Bedeutung von ‫ כּ ִי א ִם‬an dieser Stelle wird ausführlich diskutiert bei Driver; er kommt zu dem Ergebnis, dass „‫ כי‬here cannot […‫ ]ו‬introduce the terms of the oath, for this (with ‫ אם‬following) would yield a sense the very opposite of what is required. […‫ ]ו‬Either ‫כי אם‬ must be understood to have the force of surely […‫ ]ו‬or […‫ ]ו‬the negative […‫ ]ו‬may be sup­ posed to be suppressed.“ (z. St.; Hervorhebung im Original). Eine überzeugende Lösung schlägt Aejmelaeus vor (mir mündlich mitgeteilt), indem sie ‫ כּ ִי א ִם‬als Adversativkonjunk­ tion in Bezug zu V. 8 sieht, wo Abischai vorgeschlagen hatte, Saul zu töten. Die JHWH beschwörende Antwort Davids lautet: ‫כּ ִי א ִם־י ְהו ָה י ִגּ ָפֶנּוּ‬i: „[Nicht so,] sondern JHWH wird ihn schlagen“. 81 Der Samuelübersetzer gibt ‫תּירְא ִי כּ ִי‬ ִ ‫ א ַל־‬bzw. ‫תּירָא כּ ִי‬ ִ ‫ א ַל־‬sonst stets mit einer ὅτι-For­ mulierung wieder: 1Sam 4,20; 22,23; 23,17; 2Sam 9,7; auch 2Kön 6,16. Gestützt wird die Annahme einer Vorlage ohne ‫ כּ ִי‬durch Belege in jüdisch-schriftgelehrter Literatur, die 1Sam 28,13 ohne ‫ כּ ִי‬zitieren (s. App. der BHS). Die alternative Möglichkeit einer überset­ zungstechnischen Deutung vertritt Aejmelaeus, On the Trail, 132 f: Der Übersetzer „can­ not otherwise cope with the context“. 82 Diese Lesart wird von der L-Gruppe (διότι ἀλλ᾽ ἤ; mit 554mg) überliefert sowie (ὅτι ἀλλ᾽ ἤ) von 119–527 56 55mg 64 158 244. 83 Zum Singular ὁ Ἀμορραῖος vgl. 1Sam 7,14.

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Die Übersetzung von Konjunktionen

2.1.4.2 Änderungen der Rezensionen Das Material für den Kaige-Bereich ist nicht ausreichend, um weitergehende Beobachtungen zu rezensionellen Mustern der Kaige-Rezension machen zu können. Die lukianische Rezension greift bei den Adversativsätzen sporadisch in den Text ein. Einige Male fehlt ὅτι in der L-Gruppe (1Sam 10,19; 21,7; 30,17.22), was als stilistische Verbesserung gewertet werden kann. An diesen Stellen fehlt ὅτι allerdings jeweils auch in einigen weiteren Handschriften, so dass alternativ die Erklärung möglich ist, dass ὅτι in der Mehrzahl der nichtlukianischen Handschriften hinzugefügt wurde. Bemerkenswert ist die (offensichtlich in Annäherung an den MT vor­ genommene) Ergänzung von ὅτι in der L-Gruppe in 1Sam 18,25, weil sie eine stilistische Verschlechterung darstellt: καὶ εἶπε Σαούλ Εἴπατε τῷ Δαυίδ Οὐ βούλεται ὁ βασιλεὺς ἕδνα ὅτι ἀλλ᾽ ἢ ἑκατὸν ἀκροβυστίας ἀλλοφύλων. An Stellen wie diesen zeigt sich, dass die L-Gruppe außer

durch ein Bemühen um stilistische Verbesserung auch durch Angleichungen an den MT geprägt ist.84

2.1.5 ‫ כּ ִי‬bei Schwurformeln Die hebräischen Samuelbücher enthalten eine Reihe von Schwurformulie­ rungen, bei denen Gott zum Zeugen dafür angerufen wird, dass jemand etwas tun oder unterlassen werde oder dass eine Aussage wahr sei. Ein Schwur oder Eid ist eine bedingte Selbstverfluchung: Die Sprecherin oder der Sprecher ruft den Fluch Gottes auf sich herab für den Fall, dass sie oder er sich an das Beschworene nicht hält bzw. nicht die Wahrheit gesagt hat.85 Teils wird der Fluch entfaltet (‫כה ֹיס ִיף‬ ֹ ְ ‫לה ִים ו‬ ֹ ֱ ‫כּה י ַע ֲשׂ ֶה־לּ ִי א‬ ֹ i; zuerst 1Sam 3,17); teils ist er implizit in der Anrufung Gottes86 enthalten (‫חַי־י ְהו ָה‬i; zuerst 1Sam 14,39). Für die Analyse der Übersetzungsweise von ‫ כּ ִי‬sind diese Eidesformeln relevant, weil bei beschworenem positiven Verhalten87 ‫ כּ ִי‬an der Überlei­ tung zu dem steht, was beschworen wird. Es gibt zwei Typen der Formulie­ rung:

84 S. Brock, Recensions, 297–299. 85 S. Gerstenberger, 65. 86 Während die Formel‫כּה י ַע ֲשׂ ֶה…ו‬ ֹ stets mit ‫לה ִים‬ ֹ ֱ ‫ א‬konstruiert wird (das gilt mit Ausnahme von Ruth 1,17 auch außerhalb der Samuelbücher; in 1Sam 20,13 deutet die LXX-Lesart ὁ θεός darauf hin, dass dort im Hebräischen ursprünglich ‫לה ִים‬ ֹ ֱ ‫ א‬stand), steht bei der ‫חַי‬Formel der Gottesname (Ausnahme: Amos 8,14). 87 Zu beschworenem Unterlassen und Bedingungen s. unten Anm. 88 und 90; zur Syntax von Schwurformulierungen s. Gesenius/Kautzsch, § 149.

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Die Wiedergabe von satzverbindendem ‫כּ ִי‬

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Typus ‫לה ִים…וכּ ִי…ו‬ ֹ ֱ ‫כּה י ַע ֲשׂ ֶה א‬ ֹ , z. B. 1Sam 14,44: ‫כּה־י ַע ֲשׂ ֶה‬ ֹ ‫ו ַֹיּאמ ֶר שׁ ָאוּל‬ ‫תן‬ ָ ָ ‫תּמוּת יֹונ‬ ָ ‫כה יֹוס ִף וכּ ִי־מֹות‬ ֹ ְ ‫לה ִים ו‬ ֹ ֱ ‫א‬i. Weitere Sätze dieses Typus:88 1Sam 20,13; 2Sam 3,9.89 Typus‫חַי־י ְהו ָה כּ ִי…ו‬, z. B. 1Sam 26,16: ‫תּם‬ ֶ ַ ‫חַי־י ְהו ָה וכּ ִי ב ְנ ֵי־מ ָו ֶת א‬i. Weitere Sätze dieses Typus:90 1Sam 20,3; 29,6; 2Sam 4,9 f; 12,5; 15,21; weiterhin 1Sam 14,39 mit auf ‫ כּ ִי‬folgendem, gewöhnlich-konditionalem ‫א ִם‬i, sowie 1Sam 25,34 (1‫ )כּ ִי‬und 2Sam 2,27 mit auf ‫ כּ ִי‬folgender konditionaler Ver­ neinung ‫‚ לוּל ֵי‬wenn nicht‘. Von modernen Autorinnen und Autoren sowie Übersetzungen wird ‫ כּ ִי‬in diesen Schwurformulierungen entweder als emphatische Partikel aufgefasst (‚gewiss‘)91 oder wie ein Doppelpunkt (analog zu einem ‫ כּ ִי‬recitativum)92 behandelt und nicht eigens repräsentiert.93 Es ist schwer zu sagen, wie der Samuelübersetzer diese Fälle von ‫ כּ ִי‬ver­ stand bzw. ob er sie als besondere Fälle wahrgenommen hat, weil er seine Standardübersetzung ὅτι verwendet. 1Sam 14,44 ‫תן‬ ָ ָ ‫תּמוּת יֹונ‬ ָ ‫כה יֹוס ִף וכּ ִי־מֹות‬ ֹ ְ ‫לה ִים ו‬ ֹ ֱ ‫כּה־י ַע ֲשׂ ֶה א‬ ֹ ‫ו ַֹיּאמ ֶר שׁ ָאוּל‬ καὶ εἶπεν αὐτῷ Σαούλ Τάδε ποιήσαι μοι ὁ θεὸς καὶ τάδε προσθείη ὅτι θανάτῳ ἀποθανῇ σήμερον.

88 Genannt sind hier nur die Fälle mit ‫כּ ִי‬i. Die Formel kommt ohne ‫ כּ ִי‬vor, wenn eine Bedin­ gung formuliert wird (‫א ִם‬i): 1Sam 3,17; 25,22; 2Sam 19,14; auch 1Kön 20,10; 6,31. Ebenso 2Sam 3,35 (s. unten Anm. 89). 89 In 2Sam 3,35 ist ‫ כּ ִי‬vermutlich eine Verschreibung für ‫ל ִי‬i, denn ‫‚ ל ִפְנ ֵי בֹוא־ה ַשּׁ ֶמ ֶשׁ‬vor Son­ nenuntergang‘ (s. Gesenius, Handwörterbuch, s.v. ‫שׁ ֶמ ֶשׁ‬i) darf nicht nochmals verneint wer­ den (s. den App. der BHS sowie Gesenius/Kautzsch, § 149, Randbuchst. b). Gleicherma­ ßen formulierte Beschwörungen eines Unterlassens (‫ א ִם‬ohne ‫כּ ִי‬i) finden sich außerdem in 1Sam 3,17; 25,22; 19,14 (hier durch ‫לא‬ ֹ zu einer positiven Aussage invertiert, s. Gesenius/ Kautzsch, § 149, Randbuchst. a mit Anm. b). 90 Nur Fälle mit ‫כּ ִי‬i; die Formel wird bei verneintem Schwur mit ‫ א ִם‬gebildet (1Sam 19,6; 28,10; 2Sam 14,11; auch 2Kön 4,30; 5,16). In 1Sam 25,26 ist der ‫א ֲשׁ ֶר‬-Teil relativische Erweiterung der ‫חַי‬-Formel (wie z. B. 2Sam 4,9); eine Apodosis des Schwurs existiert hier nicht, vermutlich liegt eine Textkorruption vor: „Verse 26 is clearly out of place. It fits most comfortably between vv 41 and 42 below. […‫ ]ו‬Perhaps it was displaced from there because Abigail is addressing David directly though he is not present; but such is already the case in v 41!“ (McCarter, I Samuel, Textual Notes z. St.). 91 So Muilenberg, 156; Schoors, 248–250; Aejmelaeus, Function, 208. Meyer, § 122, 5 b, ver­ handelt ‫ כּ ִי‬zwar unter der Maßgabe, dass „Schwur- und Beteuerungssätze […‫ ]ו‬ebenfalls zu den Konditionalsätzen“ gehören, lässt anhand der Übersetzung eines Beispiels allerdings erkennen, dass er ‫ כּ ִי‬bei Schwüren dann doch emphatisch versteht (Wiedergabe mit ‚für­ wahr‘). 92 S. Gesenius/Kautzsch, § 157 b. 93 So gibt die Lutherübersetzung (Revision von 1984) ‫ כּ ִי‬an solchen Stellen nicht wieder; ebenso McCarter; uneinheitlich Stoebe (teils unübersetzt, teils etwas künstlich mit „ja“ repräsentiert).

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Die Übersetzung von Konjunktionen

Auch bei Schwurformulierungen des Typs ‫ חַי־י ְהו ָה‬verwendet der Überset­ zer ὅτι: ָ ַ ‫קרָא א ָכ ִישׁ א ֶל־דּ ָו ִד ו ַֹיּאמ ֶר א ֵל ָיו חַי־י ְהו ָה וכּ ִי־י ָשׁ ָר א‬ ְ ִ ‫ו ַיּ‬ 1Sam 29,6 ‫תּה ו ְטֹוב‬ ‫ בּ ְע ֵינ ַי‬καὶ ἐκάλεσεν Ἀγχούς τὸν Δαυὶδ καὶ εἶπεν αὐτῷ Ζῇ Κύριος ὅτι εὐθὴς σὺ καὶ ἀγαθὸς ἐν ὀφθαλμοῖς μου.

Man wird diese Verwendung von ὅτι in Analogie eines ὅτι recitativum ver­ stehen müssen, wie es sowohl in genuin griechischen Texten als auch in der Septuaginta gelegentlich vor Beginn wörtlicher Rede verwendet wird.94 Als sprachlich gelungen kann man diese Übersetzung kaum ansehen. In drei Fällen wird ‫ כּ ִי‬innerhalb der Schwurformulierung wiederholt:95 1Sam 14,39; 25,34 und 2Sam 2,27. Der Übersetzer unterlässt sinnvollerweise eine Wiederholung von ὅτι in 1Sam 14,39 und 25,34;96 in 2Sam 2,27 ist die durch eine Wort-für-Wort-Übersetzung entstandene Wiedergabe wenig schön: 2Sam 2,27 ‫קר נ ַע ֲל ָה ה ָע ָם‬ ֶ ‫בּ‬ ֹ ַ ‫תּ וכּ ִי א ָז מ ֵה‬ ָ ְ‫לה ִים וכּ ִי לוּל ֵא דּ ִבּ ַר‬ ֹ ֱ ‫ו ַֹיּאמ ֶר יֹוא ָב חַי ה ָא‬ ‫רי א ָחִיו‬ ֵ ֲ‫ א ִישׁ מ ֵא ַח‬καὶ εἶπεν Ἰωάβ Ζῇ Κύριος ὅτι εἰ μὴ ἐλάλησας #διότι τότε ἐκ πρωίθεν ἀνέβη ὁ λαὸς ἕκαστος κατόπισθεν τοῦ ἀδελφοῦ αὐτοῦ.

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‫ כּ ִי‬leitet über zum Schwur und ist vom Übersetzer wie sonst auch mit ὅτι wiedergegeben. ‫ לוּל ֵא‬leitet einen irrealen Konditionalsatz ein;97 ‫ כּ ִי א ָז‬mar­ kiert den Übergang zur (nicht eingetretenen) Folge.98 Der Übersetzer gibt das Satzgefüge wörtlich und dadurch hebraistisch wieder;99 der Anschluss der Apodosis mit διότι τότε ist kaum verständ­ lich.100 Dass der Übersetzer hier διότι nicht ausgelassen hat, deutet darauf hin, dass er den Satz nicht verstanden hat.

94 Zur Problematik des ὅτι recitativum bei wörtlicher Rede s. Aejmelaeus, On the Trail, 31– 41. 95 „The first ‫ כי‬introduces the terms of the oath; the second ‫ כי‬is merely resumptive of the first, after the intervening hypothetical clause. So often, as II [=2Sam] 3,9. Gen 22,16 f.“ (Driver zu 1Sam 14,39). 96 Vorauszusetzen ist als Vorlage von εἰς ἀπάντησίν μοι τότε εἶπα εἰ ὑπολειφθήσεται…‫ו‬ ‫לקראתי אז אמרתי כי אם נותר‬i; durch einen Sprung von ‫ לקראתי‬zu ‫ אמרתי‬fiel ‫אז אמרתי‬ im hebräischen Text aus. So gut es ist, dass der Übersetzer ‫ כּ ִי‬nicht wiedergibt, so hebrais­ tisch ist die Verwendung von εἰ als Negation: εἰ ist „hebraism in strong negation after verbs of swearing“ (Muraoka s.v. εἰ 4). 97 S. Gesenius/Kautzsch, § 159, 3 (Randbuchst. l). 98 „Die unbedingte Gewißheit, mit der das Eintreten einer Folge zu erwarten gewesen wäre, wird öfter durch Einfügung von ‫כּ ִי‬i […‫ו‬i], ‫כּ ִי א ָז‬i […‫ו‬i] oder ‫תּה‬ ָ ַ ‫כּ ִי ע‬i […‫ ]ו‬hervorgehoben.“ (Gesenius/Kautzsch, § 159, Anmerkungen, 3. = Randbuchst. ee). 99 Zu εἰ μή s. Muraoka s.v. εἰ 7. 100 Muraoka verzeichnet diesen Gebrauch s.v. διότι Nr. 5 als Einzelfall und „redundant under Heb. infl. (‫כּ ִי‬i)“.

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Die Wiedergabe von satzverbindendem ‫כּ ִי‬

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In 1Sam 12,5 findet sich ein weiterer Typus des Schwurs, bei dem in der Schwureinleitung Gott zum Zeugen angerufen wird: 1Sam 12,5 ‫תם‬ ֶ ‫לא מ ְצָא‬ ֹ ‫ו ַֹיּאמ ֶר א ֲל ֵיה ֶם וע ֵד י ְהו ָה בּ ָכ ֶם ו ְע ֵד מ ְשׁ ִיחֹו ה ַיֹּום ה ַזּ ֶה וכּ ִי‬ ‫ בּ ְי ָד ִי מ ְאוּמ ָה ו ַֹיּאמ ֶר ע ֵד‬καὶ εἶπεν Σαμουὴλ πρὸς τὸν λαόν Μάρτυς Κύριος ἐν ὑμῖν καὶ μάρτυς χριστὸς αὐτοῦ σήμερον ἐν ταύτῃ τῇ ἡμέρᾳ #ὅτι οὐχ εὑρήκατε ἐν χειρί μου οὐθέν · καὶ εἶπαν Μάρτυς.

Mit ‫ ב ַיהו ָה‬erfolgt die Anrufung Gottes zum Zeugen in 2Sam 19,8: 2Sam 19,8 ‫תּי וכּ ִי־א ֵינ ְך ָ יֹוצֵא‬ ִ ְ ‫וכּ ִי ב ַיהו ָה נ ִשׁ ְבּ ַע‬i(MT) ‫תּי וכי אם א ֵינ ְך ָ יֹוצֵא היום‬ ִ ְ ‫וכּ ִי ב ַיהו ָה נ ִשׁ ְבּ ַע‬i(Vorlage) ὅτι ἐν Kυρίῳ ὤμοσα ὅτι εἰ μὴ ἐκπορεύσῃ σήμερον. Die rekonstruierte Vorlage der LXX ist für ‫ כי אם‬in 4QSama überliefert; ‫ היום‬wurde rückübersetzt. ‫ כּ ִי‬leitet wie sonst auch zum Inhalt des Schwurs über; ‫ א ִם‬steht selbständig konditional; ‫ א ַי ִן‬führt die Verneinung ein. Der Übersetzer übersetzt ָ ‫ אם א ֵינ ְך‬sinnvoll und korrekt mit einer negativen Bedingung (εἰ μή). 1Sam 12,5 und 2Sam 19,8 stehen auf der Grenze zum nominalisierenden Gebrauch von ‫כּ ִי‬i, weil ‫ כּ ִי‬hier statt als Übergangsmarker zum Schwurinhalt auch als Einleitung eines Objektsatzes verstanden werden kann, der auf einen Nominalsatz (1Sam 12,5: „JHWH ist Zeuge, dass…‫ )“ו‬bzw. auf das ִ ְ ‫נ ִשׁ ְבּ ַע‬i(2Sam 19,8: „Ich schwöre, dass…‫ )“ו‬bezogen ist. Verb i‫תּי‬ In 1Sam 20,12 schließlich scheint der MT eine stark abgekürzte Form eines Schwurs zu enthalten: 1Sam 20,12 ‫קר א ֶת־א ָב ִי‬ ֹ ְ‫לה ֵי י ִשׂ ְרָא ֵל וכּ ִי־א ֶח‬ ֹ ֱ ‫תן א ֶל־דּ ָו ִד וי ְהו ָה א‬ ָ ָ ‫ו ַֹיּאמ ֶר י ְהֹונ‬ ‫ כּ ָע ֵת מ ָחָר ה ַשּׁ ְל ִשׁ ִית‬Καὶ εἶπεν Ἰωναθὰν πρὸς Δαυίδ Κύριος ὁ θεὸς #Ἰσραὴλ οἶδεν ὅτι ἀνακρινῶ τὸν πατέρα μου ὡς ἂν ὁ καιρὸς τρισσῶς.

Eine textkritische Bewertung führt allerdings zu der Einschätzung, dass ‫כּ ִי‬ nicht Einleitung des Schwurs, sondern Einleitung eines Objektsatzes zum Verb i‫ידע‬i (οἶδεν) ist, das in der Vorlage enthalten war oder vom Übersetzer gelesen wurde.101 ὅτι ist also Objektsatz-Ergänzung zu οἶδεν; der Fall gehört in die Gruppe des nominalisierenden Gebrauchs von ‫כּ ִי‬i. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass der Übersetzer das den Inhalt eines Schwurs einleitende ‫ כּ ִי‬durchgehend mit ὅτι wiedergibt. Da die grie­ chische Sprache ὅτι in der Funktion eines Doppelpunkts vor wörtlicher

101 Die Vorlage könnte eine Formulierung mit ‫ ע ֵד‬enthalten haben, das der Übersetzer als ‫ידע‬ las: ‫יהוה אלהי ישׂראל עד כי‬i (s. McCarter, I Samuel, Textual Notes z. St.; vgl. auch 1Sam 12,5; Micha 1,2).

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Die Übersetzung von Konjunktionen

Rede kennt (ὅτι recitativum),102 bewegen sich diese Übersetzungen formal innerhalb der Logik der griechischen Sprache, ohne allerdings idiomatisch gelungen zu sein. In einigen Fällen, wo der Schwurinhalt durch ein weiteres ‫ כּ ִי‬erweitert ist, gibt der Übersetzer das zweite ‫ כּ ִי‬nicht eigens wieder und vermeidet so unbrauchbare Übersetzungen. Darin zeigt sich, dass er trotz seines standar­ disierenden Umgangs mit ‫ כּ ִי‬nicht mechanisch vorgeht, sondern Kontext und Verständlichkeit im Blick behält.

2.1.6 ‫ כּ ִי‬in Kombination mit anderen Konjunktionen Einige Male kommt ‫ כּ ִי‬in Verbindung mit anderen Konjunktionen vor: ‫א ַף‬ ‫כּ ִי‬i; ‫כּ ִי א ִם‬i (wo es nicht als ein Ausdruck verstanden ist); ‫ ע ַד כּ ִי‬und ‫כּ ִי־ע ַל־כּ ֵן‬i. Dreimal enthielt die Vorlage des Übersetzers die Kombination ‫א ַף כּ ִי‬i (1Sam 14,30; 21,6; 2Sam 16,11).103 Treffen ‫ א ַף‬und ‫ כּ ִי‬zusammen, haben sie eine überbietende Bedeutung: ‚wieviel mehr, wenn‘ / ‚wieviel weniger, wenn‘. Der Übersetzer gibt ‫ א ַף כּ ִי‬in 1Sam 14,30 und 21,6 offenbar ratend mit ἀλλ᾽ ὅτι (adversativ) bzw. διότι (kausal) wieder. Das ist zwar unpräzise, aber der Sinn der betreffenden Stellen bleibt insgesamt erhalten. 1Sam 14,29 f ‫כל‬ ֹ ָ ‫ארוּ ע ֵינ ַי כּ ִי טָע ַמ ְתִּי מ ְע ַט דּ ְב ַשׁ ה ַזּ ֶה וא ַף כּ ִי לוּא א‬ ֹ ‫רְאוּ־נ ָא כּ ִי־‬ ‫אי ְב ָיו…ו‬ ֹ ‫ א ָכ ַל ה ַיֹּום ה ָע ָם מ ִשּׁ ְל ַל‬ἰδὲ δὴ ὅτι εἶδον οἱ ὀφθαλμοί μου, ὅτι ἐγευσάμην βραχὺ τοῦ μέλιτος τούτου. ἀλλ᾽ ὅτι εἰ ἔφαγεν ἔσθων ὁ λαὸς σήμερον τῶν σκύλων τῶν ἐχθρῶν αὐτῶν…‫ו‬ Einer genaueren Analyse bedarf 2Sam 16,11 (Kaige-Abschnitt): 2Sam 16,11 ‫ו ַֹיּאמ ֶר דּ ָו ִד א ֶל־א ֲב ִישׁ ַי ו ְא ֶל־כּ ָל־ע ֲב ָד ָיו ה ִנּ ֵה ב ְנ ִי א ֲשׁ ֶר־י ָצָא מ ִמּ ֵע ַי‬ ‫קלּ ֵל כּ ִי א ָמ ַר־לֹו י ְהו ָה‬ ַ ‫תּה בּ ֶן־ה ַי ְמ ִינ ִי ה ַנּ ִחוּ לֹו ו ִי‬ ָ ַ ‫קּשׁ א ֶת־נ ַפְשׁ ִי ו ְא ַף כּ ִי־ע‬ ֵ ַ ‫מ ְב‬ καὶ εἶπεν Δαυὶδ πρὸς Ἀβεσσὰ καὶ πρὸς πάντας τοὺς παῖδας αὐτοῦ Ἰδοὺ ὁ υἱός μου ὁ ἐξελθὼν ἐκ τῆς κοιλίας μου ζητεῖ τὴν ψυχήν μου, καὶ προσέτι νῦν / εἰ δὲ καὶ νῦν ὁ υἱὸς τοῦ Ἰεμινί · ἄφετε αὐτὸν κατα­ ρᾶσθαι, ὅτι εἶπεν αὐτῷ Κύριος · 102 S. oben Anm. 94. 103 1Sam 23,3 und 2Sam 4,11 lasse ich unberücksichtigt, weil ich ‫ א ַף כּ ִי‬für die Vorlage des Übersetzers nicht für gesichert halte. In 1Sam 23,3 könnte καὶ πῶς ἔσται ἐὰν πορευθῶ­ μεν darauf schließen lassen, dass der Übersetzer ‫ ואיך כי־נלך‬las (MT ְ ‫ו ְא ַף כּ ִי־נ ֵל ֵך‬i); in 2Sam 4,11 könnte καὶ νῦν ἄνδρες πονηροί auf ‫ ועתה אנשׁים רשׁעים‬hindeuten (MT ‫א ַף‬ ‫כּ ִי־א ֲנ ָשׁ ִים רְשׁ ָע ִים‬i). Angesichts des im Folgenden gezeigten ratenden Umgangs des Über­ setzers mit ‫ א ַף כּ ִי‬können diese Übersetzungsweisen aber auch so gedeutet werden, dass der Übersetzer das ihm unbekannte ‫ א ַף כּ ִי‬in seiner Vorlage hatte und er ähnliche hebräi­ sche Formen übersetzte (Beispiele für solches Vorgehen s. oben S. 30).

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Die Wiedergabe von satzverbindendem ‫כּ ִי‬

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Die Lesart καὶ προσέτι νῦν (A B O 509 64–381 55c 460 700 / Rahlfs) wirkt wie eine Korrektur, die ‫תּה‬ ָ ַ ‫ ו ְא ַף כּ ִי־ע‬richtig wiedergeben will. Ganz gleich, ob diese Passage den Kaige-Rezensenten oder einer anderen Verbesserungs­ arbeit zuzuordnen ist: Ihr korrigierender Charakter spricht dafür, dass Old Greek εἰ δὲ καὶ νῦν las,104 d. h. dass der Übersetzer ‫ כּ ִי‬konditional aufge­ fasst, ְ ‫ ו‬durch δέ wiedergegeben und ‫ א ַף‬unübersetzt gelassen hat. Wie schon 1Sam 14,30 und 21,6 zeigt auch 2Sam 16,11, dass der Überset­ zer Schwierigkeiten mit dem Zusammentreffen dieser Konjunktionen hat.105 Er behilft sich auch hier, indem er den aus seiner Sicht wahrscheinli­ chen Sinn errät. In zwei Fällen fasst der Übersetzer ‫ כּ ִי א ִם‬nicht als einen Ausdruck auf,106 sondern gibt die eigenständige Bedeutung beider Konjunktionen wieder, indem er mit ὅτι ἐάν („denn wenn“) übersetzt (1Sam 20,9; 2Sam 18,3). ֹ ָ ‫תן חָל ִיל ָה לּ ָך ְ וכּ ִי א ִם־י‬ ָ ָ ‫ ו ַֹיּאמ ֶר י ְהֹונ‬καὶ εἶπεν Ἰωναθάν 1Sam 20,9 ‫דע ַ א ֵד ַע…ו‬ Μηδαμῶς σοι ὅτι ἐὰν γινώσκων γνῶ…‫ו‬

Einmal findet sich die Kombination ‫„ ע ַד כּ ִי‬bis dass“:107 2Sam 23,10 ‫תּים וע ַד כּ ִי־י ָג ְע ָה י ָדֹו‬ ִ ְ ‫ ו ַיּ ַך ְ בּ ַפְּל ִשׁ‬καὶ ἐπάταξεν ἐν τοῖς ἀλλοφύλοις ἕως οὗ ἐκοπίασεν ἡ χεὶρ αὐτοῦ. Der Übersetzer gibt ‫ ע ַד כּ ִי‬korrekt wieder (ἕως οὗ ist eine in der Koine ver­ breitete108 uneigentliche Präposition). In 2Sam 18,20 schließlich verwendet der Übersetzer οὗ ἕνεκεν als Äqui­ valent zu ‫כּ ִי־ע ַל־כּ ֵן‬i. ְ ‫לא‬ ֹ i(MT Ketib) 2Sam 18,20 ‫תב ַשּׂ ֵר וכּ ִי־ע ַל בּ ֶן־ה ַמּ ֶל ֶך ְ מ ֵת‬ 109 ‫תב ַשּׂ ֵר וכּ ִי־ע ַל־כּ ֵן בּ ֶן־ה ַמּ ֶל ֶך ְ מ ֵת‬ ְ ‫לא‬ ֹ i(MT Qere)

104 Dafür spricht auch, dass in 1Kön 8,27; 2Kön 5,13 ‫ ו ְא ַף כּ ִי‬nicht präzise, sondern – wie in 1Sam 14,30; 21,6 – doch wohl ratend übersetzt ist (πλὴν καί und καὶ ὅτι). 105 Diese Schwierigkeit teilt er mit praktisch allen Übersetzern der LXX, die den überbieten­ den Charakter der eher seltenen Kombination ‫א ַף כּ ִי‬i(Gesenius, Handwörterbuch, s.v. ‫א ַף‬ Nr. 4; 25 Belege im MT) nicht kennen und mit Ausnahme von Dtn 31,27 (πῶς οὐχί); 1Kön 8,27 (πλὴν καί), Neh 9,81 (ἔτι δὲ καί); Spr 15,11 (πῶς οὐχὶ καί) nicht präzise wiederge­ ben. 106 Dazu oben S. 50 (bei Anm. 67). Zum Zusammentreffen beider Konjunktionen in einigen Schwurformeln s. oben S. 55 (Anm. 90). 107 S. Koehler/Baumgartner s.v. ‫ ע ַד‬III B b. 108 ἕως οὗ wird erst in der Koine gebräuchlich (Liddell/Scott/Jones s.v. ἕως A 6; ein mögli­ cher früherer Beleg bei Herodot wird angezweifelt: Blass/Debrunner/Rehkopf, § 216, Anm. 10). 109 Einige masoretische Handschriften lesen das Qere als Ketib (s. App. der BHS).

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Die Übersetzung von Konjunktionen

οὐκ εὐαγγελιῇ οὗ ἕνεκεν 110 ὁ υἱὸς τοῦ βασιλέως ἀπέθανεν. (nichtlu­

kianische Handschriften) οὐκ εὐαγγελιῇ ὅτι υἱὸς τοῦ βασιλέως τέθνηκεν. (L-Gruppe)

Entsprechend dem Qere enthielt die Vorlage des Übersetzers ‫כּ ִי־ע ַל־כּ ֵן‬i.111 Die lukianische Lesart ist eine Korrektur nach dem Hebräischen. Der Aus­ fall von ‫ כּ ֵן‬im MT (Ketib) dürfte durch einen Sprung des Auges von ‫ כן‬zu ‫ בן‬entstanden sein. Insgesamt ist der Umgang des Übersetzers mit Kombinationen von ‫כּ ִי‬ mit anderen Konjunktionen wenig auffällig, mit Ausnahme seines ratenden Umgangs mit ‫א ַף כּ ִי‬i.

2.1.7 Ergebnis 2.1.7.1 Zur Arbeitsweise des Übersetzers Für die Vorlage des Übersetzers können 393 Belege für satzverbindendes ‫כּ ִי‬ als gesichert angesehen werden. In 374 Fällen (94 %) verwendet der Über­ setzer ὅτι. Schon diese rein quantitative Feststellung zeigt, dass der Überset­ zer seinem auch sonst zu beobachtenden Prinzip folgt, in hohem Maße Standard-Äquivalente zu verwenden. Für ein differenzierteres Bild muss man nach den einzelnen syntaktischen Funktionen von ‫ כּ ִי‬unterscheiden. Für die Wiedergabe von kausalem ‫כּ ִי‬i(2.1.2.1) benutzt der Übersetzer fast durchgehend kausales ὅτι (in 97% der Fälle). Bei solch schematischer Vor­ gehensweise bleibt unberücksichtigt, dass kausales ὅτι ein engeres Verständ­ nis von Kausalität voraussetzt als kausales ‫כּ ִי‬i. In vielen Fällen wäre deshalb nicht ὅτι, sondern γάρ die richtige Wahl gewesen. Durch seine „easy tech­ nique“ dehnt und überstrapaziert der Übersetzer den Anwendungsbereich von kausalem ὅτι, was nicht unwesentlich dazu beiträgt, dass seine Überset­ zung hebraistisch oder jedenfalls nicht wie ein genuin griechischer Text wirkt. Dies gilt für zeitgenössische Leser umso mehr, als die Frequenz von ὅτι in der Koine rückläufig war. γάρ dagegen wurde noch häufiger benutzt als in der klassischen Periode.112 In den Samuelbüchern gibt es nur sechs Fälle von temporalem ‫כּ ִי‬i (2.1.2.2). In allen Fällen ist die temporale Funktion für den Übersetzer leicht 110 Die meisten Handschriften lesen εἵνεκεν (Rahlfs); der Übersetzer (oder ein Schreiber; s. Louw, Dictation, 221 f) wird aber wohl die gleiche Schreibweise verwendet haben wie in 2Sam 7,22, wo die Handschriften einheitlich ἕνεκεν bezeugen (ἕνεκεν auch 2Sam 6,12; 9,1; 12,21.25; 14,20; 18,18). εἵνεκεν ist eine gegenüber dem in der Koine üblichen ἕνεκεν eine seltene, poetische Nebenform; die attische Form ist ἕνεκα (s. Mayser I, § 55 Nr. 7). 111 Vgl. 2Sam 7,22, wo ἕνεκεν Wiedergabe für ‫ ע ַל־כּ ֵן‬ist, sowie die Wiedergabe von ‫כּ ִי־ע ַל־כּ ֵן‬ durch οὗ εἵνεκεν in Gen 18,5; 19,8; 38,26; Num 10,31; 14,43. Neben den genannten Stellen kommt ‫ כּ ִי־ע ַל־כּ ֵן‬lediglich Gen 33,10 vor (ἕνεκεν τούτου). 112 Beobachtet von Aejmelaeus, On the Trail, 18, anhand einer Analyse von Texten der Koine.

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Die Wiedergabe von satzverbindendem ‫כּ ִי‬

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erkennbar. Zur Wiedergabe verwendet er ὅτε und ὅταν sowie einmal heb­ raistisch (καὶ ἔσται) ἐάν. Bei der Wiedergabe von ‫כּ ִי‬i, das Objektsätze zu verba dicendi, sentiendi und affectuum einleitet (2.1.3.1), benutzt der Übersetzer durchgehend ὅτι. Hier kommt ihm entgegen, dass die griechische Syntax an diesem Punkt der hebräischen sehr ähnlich ist: Die den hebräischen Objektsatz einleitende Konjunktion ‫ כּ ִי‬kann regelmäßig und ohne sprachlichen Qualitätsverlust durch ὅτι wiedergegeben werden. Gleiches gilt für fast alle objektartigen Ergänzungen bestimmte Fragepartikeln (2.1.3.2). Eine Besonderheit der Übersetzungsweise ist die überladene Wieder­ gabe von adversativem ‫ כּ ִי‬und ‫כּ ִי א ִם‬i (2.1.4) mit ὅτι ἀλλ᾽ ἤ oder ἀλλ᾽ ἢ ὅτι. Sie ist allerdings mit textkritischer Unsicherheit behaftet, weil ὅτι auch in Annäherung an den masoretischen Texttyp ergänzt worden sein könnte. Bei den für die Samuel- und Königebücher typischen Schwurformulie­ rungen (2.1.5) gibt der Übersetzer ‫ כּ ִי‬an der Schnittstelle zum Schwurinhalt mit ὅτι wieder. In diesen Fällen wirkt ὅτι wie ein ὅτι recitativum, ohne allerdings stilistisch überzeugend zu sein. In 2Sam 2,27 unterläuft dem Übersetzer – anders als in den analogen Fällen 1Sam 14,39; 25,34 – mit der Übersetzung des wiederholten ‫ כּ ִי‬ein Fehler. Die Grenzen des Übersetzers werden auch bei der Wiedergabe der Kombination ‫ א ַף כּ ִי‬deutlich (2.1.6), die er offensichtlich ratend wiedergibt. Insgesamt zeichnet sich die Wiedergabe von ‫ כּ ִי‬durch ein hohes Maß an Standardisierung aus, allerdings ohne dass der Übersetzer mechanisch arbei­ ten und den Inhalt aus dem Auge verlieren würde. Auf besondere sprachli­ che Herausforderungen reagiert er bei aller „easy technique“ in der Regel adäquat (1Sam 13,13; 26,10; 2Sam 7,11 f). Festzuhalten ist aber auch, dass ein Teil der Abweichungen vom Überset­ zungsstandard nicht auf Gestaltungswillen, sondern auf Verlegenheiten zurückgeht, die durch Probleme mit dem Hebräischen entstehen: Eine fal­ sche Vokalisierung (1Sam 27,8) oder inhaltliche Missverständnisse (2Sam 19,7; 23,4 f) führen zu Übersetzungen, die man nicht als gelungen bezeich­ nen kann. An der Arbeit des Übersetzers ist deutlich zu erkennen, dass er die griechische Sprache besser beherrscht als das Hebräische. Dies führt zu der abschließenden Überlegung, dass dieser Übersetzer durchaus zu einem idiomatischeren Griechisch in der Lage gewesen wäre – mit seiner Zielsprache geht er insgesamt sehr souverän um. Es hätte ihn bei­ spielsweise nicht überfordert, häufiger auch γάρ als Äquivalent für kausales ‫ כּ ִי‬zu verwenden. Es lag aber außerhalb dessen, was ihm wichtig war. Er hatte nicht das Ziel, so zu übersetzen, dass die Übersetzung nicht wie eine Übersetzung wirkt. Einem solchen Ideal folgen heutige Übersetzer: Es ist eine Art conditio sine qua non für eine gelungene Übersetzung, dass sie sich „flüssig“ wie ein originär in der Zielsprache verfasster Text liest. Heutige Ideale dürfen nicht anachronistisch an die Übersetzer der Septuaginta herangetragen werden.

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Die Übersetzung von Konjunktionen

2.1.7.2 Vergleich mit anderen Übersetzern Ein Vergleich mit anderen Übersetzern der LXX ist wegen der syntakti­ schen Breite von ‫ כּ ִי‬nur auf qualitativem Weg möglich. Rein quantitative Auswertungen, wie sie mit Hilfe der EDV für andere Phänomene durchaus aussagekräftig sein können, machen für ‫ כּ ִי‬wenig Sinn. Ein Vergleich mit der Übersetzungsweise in anderen Büchern ist deshalb darauf angewiesen, auf übersetzungstechnische Untersuchungen anderer Forscherinnen und Forscher zurückgreifen zu können. Den kausalen Gebrauch von ‫ כּ ִי‬hat Anneli Aejmelaeus in einer umfassen­ den Studie dargestellt und dabei die Übersetzungsweise in den verschiede­ nen Büchern der LXX verglichen.113 Sie stellt auch für eher freie Übersetzer wie diejenigen des Pentateuchs fest, dass sie das eigentlich streng kausale ὅτι auch verwenden „in connections with little causal force“,114 was guter grie­ chischer Syntax nicht entspricht. Das Problem- bzw. Stilbewusstsein der Übersetzer in dieser Sache kann daran gemessen werden, wie häufig sie für kausales ‫כּ ִי‬i(besonders, wenn es eher lose anknüpft) nicht ὅτι, sondern γάρ als Äquivalent verwenden:115 Im Pentateuch liegt der Anteil von γάρ als Wiedergabe von kausalem ‫ כּ ִי‬zwischen 26 % (Deuteronomium) und 85 % (Exodus), und auch die Übersetzer von Ester o’, Hiob, Sprüche, Jesaja und Josua lassen durch einen nennenswerten Anteil von γάρ erkennen, dass sie sich (zumindest intuitiv) der Problematik bewusst sind. Die anderen Über­ setzungen verwenden dagegen fast ausschließlich ὅτι zur Wiedergabe von kausalem ‫כּ ִי‬i. Die im Allgemeinen als wörtlich geltenden Übersetzer arbei­ ten auch an diesem Punkt wörtlich; so auch der Samuelübersetzer. Für die Bücher Josua und Richter hat Seppo Sipilä die Übersetzungs­ weise von ‫כּ ִי‬i (in kausaler und den anderen syntaktischen Funktionen) ana­ lysiert.116 Für einen Vergleich mit Samuel-Könige sind diese Bücher als geschichtliche Bücher besonders interessant. Während bei Josua 42 % der Fälle von mit ὅτι oder γάρ übersetztem kausalem ‫ כּ ִי‬mit γάρ übersetzt sind,117 spielt γάρ im Richterbuch (1 %)118 wie in den Samuelbüchern (1 %) praktisch keine Rolle. Temporales ‫ כּ ִי‬erkennen die Übersetzer von Josua und Richter und geben es mit unterschiedlichen temporalen Konjunktionen wieder. Wegen der niedrigen Zahl der Belege ist ein übersetzungstechnischer Vergleich 113 OTI causale in Septuagintal Greek. Erstveröffentlichung in La Septuaginta en la Investiga­ ción Contemporánea (V Congreso de la IOSCS), Madrid 1985; im Folgenden zitiert nach Aejmelaeus, On the Trail, 11–29. 114 Aejmelaeus, On the Trail, 16. 115 Aejmelaeus, On the Trail, 20–22. 116 Sipilä, Seppo, Between Literalness and Freedom. Translation Technique in the Septuagint of Joshua and Judges Regarding the Clause Connections Introduced by ‫ ו‬and ‫כי‬i, Helsinki/ Göttingen 1999. 117 S. Sipilä, 166 (der eine Fall von διότι, Jos 6,25, wurde hinzugezählt). Einen Anteil von rund 50 % hatte bereits Aejmelaeus, On the Trail, 20, ermittelt. 118 S. Sipilä, 166 (ebenfalls unter Hinzuzählung von Jos 6,25).

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Die Wiedergabe von satzverbindendem ‫כּ ִי‬

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allerdings nicht möglich.119 Bei Objektsätzen wird in Josua und Richter erwartungsgemäß ὅτι verwendet,120 für Adversativsätze einfaches ἀλλά.121 Letzteres unterscheidet Josua und Richter vom Übersetzer der Samuelbü­ cher.122 Am Punkt der Wiedergabe von ‫ כּ ִי‬in Schwurformulierungen ist ein über­ setzungstechnischer Vergleich kaum möglich, weil es außerhalb von Samuel und Könige praktisch keine Belege gibt. In Ruth 1,17; 2Chr 18,13 ist jeweils ὅτι verwendet. Ansonsten finden sich diese Formulierungen nur im Könige­ buch, das vom gleichen Übersetzer wie Samuel übersetzt sein könnte123 und wo durchgehend ὅτι verwendet ist: Typus ‫חַי־י ְהו ָה‬i: 1Kön 2,24; 18,15; ֹ ֱ ‫כּה־י ַע ֲשׂ ֶה א‬ ֹ i: 1Kön 22,14; 2Kön 3,14; 5,20 (‫ כּ ִי א ִם‬/ ὅτι εἰ μή); Typus ‫לה ִים‬ 2,23; 19,2. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Möglichkeiten übersetzungs­ technischer Vergleiche bei der Wiedergabe von ‫ כּ ִי‬begrenzt sind, weil für einen Vergleich der Übersetzungsweise der nicht-kausalen Belege entspre­ chende Studien fehlen (mit Ausnahme von Josua und Richter). Bei der Wie­ dergabe von kausalem ‫ כּ ִי‬zeigt sich für den Samuelübersetzer eine beson­ ders wörtliche Vorgehensweise; er gehört in eine Gruppe mit den anderen historischen Büchern (mit Ausnahme von Josua), dem Psalter und den Pro­ pheten (mit Ausnahme von Jesaja und Daniel o’). 2.1.7.3 Zu den Rezensionen In der Kaige-Rezension sind bei den Äquivalenten für ‫ כּ ִי‬kaum Unter­ schiede zu Old Greek zu beobachten. Das kann kaum überraschen, denn dass der Samuelübersetzer ‫ כּ ִי‬weitgehend durch ὅτι wiedergegeben hatte, war im Sinne der Rezensenten. Bei kausalem und adversativem ‫ כּ ִי‬gibt es vereinzelte Eingriffe, welche die Eins-zu-eins-Entsprechung von ‫ כּ ִי‬und ὅτι noch erhöhen. Erhebliche Eingriffe der Kaige-Rezensenten wurden im Exkurs zur Wie­ dergabeweise von ‫ ו ַי ְה ִי‬festgestellt: Die Rezensenten überführen Passivfor­ men von γίνομαι ins Medium. Das stellt die Textkritik für die Rekonstruk­ tion von Old Greek in den Kaige-Abschnitten der Samuel- und auch Köni­ gebücher vor besondere Herausforderungen, weil auch die lukianische Rezension Passiva von γίνομαι in Media ändert.

119 S. Sipilä, 179: „The difference […‫[ ]ו‬between Joshua and Judges] is not significant. […‫ ]ו‬One should […‫ ]ו‬bear in mind that the total number of cases under discussion here is very low.“ 120 S. Sipilä, 180–189. 121 S. Sipilä, 189–192. Sipilä beschränkt seine Untersuchung auf diejenigen Adversativsätze, die von einfachem ‫ כּ ִי‬eingeleitet werden, so dass Adversativsätze mit ‫כּ ִי א ִם‬i (z. B. Jos 14,4) unberücksichtigt bleiben. 122 Allerdings basiert diese Aussage für das Richterbuch auf lediglich einem Beleg (Ri 15,13; s. Sipilä, 190), für den es unterschiedliche Lesarten gibt (A-Text ἀλλά, B-Text ὅτι ἀλλ᾽ ἤ). 123 S. dazu unten Abschnitt 6.1.4.

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Die Übersetzung von Konjunktionen

Die lukianische Rezension greift sporadisch bei den Wiedergaben von ‫כּ ִי‬ ein. In einigen Fällen (nach Vokalen und inhaltlichen Zäsuren) ändert sie ὅτι zu διότι. Einige Male wird ὅτι bei Adversativsätzen aus stilistischen Gründen weggelassen. Erstaunlich ist, dass der L-Text die sehr ungelenke Konjunktionsanhäufung ὅτι ἀλλ᾽ ἤ nicht konsequenter verbessert: ὅτι fehlt in der L-Gruppe nur in vier der insgesamt elf Fälle. An diesem Punkt scheint der Wunsch nach Konkordanz mit dem masoretischen Text124 stär­ ker gewesen zu sein als stilistische Erwägungen. Es ist aber auch möglich, dass die stilistischen Verbesserungen einer anderen rezensionellen Schicht angehören als die Annäherungen an den masoretischen Texttyp125 und dass letztere erstere teilweise überlagern.

124 Sebastian Brock engt diese Tendenz ausdrücklich nicht auf hexaplarischen Einfluss ein (Brock, Recensions, 299), auch wenn er darin den Hauptfaktor sieht (ebd., 297–299). 125 S. Brock, Recensions, 306.

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Die Wiedergabe von satzverbindendem ְ ‫ו‬i

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2.2 Die Wiedergabe von satzverbindendem ְ ‫ו‬i 2.2.1 Zur Methodik ְ ‫ ו‬ist mit über 50.000 Belegen im MT die mit Abstand häufigste Konjunktion

des biblischen Hebräisch. Anneli Aejmelaeus hat in ihrer Monographie „Parataxis in the Septuagint“1 für die Bücher des Pentateuchs gezeigt, dass die Wiedergabe der hebräischen Kopula, wo sie satzverbindend ist,2 ein lohnender Gegenstand übersetzungstechnischer Untersuchungen ist: Die Arbeitsweise einzelner Übersetzer kann anhand ihres Umgangs mit ְ ‫ ו‬gegen­ einander profiliert werden. In Anknüpfung an Aejmelaeus hat Seppo Sipilä entsprechende Untersuchungen für die Bücher Josua und Richter durchge­ führt.3 ְ ‫ ו‬ist ein umfassend anwendbarer, a se nicht hierarchisierender Satzverbin­ der: „It places […‫ ]ו‬clauses one after another.“4 Ob eine gleichordnende, unterordnende, anknüpfende oder entgegensetzende Beziehung zwischen durch ְ ‫ ו‬koordinierten Sätzen besteht und welcher Art diese Beziehung ist, kann durch weitere syntaktische Elemente angezeigt werden. Meistens ergibt sich die Verhältnisbestimmung jedoch ausschließlich aus dem Inhalt. In der griechischen Sprache steht eine solchermaßen „universale“ Kon­ junktion nicht zur Verfügung. Vielmehr hat das Griechische ein großes Repertoire an Konjunktionen,5 die eine mehr oder weniger breite Semantik haben und die eine differenzierende Verbindung von Sätzen ermöglichen und bewirken. Dies lässt sich am Beispiel einer Verhältnisbestimmung der häufigen Konjunktionen καί, δέ und ἀλλά zeigen.6 Während καί nur Gleichartiges, nicht aber Gegensätzliches verbindet,7 signalisiert ἀλλά stets 1 2

3

4 5 6

7

Aejmelaeus, Anneli, Parataxis in the Septuagint. A Study of the Renderings of the Hebrew Coordinate Clauses in the Greek Pentateuch, Helsinki 1982. ְ ‫ ו‬verbindet „nouns on the phrasal level and it conjoins clauses“ (Waltke/O’Connor, § 39.2.1 a). Die Untersuchung der Verbindung von Nomen („phrasal level“) ist überset­ zungstechnisch nicht so ertragreich wie die Untersuchung der Satzverbindung. Für Samuel lässt sich die Arbeitsweise auf dem „phrasal level“ so zusammenfassen: Fast immer ver­ wendet der Übersetzer καί; ganz selten ἤ (1Sam 12,3 ter; 25,36), οὐδέ (1Sam 6,12; 2Sam 2,19) und μηδέ (1Sam 16,7). Bei Zahlkonstruktionen wie ‫לשׁ־מ ֵאֹות ו ְשׁ ִשּׁ ִים‬ ֹ ְ ‫ = שׁ‬τριακοσίους ἑξήκοντα (2Sam 2,31) oder bei Präpositionsphrasen wie ‫מ ִן… ו ְע ַד‬i(1Sam 22,19; 2Sam 6,19; 7,6; 8,8 u. a.) bleibt ְ ‫ ו‬einige Male unrepräsentiert. Sipilä, Seppo, Between Literalness and Freedom. Translation Technique in the Septuagint of Joshua and Judges Regarding the Clause Connections Introduced by ‫ ו‬and ‫כי‬i, Helsinki/ Göttingen 1999. Waltke/O’Connor, § 39.2.1 c. Alleine in der Septuaginta werden 55 verschiedene Konjunktionen verwendet (ermittelt mit dem Word List Manager von Bible Works). Zu der im Folgenden gegebenen Beschreibung von καί, δέ und ἀλλά s. Aejmelaeus, Para­ taxis, 14–16, wo sie im Dialog mit den Ergebnissen der Forschung eine Verhältnisbestim­ mung dieser Konjunktionen untereinander vornimmt. Für καί gilt, dass es „Zusammengehöriges verbindet und die verbundenen Begriffe oder Gedanken als eine Einheit darstellt“ (Kühner/Gerth II, § 521, 1).

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Die Übersetzung von Konjunktionen

einen klaren Gegensatz.8 δέ ist breiter einsetzbar und kann beide Pole ver­ treten: Es „wird sowohl adversativ als auch kopulativ gebraucht“.9 In sei­ nem kopulativen Gebrauch unterscheidet es sich dennoch von καί, denn es deutet „etwas Neues und von dem Vorhergehenden Verschiedenes an“.10 Von ἀλλά wiederum unterscheidet sich δέ darin, dass es keinen zwingend entgegensetzenden Charakter hat: Es kann Kontinuität und Differenz in ganz unterschiedlichem Grad betonen.11 Die starke Ausdifferenzierung des griechischen Konjunktionssystems führt dazu, dass für eine idiomatische Übersetzung von ְ ‫ ו‬stets eine genaue Verhältnisbestimmung der durch ְ ‫ ו‬verbundenen Sätze bzw. Satzteile nötig ist. Es gibt keine griechische Konjunktion, die die gesamte semantische Bandbreite von ְ ‫ ו‬wiedergeben könnte. Wenn ein Übersetzer idiomatisch arbeiten will, muss er zumindest regelmäßig die Äquivalente καί und δέ sowie eine Nicht-Repräsentation der Kopula erwägen. In den Samuelbüchern gibt es im MT über 4600 Belege für ְ ‫ו‬i. Eine elektro­ nische Auswertung mit Hilfe der Tov-Polak-Datenbank12 ergibt, dass der hebräischen Kopula in 95 % der Fälle καί gegenübersteht.13 Diese (im Ver­ gleich zu den meisten anderen Büchern) hohe Frequenz14 macht deutlich, dass der Samuelübersetzer bei der Wiedergabe von ְ ‫ ו‬sehr wörtlich arbeitet. Zwar ist eine solche elektronisch ermittelte Statistik dadurch unscharf, dass sie auch den Gebrauch von ְ ‫ ו‬auf dem „phrasal level“15 umfasst sowie Fälle einschließt, bei denen die Verwendung von καί kein Indikator für Wörtlich­ keit ist.16 Dennoch gibt sie einen guten Eindruck von der Arbeitsweise eines Übersetzers. Das zeigt ein Vergleich mit den Ergebnissen der qualitativ durchgeführten Untersuchungen von Aejmelaeus und Sipilä: Die in diesen Studien als freier beschriebenen Übersetzungen weisen auch in der elektro­ 8

ἀλλά drückt „Verschiedenheit, Trennung und Scheidung aus“ (Kühner/Gerth II, § 534, 1,

Hervorhebung des Originals aufgehoben). 9 Blass/Debrunner/Rehkopf, § 447, 1. 10 Kühner/Gerth II, § 531, 1 (Hervorhebung des Originals aufgehoben). S. weiter ebd., § 526, 2: „Δέ giebt das adversative Verhältnis am allgemeinsten an und kann jede Art des Gegen­ satzes bezeichnen.“ 11 S. Aejmelaeus, Parataxis, 14 f. 12 Ein Modul von BibleWorks. 13 Bei dieser Statistik habe ich diejenigen Teile des Samuelbuchs nicht berücksichtigt, die keine Entsprechung in der LXX haben, insbesondere in 1Sam 17 f. 14 So ergibt die rein elektronische, qualitativ nicht gewichtete Auszählung der Wiedergabe­ quote von ְ ‫ ו‬durch καί für Gen 67 %, Ex 75 %, Lev 85 %, Num 87 % und Dtn 84 %; für Jos 89 %. Von den übrigen Büchern der LXX haben besonders niedrige Entsprechungen Spr (32 %) und Hiob (34 %); am anderen Ende der Skala stehen Samuel (95 %), Richter (96 %) und 2. Könige (98 %). Zu weiteren Büchern s. die Tabelle unten S. 85. 15 S. oben Anm. 2. 16 καί entspricht als Wiedergabe von ְ ‫ ו‬in vielen Fällen der griechischen Syntax. Allerdings gibt es auch zahlreiche Fälle, bei denen eine andere Übersetzung, insbesondere δέ, wesent­ lich besser wäre bzw. wo gar kein Äquivalent verwendet werden sollte (s. Aejmelaeus, Parataxis, 122–125; 145–147; 155; Sipilä, 22 f). Wie häufig der Übersetzer in diesen Fällen καί verwendet, sagt etwas über seine Wörtlichkeit aus.

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Die Wiedergabe von satzverbindendem ְ ‫ו‬i

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nischen Globalstatistik niedrigere Anteile der Entsprechung von ְ ‫ ו‬durch καί auf. Das von Sipilä als sehr wörtlich charakterisierte Richterbuch17 hat mit 96 % dagegen eine ähnlich hohe Wiedergabefrequenz mit καί. Die ebenfalls hohe Wörtlichkeit bei der Wiedergabe von ְ ‫ ו‬in den Samuel­ büchern lässt es methodisch nicht sinnvoll erscheinen, die Übersetzungs­ weise jedes einzelnen Belegs von ְ ‫ ו‬zu untersuchen. Deshalb passe ich die von Aejmelaeus entwickelte und von Sipilä fortgeschriebene Methodik den Bedingungen eines wörtlich arbeitenden Übersetzers an, indem ich den Schwerpunkt auf diejenigen Fälle lege, bei denen καί nicht Äquivalent für ְ ‫ו‬ ist. Denn nur an diesen Fällen können individuelle Züge eines ansonsten wörtlich arbeitenden Übersetzers deutlich werden, d. h. nur sie können das Bild, dass wir es mit einem in hohem Maße standardisierenden Übersetzer zu tun haben, um individuelle Facetten ergänzen.18 Die Untersuchung beschränke ich auf den Non-Kaige-Bereich und grup­ piere die Fälle im Anschluss an die Studie von Aejmelaeus19 in 2.2.2 Parataxe von gleichgeordneten Sätzen; 2.2.3 Verbindungen von ְ ‫ ו‬mit einer unterordnenden Konjunktion;20 2.2.4 Einleitung einer Apodosis mit ְ ‫ו‬i(einschließlich des casus pendens). Von der Auswertung der Übersetzungsweise habe ich diejenigen Fälle aus­ geschieden, bei denen ein Vergleich zwischen MT und LXX zunächst eine andere Übersetzungsweise als καί nahelegt, eine genauere Analyse aber ergibt, dass der Unterschied auf die Vorlage des Übersetzers zurückgeht, wie zum Beispiel in 1Sam 2,20 ‫קנ ָה ו ְא ֶת־א ִשׁ ְתֹּו ו ְא ָמ ַר י ָשׂ ֵם י ְהו ָה ל ְך ָ ז ֶרַע‬ ָ ְ ‫וּב ֵרַך ְ ע ֵל ִי א ֶת־א ֶל‬ ‫ מ ִן־ה ָא ִשּׁ ָה ה ַֹזּאת‬καὶ εὐλόγησεν Ἠλὶ τὸν Ἐλκανὰ καὶ τὴν γυναῖκα αὐτοῦ #λέγων Ἀποτείσαι σοι Κύριος σπέρμα ἐκ τῆς γυναικὸς ταύτης.

Statt ‫ ו ְא ָמ ַר‬liest 4QSama ‫לאמור‬i.21 Es ist sehr wahrscheinlich, dass der Über­ setzer eine gleichlautende Vorlage hatte.22

17 S. Sipilä, 193–198. 18 Unberücksichtigt gelassen habe ich jene 160 Belege, bei denen die LXX καί, der MT aber nicht ְ ‫ ו‬hat (z. B. 1Sam 1,13 καὶ οἱ δύο υἱοί), weil sie oft mit hoher textkritischer Unsicher­ heit behaftet sind und überdies lediglich weitere Belege für wörtliche Wiedergaben von ְ ‫ו‬ durch καί liefern könnten. 19 S. oben Anm. 1. 20 Aejmelaeus weist darauf hin, dass sich die Verbindung von Hauptsätzen durch ְ ‫ ו‬nicht prinzipiell von einer Verbindung von Nebensätzen durch ְ ‫ ו‬unterscheidet, sofern ְ ‫ ו‬nicht mit einer unterordnenden Konjunktion verbunden ist (Aejmelaeus, Parataxis, 148). Diese Beobachtung wurde von Sipilä, 129–138, kritisch überprüft und bestätigt. 21 Die Konstellation, dass der MT eine finite Form von ‫ אמר‬liest, die LXX λέγων und 4QSama ‫לאמר‬i, findet sich auch in 1Sam 2,36 und 2Sam 6,9. 22 Statt ‫ י ָשׂ ֵם‬hat 4QSama ‫ישׁלם‬i (‫ שׁלם‬Piel ‚Ersatz leisten‘) und überliefert damit die Vorlage

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Die Übersetzung von Konjunktionen

1Sam 19,11 ‫קר‬ ֶ ‫בּ‬ ֹ ַ ‫ ו ַיּ ִשׁ ְל ַח שׁ ָאוּל מ ַל ְא ָכ ִים א ֶל־בּ ֵית דּ ָו ִד ל ְשׁ ָמ ְרֹו ו ְל ַה ֲמ ִיתֹו בּ‬καὶ ἀπέστειλεν Σαοὺλ ἀγγέλους εἰς οἶκον Δαυὶδ φυλάξαι αὐτὸν, τοῦ #θανατῶσαι αὐτὸν πρωί · Eine hebräische Handschrift liest ‫להמיתו‬i.23 Auch hier gehe ich von einer entsprechenden Vorlage aus, wenn auch nicht mit gleich hohem Grad an Wahrscheinlichkeit wie beim vorigen Beispiel. Für die Untersuchung der Übersetzungsweise können solche Stellen wegen der textkritischen Unsi­ cherheit in keinem Fall Gewicht bekommen.

2.2.2 ְ ‫ ו‬als Verbinder gleichgeordneter Sätze 2.2.2.1 Wiedergabe durch καί Die mit Abstand häufigste Wiedergabe von ְ ‫ ו‬bei der Verbindung gleichge­ ordneter Sätze ist καί, wie bereits die Globalstatistik zeigt.24 καί eignet sich bei der Verbindung gleichgeordneter Sätze in denjenigen Fällen, wo inhalt­ lich Gleichartiges verbunden wird. ֹ ֱ ‫בנ ִי ו ַיּ ַע ַב ְדוּ א‬ ֻ ְ ‫ ו ַיּ ַע ַז‬καὶ ἐγκατέλιπόν με καὶ ἐδού­ 1Sam 8,8 ‫לה ִים א ֲחֵרִים‬ λευον θεοῖς ἑτέροις.

Die Anbindung des zweiten Satzes durch καί ist idiomatisch. ִ ְ ‫ ו ַא ֲנ ִי א ֵצֵא ו ְע ָמ ַד‬καὶ ἐγὼ ἐξελεύσομαι καὶ 1Sam 19,3 ‫תּי ל ְי ַד־א ָב ִי בּ ַשּׂ ָד ֶה‬ στήσομαι ἐχόμενος τοῦ πατρός μου ἐν ἀγρῷ.

Auch hier ist die Satzverbindung durch καί nicht auffällig. ֹ ְ ‫תּחֲֹות ו ְל ִז‬ ַ ְ ‫ו ְע ָל ָה ה ָא ִישׁ ה ַהוּא מ ֵע ִירֹו מ ִיּ ָמ ִים י ָמ ִימ ָה ל ְה ִשׁ‬ 1Sam 1,3 ‫בּחַ ל ַיהו ָה‬ ‫כּה ֲנ ִים ל ַיהו ָה‬ ֹ ‫לה ו ְשׁ ָם שׁ ְנ ֵי ב ְנ ֵי־ע ֵל ִי חָפְנ ִי וּפִנ ְחָס‬ ֹ ִ ‫ צְב ָאֹות בּ ְשׁ‬καὶ ἀνέβαινεν der LXX. Vgl. 2Sam 12,6; 15,7, wo ἀποτίνω ebenfalls Äquivalent für ‫ שׁלם‬Piel ist (1Sam 24,10 ἀνταποτίνω). 23 Vermerkt bei Beling, 57, der zutreffend kommentiert: „M [=MT] seems to have added the waw by dittography. […‫ ]ו‬There is the possibility, however, that the variant tradition omit­ ted the waw by haplography.“ (ebd.) Beling hat unterschiedliche Lesarten für ְ ‫ ו‬in den heb­ räischen Handschriften untersucht und mit Lesarten der LXX-Handschriften verglichen (ebd., 50–61). Im Rückblick auf seine Untersuchung formuliert er ein Ergebnis, das sich im Hinblick auf eine vom MT oft abweichende Vorlage der LXX durch die Funde von Qum­ ran wenig später eindrucksvoll bestätigen sollte: „The multiplicity of agreements between the Hebrew Variants and the Greek has removed the possibility that coincidence alone was sufficient to create these agreements. We are forced to conclude that those first translators of the Hebrew Old Testament into Greek (the LXX) had a Hebrew archetype which had readings which were similar to those preserved in the Hebrew Variants.“ (ebd., 168). 24 S. oben bei Anm. 13.

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Die Wiedergabe von satzverbindendem ְ ‫ו‬i

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ὁ ἄνθρωπος ἐξ ἡμερῶν εἰς ἡμέρας ἐκ πόλεως αὐτοῦ ἐξ Ἁρμαθάιμ προσκυνεῖν καὶ θύειν τῷ Κυρίῳ θεῷ σαβαὼθ εἰς Σηλώ · καὶ ἐκεῖ Ἠλὶ καὶ οἱ δύο υἱοὶ αὐτοῦ Ὁφνὶ καὶ Φινεὲς ἱερεῖς τοῦ Κυρίου.

Die Wiedergabe von ְ ‫ ו‬durch καί ist eine naheliegende Übersetzung, weil hier Sätze einer gleichmäßig fortlaufenden Erzählung verbunden werden. Stilis­ tisch ist καί jedoch unglücklich, weil das Subjekt wechselt und ein neuer Aspekt der Erzählung eingeführt wird. δέ wäre die bessere Wahl gewesen.25 1Sam 12,10 ‫בד‬ ֹ ֲ ‫חָטָאנוּ כּ ִי ע ָז ַב ְנוּ א ֶת־י ְהו ָה ו ַנּ ַע‬

26

‫ו ַיּ ִז ְע ֲקוּ א ֶל־י ְהו ָה ו ַֹיּאמ ְרוּ‬ ָ ‫אי ְב ֵינוּ ו ְנ ַע ַב ְד ֶךּ‬ ֹ ‫תּה ה ַצִּיל ֵנוּ מ ִיּ ַד‬ ָ ַ ‫תּרֹות ו ְע‬ ָ ְ ‫ א ֶת־ה ַבּ ְע ָל ִים ו ְא ֶת־ה ָע ַשׁ‬καὶ ἐβόη­ σαν πρὸς Κύριον καὶ ἔλεγον Ἡμάρτομεν, ὅτι ἐγκατελίπομεν τὸν Κύριον καὶ ἐδουλεύσαμεν τοῖς Βααλίμ καὶ τοῖς ἄλσεσιν · καὶ νῦν ἐξε­ λοῦ ἡμᾶς ἐκ χειρὸς ἐχθρῶν ἡμῶν, καὶ δουλεύσομέν σοι.

Auch in diesem Fall fügt sich die Satzverbindung durch καί nicht gut in die griechische Idiomatik ein, denn bei ‫תּה‬ ָ ַ ‫ ו ְע‬ändert sich die Erzählperspektive (das Sündenbekenntnis geht über in eine Bitte an JHWH).27 Hier wäre etwa νῦν οὖν als Wiedergabe besser gewesen.28 1Sam 17,45 ‫תּה בּ ָא א ֵל ַי בּ ְחֶרֶב וּב ַחֲנ ִית וּב ְכ ִידֹון ו ְא ָֹנכ ִי ב ָא־א ֵל ֶיך ָ בּ ְשׁ ֵם י ְהו ָה‬ ָ ַ‫א‬ Σὺ ἔρχῃ πρός με ἐν ῥομφαίᾳ καὶ ἐν δόρατι καὶ ἐν ἀσπίδι, κἀγὼ πορεύομαι πρὸς σὲ ἐν ὀνόματι Κυρίου. Die Aussage Davids benennt eine pointiert gegensätzliche Herangehens­ weise an den bevorstehenden Kampf. Die Subjekte des Satzes, ‫תּה‬ ָ ַ ‫ א‬und ‫א ָֹנכ ִי‬i, werden durch ihre Stellung betont und mit ihnen die unterschiedliche Sichtweise von David und Goliath. Die Sätze stehen in einem adversativen Verhältnis zueinander. Im Griechischen wäre beispielsweise ἐγὼ δέ wesent­ lich besser als κἀγώ;29 die Partikel μέν hätte die Gegenüberstellung unter­ streichen können.30 25 S. Kühner/Gerth II, §§ 531, 1 und 532, 1. 26 Ketib. 27 ‫תּה‬ ָ ַ ‫ ו ְע‬wird benutzt für „introducing a new subject or section“ (Koehler/Baumgartner s.v. ‫תּה‬ ָ ַ ‫ע‬i 3; ähnlich Gesenius, Handwörterbuch, s.v. ‫תּה‬ ָ ַ ‫ ע‬d: „Beginn eines neuen Abschnittes, einer neuen Handlung od. Szene, z. Markierung eines neuen Gedankens“). 28 S. Aejmelaeus, Parataxis, 57 f, wo sie die Verwendung von νῦν οὖν als Wiedergabe von ‫תּה‬ ָ ַ ‫ ו ְע‬im Pentateuch beschreibt. Ich bin mir der Problematik des Urteils, eine andere Über­ setzung sei besser, durchaus bewusst (s. Sipilä, 41, Anm. 56), gebe solche Einschätzungen aber dennoch in einigen Fällen. 29 ἐγὼ δέ V CI L f 29 55 71 158 245 318 707. 30 μέν kommt in der Septuaginta sehr selten vor: 13-mal in Hiob; neunmal in Dan; siebenmal in Gen; fünfmal in Ex; je viermal in Lev und Spr; je dreimal in Sam (1Sam 20,14; 2Sam 11,25; 15,33) und Est; je zweimal in Num und im Dodekapropheton; je einmal in Dtn und Ps. Zahlreich sind die Belege dagegen in den originär griechischen Schriften 2Makk (62mal); 3Makk (20-mal); 4Makk (36-mal) und SapSal (32-mal).

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Die Übersetzung von Konjunktionen

Es lassen sich zahlreiche weitere Beispiele finden, bei denen die Verwen­ dung von καί durch den Übersetzer keinen idiomatischen griechischen Stil ergibt.31 Entsprechend meinem methodischen Ansatz konzentriere ich mich im Folgenden auf die wenigen Fälle, in denen der Übersetzer nicht καί als Ent­ sprechung für ְ ‫ ו‬wählt. Von diesen Fällen ist zu erwarten, dass sie eine Aus­ differenzierung des Bilds ermöglichen, die über die Aussage hinausgeht, dass der Übersetzer sehr wörtlich arbeitet und καί regelmäßig auch dann benutzt, wenn eine andere Konjunktion stilistisch besser wäre. 2.2.2.2 Asyndetische Satzverbindung Die häufigste alternative Wiedergabeweise für καί ist mit 22 Fällen (NonKaige-Bereich) die Nicht-Wiedergabe der Kopula,32 wodurch asyndetische Satzgefüge entstehen.33 Oft handelt es sich bei diesen Belegen um wörtliche Rede.34 1Sam 1,17 ‫תך ְ א ֲשׁ ֶר‬ ֵ ָ ‫תּן א ֶת־שׁ ֵל‬ ֵ ִ ‫לה ֵי י ִשׂ ְרָא ֵל י‬ ֹ ‫ו ַיּ ַע ַן ע ֵל ִי ו ַֹיּאמ ֶר ל ְכ ִי ל ְשׁ ָלֹום ו ֵא‬ ‫תּ מ ֵע ִמֹּו‬ ְ ְ ‫ שׁ ָא ַל‬καὶ ἀπεκρίθη Ἠλὶ καὶ εἶπεν αὐτῇ Πορεύου εἰς εἰρήνην ·

#ὁ θεὸς35 Ἰσραὴλ δῴη σοι πᾶν αἴτημά σου ὃ ᾐτήσω παρ᾽ αὐτοῦ.

ָ ִ ‫בר א ֶחָד מ ֵה ַנּ ְע ָרִים ו ְי‬ ֹ ֲ ‫ו ַיּ ַע ַן דּ ָו ִד ו ַֹיּאמ ֶר ה ִנּ ֵה ה ַחֲנ ִית ה ַמּ ֶל ֶך ְ ו ְי ַע‬ 1Sam 26,22 ָ ‫קּחֶה‬ καὶ ἀπεκρίθη Δαυὶδ καὶ εἶπεν Ἰδοὺ τὸ δόρυ τοῦ βασιλέως, διελθέτω 36 εἷς τῶν παιδαρίων καὶ λαβέτω αὐτό.

Dass wörtliche Rede mit 73 % der Belege überdurchschnittlich37 vertreten ist, dürfte kein Zufall sein. Der Übersetzer scheint sich in die Dialoge hineinzuversetzen38 und es in den asyndetischen Fällen als natürlichen Sprachfluss zu empfinden, nicht καί oder ein anderes Äquivalent für ְ ‫ ו‬zu 31 Beispiele inhaltlicher Gegensatzbildungen mit stilistischer Korrektur in der L-Gruppe: 1Sam 1,13; 2,25; 3,5; 9,27; 10,16; 12,15.23; 13,15; 15,9; 16,7; 17,9.33.45; 18,23; 24,13.18. 32 1Sam 1,1.17; 4,14; 9,9; 10,3; 11,3.14; 14,4.6.10.47; 16,11; 20,3.21.31; 22,9; 24,16; 25,15.24.34; 26,22; 2Sam 3,34. 33 Unter Asyndeton ist die Verbindung zweier Sätze ohne Konjunktion verstanden; eine aus­ differenzierende Begriffsbestimmung geben Blass/Debrunner/Rehkopf, § 459. 34 In wörtlicher Rede stehen alle asyndetisch aufeinander folgenden Sätze mit Ausnahme von 1Sam 1,1; 4,4.14.47; 16,11; 22,9. 35 Die O-Gruppe stellt καί voran; 318 liest καὶ Κύριος. 36 Die O-Gruppe stellt καί voran. 37 Der Anteil der wörtlichen Rede im Non-Kaige-Bereich der Samuelbücher beträgt 56 %. Er wurde mit Hilfe einer von mir erstellten Datenbank ermittelt: Der Non-Kaige-Bereich der Samuelbücher enthält 25.307 Wörter (der Psalm in 1Sam 2 ist nicht berücksichtigt), davon gehören 14.258 Wörter zu Passagen direkter Rede und 11.049 Wörter zur fortlau­ fenden Erzählung. 38 Entweder hörte der Übersetzer die Betonung bei wörtlicher Rede innerlich mit, oder er selbst oder ein Vorleser (dazu Louw, Dictation) lasen den zu übersetzenden Text laut vor.

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Die Wiedergabe von satzverbindendem ְ ‫ו‬i

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verwenden. Gesprochene Sprache (oder als gesprochen vorgestellte Spra­ che) kann sparsamer sein mit syntaktischen Markern, denn man kann im Ausdruck der Stimme manches transportieren, was dann nicht mehr syntak­ tisch explizit gemacht werden muss. Diese Beobachtung gilt auch für originär griechische Texte: Auch wenn asyndetische Satzverbindung nicht üblich ist,39 kommt sie in lebhafter Schil­ derung von Ereignissen durchaus vor.40 Es wäre lohnenswert zu untersu­ chen, ob auch andere LXX-Übersetzer bei wörtlicher Rede zu einer freieren Übersetzungsweise neigen.41 Asyndetische Anknüpfung gibt es auch bei zwei Konstruktionen, wo das Adverb δεῦρο einen Imperativ von ‫ הלך‬Qal wiedergibt, auf den unmittel­ bar ein weiteres Finitverb folgt. Der Imperativ von ‫ הלך‬kann in diesen Fäl­ len mit ‚auf!‘ wiedergegeben werden.42 Das Lokaladverb δεῦρο (‚hierher‘) fungiert im Griechischen ganz ähnlich, wenn es vor ein Verb der 1. Person (in der Regel der 1. Person Plural) im Konjunktiv oder vor einen Imperativ tritt: δεῦρο πορευθῶμεν heißt: „Auf, lass uns gehen!“43 1Sam 9,9 ‫לה ִים ול ְכוּ ו ְנ ֵל ְכ ָה‬ ֹ ֱ ‫כּה־א ָמ ַר ה ָא ִישׁ בּ ְל ֶכ ְתֹּו ל ִד ְרֹושׁ א‬ ֹ ‫ל ְפָנ ִים בּ ְי ִשׂ ְרָא ֵל‬ ‫רא ֶה‬ ֹ ָ ‫ ע ַד־ה‬καὶ ἔμπροσθεν ἐν Ἰσραὴλ τάδε ἔλεγεν ἕκαστος ἐν τῷ πορεύεσθαι ἐπερωτᾶν τὸν θεόν Δεῦρο πορευθῶμεν πρὸς τὸν βλέ­ ποντα ·

1Sam 14,6 ‫תן א ֶל־ה ַנּ ַע ַר ֹנשׂ ֵא כ ֵל ָיו ול ְכ ָה ו ְנ ַע ְבּ ְרָה א ֶל־מ ַצַּב‬ ָ ָ ‫ו ַֹיּאמ ֶר י ְהֹונ‬ ‫רל ִים ה ָא ֵלּ ֶה‬ ֵ ֲ ‫ ה ָע‬καὶ εἶπεν Ἰωναθὰν πρὸς τὸ παιδάριον τὸ αἶρον τὰ σκεύη αὐτοῦ Δεῦρο διαβῶμεν εἰς Μεσσὰβ τῶν ἀπεριτμήτων τούτων.

Dass in den beiden Beispielen im Griechischen keine Konjunktion zwischen Adverb und Verb steht, ist idiomatisch.44 In der Mehrzahl der Fälle, in denen der Übersetzer δεῦρο für den Imperativ von ‫ הלך‬und ein mit ְ ‫ ו‬ange­ schlossenes Verb verwendet, steht allerdings καί,45 z. B.

39 „Da die griechische Sprache einen so grossen Reichtum an Partikeln besitzt, durch welche die feinsten Verhältnisse, in denen ein Satz zu dem andern steht, ausgedrückt werden kön­ nen, so gilt der Grundsatz, dass die sich einander aufnehmenden und daher in einer gegen­ seitigen Beziehung zu einander stehenden Sätze einer Rede durch Konjunktionen verbun­ den werden.“ (Kühner/Gerth II, § 546, 1, Hervorhebung im Original). 40 S. Mayser II/3, § 166 II, 4: „Lebhafte Erzählung“. Mayser bewertet asyndetische Satzan­ knüpfung in den Papyri teils als Stilmerkmal („hört man den lebhaften Ton eines Advoka­ ten heraus“), teils als Vulgärgriechisch („Hier handelt es sich bei den vielen Asyndeta nicht um bewußte Kunstmittel, sondern um eine Sprache niedrigsten Stils.“) – beide Zitate ebd. 41 Zum Einfluss von Textgattung und Inhalt auf die Syntax s. Aejmelaeus, Parataxis, 164–167. 42 S. Gesenius, Handwörterbuch, s.v. ‫ הלך‬V. 43 S. Menge/Güthling s.v. δεῦρο, Nr. 2. 44 S. die Belege in Liddell/Scott/Jones s.v. δεῦρο I b; so auch der Gebrauch im NT: Mt 19,21; Mk 10,21; Lk 18,22; Joh 11,43; Apg 7,3.34; Röm 1,13; Apk 17,1; 21,9. 45 1Sam 9,5.10; 14,1.6; 16,1.

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Die Übersetzung von Konjunktionen

1Sam 9,5 ‫ו ְשׁ ָאוּל א ָמ ַר ל ְנ ַע ֲרֹו א ֲשׁ ֶר־ע ִמֹּו ול ְכ ָה ו ְנ ָשׁוּב ָה פֶּן־י ֶחְדּ ַל א ָב ִי‬ ‫תנֹות ו ְד ָא ַג ל ָנוּ‬ ֹ ֲ ‫ מ ִן־ה ָא‬καὶ Σαοὺλ εἶπεν τῷ παιδαρίῳ αὐτοῦ τῷ μετ᾽ αὐτοῦ Δεῦρο καὶ ἀναστρέψωμεν μὴ ἀνεὶς ὁ πατήρ μου τὰς ὄνους φροντίζῃ περὶ ἡμῶν.

Auch außerhalb der Samuelbücher wird δεῦρο (als Plural kann δεῦτε benutzt werden)46 öfter für Konstruktionen mit dem Imperativ von ‫הלך‬ gebraucht, wenn auf diesen unmittelbar ein mit ְ ‫ ו‬angeschlossenes Verb folgt. Auch hier sind Anknüpfungen mit καί in der Mehrzahl.47 Zweimal steht ְ ‫ ו‬in den hebräischen Samuelbüchern zusammen mit dem Adverb ‫‚ אוּל ָם‬hingegen‘, ‚nichtsdestoweniger‘, und zwar jeweils vor einem Schwur (1Sam 20,3; 25,34). 1Sam 20,3 ‫ ו ְאוּל ָם חַי־י ְהו ָה ו ְחֵי נ ַפְשׁ ֶך ָ כּ ִי כ ְפֶשׂ ַע בּ ֵינ ִי וּב ֵין ה ַמּ ָו ֶת‬ἀλλὰ 48 ζῇ Κύριος καὶ ζῇ ἡ ψυχή σου, ὅτι καθὼς εἶπον ἐμπέπλησται ἀνὰ μέσον μου καὶ τοῦ θανάτου. 1Sam 25,34 ‫לה ֵי י ִשׂ ְרָא ֵל…ו‬ ֹ ֱ ‫ ו ְאוּל ָם חַי־י ְהו ָה א‬πλὴν ὅτι 49 ζῇ Κύριος ὁ θεὸς Ἰσραήλ…‫ו‬ Die Wiedergaben ἀλλά bzw. πλὴν ὅτι für ‫ אוּל ָם‬dürfte der Übersetzer aus dem Kontext erraten haben. Eine Repräsentation von ְ ‫ ו‬durch καί verträgt sich mit ihnen nicht, so dass der Übersetzer auf eine Entsprechung für die Kopula verzichtet. Ein besonderer Fall ist schließlich der Anfang der Samuelbücher: 1Sam 1,1 ‫קנ ָה‬ ָ ְ ‫תי ִם צֹופִים מ ֵה ַר א ֶפְרָי ִם וּשׁ ְמֹו א ֶל‬ ַ ָ ‫ו ַי ְה ִי א ִישׁ א ֶחָד מ ִן־ה ָרָמ‬ #Ἄνθρωπος ἦν ἐξ Ἁρμαθάιμ Σιφὰ ἐξ ὄρους Ἐφράιμ, καὶ ὄνομα αὐτῷ Ἐλκανά. Dem ersten Satz des Buchs widmet der Übersetzer offenbar besondere Auf­ merksamkeit. Mit einer wörtlichen Übersetzung καί ἄνθρωπος ἦν wäre eine nicht gegebene Anknüpfung an Vorhergehendes signalisiert worden. Es ist eine sinnvolle Entscheidung, ְ ‫ ו‬unrepräsentiert zu lassen. 2.2.2.3 Auslassung bei Inf.- und Pt.-Konstruktionen Zweimal gibt der Übersetzer ein mit ְ ‫ ו‬angeschlossenes finites Verb mit einer Infinitivkonstruktion und einmal mit einem Partizip wieder, ohne ְ ‫ ו‬zu repräsentieren. 46 δεῦρο kann mit dem Singular und dem Plural kombiniert werden, δεῦτε nur mit dem Plu­ ral (s. Liddell/Scott/Jones s.v. δεῦρο I 2). 47 Ri 4,22; 11,6; 19,13; 2Kön 7,9; Neh 6,2. Ohne καί Gen 37,13; Ex 3,10; 1Kön 1,13; Neh 6,7. 48 πλήν statt ἀλλά lesen V L CI 242 f 29 55 71 158 245 318 707. 49 ὅτι > L.

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Die Wiedergabe von satzverbindendem ְ ‫ו‬i

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1Sam 19,21 ‫תנ ַבּ ְאוּ גּ ַם־ה ֵמּ ָה‬ ְ ִ ‫ ו ַֹיּס ֶף שׁ ָאוּל ו ַיּ ִשׁ ְל ַח מ ַל ְא ָכ ִים שׁ ְל ִשׁ ִים ו ַיּ‬καὶ προσ­ έθετο Σαοὺλ ἀποστεῖλαι ἀγγέλους τρίτους, καὶ ἐπροφήτευσαν καὶ αὐτοί ·

Diese Verwendung des Infinitivs im Rahmen des hebraistischen Idioms προστίθημι + Verb für ‫ יסף‬+ Verb macht das Griechische flüssiger. ֹ ֲ ‫אי ְב ֵי א‬ ֹ ְ ‫תּי בּ‬ ִ ְ ‫לא א ָבֹוא ו ְנ ִל ְחַמ‬ ֹ ‫ כּ ִי‬ὅτι οὐ μὴ ἔλθω πολε1Sam 29,8 ְ ‫דנ ִי ה ַמּ ֶל ֶך‬ #μῆσαι 50 τοὺς ἐχθροὺς τοῦ κυρίου μου τοῦ βασιλέως;

Die Konstruktion mit einem (finalen) Infinitiv ist eine gelungene Wieder­ gabe. In 1Sam 4,14 verwendet der Übersetzer ein participium coniunctum: ֹ ָ ‫ ו ְה ָא ִישׁ ומ ִה ַר ו ַיּ‬καὶ ὁ ἄνθρωπος σπεύσας εἰσῆλθεν 1Sam 4,14 ‫בא ו ַיּ ַגּ ֵד ל ְע ֵל ִי‬ καὶ ἀπήγγειλεν τῷ Ἠλί.

Dass der Übersetzer σπεύσας εἰσῆλθεν ohne καί aneinanderreiht,51 ent­ spricht der griechischen Syntax. 2.2.2.4 Wiedergabe durch δέ Die für originär griechische Texte so typische Konjunktion δέ52 kommt in den Samuelbüchern für die Verbindung syntaktisch gleichgeordneter Sätze lediglich zehnmal vor (Non-Kaige-Bereich).53 In diesen Fällen handelt es sich um Sätze, die pointiert einen inhaltlichen Gegensatz thematisieren. 1Sam 24,18 ‫תּיך ָ ה ָרָע ָה‬ ִ ְ ‫תּנ ִי ה ַטֹּוב ָה ו ַא ֲנ ִי גּ ְמ ַל‬ ַ ְ ‫תּה גּ ְמ ַל‬ ָ ַ ‫תּה מ ִמּ ֶנּ ִי כּ ִי א‬ ָ ַ ‫צַדּ ִיק א‬ Δίκαιος σὺ ὑπὲρ ἐμέ ὅτι σὺ ἀνταπέδωκάς μοι ἀγαθά, ἐγὼ δὲ ἀνταπέ­ δωκά σοι κακά. 50 Ms. 125 liest καὶ πολεμῆσαι. 51 Zur Übersetzung hebräischer „enumerativer Redeweise“ (‫בא‬ ֹ ָ ‫מ ִה ַר ו ַיּ‬i) durch participium coniunctum und Vollverb s. unten Abschnitt 4.2.5.1. 52 Aejmelaeus, Parataxis, 43–47, untersucht und diskutiert das Zahlenverhältnis von καί und δέ als Satzverbinder in originär griechischen Texten und dem Pentateuch. In nicht über­ setzten Texten ist δέ wesentlich häufiger als καί; ein Ausreißer ist eine ptolemäische Inschrift, bei der die Konjunktionen bei der Satzverbindung im Verhältnis 1: 1 vorkom­ men. „But in any case, the Greek Pentateuch with its high ratio of καί falls far outside the range of this variation, being quite unique.“ (ebd., 46) Das gilt natürlich erst Recht für die griechischen Samuelbücher. Bildet man mit Hilfe der EDV die Summe der Vorkommen von καί und δέ, ergibt sich für den Pentateuch 7,5-mal soviel καί wie δέ (11.704-mal καί, 1555-mal δέ), in Samuel (Non-Kaige-Bereich) ist das Verhältnis 231,2 (3238-mal καί, 14mal δέ). Anders als bei der Untersuchung von Aejmelaeus sind hier nicht nur satzverbin­ dende Belege gezählt (s. oben Anm. 2). Dennoch geben die Zahlen einen guten Eindruck von der Wörtlichkeit einer Übersetzung (s. unten die Tabelle auf S. 85). 53 1Sam 7,17; 10,16; 13,21; 24,18; 30,3.10; 2Sam 3,30.39; 7,15.19.

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Die Übersetzung von Konjunktionen

1Sam 10,16 ‫תנֹות‬ ֹ ֲ ‫ו ַֹיּאמ ֶר שׁ ָאוּל א ֶל־דֹּודֹו ה ַגּ ֵד ה ִגּ ִיד ל ָנוּ כּ ִי נ ִמ ְצְאוּ ה ָא‬ ‫לא־ה ִגּ ִיד לֹו א ֲשׁ ֶר א ָמ ַר שׁ ְמוּא ֵל‬ ֹ ‫ ו ְא ֶת־דּ ְב ַר ה ַמּ ְלוּכ ָה‬καὶ εἶπεν Σαοὺλ πρὸς τὸν οἰκεῖον αὐτοῦ Ἀπήγγειλεν ἀπαγγέλλων μοι ὅτι εὕρηνται αἱ ὄνοι · #τὸ δὲ ῥῆμα τῆς βασιλείας οὐκ ἀπήγγειλεν αὐτῷ.

Auffällig ist, dass in allen Fällen, in denen der Übersetzer δέ verwendet, im Hebräischen das Subjekt in hervorgehobener Stellung am Satzanfang steht.54 Das kann mit dazu beigetragen haben, dass der Übersetzer auf den Gegensatz aufmerksam wurde. Einzige Ausnahme ist 1Sam 30,10 ‫תי ִם א ִישׁ א ֲשׁ ֶר‬ ַ ‫דּף דּ ָו ִד הוּא ו ְא ַרְבּ ַע־מ ֵאוֹת א ִישׁ ו ַיּ ַע ַמ ְדוּ מ ָא‬ ֹ ְ‫ו ַיּ ִר‬ ‫בר א ֶת־נ ַחַל ה ַבּ ְשֹׂור‬ ֹ ֲ ‫ פִּגּ ְרוּ מ ֵע‬καὶ κατεδίωξεν ἐν τετρακοσίοις ἀνδράσιν, #ὑπέστησαν δὲ διακόσιοι ἄνδρες οἵτινες ἐκάθισαν πέραν τοῦ χειμάρρου τοῦ Βοσόρ. Es handelt sich (im Non-Kaige-Bereich) um das einzige Imperfekt consecu­ tivum, bei dem der Übersetzer δέ als Repräsentation von ְ ‫ ו‬verwendet – viel­ ֹ ְ‫ ו ַיּ ִר‬und ‫ו ַיּ ַע ַמ ְדוּ‬i. leicht wegen des plastischen Unterschieds der Aktionen ‫דּף‬ Die von Anneli Aejmelaeus für den Pentateuch gemachte Beobachtung, dass die nötige Änderung der Wortstellung ein Hindernis für eine Wieder­ gabe von ְ ‫ ו‬durch δέ ist,55 trifft in den Samuelbüchern sicher ebenfalls zu. Bezeichnend für das wörtliche wie effiziente Vorgehen des Übersetzers ist, dass es sich in sieben der zehn Fälle einer Wiedergabe mit δέ um mit ְ ‫ ו‬ange­ knüpfte Substantive bzw. um ein Pronomen und ein Numerale handelt,56 aber nur einmal (1Sam 30,10) um ein Verb. Da Verben übersetzungstech­ nisch höhere Ansprüche stellen, bevorzugte der Übersetzer noch konse­ quenter als ohnehin die Beibehaltung der hebräischen Wortfolge durch die Verwendung von καί. Von den zehn Stellen, in denen der Übersetzer δέ zur Satzverbindung verwendet, gehören vier zu wörtlicher Rede (1Sam 24,18; 2Sam 3,39; 7,15.19), d. h. wörtliche Rede ist – im Gegensatz zu den Fällen asyndetischer Satzanreihung – nicht über-, sondern eher unterrepräsentiert.57 Allerdings kann man wegen der geringen Zahl an Belegen hieraus keine weitergehen­ den Schlüsse ziehen. 54 Allerdings gilt nicht der Umkehrschluss, dass der Übersetzer bei inhaltlichem Gegensatz und betontem Subjekt immer δέ verwendet hätte; vgl. dazu die oben Anm. 31 gegebenen Beispiele. 55 „It seems that the tendency towards preserving the original word order may have constitu­ ted one factor […‫ ]ו‬Not only is the coordinator preserved in its original position when καί is used, but even in cases with δέ the change in word order remains minimal, when δέ occurs after such minor words […‫ ]ו‬as an article, preposition, or pronoun.“ (Aejmelaeus, Parataxis, 43). 56 Gewöhnliche Substantive: 1Sam 7,17; 10,16; 13,21; 30,3; 2Sam 3,39; 7,15.19; Eigenname 2Sam 3,30; Personalpronomen 1Sam 24,18; Numerale 1Sam 30,10. 57 S. oben Anm. 37.

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Die Wiedergabe von satzverbindendem ְ ‫ו‬i

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Insgesamt ist festzuhalten, dass der Übersetzer die breite Verwendungs­ möglichkeit von δέ bei der Satzverbindung kaum nutzt. Das trägt in erheb­ lichem Maße dazu bei, dass die Übersetzung der Samuelbücher nicht wie idiomatisches Griechisch wirkt. 2.2.2.5 Wiedergaben durch οὐδέ Wie δέ kann auch οὐδέ kopulativ (‚und auch nicht‘) oder adversativ (‚aber nicht‘) gebraucht werden, wobei letzteres weitaus häufiger ist.58 Zweimal verwendet der Übersetzer οὐδέ59 in kopulativer Bedeutung.60 1Sam 15,29 ‫לא א ָד ָם הוּא ל ְה ִנּ ָחֵם‬ ֹ ‫לא י ִנּ ָחֵם כּ ִי‬ ֹ ְ ‫קּר ו‬ ֵ ַ ‫לא י ְשׁ‬ ֹ ‫ ו‬καὶ οὐκ ἀπο­ στρέψει61 οὐδὲ μετανοήσει. ָ ִ ‫תה ַלּ ַכ ְנוּ א‬ ְ ִ ‫קד ְנוּ מ ְאוּמ ָה כּ ָל־י ְמ ֵי ה‬ ַ ָ‫לא־פ‬ ֹ ְ ‫לא ה ָכ ְל ַמ ְנוּ ו‬ ֹ ְ ‫ ו‬οὐκ 1Sam 25,15 ‫תּם‬ ἀπεκώλυσαν ἡμᾶς οὐδὲ ἐνετείλαντο ἡμῖν πάσας τὰς ἡμέρας ἃς ἦμεν παρ᾽ αὐτοῖς. ֹ ְ ‫לא… ו‬ ֹ Häufiger verwendet der Übersetzer bei der Wiedergabe von ‫לא‬ jedoch καί,62 z. B. ַ ְ‫לא־נ ִפ‬ ֹ ְ ‫לא ה ֶכ ְל ַמ ְנוּם ו‬ ֹ ‫רע ִים א ֲשׁ ֶר־ל ְך ָ ה ָיוּ ע ִמּ ָנוּ‬ ֹ ָ ‫תּה ה‬ ָ ַ‫ע‬ 1Sam 25,7 ‫קד ל ָה ֶם‬ ‫ מ ְאוּמ ָה‬νῦν οἱ ποιμένες σου οἳ ἦσαν μεθ᾽ ἡμῶν ἐν τῇ ἐρήμῳ, καὶ οὐκ ἀπεκωλύσαμεν αὐτοὺς καὶ οὐκ ἐνετειλάμεθα αὐτοῖς οὐθέν.

2.2.2.6 Zusammenfassung Im Non-Kaige-Bereich der Samuelbücher gibt es 37 Fälle, bei denen der Übersetzer ְ ‫ו‬i, das gleichrangige Sätze verbindet, nicht durch καί repräsen­ tiert. Als alternative Konjunktion verwendet der Samuelübersetzer zehnmal δέ. Insgesamt 23-mal verzichtet er auf eine Repräsentation von ְ ‫ו‬i, überwie­ gend in asyndetischer Satzreihung. Hinzu kommen drei Infinitiv- bzw. Par­ tizipialkonstruktionen. Auffallend ist, dass asyndetische Satzanknüpfung proportional häufiger in Passagen wörtlicher Rede als in der fortlaufenden Erzählung vorkommt; es scheint eine Affinität wörtlicher Rede zu asyndetischer Satzreihung zu geben. Das mag daran liegen, dass sich der Übersetzer das Sprechen der 58 S. Kühner/Gerth II, § 535, 4. 59 1Sam 15,29; 25,15. 60 Neben diesen Fällen der Satzverbindung wird οὐδέ sechsmal in Aufzählungen verwendet: 1Sam 3,13; 6,12; 16,7 (μηδέ); 16,8; 24,12; 2Sam 2,19. 61 Die Vorlage ist in 4QSama erhalten: ‫ולו[א ישׁוב‬i]. 62 1Sam 12,4.21; 25,7; 28,18; 30,12.

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Die Übersetzung von Konjunktionen

betreffenden Personen lebhaft vorstellt und daher freier mit der Wiedergabe der hebräischen Satzstrukturen umgeht. Auch in den Bereich wörtlicher Rede gehört die Verwendung des Adverbs δεῦρο als Wiedergabe des Imperativs von ‫ הלך‬in Fällen seiner Kombination mit einem weiteren Verb. Der Übersetzer lässt hier zweimal das ְ ‫ ו‬vor dem Folgeverb unübersetzt, was griechischer Idiomatik entspricht; fünfmal repräsentiert er ְ ‫ ו‬durch καί. Lediglich dreimal finden sich infinite Konstruktionen, bei denen die Kopula nicht repräsentiert ist. In einem Fall handelt es sich um einen lexika­ lischen Hebraismus, der durch einen Infinitiv abgemildert wird (1Sam 19,21); eine zweite Infinitivkonstruktion ist dagegen sprachlich gelungen (1Sam 29,8). Einmal ist ein participium coniunctum bei der Wiedergabe einer „enumerativen Redeweise“ gebraucht (1Sam 4,14), ohne dass die Kopula durch καί repräsentiert wäre. Insgesamt ist die Übersetzung von mit ְ ‫ ו‬verbundenen gleichgeordneten Sätzen geprägt von der hohen Frequenz von καί bei gleichzeitigem weitge­ henden Fehlen vor allem des für das Griechische typischen Satzverbinders δέ.63 Nicht in jedem Einzelfall, aber im Gesamtbild wirkt der Text der Samuelbücher dadurch nicht wie idiomatisches Griechisch.

2.2.3 ְ ‫ ו‬+ unterordnende Konjunktion 22-mal ist ְ ‫ ו‬im Non-Kaige-Bereich der Samuelbücher unmittelbar64 mit einer unterordnenden Konjunktion oder der Relativpartikel verbunden: 14mal mit ‫א ִם‬i,65 fünfmal mit 66‫ כּ ִי‬und dreimal mit ‫א ֲשׁ ֶר‬i.67 Die so eingeleiteten Sätze können sein:68 2.2.3.1 Nebensätze, die an einen vorangehenden Nebensatz gleichgeordnet anknüpfen (‫א ִם …וו ְא ִם‬i/ ‫כּ ִי …וו ְכ ִי‬i/ ‫א ֲשׁ ֶר …וו ַא ֲשׁ ֶר‬i); oder 2.2.3.2 Nebensätze, die am Anfang einer Periode stehen und sie eröffnen; der Hauptsatz folgt.

63 S. oben Anm. 52. 64 Nicht berücksichtigt sind hier die seltenen Fälle, wo zwischen Kopula und Präposition noch ein oder mehrere andere Wörter stehen (z. B. …‫תי‬ ִ ‫תּה א ִם־מ ָצָא‬ ָ ַ ‫ ו ְע‬i; 1Sam 20,29). Über­ setzungstechnisch sind diese Fälle wenig ertragreich, weil selbst freiere Übersetzer hier praktisch durchgehend καί verwenden (s. Aejmelaeus, Parataxis, 149). 65 1Sam 2,16.25; 6,9; 11,3; 12,15.25; 14,10; 17,9; 20,7.8.22; 24,22; 26,19; 30,15. 66 1Sam 19,4; 22,17; 24,20; 31,7; 2Sam 5,12. Hinzu kommen zwei Fälle von ‫ו ְא ַף כּ ִי‬i (1Sam 20,22; 23,3); s. dazu oben Abschnitt 2.1.6. 67 1Sam 12,6; 21,3; 31,7. 68 S. Aejmelaeus, Parataxis, 148.

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Die Wiedergabe von satzverbindendem ְ ‫ו‬i

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2.2.3.1 Gleichgeordnete Nebensätze Wo ְ ‫ ו‬+ Konjunktion oder Relativpronomen einen Nebensatz an einen vor­ laufenden Nebensatz anschließt, gibt der Übersetzer die Kopula in 12 von 17 Fällen69 wörtlich mit καί wieder. 1Sam 31,7 …‫ו ַיּ ִרְאוּ א ַנ ְשׁ ֵי־י ִשׂ ְרָא ֵל…וכּ ִי־נ ָסוּ א ַנ ְשׁ ֵי י ִשׂ ְרָא ֵל ו ְכ ִי־מ ֵתוּ שׁ ָאוּל וּב ָנ ָיו‬ ‫ו‬καὶ εἶδον οἱ ἄνδρες Ἰσραήλ …‫ ו‬ὅτι ἔφυγον οἱ ἄνδρες Ἰσραὴλ καὶ ὅτι τέθνηκεν Σαοὺλ καὶ οἱ υἱοὶ αὐτοῦ…‫ו‬ Die beiden ‫כּ ִי‬-Sätze sind Objektsätze zu ‫ו ַיּ ִרְאוּ‬i. Sie stehen syntaktisch und inhaltlich auf der gleichen Ebene; die Übersetzung von ‫ ו ְכ ִי‬mit καὶ ὅτι bil­ det dies sinnvoll ab (ebenso 1Sam 22,17; 2Sam 5,12). Ebenfalls kommt die Konstruktion ‫ א ִם… ו ְא ִם‬vor; hierbei handelt es sich überwiegend um Konditionalsätze, die eine Entscheidungsalternative for­ mulieren, z. B. 1Sam 2,25 ‫חטָא־א ִישׁ מ ִי‬ ֱ ֶ ‫לה ִים ו ְא ִם ל ַיהו ָה י‬ ֹ ֱ ‫חטָא א ִישׁ ל ְא ִישׁ וּפִל ְלֹו א‬ ֱ ֶ ‫א ִם־י‬ ‫תפַּלּ ֶל־לֹו‬ ְ ִ ‫ י‬ἐὰν ἁμαρτάνων ἁμάρτῃ ἀνὴρ εἰς ἄνδρα, καὶ προσεύξονται ὑπὲρ αὐτοῦ πρὸς Κύριον · καὶ ἐὰν τῷ Κυρίῳ ἁμάρτῃ, τίς προσεύξεται ὑπὲρ αὐτοῦ; In solchen Fällen ist die Übersetzung von ְ ‫ ו‬mit καί unglücklich, weil sie der inhaltlichen Gegensätzlichkeit nicht gerecht wird (ebenso 1Sam 6,9; 12,25; 20,7; 26,19). Eine Übersetzung mit δέ wäre wesentlich besser. Zweimal wird ‫ א ִם… ו ְא ִם‬in Schwursätzen verwendet. In diesen Fällen liegt inhaltlich kein Gegensatz vor, und die Satzverbindung mit καί ist idio­ matisch (1Sam 24,22; 30,15). ֵ ִ ‫תּס ְגּ‬ ַ ‫תנ ִי ו ְא ִם־‬ ֵ ‫תּמ ִי‬ ְ ‫לה ִים א ִם־‬ ֹ ‫ו ַֹיּאמ ֶר ה ִשּׁ ָב ְע ָה לּ ִי ב ֵא‬ 1Sam 30,15 ‫רנ ִי‬ ‫דנ ִי…ו‬ ֹ ֲ ‫ בּ ְי ַד־א‬καὶ εἶπεν Ὄμοσον δή μοι κατὰ τοῦ θεοῦ μὴ θανατώσειν με καὶ μὴ παραδοῦναί με εἰς χεῖρας τοῦ κυρίου μου…‫ו‬

Bei gleichgeordneten, an einen vorauslaufenden Relativsatz anschließenden Relativsätzen gibt der Übersetzer in zwei der drei Fälle ְ ‫ ו‬mit καί wieder.70 1Sam 21,3 ָ ‫שׁל ֵחֲך‬ ֹ ‫ו ַֹיּאמ ֶר א ֵל ַי א ִישׁ א ַל־י ֵד ַע מ ְאוּמ ָה א ֶת־ה ַדּ ָב ָר א ֲשׁ ֶר־א ָֹנכ ִי‬ ָ ‫תך‬ ִ ‫ ו ַא ֲשׁ ֶר צִוּ ִי‬καὶ εἶπέν Μοι μηδεὶς γνώτω τὸ ῥῆμα περὶ οὗ ἐγὼ ἀπο­ στέλλω σε καὶ ὑπὲρ οὗ ἐντέταλμαί σοι.

69 1Sam 2,25; 6,9; 12,25; 14,10; 20,7; 22,17; 24,22; 26,19; 30,15; 31,7 bis; 2Sam 5,12. Zu den nicht wörtlichen Übersetzungen in 1Sam 12,6.15; 17,9; 19,4; 20,22 s. im Folgenden. 70 1Sam 21,3; 31,7. Nicht wörtlich 1Sam 12,6 (dazu im Folgenden).

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Die Übersetzung von Konjunktionen

Auch hier ist καί eine gute Übersetzung, weil der zweite Relativsatz syntak­ tisch und inhaltlich auf der Ebene des ersten Relativsatzes liegt. Übersetzungstechnisch bemerkenswert sind diejenigen Fälle, in denen der Übersetzer von der wörtlichen Wiedergabeweise abweicht. Dreimal knüpft der Übersetzer bei ‫ א ִם… ו ְא ִם‬die Alternative mit δέ an (1Sam 12,15; 17,9; 20,22).71 Einmal repräsentiert er ‫ כּ ִי‬bei der Wiedergabe von ‫ ו ְכ ִי‬nicht (1Sam 19,4). Einmal schließlich gibt er (‫ א ֲשׁ ֶר‬und) ‫ ו ַא ֲשׁ ֶר‬mit dem Artikel wieder, weil er die beiden Relativsätze in 1Sam 12,6 als substantivierte Appositionen übersetzt. 1Sam 12,14 f ‫תשׁ ְמ ְעוּ בּ ְקֹול‬ ִ ‫לא‬ ֹ ‫אתֹו…ו ו ְא ִם־‬ ֹ ‫תּם‬ ֶ ְ ‫תּירְאוּ א ֶת־י ְהו ָה ו ַע ֲב ַד‬ ִ ‫א ִם־‬ ‫ י ְהו ָה…ו‬ἐὰν φοβηθῆτε τὸν Κύριον καὶ δουλεύσητε αὐτῷ…‫ ו‬ἐὰν δὲ μὴ ἀκούσητε τῆς φωνῆς Κυρίου…‫ו‬ ִ ִ ‫א ִם־יוּכ ַל ל ְה ִלּ ָחֵם א‬ 1Sam 17,9 ‫תּי ו ְה ִכּ ָנ ִי ו ְה ָי ִינוּ ל ָכ ֶם ל ַע ֲב ָד ִים ו ְא ִם־א ֲנ ִי‬ ‫תנוּ‬ ָ ‫א‬ ֹ ‫תּם‬ ֶ ְ ‫תם ל ָנוּ ל ַע ֲב ָד ִים ו ַע ֲב ַד‬ ֶ ‫תיו ו ִה ְי ִי‬ ִ ‫ אוּכ ַל־לֹו ו ְה ִכּ ִי‬καὶ ἐὰν δυνηθῇ πρὸς ἐμὲ πολεμῆσαι καὶ ἐὰν πατάξῃ με, καὶ ἐσόμεθα ὑμῖν εἰς δούλους · #ἐὰν δὲ ἐγὼ δυνηθῶ καὶ πατάξω αὐτόν, ἔσεσθε ἡμῖν εἰς δούλους καὶ δουλεύσετε ἡμῖν.

Der Übersetzer hat eine gute Wiedergabe des Gesamtgefüges geschaffen. Die gelungene Repräsentation bzw. Nicht-Repräsentation von ְ ‫ ו‬spricht dafür, dass er die gesamte Sinneinheit vor ihrer Wiedergabe analysiert hat: Am Übergang zu der von Goliath formulierten Alternative gibt er ְ ‫ ו‬mit δέ wieder. Der Vers kann, abgesehen von καὶ ἐσόμεθα, als gelungene Überset­ zung gelten. In 1Sam 19,4 gibt der Übersetzer ְ ‫ ו‬durch καί wieder, verzichtet aber auf eine erneute Repräsentation der Konjunktion ‫כּ ִי‬i: ֱ ֶ ‫ו ַֹיּאמ ֶר א ֵל ָיו א ַל־י‬ 1Sam 19,4 ‫חטָא ה ַמּ ֶל ֶך ְ בּ ְע ַב ְדֹּו ב ְד ָו ִד כּ ִי לֹוא חָטָא ל ָך ְ ו ְכ ִי‬

‫אד‬ ֹ ְ ‫ מ ַע ֲשׂ ָיו טֹוב־ל ְך ָ מ‬καὶ εἶπεν πρὸς αὐτόν Μὴ ἁμαρτησάτω ὁ βασιλεὺς εἰς τὸν δοῦλόν σου Δαυίδ, ὅτι οὐχ ἡμάρτηκεν εἰς σέ, καὶ τὰ ποιήματα αὐτοῦ ἀγαθὰ σφόδρα.

Es ist sinnvoll, dass der Übersetzer 2‫ כּ ִי‬nicht durch ὅτι repräsentiert, weil sonst die logische Struktur des Satzes undeutlich geworden wäre. ֹ ֲ ‫משׁ ֶה ו ְא ֶת־א ַה‬ ֹ ‫ו ַֹיּאמ ֶר שׁ ְמוּא ֵל א ֶל־ה ָע ָם י ְהו ָה א ֲשׁ ֶר ע ָשׂ ָה א ֶת־‬ 1Sam 12,6 ‫רן‬ ‫תיכ ֶם מ ֵא ֶרֶץ מ ִצְרָי ִם‬ ֵ ‫ב‬ ֹ ֲ ‫ ו ַא ֲשׁ ֶר ה ֶע ֱל ָה א ֶת־א‬καὶ εἶπεν Σαμουὴλ πρὸς τὸν

71 1Sam 20,22 (GA): ἐὰν δὲ [ἐὰν τάδε Rahlfs] εἴπω τῷ νεανίσκῳ Ἐκεῖ ἡ [Ὥδε ἡ Rahlfs] σχίζα ἀπὸ σοῦ…‫ו‬

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Die Wiedergabe von satzverbindendem ְ ‫ו‬i

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λαὸν λέγων Μάρτυς Κύριος ὁ ποιήσας τὸν Μωυσῆν καὶ τὸν Ἀαρὼν ὁ ἀναγαγὼν72 τοὺς πατέρας ἡμῶν ἐξ Αἰγύπτου.

Der Übersetzer lässt ְ ‫ ו‬unrepräsentiert. Die syntaktische Ebene von ὁ ἀν­ αγαγων κτλ. als zweite Apposition wird dadurch von καὶ τὸν Ἀαρών abge­ rückt und ist direkt als auf Κύριος bezogen zu erkennen. Insgesamt ergibt sich bei der Wiedergabe von ְ ‫ ו‬+ Konjunktion bzw. Relativpartikel für gleichgeordnete Neben- und Relativsätze: 12-mal verwendet der Übersetzer καί; dreimal δέ; zweimal lässt der Übersetzer ְ ‫ ו‬unrepräsentiert. Ein übersetzungstechnischer Vergleich ist nicht nur wegen der geringen Anzahl der Fälle schwierig, sondern auch, weil die Qualität der Überset­ zung für jeden Einzelfall beurteilt werden muss. Rein statistische Aussagen über die Frequenz der Äquivalente sind wenig aussagekräftig. 2.2.3.2 ְ ‫ ו‬+ unterordnende Konjunktion am Satzbeginn In fünf Fällen eröffnet ein Nebensatz eine Satzperiode, bei dem der subordi­ nierenden Konjunktion die Kopula voransteht.73 Diese Fälle sind überset­ zungstechnisch besonders interessant, weil eine wörtliche Wiedergabe der Kopula der griechischen Idiomatik regelmäßig nicht entspricht; idiomatisch wäre δέ.74 Der Samuelübersetzer verwendet dennoch in vier der fünf Fälle καί.75 1Sam 20,8 ‫תּה‬ ָ ַ ‫תנ ִי א‬ ֵ ‫ת חֶס ֶד ע ַל־ע ַב ְדֶּך ָ… ו ְא ִם־י ֶשׁ־בּ ִי ע ָֹון ה ֲמ ִי‬ ָ ‫ ו ְע ָשׂ ִי‬καὶ ποιή­ σεις ἔλεος μετὰ τοῦ δούλου σου …‫ ו‬καὶ εἰ ἔστιν ἀδικία ἐν τῷ δούλῳ σου θανάτωσόν με σύ. Das mit ‫ ו ְא ִם‬eröffnete Konditionalgefüge steht in inhaltlichem Gegensatz zum Vorauslaufenden. Die Übersetzung von ְ ‫ ו‬mit καί ist schon deshalb nicht sinnvoll (ebenso 1Sam 2,16; 12,25). ֹ ‫ ו ְכ ִי־י ִמ ְצָא א ִישׁ א ֶת־‬καὶ ὅτι εἰ εὕροιτό 1Sam 24,20 ‫אי ְבֹו ו ְשׁ ִלּ ְחֹו בּ ְד ֶרֶך ְ טֹוב ָה‬ τις τὸν ἐχθρὸν αὐτοῦ ἐν θλίψει καὶ ἐκπέμψαι αὐτὸν ἐν ὁδῷ ἀγαθῇ;

72 Ergänzung von καί vor ὁ ἀναγαγών in A M V O CII a–119c d–44 107 125 610 f 29 55 71 158 245 318 554 707. 73 1Sam 2,16; 11,3; 12,25; 20,8; 24,20. 74 S. Aejmelaeus, Parataxis, 148: „The cases […‫ ]ו‬in which the coordinator introduces a period beginning with a subordinate clause form the most interesting group in this section for the simple reason that Greek usage does not favour καί here.“ 75 Ohne καί nur 1Sam 11,3.

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Die Übersetzung von Konjunktionen

‫ ו ְכ ִי‬ist konditional zu verstehen: „Und wenn jemand auf einen Feind trifft…‫ “ו‬Die Übersetzung wirkt so, als hätte der Übersetzer zunächst gewohnheitsmäßig ὅτι für ‫ כּ ִי‬verwendet und dann erst den Kontext analy­ siert, woraufhin er εἰ ergänzte. Lediglich in 1Sam 11,3 verzichtet der Übersetzer auf eine Wiedergabe der Kopula: ֹ ְ ‫ה ֶרֶף ל ָנוּ שׁ ִב ְע ַת י ָמ ִים ו ְנ ִשׁ ְל ְחָה מ ַל ְא ָכ ִים בּ‬ 1Sam 11,3 ‫כל גּ ְבוּל י ִשׂ ְרָא ֵל ו ְא ִם־א ֵין‬

ָ ‫תנוּ ו ְי ָצָאנוּ א ֵל ֶיך‬ ָ ‫א‬ ֹ ַ ‫ מֹושׁ ִיע‬Ἄνες ἡμῖν ἑπτὰ ἡμέρας καὶ ἀποστελοῦμεν ἀγγέλους εἰς πᾶν ὅριον Ἰσραήλ · ἐὰν μὴ ᾖ ὁ σῴζων ἡμᾶς, ἐξελευσόμεθα πρὸς ὑμᾶς.

Trotz der geringen Zahl der Fälle ist deutlich, dass der Übersetzer sehr wörtlich arbeitet. Seine Übersetzungsweise unterscheidet sich von derjeni­ gen im Pentateuch, wo es in diesen Fällen eine klare Präferenz für δέ gibt.76 Ähnlich wörtlich wie die Samuelbücher ist dagegen Richter übersetzt (stets καί). Ein Vergleich mit Josua ist aufgrund der unterschiedlichen Methodik bei Seppo Sipilä nicht möglich.77 2.2.3.3 Zusammenfassung Der Samuelübersetzer erweist sich bei der Wiedergabe von ְ ‫ו‬i, das einer sub­ ordinierenden Konjunktion unmittelbar vorausgeht, als wörtlicher Überset­ zer, indem er ganz überwiegend καί verwendet. Das gilt sowohl für diejeni­ gen Fälle, wo ein Nebensatz einem voranstehenden Nebensatz beigeordnet wird (in 12 von 16 Fällen καί), als auch bei der Eröffnung einer Satzperiode durch einen mit ְ ‫ ו‬+ Konjunktion eingeleiteten Nebensatz (in vier von fünf Fällen καί). Der Übersetzer arbeitet damit deutlich wörtlicher als die Übersetzer des Pentateuchs und ähnlich wörtlich wie derjenige von Richter.

76 S. Aejmelaeus, Parataxis, 155: Bei insgesamt 214 Fällen der Kombination von ְ ‫ ו‬mit einer subordinierenden Konjunktion am Beginn einer Periode haben die Übersetzer 176-mal δέ und nur 31-mal καί (davon 26 in Leviticus bei 85-mal δέ in diesem Buch). 77 Da Seppo Sipilä in seiner Studie nicht nach der koordinierenden Anreihung eines weiteren Nebensatzes und der Eröffnung einer Satzperiode mit einem von ְ ‫ ו‬+ Konjunktion einge­ leiteten Nebensatz unterscheidet (s. Sipilä, 129 f), sind die Ergebnisse nicht vergleichbar. Deutlich ist aber, dass Richter besonders wörtlich ist: Hier wird durchgehend καί bei nebensatzeinleitendem ְ ‫ ו‬benutzt (s. ebd., 138).

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Die Wiedergabe von satzverbindendem ְ ‫ו‬i

81

2.2.4 ְ ‫ ו‬apodosis 2.2.4.1 Bei Nebensätzen In diesen Fällen steht die Konjunktion ְ ‫ ו‬an der Schnittstelle zwischen einem Nebensatz (Protasis) und dem auf ihn folgenden übergeordneten Hauptsatz (Apodosis); die Grammatiken haben den Terminus ְ ‫ ו‬apodosis geprägt.78 Meist gibt der Übersetzer ְ ‫ ו‬apodosis mit καί wieder, z. B. 1Sam 2,25 (Konditionalsatz) ‫לה ִים‬ ֹ ֱ ‫חטָא א ִישׁ ל ְא ִישׁ ווּפִל ְלֹו א‬ ֱ ֶ ‫ א ִם־י‬ἐὰν ἁμαρ­ τάνων ἁμάρτῃ ἀνὴρ εἰς ἄνδρα, καὶ προσεύξονται ὑπὲρ αὐτοῦ πρὸς Κύριον ·

Bei dieser wörtlichen Übersetzungsweise stört καί den griechischen Satz­ bau.79 Es gibt zahlreiche weitere Beispiele,80 bei denen der Übersetzer das ְ ‫ו‬ apodosis eines Konditionalsatzes mit καί wiedergibt. 1Sam 4,5 (Temporalsatz) ‫ו ַי ְה ִי כּ ְבֹוא א ֲרֹון בּ ְרִית־י ְהו ָה א ֶל־ה ַמּ ַחֲנ ֶה ו ַיּ ָרִעוּ‬ ‫ כ ָל־י ִשׂ ְרָא ֵל‬καὶ ἐγενήθη ὡς ἦλθεν κιβωτὸς Κυρίου εἰς τὴν παρεμβολήν, #καὶ ἀνέκραξεν πᾶς Ἰσραήλ. Auch für Temporalsätze gibt es etliche weitere Beispiele,81 bei denen der Übersetzer καί am Beginn der Apodosis hat. Der griechischen Syntax entsprechen82 würde der Verzicht auf ein Äqui­ valent für ְ ‫ו‬i.83 Diesen Weg geht der Übersetzer (Non-Kaige-Bereich) bei vier Konditional- (1Sam 11,3; 17,9; 20,14 f.15 f), vier Temporal- (1Sam 2,15; 6,6; 7,2;84 25,37) und zwei Kausalsätzen (1Sam 30,22.24) sowie einem Final­ satz (1Sam 9,5). Ein eigens zu besprechender Fall ist 2Sam 7,25 f.

78 Z. B. Gesenius/Kautzsch, § 159; Joüon/Muraoka, § 176; dort jeweils auch Einzelheiten zum Gebrauch. 79 So Kühner/Gerth zu einer scheinbar mit καί eingeleiteten Apodosis bei Homer: „Wenn bei Homer καί den Nachsatz einleitet, so ist es nicht für die Konjunktion = und, sondern für das Adverb = auch zu halten.“ (Kühner/Gerth II, § 524, 1, Anm. 2, Hervorhebung im Original) Zustimmend Aejmelaeus, Parataxis, 126: „Some instances of καί beginning an apodosis are found in Homer as well as in classical Greek, but they are rather to be inter­ preted as ‚also‘. […‫ ]ו‬In extra-biblical Koine it is a vulgarism.“ 80 1Sam 1,11; 3,9; 12,15; 14,19 etc. Aufgrund meiner Methodik (s. oben Abschnitt 2.2.1) kann ich die exakte Zahl der mit καί angeschlossenen Apodosen nicht angeben. 81 1Sam 4,18; 5,10; 8,1; 9,26, 10,5 etc. 82 Kühner/Gerth II (§ 570 b, 1) weisen auf Ausnahmen hin, wo „[d]er einleitenden [sc. Kon­ ditional-]Konjunktion des Nebensatzes“ im Hauptsatz „als Korrelat ein Demonstrativ: οὕτως, […‫]ו‬, τότε, τότε δή“ entspricht. S. auch Blass/Debrunner/Rehkopf, § 373. 83 S. Aejmelaeus, Parataxis, 139 (zur Wiedergabe mit δέ) und ebd., 140: „From the viewpoint of Greek usage, omission is the most natural way to treat the apodotic ‫ו‬.“ 84 1Sam 7,2 fungiert durch die Präpositionalphrase ἀφ᾽ ἧς ἡμέρας ἦν ἡ κιβωτὸς ἐν Καριαθιαρίμ als Temporalsatz.

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82

Die Übersetzung von Konjunktionen

1Sam 17,9 (Konditionalsatz) ‫תם ל ָנוּ‬ ֶ ‫תיו ו ִה ְי ִי‬ ִ ‫ו ְא ִם־א ֲנ ִי אוּכ ַל־לֹו ו ְה ִכּ ִי‬ ‫תנוּ‬ ָ ‫א‬ ֹ ‫תּם‬ ֶ ְ ‫ ל ַע ֲב ָד ִים ו ַע ֲב ַד‬ἐὰν δὲ ἐγὼ δυνηθῶ καὶ πατάξω αὐτόν, #ἔσεσθε 85 ἡμῖν εἰς δούλους καὶ δουλεύσετε ἡμῖν · 1Sam 25,37 (Temporalsatz) ‫תּגּ ֶד־לֹו א ִשׁ ְתֹּו‬ ַ ַ ‫קר בּ ְצֵאת ה ַיּ ַי ִן מ ִנּ ָב ָל ו‬ ֶ ‫בּ‬ ֹ ַ ‫ו ַי ְה ִי ב‬ ‫ א ֶת־ה ַדּ ְב ָרִים ה ָא ֵלּ ֶה‬καὶ ἐγένετο πρωί ὡς ἐξένηψεν ἀπὸ τοῦ οἴνου Ναβάλ, #ἀπήγγειλεν αὐτῷ ἡ γυνὴ αὐτοῦ τὰ ῥήματα ταῦτα.

Mit Ausnahme von 1Sam 2,15; 7,2 und 25,37 handelt es sich um wörtliche Rede. Deren Anteil an diesen Fällen liegt mit 9/12 (75 %) über dem generel­ len Anteil wörtlicher Rede im Non-Kaige-Bereich (56 %).86 Ein besonderer Fall ist 2Sam 7,25 f: ֵ ָ ‫תּ ע ַל־ע ַב ְדּ ְך ָ ו ְע ַל־בּ ֵיתֹו ה‬ ָ ְ‫לה ִים ה ַדּ ָב ָר א ֲשׁ ֶר דּ ִבּ ַר‬ ֹ ֱ ‫תּה י ְהו ָה א‬ ָ ַ ‫ו ְע‬ 2Sam 7,25 f ‫קם‬ ‫תּ ו ְי ִג ְדּ ַל שׁ ִמ ְך ָ ע ַד־עֹול ָם…ו‬ ָ ְ‫ ו ַע ֲשׂ ֵה כּ ַא ֲשׁ ֶר דּ ִבּ ַר‬87‫ ע ַד־עֹול ָם‬καὶ νῦν Κύριέ μου κύριε, τὸ ῥῆμα ὃ ἐλάλησας περὶ τοῦ δούλου σου καὶ τοῦ οἴκου αὐτοῦ πίστωσον ἕως αἰῶνος, Κύριε Παντοκράτωρ, θεὲ τοῦ Ἰσραήλ · καὶ νῦν καθὼς ἐλάλησας μεγαλυνθείη τὸ ὄνομά σου ἕως αἰῶνος…‫ו‬

Bei diesem Vers nahm der Übersetzer eine andere Satzgliederung vor als heutige Kommentare und Übersetzungen, die mit V. 26 (‫ו ְי ִג ְדּ ַל‬i) eine neue Sinneinheit beginnen lassen.88 Für den Übersetzer beginnt der neue Satz mit ‫ועתה‬i(καὶ νῦν), das er an Stelle von ‫ ו ַע ֲשׂ ֵה‬las.89 Die Entscheidung des Übersetzers, bei ‫ ו ְי ִג ְדּ ַל‬auf ein Äquivalent für ְ ‫ ו‬zu verzichten, ist stilistisch gut. 2.2.4.2 Beim casus pendens Auch beim casus pendens, bei dem das Subjekt (ein Nomen oder Pronomen, auch ein Partizip) an den Anfang des Satzes gezogen wird und gewisserma­ ßen „hängend“ (pendens) steht, folgt das Prädikat mit ְ ‫ ו‬apodosis.90 Drei Fälle habe ich gefunden, bei denen der Übersetzer ְ ‫ ו‬unrepräsentiert lässt: 1Sam 11,11; 14,19; 17,2.

85 καί ἔσεσθε CI. 86 S. oben bei Anm. 37. 87 An dieser Stelle setzt die LXX weitere Gottesprädikationen voraus (Κύριε Παντοκράτωρ, θεὲ τοῦ Ἰσραήλ). 88 So McCarter, II Samuel, Textual Notes z. St., Luther- und Einheitsübersetzung. Eine Zwi­ schenposition bezieht Stoebe, Das zweite Buch Samuelis, z. St., wenn er übersetzt: „…‫ו‬und tue, wie du zugesagt hast. [V.] 26 Daß dein Name groß sei in Ewigkeit…‫“ו‬. 89 Ebenso gliedern den Text die Masoreten (Atnach unter ‫ע ַד־עֹול ָם‬i). 90 S. Gesenius/Kautzsch, § 143; speziell zum ְ ‫ ו‬apodosis in diesen Fällen Randbuchst. d; Joüon/Muraoka, § 156.

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Die Wiedergabe von satzverbindendem ְ ‫ו‬i

83

1Sam 11,11 ‫לא נ ִשׁ ְא ֲרוּ־ב ָם שׁ ְנ ַי ִם י ָחַד‬ ֹ ְ ‫פצוּ ו‬ ֻ ָ ‫ ו ַי ְה ִי ה ַנּ ִשׁ ְא ָרִים ו ַיּ‬καὶ ἐγενήθη οἱ ὑπολελειμμένοι διεσπάρησαν 91 καὶ οὐχ ὑπελείφθησαν ἐν αὐτοῖς δύο κατὰ τὸ αὐτό.

ִ ְ ‫ ו ְה ֶה ָמֹון א ֲשׁ ֶר בּ ְמ ַחֲנ ֵה פְל ִשׁ‬καὶ ὁ ἦχος ἐν τῇ 1Sam 14,19 ‫תּים ו ַיּ ֵל ֶך ְ ה ָלֹוך ְ ו ָרָב‬ παρεμβολῇ τῶν ἀλλοφύλων ἐπορεύετο πορευόμενος καὶ ἐπλήθυνεν ·

1Sam 17,2 ‫ו ְשׁ ָאוּל ו ְא ִישׁ־י ִשׂ ְרָא ֵל נ ֶא ֶס ְפוּ ו ַיּ ַחֲנוּ בּ ְע ֵמ ֶק ה ָא ֵל ָה ו ַיּ ַע ַרְכוּ מ ִל ְחָמ ָה‬ ‫תּים‬ ִ ְ ‫קרַאת פְּל ִשׁ‬ ְ ִ ‫ ל‬καὶ Σαοὺλ καὶ οἱ ἄνδρες Ἰσραὴλ συνάγονται καὶ παρεμβάλλουσιν ἐν τῇ κοιλάδι · αὐτοὶ παρατάσσονται εἰς πόλεμον ἐξ ἐναντίας ἀλλοφύλων.

Der Übersetzer erkennt den Eigennamen ‫ ע ֵמ ֶק ה ָא ֵל ָה‬nicht (s. 1Sam 21,10: κοιλάς Ηλα), interpretiert ‫ האלה‬als Demonstrativum ‚diese‘ mit vorgestell­ tem Artikel (αὐτοί) und sieht folglich einen casus pendens. Der Übersetzer vermeidet in diesen Fällen καί, weil die Sätze sonst kaum verständlich wären. 2.2.4.3 Zusammenfassung Die Untersuchung der mit ְ ‫ ו‬eingeleiteten Apodosen ist übersetzungstech­ nisch interessant, weil eine gute griechische Wiedergabe mit καί nicht mög­ lich ist. Eine idiomatische Übersetzung gibt ְ ‫ ו‬mit δέ oder gar nicht wieder. Der Übersetzer lässt allerdings nur in wenigen Fällen ְ ‫ ו‬apodosis unreprä­ sentiert: Für Apodosen bei Nebensätzen habe ich 12 Fälle gefunden, bei denen er kein Äquivalent für ְ ‫ ו‬verwendet (auffallend oft handelt es sich um wörtliche Rede); beim casus pendens drei Fälle. Bei letzteren stehen das vor­ gezogene Subjekt und die Apodosis in unmittelbarer Folge (1Sam 11,11; 17,2) bzw. sehr dicht (1Sam 14,19), so dass diese Übersetzung auch ohne den Überblick über größere Segmente gelingen konnte. Diesen insgesamt 15 Fällen guter Wiedergaben stehen zahlreiche92 stilis­ tisch nicht gute Repräsentationen von ְ ‫ ו‬apodosis durch καί gegenüber. 2.2.5 Ergebnis und Übersetzungsvergleich Die Untersuchung der Wiedergabeweise von satzverbindendem ְ ‫ ו‬hat gezeigt, dass der Samuelübersetzer sehr wörtlich arbeitet: Fast durchgehend repräsentiert er ְ ‫ ו‬auch in solchen Fällen mit καί, in denen eine andere Wie­

91 καὶ διεσπάρησαν O. 92 S. oben Anm. 80 und 81; die exakte Anzahl kann ich aufgrund meiner Methodik (s. oben Abschnitt 2.2.1) nicht angeben.

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84

Die Übersetzung von Konjunktionen

dergabe wesentlich besser gewesen wäre. Die seltenen Fälle idiomatisch gelungener Alternativen haben wenig Gewicht: δέ und οὐδέ kommen 17mal vor, Nicht-Repräsentanz 30-mal.93 Im Vergleich zu anderen Büchern der Septuaginta gehört Samuel zusam­ men mit Könige und Richter in die Gruppe der wörtlichsten Übersetzun­ gen.94 Dies wird auch daran deutlich, dass der Übersetzer ganze zwei syn­ taktische Variationen zur Wiedergabe von ְ ‫ ו‬durch καί benutzt: Auslassung (asyndetische Anknüpfung) und die Konjunktion δέ (mit οὐδέ). Die wenigen der griechischen Idiomatik angepassten Übersetzungen wei­ sen darauf hin, dass der Samuelübersetzer durchaus eine idiomatische Syn­ tax hätte erreichen können: Er beherrscht die griechische Grammatik. Aber er hat nicht den Ehrgeiz, eine literarischen Ansprüchen genügende Überset­ zung zu erstellen. Der Übersetzer geht vielmehr pragmatisch vor und pflegt eine „easy technique“,95 mit der sich der Ausgangstext sinnvoll und lesbar und höchst effizient in die Zielsprache übersetzen lässt. Das gewonnene Bild der Arbeitsweise des Samuelübersetzers entspricht den Beobachtungen, die Seppo Sipilä für das Richterbuch macht.96 Ein Ver­ gleich mit der Übersetzungsweise im Pentateuch97 und in Josua98 zeigt dagegen eindrücklich die Unterschiede in der Wiedergabe von satzverbin­ dendem ְ ‫ו‬i. Im Pentateuch hat καί bei der Wiedergabe gewöhnlicher paratak­ tischer Satzverbindung mit ְ ‫ ו‬einen Anteil von 59 %, δέ von 13 % und Aus­ lassungen von 8 %.99 In Josua sind die Anteile für καί 88 % und für δέ 6 %.100 Mit weiteren Übersetzern der LXX ist ein präziser Vergleich nicht möglich, weil keine entsprechenden Untersuchungen vorliegen. Eine elekt­ ronische Auszählung der Äquivalente für ְ ‫ ו‬kann dennoch gute Anhalts­ punkte geben, wie die einzelnen Übersetzungen einzuschätzen sind.

93 Mitgezählt sind hier die Übersetzungen ἀλλά und πλὴν ὅτι für ‫ו ְאוּל ָם‬i, διότι für ‫ו ְא ַף כּ ִי‬ und ὁ für ‫ו ַא ֲשׁ ֶר‬i. Ich sehe in ihnen eine Repräsentation der mit ְ ‫ ו‬kombinierten Konjunktio­ nen; ְ ‫ ו‬selbst ist ausgelassen. 94 S. oben Anm. 14. 95 S. oben S. 44 (Anm. 25). 96 S. Sipilä, 75 (für ְ ‫ ו‬am Beginn eines Hauptsatzes hat Richter 98 % καί); 126 (für ְ ‫ ו‬apodosis 83 % καί); 138 (für ְ ‫ ו‬am Beginn eines Nebensatzes 100 % καί). 97 Einzelheiten s. Aejmelaeus, Parataxis, 123 (gewöhnliche Parataxe; dazu oben im Text); 132 (ְ ‫ ו‬apodosis: 51 % καί); 155 (ְ ‫ ו‬am Beginn von Nebensätzen: 25 % καί). Die Prozentangaben sind Durchschnittswerte für den Pentateuch, die ich anhand der von Aejmelaeus angegebe­ nen Zahlen für die einzelnen Bücher des Pentateuchs errechnet habe. 98 S. Sipilä, 75 (für ְ ‫ ו‬am Beginn eines Hauptsatzes hat Josua 89 % καί); 126 (für ְ ‫ ו‬apodosis 52 % καί); 138 (für ְ ‫ ו‬am Beginn eines Nebensatzes 78 % καί). 99 Die Zahlen sind aus der Tabelle bei Aejmelaeus, 123, errechnet (bei den Auslassungen nicht mitgerechnet wurde Fallgruppe 27 [omission of the clause]). 100 S. Sipilä, 194 f, wo er seine Ergebnisse so anpasst, dass sie direkt mit den Zahlen von Aej­ melaeus verglichen werden können. Den entsprechenden Anteil an Auslassungen gibt Sipilä nicht an.

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85

Die Wiedergabe von satzverbindendem ְ ‫ו‬i

Anteile von καί, δέ und anderen Wiedergaben von ְ ‫ ו‬in den Büchern der Septuaginta:101 Spalte Nr.

2

3

4

5

6

καί

Anz. ְ ‫ו‬i Anz.

7

8 andere

δέ

9 nicht καί

%

Anz.

%

Anz.

%

%

Gen

4063

2734

67,3

781

19,2

548

13,5

32,7

Ex

2751

2057

74,8

327

11,9

367

13,3

25,2

Lev

1867

1582

84,7

114

6,1

171

9,2

15,3

Num

2555

2227

87,2

68

2,7

260

10,1

12,8

Dtn

2091

1752

83,8

46

2,2

293

14,0

16,2

Jos

1668

1478

88,6

41

2,5

149

8,9

11,4

Ri

1907

1836

96,3

6

0,3

65

3,4

3,7

244

211

86,5

21

8,6

12

4,9

13,5

1Sam+2Sam

4493

4287

95,4

24

0,5

110

4,1

4,6

Samuel, Non-Kaige102

3082

2937

95,3

13

0,4

72

4,3

4,7

Samuel, Kaige

1411

1350

95,7

11

0,8

182

3,5

4,3

1Kön

2112

1974

93,5

11

0,5

22

6,0

6,5

2Kön

2208

2157

97,7

8

0,4

50

1,9

2,3

Könige, Non-Kaige

1771

1646

92,9

10

0,6

132

6,5

7,1

Könige, Kaige

2549

2485

97,5

9

0,4

50

2,1

2,5

1Chr+2Chr

4853

4513

93,0

10

0,2

127

6,8

7,0

Esr

469

400

85,3

1

0,2

43

14,5

14,7

Neh

965

882

91,4

0

0,0

115

8,6

8,6

Est

410

242

59,0

56

13,7

55

27,3

41,0

Ruth

101 Die Tabelle wurde mit Hilfe der Tov-Polak-Datenbank von BibleWorks erstellt. Nicht aufgenommen wurden Stellen, bei denen der MT keine Entsprechung im Griechischen hat, etwa in 1Sam 17 f, aber auch Fälle wie 1ְ ‫ ו ַיּ ֵל ֶך‬in Gen 24,10 oder ‫באוּ‬ ֹ ָ ‫ ו ַיּ‬in Gen 46,28. Diese Stellen wurden mit Hilfe der Kennzeichnung „LXX Analysis = —“ in der Tov-PolakDatenbank ermittelt. 102 Zur Abgrenzung des Kaige-Bereichs s. unten den Exkurs: 2Sam 10,6 als Beginn des KaigeAbschnitts (S. 199).

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86 Spalte Nr.

Die Übersetzung von Konjunktionen 2

3

4

5

6

καί

7

8 andere

δέ

9 nicht καί

Hi

1156

397

34,3

391

33,8

170

31,9

65,7

Ps

1977

1752

88,6

77

3,9

330

7,5

11,4

Spr

810

261

32,2

356

44,0

68

23,8

67,8

Pred

361

344

95,3

0

0,0

83

4,7

4,7

Hhld

78

70

89,7

0

0,0

112

10,3

10,3

Jes

2431

1766

72,6

102

4,2

368

23,2

27,4

Jer

2653

2365

89,1

22

0,8

148

10,1

10,9

Ez

2937

2683

91,4

28

1,0

193

7,6

8,6

531

458

86,3

4

0,8

17

12,9

13,7

2195

1995

90,9

52

2,4

8

6,7

9,1

Dan Dodekaproheton

Tabelle: Elektronisch ermittelte Wiedergabeweise von ְ ‫ ו‬in den Büchern der Septuaginta.

Einen besonders hohen Anteil von ְ ‫ ו‬für καί (mindestens 90 %, grau unter­ legt in Spalte 4) weisen neben den Samuelbüchern Richter, Könige, Predi­ ger, Ezechiel und das Dodekapropheton auf; allesamt Übersetzungen, die als wörtlich gelten.103 Einen besonders hohen Anteil von alternativen Wie­ dergaben (mindestens 15 %, grau unterlegt in Spalte 9) haben Genesis, Exo­ dus, Leviticus, Deuteronomium, Ester, Hiob, Sprüche und Jesaja und damit Übersetzungen, die im Allgemeinen als eher frei gelten.104

103 Die genannten Bücher fallen in der Klassifikation Thackerays (Thackeray, Greek Transla­ tors, 13) unter „indifferent Greek“ (die Non-Kaige-Abschnitte von Samuel und Könige, Ezechiel und das Dodekapropheton) oder „literal or unintelligent versions“ (Richter, die Kaige-Abschnitte von Samuel-Könige, Prediger). 104 Die genannten Bücher fallen bei Thackeray unter „good κοινή Greek“ (Pentateuch, Jesaja) bzw. „paraphrases and free renderings“ (Ester, Hiob, Sprüche); s. Thackeray, Grammar, 13. Dass Numeri nach der Statistik die wörtlichste Übersetzung des Pentateuchs wäre, koinzidiert mit den differenzierten und qualitativ gewichteten Analysen von Anneli Aej­ melaeus (Aejmelaeus, Parataxis; s. insbesondere ihre zusammenfassenden Bemerkungen zu Numeri ebd., 181).

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3 Die Übersetzung von Infinitivkonstruktionen 3.1 Einführung Ilmari Soisalon-Soininen hat in einer umfassenden Studie zur Wiedergabe der hebräischen Infinitive1 gezeigt, dass ihre Untersuchung geeignet ist, die Arbeit der Septuaginta-Übersetzer miteinander zu vergleichen und so zu profilieren: Die Übersetzer gehen auf verschiedene Weise mit hebräischen Infinitivkonstruktionen um.2 Für die Analyse wird sinnvollerweise nach den hebräischen Konstruktio­ nen unterschieden.3 Vom infinitivus absolutus abgesehen, steht der hebräi­ sche Infinitiv meist gemeinsam mit verschiedenen Präpositionen.4 Diese Kombinationen haben die Funktion eines Nebensatzes.5 Im Folgenden untersuche ich alle Fälle von nebensatzwertigem ְ ‫ בּ‬und ְ ‫כּ‬ mit infinitivus constructus in den Samuelbüchern. Beide Konstruktionen stehen ganz überwiegend anstelle eines temporalen Nebensatzes;6 vereinzelt sind sie in den Samuelbüchern auch modal (ְ ‫ בּ‬+ infinitivus constructus) bzw. handlungsvergleichend (ְ ‫ כּ‬+ infinitivus constructus) gebraucht. Ernst Jenni hat die Syntax von ְ ‫ בּ‬und ְ ‫ כּ‬+ Infinitiv unter Auswertung aller Belege im MT umfassend dargestellt und damit das Verständnis des bibli­ schen Hebräisch auf diesem Gebiet wesentlich vertieft.7 Den Unterschied zwischen temporal gebrauchtem ְ ‫ בּ‬und temporal gebrauchtem ְ ‫ כּ‬+ infiniti­ vus constructus beschreibt er so, dass ְ ‫ בּ‬+ infinitivus constructus eine tempo­ ralisierende Wirkung a se eigne; ְ ‫ כּ‬+ infinitivus constructus habe dagegen primär handlungsvergleichende Kraft und seine Anwendung zur Tempora­ lisation sei sekundär.8

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Soisalon-Soininen, Ilmari, Die Infinitive in der Septuaginta, Helsinki 1965. S. Soisalon-Soininen, Infinitive, 207 f. S. die Arbeit Soisalon-Soininens (Soisalon-Soininen, Infinitive); zur Begründung einer Gruppierung nach dem Hebräischen s. ebd., 15 f. Eine Auszählung mit Hilfe der EDV ergibt 5965 Fälle der Kombination eines infinitivus constructus mit einer Präposition bei 7409 Infinitiven überhaupt (davon 818 absoluten Infi­ nitiven). S. Jenni, Lehrbuch, § 10.3.1.3: „Die häufigste Verwendung des Inf.cs. ist die nach Präposi­ tionen an Stelle eines Nebensatzes.“ (Hervorhebung des Originals aufgehoben). „The preposition used most commonly with infinitives is ‫ל‬i […‫ ]ו‬The construction occurs with every preposition, but […‫ ]ו‬frequently with ‫ ב‬and ‫כ‬i, especially with a temporal sense.“ (Waltke/O’Connor, § 36.2.2 b). Zu den übrigen Anwendungsgebieten dieser Kon­ struktionen s. Jenni, Beth, 317 f; 349 f; 354 f; sowie Jenni, Kaph, 88 f; 155 f. Jenni, Ernst, Die hebräischen Präpositionen. Band 1: Die Präposition Beth, Stuttgart 1992; Band 2: Die Präposition Kaph, Stuttgart 1994. S. Jenni, Beth, 319 f.

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Die Übersetzung von Infinitivkonstruktionen

Daraus ergeben sich nach Jenni unterschiedliche Möglichkeiten für die Zeitverhältnisse der Handlung des Infinitivs und der übergeordneten Bezugshandlung.9 ְ ‫ בּ‬+ infinitivus constructus kann aufgrund seiner spezi­ fisch temporalisierenden Kraft zeitliche Vergleiche in variabler Weise leis­ ten, d. h. das im Infinitiv Benannte kann vor-, gleich- oder nachzeitig zum Bezugsgeschehen sein. Bei ְ ‫ כּ‬+ infinitivus constructus dagegen ist die im Infi­ nitiv ausgedrückte Handlung aufgrund der primär handlungsvergleichen­ den Kraft stets unmittelbar vorzeitig zur übergeordneten Handlung, und als vor der Haupthandlung abgeschlossen zu betrachten. Die Konstruktion hat resultativen Charakter, und mit ְ ‫ כּ‬können nur Handlungsverben und keine Zustandsverben kombiniert werden.10 Für eine Untersuchung der Übersetzungsweise von temporalem ְ ‫ בּ‬und ְ ‫כּ‬ + infinitivus constructus sind diese Klärungen hilfreich, weil sie das Augen­ merk auf bestimmte Details lenken, insbesondere auf die verwendeten grie­ chischen Tempora und die mit ihnen ausgedrückten (aspektualen) Hand­ lungscharakterisierungen und Zeitverhältnisse. Neben dem dominierenden temporalen Gebrauch gibt es in den Samuel­ büchern einzelne Belege für modales ְ ‫ בּ‬+ infinitivus constructus sowie hand­ lungsvergleichendes ְ ‫ כּ‬+ infinitivus constructus. Diese Fälle werden jeweils in einem eigenen Abschnitt behandelt.

9 Jenni, Beth, 319 f. Ähnlich Soisalon-Soininen, Infinitive, 93 f. 10 „[F]ür den Zeitvergleich mit ‫[ כ‬kommen] praktisch nur Vorgänge und Handlungen, aber nicht Zustände in Frage.“ (Jenni, Beth, 321) Deshalb wird zwar ְ ‫בּ‬i, nie aber ְ ‫ כּ‬mit dem Infi­ nitiv von ‫ היה‬kombiniert (s. ebd.).

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ְ ‫ בּ‬+ infinitivus constructus

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3.2 Die Übersetzung von ְ ‫ בּ‬+ infinitivus constructus 3.2.1 Einleitung In der hebräischen Vorlage des Samuelübersetzers kommt der mit ְ ‫ בּ‬kombi­ nierte Infinitiv 45-mal vor.1 Die Konstruktion hat ganz überwiegend tem­ poralen Charakter;2 zweimal (1Sam 11,2; 22,13) wird die Konstruktion modal gebraucht.

3.2.2 Temporales ְ ‫ בּ‬+ infinitivus constructus 3.2.2.1 Ἐν τῷ + Infinitiv In 33 der 43 Fälle3 (77 %) von temporal gebrauchtem ְ ‫ בּ‬+ infinitivus con­ structus verwendet der Übersetzer ἐν τῷ + Infinitiv als Wiedergabe. ִ ִ ‫תם מ‬ ָ ‫תה חֶס ֶד ע ִם־כּ ָל־בּ ְנ ֵי י ִשׂ ְרָא ֵל ובּ ַע ֲלֹו‬ ָ ‫תּה ע ָשׂ ִי‬ ָ ַ ‫ ו ְא‬καὶ σὺ 1Sam 15,6 ‫מּצְרָי ִם‬ ἐποίησας ἔλεος μετὰ τῶν υἱῶν Ἰσραὴλ ἐν τῷ ἀναβαίνειν αὐτοὺς ἐξ Αἰγύπτου. ָ ְ ‫פּל א ַרְצָה ו ַיּ ִשׁ‬ ֹ ִ ‫באֹו א ֶל־דּ ָו ִד ו ַיּ‬ ֹ ְ ‫ ו ַי ְה ִי ובּ‬καὶ ἐγένετο ἐν τῷ εἰσελθεῖν 2Sam 1,2 ‫תּחוּ‬ #αὐτὸν πρὸς Δαυὶδ καὶ ἔπεσεν ἐπὶ τὴν γῆν καὶ προσεκύνησεν αὐτῷ.

Diese Übersetzungsweise ist eine wörtliche lexikalisch-syntaktische Über­ tragung der hebräischen Konstruktion ins Griechische: Die Präposition ְ ‫בּ‬ wird mit der Präposition ἐν wiedergegeben, der Infinitiv mit einem Infinitiv.

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Nicht berücksichtigt sind diejenigen Passagen des MT, die keine Entsprechung im Griechi­ schen haben (insbesondere in 1Sam 17 f). Stellennachweis für ְ ‫ בּ‬+ infinitivus constructus: 1Sam 2,19.27; 4,22; 9,9; 10,2; 11,2; 14,27; 15,2.6; 16,6.16.23; 20,15; 21,6; 22,8.13; 23,6; 25,2.15.37; 30,1; 2Sam 1,2; 2,10; 3,6.13; 4,4 bis; 5,2.4.24; 8,3.13; 11,16; 12,18; 14,26; 15,5.8.12; 16,7; 19,1.4.19; 21,2; 23,9 und 24,17. Darüber hinaus hat der MT an weiteren Stel­ len ְ ‫ בּ‬+ infinitivus constructus, bei denen ich diese Konstruktion für die Vorlage des Über­ setzers als nicht gesichert ansehe und die ich daher bei meiner Analyse nicht berücksich­ tige: 1Sam 24,12 (mit Soisalon-Soininen, Infinitive, 88, gehe ich von einem Finitverb in der Vorlage aus); 2Sam 7,14 (hier halte ich ‫ בּ ְה ַע ֲֹותֹו‬nicht für die Vorlage für καὶ ἐὰν ἔλθῃ ἡ ἀδικία αὐτου). Umgekehrt deutet ἐν τῷ λημφθῆναι in 1Sam 4,22 auf eine gegenüber dem MT zusätzliche Vorlage mit ְ ‫ בּ‬+ infinitivus constructus hin (‫בהלקח‬i). Ein Grenzfall ist ‫ בּ ְצַֹוּת‬in 2Sam 18,5, weil es Objektinfinitiv zu ‫ שׁמע‬oder temporaler Nebensatz-Ersatz sein kann. Der Übersetzer gibt es mit ergänzendem Partizip wieder (s. unten S. 130). Jenni, Beth, 317, gibt den Anteil des temporalen Gebrauchs für den gesamten MT aufgrund seiner Analyse sämtlicher Belege mit 92 % an. Daneben sieht er eine modal-explizierende Verwendung (als Beispiel nennt er 1Sam 22,13: ָ ‫תּך‬ ְ ‫ת‬ ִ ְ ‫בּ‬i) sowie eine kausale Verwendung (z. B. 2Chr 16,8: ָ ‫בּ ְה ִשּׁ ָע ֶנ ְך‬i). 1Sam 2,19; 4,22; 9,9; 11,2; 14,27; 15,6; 16,6.16.23; 20,15; 21,6; 22,8; 23,6; 25,2.15; 2Sam 1,2; 3,6; 4,4 bis; 5,4.24; 8,13; 11,16; 12,18; 14,26; 15,5.8.12; 16,7; 19,1.4; 21,2; 23,9 und 24,17.

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Die Übersetzung von Infinitivkonstruktionen

Die Substantivierung des Infinitivs erfolgt, um die Rektion der Präposition ἐν anzuzeigen.4 Dass der Übersetzer ἐν τῷ + Infinitiv temporal gebraucht, entspricht dem Sprachgebrauch der Koine, in der die temporale Bedeutung für diese Konstruktion vorherrscht.5 Im Attischen wird ἐν τῷ + Infinitiv nur kausal, konditional oder modal verwendet.6 Wie in den gegebenen Beispielen ist in fast allen Fällen der hebräische Infinitiv durch ein Suffix erweitert,7 welches sein Subjekt anzeigt.8 Das Sub­ jekt kann aber auch als Substantiv9 (Personalpronomen oder Eigenname) dem Infinitiv nachstehen, z. B. 1Sam 14,27 ‫לא־שׁ ָמ ַע ובּ ְה ַשׁ ְבּ ִיע ַ א ָב ִיו א ֶת־ה ָע ָם‬ ֹ ‫ ו ְיֹונ ָתָן‬καὶ Ἰωναθὰν οὐκ ἀκη­ κόει ἐν τῷ ὁρκίζειν τὸν πατέρα αὐτοῦ τὸν λαόν. Der Übersetzer gibt mit Ausnahme von 1Sam 9,910 die Subjektsuffixe und substantive wieder (im Akkusativ).11 Die klassische Regel, nach der die Sub­ jektangabe weggelassen wird, wenn das Subjekt – wie in 2Sam 1,2 – dem

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„Wenn der Infinitiv mit einer Präposition verbunden ist, so muss der Artikel stehen, damit durch denselben die Konstruktion der Präposition angezeigt wird.“ (Kühner/Gerth II, § 479, 2; Hervorhebung des Originals aufgehoben) Das gilt auch für die Koine (Blass/ Debrunner/Rehkopf, § 398, 1; Mayser II/1, § 50 B, Vorbemerkung; S. 324). 5 Blass/Debrunner/Rehkopf, § 404, 1. Mayser II/1, § 50 B II, 2; S. 328 f: „ἐν τῷ mit Inf. bezeichnet a) das zeitliche Zusammenfallen zweier Erscheinungen. […‫ ]ו‬b) übertragen das begriffliche Zusammenfallen auf die Frage inwiefern? worin?“ (Hervorhebung im Origi­ nal) Im NT wird die Konstruktion praktisch ausschließlich temporal benutzt; nur in Ein­ zelfällen kann man auch einen modalen Gebrauch erwägen, z. B. Mt 13,4; Mk 4,4; Lk 1,21; 8,5. Mt hat ἐν τῷ + Infinitiv zweimal, Mk dreimal, Lk 28-mal, Joh einmal, Apg viermal, Röm dreimal, 1Kor einmal, Gal einmal, Hebr viermal, 1Jo einmal, Jak einmal (ausgezählt mit BibleWorks). Verglichen mit der LXX ist die Frequenz von ἐν τῷ + Infinitiv damit erheblich geringer – außer im Lukasevangelium, wo offenbar auch an diesem Punkt der Stil der LXX imitiert wird. 6 Kühner/Gerth II, § 478, 4 d, nennen als Übersetzungsmöglichkeiten „wegen, deshalb, weil, mit der Bestimmung, unter der Bedingung, dass“ (Hervorhebung des Originals aufgeho­ ben). Zum modalen Gebrauch von ἐν τῷ + Infinitiv in 1Sam 11,2 s. unten S. 95. 7 In 28 Fällen: 1Sam 2,19.27; 9,9; 10,2; 15,2.6; 16,6; 21,6; 22,13; 25,15; 2Sam 1,2; 2,10; 3,13; 4,4 semel; 5,4.24; 8,3.13; 14,26; 15,8.12; 16,7; 19,1.4.19; 21,2; 23,9 und 24,17. 8 Das hebräische Suffix kann auch das Objekt der Verbalhandlung anzeigen (s. Gesenius/ Kautzsch, § 115). Für Objektsuffixe habe ich in den Grammatiken allerdings mit Aus­ nahme von 2Sam 16,7: i‫קל ְלֹו‬ ַ ְ ‫בּ‬i (Joüon/Muraoka, i § 124, Anm. 8) keine Beispiele für tempo­ rale Infinitivkonstruktionen gefunden, und in 2Sam 16,7 kann das Suffix auch das Subjekt des Fluchens (er = Schimi) bezeichnen. 9 1Sam 4,22 (s. oben Anm. 1); 14,27; 16,6.23; 20,15; 22,8; 23,6; 2Sam 3,6; 4,4 semel; 11,16; 12,18 und 15,5. 10 S. dazu im Folgenden (unten S. 92). 11 „Das Subj. und dessen Nebenbestimmungen stehen beim substantivierten Inf. im Akkusa­ tiv.“ (Blass/Debrunner/Rehkopf, § 398, 4).

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ְ ‫ בּ‬+ infinitivus constructus

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Subjekt des Hauptsatzes entspricht,12 ist in der Koine nicht mehr zwin­ gend13 und wird auch von den anderen LXX-Übersetzern nicht befolgt.14 Normalerweise behält der Übersetzer die Wortfolge des Hebräischen bei: Das Subjektsuffix bzw. –substantiv folgt dem Infinitiv. Zweimal aller­ dings zieht der Übersetzer es in die Konstruktion hinein (1Sam 16,6; 2Sam 19,4).15 1Sam 16,6 ‫ ו ַי ְה ִי ובּ ְבֹוא ָם ו ַיּ ַרְא א ֶת־א ֱל ִיא ָב‬καὶ ἐγενήθη ἐν τῷ αὐτοὺς εἰσιέ#ναι καὶ εἶδεν τὸν Ἐλιάβ. Nur in 1Sam 11,216 und 25,2 ist das Subjekt des Nebensatzes im Hebräi­ schen nicht als Suffix angefügt, sondern im Kontext enthalten;17 der Über­ setzer folgt hier wörtlich der hebräischen Syntax. ֹ ‫ ו ְא ִישׁ בּ ְמ ָעֹון…וו ַי ְה ִי ובּ ִג ְֹזז א ֶת־‬καὶ ἦν ἄνθρωπος 1Sam 25,2 18‫צאנֹו בּ ַכּ ַרְמ ֶל…ו‬ ἐν τῇ Μαάν …‫ ו‬καὶ ἐγενήθη ἐν τῷ κείρειν τὸ ποίμνιον αὐτοῦ ἐν τῷ Καρμήλῳ…‫ו‬

Das Subjekt des hebräischen Infinitivs ist am Satzanfang benannt (‫א ִישׁ‬i); das ֹ ‫ א ֶת־‬bezieht sich darauf zurück. Die Suffix des Akkusativ-Objekts ‫צאנֹו‬ Infinitivkonstruktion selbst macht das Subjekt nicht explizit. Der Überset­ zer gibt die Struktur der hebräischen Syntax wörtlich wieder. Bei der Wahl der Tempora für die mit ἐν τῷ kombinierten Infinitive zeigt der Übersetzer sein gutes Sprachgefühl für die griechischen Aktionsarten. Dem Kontext gemäß wählt er den Infinitiv Präsens (22-mal), um eine Hand­

12 „Wenn aber das Subjekt des regierenden Verbs zugleich auch das Subjekt des Infinitivs ist, so wird das Subjekt […‫ ]ו‬nicht, wie im Lateinischen, durch den Akkusativ eines Personal­ pronomens ausgedrückt, sondern ganz weggelassen.“ (Kühner/Gerth II, § 475, 5; Hervor­ hebung im Original). 13 Das zeigen die ägyptischen Papyri und das Neue Testament. Zu den Papyri s. Mayser II/1, § 50, Anhang, Nr. 2 (S. 335); Hervorhebung im Original: „Nicht selten erscheint jedoch bei gleichem Subjekt des Infinitiv und des regierenden Verbum das Infin.-Subjekt im Akkusa­ tiv […‫]ו‬, gewöhnlich das Personalpronomen.“ Zum NT s. Blass/Debrunner/Rehkopf, § 406, 2: „Das Pronomen im Akk. beim substantivierten Inf. mit Präp. ist beliebt“. 14 S. den Querschnitt an Beispielen bei Soisalon-Soininen, Infinitive, 82–84. 15 In 1Sam 16,6 korrigieren A 247 (in 376 fehlt der Text durch einen Abschreibfehler) L d 554 zur gewöhnlichen Reihenfolge bzw. derjenigen des MT; in 2Sam 19,4 korrigieren A und die O-Gruppe (L 554mg lesen ἐν [>82] τῇ φυγῇ αὐτῶν anstelle der Infinitivkonstruktion ἐν τῷ αὐτοὺς φεύγειν). 16 Zu 1Sam 11,2 s. unten im S. 95. 17 Zu diesen seltenen Fällen s. Gesenius/Kautzsch, § 115, 2, Anm. 2 (Randbuchst. g) mit Fuß­ note 1. 18 Dieser Temporalsatz am Ende von 1Sam 25,2 leitet einen Erzählabschnitt ein; V. 3 ist ein­ geschobener Erzählhintergrund; mit ‫ ו ַיּ ִשׁ ְמ ַע‬in V. 4 wird der Erzählfaden fortgeführt (so McCarter, I Samuel, Notes z. St.).

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Die Übersetzung von Infinitivkonstruktionen

lung als durativ bzw. iterativ zu akzentuieren, und den Infinitiv Aorist (11mal), um den resultativen Charakter einer Handlung herauszustellen:19 2Sam 8,13 (durativer Infinitiv Präsens) ‫שׁבֹו מ ֵה ַכֹּותֹו א ֶת־א ֲרָם‬ ֻ ְ ‫ו ַיּ ַע ַשׂ דּ ָו ִד שׁ ֵם ובּ‬ ‫ בּ ְג ֵיא־מ ֶל ַח שׁ ְמֹונ ָה ע ָשׂ ָר א ָל ֶף‬καὶ ἐποίησεν Δαυὶδ ὄνομα · καὶ ἐν τῷ ἀνα#κάμπτειν αὐτὸν ἐπάταξεν τὴν Ἰδουμαίαν ἐν Γαιμέλε εἰς ὀκτωκαί­ δεκα χιλιάδας. ֹ ‫ל ְפָנ ִים בּ ְי ִשׂ ְרָא ֵל‬ 1Sam 9,9 (iterativer Infinitiv Präsens) ‫כּה־א ָמ ַר ה ָא ִישׁ‬ ‫רא ֶה‬ ֹ ָ ‫לה ִים ל ְכוּ ו ְנ ֵל ְכ ָה ע ַד־ה‬ ֹ ֱ ‫ ובּ ְל ֶכ ְתֹּו ל ִד ְרֹושׁ א‬καὶ ἔμπροσθεν ἐν Ἰσραὴλ τάδε ἔλεγεν ἕκαστος ἐν τῷ πορεύεσθαι ἐπερωτᾶν τὸν θεόν Δεῦρο πορευθῶμεν πρὸς τὸν βλέποντα.

Den iterativen Charakter drückt neben dem Präsens πορεύεσθαι auch das Imperfekt ἔλεγεν aus. 1Sam 9,9 ist der einzige Fall, bei dem der Übersetzer das Subjekt-Suffix des infinitivus constructus nicht wiedergegeben hat. Der Grund dafür könnte sein, dass ἕκαστος als Plural empfunden wurde.20 1Sam 22,8 (resultativer Infinitiv im Aorist)

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‫ו ְא ֵין־ֹגּל ֶה א ֶת־א ָז ְנ ִי ובּ ִכ ְרָת־בּ ְנ ִי‬ ‫ ע ִם־בּ ֶן־י ִשׁ ַי‬καὶ οὐκ ἔστιν ὁ ἀποκαλύπτων τὸ ὠτίον μου ἐν τῷ διαθέσθαι τὸν υἱόν μου διαθήκην μετὰ τοῦ υἱοῦ Ἰεσσαί.

Übersetzung des LXX-Textes: „Und es gibt keinen, der es meinem Ohr offenbart hat, nachdem mein Sohn einen Bund geschlossen hat mit dem Sohn Isais.“ Der resultative Charakter des Aorists kennzeichnet die Hand­ lung als vorzeitig gegenüber der Handlung des Hauptsatzes.22 Dies gilt auch, wenn es im Hauptsatz um ein zukünftiges Ereignis geht. ֱ ‫תּ‬ ֶ ‫ ו ִיה ִי ובּ ְשׁ ָמ ְע ֲך ָ א ֶת־קֹול צְע ָד ָה בּ ְרָאשׁ ֵי ה ַבּ ְכ ָא ִים א ָז‬καὶ ἔσται 2Sam 5,24 ‫חרָץ‬ ἐν τῷ ἀκοῦσαί σε τὴν φωνὴν τοῦ συγκλεισμοῦ τοῦ ἄλσους τοῦ κλαυθμῶνος, τότε καταβήσει.

Übersetzung des LXX-Textes: „Und es wird sein, wenn du gehört haben wirst den Klang des Einschlusses (durch feindliche Truppen?) des weinen­ den Hains, dann sollst du hinabgehen.“ Das Hören dieses Klangs ist punk­

19 Mit Aorist: 1Sam 4,22; 11,2; 21,6; 22,8; 23,6; 2Sam 1,2; 4,4; 5,4.24; 23,9; 24,17; mit Präsens: 1Sam 2,19; 9,9 bis; 14,27; 15,6; 16,6.16.23; 20,15; 25,2.15; 2Sam 3,6; 4,4; 8,13; 11,16; 14,26; 15,5.8.12; 16,7; 19,1.4. 20 Ἕκαστος ist in der LXX oft mit einem Verb im Plural verbunden; s. Muraoka s.v. ἕκα­ στος. 21 Die LXX (διαθήκην) zeigt, dass die Vorlage hier zusätzlich ‫ ברית‬hatte; es dürfte in der hebräischen Überlieferung durch die Ähnlichkeit von ‫ בכרת‬und ‫ ברית‬ausgefallen sein. 22 Dies gilt nur in 1Sam 11,2 nicht; zu dieser Stelle s. unten S. 95.

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ְ ‫ בּ‬+ infinitivus constructus

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tuell gedacht als Signal, nach dessen Ertönen David zum Kampf gegen die Philister aufbrechen soll. Insgesamt ist die Wiedergabe von temporalem ְ ‫ בּ‬+ infinitivus constructus durch ἐν τῷ + Infinitiv „eine natürliche, wortgetreue Wiedergabe“.23 Die Häufigkeit des Gebrauchs dieser Konstruktion ist allerdings auffällig und trägt dazu bei, dass der griechische Text der Samuelbücher hebraistisch wirkt. 3.2.2.2 Genetivus absolutus In acht Fällen24 (19 %) hat der Übersetzer ְ ‫ בּ‬+ infinitivus constructus durch einen genetivus absolutus wiedergegeben. Diese Übersetzungsweise ist im Zusammenhang der Analyse aller genetivi absoluti des Samuelbuchs darge­ stellt.25 3.2.2.3 Nebensatz In drei Fällen26 (7 %) gibt der Übersetzer ְ ‫ בּ‬+ infinitivus constructus durch einen Temporalsatz wieder. 1Sam 10,2 ‫ת שׁ ְנ ֵי א ֲנ ָשׁ ִים‬ ָ ‫תּך ָ ה ַיֹּום מ ֵע ִמּ ָד ִי וּמ ָצָא‬ ְ ְ ‫ ובּ ְל ֶכ‬ὡς ἂν ἀπέλθῃς σήμερον ἀπ᾽ ἐμοῦ, καὶ εὑρήσεις δύο ἄνδρας. Der Übersetzer verwendet ὡς ἄν + Konjunktiv. In der Koine wird ὡς ἄν wie eine temporale Konjunktion gleichbedeutend mit ὅταν ‚sobald‘, ‚wenn‘ gebraucht.27 Das Futur εὑρήσεις führt die mit ὡς ἂν ἀπέλθῃς (resultativer Aorist)28 bedingte Handlung weiter. Bei Vorlagen mit ְ ‫ בּ‬+ infinitivus constructus muss man mit der Verwechs­ lung von ‫ ב‬und ‫ כ‬rechnen, wenn die Konstruktion durch einen ὥς-Satz wiedergegeben ist. In 1Sam 10,2 sehe ich ְ ‫ בּ‬für die Vorlage allerdings als gesichert an, da der Infinitiv von ‫ הלך‬im MT nie mit ְ ‫ כּ‬kombiniert wird – ganz offenbar, weil ‫ הלך‬nicht resultativ gedacht werden kann (das Resultat wird mit ‫בוא‬i, ‫ יצא‬etc. ausgedrückt, deren Infinitiv mit ְ ‫ כּ‬stehen kann). Der 23 24 25 26 27

Soisalon-Soininen, Infinitive, 81. 1Sam 2,27; 15,2; 30,1; 2Sam 3,13; 5,2; 8,3; 18,5; 19,19. S. unten Abschnitt 4.3.2. 1Sam 2,10; 10,2; 25,37. S. Mayser II/1, § 47, Abschnitt Ergebnisse (Hervorhebung im Original): „Neu ist der aus­ gedehnte Gebrauch von ὡς ἄν, das in der klassischen Sprache selten so verwendet wird [sc. als Temporalkonjunktion] und erst bei den LXX und im N. T. häufiger nachweisbar ist.“ Zum NT s. Blass/Debrunner/Rehkopf, § 455, 2: „ὡς ἄν mit Konj. = ὅταν mit Konj. bei Paulus ‚wenn‘, ‚sobald‘“. 28 Es „steht der Konjunktiv des Präsens, wenn die Handlung des Nebensatzes der des Haupt­ satzes gleichzeitig ist, dagegen der Konjunktiv des Aorists, wenn die Handlung des Neben­ satzes der des Hauptsatzes vorangeht“ (Kühner/Gerth II, § 567, 2; Hervorhebung im Ori­ ginal). Ebenso Mayser II/1, § 47 II B a.

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Die Übersetzung von Infinitivkonstruktionen

Übersetzer dürfte im Gespür gehabt haben, dass ‫ הלך‬nicht mit ְ ‫כּ‬i, sondern mit ְ ‫ בּ‬steht. Es ist m.E. wahrscheinlich, dass der Übersetzer in diesem Fall ְ ‫בּ‬ + infinitivus constructus mit einem ὡς-Nebensatz wiedergegeben hat. Auch bei anderen Phänomenen zeigt sich, dass er trotz seines hohen Maßes an Standardisierung in Einzelfällen abweichen kann.29 Auch für 1Sam 25,37 halte ich es für wahrscheinlich, dass der Übersetzer einen mit ὡς eingeleiteten Temporalsatz als Wiedergabe von ְ ‫ בּ‬+ infinitivus constructus formuliert hat: 1Sam 25,37 … ‫קר ובּ ְצֵאת ה ַיּ ַי ִן מ ִנּ ָב ָל‬ ֶ ‫בּ‬ ֹ ַ ‫ וו ַי ְה ִי ב‬καὶ ἐγένετο πρωί ὡς ἐξένηψεν ἀπὸ τοῦ οἴνου Ναβάλ…‫ו‬ Eine wörtliche Übersetzung mit ἐν τῷ + Infinitiv schied aus, weil sie Asso­ ziationen des Erbrechens mit sich gebracht hätte. Stattdessen greift der Übersetzer auf eine Formulierung zurück, die er aus dem griechischen Pen­ tateuch im Ohr gehabt haben dürfte: ἐξένηψεν ἀπὸ τοῦ οἴνου erinnert an Gen 9,24: ‫קץ ֹנחַ מ ִיּ ֵינֹו‬ ֶ ‫ ו ַיּ ִי‬/ ἐξένηψεν δὲ Νῶε ἀπὸ τοῦ οἴνου. In 2Sam 2,10 verwendet der Übersetzer die Konjunktion ὅτε: 2Sam 2,10 ‫ בּ ֶן־א ַרְבּ ָע ִים שׁ ָנ ָה א ִישׁ־בעל בּ ֶן־שׁ ָאוּל ובּ ְמ ָל ְכֹו ע ַל־י ִשׂ ְרָא ֵל‬τεσσα­ ράκοντα ἐτῶν Ἰσβάαλ Εἰσβάαλ30 υἱὸς Σαοὺλ ὅτε ἐβασίλευσεν ἐπὶ τὸν Ἰσραήλ.

Die Formel, die das Alter des jeweiligen Königs bei seiner Thronbesteigung angibt, kommt auch in 2Sam 5,4 und 17-mal in Könige31 vor. Nur in 2Sam 2,10 verwendet der Übersetzer einen Temporalsatz, danach ἐν τῷ + Infini­ tiv.32 Insgesamt wählt der Samuelübersetzer selten einen Nebensatz zur Wie­ dergabe von ְ ‫ בּ‬+ infinitivus constructus. Er hat mit ἐν τῷ + Infinitiv einen Standard, den er in aller Regel anwendet; die einzige häufigere Ausnahme ist der genetivus absolutus.

29 Deshalb wäre ich an diesem Punkt zurückhaltender als Ilmari Soisalon-Soininen, wenn er schreibt: „Da ein ὡς-Satz die regelmässige Wiedergabe von ‫ כ‬+ inf. cstr. ist und da ‫ ב‬und ‫כ‬ einander graphisch sehr nahe stehen und die beiden betreffenden Ausdrücke auch der Bedeutung nach nahe verwandt sind, ist es am wahrscheinlichsten, dass der Übersetzer in diesen Fällen [sc. in den seltenen Fällen, in denen ὡς die Übersetzung von ְ ‫ בּ‬+ infinitivus constructus zu sein scheint] ‫ כ‬+ inf. cstr. gelesen hat.“ (Soisalon-Soininen, Infinitive, 85). 30 Mit Ms. 93 (die Vorlage wurde entsprechend hergestellt). 31 1Kön 14,21; 22,42; 2Kön 8,17.26; 12,1; 14,2; 15,2.33; 16,2; 18,2; 21,1.19; 22,1; 23,31.36; 24,8.18. Zur Frage einer Identität der Übersetzer von Samuel und Könige s. unten Abschnitt 6.1.4. 32 Durchgehend mit Infinitiv Präsens. Ausnahmen: 2Sam 5,4 (Infinitiv Aorist in B 509 245; Rahlfs); auch 1Kön 16,11 (hier ist die Thronbesteigung akzentuiert).

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ְ ‫ בּ‬+ infinitivus constructus

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3.2.3 Modales ְ ‫ בּ‬+ infinitivus constructus Zweimal in den hebräischen Samuelbüchern wird ְ ‫ בּ‬+ infinitivus constructus modal gebraucht: 1Sam 11,2; 22,13. ִ ְ ‫רת ל ָכ ֶם ובּ ִנ ְקֹור ל ָכ ֶם כּ ָל־ע ֵין י ָמ ִין ו ְשׂ ַמ‬ ֹ ְ ‫ובּ ְֹזאת א ֶכ‬ 1Sam 11,2 ‫תּיה ָ חֶרְפָּה‬ ‫ ע ַל־כּ ָל־י ִשׂ ְרָא ֵל‬Ἐν ταύτῃ διαθήσομαι ὑμῖν διαθήκην, ἐν τῷ ἐξορύξαι ὑμῶν πάντα ὀφθαλμὸν δεξιόν, καὶ θήσομαι ὄνειδος ἐπὶ Ἰσραήλ.

Das Subjekt des hebräischen Infinitivs („ich“) ist im Verb ‫רת‬ ֹ ְ ‫ א ֶכ‬enthalten. Die Präposition ְ ‫ בּ‬im Ausdruck ‫ בּ ִנ ְקֹור‬ist in Korrespondenz zu ‫ בּ ְֹזאת‬nicht temporal, sondern modal zu verstehen.33 Ἐν τῷ ἐξορύξαι („dadurch dass ich aussteche“) ist eine auch nach den klassischen Sprachregeln gute Über­ setzung und eine der wenigen Stellen in der gesamten LXX, wo ἐν τῷ + Infinitiv nicht temporal gebraucht ist.34 Beim zweiten Beleg für modales ְ ‫ בּ‬+ infinitivus constructus benutzt der Übersetzer einen einfachen Infinitiv: 1Sam 22,13 ‫תּך ָ לֹו ל ֶחֶם‬ ְ ‫ת‬ ִ ְ ‫תּה וּב ֶן־י ִשׁ ָי ובּ‬ ָ ַ ‫תּם ע ָל ַי א‬ ֶ ְ‫קשׁ ַר‬ ְ ‫ו ַֹיּאמ ֶר א ֵל ָו שׁ ָאוּל ל ָמּ ָה‬ ‫ ו ְחֶרֶב‬καὶ εἶπεν αὐτῷ Σαούλ Ἵνα τί συνέθου κατ᾽ ἐμοῦ σὺ καὶ ὁ υἱὸς Ἰεσσαί, δοῦναί σε αὐτῷ ἄρτον καὶ ῥομφαίαν; ְ ‫ת‬ ִ ְ ‫ בּ‬temporal verstanden werden könnte („als du gegeben hast“), Obwohl ָ ‫תּך‬ muss es nach der Logik des Geschehens modal gemeint sein („dadurch dass / indem du gegeben hast“).35 Die Wiedergabe mit δοῦναί σε36 bildet das ab und kann als sprachlich gut gelungen gelten. Es versteht sich, dass aus den lediglich zwei Fällen des nicht temporalen Gebrauchs keine allgemeinen Aussagen zur Übersetzungsweise abgeleitet werden können. Es ist aber zumindest für 1Sam 22,13 deutlich, dass der Übersetzer so aufmerksam gearbeitet hat, dass er die ungewöhnliche Ver­ wendung von ְ ‫ בּ‬+ infinitivus constructus bemerkte. Aufgrund der Korres­ pondenz ἐν ταύτῃ ἐν τῷ ἐξορύξαι gehe ich auch für 1Sam 11,2 davon aus,

33 Ernst Jenni rubriziert diese Stelle unter dem Stichwort „Pronominalisierung durch ‫“ֹזאת‬, bestimmt sie als konditionalisierend und nennt als (einzige) Parallele Gen 34,22 (Jenni, Beth, 358 f). M.E. können diese Stellen schlicht als „modal“ bezeichnet werden. 34 Eine von mir genommene Stichprobe jedes zehnten Belegs der insgesamt 317 Übersetzun­ gen von ְ ‫ בּ‬+ infinitivus constructus durch ἐν τῷ + Infinitiv enthielt zwei nicht-temporale (7 %; 1Chr 2,10; Mal 2,17) und 29 temporale Verwendungen (94 %) von ἐν τῷ + Infinitiv. S. auch oben Anm. 2. 35 S. Jenni, Beth, 317, der diese Verwendung von ְ ‫ בּ‬+ infinitivus constructus „explizierend“ nennt. 36 Mit Artikel lesen V L CI a d–68 122 f 29 55 71 158 245 318 342 554 707, was eine stilistische Verbesserung sein dürfte: „τοῦ mit Inf. gehört einer höheren Schicht der Koine an.“ (Blass/Debrunner/Rehkopf, § 400) Die Handschriften 19, 246 und 318 lesen σε nicht und korrigieren damit entsprechend der klassischen Regel (s. oben Anm. 12).

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Die Übersetzung von Infinitivkonstruktionen

dass diese Übersetzung nicht schematisch-zufällig, sondern im Bewusstsein der modalen Bedeutungsmöglichkeit von ἐν τῷ + Infinitiv entstanden ist.

3.2.4 Ergebnis und Übersetzungsvergleich Für die Untersuchung wurde nach temporalem und modalem Gebrauch von ְ ‫ בּ‬+ infinitivus constructus unterschieden. Für modales ְ ‫ בּ‬+ infinitivus constructus gibt es nur zwei Belege in den Samuelbüchern. Der Übersetzer benutzt zur Wiedergabe einmal ἐν τῷ + Infinitiv und einmal einfachen Infi­ nitiv. Beides sind in ihrem jeweiligen Kontext gute Wiedergaben. Bei der Wiedergabe von temporalem ְ ‫ בּ‬+ infinitivus constructus verwen­ det der Übersetzer in 33 der 43 Fälle (77 %) ἐν τῷ + Infinitiv. Siebenmal (16 %) verwendet er einen genetivus absolutus und dreimal einen Nebensatz (7 %). Die mit ְ ‫ בּ‬kombinierten Verben sind i‫היה‬i(siebenmal); i‫בוא‬i(fünfmal); ‫הלך‬i (fünfmal); ‫עלה‬i (dreimal); je zweimal ‫יצא‬i, ‫כרת‬i und ‫מלך‬i; je einmal ‫ברח‬i; ‫גזז‬i; ‫גלה‬i; ‫זבח‬i; ‫חרף‬i; ‫ישׁב‬i; ‫נוס‬i; ‫נקר‬i; ‫נתן‬i; ‫קלל‬i; ‫צוה‬i; ‫עבר‬i; ‫קלל‬i; ‫קנא‬i; ‫קרב‬i; ‫ראה‬i; ‫שׁוב‬i; ‫שׁמע‬i. Verben der Bewegung sind häufiger vertreten; auch ‫היה‬i (‚örtlich sein‘) sticht hervor. Das liegt an der Erzählweise in den Samuelbüchern: Mit Hilfe des Weggehens, Ankommens oder Daseins einer Person oder Personengruppe wird häufig ein Geschehen zeitlich angesetzt („Als X kam / ging / sich am Ort Y aufhielt usw., geschah…‫)“ו‬. Das wörtliche ἐν τῷ + Infinitiv ist deutlich Standardwiedergabe des Übersetzers. Seine hohe Frequenz (77 %) zeigt, dass der Übersetzer nicht an Variation um der Variation willen interessiert ist,37 sondern eine einfache und in der Regel funktionierende Übersetzungsweise regelmäßig gebraucht. Er gehört gemeinsam mit Richter (60 %), Ezechiel (69 %), 1. Könige (70 %), Chronik (75 %), dem Dodekapropheton (79 %), dem Psalter (83 %) und 2. Könige (Kaige; 93 %) zu denjenigen Übersetzern, die diese wörtliche Wiedergabeweise für mehr als die Hälfte der Fälle verwenden.38 An zweiter Stelle der Wiedergaben folgt der genetivus absolutus. Das unterscheidet den Samuelübersetzer von den übrigen wörtlichen Überset­ zern, die diese Konstruktion nicht oder nur selten verwenden.39 Dieser 37 Der Übersetzer mit der größten Bandbreite an Wiedergaben ist Spr, wo ἐν τῷ + Infinitiv, verschiedene Nebensätze, der genetivus absolutus und das participium coniunctum sowie weitere Wiedergabeweisen vorkommen (s. Soisalon-Soininen, Infinitive, 188). 38 Die Prozentangaben beruhen auf den Zahlen von Soisalon-Soininen, Infinitive, 188 (für Könige ermöglichen sie keine Differenzierung nach Non-Kaige und Kaige). Die von Soisa­ lon-Soininen genannten Anteile für die übrigen Bücher: Spr 0 %; Jes 5 %; Hiob 6 %; Ex 13 %; Jer und Est je 20 %; Jos 21 %, Dtn 24 %; Num 35 %; Gen 40 %; Lev 42 %; Sir 49 %. 39 Die Anteile von genetivi absoluti nach Soisalon-Soininen, Infinitive, 188: Est, Jos, Sir, Ri, Dodekapropheton, Psalm jeweils keine Belege; Ez 2 %; Könige 2 %; Chronik 4 %; Gen und Jes je 5 %; Num 12 %; Hiob 13 %; Ex 17 %; Spr 19 %; Jer 20 %; Lev 27 %; Dtn 33 %.

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ְ ‫ בּ‬+ infinitivus constructus

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Befund überrascht zunächst, weil der genetivus absolutus im Allgemeinen als freie Wiedergabeweise angesehen wird.40 Die Verwendung des genetivus absolutus für ְ ‫ בּ‬+ infinitivus constructus kann aber m.E. sinnvoll nur im Zusammenhang der anderen genetivi absoluti interpretiert werden.41 Bemerkenswert ist, dass in den Königebüchern in keinem Fall ein geneti­ vus absolutus für ְ ‫ בּ‬+ infinitivus constructus verwendet wird. Das könnte ein Indiz sein, dass Könige von einem anderen Übersetzer übersetzt wurde.42 Allerdings relativiert sich dieser Eindruck, wenn man die möglichen Vorla­ gen untersucht: Nur in 13 von 52 Fällen für ְ ‫ בּ‬+ infinitivus constructus im MT von Könige stehen diejenigen Verben der Bewegung, die in Samuel besonders oft mit einem genetivus absolutus übersetzt sind (‫בוא‬i, ‫ יצא‬etc.) – alleine 19-mal steht ְ ‫ בּ‬mit dem Infinitiv von ‫מלך‬i.43 Noch stärker relativiert sich die mutmaßliche Differenz im Gebrauch des genetivus absolutus, wenn man die für die Übersetzungsweise in Samuel spezifischen Wiedergaben invertierter Nominalsätze zur zeitlichen Verortung von Erzählungen unter­ sucht.44 Diese Sätze sind auch in Könige ganz überwiegend mit einem gene­ tivus absolutus wiedergegeben,45 was ein starkes Indiz für die Identität der Übersetzer ist. Ἐν τῷ + Infinitiv und der genetivus absolutus decken gemeinsam 93 % der Wiedergaben von ְ ‫ בּ‬+ infinitivus constructus ab; hinzu kommen drei Nebensätze (7 %). Für freie Übersetzer typisch wäre ein deutlich höherer Anteil an Nebensätzen.46 Samuel gehört gemeinsam mit Sirach, der Chronik (jeweils keine Fälle), Könige (drei Fälle, 6 %); dem Dodekapropheton (ein Fall, 7 %) und dem Psalter (sechs Fälle, 10 %) zu denjenigen Übersetzun­ gen, die selten oder niemals Nebensätze für ְ ‫ בּ‬+ infinitivus constructus haben.47

40 S. Soisalon-Soininen, Infinitive, 89: Der genetivus absolutus als Wiedergabe von ְ ‫ בּ‬+ infini­ tivus constructus „bezeugt immer, dass der Übersetzer sich hier von der sklavischen Über­ setzungsweise losgerissen hat[,] und dabei eine stilistisch zwar gute, grammatisch aber ungenaue Wiedergabe erreicht. […‫ ]ו‬Die oben erwähnten Bücher, in denen der gen. abs. nicht verkommt, gehören zu einer Gruppe, die im allgemeinen als wortgetreue Überset­ zungen bekannt sind.“ 41 S. unten Abschnitt 4.3.2. 42 Ich habe für alle Übersetzungen von ְ ‫ בּ‬+ infinitivus constructus in den Königebüchern die von Brooke/McLean/Thackeray dokumentierten Lesarten überprüft; auch in den KaigeBereichen überliefert die L-Gruppe keinen weiteren genetivus absolutus. 43 S. oben Anm. 31. 44 S. unten Abschnitt 4.3.5. 45 1Kön 1,14.42; 2Kön 2,11.23; 13,21; 19,37. Kein genetivus absolutus in 2Kön 4,5. 46 Bei der Wiedergabe von ְ ‫ בּ‬+ infinitivus constructus „kommen sehr oft temporale Neben­ sätze vor. Diese sind besonders häufig in den freien Übersetzungen.“ (Soisalon-Soininen, Studien, 178). 47 Die übrigen Zahlen: Ez 11 %, Ri 12 %; Lev 23 %; Dtn 27 %; Ester und Jer je 40 %; Num 41 %; Gen 44 %; Ex und Jos je 50 %; Spr 62 %; Hiob 63 %; Jes 75 %. Alle Angaben beru­ hen auf den Zahlen von Soisalon-Soininen, Infinitive, 188.

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Die Übersetzung von Infinitivkonstruktionen

In seiner Auswahl der Tempora für die Infinitive (bei den Wiedergaben mit ἐν τῷ) bzw. für die Partizipien (bei den genetivi absoluti)48 zeigt sich der Samuelübersetzer souverän im Umgang mit den griechischen Zeiten. Er lässt sich bei der Wahl weniger vom Tempus des hebräischen Verbs leiten als vielmehr von seinem Sprachgefühl.49

48 Dazu unten Abschnitt 4.3.7. 49 S. Evans, 142, der den Gebrauch der Tempora durch die Übersetzer des Pentateuchs unter­ sucht und zusammenfasst: „The analysis […‫ ]ו‬clearly shows that aspect, tense, and mood usage in the Greek Pentateuch is in many respects independent of the underlying Hebrew and deserves to be considered as a natural sample of Koine usage. However, the data also demonstrate […‫ ]ו‬levels of Hebrew influence on the Greek verbal forms.“ Einzelheiten zum Tempusgebrauch des Samuel-Übersetzers s. unten Kapitel 5.

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ְ ‫ כּ‬+ infinitivus constructus

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3.3 Die Übersetzung von ְ ‫ כּ‬+ infinitivus constructus 3.3.1 Einleitung Die Grundfunktion der Präposition ְ ‫ כּ‬bestimmt Ernst Jenni als „Exponent der teilweisen Gleichstellung […‫ ]ו‬der semantischen Teilmerkmale zweier Größen (‚wie / gemäß / entsprechend‘ usw.).“1 Bei der Kombination von ְ ‫כּ‬ mit dem infinitivus constructus wird demgemäß die Handlung des Infinitivs mit derjenigen des übergeordneten Satzes verglichen. Der Vergleich erfolgt im eigentlichen Gebrauch von ְ ‫ כּ‬+ Infinitiv inhaltlich, etwa in ִ ‫ר‬ ֵ ָ ‫נ ִג ְל ָה ה ַיֹּום ל ְע ֵינ ֵי א ַמ ְהֹות ע ֲב ָד ָיו וכּ ְה ִגּ ָלֹות נ ִג ְלֹות א ַחַד ה‬i 2Sam 6,20 ‫קים‬

David, so sagt Michal, habe sich entblößt, wie sich einer der „Hohlköpfe“ entblößt. Nur dann, wenn das mit ְ ‫ כּ‬+ infinitivus constructus bezeichnete Gesche­ hen sich aus semantischen Gründen nicht handlungsvergleichend auf die übergeordnete Satzstruktur bezogen werden kann, muss nach Jenni das ter­ tium comparationis im zeitlichen Zusammenfallen der durch ְ ‫ כּ‬verglichenen Handlungen gesucht werden,2 z. B. ֹ ‫תּמ ְצְאוּן‬ ִ ‫בא ֲכ ֶם ה ָע ִיר כּ ֵן‬ ֹ ְ ‫וכּ‬i 1Sam 9,13 ‫אתֹו‬

Der infinitivus constructus ‫בא ֲכ ֶם‬ ֹ ְ ‫ כּ‬kann dem Bezugswort ‫תּמ ְצְאוּן‬ ִ nicht inhaltlich vergleichend, sondern nur zeitlich zugeordnet werden: „Wenn ihr in die Stadt kommt…‫“ו‬. Immer temporal ist ְ ‫ כּ‬+ infinitivus constructus, wenn die Konstruktion auf ‫ ו ַי ְה ִי‬folgt,3 z. B. ֹ ‫ק‬ ְ ֶ ‫קרֹון ו ַיּ ִז ְע ֲקוּ ה ָע‬ ְ ֶ ‫לה ִים ע‬ ֹ ֱ ‫ו ַי ְה ִי וכּ ְבֹוא א ֲרֹון ה ָא‬i 1Sam 5,10 ‫רנ ִים‬

Ernst Jenni betont, dass für ְ ‫ כּ‬+ infinitivus constructus, das in der ganz über­ wiegenden Zahl der Fälle temporal gebraucht wird, der temporale Gebrauch sekundär sei. Das werde daran deutlich, dass ְ ‫ כּ‬+ infinitivus constructus (im Unterschied zu ְ ‫ בּ‬+ infinitivus constructus) eine nur eingeschränkt tempora­ lisierende Kraft habe:4 Das mit ְ ‫ כּ‬+ infinitivus constructus angegebene

1 2

3 4

Jenni, Kaph, 11 f. Für die mit ְ ‫ כּ‬+ infinitivus constructus gebildeten Sätze gilt, dass sie „in zwei Gruppen zer­ fallen, je nachdem ob die im Haupt- und im Nebensatz beteiligten Verben eine semantische Affinität aufweisen oder nicht. Im ersten Fall, bei Übereinstimmungen im Verbinhalt, ergeben sich Vergleichssätze, im zweiten Fall, wenn die beteiligten Verben inhaltlich ver­ schieden und unabhängig sind, ergeben sich Temporalsätze.“ (Jenni, Beth, 320). Einzelheiten unten im Abschnitt 3.3.2. „Im Unterscheid zu temporalem ‫ ב‬+ Infinitiv, wodurch ein Zustand, ein Vorgang oder

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Die Übersetzung von Infinitivkonstruktionen

Geschehen sei immer unmittelbar vor der Handlung anzusetzen, die von ihm zeitlich bestimmt wird5 (wohingegen ְ ‫ בּ‬+ infinitivus constructus ver­ schiedene Zeitverhältnisse ausdrücken kann).6

3.3.2 Temporales ְ ‫ כּ‬+ infinitivus constructus Temporales ְ ‫ כּ‬+ infinitivus constructus kommt 15-mal in den hebräischen Samuelbüchern vor.7 In elf Fällen (73 %) verwendet der Übersetzer einen mit ὡς eingeleiteten Nebensatz zur Wiedergabe;8 dreimal ἐν τῷ + Infinitiv (20 %),9 einmal einen Nebensatz mit ὅτε (7 %).10 3.3.2.1 ‫ ו ַי ְה ִי‬und ‫ ו ְה ָי ָה‬+ infinitivus constructus Anders als ְ ‫ בּ‬+ infinitivus constructus11 steht ְ ‫ כּ‬+ infinitivus constructus überwiegend (zehnmal)12 mit den Formeln ‫ ו ַי ְה ִי‬und 13‫ ו ְה ָי ָה‬zur zeitlichen Verortung der erzählten Handlung. 1Sam 4,5 ‫תּרוּע ָה‬ ְ ‫ו ַי ְה ִי וכּ ְבֹוא א ֲרֹון בּ ְרִית־י ְהו ָה א ֶל־ה ַמּ ַחֲנ ֶה ו ַיּ ָרִעוּ כ ָל־י ִשׂ ְרָא ֵל‬ ‫ ג ְדֹול ָה‬καὶ ἐγενήθη ὡς ἦλθεν κιβωτὸς Κυρίου εἰς τὴν παρεμβολήν, καὶ ἀνέκραξεν πᾶς Ἰσραὴλ φωνῇ μεγάλῃ. Der Übersetzer verwendet einen temporalen Nebensatz mit der Konjunk­ tion ὡς und dem resultativen Aorist ἦλθεν: „Und es geschah: Als die Lade des Herrn im Lager angekommen war, jubelte ganz Israel mit lauter

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12 13

eine Handlung innerhalb eines Zeitraumes […‫ ]ו‬situiert wird, bringt temporales ‫ כ‬+ Infini­ tiv […‫ ]ו‬nicht eigentlich eine Temporalisation, sondern primär einen Vergleich zweier Vor­ gänge oder Handlungen zum Ausdruck.“ (Jenni, Beth, 320). „Wenn nun […‫ ]ו‬ein Zeitvergleich mit einem temporalen tertium comparationis zustande kommen soll, so ist eigentlich nur unmittelbare zeitliche Berührung als Aussage denkbar. […‫ ]ו‬Praktisch ergibt sich […‫ ]ו‬bei der Gerichtetheit des normalen Zeitablaufs […‫ ]ו‬automa­ tisch eine […‫ ]ו‬Vorzeitigkeit […‫‚( ]ו‬sobald / kaum daß‘).“ (Jenni, Beth, 321). S. oben Seite 88 (bei Anm. 9). 1Sam 2,13; 4,5.18; 5,10; 9,13.26; 10,5; 11,6; 13,10; 24,17; 2Sam 11,19 f; 13,28.36; 17,9.27. Zu 1Sam 10,9 s. unten S. 102; zu 2Sam 15,10 unten S. 104. 1Sam 2,13; 4,5.18; 5,10; 9,13.26; 10,5; 11,6; 13,10; 24,17; 2Sam 13,28. 2Sam 13,36; 15,10; 17,9. 2Sam 17,27. S. Jenni, Beth, 321: „Nur in verhältnismäßig wenigen Fällen (ca. 6 %) wird in Verbindung mit der Zeitbestimmung durch einen Infinitiv [sc. mit ְ ‫בּ‬i] noch ‫ו ַי ְה ִי‬ioder ‫ו ְה ָי ָה‬i[…‫ ]ו‬verwen­ det.“ In den Samuelbüchern steht ְ ‫ בּ‬+ infinitivus constructus 14-mal mit ‫ ו ַי ְה ִי‬oder ‫ו ְה ָי ָה‬i (1Sam 16,6.16.23; 18,6; 23,6; 25,2.37; 30,1; 2Sam 1,2; 3,6; 4,4; 5,24; 11,16; 15,5); dem stehen 36 andere Belege gegenüber. 1Sam 4,5.18; 5,10; 9,26; 10,5 (‫ו ִיה ִי‬i); 13,10; 24,17; 2Sam 13,36; 17,9.27. „[D]as temporale Verständnis der Infinitivkonstruktion [sc. ְ ‫ כּ‬+ infinitivus constructus] [wird] bei voranstehendem Infinitiv sehr häufig durch ‫ו ַי ְה ִי‬i (Vergangenheit) bzw. ‫ו ְה ָי ָה‬i (Zukunft oder Wiederholung in der Vergangenheit) unterstützt.“ (Jenni, Kaph, 149).

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ְ ‫ כּ‬+ infinitivus constructus

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Stimme.“ Das Hauptverb ἀνέκραξεν hat der Übersetzer entsprechend sei­ ner Vorlage mit καί angeschlossen. Idiomatisch wäre eine Auslassung.14 1Sam 13,10 ‫על ָה ו ְה ִנּ ֵה שׁ ְמוּא ֵל בּ ָא‬ ֹ ָ ‫לּתוֹ ל ְה ַע ֲלֹות ה‬ ֹ ַ ‫ ו ַי ְה ִי וכּ ְכ‬καὶ ἐγένετο ὡς #συνετέλεσεν ἀναφέρων τὴν ὁλοκαύτωσιν, καὶ Σαμουὴλ παραγίνεται. Auch hier steht wie bei insgesamt zehn der elf ὡς-Nebensätze Aorist. Ein­ mal verwendet der Übersetzer Imperfekt: 1Sam 9,26 ‫קרָא שׁ ְמוּא ֵל א ֶל־שׁ ָאוּל‬ ְ ִ ‫ ו ַי ְה ִי וכּ ַע ֲלֹות ה ַשּׁ ַחַר ו ַיּ‬καὶ ἐγένετο ὡς #ἀνέβαινεν ὁ ὄρθρος καὶ ἐκάλεσεν Σαμουὴλ τὸν Σαούλ. Es ist gut möglich, dass die Vorlage ‫ בעלות‬las (so einige masoretische Handschriften)15 und deshalb Imperfekt steht. Es ist aber auch denkbar, dass sich der Übersetzer die mit ‫ כּ ַע ֲלֹות‬als abgeschlossen charakterisierte Morgendämmerung als weiterhin anhaltend vorstellte. Um in der Zukunft liegende Ereignisse geht es in 1Sam 10,5 (‫ו ִיה ִי‬i) und 2Sam 17,9 (‫ו ְה ָי ָה‬i). ָ ְ ‫בא ֲך ָ שׁ ָם ה ָע ִיר וּפָג ַע‬ ֹ ְ ‫ ו ִיה ִי וכ‬καὶ 1Sam 10,5 ‫תּ חֶב ֶל נ ְב ִיא ִים ֹירְד ִים מ ֵה ַבּ ָמ ָה‬ ἔσται ὡς ἂν εἰσέλθητε ἐκεῖ εἰς τὴν πόλιν, καὶ ἀπαντήσεις χορῷ προφητῶν καταβαινόντων ἐκ τῆς Βαμά.

Die Ankunft bei der Stadt ist die in der Zukunft liegende Bedingung für die Begegnung mit der Prophetengruppe. Entsprechend verwendet der Über­ setzer ὡς ἄν, das in der Koine häufig statt ὅταν gebraucht wird.16 Einmal benutzt der Übersetzer einen ὅτε-Satz zur Wiedergabe von ְ ‫ כּ‬+ infinitivus constructus: 2Sam 17,27 … ‫וו ַי ְה ִי וכּ ְבֹוא ד ָו ִד מ ַחֲנ ָי ְמ ָה‬i καὶ ἐγένετο ἡνίκα ἦλθεν Δαυὶδ εἰς Μανάιμ…‫( ו‬A B O a 509 64–381 55

318 460 700; Rahlfs) καὶ ἐγένετο ὅτε εἰσῆλθεν Δαυὶδ εἰς παρεμβολὰς…‫( ו‬übrige Handschrif­

ten) Bei ἡνίκα ἦλθεν handelt es sich um eine kaige-artige Korrektur nach dem Hebräischen.17 In zwei Fällen gibt der Übersetzer auf ‫ ו ַי ְה ִי‬bzw. ‫ ו ְה ָי ָה‬folgendes ְ ‫ כּ‬+ infi­ nitivus constructus durch ἐν τῷ + Infinitiv wieder (2Sam 13,36; 17,9; vgl. auch 2Sam 11,19).18 14 15 16 17

Zur Wiedergabeweise von ְ ‫ ו‬in solchen Fällen s. oben im Abschnitt 2.2.4.1. S. App. der BHS. S. oben im Abschnitt 3.2.2.3 (S. 93, Anm. 27). Zu solchen kaige-artigen Korrekturen in B und einigen anderen Handschriften s. Aejme­ laeus, How to Reach, 195–204. 18 Zu 2Sam 11,19 s. unten S. 104.

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Die Übersetzung von Infinitivkonstruktionen

2Sam 13,36 ‫לּתֹו ל ְד ַבּ ֵר ו ְה ִנּ ֵה ב ְנ ֵי־ה ַמּ ֶל ֶך ְ בּ ָאוּ ו ַיּ ִשׂ ְאוּ קֹול ָם‬ ֹ ַ ‫ו ַי ְה ִי וכּ ְכ‬i καὶ ἐγένετο ἡνίκα συνετέλεσεν λαλῶν, καὶ ἰδοὺ οἱ υἱοὶ τοῦ βασιλέως ἦλθαν, καὶ ἐπῆραν τὴν φωνὴν αὐτῶν. (B-Text) καὶ ἐγένετο ἐν τῷ συντελέσαι αὐτὸν λαλοῦντα, καὶ ἰδοὺ οἱ υἱοὶ τοῦ βασιλέως παραγεγόνασιν, καὶ ἦραν τὴν φωνὴν αὐτῶν. (L-Gruppe) Die L-Gruppe dürfte hier die originäre Übersetzung überliefern. Sehr ֹ ַ ‫כּ ְכ‬i (und wahrscheinlich las die Vorlage des Übersetzers wie der MT ‫לּת‬ nicht ‫בּ ִכ ְלֹות‬i).19 2Sam 17,9 ‫שּׁמ ֵע ַ ו ְא ָמ ַר…ו‬ ֹ ַ ‫תּחִלּ ָה ו ְשׁ ָמ ַע ה‬ ְ ַ ‫פל בּ ָה ֶם בּ‬ ֹ ְ ‫ ו ְה ָי ָה וכּ ִנ‬καὶ ἔσται ἐν τῷ #ἐπιπεσεῖν (ἐν τῷ πεσεῖν L) αὐτοῖς ἐν ἀρχῇ καὶ ἀκούσῃ ὁ ἀκούων καὶ εἴπῃ…‫ו‬ Eine merkwürdige Übersetzung ist 1Sam 10,9: ֹ ֱ ‫וכּ ְה ַפְֹנתֹו שׁ ִכ ְמֹו ל ָל ֶכ ֶת מ ֵע ִם שׁ ְמוּא ֵל ו ַיּ ַה ֲפָך ְ־לֹו א‬ 1Sam 10,9 ‫לה ִים ל ֵב‬

20

‫ו ְה ָי ָה‬ ‫ א ַחֵר‬καὶ ἐγενήθη ὥστε ἐπιστραφῆναι τῷ ὤμῳ αὐτοῦ ἀπελθεῖν ἀπὸ Σαμουήλ, μετέστρεψεν αὐτῷ ὁ θεὸς καρδίαν ἄλλην ·

Dass das konsekutive ὥστε Wiedergabe eines durch ‫ ו ַי ְה ִי‬leicht erkennbar temporalen ְ ‫ כּ‬+ infinitivus constructus sein soll, ist kaum vorstellbar (es wäre der überhaupt einzige Fall einer Wiedergabe von ְ ‫ כּ‬+ infinitivus constructus mit ὥστε in der gesamten LXX). Ich gehe davon aus, dass der Übersetzer ‫ להפנתו‬übersetzt hat. Seine Wiedergabe wirkt im Übrigen nicht so, als habe er den Satz verstanden. Es ist deutlich, dass der Übersetzer bei ְ ‫ כּ‬+ infinitivus constructus, das auf ‫ ו ַי ְה ִי‬bzw. ‫ ו ְה ָי ָה‬folgt, eine klare Präferenz für die Übersetzung mit einem ὡς-Satz hat (sieben- von zehnmal = 70 %), daneben verwendet er zweimal ἐν τῷ + Infinitiv (20 %) und einen ὅτε-Satz (10 %). Vorherrschendes Tem­ pus ist der Aorist (Ausnahme 1Sam 9,26) entsprechend der Funktionsweise dieser Stellen: Die Erzählung wird zeitlich so bestimmt, dass das mit ְ ‫ כּ‬+ infinitivus constructus Ausgesagte eingetreten sein muss (resultativer Aspekt).

19 ‫ בּ ִכ ְלֹות‬kommt aufgrund des eher durativen Charakters von ְ ‫ בּ‬nur ganz ausnahmsweise vor (Ez 5,13; 43,23); üblich ist ‫לּת‬ ֹ ַ ‫כּ ְכ‬i(26 Belege im MT: Ex 31,18; Num 16,31; Dtn 20,9; 31,24; Jos 8,24; 10,20; Ri 15,17; 1Sam 13,10; 18,1; 24,17; 2Sam 11,19; 13,36; 1Kön 8,54; 9,1; 2Kön 10,25; 2Chr 7,1; 20,23; 24,14; 29,29; 31,1; Esr 9,1; Ps 71,9 [70,9 LXX]; Jer 26,8; 43,1; 51,63; Dan 12,7). 20 Die Vorlage des Übersetzers las hier ‫ויהי‬i(καὶ ἐγενήθη).

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ְ ‫ כּ‬+ infinitivus constructus

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3.3.2.2 Übrige Fälle In sechs Fällen21 steht ְ ‫ כּ‬+ infinitivus constructus zur temporalen Bestim­ mung von Handlungen, ohne dass eine Form von ‫ היה‬vorausginge. Viermal geht es dabei um zukünftiges Geschehen; zweimal um Geschehnisse der Vergangenheit.22 Der Übersetzer verwendet viermal die Konjunktion ὡς (davon dreimal mit ἄν)23 und zweimal ἐν τῷ + Infinitiv.24 Die Überset­ zungsweise ist nicht abhängig davon, ob das Geschehen in der Zukunft oder Vergangenheit spielt. 1Sam 11,6 ‫ א ֶת־ה ַדּ ְב ָרִים ה ָא ֵלּ ֶה‬26‫ ע ַל־שׁ ָאוּל וכּ ְשׁ ָמ ְעֹו‬25‫לה ִים‬ ֹ ֱ ‫תּצְל ַח רוּחַ־א‬ ִ ַ ‫ ו‬καὶ ἐφήλατο πνεῦμα Κυρίου ἐπὶ Σαοὺλ, ὡς ἤκουσεν τὰ ῥήματα ταῦτα. Es wird ein einmaliges Geschehen der Vergangenheit erzählt: Als Saul von der Not der Leute aus Jabesch hörte, entbrannte sein Zorn. 1Sam 9,13 ‫אתֹו‬ ֹ ‫תּמ ְצְאוּן‬ ִ ‫בא ֲכ ֶם ה ָע ִיר כּ ֵן‬ ֹ ְ ‫ וכּ‬ὡς ἂν εἰσέλθητε τὴν πόλιν, οὕτως εὑρήσετε αὐτόν. 2Sam 13,28 ‫ו ַי ְצַו א ַב ְשׁ ָלֹום א ֶת־נ ְע ָרָיו ל ֵאמֹר רְאוּ נ ָא וכּ ְטֹוב ל ֵב־א ַמ ְנֹון בּ ַיּ ַי ִן‬ ‫אתו‬ ֹ ‫תּם‬ ֶ ִ ‫תּי א ֲל ֵיכ ֶם ה ַכּוּ א ֶת־א ַמ ְנֹון ו ַה ֲמ‬ ִ ְ‫ ו ְא ָמ ַר‬καὶ ἐνετείλατο Ἀβεσσαλὼμ τοῖς παιδαρίοις αὐτοῦ λέγων Ἴδετε ὡς ἂν ἀγαθυνθῇ ἡ καρδία Ἂμνὼν ἐν τῷ οἴνῳ καὶ εἴπω πρὸς ὑμᾶς, πατάξατε τὸν Ἀμνὼν καὶ θανατώσατε αὐτόν ·

In beiden Sätzen werden mit ְ ‫ כּ‬+ infinitivus constructus Ereignisse benannt, die für die Zukunft sicher erwartet werden. Der Übersetzer verwendet jeweils ὡς ἄν mit Konjunktiv, welches in der Koine wie eine temporale Konjunktion gleichbedeutend mit ὅταν ‚sobald‘, ‚wenn‘ gebraucht wird.27 Der Aorist steht, weil das mit ὡς ἄν bezeichnete Ereignis vor der Haupt­ handlung eintrifft.28

21 Nicht berücksichtigt ist 1Sam 11,9, weil nicht sicher ist, ob der Übersetzer ‫חם‬ ֹ ְ ‫בּ‬i (Ketib) oder ‫חם‬ ֹ ְ ‫כּ‬i(Qere) las; s. dazu unten S. 135 (bei Anm. 15). 22 Zukünftiges Geschehen: 1Sam 9,13; 2Sam 11,19; 13,28; 15,10; vergangenes Geschehen: 1Sam 2,13; 11,6. 23 1Sam 11,6; jeweils mit ἄν 1Sam 2,13; 9,13; 2Sam 13,28. 24 2Sam 11,19; 15,10. 25 Codex Leningradensis ‫לה ִים‬ ֹ ֱ ‫א‬i; die Vorlage des Übersetzers hatte wie zwei masoretische Handschriften (s. den App. der BHS) den Gottesnamen. 26 Qere des Codex Leningradensis für ‫בּ ְשׁ ָמ ְעֹו‬i; einige masoretische Handschriften lesen ‫ כּ ְשׁ ָמ ְעֹו‬als Ketib. Der Übersetzer hatte wahrscheinlich ‫ כּ ְשׁ ָמ ְעֹו‬in seiner Vorlage, wie ὡς ἤκουσεν zeigt. 27 S. oben S. 93 (Anm. 27). 28 S. oben S. 93 (Anm. 28).

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Die Übersetzung von Infinitivkonstruktionen

In 1Sam 2,13 verwendet der Übersetzer ὡς ἄν mit Indikativ Aorist: 1Sam 2,13 ‫כּה ֵן וכּ ְב ַשּׁ ֵל‬ ֹ ַ ‫כּה ֲנ ִים א ֶת־ה ָע ָם כּ ָל־א ִישׁ ֹזב ֵחַ ז ֶב ַח וּב ָא נ ַע ַר ה‬ ֹ ַ ‫וּמ ִשׁ ְפַּט ה‬ ‫ ה ַבּ ָשׂ ָר‬καὶ τὸ δικαίωμα τοῦ ἱερέως παρὰ τοῦ λαοῦ παντὸς τοῦ θύοντος, καὶ ἤρχετο τὸ παιδάριον τοῦ ἱερέως ὡς ἂν ἡψήθη τὸ κρέας.

Hier wird vom Recht (τὸ δικαίωμα) des Priesters erzählt, wie es in Silo geübt wurde: Der Gehilfe des Priesters kommt, wenn das Opferfleisch kocht,29 um Fleischstücke für den Priester aus den Töpfen zu holen (s. V. 14). Weil es um wiederholte Handlungsabläufe geht, steht das iterative Imperfekt καὶ ἤρχετο. Der Indikativ Aorist ὡς ἂν ἡψήθη, mit dem die Bedingung ausgedrückt ist, die das Kommen des Dieners auslöst, kann nachklassisch ebenfalls iterativ verstanden werden.30 In 2Sam 11,19 f und 2Sam 15,10 steht im Griechischen ἐν τῷ + Infinitiv. ִ ַ ‫רי ה‬ ֵ ְ ‫תך ָ א ֵת כּ ָל־דּ ִב‬ ְ ֹ‫מר וכּ ְכ ַלּו‬ ֹ ‫ו ַי ְצַו א ֶת־ה ַמּ ַל ְא ָך ְ ל ֵא‬ 2Sam 11,19 f ‫מּל ְחָמ ָה ל ְד ַבּ ֵר‬ ָ ְ ְ ַ ‫ א ֶל־ה ַמּ ֶל ֶך ו ְה ָי ָה א ִם־‬καὶ ἐνετείλατο τῷ ‫תּע ֲל ֶה חֲמ ַת ה ַמּ ֶל ֶך ו ְא ָמ ַר ל ְך…ו‬ ἀγγέλῳ λέγων Ἐν τῷ συντελέσαι σε πάντα τὰ ῥήματα τοῦ πολέμου λαλοῦντα πρὸς τὸν βασιλέα, καὶ ἔσται ἐὰν ἀναβῇ ὁ θυμὸς τοῦ βασι­ λέως καὶ εἴπῃ σοι…31‫ו‬

Diese Stelle ist neben 2Sam 13,36 (Old Greek in L) und 17,9 ein weiteres Beispiel dafür, dass der Übersetzer ְ ‫ כּ‬+ infinitivus constructus in Einzelfällen auch mit ἐν τῷ + Infinitiv wiedergibt (es gibt keine Anhaltspunkte, dass der Übersetzer nicht ָ ‫תך‬ ְ ‫ כּ ְכ ַלֹּו‬gelesen hätte).32 2Sam 15,10 ‫תּם מ ָל ַך ְ א ַב ְשׁ ָלֹום בּ ְחֶב ְרֹון‬ ֶ ְ‫שּׁפָר ו ַא ֲמ ַר‬ ֹ ַ ‫ וכּ ְשׁ ָמ ְע ֲכ ֶם א ֶת־קֹול ה‬ἐν τῷ #ἀκοῦσαι ὑμᾶς τὴν φωνὴν τῆς σάλπιγγος καὶ ἐρεῖτε βεβασίλευκεν βασιλεὺς Ἀβεσσαλὼμ ἐν Χεβρών. Es ist unklar, ob die Vorlage ְ ‫ כּ‬+ infinitivus constructus oder ְ ‫ בּ‬+ infinitivus constructus las, denn einige masoretische Handschriften haben ‫בשׁמעכם‬i.33 Die Stelle bleibt daher für die Statistik ohne Berücksichtigung.

29 ‫ ה ַבּ ָשׂ ָר‬ist Subjekt des temporal-bedingenden Infinitivs ‫כּ ְב ַשּׁ ֵל‬i (zu dieser Konstruktions­ weise s. Gesenius/Kautzsch, § 115, 2, Anm. 2 [Randbuchst. g]). 30 Zur Verwendung von ὡς ἄν für ὅταν s. oben S. 93 (Anm. 27). Zum iterativen Gebrauch s. Blass/Debrunner/Rehkopf, § 382, 4: „Selten […‫ ]ו‬steht ὅταν mit Indikativ [sc. Aorist] und bedeutet dann a) die unbestimmte Wiederholung in der Vergangenheit.“ Dazu auch ebd., Anm. 6: In den „Pap. erst nachchristl. […‫ ]ו‬In LXX mehrere Stellen: Gen 38,9 Ex 17,11 Num 11,9 us[w].“ 31 πάντα τὰ ῥήματα und λαλοῦντα mit der L-Gruppe (die Lesarten des B-Textes, πάντας τοὺς λόγους und λαλῆσαι, sind m.E. Änderungen der Kaige-Rezensenten). 32 S. oben nach Anm. 18. 33 S. den Apparat der BHS.

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ְ ‫ כּ‬+ infinitivus constructus

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3.3.2.3 Schlussfolgerung Die Untersuchungen zeigen, dass es keinen Unterschied in der Überset­ zungsweise gibt, je nachdem, ob ְ ‫ כּ‬+ infinitivus constructus auf Formen von ‫היה‬i(‫ ו ַי ְה ִי‬und ‫ו ְה ָי ָה‬i; einmal ‫ו ִי ְה ִי‬i) folgt oder nicht. Der Übersetzer verwen­ det jeweils überwiegend ὡς-Sätze (in sieben von zehn Fällen bei voranste­ hender Form von ‫ היה‬/ in vier von fünf34 ansonsten); in Einzelfällen ἐν τῷ + Infinitiv (zweimal / einmal). Als Tempus für die Verben wählt er überwie­ gend den Aorist, da temporales ְ ‫ כּ‬+ infinitivus constructus punktuell-resul­ tativ gebraucht wird.

3.3.1 Handlungsvergleichendes ְ ‫ כּ‬+ infinitivus constructus Fünfmal kommt ְ ‫ כּ‬+ infinitivus constructus in den hebräischen Samuelbü­ chern nicht temporal, sondern handlungsvergleichend vor: 1Sam 15,22; 2Sam 3,33.34; 6,20; 17,3.35 1Sam 15,22 ‫מע ַ בּ ְקֹול י ְהו ָה‬ ֹ ְ ‫עלֹות וּז ְב ָחִים וכּ ִשׁ‬ ֹ ְ ‫ו ַֹיּאמ ֶר שׁ ְמוּא ֵל ה ַחֵפֶץ ל ַיהו ָה בּ‬ καὶ εἶπεν Σαμουήλ Εἰ θελητὸν τῷ Κυρίῳ ὁλοκαυτώματα καὶ θυσίαι

#ὡς τὸ ἀκοῦσαι φωνῆς Κυρίου; Der Übersetzer substantiviert den Infinitiv für den Vergleich (Akkusativ ֹ ְ ‫ כּ ִשׁ‬/ ὡς wegen θέλω). Aufgrund der Allgemeinheit des Vergleichs ist für ַ ‫מע‬ τὸ ἀκοῦσαι kein Subjekt explizit gemacht. 2Sam 6,20 ‫מ ַה־נּ ִכ ְבּ ַד ה ַיֹּום מ ֶל ֶך ְ י ִשׂ ְרָא ֵל א ֲשׁ ֶר נ ִג ְל ָה ה ַיֹּום ל ְע ֵינ ֵי א ַמ ְהֹות ע ֲב ָד ָיו‬ ‫קי ם‬ ִ ‫ר‬ ֵ ָ ‫ וכּ ְה ִגּ ָלֹות נ ִג ְלֹות א ַחַד ה‬τί δεδόξασται σήμερον ὁ βασιλεὺς Ἰσραήλ, ὃς ἀπεκαλύφθη σήμερον ἐν ὀφθαλμοῖς παιδισκῶν τῶν δούλων ἑαυτοῦ #καθὼς ἀποκαλύπτεται ἀποκαλυφθεὶς εἷς τῶν ὀρχουμένων.

Der Übersetzer benutzt das erst im hellenistischen Griechisch breit belegte36 Adverb καθώς ‚wie‘ (klassisch καθά, καθάπερ), um den Hand­

34 2Sam 15,10 wurde wegen der Unsicherheit der Vorlage nicht berücksichtigt. 35 Mit Jenni, Kaph (s. das Stellenregister, S. 170 f), wobei Jenni noch einen Unterschied zwi­ schen „Gleichartigkeit“ (z. B. 2Sam 17,3) und „Nachahmung“ (2Sam 6,20) macht. 36 Einzelne Belege gibt es für Herodot und Aristoteles. Im Gebrauch von καθώς (199-mal in der LXX) unterscheiden sich die Übersetzer der LXX. Während es von als freier geltenden Übersetzern nur selten oder gar nicht verwendet wird (Gen viermal, Ex einmal, Lev kein­ mal, Num dreimal, Dtn viermal, Josua, Jesaja, Sprüche und Hiob jeweils keinmal), ist es bei wörtlicheren Übersetzern häufiger belegt (Richter 13-mal, Samuel-Könige 66-mal, Chronik 13-mal, Jeremia 21-mal, Ezechiel 24-mal, Dodekapropheton 27-mal, jedoch Psal­ ter nur dreimal). Die Grammatiker Moeris (2. Jh. v.Chr.) und Phrynichos (2. Jh. n.Chr.) kritisieren den Gebrauch von καθώς scharf (s. Liddell/Scott/Jones s.v. καθώς).

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Die Übersetzung von Infinitivkonstruktionen

lungsvergleich einzuführen. Die figura etymologica gibt der Übersetzer ent­ sprechend seinem Übersetzungsstandard wieder.37 Drei der Stellen scheiden aus dem Material zur Untersuchung der Über­ setzungsweise von handlungsvergleichendem ְ ‫ כּ‬+ infinitivus constructus aus (2Sam 2,33.34; 17,3). ֹ ְ ‫ ו ַי‬καὶ 2Sam 3,33 ‫קנ ֵן ה ַמּ ֶל ֶך ְ א ֶל־א ַב ְנ ֵר ו ַֹיּאמ ַר וה ַכּ ְמֹות נ ָב ָל י ָמוּת א ַב ְנ ֵר‬ ἐθρήνησεν ὁ βασιλεὺς ἐπὶ Ἀβεννήρ καὶ εἶπεν Εἰ κατὰ τὸν θάνατον Ναβὰλ ἀποθανεῖται Ἀβεννήρ;

Der Übersetzer fasst ‫מות‬i(wie auch die masoretischen Punktatoren) als sta­ tus constructus von ‫ מ ָו ֶת‬auf, was genauso möglich ist wie die Deutung als infinitivus constructus.38 2Sam 3,34 ‫הגּ ָשׁוּ וכּ ִנ ְפֹול ל ִפְנ ֵי‬ ֻ ‫תּי ִם‬ ַ ְ ‫חשׁ‬ ֻ ְ ‫לא־ל ִנ‬ ֹ ָ ‫סרֹות ו ְרַג ְל ֶיך‬ ֻ ֲ ‫לא־א‬ ֹ ָ ‫י ָד ֶך‬ ָ ְ ‫ ב ְנ ֵי־ע ַו ְל ָה נ ָפָל‬αἱ χεῖρές σου οὐκ ἐδέθησαν, οἱ πόδες σου οὐκ ἐν ‫תּ‬ πέδαις · οὐ προσήγαγεν ὡς Ναβάλ , ἐνώπιον υἱῶν ἀδικίας ἔπεσας. Der Übersetzer las einen Eigennamen. Er hatte höchstwahrscheinlich nicht ‫כּ ִנ ְפֹול‬i, sondern ‫ כנבל‬in seiner Vorlage (4QSama).39 2Sam 17,3 ‫קּשׁ‬ ֵ ַ ‫תּה מ ְב‬ ָ ַ ‫כּל ה ָא ִישׁ א ֲשׁ ֶר א‬ ֹ ַ ‫ו ְא ָשׁ ִיב ָה כ ָל־ה ָע ָם א ֵל ֶיך ָ כּ ְשׁוּב ה‬ ‫כּ ָל־ה ָע ָם י ִה ְי ֶה שׁ ָלֹום‬i(MT)

‫ו ְא ָשׁ ִיב ָה כ ָל־ה ָע ָם א ֵל ֶיך ָ וכאשׁר תשׁוב הכלה אל־אישׁה רק נפשׁ אישׁ אחד‬ ‫אתה מבקשׁ וכל־ה ָע ָם י ִה ְי ֶה שׁ ָלֹום‬i(Vorlage) καὶ ἐπιστρέψω πάντα τὸν λαὸν πρὸς σέ, ὃν τρόπον ἐπιστρέφει ἡ νύμφη πρὸς τὸν ἄνδρα αὐτῆς · πλὴν ψυχὴν ἑνὸς ἀνδρὸς σὺ ζητεῖς, καὶ παντὶ τῷ λαῷ ἔσται εἰρήνη. (B-Text) καὶ ἐπιστρέψει πᾶς ὁ λαὸς πρὸς σέ, καθὼς ἐπιστρέφει νύμφη πρὸς τὸν ἄνδρα αὐτῆς · πλὴν ψυχὴν ἀνδρὸς ἑνὸς σὺ ζητήσεις, καὶ παντὶ τῷ λαῷ ἔσται εἰρήνη. (L-Gruppe)

Der auf den infinitivus constructus folgende hebräische Text des MT ist durch eine Haplographie nur unvollständig überliefert und wurde rekonst­ ruiert.40 Sowohl καθώς (L) als auch ὅν τρόπον (B-Text) ἐπιστρέφει deuten 37 S. unten Abschnitt 4.2.2. 38 Die Kommentatoren ziehen den infinitivus constructus vor. Wellhausen bemerkt: „Dass der Stat. constr. von ‫ מ ָו ֶת‬beabsichtigt sei, ist wegen ְ ‫ כ‬wenig wahrscheinlich. Die Punktato­ ren haben [n]irgends in ‫ מות‬den Infinitiv anerkannt[,] wenn ein Genitiv folgt.“ (Wellhau­ sen, z. St.). 39 Diese Lesart von 4QSama vertreten Philippe Hugo, Ingo Kottsieper und Annette Steudel aufgrund ihrer Analyse der Rolle mit Hilfe starker Vergrößerung (Vortrag an der Univer­ sität Göttingen im Jahr 2007). DJD XVII liest ‫כנפל‬i(als unsicher markiert). 40 Die Haplographie wurde zuerst von Thenius erkannt (Thenius, z. St.); meine Rekonstruk­ tion folgt seiner Rückübersetzung mit Ausnahme von ‫כאשׁר ישׁוב‬i (hier nimmt Thenius

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ְ ‫ כּ‬+ infinitivus constructus

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auf ‫ כאשׁר ישׁוב‬als Vorlage: Auch sonst gibt der Samuelübersetzer ‫ כּ ַא ֲשׁ ֶר‬mit καθώς oder ὅν τρόπον wieder.41 ‫ כּ ַא ֲשׁ ֶר‬ist vermutlich wegen der Ähnlichkeit von ‫ כאשׁר‬und ‫ ישׁוב‬ausgefallen: ‫כאושׁר יושׁוב‬i> i‫כשׁוב‬i. ‫ כשׁוב‬war also nicht in der Vorlage des Übersetzers enthalten, womit diese Stelle für die Analyse der Übersetzungsweise von ְ ‫ כּ‬+ infinitivus constructus ausscheidet. In der Vorlage des Übersetzers kam handlungsvergleichendes ְ ‫ כּ‬+ infini­ tivus constructus lediglich zweimal vor: in 1Sam 15,22 und 2Sam 6,20. Ein­ mal verwendet der Übersetzer einen substantivierten Infinitiv, einmal einen mit καθώς eingeleiteten Vergleichssatz. Es versteht sich, dass aus nur zwei Belegen keine weitergehenden Schlussfolgerungen für die Übersetzungs­ weise gezogen werden können.

3.3.2 Ergebnis Für eine Darstellung der Übersetzungsweise von ְ ‫ כּ‬+ infinitivus constructus war zunächst die Unterscheidung zu treffen, ob ְ ‫ כּ‬im Hebräischen hand­ lungsvergleichend oder temporal gebraucht ist. Handlungsvergleichend kommt ְ ‫ כּ‬+ infinitivus constructus in der Vorlage des Übersetzers nur zwei­ mal vor, so dass keine verallgemeinernden Aussagen zur Übersetzungsweise getroffen werden können (einmal verwendet der Übersetzer καθώς + Finit­ verb, einmal einen substantivierten Infinitiv). Temporal gebrauchtes ְ ‫ כּ‬+ infinitivus constructus kommt 15-mal42 vor und steht besonders häufig (zehnmal) nach ‫ ו ַי ְה ִי‬und ‫ ו ְה ָי ָה‬bei Neueinsätzen der Erzählung. Für die Wiedergabeweise durch den Übersetzer wurde kein Unterschied festgestellt zwischen denjenigen Fällen, die auf ‫ ו ַי ְה ִי‬oder ‫ו ְה ָי ָה‬i (einmal auch ‫ו ִיה ִי‬i) folgen, und den übrigen. Es gibt jeweils eine deutliche Präferenz für die Wiedergabe durch ὡς-Sätze (in elf von 15 Fällen = 73 %; bei Verbindung mit Formen von ‫ היה‬in sieben von zehn Fällen = 70 %; bei den anderen Fällen in vier von fünf Fällen = 80 %). Allerdings ist zu beach­ ten, dass die Zahl der Fälle relativ gering ist. Einmal (2Sam 17,27; 7 %) benutzt der Übersetzer einen ὃτε-Nebensatz; dreimal (2Sam 11,19; 13,36; 17,9; 20 %) ἐν τῷ + Infinitiv und damit seine Standardübersetzung für ְ ‫ בּ‬+ infinitivus constructus.43 Für diese Fälle stellt sich die Frage nach der Vorlage: Lautete sie ְ ‫ בּ‬+ infinitivus constructus? Für 2Sam 11,19 und 13,36 ist dies nicht wahrscheinlich, und in 2Sam 17,9 ist es jedenfalls plausibel, dass die Vorlage des Übersetzers ְ ‫ כּ‬+ infinitivus cons­ tructus enthalten hat. ‫ כשׁוב‬an) und ‫רק‬i (hier hat Thenius ‫אך‬i; in 4QSama ist ein Bruchstück des ausgefallenen Textes erhalten: ‫שׁ‬i[‫ ;]ר[ק ]נפ‬s. DJD XVII, z. St.). 41 Für καθώς s. 1Sam 4,9; 20,13; 23,11; 24,14 u. ö. Ὅν τρόπον kommt vor in 2Sam 10,2; 16,23;

17,3 und 24,19; der MT liest an diesen Stellen mit Ausnahme des korrupten Verses 2Sam 17,3 jeweils ‫כּ ַא ֲשׁ ֶר‬i, das in der gesamten LXX die häufigste Vorlage für ὅν τρόπον ist. 42 Stellennachweis oben Anm. 7. 43 Nicht berücksichtigt ist 2Sam 15,10; s. dazu oben auf S. 104.

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Die Übersetzung von Infinitivkonstruktionen

M.E. kann es als wahrscheinlich gelten, dass der Übersetzer in einzelnen Fällen ἐν τῷ + Infinitiv auch für ְ ‫ כּ‬+ infinitivus constructus verwendet. Dies fügt sich gut in die sonst beobachtete Arbeitsweise ein: Der Samuelüberset­ zer neigt zu Standardwiedergaben und hat kein genuines Interesse an der Variation. Dennoch weicht er in Einzelfällen vom Standard ab. Er ist kein mechanisch arbeitender Übersetzer, dessen Wiedergaben man „vorausbe­ rechnen“ könnte. Dies zeigt sich auch daran, dass er einmal (7 %) einen ὅτε-Nebensatz zur Wiedergabe von ְ ‫ כּ‬+ infinitivus constructus gebraucht (2Sam 17,27), wie auch einmal für ְ ‫ בּ‬+ infinitivus constructus (2Sam 2,10). Angesichts der Überschneidungen zwischen der Wiedergabeweise von ְ ‫בּ‬ und ְ ‫ כּ‬+ infinitivus constructus kann man fragen, warum der Übersetzer nicht gerade bei Neueinsätzen der Erzählung (besonders solchen, die mit ‫ ו ַי ְה ִי‬markiert sind) gelegentlich auch für ְ ‫ כּ‬+ infinitivus constructus den genetivus absolutus verwendet hat, zumal er zur Wiedergabe von Erzählein­ leitungen mit anderen hebräischen Konstruktionen öfter den genetivus absolutus benutzt.44 Weitet man die Untersuchung auf die Könige-Bücher aus, finden sich die entsprechenden Belege tatsächlich: In 1Kön 14,5 (12,24 LXX); 2Kön 3,20 stehen genetivi absoluti für ְ ‫ כּ‬+ infinitivus construc­ tus.45 Es kann als Indiz für die Identität der Übersetzer von Samuel und Könige gewertet werden, dass sich durch die Kenntnis der Übersetzungs­ weise in Samuel bestimmte, für den Übersetzer zu erwartende46 Überset­ zungsweisen in den Königebüchern aufspüren lassen. Die Sprache des Übersetzers ist die Koine. Das wird u. a. daran deutlich, dass er ὡς ἄν an Stelle von ὅταν verwendet,47 sowie am Gebrauch des für die Koine typischen Adverbs καθώς. Auch der wahrscheinlich iterative Aorist in 1Sam 2,13 ist nur vom Sprachgebrauch der Koine her zu verstehen. Ein detaillierter Vergleich der Übersetzungsweise des Samuelübersetzers mit anderen Übersetzern der LXX ist für ְ ‫ כּ‬+ infinitivus constructus nicht möglich, weil entsprechend aufbereitete Untersuchungen meines Wissens nicht vorliegen.48 44 S. dazu unten Abschnitt 4.3.5. 45 Für auf ‫ ו ַי ְה ִי‬folgendes ְ ‫ כּ‬+ infinitivus constructus von ‫בוא‬i (1Kön 14,5) bzw. ‫עלה‬i (2Kön 3,20); außerdem für ‫בא ה ַשּׁ ֶמ ֶשׁ‬ ֹ ‫ כּ‬in 1Kön 22,36. 46 Die Wiedergabe von ְ ‫ כּ‬+ infinitivus constructus durch einen genetivus absolutus ist sehr sel­ ten in der LXX; neben den genannten Stellen nur Dtn 23,12; Jos 8,29; Spr 10,25; Jer 26,8 (33,8 LXX); 36,23 (43,23 LXX); 41,7 (48,7 LXX); Dan 8,23 (ermittelt mit der Tov-PolakDatenbank von BibleWorks). 47 Leider sind die Fälle von ְ ‫ כּ‬+ infinitivus constructus, die mit ὅταν oder ὡς ἄν übersetzt wurden, in der LXX nicht so zahlreich, als dass hier aussagekräftige Vergleiche möglich wären. Ὅταν haben Ex 11,1; Dtn 17,18; 20,2.9; Jos 3,3; Jes 7,2; 18,5; Jer 51,61.63 (28,61.63 LXX); ὡς ἄν Gen 33,10; Ex 9,29; 33,9; Jos 3,8.13; 1Sam 2,13; 9,13; 10,5; 2Sam 13,28; 1Kön 1,21; 2Kön 5,6; 6,32. 48 Der Abschnitt Ilmari Soisalon-Soininens zu ְ ‫ כּ‬+ infinitivus constructus (Soisalon-Soininen, Infinitive, 93–100) ist zu knapp und summarisch angelegt, um darauf einen solchen Ver­ gleich aufbauen zu können. Eine rein elektronische Auszählung der Könige-Bücher mit BibleWorks ergibt für 1. Könige bei 23 Belegen für ְ ‫ כּ‬+ infinitivus constructus 15-mal ὡς + Finitverb (65 %); für 2. Könige bei 23 Belegen 16-mal ὡς + Finitverb (70 %).

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Zusammenfassung und Übersetzungsvergleich

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3.4 Zusammenfassung und Übersetzungsvergleich ְ ‫ בּ‬und ְ ‫ כּ‬+ infinitivus constructus werden im hebräischen Text der Samuel­ bücher ganz überwiegend temporal gebraucht. Die wenigen modalen (ְ ‫ בּ‬+ infinitivus constructus) bzw. handlungsvergleichenden (ְ ‫ כּ‬+ infinitivus con­

structus) Fälle wurden vom Übersetzer erkannt und sinnvoll wiedergege­ ben. Übersetzungstechnische Schlussfolgerungen aus diesen Einzelfällen sind nicht möglich. Anders ist die Situation bei temporalem ְ ‫ בּ‬bzw. ְ ‫ כּ‬+ infinitivus construc­ tus. Hier erlauben die insgesamt 58 Fälle eine fundierte Analyse der Über­ setzungstechnik dieser Konstruktionen. Dabei zeigt sich, dass der Überset­ zer für beide Konstruktionen jeweils eine klare Präferenz hat: Für ְ ‫ בּ‬+ infi­ nitivus constructus verwendet er in 77 % der Fälle ἐν τῷ + Infinitiv, für ְ ‫ כּ‬+ infinitivus constructus in 73 % der Fälle einen ὡς-Satz. Beides sind wörtliche Wiedergaben, die einfach zu handhaben sind und sich für einen Großteil der Vorkommen eignen. Sie unterscheiden sich im Sprachgebrauch der Koine nicht prinzipiell voneinander: Mit beiden Kon­ struktionen werden Temporalsätze gebildet; beide können vor- und gleich­ zeitiges Geschehen zur Haupthandlung aussagen.1 In der Koine liegt der Schwerpunkt beim Gebrauch von ἐν τῷ auf der Gleichzeitigkeit (bevorzug­ tes Tempus des Infinitivs ist das Präsens), bei ὡς-Sätzen auf der Vorzeitig­ keit gegenüber dem übergeordneten Geschehen (bevorzugtes Tempus ist der Aorist).2 So auch beim Samuelübersetzer: Bei ἐν τῷ + Infinitiv für ְ ‫ בּ‬+ infinitivus constructus steht 22-mal Infinitiv Präsens und 11-mal Infinitiv Aorist; bei den ὡς-Sätzen für ְ ‫ כּ‬+ infinitivus constructus steht das Verb zehnmal im Aorist und einmal im Imperfekt. Die Tempusverhältnisse korrespondieren mit der von Ernst Jenni vorge­ nommenen Analyse des Gebrauchs von ְ ‫ בּ‬+ infinitivus constructus und ְ ‫ כּ‬+ infinitivus constructus: Während die Präposition ְ ‫ בּ‬aufgrund ihrer gleichstel­ lenden Grundbedeutung3 bei ihrem temporalen Gebrauch zeitliche Nähe ausdrückt (das kann in Verbindung mit dem Infinitiv Vor-, Gleich- und Nachzeitigkeit zur übergeordneten Handlung bedeuten),4 drückt ְ ‫כּ‬i (weil ְ ‫כּ‬

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Für ὡς s. Mayser II/3, § 159 A I; Blass/Debrunner/Rehkopf, § 455, 2; für ἐν τῷ + Infinitiv s. Blass/Debrunner/Rehkopf, § 404. Für die ptolemäischen Papyri geht das aus der zusammenfassenden Tabelle von Mayser zu Temporalsätzen hervor für ὡς (Mayser II/1, § 47; S. 274); für ἐν τῷ legt es sich durch seine Definition nahe, dass die Konstruktion das „zeitliche Zusammenfallen zweier Erscheinun­ gen“ bezeichnet (Mayser II/1, § 50 II 2 a; S. 328; Hervorhebung des Originals geändert). Das NT bestätigt dies: ὡς steht 102-mal mit einem Verb im Aorist und 49-mal mit einem Verb im Präsens; ἐν τῷ steht 32-mal mit dem Infinitiv Präsens und neunmal mit dem Infi­ nitiv Aorist (ausgezählt mit BibleWorks). S. Jenni, Beth, 31. S. Jenni, Beth, 320: „Innerhalb des zeitlichen Rahmens, der durch das Geschehen auf der ySeite (‫ ב‬+ Infinitiv) abgesteckt wird, kann das Geschehen auf der x-Seite (‚Haupthand­ lung‘) […‫ ]ו‬zeitlich verschieden situiert sein, wenn es nicht den ganzen Zeitraum ausfüllt.“

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Die Übersetzung von Infinitivkonstruktionen

Ereignisse stärker auseinanderrückt als ְ ‫בּ‬i)5 mit Infinitiv aus, dass die Hand­ lung des Infinitivs abgeschlossen ist, wenn das übergeordnete Geschehen beginnt.6 Solche philologische Theoriebildung werden der Samuel- und die ande­ ren Übersetzer kaum betrieben haben. Aber die dadurch benannten Unter­ schiede der Konstruktionen waren ihnen intuitiv klar. Für den Samuelüber­ setzer zeigt sich das in seinen Standardwiedergaben für ְ ‫ בּ‬und ְ ‫ כּ‬+ infinitivus constructus sowie seiner Bevorzugung des durativen (ְ ‫ בּ‬+ infinitivus con­ structus) bzw. resultativen (ְ ‫ כּ‬+ infinitivus constructus) Aspekts bei den Verbformen. Die Wiedergaben ἐν τῷ + Infinitiv für temporales ְ ‫ בּ‬+ infinitivus con­ structus bzw. ὡς-Sätze für ְ ‫ כּ‬+ infinitivus constructus teilt der Übersetzer mit den anderen Übersetzern der LXX.7 Was ihn allerdings von den weni­ ger wörtlich arbeitenden Übersetzern unterscheidet, ist ihre hohe Frequenz. Sie zeigt ihn als besonders wörtlichen, wenig variierenden Übersetzer. Ilmari Soisalon-Soininen hat für ְ ‫ בּ‬+ infinitivus constructus zusammenge­ stellt, wie hoch der Anteil von ἐν τῷ + Infinitiv ist:8 A Bücher mit einem Anteil von mehr als 50 %: 2. Könige 96 %; Psalter 83 %; 1. Könige 80 %; Dodekaproheton 79 %; Chronik 75 %; Samuel 72 % (nach meinen Zahlen 78 %);9 Ezechiel 69 %; Chronik 64 %; Richter 60 %. B Übrige Bücher Leviticus 43 %; Genesis 40 %; Numeri 35 %; Deuteronomium 24 %; Josua 21 %; Ester und Jeremia je 20 %; Exodus 13 %; Hiob 6 %; Jesaja 5 %; Sprüche 0 %. Zum Profil des Samuelübersetzers gehört, dass er wie andere wörtliche Übersetzer10 nur selten Nebensätze zur Wiedergabe von ְ ‫ בּ‬+ infinitivus constructus verwendet:

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Jenni definiert die Grundfunktion von ְ ‫ כּ‬mit der „teilweisen Gleichstellung (und damit zugleich der partiellen Ungleichstellung) der semantischen Teilmerkmale zweier Größen“ (Jenni, Kaph, 11). 6 S. oben S. 100 (Anm. 5). Entsprechend stehen auch in denjenigen drei Fällen, wo der Über­ setzer ְ ‫ כּ‬+ infinitivus constructus mit ἐν τῷ + Infinitiv wiedergibt, die griechischen Infini­ tive im Aorist. 7 S. Soisalon-Soininen, Infinitive, 82 f (zu ἐν τῷ + Infinitiv) und 95 f (zu den ὡς-Sätzen). 8 S. Soisalon-Soininen, Infinitive, 188. Mögliche modale Fälle von ְ ‫ בּ‬+ infinitivus constructus hat Soisalon-Soininen nicht ausgewiesen. 9 Von den 43 temporalen Fällen gibt der Übersetzer 33 mit ἐν τῷ + Infinitiv wieder; von den zwei modalen einen. 10 S. Soisalon-Soininen, Studien, 178. Die im Folgenden genannten Prozentangaben sind aus der Übersicht bei Soisalon-Soininen, Infinitive, 188, errechnet. Überraschend ist der hohe Anteil von Nebensätzen in Jeremia, einer als wörtlich geltenden Übersetzung.

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Zusammenfassung und Übersetzungsvergleich

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A Bücher mit geringem Anteil an Nebensätzen (< 20 %) Chronik 2 %; Samuel 4 % (nach meinen Zahlen 7 %);11 Könige 6 %; Dode­ kapropheton 7 %; Psalter 10 %; Ezechiel 11 %; Richter 12 %. B Bücher mit höherem Anteil an Nebensätzen Leviticus 23 %; Deuteronomium 27 %; Jeremia und Ester jeweils 40 %; Numeri 41 %; Genesis 44 %; Exodus und Josua je 50 %; Sprüche 62 %; Hiob 63 %; Jesaja 75 %. Am Eindruck einer besonders wörtlichen Übersetzungsweise in den Samuel­ büchern ändert auch die gelegentliche Verwendung des genetivus absolutus für ְ ‫ בּ‬+ infinitivus constructus nichts. Eine Analyse dieser Fälle im Zu­ sammenhang aller genetivi absoluti zeigt, dass sie dem zeitgenössischen Sprachgebrauch folgen und eher Zeichen „bequemer Satzfügung“ (Edwin Mayser)12 sind denn eines besonders guten Stils oder einer freien Wiederga­ beweise.13 Wie sehr der Übersetzer in der Koine beheimatet ist, wird an zahlreichen Details deutlich. Neben der fast ausschließlich temporalen Verwendung von ἐν τῷ + Infinitiv ist besonders augenfällig der Gebrauch von ὡς ἄν statt ὅταν sowie ein offenbar iterativ gebrauchter Aorist (1Sam 2,13). Der Übersetzer zeigt sich souverän in seinem Umgang mit den griechi­ schen Tempora. Er wählt zielsicher die zu einem Handlungsgefüge passende Aktionsart. Dabei leitet ihn erkennbar weniger die hebräische Vorlage als vielmehr der inhaltliche Kontext und sein Sprachgefühl.14 Für die textkritische Arbeit an den Samuelbüchern wichtig sind die beobachteten Überschneidungen der Wiedergabeweise von ְ ‫ בּ‬und ְ ‫ כּ‬+ infi­ nitivus constructus. In einzelnen Fällen verwendet der Übersetzer für ְ ‫ כּ‬+ infinitivus constructus die Standardwiedergabe für ְ ‫ בּ‬+ infinitivus construc­ tus, ἐν τῷ + Infinitiv, wie umgekehrt für ְ ‫ בּ‬+ infinitivus constructus einen ὡς-Satz. Die Analyse dieser Fälle hat gezeigt, dass entsprechende Wiederga­ ben nicht pauschal auf eine Vorlage mit der jeweils anderen Präposition zurückgeführt werden sollten, auch wenn es zweifellos Unschärfen zwi­ schen ְ ‫ בּ‬und ְ ‫ כּ‬in der hebräischen Überlieferung gibt und auch eine Ver­ wechslung aufgrund des ähnlichen Aussehens denkbar ist. Bei der Untersuchung haben sich Indizien ergeben, dass die KönigeBücher vom selben Übersetzer bearbeitet wurden wie Samuel.15 11 In drei der 45 Fälle von ְ ‫ בּ‬+ infinitivus constructus verwendet der Übersetzer einen Neben­ satz. 12 „Der Gen. abs. hat sich in der Κοινή nicht nur in vollem Umfang erhalten, sondern sogar infolge nachlässiger, bequemer Satzfügung sein Gebiet beträchtlich erweitert.“ (Mayser II/ 3, § 157 B II; Seite 67) Mayser bezieht sich bei dieser Aussage nicht nur auf Beobachtungen in den Papyri, sondern auch auf Studien von James H. Moulton. 13 S. dazu unten Abschnitt 4.3. 14 Einzelheiten unten in Kapitel 5. 15 S. dazu unten den Abschnitt 6.1.4.

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4 Griechische Partizipialkonstruktionen 4.1 Einführung Participium coniunctum und genetivus absolutus sind zwei dem Griechi­ schen eigentümliche Möglichkeiten, Nebensätze ohne Konjunktionen und ohne Finitverben zu bilden. Sie sind eng miteinander verwandt: Bei beiden Konstruktionen vertritt ein Partizip „alle möglichen adverbialen Satzarten der Zeit, des Grundes, der Absicht, der Bedingung, der Art und Weise, sowie überhaupt eines begleitenden Nebenumstandes“.1 Der Unterschied zwischen participium coniunctum und genetivus absolu­ tus liegt darin, dass letzterer sein eigenes Subjekt in Form eines Nomens oder Pronomens hat, das wie das Partizip im Genitiv steht. Das participium coniunctum dagegen knüpft an ein Subjekt oder Objekt des übergeordneten Satzes an und übernimmt dessen Kasus.2 Im Hebräischen gibt es keine diesen Konstruktionen analoge syntakti­ sche Struktur, so dass sie nur durch einen übersetzungstechnischen Transfer entstehen können. Die Untersuchung der participia coniuncta und genetivi absoluti führt daher zu potentiell freien Übersetzungsweisen,3 bei denen individuelle Merkmale eines Übersetzers erkennbar werden können.

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So Mayser II/3, § 157 II, in seiner Einleitung zur Behandlung des participium coniunctum und des genetivus absolutus (S. 61; Hervorhebung des Originals aufgehoben). S. Kühner/Gerth II, § 385, 3 a: „Das Participium coniunctum wird gebraucht, wenn das Subjekt des Nebensatzes entweder Subjekt oder Objekt des Hauptsatzes ist. In diesem Falle stimmt das Partizip im Genus, Kasus und Numerus mit dem Subjekte oder Objekte überein.“ (Hervorhebung verändert). S. Soisalon-Soininen, Studien, 176: „Wenn man nun einen Ausdruck wählt, der für das Griechische charakteristisch ist, für den es im Hebräischen keinen genau entsprechenden gibt, stößt man auf seltenes Material, das Beispiele für eine freie Wiedergabe liefert.“

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Participium coniunctum

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4.2 Participium coniunctum 4.2.1 Einleitung Das participium coniunctum ist eine für das Griechische charakteristische syntaktische Erscheinung1 und in der klassischen Periode wie in der Koine in regelmäßigem Gebrauch.2 Für eine übersetzungstechnische Untersu­ chung ist es deshalb von besonderem Interesse, weil es im Hebräischen keine syntaktische Analogie gibt. Somit gibt es keine regelmäßige Vorlage, die in wörtlicher Wiedergabe zu einem idiomatisch gebrauchten participium coniunctum führen würde. Vielmehr setzt seine idiomatische Verwendung Schritte der Übertragung voraus.3 Ob und in welchen Fällen ein Übersetzer diese Schritte geht, lässt interessante Einblicke in seine Arbeitsweise erwar­ ten. Neben idiomatisch gebrauchten participia coniuncta, die aufgrund des nötigen syntaktischen Transfers als freie Übersetzungen anzusehen sind, lassen sich in der LXX auch Übersetzungskonventionen beobachten, die zu stereotypen, unidiomatischen participia coniuncta führen. Dies gilt nament­ lich für die durch die gesamte LXX verbreiteten Wiedergaben des infinitivus absolutus einer figura etymologica (4.2.2) sowie des redeeinleitenden Infini­ tivs ‫מר‬ ֹ ‫ל ֵא‬i (4.2.3) durch participium coniunctum, mit deren Darstellung ich beginne. Dann gehe ich weiter zu den idiomatischen und freien Wiedergaben: die partizipiale Wiedergabe hebräischer Infinitive (4.2.4) und diejenige von Finitverben (4.2.5). Bei letzterer ist die syntaktische Transferleistung am größten. Eingeschaltet ist ein Exkurs über das verbergänzende Partizip, das mit dem participium coniunctum verwechselt werden könnte.

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S. etwa Moulton, 229, der das participium coniunctum „one of the great resources in Greek“ nennt. „Der Reichtum an Partizipien ist nicht nur im allgemeinen für den griechischen Satzbau charakteristisch, sondern ganz besonders in der Κοινή, so daß in allen Klassen der Adver­ bialsätze (die Kondizionalsätze ausgenommen) das Partizip gegenüber den konjunktiona­ len Vollformen entschieden vorherrscht.“ (Mayser II/3, § 157 II [Einleitung], Anm. 1) Ähnlich Blass/Debrunner/Rehkopf, § 411: „[D]as ergänzende Ptz. [ist] im Aussterben begriffen, während das adjektivische und das adverbiale Ptz. noch in voller Blüte stehen.“ (Hervorhebung im Original). Zur klassischen Periode s. Kühner/Gerth II, § 485 f. S. Aejmelaeus, On the Trail, 1: „That the part. coni. is relatively uncommon in the Septua­ gint is due precisely to the fact that no common Hebrew structure could easily and appro­ priately be rendered by it.“ Es gibt in der LXX nur ganz wenige Ausnahmen, wo die wört­ liche Wiedergabe eines hebräischen durch ein griechisches Partizip zufällig zu einem syn­ taktisch guten participium coniunctum geführt hat (s. ebd., 3 f). In den Samuelbüchern gilt dies möglicherweise für 1Sam 14,52 (dazu unten S. 128).

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Griechische Partizipialkonstruktionen

4.2.2 Figura etymologica Der häufigste Anlass für den Samuelübersetzer, ein participium coniunctum zu verwenden, ist die Kombination des hebräischen infinitivus absolutus mit einer finiten Form desselben Verbs. Nach gängiger Meinung verstärkt der infinitivus absolutus in der sogenannten figura etymologica die Aussage­ kraft des Finitverbs, so dass diese Stilfigur betonenden Charakter hat.4 Ob es einen Unterschied macht, ob der infinitivus absolutus (wie gewöhnlich) vor oder (wie ausnahmsweise)5 nach dem Finitverb steht, ist in der Forschung umstritten. Während Joüon/Muraoka bei nachstehendem infinitivus absolutus eine Abschwächung der verstärkenden Wirkung sehen,6 signalisiert das Nachstehen nach Rudolf Meyer eine längere Dauer des Vorgangs.7 Waltke/O’Connor sehen keinen sich aus der Stellung des Infinitivs ergebenden Unterschied.8 In der hebräischen Vorlage des Übersetzers kommt die figura etymolo­ gica 54-mal vor.9 Dabei steht das mit dem infinitivus absolutus kombinierte Verb 35-mal im Imperfekt (stets nach dem infinitivus absolutus);10 13-mal im Perfekt (12-mal nach und zweimal vor dem infinitivus absolutus),11 fünf­ mal im Imperfekt consecutivum (stets vor dem infinitivus absolutus);12 ein­ mal steht der infinitivus absolutus nach ְ ‫ כּ‬+ infinitivus constructus.13 Das

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S. Joüon/Muraoka, § 123 A; Waltke/O’Connor, § 35.3.1 d; Gesenius/Kautzsch, § 133, 3. Hier geht es um die Fälle seiner Kombination mit dem Perfekt und Imperfekt; regelmäßig nach dem Finitverb steht er konstruktionsbedingt beim Imperfekt consecutivum. S. Joüon/Muraoka, § 123 d. S. Meyer, § 103, 2 b. S. Waltke/O’Connor, § 35.3.1 d: „In our opinion the paronomastic infinitive is always an intensifying infinitive.“ Im Unterschied zum MT hatte die Vorlage der LXX keine figura etymologica in 1Sam 2,30 (vgl. 4QSama); 20,7 (καὶ ἐὰν σκληρῶς ἀποκριθῇ dürfte kaum ‫חרֶה‬ ֱ ֶ ‫רה י‬ ֹ ָ‫[ ו ְא ִם־ח‬MT] zur Vorlage gehabt haben); 20,28 (vgl. 4QSamb und DJD XVII, z. St.); 23,22 (vgl. 4QSamb); 27,1 (statt ‫[ כּ ִי ה ִמּ ָל ֵט א ִמּ ָל ֵט‬MT] nehme ich für ἐὰν μὴ σωθῶ als Vorlage ‫ כי אם אמלט‬an); 2Sam 3,24 (Vorlage m.E. ‫וילך בשׁלם הלא ידעת‬i> i‫תּ‬ ָ ְ ‫ ו ַיּ ֵל ֶך ְ ה ָלֹוך ְ י ָד ַע‬MT; die Auslassung im MT könnte auf einen Hörfehler zurückgehen: Verwechslung von ‫ הלא‬und ְ ‫ה ָלֹוך‬i); 16,13 (s. McCarter, II Samuel, Textual Notes z. St.). 1Sam 1,10.11; 2,25; 3,21; 5,5; 6,3; 8,9; 9,6; 14,39.44; 20,5; 20,6 semel; 20,7.9.21; 22,16.22; 24,21; 25,28; 26,25 bis; 28,1; 30,8 bis; 2Sam 5,19; 9,7; 12,14; 15,8 (s. Qere); 17,10.11.16; 18,2; 20,18; 23,7; 24,24. Bei den unterstrichenen Stellen führt die textkritische Analyse zu einer LXX-Vorlage mit einer figura etymologica, deren infinitivus absolutus im MT nicht enthal­ ten ist. Textkritisch nicht sicher zu entscheiden sind m.E. 1Sam 12,25 (für ‫רעוּ‬ ֵ ‫תּ‬ ָ ַ ‫רע‬ ֵ ָ ‫ו ְא ִם־ה‬ haben die nichtlukianischen Handschriften καὶ ἐὰν κακίᾳ κακοποιήσητε, die L-Gruppe καὶ ἐὰν κακοποιοῦντες) und 2Sam 18,3 (‫א ִם־ֹנס נ ָנוּס‬i; nichtlukianische Handschriften ἐὰν φυγῇ φύγωμεν; lukianische Handschriften ἐὰν φυγόντες φύγωμεν). Diese beiden Stellen lasse ich bei der Analyse der Übersetzungstechnik unberücksichtigt. 1Sam 2,27; 10,16; 14,28.30.43; 20,3; 20,6; 23,10; 27,12; 2Sam 7,7; 12,14 (zur Unterstreichung s. oben Anm. 10). Vor dem Finitverb steht der infinitivus absolutus 1Sam 6,12; 2Sam 15,30. 1Sam 14,19; 19,23 (Old Greek ἐπορεύετο πορευόμενος; ohne πορευόμενος lesen B b 68– 122 125; Rahlfs); 2Sam 5,10; 13,19; 18,25. 2Sam 6,20.

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Participium coniunctum

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Tempus Imperfekt in der figura etymologica hat durativen Charakter; die Hinzunahme des infinitivus absolutus kann eine Handlung daher auch im Hinblick auf ihre Dauer betonen.14 Das Perfekt signalisiert, dass die Hand­ lung abgeschlossen wurde (resultativer Aspekt).15 50-mal16 (in 93 % der 54 Fälle) gibt der Übersetzer den absoluten Infini­ tiv der figura etymologica mit einem participium coniunctum wieder. Dabei benutzt er für Partizip und Finitverb analog zum Hebräischen stets dieselbe Vokabel17 und reproduziert in aller Regel auch die jeweilige Reihenfolge von infinitivus absolutus und Finitverb.18 1Sam 1,10 ‫תב ְכּ ֶה‬ ִ ‫כה‬ ֹ ָ ‫תפַּלּ ֵל ע ַל־י ְהו ָה ווּב‬ ְ ‫תּ‬ ִ ַ ‫ ו ְה ִיא מ ָרַת נ ָפֶשׁ ו‬καὶ αὐτὴ κατώδυ­ νος ψυχῇ, καὶ προσηύξατο πρὸς Κύριον καὶ κλαίουσα ἔκλαυσεν . ִ ‫לה נ ִג ְל ֵי‬ ֹ ְ ‫כּה א ָמ ַר י ְהו ָה וה ֲנ ִג‬ ֹ τάδε λέγει Κύριος 1Sam 2,27 ָ ‫תי א ֶל־בּ ֵית א ָב ִיך‬ #Ἀποκαλυφθεὶς ἀπεκαλύφθην 19 πρὸς οἶκον πατρός σου.

Das participium coniunctum steht bei der Wiedergabe der figura etymolo­ gica durchgehend im Präsens, wo die finite Form im Hebräischen im Imper­ fekt steht. Das griechische Finitverb steht je nach Kontext in unterschiedli­ chen Tempora. Am häufigsten steht der Indikativ Futur, weil es oft um Zu­ künftiges (einschließlich erklärter Absichten) geht. 2Sam 9,7 ‫שׂה א ֶע ֱשׂ ֶה ע ִמּ ְך ָ חֶס ֶד‬ ֹ ָ ‫תּירָא כּ ִי וע‬ ִ ‫ ו ַֹיּאמ ֶר לֹו ד ָו ִד א ַל־‬καὶ εἶπεν αὐτῷ Δαυίδ Μὴ φοβοῦ, ὅτι ποιῶν ποιήσω μετὰ σοῦ ἔλεος. Einmal (1Sam 20,5) wählt der Übersetzer bei hebräischem Imperfekt ein Partizip im Aorist, weil er diesen Satz in seiner Vorlage – anders als im MT 14 Joüon/Muraoka, § 123 A; auch Gesenius/Kautzsch, § 133, 3 b mit Anm. 2 zum Verb ‫הלך‬i. 15 Zu den Aspekten bei der figura etymologica s. Waltke/O’Connor, § 35.3.1 b. 16 1Sam 1,10.11; 2,25.27; 3,21; 5,5; 6,3.12; 8,9; 9,6; 10,16; 14,19.28.30.43; 15,30; 19,23; 20,3.5.6 bis; 20,9.21; 22,22; 23,10; 24,21; 25,28; 26,25 bis; 27,12; 28,1; 30,8 bis; 2Sam 5,10.19; 6,20; 7,7; 9,7; 12,14 semel; 13,19; 15,8.30; 17,10.11.16; 18,2.25; 20,18; 24,24. 17 Dass sich die Übersetzung von Samuel und Könige darin von anderen unterscheidet, merkt Thackeray, Infinitive Absolute, 599, an: „In the four books of Kingdoms […‫[ ]ו‬t]he use of different verbs or simple and compound verb is abandoned.“ Zur Ausnahme 1Sam 9,6 s. unten S. 117. 18 Mögliche Ausnahmen sind: 1Sam 10,16 (‫ ה ַגּ ֵד ה ִגּ ִיד‬/ ἀπήγγειλεν ἀπαγγέλλων); 14,30 (‫א ַף‬ ֹ ‫מר‬ ֹ ָ ‫ א ִם־א‬/ ἐὰν εἴπω λέγων); ‫כל א ָכ ַל‬ ֹ ָ ‫ כּ ִי לוּא א‬/ ἀλλ᾽ ὅτι εἰ ἔφαγεν ἔσθων); 20,21 (‫אמ ַר‬ 27,12 (‫ ה ַב ְא ֵשׁ ה ִב ְא ִישׁ‬/ ᾔσχυνται αἰσχυνόμενος). Diese Ausnahmen könnten allerdings auch so zu erklären sein, dass der Übersetzer den unvokalisierten Text so interpretierte, dass das Finitverb zuerst stand (im Falle von 1Sam 10,16 und 27,12 wären zusätzlich andere matres lectionis als im MT vorauszusetzen). 19 Thackeray, Infinitive Absolute, 599, kritisiert das Passiv dieser Wiedergabe. Allerdings wird in der Koine öfter der passive Aorist für einen intransitiven medialen Vorgang gebraucht (Blass/Debrunner/Rehkopf, § 76, 2; Mayser I, § 78, 1 c), d. h. ἀποκαλυφθεὶς ἀπεκαλύφθην ist eine in der Koine gebräuchliche Art, eine reflexive Handlung auszudrü­ cken („Ich habe mich offenbart“).

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Griechische Partizipialkonstruktionen

– verneint vorfindet und mit dem Aorist betont, dass sich David keinesfalls an den Tisch Sauls setzen wird (resultativer Aspekt): ‫שׁב־א ֵשׁ ֵב‬ ֹ ָ ‫ וי‬20ִ ‫חד ֶשׁ מ ָחָר ו ְא ָֹנכ‬ ֹ ‫תן ה ִנּ ֵה־‬ ָ ָ ‫ו ַֹיּאמ ֶר דּ ָו ִד א ֶל־י ְהֹונ‬ ְ ‫ ע ִם־ה ַמּ ֶל ֶך ל ֶא ֱכֹול‬καὶ εἶπεν Δαυὶδ πρὸς Ἰωναθάν Ἰδοὺ δὴ νεομηνία αὔριον, καὶ ἐγὼ καθίσας οὐ καθήσομαι μετὰ τοῦ βασιλέως φαγεῖν.

1Sam 20,5

Der Aorist in 2Sam 18,2 geht auf die Kaige-Rezensenten zurück: 2Sam 18,2 ‫צא א ֵצֵא גּ ַם־א ֲנ ִי ע ִמּ ָכ ֶם‬ ֹ ָ ‫ו ַֹיּאמ ֶר ה ַמּ ֶל ֶך ְ א ֶל־ה ָע ָם וי‬i καὶ εἶπεν Δαυὶδ πρὸς τὸν λαόν Ἐξελθὼν ἐξελεύσομαι καί γε ἐγὼ μεθ᾽ ὑμῶν. (nichtlukianische Handschriften) καὶ εἶπεν Δαυὶδ ὁ βασιλεὺς21 πρὸς τὸν λαόν Ἐκπορευόμενος ἐκπορεύ#σομαι καὶ ἐγὼ μεθ᾽ ὑμῶν. (L-Gruppe) καὶ εἶπεν Δαυὶδ πρὸς τὸν λαόν Ἐκπορευόμενος ἐκπορεύσομαι καὶ ἐγὼ μεθ᾽ ὑμῶν. (Old Greek)

Die Änderung von πορεύομαι als Wiedergabe von ‫ יצא‬zu ἔρχομαι findet sich mehrfach im Kaige-Bereich.22 Der Übersetzer hat das hebräische Imperfekt der figura etymologica durch das Partizip Präsens ἐκπορευόμε­ νος repräsentiert. Dadurch ist der Verlauf bzw. die Dauer des (in der Zukunft liegenden) Gangs Davids und des Volks ausgedrückt. Steht im Hebräischen das finite Verb im Perfekt, verwendet der Überset­ zer je nach Inhalt teils Partizip Aorist, teils Partizip Präsens. Das zugehörige griechische Finitverb steht im Aorist oder Perfekt. Damit wird ausgedrückt, dass die Handlung abgeschlossen ist. 1Sam 20,3 ָ ‫תי חֵן בּ ְע ֵינ ֶיך‬ ִ ‫דע ַ י ָד ַע א ָב ִיך ָ כּ ִי־מ ָצָא‬ ֹ ָ ‫ ו ַיּ ִשּׁ ָב ַע עֹוד דּ ָו ִד ו ַֹיּאמ ֶר וי‬καὶ ἀπεκρίθη Δαυὶδ τῷ Ἰωναθὰν καὶ εἶπεν Γινώσκων οἶδεν 23 ὁ πατήρ σου ὅτι εὕρηκα χάριν ἐν ὀφθαλμοῖς σου.

Das Partizip Präsens γινώσκων steht für den Erkenntnisprozess (durativ) und das Perfekt οἶδεν dafür, dass dieser Prozess abgeschlossen ist (resulta­ tiv): „Indem er erkannte, weiß dein Vater…‫“ו‬. Zweimal steht im Hebräischen der absolute Infinitiv nach dem Verb im Perfekt (1Sam 6,12; 2Sam 15,30).

20 Die Vorlage des Übersetzers dürfte an dieser Stelle die Negation ‫לא‬ ֹ enthalten haben (καθίσας οὐ καθήσομαι). 21 ὁ βασιλεύς ist eine für L typische leseerleichternde Ergänzung (s. Brock, Recensions, 252 f). 22 2Sam 16,5; 24,7. Zur gelegentlichen Übersetzung von ‫ יצא‬durch πορεύομαι (mit Kompo­ sita) s. 1Sam 11,7; 14,11; 17,8.35; 18,13.16; 20,11; 24,15. 23 Die verschiedenen Verbstämme sind dadurch bedingt, dass οἶδα (εἶδω) im Präsens nicht gebräuchlich ist.

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Participium coniunctum

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2Sam 15,30 ‫כה‬ ֹ ָ ‫לה וּב‬ ֹ ָ ‫ ו ְע ָלוּ ע‬καὶ ἀνέβαινον ἀναβαίνοντες καὶ κλαίοντες. Der Übersetzer übernimmt die Wortfolge des hebräischen Textes (auch bei der Anfügung des zweiten infinitivus absolutus ‫כה‬ ֹ ָ ‫ב‬i).24 Nur einmal repräsentiert der Übersetzer die beiden Elemente der figura etymologica, Finitverb + infinitivus absolutus, durch ein einzelnes Verb: ֹ ָ ‫ו ַי ִשּׁ ַרְנ ָה ה ַפָּרֹות בּ ַדֶּרֶך ְ ע ַל־דֶּרֶך ְ בּ ֵית שׁ ֶמ ֶשׁ בּ ִמ ְס ִלּ ָה א ַחַת וה ָל ְכוּ ה‬ 1Sam 6,12 ְ ‫לך‬ ‫ ו ְג ָעֹו‬καὶ κατεύθυναν αἱ βόες ἐν τῇ ὁδῷ εἰς ὁδὸν Βαιθσάμυς, ἐν τρίβῳ ἑνὶ ἐπορεύοντο καὶ ἐκοπίων. ֹ ָ ‫ ה ָל ְכוּ ה‬durativ durch ἐπορεύοντο wieder. Der Übersetzer gibt ְ ‫לך‬ Bei denjenigen Stellen, bei denen Imperfekt consecutivum + infinitivus absolutus steht, behält der Übersetzer diese Reihenfolge auch im Griechi­ schen bei: ֹ ֱ ‫ ו ַיּ ֵל ֶך ְ דּ ָו ִד ה ָלֹוך ְ ו ְג ָדֹול ו ַיהו ָה א‬καὶ ἐπορεύετο 2Sam 5,10 ‫לה ֵי צְב ָאֹות ע ִמֹּו‬ #Δαυὶδ πορευόμενος καὶ μεγαλυνόμενος, καὶ Κύριος Παντοκράτωρ μετ᾽ αὐτοῦ.

Diese Übersetzung muss als misslungen gelten: Der Sinn, dass David fort­ während (ְ ‫ו ַיּ ֵל ֶך ְ ה ָלֹוך‬i) an Macht gewann (i‫ו ְג ָדֹול‬i),25 ist dem Griechischen nur schwer zu entnehmen. Vielmehr entsteht der Eindruck, David sei beständig umhergezogen und habe sich dabei für mächtig erklärt, oder, auch dieses Verständnis liegt nicht fern, habe sich gebrüstet.26 In 1Sam 9,6 benutzt der Übersetzer ausnahmsweise eine unterschiedliche Vokabel für Partizip und Finitverb. ֹ ‫לה ִים בּ ָע ִיר ה ַֹזּאת ו ְה ָא ִישׁ נ ִכ ְבּ ָד‬ ֹ ֱ ‫ה ִנּ ֵה־נ ָא א ִישׁ־א‬ 1Sam 9,6 ‫כּל א ֲשׁ ֶר־י ְד ַבּ ֵר‬ ‫ ובֹּוא י ָבֹוא‬Ἰδοὺ δὴ ἄνθρωπος τοῦ θεοῦ ἐν τῇ πόλει ταύτῃ, καὶ ὁ ἄνθρωπος ἔνδοξος, πᾶν ὃ ἐὰν λαλήσῃ παραγινόμενον παρέσται ·

Ich vermute, dass der Übersetzer παρείμι verwendet, weil das Futur von γίνομαι nicht gebräuchlich war.27

24 S. Gesenius/Kautzsch, § 113, 3 (Randbuchst. s). 25 Zu dieser Formulierung s. Gesenius/Kautzsch, § 133, 3, Anm. 2 (Randbuchst. u). 26 S. die Lexika zu μεγαλύνω: im Medium ‚sich groß machen‘; ‚sich brüsten‘. Die Parallelität zum aus inhaltlichen Gründen zwingend medialen Partizip πορευόμενος legt auch für μεγαλυνόμενος ein mediales Verständnis näher als ein passives. (Passivisch fasst es OL115 auf: et abit [=abiit] davit ingrediens et magnificabatur: „Und David ging weg, einherschrei­ tend, und wurde [dabei von den Menschen] verherrlicht.“) 27 In der Septuaginta nur Gen 17,17 (Indikativ); Pred 1,9.11 (Partizipien). Im NT 12 Belege: Mt 18,19; 21,21; Lk 8,17; Joh 4,14; 8,33; 10,16; 15,7; 16,20; 1Kor 3,13; 4,5; 15,37.54. Die Kombination des Partizips Medium von γίνομαι mit einer Finitform von εἴμι findet sich

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Griechische Partizipialkonstruktionen

Bei einer zusammenfassenden Würdigung der praktisch durchgehend verwendeten Übersetzungsweise der figura etymologica braucht kaum betont zu werden, dass die partizipialen Wiedergaben hebraistisch wirken. Zwar gibt es in der genuin griechischen Literatur durchaus Polypteta,28 aber keinesfalls so gehäuft und in so schematischer Anwendung wie bei den Wie­ dergaben der figura etymologica.29 Hinzu kommen die teils unglücklichen Übersetzungen im Einzelfall. Als gut gelungen kann dagegen die Wahl der Tempora für die griechischen Partizipien und Finitverben angesehen wer­ den. Hier findet der Übersetzer zielsicher zu Aktionsarten, die der jeweili­ gen Handlung entsprechen. Eine Besonderheit stellen vier Fälle dar, in denen der Übersetzer kein Partizip verwendet, sondern eine Kombination aus Finitverb und einem stammesgleichen Substantiv. In allen vier Fällen geht es um eine figura ety­ mologica mit dem Verb ‫מות‬i(1Sam 14,39.44; 22,16; 2Sam 12,14).30 1Sam 14,4431 ‫תן‬ ָ ָ ‫תּמוּת יֹונ‬ ָ ‫כה יֹוס ִף כּ ִי־ומֹות‬ ֹ ְ ‫לה ִים ו‬ ֹ ֱ ‫כּה־י ַע ֲשׂ ֶה א‬ ֹ ‫ו ַֹיּאמ ֶר שׁ ָאוּל‬ καὶ εἶπεν αὐτῷ Σαοὺλ Τάδε ποιήσαι μοι ὁ θεὸς καὶ τάδε προσθείη, ὅτι #θανάτῳ ἀποθανῇ σήμερον. Dass der Übersetzer speziell die Fälle mit ‫ מות‬stets mit einem Nomen wie­ dergibt, könnte auf die entsprechende Übersetzungsweise im Pentateuch zurückgehen (er hatte die Wendung θανάτῳ ἀποθνῄσκω wohl im Ohr).32 Zu den Gründen dieser im Pentateuch und dann der gesamten LXX ange­ wendeten Wiedergabeweise33 vermutet Raija Sollamo, dass eine Partizipial­ konstruktion entweder als eine besonders humane oder besonders brutale auch 1Kön 13,32 (ähnlicher Kontext wie 2Sam 5,10: ‫ כּ ִי ה ָֹיה י ִה ְי ֶה ה ַדּ ָב ָר‬/ ὅτι γινόμενον ἔσται τὸ ῥῆμα) und Gen 18,18 (‫ ה ָיֹו י ִה ְי ֶה‬/ γινόμενος ἔσται). 28 S. dazu Kühner/Gerth II, § 601; speziell zur Kombination eines Partizips mit einem stam­ mesgleichen verbum finitum ebd., Abschnitt 6. 29 S. Aejmelaeus, On the Trail, 2: „This usage of the part. coni. must be considered Hebraistic. Paronomastic expressions do occur in genuine Greek writings, but the accumulation of such expressions and particularly of the participle […‫ ]ו‬is not in keeping with good Greek style.“ Ebenso Sollamo, Infinitive Absolute, 103: „The participial constructions of the LXX under discussion [sc. die partizipialen Wiedergaben der figura etymologica] show a formally correct Greek structure, but the semantic content can be correctly understood only on the basis of the underlying Hebrew expressions.“ 30 Wegen der unterschiedlichen Lesarten nicht berücksichtigt ist 2Sam 14,14. 31 Der Übersetzer las a.E. nicht ‫תן‬ ָ ָ ‫יֹונ‬i, sondern ‫היום‬i: σήμερον. L 318 554 ergänzen anglei­ chend an den MT Ἰωναθάν (nach Brock, Recensions, 153, hexaplarischer Herkunft; es kann sich auch um eine der zahlreichen Ergänzungen von Eigennamen durch die lukiani­ schen Rezensenten handeln; dazu ebd., 252). 32 Die todesrechtlichen Bestimmungen des Heiligkeitsgesetzes (Lev 17–26; besonders Kap. 20) dürften sich besonders eingeprägt haben. 33 In der gesamten LXX gibt es keine einzige partizipiale Wiedergabe dieser figura etymolo­ gica. Den 49 infinitivi absoluti von ‫ מות‬steht 47-mal das Nomen θάνατος gegenüber; zwei­ mal ist die figura etymologica zu einem Finitverb zusammengezogen (Gen 20,7 und Lev 20,13).

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Participium coniunctum

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Art des Tötens verstanden worden wäre und die Übersetzer sie deshalb ver­ mieden.34 Für die Bewertung der Arbeitsweise des Samuelübersetzers bei der figura etymologica ist festzuhalten, dass die Wiedergabe des infinitivus absolutus durch ein participium coniunctum als die denkbar wörtlichste Wiedergabe­ weise anzusehen ist.35 Neben dem Samuelübersetzer bevorzugen auch andere, für ihre wörtliche Vorgehensweise bekannte Übersetzer diese Wie­ dergabeweise signifikant. Emanuel Tov, der einen Vergleich der Wiederga­ beweise für die gesamte LXX durchgeführt hat,36 sieht Samuel in einer Reihe mit Richter-B, 1. Könige, Jeremia und dem Dodekapropheton. Eine eher freie Übersetzungsweise hätten dagegen Exodus, Leviticus, Numeri, Deuteronomium, Richter-A und Ezechiel. Für die nicht genannten Bücher sieht Tov keine hinreichende Grundlage für eine Klassifizierung.37 4.2.3 λέγων für ‫מר‬ ֹ ‫ל ֵא‬i Der im Hebräischen zur Einleitung wörtlicher Rede formelhaft gebrauchte ֹ ‫ ל ֵא‬wird in allen Büchern der LXX mit dem moda­ infinitivus constructus ‫מר‬ len participium coniunctum λέγων (λέγουσα) wiedergegeben, sofern er nicht ausgelassen wird.38 2Sam 2,1 ‫רי י ְהוּד ָה‬ ֵ ָ ‫מר ה ַא ֶע ֱל ֶה בּ ְא ַחַת ע‬ ֹ ‫ ו ַיּ ִשׁ ְא ַל דּ ָו ִד בּ ַיהו ָה ול ֵא‬καὶ ἐπηρώτη­ σεν Δαυὶδ ἐν Κυρίῳ λέγων Eἰ ἀναβῶ εἰς μίαν τῶν πόλεων Ἰούδα; ֹ ‫תּגּ ֵד ל ְד ָו ִד מ ִיכ ַל א ִשׁ ְתֹּו ול ֵא‬ ַ ַ ‫ ו‬καὶ ἀπήγγειλεν τῷ Δαυὶδ 1Sam 19,11 ‫מר…ו‬ Μελχὸλ ἡ γυνὴ αὐτοῦ λέγουσα …‫ו‬

Das Partizip wird entsprechend dem Subjekt flektiert; maßgebend ist nicht das grammatikalische, sondern das logische Subjekt.39

34 „The participles […‫ ]ו‬would change the forceful sentence to death, implied in the Hebrew text, to the modern principle of mercy killing or they might suggest excessive cruelty or slow killing and torture.“ (Sollamo, Infinitive Absolute, 108). 35 So der Sache nach schon Thackeray, Infinitive Absolute, 598 f; nach kritischer Prüfung zustimmend Sollamo, Infinitive Absolute, 111: „[T]he participles constitute the most sla­ vish renderings used in the Septuagint“. 36 Tov, Emanuel, Renderings of Combinations of the Infinitive Absolute and Finite Verbs in the LXX – Their Nature and Distribution, in: Tov, Emanuel, The Greek and Hebrew Bible. Collected Essays on the Septuagint, Leiden/Boston/Köln 1999, 247–256. 37 S. Tov, Septuagint, 254 f. Für Genesis ist die Einschätzung Sollamos zu ergänzen, dass die­ ser Übersetzer auch eher frei arbeitete (Sollamo, Infinitive Absolute, 113). 38 So Soisalon-Soininen, Infinitive, der die Wiedergabe von ‫מר‬ ֹ ‫ ל ֵא‬für die gesamte LXX untersucht (S. 68–75): ‫מר‬ ֹ ‫ ל ֵא‬wird „beinahe immer mit einem sonst nur selten gebrauchten Ausdruck, nämlich mit einem Partizip von λέγειν, übersetzt. […‫ ]ו‬Eine andere, nicht selten vorkommende Wiedergabe ist seine völlige Auslassung.“ (ebd., 69). 39 Darauf weist hin Soisalon-Soininen, Infinitive, 70 f.

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Griechische Partizipialkonstruktionen

1Sam 23,1 ‫קע ִיל ָה‬ ְ ִ ‫תּים נ ִל ְחָמ ִים בּ‬ ִ ְ ‫מר ה ִנּ ֵה פְל ִשׁ‬ ֹ ‫ ו ַיּ ַגּ ִדוּ ל ְד ָו ִד ול ֵא‬καὶ ἀπηγγέλη τῷ Δαυὶδ λέγοντες Ἰδοὺ οἱ ἀλλόφυλοι πολεμοῦσιν ἐν τῇ Κειλά. Auch wenn im klassischen Griechisch solche Kombinationen von verbum dicendi und λέγων vorkommen,40 wirkt ihre Häufung in der LXX unidio­ matisch. Selten gebraucht der Samuelübersetzer einen genetivus absolutus zur Wiedergabe von ‫מר‬ ֹ ‫ל ֵא‬i: 1Sam 13,4 ‫תּים‬ ִ ְ ‫מר ה ִכּ ָה שׁ ָאוּל א ֶת־נ ְצִיב פְּל ִשׁ‬ ֹ ‫ ו ְכ ָל־י ִשׂ ְרָא ֵל שׁ ָמ ְעוּ ול ֵא‬καὶ πᾶς Ἰσραὴλ ἤκουσεν ἀλλόφυλον.

λεγόντων

Πέπαικεν

Σαοὺλ

τὸν

Νασὶβ

τὸν

λεγόντων ist ein verkürzter genetivus absolutus für αὐτῶν λεγόντων,41 der

verwendet wird, weil das grammatikalische Subjekt eines möglichen partici­ pium coniunctum λέγοντες im Hauptsatz nicht vorkommt. Diese noch in 1Sam 24,10 in allen Handschriften belegte Übersetzungsweise wird in ver­ schiedenen Handschriften auffällig vermehrt: 1Sam 24,2 (B O b 68–122; Rahlfs); 1Sam 14,33; 23,1; 2Sam 6,12 (jeweils O); 1Sam 15,12 (L O); 19,19 (L f); 2Sam 19,9 (L 554); 20,18 (L). Außerdem in breiter Bezeugung 2Sam 13,30 (alle Handschriften außer A B 509); 19,3 (alle außer A B O 509 f). Fast durchgehend steht vor diesen genetivi absoluti das Passiv ἀπηγγέλη (1Sam 14,33; 15,12; 19,19; 23,1; 24,2; 2Sam 6,12; 19,9); in 2Sam 20,18 (L) ἐλαλήθη. 1Sam 19,19 καὶ ἀπηγγέλη τῷ Σαοὺλ λέγοντες Ἰδοὺ Δαυὶδ ἐν Ναυὰθ ἐν Ῥαμά. (Mehrheitstext) καὶ ἀπηγγέλη τῷ Σαοὺλ λεγόντων Ἰδοὺ Δαυὶδ ἐν Ναυὰθ42 ἐν Ῥαμά. (L f) Diese besonders in L und O konzentrierten Korrekturen wurden offenbar eingeführt wegen des Subjektwechsels vom passivischen „es wurde mitge­ teilt“ zum zwar logisch identischen, aber grammatikalisch nicht eingeführ­ ten aktiven Plural-Subjekt „indem sie sagten“.

40 S. Kühner/Gerth II, § 601, 6. Im NT ist diese Kombination häufig (ein Semitismus: Blass/ Debrunner/Rehkopf, § 420). Für die ptolemäischen Papyri hat Mayser einige Belege notiert (Mayser II/1, § 61, 6 a β; S. 349); s. auch Mayser II/3, § 157 A, a, 4. 41 S. Blass/Debrunner/Rehkopf, § 423: „Der Gen. eines Ptz. kann auch ohne Subst. im Gen. stehen, wenn es sich ohne weiteres ergänzen läßt.“ Robertson, 1132, nennt Beispiele aus dem Neuen Testament. Außerhalb der Samuelbücher findet sich ein absoluter Genitiv des Partizips von λέγω auch 1Kön 12,9; 1Chr 12,20; 17,23 und Jes 40,6. 42 Ms. 246 hat Βάθ; Ms. 127 Ἀυάθ (so lesen Fernández Marcos und Busto Saiz in ihrer Edi­ tion des lukianischen Textes).

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Participium coniunctum

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2Sam 13,30 καὶ ἡ ἀκοὴ (ἡ ἀγγελία L) ἦλθεν πρὸς Δαυὶδ λέγων Ἐπάταξεν Ἀβεσσαλὼμ πάντας τοὺς υἱοὺς τοῦ βασιλέως. (A B 509) καὶ ἡ ἀγγελία ἦλθε πρὸς Δαυὶδ λεγόντων Πέπαικεν Ἀβεσσαλὼμ πάν­ τας τοὺς υἱοὺς τοῦ βασιλέως. (L; den genetivus absolutus haben alle

Mss. außer A B 509) Auch hier liegt der Grund für den genetivus absolutus in einem Subjekt­ wechsel von ἡ ἀκοὴ (ἡ ἀγγελία L) zum Aussprechen der Mitteilung durch Personen: λέγων (A B 509) / λεγόντων (übrige Handschriften). Hier könnte λεγόντων ursprünglich und λέγων eine Kaige-Korrektur sein. Überblickt man die handschriftliche Überlieferung des genetivus absolu­ tus43 λεγόντων, so gibt es besonders in der L- und der O-Gruppe eine Ten­ denz zu stilistischer Verbesserung im Sinne der klassischen Grammatik, nach der immer dann der genetivus absolutus steht (und nicht ein partici­ pium coniunctum), wenn das Subjekt des Partizips nicht identisch mit dem Subjekt oder einem Objekt des übergeordneten Satzes ist. Insgesamt ist eine hohe Einheitlichkeit des Samuelübersetzers im Umgang mit ‫מר‬ ֹ ‫ ל ֵא‬festzuhalten (fast durchgehend Wiedergabe mit λέγων, λέγοντες, λέγουσα), die er mit den anderen Übersetzern der LXX teilt.44 Darum eignet sich ‫מר‬ ֹ ‫ ל ֵא‬nicht als übersetzungstechnisches Kriterium. Hinzu kommt bei anscheinend auffälligen Wiedergaben die Unsicher­ heit, ob sie übersetzungstechnisch zu erklären sind oder auf eine nicht mit dem MT identische Vorlage zurückgehen.45 Die erhaltenen Qumran-Lesar­ ten legen nahe, dass viele der Auffälligkeiten auf eine vom MT verschiedene Vorlage zurückgehen. Wo der MT eine Finitform des Verbs ‫ אמר‬hat, die LXX aber ein Partizip von λέγω,46 und eine Lesart aus Qumran überliefert ist (1Sam 2,20.36; 2Sam 6,9), hat 4QSama jeweils ‫לאמר‬i. Das unterstreicht, auf welch unsicheres Terrain man sich mit einer übersetzungstechnischen ֹ ‫ ל ֵא‬begeben Interpretation von Auffälligkeiten bei der Wiedergabe von ‫מר‬ würde.

43 Lediglich in 1Sam 13,4; 2Sam 19,3 kann man λεγόντων alternativ zur Interpretation als genetivus absolutus als ergänzendes Partizip (zu ἤκουσεν) deuten. Ein Verständnis als ergänzendes Partizip scheidet in den Fällen mit dem Verb ἀγγέλλω aus, weil dieses Verb zwar mit ergänzendem Partizip konstruiert werden kann, allerdings den Akkusativ fordert (s. Liddell/Scott/Jones s.v. ἀγγέλλω). 44 S. Soisalon-Soininen, Infinitive, 74. 45 „[S]ince the addition of λέγων against the MT seem to imply variants of the Hebrew text, […‫ ]ו‬λέγων does not serve as a criterion of translation technique.“ (Aejmelaeus, On the Trail, 3) Gleiches gilt für Auslassungen von ‫מר‬ ֹ ‫ל ֵא‬i: „Zum Teil beruht das wohl auch auf Textvarianten im hebräischen Text. […‫ ]ו‬Es ist […‫ ]ו‬nicht möglich auf Grund dieser Auslas­ sungen etwas über den Charakter der Übersetzungen zu sagen.“ (Soisalon-Soininen, Infi­ nitive, 74). 46 1Sam 1,11 (‫תּאמ ַר‬ ֹ ַ ‫ ו‬/ λέγουσα); 2,20 (‫ ו ְא ָמ ַר‬/ λέγων) 2,36 (‫ ו ְא ָמ ַר‬/ λέγων); 16,19 (‫ ו ַֹיּאמ ֶר‬/ λέγων); 2Sam 6,9 (‫ ו ַֹיּאמ ֶר‬/ λέγων).

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Griechische Partizipialkonstruktionen

4.2.4 Infinitive Für die Erhebung der Übersetzungstechnik wesentlich interessanter sind diejenigen participia coniuncta, die auf andere hebräische Infinitive als ‫מר‬ ֹ ‫ ל ֵא‬zurückgehen und für die keine stereotype Standardwiedergabe etab­ liert ist. Neun solche participia coniuncta habe ich gefunden (1Sam 12,17.19; 14,33; 20,20; 23,7; 24,8; 25,29; 31,9; 2Sam 8,2). Mit Ausnahme von 2Sam 8,2 (infinitivus absolutus) stehen die hebräischen Infinitive jeweils mit der Prä­ position ְ ‫ל‬i.47 1Sam 12,17 (ganz ähnlich V. 19) ‫תם‬ ֶ ‫תכ ֶם רַבּ ָה א ֲשׁ ֶר ע ֲשׂ ִי‬ ְ ַ ‫וּד ְעוּ וּרְאוּ כּ ִי־רָע‬ ְ ‫ל ִשׁ ְאֹול ל ָכ ֶם מ ֶל ֶך‬ # ‫ בּ ְע ֵינ ֵי י ְהו ָה‬καὶ γνῶτε καὶ ἴδετε ὅτι ἡ κακία ὑμῶν μεγάλη ἣν ἐποιήσατε ἐνώπιον Κυρίου αἰτήσαντες ἑαυτοῖς βασιλέα. Der Infinitiv ‫ ל ִשׁ ְאֹול‬bestimmt den voranstehenden Satz in allgemeiner Weise näher („epexegetischer Infinitiv“).48 Das participium coniunctum αἰτήσαντες ist eine sehr schöne Entsprechung und kann, anknüpfend an das Verb ἐποιήσατε, den vorausstehenden Satz modal ergänzen. Das Tem­ pus des Partizips, der Aorist, bezieht sich auf das Ergebnis der Diskussion zwischen Samuel und dem Volk, ob Israel einen König fordern sollte, wie sie in 1Sam 8 geschildert ist. Die Entscheidung ist gefallen und das Volk hat um einen König gebeten (1Sam 8,19). Weitere modale participia coniuncta benutzt der Übersetzer zur Wieder­ gabe epexegetischer Infinitive in 1Sam 12,19; 14,33; 23,7. 1Sam 23,7 ‫תי ִם‬ ַ ָ ‫לה ִים בּ ְי ָד ִי כּ ִי נ ִס ְגּ ַר ול ָבֹוא בּ ְע ִיר דּ ְל‬ ֹ ֱ ‫אתֹו א‬ ֹ ‫ו ַֹיּאמ ֶר שׁ ָאוּל נ ִכּ ַר‬ ַ‫ וּב ְרִיח‬καὶ εἶπεν Σαούλ Πέπρακεν αὐτὸν ὁ θεὸς εἰς χεῖράς μου, ὅτι ἀποκέκλεισται εἰσελθὼν εἰς πόλιν θυρῶν καὶ μοχλῶν. Das Partizip εἰσελθών könnte auch kausal verstanden werden (ebenso 1Sam 14,33). In 2Sam 8,2 findet sich die – von den figurae etymologicae abgesehen – einzige Wiedergabe eines infinitivus absolutus durch ein participium coniunctum. 2Sam 8,2 ‫תם א ַרְצָה‬ ָ ‫ ו ַי ְמ ַדּ ְד ֵם בּ ַחֶב ֶל וה ַשׁ ְכּ ֵב אֹו‬καὶ διεμέτρησεν αὐτοὺς ἐν σχοινίοις κοιμίσας αὐτοὺς ἐπὶ τὴν γῆν.

47 Zu den vielfältigen Bedeutungsmöglichkeiten dieser Konstruktion s. Gesenius/Kautzsch, § 114, 2 (Randbuchst. f–p). 48 Diesen Terminus verwendet Soisalon-Soininen, Infinitive, 27; zu den Belegen in der LXX s. ebd., 62–68. Zur Syntax epexegetischer Infinitive s. Gesenius/Kautzsch, § 114, 4; Meyer, § 102, 4 e; Waltke/O’Connor, § 36.2.3 e.

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Participium coniunctum

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‫ ה ַשׁ ְכּ ֵב‬ist adverbiale Näherbestimmung zu ‫ו ַי ְמ ַדּ ְד ֵם‬i;49 das participium coniunctum κοιμίσας wird man am ehesten temporal (vorzeitig) auffassen.

Finale participia coniuncta verwendet der Übersetzer zur Wiedergabe der infinitivi constructi in 1Sam 25,29 bis und 31,9. ֹ ֲ ‫תה נ ֶפֶשׁ א‬ ָ ְ ‫קּשׁ א ֶת־נ ַפְשׁ ֶך ָ ו ְה ָי‬ ֵ ַ ‫קם א ָד ָם ול ִרְד ָפְך ָ וּל ְב‬ ָ ָ ‫ו ַיּ‬ 1Sam 25,29 ‫דנ ִי צְרוּרָה‬ ‫ בּ ִצְרֹור ה ַחַיּ ִים א ֵת י ְהו ָה‬καὶ ἀναστήσεται ἄνθρωπος καταδιώκων σε #καὶ ζητῶν τὴν ψυχήν σου, καὶ ἔσται ἡ ψυχὴ κυρίου μου ἐνδεδεμένη ἐν δεσμῷ τῆς ζωῆς παρὰ Κυρίῳ.

1Sam 31,9 ‫תּים ס ָב ִיב ול ְב ַשּׂ ֵר בּ ֵית ע ֲצַבּ ֵיה ֶם ו ְא ֶת־ה ָע ָם‬ ִ ְ ‫ ו ַי ְשׁ ַלּ ְחוּ ב ְא ֶרֶץ־פְּל ִשׁ‬καὶ ἀποστέλλουσιν αὐτὰ εἰς γῆν ἀλλοφύλων κύκλῳ, εὐαγγελιζόμενοι 50 τοῖς εἰδώλοις αὐτῶν καὶ τῷ λαῷ αὐτῶν. Diese sporadischen partizipialen Übersetzungen von Infinitiven können als schöne Wiedergaben in Einzelfällen angesehen werden.51 Zwar liegt die par­ tizipiale Wiedergabeweise wegen des modalen bzw. finalen Charakters der so übersetzten hebräischen Infinitive nicht fern. Sie wird aber auch bei den weniger wörtlichen Übersetzern der LXX selten verwendet; vorherrschend ist die Wiedergabe durch einen Infinitiv.52

Exkurs: Ergänzendes Partizip Griechische Partizipien können als Ergänzung zu einem Verb treten (ergänzendes Partizip).53 Sie haben eine syntaktisch andere Funktion als participia coniuncta und müssen von ihnen unterschieden werden. 49 S. Gesenius/Kautzsch, § 113, 2 (Randbuchst. h): Der infinitivus absolutus wird gebraucht „im Anschluß an irgendeine Form des Verbum finitum zur näheren Beschreibung des Modus oder der begleitenden Umstände […‫]ו‬, unter denen eine Handlung […‫ ]ו‬stattgefun­ den hat, resp. stattfindet oder stattfinden wird“. 50 GA; εὐαγγελίζοντες A B O b 64–381 244 (Rahlfs). 51 Zurückhaltender äußert sich Soisalon-Soininen, Infinitive, 59, zur partizipialen Wieder­ gabe finaler Infinitive: „Partizip Präs. als Wiedergabe des ‫ ל‬+ inf. cstr. ist häufiger, aber auch dieses kommt nur zufällig vor.“ Er nennt 15 Belege für die gesamte LXX, darunter die beiden Samuel-Verse. In einer partizipialen Wiedergabe des epexegetischen Infinitivs dagegen sieht er „eine gute freie Übersetzung“, die im Pentateuch, 1Sam, 1Chr, Spr, Jes, Jer und Ez „einigemal“ vorkomme (ebd., 65 f). 52 Das geht aus der Studie Soisalon-Soininens (Soisalon-Soininen, Infinitive, 177–179) hervor, auch wenn er keine genauen Zahlen angibt. Eine Recherche mit der Tov-Polak-Datenbank (BibleWorks) bestätigt dies: Sucht man alle Fälle, bei denen ְ ‫ ל‬+ infinitivus constructus durch ein Partizip repräsentiert ist, kommt man (unter Weglassung von ‫מר‬ ֹ ‫ל ֵא‬i) auf nur 123 Belege für die gesamte LXX. Unter diesen Stellen sind auch etliche ergänzende Partizipien, so dass die Zahl der durch participium coniunctum wiedergegebenen Infinitive deutlich unter 100 für die gesamte LXX liegt. Dagegen gibt es 2787 Entsprechungen von ְ ‫ ל‬+ infini­ tivus constructus zu einem griechischen Infinitiv. 53 S. Kühner/Gerth II, § 481.

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Griechische Partizipialkonstruktionen

So kann beispielsweise ὁράω mit ergänzendem Partinzip konstruiert werden. ὁρῶ τόν παῖδα τρέχοντα bedeutet: „Ich sehe das Kind laufen.“ In den Samuelbüchern finden sich 18 verbergänzende Partizipien.54 Sie sind ganz überwiegend für Verben gebraucht, die in idiomatisch gebrauchtem Griechisch nicht mit ergänzendem Partizip konstruiert werden. Einer griechischsprachigen Leserin oder einem griechischspra­ chigen Leser waren diese Formulierungen in Analogie zu ähnlichen idio­ matischen Konstruktionen dennoch leicht zu erschließen. Am häufigsten gebraucht der Übersetzer verbergänzende Partizipien zur Wiedergabe eines infinitivus constructus: 1Sam 10,13; 24,17; 2Sam 6,18; 13,36 (jeweils ‫ כלה‬+ mit ‫[ מ ִן‬in 1Sam 24,17 mit ְ ‫ ]ל‬angeschlossener infinitivus constructus); 1Sam 17,53; 2Sam 1,1 (jeweils i‫שׁוב‬i+ i‫מ ִן‬i+ infiniti­ vus constructus); 1Sam 1,12 (‫רבה‬i + ְ ‫ל‬i + infinitivus constructus); 1Sam 17,39 (i‫אלה‬i+ ְi‫ל‬i+ infinitivus constructus). ֹ ‫תפַּלּ ֵל ל ִפְנ ֵי י ְהו ָה ו ְע ֵל ִי‬ ְ ִ ‫תה ל ְה‬ ָ ְ ‫ ו ְה ָי ָה כּ ִי וה ִרְבּ‬καὶ 1Sam 1,12 ָ ‫שׁמ ֵר א ֶת־פִּיה‬ ἐγενήθη ὅτε ἐπλήθυνεν προσευχομένη ἐνώπιον Κυρίου, καὶ Ἠλὶ ὁ ἱερεὺς ἐφύλαξεν τὸ στόμα αὐτῆς.

Obwohl πληθύνω nicht mit ergänzendem Partizip gebraucht wird,55 kann προσευχομένη nur als ergänzendes Partizip zu diesem Verb gemeint sein. Es steht im Nominativ, weil das Subjekt des Partizips iden­ tisch ist mit dem Subjekt des Hauptverbs.56 Die Konstruktion von πληθύνω mit Partizipergänzung ist offenbar in Analogie zu solchen Ver­ ben des Angefülltseins entstanden, die ein ergänzendes Partizip haben können.57 Die Übersetzung ist unidiomatisch, aber verständlich. ֹ ָ ‫תנ ַבֹּות ו ַיּ‬ ְ ִ ‫ו ַי ְכ ַל מ ֵה‬ 1Sam 10,13 (ebenso 13,10; 24,17; 2Sam 6,18; 13,36) ‫בא‬ ‫ ה ַבּ ָמ ָה‬καὶ συνετέλεσεν προφητεύων καὶ ἔρχεται εἰς τὸν βουνόν.

Auch wenn συντελέω weder im klassischen noch im Koine-Griechisch mit Partizip konstruiert wird,58 muss προφητεύων als ergänzendes Parti­ zip zu diesem Verb verstanden werden. Da im Griechischen verschiedene andere Verben des Aufhörens mit Partizip konstruiert werden,59 erschließt sich einer Leserin oder einem Leser dieser (über die gesamte 54 1Sam 1,12; 10,13; 13,10; 17,39.53; 20,20; 22,9; 24,8.17.20; 28,13; 2Sam 1,1; 6,2.18; 11,2; 13,36; 18,10.26. 55 S. die Lexika s.v. und Kühner/Gerth I, § 417, 1. 56 S. Kühner/Gerth II, § 481, 3. 57 Z. B. τέρπομαι ‚sich sättigen‘; ἐμπίμπλημι ‚anfüllen‘; πλήρη εἴμι ‚angefüllt sein‘ (s. Küh­ ner/Gerth II, § 482, 4). 58 S. Liddell/Scott/Jones s.v. συντελέω und τελέω, wo nur Septuaginta-Belege für diese Kon­ struktionsweise aufgeführt sind. Vgl. weiter Blass/Debrunner/Rehkopf, § 414, Anm. 10, wo der unklassische Gebrauch von τελέω mit ergänzendem Partizip im Matthäus- und Lukasevangelium vermerkt ist. 59 S. Kühner/Gerth II, § 482, 6; Blass/Debrunner/Rehkopf, § 414, 2.

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Participium coniunctum

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LXX verbreitete)60 Hebraismus sehr leicht. Der Übersetzer verzichtet auf die Wiedergabe der Präposition ‫מ ִן‬i, was stilistisch positiv ist (ebenso 2Sam 6,18; analog für ְ ‫ ל‬in 1Sam 24,17; 2Sam 13,36). Ebenfalls mit ergänzendem Partizip verwendet der Übersetzer ἀναστρέφω (Wiedergabe von ‫שׁוב‬i; 1Sam 17,53 und 2Sam 1,1). ֵ ֲ‫ ו ַי ְה ִי א ַח‬καὶ ἐγένετο 2Sam 1,1 ‫רי מֹות שׁ ָאוּל ו ְד ָו ִד ושׁ ָב מ ֵה ַכֹּות א ֶת־ה ָע ֲמ ָל ֵק‬ μετὰ τὸ ἀποθανεῖν Σαοὺλ καὶ Δαυὶδ ἀνέστρεψεν τύπτων τὸν Ἀμα­ λήκ ·

Die Übersetzung ist hebraistisch: Ἀναστρέφω ‚zurückkehren‘ wird nicht mit ergänzendem Partizip konstruiert.61 Der Übersetzer verwendet es mit Partizipialergänzung analog zu Verben des Aufhörens.62 Wieder lässt er die Präposition ‫ מ ִן‬stilistisch gut unübersetzt (auch 1Sam 17,53).63 Neben den bereits genannten Verben kommen in den Samuelbüchern noch δίδωμι (‚erlauben‘): 1Sam 24,8, sowie ὁράω mit ergänzendem Par­ tizip vor (jeweils Finitform von ‫ ראה‬+ Partizip im Hebräischen; Partizip im Akkusativ im Griechischen): 1Sam 22,9; 24,20; 28,13; 2Sam 6,2; 11,2; 18,10.26. 1Sam 28,13 ‫על ִים מ ִן־ה ָא ָרֶץ‬ ֹ ‫תי‬ ִ ‫לה ִים רָא ִי‬ ֹ ֱ ‫ וא‬Θεοὺς ἑόρακα ἀναβαίνοντας ἐκ τῆς γῆς. Diese Konstruktionsweise entspricht der griechischen Syntax.64 Sie ist übersetzungstechnisch jedoch nicht aussagekräftig, weil sie zufällig durch eine wörtliche Wiedergabeweise entstanden ist.65 Schließlich ist ἀκοντίζων in 1Sam 20,20 als Wiedergabe von ‫אֹורֶה‬i (Impf. Hifil von ‫‚ ירה‬werfen‘ / ‚schießen‘) als ergänzendes Partizip zu τρισσεύω gebraucht.66

60 S. Soisalon-Soininen, Infinitive, 39: „συντελεῖν […‫ ]ו‬wird im Attischen nicht mit einem Partizip, sondern mit Infinitiv gebraucht. In der Septuaginta […‫[ ]ו‬wird] das Partizip […‫]ו‬ ziemlich allgemein verwendet.“ 61 S. Menge/Güthling, Liddell/Scott/Jones und Muraoka, jeweils s.v. ἀναστρέφω. 62 S. das unter den Verben des Aufhörens aufgeführte Beispiel προαπετράποντο διώκοντες „sie wandten sich von der Verfolgung ab“ bei Kühner/Gerth II, § 482, 6 (S. 57 f); s. weiter oben Anm. 59. 63 ‫שׁוב‬i + ‫מ ִן‬i + infinitivus constructus kommt im MT nochmals 2Sam 8,13 vor (‫שׁבֹו מ ֵה ַכֹּותֹו‬ ֻ ְ‫בּ‬ ‫א ֶת־א ֲרָם‬i); der Wortlaut der Vorlage der LXX (καὶ ἐν τῷ ἀνακάμπτειν αὐτὸν ἐπάταξεν τὴν Ἰδουμαίαν) ist nicht sicher zu rekonstruieren (s. McCarter, II Samuel, Textual Notes z. St.). 64 S. Blass/Debrunner/Rehkopf, § 416, 1 a; Mayser II/1, § 51 B a (S. 352 f). 65 So Aejmelaeus, On the Trail, 3 f, in Bezug auf participia coniuncta, die als Wiedergaben hebräischer Partizipien entstanden sind. Diese Einschätzung gilt gleichermaßen für das ergänzende Partizip. 66 Das Verb τρισσεύω / -όω ist außerhalb der Samuel- und Königebücher nicht belegt (s. Liddell/Scott/Jones s.v. τρισσεύω und τρισσόω).

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Griechische Partizipialkonstruktionen

Insgesamt trägt der Umgang des Übersetzers mit dem ergänzenden Partizip hebraistische Züge, weil er es überwiegend bei Verben verwen­ det, die idiomatisch anders konstruiert würden. Die Entstehung dieser Konstruktionen erschließt sich nur vom hebräischen Ausgangstext her.

4.2.5 Finite Verbformen Zwölfmal gibt der Übersetzer ein finites Verb mit einem participium coniunctum wieder.67 Für die Darstellung unterscheide ich zwischen denje­ nigen Fällen, bei denen im Hebräischen zwei unmittelbar aufeinander fol­ gende Verben stehen, die Aspekte ein- und derselben Handlung ausdrücken („enumerative Redeweise“), und denjenigen Fällen, bei denen es in den bei­ den Verben um Unterschiedliches geht. 4.2.5.1 Enumerative Redeweise Bei der „enumerativen Redeweise“68 drücken zwei unmittelbar aufeinander folgende Verben unterschiedliche Nuancen ein- und derselben Handlung aus (1Sam 4,14;69 20,31; 2Sam 1,15; 11,5; 12,16.28; 15,9; 18,21; 19,8). ֹ ָ ‫קרָא ד ָו ִד ל ְא ַחַד מ ֵה ַנּ ְע ָרִים ו ַֹיּאמ ֶר וגּ ַשׁ פְּג ַע־בֹּו ו ַיּ ַכּ ֵהוּ ו ַיּ‬ ְ ִ ‫ ו ַיּ‬καὶ ἐκά­ 2Sam 1,15 ‫מת‬ λεσεν Δαυὶδ ἓν τῶν παιδαρίων αὐτοῦ καὶ εἶπεν Προσελθὼν ἀπάντησον αὐτῷ · καὶ ἐπάταξεν αὐτόν, καὶ ἀπέθανεν.

Der Übersetzer gibt die beiden hebräischen Imperative durch participium coniunctum + Imperativ wieder. Diese Übersetzungsweise bindet die Ver­ ben enger aneinander und ist kompakter als eine wörtliche Übersetzung mit zwei aufeinander folgenden Finitverben. Ganz ähnlich übersetzt er 2Sam 19,8: 2Sam 19,8 ָ ‫תּה וקוּם צֵא ו ְד ַבּ ֵר ע ַל־ל ֵב ע ֲב ָד ֶיך‬ ָ ַ ‫ו ְע‬i καὶ νῦν ἀναστὰς ἔξελθε καὶ λάλησον εἰς τὴν καρδίαν τῶν δούλων σου.

(nichtlukianische Handschriften) καὶ νῦν ἀνάστηθι καὶ λάλησον ἐπὶ τὴν καρδίαν τῶν παίδων σου. (L-

Gruppe) 67 1Sam 4,14; 9,5; 14,52; 20,31; 2Sam 1,15; 11,5; 12,16.28; 15,9; 16,4; 18,21; 19,8. Eine gewisse textkritische Unsicherheit besteht im Kaige-Bereich, wo die m.E. originale Übersetzung teils in der L-Gruppe überliefert ist (2Sam 12,16.28; 16,4). Nicht berücksichtigt habe ich diejenigen Fälle, wo λέγων eine Finitform von ‫ אמר‬wiederzugeben scheint; s. dazu oben im Abschnitt 4.2.3. 68 S. Brockelmann, § 135 a (S. 133). 69 In der L-Gruppe finden sich (analog zu 1Sam 4,14) participia coniuncta für Formen von ‫ מהר‬auch in 1Sam 25,23 und 2Sam 17,16 (jeweils Partizip von σπεύδω). M.E. ist nicht sicher zu klären, ob sie zu Old Greek gehören oder rezensionell sind.

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M.E. überliefern die nichtlukianischen Handschriften mit ἀναστὰς ἔξελθε die originale Übersetzung. Die lukianischen Rezensenten haben den Text vereinfacht, indem sie diesen inhaltlich doppelnden Ausdruck zu ἀνάστηθι zusammenzogen. In drei Fällen ist das zweite hebräische Verb durch die Kopula verbunden (1Sam 20,31; 2Sam 11,5; 15,9); der Übersetzer gibt die Kopula jeweils nicht wieder, was stilistisch positiv ist. ֹ ‫קח‬ ַ ְ ‫תּה ושׁ ְל ַח ו‬ ָ ַ ‫ ו ְע‬νῦν οὖν ἀποστείλας 1Sam 20,31 ‫אתֹו א ֵל ַי כּ ִי ב ֶן־מ ָו ֶת הוּא‬ #λαβὲ τὸν νεανίαν, ὅτι υἱὸς θανάτου οὗτος. ֹ ַ ‫תּגּ ֵד ל ְד ָו ִד ו‬ ַ ַ ‫תּה ַר ה ָא ִשּׁ ָה ו ַתִּשׁ ְל ַח ו‬ ַ ַ ‫ ו‬καὶ ἐν γαστρὶ 2Sam 11,5 ‫תּאמ ֶר ה ָרָה א ָֹנכ ִי‬ ἔλαβεν ἡ γυνή, καὶ ἀποστείλασα ἀπήγγειλεν τῷ Δαυὶδ καὶ εἶπεν Ἐγώ εἰμι ἐν γαστρὶ ἔχω.70

Anneli Aejmelaeus fasst die Partizipialkonstruktionen, welche hebräische „enumerative Redeweise“ wiedergeben, unter der Bezeichnung „pleonastic group“ zusammen, „[s]ince they fit badly into the usual function of the part. coni.“:71 Der Nebensatz-Charakter des participium coniunctum ist bei ihnen nicht wirklich erkennbar. Vielmehr gelingt die Verhältnisbestimmung zwi­ schen Partizip und zugehörigem Hauptverb nur so, dass man Partizip und Finitverb als Ausdrücke auf gleicher Ebene versteht, die einander ergän­ zende Aspekte einer Handlung ausdrücken. Womöglich korrigiert deshalb die L-Gruppe und verwendet zwei durch καί verbundene Finitverben (1Sam 20,31; 2Sam 1,15; 11,5; 15,9; 18,21): Das hebräische Idiom72 wird gräzisiert. Ebenfalls denkbar ist, dass diese Ein­ griffe in Annäherung an den MT erfolgt sind. 1Sam 20,31 νῦν οὖν ἀπόστειλον καὶ λάβε τὸν νεανίαν, ὅτι υἱὸς θανάτου ἐστίν (L 527). 2Sam 1,15 καὶ ἐκάλεσε Δαυὶδ ἓν τῶν παιδαρίων αὐτοῦ καὶ εἶπεν #Προσαγάγετε αὐτῷ καὶ ἅψασθε αὐτοῦ …‫( ו‬L 554mg). 2Sam 11,5 καὶ συνέλαβεν ἡ γυνή καὶ ἀπέστειλε καὶ ἀπήγγειλε τῷ Δαυὶδ καὶ εἶπεν Συνείληφα ἐγώ (L).73

70 Nichtlukianische Handschriften; zur Lesart der L-Gruppe s. im Folgenden. 71 Aejmelaeus, On the Trail, 6. Aejmelaeus unterscheidet nochmals zwischen streng pleonas­ tischen Ausdrücken wie προσελθὼν ἀπάντησον (zwei Aspekte ein- und derselben Bewe­ gung) und „modal cases“ wie ἀποστείλας λαβέ (aufeinander folgende Vorgänge), hält aber fest: „The pleonastic and modal cases […‫ ]ו‬are rather similar – neither of them actually re­ places a subordinate clause.“ 72 S. Blass/Debrunner/Rehkopf, § 419, 2. 73 Ms. 93 hat vor καὶ ἀπήγγειλεν noch ἡ γυνή.

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Griechische Partizipialkonstruktionen

Textkritische Besonderheiten gibt es bei zwei der pleonastischen participia coniuncta des Kaige-Bereichs (2Sam 12,16.28). 2Sam 12,16 ‫ו ַיּ ָצָם דּ ָו ִד צֹום וּב ָא ו ְל ָן ו ְשׁ ָכ ַב א ָרְצָה‬i(MT) ‫ו ַיּ ָצָם דּ ָו ִד צֹום ויבוא וישׁכב בשׂק א ָרְצָה‬i(4QSama; entspricht der Vorlage des Übersetzers) καὶ ἐνήστευσεν Δαυὶδ νηστείαν καὶ εἰσῆλθεν καὶ ηὐλίσθη ἐν σάκκῳ ἐπὶ τῆς γῆς. (nichtlukianische Handschriften) καὶ ἐνήστευσε Δαυὶδ νηστείαν καὶ εἰσελθὼν ἐκάθευδεν ἐν σάκκῳ ἐπὶ τὴν γῆν. (L-Gruppe) 74

‫תר ה ָע ָם‬ ֶ ֶ ‫סף א ֶת־י‬ ֹ ֱ ‫תּה א‬ ָ ַ ‫ו ְע‬i καὶ νῦν συνάγαγε τὸ κατάλοιπον τοῦ λαοῦ, καὶ παρέμβαλε ἐπὶ τὴν πόλιν καὶ προκαταλαβοῦ αὐτήν · (nichtlukianische Handschriften) καὶ νῦν συνάγαγε τὸ περισσὸν τοῦ λαοῦ, καὶ ἐλθὼν παρέμβαλε ἐπὶ τὴν πόλιν καὶ προκαταλαβοῦ αὐτὴν σύ · (L)

2Sam 12,28 ‫ו ַחֲנ ֵה ע ַל־ה ָע ִיר‬

In beiden Fällen dürfte das participium coniunctum der L-Gruppe die ursprüngliche Übersetzung sein. Die nichtlukianische Lesart ist jeweils eine Annäherung an den masoretischen Texttypus und dürfte auf die KaigeRezensenten zurückgehen. 4.2.5.2 Nebensatzvertretendes participium coniunctum Es gibt drei Fälle, in denen der Übersetzer ein hebräisches Finitverb mit einem „echten“, in der Funktion eines Nebensatzes stehenden participium coniunctum wiedergibt (1Sam 9,5; 14,52; 2Sam 16,4). Sie sind übersetzungs­ technisch besonders interessant, weil es sich um eine freie Wiedergabeweise handelt, die sich deutlich von einer wörtlichen „easy technique“75 unter­ scheidet.76 1Sam 14,52 ‫כּל י ְמ ֵי שׁ ָאוּל ו ְרָא ָה שׁ ָאוּל‬ ֹ ‫תּים‬ ִ ְ ‫קה ע ַל־פְּל ִשׁ‬ ָ ָ ‫מּל ְחָמ ָה חֲז‬ ִ ַ ‫תּה ִי ה‬ ְ ַ‫ו‬ ‫ כּ ָל־א ִישׁ גּ ִבֹּור ו ְכ ָל־בּ ֶן־חַי ִל ו ַיּ ַא ַס ְפֵהוּ א ֵל ָיו‬καὶ ἦν ὁ πόλεμος κραταιὸς ἐπὶ τοὺς ἀλλοφύλους πάσας τὰς ἡμέρας Σαούλ · καὶ ἰδὼν Σαοὺλ πάντα ἄνδρα δυνατὸν καὶ πάντα ἄνδρα υἱὸν δυνάμεως, καὶ συνήγα#γεν αὐτοὺς πρὸς αὐτόν .

Hier gelingt dem Übersetzer eine besonders schöne Satzstruktur, indem ἰδών als participium coniunctum auf das später im Satz folgende συνήγαγεν 74 Ich nehme an, dass ἐλθών (L) zu Old Greek gehört. Eine Einfügung dieses Partizips ohne hebräische Vorlage wäre schwer erklärlich; die Vorlage dürfte an dieser Stelle zusätzlich den Imperativ ‫ ולך‬enthalten haben. 75 Zu diesem Terminus s. Barr, Typology, 26; 50; s. dazu oben S. 44 (Anm. 25). 76 S. Aejmelaeus, On the Trail, 1 f.

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Participium coniunctum

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bezogen ist. Allerdings ist nicht auszuschließen, dass diese Übersetzung zufällig entstanden ist, wenn der Übersetzer ‫ וראה‬als Partizip analysiert hätte. Ein Schönheitsfehler der Konstruktion ist, dass er καί vor συνήγαγεν nicht auslässt (dies ist korrigiert in L CI 44–107–125–610 29 460). ֹ ָ ‫ו ַֹיּאמ ֶר ה ַמּ ֶל ֶך ְ ל ְצִב ָא ה ִנּ ֵה ל ְך‬ 2Sam 16,4 ‫כּל א ֲשׁ ֶר ל ִמ ְפִי־בעל ו ַֹיּאמ ֶר צִיב ָא‬ ְ ‫דנ ִי ה ַמּ ֶל ֶך‬ ֹ ֲ ‫תי א ֶמ ְצָא־חֵן בּ ְע ֵינ ֶיך ָ א‬ ִ ‫תּחֲו ֵי‬ ַ ְ ‫ וה ִשׁ‬καὶ εἶπεν ὁ βασιλεὺς τῷ Σιβά Ἰδοὺ σοὶ πάντα ὅσα ἐστὶν τῷ Μεμφιβάαλ.77 καὶ εἶπεν Σιβά Προσ#κυνήσας εὕροιμι χάριν ἐν ὀφθαλμοῖς σου, κύριέ μου βασιλεῦ.

Das Partizip προσκυνήσας kann final, modal oder temporal verstanden werden. Keine dieser Möglichkeiten ist vom Handlungsverlauf letztlich überzeugend, weil die Begnadigung Zibas bereits ausgesprochen worden ist (V. 4a). Am wahrscheinlichsten ist, dass sich der Übersetzer eine temporale Logik vorgestellt hat: „Nachdem ich dir gehuldigt habe, möge ich Gnade finden vor deinen Augen.“78 1Sam 9,5 ‫תנֹות ו ְד ָא ַג ל ָנוּ‬ ֹ ֲ ‫ ל ְכ ָה ו ְנ ָשׁוּב ָה פֶּן־וי ֶחְדּ ַל א ָב ִי מ ִן־ה ָא‬Δεῦρο καὶ ἀναστρέψωμεν, μὴ ἀνεὶς ὁ πατήρ μου τὰς ὄνους φροντίζῃ περὶ ἡμῶν. Hier findet der Übersetzer zu einer schönen Konstruktion. Wie auch sonst,79 gibt er ‫ פֶּן‬+ Verb mit μή oder μήποτε + Konjunktiv wieder: μὴ φροντίζῃ. Eingeschoben ist die Partizipialphrase ἀνεὶς ὁ πατήρ μου τὰς ὄνους: „damit nicht – indem/weil mein Vater die Eselinnen aufgibt – er sich um uns sorgt.“ Textkritisch zu erörtern ist 1Sam 19,20 ‫קת‬ ַ ֲ ‫ו ַיּ ַרְא א ֶת־ל ַה‬ ‫ה ַנּ ְב ִיא ִים נ ִבּ ְא ִים‬i

80

‫קחַת א ֶת־דּ ָו ִד וילכו‬ ַ ָ ‫ו ַיּ ִשׁ ְל ַח שׁ ָאוּל מ ַל ְא ָכ ִים ל‬

καὶ ἀπέστειλεν Σαοὺλ ἀγγέλους λαβεῖν τὸν Δαυίδ · καὶ ἐλθόντες εἶδον81 τὴν ἐκκλησίαν τῶν προφητῶν. (L CII–242 121mg 68–122 f s–64 381

318 554)

καὶ ἀπέστειλεν Σαοὺλ ἀγγέλους λαβεῖν τὸν Δαυίδ · καὶ εἶδον82 τὴν ἐκκλησίαν τῶν προφητῶν. (andere Handschriften; Rahlfs; GA)

77 Μεμφιβάαλ mit L; die übrigen Handschriften haben Μεμφιβόσθε. Der hebräische Text (MT ‫בשׁ ֶת‬ ׂ ‫ל ִמ ְפִי־‬i) wurde entsprechend korrigiert. 78 Von der Arbeitsweise des Übersetzers her kaum plausibel ist die Interpretation des Parti­ zips, die Brooke/McLean/Thackeray durch ihre Orthographie (Groß-/Kleinschreibung) vornehmen: καὶ εἶπεν Σιβά προσκυνήσας Εὕροιμι χάριν…‫ ו‬Der Übersetzer hat mit προσκυνήσας die 1. P. Sg. ‫תי‬ ִ ‫תּחֲו ֵי‬ ַ ְ ‫ה ִשׁ‬iwiedergegeben (vgl. 1Sam 15,30). 79 1Sam 4,9; 13,19; 15,6; 20,3; 27,11; 31,4; 2Sam 1,20; 12,28; 15,14; 17,16. 80 Eine hebräische Handschrift überliefert zusätzlich ‫וילכו‬i(s. App. der BHS). 81 Ms. 56 liest καὶ εἶδον. 82 εἶδαν A B b 64 (Rahlfs).

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Griechische Partizipialkonstruktionen

Die Zugehörigkeit von ἐλθόντες (temporales participium coniunctum) zu Old Greek ist wahrscheinlich: Eine masoretische Handschrift überliefert die mögliche Vorlage ‫וילכו‬i, die durch einen Sprung eines Abschreibers zu ‫ ו ַיּ ַרְא‬ausgefallen sein kann. Möglich wäre aber auch, dass ἐλθόντες als Reflex einer zur Vorlage des Übersetzers alternativen hebräischen Texttra­ dition, die ‫תי‬ ִ ‫תּחֲו ֵי‬ ַ ְ ‫ה ִשׁ‬ienthielt, ergänzt wurde. Insgesamt zeigt die Untersuchung der durch participium coniunctum wiedergegebenen Finitverben, dass der Übersetzer – von den pleonastischen Wiedergaben der figura etymologica abgesehen – diese Gestaltungsmöglich­ keit der griechischen Syntax kannte, sie aber nur ganz selten anwendete.83 Er bevorzugte Übersetzungsweisen, für die keine größeren Sequenzen zu analysieren waren.84 Aufgrund der in der gesamten LXX sehr begrenzten Zahl von nebensatz­ vertretenden (nicht pleonastisch gebrauchten) participia coniuncta sind detaillierte Vergleiche zwischen den einzelnen Übersetzern nicht möglich.85

4.2.6 Ergebnis Das participium coniunctum wurde als Kriterium für die Beschreibung der Übersetzungstechnik in den Samuelbüchern ausgewählt, weil es ein der griechischen Syntax eigentümliches Phänomen ist, das keine syntaktische Analogie im Hebräischen hat. Eine der griechischen Syntax entsprechende Verwendung des participium coniunctum würde daher voraussetzen, dass der Übersetzer hebräische Satzstrukturen in freier Weise in ein solches Par­ tizip umformt. Dominierend in den Samuelbüchern ist allerdings der unidiomatische Gebrauch des participium coniunctum bei der Wiedergabe der hebräischen figura etymologica. Der infinitivus absolutus dieser dem Hebräischen eigen­ tümlichen Konstruktion wird vom Übersetzer (mit Ausnahme von ‫מות‬i) partizipial wiedergegeben. Diese Wiedergabeweise findet sich auch sonst in der LXX und trägt dazu bei, dass die griechische Syntax der LXX hebrais­ tisch wirkt. Allerdings gilt das für die einzelnen Bücher in unterschied­ 83 Dennoch gruppiert Soisalon-Soininen, Infinitive, 177, das 1. Samuelbuch für den Gebrauch von participia coniuncta in die mittlere Gruppe zu denjenigen Übersetzungen, bei denen das participium coniunctum in der Funktion eines Nebensatz-Ersatzes vergleichsweise regelmäßig vorkommt. Diese Einschätzung würde ich von meinem Material her nicht vor­ nehmen. Womöglich hat Soisalon-Soininen auch einige ergänzende Partizipien zu den Fäl­ len gezählt, „in denen es [sc. das griechische Partizip] einen beigeordneten Satz wiedergibt“ (ebd.). Weil das participium coniunctum nur ein Nebenaspekt seiner Arbeit ist, sind die Ergebnisse sehr gerafft dargestellt und schwer überprüfbar. 84 S. Aejmelaeus, On the Trail, 10, die darauf hinweist, dass das participium coniunctum „the translator’s ability to master larger units than a couple of words“ zeigen kann. 85 Das zeigt auch die Studie von Anneli Aejmelaeus zum participium coniunctum als Krite­ rium der Übersetzungstechnik (Aejmelaeus, On the Trail, 1–10; s. besonders S. 10).

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Participium coniunctum

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lichem Grad. Im Pentateuch etwa ist der Anteil von Wiedergaben höher, die der griechischen Syntax besser entsprechen.86 Die Samuelbücher gehören dagegen mit ihrer hohen Frequenz der partizipialen Wiedergabe der figura etymologica zu den besonders wörtlichen Übersetzungen. Für die Analyse der Übersetzungstechnik nicht aussagekräftig ist die ֹ ‫ל ֵא‬i. Wiedergabe des Infinitivs ‫מר‬ Die Untersuchung anderer Infinitive, die meisten mit vorangestellter Prä­ position ְ ‫ל‬i, führte auf interessante und gute partizipiale Wiedergaben in Einzelfällen. Sie zeigen, dass der Samuelübersetzer die griechische Syntax beherrscht, die ihr eigentümlichen Möglichkeiten zugunsten einer „easy technique“87 des Übersetzens aber wenig nutzt. Eine statistische Auswer­ tung und ein quantifizierender Vergleich mit anderen Übersetzern sind nicht sinnvoll, weil es in der gesamten LXX nur wenige dieser Wiedergaben gibt. Wegen der in manchen Fällen naheliegenden Verwechslung von partici­ pia coniuncta mit verbergänzenden Partizipien wurde die Verwendung letzterer in einem Exkurs dargestellt. Der Gebrauch des ergänzenden Parti­ zips durch den Übersetzer ist zwar grammatikalisch problemlos nachvoll­ ziehbar, aber überwiegend hebraistisch. Die übersetzungstechnisch interessanteste Gruppe bilden diejenigen Fälle, bei denen ein hebräisches Finitverb mit einem participium coniunctum wiedergegeben ist. Die meisten dieser Fälle sind pleonastische Wiedergaben von zwei unmittelbar aufeinander folgenden hebräischen Verben; diese Wiedergaben ähneln denjenigen der figura etymologica. Darüber hinaus fin­ den sich in zwei Fällen freie Wiedergaben durch ein participium coniunctum (1Sam 14,52; 2Sam 16,4). Nicht in einer quantifizierenden Darstellung der Arbeitsweise des Samuelübersetzers und einem statistischen Vergleich mit der Arbeitsweise anderer Übersetzer liegt der Ertrag der Untersuchung des participium coniunctum, sondern darin, dass die wörtliche Vorgehensweise des Überset­ zers mit Hilfe einer Methodik bestätigt wurde, über die gezielt freie Über­ setzungsweisen aufgefunden werden können.88 Außerdem ist die so gewon­ nene differenzierte Kenntnis seiner Arbeitsweise grundlegend für die Beur­ teilung textkritisch auffälliger Stellen. An Beobachtungen zu den Rezensionen ist zu notieren, dass die KaigeRezension in drei Fällen (2Sam 12,16.28; 13,30) in Analogie zum MT Parti­

86 Den höchsten Anteil hat im Pentateuch mit 56 % die Kombination aus Finitverb und Sub­ stantiv (Sollamo, Infinitive Absolute, 105). Sollamo sieht in der partizipialen Wiedergabe des infinitivus absolutus „the most slavish renderings used in the Septuagint“ (ebd., 111); den Anteil dieser in den Samuelbüchern vorherrschenden Wiedergabe gibt sie für den gesamten Pentateuch mit 25 % an (von mir errechnet aus den Zahlen der Tabelle ebd., 111). 87 S. oben S. 44 (Anm. 25). 88 S. oben S. 112 (Anm. 3).

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Griechische Partizipialkonstruktionen

zipien durch Finitverben ersetzt (einschließlich lexikalischer Anpassungen). Außerdem könnte die Änderung von λεγόντων zu λέγων (A B 509 in 2Sam 13,30) auf die Kaige-Rezensenten zurückgehen. Die L-Gruppe liest bei denjenigen Stellen, bei denen der hebräische Text zwei direkt aufeinander folgende Finitverben hat, participium coniunctum + Finitverb zu zwei Finitverben (1Sam 20,31; 2Sam 1,15; 11,5; 15,9; 18,21). Ich würde diese Änderungen als stilistische Verbesserungen werten. Es kann sich aber auch um Annäherungen an den masoretischen Text handeln.

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Genetivus absolutus

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4.3 Genetivus absolutus 4.3.1 Einleitung Der genetivus absolutus kann wie das participium coniunctum „die adverbia­ len Verhältnisse der Zeit, des Grundes, des Beweggrundes oder der Absicht, der Bedingung und Einräumung, der Art und Weise, des Mittels und über­ haupt eines Nebenumstandes“1 ausdrücken. Im Unterschied zum partici­ pium coniunctum, dessen Subjekt sich durch Bezug auf ein Subjekt (seltener ein Objekt) des Hauptsatzes ergibt,2 führt der genetivus absolutus sein eige­ nes Subjekt mit sich (ein Nomen oder Pronomen im Genitiv). Aus diesem Unterschied ergibt sich die Regel des klassischen Griechisch, dass der genetivus absolutus nicht verwendet wird, wenn sein Subjekt im Hauptsatz bereits als Subjekt oder Objekt erwähnt ist.3 Diese Regel wird auch in der Koine noch beachtet, allerdings nicht mehr konsequent,4 so dass die Verwendung des genetivus absolutus einfacher wurde. Gerade in der Alltagssprache, wie sie die ptolemäischen Papyri repräsentieren, ist der genetivus absolutus im Vergleich zum Attischen „nicht nur in vollem Umfang erhalten, sondern [hat] sogar infolge nachlässiger, bequemer Satz­ fügung sein Gebiet beträchtlich erweitert“.5 In den griechischen Samuelbüchern kommt der genetivus absolutus 28mal vor. In der ganz überwiegenden Zahl ist er temporal gebraucht und gibt hebräische Zeitbestimmungen wieder. Dies gilt für temporales ְ ‫בּ‬i + infiniti­ vus constructus (achtmal; Abschnitt 4.3.2), für ‫‚ כּ ָל־י ְמ ֵי‬solange‘ + infinitivus constructus (dreimal; 4.3.3) und Formulierungen mit ‫‚ עֹוד‬noch‘ (sechsmal; 4.3.4). In den Samuel- und Königebüchern besonders häufig6 stehen zeit­ bestimmende Sätze mit vorgezogenem Subjekt; für sie verwendet der Über­ setzer überwiegend den absoluten Genitiv (neunmal; 4.3.5). Hinzu kommen zwei Einzelfälle, die abschließend besprochen werden (4.3.6).7

1 2 3 4

5 6 7

Kühner/Gerth II, § 485, 1; Hervorhebung des Originals aufgehoben (s. auch § 486, Einlei­ tung). S. oben S. 112 (Anm. 2). Dann steht participium coniunctum (s. Kühner/Gerth II, § 485, 3). Mayser II/3, § 157 II a-d (S. 67–70). Im NT ist der genetivus absolutus „normalerweise auf den Fall beschränkt, wo das Nomen oder Pronomen, auf das sich das Ptz. bezieht, im Satz weder als Subjekt noch als ein anderer Satzteil vorkommt“ (Blass/Debrunner/Rehkopf, § 423). Diese Aussage relativiert sich allerdings durch etliche Ausnahmen, die Blass/ Debrunner/Rehkopf nennen (ebd., Nr. 1–3 mit Anmerkungen). Mayser II/3, § 157 II (Einleitung, S. 67). S. Gesenius/Kautzsch, § 116, Anm. 4 (Randbuchst. u). Zum Sonderfall des genetivus absolutus λεγόντων als Wiedergabe von ‫מר‬ ֹ ‫ ל ֵא‬s. oben S. 120.

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Griechische Partizipialkonstruktionen

4.3.2 ‫בּ‬i+ Infinitiv Mit ְ ‫ בּ‬bzw. ְ ‫ כּ‬+ infinitivus constructus kann eine Handlung zeitlich bestimmt werden.8 Der Übersetzer verwendet den genetivus absolutus in acht von 43 Fällen9 (19 %) zur Wiedergabe von temporalem ְ ‫ בּ‬+ infinitivus constructus und möglicherweise in einem von 15 Fällen10 (7 %) für temporal gebrauchtes ְ ‫ כּ‬+ infinitivus constructus. Die vorherrschenden Wiedergaben dieser Konstruktionen sind für temporales ְ ‫ בּ‬+ infinitivus constructus ἐν τῷ + Infinitiv (bei 33 der 43 Fälle; 77 %)11 und für temporales ְ ‫ כּ‬+ infinitivus constructus ὡς-Nebensätze (bei zehn von 14 Fällen = 71 %).12 1Sam 15,2 ‫תּי א ֵת א ֲשׁ ֶר־ע ָשׂ ָה ע ֲמ ָל ֵק ל ְי ִשׂ ְרָא ֵל‬ ִ ְ ‫קד‬ ַ ָ‫כּה א ָמ ַר י ְהו ָה צְב ָאֹות פּ‬ ֹ

‫מּצְרָי ִם‬ ִ ִ ‫לתֹו מ‬ ֹ ֲ ‫ א ֲשׁ ֶר־שׂ ָם לֹו בּ ַדֶּרֶך ְ ובּ ַע‬τάδε εἶπεν Κύριος σαβαώθ Νῦν ἐκδικήσω ἃ ἐποίησεν Ἀμαλὴκ τῷ Ἰσραήλ, ὡς ἀπήντησεν αὐτῷ ἐν τῇ ὁδῷ ἀναβαίνοντος αὐτοῦ ἐξ Αἰγύπτου.

Nach der klassischen Grammatik dürfte kein genetivus absolutus verwendet werden, weil sein Subjekt (αὐτοῦ) als Objekt des übergeordneten Satzes vorkommt (τῷ Ἰσραήλ). In der Koine wird diese Regel nicht mehr durchge­ hend befolgt.13 Als Tempus für ἀναβαίνοντος wählt der Übersetzer das durative Präsens, weil das Heraufziehen aus Ägypten als Vorgang geschil­ dert ist, in den hinein punktuell (Aorist ὡς ἀπήντησεν) der Widerstand der Amalekiter fällt. 2Sam 3,13 ָ ‫בא ֲך‬ ֹ ְ ‫הב ִיא ֲך ָ א ֵת מ ִיכ ַל בּ ַת־שׁ ָאוּל ובּ‬ ֱ ‫תרְא ֶה א ֶת־פָּנ ַי כּ ִי א ִם־ל ִפְנ ֵי‬ ִ ‫לא־‬ ֹ ‫ ל ִרְאֹות א ֶת־פָּנ ָי‬Oὐκ ὄψει τὸ πρόσωπόν μου ἐὰν μὴ ἀγάγῃς τὴν Μελχὸλ θυγατέρα Σαούλ, παραγινομένου σου ἰδεῖν τὸ πρόσωπόν μου. Nach der klassischen Grammatik dürfte auch hier kein genetivus absolutus stehen, weil sein Subjekt (σου) mit dem Subjekt des Hauptsatzes identisch ist. Die mit genetivus absolutus wiedergegebenen hebräischen Infinitive sind oft Bewegungsverben: zweimal steht ‫בוא‬i (1Sam 30,1; 2Sam 3,13); je einmal ‫הלך‬i (2Sam 8,3), ‫עבר‬i (2Sam 19,19) und ‫עלה‬i (1Sam 15,2). Es kommen aber

8

9 10 11 12 13

S. Jenni, Beth, 316–318. In erstaunlicher Kürze und nur ganz allgemein behandeln Gese­ nius/Kautzsch temporales ְ ‫ בּ‬und ְ ‫ כּ‬+ infinitivus constructus (§ 114, 2, Randbuchst. e; auch § 164, Anm. 3, Randbuchst. g). S. auch oben Abschnitt 3.1. 1Sam 2,27; 15,2; 30,1; 2Sam 3,13; 5,2; 8,3; 18,5; 19,19. Nachweis der Gesamtzahl der 43 Fälle oben S. 89 (Anm. 3). 1Sam 11,9; Einzelheiten zu dieser Stelle im Folgenden. Nachweis der Belege für temporales ְ ‫ כּ‬+ infinitivus constructus oben S. 100 (Anm. 7). S. oben Abschnitt 3.2.2.1. S. oben Abschnitt 3.3.2. S. oben bei Anm. 4.

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Genetivus absolutus

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auch andere Zustands- und Handlungsverben vor: zweimal i‫היה‬i(1Sam 2,27; 2Sam 5,2) und einmal ‫ צוא‬Piel (2Sam 18,5). ְ ֶ ‫ גּ ַם־א‬καὶ ἐχθὲς καὶ 2Sam 5,2 ‫תמֹול גּ ַם־שׁ ִל ְשֹׁום ובּ ִה ְיֹות שׁ ָאוּל מ ֶל ֶך ְ ע ָל ֵינוּ…ו‬ τρίτην ὄντος Σαοὺλ βασιλέως ἐφ᾽ ἡμῖν…‫ו‬

In 1Sam 2,27 ist der genetivus absolutus durch eine weitere prädikative Bestimmung erweitert: 1Sam 2,27 ‫תם בּ ְמ ִצְרַי ִם‬ ָ ‫תי א ֶל־בּ ֵית א ָב ִיך ָ ובּ ִה ְיֹו‬ ִ ‫לה נ ִג ְל ֵי‬ ֹ ְ ‫כּה א ָמ ַר י ְהו ָה ה ֲנ ִג‬ ֹ

‫עה‬ ֹ ְ‫ ל ְב ֵית פַּר‬14‫ ועבדים‬Τάδε λέγει Κύριος Ἀποκαλυφθεὶς ἀπεκαλύφθην πρὸς οἶκον πατρός σου, ὄντων αὐτῶν ἐν γῇ Αἰγύπτῳ δούλων τῷ οἴκῳ Φαραώ.

In 1Sam 11,9 ist nicht eindeutig, welche Präposition der Übersetzer las: ֹ ְ ‫תּשׁוּע ָה ובּ‬ ְ ‫תּה ְי ֶה־ל ָכ ֶם‬ ִ ‫ מ ָחָר‬αὔριον ὑμῖν ἡ σωτηρία 1Sam 11,9 ‫ וה ַשּׁ ָמ ֶשׁ‬15‫חם‬ #διαθερμάναντος τοῦ ἡλίου . ֹ als infinitivus constructus wahr Kontextuell richtig nahm der Übersetzer ‫חם‬ (anders 2Sam 4,5: ‫חם‬ ֹ ְ ‫ כּ‬/ ἐν τῷ καύματι). Was die Präposition betrifft, ist von der hebräischen Syntax her ְ ‫ כּ‬anzunehmen.16 Ob der Übersetzer wie das Qere ְ ‫ כּ‬und nicht ְ ‫ בּ‬las, lässt sich aber nicht sicher sagen.17 Wegen des Charakters der Zeitangabe als einer auslösenden Bedingung verwendet der Übersetzer das resultative Tempus Aorist. Aufgrund der textkritischen Unsicherheit bleibt 1Sam 11,9 ohne Berücksichtigung für die Statistik. In 1Sam 30,1 hat der Übersetzer eine auf ‫ ו ַי ְה ִי‬folgende Zeitbestimmung mit genetivus absolutus übersetzt: ִ ֵ ‫קל ַג בּ ַיֹּום ה ַשּׁ ְל ִישׁ ִי ו ַע ֲמ ָל‬ ְ ִ‫בא ד ָו ִד ו ַא ֲנ ָשׁ ָיו צ‬ ֹ ְ ‫ו ַי ְה ִי ובּ‬ 1Sam 30,1 ‫קי פָשׁ ְטוּ א ֶל־נ ֶג ֶב‬

‫תהּ בּ ָא ֵשׁ‬ ָ ‫א‬ ֹ ‫קל ַג ו ַיּ ִשׂ ְרְפוּ‬ ְ ִ‫קל ַג ו ַיּ ַכּוּ א ֶת־צ‬ ְ ִ‫ ו ְא ֶל־צ‬Καὶ ἐγενήθη ἐξελθόντος 18 #Δαυὶδ καὶ τῶν ἀνδρῶν αὐτοῦ τὴν Σικελὰκ19 τῇ ἡμέρᾳ τῇ τρίτῃ, καὶ

14 ‫ עבדים‬ergänzt mit 4QSama. 15 Qere ‫חם‬ ֹ ְ ‫כּ‬i. 16 Vgl. Dtn 16,6; 23,12; 24,13; Jos 8,29 (jeweils ‫כּ ְבֹוא ה ַשּׁ ֶמ ֶשׁ‬i); auch Ri 5,31 (‫כּ ְצֵאת ה ַשּׁ ֶמ ֶשׁ‬i); Ri 9,33 und Jona 4,8 (jeweils ‫רחַ ה ַשּׁ ֶמ ֶשׁ‬ ֹ ְ ‫כּ ִז‬i). Entsprechende Formulierungen mit ְ ‫ בּ‬gibt es außer in 1Sam 11,9 (Ketib) nicht. Zu 1Kön 22,36 s. unten Anm. 17. 17 Gegen ְ ‫ כּ‬könnte zunächst sprechen, dass der Übersetzer temporales ְ ‫ כּ‬+ infinitivus con­ structus nur in diesem Fall mit einem genetivus absolutus übersetzt hätte. In Könige finden sich aber drei weitere Belege: 1Kön 14,5 (12,24 LXX); 22,36; 2Kön 3,20. 18 Die Lesart folgt GA (εἰσελθόντος A B b f 460; Rahlfs / ἐν τῷ παραγένεσθαι L 554mg / πρὸ τοῦ ἐλθεῖν O); zur Begründung s. Aejmelaeus, David’s Return (insbesondere S. 101– 103). 19 Die Lesart folgt GA (εἰς Σίκελαγ A B L b f 554mg; Rahlfs); zur Begründung s. Aejmelaeus, David’s Return, 103.

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Griechische Partizipialkonstruktionen

Ἀμαλὴκ ἐπέθετο ἐπὶ τὸν νότον καὶ ἐπὶ Σικελάκ, καὶ ἐπάταξεν τὴν Σικελὰκ καὶ ἐνεπύρισεν αὐτὴν ἐν πυρί.

Weil der Übersetzer die komplizierten Zeitverhältnisse der Schilderung (Rückblende in 30,1 f) nicht verstand, nahm er an, David habe Aphek (s. ֹ ְ ‫בּ‬i) und sich in Richtung 1Sam 29) verlassen (ἐξελθόντος Δαυίδ für ‫בא ד ָו ִד‬ Ziklag auf den Weg gemacht.20 Da das Verlassen von Aphek als abgeschlos­ sen vorgestellt ist, benutzt er für ἐξελθόντος den Aorist. Insgesamt ist festzuhalten, dass die Wiedergabe von ְ ‫ בּ‬+ infinitivus con­ structus durch den genetivus absolutus zu schöneren Formulierungen führt als das vom Übersetzer meistens gewählte ἐν τῷ + Infinitiv.21 Für mich sind keine formalen oder inhaltlichen Kriterien erkennbar, wann der Übersetzer den genetivus absolutus der Wiedergabe mit ἐν τῷ vorzieht. Auffällig ist lediglich, dass er den genetivus absolutus bei einer auf ‫ ו ַי ְה ִי‬oder ‫ ו ְה ָי ָה‬fol­ genden Zeitangabe nur in 1Sam 30,1 verwendet.

4.3.3 ‫ כּ ָל־י ְמ ֵי‬+ Infinitiv Den temporalen Konstruktionen mit ְ ‫ בּ‬+ infinitivus constructus ähnlich sind drei Fälle (1Sam 22,4; 25,7.16),22 bei denen statt ְ ‫ בּ‬die Wendung ‫כּ ָל־י ְמ ֵי‬ ‚solange‘23 den temporalen Charakter des folgenden infinitivus constructus anzeigt. In allen drei Fällen steht jeweils der Infinitiv von ‫ היה‬im Sinne von ‚sich aufhalten‘. Es folgen präpositionale Näherbestimmungen (ְ ‫ בּ‬locale 1Sam 22,4; 25,7; ‫ע ִם‬i1Sam 25,16). ֱ ‫ ו ַיּ ֵשׁ ְבוּ ע ִמֹּו כּ ָל־י ְמ ֵי ו‬καὶ κατῴκουν μετ᾽ αὐτοῦ 1Sam 22,4 ‫היֹות־דּ ָו ִד בּ ַמּ ְצוּד ָה‬ πάσας τὰς ἡμέρας ὄντος τοῦ Δαυὶδ ἐν τῇ περιοχῇ. ָ ‫היֹו‬ ֱ ‫קד ל ָה ֶם מ ְאוּמ ָה כּ ָל־י ְמ ֵי ו‬ ַ ְ‫לא־נ ִפ‬ ֹ ְ ‫ה ֶכ ְל ַמ ְנוּם ו‬ 1Sam 25,7 ‫תם בּ ַכּ ַרְמ ֶל‬

24

‫לא‬ ֹ καὶ οὐκ ἀπεκωλύσαμεν αὐτοὺς καὶ οὐκ ἐνετειλάμεθα αὐτοῖς οὐθὲν πάσας τὰς ἡμέρας ὄντων αὐτῶν ἐν Καρμήλῳ.

20 S. Aejmelaeus, David’s Return, 103. 21 Diese Wiedergabe verwendet der Übersetzer in 33 von 43 Fällen (77 %) von temporalem ְ ‫בּ‬ + infinitivus constructus (s. oben Abschnitt 3.2.2.1). 22 Nicht einheitlich bezeugt ist der genetivus absolutus für 1Sam 25,16: πάσας τὰς ἡμέρας ὄντων ἡμῶν μετ᾽ αὐτῶν lesen V L CI a d–44 107 125 610 f 29 55 71 158 245 318 554 707, die übrigen Handschriften (Rahlfs; GA) πάσας τὰς ἡμέρας ἃς ἤμεθα παρ᾽ αὐτοῖς. Ich halte den genetivus absolutus für ursprünglich; er fügt sich sehr gut ein in die Arbeitsweise des Übersetzers. 23 S. Gesenius, Handwörterbuch, s.v. ‫ יֹום‬III, 2. 24 Einige masoretische Handschriften lesen mit Kopula (s. Apparat der BHS). καὶ οὐκ deutet darauf hin, dass die Vorlage des Übersetzers die Kopula enthielt.

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Genetivus absolutus

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Der Übersetzer findet eine denkbar einfache Wiedergabeweise für diese Fälle:25 Den Ausdruck ‫ כּ ָל־י ְמ ֵי‬überführt er in einen Akkusativ der Ausdeh­ nung,26 den infinitivus constructus mit Subjektsuffix in einen genetivus absolutus. Es gibt keine Änderungen der Wortanzahl und Wortfolge; ledig­ lich die Kasus müssen sinnvoll gewählt werden. Diese Wiedergabeweise ist ein Beispiel für eine geradezu bewundernswert minimalistische Wörtlich­ keit des Übersetzers.27

4.3.4 Ausdrücke mit ‫עֹוד‬i Sechsmal verwendet der Übersetzer den genetivus absolutus für Ausdrücke mit ‫‚ עֹוד‬noch‘ (1Sam 20,14; 2Sam 3,35; 12,18.21.22; 18,14). 1Sam 20,14 f

28

‫לא א ָמוּת‬ ֹ ְ ‫תע ֲשׂ ֶה ע ִמּ ָד ִי חֶס ֶד י ְהו ָה ו‬ ַ ‫לא־‬ ֹ ְ ‫לא א ִם־ועֹוד ֶנּ ִי חָי ו‬ ֹ ְ‫ו‬ ‫תי ע ַד־עֹול ָם‬ ִ ‫תכ ְרִת א ֶת־חַס ְדּ ְך ָ מ ֵע ִם בּ ֵי‬ ַ ‫ל א־‬ ֹ ְ ‫ ו‬καὶ ἐὰν29 μὲν ἔτι μου ζῶντος , καὶ ποιήσεις ἔλεος μετ᾽ ἐμοῦ · καὶ ἐὰν θανάτῳ ἀποθάνω, οὐκ ἐξαρεῖς ἔλεός σου ἀπὸ τοῦ οἴκου μου ἕως τοῦ αἰῶνος.

Unabhängig von textkritischen Einzelfragen dieses Verses30 ist sicher, dass der Übersetzer die Wendung ‫ עֹוד ֶנּ ִי חָי‬mit dem genetivus absolutus ἔτι μου ζῶντος übersetzt hat. Ich gehe davon aus, dass er ‫ חָי‬als Partizip Qal von ‫ חיה‬analysiert hat und so auf diese wörtliche und einfache Wiedergabeweise kam.31 Der Ausdruck „wenn eine Person lebt“ ist in griechischen Texten oft mit genetivus absolutus gebildet, z. B. in den ptolemäischen Papyri: ζῶντός σου καὶ εἰς θεούς ἀπελθόντος;32 im Neuen Testament: ζῶντος τοῦ ἀνδρός (Röm 7,3); auch in klassischen Texten, etwa Odyssee 16,439: ζώοντός γ᾽ ἐμέθεν καὶ ἐπὶ χθονὶ δερκομένοιο („solange ich lebe und das Tageslicht

25 Neben den drei Belegen für ‫ כּ ָל־י ְמ ֵי‬+ infinitivus constructus gibt es ‫ כּ ָל־י ְמ ֵי‬+ Finitverb (1Sam 25,15) und ‫ כּ ָל־י ְמ ֵי‬+ Substantiv (1Sam 1,11; 7,13.15; 14,52). 26 Er antwortet (im Klassischen wie in der Koine) auf die Fragen „Wie weit?“ oder „Wie lange?“; s. Blass/Debrunner/Rehkopf, § 161. 27 Eine vergleichbare Konstruktion von ‫ כּ ָל־י ְמ ֵי‬+ infinitivus constructus kommt vor in Ri 18,31 (Wiedergabe mit πάσας τὰς ἡμέρας + Relativsatz). 28 Die Vorlage des Übersetzers las ‫ואם מות‬i(καὶ ἐὰν θανάτῳ ἀποθάνω). 29 ἐάν > A B* (Rahlfs). 30 Die Partikel ‫לא‬i(V. 14) hat der Übersetzer zu Recht als Wunschpartikel (‫לא‬ ֻ i) verstanden; s. Gesenius, Handwörterbuch, s.v. ‫לוּ‬i, ‫לא‬ ֻ i. 31 Ähnlich für ‫ עֹוד‬+ Partizip auch in anderen Büchern: Gen 29,9; 1Kön 1,42; 2Kön 6,33 (jeweils ‫ עֹוד ֶנּוּ מ ְד ַבּ ֵר‬/ ἔτι αὐτοῦ λαλοῦντος); 1Kön 1,22 (‫ עֹוד ֶנּ ָה מ ְד ַבּ ֶרֶת‬/ ἔτι αὐτῆς λαλούσης); Est 6,14 (‫ עֹוד ָם מ ְד ַבּ ְרִים‬/ ἔτι αὐτῶν λαλούντων); Hiob 1,16.17 (jeweils ‫עֹוד ז ֶה‬ ‫ מ ְד ַבּ ֵר‬/ ἔτι τούτου λαλοῦντος); Dan 9,20 f (jeweils ‫ ו ְעֹוד א ֲנ ִי מ ְד ַבּ ֵר‬/ Dan-Th καὶ ἔτι ἐμοῦ λαλοῦντος). 32 Mayser II/3, 143.

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Griechische Partizipialkonstruktionen

sehe“).33 Es könnte sein, dass der Übersetzer an solche Wendungen erinnert wurde, als er auf den Ausdruck ‫ עֹוד ֶנּ ִי חָי‬stieß. ָ ‫ת‬ ְ ִ ‫ ו ַיּ‬καὶ ἐνέπηξεν αὐτὰ 2Sam 18,14 ‫קע ֵם בּ ְל ֵב א ַב ְשׁ ָלֹום ועֹוד ֶנּוּ חַי בּ ְל ֵב ה ָא ֵל ָה‬ ἐν τῇ καρδίᾳ Ἀβεσσαλώμ, ἔτι αὐτοῦ ζῶντος ἐν τῇ καρδίᾳ τῆς δρυός.

Der hebräische Text wie die Übersetzung sind skurril darin, dass Stäbe ‫בּ ְל ֵב‬ ‫ א ַב ְשׁ ָלֹום‬/ ἐν τῇ καρδίᾳ Ἀβεσσαλώμ gestoßen werden, welcher ‫ בּ ְל ֵב ה ָא ֵל ָה‬/ ἐν τῇ καρδίᾳ τῆς δρυός hängt.34 ‫ עֹוד ֶנּוּ חַי‬gibt der Übersetzer auch hier sehr wörtlich mit einem genetivus absolutus wieder. 2Sam 3,35 ‫בא כ ָל־ה ָע ָם ל ְה ַב ְרֹות א ֶת־דּ ָו ִד ל ֶחֶם ובּ ְעֹוד ה ַיֹּום ו ַיּ ִשּׁ ָב ַע דּ ָו ִד‬ ֹ ָ ‫ו ַיּ‬ ‫מר…ו‬ ֹ ‫ ל ֵא‬καὶ ἦλθεν πᾶς ὁ λαὸς περιδειπνῆσαι τὸν Δαυὶδ ἄρτοις ἔτι #οὔσης ἡμέρας · καὶ ὤμοσεν Δαυὶδ λέγων…‫ו‬ Der Übersetzer ergänzt das Partizip von εἰμί, um die Zeitangabe durch einen genetivus absolutus wiedergeben zu können.35 Die Präposition ְ ‫ בּ‬gibt der Übersetzer nicht eigens wieder; ihr semantischer Gehalt („den ganzen Tag über“) ist in ἔτι οὔσης ἡμέρας enthalten. ִ ְ‫תּי ו ָא ֶב ְכּ ֶה כּ ִי א ָמ ַר‬ ִ ְ ‫ו ַֹיּאמ ֶר ובּ ְעֹוד ה ַיּ ֶל ֶד חַי צַמ‬ 2Sam 12,22 ‫תּי מ ִי יֹוד ֵע ַ י ְחָנּ ַנ ִי‬ ‫י ְהו ָה ו ְחַי ה ַיּ ָל ֶד‬i καὶ εἶπεν Δαυίδ Ἐν τῷ τὸ παιδάριον ἔτι ζῆν ἐνήστευσα καὶ ἔκλαυσα, ὅτι εἶπα Τίς οἶδεν εἰ ἐλεήσει με Κύριος, καὶ ζήσεται τὸ παιδάριον; (BText) καὶ εἶπε Δαυίδ Ἔτι τοῦ παιδίου ζῶντος ἐνήστευον καὶ ἔκλαιον, ὅτι εἶπον Τίς οἶδεν εἰ ἐλεήσει με ὁ Κύριος, καὶ ζήσεται τὸ παιδίον; (L; ἔτι ζῶντος τοῦ παιδίου 372)

Das in beiden Varianten enthaltene ἔτι ist Wiedergabe des Übersetzers für ‫)בּ ְ(עֹוד‬i. Im B-Text dürfte ἔν τῷ …‫ ו‬ζῆν eine verwörtlichende Angleichung an den MT sein (Kaige); das Adverb ἔτι wurde zu seinem Bezugswort ζῆν verschoben. Die ursprüngliche und stilistisch bessere Übersetzung ist in L bewahrt: ἔτι τοῦ παιδίου ζῶντος (ְ ‫ בּ‬ist nicht explizit wiedergegeben wie schon in 2Sam 3,35). 33 Dieser und weitere Belege bei Liddell/Scott/Jones s.v. ζάω I. 34 ‫ ל ֵב‬kann abstrakt ‚mitten in‘ bedeuten (z. B. Ex 15,8: ‫ בּ ְל ֶב־י ָם‬/ ἐν μέσῳ τῆς θαλάσσης); hier: mitten in der Terebinthe. καρδία im Zusammenhang mit Gehölz bedeutet ‚Inneres‘ im Sinne von ‚Mark‘. (Liddell/Scott/Jones s.v. καρδία I, III). 35 Es wäre auch ein einfacher Genitiv der Zeit infrage gekommen; s. Liddell/Scott/Jones s.v. ἡμέρα II, 1 (in der LXX z. B. Dtn 28,66: ἡμέρας καὶ νυκτός „tags und nachts“; Nahum 2,6: ἡμέρας „tagsüber“; weitere Belege s. Muraoka s.v. ἡμέρα 2; ebenso im NT, z. B. Mk 5,5). Auch ein Akkusativ der Zeit wäre möglich (Liddell/Scott/Jones s.v. ἡμέρα II, 3; ein solcher Beleg in den Papyri: νύκτα καὶ ἡμέραν „nachts und tags“, s. Mayser II/2, § 104, 2 b; die zitierte Wendung S. 328, Z. 3).

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Genetivus absolutus

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2Sam 12,18 ‫לא־שׁ ָמ ַע בּ ְקֹול ֵנוּ‬ ֹ ְ ‫כּ ִי א ָמ ְרוּ ה ִנּ ֵה וב ִה ְיֹות ה ַיּ ֶל ֶד חַי דּ ִבּ ַרְנוּ א ֵל ָיו ו‬i ὅτι εἶπαν Ἰδοὺ ἐν τῷ ἔτι τὸ παιδάριον ζῆν ἐλαλήσαμεν πρὸς αὐτόν, καὶ οὐκ εἰσήκουσεν τῆς φωνῆς ἡμῶν. (B-Text) λέγοντες ὅτι ἔτι τοῦ παιδίου ζῶντος ἐλαλοῦμεν πρὸς αὐτόν τοῦ ἐγεῖ­ ραι αὐτὸν ἀπὸ τῆς γῆς, καὶ οὐκ ἤκουε τῆς φωνῆς ἡμῶν. (L-Gruppe)

Auch für diesen Vers gehe ich davon aus, dass ἔτι (> 74–120–134 130 554 707) zum ursprünglichen Bestand des griechischen Textes gehört und auf ‫ בּ ְעֹוד‬zurückgeht. Aus der anzunehmenden Vorlage ‫ בעוד הילד חי‬ist (viel­ leicht durch einen Hörfehler) ‫ב ִה ְיֹות ה ַיּ ֶל ֶד חַי‬i (MT) geworden. Auch hier überliefert der genetivus absolutus der L-Gruppe die ursprüngliche Über­ setzung. ֵ ַ‫תּ ו‬ ָ ְ ‫תה ובּ ַע ֲבוּר ה ַיּ ֶל ֶד חַי צַמ‬ ָ ‫מ ָה־ה ַדּ ָב ָר ה ַזּ ֶה א ֲשׁ ֶר ע ָשׂ ִי‬ 2Sam 12,21 ‫תּב ְךּ ְ ו ְכ ַא ֲשׁ ֶר‬ ‫תּאכ ַל ל ָחֶם‬ ֹ ַ‫תּ ו‬ ָ ְ ‫קמ‬ ַ ‫מ ֵת ה ַיּ ֶל ֶד‬i Τί τὸ ῥῆμα τοῦτο ὃ ἐποίησας; ἕνεκα τοῦ παιδαρίου ἔτι ζῶντος ἐνή­ στευες καὶ ἔκλαιες καὶ ἠγρύπνεις · καὶ ἡνίκα ἀπέθανεν τὸ παιδάριον, ἀνέστης καὶ ἔφαγες ἄρτον καὶ πέπωκας. (B-Text) Τίς ὁ λόγος οὗτος ὃν πεποίηκας; ἔτι γὰρ τοῦ παιδίου ζῶντος ἐνή­ στευες καὶ ἔκλαιες καὶ ἠγρύπνεις · καὶ ὡς ἀπέθανε τὸ παιδίον, ἀνέστης καὶ βέβρωκας ἄρτον καὶ πέπωκας. (L-Gruppe)

Der genetivus absolutus wird von allen Handschriften gelesen und gehört zu Old Greek. Ἕνεκα ist Wiedergabe von ‫ בּ ַע ֲבוּר‬und wirkt wie eine Angleichung an den MT; das in allen Handschriften gelesene36 ἔτι deutet auf ursprüngliches ‫בּ ְעֹוד‬i. Als Vorlage nehme ich daher ‫ בעוד הילד חי‬an, als ursprüngliche Übersetzung ἔτι τοῦ παιδίου ζῶντος (γάρ in L wäre ergänzt,37 um den Begründungscharakter des ἔτι-Satzes zu akzentuieren).38 Im B-Text blieb ἔτι erhalten: Vielleicht lag den Kaige-Rezensenten sowohl ein hebräischer Text mit ‫ בּ ַע ֲבוּר‬als auch einer mit ‫ בּ ְעֹוד‬vor. Blickt man auf die genetivi absoluti für Formulierungen mit ‫ עֹוד‬zurück, so hat der Übersetzer die in 1Sam 20,14 f gefundene Wiedergabeweise (für ‫ עֹוד‬+ Suffix) auf die Fälle mit ‫ בּ ְעֹוד‬übertragen: Bei allen vier Stellen, wo die Vorlage Ausdrücke mit ‫ בּ ְעֹוד‬enthielt (2Sam 3,35; 2Sam 12,18.21.22), benutzt er den genetivus absolutus. Bemerkenswert ist, dass er bei dieser Wiedergabeweise auf eine wörtliche Entsprechung für ְ ‫ בּ‬verzichtet – ein Umstand, den die Kaige-Rezensenten für korrekturbedürftig halten.

36 ὅτι A 245 (eine Verschreibung). 37 Dass L dies sporadisch tut, zeigt sich im Non-Kaige-Bereich: 1Sam 2,25; 15,22; 20,2; 21,6; 23,20. 38 Schon Wellhausen (z. St.) nimmt ‫ בעוד הילד חי‬als ältere Lesart an und bemerkt zum BText: „Der Text der LXX […‫ ]ו‬ist, glaube ich, nach dem MT. corrigiert.“

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Griechische Partizipialkonstruktionen

4.3.5 Zeitbestimmende Sätze mit vorgezogenem Subjekt In den Samuelbüchern werden neue Erzählabschnitte oft zeitlich bestimmt durch einen Satz mit vorangestelltem Subjekt (Nomen oder Pronomen), dem ein Verb der Bewegung sowie eine Präpositionalbestimmung des Ziels oder Orts dieser Bewegung folgen.39 Diese Art zeitbestimmender Erzähl­ einleitung gibt der Übersetzer in neun von elf Fällen (82 %) mit einem gene­ tivus absolutus wieder (1Sam 9,5.11.14.27; 13,15;40 25,20; 2Sam 6,16; 13,30; 15,32). 1Sam 9,11 ‫אב מ ָי ִם‬ ֹ ְ ‫על ִים בּ ְמ ַע ֲל ֵה ה ָע ִיר ו ְה ֵמּ ָה מ ָצְאוּ נ ְע ָרֹות ֹיצְאֹות ל ִשׁ‬ ֹ ‫וה ֵמּ ָה‬ ‫ ו ַֹיּאמ ְרוּ ל ָה ֶן…ו‬αὐτῶν ἀναβαινόντων τὴν ἀνάβασιν τῆς πόλεως , καὶ αὐτοὶ εὑρίσκουσιν τὰ κοράσια ἐξεληλυθότα ὑδρεύσασθαι ὕδωρ, καὶ λέγουσιν αὐταῖς…‫ו‬ Wie es der durative Charakter der Handlung nahelegt (hier syntaktisch ver­ stärkt durch das hebräische Partizip),41 verwendet der Übersetzer das Prä­ sens für das griechische Partizip. So auch in vier anderen dieser Fälle (1Sam 9,14.27; 2Sam 6,16; 13,30); dreimal verwendet er den Aorist (1Sam 9,5; 13,15; 2Sam 15,32), einmal das Perfekt (1Sam 25,20). ְ ְ ‫ו ְה ָי ָה וא ֲרֹון י ְהו ָה בּ ָא ע ִיר דּ ָו ִד וּמ ִיכ ַל בּ ַת־שׁ ָאוּל נ ִשׁ‬ 2Sam 6,16 ‫קפָה בּ ְע ַד‬ ‫( ה ַחַלֹּון…ו‬MT) ‫קפָה בּ ְע ַד ה ַחַלֹּון…ו‬ ְ ְ ‫( ויהי והארון בּ ָא עד ע ִיר דּ ָו ִד וּמ ִיכ ַל בּ ַת־שׁ ָאוּל נ ִשׁ‬Vor­ lage) καὶ ἐγένετο τῆς κιβωτοῦ παραγινομένης ἕως πόλεως Δαυίδ, καὶ Μελχὸλ ἡ θυγάτηρ Σαοὺλ διέκυπτεν διὰ τῆς θυρίδος…‫ו‬

Für die Vorlage des Übersetzers nehme ich ‫ויהי‬i (so 4QSama; καὶ ἐγένετο) statt MT ‫ ו ְה ָי ָה‬an; außerdem ‫עד ע ִיר‬i(ἕως πόλεως) statt MT nur ‫ע ִיר‬i(wegen der graphischen Ähnlichkeit von ‫ עד‬und ‫ עיר‬ist ‫ עד‬im hebräischen Text aus­ gefallen). Der MT liest zudem ‫ א ֲרֹון י ְהו ָה‬statt nur ‫הארון‬i (τῆς κιβωτοῦ).42 Das hebräische Verb, das in das Partizip des genetivus absolutus überführt wird (‫בּ ָא‬i), kann als Partizip oder 3. Pers. Sg. Perfekt gelesen werden. 39 S. Gesenius/Kautzsch, § 116, Anm. 4 (Randbuchst. u). 40 Hier ist die Vorlage für die Passage: εἰς ὁδὸν αὐτοῦ · καὶ τὸ κατάλειμμα τοῦ λαοῦ ἀνέβη ὀπίσω Σαοὺλ εἰς ἀπάντησιν ὀπίσω τοῦ λαοῦ τοῦ πολεμιστοῦ. αὐτῶν παραγενομένων #ἐκ Γαλγάλων im MT nicht überliefert; sie ist durch einen Homoioteleuton-Fehler eines Abschreibers ausgefallen (Sprung des Auges vom ersten ‫ מ ִן־ה ַגּ ִל ְגּ ָל‬/ ἐκ Γαλγάλων zum zweiten ‫ מ ִן־ה ַגּ ִל ְגּ ָל‬/ ἐκ Γάλγαλων). Für den genetivus absolutus nehme ich als Vorlage ‫ המה באים מן־הגלגל‬an. 41 „[D]as Participium activi [zeigt] eine Person oder Sache in der stetigen ununterbrochenen Ausübung einer Tätigkeit begriffen.“ (Gesenius/Kautzsch, § 116, 1 [Randbuchst. a]; Her­ vorhebung im Original). 42 A O L 236–242–328–530 haben dem MT entsprechend die Ergänzung Κυρίου.

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Genetivus absolutus

1Sam 9,5 ‫ וה ֵמּ ָה בּ ָאוּ בּ ְא ֶרֶץ צוּף ו ְשׁ ָאוּל א ָמ ַר ל ְנ ַע ֲרֹו א ֲשׁ ֶר־ע ִמֹּו…ו‬αὐτῶν ἐλθόν#των εἰς τὴν Σὶφ καὶ Σαοὺλ εἶπεν τῷ παιδαρίῳ αὐτοῦ τῷ μετ᾽ αὐτοῦ…‫ו‬ Der Übersetzer stellt sich vor, dass Saul nach der Ankunft in Siph das Wort an seinen Begleiter richtet (Aorist), was hebräischen Syntax entspricht (Per­ fekt ‫בּ ָאוּ‬i). ֶ ֵ ‫רכ ֶב ֶת ע ַל־ה ַחֲמוֹר ו ְֹירֶד ֶת בּ ְס‬ ֹ ‫וה ִיא‬ 1Sam 25,20 ‫תר ה ָה ָר ו ְה ִנּ ֵה ד ָו ִד‬

43

‫ו ְה ָי ָה‬ ‫תם‬ ָ ‫א‬ ֹ ‫תּפְֹגּשׁ‬ ִ ַ ‫תהּ ו‬ ָ ‫קרָא‬ ְ ִ ‫ ו ַא ֲנ ָשׁ ָיו ֹירְד ִים ל‬καὶ ἐγενήθη αὐτῆς ἐπιβεβηκυίης #ἐπὶ τὴν ὄνον καὶ καταβαινούσης ἐν σκέπῃ τοῦ ὄρους, καὶ ἰδοὺ Δαυὶδ καὶ οἱ ἄνδρες αὐτοῦ κατέβαινον εἰς συνάντησιν αὐτῆς · καὶ ἀπήντησεν αὐτοῖς.

ֹ das Partizip Perfekt αὐτῆς ἐπιβεβη­ Der Übersetzer verwendet für ‫רכ ֶב ֶת‬ κυίης ἐπὶ τὴν ὄνον: „Sie hatte sich auf den Esel gesetzt und war dort sit­

zend“.44 In allen Fällen, in denen der genetivus absolutus eine solche zeitbestim­ mende Erzähleinleitung wiedergibt, entspricht er der klassischen Regel, dass sein Subjekt nicht im Hauptsatz vorkommen darf. Das ist jedoch nicht der Beachtung dieser Regel durch den Übersetzer geschuldet, sondern dem Prinzip der Konstruktion: Sie setzt zwei verschiedene Handlungen mitei­ nander ins Verhältnis,45 so dass es nicht zu einer Überschneidung von Sub­ jekten kommt. Ein zur Zeitbestimmung vorangestellter genetivus absolutus ist auch in den ptolemäischen Papyri sehr häufig, etwa: #ἀπελθόντος μου ἀπὸ σοῦ κατέλαβον τοὺς γεωργοὺς ἀνακεχωρηκότας.46 Textkritisch zu erörtern ist 2Sam 15,32, wo die L-Gruppe einen genetivus absolutus des Übersetzers überliefern könnte: ֹ ‫תּחֲו ֶה שׁ ָם ל ֵא‬ ַ ְ ‫ראשׁ א ֲשׁ ֶר־י ִשׁ‬ ֹ ָ ‫ו ַי ְה ִי וד ָו ִד בּ ָא ע ַד־ה‬ 2Sam 15,32 ‫לה ִים ו ְה ִנּ ֵה‬ ‫תּנ ְתֹּו‬ ָ ‫כּ‬ ֻ ַ ‫קרוּע‬ ָ ‫קרָאתֹו חוּשׁ ַי ה ָא ַרְכּ ִי‬ ְ ִ ‫ל‬i καὶ ἦν Δαυὶδ ἐρχόμενος ἕως τοῦ Ῥοώς, οὗ προσεκύνησεν ἐκεῖ τῷ θεῷ, καὶ ἰδοὺ εἰς ἀπαντὴν αὐτῷ Χουσὶ ὁ Ἀρχί, ἑταῖρος Δαυίδ, διερρηχὼς τὸν χιτῶνα αὐτοῦ. (nichtlukianische Handschriften)

43 καὶ ἐγενήθη setzt die Vorlage ‫ ויהי‬voraus. 44 Das Partizip von ‫רכב‬i („reitend“) ist ebenfalls mit Partizip Perfekt übersetzt in Ri 5,10; 1Sam 25,20; 2Sam 18,9; 2Kön 9,25; Ps 68,5.34 (67,5.34 LXX); Jer 17,25; 22,4; Sach 1,8; 9,9. 45 Gesenius/Kautzsch sprechen vom „Noch-andauern einer ersten Handlung beim Eintritt einer zweiten (stets mit ְ ‫ ו‬angefügten)“ (§ 116, Anm. 5, Randbuchst. u). 46 „Nachdem ich von dir weggegangen war, habe ich die zurückgekehrten Landarbeiter getroffen.“ Dieses und weitere Beispiele Mayser II/3, § 157 II, Buchst. d α.

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Griechische Partizipialkonstruktionen

καὶ ἐγένετο Δαυὶδ παραγενομένου ἕως Ῥοώς καὶ προσκυνήσαντος ἐκεῖ #τῷ Κυρίῳ, καὶ ἰδοὺ ἥκει εἰς ἀπάντησιν αὐτοῦ Χουσεῖ ὁ Ἀρχί, ἑταῖρος Δαυίδ, διερρηχὼς τὸν χιτῶνα. (L-Gruppe)

Ich nehme an, dass der genetivus absolutus der L-Gruppe ursprünglich ist, denn die nichtlukianischen Handschriften sind eine Annäherung an den Wortlaut des masoretischen Texttyps. Nicht sicher ist, dass das Partizip προσκυνήσαντος zu Old Greek gehört; es könnte sich um eine lukianische Harmonisierung bzw. Glättung handeln. Insgesamt sind die Wiedergaben der Zeitbestimmungen mit invertierter Satzstellung am Beginn eines neuen Erzähleinsatzes durch genetivi absoluti sehr nahe am hebräischen Text. M.E. müssen sie als besonders wörtliche Übersetzungen gelten, denn jedes hebräische Wort wird nicht nur durch genau ein griechisches Wort repräsentiert, sondern auch die Reihenfolge bleibt erhalten. In der überwiegenden Zahl der Fälle gilt das auch für das Verbgenus, weil hebräische Partizipien in griechische Partizipien überführt werden. Da der genetivus absolutus im Griechischen für erzähleinleitende zeitbestimmende Konstruktionen häufig verwendet wurde (in der Koine sogar verstärkt),47 legt sich dem Übersetzer die Übersetzungsweise der zeit­ bestimmenden, überwiegend mit Partizip48 konstruierten Sätze zur Erzäh­ lungseinleitung doppelt nahe: Er folgt einer zeitgenössischen Sprachge­ wohnheit, und er muss bei der Wiedergabe wenig an syntaktischer Transfer­ leistung vornehmen. Es handelt sich bei diesen genetivi absoluti um glei­ chermaßen gute wie bequeme wörtliche Wiedergaben. Diese Wiedergabeweise für invertierte Sätze an Neueinsätzen der Erzäh­ lung setzt sich in den Königebüchern fort – ein starkes Indiz für die Identi­ tät des Übersetzers.49

4.3.6 Andere Vorlagen Im Folgenden werden ein möglicher genetivus absolutus in 1Sam 3,11 sowie der genetivus absolutus in 2Sam 21,12 besprochen. ָ ָ ‫קּח א ֶת־ע ַצְמֹות שׁ ָאוּל ו ְא ֶת־ע ַצְמֹות י ְהֹונ‬ ַ ִ ‫ו ַיּ ֵל ֶך ְ דּ ָו ִד ו ַיּ‬ 2Sam 21,12 ‫תן בּ ְנֹו מ ֵא ֵת‬ 50

‫תּי ם‬ ִ ְ ‫תּלוּם שׁ ָם ה ַפְּל ִשׁ‬ ְ ‫חב בּ ֵית־שׁ ַן א ֲשׁ ֶר ו‬ ֹ ְ‫אתָם מ ֵר‬ ֹ ‫בּ ַע ֲל ֵי י ָב ֵישׁ גּ ִל ְע ָד א ֲשׁ ֶר גּ ָנ ְבוּ‬ ַ ‫בּע‬ ֹ ְ ‫תּים א ֶת־שׁ ָאוּל בּ ַגּ ִל‬ ִ ְ ‫בּ ְיֹום ה ַכֹּות פְּל ִשׁ‬i 47 Mayser II/3, § 157 II (Einleitung, S. 67). James H. Moulton bemerkt: „The rapid extension of the genitive absolute is a very obvious feature of Hellenistic Greek.“ (Moulton, 74). 48 Partizip 1Sam 9,11.14.27; 13,15; 25,20; 2Sam 15,32; Partizip oder 3. Pers. Sg. Perfekt 2Sam 6,16; Perfekt 1Sam 9,5; Nominalsatz 2Sam 13,30. 49 1Kön 1,14.42; 2Kön 2,11.23; 13,21; 19,37. Bei gleicher Konstruktion im Hebräischen kein genetivus absolutus nur in 2Kön 4,5. Es sind also 6 von 7 Fällen (86 %) mit genetivus abso­ lutus übersetzt. 50 Qere ‫תּים‬ ִ ְ ‫תּל ָאוּם שׁ ָמּ ָה פְּל ִשׁ‬ ְ i.

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Genetivus absolutus

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καὶ ἐπορεύθη Δαυὶδ καὶ ἔλαβεν τὰ ὀστᾶ Σαοὺλ καὶ τὰ ὀστᾶ Ἰωναθὰν τοῦ υἱοῦ αὐτοῦ παρὰ τῶν ἀνδρῶν υἱῶν Ἰαβὶς Γαλαάδ, οἳ ἔκλεψαν αὐτοὺς ἐκ τῆς πλατείας Βαιθσάν, ὅτι ἔστησαν αὐτοὺς ἐκεῖ οἱ #ἀλλόφυλοι ἐν ἡμέρᾳ ᾗ ἐπάταξαν οἱ ἀλλόφυλοι τὸν Σαοὺλ ἐν Γελβοῦε.

(B-Text, Rahlfs) καὶ ἐπορεύθη Δαυὶδ καὶ ἔλαβε τὰ ὀστᾶ Σαοὺλ καὶ τὰ ὀστᾶ Ἰωναθὰν τοῦ υἱοῦ αὐτοῦ παρὰ τῶν ἀνδρῶν Ἰαβὶς Γαλαὰδ τῶν κλεψάντων αὐτοὺς ἀπὸ τοὺς τείχους Βαιθσάν, κρεμασάντων αὐτοὺς ἐκεῖ τῶν #ἀλλοφύλων ἐν τῇ ἡμέρᾳ ᾗ ἐπάταξαν οἱ ἀλλόφυλοι τὸν Σαοὺλ ἐν Γελβ­ οῦε (L-Gruppe).

Der genetivus absolutus ist in allen Handschriften enthalten außer A B 247 509 64–381 55 318 460 (Rahlfs), und ich nehme an, dass er zu Old Greek ְ ist 3. Pers. Pl. Perfekt Qal des Verbs ‫‚ תלה‬hängen‘ mit Suffix gehört (‫תּלוּם‬ der 3. Pers. Plural). Der genetivus absolutus ist temporal zu verstehen: „nachdem die Philister sie [die Gebeine] dort aufgehängt hatten“. Ein besonderer Fall ist 1Sam 3,11, weil es literarische Bezüge zwischen dieser Stelle, 2Kön 21,12 und Jer 19,3 gibt. 1Sam 3,11 ‫עשׂ ֶה ד ָב ָר בּ ְי ִשׂ ְרָא ֵל א ֲשׁ ֶר‬ ֹ ‫ו ַֹיּאמ ֶר י ְהו ָה א ֶל־שׁ ְמוּא ֵל ה ִנּ ֵה א ָֹנכ ִי‬ ‫תּי א ָז ְנ ָיו‬ ֵ ְ ‫תּצִלּ ֶינ ָה שׁ‬ ְ ‫שׁמ ְעֹו‬ ֹ ‫ וכּ ָל־‬καὶ εἶπεν Κύριος πρὸς Σαμουήλ Ἰδοὺ ἐγὼ ποιῶ τὰ ῥήματά μου ἐν Ἰσραήλ, ὥστε51 παντὸς ἀκούοντος αὐτά , ἠχήσει ἀμφότερα τὰ ὦτα αὐτοῦ. παντὸς ἀκούοντος könnte als (konditionaler oder modaler) genetivus abso­ lutus oder als Genitiv-Objekt zu ἀμφότερα τὰ ὦτα gelesen werden. Für ein

Verständnis als genetivus absolutus spricht die hebräische Vorlage: ‫שׁמ ְעֹו‬ ֹ ‫ כּ ָל־‬ist Subjekt. Betrachtet man den griechischen Text alleine, legt sich

ein Verständnis als Objekt nahe: „jedem, der von ihnen52 hören wird, wer­ den beide Ohren klingen“. Prophetische Drohworte, die in der gleichen Formel münden, finden sich in 2Kön 21,12 und Jer 19,3. 2Kön 21,12 ‫לה ֵי י ִשׂ ְרָא ֵל ה ִנ ְנ ִי מ ֵב ִיא רָע ָה ע ַל־י ְרוּשׁ ָל ִַם ו ִיהוּד ָה‬ ֹ ֱ ‫כּה־א ָמ ַר י ְהו ָה א‬ ֹ

‫תּי א ָז ְנ ָיו‬ ֵ ְ ‫תּצַּל ְנ ָה שׁ‬ ִ ‫שׁמ ְע ָיו‬ ֹ ‫ א ֲשׁ ֶר וכּ ָל־‬τάδε λέγει Κύριος ὁ θεὸς Ἰσραήλ Ἰδοὺ ἐγὼ φέρω κακὰ ἐπὶ Ἰερουσαλὴμ καὶ ἐπὶ Ἰουδά, ὥστε παντὸς #ἀκούοντος , ἠχήσει ἀμφότερα τὰ ὦτα αὐτοῦ. Jer 19,3 ‫לה ֵי י ִשׂ ְרָא ֵל ה ִנ ְנ ִי מ ֵב ִיא רָע ָה ע ַל־ה ַמּ ָקֹום ה ַזּ ֶה‬ ֹ ֱ ‫כּה־א ָמ ַר י ְהו ָה צְב ָאֹות א‬ ֹ ‫תּצַּל ְנ ָה א ָז ְנ ָיו‬ ִ ‫שׁמ ְע ָהּ‬ ֹ ‫ א ֲשׁ ֶר וכּ ָל־‬τάδε λέγει Κύριος ὁ θεὸς Ἰσραήλ Ἰδοὺ

51 ὥστε > B b 68–122. 52 τὰ ῥήματά μου, auf das sich αὐτά bezieht, könnte Übersetzung von ‫ דברי‬sein (‫ דבר‬und ‫ דברי‬können leicht verwechselt werden). Die pluralische Übersetzung von ‫ דּ ָב ָר‬begegnet aber auch sonst (Gen 41,37; Dtn 5,5; Jos 21,45; 23,15; Est 1,17; Hiob 15,3; Jes 44,26).

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Griechische Partizipialkonstruktionen

ἐγὼ ἐπάγω ἐπὶ τὸν τόπον τοῦτον κακὰ, ὥστε παντὸς ἀκούοντος #αὐτὰ , ἠχήσει ἀμφότερα τὰ ὦτα αὐτοῦ.

In LXX-Jeremia ist – anders als im MT – auch von „beiden“ Ohren die Rede, allerdings handschriftlich nicht einheitlich. Jeremia und Samuel (-Könige) könnten im griechischen Text voneinander abhängig sein (die Richtung der Abhängigkeit müsste mit Hilfe weiterer Indizien geklärt wer­ den). Die Übersetzungsweise ist allerdings nicht so fernliegend,53 als dass der Wortlaut nicht auch unabhängig voneinander hätte entstehen können.54

4.3.7 Ergebnis und Übersetzungsvergleich Alle 28 genetivi absoluti der griechischen Samuelbücher sind temporal gebraucht. Vorlagen dieser genetivi absoluti sind die Infinitivkonstruktio­ nen ְ ‫ בּ‬+ infinitivus constructus,55 ‫ כּ ָל־י ְמ ֵי‬+ infinitivus constructus; sodann Konstruktionen mit ‫ עֹוד‬bzw. ‫ בּ ְעֹוד‬und schließlich zeitbestimmende Sätze an Zäsuren der Erzählung.56 Für ְ ‫ בּ‬+ infinitivus constructus verwendet der Übersetzer in acht von 44 Fällen (18 %) einen genetivus absolutus; die vorherrschende Übersetzungs­ weise dieser Konstruktion ist ἐν τῷ + Infinitiv (33-mal; 77 %). Formale Kri­ terien, wann er ἐν τῷ + Infinitiv und wann genetivus absolutus verwendet, konnte ich nicht feststellen. Es ist wohl eine intuitive Entscheidung des Übersetzers, wann er den genetivus absolutus statt des wörtlichen ἐν τῷ + Infinitiv wählt. Die temporalen Bestimmungen mit ‫‚ כּ ָל־י ְמ ֵי‬solange‘ + infinitivus con­ structus gibt der Übersetzer in allen Fällen (dreimal) mit genetivus absolutus wieder und verwendet damit eine gleichermaßen gute wie einfache und wörtliche Wiedergabeweise. Ebenfalls mit genetivus absolutus gibt er einige temporale Konstruktio­ nen mit ‫עֹוד‬i (1Sam 20,14; 2Sam 18,14) bzw. ‫בּ ְעֹוד‬i (2Sam 3,35; 2Sam 12,18.21.22) wieder; für die vier Vorlagen mit ‫ בּ ְעֹוד‬verwendet er den gene­ tivus absolutus durchgehend. Auch diese Wiedergaben sind einfach und effi­ zient. Bemerkenswert ist, dass die genetivi absoluti für ‫ בּ ְעֹוד‬implizieren, dass auf eine explizite Repräsentation von ְ ‫ בּ‬verzichtet wird. Eine für die hebräischen Samuel- und Königebücher charakteristische Konstruktion ist eine Zeitbestimmung am Anfang eines Erzählabschnitts, 53 Der Ausdruck ‫כּל‬ ֹ + Partizip wird auch mit genetivus absolutus übersetzt in 2Kön 3,21; 17,13; 2Chr 28,15; Ez 5,14; 36,34. 54 Für eine Unabhängigkeit im Griechischen spricht die unterschiedliche Wiedergabe von ‫ה ִנ ְנ ִי מ ֵב ִיא רָע ָה‬i: Ἰδοὺ ἐγὼ φέρω κακά (2Kön 21,12; L identisch); Ἰδοὺ ἐγὼ ἐπάγω …‫ו‬ κακά (Jer 19,3). 55 Wegen der verschiedenen hebräischen Lesarten in 1Sam 11,9 gibt es keinen gesicherten Beleg für die Wiedergabe von ְ ‫ כּ‬+ infinitivus constructus durch einen genetivus absolutus. 56 Hinzu kommt als Einzelfall 2Sam 21,12 (s. oben Abschnitt 4.3.6).

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Genetivus absolutus

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bei der das Subjekt (ein Eigenname, häufiger ein Personalpronomen) voran­ steht und ein Verb der Bewegung (oft als Partizip) sowie eine präpositionale Ortsbestimmung folgen. Für diesen Typus der Erzähleinleitung hat der Übersetzer die Möglichkeit erkannt, ihn denkbar einfach und wörtlich durch genetivi absoluti wiederzugeben, und benutzt diese Übersetzungs­ weise in neun von elf Fällen (82 %). Diese Wiedergabe setzt sich auch in den Königebüchern fort, was ein starkes Indiz für die Identität des Überset­ zers ist. Einmal ist ein suffigiertes hebräisches Perfekt durch den genetivus abso­ lutus wiedergegeben (2Sam 21,12). Bei der Wahl der Tempora für die Partizipien des absoluten Genitivs zeigt sich, dass sich der Übersetzer weniger von der hebräischen Vorlage lei­ ten lässt als vielmehr von seinem Sprachgefühl: Auch wo hebräische Partizi­ pien, die an sich durativen Charakter haben, das Gegenüber des Partizips im genetivus absolutus sind, kann er je nach Kontext neben dem vorherrschen­ den Partizip Präsens auch ein resultatives Partizip Aorist (1Sam 13,15; 30,1; 2Sam 15,32; 21,12) oder ein Partizip Perfekt (1Sam 25,20) verwenden. Mit ihren insgesamt 28 genetivi absoluti gehört Samuel zu denjenigen Büchern der LXX, die diese Konstruktion vergleichsweise oft haben. Ilmari Soisalon-Soininen hat berechnet, auf wie viele Verse ein genetivus absolutus kommt.57 Es ergibt sich folgende Reihenfolge: Spr 1/40 Hiob 1/43 Samuel 1/5258 1Kön 1/69 Klgl 1/75 Dan o’ 1/89 2Kön und Est 1/90. Alle übrigen Bücher liegen bei weniger als einem genetivus absolutus pro 100 Verse (Ri 1/103; Gen und Jer 1/128; Ex 1/291; Lev 1/143; Dtn 1/160; Jos 1/214; Jes 1/184; nicht genannte Bücher haben keine oder nur Einzelbe­ lege).59

57 S. Soisalon-Soininen, Infinitive, 178 f; von dort sind die im Folgenden genannten Zahlen entnommen. 58 Eigene Berechnung unter Berücksichtigung der dokumentierten textkritischen Entschei­ dungen und unter Auslassung der hebräischen Verse, die in Old Greek keine Entsprechung haben. Die Zahl liegt sehr nahe an den von Soisalon-Soininen gemachten Angaben: 1Sam = 1/55; 2Sam 1/58 (Soisalon-Soininen, Infinitive, 179). 59 Soisalon-Soininen bemerkt einschränkend zu dieser Statistik: „Auch bei den freieren Über­ setzern ist er [der genetivus absolutus] dermassen selten, dass kein näherer Vergleich mög­ lich ist.“ (Soisalon-Soininen, Infinitive, 178).

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Griechische Partizipialkonstruktionen

Der vergleichsweise häufige Gebrauch des genetivus absolutus in den Samuelbüchern ist differenziert zu sehen. Für die Wiedergabe von ְ ‫ בּ‬+ infi­ nitivus constructus kann der genetivus absolutus als eher freie Wiedergabe­ weise gewertet werden.60 Die übrigen, d. h. die meisten Wiedergaben mit einem genetivus absolutus sind dagegen besonders wörtlich: Sie erfordern keine Umstellung der Wortfolge, und in den (überwiegenden) Fällen, wo das Verb ein Partizip ist, auch keine Änderung des Verbgenus. Lediglich der Kasus ist passend auszuwählen. Die Wörtlichkeit wird auch darin unterstri­ chen, dass der Übersetzer den auf einen genetivus absolutus folgenden Hauptsatz durchgehend mit καί anschließt, wenn im Hebräischen die Kopula steht.61 Insgesamt liegt die Leistung des Samuelübersetzers bei der Verwendung des genetivus absolutus nicht darin, stilistisch besonders gute Übersetzun­ gen geschaffen zu haben, sondern in seiner Fähigkeit, sich diese Übertra­ gungsmöglichkeit für bestimmte temporale Ausdrücke sehr effizient zunutze zu machen. Für die Einordnung der Übersetzungsweise der Samuelbücher ist wich­ tig, dass die Koine nach Edwin Mayser und James H. Moulton den geneti­ vus absolutus häufig gebrauchte, gerade in Alltagstexten wie den ptolemäi­ schen Papyri.62 Was in der klassischen Periode auf gutes und überlegtes Formulieren hindeutet, muss es nicht auch in der Koine tun. Da in der Koine nicht mehr so streng wie im Attischen die Regel eingehalten wird, dass das Subjekt des genetivus absolutus nicht im Hauptsatz vorkommen darf, liegt sein häufiger Gebrauch für Umstandsbestimmungen jeder Art (und eben auch Zeitbestimmungen) nahe, denn sie können mit dem geneti­ vus absolutus auf einfache Weise und ohne Rücksicht auf den weiteren Fort­ gang des Satzes vorgenommen werden. Obwohl der Übersetzer den geneti­ vus absolutus auch in freierer Weise bei der Übertragung von ְ ‫ בּ‬+ infinitivus constructus benutzt, bleibt der Gesamteindruck einer „easy technique“.63 Ilmari Soisalon-Soininen hat für ְ ‫ בּ‬+ infinitivus constructus beobachtet, dass im Allgemeinen frei arbeitende Übersetzer für temporale hebräische Ausdrücke häufiger Nebensätze verwenden als solche, die wörtlich vorge­ hen.64 In diese Beobachtung fügt sich das Bild des wörtlich arbeitenden

60 Generell als Zeichen guten Stils sieht den genetivus absolutus Soisalon-Soininen, Studien, 175–180; zusammenfassend bemerkt er: „Wenn man die gen. abs. der Septuaginta betrach­ tet, muß man die Geschicklichkeit und das feine Sprachgefühl der Übersetzer bewundern.“ (ebd., 180). 61 „Eine vom Standpunkt des Griechischen aus merkwürdige Erscheinung ist […‫]ו‬, daß der Hauptsatz, wenn er nach dem gen. abs. steht, in den Büchern Jdc – 2 Rg oft mit einem καί beginnt. […‫ ]ו‬So wird in eine freie Wiedergabe ein Merkmal der wörtlichen Übertragung eingefügt.“ (Soisalon-Soininen, Studien, 175). 62 S. oben Anm. 47. 63 S. oben S. 44 (Anm. 25). 64 Soisalon-Soininen, Studien, 178: Als Wiedergabe von ְ ‫ בּ‬+ infinitivus constructus „kommen sehr oft temporale Nebensätze vor. Diese sind besonders häufig in den freien Übersetzun­

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Genetivus absolutus

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Samuelübersetzers gut ein, weil er nur selten Nebensätze für ְ ‫ בּ‬+ infinitivus constructus verwendet (in drei von 43 Fällen = 7 %). Die Ausgangsthese dieses Abschnitts, dass sich über eine Analyse des dem Griechischen eigentümlichen genetivus absolutus besonders freie Übersetzungen aufspüren ließen, hat sich nicht bestätigt. Der Samuelüber­ setzer gebraucht den genetivus absolutus zwar vergleichsweise häufig; in vielen Fällen ist er aber eine wörtliche Übersetzungsweise. Alleine über die Frequenz des genetivus absolutus lässt sich die Wörtlichkeit oder Freiheit eines Übersetzers nicht bewerten.

gen, vor allem Prov und Hi. […‫ ]ו‬Der temporale Nebensatz ist eine korrekte Wiedergabe, der gen. abs. ist aber stilistisch feiner.“

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5 Tempora: Imperfekt und praesens historicum 5.1 Einführung Ein wichtiger Aspekt der Arbeit eines Übersetzers ist sein Umgang mit der Verbalsyntax. Im Folgenden stelle ich den Umgang des Samuelübersetzers mit den Tempora der Verben exemplarisch dar. Anhand des griechischen Imperfekts und des praesens historicum analysiere ich, wie der Übersetzer das hebräische Tempussystem in dem anders strukturierten griechischen System wiedergibt. Untersuchungen zur Übersetzungsweise im Pentateuch zeigen, dass die Übersetzer bei der Tempuswahl stärker ihrem Sprachgefühl für die Logik der Zielsprache als formalen Kriterien des hebräischen Textes folgen.1 Dies gilt auch für den Samuelübersetzer. Daher habe ich das Material vom Grie­ chischen her organisiert. Imperfekt und praesens historicum habe ich deshalb ausgewählt, weil ihnen eine besondere Bedeutung für die Gestaltung von erzählenden Texten zukommt. Als „marked tenses“2 bringen sie durch ihre Kontrastwirkung zum gewöhnlichen Erzähltempus, dem Aorist, Struktur und Farbe in die Darstellung.3 Erzählende Texte sind charakteristisch für die Samuel­

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Die Verbalsyntax „is in many respects independent of the underlying Hebrew and deserves to be considered as a natural sample of Koine usage. However, the data also demonstrate […‫ ]ו‬Hebrew influence of the Greek verbal forms.“ (Evans, 142) „Il faut pourtant noter que ces facteurs [d. h. die hebräischen Verbformen und der Charakter der übersetzten Handlung] n’ont pas agi de façon mécanique, mais que interprétation du contexte par le traducteur et son intuition linguistique sont toujours à l’œuvre dans chaque occurrence.“ (Voitila, Présent et imparfait, 234). Den Begriff verwendet Trevor Evans. Er stellt für die Koine eine abnehmende Verwen­ dung des Imperfekts gegenüber der klassischen Periode fest (so auch Mayser II/1, § 34, 1), wodurch sich das Gewicht des Imperfekts als erzählerisches Kontrastmittel zum Aorist weiter erhöhe: „The imperfect increasingly becomes the marked form, the aorist the ‚default‘.“ (Evans, 208) Dass auch das praesens historicum in erzählenden Texten „marked tense“ ist, beschreibt sehr schön Voitila, Présent et imparfait, 91 f; es habe einen „effet de déplacement temporelle“ (ebd., 92). Allerdings teile ich nicht seine Sichtweise, dass diese Wirkung daran liege, dass das Präsens eigentlich ein Tempus diskursiver Texte sei (s. ebd.); vielmehr sehe ich sie darin begründet, dass die Zeitstufe der Vergangenheit erzählerisch durchbrochen wird. S. Kühner/Gerth I, § 386, 6 (Hervorhebung im Original): In der Erzählung dient der Aorist dem „Aufzählen und Referieren von abgeschlossenen Thatsachen“; das Imperfekt dagegen der „Beschreibung, Malerei“; der Erzähler blickt durch das Imperfekt auf das Geschehen „in seiner Entwickelung und seinem Verlaufe. […‫ ]ו‬Hierzu kommt noch das Präsens historicum, durch welches der Erzähler sich in die Zeit, wo die Ereignisse sich abspielten, zurückversetzt.“

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Einführung

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bücher,4 so dass viel Material zur Verfügung steht, an dem die Arbeitsweise des Übersetzers untersucht werden kann. In meinem grammatikalischen Verständnis folge ich dem klassischen und bis heute anerkannten5 Ansatz von Georg Curtius (1820–1885), der die grie­ chischen Tempora nicht nach absoluten Zeitstufen, sondern nach Aktions­ arten unterscheidet.6 Danach lenken sowohl das Imperfekt als auch das praesens historicum als Tempora des Präsensstammes den Blick auf den Ver­ lauf einer Handlung in der Vergangenheit (durativer Aspekt) und unter­ scheiden sich darin vom Aorist, der eine Handlung der Vergangenheit als Ganzes betrachtet (resultativer Aspekt).7 Wegen der besonderen Überlieferungssituation der griechischen Samuel­ bücher sind gute Kenntnisse der Arbeitsweise des Übersetzers im Bereich der Verbgrammatik für eine fundierte textkritische Arbeit im KaigeAbschnitt von großer Bedeutung. Im Kaige-Bereich (2Sam 10,6–2Sam 24,25)8 ist der Text nur in zwei rezensionellen Überlieferungssträngen (Kaige- und lukianische Rezension) erhalten. Die originale Übersetzung (Old Greek) muss daher in diesem Abschnitt auch für die Verbformen text­ kritisch wiederhergestellt werden. Neben übersetzungstechnischem Wissen sind dazu auch möglichst genaue Informationen darüber nötig, wie die beiden Rezensionen mit der Verbalsyntax umgegangen sind. Es ist in der Forschung zwar bekannt, dass sowohl die Kaige- als auch die lukianische Rezension in erheblichem Umfang in die Verbgrammatik eingegriffen haben.9 Es mangelt jedoch an genauerem Wissen darüber, wie die Rezensenten vorgegangen sind und wel­ che Motive ihre Bearbeitung geleitet haben. Deshalb liegt der Schwerpunkt

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7 8 9

Dass die Anteile der Tempora sich je nach Textgattung unterscheiden, braucht kaum betont zu werden. Dennoch ist es interessant, sich für die Samuelbücher den Unterschied zwischen fortlaufender Erzählung und wörtlicher Rede anhand folgender Zahlen zu verge­ genwärtigen: Während bei wörtlicher Rede unter den Indikativen Futur (416-mal; 37 %), Aorist (327; 29 %), Präsens (193; 17 %) und Perfekt (153; 14 %) die größte Bedeutung haben, dominiert die Erzählung mit großem Abstand der Aorist (1571; 78 %), gefolgt vom Imperfekt (219; 11 %) und dem Präsens (196; 10 %; überwiegend praesens historicum). Die genannten Zahlen und Anteile beziehen sich auf den Non-Kaige-Bereich und wurden mit Hilfe einer von mir erstellten Datenbank auf der Basis des elektronischen Textes von Bi­ bleWorks ermittelt. S. die zusammenfassende Darstellung der neueren Studien bei Evans, 14–26. S. Curtius, 172–174. Curtius verwendet für den Aspekt des Aorists das Bild eines Punktes, für Präsens und Imperfekt das einer Linie, für das Perfekt das einer „von Linien umschlos­ senen Fläche“ (ebd., 174). S. Kühner/Gerth I, § 381, 1. Zur Abgrenzung des Kaige-Bereichs s. unten S. 199. S. Voitila, Tenses, 230. In seiner Studie klammert Voitila die Frage nach den Rezensions­ prinzipien allerdings bewusst aus, um stattdessen die Unterschiede „from a pragmatic point of view“ zu beschreiben (ebd., 213). Daher entwickelt er auch keine Methodik zur Wiederherstellung von Old Greek: „The question of the probable original Greek transla­ tion […‫ ]ו‬is not addressed.“ (ebd.).

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Tempora: Imperfekt und praesens historicum

in diesem Kapitel nicht nur auf der Arbeitsweise des Übersetzers, sondern gleichermaßen auf den Veränderungen durch die Rezensionen. Die beiden folgenden Abschnitte zum Imperfekt und zum praesens histo­ ricum sind jeweils so aufgebaut, dass ich zunächst den Gebrauch des betref­ fenden Tempus durch den Übersetzer beschreibe. Dabei beschränke ich mich auf den Non-Kaige-Bereich (1Sam 1,1–2Sam 10,5), um eine textkri­ tisch gute Basis zu haben. Anschließend untersuche ich jeweils die Änderungen der lukianischen Rezension, ebenfalls für den Non-Kaige-Abschnitt. Nur durch die Analyse der lukianischen Rezension im Non-Kaige-Abschnitt kann das nötige Wis­ sen darüber gewonnen werden, wie die lukianischen Lesarten im KaigeAbschnitt zu beurteilen sind. Die Darstellung der Verhältnisse im Kaige-Abschnitt bildet jeweils den Abschluss des Abschnitts. Dabei werden die Rezensionsprinzipien von Kaige untersucht und Prinzipien erarbeitet, wie Old Greek aus den beiden rezensionellen Überlieferungslinien kritisch rekonstruiert werden kann. Generell gilt, dass im Kaige-Abschnitt zahlreiche Old Greek-Lesarten mit Hilfe der lukianischen Tradition wiederhergestellt werden können. Dennoch darf der lukianische Text keinesfalls mit Old Greek gleichgesetzt werden, enthält er doch auch die Merkmale der lukianischen Rezension, wie sie im Non-Kaige-Abschnitt festgestellt werden können. Unter Einbezie­ hung dieser Kenntnisse kann Fall für Fall geprüft werden, ob Old Greek in einer der Handschriftenfamilien enthalten ist oder über eine Konjektur wie­ derhergestellt werden kann. In Einzelfällen lässt sich Old Greek auch gar nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit rekonstruieren.

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Imperfekt

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5.2 Imperfekt 5.2.1 Einleitung Erzählende Texte werden durch das Imperfekt lebendig. Im Gegensatz zum Aorist, der als Standardtempus der Erzählung Ereignisse der Vergangenheit gewissermaßen unbeteiligt mitteilt, lenkt das Imperfekt als duratives Tem­ pus die Aufmerksamkeit der Leserin oder des Lesers auf den Verlauf des Berichteten: Das Imperfekt ist „die schildernde, beschreibende, malende Zeitform“.1 Die Kunst des Tempusgebrauchs liegt darin, durch Kontraste durativer Verbformen zum Aorist ein Bild entstehen zu lassen, bei dem Licht und Schatten hervortreten.2 Bei einer Beschreibung des griechischen Imperfekts in einer nicht aspek­ tualen Sprache wie dem Deutschen sind Umschreibungen und Differenzie­ rungen nötig, weil die Besonderheit und die Wirkungen des durativen Cha­ rakters nicht durch unmittelbare Analogien zugänglich sind.3 Deshalb wird der Gebrauch des Imperfekts in deutschen Grammatiken der griechischen Sprache weiter aufgefächert. Die gewöhnlich verwendeten Kategorien4 sind iteratives oder habituelles Imperfekt für wiederholte Handlungen oder Gewohnheiten der Vergangenheit; schilderndes Imperfekt,5 mit dem Hintergrundinformationen gegeben wer­ den, aber auch andauernde Vorgänge oder Zustände mit punktuellem Geschehen kontrastiert werden; schließlich das Imperfekt bei Verben, die ihr Ziel nicht in sich selbst tragen, d. h. Verben des Bittens, Befehlens etc., bei denen das Imperfekt den Blick auf den Vorgang des Bittens, Befehlens etc. lenkt (durativ), ohne über des­ sen Erfolg etwas auszusagen.6 Die Imperfekte in den Samuelbüchern lassen sich diesen drei Kategorien zuordnen. Darüber hinaus nennen die Grammatiken noch das Imperfekt des Versuchs (de conatu). Ein konatives Imperfekt im engeren Sinne7 habe ich in den Samuelbüchern allerdings nicht gefunden. 1 2 3

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Kühner/Gerth I, § 386, 6 (Hervorhebung im Original). Die Metapher ist übernommen von Kühner/Gerth (wie Anm. 1). S. Bußmann s.v. Aspekt: „Über ein gut ausgebautes A.[spekte]-System verfügen vor allem slaw. Sprachen […‫ ]ו‬und das Engl.“ Bußmann weist auf Kontroversen in der Debatte über den Charakter der Aspekte hin, die auf die unterschiedlichen modernen Sprachen zurück­ gehen, in denen über dieses Phänomen nachgedacht wird. S. Blass/Debrunner/Rehkopf, §§ 325–328; ganz ähnlich Mayser II/1, § 34, 1; Kühner/ Gerth I, § 383. Der Terminus ist übernommen von Mayser II/1, § 34, 1 d. S. Kühner/Gerth I, § 383, 3 (Hervorhebung im Original): Das Imperfekt erklärt sich „daraus, dass der thatsächliche Abschluss der Handlung […‫ ]ו‬entweder überhaupt nicht erfolgt ist oder ausser Betracht bleibt“. S. auch Blass/Debrunner/Rehkopf, § 328. Am nächsten stehen dem Imperfekt de conatu die imperfektischen Übersetzungen von

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Tempora: Imperfekt und praesens historicum

Es darf nicht vergessen werden, dass diese Aufschlüsselung hilfsweise an die griechische Syntax herangetragen ist, die nur die eine durative Aktions­ art kennt.8 Dennoch ist sie für eine Beschreibung des Phänomens in einer nicht aspektualen Sprache sinnvoll. Sie ermöglicht es überdies, Gruppen von Fällen zu bilden, die vergleichbar sind und für die nach typischen heb­ räischen Verbformen der Vorlagen und dem Umgang mit ihnen gefragt wer­ den kann. Bei meiner Untersuchung nicht berücksichtigt habe ich das Verb εἰμί (einschließlich Komposita), weil es keine Formen im Aorist hat und nicht in gleicher Weise wie die Vollverben aspektual differenzierend gebraucht wird.

5.2.2 Der Imperfektgebrauch des Übersetzers 5.2.2.1 Iteratives Imperfekt Der iterative Gebrauch des Imperfekts in den Samuelbüchern konzentriert sich auf die Schilderung sich wiederholender Handlungsabläufe, die in sich jeweils eine kleine Szenerie bilden; es kommen jeweils mehrere iterative Imperfekte vor. Im Non-Kaige-Bereich sind dies der jährliche Opfergang Elkanas und Hannas (1Sam 1,3–7 mit 2,19; siebenmal iteratives Imperfekt); das Vorgehen der Söhne Elis beim Opfer in Silo (1Sam 2,12–17; siebenmal); die Heimsuchungen Sauls durch den bösen Geist einschließlich der Hilfe Davids (1Sam 16,23; viermal); die wiederkehrenden Heldentaten Davids beim Hüten der väterlichen Herde (17,34–36; fünfmal) sowie die regelmäßi­ gen Plünderungsaktionen Davids und seiner Söldnertruppe (1Sam 27,8 f; sechsmal). 1Sam 2,12–14 ‫כּה ֲנ ִים‬ ֹ ַ ‫לא י ָד ְעוּ א ֶת־י ְהו ָה וּמ ִשׁ ְפַּט ה‬ ֹ ‫וּב ְנ ֵי ע ֵל ִי בּ ְנ ֵי ב ְל ִיּ ָע ַל‬ ‫כּה ֵן כּ ְב ַשּׁ ֵל ה ַבּ ָשׂ ָר ו ְה ַמּ ַז ְל ֵג‬ ֹ ַ ‫א ֶת־ה ָע ָם כּ ָל־א ִישׁ ֹזב ֵחַ ז ֶב ַח ווּב ָא נ ַע ַר ה‬

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Verben, die ein Wollen ausdrücken, etwa ‫ בקשׁ‬in 1Sam 19,10: καὶ ἐζήτει Σαοὺλ πατάξαι τὸ δόρυ εἰς Δαυίδ. Allerdings ist hier das Versuchen lexikalisch ausgedrückt (ζητέω). Das Charakteristikum des konativen Gebrauchs des Imperfekts ist es jedoch gerade, dass der konative Charakter nicht lexikalisch expliziert wird, sondern in der Verbform (im Imper­ fekt) enthalten ist, z. B. ἐκάλουν αὐτο Ζαχαρίαν „wollten es [das Kind] Zacharias nennen“ (Lk 1,59; Blass/Debrunner/Rehkopf, § 326). Die an den konativen Imperfektgebrauch erinnernden Stellen der Samuelbücher gehören daher m.E. in die Gruppe der Verben, die ihr Ziel nicht in sich selbst haben. Kühner/Gerth weisen in ihrer Grammatik mehrfach darauf hin, dass man die vom Deut­ schen her als verschieden empfundenen Verwendungsweisen des griechischen Imperfekts nicht als Differenzierungen der griechischen Syntax selbst verstehen darf. Etwa gebe es kei­ nesfalls eine eigenständige iterative Bedeutung des Imperfekts (es kann nicht „an sich eine wiederholte Handlung […‫ ]ו‬ausdrücken“; § 383, 1; Hervorhebung von mir). Daher kann es auch keine scharfe Abgrenzung zwischen den genannten Verwendungsweisen des Imper­ fekts geben.

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Imperfekt

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‫כּה ֵן בֹּו‬ ֹ ַ ‫קּח ה‬ ַ ִ ‫כּל א ֲשׁ ֶר י ַע ֲל ֶה ה ַמּ ַז ְל ֵג וי‬ ֹ ‫לשׁ־ה ַשּׁ ִנּ ַי ִם בּ ְי ָדֹו ו ְה ִכּ ָה ב ַכּ ִיּוֹר …ו‬ ֹ ְ‫שׁ‬ ‫לה‬ ֹ ִ ‫ כּ ָכ ָה וי ַע ֲשׂוּ ל ְכ ָל־י ִשׂ ְרָא ֵל ה ַבּ ָא ִים שׁ ָם בּ ְשׁ‬Καὶ οἱ υἱοὶ Ἠλὶ τοῦ ἱερέως υἱοὶ λοιμοί, οὐκ εἰδότες τὸν Κύριον καὶ τὸ δικαίωμα τοῦ ἱερέως παρὰ τοῦ λαοῦ παντὸς τοῦ θύοντος. καὶ ἤρχετο τὸ παιδάριον τοῦ ἱερέως ὡς ἂν ἡψήθη τὸ κρέας, καὶ κρεάγρα τριόδους ἐν τῇ χειρὶ αὐτοῦ · καὶ καθήκεν9αὐτὴν εἰς τὸν λέβητα …‫ · ו‬πᾶν ὃ ἐὰν ἀνέβη ἐν τῇ κρεάγρᾳ ἐλάμβανεν ἑαυτῷ ὁ ἱερεύς · κατὰ τάδε ἐποίουν παντὶ Ἰσραήλ, τοῖς ἐρχομένοις θῦσαι Κυρίῳ ἐν Σηλώμ.

Die griechischen Imperfekte drücken aus, dass es hier um sich wiederho­ lende Handlungsabläufe geht. In der hebräischen Vorlage gibt es eindeutige Signale, dass die Schilderung iterativ gemeint ist: den Terminus ‫מ ִשׁ ְפַּט‬i (das Recht oder der Brauch des Priesters) und die Partizipialkonstruktion ‫כּ ָל־א ִישׁ ֹזב ֵחַ ז ֶב ַח‬i. An sie knüpfen die vom Übersetzer mit einem Imperfekt wiedergegebenen Perf.cons. ‫ וּב ָא‬und ‫ ו ְה ִכּ ָה‬an. Weitere Signale sind dann die Imperfekte ‫קּח‬ ַ ִ ‫ י‬und ‫י ַע ֲשׂוּ‬i. An der Übersetzung fällt auf, dass καθήκεν als Wiedergabe von ‫ו ְה ִכּ ָה‬i (anders als καὶ ἤρχετο / ‫וּב ָא‬i) im Aorist steht. Dass die iterative Schilderung hier weitergeht, dürfte dem Übersetzer deutlich gewesen sein. Der Grund dafür, dass er hier den Aorist verwendet, liegt m.E. darin, dass das Imper­ fekt von καθίημι in der Koine nicht gebräuchlich war.10 Koine-typisch ist der iterative Gebrauch des Aorists in den Ausdrücken ὡς ἂν ἡψήθη11 und πᾶν ὃ ἐὰν ἀνέβη.12 1Sam 17,34 f13 ‫צּאן ווּב ָא ה ָא ֲרִי ו ְא ֶת־ה ַדֹּוב ו ְנ ָשׂ ָא שׂ ֶה‬ ֹ ַ ‫רע ֶה ה ָי ָה ע ַב ְדּ ְך ָ ל ְא ָב ִיו בּ‬ ֹ ‫תּי מ ִפִּיו‬ ִ ְ ‫תיו ו ְה ִצַּל‬ ִ ִ ‫תי א ַחֲרָיו ו ְה ִכּ‬ ִ ‫ מ ֵה ָע ֵד ֶר ו ְי ָצָא‬Ποιμαίνων ἦν ὁ δοῦλός σου τῷ πατρὶ αὐτοῦ ἐν τῷ ποιμνίῳ · καὶ ὅταν ἤρχετο ὁ λέων καὶ ἡ ἄρκος καὶ ἐλάμβανεν πρόβατον ἐκ τῆς ἀγέλης, καὶ ἐξεπορευόμην ὀπίσω αὐτοῦ καὶ ἐπάταξα αὐτὸν καὶ ἐξέσπασα ἐκ τοῦ στόματος αὐτοῦ ·

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Mit GA; ἐπάταξεν A B O f (Rahlfs). Die L-Gruppe liest καθίει (ein vereinheitlichender Eingriff; s. dazu unten S. 167). Zu καθίημι s. auch V. 16: ὡς καθήκει (im MT nicht erhal­ ten; die Vorlage las hier m.E. ‫כהכת‬i, nicht ‫כמשׁפט‬i, wie Hutzli, Hanna und Samuel, 105, annimmt). In der LXX gibt es für ἵημι (mit Komposita) selbst nur zwei Imperfekte: συνίημι in Hi 15,9 und 36,4. Dagegen stehen gut 100 Belege im Aorist (Indikativ, Konjunktiv, Impe­ rativ und Partizip). Ebenso im NT: Zwei Belegen für das Imperfekt (Mk 1,34; 11,16) stehen über 100 Belege im Aorist gegenüber. Zu ὡς ἄν statt ὅταν s. Mayser II/1, § 47, Abschnitt Ergebnisse (Hervorhebung im Origi­ nal): „Neu ist der ausgedehnte Gebrauch von ὡς ἄν“; Blass/Debrunner/Rehkopf, § 455, 2; zum Aorist s. ebd., § 382, 4. S. Blass/Debrunner/Rehkopf, § 367 (zum iterativen Aorist) und § 380, 1 b (zu ὅς ἐάν statt ὅς ἄν). Die Eingriffe der lukianischen Rezension werden für diese und alle weiteren Stellen unten Abschnitt 5.2.3 besprochen.

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Tempora: Imperfekt und praesens historicum

Hier steht im Hebräischen kein Imperfekt, das auf Iteration hinweisen würde. Dennoch erkennt der Übersetzer den iterativ-konditionalen Cha­ rakter des Perfekts ‫וּב ָא‬i.14 Im Kontext weist die Erwähnung von Löwe und Bär darauf hin, dass hier beispielhaft im Sinne von „immer wenn“ erzählt wird (vielleicht kann man bei einer potentiell populären Geschichte wie die­ ser auch annehmen, dass sie dem Übersetzer vertraut war). Einen intuitiven, von seinem Sprachgefühl geprägten Umgang des Über­ setzers mit dem hebräischen Tempussystem zeigt der Wechsel zum Aorist καὶ ἐπάταξα, dem kein Tempuswechsel im Hebräischen entspricht. Die Aoriste καὶ ἐπάταξα und καὶ ἐξέσπασα lenken den Blick vom AllgemeinWiederkehrenden auf die konkrete Einzelsituation, ohne dass dadurch der grundsätzlich iterative Charakter der Schilderung verlorenginge. ‫קי‬ ִ ֵ ‫ ו ְה ָע ֲמ ָל‬15‫ו ַיּ ַע ַל דּ ָו ִד ו ַא ֲנ ָשׁ ָיו ו ַיּ ִפְשׁ ְטוּ א ֶל־ה ַגּ ְשׁוּרִי ו ְה ַגּ ִרְז ִי‬ ‫ה ֵנּ ָה ֹישׁ ְבֹות ה ָא ָרֶץ א ֲשׁ ֶר מ ֵעֹול ָם בֹּוא ֲך ָ שׁוּרָה ו ְע ַד־א ֶרֶץ מ ִצְרָי ִם ו ְה ִכּ ָה ד ָו ִד‬ ‫מרִים וּג ְמ ַלּ ִים וּב ְג ָד ִים‬ ֹ ֲ‫קר ו ַח‬ ָ ָ ‫צ אן וּ ב‬ ֹ ‫קח‬ ַ ָ ‫לא י ְחַיּ ֶה א ִישׁ ו ְא ִשּׁ ָה ו ְל‬ ֹ ְ ‫א ֶת־ה ָא ָרֶץ ו‬ ‫בא א ֶל־א ָכ ִישׁ‬ ֹ ָ ‫ ו ַיּ ָשׁ ָב ו ַיּ‬καὶ ἀνέβαινεν Δαυὶδ καὶ οἱ ἄνδρες αὐτοῦ καὶ #ἐπετίθεντο ἐπὶ πάντα τὸν Γεσιρὶ καὶ ἐπὶ τὸν Ἀμαληκίτην · καὶ ἰδοὺ ἡ γῆ κατῳκεῖτο17 ἀπὸ Τελαμψοὺρ18 καὶ ἕως γῆς Αἰγύπτου. καὶ ἔτυπτε τὴν γῆν, καὶ οὐκ ἐζωογόνει ἄνδρα καὶ γυναῖκα · καὶ ἐλάμβανεν ποίμ­ νια καὶ βουκόλια καὶ ὄνους καὶ καμήλους καὶ ἱματισμόν, καὶ ἀνέ#στρεφον 19 καὶ ἤρχοντο πρὸς Ἀγχούς.

1Sam 27,8 f: ‫כּ ִי‬

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In dieser Szene herrscht unter den hebräischen Tempora das Impf.cons. vor. In V. 8 wird zusammenfassend erzählt, dass David und seine Leute Raub­ züge unternahmen. Der Übergang zum Perfekt in V. 9 signalisiert, dass nun in iterativem Sinn berichtet wird, wie David dabei vorzugehen pflegte. In V. 9 a.E. wird die zusammenfassende Schilderung der Raubzüge wieder auf­ genommen (Impf.cons. ‫ו ַיּ ָשׁ ָב‬i); sie setzt sich in V. 10 mit weiteren Impf.cons. fort.20 Der Übersetzer vollzieht die Tempuswechsel im Hebräischen nicht mit, sondern gibt bereits ‫ ו ַיּ ַע ַל‬mit iterativem Imperfekt wieder, weil er den Kon­

14 Zum Gebrauch des Perfekts als Durativ (Iterativ) der Vergangenheit s. Meyer, § 101, 4 b: „Ebenso kann das Perf. als Durativ der Vergangenheit […‫ ]ו‬verwendet werden.“ Als Beispiel nennt Meyer 1Sam 1,3: ‫ו ְע ָל ָה ה ָא ִישׁ ה ַהוּא מ ֵע ִירֹו מ ִיּ ָמ ִים י ָמ ִימ ָה‬i(vom Übersetzer mit iterati­ vem Imperfekt wiedergegeben: καὶ ἀνέβαινεν ὁ ἄνθρωπος ἐξ ἡμερῶν εἰς ἡμέρας ἐκ πόλεως αὐτοῦ). 15 Qere ‫ו ְה ַגּ ִז ְרִי‬i. 16 Statt ‫קי‬ ִ ֵ ‫ ו ַיּ ִפְשׁ ְטוּ… ו ְה ָע ֲמ ָל‬setzt die LXX ‫ ויפשׁטו על כל הגשׁירי ועל העמלקי‬als Vorlage voraus (so auch McCarter, I Samuel, Textual Notes z. St.). 17 Nicht iterativ gebrauchtes, schilderndes Imperfekt, daher nicht eingekastet. 18 GA (die Dubletten ἀπὸ ἀνηκόντων und τετειχισμένων sind ausgeschieden; Rahlfs [nach B]: ἀπὸ ἀνηκόντων ἡ ἀπὸ Γελαμψοὺρ τετειχισμένων). 19 Mit GA (καὶ ἀνέστεψαν A B O 509 [Rahlfs]). 20 S. Stoebe, Das erste Buch Samuelis, z. St.

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text als iterativ erkennt. Der in seiner Vorlage enthaltene Passus ‫על כל‬ ‫ הגשׁירי‬signalisierte dies deutlich (der Übersetzer musste kein größeres Seg­ ment überblicken, um den iterativen Charakter zu bemerken). Diese Übersetzung ist ein weiterer Beleg dafür, wie der Übersetzer bei der Wahl der griechischen Tempora seinem Sprachgefühl folgt und nicht schematisch den Verbformen seiner Vorlage. Die meisten iterativen Imperfekte der griechischen Samuelbücher kom­ men in solchen Schilderungen größerer Handlungszusammenhänge vor. Es gibt aber auch einige einzeln stehende Belege. 1Sam 8,3 ‫שׁחַד ו ַיּ ַטּוּ מ ִשׁ ְפָּט‬ ֹ ‫קחוּ־‬ ְ ִ ‫רי ה ַבּ ָצַע ו ַיּ‬ ֵ ֲ‫לא־ה ָל ְכוּ ב ָנ ָיו בּ ִד ְרָכ ָו ו ַיּ ִטּוּ א ַח‬ ֹ ְ‫ו‬ καὶ οὐκ ἐπορεύθησαν οἱ υἱοὶ αὐτοῦ ἐν ὁδῷ αὐτοῦ, καὶ ἐξέκλιναν ὀπίσω τῆς συντελείας · καὶ ἐλάμβανον δῶρα, καὶ ἐξέκλιναν21 δικαιώ­ ματα. Der Übersetzer geht hier zum Imperfekt über und akzentuiert damit die Regelmäßigkeit der Annahme von Bestechungsgeschenken. Der resultative Aorist καὶ ἐξέκλιναν2 ist analog zu καὶ ἐξέκλιναν1 in zusammenfassender Perspektive gebraucht. ֹ ‫תּם‬ ֶ ְ ‫א ַך ְ י ְראוּ א ֶת־י ְהו ָה ו ַע ֲב ַד‬ 1Sam 12,24 ‫אתֹו בּ ֶא ֱמ ֶת בּ ְכ ָל־ל ְב ַב ְכ ֶם כּ ִי רְאוּ וא ֵת‬ ‫ וא ֲשׁ ֶר־ה ִג ְדּ ִל ע ִמּ ָכ ֶם‬πλὴν φοβεῖσθε τὸν Κύριον καὶ δουλεύσατε αὐτῷ ἐν ἀληθείᾳ καὶ ἐν ὅλῃ καρδίᾳ ὑμῶν, ὅτι εἴδετε ἃ ἐμεγάλυνεν μεθ᾽ ὑμῶν ·

Das hebräische Perfekt ‫ ה ִג ְדּ ִל‬hat resultativ-rückblickenden Charakter. Der Übersetzer möchte den Eindruck einer einzelnen Wohltat JHWHs vermei­ den und wählt daher das Imperfekt: „was er fortwährend Großes an euch getan hat“. ֹ ְ ‫ וּב‬οὗ ἂν ἐστράφη ἐσῴζετο . 1Sam 14,47 ַ ‫כל א ֲשׁ ֶר־י ִפְנ ֶה וי ַרְשׁ ִיע‬

Das Imperfekt ἐσῴζετο und der Aorist οὗ ἂν ἐστράφη sind iterativ gebraucht:22 „Wo auch er sich hinwandte, blieb er unversehrt“. Eine ähnliche Stelle ist ְ ִ ‫תה ַלּ ְכוּ בּ ַא ֲשׁ ֶר י‬ ְ ִ ‫ ו ַיּ‬καὶ ἐπορεύοντο οὗ ἐὰν ἐπο­ 1Sam 23,13 ‫תה ַלּ ָכוּ‬ ρεύθησαν.

Weitere vergleichbare Formulierungen im Imperfekt finden sich in 2Sam 7,9; 8,6; 8,14.23

21 Mit GA. ἐξέκλινον Bc L–19 121 68–120–122–134 f 318 554 (Rahlfs); ἐξέκλεινον B* 55*. 22 Zum iterativen Gebrauch des Aorists s. oben Anm. 12. 23 Zu 1Sam 8,8 s. unten S. 174.

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Tempora: Imperfekt und praesens historicum

Eine Variante des iterativen Gebrauchs ist dasjenige Imperfekt, mit dem Gewohnheiten in der Vergangenheit geschildert werden.24 1Sam 9,9 ‫לה ִים…ו‬ ֹ ֱ ‫כּה־וא ָמ ַר ה ָא ִישׁ בּ ְל ֶכ ְתֹּו ל ִד ְרֹושׁ א‬ ֹ ‫ ל ְפָנ ִים בּ ְי ִשׂ ְרָא ֵל‬καὶ ἔμπροσθεν ἐν Ἰσραὴλ τάδε ἔλεγον 25 ἕκαστος ἐν τῷ πορεύεσθαι ἐπε­ ρωτᾶν τὸν θεόν…‫ו‬

1Sam 19,24 ‫ ע ַל־כּ ֵן וֹיאמ ְרוּ ה ֲג ַם שׁ ָאוּל בּ ַנּ ְב ִיא ִם‬διὰ τοῦτο ἔλεγον Εἰ καὶ Σαοὺλ ἐν προφήταις; 2Sam 4,2 ‫תּחָשׁ ֵב ע ַל־בּ ִנ ְי ָמ ִן‬ ֵ ‫ כּ ִי גּ ַם־בּ ְא ֵרֹות ו‬ὅτι Βηρὼθ ἐλογίζετο τοῖς υἱοῖς Βενιαμίν. In allen drei Fällen geht es darum, wie „man“ in der erzählten Zeit etwas machte bzw. sah. Überblickt man die Gesamtheit der iterativen bzw. habituellen Imper­ fekte,26 so dominieren Vorlagen mit hebräischem Imperfekt (neunmal),27 das von Perf.cons. fortgesetzt wird (13-mal).28 Dreimal steht ְ ‫ ו‬+ Perfekt ite­ rativ, ohne dass es an eine vorausgehende iterative Form anschlösse – hier liegt kein konsekutiver Gebrauch vor, sondern ein selbständiges iteratives Perfekt; sechsmal steht iteratives Perfekt ohne Kopula.29 Achtmal gibt der Übersetzter ein Impf.cons. durch Imperfekt wieder. Wie beim Perf.cons. setzt in den meisten dieser Fälle das Impf.cons. einen iterativen Kontext fort.30 In fünf Fällen ist die Vorlage unklar.31

24 S. Kühner/Gerth I, § 383, 2. 25 Mit GA (ἔλεγεν B O CI 119c b s 55 244 460.[Rahlfs]). 26 Folgende 44 Imperfekte werte ich als iterativ; die Abgrenzung zu den anderen Verwen­ dungsweisen des Imperfekts kann dabei nicht scharf sein (s. oben Anm. 8): 1Sam 1,3 (heb­ räisch Perf.cons.); 1,6 (Vorlage unklar); 1,7 quater (Impf. ter; Impf.cons.); 1,25 (Vorlage unklar); 2,13 (Perf.cons.); 2,14 bis (Impf. bis); 2,15 bis (Perf.cons. bis); 2,16 bis (Perf.cons. bis); 2,19 (Perf.cons.); 8,3 (Impf.cons.); 9,9 (Perf. ‫כה־א ָמ ַר‬ ֹּ i); 12,24 (Perf.); 14,47 (Impf.); 16,23 quater (Perf.cons. quater); 17,34 bis (Perf.cons. bis); 17,35 bis (Perf.cons. bis); 17,36 (Perf.); 19,24 (Impf.); 21,12 (Impf.); 21,14 ter (Vorlage unklar); 23,13 (Impf.cons.); 27,8 bis (Impf.cons. bis); 27,9 quater (Perf.cons.; Impf.; Impf.cons. bis); 2Sam 2,23 (Impf.cons.); 7,9 (Perf.); 8,6 (Perf.); 8,14 (Perf.). 27 1Sam 1,7 ter, 2,14 bis; 14,47; 19,24; 21,2; 27,9. 28 1Sam 2,13.15 bis; 2,16 bis; 16,23 quater; 17,34 (‫ו ְנ ָשׂ ָא‬i); 17,35 bis; 27,9. In dieser Liste enthal­ ten sind diejenigen zwei Fälle, in denen das Perf.cons. nicht ein Imperfekt, sondern eine andere iterativ gebrauchte Verbform fortsetzt: einmal Pt. + i.a. (1Sam 2,13); einmal ein ite­ rativ gebrauchtes Perfekt (1Sam 17,34: ‫ ו ְנ ָשׂ ָא‬setzt ‫ וּב ָא‬fort). In 1Sam 2,16 scheint ‫ ו ְא ָמ ַר‬an ‫ ו ַֹיּאמ ֶר‬anzuknüpfen; die Vorlage las statt ‫ ו ַֹיּאמ ֶר‬aber vermutlich ‫ואמר‬i(vgl. 4QSama). 29 Mit Kopula: 1Sam 1,3; 2,19; 17,34 (‫ּוב ָא‬i). Diesen Gebrauch des hebräischen Perfekts beschreibt Meyer, § 101, 6 c (s. auch oben Anm. 14). Ohne Kopula: 1Sam 9,9; 12,24; 17,36; 2Sam 7,9; 8,6.14. 30 1Sam 1,7; 8,3; 23,13; 27,8 bis; 27,9 bis; 2Sam 2,23. In 1Sam 27,8 beginnt der iterative Kontext mit Impf.cons.-Formen; s. zu dieser Stelle oben S. 154. Es ist möglich, dass die Vorlage des Übersetzers an einigen derjenigen Stellen, bei denen im MT ein Impf.cons. einen iterativen

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Diese Übersicht über die hebräischen Vorlagen unterstreicht die Beobachtung, dass der Übersetzer die Tempuswahl aus seinem Sprachge­ fühl heraus nach dem Kontext vornimmt. In seine Intuition fließen die heb­ räischen Formen ein (nicht zufällig herrscht die Konstruktion Impf. / Perf.­ cons. vor), aber als einer von mehreren Faktoren, die ihn bei der Wahl der griechischen Verbformen leiten. 5.2.2.2 Schilderndes Imperfekt Durch seinen Blick auf den Verlauf einer Handlung wird das Imperfekt in Erzählungen oft verwendet, um Voraussetzungen oder Hintergrundinfor­ mationen zu geben, von denen her sich die Erzählung entwickelt.32 In Kom­ bination mit dem Aorist entstehen schöne Erzählgefüge, bei denen das Imperfekt gewissermaßen den Hintergrund ausmalt, auf dem der Aorist die Handlung vorantreibt.33 1Sam 1,9 ‫כּה ֵן וֹישׁ ֵב‬ ֹ ַ ‫תה ו ְע ֵל ִי ה‬ ֹ ָ ‫רי שׁ‬ ֵ ֲ‫לה ו ְא ַח‬ ֹ ִ ‫רי א ָכ ְל ָה ב ְשׁ‬ ֵ ֲ‫קם חַנּ ָה א ַח‬ ָ ‫תּ‬ ָ ַ‫ו‬ ‫ע ַל־ה ַכּ ִסּ ֵא ע ַל־מ ְזוּז ַת ה ֵיכ ַל י ְהו ָה‬i(MT) ‫כּה ֵן וֹישׁ ֵב‬ ֹ ַ ‫ ו ְע ֵל ִי ה‬34‫לה ותתצב לפני יהוה‬ ֹ ִ ‫רי אכלם ב ְשׁ‬ ֵ ֲ‫קם חַנּ ָה א ַח‬ ָ ‫תּ‬ ָ ַ‫ו‬ ‫ע ַל־ה ַכּ ִסּ ֵא ע ַל־מ ְזוּז ַת ה ֵיכ ַל י ְהו ָה‬i(Vorlage) καὶ ἀνέστη Ἅννα μετὰ τὸ φαγεῖν αὐτοὺς ἐν Σηλώ, καὶ κατέστη ἐνώ­ πιον Κυρίου · καὶ Ἠλὶ ὁ ἱερεὺς ἐκάθητο ἐπὶ τοῦ δίφρου ἐπὶ τῶν φλιῶν ναοῦ Κυρίου.

Hanna agiert; der Priester Eli sitzt währenddessen (Partizip ‫ ֹישׁ ֵב‬/ Imperfekt ἐκάθητο) auf seinem Platz am Tempel, von dem aus er Hanna beobachten kann. Das hebräische Zeitgefüge ist präzise im Griechischen wiedergege­ ben.

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Kontext fortsetzt, Perf.cons. enthalten hat, wie der Qumran-Text von 1Sam 2,16 zeigt (s. oben Anm. 28). Prinzipiell allerdings kann auch das Impf.cons. eine iterative Situation auf­ nehmen; s. Gesenius/Kautzsch, § 111, 1 (Randbuchst. a); das Impf.cons. kann „alle Nuan­ cen von Tempus- und Modusverhältnissen darstellen […‫]ו‬, die sich […‫ ]ו‬aus dem Begriff des Imperfekts ergeben. […‫ ]ו‬So dient das Imperf. cons. zur Darstellung vergangener (resp. in der Vergangenheit wiederholter) Handlungen.“ (ebd.; Hervorhebung im Original). 1Sam 1,6.25; 21,14 ter. S. Kühner/Gerth I, § 383, b, 2: Das Imperfekt wird verwendet „bei Erwähnung vergange­ ner Handlungen, welche zur Erklärung, Veranschaulichung, Begründung einer anderen Handlung dienen und begleitende Nebenumstände derselben ausdrücken“ (Hervorhebung im Original). S. Kühner/Gerth I, § 386, 6, mit Bezug auf solche Kontrastwirkung in historischer Erzäh­ lung: „Indem der Aorist die Hauptereignisse und Hauptthatsachen anführt, die übrigen Zeitformen auf verschiedene Weise Nebenhandlungen und begleitende Umstände veran­ schaulichend darstellen, tritt auf dem historischen Gemälde Licht und Schatten hervor.“ (Hervorhebung im Original) S. auch Blass/Debrunner/Rehkopf, § 327, 1. In der protomasoretischen Rezension ist die Aussage vermieden, dass Hanna vor JHWH trat (s. Hutzli, Hanna und Samuel, 61). Einzelheiten dazu unten Abschnitt 6.2.2.

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In 1Sam 1,13 bildet das Verhalten von Hanna den Hintergrund (Imper­ fekt), aus dem Eli seine Schlussfolgerungen zieht (Aorist): ֹ ‫תיה ָ ונּ ָעֹות ו ְקֹול ָהּ ו‬ ֶ ָ‫ו ְחַנּ ָה ה ִיא ומ ְד ַבּ ֶרֶת ע ַל־ל ִבּ ָהּ רַק שׂ ְפ‬ 1Sam 1,13 ַ ‫לא י ִשּׁ ָמ ֵע‬ ‫כּרָה‬ ֹ ִ ‫ ו ַיּ ַחְשׁ ְב ֶה ָ ע ֵל ִי ל ְשׁ‬καὶ αὐτὴ ἐλάλει ἐν τῇ καρδίᾳ αὐτῆς, καὶ τὰ χείλη αὐτῆς ἐκινεῖτο καὶ φωνὴ αὐτῆς οὐκ ἠκούετο · καὶ ἐλογίσατο αὐτὴν Ἠλὶ εἰς μεθύουσαν. ֹ zeigen in Kontrast zum Die Partizipien sowie das Imperfekt ַ ‫לא י ִשּׁ ָמ ֵע‬ Impf.cons. ָ ‫ו ַיּ ַחְשׁ ְב ֶה‬i, wie die Handlung geschichtet ist. Der Übersetzer greift diese Signale in seiner Wiedergabe auf. Genauso wie Partizipien gibt der Übersetzer in etlichen Fällen Impf.­ cons. mit einem schildernden Imperfekt wieder. ֹ ְ ‫ו ַיּ ִל‬ 2Sam 8,4 ‫כּד דּ ָו ִד מ ִמּ ֶנּוּ א ֶל ֶף וּשׁ ְב ַע־מ ֵאֹות פָּרָשׁ ִים ו ְע ֶשׂ ְרִים א ֶל ֶף א ִישׁ רַג ְל ִי‬ ‫תר מ ִמּ ֶנּוּ מ ֵא ָה רָכ ֶב‬ ֵ ‫קּר דּ ָו ִד א ֶת־כּ ָל־ה ָרֶכ ֶב ו ַיֹּו‬ ֵ ַ ‫ ו ַי ְע‬καὶ προκατελάβετο Δαυὶδ τῶν αὐτοῦ χίλια ἅρματα καὶ ἑπτὰ χιλιάδας ἱππέων καὶ εἴκοσι χιλιάδας ἀνδρῶν πεζῶν · καὶ παρέλυσεν Δαυὶδ πάντα τὰ ἅρματα, καὶ #ὑπελείπετο 35 ἐξ αὐτῶν ἑκατὸν ἅρματα.

Das Imperfekt ὑπελείπετο drückt aus, dass David die nicht kampfunfähig gemachten Streitwagen für sich übrig ließ und diese nun in seinem Besitz hat. ֹ ְ ‫תה ו ַיּ ִשׁ ְא ֲבוּ־מ ַי ִם …וו ַֹיּאמ ְרוּ שׁ ָם חָטָאנוּ ל ַיהו ָה ו ַיּ ִשׁ‬ ָ ָ‫מּצְפּ‬ ִ ַ ‫קּב ְצוּ ה‬ ָ ִ ‫ו ַיּ‬ 1Sam 7,6 ‫פּט‬ ‫מּצְפָּה‬ ִ ַ ‫ שׁ ְמוּא ֵל א ֶת־בּ ְנ ֵי י ִשׂ ְרָא ֵל בּ‬καὶ συνήχθη ὁ λαὸς36 εἰς Μασσηφάθ, καὶ ὑδρεύονται ὕδωρ …‫ ו‬καὶ εἶπαν37 Ἡμαρτήκαμεν ἐνώπιον Kυρίου · #καὶ ἐδίκαζεν Σαμουὴλ τοὺς υἱοὺς Ἰσραὴλ εἰς Μασσηφάθ.

Der Übersetzer schafft ein schönes Zeitgefüge: Die fortlaufende Handlung erzählt er im Aorist, ihren kultischen Höhepunkt im praesens historicum. Das Grundmotiv, zu dem die Erzählung immer wieder zurückkehrt und das sie zusammenhält, steht im Imperfekt: Samuel war Richter in Mizpa. Dieser Vers ist ein eindrückliches Beispiel, wie der Übersetzer bei identi­ schen Formen im Hebräischen intuitiv die Mittel des griechischen Tempus­ systems ausnutzen und seinem Text dadurch erzählerische Struktur geben kann. 2Sam 6,10 ‫לא־א ָב ָה ד ָו ִד ל ְה ָס ִיר א ֵל ָיו א ֶת־א ֲרֹון י ְהו ָה ע ַל־ע ִיר דּ ָו ִד ו ַיּ ַטּ ֵהוּ‬ ֹ ְ‫ו‬ ‫תּי‬ ִ ִ ‫עב ֵד־א ֱדֹום ה ַגּ‬ ֹ ‫ ד ָו ִד בּ ֵית‬καὶ οὐκ ἐβούλετο Δαυὶδ τοῦ ἐκκλῖναι πρὸς αὑτὸν τὴν κιβωτὸν διαθήκης Κυρίου εἰς τὴν πόλιν Δαυίδ · καὶ ἀπέκλι#νεν αὐτὴν Δαυὶδ εἰς οἶκον Ἀβεδδαρὰ τοῦ Γεθθαίου. 35 ὑπελίπετο B 82–127 CII–46 52 s–64 381 (Rahlfs). 36 Zur Lesart s. unten S. 194 (Anm. 28). 37 εἶπον L CI 44–107–125–610 46–52 381–489 707; εἰπών 460.

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Das Imperfekt stellt die Überführung der Lade in das Haus Abeddaras vor Augen. Nicht nachvollziehbar ist für mich das Imperfekt in 2Sam 2,29 ‫ו ְא ַב ְנ ֵר ו ַא ֲנ ָשׁ ָיו ה ָל ְכוּ בּ ָע ֲרָב ָה כֹּל ה ַלּ ַי ְל ָה ה ַהוּא ו ַיּ ַע ַב ְרוּ א ֶת־ה ַיּ ַרְדּ ֵן‬ ‫תרֹון‬ ְ ִ ‫ ו ַיּ ֵל ְכוּ כּ ָל־ה ַבּ‬καὶ Ἀβεννὴρ καὶ οἱ ἄνδρες αὐτοῦ ἀπῆλθον εἰς δυσ­ μὰς ὅλην τὴν νύκτα ἐκείνην, καὶ διέβαινoν τὸν Ἰορδάνην καὶ ἐπο­ ρεύθησαν ὅλην τὴν παρατείνουσαν.

Es erscheint rätselhaft, warum der Übersetzer ausgerechnet die Überque­ rung des Jordans im Imperfekt wiedergibt, denn sie steht in keinem Hinter­ grund-Vordergrund-Verhältnis zu den übrigen Ereignissen. B L a b 318 799 (Rahlfs) haben eine Korrektur zum Aorist (καὶ διέβαιναν / διέβησαν). Für dieses störend wirkende Imperfekt ist in Rechnung zu stellen, dass der Übersetzer jeweils nur kleine Segmente überblickt. Womöglich hat er einen anderen Handlungsverlauf erwartet, d. h. ein (im Aorist zu schildern­ des) Ereignis, das während der Durchquerung des Jordans eintritt. Selten gibt der Übersetzer hebräisches (nicht-iterativ gebrauchtes) Per­ fekt mit Imperfekt wieder. 1Sam 22,8 ‫קים בּ ְנ ִי א ֶת־ע ַב ְדּ ִי ע ָל ַי‬ ִ ֵ ‫חל ֶה מ ִכּ ֶם ע ָל ַי ו ְֹגל ֶה א ֶת־א ָז ְנ ִי וכּ ִי ה‬ ֹ ‫ו ְא ֵין־‬ ‫רב כּ ַיֹּום ה ַזּ ֶה‬ ֵ ‫א‬ ֹ ְ ‫ ל‬καὶ οὐκ ἔστιν πονῶν περὶ ἐμοῦ ἐξ ὑμῶν καὶ ἀποκα­ λύπτων τὸ ὠτίον μου, ὅτι ἐπήγειρεν ὁ υἱός μου τὸν δοῦλόν μου ἐπ᾽ ἐμὲ εἰς ἐχθρὸν, ὡς ἡ ἡμέρα αὕτη.

Das Imperfekt ἐπήγειρεν zeigt, wie der Übersetzer von inhaltlichen Gesichtspunkten her die Wahl der Tempora entscheidet: Die von Saul beklagte Verschwörung gegen ihn hält an. Elegant ist die Wiedergabe der Perfekt-Infinitiv-Konstruktion in 1Sam 4,15 ‫לא י ָכֹול ל ִרְאֹות‬ ֹ ְ ‫קמ ָה ו‬ ָ ‫מנ ֶה שׁ ָנ ָה ו ְע ֵינ ָיו‬ ֹ ְ ‫תּשׁ ְע ִים וּשׁ‬ ִ ‫ ו ְע ֵל ִי בּ ֶן־‬καὶ Ἠλὶ υἱὸς ἐνενήκοντα ἐτῶν, καὶ οἱ ὀφθαλμοὶ αὐτοῦ ἐπανέστησαν καὶ #οὐκ ἔβλεπεν · Blickt man summarisch auf die mit Imperfekt wiedergegebenen hebräischen Verben, so sind bei schilderndem Imperfekt38 zwei Formen vorherrschend: 38 Folgende 101 Imperfekte sehe ich als schildernde Imperfekte an: 1Sam 1,5 (hebräisch Pt.); 1,9 (Pt.); 1,13 ter (Pt. bis; Impf.); 2,17 (Perf. ‫כ ִי נ ִא ֲצּו‬ ּ i); 2,22 (Pt. ‫שים‬ ׂ ‫ע‬i, vgl. 4QSama); 2,25 bis (Impf.; Pt.); 2,26 bis (Pt. bis); 3,2 (Impf.); 3,13 (Perf. ‫לא כ ִה ָה‬ ֹ i); 3,21 (Vorlage unklar); 4,13 (Pt.); 4,15 (Vorlage unklar); 6,12 quater (‫לך ְ ו ְג ָעֹו‬ ֹ ָ ‫הל ְכּו ה‬i/ ἐπορεύοντο καὶ ἐκοπίων; Perf. ּ ‫לא־ס ָרו‬ ֹ i; Pt.); 6,13 (Pt.); 6,16 (Perf.); 7,6 (Impf.cons.); 7,10 (Perf.); 7,15 (Impf.cons.); 7,16 (Perf.cons.); 7,17 (Perf. ‫ש ָפָט‬ ׁ ‫ש ָם‬ ׁ ְ ‫ו‬i); 8,19 (Impf.cons.); 9,26 (ְ ‫כ‬ ּ i + infinitivus constructus); 10,21 bis (Impf.cons.; Perf.); 11,5 (Pt.); 11,11 (Impf.cons.); 12,11 (Impf.cons.); 13,16 (Vor­ lage unklar); 13,19 (Impf.); 13,20 (Impf.cons.); 14,2 (Pt.); 14,13.15.17 (Vorlagen unklar); 14,19 (Pt. ‫ב ֶר‬ ּ ִ‫ד‬ ּ ‫ע ַד‬i / ὡς ἐλάλει); 14,32 (Impf.cons.); 14,34 (Impf.cons. ‫ש ְחֲטּו‬ ׁ ִ ‫ו ַּי‬i / καὶ ἔσφαζον; καὶ προσῆγεν [Β 119 d 554; Rahlfs; GA] kann OG sein, aber auch eine verse­

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Tempora: Imperfekt und praesens historicum

das Partizip (41-mal) und das Imperfekt consecutivum (28-mal). Während letzteres kaum überraschen kann (das hebräische Partizip benennt oft Hin­ tergründe und Nebenumstände einer Handlung),39 ist die Häufigkeit, in der der Übersetzer Impf.cons. mit Imperfekt wiedergibt, ein deutliches Zeichen seiner oft intuitiven und nicht an formale Kriterien der hebräischen Verb­ formen gebundenen Wahl der Tempora. 15-mal ist hebräisches Perfekt mit schilderndem Imperfekt wiedergegeben, in der Regel innerhalb eines durati­ ven Kontextes; fünfmal ein Imperfekt; zweimal Infinitive und einmal Perf.­ cons. Hinzu kommen zehn Stellen, bei denen die Vorlage unklar ist. Lexikalisch bilden die hebräischen Wurzeln, die mit schildendem Imper­ fekt übersetzt sind, einen Querschnitt durch das in den Samuelbüchern ver­ wendete Vokabular. Lediglich für ein bestimmtes Verb fällt eine besondere Affinität zum griechischen Imperfekt auf: ‫‚ ישׁב‬wohnen / sich aufhalten‘. ֱ ‫ו ַיּ ַנ ְחֵם א ֶת־פְּנ ֵי מ ֶל ֶך ְ מֹוא ָב ו ַיּ ֵשׁ ְבוּ ע ִמֹּו כּ ָל־י ְמ ֵי‬ 1Sam 22,4 ‫היֹות־דּ ָו ִד בּ ַמּ ְצוּד ָה‬ 40 καὶ παρεκάλεσεν τὸ πρόσωπον τοῦ βασιλέως Μωάβ, καὶ κατῴκουν μετ᾽ αὐτοῦ πάσας τὰς ἡμέρας ὄντος τοῦ Δαυὶδ ἐν τῇ περιοχῇ.

Das hebräische ‫ ישׁב‬hat von seiner Bedeutung her einen lexikalischen Hang zum Durativen. Dies zeigt sich im Hebräischen durch die häufige Verwen­ dung des Partizips und im Griechischen dadurch, dass der Übersetzer ver­ gleichsweise oft das Imperfekt verwendet.41 5.2.2.3 Verben, die ihr Ziel nicht in sich selbst tragen Im klassischen Griechisch wie in der Koine wird das Imperfekt bei Verben gebraucht, die ihr Ziel nicht in der durch sie selbst bezeichneten Handlung hentliche Kurzschreibung von καὶ προσήγαγεν = übrige Mss.); 14,47 (Impf.cons.); 15,12 (Vorlage unklar); 15,35 (Perf.); 16,14 (Impf.cons.); 17,7 (Pt.); 17,53 (Impf.cons.); 18,7 bis (Impf.cons. bis); 18,13 bis (Impf.cons. bis); 18,16 ter (Pt. ter); 18,28 (Vorlage unklar); 19,1 (Pt.); 19,9 (Pt.); 22,2 (Impf.cons.); 22,4 (Impf.cons.); 22,6 (Pt.); 22,8 (Perf.); 22,10 (Pt.); 23,14 bis (Impf.cons. bis); 23,18 (Impf.cons.); 24,4 (Pt.); 25,20 (Pt.); 25,35 (Pt.); 25,42 (Pt.); 27,8 (Pt.); 27,11 (Perf.); 29,2 bis (Pt. bis); 29,5 (Impf.); 30,20 (Impf.cons.); 31,1 (Pt.); 2Sam 2,3 (Impf.cons.); 2,29 (Impf.cons.); 3,1 bis (Pt. bis); 3,16 (Vorlage unklar); 3,22 bis (Pt.; Perf.); 3,30 (Perf.); 3,31 (Pt.); 4,6 (Vorlage unklar); 4,8 (Perf.); 6,3 (Pt.); 6,4 (Pt.); 8,4 (Pt.; Old Greek καὶ ὑπελείπετο; B 82–127 CII-242 328 s-64 381 korrigieren in den Aorist = Rahlfs); 6,10 (Impf.cons.); 6,14 (Pt.); 6,16 (Impf.cons.); 8,4 (Impf.cons.); 9,11 (Pt.); 9,13 bis (Pt. bis). 39 S. Waltke/O’Connor, § 37.6 b d. 40 Die Übersetzung entsteht durch die in einem unvokalisierten Text mögliche Analyse von ‫ וינחם‬als Impf.cons. Nifal von ‫‚ נחם‬trösten‘ (statt Impf.cons. Hifil mit Suffix 3. P. Pl. von ‫‚ נחה‬bringen‘). 41 Mit Imperfekt übersetzt ist ‫ ישׁב‬bei 13 von 62 Vorkommen im Non-Kaige-Bereich (davon im MT 19-mal als Partizip vokalisiert). Bei den mit Imperfekt wiedergegebenen Fällen steht im Hebräischen sechsmal Partizip (1Sam 1,19; 4,13; 14,2; 22,6; 24,4; 2Sam 9,13); fünf­ mal Impf.cons. (1Sam 12,11; 22,4; 23,14.18; 2Sam 2,3); einmal Perfekt (1Sam 27,11) und einmal Inf.cstr. (1Sam 7,2).

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haben, etwa Verben des Befehlens oder Bittens.42 Dieser Gebrauch findet sich in den Samuelbüchern einige Male für ‫‚ אבה‬wollen‘ (1Sam 15,9; 31,4; 2Sam 6,10); ‫‚ בקשׁ‬versuchen zu erreichen‘ (1Sam 14,4; 19,10; 2Sam 3,17); ‫‚ הלך‬fortfahren mit‘ (1Sam 2,26; 3,21 [im MT nicht überliefert]; 14,19.26; 2Sam 3,1; 5,10) und ‫‚ מאן‬sich weigern‘ (1Sam 8,19; 28,23;43 2Sam 2,23). Dass diese Fälle nicht scharf von den schildernden Imperfekten abgegrenzt wer­ den können, sei ausdrücklich betont. Ich fasse sie dennoch in einer eigenen Gruppe zusammen, weil eine (der griechischen Idiomatik entsprechende) besondere Neigung des Übersetzers zur Wiedergabe im Imperfekt unver­ kennbar ist.44 1Sam 19,10 ‫קּשׁ שׁ ָאוּל ל ְה ַכֹּות בּ ַחֲנ ִית בּ ְד ָו ִד‬ ֵ ַ ‫ ו ַי ְב‬καὶ ἐζήτει Σαοὺλ πατάξαι τὸ δόρυ εἰς Δαυίδ. ֹ ְ ‫ ו ַי ְמ ָא ֲנוּ ה ָע ָם ל ִשׁ‬καὶ οὐκ ἐβούλετο 45 ὁ λαὸς 1Sam 8,19 ‫מע ַ בּ ְקֹול שׁ ְמוּא ֵל‬ ἀκοῦσαι τοῦ Σαμουήλ.

Für ‫אבה‬i, ‫ מאן‬und ‫ בקשׁ‬sind im Hebräischen Infinitivkonstruktionen typisch. Der Übersetzer verwendet auch im Griechischen den Infinitiv, was sowohl bei ζητέω ‚erstreben‘ (für ‫בקשׁ‬i) als auch bei βούλομαι ‚wollen‘ (ver­ neint für ‫ אבה‬und ‫מאן‬i) idiomatisch ist.46 In 1Sam 31,4 steht ‫ אבה‬absolut, ebenso οὐ βούλομαι in der Übersetzung dieses Verses (auch dies ein idio­ matischer Gebrauch).47 1Sam 31,4 ‫אד‬ ֹ ְ ‫רא מ‬ ֵ ָ ‫לא א ָב ָה ֹנשׂ ֵא כ ֵל ָיו כּ ִי י‬ ֹ ְ ‫ ו‬καὶ οὐκ ἐβούλετο ὁ αἴρων τὰ σκεύη αὐτοῦ, ὅτι ἐφοβήθη σφόδρα. Der Aorist ἐφοβήθη wird verwendet, weil das In-Furcht-Geraten vorzeitig und begründend im Verhältnis zur Weigerung des Waffenträgers steht, Saul zu töten: „Denn große Furcht hatte ihn ergriffen“. Textkritisch interessant ist 42 Blass/Debrunner/Rehkopf, § 328, beschreiben diese Verben so, dass „die bezeichnete Handlung ihr wirkliches Ziel erst im Tun eines anderen findet, ohne welches sie unvoll­ ständig und ergebnislos bleibt“. Mayser II/1, § 34, 1 b, nennt das Imperfekt im Zusammen­ hang solcher Handlungen das „Tempus der nicht vollendeten Tätigkeit“ (Hervorhebung im Original). S. auch oben Anm. 6. 43 Das Imperfekt ἐβούλετο ist Old Greek (mit GA); A B O b (Rahlfs) lesen den Aorist ἐβουλήθη; die L-Gruppe hat die Dublette καὶ ἠπείθησε καὶ οὐκ ἐβούλετο. 44 Im Hebräischen steht ‫ אבה‬im Perf. (ter); ‫ בקשׁ‬je einmal im Perf., Impf.cons. und im Pt.; ‫ הלך‬zweimal im Impf.cons. mit Inf.abs. (figura etymologica), zweimal im Pt. (auch in 1Sam 14,26 las der Übersetzer Pt.); ‫ מאן‬steht in allen drei Fällen im Impf.cons. Auch zu dieser Gruppe zählen ließe sich ‫‚ יכל‬können‘, das ich aufgrund der imperfektischen Wie­ dergaben in 1Sam 3,2; 4,15 dem schildernden Imperfekt zugeordnet habe (Hintergrund­ informationen zur Handlung). 45 Mit GA (ἠβούλετο B 46–52 242–328 509 [Rahlfs]). 46 S. z. B. Menge/Güthling s.v. ζητέω und βούλομαι II. 47 S. Menge/Güthling s.v. βούλομαι II.

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1Sam 28,23 ‫אכ ַל‬ ֹ ‫לא‬ ֹ ‫ ו ַי ְמ ָא ֵן ו ַֹיּאמ ֶר‬i(MT) ‫ וימאן לאכל‬i(Vorlage) καὶ οὐκ ἐβούλετο 48 φαγεῖν (OG) καὶ ἠπείθησε καὶ οὐκ ἐβούλετο φαγεῖν (L; mit Dublette καὶ ἠπείθησε)

In der hebräischen Überlieferung hin zum MT ist durch das Auseinander­ ziehen von ‫ לאכל‬zu ‫לא אכל‬i(am Spaltenumbruch?) ein textliches Problem entstanden, das durch Einfügung von ‫ ו ַֹיּאמ ֶר‬gelöst wurde. Ein lexikalischer Hebraismus ist der Gebrauch von πορεύομαι im Sinne von ‚andauern‘, ‚weitermachen mit‘ als Wiedergabe von ‫הלך‬i.49 Im Hebräi­ schen wird ‫הלך‬i, wenn es ‚weitermachen mit‘ heißt, gewöhnlich durch Par­ tizip oder Infinitiv ergänzt.50 Der Übersetzer imitiert neben der Lexik auch die hebräische Konstruktion, wodurch sehr unidiomatische Ausdruckswei­ sen entstehen. ִ ְ ‫ ו ְה ֶה ָמֹון א ֲשׁ ֶר בּ ְמ ַחֲנ ֵה פְל ִשׁ‬καὶ ὁ ἦχος ἐν τῇ 1Sam 14,19 ‫תּים ו ַיּ ֵל ֶך ְ ה ָלֹוך ְ ו ָרָב‬ παρεμβολῇ τῶν ἀλλοφύλων ἐπορεύετο πορευόμενος καὶ ἐπλήθυνεν.

2Sam 3,1 ‫הל ְכ ִים ו ְד ַלּ ִים‬ ֹ ‫הל ֵך ְ ו ְחָז ֵק וּב ֵית שׁ ָאוּל ו‬ ֹ ‫ ו ְד ָו ִד ו‬καὶ ὁ οἶκος Δαυὶδ ἐπορεύετο καὶ ἐκραταιοῦτο , καὶ ὁ οἶκος Σαοὺλ ἐπορεύετο καὶ ἠσθέ#νει . 5.2.2.4 Zusammenfassung und Übersetzungsvergleich Die Untersuchung der griechischen Imperfekte des Non-Kaige-Bereichs hat gezeigt, dass sich der Übersetzer bei der Tempuswahl nicht schematisch von der hebräischen Verbform leiten lässt. Es ist nicht etwa so, dass er Impf.cons. möglichst durch den Aorist wiedergeben würde, wie es mutmaßlich typisch für einen besonders wörtlichen Übersetzer wäre.51 Vielmehr sind unter den hebräischen Verbformen, die der Übersetzer durch das Imperfekt repräsen­ tiert, neben Infinitiven und Partizipien auch Perfekt und insbesondere das Imperfekt consecutivum vertreten. Die Analyse der Übersetzungen mit einem Imperfekt hat gezeigt, dass die Tempuswahl vom jeweiligen Kontext abhängt, wie ihn der Übersetzer intuitiv erfasst aufgrund von Inhalt, Verb­ formen und weiteren sprachlichen Signalen. Sein Sprachgefühl bringt bei der Wahl der Tempora wesentlich mehr an Variation ein, als dies bei der Wieder­ gabe anderer syntaktischer Strukturen der Fall ist. Umgekehrt ist seine sonst

48 Mit GA (ἐβουλήθη A B O b [Rahlfs]). Für die fünfte Spalte der Hexapla gibt es die Lesart ‚καὶ οὐκ ἐβουλήθη (s. [sive] ἐβούλετο) φαγεῖν‘ (Field, z. St., S. 539). 49 S. Muraoka s.v. πορεύομαι II 2. 50 S. Gesenius, Handwörterbuch, s.v. ‫ הלך‬IV. 51 Entsprechend geht Hutzli, Hanna und Samuel, 40 f, davon aus, der Übersetzer müsse die Tempora schematisch wiedergegeben haben, und man könne allenfalls „Unregelmässigkei­ ten“ (ebd., 40) zusammenstellen.

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zu beobachtende starke Neigung zu Standardwiedergaben ist im Bereich der Tempora in weitaus geringerem Maße festzustellen. Für die Analyse wurde der Imperfektgebrauch gruppiert nach iterativen Fällen, schilderndem Imperfekt und dem Imperfekt bei Verben, die ihr Handlungsziel außerhalb ihrer selbst tragen. Diese Einteilung folgt den Kategorien deutscher Grammatiken der griechischen Sprache; sie ist hilfs­ weise an das Griechische herangetragen, um diese aspektual funktionierende Sprache in einer nicht-aspektualen Sprache zu beschreiben.52 Die Kategori­ sierung ist dabei nicht nur für das Verständnis des griechischen Imperfekts sinnvoll, sondern sie bewährt sich auch in der signifikant unterschiedlichen Zusammensetzung der hebräischen Vorlagen für diese drei Gruppen. Bei iterativ gebrauchten Imperfekten ist die häufigste hebräische Tem­ puskonstellation eine Imperfekt-Perf.cons.-Reihe (neunmal Imperfekt mit 11 Fortsetzungen im Perf.cons.). Ebenfalls vertreten ist iterativ gebrauchtes hebräisches Perfekt (zehnmal), aber auch das Impf.cons. (neunmal). Die ite­ rativen Kontexte bestehen in überwiegend längeren Schilderungen eines bestimmten sich wiederholenden Geschehens. Der Übersetzer bleibt in die­ sen Kontexten oft auch dann beim Imperfekt, wenn im Hebräischen die Verbform wechselt (besonders zum Impf.cons.) – ein deutliches Indiz, dass er sich vom Kontext leiten lässt. Nach dem Sprachgebrauch der Koine ver­ wendet er in diesen Zusammenhängen auch einzelne iterativ gebrauchte Aoriste (mit ἄν bzw. ἐάν). Beim schildernden Imperfekt, das Voraussetzungen und Hintergründe von Handlungen einführt, aber auch für Dauer steht, sind gleichermaßen häufige Vorlagen Partizipien (41-mal) und das Impf.cons. (27-mal). Die Übersetzung von Impf.cons. durch schilderndes Imperfekt zeigt erneut, wie der Übersetzer seinem Sprachgefühl stärker folgt als formalen Kriterien sei­ ner Vorlage. Die durch schilderndes Imperfekt repräsentierten hebräischen Verben sind ein Querschnitt durch die in den Samuelbüchern verwendeten Wur­ zeln. Hervorstechend ist lediglich ‫ישׁב‬i, das im Non-Kaige-Bereich 13-mal durch Imperfekt (von κάθημαι bzw. κατοικέω) wiedergegeben wurde. Bei den Verben, die ihr Ziel außerhalb ihrer selbst tragen, finden sich im Hebräischen sechsmal Impf.cons. (davon zweimal in einer figura etymolo­ gica), viermal Perf. und viermal Partizip. Für einen Beleg (1Sam 3,21) ist die hebräische Vorlage nicht überliefert. Es ist eine Neigung des Übersetzers zum Imperfekt erkennbar, die offenbar in der Lexik dieser Verben begrün­ det ist. Es handelt sich um ‫‚ אבה‬wollen‘ (im Non-Kaige-Bereich dreimal mit Imperfekt; dreimal mit Indikativ Aorist übersetzt); ‫‚ בקשׁ‬versuchen zu erreichen‘ (dreimal / keinmal); ‫‚ מאן‬sich weigern‘ (dreimal / keinmal)53 sowie ‫הלך‬i, wenn es im Sinne von ‚fortfahren‘ / ‚weitermachen mit‘ gebraucht ist (sechsmal / keinmal). 52 S. oben Anm. 8. 53 Für 1Sam 28,23 gehe ich davon aus, dass οὐκ ἐβούλετο Old Greek ist (s. oben Anm. 43).

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Tempora: Imperfekt und praesens historicum

Für eine weitere Profilierung der Übersetzungstechnik des Samuelüber­ setzers ist es wünschenswert, seinen Imperfektgebrauch mit demjenigen anderer Übersetzer zu vergleichen. Die übersetzungstechnische Untersu­ chung der Verbalsyntax der LXX ist allerdings ein relativ junges For­ schungsfeld, so dass es noch kaum Studien für die einzelnen Übersetzer gibt. Wichtige Arbeiten auf diesem Gebiet haben Trevor Evans und Anssi Voitila für ausgewählte Texte des Pentateuchs vorgelegt.54 Die Ergebnisse von Anssi Voitila für die von ihm untersuchten Prosapassagen stimmen mit meinen Beobachtungen für den Samuelübersetzer darin überein, dass neben den hebräischen Verbformen das Sprachgefühl der Übersetzer ein ent­ scheidender Faktor bei der Wahl der Tempora ist.55 Entsprechend sind auch im Pentateuch nicht nur hebräische Partizipien und Imperfekte (mit Perf.­ cons.) durch griechisches Imperfekt wiedergegeben, sondern in einigen Fäl­ len auch Perfekt und Impf.cons.56 Trevor Evans legt den Schwerpunkt seiner Untersuchung auf den inner­ griechischen Stilvergleich, behandelt aber auch übersetzungstechnische Aspekte. So hat er die Anteile von Indikativ Aorist und Indikativ Imperfekt für hebräisches Impf.cons. und Perfekt für die Bücher des Pentateuchs ermittelt (im Unterschied zu Voitila allerdings nicht differenziert nach Text­ gattungen).57 Die Ansätze von Voitila und Evans aufnehmend, habe ich für alle Bücher der LXX mit Hilfe des Tov-Polak-Moduls von BibleWorks elektronisch ermittelt, wie oft das hebräische Impf.cons. durch Indikativ Aorist und Indikativ Imperfekt wiedergegeben ist. M.E. eignet sich das Impf.cons. für einen solchen Vergleich am besten, weil es gattungsübergreifend in der überwältigenden Zahl seiner Belege für ein Geschehen in der Vergangenheit verwendet wird, zumal wenn es mit einem Augmenttempus wiedergegeben ist.58 Das naheliegende Tempus für die Wiedergabe ist dabei der Aorist. Wenn ein Übersetzer nun häufiger statt des Aorists das Imperfekt benutzt, ist das ein Indiz für eine freiere Übersetzungsweise. Auch wenn eine solche Statistik die Untersuchung der Übersetzungsweise anhand individueller Fälle nicht ersetzen kann, gibt sie dennoch einen ersten Eindruck von der Arbeitsweise der Übersetzer. 54 Evans, Trevor V., Verbal Syntax in the Greek Pentateuch. Natural Greek Usage and He­ brew Interference, New York 2001; Voitila, Anssi, Présent et imparfait de l’indicatif dans le Pentateuque grec: une étude sur la syntaxe de traduction, Helsinki/Göttingen 2001. Für die Chronik liegt eine Arbeit von Roger Good vor: The Septuagint’s Translation of the Hebrew Verbal System in Chronicles, Leiden/Boston 2009. 55 S. oben S. 148 (Anm. 1). 56 S. die nach hebräischen Formen differenzierende Übersicht bei Voitila, Présent et impar­ fait, 154. 57 Evans, 215. 58 Die nur auf Impf.cons. basierende Statistik hat einen höheren Aussagewert, als wenn man das Perfekt einbezieht, weil Perfekt je nach Kontext auch andere natürliche Entsprechun­ gen als Vergangenheitstempora hat und – je nach Häufigkeit in einem Buch – die Ver­ gleichbarkeit der Statistik leidet.

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Imperfekt Buch

Impf.cons. = Ind. Aor. 1798 679 178 651 209 471 1100 130

Impf.cons. = Impf. 68 39 0 18 9 18 20 2

Summe

% Impf.

1866 718 178 669 218 489 1120 132

3,6 5,4 0,0 2,7 4,1 3,7 1,8 1,5

1Sam (Non-Kaige) 2Sam 1,1–10,5 (Non-Kaige)59 1Sam 1,1–2Sam 10,5 (Non-Kaige) 2Sam 10,6–24,25 (Kaige) 1Kön (Non-Kaige und Kaige) 2Kön (Kaige) Könige Non-Kaige60 Könige Kaige

994 284 1278 678 857 1148 707 1298

56 13 69 18 43 24 39 28

1050 279 1347 696 900 1172 746 1326

5,3 4,4 5,1 2,6 4,8 2,0 5,2 2,1

12Chr Neh Est Hiob Ps Jes Jer Ez 12Prof

1326 243 116 119 289 169 386 437 227

78 9 7 9 3 2 20 22 16

1404 252 123 128 292 171 406 459 243

5,6 3,6 5,7 7,0 1,0 1,2 4,9 4,8 6,6

Gen Ex Lev Num Dtn Jos Ri Ruth

Tabelle: Anteil des Imperfekts bei mit Ind. Aor. oder Impf. wiedergegebenen Impf.cons.-For­ men für Bücher mit einer Summe von Indikativ Aorist und Imperfekt von mindestens 100.

Die Zahlen zeigen, dass der Samuelübersetzer beim Gebrauch des Imper­ fekts nicht zu den besonders wörtlichen Übersetzern gehört.61 Wörtliches Vorgehen wäre, Impf.cons. möglichst oft durch den Aorist zu repräsentie­ ren, wie an den entsprechend verschobenen Frequenzen in den KaigeAbschnitten von Samuel und Könige deutlich wird: Der Anteil des Imper­ fekts ist im Vergleich zu den Non-Kaige-Abschnitten in etwa halbiert. Ver­ gleicht man die Frequenz des Imperfekts im Non-Kaige-Bereich von Samuel mit derjenigen in den anderen Geschichtsbüchern, gehört Samuel zusammen mit Könige (Non-Kaige) und der Chronik zu denjenigen 59 Zur Abgrenzung des Kaige-Bereichs s. unten S. 199. 60 Non-Kaige: 1Kön 2,12–21,29 (2,12–21,43 LXX); Kaige: 1Kön 1,1–2,11; 1Kön 22,1–2Kön 25,30. 61 Dass dieser Übersetzer über besondere Fähigkeiten im Bereich der Tempora verfügt, hat Anneli Aejmelaeus in ihrem Überblick über die Übersetzungstechnik im ersten Samuel­ buch beschrieben (Aejmelaeus, On the Trail, 136 f): „The translator’s special eye for tenses is evident.“ (ebd., 137).

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Tempora: Imperfekt und praesens historicum

Büchern mit dem höchsten Imperfekt-Anteil.62 Die ganz ähnliche Frequenz des Imperfekts in Samuel und Könige ist dabei ein Indiz für die Identität des Übersetzers.

5.2.3 Lukianische Rezension Die lukianische Rezension greift in insgesamt 34 Fällen (Non-KaigeBereich) in den Gebrauch des Imperfekts durch den Übersetzer ein. Sie werden in diesem Abschnitt beispielhaft63 dargestellt. Die lukianischen Eingriffe sind innergriechischer Natur, d. h. sie sind nicht im direkten Abgleich mit einem hebräischen Text erfolgt. Typisch für die lukianische Rezension sind stilistische Verbesserungen. Hinzu kommen Annäherungen an den MT; sie gehen oft auf hexaplarische Lesarten zu­ rück.64 Es können allerdings auch vorlukianische Anpassungen an den MT in den lukianischen Handschriften enthalten sein, wie sie in den Hand­ schriften der LXX immer wieder zu beobachten sind.65 Sicher ist, dass die lukianischen Rezensenten anders als Kaige nicht den MT als Inspiration ihrer Eingriffe flächig verglichen haben. Deshalb vergleiche ich im Folgen­ den nur griechische Lesarten miteinander (in der Regel die Lesarten des BTextes und der L-Gruppe). In denjenigen Fällen, bei denen der hebräische Text für die Klärung der Textentwicklung wichtig ist, gebe ich ihn zusätz­ lich an. 5.2.3.1 Harmonisierungen innerhalb eines Kontextes Die weitaus meisten Eingriffe der lukianischen Rezension beim Imperfekt­ gebrauch sind harmonisierender Art:66 In einem Kontext, für den der Über­ setzer Imperfekte verwendet, werden weitere Verben in das Imperfekt über­ 62 Verglichen mit originär griechischen historischen Texten ist der Anteil des Imperfekts allerdings noch immer niedrig (s. Evans, 211). 63 Nicht einzeln besprochen sind 1Sam 2,22; 5,6; 27,8 (Überschüsse in L); außerdem 1Sam 7,15; 14,19.32; 19,9; 23,9 und 2Sam 9,9. 64 S. Brock, Recensions, 297–299 (zur innergriechischen Natur der Änderungen insbesondere S. 297 f.). S. auch die Zusammenfassung des aktuellen Forschungsstands bei Kauhanen, Proto-Lucianic Problem, 14: Die lukianischen Handschriften „form a homogenous group or family that in the Historical Books attests a distinctive text type. This text type is cha­ racterized by readings more in accordance with good Greek style and the requirements of context and parallel passages, as well as a considerable number of Hexaplaric corrections according to the Hebrew text.“ 65 S. Aejmelaeus, On the Trail, 126. Die mit der Möglichkeit vorlukianischer Annäherungen an den Texttyp des MT verbundene „protolukianische Frage“ (ob sich eine protolukiani­ sche Rezension identifizieren lässt) hat Tuukka Kauhanen umfassend behandelt mit dem Ergebnis, dass ein solcher Nachweis nicht gelingt (s zusammenfassend Kauhanen, ProtoLucianic Problem, 190 f). 66 S. Aejmelaeus, On the Trail, 137: „[T]he Lucianic revisor seems to prefer consistency in his use of the tenses more than the original translator did.“

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führt. In einzelnen Fällen erfolgt die Harmonisierung aber auch so, dass ein Imperfekt an ein anderes Tempus des Kontextes angeglichen wird. 1Sam 2,14.16 καὶ καθήκεν 67 αὐτὴν εἰς τὸν λέβητα …‫ · ו‬πᾶν ὃ ἐὰν ἀνέβη ἐν τῇ κρεάγρᾳ ἐλάμβανεν ἑαυτῷ ὁ ἱερεύς. …‫( ו‬V. 16) καὶ ἔλεγεν ὁ ἀνὴρ ὁ θύων θυμιαθήτω …‫ ו‬καὶ εἶπεν Οὐχί, ὅτι νῦν δώσεις. (B-Text) καὶ καθίει αὐτὴν εἰς τὸν λέβητα …‫ ו‬πᾶν ὃ ἐὰν ἀνέβαινεν ἐν τῇ κρεά­ γρᾳ ἐλάμβανεν ἑαυτῷ ὁ ἱερεύς. …‫( ו‬V. 16) καὶ ἔλεγεν ὁ ἀνὴρ ὁ θύων θυμιαθήτω …‫ ו‬καὶ ἔλεγεν Οὐχί, ἀλλ᾽ ἢ νῦν δώσεις. (L; ἔλεγεν L 247) Die lukianischen Rezensenten passen das Tempus von καθίημι und ἀνα­ βαίνω an die übrigen Imperfekte an.68 So vereinheitlichen sie nicht nur den Tempusgebrauch, sondern verbessern auch den aus Sicht der klassischen Grammatik wenig schönen iterativen Gebrauch des Aorists in der Formu­ lierung πᾶν ὃ ἐὰν ἀνέβη.69 1Sam 8,370 καὶ οὐκ ἐπορεύθησαν οἱ υἱοὶ αὐτοῦ ἐν ὁδῷ αὐτοῦ, καὶ ἐξέκλι­ ναν ὀπίσω τῆς συντελείας · καὶ ἐλάμβανον δῶρα καὶ ἐξέκλιναν δικαιώματα. (Handschriftenmehrheit) καὶ οὐκ ἐπορεύθησαν οἱ υἱοὶ αὐτοῦ ἐν τῇ ὁδῷ αὐτοῦ, καὶ ἐξέκλιναν ὀπίσω τῆς πλεονεξίας · καὶ ἐλάμβανον δῶρα καὶ ἐξέκλινον δικαιώ­ ματα. (lukianischer Text; das Imperfekt ἐξέκλινον haben Bc L–19 121 68– 120–122–134 f 318 554 = Rahlfs; ἐξέκλεινον B* 55*)

Für die lukianischen Rezensenten fügt sich die Änderung des Aorists καὶ ἐξέκλιναν in das Imperfekt in die auch sonst zu beobachtende Harmonisie­ rung der Tempora in iterativen Kontexten ein (Anpassung an καὶ ἐλάμβα­ νον δῶρα). 1Sam 11,11 καὶ εἰσπορεύονται μέσον τῆς παρεμβολῆς ἐν φυλακῇ τῇ πρωινῇ,71 καὶ ἔτυπτον 72 τοὺς υἱοὺς Ἀμμὼν ἕως διεθερμάνθη ἡ ἡμέρα · 67 S. oben Anm. 9. 68 S. Aejmelaeus, On the Trail, 138. 69 Diese Beobachtung einer Angleichung an die Regeln der klassischen Grammatik macht auch Sebastian Brock für verschiedene Änderungen der lukianischen Rezensenten (die Eingriffe beim Imperfekt hat er nicht untersucht). Er hält fest, dass etliche rezensionelle Muster in L „can only be interpreted as the result of some large scale recension […‫ ]ו‬whose aim was to remove some (but, it appears, by no means all) the most blatant features of hel­ lenistic Greek, replacing them by Attic forms.“ (Brock, Recensions, 254 f) Dass diese Ein­ griffe in der Tat nicht konsequent sind, zeigt im Kontext von 1Sam 2,12–16 der auch in der lukianischen Rezension beibehaltene iterative Aorist ὡς ἂν ἡψήθη (V. 13). 70 Zur Tempuswahl des Übersetzers s. oben S. 155. 71 ἑωθινῇ B. 72 καὶ ἐπλήξε(ν/-αν) A O d 554txt – eine offensichtlich hexaplarische Korrektur (πλήσσω im Aorist ist vielfach dokumentierte Entsprechung für ‫ נכה‬Hifil; s. Reider/Turner s.v. πλήσ­ σειν).

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καὶ ἐγενήθη73 οἱ ὑπολελειμμένοι διεσπάρησαν. (Handschriftenmehr­

heit) καὶ εἰσπορεύονται εἰς μέσον τῆς παρεμβολῆς τῶν υἱῶν Ἀμμὼν ἐν τῇ πρωινῇ φυλακῇ, καὶ τύπτουσι τοὺς υἱοὺς Ἀμμὼν ἕως οὗ διεθερμάνθη ἡ ἡμέρα · καὶ ἐγένοντο οἱ ὑπολελειμμένοι διεσπαρμένοι. (L)

Auch bei dieser Schilderung eines Kampfes der Truppen Sauls gegen die Ammoniter vereinheitlichen die lukianischen Rezensenten den Tempusge­ brauch: Sie ändern das Imperfekt καὶ ἔτυπτον analog zu καὶ εἰσπορεύον­ ται ins praesens historicum. Im Übrigen ergänzen die Rezensenten τῶν υἱῶν Ἀμμών (es handelt sich um eine der typischen leseerleichternden Ergänzun­ gen in L).74 1Sam 12,10 καὶ ἐβόησαν πρὸς Κύριον καὶ ἔλεγον Ἡμάρτομεν, ὅτι ἐγκατ­ ελίπομεν τὸν Κύριον. (nichtlukianische Handschriften) καὶ ἐβόησαν πρὸς Κύριον καὶ εἶπον Ἡμάρτομεν, ὅτι ἐγκατελίπομεν τὸν Κύριον. (L-Gruppe; καὶ εἶπον L 46–52–242–328; καὶ εἶπαν 236– 313–530 a–119 119*). Anlass für die Änderung in den Aorist dürfte eine Harmonisierung mit dem Aorist ἐβόησαν sein. 1Sam 14,32 καὶ ἔλαβεν ὁ λαὸς ποίμνια καὶ βουκόλια καὶ τέκνα βοῶν, καὶ #ἔσφαξεν ἐπὶ τὴν γῆν · καὶ ἤσθιεν ὁ λαὸς σὺν τῷ αἵματι. (B-Text) καὶ ἔλαβεν ὁ λαὸς ποίμνια καὶ βουκόλια καὶ τέκνα βοῶν, καὶ ἔσφαζον ἐπὶ τὴν γῆν · καὶ ἤσθιεν ὁ λαὸς σὺν τῷ αἵματι. (L; ἔσφαζον V L f 55 245 318) Die lukianische Rezension hat den Aorist καὶ ἔσφαξεν angepasst an das Imperfekt καὶ ἤσθιεν und damit die Vorgänge des Schlachtens und Essens erzählerisch zusammengebunden. Das so hergestellte Erzählgefüge ist stilis­ tisch wesentlich besser als dasjenige des Übersetzers, denn es akzentuiert den kultisch anstößigen Umgang mit der Beute auch schon für das Schlach­ ten ἐπὶ τὴν γῆν.75 73 Mit GA (καὶ ἐγενήθησαν A B O b [Rahlfs]). 74 Sebastian Brock hält für die lukianische Rezension fest „the very frequent insertion of pro­ per names or pronouns in order to make the narrative absolutely explicit: these insertions are quite unnecessary for the purposes of private reading, and are only explicable in the context of public use.“ (Brock, Recensions, 252) So zutreffend diese Beobachtung ist, so wenig zwingend ist die von Brock gegebene Begründung; auch im „privaten“ Gebrauch liest sich der Text durch die Einfügungen oft flüssiger (so auch im obigen Beispiel 1Sam 11,11). 75 Nicht erst das Essen des Blutes, sondern bereits das Schlachten auf der Erde ist frevelhaft, weil das Blut dabei nicht abfließen kann (s. McCarter, I Samuel, Notes z. St.). Deshalb lässt Saul einen Stein aufstellen, auf dem geschlachtet wird (V. 33 f).

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1Sam 17,35 καὶ ἐξεπορευόμην ὀπίσω αὐτοῦ καὶ ἐπάταξα αὐτὸν καὶ #ἐξέσπασα ἐκ τοῦ στόματος αὐτοῦ · καὶ εἰ ἐπανίστατο ἐπ᾽ ἐμέ, καὶ #ἐκράτησα τοῦ φάρυγγος αὐτοῦ καὶ ἐπάταξα καὶ ἐθανάτωσα αὐτόν. (B-Text) καὶ ἐξηρχόμην κατόπισθεν αὐτοῦ καὶ ἐπάτασσον αὐτὸν καὶ ἐξέσπων ἐκ τοῦ στόματος αὐτοῦ · καὶ εἰ ἐπανίστατο ἐπ᾽ ἐμέ, ἐκράτουν τοῦ φάρυγγος αὐτοῦ καὶ ἐπάτασσον αὐτὸν καὶ ἐθανάτουν αὐτόν. (L; ἐπάτασσον L 158 554; ἐξέσπων L O 158 554; ἐκράτουν L 158 318; ἐπάτασσον L 158 318)

Die lukianischen Rezensenten vereinheitlichen den Tempusgebrauch inner­ halb dieses iterativen Kontextes, indem sie ἐπάταξα, ἐξέσπασα und ἐκρά­ τησα ins Imperfekt überführen. L (mit 158 554c) ändert außerdem lexikalisch: καὶ ἐξεπορευόμην wird zu καὶ ἐξηρχόμην. Ich nehme an, dass den Rezensenten ἐκπορεύομαι ‚wegge­ hen‘ kontextuell nicht passend erschien dafür, dass David die Verfolgung eines gefährlichen Tiers aufnimmt. Anders als ἐκπορεύομαι wird ἐξέρ­ χομαι auch für ‚in den Kampf ziehen‘ gebraucht.76 1Sam 23,26 καὶ ἦν Δαυὶδ σκεπαζόμενος πορεύεσθαι ἀπὸ προσώπου Σαούλ, καὶ Σαοὺλ καὶ οἱ ἄνδρες αὐτοῦ παρενέβαλον ἐπὶ Δαυὶδ καὶ τοὺς ἄνδρας αὐτοῦ συλλαβεῖν αὐτούς. (B-Text) καὶ Δαυὶδ ἦν σκεπαζόμενος πορεύεσθαι ἀπὸ προσώπου Σαούλ, καὶ Σαοὺλ καὶ οἱ ἄνδρες αὐτοῦ παρεπλαγίαζον ἐπὶ Δαυὶδ καὶ τοὺς ἄν­ δρας αὐτοῦ τοῦ συλλαβεῖν αὐτόν. (L) L passt παρενέβαλον durch das Imperfekt παρεπλαγίαζον dem durativen Kontext an (ἦν Δαυὶδ σκεπαζόμενος).77 Dadurch vermeiden die Rezensen­ ten den Eindruck, die Umzingelung Davids durch Saul sei zu einem Abschluss gekommen, d. h. erfolgreich gewesen. Die seltene Vokabel παρα­ πλαγιάζω ‚versteckt aufmarschieren‘ steigert die Dramaturgie der Szene. 1Sam 25,42 ‫רי‬ ֵ ֲ‫תּל ֶך ְ א ַח‬ ֵ ַ ‫הל ְכֹות ל ְרַג ְל ָהּ ו‬ ֹ ַ ‫תיה ָ וה‬ ֶ ֹ‫תּרְכּ ַב ע ַל־ה ַחֲמֹור ו ְחָמ ֵשׁ נ ַע ֲר‬ ִ ַ‫ו‬ ‫מ ַל ְא ֲכ ֵי ד ָו ִד‬i καὶ ἐπέβη ἐπὶ τὴν ὄνον, καὶ πέντε κοράσια ἠκολούθουν αὐτῇ, καὶ ἐπορεύθη ὀπίσω τῶν παίδων Δαυίδ. (B-Text) καὶ ἐπέβη ἐπὶ τὴν ὄνον, καὶ πέντε κοράσια αὐτῆς ἠκολούθησαν αὐτῇ, καὶ ἐπορεύθη ὀπίσω τῶν ἀγγέλων Δαυίδ. (L)

76 S. Menge/Güthling s.v. ἐξέρχομαι. 77 S. Blass/Debrunner/Rehkopf, § 353: Die coniugatio periphrastica kann den durativen Cha­ rakter weiter verstärken (ebd., Nr. 2); oft aber „ist die Umschreibung von der einfachen Form im Sinn nicht verschieden, besonders für das Impf.“ (ebd., Nr. 3).

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Die L-Gruppe und O 46–52 125 haben den Aorist ἠκολούθησαν (ἠκο­ λούθησεν 93–127). Das Imperfekt ἠκολούθουν wirkt unmotiviert innerhalb der Aoriste ἐπέβη und ἐπορεύθη. Die Handschriftenkonstellation deutet darauf hin, dass der Aorist von der Hexapla (fünfte Spalte) übernommen sein könnte. 2Sam 2,3 f καὶ κατῴκουν ἐν ταῖς πόλεσιν Χεβρών. καὶ ἔρχονται ἄνδρες τῆς Ἰουδαίας…‫( ו‬B-Text) καὶ κατοικοῦσιν ἐν ταῖς πόλεσι Χεβρών. καὶ ἔρχονται οἱ ἄνδρες τῆς Ἰουδαίας…‫( ו‬L) L vereinheitlicht den Tempusgebrauch und setzt κατῴκουν ins praesens hi­ storicum. 2Sam 8,6 καὶ ἔσωσεν Κύριος τὸν Δαυὶδ ἐν πᾶσιν οἷς ἐπορεύετο. (Hand­ schriftenmehrheit) καὶ ἔσῳζε Κύριος τὸν Δαυὶδ ἐν πᾶσιν οἷς78 ἐπορεύετο. (93–127 CI 71 318 342 554) 93–127 CI 71 318 342 554 haben das Imperfekt καὶ ἔσῳζε. Dass neben 93 und 127 auch 318 und 554 Imperfekt lesen, zeigt, dass es in L enthalten war.79 Es handelt sich um eine Angleichung an das Imperfekt ἐπορεύετο. Die gleiche Änderung findet sich in 2Sam 8,14 καὶ ἔσωσεν Κύριος τὸν Δαυὶδ ἐν πᾶσιν οἷς ἐπορεύετο.80 (BText) καὶ ἔσῳζε Κύριος τὸν Δαυὶδ ἐν πᾶσιν οὗ ἐὰν ἐπορεύετο. (L) Textkritisch nicht leicht zu bewerten ist die Änderung in ֹ ‫ו ְא ִישׁ ו ְא ִשּׁ ָה ו‬i 1Sam 27,11 ‫לא־י ְחַיּ ֶה ד ָו ִד ל ְה ָב ִיא ג ַת‬ καὶ ἄνδρα καὶ γυναῖκα οὐκ ἐζωογόνησεν τοῦ εἰσαγαγεῖν εἰς Γέθ.

(Rahlfs) καὶ πάντα ἄνδρα καὶ γυναῖκα οὐκ ἐζωογόνει Δαυὶδ τοῦ εἰσαγαγεῖν εἰς Γέθ. (L; οὐκ ἐζωογόνει L f 158 318 554 = GA) Οὐκ ἐζωογόνησεν ist eine der ganz seltenen Konjekturen von Rahlfs; alle Handschriften außer L f 158 318 554 lesen die 1. Person Singular (οὐκ ἐζωο­ γόνησα) oder Plural (οὐκ ἐζωογονήσαμεν). Die 1. Person Singular kann m.E. Old Greek sein, denn der Weg im Hebräischen von ‫לא־אחיה‬i(Vorlage 78 οὗ ἐὰν L. 79 So auch Fernández Marcos und Busto Saiz in ihrer kritischen Ausgabe. 80 ἐπορεύθη M C’ 527 d f s–64 381 29 71 158 318 342 554 – eine der Änderung von L komple­ mentäre Vereinheitlichung durch Anpassung von ἐπορεύετο an den Aorist καὶ ἔσωσεν.

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für οὐκ ἐζωογόνησα) zu ‫לא־י ְחַיּ ֶה‬ ֹ ‫ד ָו ִד‬i (MT) ist nicht weit: ‫ לא־אחיה‬kann leicht zu ‫לא־י ְחַיּ ֶה‬ ֹ werden, und um den Text lesbar zu erhalten, wird ‫ד ָו ִד‬ ergänzt. Ein Indiz für diese Deutung ist, dass Δαυίδ nur in L 98–379–731*+mg f 158 318 554 enthalten ist, d. h. dass ‫ ד ָו ִד‬aller Wahrscheinlichkeit nach nicht zur hebräischen Vorlage des Übersetzers gehörte. Versteht man die Text­ entwicklung so, wäre οὐκ ἐζωογόνει Korrektur nach dem masoretischen Texttyp; das Imperfekt wäre Angleichung an die Imperfekte von V. 9. Eine zu dieser Deutung alternative und ebenfalls plausible Erklärung ist, dass L f 158 318 554 mit οὐκ ἐζωογόνει die ursprüngliche Lesart bewahren; dieses Imperfekt ist für die Arbeitsweise des Übersetzers gut vorstellbar. Die 1. Person οὐκ ἐζωογόνησα bzw. οὐκ ἐζωογονήσαμεν in den nichtlu­ kianischen Handschriften wäre dann eine die wörtliche Rede von V. 10 fort­ setzende Angleichung. Die Schwierigkeit dieser Erklärung liegt darin, dass die 1. Person breit in den Handschriften bezeugt ist. Wegen der textkritischen Unsicherheit dieser Stelle lasse ich sie in den zusammenfassenden Statistiken unberücksichtigt. Insgesamt gleichen die lukianischen Rezensenten in Kontexten, in denen der Übersetzer das Imperfekt verwendet, 12 Aoriste an den durativen Kon­ text an und setzen sie ins Imperfekt (1Sam 2,14.16 ter; 8,3; 14,32; 17,35 ter; 23,26; 2Sam 8,6.14). Zweimal harmonisieren sie in der Weise, dass sie ein Imperfekt an ein vom Übersetzer verwendetes praesens historicum anglei­ chen (1Sam 11,1; 2Sam 2,3). In 1Sam 12,10 und 25,42 wird ein Imperfekt an umstehende Aoriste angeglichen. Im Ganzen ist die tempusharmonisierende Tendenz der lukianischen Rezension deutlich. Dass die Harmonisierungen in der Summe zugunsten des Imperfekts erfolgen (und nicht etwa zugunsten des Aorists), zeigt die Ausrichtung auf eine stilistische Verbesserung der Übersetzung durch die Rezensenten.81 5.2.3.2 Einzeln stehende Imperfekte Die lukianischen Rezensenten harmonisieren nicht nur den Tempusge­ brauch innerhalb eines Kontextes, sondern greifen in einigen Fällen auch so ein, dass sie einen einzelnen Aorist ins Imperfekt überführen. Nur ganz sel­ ten ändern sie dagegen ein einzelnes Imperfekt in ein anderes Tempus. 1Sam 17,39 καὶ ἐκοπίασεν περιπατήσας ἅπαξ καὶ δίς. (B-Text) καὶ ἐχώλαινε Δαυὶδ ἐν τῷ βαδίζειν ἐν αὐτοῖς ἅπαξ καὶ δίς. (L [82 εχωλευεν] 158 554mg)

81 S. unten Abschnitt 5.4.2.2.

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L formuliert um. Die Ausdrucksweise ἐκοπίασεν περιπατήσας („er ver­ suchte, herumzugehen“) ist durch das ergänzende Partizip hebraistisch, und auch lexikalisch ist περιπατέω eher mit ‚spazierengehen‘ als mit militä­ rischer Übung konnotiert.82 Bei der Neuformulierung verwendet L ein Imperfekt. 1Sam 17,52 καὶ κατεδίωξαν ὀπίσω αὐτῶν ἕως εἰσόδου Γὲθ καὶ ἕως τῆς πύλης Ἀσκαλῶνος · καὶ ἔπεσαν τραυματίαι τῶν ἀλλοφύλων ἐν τῇ ὁδῷ. (B-Text) καὶ κατεδίωκον ὀπίσω τῶν ἀλλοφύλων ἕως τῆς εἰσόδου Γὲθ καὶ ἕως τῆς πύλης Ἀσκάλωνος · καὶ ἔπεσον τραυματίαι τῶν ἀλλοφύλων ἐν τῇ ὁδῷ. (L)

Die Angabe zweier Zielpunkte, die eine längere Verfolgungsjagd nahelegen, veranlasst L, den Aorist κατεδίωξαν ins Imperfekt zu setzen. 1Sam 22,5 καὶ ἐκάθισεν ἐν πόλει Σαρίχ. (B-Text) καὶ κατῴκει ἐν πόλει Σαρίχ. (L) Die lukianische Rezension akzentuiert durch die Änderung des Tempus ins Imperfekt, dass sich David in Sarich aufhält. Der Aorist des Übersetzers, ἐκάθισεν, hat den (inhaltlich hier nicht zutreffenden) resultativen Akzent ‚sich niederlassen‘. Außerdem ändern die Rezensenten die Vokabel, da der Gebrauch von καθίζω für ‚wohnen‘ ein Hebraismus ist.83 Eine ähnliche Änderung findet sich in 1Sam 26,3 καὶ Δαυὶδ ἐκάθισεν ἐν τῇ ἐρήμω. (B-Text) καὶ ὁ Δαυὶδ ἐκάθητο ἐν τῇ ἐρήμω. (L; ἐκάθητο L f 460 554) Wieder soll der Eindruck vermieden werden, David habe sich in der Wüste niedergelassen. Weil David keinen dauerhaften Aufenthalt nimmt, sondern sich lagert (in einer Kampfessituation), verwendet L die Vokabel κάθημαι. 1Sam 23,13 καὶ ἐπορεύοντο οὗ ἐὰν84 ἐπορεύθησαν . (Handschriftenmehr­ heit) καὶ ἐπορεύοντο οὗ ἂν ἐπορεύοντο . (L; ἐπορεύοντο auch CII–242 s)

82 Muraoka gibt die Bedeutung mit ‚to walk about‘ / ‚to take a walk‘ an; ähnlich Bauer/Aland (s.v. περιπατέω). βαδίζω dagegen wird auch in militärischen Kontexten verwendet: ‚mar­ schieren‘ / ‚angreifen‘ (s. Menge/Güthling s.v. βαδίζω); es bedeutet (in Entgegensetzung zu περιπατέω ‚herumgehen‘) ‚eine Strecke gehen‘ (s. Liddell/Scott/Jones s.v. περιπατέω, wo am Anfang des Eintrags auf den Unterschied hingewiesen wird). 83 S. die Lexika s.v. καθίζω (Muraoka kennzeichnet diesen Gebrauch s.v. καθίζω 3 durch * als hebraistisch). 84 ἄν A L–19 108 a 44–107–125–610 489 158 244 460.

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Der Aorist ἐπορεύθησαν85 reizte ebenso wie ἐάν86 zu Korrekturen. Ich vermute, dass die Korrektur zum Imperfekt in L und den übrigen Hand­ schriften unabhängig voneinander erfolgt ist. 1Sam 25,35 καὶ ἔλαβεν Δαυὶδ ἐκ χειρὸς αὐτῆς πάντα ἃ ἔφερεν αὐτῷ. (BText) καὶ ἔλαβε Δαυὶδ πάντα τὰ ἐκ τῆς χειρὸς αὐτῆς ἃ ἤνεγκεν αὐτῷ. (L). In diesem Vers wird das Imperfekt in den Aorist überführt, weil das Mitge­ bracht-Haben der Geschenke (ἃ ἤνεγκεν) vorzeitig ist gegenüber ihrem Entgegennehmen durch David (ἔλαβεν). 2Sam 2,29 ‫ו ְא ַב ְנ ֵר ו ַא ֲנ ָשׁ ָיו ה ָל ְכוּ בּ ָע ֲרָב ָה כֹּל ה ַלּ ַי ְל ָה ה ַהוּא ו ַיּ ַע ַב ְרוּ א ֶת־ה ַיּ ַרְדּ ֵן‬ ‫תרֹון‬ ְ ִ ‫ו ַיּ ֵל ְכוּ כּ ָל־ה ַבּ‬i καὶ Ἀβεννὴρ καὶ οἱ ἄνδρες αὐτοῦ ἀπῆλθον εἰς δυσμὰς ὅλην τὴν νύκτα ἐκείνην, καὶ διέβαινoν τὸν Ἰορδάνην καὶ ἐπορεύθησαν ὅλην τὴν παρα­ τείνουσαν. (Handschriftenmehrheit) καὶ Ἀβεννὴρ καὶ οἱ ἄνδρες αὐτοῦ ἀπῆλθον εἰς δυσμὰς ὅλην τὴν νύκτα ἐκείνην, καὶ διέβησαν τὸν Ιορδάνην καὶ ἐπορεύθησαν ὅλην τὴν παρα­ τείνουσαν. (L)

Mit den Änderungen von καὶ διέβαινoν zu καὶ διέβησαν (L a b 318; διέ­ βενναν 509) bzw. καὶ διέβαιναν (Β 121; Rahlfs) wird ein erzähllogisch

wenig einleuchtendes Imperfekt verbessert.87 Die Änderung zum Aorist könnte unabhängig voneinander in B 121 und den lukianischen Handschrif­ ten erfolgt sein.

2Sam 3,17 Ἐχθὲς καὶ τρίτην ἐζητεῖτε τὸν Δαυὶδ βασιλεύειν ἐφ᾽ ὑμῶν. (BText) Ἐχθὲς καὶ τρίτην ζητοῦντες ἦτε Δαυὶδ βασιλεῦσαι ἐφ᾽ ὑμᾶς. (L) Durch die coniugatio periphrastica betont L die Nachhaltigkeit des Verlan­ gens der Ältesten:88 „Schon seit Tagen wolltet ihr David unbedingt als König über euch haben“.

85 Der Aorist mit ἐάν scheint als vulgär gegolten zu haben, s. Mayser II/1, § 48, Anhang; Blass/Debrunner/Rehkopf, § 373, 3; zum iterativen Gebrauch des Aorists in der Koine s. ebd., § 367. 86 S. Blass/Debrunner/Rehkopf, § 380, 1 b. 87 S. dazu oben S. 159. 88 S. Mayser II/1, § 41, 1b: „Wo […‫ ]ו‬präsentische Partizipien mit εἶναι verbunden werden, tritt der Verbalbegriff […‫ ]ו‬nachdrücklicher hervor, um eine dauernde Eigenschaft oder einen bleibenden Zustand auszudrücken.“ (Hervorhebung im Original).

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Tempora: Imperfekt und praesens historicum

2Sam 3,22 ‫ מ ֵה ַגּ ְדוּד ו ְשׁ ָל ָל רָב ע ִמּ ָם ה ֵב ִיאוּ‬89‫ו ְה ִנּ ֵה ע ַב ְד ֵי ד ָו ִד ו ְיֹוא ָב ובּ ָא‬ καὶ ἰδοὺ οἱ παῖδες Δαυὶδ καὶ Ἰωὰβ παρεγίνοντο ἐκ τῆς ἐξοδίας, καὶ σκῦλα πολλὰ ἔφερον μετ᾽ αὐτῶν. (Rahlfs) καὶ ἰδοὺ οἱ παῖδες Δαυὶδ καὶ Ἰωὰβ παρεγένοντο ἀπὸ τῆς ἐξοδίας, καὶ σκῦλα ἔφερον μετ᾽ αὐτῶν. (L; παρεγένοντο M O L CI a–527 509 64–

381–489 158 245) Die Bezeugung für παρεγένοντο legt nahe, dass die Überführung des Imperfekts in den Aorist auf hexaplarischen Einfluss zurückgeht. Insgesamt überführen die lukianischen Rezensenten fünfmal einen ein­ zelnen Aorist in das Imperfekt (1Sam 17,39.52; 22,5; 23,13; 26,3). Dreimal ändern sie ein Imperfekt in einen Aorist (1Sam 25,35; 2Sam 2,29; 3,22); ein­ mal ein Imperfekt in eine coniugatio periphrastica (2Sam 3,17). Für diese Eingriffe ist das Bemühen um eine stilistische Verbesserung des Textes deut­ lich erkennbar. 5.2.3.3 Besondere Fälle Drei Unterschiede im Bereich des Imperfekts passen nicht in die sonst beobachteten Muster der Arbeitsweise der lukianischen Rezensenten. Es handelt sich um zwei Überschüsse der L-Gruppe (1Sam 7,4; 8,8) sowie eine auffällige Änderung eines Partizips in ein Imperfekt bei der Prädikation JHWHs als Ladenthroner (1Sam 4,4). ֹ ‫תּ‬ ָ ְ ‫ו ַיּ ָס ִירוּ בּ ְנ ֵי י ִשׂ ְרָא ֵל א ֶת־ה ַבּ ְע ָל ִים ו ְא ֶת־ה ָע ַשׁ‬ 1Sam 7,4 ‫רת ו ַיּ ַע ַב ְדוּ א ֶת־י ְהו ָה‬ ‫ל ְב ַדֹּו‬i καὶ περιεῖλον οἱ υἱοὶ Ἰσραὴλ τὰς Βααλεὶμ καὶ τὰ ἄλση Ἀσταρώθ, καὶ ἐδούλευσαν Κυρίῳ μόνῳ. (B-Text) καὶ ἐξῆραν οἱ υἱοὶ Ἰσραὴλ τὰ Βααλεὶμ καὶ τὰ ἄλση Ἀσταρώθ, καὶ ἐδούλευσαν τῷ Κυρίῳ μόνῳ, καὶ εὐηρέστουν αὐτῷ. (L)

Neben der für die lukianischen Rezensenten typischen Änderung einer Prä­ position bei Komposita (ἐξαιρέω statt περιαιρέω) haben die lukianischen Handschriften die Glosse90 καὶ εὐηρέστουν αὐτῷ. Diese Worte erinnern an entsprechende Formulierungen in der Genesis (Gen 5,22.24; 6,9; 17,1; 24,40; 48,15). Ebenfalls einen an den Pentateuch erinnernden Überschuss hat L in 1Sam 8,8. 1Sam 8,8 ‫מּצְרַי ִם ו ְע ַד־ה ַיֹּום ה ַזּ ֶה‬ ִ ִ ‫תם מ‬ ָ ‫א‬ ֹ ‫תי‬ ִ ‫ל‬ ֹ ֲ ‫כּ ְכ ָל־ה ַמּ ַע ֲשׂ ִים א ֲשׁ ֶר־ע ָשׂוּ מ ִיֹּום ה ַע‬ ‫לה ִים א ֲחֵרִים‬ ֹ ֱ ‫בנ ִי ו ַיּ ַע ַב ְדוּ א‬ ֻ ְ ‫ ו ַיּ ַע ַז‬i ְ ‫עשׂ ִים גּ ַם־ל ָך‬ ֹ ‫כּ ֵן ה ֵמּ ָה‬i(MT) 89 Zwei masoretische Handschriften lesen Plural (s. App. der BHS). 90 Brock, Recensions, 276: „Ad sensum (no obvious source)“.

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κατὰ πάντα τὰ ποιήματα ἃ ἐποίησάν μοι ἀφ᾽ ἧς ἡμέρας ἀνήγαγον αὐτοὺς ἐξ Αἰγύπτου ἕως τῆς ἡμέρας ταύτης, καὶ ἐγκατέλιπόν με καὶ ἐδούλευσαν θεοῖς ἑτέροις, οὕτως αὐτοὶ ποιοῦσιν καὶ σοί. (Handschriftenmehrheit) κατὰ πάντα τὰ ἔργα αὐτῶν ἃ ἐποίησάν μοι ἀφ᾽ ἧς ἡμέρας ἀνήγαγον αὐτοὺς ἐξ Αἰγύπτου καὶ ἕως τῆς ἡμέρας ταύτης, καὶ ἐγκατέλειπόν με καὶ ἐδούλευσαν θεοῖς ἑτέροις, οὕς αὐτοὶ ποιοῦσιν, καί γε ἐλάτρευσαν αὐτοῖς, οὕτως αὐτοὶ ποιοῦσι καὶ σοί. (L-Gruppe)

Statt des Aorists καὶ ἐγκατέλιπον der Handschriftenmehrheit haben A O L–108 127 527 b 29 55 245 318 460 707 das Imperfekt καὶ ἐγκατελείπον (ἐνκατελήπον 108; ἐνκατέλιπον V 127). Statt des Aorists καὶ ἐδούλευσαν (Handschriftenmehrheit) lesen das Imperfekt καὶ ἐδούλευον A B 509 f 55 318 (Rahlfs). Die textliche Situation dieser Stelle ist m.E. wie folgt aufzuschlüsseln: Es handelt sich um einen deutlich iterativen Kontext (V. 8 am Anfang): ‫כּ ְכ ָל־ה ַמּ ַע ֲשׂ ִים…וע ַד־ה ַיֹּום ה ַזּ ֶה‬i. Für den Übersetzer wäre Imperfekt zu erwarten, allerdings nicht für das vorzeitige ‫ה ַמּ ַע ֲשׂ ִים‬i (der Aorist ἃ ἐποίη­ σάν μοι ist einheitlich bezeugt). Aus übersetzungstechnischem Blickwinkel wahrscheinlich ist, dass der ֻ ְ ‫ ו ַיּ ַע ַז‬Imperfekt verwen­ Übersetzer für die Impf.cons.-Formen ‫בנ ִי ו ַיּ ַע ַב ְדוּ‬ det hat: Immer wieder geschah es, dass JHWH verlassen und andere Götter angebetet wurden. Die Handschriftenevidenz deute ich so, dass sowohl ἐγκαταλείπω als auch δουλεύω ursprünglich im Imperfekt standen. Anders als καὶ ἐδού­ λευον ist καὶ ἐγκατελείπον in L nicht bezeugt. Dennoch hat L dieses Imperfekt enthalten, wie das Imperfekt in f 318 zeigt. Demnach wäre ἐδούλευον in den lukianischen Handschriften in den Aorist überführt worden. Das wiederum könnte im Zusammenhang mit der auffällig kaige-artig klingenden Dublette91 καί γε ἐλάτρευσαν αὐτοῖς, οὕτως αὐτοὶ ποιοῦσι καὶ σοί stehen (L 158 318 554): Bei ihrer Aufnahme in den Text wurde ἐδούλευον dem Aorist dieser Dublette, ἐλάτρευσαν, angepasst. Wenn die Textentwicklung so abgelaufen wäre, läge hier einer der selte­ nen Fälle einer zeitlich als nachlukianisch erkennbaren Bearbeitung vor. Die eingefügte Dublette selbst erinnert an das Bilderverbot des Deka­ logs.92 Es könnte sein, dass die Dublette als exegetischer Querverweis auf den Dekalog zunächst am Rand notiert war und später in den Haupttext gewandert ist. 91 Brock, Recensions, 282, vermutet eine hexaplarische Herkunft: „καί γε suggests a hexapla­ ric origin (and so reflecting a Hebrew variant).“ 92 Wortgleich in Ex 20,5 und Dtn 5,9: οὐ προσκυνήσεις αὐτοῖς οὐδὲ μὴ λατρεύσῃς αὐτοῖς.

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Ein anders gelagerter Fall ist die Änderung eines Partizips in ein Imper­ fekt durch die lukianischen Rezensenten in 1Sam 4,4 …‫ו‬τὴν κιβωτὸν Κυρίου καθημένου χερουβίμ (B-Text) …‫ו‬τὴν κιβωτὸν διαθήκης Κυρίου τῶν δυνάμεων93 οὗ ἐπεκάθητο τὰ χερουβίμ (L) Die Umformulierung von καθημένου χερουβίμ zu οὗ ἐπεκάθητο τὰ χερουβίμ ist schwer einzuordnen94 – soll das Imperfekt im Unterschied zum Partizip bedeuten, dass es die Lade nicht mehr gibt und JHWH daher in der Vergangenheit auf ihr thronte? Da L bei analoger Formulierung in 2Sam 6,2; 2Kön 19,15 nicht ins Imperfekt ändert, kann man 1Sam 4,4 kein besonderes rezensionelles Gewicht beimessen – vielleicht wollten die Rezensenten einfach die asyndetische Anreihung von Prädikationen JHWHs variieren. Es bleibt festzuhalten, dass die beiden Textüberschüsse in 1Sam 7,4 (Glosse) und 8,8 (Dublette) von textgeschichtlichem Interesse sind, weil sie Querverweise auf den Pentateuch darstellen. Womöglich lassen sich weitere solcher Fälle im Text der lukianischen Rezension aufspüren. 1Sam 4,4 dage­ gen ist eher eine Korrektur im Vorbeigehen, der man kein besonderes Gewicht zumessen sollte. 5.2.3.4 Zusammenfassung Von den 161 Imperfekten des Übersetzers lassen die lukianischen Rezen­ senten die große Mehrzahl unangetastet. Neun ursprüngliche Imperfekte ändern sie in ein anderes Tempus (sechsmal in den Aorist, zweimal ins prae­ sens historicum, einmal in eine coniugatio periphrastica); 23-mal überführen sie einen Aorist des Übersetzers ins Imperfekt. In der Summe erhöht sich durch diese Eingriffe die Zahl der Imperfekte im Non-Kaige-Bereich um 14 von 161 auf 175 (+ 9 %). Die meisten dieser Eingriffe gehen auf Harmonisierungen innerhalb eines Kontexts zurück: Aoriste werden an umstehende Imperfekte angepasst, aber auch Imperfekte an umstehende praesentia historica bzw. Aoriste. Anders als der Übersetzer, der bei der Gestaltung seiner Übersetzung ein­ schließlich des Tempusgebrauchs immer ein enges Textsegment bearbeitete, hatten die lukianischen Rezensenten größere Kontexte im Blick. Deshalb harmonisieren sie nicht nur nachfolgende an vorausstehende Formen, son­ dern passen auch Aoriste (z. B. 1Sam 2,14 bis; 2Sam 8,14) und einmal ein

93 τῶν δυνάμεων ergänzen A L CI d–68 122 125 318 554 (127 mit Obeloi, d. h. hexaplarisch ergänzt). Der MT hat ‫רב ִים‬ ֻ ְ ‫א ֲרֹון בּ ְרִית־י ְהו ָה צְב ָאֹות ֹישׁ ֵב ה ַכּ‬i. 94 Brock vermutet, es handele sich um eine von 1Kön 8,7 (L) beeinflusste Lesart (Brock, Recensions, 274).

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praesens historicum (2Sam 11,1) an ein nachfolgendes Imperfekt bzw. prae­ sens historicum an. Manche dieser von L harmonisierten Kontexte hätte der Übersetzer m.E. ebenso gestaltet, wenn er einen größeren Zusammenhang überblickt hätte. Dass der Übersetzer beispielsweise ‫ ו ְה ִכּ ָה‬in 1Sam 2,14 mit dem Aorist καθήκεν und nicht mit dem Imperfekt καθίει (L-Gruppe) übersetzt, liegt m.E. daran, dass er den iterativen Kontext vorübergehend aus den Augen verlor. Solche auf das stark segmentierte Vorgehen des Übersetzers zurück­ gehende „Fehler“ korrigiert die lukianische Rezension. In fünf der dargestellten Fälle überführen die Rezensenten ein Verb im Aorist in ein Imperfekt, ohne dass es sich um eine Angleichung an andere Imperfekte handeln würde: Einmal führen die Rezensenten ein schilderndes Imperfekt ein und verbessern so den Stil (1Sam 17,52), einmal korrigieren sie einen aus ihrer Sicht unschönen iterativ gebrauchten Aorist (1Sam 23,13). Die drei übrigen Änderungen betreffen Fälle, bei denen der Überset­ zer eine fehlerhafte oder jedenfalls auffällige Übersetzung vorgenommen hat (1Sam 17,39; 22,5; 26,3). Das gilt auch für die umgekehrte Überführung zweier beim Übersetzer einzeln stehender Imperfekte in einen Aorist (1Sam 25,35; 2Sam 2,29). Zweimal ändert L den Aorist ἐκάθισεν (hebraistisch „er nahm seinen Aufenthaltsort“) in das idiomatisch wesentlich bessere Imperfekt κατῴκει bzw. ἐκάθητο (1Sam 22,5; 26,3). Einmal überführen die Rezensenten ein in der Satzlogik wenig sinnvolles Imperfekt in ein Perfekt (1Sam 25,35). In 1Sam 17,39 verbessern die Rezensenten eine lexikalisch verunglückte Über­ setzung und ersetzen dabei den Aorist ἐκοπίασεν durch das Imperfekt ἐχώλαινε. Schließlich setzt die lukianische Rezension in 1Sam 17,52 einen anhand des Kontexts als ausgedehnt erkennbaren Vorgang ins Imperfekt. Ein theologisch bemerkenswerter Sonderfall ist die ein Imperfekt enthal­ tende Glosse in 1Sam 7,4; hier werden Formulierungen der Genesis aufge­ nommen. Auch in 1Sam 8,8 findet sich eine den Wortlaut des Fremdgötter­ verbots des Pentateuchs paraphrasierende Glosse. Die Lesarten für diese Stelle deuten darauf hin, dass die Glosse zeitlich nach der lukianischen Rezension in den Text aufgenommen wurde. Das hervorstechende Merkmal der Arbeit der lukianischen Rezensenten im Bereich des Imperfekts ist die Vereinheitlichung des Tempusgebrauchs in durativen Kontexten. Dadurch erhöht sich die Zahl der Imperfekte. Zwar ist auch die lukianische Fassung der Samuelbücher weit von einem für origi­ när griechische Texte typischen Zahlenverhältnis von Imperfekt- und Aoristformen entfernt.95 Dennoch ist die Ausweitung des Imperfektge­ brauchs ein Schritt in Richtung eines idiomatischeren Tempusgebrauchs.

95 S. oben Anm. 62.

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5.2.4 Imperfekt im Kaige-Bereich Die Kaige-Rezension vermindert die Zahl der Imperfekte, indem sie zahl­ reiche Imperfekte in den Aorist überführt.96 Für die Auffindung und Wie­ derherstellung der durch Kaige veränderten Imperfekte kommt den lukiani­ schen Handschriften eine überragende Bedeutung zu: Wie die Analyse der lukianischen Rezensionstätigkeit im Non-Kaige-Bereich gezeigt hat, über­ liefern die lukianischen Rezensenten die meisten (jedoch nicht alle) Imper­ fekte des Übersetzers. Für die textkritische Arbeit ist allerdings zu berücksichtigen, dass die lukianischen Rezensenten auch Imperfekte hinzufügen. Das bedeutet: Nicht jedes in den lukianischen Handschriften des Kaige-Bereichs bezeugte Imperfekt gehört zwingend zu Old Greek. Eine Wiederherstellung der ori­ ginären Lesarten muss jeden Einzelfall analysieren und abwägen, ob ein Imperfekt als ursprünglich oder lukianisch anzusehen ist. Es ist über die in den lukianischen Handschriften bezeugten Imperfekte hinaus mit einigen weiteren ursprünglichen Imperfekten zu rechnen, die von der lukianischen und der Kaige-Rezension in ein anderes Tempus über­ führt wurden. Diese handschriftlich nicht bezeugten Imperfekte können textkritisch nicht wiederhergestellt werden, weil es keine hinreichenden Anhaltspunkte gibt, in welchen Fällen sie zu erwarten sind. Für die folgende zusammenfassende Darstellung habe ich die Kollations­ hefte für den Kaige-Abschnitt vollständig nach Imperfekten durchgesehen und alle Imperfekte verzeichnet sowie dokumentiert, welche Lesart ich für ursprünglich halte.97 5.2.4.1 Änderungen durch die Kaige-Rezension Die Eingriffe der Kaige-Rezension sind davon geprägt, dass Imperfekte in den Aorist überführt werden. Im Hintergrund steht das Bestreben der Rezensenten, das hebräische Impf.cons. sowie das hebräische Perfekt nach Möglichkeit durch den Aorist zu repräsentieren. 2Sam 17,20 ‫שׁבוּ י ְרוּשׁ ָל ִָם‬ ֻ ָ ‫לא מ ָצָאוּ ו ַיּ‬ ֹ ְ ‫ק שׁוּ ו‬ ְ ַ ‫ ו ַי ְב‬i καὶ ἐζήτησαν καὶ οὐχ εὗραν , καὶ ἀνέστρεψαν εἰς Ἰερουσαλήμ. (BText) καὶ ἐζήτουν καὶ οὐχ εὕρισκον αὐτοὺς, καὶ ἀναστρέφουσιν εἰς Ἰερου­ σαλήμ. (L) L überliefert das ursprüngliche, für den Übersetzer typische Tempusgefüge. Die Kaige-Rezensenten sorgen dafür, dass Perfekt und Impf.cons. durch 96 S. oben die Tabelle auf S. 165. Nach diesen Zahlen ist davon auszugehen, dass sich die Fre­ quenz des Impferfekts im Kaige-Bereich in etwa halbiert. 97 S. unten Anhang A: Imperfekte des Kaige-Bereichs (S. 246).

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den Aorist repräsentiert sind. Entsprechend überführen sie auch das prae­ sens historicum ἀναστρέφουσιν in den Aorist. 2Sam 15,6 ‫ ו ַיּ ַע ַשׂ א ַב ְשׁ ָלֹום כּ ַדּ ָב ָר ה ַזּ ֶה ל ְכ ָל־י ִשׂ ְרָא ֵל‬i καὶ ἐποίησεν Ἀβεσσαλὼμ κατὰ τὸ ῥῆμα τοῦτο παντὶ Ἰσραήλ. (B-Text) καὶ ἐποίει Ἀβεσσαλὼμ κατὰ τὸ ῥῆμα τοῦτο παντὶ Ἰσραήλ. (L 158)

Auch hier passt die Kaige-Rezension das Tempus an und sorgt dafür, dass dem Impf.cons. ‫ ו ַיּ ַע ַשׂ‬der Aorist καὶ ἐποίησεν gegenübersteht. In diesen Beispielen ändern die Kaige-Rezensenten nur das Tempus, weil sie das vom Übersetzer gewählte lexikalische Äquivalent für die hebräischen Wurzeln als adäquat betrachten. Das gilt neben ‫ בקשׁ‬/ ζητέω und ‫ עשׁה‬/ ποιέω auch98 für ‫ אמר‬/ λέγω (mit εἴπον), ‫ בוא‬/ ἔρχομαι, ‫‚ היה‬geschehen‘ / γίνομαι und ‫ הלך‬/ πορεύομαι. In vielen Fällen allerdings sind die Rezen­ senten mit dem lexikalischen Äquivalent nicht einverstanden und ändern Tempus und Vokabel. 2Sam 19,5 ‫ו ְה ַמּ ֶל ֶך ְ ול ָא ַט א ֶת־פָּנ ָיו ו ַיּ ִז ְע ַק ה ַמּ ֶל ֶך ְ קֹול גּ ָדֹול…ו‬ καὶ ὁ βασιλεὺς ἔκρυψεν τὸ πρόσωπον αὐτοῦ · καὶ ἔκραξεν ὁ βασιλεὺς φωνῇ μεγάλῃ…‫( ו‬B-Text) καὶ ὁ βασιλεὺς παρεκάλυπτε τὸ πρόσωπον αὐτοῦ · καὶ ἀνεβόα φωνῇ μεγάλῃ…‫( ו‬L)

Das ursprüngliche Tempusgefüge und die ursprüngliche Lexik sind in L erhalten. Die Kaige-Rezensenten sorgen dafür, dass Perfekt und Impf.cons. durch Aoriste repräsentiert sind. Zudem ändern sie παρακαλύπτω (vgl. 1Kön 19,13) in κρύπτω; ἀναβοάω ersetzen sie durch κράζω.99 2Sam 12,15 f ‫ו ַיּ ִֹגּף י ְהו ָה א ֶת־ה ַיּ ֶל ֶד א ֲשׁ ֶר י ָל ְד ָה א ֵשׁ ֶת־אוּרִיּ ָה ל ְד ָו ִד ו ַיּ ֵא ָנ ַשׁ‬ ‫לה ִים בּ ְע ַד ה ַנּ ָע ַר ו ַיּ ָצָם דּ ָו ִד צֹום ווּב ָא ו ְל ָן ו ְשׁ ָכ ַב א ָרְצָה‬ ֹ ֱ ‫קּשׁ דּ ָו ִד א ֶת־ה ָא‬ ֵ ַ ‫ ו ַי ְב‬i (MT) ‫קּשׁ דּ ָו ִד‬ ֵ ַ ‫ו ַיּ ִֹגּף אלהים א ֶת־ה ַיּ ֶל ֶד א ֲשׁ ֶר י ָל ְד ָה א ֵשׁ ֶת־אוּרִיּ ָה ל ְד ָו ִד ו ַיּ ֵא ָנ ַשׁ ו ַי ְב‬ ‫לה ִים בּ ְע ַד ה ַנּ ָע ַר ו ַיּ ָצָם דּ ָו ִד צֹום ויבוא וישׁב בשׂק א ָרְצָה‬ ֹ ֱ ‫א ֶת־ה ָא‬i (Vorlage;

s. 4QSama)

98 Aufgezählt sind solche Wurzeln, für die mindestens zweimal Kaige-Eingriffe bei Imper­ fekt-Formen vorliegen und bei denen die Rezensenten zwar bei der Verbform, nicht aber bei der Lexik eingreifen. 99 Eine Änderung des Äquivalents für ‫ זעק‬nehmen die Rezensenten auch in 2Sam 13,19 und 19,29 vor; im Non-Kaige-Bereich ist das Äquivalent durchgehend (ἀνα)βοάω. Zum Kaige-Bereich der Könige ist folgendes Detail zu notieren: Diejenigen Stellen, bei denen der MT ‫ צעק‬liest, werden nicht geändert (es bleibt bei der Wortwahl des Übersetzers, βοάω). In 1Kön 22,32 hat der MT die Schreibweise ‫זעק‬i, wie stets in den Samuelbüchern. Hier wird die Wiedergabe des Übersetzers (ἀναβόαω) wie im Kaige-Bereich der Samuel­ bücher zu ἀνακράζω geändert. Zu κράζω als mögliches Datierungsmerkmal für die Kaige-Rezension s. unten S. 231.

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καὶ ἔθραυσεν Κύριος τὸ παιδίον ὃ ἔτεκεν ἡ γυνὴ Οὐρίου τῷ Δαυίδ, καὶ ἠρρώστησεν . καὶ ἐζήτησεν Δαυὶδ τὸν θεὸν περὶ τοῦ παιδαρίου, καὶ ἐνήστευσεν Δαυὶδ νηστείαν καὶ εἰσῆλθεν καὶ ηὐλίσθη 100 ἐν σάκκῳ101 ἐπὶ τῆς γῆς. (Handschriftenmehrheit) καὶ ἐπάταξεν ὁ θεὸς τὸ παιδίον ὃ ἔτεκεν ἡ γυνὴ Οὐρίου τῷ Δαυίδ, καὶ #ἠρρώστει. καὶ ἠξίου Δαυὶδ τὸν θεὸν ὑπὲρ τοῦ παιδίου, καὶ ἐνήστευσε Δαυὶδ νηστείαν καὶ εἰσελθὼν ἐκάθευδεν ἐν σάκκῳ ἐπὶ τὴν γῆν. (L)

Auch hier hat die Kaige-Rezension die Tempusentsprechungen in ihrem Sinne hergestellt. Für die lexikalisch auffällige Wiedergabe des Übersetzers von ‫ בקשׁ‬mit ἀξιόω (überliefert in L) ist eine Verwechslung mit ‫ קדשׁ‬wahr­ scheinlich; die Kaige-Rezension korrigiert. Am Schluss des Verses hat der MT eine Addition von Varianten (‫וּב ָא ו ְל ָן ו ְשׁ ָכ ַב‬i); mit αὐλίζομαι repräsen­ tieren die Kaige-Rezensenten ‫לין‬i.102 2Sam 13,8 ‫שׁכ ֵב‬ ֹ ‫תּמ ָר בּ ֵית א ַמ ְנֹון א ָחִיה ָ ו ְהוּא ו‬ ָ ְ ‫ו ַתֵּל ֶך‬ καὶ ἐπορεύθη Θημὰρ εἰς τὸν οἶκον Ἀμνὼν ἀδελφοῦ αὐτῆς, καὶ αὐτὸς κοιμώμενος . (B-Text) καὶ ἐπορεύθη Θαμὰρ εἰς τὸν οἶκον Ἀμνὼν τοῦ ἀδελφοῦ αὐτῆς, καὶ αὐτὸς ἐκάθευδεν . (L; ἐκάθευδεν L 554mg)

Die Wiedergabe des hebräischen Partizips mit dem Imperfekt ist typisch für den Übersetzer (vgl. 1Sam 1,13; 18,16; 25,20; 2Sam 15,30); die Kaige-Rezen­ senten ändern zu κοιμώμενος. Ganz ähnlich ist die Situation in 2Sam 15,11.18, wo die Kaige-Rezensenten ebenfalls Imperfekte in Partizipien überführen. Unter den lexikalischen Eingriffen von Kaige ist besonders auffällig die konsequente Verwendung von οὐ θέλω für Nicht-Wollen (‫לא אבה‬ ֹ i 1Sam ֹ i 2Sam 15,26) 12,17; 13,14.16.25; 14,29 bis; 23,16.17; ‫מאן‬i 2Sam 13,9; ‫לא חפץ‬ und βούλομαι für Wollen (‫חפץ‬i2Sam 20,11; 24,3). 2Sam 12,17 … ‫תּם ל ָחֶם‬ ָ ִ ‫לא־ב ָרָא א‬ ֹ ְ ‫לא א ָב ָה ו‬ ֹ ְ ‫ו‬i …‫ו‬καὶ οὐκ ἠθέλησεν , καὶ οὐ συνέφαγεν αὐτοῖς ἄρτον. (B-Text) …‫ו‬καὶ οὐκ ἐβούλετο , οὐδὲ συνεδείπνησεν ἄρτον μετ᾽ αὐτῶν. (L) Zum Vergleich 2Sam 24,3 als Stelle ohne Verneinung (ohne Imperfekt): 2Sam 24,3 ‫ל ָמּ ָה וחָפֵץ בּ ַדּ ָב ָר ה ַזּ ֶה‬i ἵνα τί βούλεται ἐν τῷ λόγῳ τούτῳ; (B-Text) ἵνα τί θέλῃ τὸ ῥῆμα τοῦτο; (L–93; θέλει 93)

100 Zusätzlich καὶ ἐκοιμήθη lesen A CII–52 d–68 122 s–64 554. 101 ἐν σάκκῳ nicht in A B b 68–122 707 (Rahlfs). 102 Vgl. 2Sam 17,16; 19,8.

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Hier überliefert L mit θέλῃ die ursprüngliche Übersetzung.103 Der lexikali­ sche Eingriff der Kaige-Rezensenten, die θέλω in βούλομαι verändern, ist bemerkenswert, weil hier nicht – wie sonst oft – das Prinzip angewendet wird, dass eine bestimmte hebräische Wurzel durch eine bestimmte griechi­ sche Vokabel repräsentiert wird. Vielmehr wird ein bestimmter Sachverhalt (Wollen) verschieden wiedergegeben, je nachdem, ob er verneint (οὐ θέλω) oder bejaht ist (βούλομαι).104 Insgesamt ändert die Kaige-Rezension 23-mal ein Imperfekt in einen Aorist, wo der MT eine Impf.cons.-Form hat;105 22-mal, wo der MT ein Perfekt hat;106 fünfmal, wo im MT eine Perf.cons.-Form steht.107 Viermal überführt die Kaige-Rezension ein Imperfekt in ein Partizip (hier hat jeweils der MT ein Partizip).108 Einmal ändern die Rezensenten einen ὅτε-Neben­ satz mit einem Imperfekt in ἐν τῷ + Infinitiv, wo der MT ְ ‫ בּ‬+ infinitivus constructus hat (2Sam 15,8). Die Kaige-Rezensenten ändern den ganz überwiegenden Teil der Imper­ fekte, wo im MT Impf.cons., Perf. oder Perf.cons. steht. Anders ist es beim hebräischen Partizip, wo die Rezensenten nur in drei Fällen ein Imperfekt in ein Partizip überführen, dagegen achtmal das Imperfekt als Äquivalenz­ tempus belassen.109 Ebenfalls belassen die Rezensenten neunmal ein Imper­ fekt als Gegenüber für ein hebräisches Imperfekt110 und zweimal für das Finitverb einer figura etymologica (2Sam 15,30; 18,25), einmal auch für Imperfekt consecutivum + Infinitiv (2Sam 21,16). Für diese hebräischen Entsprechungen (hebräisches Imperfekt und Konstellationen mit wenigs­ tens einem infiniten Verb) akzeptieren sie offenbar das Imperfekt als adä­ quates Gegenüber. In einigen Fällen bleibt ein Imperfekt stehen, wo vom sonstigen Vorge­ hen der Rezensenten her eine Änderung zu erwarten wäre. Sechsmal belassen sie ein Imperfekt in Entsprechung zu Impf.cons.-For­ men (2Sam 11,2.17; 13,2; 15,6; 19,4; 20,15). Bei auffallend vielen dieser Stel­ len kommen seltene Vokabeln vor, die den Rezensenten Schwierigkeiten gemacht haben könnten: ‫ גנב‬in 2Sam 15,6; 19,4; ‫ צרר‬in 2Sam 13,2; ‫ צור‬in 20,15; in 2Sam 11,2 steht ‫ הלך‬im seltenen Hitpael (vielleicht wussten die Rezensenten nicht, wie sie diesen Stamm repräsentieren sollten). Lediglich bei καὶ ἐπολέμουν für ‫ ו ַיּ ִלּ ָחֲמוּ‬in 2Sam 11,17 ist für mich kein Anhaltspunkt erkennbar, warum die Rezensenten nicht eingriffen. 103 Die lukianischen Rezensenten lassen im Non-Kaige-Bereich keinerlei Tendenz erkennen, βούλομαι zu θέλω zu ändern. 104 In den Kaige-Bereichen von Könige kommt nur οὐ θέλω vor: 2Kön 8,19; 13,23; 24,4. 105 2Sam 10,19; 12,15.16; 13,2.9.19.25; 14,6; 15,2 quinquies; 15,3.4.6; 16,13; 17,19.20; 19,5; 20,3; 21,1; 23,10. 106 2Sam 11,23; 12,17; 12,21 (Kaige ἐνήστευσας nur in 44–104–125–610 119 158 245 460); 12,22; 13,14.16.25; 15,5; 16,21; 17,20.29; 18,16.18; 19,5.25; 20,10; 22,18; 23,16.17.18.19.23. 107 2Sam 12,16; 14,26; 15,2 (ἐγένετο2; vgl. 4QSama); 15,5; 17,17. 108 2Sam 13,8; 15,11.18; 20,8. 109 2Sam 14,26; 15,18; 15,23 bis; 15,30; 16,5.13; 18,24. 110 2Sam 12,3 ter; 12,21 bis (s. oben Anm. 106); 13,18; 14,26; 15,37; 17,17.

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Fünfmal bleibt ein Imperfekt als Gegenüber zu einem Perfekt (2Sam 13,21; 16,7; 18,4; 19,20) bzw. Perf.cons. (2Sam 15,5) erhalten. In 2Sam 13,21 hätte ein Aorist ἀγάπησαν „hatte ihn liebgewonnen“ in Spannung zur Begründung ὅτι πρωτότοκος αὐτοῦ ἦν gestanden, weil David den Amnon als Erstgeborenen schon immer liebte (daher bleibt es beim Imperfekt). In ֱ ֶ ‫ ו ְה‬/ καὶ ἐπελαμβάνετο nicht unmittel­ 2Sam 15,5 ist die Entsprechung ‫חז ִיק‬ bar einleuchtend, so dass die Rezensenten wahrscheinlich Schwierigkeiten mit der Bearbeitung dieses Verses hatten. In 2Sam 18,4 bleibt die Entspre­ chung ‫ י ָצְאוּ‬/ ἐξεπορεύετο erhalten, vermutlich weil ‫ יצאו‬graphisch wie ein Imperfekt der 3. Person Plural wirkt. In 2Sam 19,20 ist die Anordnung der Wortfolge aus übersetzungstechnischen Gründen anders als in der hebräi­ schen Vorlage respektive dem MT, so dass den Rezensenten die Verhältnisse nicht klar waren und ἐξεπορεύετο als Gegenüber zu ‫ י ָצָא‬stehenblieb. Für 2Sam 16,7 kann man spekulieren, dass die Kaige-Rezensenten die Formel τάδε εἴπεν für würdige Sprecher (Κύριος; ὁ βασιλεύς) reservieren wollten und sie den Durativ in abwertendem Sinne stehen ließen („redete daher“). Insgesamt handelt es sich um Einzelfälle, bei denen die Kaige-Rezensen­ ten nicht eingriffen, obwohl es zu erwarten gewesen wäre. Aufs Ganze gese­ hen haben sie das Imperfekt mit ähnlicher Konsequenz wie das praesens hi­ storicum bearbeitet. Dies wird allerdings nur dann deutlich, wenn keine Änderung erwartet wird, wo die Kaige-Rezensenten das Imperfekt als ange­ messenes Tempusäquivalent ansehen (bei hebräischem Imperfekt und auch beim hebräischen Partizip). Werden diese Faktoren nicht berücksichtigt, kommt es zu dem nicht zutreffenden Bild, dass die Kaige-Rezensenten das Imperfekt bei ihrer Rezensionstätigkeit weniger konsequent verändert hät­ ten als das praesens historicum.111 5.2.4.2 Änderungen der lukianischen Rezension Die im Non-Kaige-Bereich beobachtete Vermehrung der Imperfekte durch die lukianischen Rezensenten lässt darauf schließen, dass auch im KaigeBereich einige der Imperfekte der L-Handschriften nicht ein ursprüngliches Imperfekt des Übersetzers sind, sondern auf die lukianische Rezension zurückgehen. Das bedeutet, dass nicht alle Fälle, wo die lukianischen Hand­ schriften Imperfekt lesen, die übrigen Handschriften aber nicht, als Eingriff der Kaige-Rezension (Tilgung des Imperfekts) erklärt werden dürfen. Viel­ mehr muss für jeden dieser Fälle geprüft werden, ob das Imperfekt Ergebnis der lukianischen Rezensionstätigkeit sein könnte. In den folgenden Fällen gehe ich davon aus, dass Old Greek kein Imper­ fekt enthielt und dass das Imperfekt auf die lukianischen Rezensenten zurückgeht. Damit die alternative Erklärungsmöglichkeit eines Eingriffs der

111 So Anssi Voitila: „[T]he ind. impf. of the L-text are not as consistently replaced by the Greek past tenses in the B-text as was the case with the hist.pres.s.“ (Voitila, Tenses, 219).

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Kaige-Rezension leichter überprüft werden kann, gebe ich jeweils den MT mit an. 2Sam 12,18 ‫לא־שׁ ָמ ַע בּ ְקֹול ֵנוּ‬ ֹ ְ ‫ב ִה ְיֹות ה ַיּ ֶל ֶד חַי דּ ִבּ ַרְנוּ א ֵל ָיו ו‬i ἐν τῷ ἔτι τὸ παιδάριον ζῆν ἐλαλήσαμεν πρὸς αὐτόν, καὶ οὐκ εἰσήκου#σεν τῆς φωνῆς ἡμῶν. (B-Text) ἔτι τοῦ παιδίου ζῶντος ἐλαλοῦμεν πρὸς αὐτόν τοῦ ἐγεῖραι αὐτὸν ἀπὸ τῆς γῆς, καὶ οὐκ ἤκουεν τῆς φωνῆς ἡμῶν. (L)

Dass der Übersetzer für einen solchen Kontext Aoriste verwendet, ist gut vorstellbar. Eine sehr ähnliche Übersetzung findet sich in 2Sam 18,18 (in allen Handschriften Aorist). Zudem ist εἰσακούω eine übersetzer-, nicht kaige-typische Vokabel.112 Ginge der Aorist εἰσήκουσεν auf Kaige zurück, hätten die Rezensenten vermutlich auch die Vorsilbe εἰς ausgelassen und zu ἤκουσεν geändert. M.E. sind die Imperfekte eine Anpassung der lukiani­ schen Rezensenten an den durativen Kontext. 2Sam 11,1 ‫ו ְד ָו ִד ויֹושׁ ֵב בּ ִירוּשׁ ָל ִָם‬i καὶ Δαυὶδ ἐκάθισεν ἐν Ἰερουσαλήμ. (B-Text) καὶ Δαυὶδ κατῴκει ἐν Ἰερουσαλήμ. (L)

Diese Verbesserung ist typisch für die lukianischen Rezensenten.113 Hinzu kommt, dass es zur Arbeitsweise der Kaige-Rezensenten nicht passt, dass sie aufgrund eines hebräischen Partizips in ein Imperfekt geändert hätten. Vielmehr überführen sie gelegentlich Imperfekte in Partizipien, wo im MT ein Partizip steht. Weitere lukianische Änderungen ins Imperfekt sehe ich für 2Sam 15,30 (καὶ ἔκλαιεν); 17,17 bis (Old Greek hat praesens historicum) und 20,3 (ἃς κατέλειπε harmonisierend mit 16,21). Im Non-Kaige-Bereich hatte sich gezeigt, dass einige Imperfekte von den lukianischen Rezensenten in ein anderes Tempus überführt wurden. Da auch die Kaige-Rezensenten zahlreiche Imperfekte in ein anderes Tempus überführen, ist es nicht gesichert, dass alle ursprünglichen Imperfekte des Kaige-Bereichs textkritisch wiederhergestellt werden können: Wo die lukia­ nische Rezension und die Kaige-Rezension ein Imperfekt verändert haben, ist dieses Imperfekt nicht mehr zu rekonstruieren. Es gibt allerdings einige Fälle, bei denen in den nichtlukianischen Hand­ schriften Imperfekt steht und in den lukianischen Handschriften ein anderes Tempus (2Sam 13,22; 15,23; 19,20; 20,15). Für diese Fälle legt es sich nahe, das nichtlukianische Imperfekt für Old Greek zu halten, da die Kaige112 Das kann man aus den zahlreichen Belegen für εἰσακούω im Non-Kaige-Bereich der Könige schließen, aber auch aus der analogen Anpassung der Kaige-Rezensenten von εἰσ­ ακούω zu ἀκούω in 2Sam 14,17 und 2Kön 18,12. 113 S. oben ab S. 171.

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Rezensenten keine Tendenz erkennen lassen, Imperfekte einzuführen. Das Tempus in den lukianischen Handschriften wäre dann Ergebnis der lukiani­ schen Rezension. Allerdings ist auch hier jeder Einzelfall zu prüfen. ֹ ְ‫ו‬ 2Sam 13,22 ‫לא־ד ִבּ ֶר א ַב ְשׁ ָלֹום ע ִם־א ַמ ְנֹון ל ְמ ֵרָע ו ְע ַד־טֹוב כּ ִי־ושׂ ָנ ֵא א ַב ְשׁ ָלֹום‬ ‫א ֶת־א ַמ ְנֹון‬i καὶ οὐκ ἐλάλησεν Ἀβεσσαλὼμ μετὰ Ἀμνὼν ἀπὸ πονηροῦ ἕως ἀγαθοῦ, ὅτι ἐμίσει Ἀβεσσαλὼμ τὸν Ἀμνών. (B-Text; Rahlfs) καὶ οὐκ ἐλάλησεν Ἀβεσσαλὼμ μετὰ Ἀμνὼν ἀπὸ κακοῦ ἕως ἀγαθοῦ, καὶ ἐμίσησεν Ἀβεσσαλὼμ τὸν Ἀμνών. (L–82; ἐμίσει 82)

Die lukianische Rezension dürfte das Imperfekt ἐμίσει aus stilistischen Gründen in den Aorist überführt haben, weil μισέω im Imperfekt nicht gebräuchlich ist.114 2Sam 19,20 ְ ‫דנ ִי־ה ַמּ ֶל ֶך‬ ֹ ֲ ‫כּר א ֵת א ֲשׁ ֶר ה ֶע ֱו ָה ע ַב ְדּ ְך ָ בּ ַיֹּום א ֲשׁ ֶר־וי ָצָא א‬ ֹ ְ ‫תּז‬ ִ ‫ו ְא ַל־‬ ‫מ ִירוּשׁ ָל ִָם‬i καὶ μὴ μνησθῇς ὅσα ἠδίκησεν ὁ παῖς σου ἐν τῇ ἡμέρᾳ ᾗ ὁ κύριός μου ὁ βασιλεὺς115 ἐξεπορεύετο ἐξ Ἰερουσαλήμ. (B-Text; Rahlfs) καὶ μὴ μνησθήτω ὧν ἠδίκησεν ὁ δοῦλός σου ἐν τῇ ἡμέρᾳ ᾗ ἐξῆλθεν ὁ κύριός μου ὁ βασιλεὺς ἐξ Ἰερουσαλήμ. (L)

M.E. ändern die lukianische Rezensenten auch hier aus stilistischen Grün­ den das Imperfekt in den Aorist, weil an das Verlassen Jerusalems durch David resultativ erinnert wird als Zeitbestimmung des Fehlverhaltens von Schimi. ֻ ָ ‫באוּ ו ַיּ‬ ֹ ָ ‫ו ַיּ‬i 2Sam 20,15 ‫צרוּ ע ָל ָיו בּ ְא ָב ֵל ָה בּ ֵית ה ַמּ ַע ֲכ ָה‬ καὶ παρεγενήθησαν καὶ ἐπολιόρκουν ἐπ᾽ αὐτὸν τὴν Ἀβὲλ καὶ τὴν Βαιθμαχά. (B-Text; Rahlfs) καὶ παρεγένοντο καὶ περιεκάθισαν αὐτὸν ἐν τῇ Ἀβὲλ καὶ Βαιθμακκώ.

(L-Gruppe) Es lässt sich kein Motiv angeben, warum die Kaige-Rezension περι­ εκάθισαν in ἐπολιόρκουν hätte überführen sollen. Es ist dagegen gut denk­ bar, dass die lukianischen Rezensenten das Tempus vereinheitlichend in den Aorist überführt und die sonst für ‫ צור‬übliche Übersetzung περικαθίζω verwendet haben.116 Textkritisch komplex ist 2Sam 15,23:

114 S. die extrem seltenen Belege in der LXX (Ps 138,22 LXX; Ez 16,37; Hag 2,14; Mal 2,13) und im NT (Lk 19,14), denen zahlreiche Belege im Aorist gegenüberstehen. 115 Ohne ὁ βασιλεύς lesen B 509 74 55 460. 116 πολιορκέω kommt auch vor in 2Kön 16,5; 17,4.5; 18,9; 24.11. In 2Kön 17,5 scheinen die lukianischen Rezensenten ebenfalls zu περικαθίζω geändert zu haben; an den übrigen Stel­ len lesen alle Handschriften πολιορκέω.

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2Sam 15,23 ‫עב ֵר‬ ֹ ‫עב ְרִים ו ְה ַמּ ֶל ֶך ְ ו‬ ֹ ‫ו ְכ ָל־ה ָא ָרֶץ ובֹּוכ ִים קֹול גּ ָדֹול ו ְכ ָל־ה ָע ָם ו‬ ְ ‫מּד ְבּ ָר‬ ִ ַ ‫עב ְרִים ע ַל־פְּנ ֵי־ד ֶרֶך א ֶת־ה‬ ֹ ‫קד ְרֹון ו ְכ ָל־ה ָע ָם‬ ִ ‫בּ ְנ ַחַל‬i καὶ πᾶσα ἡ γῆ ἔκλαιεν φωνῇ μεγάλῃ · καὶ πᾶς ὁ λαὸς παρεπορεύοντο ἐν τῷ χειμάρρῳ τῶν117 Κεδρών, καὶ ὁ βασιλεὺς διέβη τὸν χειμάρρουν Κεδρών · καὶ πᾶς ὁ λαὸς καὶ ὁ βασιλεὺς παρεπορεύοντο ἐπὶ πρόσω­ πον ὁδοῦ τὴν ἔρημον. (B-Text) καὶ πᾶσα ἡ γῆ εὐλογοῦντες φωνῇ μεγάλῃ καὶ κλαίοντες , καὶ πᾶς ὁ λαὸς διεπορεύετο , καὶ ὁ βασιλεὺς διεπορεύετο ἐν τῷ χειμάρρῳ τῷ Χεδρών · καὶ πᾶς ὁ λαὸς διεπορεύετο πρὸ προσώπου αὐτοῦ κατὰ τὴν ὁδὸν τῆς ἐν ἐρήμῳ. (L)

Die Lesart von L am Versanfang kann Old Greek sein und diese Vorlage spiegeln:‫ ;וכל הארץ ברכים בקול גדול ובוכים וכל העם…ו‬zum Ausdruck ‫ ברך בקול גדול‬s. 1Kön 8,55; Spr 27,14.118 ‫ בכה בקול גדול‬wird mit ‫ברך‬ kombiniert in Esra 3,12, wo der eine Teil der Menschen angesichts des Zweiten Tempels voll Trauer über den salomonischen Tempel weint, der andere Teil über den neuen Tempel jauchzt. Ähnlich ist die Situation in 2Sam 15,23: Der eine Teil der Menschen jubelt David zu (der Übersetzer verwendet sein übliches Äquivalent für ‫ברך‬i, εὐλογέω), während der andere Teil weint, weil der König Jerusalem verlässt. Im masoretischen Text ist ‫ ברך‬durch eine Konfusion von ‫ ברך‬und ‫בכה‬ ausgefallen. Der griechische Text wurde (nach Abspaltung der Überliefe­ rung der lukianischen Handschriften) dem (proto)masoretischen Text ange­ passt: εὐλογέω wurde weggelassen und ἔκλαιεν ins gleiche Tempus gesetzt wie παρεπορεύοντο. Ob der Aorist διέβη ursprünglich ist (und die lukianischen Rezensenten ihn – wie öfter – an das vorausstehende Imperfekt anpassten), oder ob er auf die Kaige-Rezensenten zurückgeht, weil sie ‫ עבר‬als Perfekt gedeutet haben, lässt sich m.E. nicht sagen. Deutlich ist, dass die Kaige-Rezension bei ἔκλαιεν und παρεπορεύοντο nicht eingegriffen hat, weil sie Imperfekte als Äquivalente für Partizipien akzeptierte. 5.2.4.3 Zusammenfassung Im Kaige-Bereich habe ich 124 Fälle gefunden, bei denen in den Hand­ schriften ein Imperfekt bezeugt ist.119 Am häufigsten (76-mal) liegt dieje­

117 τῶν fehlt in der Handausgabe von Rahlfs (ein Versehen). 118 ‫ בקול‬statt ‫ קול‬lesen in 2Sam 15,23 auch einige masoretische Handschriften (s. den App. der BHS). 119 S. die Dokumentation aller Stellen im Anhang A: Imperfekte des Kaige-Bereichs (S. 246). Im Folgenden werden diejenigen Stellen, bei denen es nur unbedeutende Varianten gibt (in der Tabelle eingeklammert gekennzeichnet) nicht besprochen, so dass sich eine rechne­ rische Differenz zwischen den insgesamt 124 Stellen der Tabelle in den im Folgenden gege­ benen Zahlen für die einzelnen Fallgruppen ergibt.

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nige Konstellation vor, dass das Imperfekt in der L-Gruppe bezeugt ist.120 Oft stehen die lukianischen Manuskripte dabei alleine, manchmal folgen ihrer Lesart Handschriften, die auch sonst lukianische Lesarten überneh­ men.121 Im B-Text steht in aller Regel ein Aorist. Für diese Fälle ist jeweils abzuwägen, ob das Imperfekt auf den Überset­ zer zurückgeht, d. h. die Kaige-Rezension eingegriffen hat, oder ob es sich um ein von den lukianischen Rezensenten hinzugefügtes Imperfekt handelt. Im Ergebnis meiner Abwägung122 nehme ich für neun dieser Imperfekte eine Hinzufügung durch L an.123 Die große Mehrzahl der von L bezeugten Imperfekte geht auf den Übersetzer zurück. Diese Imperfekte wurden von der Kaige-Rezension überwiegend in den Aorist überführt (einige Male in ein Partizip, einmal in ein Adjektiv). In drei Fällen124 halte ich eine hinrei­ chend sichere Aussage nicht für möglich. Die Prinzipien für die Überführung in den Aorist durch Kaige haben sich bei der Analyse klar gezeigt: Die Kaige-Rezension ändert dann in den Aorist, wenn in ihrem protomasoretischen Referenztext ein Impf.cons. oder ein Perfekt steht. Für diese beiden Tempora halten die Rezensenten das griechische Imperfekt – anders als für das hebräische Imperfekt und hebräi­ sche Partizipien – nicht für ein geeignetes Tempusäquivalent. In Einzelfällen ändern sie ein Imperfekt in ein Partizip, wo der MT ein Partizip hat. Vielfach geht mit den Eingriffen in das Tempusgefüge ein Eingriff beim Vokabular einher, durch den die Kaige-Rezensenten die von ihnen gewünschte lexikalische Entsprechung herstellen. In der Regel, aber nicht zwingend führen diese Eingriffe zur Zuordnung einer bestimmten hebräi­ schen Wurzel zu einer bestimmten griechischen Vokabel. Auffällig ist die Äquivalentenwahl von Kaige für ‫אבה‬i, ‫ חפץ‬und ‫מאן‬i: Hier verwenden die Rezensenten bei einem verneinten Wollen stets οὐ θέλω, bei einem positi­ ven Wollen dagegen βούλομαι. In 28 Fällen ist das Imperfekt in (praktisch) allen Handschriften bezeugt.125 Es handelt sich um diejenigen Stellen, bei denen weder die

120 2Sam 10,19; 11,1 bis (διέφθειρον nur in 93–127); 11,23; 12,15; 12,16 bis; 12,17; 12,18 bis; 12,22 bis; 12,31; 13,2.8.9.14.16.19.25; 14,6.26; 15,2 octies; 15,3.4, 15,5 bis; 15,6.8.9.11; 15,12 bis; 15,18.23.30; 16,5; 16,13 quater; 16,21; 16,23 (nur 82–127); 17,17 ter; 17,19; 17,20 bis; 17,29; 18,18; 19,5 bis; 19,7; 19,25; 20,1; 20,3 bis; 20,8.10.15; 21,1; 22,18; 23,8.16.17.18.19.23. 121 Vereinzeilt gibt es eine breitere Bezeugung, z. B. 2Sam 15,2 bis; 16,21; 18,16. 122 Sie ist für alle Stellen dokumentiert unten im Anhang A: Imperfekte des Kaige-Bereichs (S. 246). Mir unsicher erscheinende Abwägungen sind mit ? gekennzeichnet. 123 2Sam 11,1.23; 12,18 bis; 15,9.23.30; 17,17 bis. Die Quote der Erhöhung des Imperfekts durch die lukianische Rezension gegenüber Old Greek liegt bei neun angenommenen Hin­ zufügungen eines Imperfekts in ähnlicher Größenordnung wie im Non-Kaige-Bereich, wo eine Erhöhung um 8 % ermittelt wurde. 124 2Sam 16,5.13; 20,1. 125 2Sam 11,2.17; 12,3 ter; 12,21 bis; 13,2.18.21; 14,26 bis; 15,5.6; 15,23 bis; 15,30 ter; 15,37; 16,5.7.13; 17,17; 18,4.25; 19,4; 21,16.

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Kaige- noch die lukianischen Rezensenten in den Tempusgebrauch einge­ griffen haben. Diese Imperfekte gehören zu Old Greek. Der Grund, warum die Kaige-Rezension in diesen Fällen nicht eingriff und Imperfekt stehen ließ, liegt in den hebräischen Entsprechungen ihres protomasoretischen Textes: achtmal steht diesen griechischen Imperfekten ein hebräisches Partizip gegenüber, neunmal ein Imperfekt, dreimal eine andere Konstruktion mit infiniten hebräischen Formen. Die Kaige-Rezen­ senten akzeptierten für diese hebräischen Konstruktionen das Imperfekt als Tempusäquivalent. Bei den übrigen neun dieser Stellen wäre allerdings angesichts des Tem­ pus des (proto)masoretischen Textes ein Eingriff zu erwarten gewesen. Hinzu kommen zwei Stellen (2Sam 19,20; 20,15), bei denen nur die nichtlu­ kianischen Handschriften Imperfekt lesen und ebenfalls von der (proto-) masoretischen Tempusform her ein Eingriff von Kaige zu erwarten gewesen wäre. Für diese insgesamt elf Fälle,126 die nicht eine solche hebräische Form haben und bei denen man einen Eingriff von Kaige hätte erwarten können, lässt sich überwiegend plausibel begründen, warum die Rezensenten nicht eingriffen. Wesentlich sind Schwierigkeiten mit dem hebräischen Text auf­ grund seltener Vokabeln sowie Probleme bei der hebräisch-griechischen Zuordnung aufgrund von Umstellungen der Wortreihenfolge und unge­ wöhnlichen Äquivalenten. Die Rezensenten wussten an diesen Stellen nicht, wie sie den Text korrigieren sollten. Sie wollten genau sein und ließen im Zweifelsfall eine Stelle unbearbeitet. Die Akzeptanz speziell des hebräischen Partizips als Äquivalent für das griechische Imperfekt zeigt ebenso wie der Umgang von Kaige mit ‫אבה‬i, ‫ מאן‬und ‫חפץ‬i, dass die Rezensenten nicht mechanisch-stereotypisierend arbeiten. M.E. ist ihr Vorgehen weniger vom Ziel einer Eins-zu-eins-Ent­ sprechung geprägt als vielmehr vom Bemühen einer umfassenden Berichti­ gung von – aus ihrer Sicht – Fehlern bzw. Ungenauigkeiten der Überset­ zung. Es geht ihnen um eine präzise Wiedergabe des Ausgangstextes in der Art, wie man sie von Schülerinnen und Schülern erwartet, die durch ihre Übersetzung zeigen sollen, dass sie Lexik und Grammatik korrekt analy­ siert haben.127

126 2Sam 11,2.17; 13,2.21; 15,5.6; 18,4; 19,4.20; 20,15. 127 Für den deutschen Sprachraum kann man eine moderne Analogie benennen: Kaige ist nicht mit einer Interlinear-Bibelübersetzung vergleichbar, sondern mit der Elberfelder Überset­ zung.

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Tempora: Imperfekt und praesens historicum

5.3 Praesens historicum 5.3.1 Einleitung In den erzählenden Texten der Samuelbücher (ausgenommen Passagen wörtlicher Rede) dominieren drei Tempora: der Aorist als das gewöhnliche Erzähltempus (mit einem Anteil von 78 %), das Imperfekt (11 %) und das praesens historicum (10 %).1 Das praesens historicum tritt dabei wie das Imperfekt als duratives Tem­ pus in Kontrast zum resultativen Aorist. Es lenkt die Aufmerksamkeit der Leserin oder des Lesers auf den Verlauf der betreffenden Handlung. Im Unterschied zum Imperfekt wird der Vergangenheitscharakter beim prae­ sens historicum rhetorisch durchbrochen: Es erzählt von einer vergangenen Handlung so, als würde sie gerade jetzt geschehen. Die so hergestellte Unmittelbarkeit unterstreicht die Bedeutung des Berichteten.2 Der Anteil des praesens historicum ist in den erzählenden Texten der Samuelbücher auffallend hoch. In keinem anderen Buch der LXX (Könige ausgenommen) wird dieses Tempus in vergleichbarer Dichte gebraucht.3 In der Forschung hat zuerst Henry St. John Thackeray diese Besonderheit beschrieben und versucht, die Logik der Verwendung des praesens histori­ cum in den Samuel- und Königebüchern zu erfassen: Seiner Meinung nach dient es zur Markierung von Neueinsätzen der Erzählung.4 Das trifft zwar auf einen gewissen Teil der Fälle zu. Für viele Stellen bleibt die Verwendung des praesens historicum mit diesem Erklärungsansatz aber unverstanden.5

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Die Zahlen beziehen sich auf den Non-Kaige-Bereich und wurden mit einer von mir erstellten Datenbank für BibleWorks ermittelt. Neben wörtlicher Rede nicht berücksich­ tigt sind die poetischen Texte 1Sam 2,1–10.19–27; 2Sam 22,2–51 und 2Sam 23,1–7. S. Kühner/Gerth I, § 382, 2 und § 386, 6; ebenso C. M. J. Sicking und P. Storck (Sicking/ Storck 1997, 165–167): „The primary function of the HP is to lift out from their context those narrative assertions that are essential. […‫ ]ו‬By adding an ‚extra level‘ to the Aorist and Imperfect indicatives, the HP allows an author to organize his narrative in such a way that the audience will be able to discriminate between what is of primary and what is of secon­ dary importance.“ (ebd., 165 f) Ich danke Anssi Voitila (Universität Joensuu, Finnland), dass er mich auf diesen Aufsatz hingewiesen hat. Mit Hilfe des Tov-Polak-Moduls von BibleWorks habe ich ermittelt, wo hebräisches Impf.cons. durch Indikativ Präsens wiedergegeben wird und diejenigen Fälle ausgeschie­ den, in denen das Präsens kein praesens historicum ist. Für die Samuelbücher (Non-KaigeBereich) ergibt sich eine Quote der Wiedergabe des Impf.cons. durch praesens historicum von 9 %; es folgen Könige (Non-Kaige-Bereiche) mit 4 % sowie Ezechiel, Hiob und Numeri mit jeweils 1 %. Nicht berücksichtigt habe ich Fälle mit ‫אמר‬i, weil die formelhafte Redeeinleitung durch λέγει / λέγουσιν eine Sonderrolle spielt (so wird ‫ ו ַֹיּאמ ֶר‬beispiels­ weise in Hiob alleine 20-mal durch λέγει übersetzt, ohne dass damit eine rhetorische Beto­ nung einherginge). „The main function is […‫ ]ו‬to introduce a date, a new scene, a new character, occasionally a new speaker; in other words a fresh paragraph in the narrative.“ (Thackeray 1923, 17). Einzelheiten s. Wirth, 118 f.

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Praesens historicum

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Eine konsistente Erklärung gelingt m.E. nur literarisch: Bei den Samuel­ büchern handelt es sich um Geschichtsschreibung, und der Übersetzer imi­ tiert den Gebrauch des praesens historicum, wie er sich bei den klassischen Historiographen findet.6 Karl Eriksson hat in einer Monographie umfassend dargestellt, wie die Historiographen das praesens historicum verwenden.7 Die Gliederung der folgenden Darstellung8 ist an den von Eriksson herausgearbeiteten typi­ schen Kontexten für dieses Tempus in der griechischen Historiographie ori­ entiert.9

5.3.2 Kontexte für das praesens historicum 5.3.2.1 Kriegerisches und herrschaftliches Agieren Kriegerische Handlungen. Der häufigste Gebrauch des praesens historicum in den Samuelbüchern betrifft die Schilderung von militärischen Auseinan­ dersetzungen. Wie in griechischer Historiographie10 werden wichtige Ereignisse oder Wendepunkte eines Kampfgeschehens im praesens histori­ cum geschildert.11

6

Diesen Erklärungsansatz habe ich vorgetragen in Wirth, 119–123. Thackeray selbst hatte die Möglichkeit einer solchen Interpretation schon angedeutet (Thackeray, Jewish Wor­ ship, 21, Anm. 1), ohne sie aber weiter zu verfolgen. Auch Voitila, Tenses, 230, weist darauf hin, ohne weiter ins Detail zu gehen: „[T]he use of the hist.pres. […‫ ]ו‬may be seen as an imi­ tation of the style of the classical historical prose writers.“ 7 Eriksson, Karl, Das Präsens Historicum in der nachklassischen griechischen Historiogra­ phie, Lund 1943. Ich danke Anssi Voitila (Universität Joensuu, Finnland), der mich auf diese Monographie hingewiesen hat. 8 Wie beim Imperfekt beschränke ich mich auf den Non-Kaige-Bereich (1Sam 1,1–2Sam 10,5); die Verhältnisse im Kaige-Bereich analysiere ich unten in Abschnitt 5.3.4. 9 „Beim Lesen speziell historischer griechischer Darstellungen fällt […‫ ]ו‬auf, dass regelmässig gewisse Geschehnisse […‫ ]ו‬durch das Präsens historicum markiert werden.“ (Eriksson, 15) Konkret nennt Eriksson unvermutete Sinneseindrücke, Willens- und Machtäußerungen, Kriegsschilderungen und Wegmarken im menschlichen Leben (Geburt, Heirat, Tod). Außerdem werde das praesens historicum verwendet zur Hervorhebung wichtiger Aussa­ gen oder Mitteilungen (ebd., 15 f). 10 Eriksson stellt für die klassischen Historiographen Herodot, Thukydides und Xenophon zusammenfassend fest, dass Herodot das praesens historicum bei Kriegsschilderungen „an die Ausdrücke für töten und fallen und gewisse Verben des Wollens“ bindet, während Thukydides und Xenophon (Hellenika) es verwenden für die „Verben des Wollens, der Bewegung und der Kriegshandlungen, die an wichtige Züge in der Kriegsführung und im diplomatischen Schachspiel geknüpft sind“ (Eriksson, 23). Für die Anabasis von Xeno­ phon sieht Eriksson einen besonders häufigen und willkürlichen Einsatz des praesens his­ toricum, „was wohl darauf zurückzuführen ist, dass er von Ereignissen erzählt, die er selbst miterlebt hat“ (ebd.). 11 Schilderung von Schlachten: 1Sam 4,1 f.4.10; 11,1; 13,5; 14,20.22; 17,1–3.39.52; 28,1.4; 29,1; 30,9.11 f.21; 31,1–3.7–9; 2Sam 2,13.16.23.25; 5,18.21; 8,5; Verfolgung und Flucht Davids vor den Truppen Sauls: 1Sam 19,12.14–16.18.22; 20,1.11.24; 22,1.20; 23,9.15.26; 25,9.37;

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Tempora: Imperfekt und praesens historicum

2Sam 2,13 ‫רכ ַת גּ ִב ְעֹון י ַחְדּ ָו‬ ֵ ְ ‫ו ְיֹוא ָב בּ ֶן־צְרוּי ָה ו ְע ַב ְד ֵי ד ָו ִד י ָצְאוּ ו ַיּ ִפְגּ ְשׁוּם ע ַל־בּ‬ ‫רכ ָה מ ִזּ ֶה‬ ֵ ְ ‫רכ ָה מ ִזּ ֶה ו ְא ֵלּ ֶה ע ַל־ה ַבּ‬ ֵ ְ ‫ ו ַיּ ֵשׁ ְבוּ א ֵלּ ֶה ע ַל־ה ַבּ‬καὶ Ἰωὰβ υἱὸς Σαρουιὰς καὶ οἱ παῖδες Δαυὶδ ἐξήλθον12 ἐκ Χεβρὼν13 καὶ συναντῶσιν αὐτοῖς ἐπὶ τὴν κρήνην τὴν Γαβαὼν ἐπὶ τὸ αὐτό, καὶ ἐκάθισαν οὗτοι ἐπὶ τὴν κρήνην τὴν Γαβαὼν ἐντεῦθεν καὶ οὗτοι ἐπὶ τὴν κρήνην ἐντε­ ῦθεν ·

Das Aufeinandertreffen der feindlichen Truppen wird als das wesentliche Moment der Erzählung durch das praesens historicum hervorgehoben. In der dann folgenden Schilderung wird der Ausgang des Kampfes, das Fallen aller vierundzwanzig Männer, im praesens historicum geschildert: 2Sam 2,16 ‫קרָא‬ ְ ִ ‫רע ֵהוּ ו ַיּ ִפְּלוּ י ַחְדּ ָו ו ַיּ‬ ֵ ‫רע ֵהוּ ו ְחַרְבֹּו בּ ְצַד‬ ֵ ‫ראשׁ‬ ֹ ְ ‫ו ַיּ ַחֲז ִקוּ א ִישׁ בּ‬ ‫צּרִיםן‬ ֻ ַ ‫קת ה‬ ַ ְ ‫ ל ַמּ ָקֹום ה ַהוּא חֶל‬καὶ ἐκράτησαν ἕκαστος τῇ χειρὶ τὴν κεφα­ λὴν τοῦ πλησίον αὐτοῦ, καὶ μάχαιρα αὐτοῦ εἰς πλευρὰν τοῦ πλησίον αὐτοῦ, καὶ πίπτουσιν κατὰ τὸ αὐτό · καὶ ἐκλήθη τὸ ὄνομα τοῦ τόπου ἐκείνου Μερὶς τῶν ἐπιβούλων.

Dass der Übersetzer bei der Verwendung des praesens historicum nicht schematisch vorgeht und nicht zwingend alle wichtigen Ereignisse (auch nicht stets ein bestimmtes Verb) ins praesens historicum setzt, zeigt V. 17:14 2Sam 2,17 ‫קשׁ ָה ע ַד־מ ְאֹד בּ ַיֹּום ה ַהוּא ו ַיּ ִנּ ָג ֶף א ַב ְנ ֵר ו ְא ַנ ְשׁ ֵי‬ ָ ‫מּל ְחָמ ָה‬ ִ ַ ‫תּה ִי ה‬ ְ ַ‫ו‬ ‫ י ִשׂ ְרָא ֵל ל ִפְנ ֵי ע ַב ְד ֵי ד ָו ִד‬καὶ ἐγένετο ὁ πόλεμος σκληρὸς ὥστε λίαν ἐν τῇ ἡμέρᾳ ἐκείνῃ · καὶ ἔπταισεν Ἀβεννὴρ καὶ ἄνδρες Ἰσραὴλ ἐνώπιον παί­ δων Δαυίδ.

Oft stehen bei Schilderungen eines Kampfgeschehens eine ganze Reihe auf­ einander folgender Verben im praesens historicum. ֹ ‫שׂ‬ ֹ ‫מּל ְחָמ ָה ו ַיּ ֵא ָס ְפוּ‬ ִ ַ ‫תּים א ֶת־מ ַחֲנ ֵיה ֶם ל‬ ִ ְ ‫ו ַיּ ַא ַס ְפוּ פְל ִשׁ‬ 1Sam 17,1 ‫כה א ֲשׁ ֶר‬ ‫מּי ם‬ ִ ַ ‫קה בּ ְא ֶפֶס דּ‬ ָ ֵ ‫כה וּב ֵין־ע ֲז‬ ֹ ‫ ל ִיהוּד ָה ו ַיּ ַחֲנוּ בּ ֵין־שֹׂו‬καὶ συνάγουσιν ἀλλόφυλοι τὰς παρεμβολὰς αὐτῶν εἰς πόλεμον, καὶ συνάγονται εἰς Σοκχὼθ τῆς Ιουδαίας, καὶ παρεμβάλλουσιν ἀνὰ μέσον Σοκχὼθ καὶ ἀνὰ μέσον Ἀζηκὰ ἐν Ἐφερμέμ.

26,1.5 f; Bericht über den Anschlag auf Ischbaal und die Hinrichtung seiner Mörder durch David: 2Sam 4,7.12. 12 ἐξήλθοσαν A O 121 342 707 (Rahlfs). 13 ἐκ Χεβρών setzt ‫ מחברון‬voraus. 14 ‫ נגף‬Nifal ‚geschlagen werden‘ wird in Schlachtschilderungen einmal mit praesens histori­ cum wiedergegeben (1Sam 4,10) und zweimal mit dem Aorist (1Sam 4,2; 2Sam 2,17), obwohl es jeweils den Wendepunkt der Auseinandersetzungen markiert.

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Praesens historicum

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Das praesens historicum wird auch in V. 2 und 3 so lange beibehalten, bis die Ausgangslage der Schlacht vollständig beschrieben ist. Im Übergang zur Erzählung von den Provokationen Goliaths wechselt der Übersetzer in den Aorist: 1Sam 17,3 f ‫עמ ְד ִים א ֶל־ה ָה ָר מ ִזּ ֶה‬ ֹ ‫עמ ְד ִים א ֶל־ה ָה ָר מ ִזּ ֶה ו ְי ִשׂ ְרָא ֵל ו‬ ֹ ‫תּי ם ו‬ ִ ְ ‫וּפְל ִשׁ‬ ‫תּים גּ ָל ְי ָת שׁ ְמֹו…ו‬ ִ ְ ‫ ו ְה ַגּ ַי ְא בּ ֵינ ֵיה ֶם ו ַיּ ֵצֵא א ִישׁ־ה ַבּ ֵנ ַי ִם מ ִמּ ַחֲנֹות פְּל ִשׁ‬καὶ ἀλλόφυλοι ἵστανται ἐπὶ τοῦ ὄρους ἐνταῦθα, καὶ Ἰσραὴλ ἵσταται ἐπὶ τοῦ ὄρους ἐνταῦθα, καὶ ὁ αὐλὼν ἀνὰ μέσον αὐτῶν. καὶ ἐξῆλθεν ἀνὴρ δυνατὸς ἐκ τῆς παρατάξεως τῶν ἀλλοφύλων, Γολιὰθ ὄνομα αὐτῷ…‫ו‬ Der Kampf zwischen David und Goliath wird ohne praesentia historica geschildert; erst am Schluss der Szene steht nochmals praesens historicum: ֻ ָ ‫תּים כּ ִי־מ ֵת גּ ִבֹּורָם ו ַיּ ָֻנסוּ ו ַיּ‬ ִ ְ ‫ו ַיּ ִרְאוּ ה ַפְּל ִשׁ‬ 1Sam 17,51 f ‫קמוּ א ַנ ְשׁ ֵי י ִשׂ ְרָא ֵל‬

‫קרֹון‬ ְ ֶ ‫רי ע‬ ֵ ֲ ‫תּים ע ַד־בֹּוא ֲך ָ ג ַי ְא ו ְע ַד שׁ ַע‬ ִ ְ ‫ ו ִיהוּד ָה ו ַיּ ָרִעוּ ו ַיּ ִרְדּ ְפוּ א ֶת־ה ַפְּל ִשׁ‬καὶ εἶδον οἱ ἀλλόφυλοι ὅτι τέθνηκεν ὁ δυνατὸς αὐτῶν, καὶ ἔφυγον. καὶ #ἀνίστανται ἄνδρες Ἰσραὴλ καὶ Ἰούδα καὶ ἠλάλαξαν, καὶ κατεδίωξαν ὀπίσω αὐτῶν ἕως εἰσόδου Γὲθ καὶ ἕως τῆς πύλης Ἀσκάλῶνος.15

Das Aufbrechen zur Verfolgung der Philister (καὶ ἀνίστανται) steht im praesens historicum. Die dann folgenden Aoriste ἠλάλαξαν und κατεδίω­ ξαν sind schöne Beispiele dafür, dass der Übersetzer nicht darin berechen­ bar ist, welche Verben er ins praesens historicum setzt: In einem vergleichba­ ren Kontext setzt er das Fliehen von Truppen und das Nachrücken der Feinde ins praesens historicum: 1Sam 31,7 ‫ו ַיּ ִרְאוּ א ַנ ְשׁ ֵי־י ִשׂ ְרָא ֵל א ֲשׁ ֶר־בּ ְע ֵב ֶר ה ָע ֵמ ֶק ו ַא ֲשׁ ֶר בּ ְע ֵב ֶר ה ַיּ ַרְדּ ֵן כּ ִי־נ ָסוּ‬ ‫באוּ‬ ֹ ָ ‫א ַנ ְשׁ ֵי י ִשׂ ְרָא ֵל ו ְכ ִי־מ ֵתוּ שׁ ָאוּל וּב ָנ ָיו ו ַיּ ַע ַז ְבוּ א ֶת־ה ֶע ָרִים ו ַיּ ָֻנסוּ ו ַיּ‬ ‫תּים ו ַיּ ֵשׁ ְבוּ בּ ָה ֶן‬ ִ ְ ‫ פְל ִשׁ‬καὶ εἶδον οἱ ἄνδρες Ἰσραὴλ οἱ ἐν τῷ πέραν τῆς κοι­ λάδος καὶ οἱ ἐν τῷ πέραν τοῦ Ἰορδάνου ὅτι ἔφυγον οἱ ἄνδρες Ἰσραήλ, καὶ ὅτι τέθνηκεν Σαοὺλ καὶ οἱ υἱοὶ αὐτοῦ, καὶ καταλείπουσιν τὰς πόλεις αὐτῶν καὶ φεύγουσιν · καὶ ἔρχονται οἱ ἀλλόφυλοι καὶ κατοι#κοῦσιν ἐν αὐταῖς.

Wann der Übersetzer zum praesens historicum wechselt und wann er beim Aorist bleibt, ist nicht schematisch an Merkmalen der hebräischen Verbal­ syntax oder an bestimmten Kontexten orientiert. Vielmehr spielt das Sprachgefühl des Übersetzers eine entscheidende Rolle. Dies gilt auch für seine literarischen Vorbilder, die griechischen Historiographen.16 15 Die Vorlage las offenbar ‫שקלון‬ ׁ ‫א‬i. 16 S. die Beispiele bei Eriksson, 8–13. In einer Erzählung „können einzelne Punkte nach dem Ermessen des Autors durch subjektive Anwendung des Präsens historicum herausgehoben, plastischer gestaltet werden“ (ebd., 13; Hervorhebung hinzugefügt).

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Tempora: Imperfekt und praesens historicum

Herrschaftliches Agieren. Wie die klassischen Historiographen verwendet der Samuelübersetzer praesens historicum öfter in Zusammenhängen herr­ schaftlichen oder diplomatischen Agierens; typisch sind Verben des Befeh­ lens und Schickens.17 Solche Verben werden vielfach im Zusammenhang mit bewaffneten Auseinandersetzungen benutzt (etwa 1Sam 19,15: καὶ ἀποστέλλει). Es gibt aber auch andere Zusammenhänge herrschaftlichen Handelns, in denen das praesens historicum verwendet wird, z. B. ְ ִ ‫וּל ְב ֵית שׁ ָאוּל ע ֶב ֶד וּשׁ ְמֹו צִיב ָא ו ַיּ‬ 2Sam 9,2 ‫קרְאוּ־לֹו א ֶל־דּ ָו ִד ו ַֹיּאמ ֶר ה ַמּ ֶל ֶך ְ…ו‬ καὶ ἐκ τοῦ οἴκου Σαοὺλ παῖς ἦν καὶ ὄνομα αὐτῷ Σιβά, καὶ καλοῦσιν #αὐτὸν πρὸς Δαυὶδ · καὶ εἶπεν πρὸς αὐτὸν ὁ βασιλεύς…‫ו‬

Ein Untertan Davids wird zum König beordert. 1Sam 18,26 ‫ו ַיּ ַגּ ִדוּ ע ֲב ָד ָיו ל ְד ָו ִד א ֶת־ה ַדּ ְב ָרִים ה ָא ֵלּ ֶה ו ַיּ ִשׁ ַר ה ַדּ ָב ָר בּ ְע ֵינ ֵי ד ָו ִד…ו‬ #καὶ ἀπαγγέλλουσιν οἱ παῖδες Σαοὺλ τῷ Δαυὶδ τὰ ῥήματα ταῦτα, καὶ εὐθύνθη ὁ λόγος ἐν ὀφθαλμοῖς Δαυίδ…‫ו‬ Die Diener Sauls überbringen David einen Entschluss des Königs. Herrschaftlichem Agieren ordne ich auch das praesens historicum in 1Sam 11,8 zu, wo es um die Musterung von Truppen geht; ebensogut ließe es sich der Kategorie „Kriegserzählung“ zuordnen. ֹ ְ ‫קד ֵם בּ ְב ָז ֶק ו ַיּ ִה ְיוּ ב ְנ ֵי־י ִשׂ ְרָא ֵל שׁ‬ ְ ְ‫ ו ַיּ ִפ‬18 1Sam 11,8 ‫לשׁ מ ֵאֹות א ֶל ֶף ו ְא ִישׁ י ְהוּד ָה‬ ‫לשׁ ִים א ָל ֶף‬ ֹ ְ ‫ שׁ‬καὶ ἐπισκέπτεται αὐτοὺς Αβιέζεκ ἐν Βαμα, πάντα19 ἄν­ δρα Ἰσραὴλ ἑξακοσίας χιλιάδας, καὶ ἄνδρας Ἰουδὰ ἑβδομήκοντα χιλιάδας.

5.3.2.2 Ortsveränderungen Sehr häufig verwendet der Übersetzer das praesens historicum für Verben, die eine Ortsveränderung einer Person (in 1Sam 7,1; 2Sam 6,17 der Bundes­ lade) schildern. Wie bei den klassischen Historiographen20 ist hier das Verb ἔρχομαι typisch; der Übersetzer setzt es 20-mal ins praesens historicum. Es gibt aber auch zahlreiche andere Verben, die in dieser Kategorie vorkom­ men.21 17 S. Eriksson, 16, der von „Willens- oder Machtäusserungen“ spricht, „z. B. ein Befehl, eine Botschaft, eine Belehrung. […‫ ]ו‬Der Autor stellt den Willen der Hauptperson als normge­ bend für einen gewissen Zusammenhang dar.“ Belege für die Samuelbücher: 1Sam 5,8.10 f; 6,2.21; 10,23; 11,8.9; 13,2; 14,47 (sofern κατακληροῦται ἔργον die ursprüngliche Lesart ist = Rahlfs; anders GA); 15,4; 18,26; 2Sam 9,2. 18 4QSama liest wie die Vorlage des Übersetzers ‫שׁבעים אלף‬i (ἑβδομήκοντα χιλιάδας); ebenso OL115 und OLMg. 19 Mit GA (πᾶν B 121; Rahlfs). 20 S. Eriksson, 16. 21 ἔρχομαι 1Sam 7,1; 10,10.13; 11,4; 14,20; 19,16.22; 20,24; 21,2; 22,1; 25,9; 26,1; 28,4.8; 30,9; 31,7.8; 2Sam 2,4.29; 5,3. Mit aufgeführt sind Fälle, die in militärischen Kontexten stehen

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Praesens historicum

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1Sam 7,1 ‫אתֹו א ֶל־בּ ֵית‬ ֹ ‫קרְי ַת י ְע ָרִים ו ַיּ ַע ֲלוּ א ֶת־א ֲרֹון י ְהו ָה ו ַיּ ָב ִאוּ‬ ִ ‫באוּ א ַנ ְשׁ ֵי‬ ֹ ָ ‫ו ַיּ‬ ‫ א ֲב ִינ ָד ָב‬καὶ ἔρχονται οἱ ἄνδρες Καριαθιαρὶμ καὶ ἀνάγουσιν τὴν κιβω­ τὸν διαθήκης Κυρίου, καὶ εἰσάγουσιν αὐτὴν εἰς οἶκον Ἀμιναδάβ. ָ ָ ‫באוּ א ֶל־שׁ ְמוּא ֵל ה ָרָמ‬ ֹ ָ ‫קנ ֵי י ִשׂ ְרָא ֵל ו ַיּ‬ ְ ִ ‫כּל ז‬ ֹ ‫קבּ ְצוּ‬ ַ ‫ת‬ ְ ִ ‫ ו ַיּ‬καὶ 1Sam 8,4 ‫תה‬ #συναθροίζονται ἄνδρες Ἰσραὴλ καὶ παραγίνονται εἰς Ἁρμαθάιμ πρὸς Σαμουήλ.

Wie bei den anderen für das praesens historicum typischen Kontexten auch, verwendet der Übersetzer das praesens historicum für Verben der Bewegung nicht schematisch. Die überwiegende Zahl der Belege für Verben der Bewe­ gung steht im Aorist,22 z. B. ְ ִ ‫בא ה ָע ָם א ֶל־ה ַמּ ַחֲנ ֶה ו ַֹיּאמ ְרוּ ז‬ ֹ ָ ‫ ו ַיּ‬καὶ ἦλθεν ὁ λαὸς εἰς 1Sam 4,3 ‫קנ ֵי י ִשׂ ְרָא ֵל…ו‬ τὴν παρεμβολήν καὶ εἶπαν οἱ πρεσβύτεροι Ἰσραήλ…‫ו‬

Manchmal schafft der Übersetzer schöne Kontrastwirkungen, indem er Verben der Bewegung eines Handlungszusammenhangs in unterschiedliche Tempora setzt, z. B. 1Sam 9,14 ‫תם‬ ָ ‫קרָא‬ ְ ִ ‫ו ַיּ ַע ֲלוּ ה ָע ִיר ה ֵמּ ָה בּ ָא ִים בּ ְתֹוך ְ ה ָע ִיר ו ְה ִנּ ֵה שׁ ְמוּא ֵל ֹיצֵא ל‬ ‫ ל ַע ֲלֹות ה ַבּ ָמ ָה‬καὶ ἀναβαίνουσιν τὴν πόλιν · αὐτῶν εἰσπορευομένων εἰς μέσον τῆς πόλεως, καὶ ἰδοὺ Σαμουὴλ ἐξῆλθεν εἰς ἀπάντησιν αὐτῶν, τοῦ ἀναβῆναι εἰς Βαμά.

Zunächst stehen das durative praesens historicum und der (durch das Parti­ zip Präsens) ebenfalls durative genetivus absolutus. Das unerwartete Heraustreten Samuels aus der Stadt schildert der Übersetzer resultativ im Aorist und akzentuiert damit nicht den Vorgang des Kommens, sondern des plötzlichen Da-Seins. Überblickt man die hebräischen Verben, die bei Ortswechseln mit prae­ sens historicum übersetzt werden, so sticht aus ihrer Vielzahl lediglich ‫בוא‬ heraus23 – vielleicht weil das vom Übersetzer verwendete Standardäquiva­ lent ἔρχομαι (mit Komposita) bei den griechischen Historiographen beson­ ders häufig im praesens historicum steht.24

und die man auch der Kategorie Kriegsführung zuordnen könnte. Weitere Fälle mit ande­ ren Verben: 1Sam 1,19; 8,4; 9,14; 11.11; 13,10; 14,11; 2Sam 5,1.3; 6,6; 6,17; 9,6. 22 Formen des mit Abstand am häufigsten durch praesens historicum wiedergegebenen Verbs ‫בוא‬i werden im Non-Kaige-Bereich 33-mal durch ein praesens historicum repräsentiert (s. unten Anhang C: Hebräische Wurzeln der praesentia historica; S. 257) und 68-mal durch einen Aorist. 23 S. oben Anm. 22; zum Vergleich mit anderen Verben s. unten Anhang C: Hebräische Wur­ zeln der praesentia historica (S. 257). 24 S. oben Anm. 20. Wohl wegen dieser Sonderrolle von ‫ בוא‬gewann Thackeray den im

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Tempora: Imperfekt und praesens historicum

5.3.2.3 Kultische Handlungen Der Übersetzer verwendet das praesens historicum einige Male bei rituellen Handlungen und Schilderungen göttlichen Eingreifens.25 Dieser Gebrauch findet sich selten bei Herodot und Thukydides, dafür häufig bei Xeno­ phon.26 Zweimal verwendet der Übersetzer das praesens historicum bei Opfer­ handlungen (1Sam 6,14; 7,6). 1Sam 6,14 ‫על ָה‬ ֹ ‫קּעוּ א ֶת־ע ֲצֵי ה ָע ֲג ָל ָה ו ְא ֶת־ה ַפָּרֹות ה ֶע ֱלוּ‬ ְ ַ ‫ו ְשׁ ָם א ֶב ֶן גּ ְדֹול ָה ו ַי ְב‬ ‫ ל ַיהו ָה‬καὶ ἔστησαν ἐκεῖ παρ᾽ αὐτῇ λίθον μέγαν · καὶ σχίζουσιν τὰ ξύλα τῆς ἁμάξης, καὶ τὰς βόας ἀνήνεγκαν εἰς ὁλοκαύτωσιν τῷ Κυρίῳ.

Das Herstellen des Opferholzes, das durch Zerstören des Transportwagens der Lade JHWHs gewonnen wird,27 ist durch das praesens historicum her­ vorgehoben. 1Sam 7,6 ‫תה ו ַיּ ִשׁ ְא ֲבוּ־מ ַי ִם ו ַיּ ִשׁ ְפְּכוּ ל ִפְנ ֵי י ְהו ָה‬ ָ ָ‫מּצְפּ‬ ִ ַ ‫קּב ְצוּ ה‬ ָ ִ ‫ ו ַיּ‬καὶ συνήχθη ὁ λαὸς28 εἰς Μασσηφάθ, καὶ ὑδρεύονται ὕδωρ καὶ ἐξέχεαν ἐνώπιον Κυρίου ἐπὶ τὴν γῆν.29 Nachdem die Israeliten die Baalim und Astarten außer Gebrauch gesetzt haben (1Sam 7,4), führen sie in Mizpa30 ein Wasserritual31 durch. Ebenfalls im praesens historicum stehen das Kommen eines JHWHSchreckens über die Stadt Gat (1Sam 5,9); ein Fluch Sauls über das Volk (1Sam 14,24); die rituelle Auslosung einer auserwählten oder fluchbeladenen Person (in 1Sam 10,20 f die durch Losorakel erfolgende Bestimmung Sauls

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Gesamtbild nicht zutreffenden Eindruck, der Übersetzer verwende das praesens historicum vor allem für Verben der Bewegung (Thackeray, Greek Translators, 273 f). 1Sam 5,9; 6,14; 7,6; 10,20 f; 14,24; 14,41 f; 2Sam 2,4; 5,3. S. Eriksson, 60, der von Xenophon als dem „frömmste[n] der klassischen Historiker“ spricht und Belege nennt für Opferhandlungen, Auspizien, Votivgeschenke, unmittelbares Eingreifen einer Gottheit und numinos verstandene Naturkatastrophen (ebd., 60, Anm. 1). Der Wagen wird zerstört, weil er die Lade JHWHs getragen hatte und nun für keinen pro­ fanen Gebrauch mehr verwendet werden kann (s. Dietrich, z. St., S. 289). Mit GA. A B O b f (Rahlfs) lesen συνήχθησαν und ohne ὁ λαός; συνήχθησαν ist auch für die fünfte Spalte der Hexapla überliefert (s. Field, z. St.). Die Löschung von ὁ λαός ist eine Angleichung an den Texttyp des MT; die Vorlage hat höchstwahrscheinlich ‫ העם‬enthalten (zum Idiom vgl. 2Chr 32,4). ἐπὶ τὴν γῆν hat keine Entsprechung im MT. Dietrich (z. St.) hält dies für eine Verdeutli­ chung; ähnlich McCater (z. St.). Eine solche Ergänzung wäre allerdings untypisch für den Übersetzer. Das Verb ‫שׁפך‬i wird öfter mit ‫א ַרְצָה‬i o. ä. kombiniert (2Sam 20,10; 1Chr 22,8; Hiob 16,13; Klgl 2,11; Ez 24,7; 33,25; 36,18; Joel 4,19; Am 5,8; 9,6). Ich halte eine entspre­ chende Vorlage für wahrscheinlich. Zum Ort Mizpa (Tell en-Nasbe?) s. Liwak, 122–124. „Mit dem Wasser wäscht man die Schuld ab und hofft, sie werde mit ihm im Boden versi­ ckern.“ (Dietrich, z. St.; S. 319).

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zum König; in 1Sam 14,41 f32 die Ermittlung Jonathans als desjenigen, des­ sen Fehlverhalten das Verhältnis zu JHWH stört); die Salbung Davids zum König über Juda (2Sam 2,4) und Israel (2Sam 5,3). ֹ ְ ‫תּה ִי י ַד־י ְהו ָה בּ ָע ִיר מ ְהוּמ ָה גּ ְדֹול ָה מ‬ ְ ַ ‫אתֹו ו‬ ֹ ‫רי ה ֵס ַבּוּ‬ ֵ ֲ‫ ו ַי ְה ִי א ַח‬καὶ 1Sam 5,9 ‫אד‬ ἐγενήθη μετὰ τὸ μετελθεῖν αὐτὴν [=κιβωτός] καὶ γίνεται χεὶρ Κυρίου ἐν τῇ πόλει, τάραχος μέγας σφόδρα.

Eine Analogie findet sich bei Herodot (Hdt 8.37.2):33 οἱ δὲ βάρβαροι ἐπειδὴ ἐγίνοντο ἐπειγόμενοι κατὰ τὸ ἱρὸν τῆς Προναίης Ἀθηναίης, ἐπιγίνεταί σφι τέρεα ἔτι μέζονα τοῦ πρὶν γενομένου τέρεος. „Als die Barbaren sich dem Heiligtum der Athenene Pronaia näherten, geschahen weitere Schre­ cken, die größer waren als der vorher geschehene Schrecken.“ Ähnlich wie den „Barbaren“ (den Persern), die sich dem Heiligtum in Delphi näherten und es zu entweihen drohten, ergeht es den Philistern: Die Präsenz der Lade JHWHs ruft göttlichen Schrecken aus sie herab. 5.3.2.4 Weitere Kontexte Weitere Kontexte, bei denen der Übersetzer einige Male das praesens histo­ ricum analog zur griechischen Historiographie verwendet, sind unvermu­ tete Ereignisse und Sinneseindrücke sowie Wendepunkte des Lebens (Hochzeit, Tod und Begräbnis). Außerdem gibt es einen stereotypen Gebrauch des praesens historicum bei der Einleitung wörtlicher Rede durch λέγει bzw. λέγουσιν. Unvermutete Ereignisse und Sinneseindrücke. Analog zur klassischen His­ toriographie verwendet der Übersetzer in einigen Fällen das praesens histo­ ricum für überraschende Wahrnehmungen.34 1Sam 7,7 ‫תּים א ֶל־י ִשׂ ְרָא ֵל ו ַיּ ִשׁ ְמ ְעוּ בּ ְנ ֵי י ִשׂ ְרָא ֵל ו ַיּ ִרְאוּ מ ִפְּנ ֵי‬ ִ ְ ‫ו ַיּ ַע ֲלוּ ס ַרְנ ֵי־פְל ִשׁ‬ ‫תּים‬ ִ ְ ‫ פְל ִשׁ‬καὶ ἀνέβησαν σατράπαι ἀλλοφύλων ἐπὶ Ἰσραήλ · καὶ οἱ υἱοὶ Ἰσραήλ, καὶ ἐφοβήθησαν ἀπὸ προσώπου ἀλλοφύλων.

#ἀκούουσιν

Die Israeliten sind zur Ausführung von Opferhandlungen in Mizpa versam­ melt (V. 6) und rechnen in dieser Situation nicht mit einem Angriff von

32 Die längere Lesart der LXX wird durch 4QSamb bestätigt. 33 Hinweis auf die Stelle bei Eriksson, 60, Anm. 1 d; Übersetzung von mir. Der Text Hero­ dots ist zitiert nach der digitalisierten Fassung der Ausgabe von Alfred D. Godley (Cam­ bridge 1920), die unter www.perseus.tufts.edu von der Tufts University (Massachusetts) publiziert wurde (Zugriff am 15.05.2014). 34 1Sam 7,7; 9,11; 13,3; 22,1; 31,11. Die Verben entsprechen typischen Verben in der historio­ graphischen Literatur (s. Eriksson, 15): ἀκούω (viermal) und εὑρίσκω (einmal).

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Feinden. Überraschend hören sie davon, dass die Philister die Versammlung für eine militärische Aktion ausnutzen könnten und geraten in Furcht. 1Sam 9,11 ‫אב מ ָי ִם‬ ֹ ְ ‫על ִים בּ ְמ ַע ֲל ֵה ה ָע ִיר ו ְה ֵמּ ָה ומ ָצְאוּ נ ְע ָרֹות ֹיצְאֹות ל ִשׁ‬ ֹ ‫ה ֵמּ ָה‬ ‫רא ֶה‬ ֹ ָ ‫ ו ַֹיּאמ ְרוּ ל ָה ֶן ה ֲי ֵשׁ בּ ָז ֶה ה‬αὐτῶν ἀναβαινόντων τὴν ἀνάβασιν τῆς πόλεως, καὶ αὐτοὶ εὑρίσκουσιν τὰ κοράσια ἐξεληλυθότα ὑδρεύ­ σασθαι ὕδωρ, καὶ λέγουσιν αὐταῖς Eἰ ἔστιν ἐνταῦθα ὁ βλέπων;

Als Saul und sein Begleiter zur Anhöhe der Stadt kommen, treffen sie unvermutet auf Mädchen, die sie nach dem Seher (Samuel) fragen können. Wichtige biographische Ereignisse. Insbesondere bei Thukydides werden Geburt, Heirat und Tod häufig im praesens historicum mitgeteilt.35 Der Samuelübersetzer benutzt das praesens historicum bei der Erwähnung von Hochzeiten und Begräbnissen.36 1Sam 25,42 ‫תּה ִי־לֹו ל ְא ִשּׁ ָה‬ ְ ַ ‫רי מ ַל ְא ֲכ ֵי ד ָו ִד ו‬ ֵ ֲ‫תּל ֶך ְ א ַח‬ ֵ ַ ‫ ו‬καὶ ἐπορεύθη ὀπίσω τῶν παίδων Δαυίδ, καὶ γίνεται αὐτῷ εἰς γυναῖκα. ֻ ְ ‫קבּ‬ ְ ִ ‫ וּשׁ ְמוּא ֵל מ ֵת ו ַיּ ִס ְפְּדוּ־לֹו כּ ָל־י ִשׂ ְרָא ֵל ו ַיּ‬καὶ 1Sam 28,3 ‫רהוּ ב ָרָמ ָה וּב ְע ִירֹו‬ Σαμουὴλ ἀπέθανεν, καὶ ἐκόψαντο αὐτὸν πᾶς Ἰσραήλ, καὶ θάπτουσιν αὐτὸν ἐν Ἁρμαθάιμ ἐν πόλει αὐτοῦ.

Einleitung wörtlicher Rede. Der Übersetzer verwendet einige Male das praesens historicum bei der Einleitung wörtlicher Rede (λέγει / λέγουσιν).37 Im Unterschied zu den griechischen Historiographen, die besonders mar­ kante Aussagen mit καὶ λέγει / καὶ λέγουσιν hervorheben,38 ist der Ge­ brauch in den Samuelbüchern stereotyp; es ist keine besondere stilistische Absicht erkennbar.39

35 S. Eriksson, 16. Wegen dieses von manchen Grammatikern als protokollartig empfundenen Gebrauchs wurde in der Altphilologie auch der Begriff praesens tabulare verwendet und eine eigene sprachgeschichtliche Herkunft angenommen (s. Brugmann, § 543, 4, Hervorhe­ bung im Original: „Der Gebrauch des […‫ ]ו‬Praesens historicum bei den nachhomerischen Schriftstellern dürfte aus zwei Quellen geflossen sein.“ Brugmann nennt dann den „drama­ tischen“ und den „registrierenden oder notizenhaften“ Gebrauch). Die heutige Forschung hält an dieser Annahme nicht mehr fest (s. Sicking/Storck, 131 f; 166). 36 1Sam 18,27; 25,42 (Eheschließungen); 1Sam 25,1; 28,3; 31,12 f; 2Sam 2,32 (Begräbnisse). 37 1Sam 5,7.8; 6,4; 9,11 f; 11,3 f; 14,12; 19,14; 25,9; 29,4.9. 38 S. Eriksson, 15. 39 In den klassischen Grammatiken habe ich dazu nichts gefunden; für die LXX hat das Phä­ nomen schon Thackeray, Grammar, 24, beobachtet: „The historic present tends to be used with verbs of a certain class; apart from λέγει etc. it is specially used of verbs of seeing in the Pentateuch, of verbs of motion […‫ ]ו‬in the later historical books.“ (Hervorhebung von mir). Im Neuen Testament ist dieser stereotype Gebrauch noch weitaus häufiger (alleine 71-mal bei Markus; s. Hawkins, 146–148). Blass/Debrunner/Rehkopf, § 321, 2, vermuten, dass dieses Präsens aus volkstümlichem Sprachgebrauch kommt.

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1Sam 6,4 ‫תּים‬ ִ ְ ‫ו ַֹיּאמ ְרוּ מ ָה ה ָא ָשׁ ָם א ֲשׁ ֶר נ ָשׁ ִיב לֹו ו ַֹיּאמ ְרוּ מ ִס ְפַּר ס ַרְנ ֵי פְל ִשׁ‬ ‫ ז ָה ָב‬40‫ חֲמ ִשּׁ ָה ע ָפְל ֵי‬καὶ λέγουσιν Τί τὸ τῆς βασάνου ἀποδώσομεν αὐτῇ; καὶ εἶπαν41 Κατ᾽ ἀριθμὸν τῶν σατραπῶν τῶν ἀλλοφύλων πέντε ἕδρας χρυσᾶς.

Hier wäre die Antwort mindestens so hervorhebenswert gewesen wie die Frage; der Gebrauch von λέγουσιν ist formelhaft. ֹ ֱ ‫לא־י ֵשׁ ֵב א ֲרֹון א‬ ֹ ‫ו ַיּ ִרְאוּ א ַנ ְשׁ ֵי־א ַשׁ ְדֹּוד כּ ִי־כ ֵן ו ְא ָמ ְרוּ‬ 1Sam 5,7 ‫לה ֵי י ִשׂ ְרָא ֵל ע ִמּ ָנוּ‬ ‫לה ֵינוּ‬ ֹ ֱ ‫תה י ָדֹו ע ָל ֵינוּ ו ְע ַל דּ ָגֹון א‬ ָ ְ ‫קשׁ‬ ָ ‫ כּ ִי־‬καὶ εἶδον οἱ ἄνδρες Ἀζώτου ὅτι οὕτως, καὶ λέγουσιν ὅτι Οὐ καθήσεται κιβωτὸς τοῦ θεοῦ Ἰσραὴλ μεθ᾽ ἡμῶν.

Die Redeeinleitung ist zusätzlich durch ὅτι recitativum markiert.42 Eine besondere Betonung der Aussage ist nicht erkennbar. Nicht kategorisierte Fälle. Der Übersetzer verwendet praesens historicum in drei Fällen, die ich nicht den für die griechische Historiographie typischen Kontexten zuordnen kann (1Sam 3,15; 14,1; 18,15). 1Sam 3,15 ‫תּח א ֶת־דּ ַל ְתֹות בּ ֵית־י ְהו ָה‬ ַ ְ‫קר ו ַיּ ִפ‬ ֶ ‫בּ‬ ֹ ַ ‫ ו ַיּ ִשׁ ְכּ ַב שׁ ְמוּא ֵל ע ַד־ה‬καὶ κοι#μᾶται Σαμουὴλ ἕως πρωί, καὶ ὤρθρισεν τὸ πρωὶ καὶ ἤνοιξεν τὰς θύρας οἴκου Κυρίου ·

1Sam 14,1 ‫תן בּ ֶן־שׁ ָאוּל א ֶל־ה ַנּ ַע ַר…ו‬ ָ ָ ‫ ו ַי ְה ִי ה ַיֹּום ו ַֹיּאמ ֶר יֹונ‬καὶ γίνεται ἡμέρα καὶ εἶπεν Ἰωναθὰν υἱὸς Σαοὺλ τῷ παιδαρίῳ…‫ו‬ ֹ ְ ‫ ו ַיּ ַרְא שׁ ָאוּל א ֲשׁ ֶר־הוּא ומ ַשׂ ְכּ ִיל מ‬καὶ εἶδεν Σαοὺλ 1Sam 18,15 ‫אד ו ַיּ ָג ָר מ ִפָּנ ָיו‬ ὡς αὐτὸς συνίει σφόδρα, καὶ εὐλαβεῖτο ἀπὸ προσώπου αὐτοῦ.

Vielleicht ist συνίει als negativ überraschender Sinneseindruck gemeint. καὶ εὐλαβεῖτο könnte in Assimilation ins praesens historicum gesetzt worden sein. 5.3.2.5 Fazit Angesichts der festgestellten weitreichenden Analogien im Gebrauch des praesens historicum durch den Übersetzer zu demjenigen der klassischen Historiographen kann kein Zweifel daran bestehen, dass der Übersetzer griechisch-historiographische Literatur kannte und im Punkt der Verwen­

40 Qere ‫רי‬ ֵ ‫ח‬ ֹ ְ‫ט‬i. 41 εἶπον L CI 46–52 44–107–125–610 381–489 318 707; λέγουσιν O. 42 Ὅτι leitet hier direkte Rede ein, wie ἡμῶν zeigt.

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dung des praesens historicum stilistisch imitierte. Er benutzt dieses Tempus in ganz ähnlichen Kontexten wie die klassischen Historiographen, etwa zur Hervorhebung wichtiger Momente in militärischen Auseinandersetzungen, für wichtige Lebensstationen oder – wie besonders bei Xenophon – bei der Schilderung kultischer Handlungen. Dass der Samuelübersetzer die griechischen Historiographen so pointiert zum Vorbild nimmt, ist deshalb bemerkenswert, weil er sonst keinen beson­ deren stilistischen Ehrgeiz bei der Gestaltung der Syntax zeigt.43 Deshalb werte ich diese Imitation auch nicht als Zeichen dafür, dass er besonders schön oder besonders literarisch hätte arbeiten wollen. Er markiert vielmehr die Gattung der Samuelbücher: Es handelt sich um jüdische Geschichts­ schreibung, die an die Seite griechischer Geschichtsdarstellungen tritt. Vergleicht man die Häufigkeit des praesens historicum in den Samuelbü­ chern und bei den klassischen Historiographen, so überbietet der Samuel­ übersetzer diese deutlich.44 Es ist gut möglich, dass die hohe Frequenz des praesens historicum in Samuel von zeitgenössischen Leserinnen und Lesern als manieriert empfunden wurde, zumal das praesens historicum in der Geschichtsschreibung des Hellenismus weniger oft verwendet wurde als in der klassischen Periode.45 Aus den mit der Historiographie gemeinsamen typischen Kontexten für das praesens historicum ergibt sich, dass es gehäuft bei der Übersetzung bestimmter hebräischer Verben vorkommt: Bei ‫בוא‬i (33-mal); ‫חנה‬i (acht­ mal); ‫קבץ‬i (siebenmal); ‫ אסף‬und ‫שׁלח‬i (je sechsmal); ‫היה‬i, ‫ לכד‬und ‫קבר‬i (je fünfmal).46 Bemerkenswert ist, dass auch im Buch der Könige (Non-Kaige-Bereich) das Verb ‫ בוא‬die Liste der Verben im praesens historicum mit Abstand anführt, was ein Indiz für die Identität der Übersetzer ist, ebenso die in bei­

43 S. die Untersuchungen oben in den Kapiteln 2 bis 4. 44 Leider gibt Eriksson, 22, die Anzahl der praesentia historica „pro Seite“ der von ihm ver­ wendeten Ausgaben an (Sicking/Storck haben keine eigenen Zählungen vorgenommen). Ich habe seine Angaben durch Einsicht in die benutzten Ausgaben umzurechnen versucht und komme sowohl für Herodot als auch für Thukydides und Xenophon auf jeweils ca. ein praesens historicum pro 250 Wörter. Für die Samuelbücher (Non-Kaige-Bereich) ist eine genaue Angabe möglich: Ein praesens historicum kommt auf 145 Wörter (der NonKaige-Bereich hat 25.680 Wörter bei 177 praesentia historica; Nachweis s. Anhang B: Prae­ sentia historica der Samuelbücher; unten S. 250). Dass die Dichte in den Samuelbüchern tatsächlich höher ist als bei den Historiographen, habe ich durch Stichproben überprüft. Selbst die von Sicking und Storck benannte Stelle mit der höchsten Dichte des praesens hi­ storicum (Sicking/Storck, 132 f, Anm. 10) bei Thuk 1.135–138 (ein praesens historicum auf 30 Wörter, eigene Zählung) wird vom Samuelübersetzer erreicht (1Sam 19,10–18; ein prae­ sens historicum auf 30 Wörter) und übertroffen (1Sam 31,1–13: ein praesens historicum auf 17 Wörter). 45 S. Eriksson, 25 f (dessen Ergebnisse aufnehmend und bestätigend Sicking/Storck, 133 f). 46 In der Aufzählung ausgelassen ist wegen seines besonderen Charakters ‫אמר‬i (zehnmal durch praesens historicum repräsentiert). Eine vollständige Liste der Verben findet sich unten im Anhang C: Hebräische Wurzeln der praesentia historica (S. 257).

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den Büchern häufige Übersetzung von ‫ קבר‬mit praesens historicum.47 Auch die Dichte der praesentia historica in beiden Büchern ist vergleichbar, wenn man die Kontexte berücksichtigt.48 Der ähnliche Gebrauch des praesens hi­ storicum in Samuel und Könige stützt mithin die These, dass alle vier Bücher der Königtümer von ein- und demselben Übersetzer übersetzt wurden.

Exkurs: 2Sam 10,6 als Beginn des Kaige-Abschnitts Die Untersuchung der praesentia historica ermöglicht eine wichtige Beobachtung zu der Frage, wo genau der Kaige-Abschnitt beginnt: In 2Sam 10,6 (bis); 10,14 (ter) und 10,17 (quinquies) liegt deutlich erkennbar das Bearbeitungsmuster der Kaige-Rezensenten vor, nach dem praesentia historica durch den Aorist ersetzt werden (die praesentia historica von Old Greek sind in der L-Gruppe erhalten). Der Kaige-Bereich beginnt demnach in 2Sam 10. Bereits wenige Jahre nach der Veröffentlichung Dominique Barthéle­ mys, der den Beginn des Kaige-Abschnitts in unkritischer Übernahme der Einteilung Henry St. John Thackerays für 2Sam 11,2 angegeben hatte,49 wies James Donald Shenkel darauf hin, dass in 2Sam 10 Merk­ male der Kaige-Rezension vorliegen.50 Allerdings konnte bis heute kein Forschungskonsens über den Beginn von Kaige erzielt werden.51 Das liegt erstens an der enormen Wirkmächtigkeit der Festlegung Barthéle­ mys (auf Basis der dahinter liegenden plastischen Begründung Thacke­ rays für einen Einschnitt in 2Sam 11,2);52 zweitens daran, dass die seit 47 Nachweis der praesentia historica in Könige (Non-Kaige-Bereiche), für die eine hebräische Vorlage existiert (nicht berücksichtigt sind die zahlreichen Überschüsse der LXX): ‫בוא‬ achtmal (1Kön 3,15; 8,6; 11,18 bis; 13,11; 16,18; 19,3; 20,43 [21,43 LXX]); ‫ היה‬einmal (16,21); ‫ הלך‬zweimal (12,1; 14,4); je einmal i‫ירד‬ii(18,40); i‫לקח‬ii(11,18); i‫מלט‬ii(20,20); dreimal i‫מצא‬ii(19,19; 20,36.37); je einmal i‫נגד‬ii(20,17); i‫נשׂא‬ii(15,22); i‫עלה‬ii(20,33); fünfmal i‫קבר‬ii(14,31; 15,8; 15,24; 16,6; 16,28) und einmal i‫קום‬ii(11,18). 48 Die geringere Dichte des praesens historicum in Könige (s. oben Anm. 3 und Anm. 47) hat mit den anderen Gattungen in 1Kön 2,12–21,29 (2,12–21,43 LXX) zu tun; anders als im Samuelbuch spielen die für das praesens historicum so typischen Schlachtschilderungen kaum eine Rolle. 49 S. dazu oben S. 16 (bei Anm. 17). 50 S. Shenkel, 117–120. Shenkel nennt über die praesentia historica hinaus weitere Merkmale des Kaige-Texttyps (dazu im Folgenden). 51 S. Tov, Septuagint, 491. In der gegenwärtigen Forschung werden genannt 2Sam 10 (zuerst Shenkel, 118 f; aktuell etwa De Troyer, 236) und 2Sam 11 (etwa Fernández Marcos, Septua­ gint, 145). 52 „The reason is not far to seek which induced the translator […‫ ]ו‬to lay down his pen on rea­ ching the following passage: ‚And it came to pass at eventide, that David arose from off his bed, and walked upon the roof of the king’s house: and from the roof he saw a woman bathing’. […‫ ]ו‬It is not surprising that he decided to limit his work to the earlier and happier years of David’s reign.“ (Thackeray, Greek Translators, 266) Vielleicht kam Thackeray auf diesen Gedanken durch das Verbot der Mischna, 2Sam 11,2 ff (sowie Gen 35,22; Ex 32,21 ff und 2Sam 13,1 ff) im Gottesdienst zu übersetzen (s. Schäfer, 216 f).

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Thackeray etablierte Nomenklatur (α, ββ, βγ) mit dieser Einteilung ver­ knüpft ist; und schließlich hat Shenkel seine Hinweise in einem Appendix „versteckt“ und den postulierten Beginn in 2Sam 10,1 als unsicher mar­ kiert.53 Eine genaue Untersuchung der Lesarten in 2Sam 10 führt allerdings nicht nur zur Gewissheit, dass der Kaige-Abschnitt tatsächlich in diesem Kapitel beginnt. Darüber hinaus kann die Grenze zwischen dem NonKaige- und Kaige-Abschnitt sogar versgenau angegeben werden: Sie ver­ läuft zwischen 2Sam 10,5 und 2Sam 10,6.54 In 2Sam 10,5 liegt mit εἰς ἀπάντησιν αὐτῶν55 für ‫תם‬ ָ ‫קרָא‬ ְ ִ ‫ ל‬die Arbeitsweise des Übersetzers vor;56 die Kaige-Rezensenten ändern diesen Ausdruck im Kaige-Bereich in εἰς ἀπαντήν.57 Auch für V. 3 lässt sich der nichtlukianische Text als NonKaige-Text bestimmen: ἐνώπιόν σου für ָ ‫ בּ ְע ֵינ ֶיך‬ist die Handschrift des Übersetzers;58 die Kaige-Rezensenten ändern diesen Ausdruck zu ἐν ὀφθαλμοῖς + Genitiv.59 In 2Sam 10,6 dagegen gehört die Änderung der beiden praesentia historica zur Kaige-Rezension, und von diesem Vers an liegen die Merkmale der Kaige-Rezension in einer bis zum Ende des Samuelbuchs konstanten Dichte vor (in 2Sam 10 noch die Änderung von ἐν τῷ πεδίῳ zu ἐν ἀγρῷ in V. 860 und die Überführung der griechischen Perfekte ὅτι πέφυγεν und ὅτι ἔπταικασιν in den Aorist in V. 14.19).61

53 Shenkel notiert, seine Argumente „would tend to indicate that the KR […‫ ]ו‬began at 10: 1 rather than at 11: 2“ (Shenkel, 118). Die Ausführungen Shenkels sind als „Appendix B“ (ebd., 117–120) einem Buch über den Text der Königebücher beigegeben. 54 Diese These habe ich bereits vertreten in Wirth, 123–126. 55 εἰς ἀπαντήν B 55 460 (Rahlfs) – eines der für den Codex Vaticanus im Non-Kaige-Bereich typischen kaige-artigen Einsprengsel, auf die Anneli Aejmelaeus hingewiesen hat (s. Aej­ melaeus, How to Reach, 193–203). Weitere Beispiele s. oben S. 153 (Anm. 9); S. 156 (Anm. 25); S. 161 (Anm. 43); S. 161 (Anm. 45); S. 162 (Anm. 48); S. 168 (Anm. 73) und S. 194 (Anm. 28). Solche Einsprengsel sind vereinzelt auch im Kaige-Bereich zu finden (etwa 2Sam 13,30 λέγων A B 509; 2Sam 13,33 ὅτι > A B 509 64–381 244 460; 2Sam 15,18 πορευο­ μένοι B O 509; 2Sam 20,22 ἀφεῖλεν A B 247 55 und ἔβαλεν A B 509 55), so dass man 2Sam 10,5 theoretisch schon zum Kaige-Bereich zählen könnte. Faktisch macht das wenig Sinn, weil die für den Kaige-Abschnitt typischen Merkmale mit der Änderung der praesen­ tia historica in 2Sam 10,6 beginnen. 56 S. 1Sam 9,14; 13,10; 15,12; 16,4; 21,2; 25,32.34; 30,21; 2Sam 6,20; zur Sache schon Barthé­ lemy, Les Devanciers, 78–80, der die Unterschiede bei den Entsprechungen für ‫תם‬ ָ ‫קרָא‬ ְ ִ‫ל‬ notiert (ebd., 79, mit einem Druckfehler: Statt X 15 muss es heißen X 5). 57 2Sam 15,32; 16,1; 19,16.17.21.25 (s. Barthélemy, Les Devanciers, 79 f). 58 1Sam 3,18; 11,10; 12,17; 14,36.40; 15,17.19; 21,14; 26,24; 2Sam 3,36; 4,10; 7,19; 10,3. Die Änderung dieses Ausdrucks durch Kaige wurde von Shenkel, 117, notiert. 59 Diese Ausdrucksweise benutzt auch der Übersetzer; die Kaige-Rezensenten vereinheitli­ chen jedoch (2Sam 10,12; 11,25.27; 12,9; 13,2; 14,22; 15,25.26; 16,4; 17,4; 18,4; 19,7.19.28.38.39; 24,22). 60 Der Übersetzer benutzt ἀγρός (z. B. 1Sam 4,2; 6,1) und πεδίον (1Sam 14,14; 20,5); die Kaige-Rezensenten akzeptieren nur ἀγρός (2Sam 10,8; 14,6; keine Änderung in 2Sam 17,8, weil die Textzuordnung nicht deutlich war). Die Vereinheitlichung der Wiedergabeweise von ‫ שׂ ָד ֶה‬durch die Kaige-Rezensenten wurde notiert von Shenkel, 119. Eine leichte Unsi­ cherheit bleibt, weil die lukianischen Rezensenten auch gelegentlich zu πεδίον ändern

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Dass der Kaige-Abschnitt in 2Sam 10 beginnt, ist mit Blick auf die geänderten praesentia historica unbestreitbar. Nimmt man die genannten Details hinzu, ist eine versgenaue Bestimmung möglich: Kaige beginnt in 2Sam 10,6.

5.3.3 Lukianische Rezension Die lukianischen Rezensenten greifen erheblich in den Gebrauch des prae­ sens historicum ein. In 41 Fällen überführen sie es im Non-Kaige-Bereich in den Aorist; einmal ins Imperfekt. Dem stehen 18 Fälle gegenüber, bei denen die Rezensenten ein anderes Tempus in das praesens historicum ändern. In den folgenden Abschnitten werden die Eingriffe der lukianischen Rezension untersucht. Da sie innergriechisch erfolgt sind (nicht im direkten Vergleich mit einem hebräischen Text),62 beschränke ich mich auf die Wie­ dergabe der griechischen Lesarten. Zur leichteren Orientierung sind diejeni­ gen Stellen, wo eine oder beide Textlinien (nichtlukianisch und lukianisch) praesens historicum lesen, eingekastet; praesentia historica sind zusätzlich grau unterlegt. Einige andere Verbformen sind unterstrichen, um die Kon­ trastwirkung der Tempora innerhalb eines Kontextes hervorzuheben. 5.3.3.1 Überarbeitung von Kontexten In vielen Fällen greifen die lukianischen Rezensenten so in die vom Überset­ zer gestalteten Tempusgefüge ein, dass Handlung und Tempora besser mit­ einander korrespondieren. 1Sam 19,14–16 καὶ ἀπέστειλεν Σαοὺλ ἀγγέλους λαβεῖν τὸν Δαυίδ, καὶ #λέγουσιν ἐνοχλεῖσθαι αὐτόν. (V. 15) καὶ ἀποστέλλει ἐπὶ τὸν Δαυὶδ λέγων Ἀγάγετε αὐτὸν ἐπὶ τῆς κλίνης πρός με τοῦ θανατῶσαι αὐτόν. (V. 16) καὶ ἔρχονται οἱ ἄγγελοι, καὶ ἰδοὺ τὰ κενοτάφια ἐπὶ τῆς κλίνης, καὶ ἧπαρ τῶν αἰγῶν πρὸς κεφαλῆς αὐτοῦ. (B-Text) καὶ ἀπέστειλε Σαοὺλ ἀγγέλους τοῦ λαβεῖν τὸν Δαυίδ, καὶ εἶπε Μελχὸλ ἐνοχλεῖσθαι αὐτόν. (V. 15) καὶ ἀπέστειλε Σαοὺλ ἀγγέλους ἰδεῖν τὸν Δαυὶδ λέγων Ἀγάγετε αὐτὸν ἐπὶ τῆς κλίνης πρὸς μὲ τοῦ (1Sam 6,1; 14,15; 20,12.24.35; nicht jedoch 1Sam 4,2; 6,14.18; 8,14; 11,5; 13,17; 19,3; 20,11; 22,7; 25,15; 27,5.7.11; 30,11; 2Sam 2,18; 9,7). Der Beginn des Kaige-Abschnitts mit der Änderung der praesentia historica in 2Sam 10,6 bleibt von dieser Unsicherheit allerdings unberührt. 61 Im MT stehen Perfekte; die Kaige-Rezensenten wollten das hebräische Perfekt durch den Aorist repräsentiert sehen; den Anteil des Indikativs Perfekt an allen Indikativen verrin­ gern sie von gut 5 % im Non-Kaige-Abschnitt auf unter 2 % im Kaige-Abschnitt (eigene Statistik, erstellt mit BibleWorks). Das Phänomen nimmt genauer Voitila, Tenses, 224– 230, in den Blick. 62 S. oben S. 166 bei Anm. 64.

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θανατῶσαι αὐτόν. (V. 16) καὶ ἔρχονται οἱ ἄγγελοι, καὶ ἰδοὺ τὰ κενο­ τάφια ἐπὶ τῆς κλίνης, καὶ ἧπαρ τῶν αἰγῶν πρὸς κεφαλῆς αὐτοῦ. (L; εἶπε[ν] L f 318 554mg; ἀπέστειλε[ν] L 56)

Die Schilderung des scheiternden Mordanschlags auf David strukturieren die lukianischen Rezensenten so um, dass nur die zentrale Szene (V. 16) durch das praesens historicum ἔρχονται hervorgehoben wird. Die „Prälimi­ narien“ (V. 14 f) setzen sie in den Aorist. Diese Eingriffe führen dazu, dass die Aufmerksamkeit der Leserin oder des Lesers auf den wirklich spannen­ den Augenblick gelenkt wird, wenn die Häscher das Haus Davids betreten, um ihn zu töten. 1Sam 10,21 καὶ προσάγει σκῆπτρον Βενιαμὶν εἰς φυλάς, καὶ κατακληροῦ#ται φυλὴ Ματταρί · καὶ προσάγουσιν τὴν φυλὴν Ματταρὶ εἰς ἄνδρας, #καὶ κατακληροῦται Σαοὺλ υἱὸς Κίς καὶ ἐζήτει αὐτόν, καὶ οὐχ εὑρί­ σκετο. (B-Text) καὶ προσήγαγε τὴν φυλὴν Βενιαμὶν κατὰ πατριάς καὶ κατακληροῦ#ται πατριὰ Ἀματταρί · καὶ προσήγαγε τὴν πατριὰν Ἀματταρὶ κατὰ ἄνδρα ἕνα καὶ κατακληροῦται Σαοὺλ υἱὸς Κίς καὶ ἐζήτει αὐτόν καὶ οὐχ εὑρίσκετο. (L; die Tempusänderungen in L 554mg)

Auch hier ordnen die Rezensenten das Erzählgefüge neu, indem sie die vor­ bereitenden Handlungen (das Heranführen bestimmter Stämme und Sip­ pen: προσήγαγε) in den Aorist setzen. Das eigentlich Interessante, das Losorakel, belassen sie im praesens historicum (κατακληροῦται). 1Sam 4,4 καὶ ἀπέστειλεν ὁ λαὸς εἰς Σηλώμ, καὶ αἴρουσιν ἐκεῖθεν τὴν κιβωτὸν Κυρίου καθημένου χερουβίμ · καὶ ἀμφότεροι οἱ υἱοὶ Ἠλὶ μετὰ τῆς κιβωτοῦ, Ὁφνὶ καὶ Φινεές. (B-Text) καὶ ἀπέστειλεν ὁ λαὸς ἐν Σηλώ, καὶ ἦραν ἐκεῖθεν τὴν κιβωτὸν διαθή­ κης Κυρίου τῶν δυνάμεων οὗ ἐπεκάθητο τὰ χερουβίμ · καὶ ἀμφότεροι οἱ υἱοὶ Ἠλὶ μετὰ τῆς κιβωτοῦ τῆς διαθήκης τοῦ Θεοῦ, Ὁφνὶ καὶ Φινεές. (L; ἦραν auch Mmg)

Es wird beschrieben, wie die Lade als Kriegspalladium63 für einen Kampf gegen die Philister herbeigeholt wird. Die Rezensenten gleichen das einzeln stehende praesens historicum αἴρουσιν dem vorausgehenden Aorist ἀπέ­ στειλεν an; offenbar finden sie das Abholen der Lade aus Silo nicht speziell heraushebenswert. Das nächste praesens historicum dieser Erzählung, das den Wendepunkt der Schlacht gegen die Philister markiert (καὶ πταίει, V. 10), behält die lukianische Rezension bei.

63 S. Dietrich, 228–230.

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1Sam 6,14 καὶ ἔστησαν ἐκεῖ παρ᾽ αὐτῇ λίθον μέγαν · καὶ σχίζουσιν τὰ ξύλα τῆς ἁμάξης, καὶ τὰς βόας ἀνήνεγκαν εἰς ὁλοκαύτωσιν τῷ Κυρίῳ. (B-Text) καὶ ἔστη ἐκεῖ παρὰ λίθον μέγαν · καὶ ἔσχισαν τὰ ξύλα τῆς ἁμάξης, καὶ τὰς βόας ἀνήνεγκαν ὁλοκαύτωσιν τῷ Κυρίῳ (L) Es ist im vom Übersetzer geschaffenen Zeitgefüge nicht klar, warum neben dem Zerstören des Wagens zur Gewinnung von Brennholz nicht auch das Darbringen des Opfers selbst durch das praesens historicum hervorgehoben ist. Die lukianischen Rezensenten beheben diese Merkwürdigkeit, indem sie σχίζουσιν in den Aorist setzen. 1Sam 7,6 καὶ συνήχθη ὁ λαὸς64 εἰς Μασσηφάθ, καὶ ὑδρεύονται ὕδωρ καὶ #ἐξέχεαν ἐνώπιον Κυρίου ἐπὶ τὴν γῆν. (B-Text) καὶ συνήχθη ὁ λαὸς εἰς Μασσηφά, καὶ ὑδρεύονται ὕδωρ καὶ ἐκχέου#σιν ἐνώπιον Κυρίου ἐπὶ τὴν γῆν. (L) Auch hier ist die vom Übersetzer vorgenommene Hervorhebung nur des Wasserschöpfens, nicht aber des Ausgießens vor JHWH nicht überzeugend. Die lukianischen Rezensenten überführen den Aorist ἐξέχεαν ins praesens historicum. Insgesamt ist deutlich, dass die lukianischen Rezensenten Erzählgefüge mit praesens historicum so nachjustieren, dass Tempusgefüge und Inhalt besser aufeinander abgestimmt werden. Diese rezensionellen Eingriffe füh­ ren dabei zu einer deutlichen Reduktion des praesens historicum:65 41-mal wird ein praesens historicum in den Aorist gesetzt; einmal ins Imperfekt. Änderungen eines anderen Tempus ins praesens historicum sind – außer bei λέγω (neunmal)66 – selten und kommen nur in Angleichung an ein voraus­ gehendes oder folgendes praesens historicum vor (siebenmal).67 In keinem Fall überführen die Rezensenten ein Augmenttempus in das praesens histo­ ricum, wenn kein praesens historicum im Kontext steht. In der Summe redu­ zieren die lukianischen Rezensenten (unter Absehung von den besonderen Fällen beim Verb λέγω) das praesens historicum im Non-Kaige-Bereich von 165 Fällen um 42 auf 123, d. h. um 25 %. 5.3.3.2 Praesens historicum bei λέγω Eine Sonderrolle spielen die praesentia historica des Verbs λέγω. Der Über­ setzer gebraucht dieses praesens historicum in formelhafter Weise,68 ohne 64 65 66 67 68

Zu καὶ συνήχθη ὁ λαός s. oben Anm. 28. Zur Interpretation s. unten Abschnitt 5.3.3.3. S. dazu den folgenden Abschnitt 5.3.3.2. Stellennachweis s. Anhang B: Praesentia historica der Samuelbücher (unten S. 250). S. dazu oben Anm. 39.

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dass ein semantischer Unterschied zwischen καὶ εἴπεν und καὶ λέγει zu erkennen wäre. Die lukianische Rezension vermehrt diesen Gebrauch erheblich: Neun der 16 Änderungen eines anderen Tempus in ein praesens historicum betreffen λέγω.69 1Sam 5,11 καὶ ἐξαποστέλλουσιν καὶ συνάγουσιν τοὺς σατράπας τῶν ἀλλοφύλων καὶ εἶπον Ἐξαποστείλατε τὴν κιβωτὸν τοῦ θεοῦ Ἰσραήλ. (B-Text) καὶ ἀποστέλλουσι καὶ συνάγουσι πάντας τοὺς σατράπας τῶν ἀλλοφύλων καὶ λέγουσιν Ἐξαποστείλατε τὴν κιβωτὸν τοῦ Θεοῦ Ἰσραήλ. (L; λέγουσιν L 130–314–488–489 55)

1Sam 10,13 f: καὶ συνετέλεσεν προφητεύων, καὶ ἔρχεται εἰς τὸν βουνόν. (V. 14) καὶ εἶπεν ὁ οἰκεῖος αὐτοῦ πρὸς αὐτὸν καὶ πρὸς τὸ παιδάριον αὐτοῦ Ποῦ ἐπορεύθητε; (B-Text) #καὶ συνετέλεσε προφητεύων, καὶ ἔρχεται εἰς τὸν βουνόν. (V. 14) καὶ #λέγει αὐτῷ ὁ οἰκεῖος αὐτοῦ καὶ τῷ παιδαρίῳ αὐτοῦ Ποῦ ἐπορεύθητε; (L) 1Sam 20,1 καὶ ἀπέδρα Δαυὶδ ἐκ Ναυὰθ ἐν Ῥαμά, καὶ ἔρχεται ἐνώπιον Ἰωναθὰν καὶ εἶπεν Τί πεποίηκα, καὶ τί τὸ ἀδίκημά μου; (B-Text) καὶ ἀνεχώρησε Δαυὶδ ἐξ Ἀυὰθ ἐκ Ῥαμά, καὶ ἔρχεται εἰς πρόσωπον Ἰωναθὰν καὶ λέγει Τί πεποίηκα ἢ τί τὸ ἀδίκημά μου; (L; λέγει L 554) In allen Fällen, in denen die lukianischen Rezensenten Aoriste von λέγω ins praesens historicum überführen, gleichen sie an ein unmittelbar vorausge­ hendes praesens historicum an. Meiner Ansicht nach wollen sie durch diese Angleichung den Akzent von λέγω nehmen, der durch den Tempuswechsel entsteht. Weil es vorauslaufende praesentia historica fortsetzt, fungiert das praesens historicum in diesen Fällen paradoxerweise als „unmarked tense“. Dreimal ändern die lukianischen Rezensenten ein redeeinleitendes prae­ sens historicum von λέγω in den Aorist (1Sam 9,12; 14,11; 19,14). In diesen Fällen geht jeweils ein Aorist voraus, so dass auch hier eine Betonung der Redeeinleitung durch einen Tempuswechsel zum praesens historicum ver­ mieden wird. 1Sam 9,12 καὶ ἀπεκρίθη τὰ κοράσια αὐτοῖς καὶ λέγουσιν αὐτοῖς Ἔστιν, ἰδοὺ κατὰ πρόσωπον ὑμῶν · νῦν διὰ τὴν ἡμέραν ἥκει εἰς τὴν πόλιν, ὅτι θυσία σήμερον τῷ λαῷ ἐν Βαμά. (B-Text) καὶ ἀπεκρίθη αὐτοῖς τὰ κοράσια καὶ εἶπον Ἔστιν, ἰδοὺ πρὸ προσώ­ που ὑμῶν · ταχύνον ὅτι νῦν ἥκει εἰς τὴν πόλιν διὰ τὴν ἡμέραν, ὅτι θυσία σήμερον τῷ λαῷ ἐν Βαμά. (L)70 69 1Sam 5,11; 6,2; 8,5; 10,14; 14,1; 20,1; 22,9; 2Sam 5,21; 9,2. 70 εἶπον 19–82–108; εἶπαν 93–127.

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1Sam 14,11 καὶ εἰσῆλθον ἀμφότεροι εἰς Μεσσὰβ τῶν ἀλλοφύλων · καὶ #λέγουσιν οἱ ἀλλόφυλοι Ἰδοὺ οἱ Ἐβραῖοι ἐκπορεύονται ἐκ τῶν τρω­ γλῶν αὐτῶν. (B-Text) καὶ εἰσῆλθον ἀμφότεροι εἰς τῆν ὑπόστασιν τῶν ἀλλοφύλων · καὶ

#εἶπον οἱ ἀλλόφυλοι Ἰδοὺ ἐκπορεύονται οἱ Ἐβραῖοι ἐκ τῶν τρωγλῶν αὐτῶν. (L) 1Sam 19,14 καὶ ἀπέστειλεν Σαοὺλ ἀγγέλους λαβεῖν τὸν Δαυίδ, καὶ #λέγουσιν ἐνοχλεῖσθαι αὐτόν. (B-Text) καὶ ἀπέστειλε Σαοὺλ ἀγγέλους τοῦ λαβεῖν τὸν Δαυίδ, καὶ εἶπε Μελχὸλ ἐνοχλεῖσθαι αὐτόν. (L; εἶπε[ν] L f) In der Summe erhöht sich Zahl der praesentia historica für das Verb λέγω durch die Eingriffe der lukianischen Rezensenten um sechs oder 50 % (von 12 auf 18). Das Motiv dieser Eingriffe ist m.E., die besondere Betonung der Redeein­ leitung zu vermeiden, die durch einen Tempuswechsel entsteht. Darin unterscheiden sich diese Eingriffe von den anderen Bearbeitungen der lukia­ nischen Rezensenten im Bereich des praesens historicum, wo es um gezielte und auf den Inhalt angepasste Akzentuierungen geht. 5.3.3.3 Zusammenfassung Für die Änderungen von praesentia historica durch die lukianischen Rezen­ senten lässt sich deutlich eine stilistische Motivation erkennen: Der sehr häufige, manieriert wirkende Gebrauch des praesens historicum durch den Übersetzer wird auf ein erträglicheres Maß reduziert. Durch die Änderun­ gen verringert sich im Non-Kaige-Bereich die Zahl der praesentia historica (von λέγω abgesehen) von 16571 um 42 oder 25 %. Dabei bearbeiten die Rezensenten das Zeitgefüge so, dass Tempora und Inhalt besser miteinander harmonieren: Nur die heraushebenswerten Handlungen werden durch das praesens historicum betont. Aufgrund ihrer Tendenz zur Reduktion des praesens historicum führen die lukianischen Rezensenten – anders als beim Imperfekt – niemals ein praesens historicum neu in einen Kontext ein. Wenn sie dennoch ein Verb aus stilistischen Gründen in das praesens historicum überführen (siebenmal), geschieht es immer in Anknüpfung an praesentia historica des Kontextes (meist an vorausstehende; in 1Sam 23,8; 2Sam 2,4 an nachfolgende). Für textkritische Entscheidungen im Kaige-Bereich kann deshalb ein alleine stehendes praesens historicum der lukianischen Handschriften in aller Regel als Old Greek gelten. Ebenso ist für eine Folge von praesentia histo­ rica in einem Kontext sicher, dass sie in der Mehrzahl zu Old Greek gehö­ 71 Im Non-Kaige-Bereich hat Old Greek 177 praesentia historica (Nachweis s. Anhang C: Hebräische Wurzeln der praesentia historica; unten S. 257), davon 12-mal für λέγω.

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ren, denn die lukianischen Rezensenten setzen nicht nur nie einen Kontext neu ins praesens historicum, sondern sind auch zurückhaltend bei seiner Vermehrung (im Non-Kaige-Bereich wird immer nur ein Verb in Anleh­ nung an eines oder mehrere praesentia historica des Übersetzers ins praesens historicum überführt). Die insgesamt deutliche Reduzierung des praesens historicum durch die lukianische Rezension unterscheidet diese Eingriffe auffällig von denjenigen beim Imperfekt, wo die Rezensenten die Anzahl der Imperfekte erhöhen.72 Ich deute diesen Unterschied so, dass beides im Gesamtbild einem besseren stilistischen Eindruck dient. Das überaus häufige praesens historicum des Übersetzers wirkt gekünstelt. Deshalb reduzieren die lukianischen Rezen­ senten seine Frequenz. Das Imperfekt dagegen hatte der Samuelübersetzer im Vergleich zu anderen Übersetzern der LXX zwar häufig, für eine gute griechische Stilistik aber immer noch zu selten verwendet. So erklärt sich die Vermehrung des Imperfekts durch die lukianischen Rezensenten einer­ seits und die Reduktion des praesens historicum andererseits mit ihrem Bemühen um eine stilistische Verbesserung des Textes. Eine Sonderrolle kommt den redeeinleitenden Indikativ-Formen von λέγω zu: Sie können aus Sicht der lukianischen Rezensenten gleichermaßen im Aorist oder praesens historicum stehen. Wichtig ist ihnen nur, dass mit καὶ λέγει / καὶ εἴπεν (καὶ λέγουσιν / καὶ εἴπον) kein Tempuswechsel erfolgt, der die Redeeinleitung betonen würde. Die Kenntnis dieses Bearbei­ tungsprinzips der L-Gruppe ist wichtig für die textkritischen Entscheidun­ gen im Kaige-Bereich. Blickt man über den Kreis der lukianischen Handschriften hinaus, so fällt auf, dass für das praesens historicum – anders als beim Imperfekt – wenig Variation in den Handschriften ist und die Änderungen sich weitgehend auf L beschränken.73

5.3.4 Praesens historicum im Kaige-Bereich 5.3.4.1 Zuordnung der rezensionellen Eingriffe Schon Henry St. John Thackeray hatte beobachtet, dass in bestimmten Abschnitten der Samuel- und Königebücher das praesens historicum im Gegensatz zu den übrigen Teilen dieser Bücher fast nicht vorkommt.74 Dominique Barthélemy erkannte dies als Merkmal der von ihm entdeckten Kaige-Rezension und gab als Grund für die Eingriffe der Rezensenten an: „L’élimination systématique des présents historiques a pour but de général­ 72 S. oben ab S. 5.2.3.4. 73 S. die vollständige Dokumentation der praesentia historica im Anhang B: Praesentia histo­ rica der Samuelbücher (unten S. 250). 74 S. Thackeray, Greek Translators, 273 f.

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iser l’aoriste comme correspondant de l’inaccompli inverti hébraïque“.75 Die Rezensenten überführen praesens historicum, dem im MT Impf.cons. (zu ergänzen ist: oder Perfekt)76 gegenübersteht, in den Aorist. Diese Linie der Kaige-Rezension hatte sich auch für das griechische Imperfekt gezeigt, indem diejenigen Imperfekte, die der Übersetzer für einen Impf.cons. oder Perfekt bzw. Perf.cons. verwendet hatte, in den Aorist überführt wurden. Allerdings verändern auch die lukianischen Rezensenten in einigen Fällen ein Augmenttempus zum praesens historicum, wie die Analyse im NonKaige-Bereich gezeigt hat.77 Aus diesem Grund können nicht alle praesentia historica der lukianischen Handschriften ungeprüft dem Übersetzer zuge­ schrieben werden. Ein besonderes Interesse liegt daher im Folgenden auf der Frage nach der Abgrenzung, welche praesentia historica der lukiani­ schen Handschriften Old Greek repräsentieren und welche wahrscheinlich den lukianischen Rezensenten zuzurechnen sind. 2Sam 10,6: ‫ו ַיּ ִרְאוּ בּ ְנ ֵי ע ַמֹּון כּ ִי נ ִב ְא ֲשׁוּ בּ ְד ָו ִד ו ַיּ ִשׁ ְל ְחוּ ב ְנ ֵי־ע ַמֹּון ו ַיּ ִשׂ ְכּ ְרוּ‬

‫א ֶת־א ֲרַם בּ ֵית־רְחֹוב ו ְא ֶת־א ֲרַם צֹוב ָא ע ֶשׂ ְרִים א ֶל ֶף רַג ְל ִי ו ְא ֶת־מ ֶל ֶך ְ מ ַע ֲכ ָה‬ ‫א ֶל ֶף א ִישׁ ו ְא ִישׁ טֹוב שׁ ְנ ֵים־ע ָשׂ ָר א ֶל ֶף א ִישׁ‬i καὶ εἶδoν78 οἱ υἱοὶ Ἀμμὼν ὅτι κατῃσχύνθησαν ὁ λαὸς Δαυίδ · καὶ #ἀπέστειλαν οἱ υἱοὶ Ἀμμὼν καὶ ἐμισθώσαντο τὴν Συρίαν Βαιθραὰμ καὶ τὴν Συρίαν Σουβὰ79 καὶ Ῥοώβ,80 εἴκοσι χιλιάδας πεζῶν καὶ τὸν βασιλέα Μααχὰ χιλίους ἄνδρας καὶ Ἰστὼβ δώδεκα χιλιάδας ἀνδρῶν.

(B-Text) καὶ εἶδον οἱ υἱοὶ Ἀμμὼν ὅτι κατῃσχύνθησαν οἱ δοῦλοι Δαυίδ · καὶ #ἀποστέλλουσιν οἱ υἱοὶ Ἀμμὼν καὶ μισθοῦνται τὸν Σύρον Σουβά, εἴκοσι χιλιάδας πεζῶν καὶ τὸν βασιλέα Μααχὰ χιλίους ἄνδρας καὶ τὸν Ἰστὼβ δώδεκα χιλιάδας ἀνδρῶν. (L)

Aufgrund der Arbeitsweise der lukianischen Rezension ist sicher, dass in Old Greek mindestens eines der beiden praesentia historica enthalten war (die lukianischen Rezensenten setzen nie einen Kontext neu ins praesens hi­ storicum). Der Übersetzer kann allerdings inkongruent arbeiten, weshalb es insbesondere für καὶ μισθοῦνται nicht auszuschließen ist, dass dieses Verb von den lukianischen Rezensenten ins praesens historicum überführt wurde.

75 Barthélemy, Les Devanciers, 65 (l’inaccompli inverti = Imperfekt consecutivum). 76 2Sam 19,18. Erst durch die Analse der Eingriffe beim Imperfekt lässt sich diese Änderung in die Prinzipien der Kaige-Rezension einzeichnen. In 2Sam 17,17 greifen die Rezensenten nicht ein; dazu im Folgenden. 77 S. oben Abschnitt 5.3.3.1. 78 εἶδαν B 121 (Rahlfs). 79 Βαιθραὰμ καὶ τὴν Σύριαν Σουβά fehlt in B b 55txt (Rahlfs) – ein offensichtlicher Homo­ ioteleutonfehler. 80 καὶ Ῥοώβ haben nicht M V O L 119 f 64–381 55c 71 158 245 318 342 372 460 707 799.

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Für wahrscheinlicher halte ich jedoch, dass beide praesentia historica zu Old Greek gehören. Die Kaige-Rezension hat sie in Entsprechung zu den Impf.cons.-Formen im MT in den Aorist gesetzt. 2Sam 17,23 ‫קּב ֵר‬ ָ ִ ‫קם ו ַיּ ֵל ֶך ְ א ֶל־בּ ֵיתֹו א ֶל־ע ִירוֹ ו ַי ְצַו א ֶל־בּ ֵיתֹו ו ַיּ ֵחָנ ַק ו ַיּ ָמ ָת ו ַיּ‬ ָ ָ ‫ו ַיּ‬ ‫קב ֶר א ָב ִיו‬ ֶ ְ ‫בּ‬i καὶ ἀνέστη καὶ ἀπῆλθεν εἰς τὸν οἶκον αὐτοῦ εἰς τὴν πόλιν αὐτοῦ · καὶ ἐνετείλατο τῷ οἴκῳ αὐτοῦ, καὶ ἀπήγξατο καὶ ἀπέθανεν, καὶ ἐτάφη ἐν τῷ τάφῳ τοῦ πατρὸς αὐτοῦ. (B-Text) καὶ ἀνέστη καὶ ἀπῆλθεν εἰς τὸν οἶκον αὐτοῦ εἰς τὴν πόλιν αὐτοῦ · καὶ ἐνετείλατο τῷ οἴκῳ αὐτοῦ, καὶ ἀπήγξατο καὶ ἀπέθανεν, καὶ θάπτεται ἐν τῷ οἴκῳ τοῦ πατρὸς αὐτοῦ. (L)

Ein solches einzeln stehendes praesens historicum repräsentiert sicher Old Greek.81 Ebenfalls für ein ursprüngliches praesens historicum (das die lukia­ nischen Rezensenten geändert hätten) käme ἀπέθανεν in Frage.82 Weil die lukianischen Rezensenten sehr stilbewusst arbeiten, hätten sie dieses prae­ sens historicum aber kaum in einen Aorist überführt, denn es ist genauso handlungstragend wie καὶ θάπτεται. Insofern halte ich es für gesichert, dass die lukianischen Handschriften das Tempusgefüge von Old Greek erhalten haben; die Kaige-Rezension überführt καὶ θάπτεται als Gegenüber zum ָ ִ ‫ ו ַיּ‬in den Aorist. Impf.cons. ‫קּב ֵר‬ ְ ִ ‫ו ַיּ‬ 2Sam 13,17 ‫קרָא א ֶת־נ ַע ֲרֹו מ ְשׁ ָרְתֹו ו ַֹיּאמ ֶר שׁ ִל ְחוּ־נ ָא א ֶת־ֹזאת מ ֵע ָל ַי ה ַחוּצָה‬ ָ ‫על ה ַדֶּל ֶת א ַחֲרֶיה‬ ֹ ְ ‫וּנ‬i καὶ ἐκάλεσεν τὸ παιδάριον αὐτοῦ τὸν προεστηκότα τοῦ οἴκου αὐτοῦ

#καὶ εἶπεν αὐτῷ Ἐξαποστείλον83 δὴ ταύτην ἀπ᾽ ἐμοῦ ἔξω, καὶ ἀπό­ κλεισον τὴν θύραν ὀπίσω αὐτῆς. (B-Text) καὶ καλεῖ τὸν παῖδα αὐτοῦ τὸν προεστηκότα τοῦ οἴκου αὐτοῦ καὶ

#λέγει αὐτῷ Ἐξαποστείλον δὴ ταύτην ἀπ᾽ ἐμοῦ ἔξω, καὶ κλείσον τὴν θύραν ὀπίσω αὐτῆς. (L) Auch hier muss Old Greek mindestens ein praesens historicum (καλεῖ) ent­ halten haben. Da die lukianischen Rezensenten ein auf ein praesens histori­ cum folgendes redeeinleitendes καὶ εἶπεν häufiger ins praesens historicum überführen, bleibt für λέγει ein nicht geringes Maß an Unsicherheit über das ursprüngliche Tempus. War es in Old Greek im praesens historicum, hat die Kaige-Rezension zwei praesentia historica als Gegenüber zu Impf.cons.Formen in den Aorist überführt; war es in Old Greek im Aorist, haben es die lukianischen Rezensenten ins praesens historicum überführt. 81 Zur Begründung s. oben im Abschnitt 5.3.4.1. 82 Vgl. 2Sam 2,23, wo der Übersetzer dieses Verb im praesens historicum gebraucht (MT ‫ו ַיּ ָמ ָת‬i). 83 ἐξαποστείλατε A B CII–52 509 92–314c–489–762 55 244 (Rahlfs).

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2Sam 19,18 ְ ‫ ו ְצָל ְחוּ ה ַיּ ַרְדּ ֵן ל ִפְנ ֵי ה ַמּ ֶל ֶך‬καὶ κατεύθυναν τὸν Ἰορδάνην ἔμπροσθεν τοῦ βασιλέως. (B-Text) #καὶ ἀποστέλλουσιν ἐπὶ τὸν Ἰορδάνην ἐνώπιον τοῦ βασιλέως. (L–127; praesens historicum hat auch 554mg; 127 liest κατεύθυναν) Hier haben die Kaige-Rezensenten nicht nur in das Tempus, sondern auch in das Vokabular eingegriffen. Der Übersetzer hatte offenbar ‫ שׁלח‬statt ‫צלח‬ übersetzt (womöglich durch einen Hörfehler; vielleicht hatte er aber auch Schwierigkeiten mit der Vokabel in diesem Kontext).84 Die Kaige-Rezen­ senten korrigieren nach ihrem protomasoretischen Text; ein Perfekt bzw. Perfekt consecutivum sollte aus ihrer Sicht durch den Aorist repräsentiert sein. Praesentia historica in den nichtlukianischen Handschriften. In wenigen Fäl­ len haben die nichtlukianischen Handschriften ein praesens historicum: 2Sam 11,7; 14,27 bis; 17,17 bis. 2Sam 11,7 ‫בא אוּרִיּ ָה א ֵל ָיו ו ַיּ ִשׁ ְא ַל דּ ָו ִד ל ִשׁ ְלֹום יֹוא ָב ו ְל ִשׁ ְלֹום ה ָע ָם ו ְל ִשׁ ְלֹום‬ ֹ ָ ‫ו ַיּ‬ ‫מּל ְחָמ ָה‬ ִ ַ ‫ ה‬καὶ παραγίνεται Οὐρίας καὶ εἰσῆλθεν 85πρὸς αὐτόν,86 καὶ ἐπηρώτησεν Δαυὶδ εἰς εἰρήνην Ἰωὰβ καὶ εἰς εἰρήνην τοῦ λαοῦ καὶ εἰς εἰρήνην τοῦ πολέμου; (B-Text) καὶ παραγίνεται Οὐρίας πρὸς Δαυὶδ καὶ ἐπηρώτησεν αὐτὸν Δαυίδ Εἰ ὑγιαίνει Ἰωὰβ καὶ εἰ ὑγιαίνει ὁ λαὸς καὶ εἰ ὑγιαίνει ὁ πόλεμος; (L)

Die nichtlukianischen Handschriften enthalten die Kaige-Lesart καὶ εἰσ­ ῆλθεν als Dublette;87 es wurde versäumt, καὶ παραγίνεται wegzulassen. πρὸς Δαυίδ (L = Old Greek) wurde von den Kaige-Rezensenten analog zu ihrem protomasoretischen Text zu πρὸς αὐτόν angepasst.88 In 2Sam 14,27 enthält der MT kein Gegenüber zu der Passage mit den praesentia historica γένεται und τίκτει. Die Kaige-Rezensenten hatten keine Grundlage für eine Korrektur.89

84 ‫ צלח‬kommt 1Sam 10,6.10; 11,6; 16,13 im Zusammenhang mit einer Geistbegabung vor (‚über einen kommen‘); der Übersetzer verwendet (ἐφ)ἅλλομαι. 85 καὶ εἰσῆλθεν > A O L. 86 πρὸς Δαυίδ statt πρὸς αὐτόν lesen O L 98–379 707. 87 Darauf weist Barthélemy, Les Devanciers, 65, hin. 88 Die Vorlage des Übersetzers enthielt aller Wahrscheinlichkeit nach ‫ אל דויד‬statt ‫א ֵל ָיו‬i; so lesen einige masoretische Handschriften. Dass πρὸς Δαυίδ zu Old Greek gehört und nicht explizierende Hinzufügung durch die lukianischen Rezensenten ist, zeigen nicht nur die Zeugen (s. oben Anm. 86), sondern auch OL115: et venit urias ad davit et interrogavit davit…‫ו‬ 89 S. Barthélemy, Les Devanciers, 65: „Les recenseurs n’avaient donc pas de base hébraïque pour les corriger et ne voulaient pas supprimer tout le passage en question.“

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Tempora: Imperfekt und praesens historicum

2Sam 17,17 ‫לא‬ ֹ ‫ו ְה ָל ְכ ָה ה ַשּׁ ִפְחָה ו ְה ִגּ ִיד ָה ל ָה ֶם ו ְה ֵם וי ֵל ְכוּ ו ְה ִגּ ִידוּ ל ַמּ ֶל ֶך ְ דּ ָו ִד כּ ִי‬ ‫יוּכ ְלוּ ל ְה ֵרָאֹות ל ָבֹוא ה ָע ִירָה‬i καὶ ἐπορεύθη ἡ παιδίσκη καὶ ἀπήγγειλεν90 αὐτοῖς, καὶ αὐτοὶ #πορεύονται καὶ ἀναγγέλλουσιν τῷ βασιλεῖ Δαυίδ, ὅτι οὐκ ἐδύναντο ὀφθῆναι τοῦ εἰσελθεῖν εἰς τὴν πόλιν. (B-Text) καὶ ἐπορεύετο ἡ παιδίσκη καὶ ἀπήγγειλεν91 αὐτοῖς, καὶ αὐτοὶ ἐπο#ρεύοντο καὶ ἀπήγγελλον τῷ βασιλεῖ Δαυίδ, ὅτι οὐκ ἐδύναντο ὀφθῆναι καὶ εἰσελθεῖν εἰς τὴν πόλιν. (L) Die Lesarten dieser Stelle sind m.E. folgendermaßen aufzuschlüsseln: Bei den praesentia historica handelt es sich um die ursprüngliche Übersetzung; es wäre nicht anzugeben, wie sie sonst in den Text hätten kommen sollen. Der Übersetzer hat den Kontext offenbar nicht iterativ, sondern einmalig aufgefasst. Das Imperfekt οὐκ ἐδύναντο spricht nicht dagegen, denn es gibt eine Hintergrundinformation.92 Die lukianischen Rezensenten waren sich des iterativen Charakters der Szene bewusst: Es ist aus der Aussage in V. 16 ersichtlich, dass es um den Nachrichtenaustausch während der Nacht geht; auch οὐκ ἐδύναντο können sie iterativ verstanden haben. Entsprechend ändern sie die praesentia histo­ rica πορεύονται und ἀναγγέλλουσιν ins Imperfekt. Dass die Kaige-Rezensenten die praesentia historica stehen ließen, könnte daran liegen, dass sie nicht wussten, wie sie mit der Konstellation Imperfekt + Perf.cons. (‫י ֵל ְכוּ ו ְה ִגּ ִידוּ‬i) umgehen sollten. Auch denkbar wäre, dass sie καὶ ἀπήγγειλεν αὐτοῖς als Einleitungsformel für eine wörtliche Rede auf­ fassten und deshalb die Präsentia nicht änderten. Zusammenfassung. Die Kaige-Rezension geht nach dem schon für die Änderungen von Imperfekten beobachteten Prinzip vor, dass hebräisches Impf.cons., Perfekt und Perf.cons. im Griechischen durch den Aorist reprä­ sentiert sein sollen. Entsprechend ändert sie nahezu alle praesentia historica in den Aorist. Für die wenigen Ausnahmen konnten im Anschluss an Bar­ thélemy Gründe benannt werden, warum die Kaige-Rezensenten nicht wie sonst die praesentia historica änderten. 5.3.4.2 Nicht handschriftlich bezeugte praesentia historica Wie im Non-Kaige-Abschnitt analysiert wurde, greifen die lukianischen Rezensenten in erheblichem Umfang in die praesentia historica des Überset­ zers ein. Sieht man vom Verb λέγω ab, das eine Sonderrolle spielt, reduzie­ ren sie die Zahl der praesentia historica um rund 25 %.93 Es gibt keinen 90 91 92 93

ἀνήγγειλεν A B 247 a f 64–381 55 318 342 700 799 (Rahlfs). Ms. 127 ἀπήγγελλεν.

S. oben Abschnit 5.2.2.2. S. oben ab Abschnitt 5.3.3.1; zur Sonderrolle von λέγω s. oben Abschnitt 5.3.3.2.

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Praesens historicum

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Grund zu der Annahme, dass die lukianischen Rezensenten im KaigeBereich in grundlegend anderer Weise vorgegangen wären. Das aber bedeutet, dass die lukianischen Handschriften bei weitem nicht alle ursprünglichen praesentia historica überliefern. Bereits eine einfache Rechnung macht dies plastisch: Im Non-Kaige-Bereich kommt man auf ein praesens historicum auf 145 Wörter (nichtlukianische Handschriften). In den lukianischen Handschriften kommt aufgrund der Reduzierung des praesens historicum durch die lukianischen Rezensenten ein praesens histori­ cum auf 221 Wörter (bei Absehung von den praesentia historica von λέγω); im Kaige-Bereich kommt ein praesens historicum auf 293 Wörter (hier spielt λέγω praktische keine Rolle).94 Die Frequenz des praesens historicum im Non-Kaige- wie im Kaige-Bereich liegt in der L-Gruppe deutlich unter dem, was für den Übersetzer zu erwarten wäre, weil die lukianischen Rezensenten das praesens historicum reduziert haben.95 Durch qualitative Stichproben lässt sich der Befund für den KaigeBereich konkretisieren. So stehen Indikativ Aorist und praesens historicum für das Verb παραγίνομαι, wenn es Wiedergabe von ‫ בוא‬ist,96 im NonKaige-Bereich (ohne wörtliche Rede) im Verhältnis 4 : 10 (71 % praesens historicum), im Kaige-Bereich (nichtlukianische Handschriften) im Verhält­ nis 13 : 2 (= 13 % praesens historicum); im Kaige-Bereich bei Mitberücksich­ tigung der in den lukianischen Handschriften überlieferten praesentia histo­ rica im Verhältnis 9 : 6 (40 % praesens historicum).97 Die Zahlen zeigen deutlich, dass sich über die lukianischen Handschriften nicht alle praesentia historica von Old Greek auffinden lassen.98 Die klassische Methodik der 94 Zum Non-Kaige-Bereich s. oben Anm. 44; für die lukianischen Handschriften errechnet sich die Frequenz aus einer Wortanzahl von 27.273 bei 123 praesentia historica (s. oben bei Anm. 71). Der Kaige-Bereich hat im lukianischen Text 12.597 Wörter (B-Text 12.378 Wör­ ter) bei 43 handschriftlich bezeugten praesentia historica (fast ausschließlich in den lukiani­ schen Handschriften; Nachweis s. Anhang B: Praesentia historica der Samuelbücher; unten S. 250). 95 Aejmelaeus, On the Trail, 136, bringt die Reduzierung des praesens historicum durch beide Rezensionen so auf den Punkt: „The historical present […‫ ]ו‬was attacked from both sides; it was corrected in the καίγε recension to the aorist, probably because the aorist was consi­ dered to correspond better to the Hebrew imperfect consecutive, and the same correction often occurs in the Lucianic recension, perhaps for stylistic reasons.“ 96 Die Kombination ‫ בוא‬/ παραγίνομαι eignet sich für einen solchen Vergleich sehr gut, weil die Bedeutung stets ‚hinkommen‘ / ‚hinzukommen‘ ist, d. h. es geht immer um einen Inhalt, den der Übersetzer oft im praesens historicum wiedergibt. 97 S. Wirth, 128; παραγίνομαι im Non-Kaige-Bereich im Aorist: 1Sam 13,8; 15,13; 22,11; 25,36; im praesens historicum: 1Sam 8,4; 13,10; 19,18; 20,24; 30,21; 2Sam 5,1.18; 6,6; 8,5; 9,6. παραγίνομαι im Kaige-Bereich (B-Text) im Aorist: 2Sam 10,2.14.16 f; 11,22; 13,34; 15,13; 18,31; 19,42; 20,15; 23,16; 24,6.8; im praesens historicum: 2Sam 11,7; 14,30. 2Sam 19,25 (unberücksichtigt bleibt 2Sam 19,25 wegen der Nebensatzkonstruktion). παραγίνομαι im Kaige-Bereich (lukianische Handschriften) im praesens historicum: 2Sam 10,17; 15,13; 24,6.8. 98 Das wird darin bestätigt, dass im Non-Kaige-Bereich von den 10 Belegen eines praesens historicum von παραγίνομαι als Wiedergabe von ‫בוא‬i (s. oben Anm. 97) drei durch die lukianischen Rezensenten in den Aorist gesetzt werden (1Sam 13,10; 2Sam 5,18; 9,6).

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Textkritik, nach der zwischen den in wenigstens einer Handschrift überlie­ ferten Varianten entschieden wird und Konjekturen nur zur Korrektur offensichtlicher Fehler vorgenommen werden, stößt an ihre Grenzen.99

Exkurs: Konjekturen als Option der Textkritik Die Wiederherstellung der ursprünglichen praesentia historica kann im Kaige-Bereich über die Lesarten der lukianischen Handschriften nur unzureichend gelingen.100 Eine Editorin oder ein Editor eines kritischen Textes des Kaige-Bereichs steht daher vor der Frage, ob zusätzliche prae­ sentia historica als Konjekturen hergestellt werden sollen.101 Eine solche Konjektur wäre beispielsweise für 2Sam 14,4 zu erwägen: ‫פּל ע ַל־א ַפֶּיה ָ א ַרְצָה‬ ֹ ‫תּ‬ ִ ַ ‫קע ִית א ֶל־ה ַמּ ֶל ֶך ְ ו‬ ֹ ‫תּ‬ ְ ַ ‫ ה ָא ִשּׁ ָה ה‬102‫בא‬ ֹ ‫תּ‬ ָ ַ ‫ו‬i καὶ εἰσῆλθεν ἡ γυνὴ ἡ Θεκωῖτις πρὸς τὸν βασιλέα καὶ ἔπεσεν ἐπὶ πρόσωπον αὐτῆς εἰς τὴν γῆν. (B-Text) καὶ παρεγένετο ἡ γυνὴ ἡ Θεκουῖτις πρὸς τὸν βασιλέα καὶ ἔπεσεν ἐπὶ πρόσωπον αὐτῆς ἐπὶ τὴν γῆν. (L)

Die Kaige-Rezension sorgt dafür, dass ‫ בוא‬durch ἔρχομαι (mit Kompo­ sita) wiedergegeben wird;103 die Vokabel παραγίνομαι ist ein für den Übersetzer typisches Äquivalent für ‫בוא‬i. Höchstwahrscheinlich überlie­ fert hier der lukianische Text die Vokabel, die in Old Greek stand. Weiterhin zu fragen ist allerdings, ob der Übersetzer παραγίνομαι im Aorist oder im praesens historicum gebraucht hat. Wie sich im NonKaige-Bereich zeigt, hat der Übersetzer bei diesem Verb eine hohe Affi­ nität zum praesens historicum,104 und die lukianischen Rezensenten

99 Dies wird eindrücklich dadurch unterstrichen, dass sich ein in keiner Samuel-Handschrift bezeugtes praesens historicum über eine im Griechischen literarisch von Samuel abhängige Parallelüberlieferung der Chronik erschließen lässt (s. Wirth, 131 f): In 1Chr 19,9 und 19,17 hat die Chronik jeweils ein praesens historicum von παρατάσσω, obwohl der Über­ setzer der Chronik dieses Tempus sonst nirgendwo verwendet (s. Good, 223; 248). Es ist in Abhängigkeit von 2Sam 10,8 und 10,17 in die Chronik eingedrungen; für 2Sam 10,17 überliefern die lukianischen Handschriften das praesens historicum, für 2Sam 10,8 nicht. 100 S. dazu den vorigen Abschnitt. 101 Das im Folgenden Vorgetragene ist eine Weiterführung meiner Überlegungen in Wirth, 130 f. 102 So zahlreiche masoretische Handschriften; der Codex Leningradensis liest hier ‫תּאמ ֶר‬ ֹ ַ ‫ו‬i (s. App. der BHS). Dass ‫בא‬ ֹ ‫תּ‬ ָ ַ ‫ ו‬die ältere und bessere Lesart ist, kann angesichts der Lesart der LXX sowie des im Hebräischen folgenden Verbs ‫פּל‬ ֹ ‫תּ‬ ִ ַ ‫ ו‬nicht zweifelhaft sein. 103 S. die über die lukianischen Lesarten zu erschließenden Eingriffe in 2Sam 13,6.36; 14,4.32; 16,5.14; 17,6.24; 19,9.16.21.26; 20,8.14; diese Konstellation (nichtlukianisch ἔρχομαι, lukia­ nisch παραγίνομαι) findet sich im Non-Kaige-Bereich nur 1Sam 23,27. 104 S. oben Anm. 97.

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ändern es öfter in den Aorist.105 So könnte es auch hier gewesen sein – es ist nicht unwahrscheinlich, dass Old Greek lautete: καὶ παραγίνεται ἡ γυνὴ…‫ו‬ Diese Lesart ist allerdings eine Konjektur. In einer Edition eines kriti­ schen Textes zwingt nichts dazu, sie vorzunehmen. Verzichtet man aber generell auf Konjekturen dieses Typs, ist die Anzahl der praesentia histo­ rica im Kaige-Bereich in der Summe deutlich zu niedrig im Vergleich zu der Anzahl, die Old Greek enthalten hat. Zwischen dem Non-Kaigeund dem Kaige-Abschnitt würde sich also die Übersetzungsweise anders als in Old Greek ändern. Das gilt auch für ein anderes Phänomen der Verbalsyntax: Das im Non-Kaige-Bereich regelmäßig vorkommende, vom Übersetzer benutzte Passiv καὶ ἐγενήθη106 würde im Kaige-Bereich zu selten vorkommen, wenn man auf Konjekturen (hier für den Modus­ gebrauch) verzichten würde. Die Textkritik steht Konjekturen bekanntlich zurückhaltend gegen­ über. Sie gelten tendenziell als willkürlich.107 Die Tempuskonjekturen, um die es hier geht, wären allerdings gut fundiert und würden für fest umgrenzte, klar benennbare und hinreichend verstandene Phänomene angewendet. Anders als klassische Konjekturen nähmen sie keine „Repa­ ratur“ einzelner verderbter Stellen vor, sondern geschähen mit Blick auf das Textganze: Wenn ein Text hergestellt werden soll, der im Gesamtbild der ursprünglichen Übersetzung so nahe kommt, dass keine Brüche zwi­ schen Non-Kaige- und Kaige-Bereich erkennbar sind, kann man auf sie nicht verzichten. Für die Göttinger kritische Ausgabe stellt sich die Frage nach solchen Konjekturen sehr konkret. Es ist wichtig darauf hinzuweisen, dass diese Konjekturen per se nicht zu einer Einschränkung der Benutzbarkeit der Ausgabe für die Textkritik des hebräischen Textes führen. Ganz gleich, ob die Göttinger Ausgabe beispielsweise in 2Sam 14,4 die Konjektur καὶ παραγίνεται oder das lukianisch bezeugte καὶ παρεγένετο liest: Ein Textkritiker des Hebräischen wird aus beiden Lesarten gleichermaßen ֹ ַ ‫ו‬i,108 sekundär erkennen, dass die Lesart des Codex Leningradensis, ‫תּאמ ֶר‬ gegenüber einer älteren Lesart ‫בא‬ ֹ ‫תּ‬ ָ ַ ‫ ו‬ist. Dass es für die Textkritik des Hebräischen unerheblich ist, ob solche Konjekturen vorgenommen werden oder nicht, macht sie nicht überflüs­ sig. Primäres Anliegen der Göttinger Ausgabe ist es bekanntlich nicht, ein gutes Hilfsmittel für die Textkritik des Hebräischen zu sein, sondern dem Text der ursprünglichen griechischen Übersetzung so nahe wie

105 1Sam 13,10; 20,24; 2Sam 5,18; 9,6. 106 S. oben den Exkurs: καὶ ἐγένετο/ἐγενήθη für ‫ ו ַי ְה ִי‬und die Rezensionen (S. 45). 107 Die im Allgemeinen reservierte Haltung der Forschung des 20. Jahrhunderts gegenüber Konjekturen fasst Joosten, 368 f, zusammen, und nennt gute Argumente, sie in Frage zu stellen (ebd., 369 ff). 108 S. oben Anm. 102.

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möglich zu kommen. Das gilt für jeden Einzelfall, aber auch für den Text als ganzen. Mit Blick auf dieses Ziel sind Konjekturen wie die oben skiz­ zierten eine Option, die ernsthaft erwogen werden sollte. 5.3.4.3 Zusammenfassung Ursprüngliche praesentia historica des Übersetzers wurden sowohl von der Kaige-Rezension als auch von der lukianischen Rezension in andere Tem­ pora (von Kaige stets, von L fast durchgehend in den Aorist) überführt. In der Kaige-Rezension führt dies zu einer nahezu vollständigen Tilgung die­ ses Tempus. Das Motiv der Kaige-Rezensenten ist, eine Entsprechung zwi­ schen hebräischem Impf.cons. bzw. Perf. und dem Aorist herzustellen. In der lukianischen Rezension wird (wie die Analyse im Non-KaigeBereich gezeigt hat) das praesens historicum um rund 25 % zurückge­ führt.109 Den Rezensenten geht es dabei nicht nur um eine stilistische Ver­ besserung des Tempusgefüges einzelner Stellen, sondern auch um den Gesamteindruck des Textes: Die manieriert wirkende hohe Dichte des prae­ sens historicum wird reduziert. Für die textkritische Arbeit im Kaige-Abschnitt heißt dies einerseits, dass nicht alle praesentia historica der lukianischen Handschriften ungeprüft als ursprünglich gelten können, denn die lukianischen Rezensenten führen auch neue praesentia historica ein. Vielmehr ist eine Abwägung jedes Einzel­ falls nötig. Methodische Überlegungen dazu sowie eine Anzahl von Beispie­ len habe ich dargestellt.110 Andererseits folgt daraus, und das ist die eigentliche Problematik der Wiederherstellung der ursprünglichen praesentia historica des KaigeAbschnitts, dass bei weitem nicht alle praesentia historica von Old Greek über die lukianischen Handschriften wiederhergestellt werden können. Denn dieses Tempus wird sowohl von den Kaige-Rezensenten als auch (wenn auch in deutlich geringerem Umfang) von den lukianischen Rezen­ senten in den Aorist überführt. Deshalb gibt es nicht wenige ursprüngliche praesentia historica, die in keiner Handschrift überliefert sind. Für die text­ kritische Arbeit an diesem Problem plädiere ich dafür, die übliche Zurück­ haltung der Textkritik gegenüber Konjekturen zu überdenken.

109 S. oben Abschnitt 5.3.3.3. Die Zahl bezieht sich auf die Summe der Änderungen unter Absehung von den Eingriffen beim Verb λέγω. 110 S. oben Abschnitt 5.3.4.1.

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Ergebnis

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5.4 Ergebnis 5.4.1 Zum Tempusgebrauch des Übersetzers Der Gebrauch von Imperfekt und praesens historicum in den griechischen Samuelbüchern zeigt einen Übersetzer, der nicht wörtlich den formalen Merkmalen seines hebräischen Textes folgt, sondern sich von seinem Sprachgefühl leiten lässt. Insbesondere am Imperfektgebrauch des Überset­ zers wird dies deutlich: Vergleichbar häufig wie das hebräische Partizip gibt der Übersetzer hebräisches Impf.cons. mit dem Imperfekt wieder. Aber auch der Gebrauch des praesens historicum zeigt darin Züge einer freien Übersetzungsweise, dass sich der Übersetzer je nach Kontext dazu entschei­ det, Impf.cons.-Formen weder durch Aorist noch durch Imperfekt, sondern durch dieses (Einzelheiten der Erzählung besonders hervorhebende) Tem­ pus zu repräsentieren. Für den Samuelübersetzer konnte damit bestätigt werden, was Trevor Evans und Anssi Voitila für die Übersetzer des Penta­ teuchs gezeigt haben: Im Tempusgebrauch folgen die Übersetzer weniger den formalen Merkmalen der Vorlage und mehr ihrem Sprachgefühl. Statis­ tische Vergleiche sprechen dafür, dass der Samuelübersetzer an diesem Punkt sogar noch freier arbeitet als die Übersetzer des Pentateuchs. Speziell bei der Untersuchung des Imperfekts wurde deutlich, wie sehr der Sprachgebrauch des Übersetzers in der zeitgenössischen Koine wurzelt (iterativ gebrauchter Aorist in Kontexten mit iterativem Imperfekt). Dies knüpft an zahlreiche Beobachtungen für andere Phänomene an, etwa zum koine-typischen Gebrauch des genetivus absolutus. Die Untersuchung des Tempusgebrauchs brachte auch qualitative Gren­ zen der Übersetzung zutage, die auf eine enge Segmentierung bei der Über­ setzungsarbeit zurückgehen: Öfter stehen Imperfekte oder praesentia histo­ rica kontextuell so, dass man sich fragt, warum nicht bereits ein vorausste­ hendes oder auch ein folgendes Verb in diesem Tempus (oder gerade nicht in diesem Tempus) steht. Die Erklärung liegt darin, dass der Übersetzer keine größeren Kontexte analysierte.1 Die lukianischen Rezensenten greifen einige Male verbessernd ein und stellen Tempusgefüge her, die durchdacht wirken mit Blick auf die gesamte Schilderung einer Szene. Singulär unter den sonst zu beobachtenden Übersetzungsprinzipien ist das stilistische Zitat einer griechischen Literaturgattung, wie sie in der Ver­ wendung des praesens historicum deutlich wird. Während der Samuelüber­ setzer anderswo keinen literarischen Ehrgeiz erkennen lässt (er variiert kaum in Lexik und Syntax; er vermeidet Umstellungen der Wortfolge; 1

Für die Vorgehensweise des Samuelübersetzers kann ich nicht feststellen, dass sein Imper­ fektgebrauch „une anticipation du ‚texte‘ à venir“ belegen würde (so Voitila, Présent et imparfait, 231, für den Gebrauch des Imperfekts im Pentateuch). Vielmehr ist beispiels­ weise bei den mit Imperfekt wiedergegebenen iterativen Kontexten deren iterativer Cha­ rakter schon am Punkt des ersten Imperfekts erkennbar.

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typisch griechische Konstruktionen wie das participium coniunctum, die den Text idiomatisch wirken ließen, verwendet er fast nie), bezieht er sich mit seinem Gebrauch des praesens historicum offensichtlich auf ein Stil­ merkmal der griechischen Historiographie. Ich verstehe dies so, dass er die Samuelbücher als Geschichtsschreibung wahrnahm und es ihm wichtig war, sie neben diejenige der griechischen Historiographen zu stellen. In der zeitgenössischen Situation des Überset­ zers kann man dies als Vergewisserung jüdischer Identität im kulturellen Kontext des Hellenismus verstehen.

5.4.2 Vorgehen und Motivation der Rezensionen 5.4.2.1 Kaige-Rezension Die Kaige-Rezensenten haben bestimmte Vorstellungen von der philologi­ schen Richtigkeit einer Übersetzung, nach denen sie den Text der Samuel­ bücher überarbeiten. Die Untersuchung von Imperfekt und praesens histori­ cum hat gezeigt, dass ihre korrigierende Rezensionsaktivität auf dem Gebiet der Verbalsyntax nicht weniger intensiv ist als auf dem Gebiet der Lexik, mit der sie für gewöhnlich in Verbindung gebracht wird.2 Die Bearbeitung der Kaige-Rezension ist im Bereich des Imperfekts und des praesens historicum mit gleichermaßen hoher Konsequenz durchge­ führt. Die faktisch unterschiedliche Dichte der Eingriffe ergibt sich aus den Bearbeitungsprinzipien von Kaige: Für hebräisches Impf.cons. akzeptieren die Rezensenten ausschließlich den Aorist als Gegenüber. Das führt dazu, dass praktisch alle in Old Greek enthaltenen praesentia historica in den Aorist geändert werden, eben weil sie hebräisches Impf.cons. wiedergeben. Das griechische Imperfekt wird von den Rezensenten weniger oft geändert, denn sie akzeptieren das hebräische Imperfekt und das hebräische Partizip als Gegenüber des griechischen Imperfekts. Wo dem griechischen Imperfekt jedoch im Hebräischen Imperfekt consecutivum oder Perfekt bzw. Perf.­ cons. gegenübersteht, ändern die Rezensenten ebenso konsequent in den Aorist, wie sie das beim praesens historicum tun. In einigen wenigen Fällen greifen die Rezensenten nicht ein, obwohl ein Eingriff nach ihren Prinzipien zu erwarten wäre. Diese Fälle lassen sich in aller Regel erklären. Insbesondere wenn es im protomasoretischen Text der Rezensenten kein hebräisches Gegenüber gab oder wenn die Zuordnung der griechischen Worte zum Wortlaut des protomasoretischen Textes nicht einfach war, verzichteten die Rezensenten auf eine Bearbeitung. Sie waren 2

S. etwa Ulrich Rüsen-Weinhold, der die Arbeit der Kaige-Rezension so zusammenfasst: „Ziel dieser Revision war es, den unvokalisierten (proto-)masoretischen Text möglichst wortgetreu wiederzugeben. Dabei ersetzte man synonyme Lesarten, um Standardäquiva­ lente zu benutzen, und ergänzte fehlende Artikel, Partikeln usw.“ (Rüsen-Weinhold, 38 f).

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vorsichtig und darauf bedacht, keine Fehler zu machen. Das bedeutet, dass nicht nur ihr hebräischer Text, nach dem sie korrigierten, in ihren Augen Ansehen als Heilige Schrift genoss, sondern auch der von ihnen korrigierte griechische Text mit besonderem Respekt bzw. besonderer Vorsicht bear­ beitet wurde. Sie griffen in ihn nur ein, wenn sie sich ihrer Sache sicher waren. Fragt man nach der Herkunft der Vorstellungen der Kaige-Rezensenten, wie die hebräischen Tempora „richtig“ im Griechischen wiedergegeben werden sollten, so liegt es nahe, an den Einfluss des Aramäischen auf das Verständnis des Hebräischen zu denken: In der zweiten Hälfte des 1. Jahr­ tausends vor Christi entwickelte auch das Hebräische unter aramäischem Einfluss ein System absoluter Zeitstufen. Als Vergangenheitstempus etab­ lierte sich das Perfekt (mit und ohne Kopula), als Präsens das Partizip und als Futur das Imperfekt.3 Dass dieses System nicht eins zu eins auf das biblische Hebräisch ange­ wendet werden konnte, ist klar. Aber der sich vom zeitgenössisch gespro­ chenen Aramäisch her aufdrängende Eindruck, dass ein Tempussystem absolute Zeitstufen haben müsse, hat m.E. eine Rolle dabei gespielt, wie die Kaige-Rezensenten die hebräischen Zeiten im Griechischen repräsentiert wissen wollten. Insgesamt zeigen sich die Rezensenten in ihrer Arbeit als schulmeisterliche Philologen, die den Übersetzer nach ihrem Verständnis einer sprachlich genauen Übersetzung korrigieren.4 5.4.2.2 Lukianische Rezension Für die Bearbeitung der lukianischen Rezension im Bereich des Imperfekts und des praesens historicum sind zwei gegenläufige Tendenzen deutlich: Während die Rezensenten die Anzahl der Imperfekte moderat erweitern, führen sie das praesens historicum deutlich zurück. Sie nähern damit die griechischen Samuelbücher einem Tempusgebrauch an, wie er für originäre griechisch-historiographische Literatur typisch ist: Im Vergleich zu dieser verwendet der Übersetzer das Imperfekt zu selten;5 das praesens historicum dagegen so oft, dass es manieriert wirkt.6 Durch die Eingriffe der lukiani­ schen Rezension wird der Stil für beide Punkte demjenigen der historiogra­ phischen Literatur angenähert. 3 4

5 6

S. dazu Meyer, § 101 b. Barthélemy nahm als Motiv der Rezensenten an, dass sie den griechischen Text so wieder­ geben wollten, dass an ihm Techniken rabbinischer Exegese des hebräischen Textes ange­ wendet werden konnten (s. besonders seine Ausführungen zu den inkludierenden und exkludierenden Partikeln in Barthélemy, Les Devanciers, 10–15). Mögen manche der lexi­ kalischen Eingriffe so zu erklären sein, ist für die Überarbeitung der Verbalsyntax m.E. nicht erkennbar, inwiefern sie rabbinische Exegese am griechischen Text ermöglichen würde. Weitere Überlegungen s. unten Abschnitt 6.2.1.1. S. oben S. 166 (Anm. 62). S. oben S. 198 (Anm. 44).

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Deutlich ist, dass die lukianischen Rezensenten den Tempusgebrauch des Übersetzers nicht grundstürzend verändern, sondern moderat verbessern. Dabei haben sie größere Kontexte im Blick als der in engen Segmenten arbeitende Übersetzer. In etlichen Fällen stellen sie Tempusgefüge her, die wesentlich besser durchdacht wirken als diejenigen des Übersetzers. Für die von Sebastian Brock beschriebene attizistische Tendenz der lukianischen Rezension konnten weitere Details beobachtet werden; ebenso für die von ihm festgestellten leseerleichternden Eingriffe (besonders die Hinzufügung von Eigennamen).7 Auch zu dem von Brock herausgearbeite­ ten hexaplarischen Einfluss wurden weitere Fälle gefunden, die man so interpretieren kann.8 Intensität und Kohärenz der Eingriffe der lukianischen Editoren im Bereich der Verbalsyntax unterstreichen, dass die lukianischen Handschrif­ ten nicht nur gelegentliche Bearbeitungen überliefern, sondern Bearbei­ tungsmuster. Mit guten Gründen kann man von einer „Rezension“ spre­ chen. Ich halte es nicht für sinnvoll, für die lukianische Bearbeitung einen anderen Terminus zu verwenden als für die Bearbeitungen von Kaige.9 Beide Texttypen zeigen intentionale Bearbeitungsmuster, deren Motive sich benennen lassen und die vom jeweiligen historisch-theologischen Kontext erzählen, in den die Rezensionen gehören.10

7

Zu den Attizismen s. oben S. 167 (Anm. 69); zu den Leseerleichterungen oben S. 168 (Anm. 74). 8 Möglicher hexaplarischer Einfluss auf die lukianischen Handschriften wurde beobachtet in 1Sam 12,10; 25,42; 27,11. In 1Sam 15,3 sind Dubletten in Ms. 127 durch Obeloi gekenn­ zeichnet. 9 Barthélemy möchte zwischen „Edition“ und „Rezension“ unterscheiden und will für die lukianische Bearbeitung (anders als für Kaige, z. B. Barthélemy, Les Devanciers, 81) nur die Bezeichnung Edition gelten lassen, weil er die für L typischen Merkmale (er nennt Annäherungen an den hebräischen Text, attizistische Verbesserungen und hexaplarischen Einfluss) auf einen langsam voranschreitenden, oft zufälligen Bearbeitungsprozess zurück­ führt (Barthélemy, Problèmes textuels, 71–75). Diese Sichtweise war schon angesichts der Ergebnisse Sebastian Brocks fragwürdig (Brock, Recensions). Die Eingriffe von L im Bereich der Verbalsyntax bestätigen, dass es sich wie bei Kaige um konsistente rezensio­ nelle Muster handelt. Zur Diskussion um die Termini s. auch Hugo, Text History, 10–12. 10 Dazu unten Abschnitte 6.2.1.1 (Kaige-Rezension) und 6.2.1.2 (lukianische Rezension).

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6 Ertrag 6.1 Die griechische Übersetzung der Samuelbücher 6.1.1 Die Arbeitsweise des Übersetzers Der Samuelübersetzer geht seine Aufgabe sehr effizient an. Er gehört zu denjenigen Übersetzern der Septuaginta, die die höchsten Anteile an Stan­ dardwiedergaben für bestimmte syntaktische Strukturen des Hebräischen haben. Das gilt etwa für die Übersetzung der figura etymologica (93 % Anteil der Wiedergabe mit Finitverb + stammesgleichem participium coniunctum), die Wiedergabe von ְ ‫ בּ‬+ infinitivus constructus (77 % ἐν τῷ + Infinitiv) oder die Repräsentation der hebräischen Kopula durch καί auch dann, wenn dies die griechische Syntax strapaziert (95 % καί). Die hohe Frequenz solcher Standards ist ein entscheidender Faktor dafür, dass die griechische Übersetzung der Samuelbücher hebraistisch wirkt. Mit der auf wörtliche Standardwiedergaben konzentrierten „easy tech­ nique“1 des Übersetzens einher geht das fast völlige Fehlen einer Reihe von syntaktischen Strukuren, die für griechische Texte typisch sind. So kommen in den Samuelbüchern die Konjunktionen δέ, μέν und γάρ praktisch nicht vor, ebensowenig (mit Ausnahme der stereotypen Wiedergaben des infiniti­ vus absolutus der figura etymologica sowie des Infinitivs ‫מר‬ ֹ ‫ל ֵא‬i) das partici­ pium coniunctum. Zu den syntaktischen Hebraismen kommen lexikalische hinzu. Auch wenn die Lexik nicht Schwerpunkt dieser Arbeit ist, wurden entsprechende Beobachtungen gemacht, etwa die Wiedergabe von ‫ הלך‬in der Bedeutung ‚weitermachen mit‘ durch πορεύομαι oder von ‫‚ ישׁב‬seinen Aufenthalt neh­ men‘ durch καθίζω. Die Übersetzung des Pentateuchs, die zur Zeit der Übersetzung der Samuelbücher schon existierte, steht in deutlichem Kontrast zu solch wört­ licher Vorgehensweise. Der Samuelübersetzer kennt den Pentateuch auf Griechisch, aller Wahrscheinlichkeit nach jedoch nicht auf Hebräisch.2 Sicher ist, dass er sich den Stil der Pentateuchübersetzung nicht zum Vor­ bild nimmt. Er arbeitet nicht im Bewusstsein, mit den Samuelbüchern eine „Heilige Schrift“ zu übersetzen,3 die für ihren religiösen, besonders auch

1 2 3

Diesen Begriff hat James Barr geprägt (Barr, Typology, 26; 50); ausführlicher dazu oben S. 44 (Anm. 25). S. oben Seite 31 (nach Anm. 12). Weitere Überlegungen dazu unten Abschnitt 6.1.2.

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Ertrag

gottesdienstlichen Gebrauch gehobenen stilistischen Ansprüchen genügen müsste. Den insgesamt hebraistischen Charakter der Samuelübersetzung sollte man nicht anachronistisch von heutigen Maßstäben her kritisieren. Dass eine Übersetzung nicht wie eine Übersetzung wirken soll,4 ist kein über­ zeitliches Ideal. Wichtig scheint mir in diesem Zusammenhang die Beobach­ tung, dass eine idiomatischere Übersetzung nicht an den Fähigkeiten des Übersetzers scheitert. Wie gut er das Griechische beherrscht, zeigt sich immer wieder – in besonderer Weise an seinem souveränen Umgang mit dem griechischen Tempussystem. Es war schlichtweg nicht seine Absicht, eine möglichst idiomatische Übersetzung zu erstellen. Sein Übersetzungs­ konzept war vielmehr, auf sehr effiziente Weise einen für griechischspra­ chige Leserinnen und Leser hinreichend verständlichen Text zu erzeugen, der ihnen den Inhalt der hebräischen Samuelbücher zugänglich macht. Manche Wiedergaben erzeugen allerdings den Eindruck, als seien sie nicht durch effizientes, sondern zu schnelles Arbeiten entstanden. Wie die moderne Übersetzungsforschung zeigen kann, ist dies ein typisches Merk­ mal weniger erfahrener Übersetzerinnen und Übersetzer:5 Sie arbeiten zügi­ ger als die routinierten, und dadurch fallen ihnen Probleme ihrer Wiederga­ ben und auch Fehler seltener auf. Für die Lösung schwieriger Überset­ zungsaufgaben nehmen sie sich weniger Zeit. Damit kommen die Grenzen dessen im Blick, was der Samuelübersetzer zu leisten vermag. Neben seinem wohl manchmal zu schnellen Vorgehen hat er erkennbar Schwächen im Hebräischen. Immer wieder trifft er auf Vokabeln, die er nicht kennt. Teilweise errät er in solchen Fällen eine unge­ fähre Bedeutung aus dem Kontext, teilweise weicht er auf ähnliche Voka­ beln aus; nicht selten behilft er sich mit Transliterationen. Vor dem Gesamtbild eines quantitativ wie qualitativ wörtlich arbeiten­ den Übersetzers überrascht es, dass einige seiner Transliterationen aller­ dings nicht aus der Not, sondern in offenbar theologischer Absicht entstan­ den sind, um bestimmte religionsgeschichtliche Erinnerungen zu vermei­ den. So transliteriert er das Wort ‫בּ ָמ ָה‬i, das er in nicht-kultischen Kontexten zutreffend mit ὕψος wiedergibt, wenn es eine Kulthöhe bezeichnet.6 Dadurch wirkt Βαμα in diesen Zusammenhängen wie ein Ortsname. ֹ i, wo es den Gipfel einer Kulthöhe meint.7 Ebenso transliteriert er ‫ראשׁ‬ 4

5 6 7

Nach Werner Koller würde sich eine idealtypische Übersetzung einerseits „orientieren an der source-language message […‫ ;]ו‬die Verantwortung des Übersetzers gilt dabei in erster Linie dem Inhalt, in zweiter Linie dem Stil der AS-Mitteilung [AS = Ausgangssprache]. Andererseits hat sie sich auf die Sprache der Empfänger […‫ ]ו‬auszurichten, indem die gewählten Entsprechungen in der ZS [Zielsprache] zugleich natürlich sein sollen.“ (Koller, 92; Hervorhebung im Original). S. Louw, Approaches, 22. ὕψος in 2Sam 1,19.25; 22,34; βαμα in 1Sam 9,12.13.14.19.25; 10,5; 11,8. 2Sam 15,32; entsprechend 16,1. Die Analogie zum Verbot der Mischna, die „Schande Davids“ (2Sam 11,2 ff) und die „Schande Absaloms“ (2Sam 13,1 ff) im Gottesdienst nicht

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Die griechische Übersetzung der Samuelbücher

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Offenbar sind dem Übersetzer in der ihn umgebenden Götter- und Kult­ welt des Hellenismus die „Alleinstellungsmerkmale“ Israels (Monotheis­ mus; zentrale Kultstätte in Jerusalem; Ablehnung des Bildergebrauchs) so wichtig, dass er die Gelegenheit wahrnimmt, durch das einfache Mittel der Transliteration gegenteilige religionsgeschichtliche Spuren zu verwischen (wenigstens für die frühe Königszeit).8 Interessant ist, dass im Pentateuch ‫ בּ ָמ ָה‬zutreffend mit στήλη wiedergegeben wird. Es gab also kein Überset­ zungsverbot im Sinne eines „Tabuwortes“. Ebenfalls auf der Linie verschleiernder Wiedergaben könnte die Überset­ zung von ‫תּרָפִים‬ ְ mit τὰ κενοτάφια in 1Sam 19,13.16 liegen. Das Wort κενοτάφιον deutet darauf hin, dass dem Übersetzer durchaus bekannt war, dass ‫תּרָפִים‬ ְ Götterfiguren bezeichnet, die im Zusammenhang mit dem Ahnenkult stehen.9 Seine Übersetzung verrät diese Kenntnis, dient aber ְ zu verschleiern. dazu, den Charakter der ‫תּרָפִים‬ So bemerkenswert diese theologischen Akzente sind, so wenig darf man vergessen, dass es sich um Einzelfälle handelt. Aufs Ganze gesehen gibt der Übersetzer seine Vorlage sinnerhaltend wieder. Mir sind über die genannten Transliterationen hinaus keine Fälle begegnet, wo er theologische Aussagen verschoben oder durch Einfügungen oder Auslassungen interpretatorisch in den Textbestand eingegriffen hätte. Insgesamt ist die Arbeit des Samuelübersetzers deutlich die eines Philolo­ gen, nicht die eines Theologen. Ein knappes Dutzend an Transliterationen kultischer Begriffe reicht nicht aus, um generalisierend von einer theologi­ schen Tendenz seiner Übersetzungsweise zu sprechen. Es gibt mithin auch keine „Theologie“ der griechischen Samuelbücher, weil deren Theologie mit der Theologie ihrer hebräischen Vorlage weitestgehend übereinstimmt. Seine insgesamt wörtliche „easy technique“ des Übersetzens unterstreicht, dass er nicht mit literarisch-gestalterischem Ehrgeiz oder subjekten Absich­ ten arbeitet, sondern stark am Ausgangstext orientiert ist.

8

9

zu übersetzen (s. Schäfer, 216 f), drängt sich zwar auf; diesen Brauch darf man aber nicht in die Zeit des Übersetzers zurückprojizieren; außerdem wurden die Samuelbücher nicht im Gottesdienst rezitiert (Überlegungen dazu s. unten Abschnitt 6.1.2). Vielleicht liegt der (nicht zutreffenden) Festlegung des Beginns des Abschnitts βγ durch Thackeray eine sol­ che Rückprojektion zugrunde. Damit knüpft er gewissermaßen an die Geschichtsschreibung der Deuteronomisten an: „Israel vollzog ihrer Meinung nach am Ende der Richterzeit eine große Umkehr zur exklu­ siven Jahweverehrung (1.Sam 7,3 f), und erst der alternde Salomo fiel […‫ ]ו‬davon ab.“ (Albertz, 404) Im Buch der Könige war es nicht möglich, die Bedeutung von ‫ בּ ָמ ָה‬zu ver­ schleiern (s. 1Kön 3,2; hier und im Weiteren übersetzt mit ὑψήλος). S. Gesenius, Handwörterbuch, s.v. ‫תּרָפִים‬ ְ i; s. auch Muraoka s.v. κενοτάφιον: „a compro­ mise rendering […‫ ]ו‬out of respect for the future king of Israel (?)“.

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Ertrag

6.1.2 Anlass, Kontext und Zeit der Übersetzung Der Übersetzer ist griechischer Muttersprachler: Sein Griechisch ist souve­ rän und fehlerfrei. Das Hebräische dagegen beherrscht er nicht auf gleichem Niveau. Dieser sprachliche Hintergrund erzählt eindrücklich davon, warum in Alexandria griechische Übersetzungen hebräischer Werke benötigt wur­ den. Die jüdische Gemeinde war vom Aramäischen zum Griechischen als Muttersprache übergegangen, und damit verbunden nahm die Kenntnis des Hebräischen ab. Die Übersetzung der zentralen religiösen Schrift, der Thora, war im 3. Jahrhundert v.Chr. erfolgt,10 und sukzessive wurde wei­ tere Literatur übersetzt, so auch die Bücher Samuel und Könige. Anders als die Thora waren diese Bücher nicht konstitutiv für das religi­ öse Leben11 und nicht kanonisch im Sinne der „Kanonformel“ (Dtn 4,2; 13,1) – dies zeigt die Weiterarbeit an ihrem hebräischen Text nach ihrer Übersetzung ins Griechische.12 Die Samuelübersetzung darf daher nicht aus dem Blickwinkel der Übersetzung der Thora, d. h. von der späteren Einfü­ gung der Samuelbücher in einen von der Thora eröffneten Kanon her inter­ pretiert werden, sondern nur sui generis aus derjenigen Evidenz, die ihr selbst entnommen werden kann. Einen guten Ansatzpunkt gibt hierbei die auffällige Imitation des praesens historicum der klassischen griechischen Historiographie durch den Über­ setzer. Diese offensichtliche Anlehnung an eine Gattung der griechischen Literatur ist nicht literarisch-stilistischem Ehrgeiz geschuldet (der Über­ setzer zeigt solchen Ehrgeiz nirgendwo sonst), sondern muss als (bewusste oder unbewusste) Markierung der Gattung verstanden werden, die der Übersetzer in den Samuel- und Königebüchern13 sieht. Sie sind als jüdische Historiographie im Bildungskontext Alexandrias für Juden das, was für Griechen die Werke von Herodot, Thukydides oder Xenophon sind. Weiterhin wichtig ist der Unterschied der Übersetzungsweise in den Samuelbüchern und den Büchern der Thora. Letztere sind stilistisch wesentlich besser übersetzt,14 weil auf sie als Werke von religiöser Bedeu­ tung besondere Sorgfalt verwendet wurde.15 Vermutlich wurde die Thora

10 S. unten bei Anm. 25. 11 Das wird durch den Aristeasbrief unterstrichen, der nur von der Thora handelt (Natalio Fernández Marcos, Septuagint, 41 f, datiert ihn zwischen 127 und 118 v.Chr.). 12 S. dazu unten Abschnitt 6.2.2. 13 Zur Einheit der Samuel- und Königeübersetzung s. unten Abschnitt 6.1.4. 14 S. z. B. die Klassifikation bei Soisalon-Soininen, Infinitive, 177 f; 186 f; 189 f. Auch die auf Basis reiner EDV-Vergleiche getroffenen Klassifizierungen von Emanuel Tov und Benja­ min B. Wright stützen den schon von Thackeray formulierten Eindruck, dass der Penta­ teuch eine besonders hohe Qualität der Übersetzung aufweise (Thackeray, Grammar, 9) und seine Sprache „good κοινή Greek“ sei. Die Übersetzung (der Non-Kaige-Abschnitte) der Bücher Samuel-Könige charakterisiert Thackeray dagegen als „indifferent Greek“ (ebd., 13). 15 S. Aejmelaeus, Oral Translation, 12: „The variation in the quality of the translation cannot

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Die griechische Übersetzung der Samuelbücher

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von den besten und erfahrensten16 Übersetzern der jüdischen Gemeinde übertragen. Vielleicht wurde die Übersetzung von Schriftgelehrten unterei­ nander abgestimmt und verbessert sowie womöglich von Würdenträgern der Gemeinde für den religiösen Gebrauch autorisiert.17 Die Übersetzung der Samuelbücher ist weit weniger elaboriert. Die häu­ figeren Fehler und die vergleichsweise hohe Interferenz des Hebräischen auf das Griechische unterscheiden sie deutlich von derjenigen der Thora. Für die Samuelbücher galten keine literarischen Maßstäbe, wie man sie an ein Werk anlegt, das für den religiösen Gebrauch gedacht ist.18 Die gelegentlich anzutreffende Vorstellung,19 die Thora sei der Auftakt eines großen, mehr oder weniger einheitlichen Übersetzungsprojekts gewe­ sen (der Übersetzung „der“ Septuaginta), setzt anachronistisch die spätere Kanonbildung mit der Thora als vorangestellter theologischer Mitte voraus. Zum Zeitpunkt ihrer Übersetzung war nicht vorherzusehen, dass die Samuel- und Königebücher einmal Teil des „alexandrinischen Kanons“ bzw. der hebräischen Bibel sein würden. Entsprechend lässt sich auch nicht nachweisen, dass der Samuelüberset­ zer die Thora hebräisch-griechisch studiert und als Musterübersetzung benutzt hätte. Deutlich wird dies nicht nur daran, dass er ihm unbekannte hebräische Vokabeln nicht im Pentateuch „nachschlägt“, sondern ebenso an einer oft anderen Äquivalentik, auch bei religiösen Begriffen wie ‫ ע ָֹון‬oder ‫פֶּשׁ ַע‬i.20 Schließlich zeigt die wörtliche, häufig unidiomatische Wiedergabe­ weise syntaktischer Phänomene, dass sich der Übersetzer nicht an der stilis­ tisch anspruchsvolleren Übersetzungsweise im Pentateuch orientiert. Fragt man nach der Zeit der Übersetzung, so ist klar, dass sie vor der pro­ tomasoretischen Rezension des hebräischen und vor der diese Rezension voraussetzenden Kaige-Rezension des griechischen Textes erfolgt sein muss. Terminus a quo ist die Übersetzung der Thora, weil es in den Samuel­ büchern Anklänge an Formulierungen des griechischen Pentateuchs gibt.21

16

17

18 19 20 21

be purely a question of varying competence of the individual translators, but must depend, at least to a certain extent, on the status of the various books and the interest of the com­ munity in them.“ S. Louw, Approaches, 21 f, der auf Ergebnisse der modernen Übersetzungswissenschaft hinweist, wonach sich qualitative Unterschiede der Übersetzungsweise weniger auf die Frage „guter“ (begabter, gebildeter) Übersetzer zurückführen lassen, sondern stärker die Erfahrung einer Übersetzerin oder eines Übersetzers darüber entscheidet, wie die Qualität der Übersetzung ausfällt. Vgl. die Legende des Aristeasbriefs (V. 301–311). Auch wenn diese Legende keinen „histo­ rischen Kern“ haben wird, ist ein solches Vorgehen (übersetzen – vergleichen/überprüfen – akzeptieren/autorisieren) bei einem Text von hohem religiösem Gewicht plausibel. Elias Bickerman spricht von „private undertakings“ und betont: „[O]nly the Pentateuch was an authorized version.“ (Bickerman, 161). Etwa bei Johannessohn, 163. S. oben S. 31 (nach Anm. 12). Dies widerspricht nicht der These, dass der Übersetzer die Thora nicht als Muster verwen­ det; zu Einzelheiten s. oben Abschnitt 1.5.1.

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Ertrag

John A. L. Lee datiert die Übersetzung der Thora auf Basis lexikalischer Analysen in das 3. oder 2. vorchristliche Jahrhundert.22 Die Übersetzung der Samuelbücher teilt eine Reihe der von Lee für die Datierung herangezo­ genen Merkmale, die ein im Vergleich zur Kaige-Rezension oder zum Neuen Testament früheres Sprachstadium zeigen.23 Allerdings gibt das von Lee für das zweite Jahrhundert nachgewiesene Verschwinden des Wortes ὑποζύγιον für ‚Esel‘ einen Hinweis darauf, dass die Samuelbücher bei aller Nähe zur Koine des Pentateuchs dennoch einige Zeit später entstanden sind.24 Wegen des anzunehmenden zeitlichen Abstands zwischen der Penta­ teuch- und Samuelübersetzung einerseits und der Samuelübersetzung und ihrer Kaige-Rezension andererseits legt es sich nahe, die Übersetzung des Pentateuchs in das 3. Jh. v.Chr. zu datieren und die Samuelübersetzung ins 2. vorchristliche Jahrhundert.25

6.1.3 Die Koine als sprachliche Referenz Der sprachliche Referenzrahmen für die Beschreibung der Samuelüberset­ zung ist das zeitgenössisch gesprochene Griechisch, die Koine. Bereits im 19. Jahrhundert hat in der Forschung ein Paradigmenwechsel26 dahingehend stattgefunden, dass das Griechisch der Septuaginta wie des Neuen Testa­ ments nicht als „Bibelgriechisch“ verstanden werden darf, sondern als Koine-Griechisch mit – je nach Übersetzer bzw. Autor – mehr oder weni­ ger zahlreichen Semitismen. Aus der Zeit der Koine sind in der jüngeren Vergangenheit enorm viele Texte gefunden worden. Es ist ein Desideratum der Forschung, dass nur ein Teil dieser Dokumente ausgewertet ist und bisher keine „Grammatik der Koine“ vorliegt, die für diese Epoche neben die großen klassischen Gram­ matiken treten könnte.27 Meine Analyse stützt sich daher auf die Grammati­ 22 S. Lee, 148. 23 So verwendet der Samuelübersetzer ebenfalls ἀποτρέχω für ‚weggehen‘ (1Sam 8,22; 2Sam 13,15 [L = OG]); dazu Lee, 125–128. Beiden Übersetzungen gemeinsam ist auch die Ver­ wendung von (ἀνα)βοάω, nicht (ἀνα)κράζω (so Kaige) für ‚rufen‘; dazu Lee, 144; sodann die Bevorzugung von βούλομαι gegenüber θέλω (anders Kaige); dazu Lee, 144; schließlich der Gebrauch von παροικέω (2Sam 4,3); dazu Lee, 61. 24 S. Lee, 140–144. Das im Pentateuch noch häufiger (14-mal) verwendete Wort ὑποζύγιον für ‚Esel‘ kommt in Samuel lediglich einmal vor (2Sam 16,2); dominierend ist ὄνος (20mal). 25 S. Anneli Aejmelaeus, die diese Datierung in ihren Grinfield Lectures vertreten hat (noch unveröffentlicht). Aejmelaeus weist im Anschluss an Lee noch hin auf die sich im zweiten Jahrhundert vollziehende Ablösung von ὁράω durch βλέπω (Präsens und Imperfekt), die in den griechischen Samuelbüchern festzustellen sei. 26 Die diesen Paradigmenwechsel einleitende Kontroverse zwischen Adolf Deißmann und Hermann Cremer (letzterer verteidigte die These des „Bibelgriechisch“) fasst zusammen Rehkopf, 232. 27 S. ausführlich Fernández Marcos, Septuagint, 3–16. „[A] systematic study of all the docu­

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Die griechische Übersetzung der Samuelbücher

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ken des Neuen Testaments und die von Edwin Mayser verfasste Grammatik der ägyptischen Papyri. In zahlreichen Beispielen konnte ich für die Samuelbücher zeigen, wie sie den Sprachgesetzen der Koine folgen. Das Sprachniveau ist dabei sehr ein­ fach (wesentlich einfacher als etwa das Griechisch von Paulus). Der Über­ setzer lässt keinen stilistischen Ehrgeiz und keine Tendenz zum Attischen erkennen. Vielmehr gibt er seinen Ausgangstext auf die geschilderte28 effizi­ ente Weise in einem Griechisch wieder, wie es zeitgenössischer Alltagsspra­ che entspricht. Dies zeigt sich insbesondere an vielen Analogien zur Sprache der ägyptischen Papyri.

6.1.4 Zur Einheit der Samuel- und Königeübersetzung Die von mir durchgeführten Untersuchungen zeigen die Identität der Über­ setzungsweise im 1. und 2. Samuelbuch. Die analysierten Phänomene ziehen sich jeweils durch den gesamten Text; Brüche habe ich nicht festgestellt.29 Dies gilt auch für den Kaige-Bereich: Trotz der die Übersetzung überla­ gernden Rezension ist die Arbeitsweise des Übersetzers auch hier erkenn­ bar. Ich halte es für unbestreitbar, dass beide Samuelbücher von ein- und demselben Übersetzer übersetzt wurden. In der Forschung wurde vielfach die Vermutung geäußert, dass auch in den Königebüchern der gleiche Übersetzer am Werk war.30 Ich habe zahl­ reiche Beobachtungen gemacht und zusätzliche Stichproben genommen, um diese These zu überprüfen, und fasse meine Einschätzung im Folgenden zusammen. Ein gewichtiges Indiz für die Identität der Übersetzer liegt im Gebrauch von Imperfekt und praesens historicum. Der Anteil des Imperfekts bei der Wiedergabe von Impf.cons. durch Augmenttempora beträgt im NonKaige-Bereich beider Bücher jeweils 5 %.31 Das praesens historicum wird in Könige für ähnliche Verben und in ähnlichen Kontexten verwendet wie in

28 29

30 31

mentation of the Hellenistic period is required […‫ ]ו‬to be able to place the Greek of the Bible in its correct location. […‫[ ]ו‬T]he lack of studies of the language of post-classical Greek is too obvious a fact to be stressed.“ (ebd., 14). S. oben Abschnitt 6.1.1. Lediglich die Wiedergabe des Verbs ‫שׁפט‬i(mit Nominalbildung ‫מ ִשׁ ְפָּט‬i) scheint im zweiten Samuelbuch von δικάζω (δικαστής / δικαίωμα) zu κρίνω (κριτής / κρίμα / κρίσις) zu wechseln. Allerdings verwendet der Übersetzer auch in 1. Samuel einige Male κρίνω, und über die lukianischen Handschriften kann für 2Sam 18,31; 22,32 δικάζω wahrscheinlich gemacht werden, so dass sich das Bild differenziert. Analysiert man die jeweiligen Kon­ texte, so zeigt sich, dass δικάζω für ‚als Richter handeln‘ / ‚Richter sein‘; κρίνω dagegen für ‚ein Urteil fällen‘ / ‚jemandem Recht verschaffen‘ verwendet wird. Die Wiedergabe­ weise von ‫ שׁפט‬liefert keine belastbaren Anhaltspunkte für einen Übersetzerwechsel. S. zusammenfassend Hugo, Text History, 5 f. S. oben Abschnitt 5.2.2.4.

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Ertrag

Samuel; kein anderes Buch der LXX hat dieses Tempus in vergleichbar hoher Frequenz. Sein ausgedehnter Gebrauch in Imitation griechischer his­ toriographischer Literatur ist ein Alleinstellungsmerkmal dieser Bücher. Ebenfalls ein starkes Indiz für die Identität der Übersetzer ist die Beobachtung, dass erzähleinleitende zeitbestimmende Nominalsätze mit invertierter Satzstellung in Samuel wie Könige ganz überwiegend32 mit einem genetivus absolutus wiedergegeben werden. Durch beide Bücher zieht sich zudem ein hoher Anteil der Standardwiedergaben von ְ ‫ בּ‬und ְ ‫ כּ‬+ infinitivus constructus durch ἐν τῷ + Infinitiv33 bzw. einen ὡς-Nebensatz34 bei gelegentlicher Verwendung eines genetivus absolutus. Verortet man die überladene Wiedergabe von adversativem ‫ כּ ִי‬oder ‫ כּ ִי א ִם‬durch ὅτι ἀλλ᾽ ἤ beim Übersetzer, ist auch sie ein Indiz für einen gemeinsamen Übersetzer (außerhalb von Samuel und Könige kommt sie nur ganz vereinzelt vor). Wertet man ὅτι in diesen Fällen als Ergänzung nach dem hebräischen Text, zeigt es eine gemeinsame Textgeschichte. Übersetzungsweisen, die die Samuel- und Königebücher verbinden und die sie mit weiteren Büchern teilen, ist die ganz überwiegende Wiedergabe des infinitivus absolutus der figura etymologica durch ein participium coniunctum (ebenso Richter-B, Jeremia und Dodekapropheton) sowie die häufige Verwendung des Passivs καὶ ἐγενήθη als Wiedergabe von ‫ו ַי ְה ִי‬i (ebenso Josua, Richter, Psalter und Jeremia). Durch eine größere Anzahl an Stichproben habe ich überprüft, was die Lexik für die Frage nach einem gemeinsamen Übersetzer von Samuel und Könige beisteuern kann. Starke Indizien für die Identität des Übersetzers sind die praktisch nur in diesen Büchern anzutreffenden Wiedergaben von ‫‚ קבץ‬sammeln‘ mit συναρθροίζω35 und ‫‚ ע ֵג ֶל‬Stierkalb‘ mit δάμαλις.36 Für die griechische Literatur bisher nur in diesen Büchern belegt ist das Verb τρισσεύω / τρισσόω ‚etwas dreimal tun‘ (1Sam 20,19 f; 1Kön 18,34 bis).37 Bei Verben, wo sich bei einer höheren Zahl an Belegen unterschiedliche bevorzugte Wiedergabeweisen in den Büchern der LXX finden, sind Samuel und Könige (Non-Kaige-Bereiche) stets in ein- und derselben Gruppe. Das

32 In Samuel 82 % der Fälle, in Könige 86 % (Einzelheiten s. oben Abschnitt 4.3.5). 33 In Samuel in 77 %; in 1. Könige 70 % und 2. Könige (Kaige) 93 % (zu Einzelheiten s. oben Abschnitt 3.2.4). 34 In Samuel 71 % (s. oben Abschnitt 3.3.2); kritisch erhobene Daten für Könige liegen mir nicht vor. Eine rein elektronische Prüfung deutet auf eine ähnliche Größenordnung hin: Fragt man mit dem Tov-Polak-Modul von BibleWorks die Entsprechungen für ְ ‫ כּ‬+ infini­ tivus constructus ab (unter Weglassung von Stellen, bei denen keine Übersetzung vorliegt: 1Kön 14,6; 21,27 [20,27 LXX]), so steht der Konstruktion in 31 in von 44 Fällen (70 %) ein ὡς-Satz gegenüber. 35 Zehnmal in Samuel und viermal in Könige (1Sam 7,7; 8,4 bis; 25,1; 28,1.4; 29,1; 2Sam 2,25.30; 3,21; 1Kön 11,24; 18,19; 22,6; 2Kön 10,18); sonst nur Esr 10,7. 36 1Sam 28,24; auch 1Kön 12,28.32; 2Kön 10,29; 17,16. Die anderen Übersetzer verwenden μόσχος bzw. μοσχάριον (26-mal); nur Ps 29,6 hat δάμαλις als Wiedergabe von ‫ע ֵג ֶל‬i. 37 S. Liddell/Scott/Jones s. v. τρισσεύω und τρισσόω.

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Die griechische Übersetzung der Samuelbücher

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gilt für ‫נצל‬i (Bevorzugung von [ἐξ]αἱρέω), ‫חזק‬i (κρατέω), ‫רדף‬i (κατα­ διώκω) und ‫ צעק‬/ ‫זעק‬i ([ἀνα]βοάω). Gemeinsam ist Samuel und Könige die häufigere Wiedergabe des Imperativs Qal von ‫ הלך‬mit δεῦρο (für Impt. Sg.) bzw. δεῦτε (Impt. Pl.)38 sowie von ‫ קרא‬durch (ἀνα)βοάω.39 Die genannten Indizien ergeben in ihrer Summe eine sehr hohe Wahr­ scheinlichkeit dafür, dass Samuel und Könige vom gleichen Übersetzer übertragen wurden. Für die textkritische Arbeit und die weitere Erfor­ schung der Übersetzungsweise können m.E. alle vier Bücher der Königtü­ mer zugrundegelegt werden.

38 Samuel zehnmal; Könige 28-mal; Num neunmal; Ri achtmal; Ps sechsmal; Gen fünfmal; Neh und Jes je dreimal; Chronik, Pred, Jer und Dodekapropheton je zweimal; Ex einmal. 39 In Samuel bei 10 von 68 Belegen (15 %); Könige 11 von 75 (15 %); Lev 1 von 9 (11 %); Chronik 3 von 29 (10 %); alle anderen Bücher unter 10 %.

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Ertrag

6.2 Die Rezensionen: Charakter und Kontext 6.2.1 Griechischer Text Für den griechischen Text sind zwei rezensionelle Überarbeitungen überlie­ fert: Die Kaige-Rezension und die lukianische Rezension. Für beide ist jeweils nach den Bearbeitungsmustern und theologischen Kontexten zu fra­ gen. 6.2.1.1 Die Kaige-Rezension Die Kaige-Rezension ist in den nichtlukianischen Handschriften in 2Sam 10,61 – 24,25 überliefert. Ihr Hauptmerkmal ist die verwörtlichende Annä­ herung der griechischen Übersetzung an den (proto)masoretischen Texttyp. Zutreffend hat Thackeray die Kaige-Abschnitte als Vorstufe der Wiederga­ beweise Aquilas charakterisiert.2 Die Kaige-Rezensenten schaffen durch ihre Eingriffe für zahlreiche heb­ räische Wörter eine feste lexikalische Entsprechung. Das geht bis hin zu Details wie der Einführung einer eigenen Wiedergabeweise für ‫ גּ ַם‬und ‫ו ְג ַם‬i (καί γε), um es von ְ ‫ו‬i (καί) zu unterscheiden, oder für ‫א ָֹנכ ִי‬i (ἐγώ εἰμι) im Unterschied zu ‫א ֲנ ִי‬i (ἐγώ). Die Kaige-Rezensenten ändern darüber hinaus Standardäquivalente des Übersetzers, mit denen sie nicht einverstanden sind, etwa ἐξαιρέω für ‫ נצל‬Hifil zu ῥύομαι. In nicht wenigen dieser lexika­ lischen Anpassungen dürfte sich das zeitgenössische Idiom spiegeln:3 Es wird so redigiert, wie es den Rezensenten von ihrem eigenen Sprachgefühl her „richtig“ erscheint. Keine Rolle spielt dagegen eine Anpassung der Übersetzung an das Vokabular des Pentateuchs. Es gibt im Gegenteil Beispiele, wo die KaigeRezensenten die Äquivalentik der Samuel- und Königebücher von derjeni­ gen des Pentateuchs entfernen, etwa ‫שֹׁופָר‬i (im Pentateuch und durch den Übersetzer wiedergegeben mit σάλπιγξ, von Kaige geändert zu κερατίνη) oder ‫ זעק‬/ ‫צעק‬i (hier hätte es bei βοάω bleiben müssen; die Kaige-Rezen­ senten ändern zu κράζω). Bei den Verben des Wollens und Nicht-Wollens (‫אבה‬i, ‫ מאן‬und ‫חפץ‬i) wäre βούλομαι nicht so stark zurückgedrängt worden zugunsten von θέλω, hätten sich die Rezensenten am Pentateuch orientiert. Erst recht ergibt sich eine Entfernung von der Übersetzungsweise im Penta­

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S. den Exkurs: 2Sam 10,6 als Beginn des Kaige-Abschnitts (oben S. 199). „It appears that Aquila was not the first to found a school of literal translation.“ (Thacke­ ray, Greek Translators, 273) Barthélemy greift diese Charakterisierung in seinem Buchtitel „Les Devanciers d’Aquila“ auf. Sebastian Brock vertritt, die Ergebnisse Barthélemys auf­ nehmend, die These, dass die Rezension Aquilas auf der Kaige-Rezension basiert (Brock, Bibelübersetzungen, 169). S. unten nach Anm. 15.

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teuch durch besonders unidiomatische Entsprechungen wie ‫ א ָֹנכ ִי‬/ ἐγώ εἰμι.4 Die Eingriffe der Kaige-Rezensenten betreffen nicht nur die Lexik, son­ dern auch die Syntax, besonders die Verbalsyntax. Bereits Barthélemy hatte erkannt, dass die Rezensenten hebräisches Impf.cons. (zu ergänzen ist: Per­ fekt) durch den Aorist repräsentiert sehen wollen und deshalb das praesens historicum in den Aorist überführen.5 Ähnliches gilt für das Imperfekt, das sie nicht als Wiedergabe von hebräischem Impf.cons. und Perfekt bzw. Perf.cons. akzeptieren, sondern nur für hebräisches Imperfekt und infinite Formen (insbesondere Partizipien). Dominique Barthélemy war der Meinung, dass das Prinzip der KaigeRezension eine möglichst wörtliche Repräsentanz des Hebräischen im Grie­ chischen ist mit dem Ziel, auch am griechischen Text bestimmte Techniken rabbinischer Exegese anwenden zu können.6 Gerade bei den Eingriffen in die Verbalsyntax zeigt sich jedoch: Stärker noch als um die Ermöglichung rabbinischer Exegese geht es bei der Kaige-Rezension um philologische Richtigkeit.7 Die Rezensenten sind Schriftgelehrte und wollen den hebräi­ schen Text schulmäßig im Griechischen repräsentiert sehen, ohne dabei seine Benutzbarkeit zu gefährden. Sie gehen nicht so weit wie Aquila, der weniger eine Übersetzung, sondern eher einen Sprachschlüssel zum Hebräi­ schen herstellt. Die Kaige-Rezensenten schaffen dagegen eine „zweite, ver­ besserte Auflage“ der griechischen Samuelbücher für den selbständigen Gebrauch.8 M.E. hilft es für das Verständnis dieses Rezensionsprinzips, die KaigeRezension in die große Linie der Entwicklung des Judentums von einer Kult- zu einer Buchreligion einzuzeichnen. Nach der Zerstörung des salo­ monischen Tempels 586 v.Chr. beginnt ein komplexer Prozess der Sichtung von Traditionen und einer Konzentration auf die schriftliche Überlieferung, der in der Zusammenstellung der Thora ein erstes epochales Zwischenziel findet.9 In diesem Prozess gewinnt philologisch-theologische Arbeit an Gewicht, und in Jerusalem bildet sich zunehmend philologische Expertise.

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Eine Annäherung ergibt sich bei der Änderung der Wiedergaben von ‫ ע ָֹון‬von ἀδικία (so der Übersetzer) zu ἀνομία im Kaige-Abschnitt (auch in Könige); s. oben S. 32 (Anm. 14). Dass es jedoch kein Prinzip der Kaige-Rezension ist, die Äquivalentik an diejenige des Pentateuchs anzugleichen, zeigen die genannten gegenteiligen Fälle. S. Barthélemy, Les Devanciers, 65. S. Barthélemy, Les Devanciers, besonders S. 10–15. Einzelheiten s. oben Abschnitt 5.4.2.1. Eine gewisse Analogie bietet die Elberfelder Bibel, deren primäres Ziel „[d]ie möglichst genaue Wiedergabe des Grundtextes“ ist bei dennoch verständlichem Deutsch (so im Vor­ wort zur Elberfelder Bibel, Wuppertal/Zürich 1992, S. V). Die zeitliche Eingrenzung Frank Crüsemanns, nach der die Thora im letzten Drittel des 4. Jh. v.Chr. fertiggestellt wurde, erscheint plausibel; zu Recht weist er darauf hin, dass ihre Übersetzung ins Griechische im 3. Jh. kanonische Geltung voraussetzt, in die sie über einen gewissen Zeitraum hinweg hineingewachsen sein muss (Crüsemann, 386 f).

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Man braucht zwar weiterhin Priester für den Kult, aber auch Schriftgelehrte für die Bearbeitung, Weitergabe und Auslegung der Thora. Als die Kaige-Rezension durchgeführt wird, ist der Prozess der Konzent­ ration auf die schriftliche Überlieferung weit fortgeschritten. Inzwischen haben zusätzlich zur Thora weitere Texte den Status einer Heiligen Schrift bekommen, unter anderem die Samuelbücher. Der protomasoretische Text­ typ hat an Ansehen gewonnen und gilt als vorbildlich, wenn nicht norma­ tiv.10 Daraus ergibt sich der Wunsch, die griechischen Übersetzungen mit diesem Mustertext abzugleichen und verwörtlichend zu verbessern. Dass der Kaige-Text die ursprüngliche Textform in den Handschriften ab 2Sam 10,6 weitestgehend verdrängt hat, muss bedeuten, dass man seinen schriftge­ lehrten Tradentenkreisen eine hohe philologische Kompetenz zumaß und sich darauf verließ, dass die von ihnen bearbeiteten Texte von hoher Quali­ tät im Sinne einer gründlich überprüften und fehlerbereinigten Neuauflage waren. Gewissermaßen paradox ist es, dass die Entwicklung des Judentums zur Schriftreligion in der Überlieferung der Septuaginta zunächst zu einer Rezension von Texten mit dem Ziel ihrer weiteren Verwendbarkeit führt (Kaige; Aquila), dass aber letztlich eben diese Entwicklung bewirkt, dass auch die revidierten griechischen Fassungen nicht mehr akzeptabel erschei­ nen,11 sondern nur noch die hebräischen „Originale“: Am Zielpunkt dieses Prozesses kommt die Septuaginta im Judentum gänzlich außer Gebrauch.12 Als Ort der Kaige-Rezension scheint aufgrund der sich in ihr widerspie­ gelnden Schriftgelehrsamkeit Palästina (Jerusalem) wahrscheinlich.13 Für die Zeit gibt die in Teilen erhaltene griechische Zwölfprophetenrolle aus Nahal Hever, die einen kaige-artigen Texttypus hat, einen äußeren Anhalts­

10 Einen Überblick gegenwärtiger Erklärungsmodelle für den Autoritätsgewinn und in länge­ rer Linie die Dominanz des protomasoretischen Texttyps gibt Kooij, 150–153. 11 Ich halte es angesichts des schon vorchristlich erkennbaren Einflusses des protomasoreti­ schen Textes nicht für ausgemacht, dass das Judentum auf den Gebrauch der griechischen Bibel als Reaktion auf das Christentum verzichtete, wie es in der Forschung oft vertreten wurde (etwa bei Hengel, 205–209, unter der Überschrift „Die jüdische Gegenreaktion“). Lange Zeit war das Christentum eine zu unbedeutende Spielart des Judentums, um darauf mit einer so gravierenden Entscheidung zu reagieren. Wenn überhaupt, hätte der christli­ che Gebrauch der Septuaginta die Konzentration ausschließlich auf den hebräischen Text in ihrer Spätphase zusätzlich beschleunigen können. 12 Ein genauer Zeitpunkt des endgültigen Verzichts auf die LXX ist nicht zu greifen, zumal die Entwicklung regional unterschiedlich verlief. Bickerman weist darauf hin, dass noch für die Regierungszeit Justinians I. (527–565) der synagogale Gebrauch der Septuaginta belegt ist (Bickerman, 168). 13 Dominique Barthélemy hatte eine enge Verbindung der Kaige-Rezension mit der Schule Rabbi Hillels von Jerusalem angenommen, die jedoch von späteren Forschungen hinter­ fragt wurde (s. zusammenfassend Greenspoon). Auch wenn man keine so enge Verbin­ dung zu bestimmten Traditionen rabbinischer Exegese sieht wie Barthélemy, spricht die Orientierung der Kaige-Rezension am protomasoretischen Texttyp m.E. für Palästina (Jerusalem) als Entstehungsort.

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punkt. Sie wird aufgrund paläographischer Merkmale ins erste Jahrhundert vor Christus datiert,14 d. h. für diese Zeit ist mit entsprechenden Überarbei­ tungen biblischer Bücher zu rechnen. Ein inneres Datierungskriterium ist, dass die Kaige-Rezension den pro­ tomasoretischen Texttyp voraussetzt. Es muss deshalb einen gewissen zeit­ lichen Abstand zu demjenigen Stadium der Überlieferung geben, wie es sich in der Vorlage der LXX und auch in 4QSama zeigt.15 Ein weiteres Kriterium für eine Datierung ist das Vokabular, das die Rezensenten verwenden. Dass sie (ἀνα)βοάω durch κράζω (2Sam 13,19; 19,5.29) ersetzen, deutet auf eine im Vergleich zur Übersetzung spätere Sprachentwicklung hin, ebenso die Vermehrung von θέλω auf Kosten von βούλομαι.16 Auch diese relativen Kriterien lassen eine Datierung ins erste Jahrhundert vor Christus plausibel erscheinen. 6.2.1.2 Die lukianische Rezension Die lukianische Rezension steht in einem zeitlich, räumlich und religiös ganz anderen Kontext als die Kaige-Rezension. Traditionell wird sie dem christlichen Märtyrer Lukian zugeschrieben, der Leiter einer Akademie in Antiochia am Orontes gewesen sein soll.17 Abgesehen vom Martyrium Lukians im Jahr 312 n.Chr. lassen sich die Überlieferungen zu Person und Lebenslauf historisch nicht verifizieren, auch nicht die Urheberschaft der „lukianischen“ Rezension.18 Die Veränderungen der lukianischen Rezensenten19 erfolgen – anders als bei der Kaige-Rezension – innergriechisch. Hebräischen Einfluss gibt es indirekt durch die Übernahme griechischer Lesarten aus der Hexapla.20 Das

14 Auch eine Datierung ins frühe erste Jahrhundert n.Chr. erscheint möglich; zur Datierungs­ frage s. ausführlich Parsons, 19–26. 15 Zu den hebräischen Texttypen s. unten Abschnitt 6.2.2.1. 16 2Sam 12,17; 13,9.14.16.25; 23,16.17 (kein Eingriff 2Sam 20,11); vermutlich umgekehrte Änderung in 2Sam 24,3. Zur Interpretation s. Lee, 144. Die von Lee für die Datierung des Pentateuchs ebenfalls herangezogene Ablösung von ὑποζύγιον durch ὄνος führt für die Kaige-Rezension nicht weiter, weil in 2Sam 16,2 ὑποζύγιον Old Greek sein dürfte, das von den lukianischen Rezensenten zu ὄνος angepasst wurde. Zum von mir vermuteten Muster der Änderungen bei βούλομαι und θέλω durch Kaige s. oben ab S. 180. 17 So eine vita Lukians aus dem 4. Jh. (s. Brennecke, 474). 18 S. Barthélemy, Problèmes textuels, 78–84. 19 Diesen Terminus verwende ich in Anknüpfung an die traditionelle Benennung, welche die Rezension Lukian zuschreibt; mit dem Plural drücke ich aus, dass die Rezension als „Teamwork“ entstanden sein kann. 20 Neben hexaplarischen Übernahmen sind Annäherungen an den hebräischen Text möglich, die die lukianischen Rezensenten in ihrer Handschriftentradition vorgefunden haben (s. Brock, Recensions, 305 f). Zur Frage einer „protolukianischen Rezension“ s. Kauhanen, Proto-Lucianic Problem. Kauhanen kommt zu dem Ergebnis, dass sich eine solche rezen­ sionelle Vorstufe des lukianischen Textes nicht nachweisen lässt (ebd., 190 f).

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zeigt deutlich den theologischen Kontext der Alten Kirche, in dem insge­ samt wenig Kenntnis des Hebräischen vorauszusetzen ist. Zwar hatte man die Herkunft des Alten Testaments nicht vergessen. Es waren jedoch wenige Spezialisten, die sich mit der hebräischen Sprache beschäftigten und sie beherrschten. Der Mainstream der Theologie war geprägt von Fragen, die sich aus dem zeitgenössischen philosophischen Kontext und dem Dialog mit hellenistischem Denken ergaben. Wie Sebastian Brock herausgearbeitet hat,21 ist die lukianische Rezension neben der von der Hexapla vermittelten Annäherung an den MT durch sti­ listische, oft attizistische Verbesserungen geprägt.22 Die Anpassungen an die Regeln der klassischen Grammatik verorten die Rezension in einem allge­ mein zeitgenössischen Trend zurück zum Attischen.23 In diesen Zusam­ menhang gehört auch der von mir beobachtete Umgang der Rezensenten mit dem griechischen Imperfekt und dem praesens historicum: Das im Ver­ gleich zu den klassischen griechischen Historiographen zu selten verwen­ dete Imperfekt wird vermehrt, das vom Übersetzer in übertriebener Fre­ quenz geradezu manieriert gebrauchte praesens historicum zurückgeführt. Wichtig ist es festzuhalten, dass die stilistischen Eingriffe der lukiani­ schen Rezension zwar zahlreich sind (zu ihnen gehören auch vielfältige lexi­ kalische Änderungen; insbesondere haben die Rezensenten eine deutlich andere Vorstellung als der Übersetzer, welche Vorsilben bei Komposita zu verwenden sind). Allerdings nehmen die Rezensenten keine tiefgreifenden Veränderungen vor, etwa die Umstellung ganzer Kontexte. Ihre Verbesse­ rungsarbeit geschieht in bewahrendem Respekt an einem Text, der die Würde einer Heiligen Schrift genießt. Fragt man nach Zeit und Ort der lukianischen Rezension, so argumen­ tiert Brock aufgrund einer Reihe schlüssiger Indizien dafür, sie auf Ende des dritten oder Anfang des vierten Jh. n.Chr. zu datieren.24 Als „Sitz im Leben“ der lukianischen Rezension benennt Dominique Barthélemy den steigenden Bedarf an Bibeln, nachdem das Christentum seit der Regierungszeit Konstantins des Großen (306/324–337) von höchster Stelle gefördert wurde und zunehmend auch in die sozial besser gestellten und gebildeten Milieus eindrang.25 Antiochia wäre in diesem Kontext der Produktionsort von Bibelhandschriften für Syrien und Kleinasien gewe­

21 S. Brock, Recensions (zusammenfassend S. 305 f). 22 Brock lässt dabei explizit offen, ob die hexaplarischen Korrekturen und die stilistische Überarbeitung zum gleichen Zeitpunkt in den Text eingetragen wurden (Brock, Recen­ sions, 306). In jedem Fall sind sie die beiden charakteristischen rezensionellen Merkmale des lukianischen Textes, wie er uns überliefert ist. 23 S. Rehkopf, 231 f. „[I]n augusteischer Zeit wurde die Rückkehr zum Attischen als Gegen­ bewegung zur Koine immer mehr zum Ideal der Gebildeten.“ Sie fand ihren „Höhepunkt in der Mitte des 2. Jh. n.Chr.“ (ebd., 231). 24 S. zusammenfassend Brock, Recensions, 306. 25 S. Barthélemy, Problèmes textuels, 74–78.

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sen:26 Wer Bibeln von hoher philologischer Qualität kaufen wollte, bestellte dort. Lukian als antiochenischer Märtyrer eignete sich hervorragend, dieser Bibelausgabe eine besondere Autorität zu verleihen.27

6.2.2 Hebräischer Text 6.2.2.1 Zur Chronologie der überlieferten Texttypen Der Text der hebräischen Samuelbücher ist uns in drei Fassungen zugäng­ lich: In der mit übersetzungstechnischen Kenntnissen insgesamt gut zu erschließenden Vorlage der LXX, in den Texten aus Qumran (4QSama)28 sowie im masoretischen Text.29 Bei auseinandergehenden Lesarten sind die Gemeinsamkeiten von LXX und 4QSama untereinander wesentlich höher als die Gemeinsamkeiten dieser Texttypen mit dem MT.30 In der Forschung wurden zahlreiche Beobachtungen dafür zusammenge­ tragen, dass LXX / 4QSama keinen eigenen, vom MT unabhängigen Textty­ pus repräsentieren (plurales Modell), sondern ein im Strom der Textent­ wicklung dem MT vorauslaufendes, älteres Textstadium (genealogisches Modell).31 Demgegenüber weniger deutlich ist die Verhältnisbestimmung von 4QSama und der Vorlage der LXX. Es gibt allerdings Indizien dafür, dass 4QSama einem späteren Stadium der Textentwicklung zugehört als die Vor­ lage der LXX. Dafür sprechen diejenigen Stellen, wo 4QSama verschiedene Traditionen, darunter auch von der LXX nicht gespiegelte Merkmale des protomasoretischen Textes, kumulativ zusammenführt.32 Ebenfalls in diese Richtung deutet, dass 4QSama aller Wahrscheinlichkeit nach die längere Fas­ 26 Zur philologischen Kompetenz in Antiochia s. Drewery, 103–109. 27 S. Barthélemy, Problèmes textuels, 78–83. 28 Wegen des vergleichsweise geringen Textumfangs der Fragmente von 1QSam, 4QSamb und 4QSamc treten diese in ihrer Bedeutung gegenüber 4QSama zurück. 29 Hinzu kommen Zeugen zweiter Ordnung wie Samuel-Zitate in rabbinischer Literatur oder bei Josephus (Antiquitates). 30 Das wurde in der Forschung mehrfach gezeigt und jüngst erneut von Frank Moore Cross und Richard Saley bestätigt: So gehen bei auseinandergehender Tradition die Vorlage der LXX und 4QSama gegen den MT in etwa 50 % der Fälle zusammen, während 4QSama und MT gegen die Vorlage der LXX in nur 13 % der Fälle übereinstimmen (Cross/Saley, 53 f). „In summary, the evidence allows for only one compelling conclusion, that 4QSama stands firmly rooted in the Hebrew textual tradition reflected in the Old Greek.“ (ebd., 54). 31 S. Hugo, Textgeschichte, 7–12, und meine Beschreibung der rezensionellen Tendenzen des protomasoretischen Textes unten Abschnitt 6.2.2.2. 32 S. ausführlich Aejmelaeus, Hanna’s Psalm; sie fasst ihre Analysen so zusammen: „The ambitious scribe who produced this manuscript had a basic text that was closer to the Vor­ lage of the Septuagint than to the MT. […‫ ]ו‬In addition, he had some other manuscripts and sources out of which he complemented his text: other Samuel manuscripts that showed fea­ tures similar to the MT, but also manuscripts of Chronicles, as can be seen in 2 Sam 24.“ (Aejmelaeus, Hanna’s Psalm, 37).

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sung der David-Goliath-Geschichte hatte;33 schließlich auch, dass 4QSama – anders als die Vorlage der LXX – bereits die Namensveränderung von MefiBaal zu Mefi-Boschet (‫מפיבשׁת‬i) enthält (2Sam 4,12; MT ‫אישׁ־בשׁת‬i).34 4QSama wird paläographisch ins erste Jahrhundert vor Christus datiert.35 Das Alter der Rolle sagt zwar nicht unmittelbar etwas über das Alter des Texttyps aus, fügt sich aber gut in eine Verhältnisbestimmung der drei Text­ typen, nach der die Vorlage der LXX das älteste Stadium darstellt (2. Jh. v.Chr), dem 4QSama – wenn auch etwas später anzusetzen36 – nahesteht (2./1. Jh. v.Chr.). Gegenüber diesen beiden Texttypen ist der masoretische Text die deutlich erkennbar späteste Fassung. Wann genau der masoretische Text bis ins letzte Detail festgelegt war, ist nicht exakt zu bestimmen.37 Jedoch spiegelt die Kaige-Rezension einen protomasoretischen Text, der dem „Endtext“ sehr nahe steht. Sie zeugt davon, dass die Arbeit am hebräi­ schen Text der Samuelbücher in ihren wesentlichen Zügen um die Zeiten­ wende herum abgeschlossen war.38 6.2.2.2 Die protomasoretische Rezension Die protomasoretische Rezension des hebräischen Texts der Samuelbücher übt einen großen Einfluss auf die griechische Übersetzung aus. In den Kaige-Abschnitten haben die Annäherungen an ihren Texttyp viele Lesar­ ten von Old Greek verdrängt bzw. verändert. Aber auch in den Non-KaigeAbschnitten gibt es Fälle, bei denen (besonders im Codex Vaticanus und eng verwandten Handschriften) an den hebräischen Text in protomasoreti­ scher Fassung angeglichen wurde.39 In den letzten Jahren hat sich die Forschung auf den Weg gemacht, das Vorgehen und theologische Profil der protomasoretischen Rezension der Samuelbücher zu erheben. Da sich in der Überlieferung der LXX und in 4QSama zahlreiche im Vergleich zum MT frühere hebräischen Lesarten 33 Die Überlieferungssituation lässt keinen ganz sicheren Schluss zu, jedoch sprechen eine Reihe von Indizien dafür (s. die Diskussion bei Johnson). 34 S. unten bei Anm. 58. Leider sind für andere Stellen mit Namensänderungen keine Lesarten aus Qumran erhalten. 35 S. DJD XVII, 8. 36 So auch Cross/Saley, 54; ähnlich schon in DJD XVII, 25: „The divergences between 4QSama and the Old Greek are sufficiently explained by the century or so between the translation of Samuel into Greek, and the copying of our manuscript.“ 37 S. Fabry, 63: „Uns ist kein einziger Zeitpunkt weder für jedes einzelne biblische Buch noch für den Abschluß der Textentwicklung der Hebräischen Bibel als Ganzer bekannt. Die Kanonlisten […‫[ ]ו‬ergeben] für den Gesamtabschluß […‫ ]ו‬nur ein[en] terminus ad quem: das Ende des 1. Jh. n.Chr.“ 38 S. Aejmelaeus, Corruption or Correction, 16: „Exact dating of this editorial activity is impossible, but in order to have left features of the older edition in the Septuagint and in 4QSama untouched, it must be fairly late. It must be a question of the time around the turn of the era, perhaps the 1st century BCE.“ 39 S. Aejmelaeus, How to Reach, 193–203. Beispiele für solche Eingriffe oben im Exkurs: 2Sam 10,6 als Beginn des Kaige-Abschnitts, S. 200 (Anm. 55).

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erhalten haben, ist dies nicht nur durch Literarkritik nach inneren Kriterien möglich, sondern durch „quellenbasierte Rezensionskritik“ in Form eines Vergleichs der Texttypen.40 Ich stelle im Folgenden wichtige Forschungser­ gebnisse zusammen und ergänze sie durch eigene Beobachtungen. Jürg Hutzli hat in seiner Dissertation gezeigt, dass von den protomasore­ tischen Rezensenten das Agieren Hannas „vor JHWH“ in 1Sam 1–2 aus kulttheologischen Gründen redigiert wird.41 Zum Zeitpunkt der protoma­ soretischen Rezension war die Zurücksetzung von Frauen im Kult offenbar weiter vorangeschritten als zur Zeit der Übersetzung der LXX.42 1Sam 1,9 ‫כּה ֵן ֹישׁ ֵב‬ ֹ ַ ‫תה ו ְע ֵל ִי ה‬ ֹ ָ ‫רי שׁ‬ ֵ ֲ‫לה ו ְא ַח‬ ֹ ִ ‫רי א ָכ ְל ָה ב ְשׁ‬ ֵ ֲ‫קם חַנּ ָה א ַח‬ ָ ‫תּ‬ ָ ַ‫ו‬ ‫ ע ַל־ה ַכּ ִסּ ֵא ע ַל־מ ְזוּז ַת ה ֵיכ ַל י ְהו ָה‬καὶ ἀνέστη Ἅννα μετὰ τὸ φαγεῖν αὐτοὺς ἐν Σηλώμ,43 καὶ κατέστη ἐνώπιον Kυρίου · καὶ Ἠλὶ ὁ ἱερεὺς ἐκάθητο ἐπὶ τοῦ δίφρου ἐπὶ τῶν φλιῶν ναοῦ Κυρίου.

Das Vor-JHWH-Treten wird Hanna in der masoretischen Fassung nicht mehr zugestanden (ebenso 1,14; 2,11). Verwandt mit diesen Eingriffen sind die von Anneli Aejmelaeus analy­ sierten Änderungen beim Nasiräer-Gelübde,44 das Hanna nach der älteren Textfassung (LXX / 4QSama) ablegt: 40 Die Forschung knüpft damit an das 19. Jahrhundert an (Otto Thenius, Julius Wellhausen und Samuel R. Driver hatten erkannt, dass die LXX viele ältere Lesarten überliefert), aller­ dings durch die Qumran-Funde von neuen Voraussetzungen aus. Das 20. Jahrhundert war im Mainstream der Forschung davon geprägt, den masoretischen Text im Großen und Ganzen unkritisch als besten und in der Regel auch ältesten Texttyp des Alten Testaments anzusehen. So sagt etwa Ernst Würthwein in seinem Standardwerk „Der Text des Alten Testaments“ mit Blick auf die Funde von Qumran (unter ausdrücklicher Kenntnisnahme der Veröffentlichungen von F.M. Cross): „Allen diesen Texten gegenüber macht der maso­ retische Text einen altertümlicheren und zuverlässigeren Eindruck.“ (Würthwein, 19) Für die Bücher Samuel s. den Kommentar von Hans Joachim Stoebe, der den Charakter der Septuaginta „paradigmatisch“ anhand ihres „sehr viel kürzeren und strafferen Textes“ gegenüber dem „vollständigeren von M“ bewertet (so 1973 im ersten Band, S. 31). Auch 1994 hält er in Abgrenzung zur sich abzeichnenden Neuorientierung der Forschung an dieser Sichtweise fest; er möchte abweichende Lesarten als hermeneutisch interessant zur Kenntnis nehmen, „doch wird sich nur in seltenen Fällen die zwingende Notwendigkeit ergeben, diesen [den MT] danach zu ändern“ (zweiter Band, S. 53). Eine bemerkenswerte Ausnahme für breiter verlegte Literatur ist der Kommentar P. Kyle McCarters (1980 / 1984), dessen Umgang mit der Forschungslage der Qumran-Ära als Meilenstein der Kom­ mentierung der Samuelbücher gelten kann. 41 S. Hutzli, Hanna und Samuel, 61; 145 f; 270 f. 42 Hier besteht Bedarf eingehender Untersuchungen: „Die Rolle von Frauen am Ersten und am Zweiten Tempel ist noch weitgehend unerforscht.“ (Sals, Abschnitt 4.1) Die Anlage eines Frauenvorhofs beim Herodianischen Umbau des Tempels macht aber deutlich, wie Frauen um die Zeitenwende auf Abstand zum Allerheiligsten gehalten wurden: „In späte­ rer Zeit wird den Frauen ausweislich der Tempeltopographie nurmehr ein vermittelter, dis­ tanzierter Kontakt mit Jahwe zuerkannt.“ (Ebach, 422). 43 GA (Σηλώ Rahlfs). 44 Anneli Aejmelaeus, „Was Samuel a Nazirite?“ Vortrag auf der Tagung der Society of Bibli­ cal Literature in Chicago 2012, noch unveröffentlicht.

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Ertrag

1Sam 1,11 ‫תּיו ל ַיהו ָה כּ ָל־י ְמ ֵי חַיּ ָיו‬ ִ ‫ת‬ ַ ְ ‫תך ָ ז ֶרַע א ֲנ ָשׁ ִים ווּנ‬ ְ ָ ‫תּה ל ַא ֲמ‬ ָ ‫ת‬ ַ ָ ‫ו ְנ‬i [ ‫]ונתתה לאמתך זרע אנשׁי[ם ונתתיהו ל]פניך נזיר עד יום מותו‬i(4QSama)45 καὶ δῷς τῇ δούλῃ σου σπέρμα ἀνδρός,46 καὶ δώσω αὐτὸν ἐνώπιόν σου #δοτὸν ἕως ἡμέρας θανάτου αὐτοῦ. Nach LXX / 4QSama steht Hanna vor JHWH (1Sam 1,9: καὶ κατέστη ἐνώ­ πιον Κυρίου). Entsprechend redet sie JHWH direkt an und verspricht, ihm einen männlichen Nachkommen als Nasiräer zu weihen: ‫ונתתיהו ל]פניך‬i [‫ נזיר‬/ καὶ δώσω αὐτὸν ἐνώπιόν σου δοτόν. Von den protomasoretischen Rezensenten wird dieser Passus geändert zu ‫תּיו ל ַיהו ָה‬ ִ ‫ת‬ ַ ְ ‫וּנ‬i, weil nach ihrer Fassung Hanna von einer gemeinsamen Mahlzeit aufsteht, die nicht „vor JHWH“ eingenommen wurde (1Sam 1,9); daher muss der Adressat des Versprechens, JHWH, expliziert werden. Ent­ fallen ist die Charakterisierung der Übergabe Samuels an JHWH als ‫נזיר‬i (δοτόν).47 In 1Sam 1,13 lassen die masoretischen Rezensenten die Aussage aus, JHWH habe Hanna erhört:48 1Sam 1,13 ַ ‫לא י ִשּׁ ָמ ֵע‬ ֹ ‫תיה ָ נּ ָעֹות ו ְקֹול ָהּ‬ ֶ ָ‫ו ְחַנּ ָה ה ִיא מ ְד ַבּ ֶרֶת ע ַל־ל ִבּ ָהּ רַק שׂ ְפ‬ ‫כּרָה‬ ֹ ִ ‫ ו ַיּ ַחְשׁ ְב ֶה ָ ע ֵל ִי ל ְשׁ‬καὶ αὐτὴ ἐλάλει ἐν τῇ καρδίᾳ αὐτῆς, καὶ τὰ χείλη αὐτῆς ἐκινεῖτο καὶ φωνὴ αὐτῆς οὐκ ἠκούετο · καὶ εἰσήκουσεν αὐτῆς ὁ #Κύριος ,49 καὶ ἐλογίσατο αὐτὴν Ἠλὶ εἰς μεθύουσαν.

Auch diese Änderung gehört in das Muster, nach dem Hanna kultisch weni­ ger selbständig agiert, ebenso der folgerichtige rezensionelle Eingriff in 1Sam 1,23: Nach der älteren Textfassung bestätigt Elkana das NasiräerGelübde Hannas und macht es damit rechtskräftig.50 In der jüngeren Text­ fassung findet eine solche Bestätigung nicht statt, weil Hanna kein Gelübde vor JHWH abgelegt hat. Vielmehr soll nun JHWH sein eigenes Wort bestä­ tigen: ֵ ָ ‫י‬i 1Sam 1,23 ‫קם י ְהו ָה א ֶת־דּ ְב ָרֹו‬ ‫יקם יהו[ה היוצא מפיך‬i] (4QSama) στήσαι Κύριος τὸ ἐξελθὸν ἐκ τοῦ στόματός σου.

45 Die Rekonstruktion folgt DJD XVII, z. St. 46 GA (ἀνδρῶν Rahlfs). 47 Dass die hebräische Vorlage ‫ נזיר‬enthielt, hat schlüssig nachgewiesen Aejmelaeus (wie Anm. 44) mit Verweis auf die in 1Sam 1,22 in 4QSama erhaltene Lesart ‫ונת[תיהו נזיר עד‬i] ‫עולם‬i. In der LXX ist diese Passage ausgefallen durch einen Homoioteleuton-Fehler (Sprung von ‫ וישׁב שׁם עד עולם‬/ καὶ καθήσεται ἐκεῖ ἕως αἰῶνος zu ‫ונת[תיהו נזיר עד‬i] ‫עולם‬i). 48 S. Aejmelaeus, How to Reach, 198 f. 49 καὶ …‫ ו‬Κύριος > A B O b f 55 245 707txt (Rahlfs; anders GA). 50 Vgl. Num 30,11–16. In der Analyse des Zusammenhangs folge ich weiterhin Aejmelaeus (wie Anm. 44).

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Die Rezensionen: Charakter und Kontext

237

Ein weiteres rezensionelles Muster des protomasoretischen Textes wird bei Erwähnungen nicht legitimer Kultorte deutlich: Ihre Bedeutung wird gegen­ über der älteren Fassung verringert. 1Sam 2,14 ‫לה‬ ֹ ִ ‫( כּ ָכ ָה י ַע ֲשׂוּ ל ְכ ָל־י ִשׂ ְרָא ֵל וה ַבּ ָא ִים שׁ ָם בּ ְשׁ‬MT) ‫לה‬ ֹ ִ ‫( כּ ָכ ָה י ַע ֲשׂוּ ל ְכ ָל־י ִשׂ ְרָא ֵל וה ַבּ ָא ִים לזבח ליהוה בּ ְשׁ‬rekonstruierte Vor­ lage der LXX) κατὰ τάδε ἐποίουν παντὶ Ἰσραὴλ ἐρχομένοις θῦσαι Κυρίῳ ἐν Σηλώμ . (LXX) Durch eine einfache Umformulierung (‫לה‬ ֹ ִ ‫ה ַבּ ָא ִים לזבח ליהוה בּ ְשׁ‬i> i‫ה ַבּ ָא ִים‬ ‫לה‬ ֹ ִ ‫שׁ ָם בּ ְשׁ‬i) vermeiden die Rezensenten die Aussage, „ganz Israel“ habe in

Silo JHWH geopfert.51 Eine solche Aussage durfte sich aus ihrer Sicht nur auf den Tempel in Jerusalem beziehen. Gleichermaßen lösen die Rezensenten in 1Sam 11,8 die Verbindung einer rituellen Zählung mit der ihrer Auffassung nach illegitimen Kulthöhe bei Besek: 1Sam 11,8 ‫לשׁ מ ֵאֹות א ֶל ֶף ו ְא ִישׁ י ְהוּד ָה‬ ֹ ְ ‫קד ֵם ובּ ְב ָז ֶק ו ַיּ ִה ְיוּ ב ְנ ֵי־י ִשׂ ְרָא ֵל שׁ‬ ְ ְ‫ו ַיּ ִפ‬ ‫לשׁ ִים א ָל ֶף‬ ֹ ְ ‫שׁ‬i(MT) 52

‫קד ֵם ובבמה כל אישׁ־י ִשׂ ְרָא ֵל שׁשׁ מ ֵאֹות א ֶל ֶף ו ְא ִישׁ י ְהוּד ָה שׁבעים א ָל ֶף‬ ְ ְ‫ו ַיּ ִפ‬

(Vorlage der LXX)53

καὶ ἐπισκέπτεται αὐτοὺς ( Ἀβιέζεκ )54 ἐν Βαμα ,55 πάντα56 ἄνδρα Ἰσραὴλ ἑξακοσίας χιλιάδας, καὶ ἄνδρας Ἰουδὰ ἑβδομήκοντα χιλιάδας.

OL115 et inspexit eos in bama omnem virum israel sescenta milia et viros iuda LXX milia

Nach der Vorlage der LXX mustert Saul die Truppen auf der Kulthöhe. Dass eine solche Musterung ein religiöser Akt und die Kulthöhe daher ihr logischer Ort ist, zeigen Ex 30,12–16 (Sühnebedarf bei einer Zählung) und Ri 21,4–9 (Versammlung und Zählung auf der Kulthöhe in Mizpa); eine Zählung muss von JHWH selbst angeordnet sein (Num 1,2 f; 2Sam 24). In

51 52 53 54

Vgl. Dtn 12,4–7. ‫ שׁבעים אלף‬ist in 4QSama überliefert. Rekonstruktion von mir. Vor ἐν Βαμα lesen A M V C’ a f 29 71 158 245 318 707 Βε(ε)ζεκ; O liest Αβεζεκ; die ande­ ren Handschriften Ἀβιέζεκ. Obwohl der Name in allen griechischen Handschriften ent­ halten ist, dürfte es sich um eine frühe Dublette handeln, wie die Lesart von OL115 zeigt (mündlicher Hinweis von Anneli Aejmelaeus). 55 Ῥαμά 82–93–127. Der Übersetzer hat die Kulthöhe durch einen übersetzungstechnischen Kniff verschwinden lassen: Durch die Transliteration erscheint Βαμα als Ortsname (s. dazu oben Abschnitt 6.1.1). 56 GA; πᾶν B 121 (Rahlfs).

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Ertrag

der protomasoretischen Bearbeitung wird ‫ בבמה‬zu ‫ בּ ְב ָז ֶק‬geändert, so dass das Agieren Sauls wie eine Zählung ohne Kultbezug wirkt. Unerwünschte religionsgeschichtliche Erinnerungen werden auch dadurch getilgt, dass theophore Namen, die auf die Verehrung des Gottes ‫ בעל‬verweisen, verändert werden: ‫ אישׁ־בעל‬wird zu ‫אישׁ־בשׁת‬i (2Sam 2,8.10.12.15);57 ‫ מפי־בעל‬zu ‫מפי־בשׁת‬i (2Sam 3,8.11.14.15; 4,1.4.5.7.8 bis; 2Sam 4,12; 9,6 bis; 9,10.11.12 bis; 9,13; 16,1.4; 19,25.26.31; 21,7.8).58 Diese Eingriffe betreffen nicht nur Personen der Familie Sauls, sondern auch den Vater eines Soldaten namens Abimelech (2Sam 11,21 f; aus ‫ ירבעל‬machen die Rezensenten ‫רבּ ֶשׁ ֶת‬ ֻ ְ ‫י‬i)59 und einen der „Helden“ Davids (2Sam 23,8: ‫ אישׁ־בעל‬wird zu ‫ֹישׁ ֵב בּ ַשּׁ ֶב ֶת‬i).60 Rezensionelle Muster mit prodavidischer Tendenz haben Anneli Aejme­ laeus, Philippe Hugo und Jürg Hutzli aufgezeigt.61 Ähnlich wie bei der kul­ tischen Zurücksetzung Hannas in 1Sam 1–2 handelt es sich um ein Netz von Eingriffen (insbesondere in den Thronfolgegeschichten), die David aufund seine Widersacher abwerten. 2Sam 2,5 ‫דנ ֵיכ ֶם ע ִם־שׁ ָאוּל‬ ֹ ֲ ‫תם ה ַחֶס ֶד ה ַזּ ֶה ע ִם־א‬ ֶ ‫תּם ל ַיהו ָה א ֲשׁ ֶר ע ֲשׂ ִי‬ ֶ ַ ‫רכ ִים א‬ ֻ ְ‫בּ‬ ‫אתֹו‬ ֹ ‫קבּ ְרוּ‬ ְ ‫תּ‬ ִ ַ ‫ ו‬εὐλογημένοι ὑμεῖς τῷ Κυρίῳ, ὅτι πεποιήκατε τὸ ἔλεος τοῦτο ἐπὶ τὸν κύριον ὑμῶν ἐπὶ Σαούλ, τὸν χριστὸν Κυρίου ,62 καὶ ἐθάψατε αὐτόν. In der protomasoretischen Fassung wird Saul der Titel des ‫ משׁיח יהוה‬vor­ enthalten. Offenbar hat er ihn in den Augen der Rezensenten verspielt.63

57 Der richtige Name ist in der griechischen Tradition für 2Sam 2,8.10.12.15 jeweils aus­ schließlich in Ms. 93 überliefert (Εἰσβάαλ). 58 In 2Sam 3,7; 4,2; 9,8; 19,27 wird der Name in der protomasoretischen Rezension weggelas­ sen. Der richtige Name ist in der griechischen Tradition erhalten in 2Sam 4,4 (L 318 554c 799mg); 9,6 bis (L); 9,8 (Mmg); 9,10.11.12.13 bis; 16,1.4; 19,25.26 (jeweils L); 19,27 (L 158); 19,31; 21,7 (jeweils L). 59 Die griechischen Handschriften lesen weitestgehend einheitlich Ἰεροβάαλ. In die Liste der Richter in 1Sam 12,11 greifen die Rezensenten nicht ein und lassen ‫רבּ ַע ַל‬ ֻ ְ ‫ י‬unbearbeitet. 60 Der Name ist in der griechischen Tradition korrekt in L überliefert (entsprechend OLMg: Iesbael), alle anderen Handschriften haben Ἰεβόσθε = ‫ישׁבשׁת‬i, das im MT korrumpiert ist zu ‫ ֹישׁ ֵב בּ ַשּׁ ֶב ֶת‬und in der Chronik (1Chr 11,11) zu ‫י ָשׁ ָב ְע ָם‬i(so McCarter, II Samuel, Textual Notes zu 2Sam 23,8). 61 Aejmelaeus, Anneli, David: A Favourite of the Editors, Vortrag bei der Tagung der Society of Biblical Literature im Jahr 2013 in Baltimore (noch unveröffentlicht); Hugo, Unique Messiah; Hutzli, Retuschen. Die beiden im Folgenden gegebenen Beispiele sind entnom­ men Hugo, Unique Messiah, 334–336; 343–345. 62 τὸν χριστὸν Κυρίου > A O L (Angleichung an den MT). Im Codex Vaticanus ist V. 5–7 verlorengegangen (s. den App. bei Rahlfs). 63 Hugo weist zu Recht darauf hin, dass eine Erklärung des Unterschieds als Einfügung des Messias-Titels in der griechischen Tradition wenig wahrscheinlich ist: „[T]he deliberate insertion of the title Messiah in that context seems highly improbable. The fact that David accentuates the messianic dignity of Saul just after his own anointing can hardly be a secon­ dary phenomenon.“ (Hugo, Unique Messiah, 339).

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Die Rezensionen: Charakter und Kontext

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In diesen Zusammenhang gehört auch die Bearbeitung der Szene, in wel­ cher das Volk rückblickend die Flucht Davids vor dem Usurpator Absalom resümiert: ָ ַ ‫תּים ו ְע‬ ִ ְ ‫אי ְב ֵינוּ ו ְהוּא מ ִלּ ְטָנוּ מ ִכּ ַף פְּל ִשׁ‬ ֹ ‫ה ַמּ ֶל ֶך ְ ה ִצִּיל ָנוּ מ ִכּ ַף‬ 2Sam 19,10 ‫תּה בּ ָרַח‬

‫ מ ִן־ה ָא ָרֶץ ומ ֵע ַל א ַב ְשׁ ָלֹום‬ὁ βασιλεὺς Δαυὶδ ἐξῄρηται64 ἡμᾶς ἀπὸ πάν­ των τῶν ἐχθρῶν ἡμῶν, καὶ αὐτὸς ἐξείλατο65 ἡμᾶς ἐκ χειρὸς ἀλλοφύλων · καὶ νῦν πέφευγεν ἀπὸ τῆς γῆς καὶ ἀπὸ τῆς βασιλείας #αὐτοῦ .66 (kritischer Text)67

Für diese Stelle sind Textstücke aus 4QSama erhalten,68 die die hebräischen Vorlagen für Δαυίδ und καὶ ἀπὸ τῆς βασιλείας αὐτοῦ absichern:69 [ ‫המלך ודוי]ד[ ה]צילנו מכף‬ [ ‫]מ[ן האר]ץ[ ומ]ן ממלכתו‬i Die protomasoretischen Editoren greifen ein, um deutlich zu machen, dass David während der Usurpation Absaloms weiterhin der alleine legitime König war. Dazu tilgen sie die Nennung des Namens Davids und sprechen von ihm nur als ְ ‫ה ַמּ ֶל ֶך‬i. Inhaltlich ist die Explikation, um welchen König es geht, eigentlich sinnvoll, denn das Volk blickt zurück auf die Zeit vor der Thronbesteigung Absaloms, in der David König war. Grund der Rück­ blende ist die Abwägung des Volkes, ob David nach dem Tod des neuen Königs nun wieder regieren soll. Für die Rezensenten ist David aber König geblieben und Absalom nichts als ein illegitimer Usurpator, so dass es falsch wäre zu explizieren, wer ְ ‫ ה ַמּ ֶל ֶך‬ist. Außerdem tilgen sie ‫ומן ממלכתו‬i, damit David nicht vor seiner Königsherrschaft flieht, sondern sie weiterhin – wenn auch außerhalb Jerusalems – innehat. Stattdessen flieht David nun „vor Absalom“.

64 Mit L; die nichtlukianischen Handschriften haben die Kaige-Korrektur ἐρρύσατο (vgl. 2Sam 12,7; 14,16; 22,18.49). 65 ἐρρύσατο A L 68–122 121. 66 A O 82–93–127 64–381 554 ergänzen entsprechend dem MT ἀπὸ Ἀβεσσαλώμ. Philippe Hugo scheint diese Korrektur zum ursprünglichen Bestand des Textes zu zählen (s. Hugo, Unique Messiah, 344). 67 Mehrheitstext mit der oben Anm. 64 angegebenen Korrektur. 68 Die Überlieferung aus Qumran wird von Philippe Hugo in seiner Analyse der Stelle nicht erwähnt (vermutlich deshalb bezieht er die Auslassung des Namens Davids in seine Über­ legungen nicht ein); der Tenor seiner Interpretation wird durch diese Beobachtung weiter gestärkt: „For the MT, even during the revolt of Absalom, David did not cease to be king over Israel.“ (Hugo, Unique Messiah, 345). 69 [‫ ומ]ן‬ist Vorlage für καὶ ἀπό, nicht für das entsprechend dem MT von einigen Handschrif­ ten additiv angeschlossene ἀπὸ Ἀβεσσαλώμ (s. oben Anm. 66).

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Ertrag

Ein weiteres Beispiel prodavidischer Überarbeitung füge ich an, in dem die Rezensenten vermeiden, dass ein Schatten zukünftiger Niederlagen auf die Herrschaft Davids fällt. 2Sam 8,7 ‫קּח דּ ָו ִד א ֵת שׁ ִל ְטֵי ה ַזּ ָה ָב א ֲשׁ ֶר ה ָיוּ א ֶל ע ַב ְד ֵי ה ֲד ַד ְע ָז ֶר ו ַי ְב ִיא ֵם‬ ַ ִ ‫ו ַיּ‬ ‫י ְרוּשׁ ָל ִָם‬i(MT) ‫]וי[קח דוד א]ת שׁלטי הזהב אשׁר היו על עבדי הדדעזר ויביאם ירושׁל]י[ם‬ i‫גם] [אותם ל]קח אחר שׁושׁק מלך מצרים ב[עלותו אל יר]ושׁלים[ בימי‬i[*] [‫רחבעם בן שׁלו]מה‬i(4QSama) καὶ ἔλαβεν Δαυὶδ τοὺς χλιδῶνας τοὺς χρυσοῦς οἳ ἦσαν ἐπὶ τῶν παί­ δων τῶν Ἀδραάζαρ βασιλέως Σουβά, καὶ ἤνεγκεν αὐτὰ εἰς Ἰερουσα­ λήμ · [*] καὶ ἔλαβεν αὐτὰ Σουσακὶμ βασιλεὺς Αἰγύπτου ἐν τῷ ἀναβῆ­ ναι αὐτὸν εἰς Ἰερουσαλὴμ ἐν ἡμέραις Ῥοβοὰμ υἱοῦ Σολομῶντος.

Der Passus berichtet, wie die von David erbeuteten goldenen Köcher des tributpflichtig gemachten Aramäerkönigs Hadad-Eser nach Jerusalem ver­ bracht werden. Der auf [*] folgende, von der LXX und 4QSama, nicht aber vom MT überlieferte Text blickt voraus, was mit dieser Beute einmal geschehen wird: Während der Regentschaft des Salomo-Sohnes Rehabeam wird sie als Tributzahlung an den Pharao gehen. Den Schatten einer solchen zukünftigen militärischen Schwäche Israels wollen die protomasoretischen Rezensenten von der Regentschaft Davids fernhalten und lassen die Passage aus. Blickt man summarisch auf die Eingriffe zurück, so folgen sie Mustern, denen bestimmte theologische Interessen zugrundeliegen: 1. Es gibt rezensionelle Anpassungen an die in Jerusalem entwickelte Vor­ stellung des richtigen Kultes. Jerusalem ist das einzig legitime Heiligtum für „ganz Israel“. Die Wertigkeit der Frau im Kultus ist zurückgegangen; dies zeigt sich in der Umgestaltung des Tempels durch Herodes den Gro­ ßen (Anlage eines Frauenvorhofs). Analog wird in den Samuelbüchern die Rolle Hannas im Kult rezensionell zurückgeführt (1Sam 1–2). 2. Ein zweites Muster ist die Tilgung oder Abmilderung religionsgeschicht­ licher Erinnerungen an alte kultische Bräuche sowie die Verehrung ande­ rer Gottheiten. So wird die Bedeutung Silos heruntergespielt (1Sam 2,14), die rituelle Musterung auf einer Kulthöhe bearbeitet (1Sam 11,8), und es gibt zahlreiche Eingriffe bei Namen mit Bezug auf den Gott Baal. 3. Schließlich werden David und seine Herrschaft idealisiert und die Wider­ sacher Davids in ein schlechteres Licht gerückt. Dem getöteten Saul wird der Titel „Gesalbter“ entzogen (2Sam 2,5). Die Schilderung der Königs­ herrschaft Absaloms wird so redigiert, dass David auch während seiner Entmachtung König bleibt (2Sam 19,10). Eine vorausblickende Ankündi­ gung zukünftigen Unheils wird ausgelassen (2Sam 8,7), um keinen Schat­ ten auf die Herrschaft Davids fallen zu lassen.

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Die Rezensionen: Charakter und Kontext

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Die theologischen Schwerpunkte der Rezension haben bezeichnende Berührungen mit den Büchern der Chronik: Die in Jerusalem wurzelnde Davidstradition und der Jerusalemer Tempelkult sind zentrale Anliegen sowohl der protomasoretischen Rezensenten der Samuelbücher als auch der Autoren bzw. Kompilatoren des chronistischen Geschichtswerks.70

70 Damit ist nicht gesagt, das theologische Profil der Samuelrezension sei identisch mit dem­ jenigen „der“ (wohl über einen längeren Zeitraum literarisch gewachsenen) Chronik. In der Aufwertung Davids gegenüber älteren Quellen sowie ihrem Interesse am Jerusalemer Kult berühren sich die protomasoretische Samuel-Rezension und die Chronik aber deut­ lich (zur Chronik s. die Übersicht bei Labahn).

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Ertrag

6.3 Ausblick 6.3.1 Die Samuelbücher in der atl. Textforschung Den Samuelbüchern kommt für die Untersuchung der Literar- und Textge­ schichte des Alten Testaments eine besondere Bedeutung zu, weil die unter­ schiedlichen Texttypen der LXX, der Qumran-Rollen und des MT Einbli­ cke in die Entwicklung eines alttestamentlichen Buchs gewähren, wie sie kaum sonst auf Basis so breiter und vielfältiger Evidenz möglich ist.1 Die Erforschung der Textgeschichte und (der spätesten Zeit der) Literarge­ schichte gehen ineinander über, was insbesondere für das Verständnis des theologisch-rezensionellen Charakters des masoretischen Textes neue Per­ spektiven eröffnet. Die Untersuchung der Texttypen der Samuelbücher zeigt für die Vorlage der Septuaginta, dass sie einem dem MT vorausgehenden Stadium der Text­ entwicklung entspricht. Für viele der textlichen Weiterentwicklungen hin zum protomasoretischen Text kann gezeigt werden, welche rezensionellen Muster und Interessen ihnen zugrunde liegen. Die theologische Ausrich­ tung des masoretischen Textes gewinnt durch die Erhebung seiner letzten rezensionellen Bearbeitungen erheblich an Profil. An dieser Stelle sei betont, dass die Textentwicklung der Samuelbücher nicht simplifizierend linear gesehen werden darf, als ob aus der Vorlage der LXX oder dem Text von 4QSama auf direktem Weg der MT entstanden wäre. Es gab eine Fülle von Handschriften und eine Pluralität an Textfor­ men – das zeigen die singulären Lesarten aller drei uns erhaltenen wesentli­ chen Textzeugen. Dennoch: Im breiten Strom der Textentwicklung reprä­ sentieren LXX, 4QSama und der MT unverkennbar eine Evolution des Tex­ tes, für die m.E. kein Zweifel bestehen kann, dass die Vorlage der LXX sowie 4QSama ein gegenüber dem MT älteres Stadium überliefern. Es ist eine die Textforschung herausfordernde Aufgabe, die Literar- und Textgeschichte des Alten Testaments im Licht der Funde vom Toten Meer neu zu bedenken. Deutlich ist schon jetzt, dass die im 20. Jahrhundert oft vertretene generelle Überlegenheit des MT (im Sinne von Qualität und Alter dieses Texttyps) nicht zu halten ist, sondern durch ein sich ausdifferenzie­ rendes Bild abgelöst wird.2 Die zentrale Rolle der LXX für die Erforschung der hebräischen Textgeschichte, wie sie Wissenschaftlern des 19. Jahrhun­

1 2

S. Tov, Septuagint, 489–499. Für eine breitere Rezeption der von der Qumran- und Septuagintaforschung gewonnenen Einsichten ist es sehr zu wünschen, dass das Projekt einer kritischen hebräischen Bibelaus­ gabe, die ältere Stadien der Textentwicklung einer breiteren theologischen Öffentlichkeit zugänglich macht, in absehbarer Zeit gelingt (zum Projekt der „Oxford Hebrew Bible“, jetzt unter dem Titel „The Hebrew Bible: A Critical Edition“, s. http://ohb.berkeley.edu; Zugriff am 27.10.2015).

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Ausblick

243

derts (Otto Thenius, Julius Wellhausen u. a.) bewusst war, ist durch die Funde aus Qumran neu deutlich geworden.

6.3.2 Kaige und die Göttinger kritische Ausgabe Die Textgeschichte der griechischen Samuel- und Königebücher hat dazu geführt, dass die Übersetzung in den Kaige-Abschnitten und damit für gut 40 % des Textes3 nur in zwei rezensierten Fassungen erhalten ist, in der Kaige- und der lukianischen Rezension. Es gehört zu den Rätseln der For­ schung, wie es geschehen konnte, dass sich – von den lukianischen Hand­ schriften abgesehen – der Kaige-Texttypus in den betreffenden Abschnitten in allen Handschriften in ähnlicher Intensität durchgesetzt hat. In einem relativ frühen Stadium der Textgeschichte müssen sich zwei Kopisten abge­ wechselt haben, die einen unterschiedlichen Mustertext benutzten, ohne sich dessen bewusst zu sein.4 Die gesamte spätere Überlieferung (mit Aus­ nahme des Archetyps der lukianischen Rezension) ging durch diesen „Fla­ schenhals“ bzw. wurde dem Kaige-Text angeglichen. Dass es 1Kön 2,12 (Beginn von γγ) und 1Kön 22,1 (Beginn von γδ) zum Wechsel des Texttyps gekommen ist, mag mit einer möglichen Buchtren­ nung an diesen Stellen in Zusammenhang stehen;5 die Kopisten könnten sich abgelöst haben. Für den Wechsel des Texttyps in 2Sam 10,6 (tatsächli­ cher Beginn von βγ)6 kann man dagegen nur spekulieren, etwa dass ein Kopist erkrankte und deshalb ein spontaner Wechsel erfolgte. Die Überlieferungssituation des griechischen Textes der Samuelbücher stellt an den Editor des zweiten Samuelbandes der Göttinger kritischen Ausgabe7 komplexe textkritische Anforderungen: Er muss im KaigeAbschnitt (βγ) den ursprünglichen Text durchgehend aus zwei Rezensionen rekonstruieren. Dieser Arbeit vorausgehen müssen methodologische Über­ legungen, u. a. zu der im Kaige-Abschnitt wichtigen Frage, inwieweit eine kritische Rekonstruktion auf Konjekturen zurückgreifen soll. 3

4

5

6

7

Eine Verhältnisbestimmung über die Wortanzahl ergibt, dass 43 % (33.648 Wörter) der griechischen Samuel- und Königebücher den Kaige-Bereichen und 57 % (44.066 Wörter) den Non-Kaige-Bereichen zugehören (Auszählung mit BibleWorks für den Rahlfs-Text). S. Tov, Septuagint, 492: „The archetype of the extant manuscripts of 1–4 Reigns was com­ posed of scrolls consisting of different text types, probably because the compiler of this archetype was unable to obtain scrolls of the same type, or was unaware of their mixture.“ In den lukianischen Handschriften beginnt das erste Buch der Könige in 1Kön 2,12. Dass das zweite Königebuch in manchen Handschriften bei 1Kön 22,1 begann, ist immerhin denkbar (s. Tov, Septuagint, 492, Anm. 6). Die schöne Erklärung Thackerays, dass der Übersetzer in 2Sam 11,2 seine Arbeit einge­ stellt habe, weil er die „Schande Davids“ nicht habe übersetzen wollen (s. Thackeray, Greek Translators, 266), hat sich als nicht haltbar erwiesen, weil der Kaige-Texttypus schon in 2Sam 10 vorliegt (s. dazu den Exkurs: 2Sam 10,6 als Beginn des Kaige-Abschnitts; oben S. 199). Mit der Edition ist Tuukka Kauhanen (Helsinki) beauftragt.

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Ertrag

Nach der im 20. Jahrhundert üblichen Praxis der Textkritik sollen Kon­ jekturen die Ausnahme sein und in der Regel nur dann verwendet werden, wenn keiner der positiven Zeugen einen sinnvollen Text bietet. In meiner Arbeit habe ich dafür plädiert, diese Haltung zu überdenken. Insbesondere für die Verbalsyntax lässt sich zeigen, dass ein kritischer Text des KaigeAbschnitts der Samuelbücher, der der ursprünglichen Übersetzungsweise im Tempusgebrauch nahekommt, nur mit Hilfe von Konjekturen herzustel­ len ist. Die besondere Überlieferungssituation erfordert eine neue Reflexion der Methoden sowie der Möglichkeiten und Grenzen der Textkritik im Hinblick auf die speziellen Gegebenheiten im Kaige-Abschnitt.

6.3.3 Schluss Die Funde der Schriftrollen vom Toten Meer haben eine neue Epoche der alttestamentlichen Textforschung eingeleitet. Die in Qumran und Umge­ bung gefundenen Texte eröffnen neue Perspektiven auf die Text- und Lite­ rargeschichte des Alten Testaments. Die Fülle des auszuwertenden Materials bringt es mit sich, dass die der Forschung gestellten Aufgaben nur arbeitsteilig bewältigt werden können, im Zusammenspiel vieler Forscherinnen und Forscher. Ziel der vorliegen­ den Untersuchung war es, durch die Analyse der Übersetzungs- und Rezensionstechnik der Samuelbücher einen spezifischen Beitrag zu leisten. Die Beschreibung der philologischen Arbeit des Übersetzers stand im Mit­ telpunkt. Außerdem wurde die Arbeitsweise der Kaige- und lukianischen Rezensenten profiliert und in ihren jeweiligen historisch-theologischen Kontext eingezeichnet. Ein Blick auf die letzte Bearbeitungsstufe, den masoretischen Text, sollte verdeutlichen, welche Herausforderungen und welches Potential in der Quellensituation der Qumran-Ära für die literar­ kritische Forschung liegen und welche Bedeutung der Septuaginta dabei zukommt. Ich hoffe, dass meine Ergebnisse in ganz praktischer Weise hilfreich sind für die Arbeit an der Göttinger kritischen Ausgabe des ersten und zweiten Samuelbuchs. Darüber hinaus wollen sie Impulse geben für die weitere Dis­ kussion der Literar-, Text- und Rezensionsgeschichte der Samuelbücher, denen aufgrund der außergewöhnlich guten Quellenlage exemplarische Bedeutung für die alttestamentliche Textforschung zukommt.

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Abkürzungsverzeichnis Septuaginta-Handschriften hochgestellte Ziffern

AcI a.E. Aor. Buchst. cf. EDV f.e. fem. GA Hg. Hif. Hitp. i. e. Impf. Impf.cons. Impt. Inf. Inf.abs. iter. Jh. κτλ. LXX m.E. Ms(s). MT OL115 und OLMg Pt. Pass. Perf. Perf.cons. Pers. Pi. Pilp. Pol. Präp. Pt. Randbuchst. t.em.

s. oben S. 27 f. ‫ כּ ִי‬bedeutet das zweite ‫ כּ ִי‬eines Satzes, καί1 das erste καί etc. 2

accussativus cum infinitivo am Ende Aorist Buchstabe(n) confer elektronische Datenverarbeitung figura etymologica femininum Göttinger Ausgabe des ersten Samuelbuchs (in Vorbe­ reitung); s. Literaturverzeichnis S. 259 s.v. Aejmelaeus. Herausgeberin, Herausgeber Hifil Hitpael id est Imperfekt Imperfekt consecutivum Imperativ Infinitiv infinitivus absolutus iterativ Jahrhundert καὶ τὰ λοιπά

Septuaginta meines Erachtens Handschrift(en) masoretischer Text altlateinischer Bibeltext (s. oben S. 27 bei Anm. 7) Partizip Passiv Perfekt Perfekt consecutivum Person Piel Pilpel Polal Präposition(en) Partizip Randbuchstabe(n) textum emendatum

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Anhang A: Imperfekte des Kaige-Bereichs In der folgenden Tabelle sind alle Imperfekte verzeichnet, die ich in den Göttinger Kollationsheften für den Kaige-Bereich (ab 2Sam 10,6) aufgefunden habe. Mit OG (Old Greek) habe ich markiert, welche Lesarten ich für ursprünglich halte. In der Spalte „Varianten“ sind alle Lesarten mit Ausnahme orthographischer Details aufgeführt; Lesarten ohne textkritisches Gewicht sind eingeklammert. Wegen des Einflusses des (proto)masoretischen Textes auf die Kaige-Rezension sind in der mittleren Spalte die Verbformen des MT angegeben. Stelle und Lesart Rahlfs

Tempus MT

Varianten

2. Samuel 10,19 ἐδούλευσαν διέφθειραν 11,1

Impf.cons. Impf.cons.

ἐδούλευον L (OG) διέφθειρον CI 93–127 119

11,1 11,2 11,17 11,21

ἐκάθισεν (OG) περιεπάτει επολέμουν



Pt. Impf.cons. Impf.cons. –

11,23 12,3 12,3 12,3 12,15 12,16

ἐκραταίωσαν (OG) ἤσθιεν ἔπινεν ἐκάθευδεν ἠρρώστησεν ἐζήτησεν

Perf. Impf. Impf. Impf. Impf.cons. Impf.cons. Pi.

12,16 12,17 12,18 12,21

ηὐλίσθη οὐκ ἠθέλησεν ἐλαλήσαμεν …‫ ו‬καὶ οὐκ εἰσήκουσεν (OG) ἐνήστευες (OG)

Perf.cons. Perf. Perf. Pi. Perf. Perf.

12,21 12,21 12,22 12,22 12,31 13,2 13,2 13,8 13,9

ἔκλαιες (OG) ἠγρύπνεις (OG) ἐνήστευσα ἔκλαυσα οὕτως ἐποίησεν ἐθλίβετο ὑπέρογκον (Adjektiv) κοιμώμενος οὐκ ἠθέλησεν φαγεῖν

Impf. Impf. Perf. Perf. ‫ כן‬+ Impf. Impf.cons. Impf.cons. Pt. Impf.cons. Pi.

799 29 (OG) κατῴκει L (περιεπατησεν O) – κατεκράτουν: Imperfekt im sekundären Plus von L–108 52 130 158 318 554 (s. V. 23) κατεκράτουν L – – – ἠρρώστει L (OG) ἠξίου (‫קדשׁ‬i) Mmg L 554mg (OG) ἐκάθευδεν L (OG) οὐκ ἐβούλετο L (OG) ἐλαλοῦμεν …‫ ו‬καὶ οὐκ ἤκουε(ν) L ἐνήστευσας 119 44–107–125– 610 158 245 460 (ἐκλαύσας 460) (ἠγρύπνησας 460) ἐνήστευον L 707 (OG) ἔκλαιον L 707 (OG) οὕτως ἐποίει L (OG) – ἠδυνάτει L 554mg (OG) ἐκάθευδεν L 554mg (OG) οὐκ ἐβούλετο φαγεῖν L (OG)

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Anhang A: Imperfekte des Kaige-Bereichs Stelle und Lesart Rahlfs

Tempus MT

247

Varianten

13,14

οὐκ ἠθέλησεν …‫ ו‬ἀκοῦσαι Perf.

οὐκ ἐβούλετο …‫ ו‬ἀκοῦσαι L

13,16

οὐκ ἠθέλησεν …‫ ו‬ἀκοῦσαι Perf.

οὐκ ἐβούλετο …‫ ו‬ἀκοῦσαι L

13,18 13,19

οὕτως ἐνδιδύσκοντο καὶ ἐπορεύθη πορευο­ μένη ἠγάπα

(OG)

13,21

‫ כן‬+ Impf.

(OG) –

Impf.cons.

καὶ ἐπορεύετο πορευομένη

L 64–381 244 372 460 (OG) ‫ כי‬+ Perf. (4QSa­ (ἠγάπησεν 328 509)

ma ) Pt. Impf.cons.

ἐηίσησεν L–82 ἐβιάσατο Α Β Ο 509 244 460 (κατ- 64–381) / κατεβιάζετο

13,22 13,25

ἐμίσει (OG) ἐβιάσατο

13,25

Perf.

14,6

οὐκ ἠθέλησεν τοῦ πορ­ ευθῆναι ἐμαχέσαντο

14,26

καὶ ἐγένετο ἀπ᾽ ἀρχῆς

‫( ויהי‬t.em.)

καὶ ἐγίνετο ἀπ᾽ ἀρχῆς L–127

14,26 14,26 14,26

ὡς ἂν ἐκείρετο κατεβαρύνετο ἔστησεν

‫ אשׁר‬+ Impf.

(OG) – –

übrige (OG)

Impf.cons.

οὐκ ἐβούλετο …‫ ו‬τοῦ πορ­ ευθῆναι L 554mg (OG) διεμάχοντο L (82 ἐμάχ.)

(OG)

Pt. Perf.cons.

ἔστησεν A B 247 ( A B O L–82 CI b f 29 55 245 318 707 (Rahlfs) ἐξαποστέλλουσιν M V 82 CI a f 29 55 71 245 318 707 (ἀκούοντες 509) ἤνεγκαν L κατέκαυσαν L–19 108; κατέκλαυσαν19–108;

31,13

λαμβάνουσιν θάπτουσιν νηστεύουσιν

κατακλαίουσιν Ο ἔλαβον L 245 ἔθαψαν L 245 ἐνήστευσαν L

28,8

29,1 29,4 29,9 30,9 30,11

30,12 30,21 31,1 31,7

31,8 31,9

συναθροίζουσιν λέγουσιν λέγουσιν ἔρχονται ἔστησαν εὑρίσκουσιν λαμβάνουσιν ἄγουσιν διδόασιν διδόασιν παραγίνεται πίπτουσιν καταλείπουσιν φεύγουσιν ἔρχονται κατοικοῦσιν ἔρχονται εὑρίσκουσιν ἀποστρέφουσιν ἐξέδυσαν ἀποκόπτουσιν ἀποστέλλουσιν

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254 Stelle 2Sam 2,3 2,4 2,13 2,16 2,23

2,25 2,29 2,32 3,26 3,32 4,7

4,12

Anhang B: Praesentia historica der Samuelbücher Mss.-Mehrheit

weitere Lesarten

κατῴκουν ἔρχονται χρίουσιν συναντῶσιν πίπτουσιν τύπτει πίπτει ἀποθνῄσκει συναθροίζονται ἔρχονται αἴρουσιν θάπτουσιν ἐπιστρέφουσιν θάπτουσιν τύπτουσιν καὶ θανατοῦσιν ἀφαιροῦσιν ἀποκτέννουσιν

κατοικοῦσιν L

κολοβοῦσιν παραγίνονται λέγοντες

5,1

5,3 5,18 5,21

6,6 6,17

ἔρχονται χρίουσιν παραγίνονται καταλιμπάνουσιν ἔλαβεν εἶπε(ν)3 παραγίνονται εἰσήνεγκαν

ἀπέθηκαν

8,5 9,2 9,6

3

παραγίνεται καλοῦσιν εἶπεν παραγίνομαι

– – – ἐπιπίπτουσιν CI 121 68–122; τύπτουσιν O 530

– – – – – – – ἀποστρέφουσιν 376 121 68–122 707

– – – ([ἀνα]φέρουσιν 246 245) ἀπέκτειναν 19–127* 527 44–107–125–610; ἀπέ­ κτεινον 82–93–127c ἐκολόβοσαν L – εἶπαν A B 119–799 68–122 64 121 244 245 460 (Rahlfs); εἶπον 247 381 707c; λέγουσιν L – – παρεγένοντο L 245 (καταλείμπαν 247 509 29 55 318) ἐλάβοσαν B M a–527 b 68–122 (Rahlfs); ἔλαβον 44 64 55 244 318 342 372 460 554; λαμβάνουσιν L λέγει L 318 554 – φέρουσιν A B O a–527 b 64–381 55 244 460 707 (Rahlfs; OG); εἰσφέρουσιν L f; εἰσήγαγον 527 44–107–125–610 ἀνέθηκαν A B O 121 f 55 244 460 707 (Rahlfs); τιθέασιν L – – λέγει L παρεγένετο L

Den Passus καὶ εἴπε(ν) Κατακαῦσαι αὐτούς ἐν πυρί haben M L C’ f 64–314–381–488 71 158 244 245 554 707.

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Anhang B: Praesentia historica der Samuelbücher

255

Kaige-Bereich Wegen des Einflusses der Verbformen des (proto)masoretischen Textes auf die Rezensionsarbeit von Kaige sind zusätzlich die Tempora desjenigen Verbs im MT angegeben, das dem griechischen Wort gegenübersteht (% = Passus fehlt im MT). nichtlukianisch

MT

varia lectiones

ἀπέστειλαν ἐμισθώσαντο ἔφυγoν

Impf.cons. Impf.cons. Impf.cons.

εἰσῆλθoν

Impf.cons.

συνήγαγεν διέβη

Impf.cons. Impf.cons.

ἀποστέλλουσιν L μισθοῦνται L ἔφυγαν A B 55* 64 (Rahlfs); φεύγουσιν L εἰσῆλθαν A B b 64 (Rahlfs); εἰσ­ πορεύονται L συνάγει L διαβαίνει M V L CI f 29 71 158

παρεγένοντο παρετάξατο ἐπολέμησαν ἐκοιμήθη παραγίνεται ἐκοιμήθη ἔγραψεν ἀπέστειλεν ἔτεκεν ἐκοιμήθη ἐκοιμήθη ἐκοιμήθη ἐκάλεσεν εἶπεν γίνεται τίκτει παραγίνονται

Impf.cons. Impf.cons. Impf.cons. Impf.cons. Impf.cons. Impf.cons. Impf.cons. Impf.cons. Impf.cons. Impf.cons. Impf.cons. Impf.cons. Impf.cons. Impf.cons. % % %

εἶπαν

% (4QSamc)

15,13 15,37

παρεγένετο εἰσῆλθεν

Impf.cons. Impf.cons.

16,5 17,17 17,18 17,20

ἦλθεν πορεύονται ἀναγγέλλουσιν κατέβησαν ἀνέστρεψαν

Perf. Impf. Perf. Impf.cons. Impf.cons.

17,21 17,23

λέγουσιν ἐτάφη

Impf.cons. Impf.cons.

10,6 10,14

10,17

11,4 11,7 11,9 11,14 11,27 12,24 13,6 13,14 13,17 14,27 14,30

318 342 372 ἔρχεται L (παραγίνεται 488) παρατάσσεται L πολέμουσι(ν) L κοιμᾶται L – κοιμᾶται L γράφει L ἀποστέλλει L τίκτει L κοιμᾶται L κοιμᾶται L (κοιμᾶται 372) καλεῖ L λέγει L – – παρεγένοντο CII s–64 381 488 120– 134 554 λέγουσιν L; εἴπον CI–731 46–52 381–489 372 παραγίνεται L εἰσπορεύεται L–82; εἰσπορεύετε 82 παραγίνεται L ἀνήγγειλεν L ἐπορεύοντο L καταβαίνουσιν L ἀναστρέφουσιν L 554mg (ἀν­ έστρεψεν A) εἶπαν A B O a 509 55 (Rahlfs) θάπτεται L

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256

18,7

19,16 19,18 20,14 20,22 23,13 24,6 24,7

24,8

Anhang B: Praesentia historica der Samuelbücher nichtlukianisch

MT

varia lectiones

ἔπταισεν

Impf.cons.

πταίουσιν L; ἔπεσεν O 98 46–

– ἦλθεν κατεύθυναν ἦλθον ἀφαιροῦσι(ν) ῥίπτουσιν κατέβησαν ἦλθον παρεγένοντο ἦλθον

% Impf.cons. Perf. Impf.cons. Impf.cons. Impf.cons. Impf.cons. Impf.cons. Impf.cons. Impf.cons.

πορεύονται

Impf.cons.

παρεγένοντο

Impf.cons.

52–328 799 44 246 55 158 460c; ἔπτεσεν 509 106 71 707*; πτεου­ σιν 82 πίπτουσιν L 554 ἔρχεται L ἀποστέλλουσιν L–127 554mg παραγίνονται L ἀφεῖλεν A B 247 55 (Rahlfs) ἔβαλεν A B 509 55 (Rahlfs) καταβαίνουσι(ν) L ἔρχονται L ἔρχονται L ἔρχονται L; ἦλθαν B V 243–731 a 56 29 55 71 244 318 (Rahlfs) ἦλθον 247 509 381 55 460; ἦλθαν A B 64 318 (Rahlfs); ἐκπο­ ρεύοντα L παραγίνονται L

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Anhang C: Hebräische Wurzeln der praesentia historica Die folgende Tabelle listet für den Non-Kaige-Abschnitt alphabetisch diejenigen hebräischen Verben auf, die mit praesens historicum übersetzt wurden. Spalte Anz.: Anzahl der Übersetzungen des betreffenden Verbs mit praesens historicum. Verb

Anz. Belege

Äquivalent(e)

‫אלה‬i ‫אמר‬i

1 10

ἀράομαι λέγω

‫אסף‬i ‫בוא‬i

6 33

‫בחר‬i ‫בקע‬i ‫גור‬i ‫דבק‬i ‫דבר‬i ‫היה‬i ‫הלך‬i ‫הרג‬i ‫חנה‬i ‫חרשׁ‬i ‫חתן‬i ‫יצא‬i

1 1 1 2 2 5 2 1 8 1 1 2

1Sam 14,24 1Sam 5,8 bis; 6,4; 9,11 f; 11,3; 14,11 f; 19,14; 29,4 1Sam 5,8.11; 13,5; 17,1 bis; 17,2 1Sam 7,1 bis; 8,4; 10,10.13; 11,4.11; 14,20; 19,16.18.22; 20,1; 21,2; 25,9; 26,1.5.7; 28,4.8; 30,9.21; 31,7.8.12; 2Sam 2,4.29; 5,1.3.18; 6,6.17; 8,5; 9,6 1Sam 13,2 1Sam 6,14 1Sam 18,15 1Sam 14,22; 31,2 1Sam 11,4; 25,9 1Sam 5,9; 14,1; 20,24; 25,37.42 1Sam 23,26; 28,8 1Sam 4,12 1Sam 4,1 bis; 11,1; 13,5; 17,1.2; 28,4 bis 1Sam 23,9 1Sam 18,27 1Sam 20,11; 23,15

‫ירד‬i

2

1Sam 19,12; 22,1

‫ישׁב‬i ‫כבד‬i ‫לכד‬i ‫לקח‬i ‫מות‬i

2 1 5 3 2

1Sam 20,24; 31,7 1Sam 31,3 1Sam 10,20.21 bis; 14,41 f 1Sam 10,23; 30,11; 31,13 2Sam 2,23; 4,7

συνάγω

divers

ἐκλέγω σχίζω εὐλαβέομαι συνάπτω λαλέω γίνομαι; παραπορεύομαι ἀποκτείνω παρεμβάλλω παρασιωπάω ἐπιγαμβρεύω ἐκπορεύομαι; ἐξέρχομαι κατάγω (Hifil); καταβαίνω

(Qal) ἔρχομαι; κατοικέω βαρύνω κληρόω; καταλαμβάνω ἀποθνῇσκω

(Qal); ‫מלט‬i ‫מצא‬i ‫משׁח‬i ‫נבא‬i ‫נגד‬i ‫נגף‬i

2 4 2 1 3 1

1Sam 19,12; 22,20 1Sam 9,11; 30,11; 31,5.8 2Sam 2,4; 5,3 1Sam 19,20 1Sam 11,9; 18,29; 19,18 1Sam 4,10

θανατόω (Hifil) σῴζω; διασῴζω εὑρίσκω χρίω προφητεύω ἀπαγγέλλω πταίω

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258

Anhang C: Hebräische Wurzeln der praesentia historica

Verb

Anz. Belege

Äquivalent(e)

‫נוס‬i ‫נכה‬i ‫נפל‬i ‫נשׂא‬i ‫נתן‬i ‫סור‬i ‫ספד‬i ‫ספר‬i ‫סתר‬i ‫עזב‬i

1 3 3 2 3 2 1 1 1 2

1Sam 31,7 1Sam 31,2; 2Sam 2,23; 4,7 1Sam 31,3; 2Sam 2,16.23 1Sam 4,4; 2Sam 2,32 1Sam 18,27; 30,11.12 1Sam 17,39; 2Sam 4,7 1Sam 25,1 1Sam 11,5 1Sam 20,24 1Sam 31,7; 2Sam 5,21

‫עלה‬i ‫עמד‬i ‫ענה‬i ‫ערך‬i ‫פגשׁ‬i ‫פקד‬i

4 2 1 2 1 3

1Sam 2,6; 7,1; 9,14; 13,5 1Sam 17,3 bis 1Sam 22,9 1Sam 4,2; 17,2 2Sam 2,13 1Sam 11,8; 15,4; 3,8

‫צום‬i ‫קבץ‬i ‫קבר‬i ‫קום‬i ‫קצץ‬i ‫קרא‬i ‫קרב‬i ‫שׂרף‬i ‫שׁאב‬i ‫שׁכב‬i ‫שׁכם‬i ‫שׁלח‬i ‫שׁמע‬i ‫שׁפך‬i ‫תקע‬i

1 7 5 1 1 2 1 1 1 1 1 6 4 1 1

1Sam 31,13 1Sam 8,4; 25,1; 28,1.4 bis; 29,1; 2Sam 2,25 1Sam 25,1; 28,3; 31,13; 2Sam 2,32; 3,32 1Sam 17,52 2Sam 4,12 1Sam 6,2; 2Sam 9,2 1Sam 10,21 1Sam 31,12 1Sam 7,6 1Sam 3,15 1Sam 1,19 1Sam 5,8.10 f; 6,21; 19,15; 31,9 1Sam 7,7; 13,3; 22,1; 31,11 1Sam 1,15 1Sam 13,3

φεύγω τύπτω πίπτω αἴρω δίδωμι ἀφαιρέω κόπτω διηγέομαι κρύπτω καταλείπω; καταλιμ­ πάνω ἀνάγω; ἀναβαίνω ἵστημι ἀποκρίνομαι παρατάσσω συναντάω ἐπισκέπτομαι; ἐπιζη­ τέω νηστεύω συναθροίζω θάπτω ἀνίστημι κολοβόω καλέω προσάγω κατακαίω ὑδρεύω κοιμάομαι ὀρθρίζω ἀποστέλλω; ἐξἀκούω ἐκχέω σαλπίζω

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Literatur Quellen, Hilfsmittel, Kommentare Aejmelaeus, Anneli (Hg.), Septuaginta Vetus Testamentum Graecum Auctoritate Academiae Scientiarum Gottingensis editum (vorläufiger Text des ersten Samuel­ bandes; die Edition ist in Vorbereitung; zitiert GA). Barthélemy, Dominique/Milik, Józef Tadeusz (Hg.), Qumran Cave I, DJD I, Oxford 1955. Bauer, Walter/Aland, Kurt und Barbara, Griechisch-deutsches Wörterbuch zu den Schriften des Neuen Testaments und der frühchristlichen Literatur, Berlin/New York 61988. Beyer, Klaus, Semitische Syntax im Neuen Testament. Band 1: Satzlehre Teil 1, Göt­ tingen 21968. Bible Works 8.0. Software for Biblical Exegesis and Research, Norfolk (Virginia), 2008. Blass, Friedrich/Debrunner, Albert, Grammatik des neutestamentlichen Griechisch. Bearbeitet von Friedrich Rehkopf, Göttingen 182001. Brockelmann, Carl, Hebräische Syntax, Neukirchen 1956. Brooke, Alan E./McLean, Norman/Thackeray, Henry St. John (Hg.), The Old Tes­ tament in Greek. Volume 2: The Later Historical Books, Cambridge 1935. Brugmann, Karl, Griechische Grammatik, München 31900. Bußmann, Hadumod, Lexikon der Sprachwissenschaft, Stuttgart 42008. Cross, Frank Moore/Parry, Donald W./Saley, Richard J./Ulrich, Eugene (Hg.), Qumran Cave 4 / XII. 1–2 Samuel, DJD XVII, Oxford 2005. Dietrich, Walter, 1. Samuel 1–12, BK VIII/1, Teilband 1, Neukirchen-Vluyn 2010. Driver, Samuel R., Notes on the Hebrew Text and the Topography of the Books of Samuel, Oxford 1913. Elliger, Kurt/Rudolph, Wilhelm (Hg.), Biblia Hebraica Stuttgartensia, Stuttgart 4 1990. Fernández Marcos, Natalio/Busto Saiz, José Ramón (Hg.), El Texto Antioqueno de la Biblia Griega, Band 1: 1–2 Samuel, Madrid 1989. Field, Frederick (Hg.), Origenis Hexaplorum quae supersunt sive Veterum Interpre­ tum Graecorum in totum Vetus Testamentum. Fragmenta, Bd. 1, Oxford 1875. Fischer, Bonifatius (Hg.), Palimpsestus Vindobonensis, in: ders., Beiträge zur Geschichte der lateinischen Bibeltexte, VL 12, Freiburg 1986, 309–381. Fraenkel, Detlef (Hg.), Alfred Rahlfs, Verzeichnis der griechischen Handschriften des Alten Testaments. Die Überlieferung bis zum VIII. Jahrhundert. Bearbeitet von Detlef Fraenkel, Göttingen 2004. Gesenius, Wilhelm, Hebräische Grammatik. Vollständig umgearbeitet von Emil Kautzsch, Leipzig 281909. –, Hebräisches und aramäisches Handwörterbuch über das Alte Testament, bearbei­ tet und hg. von Herbert Donner, 18. Auflage, Heidelberg/Dordrecht/London/ New York 2013.

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260

Literatur

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Bibelstellenindex Genesis 3,8 9,24

32 32

Exodus 20,5

175 (Anm.)

Leviticus 26,12

32

Numeri 25,4

33

Deuteronomium 5,9 23,15

175 (Anm.) 32

1. Samuel 1,1 1,3 1,9 1,10 1,11 1,12 1,13 1,17 1,23 2,2 2,1214 2,13 2,14 2,14.16 2,15 2,16 2,17 2,18 2,20 2,21 2,25 2,27 2,28 2,30 2,36

33, 72 68 f, 154 (Anm.) 157, 235 115 235 f 45 (Anm.), 124 158, 235 70 235 44 (Anm.) 152 103 f 21 (Anm.), 236 167 50 (Anm.) 156 (Anm.) 40 36 67, 121 18 (Anm.), 44 (Anm.) 77, 81, 139 (Anm.) 115, 135 36 51, 114 (Anm.) 67 (Anm.), 121

3,11 3,13 3,15 3,20 4,3 4,4 4,5 4,7 4,14 4,15 4,22 5,7 5,9 5,10 5,11 6,3 6,4 6,12 7,1 7,4 7,6 7,7 8,3 8,8 8,12 8,19 9,5 9,6 9,9 9,11 9,1214 9,12 9,13 9,14 9,19 9,20 9,25 9,26 10,2 10,5 10,7 10,9 10,13 10,13 f

143 f 48 (Anm.) 197 48 193 176, 202 81, 101 44 (Anm.) 73 159 89 (Anm.) 197 195 99 204 27 (Anm.), 51 197 30, 117, 194, 203 193 174 34, 158, 194, 203 195 f 155, 167, 193 68, 174 f 30 51, 161 72, 129, 141 21 (Anm.), 117 71, 92, 156 140, 196 36, 220 (Anm.) 204 99, 103 193 36 40 36, 220 (Anm.) 101 93 f 36, 101, 220 (Anm.) 47 102 124 204

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268 10,16 10,21 10,24 11,2 11,3 11,5 11,6 11,8 11,9 11,11 12,5 12,6 12,10 12,11 12,12 12,14 f 12,17 12,24 12,25 13,4 13,10 13,11 13,13 13,14.16.25 14,1 14,3 14,4 14,6 14,11 14,18 14,19 14,24 14,27 14,29 14,29 f 14,29 14,32 14,33 14,34 14,41 f 14,44 14,47 14,52 15,2 15,3 15,6 15,8 15,9 15,12 15,22

Bibelstellenindex 74 202 41 95 80 50 103 192, 220 (Anm.), 236 103 (Anm.), 135 83, 167 f 57 78 f 69, 168 238 (Anm.) 48 78 122, 180 155 114 (Anm.) 120, 121 (Anm.) 101, 211 (Anm.) 49 43 180 197 36 161 71 205 36 83, 162 194 90 27 (Anm.), 48 (Anm.) 58 180 30, 168 34, 120 159 (Anm.) 195 55, 118 155 34, 128 134 30 f 89 30 f 161 120 105, 139 (Anm.)

15,29 15,29 LXX 16,6 16,7 17,1 17,2 17,3 f 17,7 17,9 17,34 f 17,35 17,39 17,45 17,46 17,48 17,51 f 17,52 17,53 18,15 18,25 18,26 19,3 19,4 19,10 19,11 19,13 19,14–16 19,14 19,16 19,19 19,20 19,21 19,23 19,24 20,1 20,2 20,3 20,5 20,7 20,8 20,9 20,12 20,13 20,19 f 20,20 20,28 20,29 20,31 21,3 21,6 22,4 f 22,4

75 33 91 33 190 f 83 191 30 78, 82 153 f 169 124, 171 f 69 27 (Anm.) 45 (Anm.) 191 172 124 f 197 54 192 68 44, 78 152 (Anm.), 161 68, 119 221 201 f 205 221 120 129 73 114 (Anm.) 156 204 139 (Anm.) 72, 116 115 f 114 (Anm.) 79 59 57 54 (Anm.) 226 125 114 (Anm.) 27 (Anm.) 127 77 f 139 (Anm.) 30 160

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269

Bibelstellenindex 22,5 22,8 22,9 22,13 22,18 23,1 23,3 23,6 23,7 23,8 23,9 23,13 23,16 f 23,20 23,22 23,26 24,2 24,12 24,17 24,18 24,20 25,2 25,7 25,14 25,15 25,20 25,26 25,29 25,30 25,34 25,35 25,37 25,39 25,42 26,3 26,10 26,12 26,22 27,1 27,8 27,11 28,3 28,8 f 28,13 28,20 28,23 29,6 29,8 30,1 30,7 30,10 30,15

172 92, 159 125 95 36 120 58 36 122 205 36 155, 172 f 180 139 (Anm.) 114 (Anm.) 169 120 30, 44, 89 (Anm.) 124 73 79 f, 125 91 75 30 75 141 55 (Anm.) 123 47 (Anm.) 72, 94 173 32, 82 48 (Anm.) 169, 196 172 53 44 (Anm.) 70 114 (Anm.) 42 170 f 196 154 53, 125 43 162 56 49, 73 135 36 74 77

31,4 31,7 31,9

161 77, 191 123

2. Samuel 1,1 1,2 1,9 1,15 1,19 1,25 2,1 2,3 f 2,4 2,5.8 2,10 2,12 2,13 2,15 2,16 f 2,23 2,27 2,29 3,1 3,8.11 3,13 3,14 f 3,17 3,22 3,24 3,33 f 3,35 4,1 4,2 4,2 4,4 f 4,5 4,7 f 4,11 4,12 5,2 5,3 5,4 5,6 5,10 5,18 5,24 6,2 6,9 6,10 6,12

125 89 42 126 f 220 (Anm.) 220 (Anm.) 119 170 195, 205 238 94, 238 238 190 238 190 161 56 159, 173 161 f 238 52, 134 238 161, 173 174 114 (Anm.) 106 55 (Anm.) 238 40 156 238 135 238 58 (Anm.) 234, 238 135 195 94 (Anm.) 51 (Anm.) 117, 161 211 (Anm.) 92 125 67 (Anm.), 121 158, 161 120

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270 6,13 6,16 6,18 6,20 7,1 7,6 7,11 f 7,14 7,18 7,23 7,25 f 8,2 8,4 8,6 8,7 8,12 8,13 8,14 9,2 9,6 9,7 9,8 9,10–13 10,3.5 10,6 10,8 10,14 10,17 10,19 11,1 11,2 11,5 11,7 11,17 11,19 f 11,21 f 12,15 f 12,16 12,18 12,21 f 12,28 13,2 13,8 f 13,10 13,17 13,19 13,21 13,22 13,28 13,30 13,32 13,33

Bibelstellenindex 45 (Anm.) 45 (Anm.), 140 124 99, 105 46 32 47 89 (Anm.) 49 33 82 122 f 158 170 240 27 (Anm.) 92, 125 (Anm.) 170 192 211 (Anm.), 238 115 50 238 200 199201, 207 f, 243 200, 212 (Anm.) 199 f 199 200 183 125, 181, 199 127 209 181 104 238 179 126 (Anm.), 128 139, 183 138 f 126 (Anm.), 128 181 180 27 (Anm.) 208 179 (Anm.) 182 184 103 121, 200 (Anm.) 53 200 (Anm.)

13,36 14,4 14,9 14,17 14,27 15,5 15,6 15,9 15,10 15,18 15,23 15,26 15,30 15,32 16,1 16,2 16,4 16,7 16,10 16,11 16,13 16,18 17,1 17,3 17,9 17,11 17,16 17,17 17,19 17,20 17,23 17,27 18,2 18,3 18,4 18,5 18,10 18,14 18,20 18,21 18,26 18,31 19,3 19,4 19,5 19,7 19,8 19,9 19,10 19,18 19,20

102, 124 212 f 32 (Anm.) 183 (Anm.) 209 182 179, 181 127 104 200 (Anm.) 184 f 180 117, 183 36, 141 f, 220 (Anm.) 36, 220 (Anm.), 238 231 (Anm.) 129, 238 182 44 (Anm.) 58 114 (Anm.) 53 190 106 102 44 (Anm.) 126 (Anm.) 183, 210 30 178 f 208 101 116 114 (Anm.) 182 89 (Anm.) 125 138 59 f 127 125 225 (Anm.) 120, 121 (Anm.) 91 (Anm.), 181 179 42 57, 126 120 239 209 32 (Anm.), 184

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271

Bibelstellenindex 19,25 f 19,29 19,31 20,3 20,11 20,15 20,17 20,18 20,22 21,2 21,6 21,7 f 21,12 22,24 22,32 22,34 23,4 f 23,8 23,10 24,3 24,10 24,24 25,23

238 53, 179 (Anm.) 238 183 180 184 212 (Anm.) 120 200 (Anm.) 53 32 f 238 142 f 32 (Anm.) 225 (Anm.) 220 (Anm.) 43 238 59 180 f 32 (Anm.) 53 126 (Anm.)

12,24 LXX (14,5 MT) 14,5 MT (12,24 LXX) 16,11 18,34 22,1 22,32 22,36

108, 135 (Anm.) 108, 135 (Anm.) 94 (Anm.) 226 243 179 (Anm.) 108 (Anm.), 135 (Anm.)

2. Könige 3,20 7,9 18,12 21,12

108, 135 (Anm.) 32 (Anm.) 183 (Anm.) 143

1. Chronik 19,9.17

212 (Anm.)

Psalm 89,5 LXX (90,5 MT)

43 (Anm.)

Jeremia 19,3

143

1. Könige 2,12

243

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