Die Selbsterschließung des dreieinigen Gottes: Grundlage eines ökumenischen Offenbarungs-, Gottes- und Kirchenverständnisses 9783666563386, 3525563388, 9783525563380

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Die Selbsterschließung des dreieinigen Gottes: Grundlage eines ökumenischen Offenbarungs-, Gottes- und Kirchenverständnisses
 9783666563386, 3525563388, 9783525563380

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Forschungen zur systematischen und ×kumenischen Theologie Herausgegeben von Christine Axt-Piscalar und Gunther Wenz

Band 110

Vandenhoeck & Ruprecht

Matthias Haudel

Die Selbsterschließung des dreieinigen Gottes Grundlage eines ×kumenischen Offenbarungs-, Gottes- und KirchenverstÅndnisses

Vandenhoeck & Ruprecht

Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet Ûber abrufbar. ISBN 3-525-56338-8

’ 2006, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, G×ttingen / www.v-r.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschÛtzt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen FÅllen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Hinweis zu § 52a UrhG: Weder das Werk noch seine Teile dÛrfen ohne vorherige schriftliche Einwilligung des Verlages ×ffentlich zugÅnglich gemacht werden. Dies gilt auch bei einer entsprechenden Nutzung fÛr Lehr- und Unterrichtszwecke. Printed in Germany. Gesamtherstellung: Hubert & Co., G×ttingen Gedruckt auf alterungsbestÅndigem Papier.

Inhalt

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

9

Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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I.

Kapitel: Die TrinitÅtslehre als Herausforderung fÛr Kirche und °kumene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

28

1. Das VerhÅltnis von TrinitÅtslehre und Theologie als hermeneutische Herausforderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

28

2. Das VerhÅltnis von TrinitÅtslehre und Ekklesiologie als ×kumenische Herausforderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

50

3. Die trinitÅtstheologischen und ekklesiologischen Konsequenzen der verschiedenen Denkweisen in Ost- und Westkirche . . .

67

4. Notwendige trinitÅtstheologische und ekklesiologische sowie offenbarungstheologische Fortschritte und ihre Basis . . . . . . . .

76

II. Kapitel: Die biblisch-×konomisch ausgerichtete TrinitÅtslehre der Alten Kirche als Grundlage neuer ×kumenischer VerhÅltnisbestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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1. Die heils×konomisch orientierte altkirchliche TrinitÅtslehre als schriftgemÅße Darlegung der Selbsterschließung Gottes und als Grundlage eines biblisch-×konomischen Ansatzes . . . . . . . . .

82

2. Die Abwehr trinitarischer und ekklesiologischer Einseitigkeiten durch die biblisch-×konomische TrinitÅtslehre der Alten Kirche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

98

3. Die aus der neunizÅnischen Vollendung der biblisch-×konomischen TrinitÅtslehre abzuleitenden neuen Differenzierungen und VerhÅltnisbestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 4. Die neunizÅnische TrinitÅtslehre und ihre verbindliche °kumenizitÅt (Konstantinopel 381) als trinitÅtstheologischer, hermeneutischer und ekklesiologischer Rahmen fÛr die °kumene . . . 139

6

Inhalt

III. Kapitel: Die kontroverse Weiterentwicklung der TrinitÅtslehre mit ihren ekklesiologischen Implikationen als Anlaß trinitÅtstheologischer Besinnung im 19. und 20. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 1. Die scholastische Entwicklung im Westen und die photinianisch-palamitische Entwicklung im Osten als einseitige Weiterentwicklungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 2. Luthers RÛckgriff auf die biblisch-×konomische TrinitÅtslehre der Alten Kirche in seiner reformatorischen und ×kumenischen Relevanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 3. Die Infragestellung theistischer Spekulationen durch die AufklÅrung und die ekklesiologisch relevante trinitÅtstheologische Besinnung im 19. und 20. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 3.1 Die Entwicklung vom Theismus zum Atheismus als Anlaß der trinitÅtstheologischen Besinnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Die Besinnung auf die TrinitÅtslehre im Protestantismus und ihre ekklesiologischen Implikationen . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Die heils×konomisch-trinitarische Besinnung in Anglikanismus und Orthodoxie mit ihren ekklesiologischen Implikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4 Die Besinnung auf die TrinitÅtslehre im Katholizismus und ihre ekklesiologischen Implikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

193 203

216 221

IV. Kapitel: Zeitgen×ssische katholische, protestantische und orthodoxe Versuche einer heils×konomisch orientierten NeubegrÛndung der TrinitÅtslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 1. Die westlich geprÅgten AnsÅtze Karl Rahners und Eberhard JÛngels mit ihrer Betonung der intrapersonalen Dimension Gottes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 1.1 Karl Rahner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 1.1.1 Fortschritte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 1.1.2 Defizite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 1.2 Eberhard JÛngel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 1.2.1 Fortschritte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 1.2.2 Defizite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 2. JÛrgen Moltmanns Vermittlungsversuch zwischen westlicher und ×stlicher Theologie als interpersonal geprÅgte TrinitÅtslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 2.1 Fortschritte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 2.2 Defizite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288

Inhalt

7

3. Dumitru Staniloaes Versuch der heils×konomischen Erneuerung ostkirchlicher TrinitÅtslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 3.1 Fortschritte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 3.2 Defizite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314 4. Die Gefahren eines defizitÅren biblisch-×konomischen Ansatzes der TrinitÅtslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325 V. Kapitel: Die ekklesiologischen Konsequenzen der trinitÅtstheologischen Defizite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336 1. Die Gefahr einer intrapersonal-relational geprÅgten christozentrischen Ekklesiologie (J. Ratzinger/r×misch-katholisch) . . . . . 336 1.1 TrinitÅtstheologische PrÅmissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337 1.2 Ekklesiologische Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344 2. Die Gefahr einer patromonistisch und pneumatozentrisch beeinflußten Ekklesiologie (I. D. Zizioulas/orthodox) . . . . . . . . 366 2.1 TrinitÅtstheologische PrÅmissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 367 2.2 Ekklesiologische Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 387 3. Die Gefahr einer interpersonal-polyzentrisch gefÅrbten Ekklesiologie (M. Volf/protestantisch) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 410 3.1 TrinitÅtstheologische PrÅmissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 412 3.2 Ekklesiologische Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 421 4. Die Interdependenz offenbarungstheologischer, trinitarischer und ekklesiologischer Defizite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 431 VI. Kapitel: L×sungsansÅtze fÛr ein ×kumenisches Offenbarungs-, Gottes- und KirchenverstÅndnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 453 1. Die ºberwindung der Defizite durch die aus der altkirchlichen TrinitÅtslehre abgeleiteten neuen Differenzierungen und VerhÅltnisbestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 453 1.1 Das VerhÅltnis von Ahnung und Offenbarung und der biblisch-×konomische Ansatz als Basis einer angemessenen Zuordnung von ×konomischer und immanenter TrinitÅt . . . 454 1.2 Die Unterscheidung von ×konomischer und spekulativer Energienlehre in ihrer Bedeutung fÛr die Konvergenz ×stlicher und westlicher Konzeptionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 508 1.3 Das VerhÅltnis von innertrinitarischer Ursprungs- und Existenzebene als Grundlage einer differenzierten trinitarischen Perichorese (L×sungsansatz fÛr das Filioque-Problem) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 522

8

Inhalt

1.4 Die Gleichzeitigkeit von „GegenÛber und NÅhe“ sowie von intra- und interpersonaler Dimension Gottes als Basis einer ausgewogenen Ekklesiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 565 2. Ausblick: Die Bedeutung der Ergebnisse fÛr ein ×kumenisches VerstÅndnis von Ekklesiologie, Mission, Weltverantwortung und interreligi×sem Dialog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 585 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 606 Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 637

Vorwort Das Motiv fÛr den Versuch, erstmals den Zusammenhang von TrinitÅtslehre, OffenbarungsverstÅndnis und KirchenverstÅndnis im Blick auf die gesamte Kirchengeschichte und alle großen Konfessionen zu untersuchen, liegt in der theologiegeschichtlichen Entwicklung und ihren aktuellen Herausforderungen begrÛndet. Schon seit langem vermuten Theologen aller großen Konfessionen, daß grundsÅtzliche Unterschiede im KirchenverstÅndnis durch unterschiedliche trinitÅtstheologische PrioritÅtensetzungen verursacht sein k×nnten, ohne jedoch einen Nachweis dafÛr zu haben. Dieser Umstand wurde zu einem virulenten Problem, als die Kirchen sowie der bilaterale und multilaterale ×kumenische Dialog die Ekklesiologie zunehmend vom neutestamentlichen Gemeinschaftsbegriff ableiteten (Koinonia, Communio), der christliche Gemeinschaft in der Beziehung zu Vater, Sohn und Heiligem Geist verankert. Deshalb bedurfte es einer Untersuchung, die nachzuweisen vermag, ob ein maßgeblicher Zusammenhang zwischen trinitÅtstheologischen und ekklesiologischen PrioritÅten besteht, wo gegebenenfalls entsprechende konfessionelle Unterschiede existieren und wie diese zu Ûberwinden sind. Eine solche Untersuchung kann aufgrund des Zusammenhangs von GottesverhÅltnis und GottesverstÅndnis nur gelingen, wenn sie auch das VerhÅltnis von Offenbarungs- und TrinitÅtsverstÅndnis berÛcksichtigt. Vor diesem Hintergrund wird in der vorliegenden Studie nachgewiesen, daß tatsÅchlich ZusammenhÅnge zwischen Offenbarungs-, TrinitÅts- und KirchenverstÅndnis sowie daraus resultierende Divergenzen bestehen und wie sich trinitÅtstheologische Einseitigkeiten bzw. Defizite in entsprechenden ekklesiologischen Bestimmungen widerspiegeln. Deshalb leitet die Studie aus der – in ost-westkirchlicher °kumene entstandenen – gemeinsamen altkirchlichen Grundlage, der neunizÅnischen Theologie, neue Differenzierungen und VerhÅltnisbestimmungen ab, die allen Konfessionen einen Rahmen fÛr offenbarungs- und trinitÅtstheologische AnnÅherungen er×ffnen – als Basis entsprechender ekklesiologischer AnnÅherungen. Es wird versucht, die Grenzen und Mindestanforderungen einer TrinitÅtslehre zu entwickeln, die trinitÅtstheologische Einseitigkeiten zu Ûberwinden vermag und geeignet ist, als Grundlage eines ×kumenischen KirchenverstÅndnisses zu dienen. Gleichzeitig werden die Implikationen der Ergebnisse fÛr das EinheitsverstÅndnis, das MissionsverstÅndnis, die kirchliche Weltverantwortung und den interreligi×sen Dialog transparent. Die in der Studie enthaltene Analyse der Theologie Joseph Kardinal Rat-

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Vorwort

zingers erlangte wÅhrend der Drucklegung eine noch bedeutendere Relevanz, da in dieser Zeit die Wahl Ratzingers zum Papst (Benedikt XVI.) erfolgte. Im Wintersemester 2003/2004 ist die vorliegende Studie von der Evangelisch-Theologischen FakultÅt der WestfÅlischen Wilhelms-UniversitÅt MÛnster als Habilitationsschrift fÛr das Fach Systematische Theologie angenommen worden. Sie wurde fÛr den Druck geringfÛgig Ûberarbeitet. Mein besonderer Dank gilt der Direktorin des Seminars fÛr Systematische Theologie und des Instituts fÛr °kumenische Theologie, Frau Prof. Dr. Friederike NÛssel, die das Erstgutachten Ûbernommen hat, sowie ihrem VorgÅnger, Herrn Prof. Dr. Eckhard Lessing, der den Beginn der Studie aufmerksam begleitete. In den herzlichen Dank eingeschlossen ist der Direktor des Seminars fÛr Reformierte Theologie, Herr Prof. Dr. Dr. h.c. Michael Beintker, der das Korreferat Ûbernahm. Den Herausgebern der „Forschungen zur systematischen und ×kumenischen Theologie“, Frau Prof. Dr. Christine Axt-Piscalar und Herrn Prof. Dr. Gunther Wenz, danke ich fÛr die Aufnahme in ihre Reihe, und dem Verlag Vandenhoeck & Ruprecht fÛr die Betreuung bei der Drucklegung. Ferner danke ich der Evangelischen Kirche von Westfalen und der Union Evangelischer Kirchen (UEK) in der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) sowie dem Deutschen °kumenischen Studienausschuß (D°STA) der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland (°kumenischer Forschungsfonds) fÛr großzÛgige DruckkostenzuschÛsse. Besonderer Dank gilt auch der Katholisch-Theologischen FakultÅt der UniversitÅt Regensburg, die erstmals einem Theologen ihren Theologie- und °kumenepreis zum zweiten Mal verlieh. Nachdem sie mir diesen Preis 1993 fÛr die Dissertation „Die Bibel und die Einheit der Kirchen“ (Vandenhoeck & Ruprecht 21995) zuerkannt hatte, verlieh sie ihn 2005 erneut fÛr die vorliegende Habilitationsschrift. Nicht zuletzt gilt mein Dank der St. Petri-Pauli-Kirchengemeinde zu Soest (stellvertretend fÛr viele: Pfr. Dr. Frieder SchÛtz), die mir mit UnterstÛtzung der Evangelischen Kirche von Westfalen die Arbeit an der Habilitationsschrift neben der Gemeindearbeit erm×glichte. Besonderen Anteil hatten dabei meine Eltern Adelheid und Otto sowie mein Bruder Reinhard. Ihnen ist dieses Buch gewidmet. Soest, Pfingsten 2005

Matthias Haudel

Einleitung Im Kontext der entstehenden ×kumenischen Bewegung wurde im 19. und 20. Jahrhundert immer wieder von einzelnen Theologen aller großen Konfessionen die Annahme geÅußert, die Ursache grundsÅtzlicher ekklesiologischer Unterschiede liege in der jeweiligen Gotteslehre begrÛndet, und zwar in unterschiedlichen trinitÅtstheologischen PrioritÅtensetzungen bei der Bezugnahme auf Vater, Sohn und Heiligen Geist.1 Diese Annahme verdient ernsthafte Beachtung, da sich die ekklesiologische Selbstdefinition der Kirchen seit einigen Jahrzehnten zunehmend auf das neutestamentliche VerstÅndnis von „Gemeinschaft“ (Koinonia, Communio) bezieht, was sich in einer synonymen Entwicklung bei bilateralen und multilateralen ×kumenischen Dialogen widerspiegelt. Nach dem Zeugnis des Neuen Testaments ist die Gemeinschaft der Glaubenden durch ihre Verbindung mit Gott Vater, Sohn und Heiligem Geist konstituiert, der sich als dreieiniger Gott erschließt, so daß sich die Berufung auf den neutestamentlichen „Gemeinschafts“-Begriff in Wahrnehmung des wesensmÅßigen Zusammenhangs von trinitarischem GottesverstÅndnis und KirchenverstÅndnis vollzieht.2 Als Beispiel fÛr die zu beobachtende Konzentration auf diese zentrale ekklesiologische Dimension kann neben dem Zweiten Vatikanischen Konzil mit seinen AnsÅtzen einer trinitarisch orientierten Communio-Ekklesiologie die Achte Vollversammlung des Lutherischen Weltbundes (Curitiba 1990) mit ihrem ekklesiologischen Ansatz genannt werden.3 Die vergleichbare Entwicklung in der anglikanischen Kirchengemeinschaft kommt im Dialog zwischen der anglikanischen und der r×misch-katholischen Kirche zum Ausdruck (ARCIC I/II), wÅhrend im ostkirchlichen Bereich trinitarisch-kommuniale ekklesiologische EntwÛrfe wie der von Ioannis D. Zizioulas zu nennen wÅren.4 In Korrespondenz mit der innerkonfessionellen Bezugnahme auf die trinitarisch fundierte Ekklesiologie und der ent-

1 Vgl. z. B. J. Moltmann: Geist, S. 230 ff. u. 303 ff.; ders.: TrinitÅt, S. 144 ff. u. 207 ff.; H. Biedermann: Gotteslehre, S. 131 ff.; G. Larentzakis: KirchenverstÅndnis, S. 73 ff.; I. D. Zizioulas: Kirche, S. 104. 2 Vgl. zur detaillierten Analyse des neutestamentlichen Befundes J. Reumann: Koinonia. 3 Vgl. Curitiba, S. 129 ff. – Zur Analyse des Zweiten Vatikanischen Konzils s. u., S. 233 ff. 4 Vgl. I. D. Zizioulas: Being, und zum anglikanisch-katholischen Dialog vgl. H. Meyer [u. a.] (Hg.): Dokumente, Bd. I, S. 133 ff. (ARCIC I), und Bd. II, S. 353 ff. (ARCIC II). – Insgesamt vgl. zu dieser Entwicklung E. Geldbach: Koinonia, S. 73 ff.; M. Haudel: Kriterien, S. 292 ff.; D. Wendebourg: Einheit, S. 135 ff.

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Einleitung

sprechenden PrÅgung bilateraler Dialoge entwickelt auch der von „Glauben und Kirchenverfassung“ verantwortete multilaterale Dialog im °kumenischen Rat der Kirchen (°RK) die ×kumenische Ekklesiologie auf der Grundlage des trinitarisch begrÛndeten Koinonia-Konzepts. Dieses wurde auf der Siebten °RK-Vollversammlung (Canberra 1991) vorgestellt und auf der FÛnften Weltkonferenz fÛr Glauben und Kirchenverfassung (Santiago de Compostela 1993) in ersten AnsÅtzen entfaltet.5 DarÛber hinaus ließ die erste gemeinsame Konsultation der beiden °RK-Zweige „Glauben und Kirchenverfassung“ und „Weltmission und Evangelisation“ (H×xter/Deutschland 2000) erkennen, daß mit fortschreitender trinitarischer Interpretation der Missio Dei auch eine gemeinsame trinitarische Basis fÛr ein ×kumenisches MissionsverstÅndnis vorausgesetzt wird.6 Nachdem die TrinitÅtslehre lange Zeit in eine revelatorische und soteriologische Funktionslosigkeit geraten war, sprechen die gezeigten Entwicklungen dafÛr, daß sich eine Besinnung auf ihre zentrale und konstitutive theologische Bedeutung vollzieht. Der Verlust ihrer Offenbarungs- und Heilsrelevanz lag vornehmlich an dem – in der Kirchengeschichte in verschiedenen Formen hervortretenden – Postulat, die Einheit Gottes (De Deo uno) sei der Dreiheit Gottes (De Deo trino) vorzuordnen, weil die Einheit im Unterschied zur Dreiheit natÛrlich erkennbar sei. In der westlichen Kirchengeschichte fand diese Tendenz ihren deutlichsten Niederschlag in der scholastischen Unterscheidung zwischen den Traktaten „De Deo uno“ und „De Deo trino“, wÅhrend sich die gleiche Tendenz in den Ostkirchen anhand der Auffassung vom einheitlichen energetischen Wirken Gottes „ad extra“ wahrnehmen lÅßt. Diesen Entwicklungen gegenÛber, die den christlichen Gottesbegriff und seine Heilsrelevanz nicht selten in spekulativem Theismus aufgehen ließen7, gibt die inner- und interkonfessionell zu beobachtende Bezugnahme auf ein trinitarisch begrÛndetes KirchenverstÅndnis zu erkennen, daß eine Besinnung auf die unmittelbare theologische und ekklesiologische Relevanz der TrinitÅtslehre stattfindet. Da das erste Kapitel der vorliegenden Untersuchung einleitenden Charakter hat, weil es die in der Einleitung angedeuteten ZusammenhÅnge detailliert er×rtert, enthÅlt die Einleitung selbst nur knappe Hinweise auf die wichtigsten Dimensionen der im folgenden zu entwickelnden Thematik der Untersuchung.

5 Vgl. W. MÛller-R×mheld (Hg.): Zeichen, S. 173–176; G. Gaßmann/D. Heller (Hg.): Santiago, S. 213 ff. Zum ersten Entwurf der auf dieser Konzeption beruhenden Ekklesiologiestudie, den Glauben und Kirchenverfassung 1998 vorlegte, vgl. D. Heller (Hg.): Wesen, wo der Entwurf dokumentiert ist. Zur Analyse des Entwurfs s. u., S. 587 ff. 6 Vgl. M. Haudel: Relevanz, S. 68 ff. 7 Eine ausfÛhrliche Darlegung und Analyse der Entwicklungen enthÅlt Kap. III.

Einleitung

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BezÛglich der neu ins Bewußtsein tretenden theologischen und ekklesiologischen Relevanz der TrinitÅt bleibt zu erwÅhnen, daß die Kirchen damit nicht nur dem biblischen Befund gerecht werden, der die ekklesiologische Einheit in Vielfalt als Abbild der trinitarischen Einheit in Vielfalt zu erkennen gibt (z. B. Joh 17,20–23; I Kor 12,4–6; Eph 4,4–6), sondern daß sie auf diese Weise auch der trinitarischen Einbindung der Ekklesiologie im dritten Artikel des Glaubensbekenntnisses entsprechen. Weil im dritten Artikel die Erl×sung durch Jesus Christus und ihre VergegenwÅrtigung durch den Heiligen Geist im Kontext des Sch×pfungswerkes des Vaters ineinander Ûbergehen, stehen Wesen und Gestalt der Kirche durch ihre Charakterisierung im dritten Artikel in unaufl×slicher Verbindung mit dem VerhÅltnis von Vater, Sohn und Heiligem Geist. Die trinitarische Verankerung der Kirche kommt schon allein bei der Taufe zum Vorschein, in welcher der Mensch im Namen des dreieinigen Gottes gleichzeitig in die Gemeinschaft mit dem dreieinigen Gott und in die davon geprÅgte Gemeinschaft aller Glaubenden aufgenommen wird. Aus dem unaufl×slichen Zusammenhang zwischen der trinitarisch verankerten vertikalen Koinonia des Menschen mit Gott und der horizontalen Koinonia mit allen Glaubenden geht die konstitutive trinitarische PrÅgung des Wesens der Kirche hervor. Deshalb gelangt auch der Deutsche °kumenische Studienausschuß (D°STA) zu der Feststellung: „So wie der Vater, der Sohn und der Heilige Geist aufeinander bezogen und darin eins sind, so muß Gemeinschaft die Einheit der Kirche bestimmen.“8 Vor diesem Hintergrund handelt es sich bei der Frage nach den ekklesiologischen Implikationen bzw. Konsequenzen trinitÅtstheologischer PrioritÅtensetzungen nicht um eine konstruierte Fragestellung, sondern um die Wahrnehmung des in der Gotteslehre konstituierten Wesens der Kirche. Die Berechtigung und das Erfordernis der Bezugnahme auf den Zusammenhang von TrinitÅt und Kirche beruhen auf der Selbsterschließung des dreieinigen Gottes in der Heilsgeschichte, an der die Kirche als Leib Christi und Tempel des Heiligen Geistes partizipiert. Als Ort der M×glichkeit dieser Einwohnung Gottes und als seine Sch×pfung weist die Welt gebrochene kreatÛrliche Entsprechungen zur trinitarischen Koinonia Gottes auf (vestigia trinitatis), wodurch ein analoges VerhÅltnis zwischen trinitarischer und ekklesiologischer Koinonia m×glich wird. Daß es sich allein um ein analoges VerhÅltnis handeln kann (vgl. Joh 17,21: „Wie [w¾sper] du, Vater, in mir bist [. . .]“), bleibt aufgrund des Unterschieds zwischen dem einzigartigen Wesen Gottes und den weltlichen bzw. ekklesiologischen Strukturen zu beachten. Die biblisch bezeugte heils×konomische Selbsterschließung des dreieinigen Gottes, in der sich Gott als personales Geheimnis offenbart, lÅßt ihn als paradoxales Geheimnis der Gleichzeitigkeit von intra- und interpersonaler Di-

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P. Neuner/D. Ritschl (Hg.): Kirchen, S. 18 (Hervorhebung v. Vf.).

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Einleitung

mension erkennen. Denn in Gott existiert sowohl die intrapersonale Dimension einer einzigen PersonalitÅt als auch die interpersonale Dimension der Gemeinschaft dreier Personen. Analogien zu dieser Existenzstruktur sind wegen der intrapersonalen Strukturen in der Welt (psychologische Analogie: geistige Selbstentfaltung des Menschen) oder der interpersonalen weltlichen Aspekte (soziale Analogie: Gemeinschaft der Familie) m×glich, wÅhrend sich einseitige Identifizierungen zwischen g×ttlichen und weltlichen bzw. ekklesiologischen Strukturen angesichts der nur in Gott bestehenden Gleichzeitigkeit von intra- und interpersonaler Dimension verbieten. Weil Gott aufgrund seiner interpersonalen Struktur (Dreiheit) den Menschen in seiner Selbsterschließung durch den Sohn und den Heiligen Geist ganz nahe sein kann, ohne seine Eigenschaft des intrapersonalen GegenÛbers (Einheit) der Menschen zu verlieren, existiert eine stÅndige Gleichzeitigkeit von „GegenÛber und NÅhe“ Gottes. Diese Gleichzeitigkeit steht philosophisch-theologischen oder konfessionell-ekklesiologischen Vereinnahmungen Gottes entgegen. Indem sich die trinitarische Selbsterschließung Gottes in Sch×pfung, Erl×sung und Vollendung vollzieht, verk×rpert die TrinitÅtslehre als Integral und Begrenzungskriterium des gesamten WirklichkeitsverstÅndnisses die Summe des christlichen Heilsmysteriums und die „Grammatik“ des christlichen Glaubens.9 Daraus ergeben sich – Ûber den ekklesiologischen Aspekt hinaus – die maßgeblichen Implikationen der TrinitÅtslehre fÛr alle theologischen Topoi, also auch fÛr das MissionsverstÅndnis, die Weltverantwortung oder den Dialog mit anderen Religionen. So kann etwa eine trinitarische Aufweitung des christozentrischen MissionsverstÅndnisses dessen anthropozentrisch-ekklesiozentrische Tendenzen auf die ganze Sch×pfung hin ×ffnen und die Interdependenz von Zeugnis und Dienst mit ihren Konsequenzen fÛr die Weltverantwortung klarer zum Ausdruck bringen. Dem damit angesprochenen VerhÅltnis von Kirche und Welt korrespondieren ebenfalls trinitÅtstheologische VerhÅltnisbestimmungen. Zum Beispiel kann eine rein intrapersonale TrinitÅtslehre mit filioquistisch10-christozentrischen Tendenzen durch die VernachlÅssigung des Geistwirkens in der Sch×pfung die Gefahr einer Vergesetzlichung des Evangeliums bzw. eines ethischen „Christus prolongatus“ mit sich bringen. Umgekehrt vermag eine rein interpersonale TrinitÅtslehre mit fehlender christologischer Anbindung des ersten und dritten Artikels die dualistische Trennung von Gesetz und Evangelium hervorzurufen. Die angemessene Verbindung zwischen den drei Artikeln er-

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Vgl. W. Kasper: Gott, S. 378, und C. Schw×bel: TrinitÅtslehre, S. 152. Die Westkirchen fÛgten das „Filioque“ spÅter in das ×kumenische Bekenntnis von NizÅaKonstantinopel (381) ein und betonten damit den Hervorgang des Heiligen Geistes aus Vater „und Sohn“ (geringere EigenstÅndigkeit des Heiligen Geistes). – Vgl. Kap. III,1 u. VI,1.3. 10

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weist sich außerdem fÛr die Frage nach dem Wirken des Geistes Gottes in anderen Religionen als maßgeblich (interreligi×ser Dialog). Weil das KirchenverstÅndnis solche Implikationen und deren hermeneutische Ausrichtung grundsÅtzlich schon enthÅlt, empfiehlt sich eine Konzentration auf das VerhÅltnis von TrinitÅtslehre und Ekklesiologie, das sich letztlich auf alle anderen Topoi auswirkt. Dabei ergibt sich die konstitutive ×kumenische Bedeutung der TrinitÅtslehre aus ihrer zentralen theologischen Funktion, was die breite ×kumenische Akzeptanz des Bekenntnisses von NizÅa-Konstantinopel (381) ebenso belegt wie die zunehmende Einigkeit darÛber, „daß“ eine Entsprechung von g×ttlicher und kirchlicher Einheit in Vielfalt besteht.11 „Wie“ sich die vertikale Koinonia zwischen Gott und Mensch in der horizontalen Koinonia zwischen den Glaubenden aus der innerg×ttlichen Koinonia ableitet, bleibt allerdings umstritten. Denn die Defizite bei der VerhÅltnisbestimmung von Vater, Sohn und Heiligem Geist und die daraus resultierenden patromonistischen, christomonistischen oder pneumatomonistischen Tendenzen korrelieren mit analogen ekklesiologischen EngfÛhrungen, und zwar in der Weise, daß sich nicht nur der Einfluß trinitÅtstheologischer Defizite auf ekklesiologische Defizite beobachten lÅßt, sondern auch umgekehrt der Einfluß ekklesiologischer Interessen bzw. PrÅmissen auf die trinitÅtstheologischen PrioritÅtensetzungen. Die Unterschiede innerhalb der Interdependenz trinitÅtstheologischer und ekklesiologischer PrÅmissen bestehen inner- und interkonfessionell. Im VerhÅltnis zwischen Ost- und Westkirchen fokussieren sich diese Unterschiede in den trinitÅtstheologischen und ekklesiologischen Implikationen der Auseinandersetzung Ûber das Filioque-Problem. Beispielsweise kann mit der westlichen Orientierung an der intrapersonalen Einheit Gottes (psychologische Analogie) ein filioquistischer Christozentrismus einhergehen, der die VergegenwÅrtigung Christi durch den Heiligen Geist vernachlÅssigt und so zu einer undifferenzierten Identifizierung von Christus und Kirche fÛhrt (Christus prolongatus). Die daraus folgende Charakterisierung der Kirche als Korporativperson lÅßt den Heiligen Geist als eine der Kirche inhÅrente Dimension erscheinen. Der Geist bleibt kaum noch als das GegenÛber der einzelnen Glaubenden bzw. als Geber ihrer Charismen erkennbar, sondern er wird an das Amt gebunden, das sich hierarchisch-linear direkt von Christus ableitet („Christus – Petrus – Papst – Bisch×fe – Priester“). WÅhrend sich in diesen EngfÛhrungen die zentralistisch-primatiale Struktur des r×mischen Katholizismus widerspiegelt, kann die filioquistische Reduktion des Geistes auf seine Funktion als Gabe – unter VernachlÅssigung seiner Funk-

11 Vgl. W. MÛller-R×mheld (Hg.): Zeichen, S. 173–176 (Canberra 1991); G. Gaßmann/D. Heller (Hg.): Santiago, S. 213 ff.; I. U. Dalferth: Roots, S. 147, und W. Breuning: Art. „TrinitÅt“, S. 518 f.

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tion als Geber – im Protestantismus seine einseitige Einbindung in eine individualistische Gnadenlehre bewirken und seine Bedeutung fÛr sichtbare kirchliche Strukturen zurÛckdrÅngen. Umgekehrt vermag eine einseitig interpersonale Betonung der Dreiheit Gottes (soziale Analogie) die Anbindung des Geistes an den Sohn zu Ûbersehen und dadurch gleichermaßen ekklesiologische EngfÛhrungen hervorzurufen. So erm×glichen die fehlende christologische Anbindung des Heiligen Geistes und das energetische VerstÅndnis seiner Gegenwart (WirkkrÅfte statt personal-hypostatische Gegenwart) in der Orthodoxie die Identifikation von Geisterfahrung und eigener kirchlicher Erfahrung bzw. Tradition. Dadurch erhÅlt der Heilige Geist ebenfalls kaum Geltung als hypostatisch anwesendes und lebendiges GegenÛber, das in der Lage wÅre, eine traditionskritische Funktion auszuÛben. Diese nur knapp und pauschal angedeuteten ZusammenhÅnge, die sich bei genauerer Betrachtung als bedeutend diffiziler und komplexer erweisen, lassen bereits erahnen, wie gefÅhrlich es ist, wenn man die grundsÅtzliche Eintracht in bezug auf das trinitarische Bekenntnis von 381 auch auf die Gottes- bzw. TrinitÅtslehre bezieht. Zwar weisen Theologen aller Konfessionen auf die Bedeutung hin, die besonders dem VerhÅltnis von Christologie und Pneumatologie fÛr grundlegende ekklesiologische Bestimmungen wie dem VerhÅltnis von Geist und Institution, von sichtbarer und verborgener Kirche, von Amt und Charismen aller Glaubenden oder von Orts- und Universalkirche zukommt. Dabei bleibt ihnen nicht verborgen, daß bezÛglich dieser VerhÅltnisbestimmungen noch unÛbersehbare Defizite bestehen.12 Aber bis auf einige Forderungen auf multilateraler Dialogebene nach dezidierter KlÅrung13 wird nach wie vor das Postulat vom Grundkonsens in der trinitarischen Gotteslehre vorausgesetzt.14 Daß dieses pauschale Postulat angesichts der ×kumenischen Konzentration auf die gemeinsame trinitarische Basis und angesichts der nach wie vor bestehenden trinitÅtstheologischen Divergenzen fatale Konsequenzen nach sich ziehen kann, offenbart die angedeutete Relevanz der trinitÅtstheologischen PrioritÅtensetzungen fÛr das KirchenverstÅndnis und andere zentrale Topoi (MissionsverstÅndnis, VerhÅltnis von Kirche und Welt, interreligi×ser Dialog etc.). Um auf der Basis eines Grundkonsenses in der Gotteslehre AnnÅherungen erzielen zu k×nnen, bedÛrfte es also zunÅchst einer dezidierten ×kumenischen Auseinandersetzung mit den trinitÅtstheologischen Divergenzen, die

Zu den entsprechenden Voten s. u., S. 47, 50 ff., 58 ff. Vgl. dazu z. B. die Hinweise auf der Kommissionssitzung von „Glauben und Kirchenverfassung“ in Budapest (1989), dokumentiert bei G. Gaßmann (Hg.): Glauben und Kirchenverfassung, S. 66, 131 ff., 138. 14 Das belegt z. B. die oben erwÅhnte Konsultation von „Glauben und Kirchenverfassung“ und „Weltmission und Evangelisation“ (H×xter/Deutschland 2000). Vgl. dazu M. Haudel: Relevanz, S. 68 ff. Zur weiteren Er×rterung dieses Postulats s. u., S. 50 ff. 12 13

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bisher aber noch nicht erfolgte.15 Erst recht fehlt eine detaillierte und umfassende ×kumenische Untersuchung zum Zusammenhang von trinitÅtstheologischen und ekklesiologischen PrÅmissen bzw. Defiziten16, die sich als um so notwendiger herausstellt, als sie nicht nur die Grundlage des gemeinsamen Kirchen- und EinheitsverstÅndnisses betrifft, sondern auch die Implikationen fÛr ein gemeinsames VerstÅndnis der weiteren theologischen Topoi (Weltverantwortung etc.). Und schließlich liegt bisher noch keine Zusammenschau von offenbarungstheologischen, trinitÅtstheologischen und ekklesiologischen PrÅmissen vor. Eine solche Zusammenschau erweist sich aber als unerlÅßlich, weil die trinitÅtstheologischen Unterschiede aufgrund des Zusammenhangs von Offenbarungs- und GottesverstÅndnis bzw. von GottesverhÅltnis und GottesverstÅndnis maßgeblich aus offenbarungstheologischen Divergenzen hervorgehen, was in den folgenden AusfÛhrungen noch deutlicher wird. Gleiches gilt fÛr den konstitutiven Zusammenhang von offenbarungstheologischer und ekklesiologischer Orientierung, der sich in der umstrittenen VerhÅltnisbestimmung von Schrift, Tradition und Kirche Åußert. Vor diesem Hintergrund erhalten die zunehmenden inner- und interkonfessionellen BemÛhungen, das Kirchen- und EinheitsverstÅndnis vom trinitarisch begrÛndeten Gemeinschaftsbegriff (Koinonia, Communio) abzuleiten, nur dann eine realistische Chance, wenn sie die offenbarungs- und trinitÅtstheologischen Divergenzen und ihre ekklesiologischen Konsequenzen berÛcksichtigen. Um das zu erm×glichen, m×chte die vorliegende Untersuchung einen Beitrag zur BewÅltigung der noch anstehenden Aufgaben leisten, indem die offenbarungs- und trinitÅtstheologischen Divergenzen sowie die M×glichkeiten ihrer ºberwindung analysiert werden. Zudem wird der Zusammenhang von offenbarungs- und trinitÅtstheologischen PrÅmissen bzw. Defiziten mit analogen ekklesiologischen Bestimmungen untersucht, damit sich durch hermeneutische und trinitÅtstheologische AnnÅherungen Perspektiven fÛr fundierte ekklesiologische AnnÅherungen bieten. Denn nur eine hermeneutisch fundierte Analyse des VerhÅltnisses von Glaubensgrund und Glaubensgestalt, das im VerhÅltnis von Gottes- und KirchenverstÅndnis besteht, erm×glicht die ºberwindung des ×kumenischen Dilemmas, daß zwar eine FÛlle von Konvergenz- und Konsenstexten existiert, aber eine substantielle ºbereinstimmung in den klassischen

15 Vgl. D. Ciobotea: Art. „Trinity“, S. 1022. Die von „Glauben und Kirchenverfassung“ durchgefÛhrte Studie „Gemeinsam den einen Glauben bekennen“ (vgl. Glauben) liefert h×chstens erste AnsÅtze fÛr ein gemeinsames trinitÅtstheologisches Nachdenken. 16 Vgl. M. Volf: TrinitÅt, S. 182, der auf dieses Desiderat hinweist und in seiner Untersuchung hinsichtlich einiger zeitgen×ssischer AnsÅtze erste Analysen durchfÛhrt. – Zur Analyse von Volfs Ansatz siehe Kap. V,3.

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Streitfragen aussteht und auch das EinheitsverstÅndnis selbst weiterhin umstritten bleibt.17 So fordert die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) in ihrem Votum zur „Kirchengemeinschaft nach evangelischem VerstÅndnis“ (2001) eine KlÅrung des VerhÅltnisses von Glaubensgrund und -gestalt, da die SelbstvergegenwÅrtigung des dreieinigen Gottes auf eine ihr entsprechende kirchliche Gestalt drÅnge, die aber nach wie vor umstritten sei. Nur von einer solchen KlÅrung erwartet man Fortschritte zur ºberwindung der divergierenden Auffassungen Ûber das Einheitskonzept.18 In der Relevanz der trinitarischen Selbsterschließung Gottes fÛr die Gemeinschaft der Glaubenden liegt die materiale Notwendigkeit der differenzierten ×kumenischen Auseinandersetzung mit der TrinitÅtslehre, die sich auf den Glaubensgrund bezieht. Nur so vermag man die Voraussetzung fÛr eine konvergente Interpretation der gemeinsamen trinitarischen Basis des Kirchen- und EinheitsverstÅndnisses zu schaffen. Die materiale Notwendigkeit der ×kumenischen Auseinandersetzung mit dem Zusammenhang von Gottes- und KirchenverstÅndnis impliziert aufgrund der wesensmÅßigen Verbindung zwischen Gotteslehre und Ekklesiologie auch die formale Notwendigkeit dieser Auseinandersetzung, da es tragfÅhige Kirchengemeinschaft vor diesem Hintergrund nicht ohne „die ºbereinstimmung im Grundlegenden und Wesentlichen“19 geben kann: „In der Tat lÅsst sich Kirchengemeinschaft nicht erreichen, wenn darÛber, was Kirchengemeinschaft und Einheit der Kirche sowie Grund und Bezugsgestalt kirchlicher Einheit ist, kein differenzierter Konsens besteht.“20 Die Methode des differenzierten Konsenses behÅlt also ihre unverzichtbare Funktion21, wobei sie allerdings die Kenntnis der hermeneutischen, mentalitÅts- und erfahrungsbedingten, theologischen sowie ekklesiologischen Voraussetzungen der eigenen Konfession und der anderen Konfessionen verlangt. Durch die Bezugnahme auf die TrinitÅtslehre und den damit gegebenen Zusammenhang von Sch×pfung, Erl×sung und Vollendung geraten aber auch die anderen Perspektiven ×kumenischer Partizipation nicht aus dem Blickfeld, die bei der Diskussion um einen ×kumenischen „Paradigmenwechsel“22 angemahnt wurden. Sie betreffen die vielschichtigen Aspekte des Heilsplans bzw. der oikonomia Got-

Zum Problem der unterschiedlichen Einheitskonzeptionen s. u., S. 588 ff. Vgl. Kirchengemeinschaft, S. 5 ff. u. 13. – Zu dem Votum und seinen noch bestehenden Defiziten s. u., S. 589 ff. 19 Kirchengemeinschaft, S. 3. 20 G. Wenz: Kirchengemeinschaft, S. 362. 21 Vgl. ebd., wo Wenz betont, „dass die Methode des sog. differenzierten Konsenses alternativlos ist, wenn es bestÅndige Fortschritte ×kumenischer VerstÅndigung mit dem Ziel der Kirchengemeinschaft geben soll“. 22 Zu den Vor- und Nachteilen des von K. Raiser angeregten „Paradigmenwechsels“ (vgl. K. Raiser: °kumene) s. u., S. 601 ff. 17 18

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tes fÛr die ganze Sch×pfung (Weltverantwortung, Erneuerung der Menschheit, Wahrnehmung pluralistischer Strukturen etc.).23 Hinsichtlich der hermeneutischen Voraussetzungen bleibt festzuhalten, daß sich mit der Bezugnahme auf die TrinitÅtslehre unmittelbar die Frage stellt, wie der trinitarische Gott in den natÛrlichen Voraussetzungen der Welt, in der Heilsgeschichte und in der Kirche zu erkennen ist. Quer durch die Konfessionen bestehen diesbezÛglich unterschiedlichste Auffassungen Ûber m×gliche Spuren der TrinitÅt in der Sch×pfung (vestigia trinitatis) oder Ûber RÛckschlÛsse von Gottes heilsgeschichtlicher Selbsterschließung auf Gottes ewiges Sein. Divergierende VerhÅltnisbestimmungen von natÛrlicher Theologie und Offenbarungstheologie korrelieren mit divergierenden Zuordnungen von ×konomischer (heilsgeschichtlich erschlossener) TrinitÅt und immanenter (Wesens-)TrinitÅt. Diese Zuordnungen sind wiederum fÛr die differierenden Bestimmungen des VerhÅltnisses von innertrinitarischen Ursprungsbeziehungen und anderen innertrinitarischen Relationen verantwortlich. Aus den genannten Unterschieden leitet sich schließlich eine uneinheitliche Qualifizierung der intra- und interpersonalen Dimension Gottes ab, was sich maßgeblich auf die EinschÅtzung des VerhÅltnisses von „GegenÛber und NÅhe“ Gottes auswirkt. An dieser VerhÅltnisbestimmung entscheidet sich wiederum, ob es zu unangemessenen Identifikationen mit den g×ttlichen Seinsstrukturen kommt, indem diese zum Zweck der Identifikation mit intra- oder interpersonalen weltlichen bzw. ekklesiologischen Strukturen einseitig intra- oder interpersonal reduziert werden, oder ob eine freie Gemeinschaft der Liebe zwischen Gott und Mensch m×glich wird, die sich in adÅquaten analogen Koinonia-Strukturen niederschlÅgt, welche das paradoxale Geheimnis der einmaligen Gleichzeitigkeit von intra- und interpersonaler Dimension in Gott berÛcksichtigen. Angesichts einer derart folgenreichen Interdependenz von OffenbarungsverstÅndnis und TrinitÅtslehre erweist sich die ×kumenische Auseinandersetzung mit dem OffenbarungsverstÅndnis als unerlÅßlich fÛr eine ×kumenische Analyse der TrinitÅtslehre und ihrer ekklesiologischen Implikationen, zumal zwischen Ost- und Westkirchen weiterhin umstritten ist, ob sich Gott nur in seinen ungeschaffenen Energien oder WirkkrÅften (Licht etc.) oder auch in seinem personalen hypostatischen Sein offenbart. Die Interdependenz von OffenbarungsverstÅndnis und TrinitÅtslehre bestimmt zugleich das hermeneutische und kriteriologische VerhÅltnis von Schrift, Tradition und Kirche, weil Christus das menschgewordene Wort Gottes ist, das durch den Heiligen Geist vergegenwÅrtigt wird. Wie der Heilige Geist Christus durch die Geschichte der Kirche begleitet, so wird

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Diese Aspekte kommen in Kap. VI,2 zum Tragen.

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die Kirche analog vom ºberlieferungsprozeß der lebendigen Tradition begleitet, und wie der Heilige Geist an Christus gebunden bleibt, der den sichtbaren Maßstab der Kirche verk×rpert, so bleibt die Tradition an die – Christus bezeugende – Schrift gebunden, die als kanonisches Kriterium fungiert. Zugleich bedarf die Schrift aber auch des kirchlichen Traditionsprozesses, so wie Christus der VergegenwÅrtigung durch den Heiligen Geist bedarf. Diese ZusammenhÅnge stehen sowohl einer einseitigen Betonung der Tradition entgegen, die auf pneumatozentrisch bedingter ºberschÅtzung eigener Geisterfahrung beruhen kann und Gotteserkenntnis primÅr aus kirchlicher Erfahrung ableitet, als auch einem exklusiven Schriftbezug, der in christozentrischer Orientierung die Bedeutung von Geist und Tradition unterschÅtzt. Doch wÅhrend auf der Ebene des hermeneutisch-kriteriologischen VerhÅltnisses von Schrift, Tradition und Kirche im Bereich des multilateralen Dialogs lÅngst ein – noch nicht angemessen wahrgenommener – ×kumenischer Durchbruch erzielt wurde, sind solche ×kumenischen Perspektiven fÛr die trinitÅtstheologischen VerhÅltnisbestimmungen und ihre ekklesiologischen – oder noch weitergehenden – Implikationen bisher nicht erreicht. Nachdem der Verfasser in der Untersuchung „Die Bibel und die Einheit der Kirchen“24 den erwÅhnten ×kumenischen Durchbruch hinsichtlich des grundlegenden hermeneutisch-kriteriologischen VerhÅltnisses von Schrift, Tradition und Kirche aufzeigen konnte, soll die jetzt vorgelegte Untersuchung durch die ×kumenische Auseinandersetzung mit der trinitarischen Selbsterschließung Gottes bzw. mit der TrinitÅtslehre und ihren ekklesiologischen Implikationen einen Beitrag zur Bereitstellung der materialen theologischen Grundlage eines ×kumenischen Kirchen- und EinheitsverstÅndnisses leisten. Die aus den bisher gezeigten ZusammenhÅngen ersichtliche materiale und formale Notwendigkeit der ×kumenischen Auseinandersetzung mit dem OffenbarungsverstÅndnis und der TrinitÅtslehre sowie deren ekklesiologischen Implikationen wird im ersten Kapitel der vorliegenden Untersuchung er×rtert, und zwar bezÛglich der hermeneutischen, ekklesiologischen und ×kumenischen Aspekte. Dabei finden auch die fÛr diese Thematik bedeutsamen Unterschiede zwischen Ost- und Westkirchen in bezug auf deren MentalitÅt und Denkweisen BerÛcksichtigung, so daß in dem Kapitel eine

24 Siehe dazu M. Haudel: Bibel, wo detailliert der Nachweis erbracht wird, daß „Glauben und Kirchenverfassung“ mit einer – der altkirchlichen Hermeneutik korrespondierenden – dynamischen Zuordnung von Schrift, Tradition und Kirche einen ×kumenischen Durchbruch in der klassischen Kontroverse um „Schrift und Tradition“ erzielt hat, der unter protestantischer, anglikanischer, orthodoxer und r×misch-katholischer Beteiligung erfolgte und neue ×kumenische Chancen er×ffnet, die aber bisher noch nicht genÛgend wahrgenommen wurden (vgl. Anm. 115, I. Kap.).

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ausfÛhrliche HinfÛhrung zur Thematik sowie deren umfangreiche BegrÛndung erfolgt. Diese BegrÛndung lÅßt auch noch einmal detailliert die Notwendigkeit der einzelnen Arbeitsschritte erkennen (I. KAPITEL). Der offenbar gewordene Bedarf eines Rahmens gemeinsamer offenbarungstheologischer, trinitÅtstheologischer und ekklesiologischer Kriterien verlangt nach einer fÛr alle Konfessionen zugÅnglichen und akzeptablen Grundlage, die sowohl die kriteriologische Beurteilung der unterschiedlichen MentalitÅten oder Denkweisen erlaubt als auch MaßstÅbe fÛr die Interdependenz von offenbarungstheologischen, trinitÅtstheologischen und ekklesiologischen PrÅmissen gewÅhrt. Eine solche kriteriologische Grundlage erweist sich als unverzichtbar, weil sich nicht nur monokausal die ekklesiologischen Konsequenzen trinitÅtstheologischer PrioritÅtensetzungen beobachten lassen, sondern auch umgekehrt ekklesiologische PrÅmissen und Interessen auf die TrinitÅtslehre einwirken. Die wechselseitige AbhÅngigkeit von TrinitÅtslehre und Ekklesiologie steht wiederum unter dem Einfluß der offenbarungstheologischen AnsÅtze, die ihrerseits einseitig von philosophischen oder konfessionellen PrÅmissen geprÅgt sein k×nnen. Als kriteriologische Basis, von der aus sich diese ZusammenhÅnge konvergent beurteilen lassen, bietet sich die neunizÅnische Theologie an, die in ost-westkirchlicher °kumene entstand und im ×kumenischen Symbol von NizÅaKonstantinopel (381) verbindliche °kumenizitÅt erlangte. Aus der neunizÅnischen Synthese, die einen gemeinsamen offenbarungstheologischen, trinitÅtstheologischen und ekklesiologischen Rahmen bietet, lassen sich offenbarungstheologische, trinitÅtstheologische und ekklesiologische Differenzierungen und VerhÅltnisbestimmungen ableiten, die den spÅter in Ost und West entstandenen Einseitigkeiten entgegenstehen und mit denen die bis heute fortwirkenden Folgen dieser Einseitigkeiten zu Ûberwinden sind. Deshalb wird im zweiten Kapitel – unter BerÛcksichtigung der biblischen Grundlagen – analysiert, wie KirchenvÅter des Ostens und des Westens in biblischer und heils×konomischer Orientierung sowie in entsprechender Abwehr offenbarungstheologischer, trinitÅtstheologischer und ekklesiologischer Einseitigkeiten die Voraussetzungen fÛr die offenbarungstheologischen und trinitÅtstheologischen AnsÅtze der neunizÅnischen Theologie und fÛr deren ekklesiologische Implikationen schufen. Auf diese Weise lÅßt sich nachvollziehen, wie der neunizÅnische Konsens durch die Vereinigung unterschiedlicher hermeneutischer MentalitÅten und AnsÅtze theologischer Reflexion zustande kam. Dabei wird bei maßgeblichen KirchenvÅtern in Ost und West ein biblisch und heils×konomisch orientierter Ansatz erkennbar, der als „biblisch-×konomischer“ Ansatz prÅzisiert werden kann. Er erm×glichte in Abwehr philosophischer und weltanschaulicher ºberlagerungen eine angemessene Zuordnung von natÛrlicher Theologie und Offenbarungstheologie sowie von ×konomischer und immanenter TrinitÅt, woraus sich differenzierte trinitÅtstheologische und ekklesiologische Bestimmun-

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gen ergaben. Erst die Kenntnis dieser komplexen theologischen ZusammenhÅnge und ihres Entstehungsprozesses gewÅhrleistet, daß die allgemein akzeptierte Bezugnahme auf die theologische Basis des Bekenntnisses von 381 konkrete Schritte ×kumenischer AnnÅherung er×ffnet. Solche konkreten Schritte bieten sich fÛr den Verfasser durch die offenbarungstheologischen, trinitÅtstheologischen und ekklesiologischen Differenzierungen an, die sich aus dem Rahmen der kappadozisch-neunizÅnischen Theologie ableiten lassen. Denn diese Differenzierungen beinhalten die kriteriologischen Grundlagen fÛr ×kumenische Perspektiven hinsichtlich des Offenbarungs-, Gottes- und KirchenverstÅndnisses (II. KAPITEL). Daß die gemeinsame altkirchliche Basis bis heute unzureichend zur Kenntnis genommen wird, liegt nicht zuletzt an der weiteren kirchengeschichtlichen Entwicklung, in der sich ost- und westkirchliche Theologie in einseitiger und reduktionistisch-spekulativer Weise von der biblisch-×konomischen Orientierung der neunizÅnischen Synthese entfernte. Diese Entwicklung, die hin und wieder durch eine Besinnung auf die altkirchliche Basis unterbrochen wurde (z. B. durch Maximus Confessor oder Martin Luther), hinterließ mit ihren offenbarungstheologischen und trinitÅtstheologischen Einseitigkeiten analoge ekklesiologische EngfÛhrungen. Sie fÛhrte schließlich zur revelatorischen und soteriologischen Funktionslosigkeit der TrinitÅtslehre und trug zur Entwicklung vom Theismus zum Atheismus bei, bis sie schließlich im 19. und 20. Jahrhundert als Gegenreaktion in allen großen Konfessionen eine erneute Besinnung auf die trinitarische Selbsterschließung Gottes hervorrief. Im dritten Kapitel wird diese Herausbildung der offenbarungstheologischen und trinitÅtstheologischen Einseitigkeiten mit ihren ekklesiologischen, theologischen und philosophischen Konsequenzen ebenso aufgezeigt wie die in allen großen konfessionellen Str×mungen notwendig gewordene trinitÅtstheologische Besinnung, mit der auch ekklesiologische Differenzierungen einhergingen. Das Kapitel umfaßt den Zeitraum von der scholastischen Entwicklung im Westen und der photinianisch-palamitischen Entwicklung im Osten bis zum Zweiten Vatikanischen Konzil. Es widmet sich unter anderem der Entstehung des FilioqueProblems (IN III,1), den ×kumenischen Implikationen von Luthers RÛckgriff auf die altkirchlich-trinitÅtstheologische Basis (IN III,2) und der – durch die AufklÅrung forcierten – Infragestellung einseitiger theistischer Spekulationen (Entwicklung vom Theismus zum Atheismus) (III,3.1). Außerdem werden die entstandenen Einseitigkeiten und die darauf reagierenden AnsÅtze trinitÅtstheologischer Besinnung in Protestantismus, Anglikanismus, Orthodoxie und Katholizismus analysiert (III,3.2–4), weil die jeweiligen Defizite und die darauf antwortende trinitÅtstheologische Neubesinnung (III. KAPITEL) den VerstÅndnishorizont fÛr die konsequent heils×konomisch orientierte Erneuerung der TrinitÅtslehre bilden, die in den letzten Jahrzehnten erfolgte. Denn nur im Horizont der er×rterten Entwicklungspro-

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zesse lÅßt sich prÅzise aufweisen, wo diese zeitgen×ssischen Erneuerungsversuche Fortschritte erzielen konnten, wo sie selbst noch Defiziten unterliegen und in welchem Rahmen sich AnnÅherungen vollziehen k×nnen. Nachdem die ersten AnsÅtze einer trinitÅtstheologischen Besinnung im 19. und 20. Jahrhundert nur partiellen Einfluß hinterlassen hatten und in bezug auf das Offenbarungs-, Gottes- und KirchenverstÅndnis ambivalent geblieben waren, versuchten nÅmlich einzelne Theologen der großen Konfessionen durch die Ausrichtung an der heils×konomischen Selbsterschließung Gottes das Problem der authentischen Gotteserkenntnis, ihrer Heilsbedeutung und ihrer ekklesiologischen Relevanz aufzugreifen. Deshalb enthÅlt das vierte Kapitel die Analyse exemplarischer Versuche einer derartigen Erneuerung der TrinitÅtslehre, um zu ermitteln, wo auch heute noch offenbarungs- und trinitÅtstheologische Defizite mit analogen ekklesiologischen EngfÛhrungen bestehen. Erst dann lÅßt sich vor dem Hintergrund der Geschichte einseitiger Entwicklungen aufzeigen, wie diese Defizite durch den RÛckgriff auf den kriteriologischen altkirchlichen Rahmen bzw. auf die daraus abzuleitenden Differenzierungen zu Ûberwinden sind. Neben westlich geprÅgten AnsÅtzen, welche die intrapersonale Dimension Gottes betonen (K. Rahner, E. JÛngel), wird ein Vermittlungsversuch zwischen westlicher und ×stlicher Theologie untersucht, der die interpersonale Dimension Gottes hervorhebt (J. Moltmann), sowie ein ostkirchlicher Versuch heils×konomisch orientierter Erneuerung der TrinitÅtslehre (D. Staniloae). Es handelt sich jeweils um grundlegende und reprÅsentative Konzeptionen. So gab Karl Rahner mit seinem Grundaxiom „Die ‚×konomische‘ TrinitÅt ist die ‚immanente‘ TrinitÅt und umgekehrt“ einen maßgeblichen Anstoß fÛr die trinitÅtstheologischen Erneuerungsversuche, wÅhrend Eberhard JÛngel das VerhÅltnis von ×konomischer und immanenter TrinitÅt theologisch konkretisierte und differenzierte. JÛrgen Moltmanns Konzeption trug wiederum zum besseren VerstÅndnis zwischen ost- und westkirchlicher TrinitÅtslehre bei, und der Entwurf des rumÅnischen orthodoxen Theologen Dumitru Staniloae bildet nicht nur eine BrÛcke zwischen griechischer und russischer Orthodoxie, sondern Staniloae gilt auch als einflußreichster und kreativster „panorthodoxer Theologe“ der letzten Jahrzehnte.25 Die Analyse dieser Konzeptionen lÅßt erkennen, daß deren Besinnung auf die heils×konomische Selbsterschließung Gottes aufgrund defizitÅrer biblisch×konomischer Ausrichtung weiterhin der ºberlagerung durch philosophische und ekklesiologische PrÅmissen ausgesetzt ist. Daraus resultieren ent-

25 Vgl. D. Staniloae: Dogmatik I, S. 10 (Vorwort v. J. Moltmann). – Die BrÛckenfunktion der rumÅnisch-orthodoxen Theologie gilt auch fÛr das VerhÅltnis von ost- und westkirchlicher Tradition. Mit Staniloaes dreibÅndiger Dogmatik liegt erstmals eine orthodoxe Dogmatik auf deutsch vor.

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sprechende offenbarungstheologische und trinitÅtstheologische Einseitigkeiten mit analogen ekklesiologischen Implikationen (IV. KAPITEL). Um die Interdependenz von offenbarungstheologischen, trinitÅtstheologischen und ekklesiologischen PrÅmissen oder Defiziten, die sich in der Analyse der oben erwÅhnten Erneuerungsversuche andeutet, detailliert aufzeigen und belegen zu k×nnen, schließt sich im fÛnften Kapitel die Untersuchung von drei EntwÛrfen (r×misch-katholisch, orthodox und protestantisch) an, bei denen diese Interdependenz aufgrund expliziter trinitarischer BegrÛndung der Ekklesiologie prÅgnant und reprÅsentativ hervortritt. Auf r×misch-katholischer Seite eignet sich dafÛr Joseph Ratzingers Konzeption, weil sie eine trinitarisch begrÛndete Communio-Ekklesiologie zu entwickeln versucht und dabei zum einen spezifisch r×misch-katholische Merkmale der Interdependenz von trinitÅtstheologischen und ekklesiologischen Defiziten aufweist und zum anderen die katholische Lehrmeinung der letzten Jahrzehnte prÅgte.26 Im Blick auf die Ostkirchen bietet sich der Entwurf von Ioannis D. Zizioulas an, der als einer der profundesten orthodoxen Theologen der Gegenwart eine Synthese zwischen verschiedenen Richtungen orthodoxer Theologie sowie zwischen ost- und westkirchlicher Theologie anvisiert, und zwar auf der Basis des konstitutiven Zusammenhangs von trinitarischer und ekklesiologischer Koinonia.27 Innerhalb des protestantischen Spektrums liegt ein explizit trinitarisch-ekklesiologischer Entwurf von Miroslav Volf vor, der sich von seinen freikirchlich-baptistischen Wurzeln her auf die gesamte reformierte und lutherische Tradition bezieht und als ×kumenische ReferenzentwÛrfe die hier analysierten Konzeptionen Ratzingers und Zizioulas’ wÅhlt, so daß er fÛr die angestrebte Analyse prÅdestiniert ist.28 Die Untersuchung dieser Konzeptionen belegt, daß eine Interdependenz von offenbarungstheologischen, trinitÅtstheologischen und ekklesiologischen PrÅmissen bzw. Defiziten besteht, die nach wie vor Strukturen spezifisch r×misch-katholischer, orthodoxer und protestantischer Einseitigkeiten offenbart. Die bedeutsamste Ursache dieser Einseitigkeiten und Defizite liegt auch hier in der ºberlagerung des biblisch-×konomischen Ansatzes durch philosophisch-theologische und konfessionell-ekklesiologische PrÅmissen. Als weiterhin umstritten erweisen sich die offenbarungstheologischen AnsÅtze, zu denen auch das Problemfeld der Energienlehre geh×rt. Aus diesen Unstimmigkeiten folgt eine divergierende VerhÅltnisbestimmung von ×konomischer und immanenter TrinitÅt, die mit einer unterschiedlichen

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Zur reprÅsentativen Bedeutsamkeit der Konzeption Ratzingers s. u., S. 336. Zur Eignung von Zizioulas’ Entwurf s. u., S. 366. 28 Zu den vielschichtigen GrÛnden, die fÛr die Auswahl von Volfs Konzeption sprechen, s. u., S. 410 ff. 27

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Wahrnehmung des VerhÅltnisses von innertrinitarischen Ursprungsbeziehungen und anderen ewigen innertrinitarischen Existenzbeziehungen einhergeht. Werden beispielsweise im Westen oftmals alle innertrinitarischen Relationen nivellierend als Ursprungsbeziehungen charakterisiert, so kommt es im Osten nicht selten zur v×lligen Ausblendung der innertrinitarischen Existenzbeziehungen. Durch diese im Einzelfall bedeutend diffiziler auftretenden Probleme entstehen wiederum unterschiedliche ZugÅnge zum VerhÅltnis von Christologie und Pneumatologie, was sich in der Auseinandersetzung Ûber das Filioque-Problem niederschlÅgt. Die jeweilige Charakterisierung der genannten ZusammenhÅnge prÅgt die EinschÅtzung von Gottes intra- und interpersonaler Dimension, welche das VerhÅltnis von „GegenÛber und NÅhe“ Gottes ebenso bestimmt wie die Analogie zwischen g×ttlichen und ekklesiologischen Koinonia-Strukturen (V. KAPITEL). Die in den Analysen offengelegten ZusammenhÅnge und Einseitigkeiten verlangen nach gemeinsamen L×sungsansÅtzen fÛr das Offenbarungs-, Gottes- und KirchenverstÅndnis. Dazu bedarf es eines Rahmens gemeinsamer offenbarungstheologischer, trinitÅtstheologischer und ekklesiologischer Kriterien, die differenziertere und konvergente offenbarungs- und trinitÅtstheologische sowie ekklesiologische AnsÅtze erm×glichen. Diesen Rahmen k×nnten die neuen Differenzierungen und VerhÅltnisbestimmungen bilden, die der Verfasser von der offenbarungstheologischen, trinitÅtstheologischen und ekklesiologischen Basis neunizÅnischer Theologie abgeleitet hat und die im sechsten Kapitel systematisch entfaltet sowie in ihrer ×kumenischen Relevanz dargelegt werden. Denn die in ost-westkirchlicher °kumene entstandene neunizÅnische Theologie, deren verbindliche °kumenizitÅt sich im ×kumenischen Symbol von 381 dokumentiert, bietet einen fÛr ost- und westkirchliche Theologie zugÅnglichen theologischen Rahmen, der Abgrenzungen gegen die sich spÅter entwickelnden Einseitigkeiten enthÅlt und aus dem sich deshalb Differenzierungen zur ºberwindung der bis heute spÛrbaren Folgen dieser Einseitigkeiten ableiten lassen. Damit k×nnen die Grenzen und Mindestanforderungen einer TrinitÅtslehre aufgezeigt werden, die geeignet ist, bisherige hermeneutische und trinitÅtstheologische EngfÛhrungen zu Ûberwinden und so als Grundlage konvergenter ekklesiologischer Analogien zu dienen. Die Hoffnung, auf diese Weise konvergente ×kumenische Kriterien bereitstellen zu k×nnen, stÛtzt sich auf die in der Untersuchung nachgewiesene Relevanz, welche die biblisch und heils×konomisch ausgerichtete TrinitÅtslehre der Alten Kirche stets in kirchengeschichtlichen Phasen trinitÅtstheologischer und ekklesiologischer Besinnung erhielt – wie etwa in der Reformationszeit oder im 19. und 20. Jahrhundert. Die neuen Differenzierungen und VerhÅltnisbestimmungen, die der Verfasser vor diesem Hintergrund von der neunizÅnischen Theologie ableitet und in ihrer ×kumenischen Bedeutsamkeit im sechsten Kapitel systematisch entfaltet, berÛcksichtigen deshalb die verschiedenen theologischen MentalitÅ-

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ten und Denkweisen, um deren KomplementaritÅt mit den vorgelegten Differenzierungen darstellen zu k×nnen. ZunÅchst geht es mit dem neu eingefÛhrten Begriffspaar „Ahnung – Offenbarung“ um eine differenziertere Zuordnung von natÛrlicher Theologie und Offenbarungstheologie, die eine adÅquate VerhÅltnisbestimmung von ×konomischer und immanenter TrinitÅt gewÅhrt. Dabei lÅßt sich die hermeneutische Orientierung an der ×konomischen TrinitÅt zum Schutz vor deren ºberlagerung durch philosophisch-theologische und konfessionell-ekklesiologische PrÅmissen als „BIBLISCH-×konomischer“ Ansatz spezifizieren, und zwar ebenfalls in Anlehnung an die Hermeneutik maßgeblicher ×stlicher und westlicher KirchenvÅter (VI,1.1). Auf dieser Basis wird im RÛckgriff auf die neunizÅnische Energienlehre die neue VerhÅltnisbestimmung von „×konomischer“ und „spekulativer“ Energienlehre m×glich, die eine hermeneutische Konvergenz ×stlicher und westlicher Konzeptionen in Aussicht stellt (VI,1.2). Die bisherigen Differenzierungen bieten die Grundlage fÛr eine angemessene Wahrnehmung des komplexen VerhÅltnisses von innertrinitarischen „Ursprungs- und Existenzbeziehungen“. Mit diesem Begriffspaar hat der Verfasser eine neue Terminologie gewÅhlt, um Nachteile und Einseitigkeiten der schon bestehenden terminologischen Unterscheidungsversuche zu Ûberwinden. In der differenzierten Bestimmung des VerhÅltnisses von Ursprungs- und Existenzebene liegt wiederum die Voraussetzung fÛr eine angemessene Wahrnehmung der trinitarischen Perichorese, die eine adÅquate VerhÅltnisbestimmung von Christologie und Pneumatologie gewÅhrleistet und dadurch AnsÅtze zur L×sung des Filioque-Problems transparent werden lÅßt (VI,1.3). Werden diese Differenzierungen ernst genommen, geben sie den Blick frei fÛr das paradoxale Geheimnis der Gleichzeitigkeit von intra- und interpersonaler Dimension Gottes. Die Terminologie „intra- und interpersonale Dimension“ wird vom Verfasser explizit als grundsÅtzliches Begriffspaar eingefÛhrt, um den Unterschied zwischen der Gleichzeitigkeit von intra- und interpersonaler Dimension Gottes und den intra- oder interpersonalen Strukturen von Kirche und Welt zeigen zu k×nnen. Nur die sachgemÅße Einsicht in diesen Unterschied garantiert die differenzierte Bestimmung des VerhÅltnisses von „GegenÛber und NÅhe“ Gottes (ebenfalls vom Verfasser als Begriffspaar eingefÛhrt). Erst dann lassen sich vor dem Hintergrund der genannten Differenzierungen die Eckpunkte einer dem Wesen Gottes und der Kirche gemÅßen Analogie zwischen trinitarischer und ekklesiologischer Koinonia finden (VI,1.4). Im Ausblick (VI,2) kommt zur Sprache, welche Bedeutung der erarbeitete Rahmen kriteriologischer Differenzierungen und VerhÅltnisbestimmungen fÛr die inner- und interkonfessionellen BemÛhungen um ×kumenische Perspektiven der Ekklesiologie und um ein konvergentes Einheitskonzept erhalten k×nnte. Gleichzeitig werden die – ekklesiologisch relevanten – Implikationen der trinitarischen Selbsterschließung Gottes fÛr andere zentrale To-

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poi wie die missionarische Dimension, das VerhÅltnis von Kirche und Welt oder den Dialog mit anderen Religionen er×rtert. Daraus geht hervor, daß sich die von der gemeinsamen Basis neunizÅnischer Theologie abgeleiteten Differenzierungen auch als kriteriologischer Rahmen fÛr ein gemeinsames MissionsverstÅndnis sowie fÛr die gemeinsame Weltverantwortung und den interreligi×sen Dialog anbieten (VI. KAPITEL).

I. Kapitel: Die TrinitÅtslehre als Herausforderung fÛr Kirche und °kumene 1. Das VerhÅltnis von TrinitÅtslehre und Theologie als hermeneutische Herausforderung In großen Teilen der abendlÅndischen Theologie ist die Funktion der TrinitÅtslehre fÛr die Dogmatik lange Zeit nahezu bedeutungslos gewesen. Entsprechend verhÅlt es sich mit der Relevanz des trinitarischen Bekenntnisses fÛr das Glaubensleben, das abgesehen von einer respektierten liturgischen Funktion des Bekenntnisses zum dreieinigen Gott wenig trinitarisches Bewußtsein aufweist.1 Die aus dem sittlichen Monotheismus Immanuel Kants erwachsene Anschauung, daß sich aus „der Dreieinigkeitslehre [. . .] schlechterdings nichts fÛrs Praktische machen“2 lÅßt, findet ihren Niederschlag auch in der Theologiegeschichte. WÅhrend sich Kants Urteil auf seine Auffassung von der Unerreichbarkeit Gottes fÛr die reine Vernunft grÛndete, nach der er den Gottesgedanken lediglich als regulative Idee bzw. als moralphilosophisches Postulat betrachtete, lag die Ursache der verbreiteten Wirkungslosigkeit des trinitarischen Dogmas in der Theologiegeschichte zumeist in der Isolation der TrinitÅtslehre innerhalb der Gotteslehre. Vor allem die durch Thomas von Aquin vollzogene Teilung der Traktate „De Deo uno“ und „De Deo trino“ sowie die damit verbundene Vorordnung der monotheistischen Wesenseinheit Gottes und ihrer Erkennbarkeit durch die natÛrliche Offenbarung fÛhrten dazu, daß die TrinitÅtslehre zu einem zusÅtzlich offenbarten AnhÅngsel wurde. Das theistisch-monotheistische Denken ließ die TrinitÅtslehre nur noch als theoretischen Zusatz erscheinen. Dadurch geriet sie sowohl in der Dogmatik als auch im kirchlichen Leben in eine „splendid isolation“, die ihre Funktionslosigkeit zur Folge hatte.3 „Auf der Basis solcher theologischer Optionen konnte sich eine in sich

1 Vgl. E. JÛngel: VerhÅltnis, S. 354, und G. Greshake: Gott, S. 15: „Das ausdrÛckliche Bekenntnis zum dreieinigen Gott scheint ein geheiligtes, ritualisiertes Relikt zu sein, das man zwar im allgemeinen nicht leugnet, sondern in kirchlicher Homologie und liturgischem Gestus mitvollzieht, das aber den pers×nlichen existenziellen Glaubensakt und erst recht das Existenzund WeltverstÅndnis kaum prÅgt.“ 2 I. Kant: Streit, S. 33. – Zu Kants Ansatz s. u., S. 197 f. 3 Vgl. K. Rahner: Gott, S. 319 ff.; B. J. Hilberath: Gott, S. 58. – Zu Thomas von Aquins Ansatz s. u., S. 157 ff.

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weitgehend geschlossene Lehre von Gottes ewigem dreieinem Wesen und Leben entwickeln, die nicht in einem lebendigen RÛckbezug zur Lehre von der dreieinen Oikonomia“4 bzw. zur Heilsgeschichte des dreieinigen Gottes stand. Auch das aus der griechischen Philosophie oft undifferenziert Ûbernommene Axiom von der LeidensunfÅhigkeit Gottes (Apathieaxiom) und die Lehre von den ungeteilten g×ttlichen Werken „nach außen“ (ad extra), die den jeweiligen trinitarischen Personen lediglich zugeeignet (appropriiert) seien, wirkten sich auf das ZurÛckdrÅngen der heilsgeschichtlichen und soteriologischen Wirksamkeit der TrinitÅtslehre aus.5 Ist angesichts dieser spekulativ-metaphysischen Orientierungsmuster durchaus festzuhalten, daß die TrinitÅtslehre „seit alters her zwei Seiten“ hat, „die philosophische und die biblische bzw. die spekulative und die heilsgeschichtliche Seite“, so bleibt doch „die Frage, von welcher Seite man ausgehen muß und welche Seite das Subjekt und welche das PrÅdikat sein soll“6. Im „Nach-denken“ der biblisch-heils×konomischen Offenbarung vollzieht sich ein berechtigtes spekulatives Denken, wÅhrend der in dieser Untersuchung gemeinte Bedeutungsgehalt unter „Spekulation“ ein Denken versteht, das den umgekehrten Weg geht, indem es auf der Grundlage eigener philosophischer und weltanschaulicher PrÅmissen Vorstellungen und Analogien in bezug auf Gott entwirft und diese auf Gott ÛbertrÅgt.7 Mit der PrioritÅt fÛr eine derartige spekulative und metaphysische Hermeneutik in der Gotteslehre verlor die heilsgeschichtliche Offenbarung des in sich lebendigen und als vollkommene Liebe existierenden dreieinigen Gottes ebenso an Geltung wie Gottes LiebesverhÅltnis zu den Menschen. „So hat die faktische SelbstÛberlassung der christlichen Theologie an die Metaphysik im Bereich der Gotteslehre nicht nur dazu gefÛhrt, daß die TrinitÅtslehre fÛr das Ganze der Theologie und die christliche Lebenspraxis funktionslos geworden ist, sondern auch dazu, daß Gott nicht mehr als das Leben und die Liebe ausgesagt werden kann.“8 Diese Tendenz, die unbeschadet der Metaphysikkritik Kants aufgrund deren Verankerung in der Vernunftautonomie bestehen blieb, wurde durch den Einfluß Friedrich Daniel Ernst Schleiermachers verstÅrkt. Schleiermacher setzte Kant zwar die schlechthinnige AbhÅngigkeit des Menschen von W. L×ser: TrinitÅtstheologie, S. 22 f. Vgl. E. JÛngel: Gott, S. 85, 508, 511; K. Rahner: Gott, S. 322. 6 J. Moltmann: Einheit, S. 98. 7 Vgl. B. G. Langemeyer: Einheit, S. 311 ff.; E. Schlink: Dogmatik, S. 759. Auch fÛr W. Kasper: Gott, S. 376, ist mit dem angemessenen „intellectus fidei [. . .] kein rationalistisches Verstehen gemeint, ein Verstehen unter dem Maßstab und im Rahmen der menschlichen ratio, die damit gegenÛber dem Glauben das Gr×ßere und Umfassendere wÅre, das als Maßstab dienen k×nnte. Es geht vielmehr um ein Begreifen aus dem Glauben und um ein Verstehen im Glauben, das nicht aus dem Glauben heraus in ein vermeintlich h×heres Wissen hineinfÛhrt.“ 8 W. L×ser: TrinitÅtstheologie, S. 32. 4 5

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Gott entgegen, aber er vertrat aufgrund der Erschließung der Gotteserkenntnis aus der Bestimmtheit des GefÛhls und dem unmittelbaren Selbstbewußtsein einen sabellianischen Modalismus, der nur verschiedene Erscheinungsweisen (modi) des einen g×ttlichen Geistes im menschlichen GefÛhl beinhaltete und somit ebenfalls keine primÅre Bezugnahme auf die heils×konomische Offenbarung Gottes zuließ. Im Blick auf die altkirchliche TrinitÅtslehre bemerkte Schleiermacher deshalb, es k×nne nicht Aufgabe der Dogmatik sein, festhalten zu wollen, „was in der ×ffentlichen kirchlichen Mitteilung schon ganz antiquiert ist“9. Daher stellte Schleiermacher die TrinitÅtslehre am Schluß seiner Glaubenslehre neu zur Disposition, indem er zu ihrer sabellianisch und damit modalistisch orientierten Umbildung aufforderte.10 Zum Verfall der TrinitÅtslehre trug schließlich auch das Aufkommen der radikalen historischen Kritik bei. Diese fÛhrte zur Elimination des Johannesevangeliums als primÅrer historischer Quelle und zu Adolf von Harnacks These, die Geschichte des trinitarischen Dogmas stelle einen Hellenisierungsprozeß dar und sei somit eine Geschichte der Abkehr von den christlichen UrsprÛngen.11 Unter neukantianischem Einfluß, der sich im 19. Jahrhundert in der protestantischen und katholischen Theologie bemerkbar machte, gab Albrecht Ritschl in Anlehnung an den sittlichen Religionsbegriff die Wahrheit von der TrinitÅt gÅnzlich auf. In gleicher Tradition lehnte Wilhelm Herrmann jeden Anspruch auf allgemeine und theoretische GÛltigkeit der Gottesaussagen ab.12 Deswegen Ûberrascht es nicht, daß im Blick auf die TrinitÅtslehre unter Theologen aller Konfessionen die ºberzeugung aus Ludwig Wittgensteins „Tractatus logico-philosophicus“ Verbreitung fand: „Wovon man nicht sprechen kann, darÛber muß man schweigen.“ (Nr. 7)13 Weil sich die abendlÅndische Theologie somit vielfach durch anthropozentrisch oder metaphysisch orientierte AnsÅtze von der Ausrichtung an der heilsgeschichtlich offenbarten TrinitÅt entfernt hatte, stand sie der vom Theismus zum Atheismus fÛhrenden Entwicklung, die aus der Metaphysik-

9 F. D. E. Schleiermacher: Darstellung, S. 78 (§ 205). Vgl. ferner J. Moltmann: TrinitÅt, S. 18 f.; K. Rosenthal: Bemerkungen, S. 132 f.; I. Lønning: Art. „Gott VIII“, S. 684 ff. – Zu Schleiermachers Ansatz s. u., S. 204 f. 10 E. Lessing erkennt darin einen zu wenig beachteten Zugang Schleiermachers zur TrinitÅtslehre, der auch in Schleiermachers Glaubenslehre Spuren hinterlassen hat (vgl. E. Lessing: VerstÅndnis). 11 Vgl. A. von Harnack: Lehrbuch I, S. 496–796. Vgl. ferner W. Pannenberg: Theologie I, S. 316 ff.; W. Trillhaas: Theologie, S. 91 f.; G. Gaßmann: Zusammenspiel, S. 302; K. Rosenthal: Bemerkungen, S. 133. 12 Vgl. L. Scheffczyk: Formulierung, S. 199; I. Lønning: Art. „Gott VIII“, S. 687. 13 Vgl. zur EinschÅtzung dieser Situation E. JÛngel: Gott, S. 340. Zur Gesamtentwicklung im 19. Jahrhundert siehe Kap. III,3.

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kritik resultierte, oft hilflos gegenÛber. Denn das auf eigenen spekulativen Voraussetzungen beruhende „G×ttlich-Absolute entschwindet ins Inhaltslose und Unsagbare und schlÅgt in Atheismus um, wenn es nicht selbst als Du, als personale Liebe gedacht wird, als welche es sich freilich nur selbst erweisen, selbst offenbaren kann“14. Diesem PhÅnomen hatte weder die in der Anthropologie noch die in der Metaphysik verwurzelte spekulative Hermeneutik einer unitarisch-monotheistischen Gotteslehre etwas entgegenzusetzen. Vielmehr war sie selbst dem von Ludwig Feuerbach geÅußerten Verdacht der Projektion eigener Gottesspekulationen ausgesetzt, da sie sich nicht auf die heilsgeschichtliche Selbstaussage Gottesbezog.15 „In dieser nicht mehr zu steigernden Zuspitzung hat sich der europÅischen Christenheit im 19. Jh. der Atheismus so tief ins Bewußtsein geprÅgt, daß er im weiteren als beunruhigende Herausforderung an alle theologischen DenkbemÛhungen nicht mehr zu verdrÅngen ist.“16 Was nach Leo Scheffczyk schon bei den mystischen trinitarischen Fr×mmigkeitsaufbrÛchen an der Schwelle zur Neuzeit und wÅhrend der TÛrkenkriege des 17. Jahrhunderts zu beobachten war, daß sich „im Augenblick der GefÅhrdung des Christenglaubens die LebensmÅchtigkeit des Mysteriums“17 der TrinitÅt erweist, lÅßt bei genauerer Betrachtung auch die beschriebene Konfliktsituation des 19. Jahrhunderts erkennen. Deshalb muß die von Klaus Rosenthal Ûbernommene Feststellung Claude Welchs, „daß die TrinitÅtslehre im 19. Jahrhundert zu einer zweitrangigen Lehre wurde“18, relativiert werden. Denn die vorliegende Untersuchung wird zeigen, daß neue trinitÅtstheologische AufbrÛche im 19. Jahrhundert die Grundlage fÛr die Besinnung auf die TrinitÅtslehre zu Beginn des 20. Jahrhunderts (K. Barth) und fÛr die Versuche ihrer NeubegrÛndung in den letzten Jahrzehn-

14 W. Kasper: Gott, S. 78, der sich dort auf H. U. von Balthasar bezieht. Zum VerhÅltnis von Theismus und Atheismus vgl. ebd., S. 29–91, und M. L×hrer [u. a.] (Hg.): Mysterium, S. 288 ff., wo auch die komplexe Problematik der PersonalitÅt Gottes zur Sprache gebracht wird. – Zur Analyse der trinitÅtstheologischen Entwicklung im Abendland siehe Kap. III. 15 „Ohne Offenbarung wird das Denken allenfalls einen Gottesgedanken konstruieren, den es dann auch selber wieder zersetzen kann und zu seiner Zeit sogar zersetzen muß.“ (E. JÛngel: Gott, S. 212) Vgl. ebd., S. 3 ff. u. 203 ff.; vgl. ders.: Entsprechungen, S. 158 ff. Zur differenzierten Auseinandersetzung mit dem VerhÅltnis von Gotteslehre und Offenbarung sowie dem VerhÅltnis von natÛrlicher Theologie und Offenbarungstheologie s. u., bes. S. 129 ff., 179 ff., und siehe Kap. VI,1.1. Eine ausfÛhrliche Darstellung der Gestalt verschiedenster anthropologisch und metaphysisch orientierter theologischer EntwÛrfe findet sich bei B. Klappert: Tendenzen. Vgl. dazu auch die Er×rterungen zur theologischen Entwicklung hinsichtlich der Gotteslehre bei M. L×hrer [u. a.] (Hg.): Mysterium, S. 264 ff. – Zur Analyse der vom Theismus zum Atheismus fÛhrenden Entwicklung siehe Kap. III,3.1. 16 I. Lønning: Art. „Gott VIII“, S. 684. 17 L. Scheffczyk: Traditionen, S. 62. Vgl. ebd., S. 65. 18 K. Rosenthal: Bemerkungen, S. 133. Zur trinitÅtstheologischen Entwicklung im 19. Jahrhundert siehe Kap. III,3.2–3.4.

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ten (K. Rahner, E. JÛngel, J. Moltmann, D. Staniloae) schufen.19 Es kam in den letzten Jahrzehnten zu einem betrÅchtlichen trinitÅtstheologischen Aufbruch mit bedeutsamen Implikationen fÛr verschiedenste theologische Aspekte: „Erkennbar wÅchst derzeit theologisches Interesse an der trinitarischen Gotteslehre“20. Eine Besinnung auf die TrinitÅtslehre war zum einen wegen der zunehmenden Abwendung von der TrinitÅtslehre und der dadurch gegebenen Probleme mit dem Atheismus notwendig geworden und zum anderen aufgrund der Defizite, die zum Beispiel in den westlichen Konzeptionen der TrinitÅtslehre besonders die Pneumatologie und damit den dritten Artikel des Glaubensbekenntnisses betreffen.21 Hinsichtlich der beobachteten Abwendung von der TrinitÅtslehre bleibt festzuhalten, daß sie infolge der Metaphysikkritik bei Theologen und Laien zu einer verbreiteten Sprachlosigkeit in der Gottesfrage und so zur „Sprachlosigkeit der Theologie“22 gefÛhrt hat. „Die Zeiten mit einer anerkannten Gotteslehre und einer Ûberhaupt bekannten TrinitÅtslehre als der christlichen Gestalt der Gotteslehre scheinen vorbei, der Gebrauch des Wortes ‚Gott‘ aus dem Streit zwischen Christen und Atheisten in die Zone der Beliebigkeit geraten zu sein. Dabei muß, wenn von Gott unklar gesprochen oder undeutlich geschwiegen wird, die christliche Predigt und Unterweisung unglaubwÛrdig werden und zugleich die entscheidende Dimension des Menschseins verloren gehen.“23 Die Unsicherheiten hinsichtlich der christlichen Gotteslehre erschÛttern also das gesamte GefÛge von Theologie und Kirche. „Wenn bei einem so zentralen Lehrgehalt wie der TrinitÅtslehre die Auffassungen der Verantwortlichen von ‚h×chst relevant‘ bis ‚h×chst irrelevant‘ gehen, dÛrfte eine unertrÅgliche Orientierungskrise erreicht sein.“24 Eine von der Erzdi×zese MÛnchen durchgefÛhrte Befragung unter 1200 Ju-

19 Zur kritischen Analyse dieser Versuche siehe Kap. IV. Vgl. zur Situation in der zweiten HÅlfte des 20. Jahrhunderts W. Pannenberg: Probleme, S. 329; A. Peters: TrinitÅtslehre, Sp. 561; B. G. Langemeyer: Einheit, S. 310; W. Breuning (Hg.): TrinitÅt, S. 7 u. 47; A. I. C. Heron (Hg.): Trinity; C. Schw×bel (Hg.): Theology. – Zu den trinitÅtstheologischen AufbrÛchen im 19./20. Jahrhundert siehe Kap. III,3.2–3.4. 20 W. von Meding: Thesen, S. 233. Vgl. C. Schw×bel (Hg.): Theology, S. 1 (Schw×bel/Einleitung): „One of the most interesting developments in systematic theology in recent years has been a renewed interest in the doctrine of the Trinity and its implications for various aspects of Christian theology. [. . .] There is a rich variety of proposals for conceiving and reconstructing the doctrine of the Trinity“. 21 „Eine Neubesinnung auf die TrinitÅtstheologie war fÅllig, denn im Laufe der Jahrhunderte hatte die TrinitÅtslehre eine Entwicklung genommen, die nun Korrekturen als notwendig erscheinen ließ.“ (W. L×ser: TrinitÅtstheologie, S. 20) 22 E. JÛngel: Gott, S. 2. 23 J. Seim: „Gott“, S. 269. Vgl. M. D. Meeks: Gott, S. 44: „Das weitverbreitete Versagen der Kraft in unserer gegenwÅrtigen Theologie hat etwas mit unserer mangelnden Bereitschaft zu tun, in dem Konflikt der Gottesvorstellungen [. . .] trinitarisch zu denken.“ 24 G. R. Schmidt: Bedeutung, S. 92.

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gendlichen bestÅtigt, daß ein diffuses Gottesbild vorherrscht, in dem Elemente verschiedener Religionen und Weltanschauungen den pers×nlichen BedÛrfnissen entsprechend zusammengesetzt werden. Das erklÅrt zu einem nicht unerheblichen Teil die zunehmende Abwanderung aus den Kirchen in Sekten und esoterische Gruppierungen.25 Doch selbst auf theologischer Ebene – wie zum Beispiel im interreligi×sen Dialog – sind Åhnliche Unsicherheiten zu erkennen, so daß zur Debatte steht, „wie Christen heute angemessen von ‚ihrem‘ Gott, dem dreieinigen Gott des Glaubensbekenntnisses, so sprechen k×nnen, daß er als erfahrbarer und denkbarer Gott erscheint“26. Erschwert wird die L×sung dieses Problems durch den Umstand, daß die TrinitÅtslehre, die von ihren AnfÅngen an eigentlich „eine Hilfe fÛr die christlichen GlÅubigen“27 sein sollte, in vielen Kirchen nur noch als altehrwÛrdige Reliquie bzw. als Glaubensballast empfunden wird und von den meisten GlÅubigen nicht mehr nachvollzogen werden kann.28 „Die geringe SprachfÅhigkeit betrifft [. . .] die TrinitÅt wohl ganz besonders. Haben hier die kirchliche Praxis und ihre Theorie [. . .] im großen Stil oder, ernster ausgedrÛckt: in einem kirchenzerst×renden Ausmaß versagt?“29 Angesichts der damit aufgeworfenen Frage, „ob eine tiefere Besinnung auf das Wesen der TrinitÅt heute weiterhelfen kann zu einem verstÅndlicheren Reden von Gott“30, versuchten einige der in den letzten Jahrzehnten vorgestellten trinitarischen EntwÛrfe, die Heilsbedeutung und das praktische Gewicht der TrinitÅtslehre in Erinnerung zu rufen, indem sie bei der heilsgeschichtlich erkennbaren bzw. ×konomischen TrinitÅt einsetzten (K. Rahner, W. Kasper, E. JÛngel, J. Moltmann, D. Staniloae). Richtungweisend fÛr diese Entwicklung war das von Karl Rahner erstmals 1960 ver×ffentlichte Grundaxiom „Die ‚×konomische‘ TrinitÅt ist die immanente TrinitÅt und umgekehrt.“31 Durch die Wiederherstellung des Zusammenhangs von ×konomischer und immanenter (innerg×ttlicher) TrinitÅt beabsichtigte man, die Isolation einer spekulativen immanenten TrinitÅtslehre und ihre entsprechende heilsgeschichtliche und soteriologische Funktionslosigkeit zu Ûberwinden.32 Dahinter steht das Ziel, „in Auseinandersetzung mit den neo-

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Vgl. H.-J. Lauter: Kirche, S. 325. B. J. Hilberath: Gott, S. 58. 27 L. Vischer (Hg.): Geist, S. 12. 28 Zu dieser Feststellung kam auch die Konferenz EuropÅischer Kirchen 1982 auf einer Konsultation in Goslar (vgl. Forum 6/1983, S. 90). Vgl. ferner W. Kasper: Gott, S. 320; G. Ebeling: Dogmatik III, S. 530 f. 29 G. R. Schmidt: Bedeutung, S. 81. 30 H. Fritzsche: Gott, Sp. 3. Vgl. G. Larentzakis: KirchenverstÅndnis, S. 73 f. 31 K. Rahner: Bemerkungen/Traktat, S. 115. 32 „If discourse about the immanent Trinity and discourse about the economic Trinity are not shown to be constitutively related the history of salvation becomes largely irrelevant for the conception of the triune being of God in its immanent relations, and the trinitarian consti26

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gnostischen [und anderen weltanschaulichen] Str×mungen von heute vom trinitarischen Bekenntnis her eine spezifisch christliche Gesamtsicht der Wirklichkeit zu entwerfen“33. Denn aufgrund der im folgenden sich erweisenden fundamentalen Relevanz der TrinitÅtslehre gilt: „[. . .] the doctrine of the Trinity is the supreme symbolic summary of the grammar of the Christian perspective on God, world, human existence and history, and everything else“34. Gleichzeitig sollten die neuen Konzeptionen den trinitarischen Defiziten begegnen, die sich im Laufe der Zeit in den trinitarischen Konzeptionen der Kirchen des Westens – und des Ostens – herausgebildet haben. In bezug auf die abendlÅndischen Kirchen wird hÅufig von der „Geistvergessenheit“35 gesprochen, wobei jedoch zu berÛcksichtigen bleibt, „daß weder im Glaubensleben noch in der Glaubensreflexion von einer totalen Geistvergessenheit die Rede sein kann“36. Allerdings erfolgte erst mit der Besinnung auf die TrinitÅtslehre auch eine Besinnung auf die Pneumatologie, die auf protestantischer Seite entscheidende Impulse von Hendrikus Berkhof und auf katholischer Seite von Yves M. J. Congar erhielt.37 Einen weiteren pneumatologischen Aufschwung brachte die charismatische Erneuerungsbewegung, die sich seit 1960 im Anglikanismus, Protestantismus und Katholizismus entfaltet. Nicht zu vergessen ist außerdem das schnelle Wachstum der Pfingstkirchen.38 Doch es bleibt zu beobachten, daß sich diese oft enthusiastischen Bewegungen kaum auf die Theologie auswirken, wÅhrend sich die pneumatologische Besinnung auf theologischer Ebene zumeist in den traditionellen Linien bewegt, „sei es in der Fortsetzung der katholischen Gnadenlehre, sei es in der Erweiterung des protestantischen Schemas von ‚Wort und Geist‘“39. Somit erweisen sich die mit den Defiziten der westlichen TrinitÅtslehre ver-

tution of God’s being becomes irrelevant for the history of salvation.“ (C. Schw×bel [Hg.]: Theology, S. 6 [Schw×bel/Einleitung]) 33 W. Kasper: Gott, S. 321; vgl. ebd., S. 317–321. Vgl. ferner K. Rahner: Gott, S. 327 ff.; E. JÛngel: VerhÅltnis, S. 353 ff.; J. Moltmann: TrinitÅt, S. 144 ff.; W. Pannenberg: Probleme, S. 329; G. Larentzakis: KirchenverstÅndnis, S. 79 f. 34 I. U. Dalferth: Roots, S. 168. 35 Vgl. O. A. Dilschneider: Geist, S. 333; ders.: Art. „Heiliger Geist“, Sp. 520; U. Valeske: Geist, S. 242; W. Kasper (Hg.): Gegenwart, S. 7. 36 B. J. Hilberath: Pneumatologie, S. 447. Vgl. E. Lessing: Art. „Geist V“, S. 220, und J. Moltmann: Geist, S. 13 f., der einige Beispiele fÛr die wahrgenommene Bedeutung des Geistes nennt. Als Beispiel mag der Hinweis auf die Relevanz des Heiligen Geistes im Pietismus genÛgen (vgl. R. Landau: Art. „Geist VI“, S. 239). 37 Vgl. H. Berkhof: Theologie; Y. M. J. Congar: Geist. 38 Vgl. M. Welker: Geist, S. 20 ff.; J. Moltmann: Geist, S. 14 ff.; B. J. Hilberath: Pneumatologie, S. 448 f.; Wiederentdeckung, S. 27 ff. – Zur Bedeutung der Pfingstkirchen fÛr die ×kumenische Bewegung vgl. C. Dahling-Sander [u. a.] (Hg.): Pfingstkirchen. 39 J. Moltmann: Geist, S. 13.

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bundenen pneumatologischen Defizite als hartnÅckig. Die bei der Einheit des Wesens Gottes einsetzende psychologische TrinitÅtslehre Augustins, die Gott mit dem Selbstvollzug des menschlichen Geistes vergleicht und den Heiligen Geist als Geschenk (donum) des Vaters und des Sohnes sowie als Liebesband zwischen beiden versteht, fÛhrte dazu, daß der Heilige Geist in seiner EigenstÅndigkeit als trinitarische Person zurÛcktrat.40 Aufgrund der im Westen erfolgten EinfÛgung des „Filioque“ (Hervorgang des Geistes aus „Vater und Sohn“) in das altkirchliche Bekenntnis von 381 (NicaenoConstantinopolitanum) verstÅrkte sich diese Tendenz: der Heilige Geist wurde in dem GegenÛber von Gott und Welt, das durch die Betonung der intrapersonalen Einheit Gottes hervortrat, kaum noch in seiner eigenstÅndigen Funktion als Geber verstanden. In einseitiger Anbindung an die Christologie und die Gnadenlehre qualifizierte man ihn vorwiegend als Gabe, woraus sich spÅter die VernachlÅssigung des dritten Artikels ergab.41 Durch die wachsende Konzentration auf den zweiten Artikel trat die Bedeutsamkeit des Heiligen Geistes sowohl fÛr die Kosmologie (erster Artikel) als auch fÛr die Ekklesiologie und die Eschatologie (dritter Artikel) zurÛck.42 Hinzu kam die Angst der Kirchen vor schwÅrmerischen und enthusiastischen Bewegungen, wodurch der Geist eng an die kirchliche Institution gebunden wurde.43 Diese trinitÅtstheologischen und pneumatologischen Tendenzen haben das PhÅnomen verstÅrkt, das sich beim ZurÛckdrÅngen der TrinitÅtslehre beobachten lÅßt: Vielfach wird der christliche Glaube in den westlichen Kirchen – abgesehen von den neuen trinitarischen AufbrÛchen – faktisch „monotheistisch“44 bzw. unitarisch verstanden. Dabei bewirkt die Fixierung des Heiligen Geistes auf die Gnadenlehre seine Reduktion auf die Anthropologie sowie ein rationales GlaubensverstÅndnis, das besonders im Protestantismus an einer verarmten spirituellen Gottesdienst- und Glaubenspraxis zu erkennen ist. Oft sind – sich verselbstÅndigende – enthusiastische Str×mun40

S. u., S. 139 ff. Vgl. K. Lehmann: Heiliger Geist, S. 201; G. G. Blum: Oikonomia, S. 286 ff.; G. Sauter: Geist, S. 212; G. Barrios: Styles, S. 94 f., und N. A. Nissiotis: Theologie, S. 25 ff., der den westlichen Kirchen „Modalismus“ und „Filioquismus“ vorwirft. Vgl. zum Filioque-Problem die umfassende historische und systematische Analyse von B. Oberdorfer: Filioque. 42 Vgl. O. A. Dilschneider: Geist, S. 333. 43 Vgl. B. J. Hilberath: Pneumatologie, S. 446; J. Moltmann: Geist, S. 14. 44 Diese von K. Rahner und anderen gebrauchte Qualifizierung sollte in diesem Zusammenhang durch den Begriff „unitarisch“ ersetzt werden, da der trinitarische Glaube im Unterschied zur abstrakten Jenseitigkeit des Theismus und zur unvereinbaren Vielfalt des Polytheismus als „konkreter Monotheismus“ (W. Kasper: Gott, S. 382) zu bezeichnen ist, insofern als es um den Glauben an den einen Gott geht, der in sich lebendig ist, indem er als Vater, Sohn und Heiliger Geist existiert. W. Kaspers Rede vom „konkreten Monotheismus“ (1982) wurde bereits durch E. JÛngels Rede von Gottes „konkreter Einheit“ (1965) vorgebildet. Vgl. E. JÛngel: Gottes Sein, S. 41. 41

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gen oder das Abwandern in Sekten die Folge.45 Die primÅre Anbindung der Pneumatologie an den zweiten Artikel unterstÛtzt im Protestantismus individualistische und kognitive Tendenzen des Glaubenslebens (individualistische VergegenwÅrtigung der Gnade Christi) und fÛhrt zur UnterschÅtzung der Kirche als sichtbarer Gemeinschaft der Heiligen (dritter Artikel), was sich in einer reduktionistischen VerhÅltnisbestimmung von geglaubter und empirischer Kirche bzw. von Geist und Institution niederschlagen kann.46 Daran wird ersichtlich, welche Auswirkung die defizitÅre Pneumatologie auch auf die Ekklesiologie hinterlÅßt. Das zeigt sich ebenso im Katholizismus, wo durch die einseitige christologische Orientierung die Gefahr der Identifizierung von Christus und Kirche besteht (Christus prolongatus), da hier die Dimension der VergegenwÅrtigung Christi durch den Heiligen Geist zurÛcktritt, was bei gleichzeitiger VernachlÅssigung der Geistesgaben fÛr die einzelnen Christen hierarchische und juridische Strukturen begÛnstigt.47 Die trinitarischen und pneumatologischen Defizite sind somit Ursache – oder auch Folge – einer ungenÛgenden Bestimmung des VerhÅltnisses von „GegenÛber und NÅhe“48 zwischen Gott und Kirche, was sich auch in dem VerhÅltnis zwischen Gott und Mensch bzw. Welt widerspiegelt. WÅhrend im Protestantismus aus der Frontstellung gegen die selbstverg×ttlichende Verabsolutierung kirchlicher Strukturen im Mittelalter bis heute ein mangelndes Vertrauen auf die NÅhe des Heiligen Geistes in der sichtbaren Kirche resultiert, tritt im Katholizismus das GegenÛber von Christus und Kirche zurÛck, weil die jeweilige VergegenwÅrtigung Christi durch den Heiligen Geist vernachlÅssigt wird. Mit dem zu wenig ausgeprÅgten GegenÛber Gottes zur Kirche haben auch die Ostkirchen zu kÅmpfen, deren trinitarische Defizite jedoch unter einem anderen Vorzeichen stehen. Indem sie die Einheit des Wesens Gottes 45 Vgl. H. Aldenhoven: Unterscheidung, der die Defizite der westlichen SpiritualitÅt vor dem Hintergrund der apophatischen Dimension der ostkirchlichen SpiritualitÅt aufdeckt und die Gefahren benennt, die der defizitÅren SpiritualitÅt im Westen durch andere religi×se Str×mungen drohen. 46 Vgl. D. Papandreou: Ekklesiologie, S. 830, der in Anlehnung an L. Vischer aufweist, wie anfÅllig eine derartige ekklesiologische Konstellation fÛr den Zeitgeist ist. Zum Problem des Individualismus vgl. U. Valeske: Geist, S. 243; N. A. Nissiotis: Theologie, S. 28. 47 Vgl. W. Kasper (Hg.): Gegenwart, S. 19; H. Biedermann: Gotteslehre, S. 137 ff.; G. Pedersen: TrinitÅt, S. 622; N. A. Nissiotis: Theologie, S. 65. Zum VerhÅltnis von Geisterfahrung und Charisma vgl. A. Schindler: Charis, S. 235, und J. Moltmann: Gemeinschaft, Sp. 710: Das westliche pneumatologische Defizit „fÛhrte zur UnterschÅtzung der Charismata des Heiligen Geistes, die auf die ganze Gemeinde ausgegossen werden“. 48 Dieses Begriffspaar wird hier vom Verfasser eingefÛhrt, weil es fÛr das mit dem VerhÅltnis von Christologie und Pneumatologie verbundene VerhÅltnis von Gott und Kirche grundsÅtzliches Gewicht hat. Das wird der Verlauf der Untersuchung belegen. Zur differenzierten Er×rterung siehe Kap. VI,1.4.

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in der Ursprungslosigkeit des Vaters begrÛnden und allein die Erkennbarkeit der durch den Heiligen Geist vermittelten ungeschaffenen WirkkrÅfte bzw. Energien Gottes voraussetzen, entsteht eine primÅre Bezugnahme auf die Pneumatologie, wÅhrend die Christologie in den Hintergrund tritt. Diese Tendenz verfestigte sich, als die Orthodoxie in Reaktion auf das Filioque betonte, der Heilige Geist gehe „allein“ vom Vater aus.49 Aus der fehlenden christologischen Anbindung des Geistes erwÅchst die Gefahr, Geisterfahrung und eigene kirchliche Tradition zu identifizieren und somit das GegenÛber von Kirche und ihrem Haupt zu vernachlÅssigen. Wenn zum Beispiel Anastasios Kallis davon ausgeht, daß „die Kirche durch die Kraft des in ihr wohnenden Heiligen Geistes die Wahrheit als eine erlebte RealitÅt“50 verk×rpert, bleibt demgegenÛber festzuhalten: „Das Gebot der Wachsamkeit ist immer wieder einzuschÅrfen, weil ein unheiliger Geist sich an die Stelle des heiligen setzen kann.“51 Andererseits ließ die pneumatologische Ausrichtung der Ostkirchen ein reiches spirituelles und liturgisches kirchliches Leben entstehen, das eine Ûberwiegend rationale Glaubenshaltung verhinderte.52 Diese kurzen Hinweise auf defizitÅre Tendenzen ×stlicher und westlicher Theologie k×nnen nur einen ersten pauschalen Eindruck vermitteln, der im Laufe der Untersuchung hinsichtlich anderer Aspekte zu ergÅnzen und zu vertiefen ist, wodurch sich ein differenzierteres Bild ergibt, das Ûber die gelÅufigen gegenseitigen Verurteilungen hinausgeht. Die angedeuteten Defizite lassen aber erahnen, welche zentrale Stellung der TrinitÅtslehre fÛr Theologie, Kirche und °kumene zukommt. In diesem Zusammenhang ist zunÅchst zu bedenken, daß das Wort „Gott“, so wie es in der Tradition und im allgemeinen Sprachgebrauch verstanden wird, „nicht eine Frage neben anderen Fragen beantworten“ will. Deshalb wird mit dem Gottesbegriff „die Antwort auf die Frage in allen Fragen“53 verbunden. Diese Antwort kann auch in der atheistischen Ablehnung des Gottesbegriffs liegen, die ihre Antwort wiederum im Menschen bzw. in einem verabsolutierten Anthropozentrismus zu finden glaubt (F. Nietzsche). Daher ist es berechtigt, diesbezÛglich von einer Form der Selbstverg×ttlichung zu sprechen, insofern man vom Bedeutungsgehalt des

49 Vgl. N. A. Nissiotis: Theologie, S. 22, der selbstkritisch den damit verbundenen Patromonismus aufzeigt. Vgl. insgesamt ebd., S. 32 ff.; A. Kallis: Art. „Kirche V“, S. 252 ff.; H. Biedermann: Gotteslehre, S. 132 ff. Zur Energienlehre vgl. H. Aldenhoven: Unterscheidung; D. Staniloae: Gott, S. 440. 50 A. Kallis: Art. „Kirche V“, S. 257. 51 E. Lessing: Art. „Geist V“, S. 226. 52 Vgl. G. Larentzakis: Kirche, S. 112 ff. 53 W. Kasper: Gott, S. 15. Zur „in der Fraglichkeit sich dokumentierende[n] Selbsttranszendenz des Menschen“ vgl. M. L×hrer [u. a.] (Hg.): Mysterium, S. 304 ff. (Zitat S. 306).

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Gottesbegriffs ausgeht. Weil Gott im bedeutungsgebenden sprachlichen Zusammenhang von der Tradition zumeist als schlechthin Ûberlegenes, unÛberbietbares und unbegreifliches Wesen verstanden wurde, war auch die religi×s orientierte Denkbarkeit Gottes aufgrund der postulierten Unerreichbarkeit Gottes der Vereinnahmung durch menschliche Spekulation ausgeliefert.54 Das wiederum kann zu einer verdeckten Selbstverg×ttlichung fÛhren, da Gott in seiner Unerreichbarkeit den Definitionen und Ableitungen menschlicher Gottesvorstellungen unterworfen wird. BerÛcksichtigt man also, daß das Wort „Gott“ als Zeichen (signum) fÛr eine bezeichnete Sache (res significata) durch derartige Definitionen noch keine verlÅßlichen Aussagen erm×glicht, und geht man davon aus, daß der Mensch als weltoffenes und selbstreflexives sowie durch Sprache konstituiertes Wesen existiert, das letztlich nicht Ûber seine Existenz verfÛgt und so Ûber sich hinausweist, dann ist das Wort „Gott“ als Sprachereignis (notae praesentis rei) zu verstehen, in dem der Mensch mit dem GegenÛber verbunden wird, von dem die Rede ist.55 So wird einsichtig, daß „Gott [. . .] nur durch Gott erkannt und anerkannt werden“ kann, zumal er sich als Wortgeschehen selbst aussagt („das Wort ward Fleisch“ – Joh 1,14). Deshalb bedarf es der Orientierung an der Selbstmitteilung bzw. Selbsterschließung Gottes, in der es „um die Offenbarung des einen Geheimnisses der sich durch Jesus Christus im Heiligen Geist selbst mitteilenden Liebe Gottes des Vaters“56 geht. Denn Gott wird in allen Konfessionen in Gebet und Lobpreis trinitarisch angeredet sowie im Bekenntnis entsprechend bekannt, weil sich Gemeinschaft mit dem Vater im Gottesdienst durch den Heiligen Geist im Sohn vollzieht und Gott sich in der Heilsgeschichte sowie im Evangelium als Beziehungseinheit zwischen Vater, Sohn und Heiligem Geist erweist und zusagt. „Die Offenbarung [. . .] ‚trÅgt das trinitarische Siegel in ihrer Bewegung hin zum Menschen und in der Antwort der Menschheit an Gott‘.“57 Daß mit dieser Hinwendung zur ×konomischen TrinitÅt noch lÅngst nicht alle Probleme in bezug auf die Offenbarung Gottes ausgerÅumt sind, belegt der folgende Hinweis Walter Kaspers: „Der Weg jenseits von Theismus und Atheismus, wie ihn gegenwÅrtig viele maßgebende Vertreter der evangelischen Theologie versuchen, ist freilich vor den dem Theismus droVgl. E. JÛngel: Gott, S. 6–8; W. Kasper: Gott, S. 14 ff. Vgl. zur Transzendenz des Menschen W. Kasper: Gott, S. 16. Zur sprachlichen Funktion des Gottesbegriffs vgl. E. JÛngel: Gott, S. 3 ff., und zur sprachlichen Konstitution des Menschen s. u., S. 270 f. u. 395 f. Insgesamt vgl. Kap.VI,1.1. 56 W. Kasper: Gott, S. 165. Zur detaillierten BegrÛndung dieses Gedankengangs s. u., S. 84 f., 95 ff., 122, 129 f., 179 ff., 207 ff., 263 ff., und siehe Kap. VI,1.1. – Zur terminologischen Bewertung der Begriffe „Selbstmitteilung“ und „Selbsterschließung“ s. u., S. 263 f. Als ErlÅuterung und differenzierte Er×rterung dazu s. u., bes. S. 82 ff., und siehe Kap. VI,1.1. 57 G. R. Schmidt: Bedeutung, S. 88. Vgl. C. Schw×bel: TrinitÅtslehre, S. 140 u. 143, und J. B. Torrance: Doctrine, S. 3 ff. 54 55

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henden Gefahren nur dann gefeit, wenn er das Kind nicht mit dem Bade ausschÛttet, wenn er also die Fragen des Atheismus nicht unter Umgehung der Probleme der natÛrlichen Theologie durch einen unmittelbaren Sprung in einen vermeintlich radikalen Glauben beantwortet“58. Der Untersuchung ist somit auch die Aufgabe gestellt, zu analysieren, wo die Differenzen im VerhÅltnis von Gotteslehre und OffenbarungsverstÅndnis liegen und wie sie zu Ûberwinden sind. In diesem Zusammenhang geht es nicht nur um Fragen nach dem VerhÅltnis von natÛrlicher Theologie und Offenbarungstheologie oder von g×ttlicher Selbsterschließung und weltlichen AnknÛpfungspunkten (Spuren der TrinitÅt in der Sch×pfung: vestigia trinitatis), sondern es wird zugleich danach zu fragen sein, welchen Erkenntnisgrad es angesichts der Voraussetzung geben kann, daß es sich bei der TrinitÅt um ein Mysterium handelt. Wie die Gottesfrage die Grundfrage eines jeglichen religi×sen Existenzund WeltverstÅndnisses darstellt und wie „Gott [. . .] das eine und das einende Thema der Theologie“59 ist, so beinhaltet die aus der Heilsgeschichte erwachsene TrinitÅtslehre „die unÛberbietbare L×sung der Gottes- und Wahrheitsfrage“60. Denn Gott hat sich Ûber Jahrtausende hinweg gegen die spekulativen Selbstverg×ttlichungsversuche der Menschen selbst offenbart. Im Alten und Neuen Testament finden sich die Belege der Geschichte dieser Offenbarung, die zu unterschiedlichsten Zeiten an unterschiedliche Menschen erging und dennoch eine klare KontinuitÅt erkennen lÅßt. Ein vergleichbares Offenbarungszeugnis hat die Weltgeschichte nicht aufzuweisen. Als Inbegriff des christlichen Glaubens bildet das dieser Offenbarungsgeschichte entsprechende TrinitÅtsdogma das unverzichtbare Zentrum von Theologie und Kirche, weshalb „der Glaube an den dreifaltigen Gott nicht ein TeilstÛck des christlichen Glaubens ist, sondern dessen Herzmitte und der Fluchtpunkt all seiner Einzelmomente“: „Im Herzen des christlichen Glaubens steht das Bekenntnis zum dreieinen Gott und dessen dreifaltigem Heilswirken.“61 Entsprechend erweist sich die TrinitÅtslehre „als Integral des WirklichkeitsverstÅndnisses des christlichen Glaubens“62, weil sie die unterschiedlichen Aussagen Ûber Gott als Sch×pfer, Vers×hner und Vollender differenziert zusammenbringt und so „der SchlÛssel zum Verstehen der ganzen Wirklichkeit wird“63, wobei sie die Spuren der TrinitÅt in der Er-

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W. Kasper: Gott, S. 382. Ebd., S. 13. 60 W.-D. Hauschild: Dogma, S. 39. 61 G. Greshake: Gott, S. 15 u. 23 (erstes Zitat). 62 C. Schw×bel: TrinitÅtslehre, S. 152. 63 G. Greshake: Gott, S. 24. Vgl. zum Nachweis der vestigia trinitatis ebd., S. 38 ff. u. 244 ff., und den Entwurf von W. Pannenberg, der die Relevanz der TrinitÅt fÛr Geschichte und Kosmologie er×rtert (vgl. W. Pannenberg: Theologie I-III; ders.: Anthropologie, und ders.: Gott). 59

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fahrungswirklichkeit und in der Sch×pfung (vestigia trinitatis) aufhellt. Wird die TrinitÅtslehre nicht in dieser angemessenen Weise wahrgenommen, l×sen die Christen ihren eigenen christlichen Gottesbegriff nicht ein: Die Kirche „verl×re [. . .] ihr Sein als Kirche Jesu Christi, wenn sie die in dem Dogma formulierte Sache, die spezifisch christliche Gotteslehre, nicht mehr akzeptierte und Ûberzeugend zur Darstellung brÅchte. DafÛr ist die gelebte kirchliche Praxis mindestens genauso entscheidend wie die formale Rezeption der Symbola“64. Denn christlicher Glaube „ist ganzheitliche Bestimmtheit durch die Sanctissima Trinitatis“65. Aufgrund der durchgehend trinitarischen PrÅgung des Gottesdienstes kann mit den Worten einer Studienkommission des Britischen Kirchenrates konstatiert werden: „Die Beziehung zu dem Dreieinigen Gott gibt dem christlichen Kult seine unterscheidende Gestalt und kennzeichnet ihn gegenÛber anderen Arten von Kult.“66 Diese Grundlage gilt fÛr alle Kirchen, da das „trinitarisch-sakramentale VerstÅndnis des christlichen Kultes [. . .] quer durch die Konfessionen“67 geht. Deshalb ist vorauszusetzen, daß der christliche Glaube trotz aller Phasen der Abwendung von der TrinitÅtslehre implizit von seiner trinitarischen Verwurzelung getragen bleibt: „Christlicher Glaube trÅgt stets, mag sich der einzelne GlÅubige dessen bewußt sein oder nicht, trinitarische Struktur.“68 Von daher bildet die trinitarische Struktur grundsÅtzlich „eine Art Grammatik des Glaubens. Wenn der Gebrauch der Muttersprache auch ohne Kenntnis der Grammatik deren Regeln folgt, so ist christlicher Glaube auch ohne Kenntnis der TrinitÅtslehre immer schon trinitarisch. Wie aber GramSowohl Greshake als auch Pannenberg stehen allerdings in der Gefahr prinzipialisierender Tendenzen, weil sie gelegentlich zu undeutlich zwischen der Struktur trinitarischer Wirklichkeit Gottes und den Strukturen der vestigia trinitatis unterscheiden. Zu dieser Problematik s. u., S. 269 u. 331 f., und siehe Kap. VI,1.1, sowie Anm. 241, IV. Kap., u. Anm. 410, V. Kap. Wie gefÅhrlich sich eine mangelnde Unterscheidung zwischen g×ttlichen und menschlichen Strukturen auswirken kann, zeigt der religionswissenschaftliche Entwurf von R. Panikkar. Dessen „kosmotheandrische Schau [. . .] betrachtet die Wirklichkeit in ihrer Gesamtheit als die vollstÅndige TrinitÅt, die aus einer g×ttlichen, einer menschlichen und einer kosmischen Dimension besteht“ (R. Panikkar: TrinitÅt, S. 8). 64 W.-D. Hauschild: Dogma, S. 48. Vgl. C. Gestrich: Beitrag, S. 156 f.: „Der Skandal liegt darin, daß die Christen ihren eigenen christlichen Gottesbegriff sozusagen nicht einl×sen, sondern einem bestenfalls alttestamentlichen Gottesbegriff oder einem philosophisch-metaphysischen Gottesbegriff verhaftet bleiben – und dies oft, ohne es selbst zu merken.“ Vgl. ferner J. M. Lochman: Lebensbezug, S. 240: „Der ‚dreieinige Gott‘ ist der christliche Gottesbegriff.“ Vgl. ferner I. Lønning: Art. „Gott VIII“, S. 669: „Das Proprium christlicher Gotteslehre war, ist und bleibt die trinitarische Aussagestruktur“. Vgl. D. Ritschl: Logik, S. 181, der die TrinitÅtslehre nicht als „Spezialgebiet“ der Gotteslehre, sondern als deren gesamten „Erkenntnisrahmen und Inhalt“ bezeichnet. Vgl. ders.: Art. „TrinitÅt“, Sp. 1177. 65 G. R. Schmidt: Bedeutung, S. 86. 66 Zitiert ebd., S. 94. 67 Ebd., S. 95. 68 Ebd., S. 87.

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matikkenntnisse den Gebrauch der Muttersprache verbessern, so kann die Reflexion seiner trinitarischen Struktur den Glauben vertiefen.“69 Die praktische Bedeutung der TrinitÅtslehre ist also neu zu erhellen, weil die TrinitÅtslehre als „Summe des ganzen christlichen Heilsmysteriums [. . .] zugleich dessen Grammatik“70 ist und somit „das Urgeschehen“ bezeichnet, „auf das hin erst die Welt christlich zur Erfahrung kommen kann“71. „Es ist dies also ein Geschehen, in dem wir schon drin sind, aus dem keiner aussteigen kann, von dem man nicht abstrahieren und Ûber dessen M×glichkeit philosophieren kann [. . .]. Das trinitarische Bekenntnis tritt dabei allen restriktiven EntwÛrfen von Wirklichkeit entgegen, die vom Boden der uns einsichtigen (Teil-)Wirklichkeit ausgehend, diese dem hermeneutischen BemÛhen verbindlich als Maß des Wirklichen vorordnen.“72 Gegen jegliche philosophischen, weltanschaulichen oder religi×sen PrÅmissen beansprucht das trinitarische Heilsmysterium seine zentrale und praktische Funktion fÛr die Gotteslehre, die Ekklesiologie, die Anthropologie, das VerhÅltnis von Kirche und Welt sowie fÛr den interreligi×sen Dialog, zumal „die ‚vestigia trinitatis‘ als kreatÛrliche Grundstrukturen und Urdynamismen aufzudekken“73 sind – jedoch nur im Sinne ihres Hinweischarakters und nicht als trinitarische Prinzipialisierung74. Im Blick auf die Gotteslehre und die Ekklesiologie wurde bereits angedeutet, welche gravierenden Konsequenzen eine defizitÅre TrinitÅtslehre mit sich bringt. Solche Konsequenzen ergeben sich ebenso fÛr die Anthropologie und die Weltverantwortung. Erst die trinitarisch begrÛndete Gemeinschaft zwischen Gott und Mensch bewahrt auch unter anthropologischem Aspekt vor falschen Identifizierungen und erm×glicht die Differenziertheit menschlichen Daseins vor Gott. So sind zum Beispiel Formen idealistischer Philosophie, die den Geist in der Gleichsetzung von Geist und Vernunft als Inbegriff der reinen SubjektivitÅt und deren Selbstbestimmung verstehen, nur durch eine angemessen trinitarisch strukturierte Pneumatologie zu

Ebd., S. 89. W. Kasper: Gott, S. 378. Vgl. K. Rahner: Gott, S. 327. 71 H. Fritzsche: Gott, Sp. 7. Vgl. I. U. Dalferth: Roots, S. 167: „Therefore the doctrine of the Trinity is not merely the summary grammar of Christian talk and thought about God. It is the regulative framework of the whole Christian life.“ 72 F. Schmid: ErwÅgungen, S. 62 f. 73 G. Greshake: Gott, S. 43. Zum VerhÅltnis von TrinitÅt und Sch×pfung vgl. C. E. Gunton: Relation. Vgl. zur zentralen hermeneutischen Funktion des trinitarischen Mysteriums G. Larentzakis: KirchenverstÅndnis, S. 74 u. 79; ders.: Kraft, S. 62; J. Werbick: TrinitÅtslehre, S. 573; J. Moltmann: TrinitÅt, S. 208 ff., und C. Schw×bel (Hg.): Theology, S. 1 (Schw×bel/Einleitung): „Trinitarian theology therefore appears to be a summary label for doing theology that effects all aspects of the enterprise of doing theology in its various disciplines.“ 74 Zum Charakter der vestigia trinitatis und zu ihren entsprechenden Grenzen und M×glichkeiten fÛr die Gottes- und Welterkenntnis s. u., S. 465 ff. u. 469 ff. 69 70

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Ûberwinden. Diese beinhaltet die M×glichkeit, GegenÛber-Sein und NÅhe des Heiligen Geistes zugleich zu gewÅhrleisten, indem sie „Gottes SeinK×nnen in oder bei Anderem“75 zur Sprache bringt. „Nur eine trinitarische Anthropologie vermag die an ihr Ende gelangte neuzeitliche Anthropologie des [sich selbst verg×ttlichenden] Ego zu Ûberwinden“76. Diese Einsicht zielt auch auf die ethischen und gesellschaftspolitischen Implikationen der TrinitÅtslehre, da menschliche Gemeinschaft, die Gottes Einheit in Vielfalt entspricht, sowohl dem Individualismus als auch dem Kollektivismus widersteht. „Denn der westliche Personalismus hat sich bis heute mit dem Monotheismus alliiert, wÅhrend der ×stliche Sozialismus religi×s betrachtet weniger eine atheistische, als vielmehr eine pantheistische Grundlage hat. [. . .] FÛr die heute notwendige Konvergenz auf eine wahrhaft ‚menschliche‘ Gesellschaft hin kann die christliche TrinitÅtslehre eine erhebliche Rolle spielen.“77 Dabei wird es jedoch darauf ankommen, daß die zumeist exklusiv angewandten Analogien der psychologischen (Augustin) und der sozialen (Gregor von Nazianz) TrinitÅtslehre ins rechte VerhÅltnis zueinander gebracht werden, damit die trinitarische Abbildlichkeit des Menschen vollauf verwirklicht wird.78 Hierin liegt auch die Voraussetzung fÛr die Unterbindung der von Erik Peterson nachgewiesenen Verquickung unitarisch-monotheistischer Gottesvorstellungen mit politischer Monarchie.79 Neben politisch-monarchischen Einseitigkeiten vermag eine differenzierte TrinitÅtslehre auch vor einseitig geschlechtsspezifischer patriarchalischer Vereinnahmung sowie vor Ûberzogenen Gegenreaktionen extremer feministischer AnsÅtze zu bewahren, da sie – unter BerÛcksichtigung der biblisch bezeugten „weiblichen“ ZÛge Gottes – einseitige anthropomorphe Zuordnungen transzendiert.80 Eine im trinitarischen Denken wurzelnde partizipa-

75 E. Lessing: Art. „Geist V“, S. 232. Vgl. F. Schmid: ErwÅgungen, S. 70; G. Sauter: Geist, S. 217, und W.-D. Hauschild: Geist, der die altkirchliche Diskussion zu dieser VerhÅltnisbestimmung analysiert. 76 H. Heinz: Variationen, S. 342. 77 J. Moltmann: TrinitÅt, S. 217. 78 Vgl. J. Moltmann: Gemeinschaft, Sp. 708 ff., der sich einseitig auf die soziale TrinitÅtslehre stÛtzt. Vgl. ferner L. Scheffczyk: Traditionen, S. 66; B. G. Langemeyer: Einheit, S. 314. 79 Vgl. E. Peterson: Monotheismus. Zur Diskussion der 1935 von Peterson vorgelegten Analyse vgl. A. Schindler (Hg.): Monotheismus. Vgl. ferner J. Moltmann: TrinitÅt, S. 208 ff., und J. M. Lochman: Lebensbezug, S. 244 f., die auf die aktuelle Bedeutung dieser gesellschaftspolitischen Implikationen der Gotteslehre hinweisen. 80 Vgl. M. L×hrer [u. a.] (Hg.): Mysterium, S. 314 ff. „Was es um den Vaternamen ist, hat man der biblischen Sohnesvorstellung genauso zu entnehmen wie die ErgÅnzungen und ‚Korrekturen‘ durch die spezifisch fraulich-mÛtterlichem Verhalten entnommenen Vergleiche fÛr das Handeln Gottes“ (ebd., S. 315). J. Moltmann: TrinitÅt, S. 181, erinnert sowohl an entsprechende Aussagen in der orthodoxen Theologie als auch daran, daß z. B. das Konzil von Toledo (675) hinsichtlich des innerg×ttlichen Ausgangs des Sohnes aus dem Vater vom „Mutterschoß

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torische Orientierung wirkt sich auch auf das VerhÅltnis zur Sch×pfung aus: „Durch den Heiligen Geist entdeckt der Christ in der TrinitÅt die Basis seines sozialen Wirkens und so wird die Beziehung der trinitarischen Liebe die Grundlage der sozialen Beziehungen in einer gerechten, partizipatorischen und gegenÛber der Umwelt verantwortungsvollen Gesellschaft.“81 Angesichts der wachsenden inner- und interkonfessionellen Differenzen bei der Beurteilung ethischer Herausforderungen und angesichts der Auseinandersetzung der Kirchen mit dem Pluralismusproblem bedarf es der ºberwindung ethischer Einseitigkeiten, die nicht zuletzt durch die unterschiedliche Gotteslehre bedingt sind. WÅhrend eine zu starke Identifizierung zwischen Christus und Glaubensgemeinschaft, die auf einer defizitÅren Pneumatologie beruht, nicht selten die Gefahr des ethischen „Christus prolongatus“ bzw. theokratische Tendenzen (Kirche als Offenbarung) hervorgebracht hat, wurde durch eine – damit zusammenhÅngende – undifferenzierte Anbindung Christi an die Welt der Unterschied zwischen Gott und Welt verwischt (Theologie der Welt).82 Die TrinitÅtslehre weist diesen Problemen gegenÛber auf ein differenziertes VerhÅltnis zwischen empirischer und geglaubter bzw. sichtbarer und verborgener Kirche hin, was zu einer angemesseneren VerhÅltnisbestimmung von Kirche und Welt fÛhrt. Mit der Frage nach dem jeweiligen Wirken des Heiligen Geistes in Kirche und Welt verbindet sich das Problem des interreligi×sen Dialogs. Als spezifisch christliches GottesverstÅndnis erlaubt die TrinitÅtslehre mit ihren Implikationen fÛr das OffenbarungsverstÅndnis und fÛr die Betrachtung der Heilsgeschichte eine differenzierte Auseinandersetzung mit den anderen Religionen, bei der besonders die Frage nach der Art und Weise des universalen Wirkens des Heiligen Geistes Beachtung verdient. Vor dem Hintergrund dieser Beispiele tritt die praktische und aktuelle Bedeutung der TrinitÅtslehre als „‚Summe und Inbegriff‘ der christlichen Theologie“83 hervor. So formulierte die Konferenz EuropÅischer Kirchen auf einer Tagung in Goslar folgende Einsicht: „Im Gegensatz zu dem, was selbst viele Christen heute glauben, erklÅren wir [. . .], daß die ‚Doktrin‘ von der Dreieinigkeit von h×chster AktualitÅt ist.“84 Die Konfrontation der Kirchen mit theistischem und atheistischem Gedankengut, mit den großen Weltreligionen, mit einer Vielfalt esoterischer und weltanschaulicher Ange-

des Vaters (de utero Patris)“ spricht. Zu den weiblichen ZÛgen des Heiligen Geistes vgl. E. Moltmann-Wendel (Hg.): Weiblichkeit. 81 Gemeinschaft (KEK 1981), S. 8. 82 Vgl. H. Beintker: Wort, S. 277 ff., der z. B. nachweist, wie zunÅchst D. Bonhoeffer „Christus als Gemeinde existierend“ versteht und wie spÅter P. Tillich von einer in der Welt zu findenden Latenz der Kirche ausgeht. Vgl. ferner M. Honecker: Art. „Kirche VIII“, S. 317 ff. 83 J. Werbick: TrinitÅtslehre, S. 484. 84 Forum 6/1983, S. 88.

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bote sowie mit den postmodernen relativistischen Anschauungen lÅßt an der AktualitÅt einer notwendigen Auseinandersetzung mit der TrinitÅtslehre keinen Zweifel. Gleiches gilt fÛr die ethischen Anforderungen in den komplexen modernen Gesellschaften mit ihren globalen VerknÛpfungen und ihren kaum noch Ûberschaubaren technologischen Entwicklungen.85 Wird bereits an den ethischen Problemen die ×kumenische Bedeutsamkeit einer gemeinsamen Fundierung in der TrinitÅtslehre transparent, so sind die ×kumenischen Implikationen in bezug auf die Ekklesiologie durch den bereits vorgestellten Zusammenhang zwischen trinitarischen und ekklesiologischen Defiziten offenkundig, was in Kapitel I,2 ausfÛhrlich er×rtert wird. Die aktuellen theologischen und ×kumenischen Defizite erfordern also die weitere Auseinandersetzung mit der TrinitÅtslehre – und zwar besonders im VerhÅltnis zu den ekklesiologischen Fragestellungen. Weil sich das VerhÅltnis von TrinitÅtslehre und Ekklesiologie letztlich auf alle theologischen Topoi auswirkt, soll primÅr dieser VerhÅltnisbestimmung nachgegangen werden. Nimmt man den umfassenden und grundlegenden Einfluß der TrinitÅtslehre ernst, mÛßte eigentlich außer Frage stehen, daß sich die Suche nach ×kumenischer Einheit der Auseinandersetzung mit der TrinitÅtslehre zuzuwenden hat, wenn sie erfolgreich sein will: „[. . .] the path towards a future ecumenical Christianity and a future ecumenical Christian Church can only be traversed under the banner of a trinitarian [. . .] faith“86. Die M×glichkeiten eines solchen Weges bahnen sich bereits in allen Konfessionen an: „[. . .] trinitarian thinking has spread into all major denominations. [. . .] there appears in some theological quarters the possibility of a shared appreciation of trinitarian theology that cannot remain without effect for the way in which the churches learn to conceive the way towards greater communion“87. Außerdem mÛßte aufgrund der konstitutiven Bedeutung der TrinitÅt deutlich sein, daß die TrinitÅtslehre nicht wie so oft als Einzeltraktat christlicher Dogmatik abgehandelt werden darf, sondern daß sie – unbeschadet einer besonderen Er×rterung – die Dogmatik durchgehend zu bestimmen hat: Die „Dogmatik will als ganze als Entfaltung und Darstellung der TrinitÅtslehre angesehen werden“88. Denn „das eine Geheimnis des Glaubens in den vielen Glaubensgeheimnissen“89 besteht in der heils×konomischen Mitteilung des dreieinigen Gottes: Gott, der als Vater, Sohn und Heiliger Geist das

85 Zur Analyse der KomplexitÅt der modernen Gesellschaften und der postmodernen Situation siehe M. Welker: Geist, S. 32 ff. Vgl. J. M. Lochman: Lebensbezug, S. 243 f.; H. G. Ulrich: Heiliger Geist. 86 A. I. C. Heron (Hg.): Trinity, S. XI (Heron/Vorwort). 87 C. Schw×bel (Hg.): Theology, S. 3 (Schw×bel/Einleitung). 88 E. Schlink: Dogmatik, S. 70. Vgl. E. JÛngel: VerhÅltnis, S. 363; B. J. Hilberath: Gott, S. 34 f.; C. Schw×bel (Hg.): Theology, S. 2 (Schw×bel/Einleitung). 89 W. Kasper: Gott, S. 378.

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lebendige Leben der Liebe verk×rpert, erschuf den Menschen als geliebtes GegenÛber, um ihm an seiner Liebe Anteil zu geben. Die Abwendung der Menschen beantwortete Gott durch seine bis in den Tod fÛhrende Selbsthingabe im Sohn, um seine Gesch×pfe im Heiligen Geist erneut in die Gemeinschaft seiner Liebe zu fÛhren. Dieses Glaubensgeheimnis, das alle dogmatischen Traktate durchwaltet, legt es nahe, die TrinitÅtslehre als prÅludierenden Traktat bzw. als Formalobjekt an den Anfang der Dogmatik zu stellen. Dadurch ist der Zusammenhang der materialen Aussagen der Ûbrigen dogmatischen Traktate gegeben, die dann als AusfÛhrung der TrinitÅtslehre zu gelten haben.90 Weil „eine dreieinige Selbst-EinfÛhrung Gottes die gegebene Wirklichkeit ist, ohne die es keine christliche Theologie gibt“91, bleibt fÛr die Bedeutung des trinitarischen Gottesbegriffs in der christlichen Theologie festzuhalten: „Das, worum es in der Theologie vor allem geht, ist ein besonderer Gott, identifiziert durch seine Geschichte, wie sie in der Schrift erzÅhlt wird, eine Geschichte, die durch die ganze Schrift hindurch durch die TÅtigkeiten von Vater, Sohn und Heiligem Geist dramatisch strukturiert wird. Wir wissen daher fÛr den Rest der Theologie nicht, worÛber wir reden, bis das trinitarische Denken die ihm zukommende Stelle einnimmt.“92 Das heißt, „daß TrinitÅtsvergessenheit zu einer christlich-theologisch unhaltbaren Position wird“93. Nachdem Karl Barth vor diesem Hintergrund durch die Vorrangstellung der TrinitÅtslehre in seiner Kirchlichen Dogmatik zur ºberwindung der Unterscheidung der Traktate „De Deo uno“ und „De Deo trino“ beigetragen hatte, folgte Edmund Schlink in seiner °kumenischen Dogmatik dem heils×konomischen Erkenntnisweg, indem er die TrinitÅtslehre nach den heils×konomischen Traktaten einordnete.94 Wie man sich im einzelnen bei der Einordnung der TrinitÅtslehre auch entscheiden mag, es wird

90 Vgl. ebd., S. 380. Kaspers Ansicht entspricht der Forderung K. Rahners, „am Anfang in einem Traktat De Deo trino eine mehr formale Vorzeichnung dessen zu geben, was als eigentliche T[rinitÅtstheologie] im folgenden Ganzen kommt“ (K. Rahner: Art. „TrinitÅtstheologie“, Sp. 1025). 91 R. W. Jenson: Grundlegung, S. 13. Vgl. ders.: Point, S. 31: „[. . .] trinitarian theology does not have a point, it is the point“. 92 Ders.: Grundlegung, S. 10 f. Diese Einsicht hat auch Konsequenzen fÛr die Predigtlehre, die nach G. R. Schmidt: Bedeutung, S. 97, im hermeneutischen Kontext von Schrift, Tradition und Kirche die jeweiligen Perikopen nicht einfach als religionsgeschichtlich zu analysierende EinzelphÅnomene betrachten darf: „Wir haben nicht einzelne Texte zu predigen, sondern die Botschaft vom Wirken des Dreieinigen Gottes im Spiegel und aus dem besonderen Blickwinkel einzelner Texte.“ 93 C. Schw×bel: TrinitÅtslehre, S. 134. 94 Vgl. K. Barth: Kirchliche Dogmatik I/1, S. 311 ff.; E. Schlink: Dogmatik, S. 70 f. FÛr die katholische Theologie vgl. den richtungweisenden Entwurf von M. Schmaus: Glaube. Dem Aufbau Schlinks folgt z. B. auch das von T. Schneider herausgegebene Handbuch der Dogmatik (vgl. J. Werbick: TrinitÅtslehre, S. 483 f.).

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darauf ankommen, die integrative Kraft und hermeneutische Funktion der TrinitÅtslehre zur Geltung kommen zu lassen.95 Der integrative Zusammenhang zwischen der TrinitÅtslehre und den Ûbrigen theologischen Traktaten erweist sich auch daran, daß erste AnsÅtze zur Besinnung auf die TrinitÅtslehre im Kontext der biblisch-theologischen, ekklesiologischen, liturgischen und pneumatologischen AufbrÛche zu erkennen sind.96 Grundlegend fÛr diese Entwicklung war die im 19. Jahrhundert in ×kumenischer Weite einsetzende Besinnung auf die Bibel97, so daß auch fÛr die TrinitÅtslehre gilt: „Den wichtigsten Anteil fÛr eine Erneuerung gab auch hier, wie auf den meisten anderen Gebieten, gewiß die biblische Theologie.“98 Ausschlaggebend fÛr die Besinnung auf die TrinitÅtslehre war außerdem die Herausforderung der Theologie durch den theoretischen und praktischen Atheismus sowie durch den wachsenden Pluralismus der Weltanschauungen. DarÛber hinaus kamen entscheidende Impulse von der ×kumenischen Bewegung, die vor allem dem gegenseitigen Kennenlernen von Ost- und Westkirche zu verdanken sind. Im Laufe der Untersuchung wird sich erweisen, welche Einsichten die westkirchliche Theologie aus der trinitarisch und pneumatologisch stÅrker verankerten ostkirchlichen Theologie gewinnen kann und inwieweit auch die Ostkirchen von diesem Austausch profitieren. Die angesichts der sÅkularen und ×kumenischen Herausforderungen transparent gewordenen Defizite in der TrinitÅtslehre fÛhrten in den letzten Jahrzehnten zu den bereits angesprochenen Versuchen ihrer NeubegrÛndung. Nach wie vor stehen jedoch viele zentrale Probleme zur L×sung an, so daß eine weitere Auseinandersetzung mit der TrinitÅtslehre unerlÅßlich ist, zumal die trinitarischen Defizite aufgrund der umfassenden hermeneutischen Funktion der TrinitÅtslehre weitreichende Konsequenzen haben. ZunÅchst bleibt fÛr die westlichen Kirchen festzuhalten, daß die von den charismatischen AufbrÛchen und den Ostkirchen gegebenen Anst×ße zur Beachtung der EigenstÅndigkeit und PersonalitÅt des Heiligen Geistes kaum

95 Vgl. die Forderung von H. Fritzsche: Gott, Sp. 12, daß die „TrinitÅt von Grund auf an die bestimmende Mitte sein sollte, von der her alle theologischen Fragestellungen zu entwerfen sind“. 96 Zur Interdependenz mit der ekklesiologischen Besinnung vgl. M. George: Kirche, S. 212 f.; H. Wagner: Kirche, S. 63. Zur Verbindung mit der liturgischen und pneumatologischen Besinnung vgl. W. Breuning: TrinitÅtslehre, S. 28; U. Valeske: Geist, S. 242; B. Bobrinskoy: Filioque, S. 107; R. Landau: Art. „Geist VI“, S. 237. Zur gesamten theologiegeschichtlichen Entwicklung im Kontext der genannten AufbrÛche siehe Kap. III,3.2–3.4. 97 Die Besinnung auf die Bibel mit ihrem Einfluß auf die Ûbrigen Erneuerungsbewegungen sowie auf die Entstehung der ×kumenischen Bewegung wird umfassend nachgewiesen bei M. Haudel: Bibel, S. 23 ff. (vgl. Anm. 115, I. Kap., u. Anm. 248, II. Kap.). Zum aktuellen Nachklang dieser Besinnung vgl. ders.: Besinnung; ders.: Heilige Schrift, und ders.: Signal. 98 W. Breuning: TrinitÅtslehre, S. 28.

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umgesetzt wurden: „Nur z×gernd wird die Grundlage der westkirchlichen Pneumatologie [. . .] auch nur zur Diskussion gestellt.“99 Das wirkt sich weiterhin auf die ZurÛckhaltung gegenÛber dem dritten Artikel und damit auf das kaum wahrgenommene VerhÅltnis von Pneumatologie und Ekklesiologie aus. Deshalb gibt Walter Kasper zu bedenken, daß die „Herausstellung der geistlichen Dimension der Theologie des dritten Artikels [. . .] aus EngpÅssen gegenwÅrtiger Theologie herauszufÛhren“100 vermag, was nach Alfons Nossol dringend notwendig erscheint, da „eine weitere Nichtrespektierung der pneumatologischen Dimension in der Christologie nicht nur ihre [deren] zeitgen×ssische Krise vertiefen, sondern zugleich auch eine schwelende Grundlagenkrise“101 des Glaubens heraufbeschw×ren wÛrde. Als eine der Wurzeln theologischer EngpÅsse enthÛllt sich also die unzureichende Bestimmung des VerhÅltnisses von Pneumatologie und Christologie mit ihren ekklesiologischen Konsequenzen: „Unter den schwerwiegenden Problemen [. . .] steht [. . .] an erster Stelle die Frage nach den Beziehungen zwischen Christus und dem Heiligen Geist in bezug auf die Kirche.“102 Die eigentliche Schwierigkeit des Traktates „de ecclesia“, wie man „von einer gegenseitigen Inexistenz von Christus und Christen im einen Leib“ sprechen kann, „ohne ihre Differenz zu vernachlÅssigen“103, wirft erneut die Frage nach dem VerhÅltnis von „GegenÛber und NÅhe“ Gottes auf, das mit der umstrittenen Zuordnung des Heiligen Geistes als Geber und Gabe zusammenhÅngt. Die Zuordnung von Einwohnung und Wirkungsbereich des Heiligen Geistes bedarf auch im Blick auf die „anderen Themen theologischer Reflexion noch weiterer KlÅrung und BegrÛndung“104. Diese KlÅrung ist wiederum von der VerhÅltnisbestimmung zwischen Christologie und Pneumatologie abhÅngig, fÛr die nach wie vor der Hinweis Edmund Schlinks gilt, daß in der TrinitÅtslehre zwar das „daß“ der Beziehung zwischen Sohn und Heiligem Geist unstrittig ist, aber nicht das „wie“.105 Vor die Aufgabe, dieses

J. Moltmann: Geist, S. 13 f. Vgl. E. Lessing: Art. „Geist V“, S. 220 f. W. Kasper (Hg.): Gegenwart, S. 11. Vgl. F. Hahn: VerstÅndnis, S. 147. 101 A. Nossol: Geist, S. 133. Daß die Grundlagenkrise des Glaubens mit einer unangemessenen Christologie ursÅchlich zusammenhÅngt, belegt die sich im Deutschen Pfarrerblatt dokumentierende Auseinandersetzung um den SÛhnetod Jesu, die von J. Vollmer: Deutung, ausgel×st wurde. Bei C. Petersen: Times, fÛhrt diese Auseinandersetzung in bezug auf die Gotteslehre und die Bedeutung von Schrift, Tradition und Bekenntnis zur Leugnung der Grundlagen des christlichen Glaubens. – Zur kritischen Er×rterung dieser AnsÅtze und der in einer selbstbezogenen Hermeneutik liegenden Ursachen dieser Entwicklung vgl. M. Haudel: Konsequenzen, und ders.: Rezension „K×ber“. Vgl. ferner K. Berger: Zeugnis, der sich mit dem gleichen Problem in G. LÛdemanns Auferstehungsbuch auseinandersetzt. 102 A. M. Sicari: Geist, S. 14. Vgl. T. Sartory: Gefahr, S. 78 f. 103 E. Salmann: TrinitÅt, S. 356. Vgl. E. Lessing: Art. „Geist V“, S. 226. 104 K. H. Neufeld: Art. „Einwohnung“, S. 114. 105 Vgl. E. Schlink: Dogmatik, S. 744. 99

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„wie“ zu klÅren und entsprechende Konsequenzen fÛr die Ekklesiologie zu ziehen, sind Ost- und Westkirche gleichermaßen gestellt.106 Das ist aber nur durch eine noch umfassendere und differenziertere Besinnung auf die TrinitÅtslehre und durch die Analyse der Interdependenz von TrinitÅtslehre und Ekklesiologie zu erreichen. Bei der zuletzt genannten Aufgabe handelt es sich um eine „noch kaum erfaßte dogmatische Problematik“107: „Der ×kumenische Dialog sollte zu einer Vertiefung dieses wesentlichen Punktes fÛhren und vor allem eine (noch fehlende) Reflexion Ûber die grundlegende Beziehung der Kirche zur Christologie und zur Pneumatologie erm×glichen“108, wodurch sich auch L×sungsansÅtze fÛr das noch ungeklÅrte VerhÅltnis von Kirche und Welt anbieten. Denn daß „die traditionell schwer zu Ûberwindenden Lehrunterschiede im VerstÅndnis der Relation von Kirche, Welt und Reich Gottes letztlich in einer unterschiedlich ausgerichteten Gotteslehre ihren Ursprung haben“109, kann auf diese Weise nachgewiesen werden. Deshalb kommt es in bezug auf die TrinitÅtslehre nicht lediglich darauf an, „zu bedenken und zu behandeln, was in dieser Lehre an dynamischen, beleuchtenden und verÅndernden Inhalten enthalten ist“110, sondern auch zu erforschen, wie das jeweilige trinitarische VerstÅndnis geprÅgt ist und welche Konsequenzen sich daraus fÛr das KirchenverstÅndnis und von dort aus fÛr die weiteren VerhÅltnisbestimmungen ergeben. Die Dringlichkeit dieser Aufgabe offenbart sich daran, daß die trinitarisch und pneumatologisch orientierten BemÛhungen „auf halbem Wege stehengeblieben“111 sind, weil sie immer wieder von philosophischen und konfessionellen PrÅmissen Ûberdeckt werden, die nicht zuletzt die Art und Weise der Gotteserkenntnis betreffen. Von daher stellt sich zugleich die Aufgabe, das weiterhin strittige VerhÅltnis von TrinitÅtslehre und OffenbarungsverstÅndnis zu klÅren, welches nicht von der umstrittenen VerhÅltnisbestimmung zwischen ×konomischer und immanenter TrinitÅt zu trennen ist.112 Hinsichtlich der quer durch die Konfessionen gehenden Divergenzen beim VerhÅltnis von natÛrlicher Theologie und Offenbarungstheologie113 geht es nicht allein darum, „endlich mit Ûberkommenen Vorurteilen, FehleinschÅtzungen und MißverstÅndnissen

Vgl. I. D. Zizioulas: Christologie, S. 124; H. M. Legrand: Entwicklung, S. 150. R. Slenczka: Filioque, S. 82. 108 J. M. Tillard: II. Vatikanum, S. 323. 109 I. Lønning: Art. „Gott VIII“, S. 690. Vgl. J. Frisque: Ekklesiologie, S. 220. Vgl. ferner H. MÛhlen: Geisterfahrung, S. 253: „Gotteslehre implizierte zu allen Zeiten eine bestimmte Selbstund Welterfahrung“. 110 J. M. Lochman: Lebensbezug, S. 247. 111 H. Heinz: Variationen, S. 339. Vgl. H. M. Legrand: Entwicklung, S. 152. 112 Vgl. W. L×ser: TrinitÅtstheologie, S. 23 f. 113 Vgl. E. Schlink: Dogmatik, S. 758. 106 107

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aufzurÅumen“114, wie es Michael Kappes vermutet. Vielmehr geht es um grundlegende hermeneutische Differenzen, die fÛr die divergierende VerhÅltnisbestimmung von ×konomischer und immanenter TrinitÅt verantwortlich sind und sich so auch auf die Einordnung der Ursprungsbeziehungen der trinitarischen Personen auswirken. Das wiederum hinterlÅßt Spuren in der Bewertung der intrapersonalen bzw. psychologischen und interpersonalen bzw. sozialen Analogien. Grundlegend ist in diesen ZusammenhÅngen ferner die zwischen Ost- und Westkirchen umstrittene Frage, ob sich Gott nur in seinen ungeschaffenen Energien (Licht etc.) oder auch in seinem hypostatischen Wesen offenbart. Schließlich betrifft die Interdependenz zwischen TrinitÅtslehre und OffenbarungsverstÅndnis noch die VerhÅltnisbestimmung von Schrift, Tradition und Kirche und damit auch die biblische Hermeneutik.115 Daß sich zum Beispiel das Problem von „GegenÛber und NÅhe“ Gottes, welches mit dem VerhÅltnis von Christologie und Pneumatologie einhergeht, im VerhÅltnis von Schrift und Tradition widerspiegelt, dÛrfte schwerlich zu bezweifeln sein. Die Untersuchung wird zeigen, wie es sich im einzelnen mit diesen Wechselbeziehungen verhÅlt.116 Angesichts solcher komplexen ZusammenhÅnge hat es weitreichende Konsequenzen, wenn Ûbersehen wird, daß viele theologische und ekklesiologische Divergenzen ihre Ursache in den unterschiedlichen trinitarischen Konzeptionen und PrioritÅtensetzungen haben. Deshalb ist es nicht nur an der Zeit, sich wegen der zentralen hermeneutischen Funktion der TrinitÅtslehre „der Sachfrage zu stellen, die das trinitarische Bekenntnis der hermeneutischen BemÛhung [. . .] aufgibt“117, sondern es ist auch dringend notwendig, die Unterschiede in der TrinitÅtslehre und ihre Folgen fÛr die Ûbrigen theologischen Topoi aufzudecken. Allein ein solcher KlÅrungsprozeß verhilft zu Kriterien fÛr eine gemeinsame Gotteslehre als Basis fÛr die Be-

M. Kappes: Theologie, S. 309. Weil sich „an der Stellung zum trinitarischen Problem [. . .] die Sachlichkeit einer theologischen Hermeneutik entscheidet“, fordert F. Schmid, auch „die Frage des [. . .] strittigen SchriftverstÅndnisses“ an der TrinitÅtslehre zu prÛfen (F. Schmid: ErwÅgungen, S. 58). Hinsichtlich des Zusammenhangs zwischen der jeweiligen Einstufung der Pneumatologie und der Schriftauslegung vgl. W. Kasper (Hg.): Gegenwart, S. 10 f., und J. Moltmann: Gemeinschaft, Sp. 711–713, der die Auswirkung einer „monarchischen“ Pneumatologie auf das SchriftverstÅndnis betrachtet. – Zur trinitarischen Verankerung biblischer Hermeneutik siehe Anm. 92, I. Kap. – Vgl. insgesamt zur umfassenden hermeneutischen Relevanz des VerhÅltnisses von Schrift, Tradition und Kirche M. Haudel: „Die Bibel und die Einheit der Kirchen“, wo neben der Bedeutung der Bibel fÛr die Entstehung der ×kumenischen Bewegung nachgewiesen wird, daß „Glauben und Kirchenverfassung“ unter protestantischer, anglikanischer, orthodoxer und r×misch-katholischer Beteiligung einen ×kumenischen Durchbruch bei der VerhÅltnisbestimmung von Schrift, Tradition und Kirche erzielt hat, der aber bisher weder von den Kirchen noch vom °RK selbst angemessen wahrgenommen wurde (vgl. Anm. 97, I. Kap., u. Anm. 248, II. Kap.). 116 S. u., S. 148 f. 117 F. Schmid: ErwÅgungen, S. 75. 114 115

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wÅltigung der Herausforderungen, denen die Kirchen heute gegenÛberstehen. Das ist sowohl fÛr eine angemessenere Auseinandersetzung mit dem Atheismus118 und einen fundierteren interreligi×sen Dialog erforderlich als auch fÛr die L×sung der ekklesiologischen Differenzen im ×kumenischen GesprÅch. Die L×sung des zuletzt genannten Problems wird in dieser Untersuchung auf der Basis m×glicher trinitÅtstheologischer AnnÅherungen angestrebt, da sich L×sungsansÅtze fÛr den grundlegenden Zusammenhang von TrinitÅtslehre und Ekklesiologie zugleich positiv auf die Ûbrigen Problemstellungen auswirken k×nnen.

2. Das VerhÅltnis von TrinitÅtslehre und Ekklesiologie als ×kumenische Herausforderung Die zentrale theologische Funktion der TrinitÅtslehre begrÛndet zugleich ihre konstitutive ×kumenische Bedeutung. „Das trinitarische Glaubensbekenntnis geh×rt zum christlichen Urgestein und ist Basis fÛr jeden christlichen Konsens.“119 Weil das trinitarische Bekenntnis von NizÅa-Konstantinopel (381) breite ×kumenische Akzeptanz findet, geht man jedoch bis heute zu selbstverstÅndlich davon aus, daß sich die Eintracht in bezug auf das Bekenntnis auch auf die Gottes- bzw. TrinitÅtslehre erstrecke und „die Gotteslehre zu den gesicherten BesitztÛmern der Theologie“ geh×re. Deshalb bildet „die Gotteslehre keines der herausragenden Dialogthemen“120 im interkonfessionellen GeprÅch. Unter dem Postulat der „ºbereinstimmung in zentralen Glaubenswahrheiten“121 bleiben die Unterschiede in der Gotteslehre und ihre ×kumenischen Konsequenzen weitgehend 118 „Wie man die damit gestellte Aufgabe theologisch bewÅltigt, steht bis heute als eine der am heftigsten umstrittenen, noch nicht in Ûberzeugender Weise beantworteten Fragen der Theologie [. . .] da.“ (I. Lønning: Art. „Gott VIII“, S. 684) 119 W. Breuning: Art. „TrinitÅt“, S. 518 f. Vgl. I. U. Dalferth: Roots, S. 147: „[. . .] the conviction that ‚the doctrine of the Trinity simply is the Christian doctrine of God‘ seems to be one of the least contentious claims among Christian theologians today“. Zur ×kumenischen Relevanz der TrinitÅtslehre s. o., S. 43 f. 120 H. Petri: Problematik, S. 13. Vgl. A. Birmel³: Thema, S. 161, der das in bezug auf die neueren ×kumenischen Dialoge bestÅtigt. W. Breuning: Art. „TrinitÅtslehre“, S. 521, betrachtet die TrinitÅtslehre als „Bestandteil des christlichen Grundkonsenses“. Berechtigte Zweifel an dieser Annahme finden sich bei H. Petri: Problematik, S. 13; I. Lønning: Art. „Gott VIII“, S. 690; L. Vischer (Hg.): Geist, S. 8 f., und R. W. Jenson: Grundlegung, S. 18, fÛr den darin lediglich ein „desastr×ser Konsens“ besteht. Vgl. insgesamt M. Haudel: Relevanz, S. 68 ff. Hinsichtlich erster AnsÅtze der Auseinandersetzung mit dem trinitarischen Bekenntnis bei „Glauben und Kirchenverfassung“ s. u., S. 62 f. u. 587 ff. Zur ×kumenischen Geltung des Bekenntnisses von 381 vgl. E. Schlink: Dogmatik, S. 755: „Das einzige in der ganzen °kumene verbreitete Bekenntnis des dreieinigen Gottes ist das Nicaeno-Constantinopolitanum von 381.“ 121 R. Frieling: Glaubenseinheit, S. 270, der hier Papst Johannes Paul II. zitiert.

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unbeachtet, obwohl ihre KlÅrung eine notwendige Grundlage fÛr die ×kumenische VerstÅndigung darstellt.122 Denn da im Neuen Testament und in der Alten Kirche die Kircheneinheit letztlich vom Gottesbegriff her begrÛndet wird123, ist es nach EinschÅtzung der Konferenz EuropÅischer Kirchen „wichtig, daß die TrinitÅt als Vorbild fÛr die christliche Einheit akzeptiert wird“124. Angesichts dieser berechtigten Forderung erweist sich die vorliegende Untersuchung als umso dringlicher, als die „Theologie des Heiligen Geistes und im Zusammenhang damit die Theologie der G×ttlichen Dreieinigkeit [. . .] die Ålteste theologische Streitfrage zwischen den Kirchen des Ostens und des Westens“125 beinhaltet. Die weiter anhaltende Kontroverse um das Filioque, hinter der eine im Osten und Westen verschieden konzipierte TrinitÅtslehre steht126, bestÅtigt die zentrale hermeneutische Funktion der TrinitÅtslehre, weil sich der – auch innerhalb der westlichen Kirchen – umstrittene Zugang zur Pneumatologie direkt auf die Einordnung des dritten Artikels und somit auf das KirchenverstÅndnis auswirkt. Von daher ist es kein Zufall, daß im ×kumenischen Dialog „der eigentliche Unterschied“ einerseits „im VerstÅndnis des Wirkens des Heiligen Geistes besteht“127 und daß andererseits „die eigentlich offenen, teilweise strittigen Lehrfragen die Ekklesiologie betreffen“128. Vor diesem Hintergrund bedarf der dritte Artikel besonderer Beachtung. Indem er die Kirche als Wirkungsort des Heiligen Geistes beschreibt, bezeugt er den Zusammenhang zwischen TrinitÅtslehre und Ekklesiologie sowie das besondere ×kumenische Gewicht der Pneumatologie, so „daß der Weg zum dritten Artikel der Weg zu einer ×kumenischen Theologie ist“129. Die Tatsache, „daß das Problem der Ekklesiologie

122 Vgl. L. Sertorius: Theologie, S. 184. Auch G. Ebeling: Dogmatik III, S. 534, beobachtet, daß „im heutigen ×kumenischen Bewußtsein das Trinitarische als ein fast zu selbstverstÅndliches Bindeglied der Christenheit gilt“. 123 Vgl. W.-D. Hauschild: BegrÛndung, S. 9 ff. – S. u., S. 90 ff. 124 Forum 6/1983, S. 90. 125 L. Sertorius: Theologie, S. 184. B. Bobrinskoy: Filioque, S. 107, spricht im Blick auf das Filioque von einem „der Åltesten und unÛberwindlichsten Hindernisse fÛr die Einheit der Christen“. 126 Vgl. D. Ritschl: Geschichte, S. 25, und B. Oberdorfer: Filioque, S. 129 ff. 127 H. SchÛtte: Kirche, S. 169. Auch M. D. Meeks: Gott, S. 44, betont, „daß die grundlegenden Probleme etwas mit der Frage nach dem Heiligen Geist zu tun haben“. So handelt es sich z. B. beim Problem des Filioque nicht lediglich um ein kirchenpolitisches Problem, sondern es muß als Anzeichen unterschiedlicher Denkweisen in der Gotteslehre bewertet werden. Deshalb steht dieses in viele Bereiche der Theologie ausstrahlende Problem nach wie vor zur L×sung an. (Vgl. W. Ullmann: filioque, S. 58 ff.; H. Vorster: Klarstellung, S. 86 f.; B. Oberdorfer: Filioque, S. 597.) 128 H. Wagner: Kirche, S. 62. Vgl. G. Wainwright: Art. „Church“, S. 162: „Ecclesiology in fact became a hot topic in both bilateral and multilateral dialogues“. 129 O. A. Dilschneider: Geist, S. 335.

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nach wie vor eines der grundlegenden ungel×sten Probleme der Theologie ist“, lÅßt sich nÅmlich mit den Worten Vilmos Vajtas darauf zurÛckfÛhren, „daß die Voraussetzung dafÛr, d. h. die Lehre vom Heiligen Geist, selten mit der gebotenen Klarheit behandelt worden ist“130. Der Pneumatologie kommt bei der L×sung ekklesiologischer Probleme also das gleiche zentrale Gewicht zu, das ihr in der trinitarischen Hermeneutik insgesamt zufÅllt: „Der Heilige Geist [. . .] erst befÅhigt und ermÅchtigt, Gott zu erkennen“131. Aufgrund der zentralen hermeneutischen Funktion der Pneumatologie fÛr Gotteslehre und Ekklesiologie ist das Augenmerk darauf zu richten, daß eine theologische Kriteriologie im Kontext des VerhÅltnisses von Christologie und Pneumatologie entwickelt wird.132 Damit bestÅtigt sich die aktuelle Brisanz des Filioque-Problems, dessen L×sung wegen der ekklesiologischen Bedeutung des VerhÅltnisses von Christologie und Pneumatologie „durch die gegenwÅrtige theologische und ×kumenische Lage auf die Tagesordnung gesetzt“133 ist. In Anbetracht dieser Beobachtungen sollten die beiden zentralen Inhalte des dritten Artikels „das kirchliche Leben und theologische Denken der nÅheren und weiteren Zukunft besonders bestimmen: die Pneumatologie [. . .], die Ekklesiologie“134. Da die notwendige Auseinandersetzung mit der Pneumatologie nur im Kontext der TrinitÅtslehre gelingen kann, die besonders im Westen wieder ins Zentrum des theologischen Interesses gestellt werden muß135, gibt es also „zwei ganz konkrete Hindernisse“136, die den Weg zur Einheit versperren, nÅmlich die Lehre vom dreieinigen Gott und das KirchenverstÅndnis. Im Blick auf die Ekklesiologie ist festzuhalten, daß sie im Rahmen der ×kumenischen Bewegung zumeist nicht explizit behandelt wurde.137 Erst die Erfahrung der ×kumenischen Bestrebungen der letzten Jahrzehnte, „daß Fortschritte in konsensorientierten GesprÅchen dort am schwersten zu erzielen sind, wo es um die Lehre von der Kirche geht, vor allem um die Fun-

V. Vajta: Geist, S. 77. G. Kretschmar: Geist, S. 123. 132 Vgl. W. Kasper (Hg.): Gegenwart, S. 22. 133 L. Vischer (Hg.): Geist, S. 10. 134 U. Valeske: Geist, S. 242. Vgl. G. Ebeling: Dogmatik III, S. 31, der den „Komplex des dritten Glaubensartikels [. . .] zum Testfall“ erklÅrt. 135 Vgl. L. Vischer (Hg.): Geist, S. 10, und R. W. Jenson: Grundlegung, S. 11 u. 13, der hinsichtlich der trinitarischen Selbsterschließung Gottes als Vorgabe jeglicher christlicher Theologie anmerkt: „Ein großer Teil der westlichen Theologie scheint nÅmlich so vorzugehen, als ob die Bibel oder Kirche als solche die ihr gegebene Wirklichkeit wÅren.“ (S. 13) Zur notwendigen Auseinandersetzung mit der Pneumatologie vgl. W. Kasper (Hg.): Gegenwart, S. 10: „Die wichtigste wissenschaftliche Aufgabe besteht in der Erneuerung der Pneumatologie.“ 136 H. Biedermann: Gotteslehre, S. 131. 137 Vgl. P. Neuner/D. Ritschl (Hg.): Kirchen, S. 10. 130 131

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damentalfrage nach den notwendigen und hinreichenden Bedingungen fÛr Kirchengemeinschaft“138, rÛckte die Frage nach dem Wesen der Kirche in den Mittelpunkt der ×kumenischen GesprÅche139. Das grundsÅtzliche ×kumenische Gewicht der ekklesiologischen Fragestellung beruht auf der KomplexitÅt des Themas „Kirche“, bei dem es sich nicht nur um eines unter vielen Elementen des christlichen Glaubens handelt, sondern „um eine Art BÛndelung“140 des Christseins. Deshalb ist die Frage nach der ×kumenischen Gestalt der Kirche oft mit konfessioneller IdentitÅtsangst verbunden141, was die nur langsam weichende ZurÛckhaltung in bezug auf die Auseinandersetzung mit der Ekklesiologie erklÅrt. Doch weil es zur ºberwindung der Kirchenspaltungen „einer gemeinsamen Auffassung von Kirche“142 bedarf, ist eine dezidierte Erforschung der Grundlagen fÛr ein ×kumenisches KirchenverstÅndnis unausweichlich.143 Lediglich auf diese Weise ist auch die Amtsfrage zu l×sen, mit der die ×kumenischen GesprÅche bisher an ihre Grenzen gelangt sind. „Ohne eine ×kumenische VerstÅndigung darÛber, was Kirche ist, kann man entweder die divergierenden VerstÅndnisse des Amtes unvers×hnt nebeneinander stehen lassen oder versuchen, sie in lediglich verbale Konvergenzen umzukleiden. In beiden FÅllen wird die Einheit mehr vorgetÅuscht als wirklich erreicht.“144 Die ×kumenischen GesprÅche belegen, daß es hinsichtlich der Amtsfrage immer wieder zu einem Bruch in der ekklesiologischen Argumentation kommt. So bemerkt Johannes Brosseder aus r×misch-katholischer Sicht selbstkritisch, daß in der katholischen Theologie mit der altkirchlichen Communio-Ekklesiologie und der zentralistisch-papalistischen Ekklesiologie „gegenwÅrtig zwei unvereinbare Ekklesiologiekonzepte unvermittelt und unvermittelbar nebeneinander bestehen“145. Eine Åhnliche Aporie be-

W. HÅrle: Art. „Kirche VII“, S. 279. Vgl. M. Volf: TrinitÅt, S. 212 f., und P. Neuner/D. Ritschl (Hg.): Kirchen, S. 215 ff., wo auf die von „Glauben und Kirchenverfassung“ initiierte Studie Ûber ×kumenische Perspektiven der Ekklesiologie hingewiesen wird. Vgl. dazu auch G. Gaßmann/D. Heller (Hg.): Santiago, S. 26. 140 T. Schneider: Bekenntnis, S. 211. Vgl. H. MÛhlen: persona, S. 18 ff. u. 173 ff. 141 Vgl. H. Wagner: Kirche, S. 62 f. 142 H. SchÛtte: Kirche, S. 15. 143 Vgl. G. Wainwright: Art. „Church“, S. 162: „[. . .] the churches now need to ask again where the agreed ‚marks of the church‘ are concretely to be found“. Vgl. ebd., S. 166 f.: „[. . .] it remains the task of the ecumenical movement to fashion a faithful doctrine of the church“. Auch die Interorthodoxe Kommission zur Vorbereitung des panorthodoxen Konzils kommt bezÛglich der Beziehungen zu den anderen Konfessionen zu dem ResÛmee, „‚daß alle diese Beziehungen [. . .] auf einer m×glichst raschen objektiven Erhellung des ekklesiologischen Problems [. . .] beruhen mÛssen‘“ (zitiert bei D. Papandreou: Ekklesiologie, S. 832). 144 M. Volf: TrinitÅt, S. 212. 145 J. Brosseder: Perspektiven, S. 170. 138 139

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obachtete bereits Germano Pattaro bei der Analyse der im Zweiten Vatikanischen Konzil vorgenommenen VerhÅltnisbestimmung von episkopaler und priesterlicher „consecratio“, in der einerseits nur die Bisch×fe „gaudent plenitudine sacramenti ordinis“ (Presbyterorum ordinis 7), obwohl andererseits die „presbyteri“ konstitutiv „veri sacerdotes novi testamenti“ (Presb. ord. 3) sind.146 Angesichts dieser Probleme kritisiert JÛrgen Werbick schließlich alle Versuche, „die Geistesgaben fÛr den Leitungsdienst zu monopolisieren (zu ‚klerikalisieren‘) und aus ihm (als ‚Teilhabe am Amt‘) abzuleiten“147. Die aus den jeweiligen konfessionellen PrÅmissen resultierenden Aporien treten auch in den Ûbrigen Konfessionen auf. In der orthodoxen Theologie wird das deutlich, wenn die apostolische Sukzession zwar der ganzen Gemeinde zuerkannt wird, aber die „Initiative des Kerygmas“148 nur den Bisch×fen. Auch fÛr das denominationale Spektrum des Protestantismus, in dem die Bedeutung eines spezifischen Amtes zuweilen unkenntlich wird, bleibt festzuhalten, daß das eigentlich PrÅgende oft „aus der spezifischen Tradition“149 kommt. Da konkrete Amtsinteressen in allen Konfessionen immer wieder eine ideologische Beeinflussung des KirchenverstÅndnisses hervorriefen, ist dem ResÛmee des ehemaligen Direktors von „Glauben und Kirchenverfassung“, GÛnther Gaßmann, zuzustimmen, „daß es gerade auch die konfessionellen Traditionen mit ihren unterschiedlichen VerstÅndnissen und Strukturen des kirchlichen Amtes [. . .] sind, die sich in den Interpretationen der neutestamentlichen Amtsentwicklung widerspiegeln“150. Die dadurch entstandenen „inhÅrenten WidersprÛche zwischen den Rubriken, die fÛr die DienstÅmter in allen unseren Kirchen gelten, und den Amtsgaben, die durch den Heiligen Geist zur VerfÛgung gestellt worden sind“, bezeichnet Paul S. Minear als „tragischste Entdeckung der ×kumenischen Bewegung“151. Wie die meisten ekklesiologischen Divergenzen gehen diese WidersprÛche zurÛck auf das „klassische Problem einer angemessenen theologischen und praktischen VerhÅltnisbestimmung der konkret erfahrbaren Kirchenwirklichkeit, der sichtbaren Kirche, zu ihrem dogmatischen Anspruch und ihrer geistlichen Tiefendimension“152. Das Vgl. G. Pattaro: Entwicklungen, S. 81 f. J. Werbick: Kirche, S. 372. 148 T. Zissis: Bedeutung, S. 19. Vgl. A. Kallis: Koinonia, S. 108 f. 149 D. Ritschl: Kirche, S. 126. 150 G. Gaßmann: Zusammenspiel, S. 302. Auch nach J. Werbick: Kirche, S. 42, „wird sich wohl nicht lÅnger Ûbersehen lassen, [. . .] wie konkrete Amtsinteressen [. . .] dazu gefÛhrt haben, Kirchenbilder ideologisch festzuschreiben und zu Ûbermalen, damit die Kirche endlich so werde, wie man sie haben wollte“. 151 P. S. Minear: Beitrag, S. 802. 152 W. Kasper (Hg.): Gegenwart, S. 19. Zum VerhÅltnis von Geist und Institution vgl. U. KÛhn: Kirche, S. 164 ff. 146 147

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Problem des VerhÅltnisses von verborgener und sichtbarer Kirche153 bzw. von Geist und Institution bleibt also eine Herausforderung fÛr den ×kumenischen Dialog. Diese besonders im Protestantismus beachtete Unterscheidung widerspricht weder der r×misch-katholischen Betonung der Kirche als Mysterium154 noch der ostkirchlichen Hervorhebung des gott-menschlichen Charakters der Kirche155, da sie den auch von Luther gesehenen real-ontologischen Charakter der Kirche als Seinsgemeinschaft mit Gott achtet156. Sie erm×glicht jedoch zugleich, das VerhÅltnis zwischen Gott und Mensch in der Kirche noch dezidierter zur Darstellung zu bringen. Eine solche VerhÅltnisbestimmung ist notwendig, um die Kirche als vom Heiligen Geist gewirkten Leib Christi vor einer falschen Identifizierung menschlicher konfessioneller Bestrebungen mit dem Willen Gottes zu bewahren. Von daher hofft der °kumeniker Reinhard Frieling auf „eine ×kumenische Theologie und ×kumenische Theologen, welche den Kirchen helfen, Gotteswort und Menschenwort unterscheiden zu k×nnen“157. Zur Erreichung dieses Ziels bleibt zu beachten, daß die Relation von verborgener und sichtbarer Kirche sowie das damit verbundene VerhÅltnis von Geist und Institution den Zusammenhang von Ekklesiologie und TrinitÅtslehre ebenso unterstreichen wie die besondere Bedeutung des dritten Artikels. Denn im trinitarischen Bekenntnis sind die Grundlagen fÛr die Konstitutions- und Gestaltungsbedingungen der Kirche enthalten. Der dritte Artikel definiert die eine, heilige, katholische und apostolische Kirche als Gemeinschaft der Heiligen im Kontext des Bekenntnisses zum Heiligen Geist, welcher als eine der drei trinitarischen Personen die unaufl×sliche Verbindung zu den Ûbrigen Artikeln des Glaubensbekenntnisses herstellt. Weil im dritten Artikel die Erl×sung durch Jesus Christus und ihre VergegenwÅrtigung durch den Heiligen Geist ineinander Ûbergehen, stehen Konstitution und Gestalt der Kirche in enger Verbindung mit dem VerhÅltnis 153 In der protestantischen Terminologie ist der von Luther geprÅgte Begriff „verborgene Kirche“ (ecclesia abscondita) Zwinglis Begriff „unsichtbare Kirche“ (ecclesia invisibilis) vorzuziehen, da es beim VerhÅltnis von geglaubter und empirischer Kirche um zwei Aspekte der einen komplexen RealitÅt der Kirche geht. Wesensmerkmal der geglaubten Kirche als geistlicher Gemeinschaft der wahrhaft Glaubenden ist nÅmlich nicht ihre Unsichtbarkeit, sondern ihre Unabgrenzbarkeit, weil auch die Gemeinschaft der wahrhaft Glaubenden aus sichtbaren Menschen besteht. WÅhrend die verborgene Kirche von den Eigenschaften (notae) der Einheit, Heiligkeit, KatholizitÅt und ApostolizitÅt (Konstantinopel 381) geprÅgt ist, bedarf die davon untrennbare sichtbare Kirche anhand ihrer Kennzeichen (notae externae) der Unterscheidung zwischen wahrer und falscher Kirche bzw. zwischen Kirche als Menschenwerk und als Gotteswerk (vgl. W. HÅrle: Art. „Kirche VII“, S. 286 ff.). 154 Vgl. H.-J. Lauter: Kirche, S. 323. 155 Vgl. A. Kallis: Art. „Kirche V“, S. 255. 156 Vgl. T. Mannermaa: Glauben. – Zur Analyse der TrinitÅtslehre Luthers und ihrer ×kumenischen Implikationen siehe Kap. III,2. 157 R. Frieling: Glaubenseinheit, S. 284.

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von Christologie und Pneumatologie.158 Deshalb hÅngt so viel „von der richtigen Synthese ab, die zwischen der Christologie und der Pneumatologie in der Ekklesiologie hergestellt wird“159. So wird auch die richtige Zuordnung von „GegenÛber und NÅhe“ Gottes in der Kirche erst durch die angemessene Bestimmung dieses VerhÅltnisses erm×glicht. Bei einseitiger PrioritÅtensetzung im trinitarischen Bekenntnis, durch die „man die eine oder andere Teilwahrheit aus dem Glaubensbekenntnis herausgreift“160, kommt es zu gefÅhrlichen Verabsolutierungen und entsprechenden Identifikationen zwischen menschlicher und g×ttlicher Dimension. Das gilt sowohl fÛr die Gefahr der christologischen Ontologisierung der Kirche, die durch eine einseitige Konzentration auf die Christologie und die damit einhergehende Ausblendung der VergegenwÅrtigung durch den Heiligen Geist entsteht, als auch fÛr die Gefahr einer Verabsolutierung der eigenen Geisterfahrung, die durch eine Pneumatologie ohne erkennbaren christologischen RÛckbezug gef×rdert wird.161 Von den ×kumenischen Folgen solcher trinitÅtstheologischen Defizite legt die Kirchengeschichte Zeugnis ab, denn der „Verlust des trinitarischen Gleichgewichts fÛhrt zu einseitigen Sichtweisen der Ekklesiologie, die [. . .] in Gefahr gerÅt, in einen Patromonismus, Christomonismus und Pneumatomonismus zu verfallen, die große Kirchenspaltungen mitverursacht haben. Vor allem in der VernachlÅssigung des pneumatologischen Aspekts der Ekklesiologie erblicken [. . .] Theologen den Grund nicht nur fÛr die Spaltung zwischen der Ost- und der Westkirche, sondern auch [fÛr die Spaltung] in der Westkirche infolge der Reformation“162. Diese Einsicht belegt, daß es sich bei der Frage nach den PrioritÅtensetzungen in der TrinitÅtslehre und ihren ekklesiologischen Konsequenzen „um eine echte Frage und nicht um das Produkt einer theologischen Konstruktion handelt“163. Denn nur wenn „an diesem zentralen ‚Punkt‘ der Theologie die Heilsperspektiven gleich-gewichtig bleiben, dann bleibt die

158 Vgl. S. Wiedenhofer: Ekklesiologie, S. 53; ders.: KirchenverstÅndnis, S. 191 ff. Zur Bedeutung des Bekenntnisses fÛr die Konstitutions- und Gestaltungsmerkmale der Kirche vgl. E. Lessing: Kirche, S. 71. 159 I. D. Zizioulas: Christologie, S. 140. 160 D. Papandreou: Ekklesiologie, S. 828. 161 Vgl. M. Haudel: Art. „TrinitÅt“, und ders.: Relevanz, wo die ×kumenische Bedeutung des Zusammenhangs zwischen trinitÅtstheologischen und ekklesiologischen Defiziten aufgezeigt wird. 162 A. Kallis: Art. „Kirche V“, S. 253. Vgl. O. A. Dilschneider: Geist, S. 335: „Nur ein konfessionelles Denken, das sich dem in der Drei-Artikel-Folge angelegten heilsgeschichtlichen Lernprozeß entzieht, verlegt sich selber den Weg in die Offenheit“. Eine ausfÛhrliche Beschreibung der jeweiligen monistischen Gefahren gibt N. A. Nissiotis: Theologie, S. 22 ff. – Zur Analyse der Interdependenz von trinitÅtstheologischen und ekklesiologischen Einseitigkeiten in der theologiegeschichtlichen Entwicklung der verschiedenen Konfessionen siehe Kap. III. 163 I. D. Zizioulas: Christologie, S. 127.

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Theologie selbst im Gleichgewicht“164, so „daß nur wo eine rechte und bewußte TrinitÅtslehre vorliegt, auch das echte Anliegen der Ekklesiologie in seinem ganzen Umfang erkannt wird“165. Daher konstatiert der orthodoxe Theologe Anastasios Kallis: „Der SchlÛssel des ekklesiologischen Gleichgewichts [. . .] liegt in der Theologie der Dreieinigkeit.“166 Aus diesem Grund fordert der katholische Theologe Thomas Sartory zu Recht, die TrinitÅtslehre als Kategorie der Ekklesiologie anzuerkennen.167 Folgerichtig sieht es Herv³ M. Legrand als vordringliche Aufgabe der Theologie an, eine trinitarische Sicht der Kirche zu entwerfen.168 Nur so kann die von dem orthodoxen Theologen Grigorios Larentzakis in ºbereinstimmung mit Josef Ratzinger geÅußerte Erwartung zur Geltung kommen, daß die TrinitÅt als wahrer Ort der Ekklesiologie erkannt wird.169 In gleicher Weise erwartet der protestantische Theologe Miroslav Volf Ûber den Rekurs auf die TrinitÅtslehre eine angemessene Antwort auf die Frage nach dem Charakter der Institution Kirche: Weil die Kirche als Leib Christi und Tempel des Heiligen Geistes an der Heilsgeschichte des dreieinigen Gottes partizipiert, „mÛssen auch ihre Institutionen der TrinitÅt entsprechen“170. Volfs Forderung ist berechtigt, da die Kirche keine autonome Eigenwirklichkeit darstellt, sondern in ihrem Wesen von Gottes Selbstmitteilung gekennzeichnet ist.171 In der Inkarnation des Sohnes Gottes und der VergegenwÅrtigung seines Heilswerkes durch den Heiligen Geist manifestiert sich der Bezug zwischen Kirche und TrinitÅt. „Dieser Bezug wird nicht nur von der Schrift ganz eindeutig bezeugt, sondern auch von der nachfolgenden VÅtertheologie besonders unterstrichen. Hinzu kommt, daß es eine Ûberraschende Šhnlichkeit und Analogie gibt zwischen der Fragestellung der alten Kirche betreffs des trinitarischen Dogmas und der ekklesiologischen Fragestellung der spÅteren Zeit bis heute.“172 Deshalb ist die Frage nach dem theologischen Ort der Kirche im trinitarischen Bekenntnis keine an die alten Texte herangetragene Frage. Sie entspricht vielmehr der theologischen Orientierung, in die das „Credo ecclesiam“ unweigerlich durch das Bekenntnis und die TrinitÅtslehre eingewiesen wird.173 164 B. G. Langemeyer: Einheit, S. 321. Vgl. G. Greshake: Gott, 429 f.: „Wo diese Momente kurzgeschlossen und isoliert werden, zeugen sie von einem Ausfall der Erfahrung des dreieinigen Gottes.“ 165 S. Harkianakis: Entwicklung, S. 4. 166 A. Kallis: Art. „Kirche V“, S. 253. 167 Vgl. T. Sartory: Gefahr, S. 79. 168 Vgl. H. M. Legrand: Entwicklung, S. 150. 169 Vgl. G. Larentzakis: KirchenverstÅndnis, S. 94; J. Ratzinger: Geist, S. 233. 170 M. Volf: TrinitÅt, S. 225. 171 Vgl. J. Werbick: Kirche, S. 346. 172 S. Harkianakis: Entwicklung, S. 4. 173 Vgl. E. Lessing: Bedeutung, S. 238; T. Schneider: Ort, S. 104 f.; M. Kehl: Art. „Ekklesiologie“, Sp. 568; ders.: Kirche, S. 63 ff.

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Daß der komplexe Zusammenhang zwischen Kirche und TrinitÅt lange Zeit selbstverstÅndlich anerkannt wurde, zeigt das bis ins 15. Jahrhundert zu beobachtende Fehlen eines eigenen LehrstÛcks Ûber die Kirche. Erst im Kontext der Auseinandersetzungen zwischen Konziliarismus und Papsttum entsteht ein gesonderter Traktat „De ecclesia“. Diese Entwicklung war im Westen „ursÅchlich mitbeteiligt daran, daß der umfassende Aspekt der Heils×konomie Gottes unter anderen ºberschriften verhandelt wurde und das so verengte Thema ‚Kirche‘ zu einer Abhandlung Ûber die Institution und ihre Leitungsstrukturen zu degenerieren drohte“174. In den Ostkirchen ist das KirchenverstÅndnis bis heute organischer in die trinitarische Heilsgeschichte eingebunden geblieben. So hat nicht zuletzt die von der ×kumenischen Bewegung erm×glichte Begegnung zwischen Ost- und Westkirchen dazu beigetragen, daß eine gemeinsame Besinnung auf die trinitarische Dimension der Kirche als m×glich erscheint. Dabei ist allerdings darauf zu achten, daß Kirche und trinitarische Heilsgeschichte nicht unreflektiert identifiziert werden, weil die TrinitÅtslehre und der mit ihr zusammenhÅngende Aspekt der Heilsgeschichte „GegenÛber und NÅhe“ Gottes beinhalten und von daher als Regulativ der Kirche Anweisung zur Wahrnehmung des g×ttlichen Handelns geben.175 Vor dem gezeigten Hintergrund gab Ioannis D. Zizioulas auf der FÛnften Weltkonferenz fÛr Glauben und Kirchenverfassung (Santiago de Compostela 1993) zu bedenken: „Wenn wir unsere Suche nach Einheit auf eine feste und gesunde Basis stellen wollen, brauchen wir eine stichhaltige Lehre von Gott als Dreieinigkeit und von Gottes Heilshandeln in Christus im VerhÅltnis zum Wirken des Heiligen Geistes. Diese LehrsÅtze sind [. . .] unabdingbare Voraussetzungen fÛr eine Ekklesiologie der Gemeinschaft und fÛr alle Versuche, die Spaltung mit Hilfe einer solchen Ekklesiologie zu Ûberwinden.“176 Mit der Ekklesiologie der Gemeinschaft spricht Zizioulas das trinitarisch begrÛndete Koinonia-Konzept an, von dem sich „Glauben und Kirchenverfassung“ neue ×kumenische Perspektiven fÛr die Ekklesiologie auf dem Weg zur Kircheneinheit erhofft. Durch die Anst×ße des Zweiten Vatikanischen Konzils mit seinen AnsÅtzen einer trinitarisch orientierten Communio-Ekklesiologie und durch die Integration der Ekklesiologie

174 T. Schneider: Bekenntnis, S. 211. Vgl. W. Pannenberg: Theologie III, S. 33 ff.; J. Finkenzeller: Art. „Kirche IV“, S. 236. 175 Vgl. E. Lessing: Bedeutung. Zum VerhÅltnis von TrinitÅtslehre und Heilsgeschichte vgl. G. Noller: Eschatologie, S. 90 ff. 176 G. Gaßmann/D. Heller (Hg.): Santiago, S. 104. Vgl. die Anfrage der Konferenz EuropÅischer Kirchen: „Was k×nnen wir tun, um die vers×hnende Kraft der TrinitÅt wiederzuentdekken und damit die Spaltungen sowohl in der Kirche als auch in der Welt zu Ûberwinden?“ (Gemeinschaft, S. 79) – Als Erfahrungsbericht von der FÛnften Weltkonferenz fÛr Glauben und Kirchenverfassung vgl. M. Haudel: Kirchen, und ders.: Schritt.

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in den umfassenderen Bezugsrahmen der Heilsgeschichte auf der Vierten Vollversammlung des °kumenischen Rates der Kirchen (°RK) in Uppsala (1968) war die ×kumenische Konzentration auf den – fÛr die Ostkirchen ohnehin bedeutenden – Koinonia-Begriff m×glich geworden, zumal das KirchenverstÅndnis sowohl bei der ekklesiologischen Selbstdefinition von Konfessionsfamilien als auch bei bilateralen Dialogen zunehmend auf der Grundlage von „Koinonia“, „Communio“ und „Gemeinschaft“ er×rtert wurde.177 Diese Hinwendung zur expliziten Auseinandersetzung mit der Ekklesiologie ergab sich aus der Einsicht, daß tragfÅhige ×kumenische Fortschritte in Einzelfragen nur Ûber eine grundlegende AnnÅherung im KirchenverstÅndnis zu erzielen sind. So standen bei der Rezeption des LimaDokuments Ûber Taufe, Eucharistie und Amt die Fragen nach der zugrundeliegenden Ekklesiologie und nach der Rolle der Kirche im Heilshandeln des dreieinigen Gottes im Mittelpunkt. Da nach GÛnther Gaßmann nur das heilsgeschichtliche Handeln des dreieinigen Gottes „der umfassendere Rahmen einer Darstellung des Wesens und der Sendung der Kirche sein“ kann, wenn man einer konfessionell verengten „ekklesiozentrischen Perspektive entgehen“178 will, versucht „Glauben und Kirchenverfassung“ ein neues Einheitskonzept auf der Grundlage des neutestamentlichen Gemeinschaftsbzw. Koinonia-Begriffs179 zu erstellen, insofern als dieser in der trinitarischen Heilsgeschichte verankert ist. Wie innerhalb der lebendigen Koinonia der Liebe von Gott Vater, Sohn und Heiligem Geist die Einheit durch Vielfalt bereichert wird und dennoch vollkommene Einheit herrscht, so soll auch die in der trinitarischen Koinonia begrÛndete Gemeinschaft der Christen von entsprechender Einheit in Vielfalt geprÅgt sein. Daß in der durch Glauben und Taufe begrÛndeten Gemeinschaft mit dem dreieinigen Gott eine „schon bestehende und auf Vollendung ausgerichtete Gemeinschaft“ existiert und daß demnach „die Entsprechung zwischen TrinitÅt und Kirche nicht rein formal ist“180, bezeugt das oft zitierte Wort aus dem hohepriesterlichen Gebet Jesu, das bereits in der Alten Kirche als Vorbild kirchlicher Einheit diente, aber bisher in seiner konkreten theologischen und ekklesiologischen Bedeutsamkeit zu wenig Beachtung fand: „Ich bitte aber nicht allein fÛr sie, sondern auch fÛr die, die durch ihr Wort an mich glauben werden, damit sie alle eins seien. Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir, so sollen auch sie in uns sein, damit die Welt glaube, daß du mich gesandt hast. Und ich habe ihnen die Herrlichkeit gegeben, die du mir gege-

177 Vgl. M. Haudel: Kriterien, S. 292, Anm. 1, wo Belege fÛr diese Beobachtung angefÛhrt sind. Vgl. ferner ders.: Koinonia, und J. Brosseder: Perspektiven, S. 168. 178 G. Gaßmann: Ekklesiologie-Projekt, S. 221; vgl. insgesamt ebd., S. 215 ff. 179 Vgl. J. Reumann: Koinonia; W.-D. Hauschild: BegrÛndung, S. 25; J. Brosseder: Perspektiven, S. 169. 180 M. Volf: TrinitÅt, S. 186.

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ben hast, damit sie eins seien, wie wir eins sind, ich in ihnen und du in mir, damit sie vollkommen eins seien“ (Joh 17,20–23).181 Der wesentliche ekklesiologische Stellenwert dieser Bibelstelle, die den Heiligen Geist als Voraussetzung fÛr die Einheit zwischen Vater und Sohn sowie zwischen Gott und Mensch impliziert, wird nicht bestritten: „Was Kirche ist, wird hier in letzter Tiefe ausgesprochen: sie nimmt teil am Sein und Leben des dreieinigen Gottes“182. Der Deutsche °kumenische Studienausschuß kommt deshalb zu dem Ergebnis, es habe Konsequenzen fÛr die ekklesiologischen Strukturen, daß die Kirche Abbild des dreieinigen Gottes ist.183 Aus dieser Einsicht heraus wird die mit Gottes Einheit in Vielfalt gegebene Aufgabe der Verwirklichung kirchlicher Einheit in Vielfalt im ×kumenischen GesprÅch allgemein akzeptiert: „Das trinitarische Prinzip der Vielfalt in der Einheit kann also auch in der Ekklesiologie angewandt werden und fÛr die °kumene hilfreich sein.“184 Nachdem sich erste AnsÅtze ekklesiologischer Auseinandersetzung in der ×kumenischen Bewegung zunÅchst auf die vergleichende Ekklesiologie und spÅter auf eine christologische Konzentration gestÛtzt hatten, scheint die gegenwÅrtige Hinwendung zur Ekklesiologie also mit einer neuen Orientierung an der TrinitÅt verbunden zu sein. Das belegt bereits die Kommissionssitzung von „Glauben und Kirchenverfassung“ in Budapest (1989), auf der eine Ekklesiologiestudie angeregt wurde und erste Hinweise auf ihre trinitarische Dimension erfolgten.185 So hinterließen die auf der Siebten °RK-Vollversammlung (Canberra 1991) vorgestellten Zielsetzungen des Koinonia-Konzepts und die ersten AnsÅtze seiner Entfaltung in Santiago de Compostela (1993) Einigkeit darÛber, daß es einen Zusammenhang und eine Entsprechung von g×ttlicher und kirchlicher Einheit in Vielfalt gibt.186 Aber das „wie“ dieser vertikalen und horizontalen Koinonia, in der sich sowohl das VerhÅltnis zwischen Gott und Mensch als auch das VerhÅltnis der Glaubenden untereinander aus der innerg×ttlichen Koinonia ableiten soll, ist Åußerst umstritten. „Das eigentlich Trennende, von dem her die einzel-

181 Vgl. Forum 6/1983, S. 90; J. Madey: Koinonia, S. 170; S. Harkianakis: Entwicklung, S. 7; H. MÛhlen: Geisterfahrung, S. 265; G. Larentzakis: KirchenverstÅndnis, S. 89 f. 182 H.-J. Lauter: Kirche, S. 331. Vgl. W. Kasper: Gott, S. 369: „Im Grunde enthÅlt das hohepriesterliche Gebet in nuce die gesamte TrinitÅtslehre“. Vgl. ebd., S. 370: „Es geht im trinitarischen Bekenntnis also um das Gemeinschaftshaben [sic] mit Gott.“ 183 Vgl. P. Neuner/D. Ritschl (Hg.): Kirchen, S. 18. 184 G. Larentzakis: KirchenverstÅndnis, S. 90. Vgl. G. Gaßmann/D. Heller (Hg.): Santiago, S. 217 ff. Zur Warnung vor einer zu direkten und unkritischen Analogie vgl. C. Schw×bel: Theologie, S. 333. – Zum Analogieproblem s. u., S. 63 ff. u. 573 f. 185 Vgl. G. Gaßmann (Hg.): Glauben und Kirchenverfassung, S. 66, 131 ff., 138. Vgl. ferner D. Ritschl: Richtwert, S. 427. 186 Vgl. W. MÛller-R×mheld (Hg.): Zeichen, S. 173–176; G. Gaßmann/D. Heller (Hg.): Santiago, S. 213 ff.

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nen Differenzen zu verstehen sind, lÅßt sich aussagen: im Blick auf Gott: auf sein Wirken im Menschen, in der Kirche; im Blick auf Jesus Christus: auf seine Menschwerdung mit ihren Konsequenzen fÛr den Menschen, fÛr die Kirche; im Blick auf den Heiligen Geist und sein Wirken im Menschen, in der Kirche.“187 Diese Probleme liegen in erster Linie darin begrÛndet, daß bei der VerhÅltnisbestimmung von Christologie und Pneumatologie nach wie vor große Divergenzen auftreten oder die Tragweite dieser VerhÅltnisbestimmung erst gar nicht wahrgenommen wird. Davon ist nicht nur der Protestantismus betroffen, in dem der Aspekt der Kirche als sichtbarer Gemeinschaft und damit die Analyse ekklesiologischer Dimensionen der Gotteslehre oftmals zurÛcktreten, was von pneumatologischen Defiziten sowie der mit Kirchenkritik verbundenen Entstehungssituation der protestantischen Kirchen herrÛhrt. Nach Auffassung des katholischen Theologen Yves M. J. Congar ist auch das Zweite Vatikanische Konzil bei der VerhÅltnisbestimmung von Christologie und Pneumatologie auf halbem Wege stehengeblieben, weshalb die schon von Papst Paul VI. erhobene Forderung nach einer intensiveren Auseinandersetzung mit dieser Problemstellung ernst genommen werden sollte.188 Gleiches gilt nach dem Urteil von Zizioulas (orth.) fÛr die Ostkirchen: „Die orthodoxe Theologie hat es noch nicht geschafft, eine angemessene Synthese zwischen der Christologie und der Pneumatologie herzustellen.“189 Diese trinitÅtstheologischen Unsicherheiten innerhalb der Konfessionsfamilien bestehen gleichermaßen im VerhÅltnis der Kirchen untereinander. Besonders deutlich zeichnet sich diese Schwierigkeit im Dialog zwischen Ost- und Westkirchen ab, in welchem die kontrÅren Positionen oft verschwiegen werden. Diejenigen „Standpunkte auf beiden Seiten, von denen das Filioque bzw. dessen Leugnung im pneumatisch-ekklesiologischen Sinne als HÅresie verstanden wird, sind bisher noch kaum berÛcksichtigt worden“190. „Wenn aber ein theologischer Konsens zwischen den Kirchen nicht zu einem neuen Dissens in den Kirchen fÛhren soll, mÛssen gerade diese Stimmen besonders sorgfÅltig geh×rt und bedacht werden“191, denn die „alten Kontroversen“ sind laut „Glauben und Kirchenverfassung“ (Bericht der Klingenthal-Konsultationen Ûber das Filioque) „unerwartet relevant“192.

187

H. SchÛtte: Kirche, S. 165 f. Vgl. Y. M. J. Congar: Implikationen, S. 123. Vgl. ferner B. J. Hilberath: Gott, S. 17, der daran erinnert, daß fÛhrende Theologen bereits nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil eine Konzentration auf die Gotteslehre empfahlen. 189 I. D. Zizioulas: Christologie, S. 138. 190 R. Slenczka: Filioque, S. 97. 191 Ebd., S. 86. 192 L. Vischer (Hg.): Geist, S. 21. 188

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Angesichts des gegenwÅrtigen Standes der ×kumenischen GesprÅche, in denen diese Probleme kaum an die OberflÅche kommen, ist der Feststellung des ehemaligen Vorsitzenden des Deutschen °kumenischen Studienausschusses, Dietrich Ritschl, zuzustimmen, daß die Frage „noch offen“ ist, „ob die neuen AnsÅtze zur Ausformung einer ×kumenischen Ekklesiologie entlang den Koinonia-Studien gelingen werden“193. Solche Skepsis scheint angebracht, da die Divergenzen nicht erst beim Versuch der Verwirklichung des Koinonia-Konzepts auftreten, sondern bereits in der Auffassung von Koinonia.194 Die GrÛnde dafÛr liegen in den nicht aufgearbeiteten Unterschieden in der Gotteslehre. Soll also die in die Koinonia-Ekklesiologie gesetzte Hoffnung, sie sei als Ursprungs- und Zielbestimmung der Kirche „der Urgrund aller christlichen Einheit“195 und verleihe „dem Bild der Einheit, die wir suchen, neues Leben“196, erfÛllt werden, „wÅre es notwendig, zuerst im VerstÅndnis von Gott als TrinitÅt Ûbereinzustimmen“197, wie es Zizioulas bereits 1989 auf der Kommissionssitzung von „Glauben und Kirchenverfassung“ in Budapest forderte. Die gleiche Forderung geht aus etlichen bilateralen Dialogen hervor, da bis auf erste AnsÅtze in der von „Glauben und Kirchenverfassung“ durchgefÛhrten Studie „Gemeinsam den einen Glauben bekennen“ das ResÛmee Daniel Cioboteas zutrifft: „[. . .] the doctrin of the Trinity has not yet been the object of an organized and systematic ecumenical reflection“198. Anhand der bisherigen ºberlegungen wird transparent, daß die fÛr ×kumenische Fortschritte erforderliche AnnÅherung im VerstÅndnis der Ekklesiologie nur zu erzielen ist, wenn eine dezidierte Auseinandersetzung mit der TrinitÅtslehre erfolgt. Um „das Problem der Åußeren Gestaltung und Struktur der sichtbaren Kirche [. . .] zu l×sen, muß das innere g×ttliche Wesen m×glichst klar erkannt werden“199. „°kumenische Theologie treiben“

D. Ritschl: Richtwert, S. 429. Vgl. M. Volf: TrinitÅt, S. 227, Anm. 69. 195 G. Larentzakis: KirchenverstÅndnis, S. 94, wo er P.-W. Scheele zitiert. Vgl. K. Kertelge: Koinonia, S. 65, und H. M. Legrand: Entwicklung, S. 145, die diese Hoffnung ebenfalls teilen. Vgl. ferner U. Kuhnke: Koinonia, S. 16 f., der den Koinonia-Begriff als ekklesiologisches Urwort einstuft und ihn in ºbereinstimmung mit K. Raiser als Urprungs- und Zielbestimmung der Kirche qualifiziert (S. 303). 196 G. Gaßmann/D. Heller (Hg.): Santiago, S. 25. 197 G. Gaßmann (Hg.): Glauben und Kirchenverfassung, S. 138. 198 D. Ciobotea: Art. „Trinity“, S. 1022. Zu den bilateralen Dialogen vgl. ebd., S. 1023, und zur genannten Studie vgl. Glauben. Zur Vermittlung erster Ergebnisse vgl. M. Haudel: EinfÛhrung; ders.: Einheit, und ders.: Gemeinschaft. Zu neuen Konzeptionen dieses Vermittlungsprozesses vgl. ders.: Wege, und ders.: Eiszeit. Auch fÛr A. Ganoczy: Aspekte, S. 49, steht „das universal geltende Bekenntnis des einen Glaubens [. . .] heute noch aus“. Deshalb betont M. D. Meeks: Gott, S. 43, zu Recht, „daß es die vorrangige Aufgabe der Theologie ist, die Gottesvorstellungen kritisch zu betrachten“. 199 L. Sertorius: Theologie, S. 175. 193 194

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heißt deshalb nach Otto A. Dilschneider, „von der Basis des dritten Artikels aus noch einmal das ganze Feld einer trinitarischen Theologie in Anschlag bringen“200. Dabei kommt es darauf an, die unterschiedlichen PrioritÅtensetzungen in der TrinitÅtslehre und ihre ekklesiologischen Implikationen erkennbar zu machen. Nur so kann auch verhindert werden, daß die trinitarisch erweiterte °RK-Basisformel oder die gemeinsame Berufung auf das Bekenntnis von 381 einen verhÅngnisvollen Scheinkonsens in der Gotteslehre vortÅuschen, der verschleiert, „daß sich die Gotteslehre als konfessionelle Kontroverslehre meldet“201. Deshalb rief bereits der Klingenthal-Bericht die Kirchen zu einem neuen Dialog Ûber die trinitarische Gotteslehre auf, der auf die ×kumenische Tagesordnung geh×re. Gleichzeitig wurde empfohlen, zu untersuchen, wie sich der trinitarische Glaube auf die Strukturen der Kirchen auszuwirken hat.202 Die oben zitierte Feststellung Cioboteas, daß eine differenzierte ×kumenische Reflexion der TrinitÅtslehre noch aussteht, betrifft erst recht die Analyse der Interdependenz von TrinitÅtslehre und ekklesiologischen Strukturen: „Eine detaillierte Untersuchung der Entsprechung von TrinitÅt und Kirche liegt noch nicht vor.“203 Deshalb m×chte die vorliegende Untersuchung einen Beitrag zur BewÅltigung der beiden anstehenden Aufgaben leisten, indem sie einerseits die Differenzen zwischen den verschiedenen trinitÅtstheologischen AnsÅtzen sowie die M×glichkeit ihrer ºberwindung analysiert und andererseits den Zusammenhang von divergierenden trinitÅtstheologischen PrioritÅtensetzungen und ekklesiologischen Divergenzen aufdeckt, um auf der Grundlage einer anzustrebenden hermeneutischen und trinitÅtstheologischen AnnÅherung neue Chancen fÛr eine ekklesiologische AnnÅherung zu er×ffnen. Hierbei ist im Interesse hermeneutischer Redlichkeit darauf zu achten, daß das VerhÅltnis zwischen trinitarischer und kirchlicher Koinonia nur ein analoges VerhÅltnis sein kann. Da die Kirche keine VerlÅngerung des Geheimnisses der TrinitÅt darstellt, ist bei den „Analogien zwischen der trinitarischen und der kirchlichen Einheit im VerhÅltnis zur trinitarischen und kirchlichen Vielfalt [. . .] theologisch Vorsicht geboten“204. Die in Gott existierende Einheit in Dreiheit, die trotz ihrer grundsÅtzlichen Erkennbarkeit (vestigia trinitatis) fÛr menschliche Erfahrung als paradoxales Geheimnis erscheint und sich als – in sich selbst existierendes – vollkommenes Leben der Liebe erschließt, ist nicht direkt auf menschliche und kirchliche Strukturen zu Ûbertragen. „Hier waltet eine Analogie der bei aller Šhnlichkeit je gr×ße200 201 202 203 204

O. A. Dilschneider: Notwendigkeit, S. 161. I. Lønning: Art. „Gott VIII“, S. 690. Vgl. L. Vischer (Hg.): Geist, S. 10 u. 22. M. Volf: TrinitÅt, S. 182. J. Freitag: Vorrang, S. 85.

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ren Verschiedenheit.“205 WÅhrend das w¾sper („Wie du, Vater, in mir bist [. . .]“) in Joh 17,21–23 diesen Sachverhalt hervorhebt, enthÅlt diese Bibelstelle zugleich den Hinweis auf „eine tiefgreifende Analogie, die um so legitimer und um so wichtiger ist, als sie von keinem anderen verlangt wurde als vom Herrn selber“206. Das bezeugt auch der Taufbefehl Jesu (Mt 28,18–20). Die Taufe auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes fÛhrt den Menschen in die trinitarische Gemeinschaft Gottes und die ekklesiologische Gemeinschaft der Glaubenden ein. Weil die Taufe als christliche Initiation diese vertikale und horizontale Koinonia in der TrinitÅt verankert, muß die Kirche von der TrinitÅt als von einer sie selbst bestimmenden Wirklichkeit reden.207 Dabei bietet die Geschichtlichkeit der Selbstoffenbarung Gottes die Voraussetzung dafÛr, daß trinitarische Vorstellungen in die ekklesiologischen zu konvertieren sind. „Daß es aber eine Konversion nicht nur der ekklesialen Vorstellungen, sondern auch der ekklesialen Wirklichkeit selbst geben kann, liegt in der Anwesenheit von Gottes Geist in der Kirche begrÛndet.“208 Somit ist die Entsprechung zwischen TrinitÅt und Kirche nicht nur rein formal, sondern auch inhaltlich anzustreben, was zum Beispiel im Blick auf die innerg×ttliche Liebe zu berÛcksichtigen wÅre. Die LegitimitÅt der Bezugnahme auf den Zusammenhang von TrinitÅt und Kirche beruht auf der ×konomischen Einwohnung Gottes in der Welt, die als Ort der M×glichkeit dieser Einwohnung und als Gottes Sch×pfung gebrochene kreatÛrliche Entsprechungen zum trinitarischen Geheimnis Gottes aufweist (vestigia trinitatis). „Das Gebot der Konsistenz in dem sich gegenseitig bedingenden und durch die soziale und ekklesiale Wirklichkeit beeinflußten Denken Ûber die TrinitÅt und Kirche steht freilich unter dem Anspruch der Offenbarung des dreieinigen Gottes.“209 Deshalb wird von der TrinitÅtslehre vorgegeben, welche Kriterien fÛr die Analogie zwischen TrinitÅt und Kirche zu gelten haben.210 Als Selbstmanifestation der immanenten TrinitÅt zeigt die ×konomische TrinitÅt, daß die trinitarische Einheit in Vielfalt auch in Gottes

205 W. Kasper: Gott, S. 374. Zur aus weltlicher Sicht paradox anmutenden Gleichzeitigkeit von Einheit und Dreiheit in Gott siehe Kap. VI,1.1 u. 1.3–4, wo gezeigt wird, inwieweit Gott als paradoxales Geheimnis einer philosophischen, sozialen oder kosmologischen Prinzipialisierung der Dreieinigkeit entgegensteht und inwieweit er aufgrund seiner Selbsterschließung im Kontext der vestigia trinitatis als das in sich existierende vollkommene Leben der Liebe verstehbar wird. 206 S. Harkianakis: Entwicklung, S. 8. 207 Vgl. M. Volf: TrinitÅt, S. 186. 208 Ebd., S. 189. 209 Ebd., S. 185. Vgl. insgesamt ebd., S. 183 u. 186 f. 210 „Der dreifaltige Gott bestimmt die Richtung, die fÛr den einzelnen und fÛr die Gemeinschaft gÛltig ist.“ (P. J. Cordes: Communio, S. 152) „Sich auslegen lassen durch den Heiligen Geist heißt also dann fÛr die Kirche: sich die Gestaltung als Leib Christi gefallen lassen und ihm in der Darstellung entsprechen.“ (R. Landau: Heiliger Geist, S. 203)

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trinitarischem Handeln bei der Konstitution der Kirche Geltung erhÅlt.211 In diesem Zusammenhang bleibt aber zu beachten, daß es in der Kirche zur Verbindung zwischen g×ttlicher und menschlicher Dimension kommt. Die sich in der heilsgeschichtlichen Epoche des „schon“ und „noch nicht“ befindende Kirche verk×rpert sowohl die Gemeinschaft mit dem dreieinigen Gott als auch das in der Geschichte pilgernde Gottesvolk, weshalb sie weder exklusiv als menschlich-soziales noch exklusiv als g×ttlich-trinitarisches PhÅnomen qualifiziert werden darf. Von daher verlangen die Versuche, die Dreieinigkeit als „Archetyp der Koinonia“212 zu verstehen, eine dynamische Sichtweise, worauf Miroslav Volf mahnend hinweist: „Bleibt die Kirche auf einem statisch aufgefaßten Minimum der Entsprechung zur TrinitÅt stehen, dann verfehlt sie die ihr von Gott mit ihrem Sein gegebenen M×glichkeiten; streckt sie sich dagegen nach einem statisch aufgefaßten Maximum aus, dann lÅuft sie Gefahr, ihre geschichtliche Wirklichkeit zu verfehlen; beansprucht sie fÛr sich gar, dieses Maximum zu verwirklichen, dann wird ihr SelbstverstÅndnis zur Ideologie.“213 Diese Gefahren sind bei weitem nicht gebannt, denn die Bestimmung des VerhÅltnisses von Gott, Mensch und Kirche ist weiterhin umstritten. Eine der entscheidenden Ursachen dafÛr liegt im uneinheitlichen Zugang zu dem Kriterium dieses analogen VerhÅltnisses, zur Offenbarung des dreieinigen Gottes: „[. . .] quer durch die Kirchen hindurch gibt es Unterschiede hinsichtlich der Klarheit der Aussagen, die in RÛckschlÛssen von Gottes geschichtlicher Offenbarung Ûber den ewigen Gott selbst gewonnen werden k×nnen“214. Auch hier stellt sich die Aufgabe einer intensiven Auseinandersetzung mit dem VerhÅltnis von OffenbarungsverstÅndnis und TrinitÅtslehre. Diese Auseinandersetzung ist unumgÅnglich, wenn folgende VerhÅltnisbestimmungen geklÅrt werden sollen, die mit den Worten Bernd Jochen Hilberaths als „ProblemÛberhang im Hinblick auf die weitere theologische Arbeit“ bestehen: „×konomische und immanente TrinitÅt, Christologie und Pneumatologie, Gnade und Freiheit, Geist und Kirche“215. Zur L×sung dieser Probleme empfehlen die Sektionsberichte der FÛnften Weltkonferenz fÛr Glauben und Kirchenverfassung, nach Wegen gemeinsamer Anerkennung des in den altkirchlichen trinitarischen Bekenntnissen zusammengefaßten apostolischen Glaubens zu suchen und das Thema der Ekklesiologie in diesen dogmatischen Kontext einzubinden. WÛrde man auf diese Weise einheitliche Kriterien fÛr das VerhÅltnis von Gott, Mensch und Kirche finden, kÅme das auch zwei weiteren Problemstellungen zugute, zu deren Erfor211 212 213 214 215

Vgl. C. Schw×bel: Theologie, S. 330. P. J. Cordes: Communio, S. 153. M. Volf: TrinitÅt, S. 190. Vgl. insgesamt ebd., S. 225 f. E. Schlink: Dogmatik, S. 758. B. J. Hilberath: Pneumatologie, S. 518.

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schung die Weltkonferenz aufgerufen hat: dem Problem der Inkulturation des Evangeliums sowie dem VerhÅltnis von Ekklesiologie und Ethik.216 Die sich folglich auch am Analogieproblem aufdrÅngende Vermutung, daß sich trinitÅtstheologische Unterschiede Ûber die ekklesiologischen Divergenzen hinaus in einer unterschiedlichen VerhÅltnisbestimmung von Kirche und Welt fortsetzen, lÅßt die Antwort auf das aktuelle Grundproblem der ×kumenischen Bewegung erahnen. Dieses Problem besteht darin, daß eine FÛlle von Konvergenz- und Konsenstexten erstellt wird, aber bei den entscheidenden klassischen Streitfragen noch keine substantielle ºbereinstimmung zu erzielen ist.217 Als Ursache hierfÛr k×nnte sich der bisher nicht aufgearbeitete Zusammenhang zwischen den unterschiedlichen PrioritÅtensetzungen in der TrinitÅtslehre und im KirchenverstÅndnis erweisen. So bestÅtigt sich erneut der Bedarf der ×kumenischen Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen trinitÅtstheologischen PrioritÅten und ihren ekklesiologischen Implikationen. Zur BewÅltigung dieser Aufgabe ist neben dem Problem des OffenbarungsverstÅndnisses und dem Analogieproblem darauf zu achten, daß eine spannungsreiche ºberlagerung von Katechismus-, Gebets-, Bekenntnis- und Lehrtraditionen besteht, die zu vielen MißverstÅndnissen gefÛhrt hat. WÅhrend die altkirchlichen Bekenntnisse noch Doxologie und Lehre sowie Gebet und Zeugnis verk×rperten, verselbstÅndigten sich diese Grundformen der GlaubensÅußerung im Laufe der Dogmengeschichte, was durch Verabsolutierungen bestimmter Aussageformen auch zu inhaltlichen Verschiebungen fÛhrte. „Je extremer diese Einseitigkeiten sind, desto stÅrker erfolgt jeweils die Reaktion vonseiten der anderen Grundformen der Antwort des Glaubens bis hin zu tiefer Entfremdung“218. Das trug aufgrund der gegenseitigen Unkenntnis Ûber die jeweilige spirituelle und theologische PrÅgung in Ost- und Westkirche zur Ausformung der trinitÅtstheologischen Unterschiede bei. BegÛnstigt wurde diese Entwicklung durch die verschiedenartigen kulturellen und philosophischen MentalitÅten bzw. Denkweisen der Kirchen des Morgen- und Abendlandes, die ebenfalls besondere Beachtung verdienen, da sie fÛr unterschiedliche hermeneutische AnsÅtze im trinitarischen Denken und entsprechende ekklesiologische Konsequenzen verantwortlich sind. Vgl. G. Gaßmann/D. Heller (Hg.): Santiago, S. 227, 242, 254. Vgl. R. Frieling: Glaubenseinheit, S. 266; H. Petri: Problematik, S. 53. 218 E. Schlink: Christus, S. 46. Vgl. ebd. den gesamten Abschnitt Ûber „Die Struktur der dogmatischen Aussage als ×kumenisches Problem“ (S. 24 ff.). Vgl. ders.: Dogmatik, S. 33 ff. Vgl. ferner A. Peters: TrinitÅtslehre, Sp. 565. Daß bei aller Beachtung der verschiedenen Sprach- und Denkstrukturen jedoch die inhaltliche Auseinandersetzung entscheidend bleibt, betont W. Ullmann: filioque, S. 68: „Wir dÛrfen nicht meinen, durch eine PhÅnomenologie von Denk- und Sprachstrukturen, durch eine Statistik der Modelle, dogmatische Fragen einer L×sung nÅherbringen zu k×nnen.“ Doch die Beachtung solcher strukturellen Unterschiede darf nicht ausgeblendet werden, weil sich zuweilen scheinbar inhaltliche Unterschiede lediglich als Folge derartiger Strukturverschiebungen erweisen. 216 217

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3. Die trinitÅtstheologischen und ekklesiologischen Konsequenzen der verschiedenen Denkweisen in Ost- und Westkirche Das orientalisch-induktive Denken im Osten, das sich vom Einzelereignis ausgehend dem Gesamtzusammenhang nÅhert, fÛhrte zur Offenheit gegenÛber den einzelnen Schritten der trinitarischen Heils×konomie. Den drei personalen Existenzweisen Gottes, die sich in der Heilsgeschichte offenbaren, schenkte man deshalb gr×ßere Aufmerksamkeit als dem einen g×ttlichen Wesen, so daß nicht „die eine Wesenheit Gottes, sondern die allheilige und allerhabene Trias“219 im Zentrum theologischen Denkens steht. Die Konzentration auf die drei Personen in Gott, die ihre entscheidende PrÅgung von den drei Kappadoziern erhielt und durch den Einfluß der aristotelischen Philosophie gef×rdert wurde, brachte sowohl fÛr die immanente als auch fÛr die ×konomische TrinitÅt eine lineare Dimension des Denkens mit sich. Weil die Wahrnehmung der immanenten TrinitÅt dem heils×konomischen Ablauf entsprechend bei den jeweils handelnden trinitarischen Personen einsetzt, kann die Einheit Gottes nur unter Bezugnahme auf diese Personen gewonnen werden. Deshalb wird sie nicht wie im Westen vom Wesen Gottes abgeleitet, sondern von der Monarchie des ursprungslosen Vaters, der als Quelle der Gottheit deren Einheit gewÅhrleistet. Der Vater schenkt seine g×ttliche Natur dem Sohn und – durch den Sohn – dem Heiligen Geist. Auf diese Weise schreitet die ×stliche immanente TrinitÅtslehre nicht selten linear von einer Person zur anderen fort. Das wirkt sich wiederum auf das VerstÅndnis der ×konomischen TrinitÅt aus. In der Person des Heiligen Geistes, die als Vollendung des innertrinitarischen Lebensprozesses gilt, kann Gott zugleich Ûber sich hinausgehen. Indem der Vater durch den Sohn im Geist mit der Sch×pfung Ûber sich hinausweist und die Sch×pfung in dieser Form mit seinem Heilswillen begleitet, wird die Menschheitsgeschichte zum Ort des Dreischritts der g×ttlichen Heilsgeschichte, die die Theosis bzw. Verg×ttlichung des Menschen zum Ziel hat. Im Unterschied zur westlichen Theologie mit ihrer Hervorhebung des dualistischen VerhÅltnisses von Gott und Welt, die im Kontext der SÛndenlehre erfolgt, liegt hier die Betonung auf der eschatologisch ausgerichteten Chronologie der Heilsgeschichte, aus der sich eine Triadisierung der Weltgeschichte ergibt. Das erklÅrt das besondere Interesse am dritten Artikel, der die Zeit der Kirche verk×rpert. Durch die damit verbundene Orientierung an der eschatologischen Vollendung entsteht eine primÅre Bezugnahme auf den Heiligen Geist. Folgerichtig entwickelte sich eine kosmologisch ausgerichtete theologia gloriae, in der es um die eschatologische Vollendung des Kosmos

219 H. Biedermann: Gotteslehre, S. 134. Vgl. A. Kallis: Koinonia, S. 104; ders.: Art. „Kirche V“, S. 253.

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und die g×ttliche Adoption bzw. Theosis des Menschen geht.220 Obwohl der Theosis-Begriff nach orthodoxem VerstÅndnis nicht impliziert, daß der Mensch Gott wird, birgt er im Kontext des linearen und chronologischen Denkens die Gefahr eines ontologischen VerstÅndnisses der Erl×sung in sich. Denn es tritt zuweilen in den Hintergrund, daß auch der erl×ste Glaubende als Gerechtfertigter und SÛnder weiterexistiert und somit stets auf die rechtfertigende Gnade angewiesen bleibt. Die Aspekte der Krisis und der theologia crucis k×nnen auf diese Weise in der Gnadenlehre leicht von der theologia gloriae verdeckt werden. Neben der Gnadenlehre lÅßt die immanente TrinitÅt erkennen, welche Gefahren in einem einseitigen VerstÅndnis des hermeneutischen Ansatzes ostkirchlicher Theologie liegen. Die Konzentration auf die trinitarischen Personen und die damit verbundenen linearen Ableitungen verursachen die Vorliebe fÛr soziale Analogien zur ErklÅrung des innertrinitarischen Lebens. Mit der entsprechenden PrioritÅt fÛr die interpersonale Ebene k×nnen deshalb tritheistische Tendenzen auftreten. Trotz der vorausgesetzten ewigen innertrinitarischen Perichorese, in der kein Vorher und Nachher existiert, besteht darÛber hinaus die Gefahr des Subordinatianismus, insofern als die Versuchung besteht, den Vater als Quelle der g×ttlichen Einheit dem Sohn und dem Geist Ûberzuordnen.221 Andererseits gewÅhrt der Einsatz bei den drei g×ttlichen Personen eine deutlichere Wahrnehmung des Personseins und der EigenstÅndigkeit des Heiligen Geistes. Die durch das westliche Filioque erfolgte BeschrÅnkung seines Wirkens auf die Anthropologie und die Gnadenlehre wird damit verhindert, so daß die eschatologische Vollendung der ganzen Sch×pfung als Wirkungsfeld des Geistes ins Blickfeld der Theologie tritt.222 Zur Betonung der trinitarischen Einzelpersonen fÛhlte sich die Theologie des Ostens auch durch das religi×se Umfeld gedrÅngt, in dem viele g×ttliche Logoi ihren Anspruch geltend machten. So sah man sich gen×tigt, den umfassenden Herrschaftsanspruch der zweiten Person der TrinitÅt, des Christus Pantokrator, zu erweisen. Diese Anforderung korrelierte mit einem Hang zum Monophysitismus (Betonung der G×ttlichkeit Jesu), der ekklesiologisch eine vernachlÅssigte Unterscheidung zwischen irdischer und himmlischer Kirche nach sich zog. Davon ist auch die VerhÅltnisbestimmung von Kirche und Welt betroffen, die sich unter dem Gesichtspunkt der

220 Vgl. N. A. Nissiotis: Theologie, S. 28 ff.; D. Staniloae: Dogmatik I, S. 109 ff. u. 291 ff.; W. Kasper: Gott, S. 361; D. Ritschl: Geschichte, S. 32; W. Ullmann: filioque, S. 66; H. Biedermann: Gotteslehre, S. 132; S. Wiedenhofer: Ekklesiologie, S. 76; O. A. Dilschneider: Geist, S. 333. 221 Vgl. D. Papandreou: Ekklesiologie, S. 827; L. Scheffczyk: Formulierung, S. 172; W. Pannenberg: Theologie I, S. 298 ff.; M. Volf: TrinitÅt, S. 191. 222 Vgl. S. Harkianakis: Entwicklung, S. 18; H.-M. Barth: Lehre, S. 59; W. Kasper: Gott, S. 267.

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Symphonia mehr dem positiven Zusammenspiel beider KrÅfte und weniger dem eschatologischen Vorbehalt widmet, was sich in der byzantinischen Reichsideologie widerspiegelt. Aus diesem Blickwinkel lassen sich die Problemkonstellationen beleuchten, die mit dem PhÅnomen der orthodoxen Nationalkirchen auftreten k×nnen.223 Der beobachtete enge Zusammenhang zwischen irdischer und himmlischer Kirche weist darauf hin, daß die mit dem induktiven Denken verbundene lineare Dimension keineswegs einer historisch-linearen Betrachtungsweise entspricht. Vielmehr bleibt sie im trinitarischen Denken verankert, das die Geschichte transzendiert. Unter dieser Voraussetzung wird die Kirche als gottmenschliche Gemeinschaft des vom Heiligen Geist bewirkten Leibes Christi verstanden. Als Gesamtheit des Lebens dieser Gemeinschaft und als Abbild der Dreieinigkeit ist sie nur induktiv im „Schauen“ des erfahrbaren Mysteriums angemessen zu erkennen.224 Daraus wird ersichtlich, daß mit der induktiven Hermeneutik ein weiteres Charakteristikum ostkirchlicher Theologie verbunden ist: die kontemplativ-doxologische PrÅgung der Theologie, fÛr die religi×se und mystische Erfahrung den maßgeblichen Horizont bildet. Zur Erkenntnis Gottes und der Kirche gelangt man nicht durch rationale Deduktion, sondern durch eine Hermeneutik der Hingabe, die sich der Transzendenz Gottes ×ffnet und sich ihr in liturgischdoxologischer Anbetung nÅhert.225 Von daher erhalten Epiklese und Heiliger Geist zentrales hermeneutisches Gewicht fÛr die Orthodoxie. Zugleich wird evident, warum die Liturgie den Ort der gelebten Theologie bildet und „die Hymnologie der Ostkirche heute noch als gesungene Dogmatik bezeichnet werden kann“226. Weil in der heiligen Liturgie die gesamte trinitarische Heilsgeschichte verk×rpert wird, liegt in der „Kombination von praktischer Fr×mmigkeit und Gottesdienst mit den allerkompliziertesten trinitarischen Gedanken [. . .] die charakteristische Eigenart der Orthodoxie“227. Der religi×s-praktische Zugang zur TrinitÅt bietet eine weitere ErklÅrung 223 Vgl. A. Kallis: Art. „Kirche V“, S. 258; W. Ullmann: filioque, S. 66; H. Biedermann: Gotteslehre, S. 135. 224 Vgl. A. Kallis: Art. „Kirche V“, S. 252 ff. 225 A. S. Chomjakov erklÅrt den Unterschied zwischen ×stlichem und westlichem Denken durch die GegenÛberstellung von iranischer und kuschitischer MentalitÅt. Nach der von M. George analysierten Auffassung Chomjakovs „ist der Osten der Bereich des Iranismus, das Reich der Freiheit des sch×pferischen Geistes, der Westen dagegen ist der Bereich des Kuschitismus, das Reich der Knechtschaft des Geistes durch die Notwendigkeit der Materie und der abstrakten Logik“ (M. George: Kirche, S. 234 f.). 226 S. Harkianakis: Charakter, S. 355. Vgl. insgesamt D. Staniloae: Gott, S. 440 ff.; J. Madey: Wechselbeziehung, S. 15; G. G. Blum: Oikonomia, S. 291; B. J. Hilberath: Pneumatologie, S. 511 f. 227 D. Ritschl: Geschichte, S. 35. Vgl. D. Papandreou: Ekklesiologie, S. 822: „Der Kult ist der beste doxologische, hymnologische und existentielle Ausdruck des Glaubens.“ Vgl. ferner J. Madey: Wechselbeziehung, S. 15: „Die Ostkirchen leben aus dem Kult.“

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fÛr das Interesse an den einzelnen trinitarischen Personen mit ihren jeweiligen soteriologischen Funktionen in der Heilsgeschichte, die in der Anbetung zum Tragen kommen. „Das orthodoxe Dogma hat [. . .] den doxologischen und eucharistischen Raum der Anbetung nicht verlassen.“228 Aus dem Bewußtsein, „daß Gebet und Theologie ziemlich identisch sind“229 und eine kenotische Hermeneutik verlangen, folgt eine apophatische und askriptive Theologie, die sich dem Geheimnis Gottes umschreibend nÅhert und ihren Ausdruck in einer Sprache der Symbole sowie in der Ikonographie findet. Aus dieser Hermeneutik geht eine oft mystisch-asketische Grundhaltung hervor, die sich in der Bedeutung des M×nchtums fÛr die Ostkirchen niederschlÅgt. Charakteristisch fÛr die ostkirchliche Hermeneutik ist daher der mystische Aufstieg bis zur Schau des Taborlichts, das die JÛnger bei der VerklÅrung Jesu auf dem Berg Tabor erblickten und das zu den ungeschaffenen Energien bzw. Wirkungen Gottes gezÅhlt wird. Die besonders im palamitischen Hesychasmus ausgeprÅgte Energienlehre stellt ein weiteres Spezifikum ostkirchlicher Theologie dar. Das verborgene Wesen Gottes wird als unergrÛndlich betrachtet, so daß Gott nur in seinen ungeschaffenen Energien wie Licht, Herrlichkeit und GÛte zu erkennen ist. WÅhrend diese Unterscheidung einerseits Gott in seinen Eigenschaften als GegenÛber und Mysterium gerecht zu werden versucht, droht sie andererseits den Zusammenhang von ×konomischer und immanenter TrinitÅt aufzul×sen, zumal die g×ttlichen Energien in der Heils×konomie den trinitarischen Personen gemeinsam zugesprochen werden. Dieses Problem der palamitischen Energienlehre, das sich aufgrund der m×glichen Unterscheidung zwischen palamitischer und altkirchlicher Energienlehre letztlich differenzierter darstellt, bildet einen zentralen Streitpunkt zwischen Ost- und Westkirche.230

228 G. Larentzakis: Kirche, S. 113. Vgl. A. Kallis: Orthodoxie, S. 10: „Orthodoxie ist nicht abstrakte rechte Lehre, sondern rechte Lobpreisung Gottes, die sich im rechten Glauben, Kult und Leben der Kirche verwirklicht.“ 229 S. Harkianakis: Charakter, S. 353 f. 230 „Zweifellos haben wir es hier mit einem fundamentalen Gegensatz zwischen Ost und West im Glauben an Gott und sein Wirken zu tun.“ (G. G. Blum: Oikonomia, S. 282) Vgl. D. Ritschl: Logik, S. 184: „In der Tat liegen die Probleme weitgehend in der Zuordnung der ‚×konomischen‘ [. . .] zur ‚immanenten‘ TrinitÅtslehre.“ Vgl. zur Energienlehre, zum Apophatismus und zur hesychastischen Schau des Taborlichts N. Crainic: Jesusgebet; D. Staniloae: Gott; H. Aldenhoven: Unterscheidung. – Zur Analyse der scholastischen Entwicklung im Westen und der palamitischen Entwicklung im Osten siehe Kap. III,1, wo auch deutlich wird, daß die einheitliche Zuordnung der Energien in Gottes Handeln „ad extra“ in der orthodoxen Schultheologie zuweilen wie die westliche Vorordnung des Traktats „De Deo uno“ wirken konnte. – Zur altkirchlichen Energienlehre mit ihrer M×glichkeit heils×konomisch-hypostatischer Erkenntnis und zu ihrer Unterscheidung von der palamitischen Energienlehre s. u., S. 166 ff., und siehe Kap. II,3 u. VI,1.2.

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Einen weiteren Unterschied zwischen ×stlicher und westlicher Theologie bemerkt George Barrios in der jeweiligen Vorliebe fÛr biblische Referenztexte zur Gnadenlehre. WÅhrend viele westliche KirchenvÅter Augustin folgen und von Gen 1–3 ausgehend um die Wiederherstellung der Gottebenbildlichkeit des Menschen bemÛht sind, geht es ×stlichen KirchenvÅtern unter Bezugnahme auf Joh 1 um die Partizipation des Menschen am trinitarischen Leben Gottes, die sich in der Theosis vollzieht.231 Weil sich ×stliche Theologie somit auf die Partizipation am Leben der drei g×ttlichen Personen konzentriert, behielt die TrinitÅt eine maßgebliche Bedeutung fÛr die ostkirchliche Fr×mmigkeit.232 Entsprechend wirkt sich der spezifisch ×stliche Ansatz der TrinitÅtslehre auch auf die Ekklesiologie aus, was nicht nur das mystisch-dynamische KirchenverstÅndnis belegt, sondern auch die Betonung des ortskirchlichen und synodalen Aspekts. Wie der dreieinige Gott in den trinitarischen Personen lebt, so lebt die Kirche als Abbild der TrinitÅt aus der vollen KatholizitÅt der Ortskirchen und ihren synodalen Beziehungen.233 Dieser hermeneutische Weg von der Ortskirche zur Universalkirche weist Unterschiede zur westkirchlichen Ekklesiologie auf, die entweder von der r×misch-katholischen Vorordnung oder der protestantischen VernachlÅssigung der Universalkirche geprÅgt ist. Auch die abendlÅndische Ekklesiologie lÅßt dabei den Einfluß der TrinitÅtslehre erkennen, welche hier allerdings deutliche Spuren westlicher MentalitÅt aufweist. Die rational-deduktiven Strukturen westlichen Denkens riefen eine hermeneutische Orientierung an dem einen Wesen Gottes hervor. Der philosophische Kontext, fÛr den zunÅchst die neuplatonische und spÅter die cartesianische Philosophie eine bedeutende Rolle spielte, begÛnstigte die Tendenz, von der einen Natur Gottes ausgehend deduktiv zu ihrer Dreifaltigkeit fortzuschreiten. Zugleich f×rderte die metaphysisch-rational ausgerichtete MentalitÅt die zunehmende Trennung von Theologie und Doxologie, so daß die dogmatische Erkenntnis im Unterschied zu den Ostkirchen oft den doxologisch-liturgischen Gesamtzusammenhang vermissen ließ.234

231

Vgl. G. Barrios: Styles, S. 93 ff. Vgl. G. Larentzakis: Kirche, S. 113 f. 233 Letzteres betont vor allem die im 19. Jahrhundert von A. S. Chomjakov entwickelte Sobornost-Lehre. Vgl. insgesamt I. D. Zizioulas: Kirche, S. 100; H. Biedermann: Gotteslehre, S. 134 f., und A. Kallis: Art. „Kirche V“, S. 253: „Durch die Natur der Kirche zum einen, die als Ortskirche sich verwirklicht und als solche auch die Gesamtkirche manifestiert, den schauend betrachtenden Geist und die induktive Denkweise der Griechen zum anderen wird die spezifisch orthodoxe ekklesiologische Betrachtungsweise bestimmt.“ 234 Das Åußert sich z. B. in der ZurÛckhaltung gegenÛber symbolischen und ikonographischen Ausdrucksweisen (vgl. J. Madey: Wechselbeziehung, S. 13 f.). Vgl. insgesamt H. Biedermann: Gotteslehre, S. 137 f.; W. Ullmann: filioque, S. 67; G. G. Blum: Oikonomia, S. 293 f.; O. A. Dilschneider: Geist, S. 334; R. Slenczka: Filioque, S. 92. 232

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Die TrinitÅtslehre als Herausforderung

WÅhrend die induktive ×stliche Hermeneutik zu einem interpersonal-linearen trinitarischen Denken fÛhrte, das sich zur Welt hin ×ffnet, verband sich mit dem deduktiven westlichen Denkansatz das Bild des Kreises, das den trinitarischen Gott intrapersonal in sich geschlossen erscheinen lÅßt und folgerichtig ein dualistischeres GegenÛber von Gott und Welt nach sich zieht.235 Richtungweisend fÛr diese Entwicklung war die augustinische TrinitÅtslehre, deren hermeneutische Ausrichtung sich durch ihren RÛckgriff auf die psychologische Analogie charakterisieren lÅßt, welche den trinitarischen Gott als geistigen Selbstvollzug des einen Wesens Gottes qualifiziert. In seiner Selbsterkenntnis zeugt Gott sein ewiges Wort, womit der Wesensvollzug des Erkennens gegeben ist. Das Wollen vollzieht sich im Geist als der gegenseitigen Liebe zwischen Vater und Sohn, in der sich das trinitarische Leben schließt. Indem Gott so unter Hervorhebung der intrapersonalen Dimension mit dem Selbstvollzug des menschlichen Geistes (mens, notitia, amor) verglichen wird, besteht im Gegensatz zur Theologie des Ostens die Gefahr des modalistischen MißverstÅndnisses sowie der idealistischen Vorstellung vom Selbstvollzug des absoluten g×ttlichen Geistes. „In dieser Kreisbewegung der Einheit um sich selbst existiert Gott in seiner vollkommenen Seligkeit. An sich ist er darum immer der entfernte Gott.“236 Zur Betonung des Dualismus von Gott und Welt wurde die westliche Theologie durch den religi×sen Kontext herausgefordert, der dieses GegenÛber durch die neuplatonische Emanationslehre und den Åhnlich strukturierten Neoarianismus im westgotischen Spanien unkenntlich machte.237 Die dadurch notwendig gewordenene Herausstellung der Differenz zwischen Gott und Mensch bedingte neben einem Hang zum Nestorianismus (Betonung der Menschlichkeit Jesu) die Konzentration auf das VerhÅltnis „Gott-SÛnde“ und damit auf die Anthropologie und die Gnadenlehre. Deshalb wurden Inkarnation und Christologie, denen aufgrund des GegenÛbers von Gott und Welt besondere Beachtung zukam, oft mehr von der Anthropologie und der Soteriologie als von der Gotteslehre her in den Blick genommen.238 Im Unterschied zum kosmologisch-trinitarischen Denken im 235 Die unterschiedlichen AnsÅtze Åußern sich auch in der kÛnstlerischen Darstellung der TrinitÅt. Bezeichnend fÛr das orthodoxe VerstÅndnis ist die Ikone Rublevs, auf der die drei „Engel“ bei Abraham (Gen 18) als TrinitÅt gedeutet werden. Auf den Gnadenstuhlabbildungen im Westen erscheint die TrinitÅt als Gesamtgestalt, indem der auf dem Thron sitzende Vater das Kreuz des Sohnes hÅlt und der dazwischen schwebende Geist ihre Einheit vollendet. 236 G. Pedersen: TrinitÅt, S. 622. Vgl. insgesamt W. Kasper: Gott, S. 265 u. 361 ff.; W. Ullmann: filioque, S. 65 f. – Zu Augustin s. u., S. 139 ff. 237 Vgl. zum Neoarianismus L. Scheffczyk: Formulierung, S. 193. Zum VerhÅltnis von Neuplatonismus und Christentum vgl. H. D×rrie: Platonismus; ders.: Platonica, S. 454 ff. 238 Vgl. W. A. Bienert: Aporien, S. 102; R. Slenczka: Filioque, S. 98; G. Pedersen: TrinitÅt, S. 622.

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Osten entwickelte sich auf diese Weise ein soteriologisch-christologisch ausgerichtetes Denken, aus dem sich die PrioritÅt fÛr den zweiten Artikel und die theologia crucis erklÅrt. Zwar wird so deutlicher als im Osten der Aspekt der bleibenden Krisis menschlicher Existenz hervorgehoben, aber zugleich besteht ein defizitÅres VerstÅndnis der heilsgeschichtlichen Wirksamkeit des Heiligen Geistes in ihrer eigenstÅndigen und kosmologischen Dimension. Weil die wirkungsgeschichtlich dominante augustinische Konzeption besonderen Wert auf die IdentitÅt des Heiligen Geistes mit dem Wesen Gottes bzw. der Liebe legte und ihn nicht wie Richard von St. Viktor auch als Mitgeliebten (condelictus) betrachtete, galt der Geist vorwiegend als Kraft und Relation. Dadurch wurde zum einen die Orientierung an der Einheit des Wesens Gottes forciert, und zum anderen erhielt das Werk Gottes in der ×konomischen TrinitÅt zunehmend Vorrang gegenÛber den g×ttlichen Personen. Vor diesem Hintergrund bestÅrkte die WertschÅtzung der Einheit von ×konomischer und immanenter TrinitÅt, die der RationalitÅt korrespondierte, das an der Einheit des Wesens Gottes ausgerichtete Denken.239 Die Ursache des Filioque ist also nicht nur im Kontext der antiarianischen BemÛhungen zu suchen, welche durch den Ausgang des Geistes aus Vater und Sohn die Gottheit des Sohnes bestÅtigen wollten, sondern auch im Kontext der westlichen Gnadenlehre mit ihrem geringen Interesse an der PersonalitÅt des Heiligen Geistes. Wie die autokephalen Kirchen im Osten als Spiegelbild des interpersonalen trinitÅtstheologischen Ansatzes mit seinen potentiellen tritheistischen Gefahren erscheinen, entwickelte sich im Westen eine Ekklesiologie, die der primÅren Orientierung an der intrapersonalen Einheit des Wesens Gottes und deren modalistischen Gefahren entspricht. Das bezeugt die Entwicklung der r×mischen Zentralisierung, die mit ihrer primatialen Kirchenstruktur zu Konzeptionen fÛhrte, in denen die Ortskirchen deduktiv aus der Universalkirche abgeleitet werden. Ferner verursachte der westliche Dualismus von Gott und Welt in seiner anthropologisch-soteriologischen Gestalt im Unterschied zum Osten zunÅchst ein primÅr irdisch-organisatorisches VerstÅndnis von Kirche. Die aus der christologischen Konzentration resultierende Fixierung auf die AutoritÅt des Amtes bewirkte dabei eine geringere Beachtung der vom Geist gestifteten Gemeinschaft des Volkes Gottes. Das marginale Interesse an der Gemeinschaft der Heiligen trifft auch auf die individualistischen Tendenzen im Protestantismus zu.240 So entstanden in

239 „Die Theologien der westlichen Kirchen oszillieren zwischen dieser Ineinssetzung von ×konomischer und immanenter TrinitÅtslehre und einer tiefen Skepsis gegenÛber dem Begriff der TrinitÅt Ûberhaupt.“ (D. Ritschl: Logik, S. 184) Vgl. zum pneumatologischen Ansatz der westlichen Theologie E. Lessing: Art. „Geist V“, S. 220; B. J. Hilberath: Pneumatologie, S. 515 f. 240 Vgl. J. Moltmann: Geschichte, S. 97; S. Wiedenhofer: Ekklesiologie, S. 77; G. Pedersen: TrinitÅt, S. 622; H. Biedermann: Gotteslehre, S. 137 ff.; N. A. Nissiotis: Theologie, S. 66. – Zur

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den westlichen Kirchen von ganz unterschiedlichen konfessionellen Voraussetzungen her immer wieder Probleme bei der Realisierung kirchlicher Einheit in Vielfalt. Diese GegenÛberstellung ×stlicher und westlicher DenkansÅtze sowie einiger ihrer trinitÅtstheologischen und ekklesiologischen Konsequenzen lÅßt jedoch nicht erkennen, daß sich der Gesamteindruck im einzelnen viel differenzierter gestaltet. Von daher sind die gegenseitigen pauschalen VorwÛrfe ×stlicher und westlicher Theologen auf die M×glichkeiten ihrer ºberwindung zu befragen. Ein prÅgnanter Vorwurf gegenÛber der abendlÅndischen Theologie besteht in der von Vladimir Lossky besonders pointiert vertretenen Ansicht, der Filioquismus bilde die Wurzel aller lateinischen HÅresien. Konkret lauten die ×stlichen VorwÛrfe, daß eine mit dem Christozentrismus verbundene Geistvergessenheit Anthropozentrismus und SÅkularismus hervorrufe. Statt der pneumatologisch fundierten gott-menschlichen Kirche habe sich ein einseitig christologisch ausgerichteter primatialer Institutionalismus auf r×misch-katholischer und ein rationaler Individualismus auf protestantischer Seite herausgebildet. Umgekehrt werfen westliche Theologen den Ostkirchen pneumatokratischen Mystizismus mit einem Verlust des Weltbezuges vor, der in den Nationalkirchen unter dem Vorzeichen der Ecclesia Triumphans zu einer undifferenzierten Identifizierung von Staat bzw. Volk und Kirche fÛhre.241 Diese gegenseitigen VorwÛrfe zeugen zwar von der Wahrnehmung der Gefahren und der grundsÅtzlichen Konsequenzen der unterschiedlichen Konzeptionen, aber sie belegen gleichzeitig die gegenseitige Unkenntnis Ûber die differenzierten und komplexen theologischen Entwicklungen in Ostund Westkirche. In beiden Bereichen liegen innerhalb der gesamten Kirchengeschichte durchaus verschiedenartige theologische AnsÅtze vor, die der pauschalen Zuordnung in ×stliche und westliche AnsÅtze widerstehen.242 Obwohl die ×kumenische Bewegung mit der Begegnung zwischen Ost- und Westkirche erm×glicht hat, daß die Fragen von TrinitÅtslehre und Ekklesiologie am Horizont der ×kumenischen Tagesordnung erscheinen,

Analyse der trinitÅtstheologisch bedingten ekklesiologischen Entwicklung in Ost und West siehe Kap. III. 241 Vgl. V. Lossky: Theologie; H. Biedermann: Gotteslehre; R. Slenczka: Filioque, S. 91 f.; W. Kasper: Gott, S. 271; W.-D. Hauschild: Art. „Geist IV“, S. 204. 242 Zu den im Westen bis heute kaum wahrgenommenen Divergenzen innerhalb der Orthodoxie vgl. S. Harkianakis: Entwicklung, und D. Papandreou: Ekklesiologie, S. 821, der wie Harkianakis die „Meinungsverschiedenheiten orthodoxerseits im Hinblick auf die Ekklesiologie“ er×rtert. Vgl. auch D. Wendebourg: Person. Sie weist hinsichtlich der TrinitÅtslehre am Beispiel orthodoxer Theologen nach, daß eine pauschale Einordnung in ×stliche und westliche AnsÅtze an der Wirklichkeit vorbeigeht. Daß gleiches fÛr die AnsÅtze westlicher Theologen gilt, zeigt W. Kasper: Gott, S. 363. – Zu den grundsÅtzlich unterschiedlichen orthodoxen AnsÅtzen im 19. Jahrhundert siehe Kap. III,3.3.

Verschiedene Denkweisen in Ost- und Westkirche

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fehlt es zum Erreichen konkreter Fortschritte nach wie vor „ganz einfach an der gegenseitigen Information“243. „Die Differenz zwischen Ost und West in Fr×mmigkeit, Lehre und Bekenntnis liegt auch heute noch auf der Linie des in der Antike und im Mittelalter entstandenen Gegensatzes.“244 Deshalb ist es erforderlich, die jeweiligen AnsÅtze der Gotteslehre und ihre ekklesiologischen Konsequenzen im Kontext ihrer speziellen hermeneutischen Ausrichtung zu untersuchen, denn nicht zuletzt besteht „das konfessionelle Problem in den unterschiedlichen Denkweisen, welche jeweils ein bestimmtes GefÛge von Anthropologie, Christologie und Ekklesiologie hervorbringen“245. Nur wenn eine solide theologische AnnÅherung unter BerÛcksichtigung dieser Gesichtspunkte das gemeinsame VerstÅndnis von Gotteslehre und Ekklesiologie f×rdert, das fÛr alle Konfessionen die Voraussetzung der kirchlichen Einheit bildet246, kann das „Wiedererkennen des Ostens und des Westens in der einen Christenheit [. . .] eine bisher ungeahnte Zukunft von Gemeinschaft“247 er×ffnen. Soll der ×kumenische Dialog gelingen, mÛssen die Kirchen „an dem Reichtum anderer Weisen, das Geheimnis Gottes zu erkennen und zu verehren, verstehend teilnehmen k×nnen“248, zumal „die unerlÅßliche Bedingung fÛr die Einigung getrennter Kirchen der Konsensus im trinitarischen [. . .] Bekenntnis“249 ist. Weil unterschiedliche PrioritÅtensetzungen in der TrinitÅtslehre zu unterschiedlichen ekklesiologischen PrioritÅten fÛhren, stehen Ost- und Westkirche auf dem Weg zur Einheit vor dem gleichen Problem: „Eine sachgemÅße Synthese zwischen der Christologie und der Pneumatologie zu erarbeiten ist eine Aufgabe, die sich der ×stlichen wie der westlichen Theologie in gleicher Weise stellt.“250 Diese Aufgabe, die auch die divergierende Zuordnung des Vaters zu berÛcksichtigen hat, lÅßt sich aber nur im Kontext einer dezidierten Analyse der unterschiedlichen offenbarungstheologischen und trinitÅtstheologischen PrioritÅtensetzungen sowie ihrer ekklesiologischen Konsequenzen ×kumenisch fruchtbar l×sen. 243 R. Slenczka: Filioque, S. 86. Vgl. G. Larentzakis: Kirche, S. 107, der die gegenseitige Unkenntnis aus orthodoxer Sicht ebenfalls beklagt. Vgl. insgesamt M. Haudel: Exotik. 244 G. G. Blum: Oikonomia, S. 294. 245 R. Frieling: Glaubenseinheit, S. 279. Vgl. zur fortschreitenden Wahrnehmung des Problems der ×kumenischen Hermeneutik M. Haudel: Impulse, und ders.: Vers×hnung. 246 Vgl. zur notwendigen theologischen ºbereinstimmung in diesen Grundfragen E. Schlink: Dogmatik, S. 701 f.; D. Papandreou: Ekklesiologie, S. 832; J. Ratzinger: Kirche, S. 104. 247 D. Staniloae: Dogmatik I, S. 9 (Geleitwort J. Moltmann). 248 H. Biedermann: Gotteslehre, S. 142. Entsprechend Åußert der katholische Theologe A. Nossol: Geist, S. 154, „die ºberzeugung, daß eine grÛndlichere Kenntnis der orthodoxen Tradition bessere Einsichten gewinnen lÅßt“. Nach I. D. Zizioulas: Christologie, S. 126, ist es auch aus orthodoxer Perspektive „klar, daß die orthodoxe Theologie eng mit der westlichen Theologie zusammenarbeiten muß, falls sie wirklich sich selbst und anderen helfen soll“. 249 E. Schlink: Dogmatik, S. 702. 250 I. D. Zizioulas: Christologie, S. 126.

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Die TrinitÅtslehre als Herausforderung

4. Notwendige trinitÅtstheologische und ekklesiologische sowie offenbarungstheologische Fortschritte und ihre Basis In Anbetracht der bisherigen Beobachtungen verlangen die spezifischen und zum Teil einseitigen Tendenzen der jeweiligen trinitÅtstheologischen und ekklesiologischen Entwicklungen sowie die ×kumenischen Problemstellungen aus verschiedensten Blickwinkeln nach einer Untersuchung der Differenzen in der TrinitÅtslehre und ihrer ekklesiologischen Konsequenzen. Das gilt zunÅchst fÛr die Unstimmigkeiten bei der VerhÅltnisbestimmung von ×konomischer und immanenter TrinitÅt, deren Ursachen in unterschiedlichen Offenbarungsvorstellungen liegen, die deshalb ebenfalls zu untersuchen sind. Die Divergenzen bei der Bestimmung des VerhÅltnisses von Gotteslehre und OffenbarungsverstÅndnis wirken sich auch auf die divergierende VerhÅltnisbestimmung von Schrift, Tradition und Kirche aus und sind nicht zuletzt auf einseitige theologische Entwicklungen in der Zeit nach der Alten Kirche zurÛckzufÛhren. Von daher bietet sich der heils×konomische Ansatz bedeutender ×stlicher und westlicher KirchenvÅter an, zu einem differenzierteren und konsensfÅhigeren OffenbarungsverstÅndnis zu gelangen. Denn dieser Ansatz kann als biblisch-×konomischer Ansatz prÅzisiert werden251, der eine angemessene Zuordnung von natÛrlicher Theologie und Offenbarungstheologie252 sowie von ×konomischer und immanenter TrinitÅt erm×glicht. In unmittelbarem Zusammenhang mit dieser Fragestellung steht das gegenseitige UnverstÅndnis, das zwischen westlich-rationalem und ×stlich-apophatischem Denken herrscht und sich in der entsprechend differierenden EinschÅtzung der ostkirchlichen Energienlehre Åußert, was wiederum ausschlaggebend fÛr die Bestimmung des VerhÅltnisses von ×konomischer und immanenter TrinitÅt ist. Auch hier lÅßt sich aus der altkirchlichen TrinitÅtslehre eine differenzierte L×sung ableiten, die auf der Grundlage der ost-westlichen Zusammenarbeit maßgeblicher KirchenvÅter sowohl der hypostatischen (Gottes Sein betreffenden) als auch der apophatischen (auf Gottes Wirkungen bezogenen) Erkennbarkeit Gottes gerecht wird.253 Erst wenn auf diese Weise genau zu klÅren ist, wie in biblisch-×konomischer Orientierung zuverlÅssige Aussagen Ûber den dreieinigen Gott m×glich sind, wie ×konomische und immanente TrinitÅt gegenseitig zuzuord251 Zur EinfÛhrung dieser PrÅzisierung durch den Verfasser s. u., S. 96 f. Zur differenzierten Er×rterung dieses Ansatzes s. u., bes. S. 500 ff. – Diese neu eingefÛhrte PrÅzisierung durchzieht wie alle vom Verfasser neu eingefÛhrten Differenzierungen die gesamte Untersuchung. 252 Zur diesbezÛglich vom Verfasser vorgenommenen Differenzierung s. u., S. 129 ff., und zur detaillierten Er×rterung siehe Kap. VI,1.1. 253 Zur darauf bezogenen neu eingefÛhrten Differenzierung durch den Verfasser und zu ihrer Ableitung aus der altkirchlichen TrinitÅtslehre s. u., S. 166 ff., und siehe Kap. II,3 u. VI,1.2.

Notwendige Fortschritte

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nen sind und wie sich Energien und Wesen Gottes zueinander verhalten, lassen sich auch prÅzisere Aussagen zum trinitarischen Personbegriff machen. Dieser wird zumeist entweder intra- oder interpersonal verstanden und bringt somit das biblisch bezeugte paradoxale Geheimnis von intra- und interpersonaler254 g×ttlicher Einheit in Vielfalt ebensowenig adÅquat zum Ausdruck wie das VerhÅltnis von „GegenÛber und NÅhe“255 Gottes. Die genannten Voraussetzungen gelten auch fÛr die Wahrnehmung des innertrinitarischen VerhÅltnisses von Ursprungsbeziehungen und ewigen Existenzbeziehungen, das ebenfalls nach wie vor nicht oder nur undifferenziert zur Kenntnis genommen und daher sehr unterschiedlich bewertet wird.256 Diese noch nicht Ûberwundenen Unsicherheiten bestimmen sowohl die Filioque-Kontroverse als auch die trinitarisch-ekklesiologischen PrioritÅtensetzungen der verschiedenen Konfessionen. In der Alten Kirche finden sich auch zur aktuellen Auseinandersetzung um den trinitarischen Personbegriff und zum VerhÅltnis von „GegenÛber und NÅhe“ Gottes sowie zum VerhÅltnis von innertrinitarischen Ursprungs- und Existenzbeziehungen Grundlagen fÛr einen differenzierteren und konsensfÅhigeren Ansatz. Zugleich lÅßt die altkirchliche TrinitÅtslehre deutlich werden, welche ekklesiologischen Implikationen sich aus ihr ergeben. Deshalb soll die altkirchliche TrinitÅtslehre nach L×sungsansÅtzen fÛr die genannten Problemstellungen befragt werden. Dann erst besteht die M×glichkeit, fundiert zu analysieren, welche trinitÅtstheologischen Einseitigkeiten sich in Ost und West mit den entsprechenden ekklesiologischen Konsequenzen entwickelten, welche trinitarische Besinnung durch diese Einseitigkeiten hervorgerufen wurde und wie zeitgen×ssische trinitÅtstheologische EntwÛrfe versuchen, einer biblisch-×konomischen Orientierung gerechter zu werden. Weil in allen Konfessionen solche Versuche einer NeubegrÛndung der TrinitÅtslehre zu beobachten sind, sollen exemplarisch bedeutende Konzeptionen protestantischer, katholischer und orthodoxer Herkunft untersucht werden, um zu zeigen, welche ×kumenischen Chancen diese EntwÛrfe er×ffnen und wo sie nach wie vor Defizite aufweisen. Ferner werden explizit trinitarisch-ekklesiologische EntwÛrfe aus den genannten konfessionellen Str×mungen untersucht, um die Interdepen254 Zur vom Verfasser eingefÛhrten Verwendung dieser Terminologie in Form eines grundsÅtzlichen Begriffspaares s. u., S. 104 ff., und siehe Anm. 96, II. Kap. Zur differenzierten Er×rterung siehe Kap. VI,1.4. 255 Zur EinfÛhrung dieses Begriffspaares durch den Verfasser s. o., S. 36, und zur nÅheren Er×rterung siehe Kap. VI,1.4. 256 S. u., S. 134 f., und siehe Anm. 212, II. Kap., wo im Kontext der Problematik kurz er×rtert wird, daß die vom Verfasser eingefÛhrte neue terminologische Bezeichnung dieses VerhÅltnisses (Ursprungs- und Existenzbeziehungen bzw. Ursprungs- und Existenzebene) auch inhaltliche Differenzierungen mit sich bringt. Zur differenzierten Er×rterung der Problematik s. u., bes. S. 341 ff., und siehe Kap. VI,1.3.

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Die TrinitÅtslehre als Herausforderung

denz von OffenbarungsverstÅndnis, TrinitÅtslehre und Ekklesiologie herauszuarbeiten. Eine angemessene Beurteilung der jeweiligen Chancen und Defizite lÅßt sich nur in Kenntnis der entstandenen Einseitigkeiten und der ersten Versuche ihrer ºberwindung im 19. und 20. Jahrhundert erzielen. In diesem Kontext er×ffnen sich dann auf der Basis der Erkenntnisse, die sich aus der Alten Kirche ableiten lassen, Perspektiven zur ºberwindung der noch bestehenden trinitÅtstheologischen Defizite und ihrer ekklesiologischen Implikationen, so daß auf der Grundlage eines angenÅherten OffenbarungsverstÅndnisses und eines entsprechend biblisch-×konomischen Ansatzes Einseitigkeiten und Fehlentwicklungen zu beheben sind. So bietet sich die Chance, die mit dem trinitarisch begrÛndeten Koinonia-Konzept angestrebte ×kumenische Ekklesiologie auf eine fundierte Basis zu stellen. Erschwert werden die beschriebenen Aufgaben dadurch, daß nicht nur monokausale Auswirkungen trinitarischer Defizite auf das KirchenverstÅndnis bestehen, sondern die TrinitÅtslehre auch umgekehrt zur BestÅtigung eigener ekklesiologischer PrÅmissen dient. Deshalb ben×tigt die vergleichende Analyse gegenwÅrtiger trinitarischer Konzeptionen und ihrer ekklesiologischen Implikationen einen Ausgangspunkt, der sich als gemeinsame Basis und als Kriterium eignet. Eines solchen Kriteriums bedarf es auch fÛr die notwendige Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen MentalitÅten und Denkweisen sowie mit dem jeweiligen OffenbarungsverstÅndnis. Als Kriterium, das diesen Anforderungen gerecht wird, bietet sich auch hier die aus der biblischen Heils×konomie erwachsene TrinitÅtslehre der Alten Kirche an, die sich im Bekenntnis von NizÅa-Konstantinopel (381) verbindlich konkretisiert und in der Form dieses Bekenntnisses von nahezu allen Kirchen als schriftgemÅße und „abschließende Interpretation des trinitarischen Glaubens in der Kirche“257 angesehen wird. Daher geh×rt das Be-

257 L. Scheffczyk: Formulierung, S. 182. Das belegt z. B. die „Gemeinsame ErklÅrung des Arbeitskreises evangelischer und katholischer Theologen“ von 1981: „Das TrinitÅtsdogma von 381 [. . .] faßt die frÛhchristliche Glaubensgeschichte hinsichtlich der Gotteslehre abschließend zusammen“ (K. Lehmann/W. Pannenberg [Hg.]: Glaubensbekenntnis, S. 120). Zur verbreiteten Akzeptanz dieses Bekenntnisses als Basis fÛr den ×kumenischen Dialog vgl. W. A. Bienert: KirchenverstÅndnis, S. 74. In bezug auf die EinschÅtzung der altkirchlichen Tradition als authentische schriftgemÅße Tradition vgl. J.-M. Garrigues: Standpunkt, S. 121; M. Haudel: Bibel, S. 241 ff. Die Eignung der altkirchlichen theologischen Entscheidungen als Basis fÛr die KlÅrung der gegenwÅrtigen Problemstellungen betont aus protestantischer Sicht W.-D. Hauschild: BegrÛndung, S. 42, der den Kirchen rÅt, durch „organisatorische und dogmatische Fixierungen zu dem theologischen Grund zurÛckzukehren, den die VÅter der FrÛhzeit in verschiedener Weise formuliert haben“. Dazu werden die Kirchen nach Auffassung des katholischen Theologen W. L×ser: Anmerkungen, S. 116, durch das ×kumenische GesprÅch herausgefordert: „Multilaterale ×kumenische Dialoge konfrontieren die beteiligten Kirchen unausweichlich mit den Traditionen der altkirchlichen Zeit und legen ihnen nahe, sie auf je ihre Weise neu und unter den gegenwÅrtigen geschichtlichen und kirchengeschichtlichen Bedingungen sich anzueignen.“ Das unterstreicht der orthodoxe Theologe G. Larentzakis: KirchenverstÅndnis, S. 75:

Notwendige Fortschritte

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kenntnis von 381 „zum Fundament des Christentums in fast allen Kirchen und markiert durch alle Trennungen hindurch als das einzig wirkliche ×kumenische Bekenntnis deren wichtigste Gemeinsamkeit“258. Angesichts der faktisch bestehenden Unterschiede in den trinitÅtstheologischen PrioritÅtensetzungen kann dieses Bekenntnis aber nur dann zu konkreteren Einheitsschritten verhelfen, wenn die Kirchen nachvollziehen, wie der darin erreichte Konsens durch die Zusammenarbeit der KirchenvÅter des Ostens und des Westens zustande kam und unterschiedliche Weisen der theologischen Reflexion vereinigte. Erst auf diese Weise wird es „uns AbendlÅndern ein gewisses VerstÅndnis fÛr unsere BrÛder im Orient beibringen, und umgekehrt“259. In einem Ûberschaubaren Zeitraum der trinitarischen Streitigkeiten geben die BemÛhungen der ×stlichen und westlichen KirchenvÅter „ein Modell dafÛr ab, wie gest×rte Kirchengemeinschaft neu wachsen kann“260. Von den theologischen EntwÛrfen Tertullians zu Beginn des 3. Jahrhunderts bis zum Konzil von Konstantinopel (381) „ergibt sich eine Zeitspanne von etwas Ûber 150 Jahren, innerhalb deren die Lehre der Kirche fÛr immer entschieden wurde, und zwar in einer Weise, daß alle nachfolgenden BemÛhungen [. . .] nur als Explikationen der Entscheidungen von NicÅa und Konstantinopel gewertet werden dÛrfen“. Die formelle Er×rterung der TrinitÅt „unter Einschluß der Frage nach der 3. Person [. . .] geschah, streng genommen, nur in den 25 Jahren zwischen den Briefen des Athanasius an Serapion [. . .] (gegen 358) und dem Konzil von Konstantinopel“261. Zwar war das trinitarische Mysterium 381 noch nicht in jeder Hinsicht denkerisch entfaltet, aber die KirchenvÅter hatten den Rahmen fÛr ein angemessenes trinitarisches VerstÅndnis des in der Schrift bezeugten Gottes abgesteckt. Der RÛckgriff auf diesen Rahmen ist von h×chster AktualitÅt fÛr die gegenwÅrtigen trinitÅtstheologischen Auseinandersetzungen, denn mit ihm „sind nahezu alle kommenden M×glichkeiten jener experimenta medietatis – einschließlich der modernen SÅkularisationen – vorausgeahnt und in unerh×rter Prophylaxe abgewehrt“262. Die von den KirchenvÅtern abgewehrten HÅresien sind

„Diese RÛckbesinnung ist die Aufgabe nicht nur einer Kirche bzw. Konfession, sondern sie verpflichtet alle Kirchen Christi, wenn sie ihre GlaubensidentitÅt in der KontinuitÅt des apostolischen Glaubens wahrnehmen wollen und wenn es die Kirchen auch mit der °kumene ernst meinen.“ 258 W.-D. Hauschild: Dogma, S. 13. Vgl. J. TrÛtsch: Stellungnahme, S. 69: „Eine Besinnung auf diese Grundlage christlichen und kirchlichen Bekennens ist auch heute unverzichtbar“. 259 H. Crouzel: Patrologie, S. 528. Die Zusammenarbeit ×stlicher und westlicher Theologie in der Alten Kirche wÛrdigen auch J. Frisque: Ekklesiologie, S. 213; G. Larentzakis: Kirche, S. 122, und A. de Halleux: Konsensus, S. 72 ff. 260 K. Lehmann/W. Pannenberg (Hg.): Glaubensbekenntnis, S. 121. Vgl. insgesamt ebd. 261 L. Scheffczyk: Formulierung, S. 183. 262 H. Thielicke: Glaube II, S. 192. Vgl. D. Ritschl: Art. „TrinitÅt“, Sp. 1179, nach dessen

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Die TrinitÅtslehre als Herausforderung

nÅmlich „keineswegs historisch zufÅllig und vergangen. Sie sind Gefahren christlicher Theologie in Permanenz. [. . .] Darum ist es bei aller hermeneutischen Differenz, die man heute mit Recht gegenÛber den altkirchlichen Bekenntnissen empfindet und erkennt, sinnvoll, ihre theologischen Grundentscheidungen zu wiederholen.“263 Das empfiehlt sich besonders fÛr den Dialog zwischen Ost- und Westkirche, da sich die KomplementaritÅt der altkirchlichen Unterschiede zwischen ×stlicher und westlicher TrinitÅtstheologie in der neuzeitlichen VerÅnderung der trinitarischen Begrifflichkeit fortsetzt.264 Vor diesem Hintergrund wird folgendes ×kumenisches Fazit des Deutschen °kumenischen Studienausschusses verstÅndlich: „Erst der Konsens zwischen Ost- und Westkirche, zwischen dem jetzigen Bekenntnis und dem Glauben der VÅter gibt einer Glaubensaussage die entscheidende Verbindlichkeit.“265 Angesichts der maßgeblichen und richtungweisenden Bedeutung der altkirchlichen TrinitÅtslehre „erscheint es unausweichlich, daß eine heute m×gliche und notwendige Gestalt der TrinitÅtslehre nicht nur sich mit deren klassischer Struktur vertraut macht, sondern auch weitgehend auf deren Sprache und Fragestellungen angewiesen ist“266. Soll die im gegenwÅrtigen ×kumenischen Dialog immer wieder geforderte und allgemein akzeptierte Bezugnahme auf das Bekenntnis von 381 Frucht bringen und sich auch fÛr die in dieser Untersuchung behandelte Fragestellung als fruchtbar erweisen, bedarf es der Auseinandersetzung mit den entscheidenden Schritten, in denen die KirchenvÅter auf der Grundlage der Schrift den Rahmen fÛr die heutige trinitÅtstheologische Diskussion schufen.267 Dabei beschrÅnkt sich die vorliegende Untersuchung darauf, die Alte Kirche nach den genannten Problemstellungen zu befragen, die noch zur L×sung anstehen. So ist zu zeigen,

Auffassung die Patristik „ein wenigstens zur Abgrenzung von krassen IrrtÛmern nÛtzliches Instrument geschaffen“ hat. Vgl. ferner G. Ebeling: Dogmatik III, S. 534: „Die damit vollzogene Abgrenzung [. . .] ist von so grundlegender Bedeutung, daß damit definiert ist, was auf keinen Fall mehr als christlich gelten kann.“ 263 J. Moltmann: TrinitÅt, S. 144 f. 264 Vgl. E. Schlink: Dogmatik, S. 751. 265 P. Neuner/D. Ritschl (Hg.): Kirchen, S. 26. 266 G. Ebeling: Dogmatik III, S. 536. Vgl. den Klingenthal-Bericht von „Glauben und Kirchenverfassung“: „So ist es auch heute bei jeder nochmaligen ºberlegung der trinitarischen Begriffe [. . .] wÛnschenswert, zurÛckzugehen und den Erkenntnisprozeß der frÛhen Kirche noch einmal mitzuvollziehen.“ (L. Vischer [Hg.]: Geist, S. 13) 267 „Man muß die trinitÅtstheologischen EntwÛrfe des zweiten und dritten Jahrhunderts, ihre StÅrken wie ihre Aporien kennen, um die Zuspitzung des vierten Jahrhunderts zu begreifen.“ (C. Markschies: „. . .et tamen non tres Dii“, S. 158) „Denn was so pauschal als ‚die‘ TrinitÅtslehre seit 381 n. Chr. [. . .] gilt [. . .], ist zunÅchst einmal – schon mit Blick auf die großen Kappadozier – zu differenzieren, wenn nicht bestimmte Pointen Ûbersehen werden sollen, die auch fÛr die gegenwÅrtige systematische Diskussion von Belang sein k×nnten.“ (H. Rosenau: TrinitÅt, S. 7)

Notwendige Fortschritte

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wie sich der biblisch-×konomische Ansatz in ost-westlicher Zusammenarbeit der KirchenvÅter entwickelte und wie er als Basis der bereits angedeuteten Differenzierungen zu dienen vermag, die zur ºberwindung bisheriger Einseitigkeiten fÛhren k×nnen. Denn es geht hier nicht primÅr um die Entfaltung einer eigenen TrinitÅtslehre, sondern es soll anhand der zur L×sung anstehenden Probleme aufgezeigt werden, wo die Grenzen und die Mindestanforderungen einer TrinitÅtslehre liegen, die zur ºberwindung bisheriger hermeneutischer und trinitÅtstheologischer Einseitigkeiten sowie zur BegrÛndung einer ×kumenischen Ekklesiologie geeignet ist.268

268 Auf die Bedeutung des verbindlichen Rahmens, den das altkirchliche Dogma abgesteckt hat, wies auch die Internationale Altkatholische Bischofskonferenz in ihrer ErklÅrung zur Filioque-Problematik hin: „Weitere Gedanken Ûber das VerhÅltnis des Sohnes als der zweiten Person der Heiligen Dreifaltigkeit zum ewigen Ausgang des Heiligen Geistes mÛssen sich in den Grenzen halten, die durch das trinitarische Dogma der alten Kirche gezogen sind.“ (Zitiert bei K. Stalder: „Filioque“, S. 97.)

II. Kapitel: Die biblisch-×konomisch ausgerichtete TrinitÅtslehre der Alten Kirche als Grundlage neuer ×kumenischer VerhÅltnisbestimmungen 1. Die heils×konomisch orientierte altkirchliche TrinitÅtslehre als schriftgemÅße Darlegung der Selbsterschließung Gottes und als Grundlage eines BIBLISCH-×konomischen Ansatzes Wird die altkirchliche TrinitÅtslehre als ×kumenische Basis fÛr die theologische Orientierung der Kirchen herangezogen, stellt sich die Frage, ob das altkirchliche Dogma als authentische Explikation des in der Schrift bezeugten Offenbarungsgeschehens gelten kann. Besonders im Protestantismus wurde des ×fteren die Annahme geÅußert, daß die eigentlichen Wurzeln der TrinitÅtslehre nicht im apostolischen Zeugnis zu finden seien und die Entwicklung des altkirchlichen Dogmas somit zur Entfernung vom ursprÛnglichen christlichen Offenbarungsgeschehen gefÛhrt habe. Adolf von Harnack sprach von der Hellenisierung des Christentums, die sich an der ºbernahme der hellenistischen Logosspekulation abzeichne und den eigentlichen Ausl×ser der TrinitÅtslehre bilde.1 Friedrich Loofs sah kaum noch eine KontinuitÅt zwischen apostolischem Urchristentum und dem vermuteten Hellenisierungsprozeß, da dieser den urchristlichen Monotheismus durch polytheistische Einwirkung in eine trinitarische Vorstellung verwandelt habe.2 Solche Versuche, eine Vorform der TrinitÅtslehre in der griechischen Philosophie oder anderen außerchristlichen Quellen zu suchen, „dÛrfen heute sÅmtlich als gescheitert angesehen werden“3. Zwar vollzogen die KirchenvÅter wegen des universalen Anspruchs des biblischen Gottesglaubens und der in I Petr 3,15 geforderten Rechenschaftspflicht gegenÛber allen Menschen eine AnknÛpfung an die religi×sen und philosophischen Gottesgedanken im r×mischen Reich, welche vielfach von der hellenistisch geprÅgten antiken Metaphysik bestimmt waren. Aber es handelte sich dabei nicht um eine substantielle Hellenisierung des Christentums, sondern um einen

1

Vgl. A. von Harnack: Lehrbuch I, S. 469 ff. Vgl. F. Loofs: Leitfaden, S. 102. Zur Bedeutung A. Ritschls fÛr diese Anschauungen vgl. W. Pannenberg: Aufnahme, S. 296 ff. 3 B. Lohse: Epochen, S. 45. Vgl. W. Breuning (Hg.): TrinitÅt, S. 12. 2

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differenzierten Vorgang von Aneignung und Widerspruch, in dem sich das fortsetzte, was bereits im Neuen Testament zum Ausdruck kam. Wenn nÅmlich Paulus davon ausgeht, daß den Menschen die Ahnung von Gottes Existenz und seines Gesetzes ins Herz gelegt ist, meint er damit nicht einfach die natÛrlich-theologische Ableitbarkeit Gottes, weil der Mensch in seiner widerg×ttlichen Selbstbehauptung zur Verkehrung der g×ttlichen Wahrheit neigt (R×m 1,21 ff.). Deshalb verk×rpern die nicht-christlichen Religionen eine „Mischung der Erscheinung der Gnade, der natÛrlichen religi×sen Veranlagung des Menschen und seiner das Religi×se verzerrenden und verfÅlschenden Schuld“4. Vor diesem Hintergrund hat es „zweifellos der Intention des Paulus entsprochen, diese Verkehrung auch in der Fragestellung der Philosophie aufzudecken (R×m 3,9 ff.)“5. Die im Neuen Testament stattfindende Auseinandersetzung mit jÛdischem und griechischem Denken, die exemplarischen Charakter fÛr die Begegnung des Christentums mit anderen weltanschaulichen Orientierungen besitzt6, gipfelt in dem fÛr jÛdische und griechische Gottesvorstellungen bestehenden Skandalon, daß der gekreuzigte Jesus Gott sein soll (I Kor 1,23 f.). Der biblische Befund „war so neu und einmalig, daß er alle hergebrachten Begriffe des Denkens revolutionierte. Es genÛgte also keineswegs, die Begrifflichkeit der griechischen Philosophie auf das Ûberlieferte Bekenntnis anzuwenden. Solche Versuche endeten alle in der HÅresie.“7 Vielmehr sah man sich vor „die immens schwierige Aufgabe gestellt [. . .], bis zu den Elementen des philosophischen Gottesgedankens und Menschenbildes vorzustoßen und diese Elemente im Licht biblischen Gottesglaubens umzuschmelzen“8. Das fÛhrte zur In-

4

K. Rahner: Kirche/Kirchen, S. 370. W. Pannenberg: Aufnahme, S. 326. 6 S. u., S. 94 ff. Dabei gilt es allerdings zu beachten, daß den christlichen Glauben mit der jÛdischen Religion ein besonderes VerhÅltnis verbindet, insofern als es im Alten Bund um die eigenen Wurzeln des Christentums geht, worauf Paulus in R×m 9–11 ausdrÛcklich hinweist. 7 W. Kasper: Gott, S. 317. Vgl. insgesamt A. M. Ritter: Dogma, S. 115; W.-D. Hauschild: Lehrbuch I, S. 17 u. 47; K. Beyschlag: Grundriß I, S. 272; E. JÛngel: Entsprechungen, S. 162; I. D. Zizioulas: Wahrheit, S. 2; D. Papandreou: Ekklesiologie, S. 826; W. Breuning: Art. „Gotteslehre II“, Sp. 924; B. J. Hilberath: Gott, S. 25 f. 8 A. M. Ritter: Dogma, S. 116, der sich hier auf eine ausfÛhrliche Untersuchung zu diesem Thema bezieht, die W. Pannenberg durchgefÛhrt hat. Vgl. W. Pannenberg: Aufnahme, S. 311: „Die christliche Theologie konnte an den philosophischen Gottesgedanken nur anknÛpfen, indem sie ihn zugleich durchbrach. Sie mußte [. . .] der philosophischen Frage nach dem wahren Gott standhalten und sie zu einer echten ErfÛllung bringen“. Vgl. ferner W.-D. Hauschild: Dogma, S. 44: „Die scheinbar hellenische Form des TrinitÅtsdogmas ist eine instrumentelle Beanspruchung von Sprache und Denken der Philosophie, keine substantielle Hellenisierung.“ Vgl. auch G. Larentzakis: KirchenverstÅndnis, S. 83, und G. Ebeling: Dogmatik III, S. 533: „Was dem Anschein nach eine Vermengung von Theologie und Philosophie darstellt, wurde zu einem Ringen um ihre Unterscheidung, kraft deren die Theologie erst zur Ausbildung ihrer Besonderheit gelangte.“ 5

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dienstnahme vorgegebener philosophischer Begriffe fÛr die Auslegung der biblisch bezeugten Geschichte Gottes mit den Menschen. Dabei gerieten die „mitgebrachten“ Bedeutungsgehalte der Begriffe in Konflikt mit ihrer neuen Funktion, so daß es sich als ratsam erweist, den metaphorisch-verweisenden Charakter der trinitÅtstheologischen Begrifflichkeit zu beachten und die SinnÛbertragung nachzuvollziehen, durch die Begriffe in diesem Prozeß neu definiert wurden. Im Kontext des biblischen Offenbarungsgeschehens entfernten sich die Ûbernommenen Begriffe von ihrer alltÅglichen Anschaulichkeit und erm×glichten so, Ûber die Grenze alltÅglicher Erfahrung hinauszuschauen.9 „An dieser Stelle zeigt es sich, wie wichtig es ist, daß wir unsere in der menschlichen Erfahrung gewonnenen Begriffe bei der Anwendung auf das Reden von Gott noch einmal von der Erfahrung Gottes her korrigieren lassen mÛssen.“10 Die Art und Weise, in der die KirchenvÅter die Aufgabe der Integration oder ºberwindung von philosophischen Vorgaben l×sten, erlaubt folgende EinschÅtzung Henri Crouzels: „Darin k×nnen uns die VÅter als Vorbild dienen“11. Ausschlaggebend fÛr den Erfolg der KirchenvÅter war ihre hermeneutische Grundhaltung, in der sie sich der heilsgeschichtlichen Offenbarung Gottes ×ffneten. FÛr diejenigen altkirchlichen Theologen, die ausgesprochene Bibeltheologen waren, bedeutete Offenbarung „nach biblischem VerstÅndnis nicht etwas, was in der Welt einfach zutage liegt oder was der Mensch meditierend und reflektierend von sich aus an der Welt ablesen kann. Sie bedeutet vielmehr ein unableitbar freies Sicher×ffnen Gottes, durch das der Mensch und die Welt erst ins Licht der Wahrheit gerÛckt werden.“12 Dabei wird die in der Schrift bezeugte Zusammengeh×rigkeit von Sch×pfungs- und Heilsordnung nicht Ûbersehen, so daß die KirchenvÅter die biblische Offenbarung von der Wirklichkeit her und auf sie hin auslegen.13 Sie erkennen in der biblisch Ûberlieferten Geschichte der Selbstoffenbarung Gottes die eschatologisch-endgÛltige und universale Wahrheit Ûber Gott, der sich als personales GegenÛber des Menschen selbst aussagt. Wird der Gottesbegriff ernst genommen und soll Gott nicht durch eigene

9

Vgl. J. Werbick: TrinitÅtslehre, S. 518 f. B. J. Hilberath: Gott, S. 38. 11 H. Crouzel: Patrologie, S. 526. 12 W. Kasper: Gott, S. 155 (im Original kursiv). Vgl. W. Pannenberg: Aufnahme, S. 311: „Weil dem fÛr die philosophische Theologie grundlegenden RÛckschlußverfahren diese Freiheit Gottes gegenÛber der Welt unzugÅnglich bleiben mußte, konnte sie auch nicht erfassen, daß zur Gotteserkenntnis eine besondere Zuwendung Gottes zum Menschen erforderlich ist“. Zu den als Bibeltheologen einzustufenden KirchenvÅtern vgl. W. A. Bienert: Aporien, S. 100. 13 „Erst die Beachtung der TrinitÅtstheologie bedingt, das Walten des Geistes in einem SpannungsverhÅltnis (von Sch×pfung, Vers×hnung und Erl×sung) zu sehen“. So wird „deutlich, daß das Walten des Geistes sich auf die Wirklichkeit Ûberhaupt erstreckt“ (E. Lessing: Art. „Geist V“, S. 232). 10

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Spekulationen vereinnahmt werden, kann sich Gott nur durch sich selbst erschließen. In seiner Heilsgeschichte „erschließt Gott primÅr nicht irgendwelche Wahrheiten und Wirklichkeiten, sondern sich selbst und seinen Heilswillen fÛr den Menschen“14. Deshalb geht es in der TrinitÅtslehre damals wie heute „nicht um einen nutzlosen Streit um Worte, sondern um ein vertieftes VerstÅndnis unseres Heils“15. Entsprechend orientierten sich die KirchenvÅter in einer sich ×ffnenden bzw. empfangenden Hermeneutik an der heils×konomischen Selbsterschließung Gottes. Dadurch zeichnete sich die frÛhe TrinitÅtslehre als reflektierte Liturgie und Doxologie aus, die das gesamte auf Gott gerichtete Denken und Handeln der Glaubenden umschloß.16 „Die altkirchlichen Theologen wollten in der TrinitÅtslehre nicht ihre privaten Reflexionen und Spekulationen, sondern den gemeinsamen, fÛr alle verbindlichen ×ffentlichen Glauben der Kirche darlegen, ihn gegen Bestreitungen und Mißdeutungen verteidigen und ihn nicht zuletzt fÛr ein tieferes VerstÅndnis im Glauben und fÛr ein Wachstum in der Liebe erschließen.“17 Jesu Botschaft von der anbrechenden Gottesherrschaft (Mk 1,14 f.), der damit verbundene Vollmachtsanspruch (Mt 12,28), sein bis zur Identifikation reichendes VerhÅltnis zum Vater und die gleichzeitige Selbstunterscheidung vom Vater (Joh 10,30.38; 14,9; 17,20 ff.), das im Heiligen Geist sich vollziehende VerhÅltnis zwischen Jesus und dem Vater sowie die im Heiligen Geist geschehende VergegenwÅrtigung des mit Jesu Tod und Auferstehung zugesagten Heils (Joh 16,5 ff.) lassen sich lediglich trinitarisch verstehen: „Es ist nicht m×glich, vom Geheimnis Christi, seiner Person und seinem Wirken, zu sprechen, ohne zugleich nicht nur von seinem VerhÅltnis

14 W. Kasper: Gott, S. 156. Vgl. insgesamt ebd., S. 95 f., 143, 285. Vgl. B. J. Hilberath: Gott, S. 20: „Was als Voraus-setzung [sic] der spezifisch christlichen Theologie zu er×rtern ist, erweist sich nÅmlich als von der trinitarischen Selbstoffenbarung Gottes selbst sich Voraus-Gesetztes“. Vgl. ferner F. Schmid: ErwÅgungen, S. 65 f.: „Wenn zum biblischen Bundesbegriff der Gott des Bundes geh×rt, als Urheber, nicht nur als auswechselbare Metapher fÛr einen anthropologischen Sachverhalt, dann ist es unerfindlich, wie die Anerkennung dieses Bundesgottes mit der Vorgabe oder Vorleistung eines allgemeinen Gottesglaubens signiert werden kann.“ Vgl. zur angemessenen hermeneutischen Grundhaltung der KirchenvÅter T. Zissis: Bedeutung, S. 12. Zum Universalanspruch wahrer Gotteserkenntnis vgl. W.-D. Hauschild: Geist, S. 281 ff. Zur ausfÛhrlichen Analyse der Hermeneutik der KirchenvÅter siehe Kap. II,2. 15 W. Kasper: Gott, S. 273. 16 „Doxologie ist nicht bloß die Sprache des direkten Gebets und Lobpreises, sondern jede Art von Denken, FÛhlen, Handeln und Hoffen, die von den GlÅubigen auf den lebendigen Gott hin gerichtet und ihm dargebracht wird. [. . .] Das trinitarische Denken in der frÛhen Kirche wuchs aus diesem doxologischen Zusammenhang.“ (L.Vischer [Hg.]: Geist, S. 15) Vgl. J. Moltmann: TrinitÅt, S. 23 ff. 17 W. Kasper: Gott, S. 306 f. Vgl. L. Scheffczyk: Formulierung, S. 187: „So wurde das TrinitÅtsgeheimnis in der Werdezeit nicht als mysterium logicum verstanden und entwickelt, sondern als anbetungswÛrdiges mysterium salutis“.

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zum Vater, sondern auch zum Heiligen Geist zu sprechen.“18 „Vielmehr bildet die trinitarische Gottesauffassung die Voraussetzung, dass man die Worte des Kosmokrator aufzeichnete, die er als verborgener Gott und wahrer Mensch gesprochen hatte.“19 Sowohl die Christologie als auch das Wirken des Heiligen Geistes forderten von Beginn an zu trinitarischem Denken heraus, das soteriologisch geprÅgt war: „[. . .] ihr seid gerecht geworden durch den Namen des Herrn Jesus Christus und durch den Geist unseres Gottes“ (I Kor 6,11). „Christusglaube wird trinitarisch bekannt, weil Christus nur durch Wirken des Geistes als Tat des g×ttlichen Vaterherzens erkannt wird.“20 Wenn das in Jesus Christus zugesagte Heil wirklich das von Gott geschenkte Heil beinhalten sollte, mußte die Gottheit Jesu gewÅhrleistet sein. Sollte der Heilige Geist die daraus resultierende Gemeinschaft mit Gott verwirklichen, war seine Gottheit ebenfalls vorauszusetzen. Das gilt in gleicher Weise in revelatorischer Hinsicht, insofern als die in Christus und dem Heiligen Geist gegebene Gotteserkenntnis nur unter der Voraussetzung ihrer Gottheit AuthentizitÅt beanspruchen konnte. Vor dem Hintergrund der Heilstat Gottes durch Jesus Christus und in der Kraft des Geistes „bedeutete die Erfahrung des Wirkens Christi in der Welt sofort auch die Erkenntnis einer ×konomischen TrinitÅt, wie sie sich als Grundstruktur hinter den Zeugnissen schon des NT erkennen lÅßt und wie sie auch aus den g×ttlichen Werken von Sch×pfung, Erl×sung und Heiligung erkennbar wurde“21. Von daher liegt der Ursprung der altkirchlichen TrinitÅtslehre im biblischen Zeugnis der heilsgeschichtlichen Offenbarung Gottes und nicht in anderen Quellen oder Entwicklungen. Die Lehrentwicklung bis zum altkirchlichen TrinitÅtsdogma entspricht sowohl dem SelbstverstÅndnis Jesu als auch den AnfÅngen der Lehrentwicklung im Neuen Testament22, so daß „nur die spÅtere Entfaltung, nicht aber die trinitarische Gottesvorstellung 18 L. Vischer (Hg.): Geist, S. 13 (Klingenthal-Bericht von „Glauben und Kirchenverfassung“). Vgl. K. Beyschlag: Grundriß I, S. 272: „In der Tat lÅßt sich schon das Ålteste Christusbekenntnis nur aus dem trinitarischen Zusammenhang von Vater, Sohn und Geist begreifen.“ Vgl. ferner J. Moltmann: TrinitÅt, S. 31: „Um das Zeugnis des Neuen Testamentes von der Geschichte Jesu Christi, des Sohnes Gottes, zu verstehen, mußte die Theologie den trinitarischen Begriff Gottes entwickeln.“ Folgerichtig konstatiert I. Lønning: Art. „Gott VIII“, S. 693: „Ohne implizite trinitarische Aussagestruktur war die Sprache des christlichen Glaubens nie.“ 19 W. von Meding: Thesen, S. 242. 20 Ebd., S. 249. 21 L. Scheffczyk: Formulierung, S. 184. Zur soteriologischen PrÅgung der altkirchlichen Lehrentwicklung vgl. ebd., S. 178 u. 184; W.-D. Hauschild: Lehrbuch I, S. 6; B. J. Hilberath: Gott, S. 31 ff. 22 Vgl. W.-D. Hauschild: Lehrbuch I, S. 5. Vgl. ferner J. Moltmann: TrinitÅt, S. 144: „Die altkirchliche TrinitÅtslehre hat ihren Ursprung nicht in der Aufnahme der philosophischen Logoslehre und der neuplatonischen Triadologien, wie oft behauptet wurde, sondern im neutestamentlichen Zeugnis der trinitarischen Geschichte des Sohnes“.

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selber als nachneutestamentlich, allenfalls an den RÅndern des Kanons anhebend, aufgefasst werden“23 darf. Franz Josef Schierse stellt in einer grÛndlichen Analyse der neutestamentlichen TrinitÅtsoffenbarung heraus, „daß wir gew×hnlich einer falschen Optik erliegen, wenn wir meinen, die TrinitÅtstheologie der spÅteren Zeit sei zu entscheidend neuen und tieferen Erkenntnissen vorgedrungen, wÅhrend sie doch in Wirklichkeit nur einige vom Neuen Testament diskussionslos vorausgesetzte Gesichtspunkte schÅrfer gefaßt [. . .] hat“24. Das Neue Testament selbst bezieht sich nÅmlich bereits auf trinitarisch qualifizierbare Traditionen der alttestamentlichen Schriften, weshalb „die TrinitÅtslehre [. . .] kein sich erst nachbiblisch herauskristallisierendes Konzept“ bildet, „sondern ein Christus vorgegebenes, das auf die Auferstehung des Gekreuzigten hin gestaltet wurde“25. So lÅßt sich „durchaus eine echte geheime Vorgeschichte der TrinitÅtsoffenbarung im Alten Testament“26 erkennen, und zwar in einer Weise stets wachsender geschichtlicher Selbsterschließung Gottes, „wie sie in anderen GeschichtsrÅumen und -zeiten nicht gegeben ist“27. Die alttestamentlichen Merkmale einer offenen Vorgeschichte der endgÛltigen neutestamentlichen Erschließung des trinitarischen Mysteriums liegen weniger in den klassischen Referenztexten, in denen Gott von sich bzw. zu sich in der Mehrzahl spricht (Gen 1,26; 3,22; 11,7; Jes 6,8) oder in der Gestalt von drei MÅnnern aufzutreten scheint (Gen 18), sondern in den das ganze Alte Testament prÅgenden Aussagen, die Gott als einen lebendigen Gott erweisen (Ps 42,3; Jer 10,10; Dan 6,27 u. ×.). Es gibt deutliche Anzeichen fÛr eine in sich differenzierte Daseins- und LebensfÛlle des einen und einzigen Gottes. Er verk×rpert in Einheit von Transzendenz und Immanenz sowohl den weltÛberlegenen und jedem Zugriff entzogenen Gott als auch den beziehungsfÅhigen und -willigen Gott. In dieser Zusammenschau von „GegenÛber und NÅhe“ des in sich lebendigen Gottes liegt nicht nur „das relative Recht der trinitarischen Exegese verschiedener alttestamentlicher Stel-

W. von Meding: Thesen, S. 240. F. J. Schierse: TrinitÅtsoffenbarung, S. 87 f. Vgl. E. JÛngel: VerhÅltnis, S. 358: „Das mysterium trinitatis ist die Summe des Evangeliums und der eigentliche ‚Inhalt‘, aber dieser Inhalt als das Ereignis der Offenbarung selbst.“ Vgl. ferner W. Kasper: Gott, S. 369: „Im Grunde enthÅlt das hohepriesterliche Gebet in nuce die gesamte TrinitÅtslehre“. Zur biblischen Grundlage der TrinitÅtslehre siehe die folgenden AusfÛhrungen. 25 W. von Meding: Thesen, S. 242. Vgl. zur neutestamentlichen Bezugnahme auf das Alte Testament auch G. Kretschmar: Studien. 26 K. Rahner: Gott, S. 342 (Hervorhebung v. Vf.). 27 R. Schulte: Vorbereitung, S. 55. „Eine andere, gleichfalls spezielle Heilsgeschichte hat sich nicht ereignet. [. . .] Von einer zweiten (oder ×fteren) speziellen Vorbereitung des Christusgeschehens kann also keine Rede sein, daher auch nicht von einer so gearteten der TrinitÅtsoffenbarung.“ (Ebd., S. 75) Dabei bleibt allerdings zu beachten, daß das Alte Testament selbst auf das Wirken des Geistes Gottes außerhalb Israels hinweist, so „daß die spezielle Offenbarung ja nicht einfachhin und nicht eigentlich absolut Neues verkÛndet, vielmehr zum Großteil das in der SÛnde VerschÛttete oder sonst Niedergehaltene (R×m 1,18 f.) in (‚neuer‘) offenbarender Heilstat aufdeckt und (wieder) lebendig werden lÅßt“ (ebd., S. 76). 23 24

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len bei den KirchenvÅtern“28, sondern darin unterscheidet sich der alttestamentliche Gottesbegriff von anderen Gottesbegriffen, die in anthropomorpher und statischer Weise zur Vereinnahmung Gottes fÛhren. Es existieren im Alten Testament weder verschiedene G×tter, die je nach Bedarf zu gebrauchen sind, noch wird Gott als abstrakte Geistigkeit verstanden, an der wir entweder emanatorisch durch eine Entfaltung Gottes in die Welt teilhaben oder dualistisch durch ein Aufschwingen zu dem fernen geistigen Gott, der nur durch Leugnung der Leiblichkeit erreichbar ist. Unter Ausschluß solcher religi×sen oder philosophischen Gottesvorstellungen erschließt sich Gott im Alten Testament als pers×nliches GegenÛber, das die Menschen anspricht und zur Verantwortung ruft. Hierin unterscheidet sich auch der alttestamentliche Gebrauch der Mythen vom Skopus außerisraelitischer Mythen, in denen auf der Grundlage von G×tterdramen die Folgen schuldhafter Lebensbedingungen vornehmlich in Neid, Mißgunst und Angst der G×tter gesucht werden. Dadurch ist sowohl die mit dem Selbstverg×ttlichungsdrang verbundene Schuld der Menschen als auch die sich den Menschen zuwendende Liebe Gottes ausgeblendet. Die Indienstnahme der fÛr universale Religi×sitÅt relevanten Mythen durch das Alte Testament lÅßt sich durchaus mit der Indienstnahme philosophischer Metaphysik durch die KirchenvÅter vergleichen.29 Gen 3 gibt gegenÛber anderen mythischen Vorstellungen zu erkennen, daß die Versuchung des Menschen, sein Leben nicht dankbar von Gott anzunehmen, sondern selbst sein zu wollen wie Gott, das Grundproblem des Menschen darstellt. Dem sich daraus ergebenden Selbstbehauptungsdrang und seinen fatalen Folgen fÛr das Leben der Menschen (Gen 3 ff.) unterliegen fortan auch die menschlichen Gottesbilder, in denen sich der Mensch entweder als Teil des G×ttlichen betrachtet oder das G×ttliche instrumentalisiert.30 Bei dem Versuch Gottes, in der alttestamentlichen Heilsgeschichte dagegen anzugehen, zeigt sich hinsichtlich der Art, wie sich Gott zu erkennen gibt, „eine Tendenz, die Formen des Erscheinens und Wirkens Gottes in der Welt von ihm selbst

28 W. Kasper: Gott, S. 295 (im Original kursiv). Vgl. insgesamt R. Schulte: Vorbereitung, S. 55 ff. u. 72 f.; J. Werbick: TrinitÅtslehre, S. 484 f. 29 Zur genauen Analyse von Mythen im Alten Testament und im außerisraelitischen Bereich vgl. C. Westermann: Genesis; H.-P. MÛller: Elemente; ders.: Motiv. MÛller zeigt neben der universalen religi×sen Bedeutung der Mythen auch deren Umdeutung bei ihrer ºbernahme ins Alte Testament. 30 „Indem er sich selbst als das h×chste Wesen behauptete mit dem Anspruch, Gott zu sein, hat der Mensch Adam einen Kreis geschaffen, in dem er selbst den Mittelpunkt bildet. Alles Sein bezieht sich daher in letzter Konsequenz auf den Menschen, der es ergreift, umschlingt und erfaßt mit seinem Geist, seinem Willen und seiner Begierde. Damit wird die Sch×pfung unfÅhig, Ûber sich selbst hinauszugehen, denn nunmehr muß sie sich selbst im Menschen und durch ihn bestÅtigen, und das [. . .] fÛhrt den Menschen in Augenblicken der Schwachheit dazu, die ºberlegenheit der Natur einzugestehen und existentiell die Wahrheit mit dem Sein der Natur gleichzusetzen (das Heidentum). Will er sich aber davon befreien, dann bleibt ihm keine andere Wahl als auf sich selbst zurÛckzufallen und seine FÅhigkeit, die Wirklichkeit zu ergreifen und zu erfassen, als die h×chste Wahrheit anzusehen“ (I. D. Zizioulas: Wahrheit, S. 31), was in der AufklÅrung (R. Descartes, I. Kant) dann offen in Erscheinung tritt. – Zum ambivalenten Charakter allgemeiner Religi×sitÅt, die als eine Mischung von natÛrlicher Gottesahnung und vereinnahmender Verkehrung erscheint, s. o., S. 82 ff.

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zu unterscheiden“31. In Relation zur zentralen Funktion der Vaterschaft Jahwes, die sich auch auf die Sohnschaft des Messias (Ps 2,7; 110,3) bezieht, lÅßt sich hinsichtlich des „Engels Jahwes“, des „Wortes“, der „Weisheit“ und des „Geistes“ ein zunehmend deutlicheres VerhÅltnis von IdentitÅt und Differenz beobachten. So erscheint der Engel Jahwes teils als mit Jahwe identische (Gen 31,11.13; Ex 3,2.4 f.), teils als von ihm verschiedene Offenbarungsgestalt (II Sam 14,20 u. ×.). Noch deutlicher wird eine „immer zielbewußter durchgefÛhrte Hypostasierung des Wortes“32 erkennbar, das wie die Weisheit personifizierten Charakter annimmt. Das Wort wird zum Beispiel von Jahwe gesandt (Jes 6,7 u. ×.) und kehrt zu ihm zurÛck (Jes 55,10 f.). Ebenso wird die Weisheit gesandt, sie ruft (Prov 1,20) und steht in Verbindung mit der Sch×pfungsmittlerschaft (Prov 8,22–31). Außerdem tritt eine Personifizierung innerhalb des Spektrums der mannigfaltigen Funktionen ein, die der Geist Gottes im Alten Testament wahrnimmt. Er ist sch×pferische Macht Jahwes (Gen 1,2), auf die alle Lebewesen angewiesen bleiben (Gen 2,7). Der Geist selbst ergreift die Initiative in kriegerischen Rettungsaktionen (Jdc 6,34 u. ×.), er gilt als Wesen Gottes (Jes 31,3) und als verheißene Gabe der Endzeit, die die neue Gemeinschaft Gottes mit den Menschen verwirklicht (Ez 36). Der Geist steht sowohl fÛr das „Aus-sich-Heraustreten“ Gottes als auch fÛr das „In-Verbindung-Bleiben“ mit den Menschen. Wo das Alte Testament vom „heiligen Geist“ spricht, geht es um die Unterscheidung des menschlichen Geistes von der SouverÅnitÅt des Geistes Gottes (Jes 63,10.11; Ps 51,13).33 Die erkennbaren Hypostasierungstendenzen heben sich ab von der abstrakten platonischen Fragestellung nach dem VerhÅltnis von Einheit und Vielfalt, unter der Thomas KrÛger auf vielfache nichtpersonale Wirkgr×ßen und Erscheinungsformen Gottes im Alten Testament hinweist, die seines Erachtens keine Zuspitzung auf drei hypostatische Formen verlangen. DemgegenÛber lÅßt sich mit Hartmut Rosenau fragen, ob nicht unter soteriologischer und heils×konomischer Fragestellung „privilegierte ReprÅsentationen Gottes benannt werden k×nnen, in deren Licht allererst gegenlÅufige ‚Wirkgr×ßen‘ zu einem einheitlichen, identifizierbaren, wenn auch in sich differenzierten GottesverstÅndnis zusammenkommen“34. Trotz der unter diesen Voraussetzungen zu beobachtenden „Tendenz zu ‚Hypostasierungen‘ bleibt eine heilvolle Unsicherheit, diese Mediationsweisen vorschnell und vom Menschen her eindeutig personal zu verstehen“35. Das Alte Testament be-

W. Pannenberg: Theologie I, S. 301. W. Eichrodt: Theologie II, S. 36. Zu den vielgestaltigen Zeugnissen von Jahwes Vaterschaft vgl. R. Schulte: Vorbereitung, S. 61–63. Mannigfache Belege zur Entwicklungsgeschichte der Aussagen Ûber Wort, Geist, Weisheit und Engel Jahwes finden sich ebd., S. 63–73. Vgl. ferner J. Werbick: TrinitÅtslehre, S. 484 ff.; W. Kasper: Gott, S. 295 ff. 33 Vgl. B. J. Hilberath: Pneumatologie, S. 452 ff., bes. S. 460–463. Dort weist er auch darauf hin, daß die Septuaginta „ruach“ mit „pneuma“ und „passim“ mit „prosopon“ Ûbersetzt hat. Letzteres wurde zum Terminus technicus in der trinitÅtstheologischen Entwicklung (lateinisch: persona). Vgl. insgesamt zur Bedeutung des Geistes im Alten Testament C. Westermann: Geist; W. H. Schmidt: Art. „Geist I“; R. Schulte: Vorbereitung, S. 69 ff.; F. Hahn: VerstÅndnis, S. 132 ff. 34 H. Rosenau: TrinitÅt, S. 6. Vgl. T. KrÛger: Einheit, S. 15–50. 35 R. Schulte: Vorbereitung, S. 72. 31 32

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Die TrinitÅtslehre in der Alten Kirche

hÅlt die Grundstruktur, daß Gott sich in seiner Offenbarung zugleich entzieht und sein Angesicht verbirgt. Seine endgÛltige Selbstoffenbarung kann erst nach der Inkarnation durch das Neue Testament bezeugt werden. „In diesem Sinne ist die ntl. Offenbarung wirklich ungeahnt Neues, das vom AT her, ohne diese neue Offenbarungstat Gottes im Christusereignis“, nicht derart erkannt werden konnte. „Auf der anderen Seite sind aber die mannigfaltigen Elemente der atl. Gottesoffenbarung eine unverkennbar reiche Vorbereitung auf die eindeutige TrinitÅtsoffenbarung im NT hin [. . .]; und das so sehr, daß nur in der Zusammenschau der atl. und ntl. Offenbarung das voll-gÛltige christliche Gottesbild erfaßt werden kann.“36 WÅhrend die Manifestation Jahwes im Engel Jahwes noch zu alttestamentlicher Zeit in die Erfahrung des Geistes Gottes integriert wurde, konnte man die Aussagen von der Weisheit und vom Wort Gottes erst im Neuen Testament zusammenschauen und identifizieren (vgl. Joh 1; Kol 1,15; Hebr 1,2 f. u. ×.), weshalb „die ‚vestigia trinitatis‘ [. . .] erst durch die neutestamentliche TrinitÅtsoffenbarung zu sich selbst, zur vollen Manifestation kommen“37. Dabei wurzelt und redet das Neue Testament aber durchaus in den Vorstellungen der frÛhjÛdischen Apokalyptik, wie zum Beispiel dem dreifachen Sanctusruf der Seraphen von Jesaja 6, so daß die apokalyptische alttestamentliche Tradition als „Root of Trinitarianism“38 bezeichnet werden kann. Auf dieser Grundlage leitete das urchristliche VerstÅndnis der heiligen Schriften aus der alttestamentlichen Hypostasierung der Weisheit oder des Wortes Gottes eine Selbstunterscheidung im ewigen Wesen Gottes ab, so daß „man von einer vorchristlich-trinitarischen Vorgabe ausgehen“39 darf. Soll nun das Neue Testament als die authentische Grundlage der altkirchlichen TrinitÅtslehre gelten, kann es auch hier nicht um die Benennung einzelner dicta probantia gehen. Vielmehr hat sich das Neue Testament als Darlegung der trinitarischen Struktur des Offenbarungsgeschehens zu erweisen, welche wiederum der neutestamentlichen Wesensbestimmung Gottes zu entsprechen hat. „Wir mÛssen diese Offenbarungsaussagen [. . .] als die durch die Offenbarung selbst vollzogene Deutung des Offenbarungsgeschehens verstehen“40. In der synoptischen Tradition wird Jesus als der TrÅger des endzeitlichen Geistes prÅsentiert. Programmatisch setzt Markus die „trinitarisch“41 strukturierte Taufe Jesu an den Anfang des Evangeliums (Mk 1,9–11). Jesus hat im Heiligen Geist ein unÛbertragbares inniges VerhÅltnis zu Gott, dem Vater, der aus dem Alten Testament bekannt ist. Im „heiligen Geist“ preist er den „Vater, Herr des Himmels und der Er-

36 Ebd., S. 73. Vgl. W. Pannenberg: Theologie I, S. 301: „Die christlichen Aussagen Ûber Sohn und Geist ließen sich an die schon das jÛdische Denken beschÅftigenden Fragen nach dem VerhÅltnis von transzendenter Wesenswirklichkeit und Erscheinungsweisen des einen Gottes anschließen.“ 37 G. Greshake: Gott, S. 43. 38 Vgl. R. W. Jenson: Theology I, S. 102 ff. Vgl. dazu ferner G. Kretschmar: Studien, und W. von Meding: Thesen, S. 240. 39 W. von Meding: Thesen, S. 242. 40 W. Kasper: Gott, S. 298. Vgl. insgesamt ebd. 41 Wird hier von „trinitarischer“ Struktur gesprochen, ist damit nicht gemeint, daß es sich um eine reflektierte TrinitÅtslehre handelt. Es geht vielmehr um den Aufweis des erkennbaren Zusammenhangs von Vater, Sohn und Geist.

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de“, von dem niemand weiß „als nur der Sohn“ (Lk 10,21 f.). Neben vielen anderen trinitarisch strukturierten Aussagen der Synoptiker42 lÅßt auch das paulinische Zeugnis trinitarische Strukturen erkennen. Das gilt zunÅchst fÛr das Wirken Gottes in der Heilsgeschichte: „Als aber die Zeit erfÛllt war, sandte Gott seinen Sohn, [. . .] damit wir die Kindschaft empfingen. Weil ihr nun Kinder seid, hat Gott den Geist seines Sohnes gesandt in unsere Herzen, der da ruft: Abba, lieber Vater!“ (Gal 4,4–6) Der Heilige Geist vergegenwÅrtigt die Heilstat des vom Vater gesandten Gottessohnes, damit der Mensch im Geist durch den Sohn erneut die Kindschaft auf den Vater hin leben kann. So erhÅlt der Mensch Anteil an der durch Vater, Sohn und Heiligen Geist qualifizierten Gemeinschaft des in sich lebendigen Gottes. „Aufgrund dieser Verbindung der [– daraus abzuleitenden –] trinitarischen IdentitÅt Gottes als Vater, Sohn und Geist mit der Beziehung der Glaubenden zu Gott im Geist durch den Sohn zum Vater, erscheint es nur folgerichtig, daß die IdentitÅt der Glaubenden an die Beziehung zur trinitarischen IdentitÅt Gottes gebunden wird.“43 Dadurch erweist sich auch das Glaubensleben als relational strukturiert, weil es in den g×ttlichen Sendungen begrÛndet ist. Daß es sich bei der Sendung Jesu um das Kommen des prÅexistenten Gottessohnes handelt, der fÛr uns (pro nobis) Mensch wird und sich bis in unseren Tod gibt, um die Menschen von den t×dlichen Folgen ihrer Selbstverg×ttlichung zu befreien, belegt Phil 2,6–8: „Er, der in g×ttlicher Gestalt war, hielt es nicht fÛr einen Raub, Gott gleich zu sein, sondern entÅußerte sich selbst und nahm Knechtsgestalt an, ward den Menschen gleich [. . .]. Er erniedrigte sich selbst und ward gehorsam bis zum Tode, ja zum Tode am Kreuz.“ (Vgl. zur PrÅexistenz Christi R×m 8,32; II Kor 8,9.) Auch der Heilige Geist erscheint in der Funktion des Subjekts. Er ist nicht nur Gabe, sondern auch Geber. Der Heilige Geist fungiert als Zeuge (R×m 8,16), FÛrsprecher (R×m 8,26 f.) oder FÛhrer (R×m 8,14) und wird als denkende, forschende oder redende Manifestation Gottes eingefÛhrt (I Kor 2,10–16 u. ×.), die andere Funktionen ausÛbt als der Vater und der Sohn (II Kor 1,22; 5,5: Angeld). Wo Paulus die Heilswirklichkeit liturgisch zusammenfaßt, formuliert er entsprechend triadisch: „Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des heiligen Geistes sei mit euch allen!“ (II Kor 13,13) Indem Paulus die im Heiligen Geist begrÛndete Gemeinschaft (Koinonia) der Heiligen anspricht, weist er darauf hin, daß auch Wesen und Wirken der Kirche trinitarisch strukturiert sind. Die drei ekklesiologischen Dimensionen, die mit dem Tempel des Heiligen Geistes (I Kor 3,16), dem Leib Christi (I Kor 12,27) und dem Volk Gottes (R×m 9,25 f.) gegeben sind, wirken dabei ineinander: „Es sind verschiedene Gaben; aber es ist ein Geist. Und es sind verschiedene Šmter; aber es ist ein Herr. Und es sind verschiedene KrÅfte; aber es ist ein Gott, der da wirkt alles in allen.“ (I Kor 12,4–6) Das Wesen der Kirche wird aus der Gotteslehre abgeleitet, und deshalb entspricht die Einheit der Kirche der „Wirkeinheit“ von Vater, Sohn und Geist. „Die Einheit der Kirche hat ihren letzten Grund in Gott und in Christi Heilswerk. Da diese Einheit sich in der Wirksamkeit des Heiligen Geistes erschließt, ist dieser

42 Vgl. J. Werbick: TrinitÅtslehre, S. 488 f.; B. J. Hilberath: Pneumatologie, S. 474 ff.; ders.: Gott, S. 22 f.; F. J. Schierse: TrinitÅtsoffenbarung, S. 89 ff.; K. Berger: Art. „Geist III“, S. 178 f. 43 C. Schw×bel: TrinitÅtslehre, S. 139.

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neben Gott und Christus ein drittes einheitsstiftendes Element.“44 Nach I Kor 12 verbindet der eine Geist die Glaubenden zu dem einen Leib Christi, wodurch sich die Gemeinschaft mit dem einen Gott verwirklicht. Deshalb geh×rt die Einheit der Kirche unerlÅßlich zum Wesen der Kirche. „Die in Gott und Christus vorgegebene Einheit muß bewahrt werden; und sie wird bestimmt und bewirkt durch den Heiligen Geist, der in der Kirche waltet.“45 Dieser Zusammenhang zwischen trinitarischer Struktur des Wesens Gottes und trinitarischer Struktur der Kirche begegnet auch in weiteren neutestamentlichen Briefen: „[. . .] ein Leib und ein Geist, wie ihr auch berufen seid zu einer Hoffnung eurer Berufung; ein Herr, ein Glaube, eine Taufe; ein Gott und Vater aller, der da ist Ûber allen und durch alle und in allen.“ (Eph 4,4–6) In der johannÅischen Tradition finden sich bei der Er×rterung dieser ZusammenhÅnge bereits AnfÅnge trinitarischer Reflexion46. Besonders Joh 17 lÅßt die Strukturen des innerg×ttlichen Lebens der Liebe und die entsprechenden ekklesiologischen Konsequenzen in einer Deutlichkeit erkennen, die es erlaubt, Walter Kaspers Feststellung, das Abschiedsgebet Jesu enthalte in nuce die gesamte TrinitÅtslehre47, auf das VerhÅltnis von trinitarischem GottesverstÅndnis und KirchenverstÅndnis auszuweiten. Das Heil besteht nach Joh 17 im Erkennen und in der Anerkennung der Herrlichkeit, in der Vater und Sohn sich gegenseitig verherrlichen (Joh 17,1–3). Der Sohn verherrlicht den Vater, indem er das Werk vollendet, das der Vater ihm gegeben hat, damit der Sohn die Menschen bewahre, auf daß sie nicht verlorengehen. Der Vater verherrlicht den Sohn mit der Herrlichkeit, die der Sohn hatte, ehe die Welt war (Joh 17,4–12). Dieses prÅexistente VerhÅltnis zwischen Vater und Sohn ist in seiner Einheit von Differenz und IdentitÅt ein VerhÅltnis der Liebe: „[. . .] denn du hast mich geliebt, ehe der Grund der Welt gelegt war“. (Joh 17,24; vgl. 1,1: „Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort.“) Insofern als der Vater und der Sohn „eins“ sind (Joh 10,30), der Vater im Sohn und der Sohn im Vater ist (14,10 ff.), der Sohn „von Gott ausgegangen ist“ und zu ihm zurÛckkehrt (16,27 ff.) und alles, was der Vater hat, auch der Sohn hat (16,15; 17,10), „scheinen klassische trinitÅtstheologische Formulierungen wie die Homousie schon vorgebildet zu sein“48. Wie bereits gezeigt, vollzieht sich diese Einheit nach Joh 17,24 u. ×. in der Liebe zwischen Vater und Sohn. Da die Erkenntnis der Liebe, in der der Vater im Sohn und der Sohn im Vater in ewiger Herrlichkeit existieren, zur Heiligung in der Wahrheit und zur Teilhabe an diesem ewigen Leben der Liebe fÛhrt, wird die Doxologie zur Soteriologie. Indem der Sohn in den Menschen und der Vater in ihm ist, verbindet der Sohn die Menschen mit der innerg×ttlichen Einheit (Joh 17,17–26).

W.-D. Hauschild: BegrÛndung, S. 13. Ebd., S. 17. Vgl. zu der Wirkung, die von Gottes Wesen und Heilshandeln auf die Koinonia und Einheit der Kirche ausgeht, K. Kertelge: Koinonia, S. 55 ff.; P. J. Cordes: Communio, S. 59 ff. Vgl. insgesamt K. Berger: Art. „Kirche II“, S. 203 ff.; W. Kasper: Gott, S. 300 f.; J. Werbick: TrinitÅtslehre, S. 487 f.; S. Wiedenhofer: Ekklesiologie, S. 60 ff.; F. J. Schierse: TrinitÅtsoffenbarung, S. 119 f. 46 „Reflexion Ûber das VerhÅltnis der Personen durchzieht das Neue Testament“ (W. von Meding: Thesen, S. 241). 47 Siehe Anm. 24, II. Kap. 48 C. Schw×bel: TrinitÅtslehre, S. 142. 44 45

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Das „wie“ dieser Verbindung lÅßt sich aus dem Kontext von Joh 17 erschließen: Der Geist der Wahrheit (Joh 14,17), der vom Vater ausgeht (15,26) und nach Jesu Weggang durch den Sohn gesandt wird (16,7), vergegenwÅrtigt das Heilswerk Jesu Christi und erm×glicht die Gemeinschaft der Menschen mit der innerg×ttlichen Liebe (14,26 u. ×.). Aus Soteriologie und Doxologie erwÅchst auf diese Weise die Ekklesiologie, denn die Glaubenden sollen der innerg×ttlichen Einheit entsprechen. Nur so kann die Gemeinschaft der Heiligen der Welt gegenÛber glaubwÛrdig sein (17,20–23) und als Werkzeug der Einheit der Welt dienen, weshalb die Erkenntnis des Wesens Gottes mit ihren ekklesiologischen Implikationen schließlich auch noch das VerhÅltnis von Kirche und Welt bestimmt. Wie die Entsprechung von Gottes- und KirchenverstÅndnis aussieht, ist durch den Heiligen Geist erfahrbar, der in alle Wahrheit leitet (16,13). Er ist zwar der andere Paraklet, der gesandt wird, ein anderer Tr×ster, FÛrsprecher und Beistand (14,16), aber er nimmt nicht aus dem Seinigen, sondern von dem, was Jesu ist und so wiederum vom Vater ist (16,14 f.). WÅhrend sich der Vater in seinem Sohn als eigenes Abbild in sich selbst gegenÛbertritt, vollzieht sich im Heiligen Geist die innerg×ttliche Liebe („Gott ist Geist“/4,24), so daß Gott in sich selbst das vollkommene Leben der Liebe darstellt: „Gott ist Liebe“ (I Joh 4,8.16). Als derjenige, der das Verbindende in Gott verk×rpert, verbindet der Geist auch die Menschen mit Gott (I Joh 4,13). Weil in der vom Geist vermittelten Liebe keine Furcht ist (I Joh 4,17 f.; vgl. II Kor 3,17: „[. . .] wo aber der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit“), gewÅhrleistet der Heilige Geist als „Sein-K×nnen eines Einen in oder bei einem Anderen“49 Ûber die freie innerg×ttliche Liebe hinaus auch das freie LiebesverhÅltnis zwischen Gott und Mensch. Aufgrund der Einheit von Differenz und IdentitÅt, die zwischen Vater, Sohn und Heiligem Geist besteht, kann sich im Heiligen Geist die Gleichzeitigkeit von „GegenÛber und NÅhe“ Gottes vollziehen, die sowohl die Partizipation der PersonalitÅt des Menschen als auch die Partizipation der PersonalitÅt Gottes garantiert. Denn als in sich lebendiger trinitarischer Gott kann Gott aus sich heraustreten und im Heiligen Geist zu den Menschen kommen oder im Sohn sogar Mensch werden, ohne sein g×ttliches „GegenÛbersein“ zu den Menschen aufgeben zu mÛssen.50 Auf diese Weise bleibt im VerhÅltnis zwischen Gott und Mensch die Gottheit Gottes ebenso erhalten wie die Menschlichkeit des Menschen, wodurch der antike Gottesbegriff gesprengt wird, der im griechischen Seinsmonismus Menschsein und Geschichtlichkeit entweder platonisierend ausschließt oder aristotelisch in ihrer Selbstbewegung einschließt.

49 E. Lessing: Art. „Geist V“, S. 229. Vgl. insgesamt G. Sauter: Geist, S. 212 ff.; H. Schlier: Herkunft, S. 118 ff.; W. Kasper: Gott, S. 301–303, 369 ff.; W.-D. Hauschild: BegrÛndung, S. 18–25; B. J. Hilberath: Pneumatologie, S. 484 ff.; H. Klein: Gemeinschaft, S. 59 ff. In der Menschwerdung und der Erh×hung Jesu liegt die Ursache, daß er einerseits als vorbildlicher menschlicher GeisttrÅger und andererseits als Geber des Geistes gelten kann. Nach seiner Erh×hung sendet er den Geist vom Vater her, so daß die Zeit der Kirche von der Gegenwart Gottes im Geist gekennzeichnet ist. (Vgl. E. Lessing: Art. „Geist V“, S. 222 ff.) 50 „Der transzendente Gott vergibt sich nichts, wenn er in diese Welt eingeht, und er kann in diese Welt eingehen, ohne seine Transzendenz und G×ttlichkeit zu verlieren.“ (B. J. Hilberath: Gott, S. 32)

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So wendet sich schon das Neue Testament gegen die Grundformen philosophischer und religi×ser Selbstverg×ttlichung, von denen hier nur zwei aufgezeigt werden, da sich die Vielfalt der Selbstverg×ttlichungsphÅnomene weitgehend unter ihnen subsumieren lÅßt. Zum einen handelt es sich um die als dualistisch zu bezeichnende Vorstellung eines v×llig transzendenten und unzugÅnglichen Gottes, der im VerhÅltnis zum Menschen als „ferner Gott“ zu gelten hat51 und entweder das Vorhandensein des G×ttlichen im Menschen (Gnosis) oder religi×se Selbstrechtfertigung (PharisÅismus) erfordert. WÅhrend platonische und gnostische Systeme auf einem GeistLeib-Dualismus beruhten, der das Eigentliche des Menschen im g×ttlichen Geist sah, war die nomistische jÛdische Werkgerechtigkeit mit dem linearen hebrÅischen Geschichtsdenken verbunden, das eine gewisse Vereinnahmung Gottes durch eigene Handlungen erm×glichte. Die alttestamentlichen Zeugnisse lassen erkennen, daß Israel die in der geheimen trinitarischen Vorgeschichte vorhandenen Dimensionen kaum wahrnahm52, weshalb der pharisÅische Dualismus Jesus gegenÛber nicht anerkennen konnte, daß Gott in einem Menschen gegenwÅrtig sein soll. Gleiches galt fÛr den griechischen Geist-Leib-Dualismus. Neben diesen Formen dualistischer Vereinnahmung Gottes auf der Handlungs- oder Seinsebene lÅßt sich eine Form der Selbstverg×ttlichung beobachten, die hier als emanatorisch bezeichnet wird und die die stufenweise Entfaltung Gottes in die Welt beinhaltet (Neuplatonismus). Es kommt zuweilen auch zur v×lligen Identifizierung von Gott und Welt, wie zum Beispiel in der pantheistischen Stoa. Die Versuche der dualistischen und emanatorischen Vereinnahmung Gottes traten und treten zumeist in einer Mischform auf, da sie sich gegenseitig bedingen. Denn auch unter dem Postulat des „fernen Gottes“, der den Menschen nicht st×rt, bedarf es einer Vermittlung des G×ttlichen zum Menschen, die der Mensch dann wiederum dazu nutzt, Gottes habhaft zu werden, indem er Gott vom menschlichen Handeln abhÅngig macht oder sich als Teil des G×ttlichen versteht. Umgekehrt weisen emanatorische Systeme einen Geist-Leib-Dualismus auf, der in Leib- und Weltfeindlichkeit die Identifikation des „wahren“ Menschseins mit dem statisch aufgefaßten g×ttlichen Geist erstrebt, wobei die im Menschen vorhandenen g×ttlichen

51 „Der Hinweis auf die Absolutheit kann Gott in eine solche Transzendenz entrÛcken, daß ihm gleichzeitig alle geschichtsmÅchtige Wirksamkeit abgesprochen wird“ (M. L×hrer u. a. [Hg.]: Mysterium, S. 271). 52 Vgl. R. Schulte: Vorbereitung, S. 72. Vgl. ferner D. Staniloae: Dogmatik I, S. 81: „Im Judentum [. . .] ist Gott als Person so sehr in sich selbst verschlossen, daß fÛr den Menschen eigentlich keine personale Gemeinschaft mit ihm m×glich ist“. Vgl. insgesamt zu den verschiedenen religi×sen und philosophischen Gottesvorstellungen I. D. Zizioulas: Wahrheit, S. 2 ff.; A. M. Ritter: Dogma, S. 100 ff.; W. Pannenberg: Aufnahme, S. 298 ff.; H. D×rrie: Platonica; ders.: Platonismus; J. Hirschberger: Geschichte I, S. 72–314.

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Abstufungen nicht als handelndes GegenÛber des Menschen erscheinen, sondern vom Menschen abhÅngig bleiben. Angesichts dieser Interdependenz dualistischer und emanatorischer Anschauungen sind sowohl abstrakte theistische als auch polytheistische und pantheistische Gottesvorstellungen zumeist von beiden Grundhaltungen beeinflußt. Vor dem Hintergrund solcher Formen verdeckter Selbstverg×ttlichung wird verstÅndlich, daß die Botschaft vom Kreuz „den Juden ein Šrgernis und den Griechen eine Torheit“ (I Kor 1,23) war. Das als Paradoxon erscheinende biblische Zeugnis vom einen und vielfÅltigen Gott, der im Menschsein und im Leiden bzw. im Gekreuzigten als Gott gelten soll, sowie die damit verbundene Schuld des Menschen und die entsprechende liebende Hingabe Gottes ließen sich mit den Ûbrigen Gottesbildern nicht vereinbaren. Wie zentral das Šrgernis des Kreuzes fÛr die Auseinandersetzung mit anderen religi×sen und philosophischen Vorstellungen war, lÅßt sich daran ablesen, daß Kreuz und Auferstehung Jesu den Ausgangspunkt christlicher Gotteserkenntnis bilden. Das Kreuz steht fÛr die Åußerste Konsequenz der liebenden Hingabe in der Selbstunterscheidung von Vater und Sohn und die Auferstehung fÛr die liebende Verbundenheit im Heiligen Geist. Von hier lÅßt sich Gottes Wesen bestimmen: „Gott ist Liebe“ (I Joh 4,8.16).53 „Die schon im Neuen Testament bezeugten trinitarischen Bekenntnisse sind eine Explikation dieses das Offenbarungsgeschehen in Jesus Christus auslegenden Satzes.“54 In dem Heilsgeschehen, das Gott in Christus vollzieht, offenbart sich Gott als das in sich vollkommene lebendige Leben der Liebe, an dem er uns durch die Sch×pfung Anteil geben wollte (Joh 1,1–4) und das er uns in Christus neu er×ffnet (Joh 3,16). „Die Offenbarungsaussage ‚Gott ist Liebe‘ ist also zugleich eine Seinsaussage und als solche eine Heilsaussage.“55 GegenÛber der abstrakten Jenseitigkeit Gottes in einem unitarischen Monotheismus und gegenÛber polytheistischen sowie emanatorischen Gottesvorstellungen erschließt sich im Neuen Testament ein konkreter Monotheismus56, der die lebendige dreieinige Liebe in Gott als das eine pers×nliche GegenÛber offenbart, das sich den Menschen liebend zuwendet. Indem sich Gottes Wesen aus dem Heilsgeschehen erschließt und die soteriologisch notwendige Gegenwart Gottes nur garantiert ist, wenn sich Gott in der Heils×konomie wirklich offenbart, ist der Erkenntnisweg von

53 Vgl. E. JÛngel: Gott, S. 209 u. 430; W. Pannenberg: Theologie I, S. 341 f.; B. J. Hilberath: Gott, S. 25 f. 54 W. Kasper: Gott, S. 298. 55 Ebd., S. 303. 56 Vgl. ebd., S. 358. W. Kasper wÅhlt diese Formulierung in Anlehnung an J. E. Kuhn und F. A. Staudenmaier. Vgl. W. Pannenberg: Theologie I, S. 363, der diesen Begriff ebenfalls Ûbernimmt.

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der ×konomischen zur immanenten TrinitÅt vorgegeben. Im Blick auf die Seinsordnung bleibt jedoch eine Vorordnung der immanenten TrinitÅt unumgÅnglich, weil Gott sich nicht erst in der Heilsgeschichte als dreieiniger Gott konstituiert, was zur Folge hÅtte, „daß die Freiheit und ungeschuldete Gnade der Selbstmitteilung Gottes und also deren Ereignishaftigkeit undenkbar wird“57. Bei aller soteriologisch und revelatorisch notwendigen ºbereinstimmung von ×konomischer und immanenter TrinitÅt bedarf es also zugleich einer Unterscheidung dieser beiden trinitarischen Dimensionen, weshalb Eberhard JÛngel die von Karl Rahner postulierte Einheit von ×konomischer und immanenter TrinitÅt nur unter dem Vorzeichen einer „distinctio rationis“ fÛr legitim hÅlt.58 Nach Leo Scheffczyk „kann gerade an den AnfÅngen der Tradition erkannt werden, daß sie, obgleich sie ein starkes Interesse an der Heils×konomie hatte, dennoch, wenigstens ansatzweise, die Notwendigkeit der immanenten TrinitÅt nicht außer Blick geraten ließ. Und dies [. . .] aus der Erkenntnis heraus, daß eine OffenbarungstrinitÅt, die nicht zuvor in sich selbst trinitarisch strukturiert ist, von einer ScheintrinitÅt oder einem willkÛrlichen Trinitarismus nicht abgesetzt werden kann.“59 Ein angemessenes VerhÅltnis von ×konomischer und immanenter TrinitÅt lÅßt sich letztlich erst in BIBLISCH-×konomischer Orientierung erreichen, weil das biblische Zeugnis zeigt, in welcher Weise sich Gottes prÅexistentes Wesen in der Heilsgeschichte den Menschen zuwendet und dabei offenbart (Phil 2,6–8; Joh 1,1–5; Joh 14–17 u. ×.). Das heißt, es werden Distinktionen deutlich zwischen der Dimension des ewigen Wesens Gottes und seinen Handlungen pro nobis. Von daher kann das VerhÅltnis von ×konomischer und immanenter TrinitÅt – und damit die gesamte TrinitÅtslehre – nur durch einen biblisch-×konomischen Ansatz vor falschen spekulativen Entfaltungen geschÛtzt werden, bei denen eigene anthropomorphe und philosophische PrÅmissen im Vordergrund stehen.60 Die PrÅzisierung der Ausrichtung an der ×konomischen TrinitÅt durch diesen – hier eingefÛhrten – BIBLISCH-×konomischen Ansatz wird ihre Berechtigung im Laufe der Untersuchung weiter bestÅtigen. Daß es sich bei der biblisch-×konomischen Orientierung um den angemessenen trinitÅtstheologischen Ansatz handelt, be57 E. JÛngel: VerhÅltnis, S. 364. Vgl. B. J. Hilberath: Gott, S. 37; J. Moltmann: TrinitÅt, S. 169 f. 58 Vgl. E. JÛngel: VerhÅltnis, S. 364. 59 L. Scheffczyk: Traditionen, S. 55. Vgl. in bezug auf ein angemessenes geschichtliches VerstÅndnis der TrinitÅtslehre E. Lessing: Art. „Geist V“, S. 221: „Geschichtliches Denken mußte sich folglich allererst auf das VerhÅltnis von immanenter und ×konomischer TrinitÅtslehre richten.“ 60 „Gott unterscheidet sich von der Welt durch sich selbst. Die Unterscheidung von Immanenz und °konomie der TrinitÅt muß in dieser selbst liegen, von ihr selbst vollzogen werden. Sie darf nicht von außen herangetragen werden.“ (J. Moltmann: TrinitÅt, S. 176)

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legt bereits die Beobachtung, daß „sich die neutestamentliche Botschaft nicht nur in einzelnen ihrer Aussagen, sondern in ihrer Grundstruktur als trinitarisch“61 erweist. Aus der Einsicht, daß „das trinitarische Bekenntnis [. . .] der Grundriß des neutestamentlichen Zeugnisses ist, mit dem der Glaube an den Gott Jesu Christi steht und fÅllt“62, lÅßt sich die Aussage, Christus stelle die Mitte der Schrift dar, auf den Aspekt hin erweitern, daß die Mitte der Schrift in der trinitarischen Selbstaussage Gottes liegt, insofern als das Christusereignis erst in diesem Kontext verstehbar wird.63 Das zentrale Gewicht der trinitarischen Grundstruktur spiegelt sich in der neutestamentlichen Er×rterung der Taufe wider, in der dem Menschen das Heilsgeschehen in einer dreifachen Hinordnung auf Gott zugeeignet wird. Wenn das apostolische Zeugnis auch viele eingliedrige Taufformeln auf den Namen Jesu Christi kennt (I Kor 1,13.15; Act 2,38 u. ×.), so stellt es doch „die Anrufung des Herrn in den schon von der paulinischen Tauftheologie ausformulierten Zusammenhang der im Geist mitgeteilten und erfahrbaren Gotteskindschaft“64. Die Glaubenden „sind durch einen Geist alle zu einem Leib getauft“ (I Kor 12,13). Indem „Gott den Geist seines Sohnes“ in die menschlichen Herzen sendet, wird Christus von den Getauften angezogen, die im Heiligen Geist Anteil an seinem Heilswerk erhalten, so daß sie als Kinder Gottes rufen k×nnen: „Abba, lieber Vater!“ (Gal 3,26–4,7) Diese trinitarische Grundstruktur wird u. a. in Tit 3,5 f. wiedergegeben: Gott macht die Menschen selig „durch das Bad der Wiedergeburt und Erneuerung im heiligen Geist, den er Ûber uns reichlich ausgegossen hat durch Jesus Christus, unsern Heiland“. Durch die derart gewÅhrleistete vertikale Koinonia zwischen Gott und Mensch entsteht die entsprechende horizontale Koinonia der Menschen untereinander (Phil 2,1 f.). Als trinitarische christliche Initiation definiert die Taufe die Kirche als trinitarisch bestimmte Wirklichkeit.65 Im Taufbefehl (Mt 28,19) findet sich schließlich die Zusammenfassung der trinitarischen Grunderfahrung66 der apostolischen Zeugnisse: „Darum gehet hin und machet zu JÛngern alle V×lker: Taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes“. Es geht hier um die Anrufung der Namen von Vater, Sohn und Heiligem Geist, die somit v×llig gleichberechtigt nebeneinander stehen und denen der TÅufling Ûbereignet wird. „Die Epiklese der Namen in der Taufhandlung setzt die Gegenwart von Vater, Sohn und

61

W. Kasper: Gott, S. 303 (im Original kursiv). (S. o., S. 90 ff.) Ebd., S. 298 (im Original kursiv). 63 Vgl. N. A. Nissiotis: Theologie, S. 33: „Verschiedene Interpretationen der Bibel sind erlaubt, vorausgesetzt, daß sie die trinitarische Grundlage der Lehre vom Menschen, die in Christus offenbart ist, zu verstehen suchen.“ Vgl. ferner M. L×hrer [u. a.] (Hg.): Mysterium, S. 269: „Auf diese Weise aber wird das Bekenntnis zum dreieinigen Gott zum Grund und Inhalt, zum Einheits- und Mittelpunkt des Glaubens“. 64 J. Werbick: TrinitÅtslehre, S. 490. 65 Vgl. M. Volf: TrinitÅt, S. 186. 66 Vgl. W. Kasper: Gott, S. 300. Nach L. Scheffczyk: Formulierung, S. 150, „kann nicht geleugnet werden, daß die Trias Vater-Sohn-Hl. Geist in der Erfahrung bereits der ntl. Gemeinde grundgelegt ist“. 62

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heiligem Geist wÅhrend der Handlung voraus. Der durch die Taufe in die Gemeinde aufgenommene Christ erhÅlt damit Zugang zum Bereich der kultischen GegenwÅrtigkeit von Vater, Sohn und Geist, die sich in jedem Gottesdienst erneuert.“67 Durch die im Taufgeschehen bestehende Verbindung von Doxologie, Soteriologie und Ekklesiologie wurde die Taufe zum „Sitz im Leben“ des trinitarischen Bekenntnisses, das sich aus der Taufkatechese entwickelte.

Der Taufbefehl und die Taufe stellten deshalb eine der wichtigsten Grundlagen der dogmen- und theologiegeschichtlichen Entwicklung der kirchlichen TrinitÅtslehre dar, welche sich zunÅchst in der trinitarisch strukturierten Regula fidei und in der Liturgie widerspiegelte. Besonders im Osten spielte dabei zugleich die dreigliedrige Ausformung der eucharistischen Doxologie eine maßgebliche Rolle, die in der Tradition des dreifachen Sanctusrufes der Seraphen von Jesaja 6 wurzelte. Ferner stand die trinitÅtstheologische Entwicklung im Kontext der Kosmologie, weil die TrinitÅtslehre vom biblischen Gottesbegriff her sowohl den kosmologischen Monismus als auch den partikularistischen Dualismus Ûberwand.68 Zentrales Gewicht fÛr die weitere Entwicklung behielt die – nicht nur auf die Taufkatechese beschrÅnkte – Entfaltung kirchlicher Lehre. „Diese hatte ihren Ausgangspunkt nicht einfach in einer dreigliedrigen Formel, sondern im Gesamtbestand der neutestamentlichen Aussagen Ûber das VerhÅltnis des Sohnes zum Vater einerseits, zum Geist andererseits.“69 So ist es offensichtlich, daß die altkirchliche TrinitÅtslehre ihren Ursprung weder in der philosophischen Logoslehre oder in neuplatonischen Triadologien noch in der spÅtjÛdischen Engellehre hat, sondern mit den Worten JÛrgen Moltmanns „im neutestamentlichen Zeugnis der trinitarischen Geschichte des Sohnes und in der kirchlichen Praxis der Taufe auf den Namen des dreieinigen Gottes“70.

2. Die Abwehr trinitarischer und ekklesiologischer Einseitigkeiten durch die biblisch-×konomische TrinitÅtslehre der Alten Kirche Auf der Basis der Schrift und des trinitarisch bestimmten Glaubenslebens hatte sich der christliche Gottesbegriff – und das entsprechende KichenverstÅndnis – in Auseinandersetzung mit seiner religi×sen und philosophischen Umwelt durchzusetzen und weiter zu klÅren. Folgerichtig versuchten die 67 L. Abramowski: Entstehung, S. 440. Zum VerstÅndnis der Formel als ºbereignungsformel vgl. B. J. Hilberath: Pneumatologie, S. 477. 68 Vgl. W. von Meding: Thesen, S. 235 ff.; G. Kretschmar: Studien, S. 134 ff.; L. Scheffczyk: Formulierung, S. 151 ff.; W. Kasper: Gott, S. 300; J. Werbick: TrinitÅtslehre, S. 490. 69 W. Pannenberg: Theologie I, S. 292 f. 70 J. Moltmann: TrinitÅt, S. 144. Vgl. L. Scheffczyk: Formulierung, S. 155 ff.

Abwehr von Einseitigkeiten

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Apologeten im 2. Jahrhundert in AnknÛpfung an den Logosgedanken des Johannes-Prologs die spezifisch christliche Wahrheit der griechischen LogosIdee herauszustellen, um der heidnischen °ffentlichkeit gegenÛber „den christlichen Glauben als Inbegriff der g×ttlichen Weltvernunft“71 darzulegen. Vor dem Hintergrund der jÛdisch-apologetischen Logostheologie Philos von Alexandrien und der Platorenaissance der r×mischen Kaiserzeit erlÅuterte Justin (gest. 165) die zwischen Christus und dem Logos bestehende IdentitÅt, so daß Christus als irdische Erscheinung des Weltlogos erkannt werden konnte und das Christentum „die einzig zuverlÅssige Philosophie“ darstellte (Dialog mit Trypho 8,1). Dabei betonte die Logoschristologie allerdings gegenÛber der im jÛdischen und monarchianischen Dualismus existierenden kosmologischen Zuordnung des Logos dessen Gottheit, wÅhrend sie gleichzeitig gegenÛber den mittelplatonischen Kosmogonien mit ihren abstrakten stufenweisen Entfaltungen des g×ttlichen Geistes die geschichtlich-personale Gestalt Jesu als Gegenwart Gottes herausstellte. Auf diese Weise zeigten die Apologeten, daß der christliche Gottesbegriff die allgemeingÛltige Wahrheit sowohl in weiterfÛhrender Relation zum herk×mmlichen religi×sen VerstÅndnis als auch „im strengen Gegensatz zum Gottesgedanken der Alten Welt“72 enthÛllt. Denn in Christus erweist sich Gott zwar als die alles umfassende Wahrheit und als ErfÛllung der Ahnung von dem einen Gott, die sich in dem wachsenden philosophischen und religi×sen Monotheismus auftat.73 Aber der in Christus offenbare Gott braucht weder ein rituelles oder gesch×pfliches Mittlerwesen (jÛdischer und monarchianischer Dualismus), noch entfaltet er sich in abstrakten Emanationen des Geistes (Mittelplatonismus), sondern er ist ein pers×nliches GegenÛber, das sich den Menschen unmittelbar zuwendet. Gott lÅßt sich also nicht durch eine gesch×pfliche Vermittlungsebene steuern oder durch Einbeziehung in gesch×pfliche Immanenz vereinnahmen. Die Apologeten l×sten deshalb das kosmologische VerstÅndnis des lo´goß spermatiko´ß, der allem Seienden als Same des Urprinzips innewohnt, durch das soteriologische VerstÅndnis des in der Heilsgeschichte wirkenden Logos ab, so daß ihnen die bisherige Wahrheitserkenntnis nur als Vorahnung der mit Christus erkannten Wahrheit galt. „Damit trat an die Stelle der bisherigen Logosspekulation die Logosoffenbarung.“74 Besonders bei Justin wird ersichtlich, daß „die Logoslehre christliche Geschichtstheologie und nicht kosmologische Spekulation ist“75.

K. Beyschlag: Grundriß I, S. 100. L. Scheffczyk: Formulierung, S. 161. 73 Vgl. W.-D. Hauschild: Dogma, S. 39 f. 74 P. Gerlitz: Logoß, S. 10. Vgl. zur apologetischen Interpretation des lo ´ goß spermatiko´ß ebd., S. 8 ff. 75 W.-D. Hauschild: Lehrbuch I, S. 10 (Hervorhebung im Original fett). 71 72

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Die TrinitÅtslehre in der Alten Kirche

Daß die Auseinandersetzung mit der philosophischen Umwelt allerdings noch Probleme bereitete, lÅßt sich bei Justin an der platonisch geprÅgten TranszendentalitÅt des Vaters und der Unterordnung bzw. Subordination des Logos ablesen, der nur als Erscheinung Gottes galt.76 Nachdem es dem Justin-SchÛler Tatian schon besser gelang, die vor dem sch×pfungsrelevanten Ausgang des Logos bestehende immanente Differenzierung zwischen Gott und Logos zu berÛcksichtigen, ließ Athenagoras unmißverstÅndlich erkennen, daß der Ausgang des Logos zur Weltsch×pfung nur noch den Charakter der Åußeren Offenbarung hat, weil der Sohn von Anfang an ungewordenes Erzeugnis des Vaters ist. Durch diese klare Differenzierung steht Athenagoras mit seiner explizit benannten Trias heo`ß patv`r kai` uıšo`ß heo`ß kai` pneu˜ma a¾gion (Leg. 10) „bereits an einem Punkt, von dem aus die M×glichkeit einer ºberwindung sowohl des Modalismus wie auch des Subordinatianismus sichtbar wird. Dem entspricht auch die Beobachtung, daß sich bei ihm die Begrifflichkeit zur Fixierung der Einheit wie der Dreiheit verschÅrft (ešno´tvß-diaı´resiß; Leg. 12)“77. Vater, Sohn und Geist sollten also weder in einer statischen Einheit Gottes aufgehen (Modalismus) noch sollte eine auf das Wesen Gottes bezogene Unterordnung von Sohn und Geist (Subordinatianismus) hervortreten, wenn auch letztere Gefahr bei Athenagoras noch nicht gebannt war. ºber seine theologischen Versuche hinaus belegt die Bittschrift, die Athenagoras fÛr die Christen an Kaiser Marc Aurel schrieb, welche Bedeutung die BemÛhung um den trinitarischen Gottesbegriff von Anfang an fÛr die Kirche hatte: „Hier auf Erden sind wir nur von dem Wunsch beseelt, den einzig wahren Gott und sein Wort zu erkennen; zu wissen, welches die Einheit des Sohnes mit dem Vater, welches die Gemeinschaft [Koinonia] des Vaters mit dem Sohn ist, wer der Geist ist, und wie diese untereinander verbunden und die Verbundenen unterschieden sind: der Geist, der Sohn, der Vater.“78 Obwohl sich die Logoschristologie der Apologeten durch die bewußte personale Erfassung des Logos und seine Zuordnung zum dreieinigen Gott wesentlich vom abstrakten hellenistischen Gottesbegriff unterschied, sahen ihre Gegner im Kontext des platonischen Stufenschemas die Gefahr einer polytheistischen Zergliederung des Gottesbegriffs, weshalb die Vertreter des Monarchianismus meinten, den Monotheismus und die Einheit Gottes gegenÛber der Logoschristologie verteidigen zu mÛssen. Sie unterlagen dabei jedoch dem alten dualistischen Gottesbegriff, der die personale Gottheit

76 Vgl. L. Scheffczyk: Formulierung, S. 157 f. Vgl. insgesamt zu Justin B. Lohse: Epochen, S. 51; K. Beyschlag: Grundriß I, S. 110 ff.; G. Kretschmar: Geist, S. 106 ff.; I. D. Zizioulas: Wahrheit, S. 7 ff.; A. M. Ritter: Alte Kirche, S. 36 f., und ders.: Einheit, S. 14: Justin ist „eine SchlÛsselfigur, die im Schnittpunkt verschiedener Entwicklungslinien steht“. 77 L. Scheffczyk: Formulierung, S. 159. 78 SC 379,108–110 [12,3].

Abwehr von Einseitigkeiten

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Christi nicht zuließ. Der dynamistische Modalismus bzw. Adoptianismus (Theodoret der Gerber, Paul von Samosata u. a.) ging unter Ausblendung der PrÅexistenz des Gottessohnes und seiner Inkarnation davon aus, daß Christus ein mit der g×ttlichen Kraft (du´namiß) ausgestatteter Mensch sei, der bei der Johannestaufe zum Gottessohn adoptiert wurde. WÅhrend Jesus hier als eine Art Wundermensch oder Halbgott galt, ließen sich der Sohn und der Geist im modalistischen Monarchianismus bzw. Sabellianismus (Not, Praxeas, Sabellius u. a.) unter Bezugnahme auf die stoische Kategorienlehre lediglich als irdische Erscheinungsformen (modi) des Vaters betrachten, wonach man vom Sohnvater (uiopa´twr) sprechen konnte und der Vater folglich selbst gelitten hat (Patripassianer). Die TrinitÅt erhielt somit weder im Adoptianismus noch im Sabellianismus Relevanz fÛr das Wesen des statisch gedachten Gottes.79 Neben den monarchianistischen Str×mungen gewann der gnostische Synkretismus an Geltung, der vom Geist-Materie-Dualismus ebenso geprÅgt war wie von emanatorischen Strukturen. FÛr den Gnostizismus (Valentin u. a.) existierte im Menschen eine g×ttliche Pneumasubstanz, mit der sich der Mensch von der Materie der Sch×pfungswirklichkeit befreien und sich Ûber den demiurgischen Sch×pfergott erheben konnte, insofern als man einen Gegensatz zwischen Sch×pfungs- und Erl×sungswirklichkeit postulierte. Das fÛhrte zu einer doketischen Christologie, die Christus lediglich als Wesen mit einem „Scheinleib“ qualifizierte, welches die geheime gnostische Kunde Ûber das Erwachen des pneumatischen Bewußtseins brachte. Die trinitarischen Personen wurden verschiedenen Ebenen abgestufter Šonen zugeordnet, was fÛr den Gottesbegriff einen Subordinatianismus zur Folge hatte. Der sich bis in den Menschen entfaltende g×ttliche Funke erm×glichte eine gegen den Sch×pfergott gerichtete geistige Selbsterl×sung des Menschen.80 Von solchen emanatorischen und dualistischen Auffassungen der Gnosis und vom dualistisch geprÅgten Monarchianismus setzten sich in der von Karlmann Beyschlag nicht zu Unrecht benannten „×kumenischen Epoche“81 KirchenvÅter aus Ost und West in biblisch-heils×konomischer Orientierung deutlich ab. „Ihren theologischen BemÛhungen ist es nicht nur zu verdanken, daß sich das glÅubige Denken Ûber die TrinitÅt im Gegensatz zu den willkÛrlichen Spekulationen des Menschengeistes an der positiven Offenbarung und am objektiven Bibelwort orientierte, sondern daß sich auch eine

79 Vgl. insgesamt A. M. Ritter: Dogma, S. 130 ff.; K. Beyschlag: Grundriß I, S. 215 ff.; B. Lohse: Epochen, S. 49 ff.; L. Scheffczyk: Formulierung, S. 164 ff.; W.-D. Hauschild: Lehrbuch I, S. 13 f. 80 Vgl. zur Ausgestaltung der unterschiedlichen gnostischen Systeme und zur dogmengeschichtlichen Einordnung des Begriffs „Gnostizismus“ K. Beyschlag: Grundriß I, S. 118 ff. 81 Vgl. ebd., S. 173.

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eigenstÅndige geistige Durchdringung des Geheimnisses entwickelte“82. Diese „×kumenische Epoche“ erstreckt sich von IrenÅus von Lyon (gest. nach 200) und Tertullian von Karthago (gest. nach 220) bis zum trinitarischen Dogma von 381 (Konstantinopel). Es wird sich in dieser Untersuchung erweisen, daß ihre °kumenizitÅt nicht nur fÛr die von Beyschlag hervorgehobene Entwicklung eines universalen christlichen Glaubens- bzw. Gottesbegriffs gilt, sondern auch fÛr die konkrete „×kumenische“ Verzahnung ×stlicher und westlicher Theologie. ZunÅchst war es IrenÅus, der sich in „Adversus haereses“ ausfÛhrlich mit der ºberwindung des gnostischen Dualismus von Sch×pfungs- und Erl×sungsordnung befaßte, indem er auf der Grundlage von Offenbarung und Inkarnation in „×konomisch-trinitarischer“ Orientierung83 auf die biblische Heils×konomie verwies, die die Erneuerung und Rekapitulation der Sch×pfung beinhaltet. Die damit zusammenhÅngende „Verg×ttlichung“ des Menschen steht bei IrenÅus nicht fÛr eine physische „Theosis“ gnostisch-doketischer PrÅgung, sondern fÛr die Verwirklichung des Sch×pfungsziels: Der zum Bilde Gottes geschaffene leibliche Mensch soll vom Geist Gottes getragen leben (Adv. Haer. V,16,2 f. u. ×.). Dadurch wird die Immanenz des g×ttlichen Geistes ausgeschlossen und Gott als GegenÛber anerkannt.84 Gegen die esoterische Erkenntnis der Gnosis stellt IrenÅus das dem Verstand zugÅngliche Schriftwort, weshalb er sich auf den Wortsinn biblischer Stellen und nicht auf die allegorische Deutung stÛtzt.85 Auf dieser Grundlage leitet IrenÅus von der Erscheinung der TrinitÅt in der Offenbarung die Strukturen der WesenstrinitÅt ab und differenziert zugleich implizit zwischen ×konomischer und immanenter TrinitÅt. Von daher kann er das Moment der ewigen Zeugung des Sohnes viel nachdrÛcklicher akzentuieren als seine VorgÅnger. „Der Gedanke einer ‚ewigen‘ Zeugung des Sohnes im Unterschied zur Erschaffung der Gesch×pfe und der gesch×pflichen Welt hat hier eine terminologische Abgrenzung gebracht.“86 Diese Abgrenzung vollzieht IrenÅus auch in hermeneutischer Hinsicht, insofern als er dem metaphysischen RÛckschlußverfahren vom Vorhandenen auf den Ursprung den frei handelnden Gott der Offenbarungs- und Heilsgeschichte gegenÛberstellt, der sich als personales Geheimnis offenbart. Deshalb kann die natÛrliche GotL. Scheffczyk: Formulierung, S. 162. Vgl. W.-D. Hauschild: Lehrbuch I, S. 11. 84 „So schließt IrenÅus, um dem Doketismus der Gnostiker und damit einer physischen Erl×sungslehre zu begegnen, die das Heil allein einer bevorzugten Gruppe von Menschen, den mit dem g×ttlichen Sperma begabten Pneumatikern, zugestehen wollte, von der Inkarnation des Logos ausgehend, daß der Mensch auch in seiner Leiblichkeit Bild Gottes ist, und also auch in ihr [. . .] zur UnvergÅnglichkeit des Sohnes Gottes umgestaltet wird“ (R. M. HÛbner: Einheit, S. 143). 85 Zu den Einzelbelegen vgl. K. Beyschlag: Grundriß I, S. 175- 183. 86 W. Pannenberg: Theologie I, S. 302. Vgl. insgesamt L. Scheffczyk: Formulierung, S. 163 f. 82 83

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teserkenntnis nur zu einer vorlÅufigen Ahnung Gottes fÛhren (Adv. haer. II,14,7 u. 28,7).87 Auch das KirchenverstÅndnis grenzte IrenÅus von anderen Formen menschlicher Gemeinschaft ab, weil es bei ihm wie schon im Neuen Testament und bei Ignatius von Antiochien im Wesen Gottes grÛndet. Die Einheit der Kirche entspricht der Einheit Gottes, die aber nicht als statisches religionsphilosophisches e¾n verstanden wird, sondern als lebendige Einheit von Vater, Sohn und Heiligem Geist (Adv. haer. III,6.17). So konnte spÅter Novatian (gest. um 260) im Blick auf das Wesen Gottes von der „communio substantiae“ (De trin., 181.186.192) sprechen.88 Alle genannten Abgrenzungen vollzog IrenÅus auf der Basis der Schrift und der trinitarisch strukturierten Glaubensregel, um sich gegen spekulative und allegorische AnnÅherungen an die Wahrheit zu wehren (Adv. haer. I,8,1 u. I,10,3) und die Kirche in ihrer °kumenizitÅt und Einheit zu festigen.89 Letzteres wird daran ersichtlich, daß IrenÅus mehrfach als Vermittler zwischen Rom und Kleinasien wirkte. Seine ×kumenische Relevanz ist schon biographisch angelegt, da er – aus Kleinasien stammend – Bischof von Lyon wurde. In diesem ×kumenischen Kontext hinterließ sein biblisch-×konomischer Ansatz Einfluß auf die athanasianische Glaubenstheologie. Das gilt auch fÛr die Betonung der Einheit Gottes, die sich IrenÅus aus der Heils×konomie erschloß. Doch indem er sich vornehmlich darauf konzentrierte, daß der Sohn und der Geist dem Vater in der Heilsgeschichte als Vollstrekker dienen, blieb auch IrenÅus nicht von der Gefahr des Subordinatianismus verschont. Sie ergab sich durch seine unzureichende ZusammenfÛhrung von immanenter und ×konomischer TrinitÅt90, die noch nicht klar genug erkennen ließ, welche differenzierte innerg×ttliche Einheit der heilsgeschichtlichen Funktion der trinitarischen Personen zugrunde lag. Deutlicher als IrenÅus fÛhrte Tertullian die ×konomisch erkennbare Trias auf die innertrinitarischen Unterschiede zwischen Gott, seinem Wort und dem prÅexistenten Geist zurÛck. In Aufnahme des ostkirchlich geprÅgten biblisch-heils×konomischen Ansatzes des IrenÅus und unter RÛckgriff auf die apologetische Logostheologie wendet sich Tertullian als lateinischer Schrifttheologe sowohl gegen die gnostische Spekulation als auch gegen den Monarchianismus (Adversus Praxean). Wie IrenÅus hebt er die wesenseine Offenbarungsdreiheit hervor, um im Unterschied zu gnostischen Zwischenwesen die RealitÅt der vollkommenen Offenbarung, der Erl×sung und der Heiligung zu sichern, insofern als sich Gott im Sohn und im Heiligen Geist selbst offenbart, um die Menschen zu erl×sen und zu heiligen.91 87 88 89 90 91

Vgl. W. Pannenberg: Aufnahme, S. 322–343; E. JÛngel: Entsprechungen, S. 218 f. Vgl. W.-D. Hauschild: BegrÛndung, S. 26–34; J. Werbick: TrinitÅtslehre, S. 495. Vgl. A. M. Ritter: Einheit, S. 14 f.; ders.: Alte Kirche, S. 53 ff. Vgl. K. Beyschlag: Grundriß I, S. 180; L. Scheffczyk: Formulierung, S. 163 f. Vgl. L. Scheffczyk: Formulierung, S. 185.

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Die TrinitÅtslehre in der Alten Kirche

Kirchlich engagiert und antispekulativ ausgerichtet stellt Tertullian gegenÛber dem Monarchianismus heraus, daß Gottes Einheit in der Dreiheit existiert, wobei er deutlicher als seine VorgÅnger den Ausgang des Heiligen Geistes in die „dispositio trinitatis“ einbezieht (Prax. 3). Tertullian trÅgt die Erkenntnis der drei Personen aus der Heilsgeschichte in den Begriff des ewigen g×ttlichen Wesens (Substanz) ein. Auf dieser Grundlage spricht er erstmals explizit vom Hervorgang des Heiligen Geistes aus dem Vater durch den Sohn (a Patre per Filium – Prax. 4), um biblischen Aussagen wie Joh 15,26 gerecht zu werden und zu zeigen, daß die °konomie keine Verletzung der ursprungslosen Monarchie des Vaters darstellt. Damit nahm Tertullian sowohl die Konzentration auf den biblisch-×konomischen Erkenntnisweg als auch die Formulierung der Kappadozier (dia´) vorweg, was seine Bedeutung fÛr die altkirchliche Ost-West-°kumene herausstellt.92 Das gilt auch fÛr seine EinfÛhrung des Begriffs „trinitas“ (Prax. 3), der die in der Dreiheit existierende Einheit bezeichnet und die wegweisende Formel „una substantia – tres personae“ zusammenfaßt. Tertullian umschreibt die in der einen Substanz vorhandenen Personen als „distincti, non divisi“ und bringt auf diese Weise das biblische paradoxale Geheimnis der in Gott zugleich bestehenden Dreiheit und Einheit zum Ausdruck. Weil er die Heilsgeschichte als Selbstoffenbarung des trinitarischen Gottes erkennt und sich an der NormativitÅt des Schriftzeugnisses orientiert, hÅlt Tertullian an diesem Paradoxon fest, dessen Spezifika er durch die konsequente EinfÛhrung des Personbegriffs verstÅndlicher werden lÅßt.93 Bernd Jochen Hilberath konnte in seiner Untersuchung zum Personbegriff Tertullians94 nachweisen, daß Tertullian aufgrund der biblisch-×konomischen Ausrichtung – gegen jegliche philosophische Vorgabe – nicht von der Einheit und Dreiheit Gottes bzw. von dessen intra- und interpersonaler Dimension abwich. Tertullian versuchte durch die Modifikation des von ihm in der Tradition der Grammatiker vorgefundenen Personbegriffs zu verdeutlichen, wie Gott die intra- und interpersonale Dimension zugleich verk×rpert und daher sowohl in Selbstand als auch in Relation existiert. Denn die in der Heils×konomie zu beobachtende Dreiheit verlangt gegenÛber den Modalisten, die in Gott vorhandene Dreiheit unter Bewahrung des biblischen Monotheismus ernst zu nehmen. Deshalb verlieh Tertullian dem Personbegriff einen geschlosseneren Sinn als in der griechischen

92 Vgl. A. de Halleux: Konsensus, S. 73 ff.; J. Moltmann: Einheit, S. 98; B. J. Hilberath: Gott, S. 100 f.; D. Ritschl: Geschichte, S. 37. Vgl. insgesamt K. Beyschlag: Grundriß I, S. 184–191; L. Scheffczyk: Formulierung, S. 169 f.; B. Lohse: Epochen, S. 52 f. 93 Vgl. B. J. Hilberath: Gott, S. 93 ff.; ders.: Personbegriff, S. 13 u. 306 ff.; J. Moltmann: TrinitÅt, S. 153 f. Zur Gesamtentwicklung des Personbegriffs im Westen vgl. C. Andresen: Entstehung. 94 Vgl. B. J. Hilberath: Personbegriff.

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Bedeutung von „Antlitz“ (pro´swpon) oder im lateinischen Gebrauch fÛr die „Maske“ des Schauspielers bei einer bestimmten „Rolle“. Hier war noch nicht so deutlich die individuelle EigenstÅndigkeit und BeziehungsfÅhigkeit des Personseins im Blick, weil Beziehung (relatio) nach der aristotelischen Kategorientafel zu den zufÅlligen Akzidenzien der Substanz bzw. der Wirklichkeit geh×rte. Indem jedoch fÛr Tertullian die Offenbarung des neuen Bundes dazu diente, „daß Gott jetzt ×ffentlich in seinen eigenen Namen und Personen erkannt werden k×nne“ (Prax. 31,2), „bringt Tertullian mit dem Begriff der persona positiv die unverwechselbare EigentÛmlichkeit des ‚RollentrÅgers‘ in der Heils×konomie zum Ausdruck und er×ffnet den Blick fÛr die Kommunikation als ontologische Grundstruktur von (Person-)Sein Ûberhaupt“95. Dieser kommunikative Personbegriff beinhaltet fÛr Tertullian eine Doppelstruktur, die mit Hilberath als „Selbstand in Relation“ zu definieren ist, da die jeweiligen trinitarischen Personen im Rahmen ihres BeziehungsgefÛges (Relation) ihre EigentÛmlichkeiten (Selbstand) behalten. Was hier fÛr die jeweiligen trinitarischen Personen gilt, gilt auch fÛr Gott an sich, insofern als Gott nicht nur als Substanzeinheit – oder in der neuzeitlichen Theologie als Subjekteinheit – verstanden wird, sondern auch als Handlungs- und Kommunikationseinheit der trinitarischen Personen. Deshalb lÅßt sich aus heutiger Sicht formulieren, daß Gott die Gleichzeitigkeit von intra- und interpersonaler Dimension verk×rpert. Dabei bleibt entgegen der Ansicht etlicher Tertullian-Interpreten festzuhalten, daß Tertullian die Heils×konomie als VerÅußerlichung der innerg×ttlichen Disposition betrachtete.96 In Gottes Wesen fallen also dem biblischen Paradoxon gemÅß Selbstand und Relation sowie intra- und interpersonale Dimension zusammen. Somit behebt die aus der biblischen Heils×konomie gewonnene Erkenntnis die „Schwierigkeit, absolutes Selbstsein und absolutes Mitsein zu vereinen“, 95 Ders.: Anmerkungen, S. 252 f. Vgl. insgesamt ders.: Gott, S. 93 ff.; ders.: Personbegriff, S. 143 ff. u. 306 ff.; W. Pannenberg: Person, S. 133 ff. Bei der Entwicklung seines trinitarischen Personbegriffs greift Tertullian auf die prosopographische Exegese zurÛck, nach der im Alten Testament drei verschiedene Sprecher der g×ttlichen Worte begegnen (vgl. W.-D. Hauschild: Lehrbuch I, S. 16; B. J. Hilberath: Gott, S. 105 f.). 96 Vgl. B. J. Hilberath: Personbegriff, S. 306 f., dessen Ergebnisse das Urteil relativieren, Gott habe nach Tertullians Ansicht Logos und Geist erst zum Zwecke der Sch×pfung aus seiner Substanz hervorgehen lassen, was einen Subordinatianismus zur Folge habe (so z. B. E. Schlink: Dogmatik, S. 747 f.). Solche Schlußfolgerungen erscheinen aufgrund der neueren Forschungsergebnisse als vorschnell, da die AusfÛhrungen Tertullians nicht unabhÅngig von der BerÛcksichtigung der innertrinitarischen Disposition erfolgen. – Vgl. insgesamt B. J. Hilberath: Gott, S. 108 ff., und ders.: Personbegriff, S. 306 ff. – Die Terminologie „intra- und interpersonale Dimension“ wird vom Verfasser explizit als grundsÅtzliches Begriffspaar eingefÛhrt, weil der Zuordnung von intra- und interpersonaler Dimension eine grundlegende hermeneutische Funktion fÛr das angemessene VerstÅndnis der trinitarischen und anthropologischen Strukturen zukommt, was der Fortgang der Untersuchung belegen wird. - Siehe bes. Kap. VI,1.4.

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Die TrinitÅtslehre in der Alten Kirche

welche „von den nichtchristlichen Religionen niemals Ûberwunden“97 wurde. Im Unterschied zu polytheistischen oder theistischen Formen statischer Vereinnahmung Gottes, die die Gottheiten pantheistisch der Welt zuordnen oder den Menschen mittels eines Geist-Leib-Dualismus partiell mit dem g×ttlichen Geist identifizieren, erscheint der trinitarische Gott als ein in sich lebendiges pers×nliches GegenÛber des Menschen, das dem Menschen gleichzeitig nahe sein kann. Das in seinem intrapersonalen Selbstsein begrÛndete „GegenÛbersein“ Gottes vermag sich durch seine innerg×ttliche interpersonale Gemeinschaft (Koinonia, Communio) den Menschen in den verschiedenen Formen der Heils×konomie zu nÅhern, ohne sein intrapersonales „GegenÛbersein“ aufgeben zu mÛssen. Darin liegt die Grundlage fÛr das in der Schrift bezeugte VerhÅltnis von Liebe und Freiheit, das zwischen Gott und den Menschen besteht. Gleichzeitig wird von dieser Gotteserkenntnis her das Personsein des Menschen qualifiziert, der als verantwortliches GegenÛber Gottes in seiner Existenz ebenfalls von Selbstand und Relation geprÅgt ist, indem er in individueller pers×nlicher Verantwortung (intrapersonal) vor Gott und den Mitmenschen lebt und dieses Leben zugleich nur in der Gemeinschaft mit Gott und den Mitmenschen m×glich ist (interpersonal). WÅhrend Gott allerdings das vollkommene Leben von „Selbstand IN Relation“ bzw. die Gleichzeitigkeit von intra- und interpersonaler Dimension verk×rpert, existiert ein durch Selbstand UND Relation gekennzeichnetes Leben fÛr die Menschen nur in Verbindung zu Gott und den Mitmenschen, da das intrapersonale menschliche Sein die interpersonale Dimension nur durch die Gemeinschaft mit Gott und den Mitmenschen erhÅlt. Vor diesem Hintergrund „erklÅrt sich die Verwendung des Persongedankens in der Gotteslehre des Christentums nicht als eine anthropologisch motivierte ºbertragung, sondern aus der inneren Problematik von Einheit und Vielfalt in der christlichen Gotteserfahrung selbst, die auf vorhandene Bezeichnungen (Wesen und Person) zurÛckgriff, aber dabei den Sinn dieser Bezeichnungen aus der spezifischen Thematik dieser Gotteserfahrung neu definierte. [. . .] Christologie und TrinitÅtslehre sind damit zum Ausgangspunkt einer deutlicheren Erfassung auch der menschlichen PersonalitÅt geworden.“98 Tertullians Personbegriff nimmt inhaltlich das WahrheitsverstÅndnis der griechischen KirchenvÅter vorweg. Diese verbanden mit dem Hypostasenbegriff gegenÛber dem hellenistischen Seinsmonismus ebenfalls „Selbstsein“ und „Sein in Beziehung“, weil sich Gottes Sein auf biblischer Grundlage als Koinonia bzw. als lebendiges Leben der Liebe erweist. Die Wahrheit des Seins lÅßt sich deshalb nicht in einem ontologischen KausalverhÅltnis am Wesen der Dinge ablesen, sondern sie „ist die Wahrheit als Gemeinschaft

97 98

A. Brunner: Dreifaltigkeit, S. 15. W. Pannenberg: Person, S. 147.

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durch Teilhabe“ an Gottes Lebensgeschenk und somit „ein Akt der Liebe“99. Die sich in der widerg×ttlichen Selbstbehauptung vollziehende Individuation des Menschen lÅßt den Menschen mehr als Individuum und weniger als Person leben. Deshalb wird die selbstbezogene Anschauung des Menschen zum SchlÛssel des Erkennens, das sich aber wahrhaft erst in der Gemeinschaft mit Gott ereignen kann. Die somit notwendige Verbindung von Sein und Gemeinschaft sieht Ioannis D. Zizioulas erst bei den Kappadoziern vollzogen.100 Aus den hier vorgelegten Ergebnissen lÅßt sich jedoch ablesen, daß diese ZusammenfÛhrung bereits im Personbegriff Tertullians enthalten ist. Weil der kommunikative Personbegriff mit den Dimensionen von Selbstand und Relation Tertullian bei der Auseinandersetzung mit den Monarchianern vor tritheistischen Verstrickungen ebenso bewahrt wie vor individualistischen oder subordinatianistischen Konzeptionen, gilt Tertullian „als BegrÛnder einer trinitarischen L×sung der durch Subordinatianismus und Modalismus aufgeworfenen Probleme in der christlichen Gotteslehre“101. Seine begriffliche PrÅzisierung (una substantia – tres personae) mit ihrem hermeneutischen Einstieg bei der Einheit Gottes und sein Interesse an den praktisch-existentiellen Grundfragen von SÛnde und Gnade ließen ihn zum Vordenker der abendlÅndischen TrinitÅtslehre werden.102 Gleichzeitig ist die biblische Logoschristologie Tertullians mit der Logostheologie der NizÅner zu vergleichen, weshalb ihn seine Formulierungen (tres personae unius divinitas – De pudic. 21) auch als VorlÅufer der nizÅnischen Homousios-Lehre erscheinen lassen.103 Aufgrund der parallelen Struktur von una substantia – tres personae und der spÅteren neunizÅnischen Formel mı´a ou™sı´a – treı˜ß ušposta´seiß „darf man getrost sagen, daß fÛr den Sieg des trinitarischen Personbegriffs auf dem 2. ×kumenischen Konzil auch der westliche, aus der Exegese entwikkelte Personbegriff einen entscheidenden Beitrag geleistet hat“104. Tertullians ×kumenische Bedeutung fÛr den Zusammenhang von ost- und westkirch-

99 I. D. Zizioulas: Wahrheit, S. 24. Vgl. insgesamt ebd., S. 2 ff. Zum Einfluß auf die ×stliche Entwicklung vgl. C. Andresen: Entstehung, S. 34 ff. 100 Vgl. I. D. Zizioulas: Wahrheit, S. 19. Vgl. insgesamt ebd., S. 30 ff. 101 J. Moltmann: TrinitÅt, S. 153. Vgl. B. J. Hilberath: Personbegriff, S. 307 u. 327. 102 „So hat man denn von Tertullian auszugehen, wenn man sich die GrundzÛge der abendlÅndischen TrinitÅtstheologie in der Zeit vor NizÅa verdeutlichen will.“ (A. M. Ritter: Dogma, S. 142) Vgl. B. Altaner/A. Stuiber: Patrologie, S. 148 ff.; C. Markschies: „. . .et tamen non tres Dii“, S. 165, und W.-D. Hauschild: Lehrbuch I, S. 15, der darauf hinweist, daß Tertullian mit der sinngemÅßen Umschreibung der Formel „una substantia – tres personae“ zu den „VorvÅtern des TrinitÅtsdogmas“ zÅhlt. 103 Vgl. L. Scheffczyk: Formulierung, S. 170, und B. Lohse: Epochen, S. 52 f.: „Die Lehre von der Wesensgleichheit des Vaters und des Sohnes wie auch des Heiligen Geistes ist bei ihm im Grunde schon da“. 104 C. Andresen: Entstehung, S. 38.

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Die TrinitÅtslehre in der Alten Kirche

licher TrinitÅtstheologie wird durch die Beobachtung unterstrichen, daß Tertullian die Einheit nicht nur aus der gemeinsamen Substanz, sondern auch aus der anteilgebenden Monarchie des Vaters ableitet, was fÛr die ostkirchliche TrinitÅtslehre kennzeichnend ist. So legte Tertullian durch seinen trinitÅtstheologischen Ansatz den Grundstein fÛr die spÅtere Rezeption der neunizÅnischen TrinitÅtslehre im Westen: „Da die westlichen Theologen des vierten Jahrhunderts sich in der einen oder anderen Form immer wieder auf diese Synthese Tertullians bezogen, ist es nicht verwunderlich, daß sie eine ×stliche Form der trinitÅtstheologischen Synthese, wie sie seit 362 entwickelt wurde, aufgeschlossen rezipieren konnten.“105 °kumenische QualitÅt besitzt auch Tertullians Verankerung der Ekklesiologie in der trinitarischen Gotteslehre. Wie bei IrenÅus erhÅlt die in der Einheit Gottes begrÛndete Einheit der Kirche Vorrang, was fÛr Tertullian in der Auseinandersetzung mit den HÅresien von Bedeutung ist. Unter apologetischem Gesichtspunkt wird deshalb die sichtbare und organisatorische Einheit der Kirche herausgestellt, worin die Merkmale lateinischer Ekklesiologie bereits zum Ausdruck kommen. Doch ihrem wahren Wesen nach ist die Kirche fÛr Tertullian wie fÛr spÅtere griechische KirchenvÅter eine himmlische Gr×ße (De bapt. 15,1), ein Abbild der Dreieinigkeit: „Da, wo die drei, Vater, Sohn und Heiliger Geist, sind, da befindet sich auch die Kirche, die der Leib der Drei ist“106 (De bapt. 6,2). Weil das Christusgeschehen und der Leib Christi die Heils×konomie in ihrer Gesamtheit integrieren, erweist sich die Kirche als irdisches Abbild der Dreieinigkeit. Nicht zuletzt aus dieser Interdependenz von Kirche und gesamter trinitarischer Heilsgeschichte erklÅrt sich die bei ×stlichen und westlichen KirchenvÅtern zu findende Anschauung der Einheit der g×ttlichen Handlungen „nach außen“ (ad extra).107 Welche Rolle dabei fÛr Tertullian die pneumatologische Dimension der Kirche spielt, lÅßt sich daran ablesen, daß er die wahre Kirche der Vergebungsvollmacht in der ecclesia spiritus und nicht in der episkopal verfaßten Kirche sieht (pud. 21,17).108 Entsprechend hebt er nicht die Hierarchie, sondern die Einheit des Glaubens als Einheitsfaktor hervor (De virg. vel. 2). So existiert das Amt um der Ordnung willen, und die Laien k×nnen im Notfall sÅmtliche priesterlichen Funktionen ausÛben (De bapt. 17,1), was auf dem k×niglichen Priestertum der Getauften beruht: „Sind nicht auch wir Laien Priester? Es steht geschrieben: ‚Er hat uns zu einem K×-

105 C. Markschies: „. . .et tamen non tres Dii“, S. 166. Zur „Monarchie des Vaters“ bei Tertullian vgl. B. J. Hilberath: Gott, S. 101–105. 106 CChr 1,282. 107 Vgl. I. D. Zizioulas: Wahrheit, S. 39. Vgl. insgesamt P.-T. Camelot: Lehre, S. 11 ff.; G. May: Art. „Kirche III“, S. 221 f. 108 Diese Auffassung resultiert nicht aus Tertullians Hinwendung zum Montanismus, die weder seine Ekklesiologie (vgl. G. May: Art. „Kirche III“, S. 222; P.-T. Camelot: Lehre, S. 12) noch seine TrinitÅtslehre erwÅhnenswert verÅnderte: „Im Grunde ist Tertullian als Montanist kein anderer geworden, als er immer schon war.“ (H. von Campenhausen: Lateinische KirchenvÅter, S. 32)

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nigtum und zu Priestern vor Gott dem Vater gemacht‘ (Apk 1,6).“109 Unter diesem Gesichtspunkt wird die Gemeinschaft aller Glaubenden konstitutiv fÛr die Kirche, deren Gestalt den Zusammenhang von Selbstand und Relation in der TrinitÅtslehre widerspiegelt, indem sich die Kirche im einheitlichen Glauben der Einzelgemeinden sowie in deren Gemeinschaft untereinander manifestiert (De virg. vel. 2,2). Die bei Tertullian erfolgten Differenzierungen in der TrinitÅtslehre hinterließen also auch Spuren in seiner Ekklesiologie. Sein derart in der Gotteslehre verankertes KirchenverstÅndnis findet sich grundsÅtzlich auch bei dem im Westen einflußreichen Cyprian (gest. 258) wieder, der Tertullian seinen Meister nennt und die Kirche als „das von der Einheit des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes her geeinte Volk“110 (De orat. dom. 23) bezeichnet. Deshalb ist Cyprians Ekklesiologie vom Wesen her eine Ekklesiologie der Gemeinschaft. Die wachsende Konfrontation mit Verfolgung und HÅresie ließ dann der AutoritÅt des Bischofsamts eine herausragende Stellung zukommen: In der Gemeinschaft der Bisch×fe liegt die Garantie kirchlicher Einheit und Gemeinschaft (ep. 66,8). „Die Einheit der Kirche wird jedoch nicht durch die Gemeinschaft der Bisch×fe begrÛndet; sie ist vielmehr vorgegeben, weil sie von Gott kommt und aus der [trinitarisch strukturierten] Gemeinschaft mit Christus erwÅchst“111. Von daher kann die pneumatische AutoritÅt des Bischofs nicht vom Geist der Gemeinde isoliert werden. Noch deutlicher wird das bei Hippolyt (gest. 235), fÛr den die Kirche in allen Šmtern und StÅnden den charismatischen Verbund der Heiligen bildet, weil alle den Heiligen Geist empfangen. Er waltet gemÅß der trinitarischen Heils×konomie „in allen“ (Eph 4,6) und befÅhigt somit jedes Kirchenglied, die im Taufbefehl vorgegebene Wirklichkeit des dreieinigen Gottes zu erkennen.112 Die TrinitÅtslehre bleibt also fÛr Hippolyt und Cyprian – wie bei Tertullian – maßgeblich fÛr die Grundstruktur des Wesens der Kirche.

Insgesamt ist festzuhalten, daß Tertullian als richtungweisender lateinischer Theologe nicht nur von den frÛhen griechischen KirchenvÅtern beeinflußt war und diesen Einfluß in der westlichen Theologie fruchtbar machte, sondern auch umgekehrt Grundgedanken der spÅteren Theologie des Ostens vorwegnahm. Schnittpunkt dieser gegenseitigen Befruchtung ×stlicher und westlicher Traditionen war die alexandrinische Theologie. Hier kam es verschÅrft zur Auseinandersetzung mit den Problemen, die auch bei Tertullian zumindest in manchen Formulierungen noch anklingen und erst durch eine prÅzise VerhÅltnisbestimmung von ×konomischer und immanenter TrinitÅt v×llig zu Ûberwinden sind113. So scheinen Tertullians Aussagen, daß das Heraustreten von Sohn und Geist erst beim Weltbezug Gottes perfekt wer-

CChr 2,1024–1025. Vgl. P.-T. Camelot: Lehre, S. 14 ff.; G. May: Art. „Kirche III“, S. 222. CSEL 3,285. 111 G. May: Art. „Kirche III“, S. 222. Vgl. insgesamt P.-T. Camelot: Lehre, S. 18 ff.; H. von Campenhausen: Lateinische KirchenvÅter, S. 37 ff. 112 Vgl. G. Kretschmar: Geist, S. 118–124. 113 W.-D. Hauschild: Lehrbuch I, S. 16, weist darauf hin, daß diese VerhÅltnisbestimmung auch bei Tertullian noch nicht hinreichend geklÅrt ist. 109 110

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de, einen subordinatianistischen Klang zu haben.114 Wenn Tertullian ferner Sohn und Geist als verschiedene Stufen oder Existenzweisen der g×ttlichen Substanz bezeichnet (Prax. 13), drÅngt sich bei isolierter Betrachtung solcher Aussagen die monarchianistisch-modalistische Gefahr erneut auf.115 ZunÅchst war es der Alexandriner Origenes (gest. 254), der gegenÛber jeglichen modalistischen Tendenzen die ewigen hypostatischen Unterschiede von Vater, Sohn und Geist akzentuierte und sich auf diese Weise deutlicher als seine VorgÅnger der immanenten TrinitÅt widmete.116 So benutzte er zur Darstellung der Eigenwirklichkeit der trinitarischen Personen bereits den Hypostasenbegriff, der in der Theologie der Kappadozier und damit bei der Vorbereitung des Symbols von Konstantinopel (381) maßgebliche Bedeutung erlangen sollte. Doch da Origenes die ×konomische TrinitÅt und den geschichtlichen Aspekt vernachlÅssigte und neben seiner biblischkirchlichen Ausrichtung in kosmologischer Orientierung das metaphysische RÛckschlußverfahren mittelplatonischer PrÅgung beibehielt, kam es bei ihm zu einer „Ambivalenz zwischen biblisch-personaler und griechischspekulativer Gotteserkenntnis“117, die sich auch auf sein HypostasenverstÅndnis auswirkte. Indem Origenes den platonisch-spekulativen Gottesbegriff des unbegreifbaren, Ûberseienden und weltnegativen „Eins“ (to` e¾n) voraussetzte, aus dem hypostatisch die verschiedenen Stufungen des Seins ausfließen bzw. emanieren, verband sich mit seiner ºbernahme des mittelplatonischen Seinsbegriffs automatisch der subordinatianistische Stufungsgedanke.118 Das in seinem Hauptwerk „ºber die Grundlehren“ (Perı´ a™rcw˜n) erkennbare System philosophisch-theologischer Weltdeutung geht davon aus, daß sich der absolute Gott in einen geistigen Kosmos depotenziert, wobei die g×ttlichen Eigenschaften schrittweise abnehmen und die Sch×pfung fÛr das Wesen des gÛtigen und sch×pferischen Gottes notwendig wird. Folglich verschwimmt die Grenze zwischen Sch×pfer und Sch×pfung. Zwar sind Sohn und Geist ewige Hypostasen Gottes, doch sie nehmen eine Mittlerstellung zwischen Gott und der ewigen Sch×pfung immaterieller Geister ein. Durch die Vorstellung einer prÅexistenten Sch×pfung reiner Geistwesen verbindet sich mit dem emanatorischen Aspekt der Geist-Leib-Dualismus, da die Erschaffung der sichtbaren Welt lediglich zur Bestrafung der gefallenen Geistwesen

Siehe aber Anm. 96, II. Kap. Vgl. L. Scheffczyk: Formulierung, S. 170; J. Moltmann: TrinitÅt, S. 154. 116 Vgl. B. Lohse: Epochen, S. 53–55; L. Scheffczyk: Formulierung, S. 172; A. M. Ritter: Dogma, S. 129. 117 K. Beyschlag: Grundriß I, S. 206. Vgl. A. M. Ritter: Dogma, S. 129; B. Lohse: Epochen, S. 53. 118 Vgl. A. M. Ritter: Dogma, S. 127 f., und W.-D. Hauschild: Lehrbuch I, S. 17, der auf das mittelplatonische System des Origenes-Lehrers Ammonios hinweist. Zur differenzierten Auseinandersetzung mit den verschiedenen Entwicklungsstufen des Platonismus vgl. H. D×rrie: Platonica. 114 115

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dient, um sie durch Erziehung zur reinen Geistigkeit zurÛckzufÛhren. Der Logos bzw. der Sohn, der vom Seinsgrund bzw. vom Vater ewig gezeugt ist, besitzt als Sch×pfungsmittler der Geisterwelt nur noch eine abgestufte Gottheit, was in absteigender Reihenfolge auch fÛr den Geist als dem ersten vom Logos geschaffenen Wesen zutrifft.119 Daß Origenes von den drei Hypostasen (Joh.-Komm. II,10) und der tria´ß (De princ. I,4,3) spricht und den Heiligen Geist hier einbezieht, liegt an seiner biblisch-kirchlichen Orientierung, die auch das heils×konomische Wirken des Heiligen Geistes anerkennt. Wo jedoch die philosophischen PrÅmissen in den Vordergrund treten, kann Origenes den Sohn auch als erstes Gesch×pf bezeichnen und den Heiligen Geist zur Sch×pfung zÅhlen (De princ. I,3,3; IV,4,1).120 Die Ambivalenz der origenistischen Theologie resultiert nicht zuletzt aus der allegorischen Methode (mehrfacher Schriftsinn), auf die sich Origenes fast ausschließlich berief, wodurch seine philosophischen PrÅmissen Einzug halten konnten. Folglich trat die geschichtlich-heils×konomische Dimension in der Exegese zugunsten des kosmologisch-ontologischen VerstÅndnisses in den Hintergrund, so daß Heils- und Seinsgeschehen (Soteriologie und Kosmologie) letztlich kongruent wurden. Vollends ersichtlich wird die ºberlagerung der kontingenten Heils×konomie durch eine ontologische Metaphysik an der Tatsache, daß die Heilsgeschichte nur als eine von vielen Weltperioden angesehen wird, welche zur Wiederbringung aller in die Geisteswelt fÛhren.121 Entsprechend stellt sich die Inkarnation bzw. Menschwerdung des Logos nicht als irdisches Ereignis dar, sondern der Logos hat sich bereits prÅexistent mit dem einzigen nichtgefallenen Geistwesen vereint und ist so leidensunfÅhig (De princ. II,6,3 ff.).122 Die Geist-Kosmologie des Origenes wirkt sich auch auf sein VerstÅndnis von der Kirche aus, die sich seines Erachtens aus einfachen Christen mit anthropomorphen Vorstellungen der Heilsgeschichte und aus den wahren Pneumatikern mit der Erkenntnis der zeitlosen Geistkirche zusammensetzt. Das biblische Bild vom Leib Christi bewahrt Origenes davor, sichtbare und geistige bzw. himmlische Kirche voneinander zu trennen. So sieht er die Einheit der Ortskirchen in der Einheit Gottes begrÛndet.123

Der große systematische Entwurf des Origenes, der den Versuch der Bestimmung des immanenten trinitarischen Wesens Gottes mit einer kosmologischen Weltdeutung verband und als hÅretisch verurteilt wurde, steht fÛr die Ambivalenz, die sich aus einer spekulativ-metaphysischen ºberlagerung des biblisch-heils×konomischen Ansatzes ergibt. Bei der origenistischen Verbindung von natÛrlicher Theologie und Glaubenstheologie wird nÅmlich „die spekulative Erkenntnis im Blick auf die Glaubensbasis als etwas H×heres“124 angesehen. Zwar gelang es Origenes, drei eigenstÅndige ewige Hypostasen in Gott aufzuzeigen und den Sohn als ewiges Abbild Gottes zu quali-

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Vgl. K. Beyschlag: Grundriß I, S. 205 ff.; A. M. Ritter: Dogma, S. 122 ff. Vgl. W.-D. Hauschild: Lehrbuch I, S. 20 f. Vgl. A. M. Ritter: Dogma, S. 119 f.; K. Beyschlag: Grundriß I, S. 203 u. 211. Vgl. K. Beyschlag: Grundriß I, S. 210. Vgl. P.-T. Camelot: Lehre, S. 7 ff. K. Beyschlag: Grundriß I, S. 264 f.

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fizieren, doch es blieb die Frage nach dem GegenÛber von Gott und Sch×pfung, nach der schuldhaft-verantwortlichen Tat der Gesch×pfe sowie nach einer kontingenten Heilsgeschichte. Die kosmologisch-theosophische Vorstellung von einer ewigen Sch×pfung stellte diese biblischen Grunddaten in Frage. Wollte man demgegenÛber den unbiblischen Gedanken der ewigen Sch×pfung Ûberwinden, mußte entweder der Sohn dem Vater streng untergeordnet (zur Sch×pfung geh×rend) oder seine hyostatische Wesenseinheit mit dem Vater deutlich herausgestellt werden (Sohn als GegenÛber der Sch×pfung). Deshalb bildet Origenes den Ausgangspunkt der beiden Pole, die sich mit dem radikalen arianischen Subordinatianismus und der nizÅnisch-orthodoxen Betonung der Wesenseinheit von Vater und Sohn (Homousios) im arianischen Streit (318–325/337) gegenÛberstanden.125 Die Aufgabe, prÅzise zwischen ×konomischer und immanenter TrinitÅt zu differenzieren und sowohl den Modalismus als auch den Subordinatianismus zu Ûberwinden, war mit dem Entwurf des Origenes noch dringlicher gestellt. Es galt, Gott monotheistisch als soteriologisch relevantes und lebendiges GegenÛber der Menschen verstehbar zu machen, wobei der Pluralismus der Hypostasenlehre in seiner kosmologischen Bedeutung das GegenÛber von Gott und Welt nur angemessen wahren konnte, wenn die Dreiheit der Hypostasen mit der Einheit Gottes identifiziert wurde. „Das bedeutete aber: Der christliche Gottesbegriff mußte vom antiken Weltbegriff gel×st und die Offenbarungsdreiheit von Vater, Sohn und Geist als innerg×ttliche Wesenstiefe erkannt werden.“126 Die Alternativen, die der ambivalente Versuch des Origenes, letzteres ansatzweise zu leisten, hinterließ, wurden zum Ausgangspunkt der weiteren trinitÅtstheologischen Entwicklung im Osten, in dem sich neben monarchianistischen Richtungen die im origenistischen System angelegten Alternativen herausbildeten: Die sog. Linksorigenisten konzentrierten sich kosmologisch-philosophisch auf den Pluralismus der Hypostasenlehre, wÅhrend die sog. Rechtsorigenisten soteriologisch-heils×konomisch ausgerichtet an der Einheit und Wesensgleichheit der Hypostasen interessiert waren.127 Obwohl die ×stliche Denkweise Ûberwiegend die metaphysische Durchdringung der kosmologischen Heils- und Weltbedeutung des Glaubens nahelegte, verband sich das Interesse der Rechtsorigenisten mit der soteriolo-

125 „Die Unausgeglichenheiten in seinen Aussagen Ûber die TrinitÅt fÛhrten dazu, daß sich im spÅteren Origenismus unterschiedliche Konzeptionen herausbildeten“ (W.-D. Hauschild: Lehrbuch I, S. 19). Vgl. insgesamt K. Beyschlag: Grundriß I, S. 215; B. Lohse: Epochen, S. 54 f.; C. Markschies: „. . .et tamen non tres Dii“, S. 167 f. 126 K. Beyschlag: Grundriß I, S. 234. 127 W.-D. Hauschild: Lehrbuch I, S. 23 ff., bemerkt zutreffend, daß sich die Einordnung in rechts- und linksorigenistische EntwÛrfe erst im 4. Jahrhundert vollends rechtfertigen lÅßt. Im 3. Jahrhundert zeichnet sich diese Polarisierung jedoch bereits ab.

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gisch-heils×konomischen Komponente westlicher Theologie. Diese Entwicklung, die sich in der zweiten HÅlfte des 3. Jahrhunderts langsam anbahnt, wird erst im 4. Jahrhundert deutlicher greifbar. Eine Spur wachsender trinitÅtstheologischer ºbereinstimmung zwischen Rom und Alexandrien hinterließ bereits der Streit zwischen Dionysios von Alexandrien (gest. um 265) und sabellianisch geprÅgten Bisch×fen der libyschen Pentapolis, denen Dionysios die origenistisch-subordinatianistisch geprÅgte hypostatische Dreiheit Gottes entgegenhielt. Der daraufhin eingeschaltete Dionysius von Rom (gest. 267) Åußerte gegenÛber dem Alexandriner den Verdacht des Tritheismus, da die origenistische Theologie noch nicht deutlich zwischen Hypostase und Wesen (ousı´a) differenzierte und „Hypostasis“ (Wesenheit) sich lateinisch nur mit „Substantia“ (Wesen) Ûbersetzen ließ. Es wird ersichtlich, daß die Sprachdifferenz die Ost-West-VerstÅndigung erschwerte und zu sprachlich bedingten MißverstÅndnissen fÛhren konnte. So war es dem Alexandriner schließlich doch m×glich, aufgrund einer Synthese zwischen origenistischer und tertullianischer Theologie inhaltlich einzulenken und auch die westliche Betonung der Monarchie und der Wesenseinheit Gottes zu akzeptieren. Dionysios erklÅrte, er habe den Begriff der Homousie lediglich vermieden, weil es kein biblischer Begriff sei, er vertrete ihn aber inhaltlich. Beide Dionyse wandten sich mit einer in der Dreiheit existierenden Einheit sowohl gegen den Tritheismus als auch gegen den Modalismus, „so daß die Kirchenlehre immer klarer im Schnittpunkt von Wesensgleichheit, Subjektsverschiedenheit und Gleichordnung der Personen erscheint“128. Die erkennbare AnnÅherung zwischen Rom und Alexandrien sollte spÅter unter noch positiveren theologischen Vorzeichen zu einer tragfÅhigen BrÛcke fÛr den ost-westkirchlichen Konsens in der TrinitÅtslehre werden.129 WÅhrend einerseits der – bei Dionysios von Alexandrien zu beobachtende – pluralistisch-inferioristische Einfluß der origenistischen Logoslehre bei den Linksorigenisten bis zu den extrem subordinatianistischen Vorstellungen des Arius fÛhrte, wurde Alexandrien andererseits zusehends zum Zentrum rechtsorigenistischer Theologie, die wie die westliche TrinitÅtslehre in soteriologisch-heils×konomischer Orientierung die Wesenseinheit Gottes betonte. Mit der rechtsorigenistischen Position Alexanders von Alexandrien (Bischof seit 312) und der extrem linksorigenistischen Gotteslehre des Presbyters Arius standen sich die beiden Pole des arianischen Streites gegenÛber, der 318 durch schroffe christologische Formulierungen des Arius ausgel×st wurde und sich nach der Entscheidung des Konzils von NizÅa (325) fortsetzte. Nach dem Tode Konstantins (337) gingen die Auseinandersetzungen in noch differenziertere trinitarische Streitigkeiten Ûber, die mit dem Konzil von Konstantinopel (381) beendet wurden.130 Daß das 4. Jahrhundert derart von den trinitarischen Streitigkeiten erschÛttert wurde, lag daran, daß der christliche Wahrheitsanspruch von der Beantwortung der

128 L. Scheffczyk: Formulierung, S. 174. Vgl. insgesamt K. Beyschlag: Grundriß I, S. 224–229; W.- D. Hauschild: Lehrbuch I, S. 22 f.; A. M. Ritter: Dogma, S. 133–136. 129 Vgl. W. A. Bienert: o š moou´sioß, S. 170. 130 Zur genauen Aufteilung des trinitarischen Streits in einzelne Phasen vgl. W.-D. Hauschild: Lehrbuch I, S. 26; K. Beyschlag: Grundriß I, S. 236–239.

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Wahrheitsfrage durch die Gotteslehre abhing, weil sich an der Gotteslehre sÅmtliche doxologischen, heilsgeschichtlichen, soteriologischen, ekklesiologischen und kosmologischen Aspekte entscheiden. Deshalb war mit dem trinitarischen Dogma von 381 eine maßgebliche Grundlage fÛr die weitere Kirchengeschichte gegeben.

Ausl×ser der zum trinitarischen Dogma fÛhrenden Streitigkeiten war Arius (gest. um 336), der die absolute Monarchie Gottes durch die kosmologische Logosdeutung darzustellen versuchte. Sein Versuch beinhaltet sowohl linksorigenistische Elemente mit einem subordinatianistischen platonischen Stufendenken als auch adoptianistisch-monarchianistische Elemente (Paul von Samosata) mit ihrer eindeutigen Zuordnung des Logos in den Bereich der Gesch×pflichkeit, wodurch Arius bisherige subordinatianistische Tendenzen radikalisierte.131 Dabei wird erneut deutlich, wie sich emanatorische und dualistische Versuche der spekulativen Vereinnahmung Gottes gegenseitig bedingen. Dem platonischen Dualismus entsprechend gilt Gott bei Arius als das allein ungewordene und unwandelbare Wesen, das mittels der Negation gesch×pflicher Unvollkommenheiten (via negationis) erschlossen wird. Weisheit und Logos geh×ren als KrÅfte zu der statischen Wesensgottheit, wohingegen die trinitarischen Personen (Sohn und Heiliger Geist) der Sch×pfung zugerechnet sind. Da sich das absolute g×ttliche Wesen dem Gesch×pflichen nicht mitteilen lÅßt, ist der Logos-Sohn als Sch×pfungsmittler eingesetzt, wobei Sohn und Geist abgestufte „Gottheiten“ darstellen, die Gott dem Wesen nach unÅhnlich (a™no´moioß) sind.132 Deshalb gab es eine Zeit, da der Sohn nicht war (UÔn pote o¾te ouk UÔn) und der Vater nicht Vater war. Als von Natur aus wandelbar erhÅlt der Sohn seine Unwandelbarkeit in sittlicher Selbstbestimmung aufgrund der Entscheidung fÛr das Gute. In seiner daraus resultierenden Rolle eines herausragenden Gesch×pfs bzw. Vorbilds der Menschen erscheint er als eine Art Halbgott, dem eine exemplarisch-moralische Bedeutung zukommt und der in seinem Menschsein nicht wahrer Gott sein kann. Deshalb vermittelt der Sohn auch nicht die volle Erkenntnis Gottes, der kein pers×nliches GegenÛber der Menschen verk×rpert, sondern eine via negationis ermittelte G×ttlichkeit, zu der sich

131 Die adoptianistische und linksorigenistische Hermeneutik wurde zusammen mit einer von der aristotelischen Dialektik geprÅgten Exegese zu einem der Ausl×ser der antiochenischen Schule, die in der TrinitÅtslehre die Dreiheit Gottes und in der Christologie die Menschheit Jesu betonte. Davon unterschied sich die alexandrinische Theologie durch die Betonung der Einheit der g×ttlichen Personen und der Gottessohnschaft Jesu. 132 Analog zur platonischen Weltseele zÅhlt der Sohn bei Arius zum Kosmos. Vgl. Athanasius: Contr. Ar. I,6. Die zitierten Wendungen des Arius stammen aus den Fragmenten der Thalia, die in den Schriften des Athanasius erhalten sind. DarÛber hinaus geben die erhaltenen zwei Briefe des Arius Aufschluß Ûber seine Gotteslehre. Vgl. zu den Quellen A. von Harnack: Lehrbuch II, S. 198; A. M. Ritter: Alte Kirche, S. 132 f.

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der Mensch in ethischer Selbstbestimmung aufzuschwingen vermag.133 „Damit kann keine Erl×sung zur vollen Gottesgemeinschaft, sondern nur neue Moral begrÛndet werden“134, die dem Menschen als Teil der abgestuften Kosmologie den Aufstieg zur Selbsterl×sung er×ffnet und eine Ekklesiologie heilsrelevanter Koinonia zwischen Gott und Mensch ausschaltet. Weil die – mittelplatonisch geprÅgte – kosmologische Ausrichtung nicht von den soteriologischen Sohnesaussagen der Schrift her korrigiert wurde, kam es zu diesen Elementen arianischer Theologie135, welche die Offenbarungs- und Heilsrelevanz von Sohn und Heiligem Geist in Frage stellten. Dadurch war eine Auseinandersetzung um das zur Disposition stehende Wesen des christlichen Glaubens unausweichlich geworden, weil „von der rechten Antwort auf diese Fragestellung [. . .] die Existenz der Kirche und das Heil des einzelnen Christen abhÅngt“136. Die Gegenreaktion Alexanders (312–328 Bischof von Alexandrien) ließ nicht lange auf sich warten und verursachte die erste Verurteilung des Arius durch eine Synode (ca. 319). Alexander hielt in rechtsorigenistischer Orientierung an dem biblischen paradoxalen Geheimnis der Einheit in Dreiheit fest und betonte neben der origenistischen hypostatischen Unterschiedenheit von Vater und Sohn auch deren Wesensgleichheit (o¾moioß katL ou™sı´an), die er als Voraussetzung der Erl×sung herausstellte. Mit dieser Ausrichtung an den Vorgaben der Offenbarung distanzierte sich Alexander sowohl vom arianischen Subordinatianismus als auch vom sabellianischen Modalismus. Die hypostatische Differenz wird mit dem Gedanken der „anfangslosen Zeugung“ (a¹narcoß ge´nnvsiß) ausgedrÛckt, der jedoch das „wie“ dieses innertrinitarischen Vorgangs wie bei IrenÅus im Bereich des Geheimnisses lÅßt.137 Hier kommt das apophatische Denken der KirchenvÅter zum Ausdruck, das einerseits die biblisch-×konomisch offenbarten innertrinitarischen WesenszÛge Gottes ernst nimmt und andererseits darÛber hinausgehende Spekulationen mit dem Hinweis auf das Geheimnis des Wesens Gottes ablehnt.138 Deshalb wendet sich auch Alexander gegen die kosmologisch-theistische Deduktion des Arius, da er davon Ûberzeugt ist, daß der

133 Vgl. A. Adam: Lehrbuch I, S. 222. Vgl. insgesamt A. M. Ritter: Dogma, S. 148 ff.; ders.: Art. „Arianismus“. 134 J. Moltmann: TrinitÅt, S. 149. 135 Vgl. F. Ricken: Homousios, S. 82 ff. 136 K. Aland: Geschichte I, S. 185, der daran erinnert, daß diese Auseinandersetzung deshalb auch die Bev×lkerung tief bewegte. 137 Vgl. A. von Harnack: Lehrbuch II, S. 203 ff.; K. Beyschlag: Grundriß I, S. 244 f. 138 Es handelt sich zu dieser Zeit noch nicht um die spÅter in der ostkirchlichen Theologie entwickelte palamitische Energienlehre, die von der Relevanz der Heils×konomie fÛr die immanente TrinitÅt absieht und Gottes hypostatische Gegenwart in den Bereich v×lliger Unerkennbarkeit verweist, so daß Gott lediglich in seinen Energien wie Herrlichkeit und Licht zu erkennen sein soll. S. u., S. 166 ff., und siehe Kap. II,3 u. VI,1.2.

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als Geheimnis geltende Gott nicht durch ein RÛckschlußverfahren, sondern nur durch seine Offenbarung bzw. Selbstmitteilung erkennbar wird. Das spiegelt sich im antiarianischen Bekenntnis der Synode von Antiochien (324/25) wider, das den trinitarischen Gott als Glaubensinhalt versteht und sich im Unterschied zur arianischen Ausblendung des Heiligen Geistes explizit auch auf diesen bezieht. Im Verbund mit Eustathius von Antiochien, Marcell von Ankyra und Ossius von Cordoba beeinflußte Alexanders Theologie das Antiochenum außerdem durch die Betonung der trinitarischen Wesenseinheit. Insgesamt entsprach dieses Bekenntnis dem Symbolum Romanum, das Dionysius von Rom an Dionysios von Alexandrien adressiert hatte. Die Verbindung zwischen westlicher und rechtsorigenistischer alexandrinischer TrinitÅtstheologie trat also immer deutlicher hervor.139 Daß sich diese AnnÅherung auf das VerhÅltnis zwischen ost- und westkirchlicher TrinitÅtslehre auswirkte, zeigt das Konzil von NizÅa (325), welches sich Ûberwiegend aus KirchenvÅtern des Ostens zusammensetzte und dennoch von der Verbindung zwischen alexandrinischer und westlicher Theologie geprÅgt war. Der Einfluß der kleinen Gruppe abendlÅndischer Teilnehmer war nÅmlich nicht gering, was besonders fÛr Ossius von Cordoba gilt. Als Vertrauter von Kaiser Konstantin hatte er bereits im Vorfeld des Konzils versucht, den ausbrechenden arianischen Streit zu schlichten. Dazu war er von Konstantin beauftragt worden, der seit 324 als Alleinherrscher regierte und im Interesse der „salus publica“ die Kircheneinheit zu wahren suchte.140 Doch nachdem sich Ossius auf der Synode zu Antiochien zur rechtsorigenistischen Position bekannt hatte, verschÅrften sich die Spannungen mit linksorigenistischen Bisch×fen wie Eusebius von Nikomedien (gest. 341/2) und Eusebius von Caesarea (gest. 339/40). Letzterer nahm allerdings zunehmend eine mittlere Position zwischen Arius und Alexander ein, so daß man hier den Begriff origenistische Mittelpartei einfÛhrte.141 Deshalb standen sich in NizÅa schließlich drei Gruppierungen gegenÛber: die Arianer unter Eusebius von Nikomedien, die origenistische Hauptgruppe mit

139 Vgl. J. N. D. Kelly: Glaubensbekenntnisse, S. 207–211; K. Beyschlag: Grundriß I, S. 245. Die theologische NÅhe, die Alexander etwa zu Eusthatius hatte, erlÅutert A. M. Ritter: Dogma, S. 156 ff. 140 Vgl. den bei A. M. Ritter: Alte Kirche, S. 133 f., zitierten Brief Konstantins an Alexander und Arius. Zur Zusammensetzung des Konzils vgl. K. Beyschlag: Grundriß I, S. 246, der wie die meisten Forscher davon ausgeht, daß sich unter den ca. 300 Teilnehmern nur 7 AbendlÅnder befanden. W. A. Bienert: ošmoou´sioß, S. 160, nimmt allerdings an, daß die AbendlÅnder mit ca. 100 Teilnehmern ein Drittel der Anwesenden stellten. 141 W.-D. Hauschild: Lehrbuch I, S. 27, merkt zu Recht an, daß „Partei“ hier nicht im Sinne fest organisierter theologischer ZusammenschlÛsse verstanden werden darf, sondern nur im Sinne von Gruppen Gleichgesinnter. Vgl. insgesamt A. M. Ritter: Dogma, S. 151–155, wo auch die theologische Position des Eusebius von Caesarea nÅher erlÅutert wird.

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Eusebius von Caesarea und die Antiarianer (Alexander von Alexandrien, Marcell von Ankyra, Ossius von Cordoba u. a.). Sie alle sahen sich auf der ersten Reichssynode, die als erstes ×kumenisches Konzil Anerkennung finden sollte, mit der Aufgabe konfrontiert, den christlichen Glauben fÛr die gesamte Christenheit verbindlich zu formulieren. Als Grundlage dafÛr diente wohl ein Tauf- bzw. Glaubensbekenntnis aus dem syro-palÅstinischen Raum (evtl. Jerusalem), nachdem ein durch Eusebius von Nikomedien vorgelegtes Bekenntnis arianischer PrÅgung abgelehnt worden war und Eusebius von Caesarea ein Bekenntnis syro-palÅstinischer Provinienz vorgestellt hatte, das aber nicht mit letzter Sicherheit mit dem Bekenntnis zu identifizieren ist, das als Vorlage diente.142 Aus einem Brief des Eusebius von Caesarea geht hervor, daß das zugrundegelegte Bekenntnis durch vier ZusÅtze im zweiten Artikel sowie ein zugefÛgtes antiarianisches Anathema prÅzisiert wurde.143 Nachhaltige Bedeutung hatte die vom Kaiser selbst angestrebte Einsetzung des ošmoou´sioß, das gegen den arianischen Subordinatianismus klÅrte, daß der Sohn „eines Wesens mit dem Vater“ ist (ošmoou´sion tw˜’ patrı´). Dieser nicht-biblische Begriff, der ursprÛnglich aus der valentinianischen Gnosis stammt, hatte im Ringen um sein richtiges VerstÅndnis bereits vor NizÅa eine kirchliche Vorgeschichte144, so daß seine Verwendung in NizÅa nicht zur Hellenisierung, sondern zur Enthellenisierung des Christentums beitrug. Er diente im Kontext des biblisch fundierten Taufbekenntnisses dazu, der kosmologischen Logosspekulation der Arianer mit ihrer Verdrehung biblischer Aussagen zur Gottessohnschaft Jesu einen Riegel vorzuschieben. „Das Interesse der Konzilsaussage von Nikaia ist kein spekulatives, sondern in erster Linie ein soteriologisches.“145 Deshalb wurde auch das kosmologisch zu verstehende LogosprÅdikat des zugrundegelegten Bekenntnisses durch den soteriologisch orientierten Sohnestitel ersetzt.146 Von diesem Ansatzpunkt aus fÛgte man weitere Modifizierungen ein, die zum richtigen VerstÅndnis des Homousios beitragen und ausschließen, daß der Sohn dem Bereich des Gesch×pflichen oder Halbg×ttlichen bzw. Emanatorischen angeh×rt. Es wird eindeutig geklÅrt, was es heißt, daß der Sohn geboren bzw. eingeboren ist: „das heißt, aus dem Wesen (o™usı´a) des Vaters“. Gegen jegliche subordinatianistische Tendenzen formuliert man die VerstÅrkung „wahrer Gott aus wahrem Gott“, weshalb der Sohn „gezeugt, nicht geschaffen“ ist. Damit wird klar-

142 Vgl. zu diesen Annahmen, die keine letztgÛltige Entscheidung Ûber die Rolle des Bekenntnisses von Eusebius zulassen, J. N. D. Kelly: Glaubensbekenntnisse, S. 226–229; B. Lohse: Epochen, S. 59; W. A. Bienert: ošmoou´sioß, S. 166. 143 Vgl. H. G. Opitz (Hg.): Urkunden 22, 7. 144 Den Nachweis dafÛr erbringt W. A. Bienert: o š moou´sioß, S. 161 ff. 145 W. Kasper: Gott, S. 228. Vgl. J. N. D. Kelly: Glaubensbekenntnisse, S. 213. 146 Vgl. K. Beyschlag: Grundriß I, S. 247; F. Ricken: Homousios, S. 99.

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gestellt, daß der Sohn von Ewigkeit als wahrer Gott beim Vater ist, wodurch sowohl einem unklaren Origenismus als auch dem Arianismus gewehrt wurde. Entsprechend verwarf das Anathema die arianischen Aussagen, daß es eine Zeit gab, in der der Sohn nicht war, oder daß er aus dem Nichts geschaffen sei.147 Da in den Verwerfungen ušpo´stasiß und o™usı´a noch synonym gebraucht wurden, blieb schwer erkennbar, ob ošmoou´sioß numerisch (Wesenseinheit) oder generisch (Wesensgleichheit) zu verstehen ist. Doch hinsichtlich dieser Auseinandersetzung bemerkt Beyschlag nicht ohne Grund, daß „im Begriff der (unteilbaren) Gottheit beides zusammenfÅllt“148. In Absage an den philosophischen Gottesbegriff hÅlt das NizÅnum bewußt an dem biblischen Paradoxon der Einheit in Dreiheit fest149, was die vornizÅnische Geschichte des Homousios belegt150. Die zurÛckliegende Verurteilung des Homousios im Zusammenhang mit dem unitarisch orientierten Adoptianismus des Paul von Samosata in Antiochien (264/268) gibt zu erkennen, daß nicht die philosophischen Begriffe die Entwicklung der TrinitÅtslehre bestimmten. Vielmehr hing die Verwendung der Begriffe vom biblisch fundierten Kontext der Lehrentscheidungen und Bekenntnisse ab, durch den sie ihre Bedeutung erhielten.151 Wie das Homousios, das der tertullianischen una substantia nahe kam, nicht nur als Abgrenzung gegen tritheistische und subordinatianistische Tendenzen, sondern auch gegen modalistische Tendenzen dienen sollte, war den Origenisten in und nach NizÅa allerdings noch unklar. Denn die synonyme Verwendung von o™usı´a und ušpo´stasiß gab den Blick auf eine innertrinitarische Differenzierung beim Homousios kaum frei. So war mit NizÅa zugleich der Grundstein fÛr weitere Auseinandersetzungen um eine noch deutlichere Formulierung der TrinitÅtslehre gegeben. Zwar hatte man sich auf ein Bekenntnis gestÛtzt, das die ºberzeugungen des Ostens und des Westens in sich trug, und in dieses Bekenntnis PrÅzisierungen eingefÛgt, die

147 Vgl. zum Text des Bekenntnisses J. N. D. Kelly: Glaubensbekenntnisse, S. 215 f.; H. Denzinger/P. HÛnermann (Hg.): Enchiridion [im folgenden abgekÛrzt DH], Nr. 125–126. Vgl. zu den verschiedenen Zeugnissen der Bekenntnisbildung in Ost und West die Auflistung ×stlicher und westlicher Bekenntnisse ebd., Nr. 1–76. 148 K. Beyschlag: Grundriß I, S. 248. 149 Vgl. B. Lohse: Epochen, S. 62 f. 150 Nach W. A. Bienert: o š moou´sioß, S. 171 ff., spielte das Homousios bereits bei der unter Kallist erfolgten Lehrentscheidung gegen die modalistischen und polytheistischen Extreme eine Rolle und wurde in dieser Funktion auch in Alexandrien anerkannt, was der sog. Streit der beiden Dionyse belegt, in dem Dionysios von Alexandrien das Homousios in diesem Sinne Ûbernahm. „Was von Rom aus in Alexandrien und wahrscheinlich auch in Antiochien als rechtglÅubig anerkannt worden war [. . .], wurde schließlich in Nicaea – nun zum ersten Mal fÛr alle Christen verbindlich – festgehalten.“ (Ebd., S. 175) 151 Vgl. A. M. Ritter: Dogma, S. 134 f.

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ebenfalls auf ×stlicher und westlicher Tradition fußten, so daß das NizÅnum in seinen M×glichkeiten theologischer Abgrenzung dem im Westen aufkommenden Apostolikum entsprach. Aber die verbliebenen begrifflichen Unklarheiten er×ffneten den verschiedenen theologischen Gruppierungen neue M×glichkeiten unterschiedlicher Bezugnahme auf das Bekenntnis, zumal die Aufnahme metaphysischen Wesensdenkens und die nicht explizit erfolgten Hinweise auf die ×konomische TrinitÅt die Gefahr beinhalteten, unter Verabsolutierung der metaphysischen Aspekte spekulativ weiterzudenken.152 Das trug dazu bei, daß sich trotz der Verurteilung des Arianismus eine arianisch orientierte Opposition bildete, die das NizÅnum zu unterwandern versuchte. Als Konstantin das gewÅhren ließ, weil er die kirchliche Einigung aus politischen GrÛnden m×glichst auf alle Gruppierung auszudehnen versuchte, leistete Athanasius (295–373) als Nachfolger Alexanders von Alexandrien (seit 328) entschiedenen Widerstand. Sowohl gegen arianische und modalistische Tendenzen als auch gegen die von Konstantin favorisierte Mehrheitstheologie der origenistischen Mittelpartei wagte es Athanasius, „dem etablierten weltanschaulichen Konzept der Gegenseite trotzend, den Heilssinn der christlichen Offenbarung allein auf die biblische Basis zu grÛnden, ohne jede spekulative Hilfskonstruktion. [. . .] die Menschwerdung des Logos galt ihm nicht als Sinnbild des Emporstrebens der Kreatur zu Gott, sondern als die Erniedrigung Gottes zur Kreatur um der SÛnde willen“153. Die Inkarnation stand deshalb ebenso im Zentrum der athanasianischen Offenbarungstheologie wie die theologia crucis154, was zur Folge hatte, daß das philosophische Gottesbild des statischen und unverÅnderlichen g×ttlichen Ursprungs restlos durchbrochen wurde. So ersetzte Athanasius den Logosbegriff noch nachdrÛcklicher durch den Sohnestitel und faßte ihn entsprechend personal (Orat. c. Arian. III,28).155 Bei den biblischen Begriffen ansetzend zeigt Athanasius, daß der Vater als ewiger Vater nie ohne Sohn gewesen sein kann und umgekehrt (Orat. c. Arian. I,14 ff.; III,6). Diese Erkenntnis ÛbertrÅgt er auch auf den Heiligen Geist. „Wie der Vater nicht vom Sohn, so kann auch der Sohn nicht vom Vater getrennt werden; denn das Wort Vater deutet aus sich heraus auf Gemeinschaft (Koinonia). In beider HÅnde aber ist der Heilige Geist, der weder vom Senden-

152 Vgl. L. Scheffczyk: Formulierung, S. 176; A. Adam: Lehrbuch I, S. 223 f.; A. Ganoczy: Aspekte, S. 52. 153 K. Beyschlag: Grundriß I, S. 251. Daß es Athanasius nicht um spekulative Erschließung geht, wie es ihm in der Forschungsgeschichte oft unterstellt wurde, sondern um „Auslegung der biblischen Heilsbotschaft“, betont auch W. A. Bienert: Dogmengeschichte, S. 182. 154 Letzteres konnte M. Tetz: Wort, detailliert nachweisen. 155 Vgl. W. A. Bienert: Logos-Christologie; ders.: Aporien, S. 100; D. Ritschl: Athanasius, S. 14; F. Ricken: Rezeption, S. 347.

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den noch vom ºberbringer getrennt werden kann.“156 (De sent. Dion. 17) Mit seinen Briefen an Bischof Serapion von Thmuis leitet Athanasius die „letzte Stufe der Ausformung des trinitarischen Dogmas“ hinsichtlich der „Lehre von der Gottheit des Heiligen Geistes“157 ein, indem er gegenÛber den Pneumatomachen (GeistbekÅmpfer) mit ihrer Qualifizierung des Geistes als gesch×pfliche Kraft ausdrÛcklich auch die Homousie des Geistes betont (Ep. ad Serap. I,27). Die somit bestehende gleichursprÛngliche RelationalitÅt zwischen den trinitarischen Personen, die im folgenden noch deutlicher wird, entspricht den biblischen und soteriologischen Einsichten, die Athanasius im Duktus von NizÅa und der sich anschließenden Entwicklung Åußerte.158 Obwohl Athanasius wie die meisten ostkirchlichen Theologen die g×ttliche Monarchie mit der Monarchie des Vaters identifiziert, wendet er sich mit der konstitutiven RelationalitÅt zwischen Vater, Sohn und Heiligem Geist gegen das verbreitete VerstÅndnis, „wonach die Gottheit des Vaters ohne jede Bedingung feststeht, wÅhrend sie dem Sohn und dem Geist nur in abgeleiteter Weise zukommt“159. Indem er die Interdependenz der trinitarischen Personen mit der Betonung ihrer Wesenseinheit verbindet, deckt Athanasius auf, daß neben den Ursprungsbeziehungen, die zum Beispiel in der ewigen Zeugung des Sohnes bestehen, auch ewige Existenzbeziehungen wie das gegenseitige ineinander Ruhen der trinitarischen Personen fÛr deren Gottheit konstitutiv sind – und nicht nur fÛr deren EigentÛmlichkeit. Damit bereitet Athanasius sowohl die Gedanken Ûber die innertrinitarische Perichorese bei den Kappadoziern als auch die relationale TrinitÅtslehre Augustins vor, wodurch seine Bedeutung fÛr die ×stliche und die westliche Theologie erkennbar wird.160 Eine weitere BrÛcke zur westlichen Theologie bietet seine enge Anbindung der Pneumatologie an die Christologie: „Denn da das Wort im Vater ist, der Geist aber vom Worte verliehen wird, so will 156

PG 25,505. W. A. Bienert: Dogmengeschichte, S. 201, der in seiner dogmengeschichtlichen Konzeption ausdrÛcklich von der Ausformung des „pneumatologischen Dogmas“ spricht, das sich bei den Kappadoziern bzw. im Dogma von 381 ebenso vollendet wie das gesamte trinitarische Dogma. 158 Vgl. M. Tetz: Orthodoxie, S. 201. 159 W. Pannenberg: Theologie I, S. 350. 160 „Denn die heilige und selige TrinitÅt ist ungeteilt und in sich selbst geeint; und wenn der Vater genannt wird, so ist auch dessen Logos dabei; und der Geist im Sohne. Auch wenn der Sohn genannt wird, ist im Sohn der Vater, und der Geist ist nicht außerhalb des Logos.“ (Ep. ad Serap. I,14/PG 26,565 B) Vgl. G. Larentzakis: Einheit, S. 244, Anm. 1: „Wenn auch Athanasius den Terminus Perichorese nicht kennt, weist er doch auf die Sache hin.“ Vgl. W. Pannenberg: Theologie I, S. 309. Zur ×kumenischen Bedeutung des Athanasius vgl. auch M. Tetz: Athanasius/Einheit. – Zur vom Verfasser eingefÛhrten neuen terminologischen Unterscheidung zwischen „Ursprungs- und Existenzbeziehungen“ s. u., S. 134 f., und siehe Anm. 212, II. Kap., sowie Kap. VI,1.3. 157

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es, daß wir den Geist empfangen, damit auch wir, wenn wir mit seiner Aufnahme zugleich den Geist des im Vater wohnenden Wortes hÅtten, durch den Geist im Worte und durch dieses im Vater als Eins erscheinen.“161 (Orat. c. Arian. III,25) Der Geist, der aus dem Vater hervorgeht (e™kpo´reusiß) und vom Sohn gesandt wird, vergegenwÅrtigt die in Christus gewÅhrte Teilhabe an der Gemeinschaft Gottes. DarÛber hinaus erschließt sich Athanasius aus seinem biblisch-×konomischen Ansatz eine ewige Ausstrahlung des Geistes vom Sohn, was die konstitutive Bedeutung der ewigen Existenzbeziehungen unterstreicht. Mit ihrer Hilfe kann bereits Athanasius zeigen, daß der Geist durch den Sohn mit dem Vater wesenseins ist (Ep. ad Serap. III,1,33) und daß er neben der zum Vater bestehenden Ursprungsbeziehung (e™kpo´reusiß) auch von Vater und Sohn ausgeht (proi¨e´nai). „Man kann also sagen, daß Athanasius die Sendung des Geistes durch den Sohn zu den Kreaturen auf seiner ewigen Ausstrahlung durch den Sohn begrÛndet sieht“162, wobei es ihm gelingt, „eine genaue Unterscheidung zwischen den innerg×ttlichen HervorgÅngen und den außerg×ttlichen Selbstmitteilungen herauszuarbeiten“163. Das gilt ebenso fÛr seine Unterscheidung zwischen der Homousie des Logos und seiner Menschwerdung.164 Athanasius geht es bei diesen Ableitungen nicht um eine spekulative ErgrÛndung des Wesens Gottes, sondern um die RealitÅt der Erl×sung. WÅhrend den Menschen in Christus das Licht Gottes begegnet, vollzieht sich im Geist die Erleuchtung und Heiligung. Die in Christus er×ffnete Erl×sung zur Gottesgemeinschaft kann nur erfolgen, wenn Gott in seinem Sohn selbst zugegen ist. In gleicher Weise ist die VerlÅßlichkeit der im Sohn gegebenen Gotteserkenntnis von der Gottheit des Sohnes abhÅngig. Dieser soteriologische und revelatorische Anspruch gilt ebenso fÛr eine verlÅßliche Erleuchtung und Heiligung durch den Heiligen Geist, die gleichermaßen nur unter der Voraussetzung seiner Gottheit besteht.165 Doch es handelt sich hier weder um eine Benefizientheologie, die die Gotteslehre den BedÛrfnissen der Erl×sung unterwirft, noch um eine physische Erl×sungslehre, die das Ziel der „Vergottung“166 des Menschen als pharmakologisch-kosmologischen Prozeß g×ttlicher Verwandlung versteht. Denn Athanasius erkennt den Grund der Erl×sung im Wesen Gottes bzw. in seiner GÛte und die Grundlage der „Vergottung“ (Theosis) in der Teilhabe an der Gemeinschaft Gottes, die durch den Heiligen Geist gewÅhrt wird (Orat. c. Arian.

PG 26,376. D. Staniloae: Ausgang, S. 158. Vgl. Orat. c. Arian. II,32; III,17–25; Ep. ad Serap. I,27. 163 G. G. Blum: Oikonomia, S. 284. Vgl. ºberlieferung, S. 319. 164 Vgl. D. Ritschl: Athanasius, S. 39. 165 Vgl. A. M. Ritter: Dogma, S. 182 f.; W.-D. Hauschild: Geist, S. 284 f. 166 „Denn er [sc. der Logos] wurde Mensch, damit wir vergottet wÛrden [heopoivhw ˜ men].“ (De inc. 54,3) 161 162

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III,25).167 Gott bleibt das in sich lebendige und pers×nliche GegenÛber der Menschen, das aufgrund seiner Liebe durch den Sohn im Heiligen Geist die Gemeinschaft mit den Menschen „pro nobis“ neu er×ffnet, um die von ihm unterschiedenen Gesch×pfe durch Kreuz, Auferstehung und Heiligung aus ihrer SÛnde zu erl×sen (Orat. c. Arian. III). Nachdem sich die Menschen von Gott abgewandt hatten, blieb die religi×se Ahnung des Menschen durchaus bestehen, wurde aber in selbstspekulative und vereinnahmende Gottesbilder pervertiert (De Incarn.).168 Der dreieinige Gott wirkt in der gesamten Heilsgeschichte, um den Menschen mit der Gotteserkenntnis das Heil in seiner Gemeinschaft zu gewÅhren. FÛr Athanasius lÅßt sich Gotteserkenntnis nicht von der Teilhabe an der innerg×ttlichen Gemeinschaft trennen, weil sich das personale Geheimnis Gottes nur durch Selbsterschließung offenbaren kann. Dem entspricht der Glaube als personale SelbstÛbereignung, so daß der Gottesdienst zum eigentlichen Ort der Theologie wird. Der Gottesbegriff lÅßt sich also nicht von der Metaphysik vorgeben, sondern die Erkenntnis der immanenten TrinitÅt bleibt von der biblisch bezeugten Heils×konomie abhÅngig, in der sich Gott als das vollkommene Leben der Liebe zu erkennen gibt, zu dem die Freiheit konstitutiv hinzugeh×rt. Entsprechend unterscheidet Athanasius zwischen Homousie des Logos (immanente TrinitÅt) und seiner Menschwerdung (×konomische TrinitÅt). Gott offenbart sich als personales Geheimnis und erschließt mit dem Angebot seiner Heilsgemeinschaft zugleich das Geheimnis des menschlichen Heils und der menschlichen Existenz. Die religi×se Ahnung des Menschen kommt also erst in der heils×konomischen Selbsterschließung des trinitarischen Gottes zum Ziel.169 In welchem VerhÅltnis die Gotteserkenntnis zur Selbsterkenntnis des Menschen steht und welche ekklesiologischen und ethischen Konsequenzen sich daraus ergeben, kommt in der Auslegung von Joh 17,21 zum Ausdruck. In ihr er×rtert Athanasius, daß die Partikel „wie“ („du Vater, in mir [. . .]“) auf den Gleichnischarakter hinweist, der zwischen dem innerg×ttlichen Einssein und dem daraus abgeleiteten Einssein der Menschen besteht, da die Menschen im Unterschied zu Gott verschiedene Wesen sind, die nur durch die Gesinnung und die Eintracht des Geistes eine analoge Einheit darzustellen verm×gen (Orat. c. Arian. III,17–25). Es handelt sich also nicht um eine physische Erl×sungslehre, sondern um die Entsprechung zwischen g×ttlichem und menschlichem Leben, die nach Athanasius durch Nachahmung

167 Zur Widerlegung der oft gegen Athanasius erhobenen VorwÛrfe vgl. D. Ritschl: Athanasius; M. Tetz: Athanasius; F. Ricken: Rezeption. 168 Vgl. D. Ritschl: Athanasius, S. 20 ff.; W. Kasper: Gott, S. 136. 169 Vgl. G. Larentzakis: Einheit, S. 154 ff.; D. Ritschl: Athanasius, S. 36 ff.; I. D. Zizioulas: Wahrheit, S. 15 f.; D. Staniloae: Dogmatik I, S. 136; W. Kasper: Gott, S. 165 ff.; J. Werbick: TrinitÅtslehre, S. 516 f.; J. Moltmann: TrinitÅt, S. 25.

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(Imitatio Dei)170 in der Kraft des Heiligen Geistes erfolgt. Weil die Menschen durch den Sohn im Heiligen Geist auf diese Weise an der Gemeinschaft der innerg×ttlichen Liebe teilhaben, erfolgen Ekklesiologie und Ethik automatisch aus der Gotteslehre.171 So sollen die Christen barmherzig sein wie Gott und durch den Heiligen Geist im Leib Christi eins sein wie der Vater mit dem Sohn (Orat. c. Arian. III,19–25). Durch die enge Verbindung von Christologie und Pneumatologie verhindert Athanasius nicht nur eine einseitige christologische Orientierung, die sakramentalen oder klerikalen Institutionalismus zur Folge haben kann, sondern er beugt auch einer individualistisch-spirituellen oder ekklesiologischen Verabsolutierung des Heiligen Geistes vor. Entsprechend weist Athanasius auf das Zusammenspiel zwischen AmtstrÅgern und Kirchenvolk sowie auf die Bedeutung der Gemeinschaft der Heiligen hin. Konzile, die sich aus Bisch×fen, Theologen und Laien zusammensetzen und vom Kirchenvolk zu rezipieren sind, sollen nach Athanasius nicht von staatlichem bzw. außerkirchlichem Einfluß geprÅgt werden.172 Die innerg×ttliche Gemeinschaft (Koinonia) gilt mit ihrer Einheit in Vielfalt als Vorbild (Typos) der menschlichen Koinonia bzw. der Kirche. Aus der vertikalen Koinonia mit der innerg×ttlichen Koinonia ergibt sich die horizontale ekklesiologische Koinonia, die nur angemessen ist, wenn an der trinitarischen Koinonia umfassend festgehalten wird: „[. . .] wer aus der TrinitÅt etwas wegnimmt [. . .], empfÅngt nichts, sondern [. . .] bleibt unvollendet“173 (Ep. ad Serap. I,30). Bei der Entwicklung seiner TrinitÅtslehre hat Athanasius stets am Schnittpunkt zwischen ×stlicher und westlicher Theologie gestanden, was sich nicht zuletzt aus den kirchenpolitischen Wirren des 4. Jahrhunderts ergab.174 Es kann hier nur erwÅhnt werden, daß sich die Exilszeiten in Trier (335–337) und Rom (339–346), die sich aus dem Widerstand des Athanasius gegen die – auf Åußeren Kompromiß bedachte – Befriedungspolitik Konstantins und seines semiarianischen Sohnes Konstantius (Osten) ergaben, auf die Gestalt seiner Theologie ausgewirkt haben. So bemerkte Athanasius unter westlichem Einfluß im Kampf gegen den Arianismus, daß der von ihm zunÅchst mit Skepsis betrachtete nicht-biblische Begriff ošmoou´sioß wie die lateinische Formel una substantia dazu dient, die Wesens-

170 Zum Imitatio-Gedanken, mit dem Athanasius den Wesensunterschied zwischen Gott und Mensch hervorhebt, vgl. M. Tetz: Athanasius/Vita, S. 15 ff., und ders.: Biographie, S. 329 ff., wo nachgewiesen ist, daß Athanasius den Gedanken der Imitatio sanctorum dem Imitatio DeiGedanken vorzieht, um den Wesensabstand zwischen Gott und Mensch noch deutlicher werden zu lassen. 171 Vgl. D. Ritschl: Athanasius, S. 67 ff.; P.-T. Camelot: Lehre, S. 34 f.; G. Larentzakis: Einheit, S. 240 ff.; ders.: Kraft, S. 66 f.; D. Staniloae: Dogmatik II, S. 200. 172 Vgl. J. B. Bauer: Rezeption, S. 46 f. 173 PG 26,597 C. 174 Zur Interdependenz von spiritueller, theologischer und kirchenpolitischer Bedeutung des Athanasius vgl. M. Tetz: Biographie; ders.: Art. „Athanasius“.

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einheit von Vater und Sohn der Sache nach gegen subordinatianistische Tendenzen abzugrenzen. Weil es ihm stets um die Sache ging und nicht um Differenzen im Wortlaut, wurde Athanasius zunehmend zum Verfechter der nizÅnischen Formel und zur Symbolfigur der Verbindung zwischen abendlÅndischer Theologie und rechtsorigenistischen morgenlÅndischen NizÅnern.175 Die westliche Betonung der Einheit Gottes fand sich aber auch bei anderen ×stlichen Theologen, am pointiertesten bei Marcell von Ankyra (ca. 280–374). Weil dieser jedoch die immanente Dreiheit aufgrund mangelnder Differenzierung zwischen immanenter und ×konomischer TrinitÅt vernachlÅssigte, wurde er immer wieder eines modalistischen Neosabellianismus verdÅchtigt.176 Im Kontext des Machtkampfes zwischen Westkaiser Konstans und Ostkaiser Konstantius offenbarte sich auf der Reichssynode von Serdika (342/3) der Zwiespalt zwischen der abendlÅndischrechtsorigenistisch orientierten Gruppe und den Mittelorigenisten des Morgenlandes (Eusebianer). Daß man getrennt tagte und sich gegenseitig verurteilte, lag nicht zuletzt an sprachlichen MißverstÅndnissen zwischen Ost und West. Da ušpo´stasiß im Westen oft mit substantia Ûbersetzt wurde, unterstellte die westliche Synode in Zusammenarbeit mit Athanasius und Marcell der mittelorigenistischen Drei-HypostasenLehre tritheistische und arianische Tendenzen, denen man die Lehre von nur einer g×ttlichen Hypostase (= una substantia) entgegenstellte. Umgekehrt verdÅchtigte die ×stliche Synode die westliche Unterscheidung una substantia – tres personae des Sabellianismus, insofern als man persona mit pro´swpon (Maske) Ûbersetzte.177 Dieser scheinbare Gegensatz wurde zusehends differenzierter gesehen und begann sich aufzul×sen, als Konstantius seit 350 als Alleinherrscher versuchte, die Glaubenseinheit unter Abl×sung des NizÅnums zu erzwingen und so die nizÅnische Orthodoxie auszuschalten. Dadurch konnte sich ein radikaler Neoarianismus emanzipieren, mit dem die Anhom×er (Atius, Eunomius) Vater und Sohn fÛr „unÅhnlich“ (a™no¾moioß) erklÅrten und ihre Wesenseinheit leugneten. Denn sie bezeichneten die „Vaterschaft“ lediglich als Energie, von der im RÛckschlußverfahren rational auf das transzendental-abstrakte Wesen Gottes zu schließen sei. Der Sohn galt nur noch als WillensÅußerung des g×ttlichen Wesens, und die Gottheit des Heiligen Geistes wurde in gleicher Weise bestritten. Dagegen wandten sich nicht nur die altnizÅnischen Homousianer (Athanasius, Apollinaris) mit ihrer Betonung der Wesenseinheit (ošmoou´sioß), sondern auch der rechte FlÛgel der aus der origenistischen Mittelpartei hervorgegangenen Hom×usianer (Basilius von Ankyra, Eustathius von Sebaste), die von der Wesensgleichheit (ošmoiou´sioß) ausgingen. Sie distanzierten sich sowohl vom subordinatianistischen Neoarianismus als auch von modalistischen Gefahren einer undifferenzierten Betonung der Wesenseinheit (Marcell). Der Kaiser versuchte mit seinen Hofbisch×fen (Valens, Ursacius) die Auseinandersetzung dadurch zu been175 „Das o š moou´sioß markiert fÛr Athanasius vor allem jene Grenze, die dem menschlichen Verstand gegenÛber dem Wesen Gottes gesetzt ist, und bewahrt – obwohl es nicht biblisch ist – den biblischen Heilsglauben vor menschlichem Zugriff.“ (W. A. Bienert: Logos-Christologie, S. 418) Andererseits dÛrfen nach Athanasius diejenigen, die von der Sache her richtig denken und sich nur am Begriff Homousios stoßen, „nicht als Feinde behandelt werden“ (De Syn. 41,1). Vgl. G. Larentzakis: Einheit, S. 255 ff.; A. M. Ritter: Dogma, S. 181. 176 Vgl. K. Beyschlag: Grundriß I, S. 256 f.; A. M. Ritter: Dogma, S. 157 ff. u. 171 ff. 177 Vgl. C. Markschies: Ambrosius, S. 14 ff.; A. M. Ritter: Dogma, S. 174 ff.

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den, daß der Begriff o™usı´a und somit die dogmatische Wesenserkenntnis Christi ausgeblendet wurden und man die Rede von der Homousie und der Hom×usie ebenso verbot wie den Begriff der substantia. Man ließ nur noch ein o¹moioß kata` ta`ß grafa´ß („gleich nach der Schrift“) zu (Hom×er) und l×ste das NizÅnum durch ein entsprechendes Reichsdogma ab (Seleukia/Arminium/Konstantinopel 359). Dieses sollte unter Ausblendung der Wesenserkenntnis Christi binitarisch-monotheistisch die Gemeinsamkeit auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner durchsetzen, der das NizÅnum ebenso ausschloß wie die origenistische Hypostasenlehre und ontologische Aussagen Ûber Gott.

„DemgegenÛber hat Athanasius es der Kirche aller Zeiten ins Gewissen gebrannt, daß die kirchliche Einheit mit der Wahrheitsfrage des Glaubens steht und fÅllt. Nicht die Einheit der Kirche verbÛrgte ihm die Wahrheit des Glaubens, sondern allein diese Wahrheit die Einheit der Kirche.“178 WÅhrend die Anhom×er diese in der Selbstaussage Gottes liegende Wahrheit durch den deduktiv konstruierten Gottesbegriff ihres rationalen RÛckschlußverfahrens verfehlten, blockierten die Hom×er die Wahrheitserkenntnis durch ihre Leugnung der Wesenserkenntnis Gottes, indem sie die in der ×konomischen TrinitÅt gegebenen Hinweise auf Gottes Wesen nicht wahrnahmen. Beiden AnsÅtzen gegenÛber verband Athanasius Wesen und Wirken Gottes179 durch die Zuordnung von ×konomischer und immanenter TrinitÅt und zeigte so den Zugang zur Wahrheit Gottes, an der der kaiserlichen Friedenspolitik nicht viel lag. Die hom×ische Religionspolitik verursachte eine noch stÅrkere Anlehnung der großen rechtshom×usianischen Gruppe an die altnizÅnischen Homousianer um Athanasius, dem es 362 in der Episode der Religionsfreiheit unter Julian mit einer Friedenssynode in Alexandrien gelang, die Denkweisen beider Gruppierungen zu vermitteln (Tomus ad Antiochenos). Das geschah auf der Grundlage des NizÅnums, das als Glaubensnorm anerkannt wurde, welche man von der Sache her exklusiv, hinsichtlich der verschiedenen Formulierungen aber inklusiv verstand. So kam es zur Vermittlung zwischen der Ein- und Drei-Hypostasen-Lehre. Die Ein-Hypostasen-Lehre der Homousianer (Eustathianer) grenzte man gegen den Verdacht des Sabellianismus ab, indem man die Dreiheit als „wirklich seiend“ betonte, wÅhrend man die Drei-Hypostasen-Lehre der Hom×usianer (Meletianer) vor tritheistischen und arianischen Tendenzen bewahrte, indem man feststellte, daß die drei Hypostasen nicht „als einander wesensverschieden“ zu gelten haben. Damit war die Interpretation des Homousios sowohl durch die Ein- als auch durch die Drei-Hypostasen-Lehre m×glich. Weil das Protokoll jedoch 178 K. Beyschlag: Grundriß I, S. 252. Vgl. insgesamt ebd., S. 257 ff.; A. M. Ritter: Dogma, S. 176–178 u. 186 ff.; W.-D. Hauschild: Lehrbuch I, S. 36 ff.; V. H. Drecoll: Entwicklung, S. 1–20. Zur aktuellen Tragweite dieser Einsicht vgl. U. KÛhn: Kirche, S. 208 ff. 179 Vgl. G. Larentzakis: Einheit, S. 155 ff.

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statt von der einen Hypostase von dem einen Wesen (mı´a ou™sı´a) sprach und die Rede von den drei Hypostasen beibehielt, kann im Tomus ad Antiochenos bereits die Vorbereitung der kappadozischen Formel mı´a ou™sı´a – treı˜ß ušposta´seiß erkannt werden. Mit der Aufrechterhaltung des biblischen Paradoxons von Einheit und Dreiheit und den entsprechenden Abgrenzungen gegen modalistisch-sabellianistische und subordinatianistisch-arianische Tendenzen verband man das explizite Bekenntnis zur Gottheit des Heiligen Geistes und die Verwerfung der Pneumatomachen, die den Geist lediglich als Kraft oder Gesch×pf einstuften.180 Indem man so festhielt, „daß die Lehre von der Gottheit des Heiligen Geistes notwendiger und unaufgebbarer Bestandteil der nicÅnischen Orthodoxie sei“, konnte man die Freiheit des g×ttlichen Heilshandelns gewÅhrleisten, weil sich der Geist in seiner „Freiheit und SouverÅnitÅt“181 nicht an Asketen, M×nche oder AmtstrÅger binden ließ und trotz seiner NÅhe (Gabe) g×ttliches GegenÛber (Geber) blieb. Nicht zuletzt konnte man auch im beginnenden christologischen Streit mit Tom. 7 unter RÛckgriff auf die dritte Arianerrede (Kap. 30–33) des Athanasius zwischen der „Wort-Mensch“-Christologie (Logos-Anthropos) der Eustathianer und der „Wort-Fleisch“-Christologie (Logos-Sarx) der Apollinaristen vermitteln. Athanasius hatte die Begriffe der Mensch- und Fleischwerdung synonym gebraucht und sowohl gegen den valentinianischen Doketismus (Scheinleib) als auch gegen den Photinianismus (Jesus als inspirierter Mensch) gezeigt, daß Jesu Gottheit und Menschheit ebenfalls gleichzeitig zu bekennen sind. Dieses biblische Paradoxon wird nach der athanasianischen Theologie durch das Wort vom Kreuz erschlossen, das gegen den philosophischen Gottesbegriff (I Kor 1,23) den Widerspruch zwischen metaphysischer UnverÅnderlichkeit und geschichtlicher Bindung Gottes aufhebt, weil sich der transzendente Gott in der Zuwendung des Kreuzes leidensfÅhig macht.182 Das Zusammenspiel von GegenÛber und NÅhe Gottes bleibt gewahrt und verhindert auf diese Weise modalistische und subordinatianistische Anschauungen. Die ZusammenfÛhrung von Homousianern und Hom×usianern diente auch dem Zusammenhalt von Ost und West, was die EinschÅtzung des in den Osten verbannten Hilarius von Poitiers (ca. 315–367/8) belegt, der „die

180 Die Auseinandersetzung mit den Pneumatomachen hatte Athanasius bereits in seinen Briefen an Serapion gefÛhrt, und zwar als „‚authentische‘ FortfÛhrung der Linie“ von NizÅa und Serdika (M. Tetz: Orthodoxie, S. 201). Vgl. zum Tomus ad Antiochenos insgesamt ebd., S. 194 ff.; V. H. Drecoll: Entwicklung, S. 18 f.; G. Larentzakis: Einheit, S. 267 ff.; C. Markschies: „. . .et tamen non tres Dii“, S. 174 ff. 181 W. A. Bienert: Dogmengeschichte, S. 201 u. 205. Vgl. ebd., S. 186 ff. u. 200 ff. 182 Vgl. M. Tetz: Wort; D. Ritschl: Athanasius, S. 66 f.; F. Ricken: Rezeption, S. 348 f.; M. L×hrer [u. a.] (Hg.): Mysterium, S. 271; A. Grillmeier: Jesus, S. 472 ff.

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ºbereinstimmung der Auffassungen als im wesentlichen erreicht ansah“183. So erhÅlt der Tomus ad Antiochenos weitreichendes ×kumenisches Gewicht, denn er „formuliert den theologischen Rahmen neunizÅnischer Theologie, innerhalb derer sich die kappadozische TrinitÅtstheologie entfaltet, aber auch die lateinischer Theologen wie beispielsweise Ambrosius oder Augustinus“184. Šhnlichkeit mit der entstehenden kappadozischen Formel mı´a ou™sı´a – treı˜ß ušrosta´seiß weist auch die TrinitÅtslehre des AbendlÅnders Marius Victorinus (gest. nach 363) auf: de una substantia, tres subsistentias esse. Auf der Grundlage der Bibel und in Anlehnung an die ×stliche Theologie integrierte er die Philosophie und wurde wie Hilarius zum Wegbereiter einer lateinischen Rezeption des NeunizÅnismus, welcher in der Theologie der drei Kappadozier Gestalt annahm.185

3. Die aus der neunizÅnischen Vollendung der biblisch-×konomischen TrinitÅtslehre abzuleitenden neuen Differenzierungen und VerhÅltnisbestimmungen Die VÅter der neunizÅnischen TrinitÅtslehre, die drei großen Kappadozier (Basilius von Caesarea/ca. 330–378, Gregor von Nazianz/ca. 325–390, Gregor von Nyssa/ca. 331–395), stellten eine noch differenziertere Verbindung von Denken und Glauben her. Denn das Christentum hatte seine IdentitÅt in der zweiten HÅlfte des 4. Jahrhunderts angesichts der zunehmend christlich orientierten Gesellschaft nÅher zu bestimmen. Auf der Grundlage der Bibel, der mystisch-monastischen Fr×mmigkeit, der Wissenschaft und des allgemeinen Eingebundenseins in die gottesdienstlich-liturgische Tradition (Taufbefehl, Bekenntnis, Doxologie) bestÅtigte sich fÛr die Kappadozier der pneumatologisch qualifizierte Erkenntnisweg vom Geist durch den Sohn zum Vater, und zwar durch die Anwesenheit des Geistes im Getauften (Basilius: Epist. 38,4). Nach Basilius bedarf die eingeschrÅnkte menschliche Erkenntnism×glichkeit des vom Heiligen Geist vermittelten biblischen Zeugnisses, das die Erkenntnis des trinitarischen Gottes er×ffnet.186 Diese Erkenntnis vollzieht sich auch fÛr die Kappadozier weder auf der Ebene des neoarianisch-rationalistischen RÛckschlußverfahrens noch im Bereich hom×ischer Ausblendung ontologischer Gotteserkenntnis, sondern durch die 183 A. M. Ritter: Dogma, S. 190. Vgl. ebd., S. 216 f. Wie die ×stlichen Theologen betonte Hilarius die drei Hypostasen und den Ausgang des Heiligen Geistes vom Vater. (Vgl. C. Markschies: Ambrosius, S. 21 f.; J.-M. Garrigues: Standpunkt, S. 126.) 184 C. Markschies: „. . .et tamen non tres Dii“, S. 176. 185 Vgl. ders.: Ambrosius, S. 18 ff.; V. H. Drecoll: Entwicklung, S. 19 f. 186 Vgl. V. H. Drecoll: Entwicklung, S. 75 u. 335; A. M. Ritter: Dogma, S. 194 f. u. 203; G. Kretschmar: Geist, S. 94 ff.; B. Oberdorfer: Filioque, S. 75 ff.

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existentielle Teilhabe an der lebendigen Koinonia Gottes, die sich in ihrer ×konomischen Selbstaussage als personales GegenÛber der Menschen erschließt. Als solches ist Gott weder aus der Welt ableitbar bzw. deduktiv begreiflich noch ist er v×llig unzugÅnglich oder unbegreiflich. Er gibt sich vielmehr als personales Geheimnis zu erkennen. Das unterstrich Gregor von Nyssa, indem er die „Unendlichkeit“ als Wesenseigenschaft Gottes hervorhob und die von Origenes als Wesenseigenschaft betrachtete „Ungezeugtheit“ in den Bereich der innertrinitarischen Eigenschaften des Vaters verwies. Damit schloß er den Subordinatianismus aus, der darauf beruhte, daß sich das Gezeugte als vom Absoluten abgeleitet und damit als untergeordnet darstellt. Zugleich zeigte er mit Gottes Unendlichkeit die freie Seinsmacht Gottes an, die sich von menschlicher Erkenntnis nicht mit philosophischen PrÅmissen wie zum Beispiel der „Einfachheit“ belegen lÅßt, so daß die nÅhere Qualifizierung der g×ttlichen Unendlichkeit der g×ttlichen Selbsterschließung bedarf. Deshalb kann ein in sich lebendiges g×ttliches Leben und dessen °ffnung auf die Sch×pfung hin durchaus dem Gottesbegriff entsprechen. Auf diese Weise werden auch Axiome wie das Apathieaxiom hinfÅllig.187 Die Metaphysik wird also in die hermeneutisch maßgebliche Heilsgeschichte integriert bzw. ihr untergeordnet. Bei der Selbsterschließung des trinitarischen Gottes lassen seine heilsgeschichtlichen Wirkungen und WirkkrÅfte (Energien) auf seine hypostatische Gegenwart schließen, weil er als frei Handelnder „personal“ gegenwÅrtig ist und sich in seinem Handeln entspricht. Daher vollzog Gregor von Nazianz die Identifizierung des Hypostasen- und Prosoponbegriffs, um letzteren vor modalistischer Inanspruchnahme zu schÛtzen und zu zeigen, daß Gott in den heilsgeschichtlichen Offenbarungsweisen selbst bzw. hypostatisch und damit seinem Wesen entsprechend erscheint (Oratio 39,11). Vor diesem Hintergrund spricht Gregor von der Entsprechung zwischen den subsistierenden Beziehungen in der TrinitÅt und ihren energetischen Erscheinungen188, denn 187 „Durch die EntÅußerung in die Geschichte hat sich der in sich unverÅnderliche, allwissende und leidensunfÅhige Gott zugleich geschichtlich bestimmbar und leidensfÅhig gemacht.“ (M. L×hrer [u. a.] [Hg.]: Mysterium, S. 271) A. M. Ritter: Dogma, S. 206, bescheinigt der kappadozischen Theologie, „daß sie bis zu den Elementen des Gottesgedankens der antiken Metaphysik vorzustoßen und diese im kritischen Licht biblischen Gottesglaubens umzuschmelzen wagte. Schloß doch fÛr Gregor die Unendlichkeit Gottes offenbar die freie Seinsmacht dessen in sich, der als pers×nliches Wesen den Willen und die Freiheit der Offenbarung hat.“ 188 Der Beleg aus dem 5. Theologischen Diskurs Gregors (9,1–7) findet sich bei J.-M. Garrigues: Standpunkt, S. 132. Z. B. weist auch G. G. Blum: Oikonomia, S. 290, auf diese Entsprechung hin. Die positive Anbindung der Energienlehre an das hypostatische Sein Gottes und den darin bestehenden Unterschied zur spÅter von Palamas begrÛndeten Energienlehre erkennt A. de Halleux: Konsensus, S. 69 – wie viele andere Ausleger – nicht. Vgl. auch F. Lilienfeld: Rezension, S. 198 ff., wo dieses Problem, das auf mangelnder gegenseitiger Kenntnisnahme zwischen ×stlicher und westlicher Theologie beruht, in Auseinandersetzung mit D. Wendebourg er×rtert wird (vgl. D. Wendebourg: Geist). Vgl. insgesamt J. Werbick: TrinitÅtslehre, S. 498; K.

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„weit davon entfernt, diese beiden Begriffe in einen Gegensatz zu bringen, wie es die mittelalterlichen Theologen tun wollten, wenn sie von subsistierenden Beziehungen und energetischer Erscheinung sprachen, betrachtet Gregor sie als eindeutige Entsprechungen“189. Bei den Kappadoziern lassen die heilsgeschichtlich erfahrbaren g×ttlichen Energien also noch RÛckschlÛsse auf das hypostatische Sein Gottes zu. Ihre Energienlehre unterscheidet sich demnach von der spÅteren palamitischen Energienlehre190 der orthodoxen Theologie, welche durch die grundsÅtzliche Trennung von Energie und hypostatisch-wesenhafter Existenz Gottes die ×konomisch-hypostatische Dimension ausblendete und den Erkenntnisweg von den Energien zum hypostatischen Sein Gottes ausschloß. Um den darin begrÛndeten Dissens zwischen ×stlicher und westlicher TrinitÅtslehre191 Ûberwinden zu k×nnen, soll hier eine Differenzierung eingefÛhrt – und im Verlauf der Untersuchung vertieft – werden, die westlicher Theologie einen Zugang zur Energienlehre er×ffnet und ×stliche Theologie an den ×konomischen Erkenntnisweg erinnert: Die altkirchliche kappadozische Energienlehre wird als ×konomische Energienlehre bezeichnet, die RÛckschlÛsse von den heils×konomisch erfahrbaren Energien auf das hypostatische Sein Gottes erlaubt, wÅhrend die spÅtere palamitische Energienlehre als spekulative Energienlehre definiert wird, die keinen verlÅßlichen RÛckschluß auf das hypostatische Sein Gottes erm×glicht und somit nur einen spekulativen Zusammenhang zwischen Energie und Wesen Gottes herstellt. DarÛber hinaus bietet sich eine weitere begriffliche Unterscheidung an, die sich auf das athanasianische und kappadozische OffenbarungsverstÅndnis berufen kann. Gregor von Nazianz l×st die Alternative zwischen natÛrlicher und ÛbernatÛrlicher Offenbarung auf, indem er die natÛrliche bzw. ableitbare rationale Erkenntnis (kataphatisch) mit der ÛbernatÛrlich orientierten Erkenntnis vermittelt, die das g×ttliche Geheimnis nicht zu umschreiben vermag (apophatisch). Die Vermittlung geschieht durch die dritte Dimension der existentiellen Erkenntnis (Erfahrung), in der sich kataphatische und apophatische Dimension verbinden (Oratio 28 ff.). Wie in der paulinischen Theologie (R×m 1,18–20; 2,14 f.) existiert eine natÛrliche Gotteserkenntnis, die auf Gottes Existenz hinweist. Doch wer Gott wirklich ist, kann der Mensch nur erfahren, wenn er sich der heilsgeschichtlichen Selbsterschließung Gottes ×ffnet, in der auch die natÛrliche Welt erst in ihrem wahren

Beyschlag: Grundriß I, S. 266 ff.; W. Pannenberg: Aufnahme, S. 337 ff. – Zur philosophischen Bedeutung der Zusammenschau von Hypostase und Prosopon s. u., S. 131 f. 189 J.-M. Garrigues: Standpunkt, S. 132. Vgl. J. Werbick: TrinitÅtslehre, S. 498, und K. Beyschlag: Grundriß I, S. 266 ff. – B. Oberdorfer: Filioque, S. 96, sieht diese Entsprechung nicht so deutlich. 190 S. u., S. 166 ff. 191 Vgl. H. Aldenhoven: Unterscheidung; D. Wendebourg: Person; L. Vischer (Hg.): Geist.

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Licht erscheint. Die natÛrlich-rationale Erkenntnis bedarf also der apophatischen Offenbarungserkenntnis, die wiederum die rationale Erkenntnis nicht ausschließt, sondern zu integrieren vermag. Das apophatische Moment beinhaltet nÅmlich nicht die Unerkennbarkeit eines in sich selbst verschlossenen Gottes, sondern es erinnert an die transzendente, personale und somit freie Wirklichkeit Gottes, die nur in der empfangenden Begegnung bzw. in der Vereinigung mit Gott erfahrbar wird, so daß man von einer Koinonia-Erkenntnis192 zu sprechen vermag (koinoneo = teilnehmen). Es gibt also weder eine abstrakte natÛrliche Gotteserkenntnis noch eine abgehobene ÛbernatÛrliche Gotteserkenntnis, sondern die alles umfassende Erkenntnis, die man erhÅlt, wenn man den Gottesbegriff bzw. Gott als Gott ernst nimmt193 und sich dem transzendenten Gott ×ffnet, der sich in der Heilsgeschichte – und damit unter den Bedingungen der Welt – als offenbares und personales Geheimnis der Liebe erschließt: „[. . .] in der Liebe eingewurzelt und gegrÛndet [. . .] k×nnt ihr mit allen Heiligen begreifen, welches die Breite und die LÅnge und die H×he und die Tiefe ist, auch die Liebe Christi erkennen, die alle Erkenntnis Ûbertrifft, damit ihr erfÛllt werdet mit der ganzen GottesfÛlle“ (Eph 3,17–19). „Die Weisheit, die so verstanden wird, kann keinen anderen Grund haben als den, der in der vollkommenen innertrinitarischen Gemeinschaft besteht.“194 Vor diesem Hintergrund vermag Gregor von Nazianz den Wahrheitsanspruch des Christentums gegenÛber anderen Religionen hervorzuheben. Zugleich wird deutlich, „daß die AbhÅngigkeit der Wahrheit der Sch×pfung von der Wahrheit des g×ttlichen Seins nicht ein bloßes natÛrliches oder ontologisches KausalverhÅltnis ist, sondern ein Akt der Liebe“195. Weil demnach die natÛrliche Gotteserkenntnis lediglich eine Ahnung von Gott vermitteln kann, die erst in der alle Erkenntnis umfassenden Selbsterschließung Gottes zum Ziel kommt, sollten die Ûblichen Begriffspaare „natÛrliche – ÛbernatÛrliche Gotteserkenntnis“ bzw. „natÛrliche Theologie – Offenbarungstheologie“ durch das zutreffendere Begriffspaar „Ahnung – Offenbarung“ ersetzt werden, das der Verabsolutierung von nur einer Seite des Begriffspaares vorbeugt und die angemessene Interdependenz beider

192 Dieser Begriff wird hier vom Verfasser eingefÛhrt, um damit die angemessene empfangende Hermeneutik zu kennzeichnen (s. o., S. 106 f./Tertullian, und s. u., bes. S. 180 f./Luther u. S. 270, 304, und siehe Kap. VI,1.1). Zur ebenfalls eingefÛhrten Unterscheidung von ×konomischer und spekulativer Energienlehre siehe Kap. VI,1.2. 193 „Glauben bedeutet, Gott als Gott restlos ernst nehmen“ (W. Kasper: Gott, S. 158). 194 D. Staniloae: Dogmatik I, S. 226. Vgl. insgesamt ebd., S. 111–136. 195 I. D. Zizioulas: Wahrheit, S. 24. Erkennen hieß bei den KirchenvÅtern: „Durch Erkennen nimmt man teil am Leben des anderen.“ (J. Moltmann: TrinitÅt, S. 25) Vgl. W. Kasper: Gott, S. 136 f., der als Beispiele einige KirchenvÅter anfÛhrt. – Die Kappadozier berÛcksichtigen auch die Verkehrung natÛrlicher Voraussetzungen (R×m 1,21 ff.).

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Pole gewÅhrleistet.196 Zugleich wird die in dieser Untersuchung vorgenommene PrÅzisierung der Ausrichtung an der ×konomischen TrinitÅt durch den biblisch-×konomischen Ansatz197 in ihrer Berechtigung bestÅtigt, weil sich das differenzierte VerhÅltnis von ×konomischer und immanenter TrinitÅt letztgÛltig nur durch die in der Schrift bezeugte Offenbarung erkennen lÅßt. Im Kontext einer solchen biblisch-×konomischen Hermeneutik, die zur angemessenen Umwandlung und Integration natÛrlich-metaphysischen Denkens fÛhrt, vollzog Basilius die PrÅzisierung der athanasianisch-altnizÅnischen TrinitÅtslehre, wobei er sich – wie Gregor von Nazianz und Gregor von Nyssa – auf den Tomus ad Antiochenos stÛtzen konnte, der bereits „den theologischen Rahmen neunizÅnischer Theologie“198 lieferte. Basilius verband das an der Einheit Gottes orientierte Homousios mit der rechtshom×usianischen Drei-Hypostasen-Lehre, um sowohl arianisch-subordinatianistische und tritheistische Tendenzen mancher Origenisten als auch modalistisch-sabellianische Tendenzen mancher AltnizÅner abzuwehren und das biblisch bezeugte paradoxale Geheimnis der Einheit in Dreiheit noch angemessener zum Ausdruck zu bringen. Das gelang ihm durch die begriffliche Differenzierung zwischen ou™sı´a und ušpo´stasiß. Er hob die statische begriffliche Šquivalenz von ou™sı´a und ušpo´stasiß auf, indem er der Hypostase in Entsprechung zu Gregor von Nazianz zugleich die Funktion des Personbegriffs (pro´swpon) zuwies. Da dieser aber ein Beziehungsbegriff ist, konnten die Kappadozier im Unterschied zum griechischen Seinsmonismus die RelationalitÅt in der Ontologie zum Ausdruck bringen, was schon bei Tertullian (Selbstand in Relation) oder auch bei Athanasius vorgebildet war.199 Das erm×glichte die Darstellung der perichoretischen Gemeinschaft in dem einen g×ttlichen Wesen, und zwar als Gleichzeitigkeit von intra- und interpersonaler Dimension. Damit wird die griechisch-aristotelische Ontologie bzw. die anitke Metaphysik wie schon bei Tertullian und Athanasius revolutioniert, da diese Metaphysik personale oder relationale Differenzierungen lediglich als Akzidens des absoluten g×ttlichen Seins (ou™sı´a) betrachtet hatte. Jetzt aber geh×rt 196 Auch diese vom Verfasser vollzogene Differenzierung im VerhÅltnis von natÛrlicher und geoffenbarter Theologie wird in der weiteren Untersuchung vertieft (siehe bes. Kap. VI,1.1). Das VerhÅltnis von Ahnung und Offenbarung spiegelt sich nicht zuletzt im VerhÅltnis von Gesetz und Evangelium wider, insofern als erst die Evangeliumsbotschaft den wahren Sinn des Gesetzes erschließt, das den Menschen bereits ins Herz gelegt ist. 197 S. o., S. 96 f., und s. u., S. 500 ff. 198 C. Markschies: „. . .et tamen non tres Dii“, S. 176, der die neunizÅnische Formel mı´a ou™sı´a – treı˜ß ušposta´seiß im „Tomus“ bereits als „sachlich prÅsent“ (ebd., S. 175) ansieht und die Verwurzelung der drei Kappadozier im „Tomus“ betont (vgl. ders.: „kappadozische TrinitÅtstheologie“, S. 53 u. 74). Zur entsprechenden Bedeutung des „Tomus“ s. o., S. 125 ff. 199 S. o., S. 103 ff. u. 119 ff.

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Beziehentlichkeit zum Wesen des Seins. Weil die Hypostase weder einfach die ou™sı´a verk×rpert noch Akzidens bedeutet, stellt sie ein Ûberkategoriales Sein dar, womit Basilius zeigt, „daß er Gott nicht den irdischen Kategorien unterwirft und seine RealitÅt als Person nicht abhÅngig macht von menschlichen Vorstellungen, was letztlich seine Gottheit in Frage stellen wÛrde“200. Auf dieser Basis bezeichnete Basilius mit ou™sı´a das eine, gemeinsame g×ttliche Wesen (to` koino´n) und mit ušposta´seiß die jeweiligen EigentÛmlichkeiten (i™dio´tvteß) der trinitarischen Personen (Ep. 236,6; 214,4). So entstand die neunizÅnische Formel mı´a ou™sı´a – treı˜ß ušposta´seiß (Ep. 236,6), in der sich von der Sache her die westliche Formel una substantia – tres personae widerspiegelt.201 Die als Vaterschaft, Sohnschaft und Heiligung erkennbaren EigentÛmlichkeiten zeigen den Vater als Ursprung bzw. Grund des Sohnes, den Sohn als Abbild des Vaters und den vom Vater ausgehenden sowie mit dem Sohn verbundenen Geist als Endpunkt und Vollzug der innerg×ttlichen Koinonia (Adv. Eunom. I-II; Ep. 38,4).202 Nach Gregor von Nazianz stellt sich demnach in der heilsgeschichtlichen Offenbarung der Vater als Ursprung dar, der Sohn als die prinzipielle Wendung Gottes nach außen (Inkarnation) und der Geist als die aktuelle ZugÅnglichkeit Gottes fÛr den Menschen (Heiligung). Als personale Weise der innerg×ttlichen Liebe bzw. des Wesens Gottes gibt der Geist den Menschen Anteil an der Liebe Gottes. Die ×konomischen Sendungen (processio ad extra) entsprechen also den innerg×ttlichen HervorgÅngen (processio ad intra), die wiederum die innerg×ttlichen Relationen auf der Existenzebene bestimmen: Die Zeugung des Sohnes durch den Vater und die damit verbundene Hauchung des Geistes bedingen, daß der Geist hinsichtlich seiner Ursprungsbeziehung durch den Sohn aus dem Vater hervorgeht und zugleich hinsichtlich seiner Existenzebene von Vater und Sohn ausgeht und beide verbindet. Deshalb ist auch der Geist, dessen Homousie Gregor wie Athanasius betont, aktiv und nicht nur – wie in der westlichen Tradition – durch die passive Hauchung zu kennzeichnen. Der passiv gezeugte Sohn verk×rpert ebenfalls beide Dimensionen, da er an der Hauchung des Geistes beteiligt ist, was die ×stliche Tradition zu beachten hat. Die innertrinitarischen

200 W. A. Bienert: Dogmengeschichte, S. 197. Vgl. A. M. Ritter: Dogma, S. 205; I. D. Zizioulas: Being, S. 27 ff., 36 f., 106 f., und ders.: Wahrheit, S. 19, wo deutlich wird, daß Zizioulas diese metaphysische Revolution allein auf die Kappadozier bezieht und die bereits bei Tertullian und Athanasius erkennbare Vorabbildung Ûbersieht. Zu Tertullian und Athanasius s. o., S. 103 ff. u. 119 ff. 201 Vgl. C. Andresen: Entstehung, S. 34 ff. 202 Vgl. V. H. Drecoll: Entwicklung, S. 118 ff. (hier besonders zur Rezeption der athanasianischen Theologie), S. 270 ff. u. 297 ff. (hier der Nachweis, daß Epistula 38 von Basilius und nicht von Gregor von Nyssa verfaßt wurde), S. 313 f. u. 334 ff.

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ProprietÅten (spezifischen Eigenschaften der jeweiligen trinitarischen Personen) liegen fÛr Gregor schriftgemÅß in der „Ungezeugtheit“ (a™gennvsı´a) des Vaters, der „Gezeugtheit“ (gennvsı´a) des Sohnes und der „Hervorgebrachtheit“ (e™kpo´reusiß) des Geistes, wodurch die Unterscheidung zwischen Zeugung des Sohnes und Hauchung des Geistes erfolgt.203 So wird die Einheit einerseits durch den Vater, den Ursprung, gewahrt, andererseits durch jede der drei Personen, wie es Basilius betont, wenn er den Gedanken der Monarchie nicht mehr allein vom Vater ableitet, sondern alle drei monacw˜ß nebeneinander stellt.204 Die neunizÅnische Formel beinhaltet nÅmlich eine vollkommene innerg×ttliche perichoretische Koinonia, die allen biblisch-×konomischen Gesichtspunkten gerecht zu werden versucht. Der Vater ist nicht ohne seine durch den Geist vermittelte Beziehung zum Sohn zu denken, der Sohn nicht ohne seine durch den Geist vermittelte Beziehung zum Vater und der Geist nicht ohne seine Beziehung zu Vater und Sohn. Weil die Hypostasen sich ganz in die anderen Hypostasen entÅußern und in ihrer Beziehung zu den anderen Hypostasen doch ganz bei sich sind, stellt das innertrinitarische Sein Gottes das vollkommene Leben der Liebe dar. Die Einheit des Wesens Gottes besteht dabei in der gegenseitigen Durchdringung (Perichorese)205 der Hypostasen, die durch ihre EigentÛmlichkeiten identifiziert und in ihrem VerhÅltnis zueinander bestimmt werden206. Basilius hebt hervor, daß innerg×ttliche Einheit und Vielfalt gleichursprÛnglich sind: „Denn es wird in keiner Weise m×glich sein, sich irgendeine Scheidung oder Teilung auszudenken, die es gestatten wÛrde, sich den Sohn ohne den Vater oder den Geist getrennt vom Sohn vorzustellen, es besteht zwischen ihnen vielmehr eine unaussprechliche und unbegreifliche Gemeinschaft (koinwnı´a) und Unterschiedlichkeit; dabei hebt weder die Unterscheidung der Hypostasen die KontinuitÅt (to` sunece´ß) des Seins auf, noch vermischt die Gemeinsamkeit des Wesens die PartikularitÅt der hypostatischen Zeichen“207 (Ep. 38,4,67–73). Gregor von Nyssa bezeichnet diese innertrinitarische Perichorese als das h×chste Paradoxon, da hier die intraund die interpersonale Dimension in der wesenseinen Interdependenz von Selbstand und Relation zusammenfallen. Die drei Hypostasen haben also nicht ein Wesen, sondern sind ein Wesen, das sich als identische und gleichzeitige intra- und interpersonale Koinonia offenbart, was das bis dahin gel-

203 Vgl. W.-D. Hauschild: Lehrbuch I, S. 43; W. A. Bienert: Dogmengeschichte, S. 194 u. 204; D. Ritschl: Geschichte, S. 34. 204 Vgl. V. H. Drecoll: Entwicklung, S. 338. 205 Explizit wird dieser Begriff erstmals von Johannes von Damaskus fÛr die innertrinitarischen Beziehungen benutzt. 206 Vgl. C. Schw×bel: Theologie, S. 329, und D. Staniloae: Ausgang, S. 159, der darauf hinweist, daß Gregor von Nyssa den Sohn als „anderes Selbst“ des Vaters bezeichnet. 207 PG 32,332–333.

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tende VerstÅndnis des Seins Ûbersteigt und als paradoxales Geheimnis begegnet.208 Diese Prinzipien einer relationalen TrinitÅtslehre stÛtzen sich auf Athanasius und finden sich bei Augustin wieder, dessen relationale TrinitÅtslehre „ohne die Vorarbeit der griechischen Theologie, insbesondere der Kappadozier, undenkbar wÅre. [. . .] Gerade an der dogmengeschichtlichen SchlÛsselposition Augustins scheint uns das Bild einer fundamentalen Einheit im TrinitÅtsdenken ×stlicher wie westlicher Theologen entgegenzutreten.“209 Wie die Kappadozier geht Augustin davon aus, daß die untrennbaren g×ttlichen Personen auch in ihren heilsgeschichtlichen Werken (opera ad extra) gemeinsam handeln. Die Kappadozier betonen dabei zugleich die verschiedenen heilsgeschichtlichen Offenbarungsstufen von Sch×pfung, Erl×sung und Heiligung, die wie die g×ttlichen Handlungsweisen jeweils in besonderer Weise mit Vater, Sohn und Geist verbunden sind. Nur wenn beides zusammen gesehen wird, bleibt die Beachtung der Gleichzeitigkeit der intraund interpersonalen Dimension Gottes gewahrt, die in der neunizÅnischen Formel enthalten ist. Sie garantiert endgÛltig die in sich lebendige Transzendenz Gottes als pers×nliches GegenÛber der Welt, weil die in dem einen Wesen Gottes vorhandenen Hypostasen nicht mehr mit einer kosmologischen Abstufung in die Welt zu verwechseln sind und somit keine AbhÅngigkeit Gottes von der Welt bestehen kann. Das VerhÅltnis von ×konomischer und immanenter TrinitÅt ist jetzt angemessen bestimmt, insofern als die WesenstrinitÅt als Maß der OffenbarungstrinitÅt gilt, in der sich Gott frei mitteilt und aus der er deshalb wiederum erschlossen werden kann, zumal der kenotische Charakter der ×konomischen TrinitÅt auf die innertrinitarische Selbsthingabe verweist.210 Das bestÅtigt sich bei Gregor von Nazianz, der die innertrinitarischen Relationen auf biblisch-×konomischer Grundlage genauer beschrieb. Auf208 Vgl. D. Staniloae: Dogmatik I, S. 253. Die neunizÅnische Formel sprengt – wie bereits gezeigt – auch Ûber das PhÅnomen der identischen Gleichzeitigkeit von intra- und interpersonaler Dimension hinaus die Kategorien der antiken Metaphysik, nach denen sich das Sein in Substanz und Akzidens aufteilt (Aristoteles): Da die Hypostasen demgegenÛber weder als Substanz noch als Akzidens bezeichnet werden k×nnen, erscheinen sie als Ûberkategoriales Sein. (Vgl. A. M. Ritter: Dogma, S. 205.) Zum Wesen Gottes als „paradoxales Geheimnis“ s. u., S. 479 ff., und siehe Kap. VI,1.3 u. 1.4. Zur innertrinitarischen Koinonia und ihrer Maßgeblichkeit fÛr die Ekklesiologie der KirchenvÅter vgl. P. J. Cordes: Communio, S. 150 ff. „Das Wort ‚Koinonia‘ hat im Neuen Testament und in der Alten Kirche ekklesiologische Relevanz“ (K. Kertelge: Koinonia, S. 54). Vgl. ferner I. D. Zizioulas: Christologie, S. 133; G. Larentzakis: KirchenverstÅndnis, S. 78 f.; ders.: Kraft, S. 65. – Zur vom Verfasser eingefÛhrten Verwendung der Terminologie „intra- und interpersonale Dimension“ in Form eines grundsÅtzlichen Begriffspaares s. o., S. 105 f. 209 W. Ullmann: filioque, S. 62. 210 Vgl. A. M. Ritter: Dogma, S. 201 f.; K. Beyschlag: Grundriß I, S. 266 ff.; J. Moltmann: TrinitÅt, S. 221 f.; W. Kasper: Gott, S. 336, und G. G. Blum: Oikonomia, S. 290.

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grund seiner ×konomischen Energienlehre betrachtet Gregor auch die in der Heils×konomie erkennbaren energetischen Erscheinungen – wie das Ruhen des Geistes im Sohn und sein Hervorleuchten aus ihm – als hypostatische ewige innertrinitarische Beziehungen und personale Manifestationen. So gelangt er zu einer differenzierten innertrinitarischen VerhÅltnisbestimmung, die nicht nur die Ursprungsbeziehungen beachtet, sondern auch andere ewige hypostatische Lebensbeziehungen von ihnen zu unterscheiden vermag. Dadurch war er imstande, den Unterschied zwischen Sohn und Heiligem Geist in deren VerhÅltnis zum Vater zu zeigen und das hypostatische VerhÅltnis zwischen Sohn und Geist nachzuweisen. Neben der Ursprungsbeziehung, die den Hervorgang (e™kpo´reusiß) des Geistes aus dem Vater beinhaltet, existiert in der ewigen konsubstantiellen Perichorese das Ausgehen (proi¨e´nai) des Geistes von Vater und Sohn auf der Ebene der ewigen Lebensbeziehungen, denn der Geist ist dem Sohn zu eigen. Das wird daraus ersichtlich, daß der Geist aus dem Vater des eingeborenen Sohnes hervorgeht, der sich als Vater des Sohnes offenbart, indem er den Geist durch (dia´) den Sohn (und wegen des Sohnes) hervorgehen lÅßt, so daß der Geist auch als Geist des Sohnes offenbar wird. Der Geist geht also durch den Sohn aus dem Vater hervor, wie es Basilius und Gregor von Nyssa zum Ausdruck bringen. Daß der Vater beim Hervorgang des Geistes allein die Eigenschaft des Ursprungs (principium) innehat, wurde auch von Augustin gesehen (De trin. XV,25).211 Den spÅter mit dem westlichen Filioque und dem ×stlichen „vom Vater allein“ (mo´nou) entstehenden Einseitigkeiten bezÛglich des Ausgangs des Geistes ist also nur zu begegnen, wenn die differenzierte Theologie der Kappadozier berÛcksichtigt wird. Deshalb soll zur L×sung dieses Problems die Unterscheidung zwischen den Ursprungsbeziehungen (Ursprungsebene) und den ewigen hypostatischen Existenzbeziehungen (Existenzebene) festgehalten bzw. explizit eingefÛhrt und im Fortgang der Untersuchung umgesetzt werden.212 211 Vgl. J.-M. Garrigues: Standpunkt, S. 127 ff.; ºberlieferung, S. 317 f.; D. Ritschl: Geschichte, S. 34; K. Stalder: „Filioque“, S. 94, und H. Aldenhoven: Zusammenhang, S. 134 ff., der sich mit den innertrinitarischen Ursprungs- und Lebensbeziehungen auseinandersetzt. – Zur weiteren BegrÛndung siehe Kap. VI,1.3. 212 Denn es besteht die „Meinung, es wÅre eine grundlegende ×kumenische Aufgabe, einen theologischen Konsens zu finden, der sich zunÅchst auf die umstrittene Frage des Ausgangs des Geistes beziehen sollte, dann aber auch die Frage der Zeugung des Sohnes und die Frage der innertrinitarischen Beziehungen, die nicht Ursprungsbeziehungen sind, mitumfassen mÛßte und schließlich auch den wesentlichen Zusammenhang aller dieser Fragen mit dem SelbstverstÅndnis der Kirche und ihrer Praxis und mit der Beziehung von Gott und Welt nicht außer Acht lassen dÛrfte“ (K. Stalder: „Filioque“, S. 99). Vgl. U. von Arx (Hg.): Koinonia, S. 37: „Hier wÅre noch theologische Arbeit zu leisten.“ – So wird mit dem Begriffspaar „Ursprungsund Existenzbeziehungen“ eine neue Terminologie gewÅhlt, die Nachteile bisheriger Unterscheidungsversuche Ûberwinden soll. J. Moltmanns Unterscheidung zwischen „Konstitutions- und Relationsebene“ z. B. wurde zu Recht von W. Pannenberg dahingehend kritisiert, daß auch die

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Die TrinitÅtslehre in der Alten Kirche

Voraussetzung fÛr die differenzierte kappadozische VerhÅltnisbestimmung von Christologie und Pneumatologie war die kappadozische Unterscheidung zwischen der personalen Gottheit des Heiligen Geistes und seinen Wirkungen, was besonders Basilius zu verdanken ist, der die hypostatische SelbstÅndigkeit des Geistes und seine Dimension des bleibenden „extra nos“ betonte.213 Als g×ttliche Person bleibt der Heilige Geist das GegenÛber der Menschen. Doch gleichzeitig vermag er den Menschen einzuwohnen und ihnen seine Gaben (Charismen) zu schenken. Es gibt in Kirche und Welt keine Gabe Gottes, die nicht durch den Heiligen Geist vermittelt wird (De Spir. Sancto 24). Die Einwohnung der Gnade geht also speziell vom Geist aus und nicht allgemein von Gott, da sie dem Geist nicht lediglich appropriiert ist. Damit wird die zentrale ekklesiologische und kosmologische Funktion des Heiligen Geistes als Geber und Gabe angezeigt.214 Doch weil er die vom Sohn vollbrachte Erl×sung der Sch×pfung des Vaters vergegenwÅrtigt und vollendet, bleibt der Geist zugleich in die gesamte TrinitÅt und Heilsgeschichte eingebunden. Er vergegenwÅrtigt das Heilswerk Christi, wodurch die innertrinitarische Perichorese vollends ersichtlich wird: „Wenn

konstitutiven Ursprungsbeziehungen relational vermittelt sind (vgl. W. Pannenberg: Theologie I, S. 353, und J. Moltmann: TrinitÅt, S. 189 ff.). Das darf aber nicht wie bei Pannenberg dazu fÛhren, gÅnzlich auf eine terminologische Unterscheidung zwischen Ursprungsbeziehungen (z. B. Hervorgang des Geistes aus dem Vater) und den biblisch-×konomisch ebenfalls zu erkennenden ewigen Existenzbeziehungen (z. B. Ruhen des Geistes im Sohn) zu verzichten und allein von der Vielfalt der wechselseitigen, je dreistelligen Formen der Selbstunterscheidung zu sprechen. Denn dadurch wird die Funktion der jeweiligen Ursprungs- und Existenzbeziehungen zu unspezifisch, was bei Pannenberg dazu fÛhrt, daß er auch geschichtliche Relationen gleichwertig einbezieht: Die geschichtliche Realisierung der Gottesherrschaft wird als wesentliche und konstitutive Leistung des Sohnes fÛr den Vater hinsichtlich der innertrinitarischen wechselseitigen Selbstunterscheidung geltend gemacht. Außerdem bietet eine zu unspezifische Nivellierung der innertrinitarischen Beziehungen zu wenig Schutz vor der westlichen Gefahr, alle Relationen in gleicher „Ursprungs“-QualitÅt zu werten, was zum Filioque-Problem beitrug, insofern als auch den Existenzbeziehungen zwischen Geist und Sohn eine solche QualitÅt zugesprochen wurde und sich so der Gedanke an zwei Prinzipien des Geistes aufdrÅngte (vgl. Kap. III,1). Pannenberg umgeht diese Gefahr zwar, indem er an der Monarchie des Vaters festhÅlt, hat aber – wie gesehen – durch die Nivellierung an anderer Stelle Probleme. – Zur detaillierten Bestimmung des VerhÅltnisses von innertrinitarischen Ursprungs- und Existenzbeziehungen s. u., S. 341 ff., und siehe Kap. VI,1.3. 213 Eine herausragende Stellung nimmt Basilius mit dem Werk „De Spiritu Sancto“ ein, in dem ihm von der Doxologie ausgehend besonders an der angemessenen Anbetung des g×ttlichen Geistes lag, welche die personale Gottheit des Geistes beinhaltet. Theologie, Liturgie und Einheit der Kirche geh×ren dabei untrennbar zusammen. Vgl. dazu H. D×rries: Wort I, S. 118 ff., und G. Kretschmar: Geist, S. 92 ff., der eine der Ursachen fÛr die dezidiertere Auseinandersetzung mit dem Heiligen Geist nennt: „Der Grund dieser Entwicklung liegt auf der Hand, es ist die Sprache der Heiligen Schrift, die sich durchsetzt.“ (Ebd., S. 127) Zu Gregor von Nyssa vgl. W. Jaeger: Gregor von Nyssa’s Lehre. 214 Zu den entsprechenden Auswirkungen auf das VerhÅltnis von Kirche und Welt vgl. G. Larentzakis: Kirche, S. 130, und W. A. Bienert: Dogmengeschichte, S. 185 ff. u. 200 ff.

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aber jener, der Geist der Wahrheit, kommen wird, wird er euch in alle Wahrheit leiten. [. . .] Alles, was der Vater hat, das ist mein. Darum habe ich gesagt: Er wird’s von dem Meinen nehmen und euch verkÛndigen.“ (Joh 16,13a.15)215 Die Interdependenz von Christologie und Pneumatologie garantiert die gegenseitige Bedingtheit von theologia crucis und theologia gloriae und damit das paulinische „schon“ und „noch nicht“. Im Sohn und seiner Inkarnation wird Gott begreifbar, wÅhrend der Heilige Geist daran erinnert, daß Gott unverfÛgbar bleibt.216 Weil die TrinitÅtslehre den Bogen von der Sch×pfung Ûber die Inkarnation bis zur Eschatologie spannt und das Schauen „von Angesicht zu Angesicht“ noch aussteht, sind viele trinitarische Analogien nur einseitige AnnÅherungen, wie das Bild der Familie, auf das sich die soziale Analogie des Gregor von Nazianz stÛtzt (mehr interpersonal), oder wie die psychologische TrinitÅtslehre Augustins (mehr intrapersonal). Aber dennoch steckt die altkirchliche TrinitÅtslehre mit ihrer intraund interpersonalen Dimension den Rahmen ab, in dem sich die TrinitÅtslehre und die ihr entsprechende Ekklesiologie zu bewegen haben. Diesem Rahmen dient nicht zuletzt die neunizÅnische Formel mı´a ou™sı´a – treı˜ß ušposta´seiß, die alle drei Kappadozier immer wieder auf den Begriff der a™su´gcutoß e¾nwsiß („unzusammengeschÛttete Einheit“) bringen, um zu zeigen, daß die neunizÅnische Formel sowohl das modalistische ZusammenschÛtten der eigentÛmlichen Hypostasen als auch deren subordinatianistisches Auseinanderreißen Ûberwindet. Hier wird die Konsistenz ersichtlich, die die TrinitÅtslehre der drei Kappadozier aufweist. Mit ihr schufen sie – die L×sung von 362 (Tomus ad Antiochenos) weiterfÛhrend – eine trinitÅtstheologische Grundlage, welche vor dem Hintergrund der ost- westkirchlichen EinflÛsse eine gemeinsame trinitÅtstheologische Basis fÛr Ost und West erbrachte. Das war den Kappadoziern wohl selbst bewußt. Da Gregor von Nazianz in einer Rede die ºbereinstimmung sowohl mit Athanasius als auch mit den „Italienern“ betont, „dÛrfte eine Beziehung auf cunctos populos nicht nur nicht ausgeschlossen, sondern vielmehr wahrscheinlich sein“217. In der kappadozisch-neunizÅnischen TrinitÅtslehre findet die von den biblischen Texten ausgegangene Entwicklung zu einer Synthese, die den Rahmen greifbar werden lÅßt, den die altkirchliche TrinitÅtslehre fÛr jegliche TrinitÅtstheologie und die ihr entsprechende Ekklesiologie bildet.218

215 Vgl. A. Schindler: Charis, S. 239; T. Zissis: Bedeutung, S. 11; G. Larentzakis: Kraft, S. 64; H. U. von Balthasar: Gott, S. 12. 216 Vgl. J.-Y. Lacoste: Theologie, S. 6. 217 C. Markschies: „kappadozische TrinitÅtstheologie“, S. 69. Vgl. insgesamt zur Konsistenz kappadozischer TrinitÅtslehre ebd., S. 51–94. 218 Vgl. ebd., S. 94, wo auch Markschies davon ausgeht, „daß die traditionelle Linie, die von einzelnen neutestamentlichen Passagen Ûber [. . .] NizÅa und de[.n] Tomus ad Antiochenos zu den kappadozischen Theologen und ihrer kappadozischen Form der neunizÅnischen Theologie

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Diesen Zusammenhang gibt auch die kappadozische Ekklesiologie zu erkennen, die sich aus der TrinitÅtslehre ableitet. Als Leib Christi ist die Kirche eine vom Geist auferbaute Gemeinschaft (Koinonia), die zum einen noch als menschliche Institution und zum anderen schon als Teilhabe an der g×ttlichen Liebesgemeinschaft existiert und „in welcher als einer organisch-lebendigen Einheit sich eine Vielfalt von christlichen Existenzformen realisiert“219. Das gilt fÛr die Ortskirche wie fÛr die Gesamtkirche, weil nach Joh 17,21 das trinitarische Wesen Gottes der Typos der Kirche bleibt ( – Gregor von Nyssa –, der darum auch betont, daß sich alle, die sich von der vollkommenen Dreieinigkeit Gottes entfernen, von der Erl×sung und der Gemeinschaft Gottes trennen). Der trinitarischen Perichorese entsprechend existiert in der Alten Kirche die Interdependenz zwischen Orts- und Gesamtkirche sowie zwischen Amt und Priestertum aller Glaubenden, was durch die Beteiligung von Laien an den Konzilen ebenso unterstrichen wird wie durch die anerkannte Notwendigkeit der Rezeption der Konzile durch die gesamte Kirche. Die Rezeption geschieht im Heiligen Geist, der allen Glaubenden geschenkt ist. Im Heiligen Geist als Geber und Gabe verwirklicht sich Gottes „GegenÛber und NÅhe“, gestÛtzt durch das vielfÅltige Zusammenspiel von Christologie und Pneumatologie. Das GegenÛber-Sein kommt zum Beispiel zeichenhaft im prophetischen Amt zum Ausdruck, wÅhrend sich die NÅhe in den Charismen eines jeden Getauften Åußert, was jeglichem Klerikalismus entgegensteht. Denn der Christus vergegenwÅrtigende Geist ist – auch nach Basilius – keine Kraft, die an Asketen, M×nche und AmtstrÅger zu binden wÅre, sondern er garantiert die Freiheit des Heilshandelns Gottes und den unmittelbaren Zugang zum Heil Gottes, das keiner Vermittlungsebene bedarf. GrundsÅtzlich bleibt der Heilige Geist der VerfÛgbarkeit durch die Kirche entzogen und behÅlt so seine kirchenkritische Funktion. Deshalb gibt es weder eine klerikale noch eine physische Erl×sung, sondern allein die im Geist gewÅhrte Teilhabe am Leib Christi. Es bedarf also einer empfangenden Hermeneutik, die dem Geist Raum gibt. „Diese Einsicht ist die Grundlage aller tiefergehenden Reformen in der Geschichte der Kirche“220.

Ebenso wie sich aus der kappadozischen Vollendung der altkirchlichen TrinitÅtslehre eine angemessene Differenzierung in der Ekklesiologie entwikkelte, lÅßt sich aus den neuen VerhÅltnisbestimmungen und Differenzierungen, die in dieser Untersuchung auf der Grundlage der kappadozischen TrinitÅtslehre vorgenommen wurden, ein entsprechender Fortschritt in der zeitgen×ssischen TrinitÅtslehre, im OffenbarungsverstÅndnis und in der ×kumenischen Ekklesiologie erzielen. Das wird sich im Laufe der Unter-

fÛhrt, auch vor dem heutigen kritischen historischen wie systematischen Urteil verstÅndlich gemacht werden kann. Aufgabe eines Kirchenhistorikers ist es, diese Linie immer wieder zu explizieren“. 219 W.-D. Hauschild: Dogma, S. 41. 220 W. A. Bienert: Dogmengeschichte, S. 205. Vgl. ebd., S. 185 ff. u. 200 ff.; G. Larentzakis: Kraft, S. 66 f. u. 90; ders.: KirchenverstÅndnis, S. 85; ders.: Kirche, S. 110 u. 119; J. B. Bauer: Rezeption, S. 46 f.; P.-T. Camelot: Lehre, S. 37 ff.; G. Kretschmar: Geist, S. 95 ff.; P. Fransen: communio, S. 185, und R. M. HÛbner: Einheit, S. 328 ff., der auch den Einfluß von Athanasius auf Gregor von Nyssa analysiert.

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suchung zu erweisen haben, und zwar anhand des prÅzisierten BIBLISCH-×konomischen Ansatzes und der durchgefÛhrten Unterscheidungen von Ahnung und Offenbarung, von ×konomischer und spekulativer Energienlehre, von innertrinitarischer Ursprungs- und Existenzebene sowie von „GegenÛber und NÅhe“ Gottes. Hinzu kommt die fÛr die aktuelle Diskussion ebenfalls bedeutsame Beachtung der herausgestellten Gleichzeitigkeit von intra- und interpersonaler Dimension Gottes.

4. Die neunizÅnische TrinitÅtslehre und ihre verbindliche °kumenizitÅt (Konstantinopel 381) als trinitÅtstheologischer, hermeneutischer und ekklesiologischer Rahmen fÛr die °kumene Die komplexe neunizÅnische TrinitÅtslehre, die in der Interdependenz zwischen ×stlicher und westlicher Theologie entstand, wurde der aufgezeigten Entwicklung entsprechend nicht nur im Osten, sondern auch im Westen rezipiert. So setzte zum Beispiel Ambrosius von Mailand (ca. 339–397), der Lehrer Augustins, auf biblisch-×konomischer Basis und im Anklang an die Kappadozier die neunizÅnische Formel mı´a ou™sı´a – treı˜ß ušposta´seiß mit der tertullianischen Formel una substantia – tres personae gleich und erlÅuterte sie als personarum distinctio et naturae unitas (Fid. III,15,126). Der Begriff natura ist durchaus angemessen, da auch Athanasius und die Kappadozier ou™sı´a durch fu´siß ersetzen konnten. Daß man am Personbegriff festhielt, lag daran, daß einerseits der – der Hypostase angemessene – Begriff subsistentia oft mit substantia verwechselt wurde und andererseits die griechischen VÅter zuweilen selbst Hypostase und Person (pro´swpon) verbanden. Deshalb stellte Gregor von Nazianz 379 fest, daß ×stliche und westliche TrinitÅtstheologie einander entsprechen und die Lateiner nur aufgrund der mangelnden sprachlichen Differenzierungsm×glichkeit zwischen ou™sı´a und ušpo´stasiß (beides substantia) den Personbegriff ben×tigen. Die Korrespondenz zwischen Basilius und Ambrosius bereitete dann mit ihren ºbersetzungen schon Formulierungen vor, die sich spÅter Åhnlich bei Augustins Rezeption der neunizÅnischen TrinitÅtslehre wiederfinden.221 Augustin (354–430), der seine fÛr die westliche Wirkungsgeschichte maßgebliche TrinitÅtslehre in den 15 BÛchern „De trinitate“ entwickelte, rezipierte die kappadozisch-neunizÅnische Theologie und das daraus erwachsene Bekenntnis von 381. Auf

221 Vgl. insgesamt C. Markschies: Ambrosius, S. 9–38 u. 86 f. Dort finden sich auch AusfÛhrungen zum NeunizÅnismus des Hilarius von Poitiers und des Marius Victorinus. Vgl. ferner W.-D. Hauschild: Dogma, S. 47 ff., und A. M. Ritter: Dogma, S. 221, der bestÅtigt, daß das Denken des Ambrosius der in Konstantinopel (381) zusammengefaßten kappadozisch-neunizÅnischen Theologie entsprach.

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der Grundlage von Schrift und Bekenntnis und in Auseinandersetzung mit dem Neuplatonismus griff Augustin auf den perichoretisch-relationalen Ansatz der Kappadozier zurÛck, wobei ihn – entgegen anderer Annahmen – nicht spekulatives, sondern biblisch-×konomisch begrÛndetes soteriologisches Interesse leitete: Der zur Erl×sung gekommene Sohn und der zur VergegenwÅrtigung seines Heilswerkes handelnde Geist stehen nicht nur heilsgeschichtlich in gegenseitiger Beziehung, sondern haben auch ein innertrinitarisches relationales VerhÅltnis. Augustin ersetzt den Personbegriff der tertullianischen Formel (una substantia – tres personae) gerne durch relatio (genauer: relative), weil der Personbegriff die Gefahr des individualistischen Selbstandes beinhaltet. Wie bei den Kappadoziern wird die aristotelische Kategorienlehre Ûberwunden, indem die Relationen dem g×ttlichen Wesen nicht als Akzidenzien hinzutreten, sondern es konstituieren, insofern als Gott nicht TrÅger der Eigenschaften ist, sondern diese sein Gottsein ausmachen. Das bestÅtigt den engen Zusammenhang von ×konomischer und immanenter TrinitÅt. Deshalb ersetzt Augustin auch den an zusammengesetztes Sein erinnernden Begriff substantia durch den Begriff essentia (allgemeines Sein), der das relationale Sein expliziter zu integrieren vermag. Allerdings wird der Personbegriff im Unterschied zur spÅteren augustinischen Tradition nicht absolut mit der Relation identifiziert und durch diese ausschließliche Belegung gÅnzlich ausdefiniert, was der Dimension des (personalen) Geheimnisses widersprechen wÛrde.222 Denn ob substantia/persona, essentia/relatio oder ou™sı´a/ ušpo´stasiß benutzt werden, alle Formulierungsversuche stehen nach Augustin fÛr die intra- und interpersonale Perichorese in Gott, in der jeder Person unvermischt g×ttliches Sein zukommt (die perichoretische gegenseitige Durchdringung bedarf der Dimension eines gewissen Selbstandes), wÅhrend die Personen zugleich nur in Relation zu den anderen Personen und in ihnen existieren. Von daher stellt sowohl jede Einzelperson als auch die Dreiheit „Gott“ dar, in welchem innertrinitarisch alles in allem existiert (De trin. V,8; IX,5). Es geht auch Augustin darum, jegliche modalistische, subordinatianistische oder tritheistische HÅresie abzuwehren. Entsprechend betont er wie die Kappadozier sowohl die Einheit des g×ttlichen Wesens („die TrinitÅt ist der eine wahre Gott“ – De trin. I,6.10 f.)223 als auch die Identifizierung des g×ttlichen Urgrundes mit der Person des Vaters224 und die damit verbundene ewige perichoretische Relation zu Sohn und Geist (De trin. IV,20). Obwohl Augustin mehr die g×ttliche Einheit hervorhebt, ist also auch diesbezÛglich der Unterschied zwischen Ost (Dreiheit) und West (Einheit) nicht so drastisch, wie es oft behauptet wird. Daß Dreiheit und Einheit wesensmÅßig zusammengeh×ren, versuchte Augustin mit der psychologischen TrinitÅtslehre zu veranschaulichen. Von der Gottebenbildlichkeit des Menschen (Gen 1,26) ausgehend er×rtert Augustin neben den Spuren der TrinitÅt (vestigia trinitatis) in der Sch×pfung besonders diejenigen im Menschen. Da er die triadischen Analogien auf die Seele bzw. den menschlichen Geist bezog

222 Vgl. C. Markschies: Luther, S. 75 f., und M. Volf: TrinitÅt, S. 160, Anm. 53. Vgl. insgesamt A. Adam: Lehrbuch I, S. 278 ff.; W.-D. Hauschild: Dogma, S. 49 f.; B. J. Hilberath: Personbegriff, S. 313; W. Pannenberg: Theologie I, S. 309; B. Studer: Person-Begriff, S. 170 ff. 223 Vgl. L. Scheffczyk: Formulierung, S. 202. 224 Vgl. A. Adam: Lehrbuch I, S. 282.

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(Geist/mens – Erkenntnis/notitia – Liebe/amor)225, wurde ihm oft der Ansatz des neuplatonischen Leib-Geist-Dualismus sowie des ideellen Selbstvollzuges des absoluten Geistes unterstellt226. Doch Augustin benutzt die psychologischen Analogien lediglich als – nach seinem eigenen Urteil – unzureichende Veranschaulichung. „Das geglaubte Dogma wird unerschÛtterlich als Fixpunkt festgehalten“227. Wie die ×stlichen KirchenvÅter geht Augustin davon aus, daß die menschliche Ahnung auf die Offenbarung ausgerichtet ist. „Denn die im Menschen angelegte ErkenntnisfÅhigkeit bedarf, um zur wirklichen Erkenntnis zu kommen, stets der Erleuchtung (illuminatio) von oben.“228 Deshalb integriert Augustin die Philosophie und christianisiert ihre Begriffe, da wahre Erkenntnis nur die Erkenntnis in der Liebesgemeinschaft mit Gott ist: „verus philosophus est amator Dei“ (De civ. Dei 8,1). Was der Neuplatoniker im geistigen Selbstaufstieg zu Gott zu erreichen wÅhnt, erfÅhrt der Mensch nach Augustin nur durch Gnade in der Glaubensvereinigung mit Gott.229 Dabei spielt der Heilige Geist die entscheidende Rolle. Er erm×glicht die Teilhabe an der communio Gottes, weil er sich als die personifizierte innerg×ttliche gegenseitige Teilhabe erweist. „Die Vermittlung von Vater und Sohn zu v×lliger Einheit wird nicht in einer allgemeinen ontischen consubstantialitas gesehen, sondern als communio, also sozusagen nicht von einem allgemeinen metaphysischen Wesensstoff her, sondern von den Personen her – sie ist gemÅß dem Wesen Gottes selbst personal.“230 Entsprechend fÛhrt der im Vergleich zu „Vater“ und „Sohn“ relativ unspezifische Name „Heiliger Geist“ Augustin im RÛckgriff auf die Schrift zu der Erkenntnis, daß sich im Heiligen Geist die Liebe vollzieht, die in der innerg×ttlichen communio als IdentitÅt von Selbsthabe und Selbstgabe besteht und das Wesen Gottes ausmacht. Deshalb kann Gott sowohl als Geist (Joh 4,24) als auch als Liebe (I Joh 4,16) bezeichnet werden. Die EigentÛmlichkeit des Heiligen Geistes lÅßt sich nach Augustin vor diesem Hintergrund als Gabe (donum), Liebe (caritas), Band der Liebe (vinculum amoris) oder Gemeinschaft (communio) definieren (De trin. V,11,12–12,13; XV,17,27–18,32). Die im Heiligen Geist zur Vollendung kommende ºbereinstimmung des „Bei-sich-Seins“ und „Außer-sich-Seins“ in Gott vermag sich durch den Heiligen Geist auch als freie Liebe Gottes in den außerg×ttlichen Bereich zu entÅußern, weshalb Gott die Menschen schuf, um sie an seiner Liebe teilhaben zu lassen. Im Heiligen Geist ist Gott „außer sich“ bei den Menschen und bleibt dennoch „bei sich“. Der Geist verk×rpert als die g×ttliche Liebe Geber und Gabe dieser Liebe zugleich, in ihm teilt sich die Liebe Gottes mit.231 Die enge Anbindung der augustinischen Pneumatologie an die Christologie sorgt dafÛr, daß die im Heiligen Geist spÛrbare Liebe Gottes an die in Christus offenbarte

225 Vgl. De trin. IX,5. Noch intensiver durchdachte Augustin die Analogie GedÅchtnis/memoria – Einsicht/intelligentia – Wille/voluntas (z. B. De trin. X,1–12). 226 So z. B. von J. Moltmann: Kraft, S. 51 (Dualismus), und W. Kasper: Gott, S. 363 f. (Idealismus). 227 A. Schindler: Wort, S. 229. Vgl. W. Pannenberg: Theologie I, S. 310 u. 321. 228 A. Adam: Lehrbuch I, S. 280. 229 Vgl. B. Altaner/A. Stuiber: Patrologie, S. 414 u. 436. 230 J. Ratzinger: Geist, S. 225. 231 Vgl. ebd., S. 224 ff.; P. J. Cordes: Communio, S. 154 f.; W.-D. Hauschild: Art. „Geist IV“, S. 202 f.

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Wahrheit Gottes gebunden bleibt. Sie birgt aber auch die Gefahr in sich, die PersonalitÅt des Geistes zurÛckzudrÅngen, wenn sein Ausgang von Vater und Sohn sowie seine Eigenschaft als Band der Liebe zwischen beiden zu undifferenziert dargelegt werden, was leicht dazu fÛhrt, den Geist lediglich als Kraft des Vaters und des Sohnes zu verstehen. Augustins Gnadenlehre leistete diesem MißverstÅndnis Vorschub, da die im Geist existierende Gnade als g×ttliche Kraftmitteilung gilt, die den Menschen umzuwandeln vermag, wobei der Geist als Geber weiterer Charismen weniger Beachtung findet. Das schlug sich in der Ekklesiologie nieder: Der Geist schenkt der Kirche die Liebe, so daß diese eine Gabe alles bestimmt. Dadurch kann jedoch die Vielfalt der Geistwirkungen verlorengehen und eine Identifizierung der kirchlichen Institution mit der Liebe des Geistes erfolgen, weshalb der Geist nicht mehr als bleibendes GegenÛber bzw. in der Funktion des Gebers einzelner Charismen wahrgenommen wird. Diese Gefahren, die mit einer defizitÅren biblisch-×konomischen Ausrichtung einhergehen, traten in der einseitigen Wirkungsgeschichte des augustinischen Ansatzes hervor. Augustin selbst bemÛhte sich noch, die gesamte trinitarische Interdependenz als Maß der Ekklesiologie gelten zu lassen: Der Heilige Geist verbindet die einzelnen Glieder des Leibes Christi in Liebe mit Christus und untereinander, so daß die Einheit wesensmÅßig zur Kirche geh×rt. Im Unterschied zur Wirkungsgeschichte (Filioque) ist Augustin auch noch beim VerhÅltnis von Christologie und Pneumatologie um Differenzierung bemÛht, indem er klarstellt, daß der Heilige Geist im Sinne des Ursprungs (principaliter) vom Vater ausgeht und im Sinne der Gemeinschaft (communiter) von Vater und Sohn (De trin. XV,26,47).232

In der Alten Kirche wird im Osten und Westen auf biblisch-×konomischer Basis noch gemeinsam anerkannt, daß der Heilige Geist aus dem Vater als Ursprung hervorgeht (Ursprungsebene) und daß zugleich eine substantielle Beziehung zwischen Sohn und Geist besteht (Existenzebene): Weil der Hervorgang des Geistes aus dem Vater durch den Sohn geschieht, empfÅngt der Geist nur auf diese Weise sein Wesen, in welchem er durch die ewige Existenzbeziehung zwischen Sohn und Geist auch dem Sohn „zu-eigen“ ist. Auf dieser Existenzebene steht er also gleichzeitig mit dem Sohn im VerhÅltnis des Empfangens (Epiphanius von Salamis, gest. 403), denn der Vater zeugt den Sohn allein dadurch, daß er durch ihn den Heiligen Geist haucht, und der Sohn wird vom Vater nur in dem Maße gezeugt, in dem die Hauchung durch ihn hindurchgeht. Der Vater ist wiederum nur Vater des eingeborenen Sohnes, insofern als er durch ihn Ursprung des Heiligen Geistes 232 Vgl. B. Oberdorfer: Filioque, S. 127, der auch nicht davon ausgeht, daß Augustins „TrinitÅtslehre als ‚filioquistisch‘ im spÅteren Sinn bezeichnet werden muß“. Vgl. insgesamt A. Schindler: Charis, S. 240 f.; C. Osborne: nexus, S. 309 ff.; W.-D. Hauschild: Art. „Geist IV“, S. 202 f.; G. May: Art. „Kirche III“, S. 224 f.; J. Ratzinger: Geist, S. 231 ff.; G. G. Blum: Oikonomia, S. 286, und G. Barrios: Styles, S. 91 ff., der anhand der Gnadenlehre zeigt, wie das augustinische Interesse an der Wiederherstellung der Gottebenbildlichkeit des Menschen die Einheit Gottes im Blick hat, wÅhrend sich das kappadozische Interesse auf die menschliche Partizipation an der trinitarischen Liebe und somit auf die Dreiheit richtete.

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ist.233 Weder beim UrsprungsverhÅltnis noch bei den ewigen Existenzbeziehungen ist eine innertrinitarische Beziehung ohne den Heiligen Geist zu denken. Weil es aufgrund der biblisch-×konomischen Ausrichtung gelingt, zwischen Ursprungs- und Existenzebene zu unterscheiden und der Existenzebene ebenfalls substantielle Bedeutung beizumessen, kann von einer ×konomischen Energienlehre gesprochen werden, die auch aus der geoffenbarten Beziehung zwischen Sohn und Geist wesensmÅßige ProprietÅten erkennen lÅßt. Deshalb finden sich in Ost und West Formulierungen, die zum Ausdruck bringen, daß der Heilige Geist hinsichtlich seines Ursprungs aus dem Vater durch (dia´, per) den Sohn hervorgeht (Tertullian, Hilarius, Athanasius, Kappadozier) und hinsichtlich seiner wesensgleichen Gemeinschaft mit den anderen Personen von Vater und Sohn (pa´r a™mfo´terwn, a Patre et Filio/Filioque) ausgeht (Tertullian, Ambrosius, Athanasius, Basilius). Da man auch im Osten erkannte, daß sich der Heilige Geist zugleich vom Sohn empfÅngt (Gregor von Nyssa), und im Westen nicht vergaß, daß bezÛglich des Ursprungs die Monarchie des Vaters besteht (Tertullian, Augustin), wurden beide Formulierungsm×glichkeiten bis ins 8. Jahrhundert wechselseitig benutzt und anerkannt. Die im westlichen trinitÅtstheologischen Ansatz begrÛndete Tendenz zum Filioque und die in der ×stlichen TrinitÅtslehre angelegte Bevorzugung des dia´ stellten noch kein Problem dar, weil es „auf der Grundlage des gemeinsamen biblischen Zeugnisses und einer gemeinsamen Tradition vielfÅltige BrÛcken hinÛber und herÛber gab. Der Sache nach wollten beide Theologien dasselbe sagen. [. . .] Es handelt sich also um komplementÅre Theologien“234. Das gilt fÛr die gesamte altkirchliche TrinitÅtslehre in Ost und West.235 Deshalb waren sich im ausgehenden 4. Jahrhundert „trotz unterschiedlicher Begrifflichkeit in der Sache alle großen Kirchenprovinzen einig: Caesarea (Basilius), Alexandrien (Athanasius), Gallien (Hilarius), Italien, besonders Rom (Damasus). Damit waren nach einer der turbulentesten Epochen der Kirchengeschichte die Voraussetzungen fÛr eine L×sung gegeben.“236

233

Vgl. ºberlieferung, S. 318 ff.; W. Kasper: Gott, S. 266 ff.; K. Stalder: „Filioque“, S. 94. W. Kasper: Gott, S. 269. Vgl. insgesamt A. de Halleux: Konsensus, S. 73 ff.; J.-M. Garrigues: Standpunkt, S. 126 ff.; L. Scheffczyk: Sinn, S. 24 f. Daß trotz der gleichen inhaltlichen Zielrichtung unterschiedliche Formulierungstendenzen bestanden, liegt nicht zuletzt an den verschiedenen Differenzierungsm×glichkeiten im sprachlichen Bereich. WÅhrend die Griechen das Hervorgehen des Geistes auf der Ursprungsebene mit dem Begriff e™kporeu´eshai vom Ausgang auf der Beziehungsebene (proi¨e´nai) unterscheiden konnten, stand den Lateinern nur der Allgemeinbegriff processio zur VerfÛgung, der auf alle innertrinitarischen VorgÅnge anzuwenden war und somit je nach Perspektive mißverstÅndlich sein konnte. (Vgl. W. Kasper: Gott, S. 267 f.; J.-M. Garrigues: Standpunkt, S. 131.) 235 Vgl. E. Schlink: Dogmatik, S. 750 f. 236 W. Kasper: Gott, S. 316. 234

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So konnte auf dem zweiten ×kumenischen Konzil von Konstantinopel (381) die in ost-westlicher °kumene entfaltete TrinitÅtslehre mit ihren Abgrenzungen gegen jegliche Einseitigkeit und VerfÅlschung verbindlich bekannt und festgehalten werden. Weil der seit 379 regierende nizÅnisch gesinnte Ostkaiser Theodosius I. sich nicht nur auf den nizÅnischen Westen und die Durchsetzung von Edikten stÛtzen wollte, suchte er mit dem Reichskonzil von 381 eine theologisch-synodale L×sung der trinitarischen Streitigkeiten. Dadurch sollte das Konzil von NizÅa (325) unter BerÛcksichtigung des seither erarbeiteten Konsenses bestÅtigt werden. Insofern konnte das Konzil von Konstantinopel (381) den Prozeß der Konsensbildung und die in ihm enthaltene „Angleichung zwischen Abend- und Morgenland“237 vollenden. Nach einem gescheiterten Einigungsversuch mit den Pneumatomachen erreichten die mehrheitlich neunizÅnisch geprÅgten Konzilsteilnehmer dieses Ziel auf der Grundlage eines neunizÅnischen Bekenntnisses. Es stammte wahrscheinlich aus der antiochenischen Bekenntnistradition, in der sich auf biblischer Basis ErgÅnzungen im zweiten Artikel sowie die Erweiterung des dritten Artikels angebahnt hatten, und zwar unter Hinweis auf die soteriologische und heilsgeschichtliche Funktion des Heiligen Geistes. Dieses in Konstantinopel aufgegriffene Bekenntnis (C), das die KonzilsvÅter vielleicht noch ergÅnzt haben, wurde mit einem dazugeh×rigen Lehrdekret (Tomus) als authentische Darlegung des „Glaubens von NizÅa“ neben das Bekenntnis von 325 (N) gestellt, um den authentischen Konsens Ûber das VerstÅndnis des Bekenntnisses von NizÅa (N) festhalten zu k×nnen. Deshalb spricht man beim Bekenntnis von Konstantinopel (C) zu Recht vom „Nicaeno-Constantinopolitanum“.238 Es setzte sich im 5. und 6. Jahrhundert allgemein in Ost- und Westkirche als das sog. nizÅnische Bekenntnis durch und „ist bis heute das einzige in der gesamten christlichen Kirche verwendete Credo“239. Die Aussagen im zweiten und dritten Artikel zeigen differenzierter als N die VerschrÅnkung zwischen Christologie und Pneumatologie. WÅhrend im

237 L. Scheffczyk: Formulierung, S. 182. Vgl. zu den Quellen des Konzils W.-D. Hauschild: Dogma, S. 14 f. Vgl. insgesamt ebd., S. 16 ff.; A. M. Ritter: Dogma, S. 207 ff. 238 Vgl. W.-D. Hauschild: Dogma, S. 14 ff., der Ûberzeugend nachweist, daß das in Chalcedon (451) rezipierte Bekenntnis von Konstantinopel (C) zur Beschlußfassung des Konzils von 381 geh×rte und daß es auch nicht lediglich als Grundlage fÛr die Verhandlungen mit den Pneumatomachen diente, wie es A. M. Ritter: Dogma, S. 206 ff., vermutet (vgl. ders.: Konzil). – In bezug auf das Bekenntnis von 381 spricht man heute allgemein vom Bekenntnis von NizÅaKonstantinopel (NC), was terminologisch in spÅteren Kapiteln Ûbernommen wird, in denen die Unterscheidung von NizÅa und Konstantinopel nicht mehr von Belang ist. 239 W.-D. Hauschild: Lehrbuch I, S. 46. Vgl. K. Aland: Geschichte I, S. 194, der darauf hinweist, daß das Konzil von NizÅa durch das Konzil von 381 „aufgesaugt“ wurde. Zur ×kumenischen Bedeutung des Konzils von 381 und seiner Entstehungsgeschichte vgl. auch R. Staats: Glaubensbekenntnis.

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zweiten Artikel ausgesagt wird, daß Christus „Fleisch annahm vom Heiligen Geist“, bezeichnet der dritte Artikel den Geist als Herrn und Lebensspender (to´ ku´rion kai` zwopoio´n). Auf diese Weise kommen sowohl das untrennbare Wirken von Geist und Sohn als auch die dem Sohn entsprechende Gottheit des Geistes (Kyrios-PrÅdikat) in ihrer soteriologischen Funktion (Lebensspender) zum Ausdruck. Bei der auf Joh 15,26 gestÛtzten Benennung des Hervorgehens des Geistes aus dem Vater (e™kporeuo´menon) wird para´ durch e™k ersetzt, wodurch diese Aussage dem Hinweis auf die Zeugung des Sohnes im zweiten Artikel korrespondiert (e™k tou˜ patro`ß gennvhe´nta).240 Außerdem weist das e™k auf den ewigen Ausgang der Ursprungsbeziehung hin, womit das VerhÅltnis von Sohn und Geist auf der Ebene der Existenzbeziehung noch nicht angesprochen ist. Da die in C eingeflossene Pneumatologie wesentlich auf der Pneumatologie der drei Kappadozier und ihrem großen Einfluß auf das Konzil beruht, ist davon auszugehen, daß die in der kappadozischen Theologie vorherrschende und allgemein akzeptierte Dimension des Hervorgehens durch (dia´) den Sohn und damit ein entsprechendes Ausgehen von Vater und Sohn auf der Existenzebene mitgemeint ist. Das bestÅtigt das Lehrdekret, welches die kappadozische Konzeption der innertrinitarischen Koinonia der drei Hypostasen bzw. Personen in einem Wesen (mı´a ou™sı´a – treı˜ß ušposta´seiß/rposw´poiß) aufgreift.241 Deshalb kann C weder fÛr das westliche Filioque noch fÛr das ×stliche alleinige (mo´nou) Ausgehen des Geistes aus dem Vater vereinnahmt werden, da es – auf der vorhergegangenen theologischen Entwicklung beruhend – fÛr die gleichzeitige BerÛcksichtigung von Ursprungs- und Existenzebene offen ist und diese Dimensionen impliziert.242 Daß C die prÅzisen theologisch-ontologischen Formulierungen meidet, weil es doxologisch und soteriologisch ausgerichtet ist, liegt in der Funktion begrÛndet, die ein Bekenntnis nach Auffassung der KirchenvÅter innehat. FÛr Basilius und Gregor von Nyssa steht das Bekenntnis kerygmatisch im Kontext von Doxologie und Anbetung. Es hat die Gottheit der trinitarischen Personen und ihr VerhÅltnis zueinander in biblisch-soteriologischer Redeweise auszusagen. Deshalb geht es in C nicht um die explizite Definition der Homousie des Heiligen Geistes, sondern um den Aufweis der Ho-

240 Vgl. zum Text des Bekenntnisses J. N. D. Kelly: Glaubensbekenntnisse, S. 295 f., und DH 150. Vgl. ferner W.-D. Hauschild: Dogma, S. 35. 241 Der synonyme Gebrauch von Hypostase und Person wurde auf dem 5. °kumenischen Konzil (553) bestÅtigt. 242 Diese Erkenntnis unterstÛtzt die Ansicht von J.-M. Garrigues: Standpunkt, S. 124, daß C „in sich bereits die FÛlle des katholischen Glaubens an den Heiligen Geist enthÅlt“. Vgl. insgesamt A. de Halleux: Konsensus, S. 75 f.; B. J. Hilberath: Pneumatologie, S. 499 ff.; B. Oberdorfer: Filioque, S. 97 ff.; J. Moltmann: VorschlÅge, S. 144 f. Zum Text des Lehrdekrets (Tomus) vgl. A. M. Ritter: Alte Kirche, S. 180.

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motomie, seiner dem Vater und dem Sohn ebenbÛrtigen AnbetungswÛrdigkeit, die auch im Zentrum der Auseinandersetzung mit den Pneumatomachen stand. So beinhaltet die Aussage, daß der Geist mit Vater und Sohn verherrlicht wird (sundoxa´zeshai), eine klare Absage an die Pneumatomachen und eine eindeutige Entsprechung mit den dogmatisch prÅzisen Homousieaussagen des Lehrdekrets. Die Anathema im Tomus und in Kanon I des Konzils lassen erkennen, daß sich sowohl die doxologisch geprÅgten Aussagen von C als auch die differenzierten ontologischen Aussagen der neunizÅnischen TrinitÅtsformel im Tomus gegen jegliche Einseitigkeit und VerfÅlschung der biblisch-×konomisch erkannten TrinitÅtslehre wenden. Die subordinatianistischen Arianer (Anhom×er, Hom×er) und Semiarianer (Pneumatomachen) werden ebenso verurteilt wie die modalistischen und adoptianistischen Sabellianer, Marcellianer und Photinianer. Im Vorgriff auf den christologischen Streit werden zugleich die Apollinaristen verurteilt, deren Modalismus die Annahme einer wirklichen Menschwerdung Christi verhinderte.243 Das aus Bekenntnis und Lehrdekret bestehende Dogma von 381 legte also Wert darauf, daß das biblische Paradoxon der gleichzeitigen Dreiheit und Einheit Gottes und damit der Zusammenhang von GegenÛber und NÅhe Gottes gewahrt bleibt. Wie Gottes Dreiheit garantiert, daß Gott wirklich Mensch werden kann, ohne seine Gottheit zu verlieren, so garantiert seine Einheit, daß es wirklich Gott ist, der Mensch wird. Als in innertrinitarischer Liebe existierendes pers×nliches GegenÛber kann sich Gott den Menschen in Liebe heils×konomisch zuwenden, ohne von der Welt abhÅngig zu werden oder in ihr aufzugehen. Eine Vereinnahmung Gottes wird ebenso ausgeschlossen wie seine Abschiebung in eine unerreichbare Transzendenz. Indem auf den Hinweis des dritten Artikels, daß der Geist schon „durch die Propheten geredet hat“, der Bekenntnisteil Ûber die „eine, heilige, katholische und apostolische Kirche“ folgt, wird im Kontext der Pneumatologie die heilsgeschichtliche KontinuitÅt aufgezeigt, in der die Kirche steht. So stellt der dritte Artikel die Verbindung zwischen Gotteslehre, Soteriologie und Ekklesiologie her, weil er von der Pneumatologie ausgeht244 und sich durch deren VerschrÅnkung mit den Ûbrigen Artikeln auf die gesamte TrinitÅt bezieht. Denn „Kirche ist keine [. . .] ‚autonome‘ Eigenwirklichkeit. Sie grÛn-

243 Zu den Texten vgl. A. M. Ritter: Alte Kirche, S. 180. Vgl. insgesamt ders.: Dogma, S. 212 f.; ders.: Konzil, S. 270 ff.; W.-D. Hauschild: Dogma, S. 28 ff. u. 43 ff.; G. Larentzakis: Kraft, S. 64. 244 Das hatte sich bereits in den Jahrzehnten vor dem Konzil angebahnt, als mit den BemÛhungen um eine Kirchenreform die Besinnung auf den Heiligen Geist einherging. Kirche, Taufe, SÛndenvergebung und Auferstehung werden in C als Entfaltung des Geistwirkens verstanden. Vgl. B. J. Hilberath: Pneumatologie, S. 500; W.-D. Hauschild: Dogma, S. 36–41; T. Schneider: Ort, S. 102 ff.

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det in und ist in ihrem Wesen ‚gezeichnet‘ von Gottes Selbstmitteilung“245. Deshalb basiert die kirchliche Koinonia auf der innerg×ttlichen Koinonia, die mit der Sendung des Sohnes offenbar wurde und an der der Heilige Geist Anteil gibt. Von daher hat sich die Kirche in empfangender Haltung dem Heiligen Geist zu ×ffnen, der sie zum Leib Christi zusammenschließt, in welchem Christus das Maß bleibt. Die differenzierte Verbindung von Christologie und Pneumatologie schlÅgt sich also in der Ekklesiologie nieder. Das bestÅtigen die vier Eigenschaften (notae) der Kirche, die C als Gegenstand des Glaubens bezeugt, da diese das Wesen der Kirche ausmachen, das sich in Entsprechung zum Ursprung der Kirche, dem trinitarischen Gott, als christologisch-pneumatologisch charakterisierte Koinonia erweist. So darf sich die kirchliche Institution nicht in widerg×ttlicher Selbstbetrachtung zum Selbstzweck machen. Was C konkret unter den Eigenschaften der Kirche versteht, lÅßt sich – wie bei den trinitarischen Aussagen – ebenfalls nur vor dem aufgezeigten Hintergrund der Theologie der KirchenvÅter bestimmen. Die Einheit der Kirche ist trinitarisch vorgegeben durch die Einheit von Vater und Sohn (Joh 17,21) sowie durch den einen Leib (Christi) und den einen Geist (Eph 4,3 ff.). Die ×kumenische Verpflichtung geh×rt somit unabweisbar zum Wesen der Kirche, deren Heiligkeit unmittelbar mit ihrer Einheit zusammenhÅngt. Ihre Heiligkeit, die sie durch die im Sohn neu er×ffnete und im Heiligen Geist gewÅhrte Gemeinschaft mit dem heiligen Gott erhÅlt (Eph 5,25.27; Hebr 13,12), kennzeichnet die Kirche – bzw. alle Christen – als Gemeinschaft der Heiligen (Act 9,13), die sie nur in universaler Einheit angemessen verwirklichen kann. Indem C nach der Heiligkeit sofort die KatholizitÅt der Kirche nennt, wendet es sich gegen eine einengende VerselbstÅndigung des Heiligkeitsbegriffs, die sich in elitÅren altkirchlichen Tendenzen Åußerte, welche das Heils- und KirchenverstÅndnis nur auf bestimmte Gruppierungen und Konfessoren oder auf spezifische heilige Handlungen und Dinge beschrÅnkten. Die im 4. Jahrhundert aufkommende Formel von der communio sanctorum (Apostolikum) wird durch C also als „Gemeinschaft der Heiligen“ – und zwar aller Christen – gedeutet, wÅhrend die zweite Deutungsm×glichkeit als „Gemeinschaft am Heiligen“ – insbesondere an der Eucharistie – nach dem Duktus von C nur auf die eucharistische Gemeinschaft aller Christen zielen kann und somit der ersten Deutung korrespondiert. Das entspricht der KatholizitÅt in ihrer Åußeren Dimension als universaler Glaubensgemeinschaft an allen Orten und durch alle Zeiten (Mt 28,19 f.; Act 1,8). Weil das universale Heilshandeln Gottes eine universale Heilsgemeinschaft verlangt, wird durch C jeglicher konfessionellen und nationalistischen Einengung des KirchenverstÅndnisses gewehrt. Die Grundlage fÛr den ×kumenischen Zusammenhalt der Kirche bietet die innere Dimension der KatholizitÅt, das, was zu allen Zeiten und von allen geglaubt wird, die FÛlle der Glaubenswahrheit, welche in der trinitarischen Selbstmitteilung Gottes erkennbar und im Bekenntnis festgehalten ist. Damit wird zugleich die ApostolizitÅt der Kirche aufgewiesen, die

245

J. Werbick: Kirche, S. 346.

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das in der Schrift festgehaltene und im schriftgmÅßen Bekenntnis zusammengefaßte Zeugnis der Apostel als bleibenden Maßstab der Kirche kennzeichnet. Das ordinierte Amt, das in das allgemeine Priestertum der Glaubenden eingebunden ist (I Petr 2,9; Apk 5,10), dient der geordneten Weitergabe dieser inhaltlich verstandenen ApostolizitÅt der Kirche („Lehre der Apostel“ – Act 2,42). So bleibt die Kirche abhÅngig von der im Heiligen Geist geschenkten Glaubenswahrheit, weshalb der Heilige Geist niemals mit der Kirche identifiziert werden darf, die als Institution nicht selbst bestimmender Faktor des Heils ist. Der Geist muß als Gabe und Geber anerkannt werden. Durch seine RÛckbindung an Christus behÅlt die Kirche ihren sichtbaren Maßstab, an dem sie immer wieder auszurichten ist.246

Vor diesem Hintergrund sind die Kennzeichen der sichtbaren Kirche (notae externae) stets danach zu befragen, ob sie den Eigenschaften (notae) bzw. dem Wesen der geglaubten verborgenen Kirche entsprechen. Ihre vorgegebenen Eigenschaften, die sie dem Handeln Gottes verdankt, hat die Kirche nÅmlich im menschlichen Wirken durch die Kennzeichen der rechten sichtbaren Kirche widerzuspiegeln.247 Die Kriterien fÛr die rechte Zuordnung der Åußeren Kennzeichen (Wort-, Sakraments-, AmtsverstÅndnis etc.) erhÅlt die Kirche, wenn sie die in C und in der Alten Kirche zu erkennende VerhÅltnisbestimmung von Schrift, Tradition und Kirche beachtet: Den Maßstab fÛr die ApostolizitÅt bietet das als maßgebender Kanon anerkannte Schriftzeugnis. Da die Schrift den Zusammenhang von gegebener und rezipierter Wahrheit bezeugt, weist sie selbst auf die ihr angemessene lebendige traditio apostolica hin, welche somit als kirchliche ºberlieferung und in der KontinuitÅt des Heiligen Geistes den einzig angemessenen Auslegungskontext der Schrift darstellt. Die schriftgemÅßen Bekenntnisse und Konzile stehen fÛr die Verwirklichung dieses dynamischen RelationsgefÛges von Schrift, Tradition und Kirche. Dieses GefÛge erm×glicht, die verschiedenen Traditionen anhand der apostolischen Tradition zu ÛberprÛfen, die wiederum innerhalb des pneumatologisch bestimmten Traditionsprozesses der Kirche an der Schrift zu messen ist. In der Alten Kirche werden Schrift, Tradition und Kirche also noch nicht gegeneinander ausgespielt, sondern ihrer jeweiligen Bedeutung entsprechend aufeinander bezogen248, was mit der ausgewogenen TrinitÅtslehre kor-

246 Vgl. insgesamt W. A. Bienert: KirchenverstÅndnis, S. 74 ff., wo sich auch noch einmal Belege zum entsprechenden VerstÅndnis der KirchenvÅter finden. Vgl. ferner U. von Arx (Hg.): Koinonia, S. 60 ff.; T. Nikolaou: Art. „Kirche III“, Sp. 634 f. Zum VerstÅndnis von communio sanctorum vgl. auch J. N. D. Kelly: Glaubensbekenntnisse, S. 381 ff.; F. E. Vokes: Art. „Apostolisches Glaubensbekenntnis I“, S. 550 f. 247 Zum VerhÅltnis von Eigenschaften und Kennzeichen, von Ursprung und Wesen der Kirche, von verborgener und sichtbarer Kirche sowie zur Unterscheidung von wahrer und falscher sichtbarer Kirche vgl. W. HÅrle: Art. „Kirche VII“, S. 281–293. 248 Zum dynamischen VerhÅltnis von Schrift, Tradition und Kirche in der Alten Kirche vgl. M. Haudel: Bibel, S. 268 ff., wo außerdem gezeigt wird, auf welche Weise die moderne ×kume-

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reliert: Die Begleitung Christi durch den Heiligen Geist auf dem Weg der Kirche lÅßt sich als Analogie zum ºberlieferungsprozeß der lebendigen Tradition erkennen, der die Kirche begleitet. WÅhrend Christus – aufgrund der christologischen Anbindung der Pneumatologie – im Prozeß der vom Geist vollzogenen Begleitung der Kirche das sichtbare Maß der Kirche bleibt, enthÛllt sich analog dazu die Schrift – aufgrund der RÛckbindung der Tradition an die Schrift – als bleibender Maßstab der Tradition. Wie Christus jedoch nur durch den Heiligen Geist vergegenwÅrtigt wird, bedarf auch die Schrift des lebendigen kirchlichen Traditionsprozesses. Die aufgezeigte Analogie ergibt sich dadurch, daß Christus das menschgewordene Wort Gottes ist, welches durch den Heiligen Geist vergegenwÅrtigt wird. Also liefert die ausgewogene altkirchliche TrinitÅtslehre nicht nur einen trinitÅtstheologischen und ekklesiologischen Rahmen fÛr jegliche weitere theologische Entwicklung, sondern auch einen hermeneutischen Rahmen. Der Aufweis der Interdependenz zwischen der TrinitÅtslehre und den hermeneutischen Kriterien der Ekklesiologie lÅßt sich auch empirisch nachvollziehen. So stehen Kirchen, die sich in ihrer Ekklesiologie einseitig auf den Empfang des Geistes konzentrieren und die Christologie vernachlÅssigen, in der Gefahr einer ºberbetonung der Tradition. Andererseits kann es in mehr christologisch ausgerichteten Kirchen zu einer Unterbewertung der Tradition kommen. Umgekehrt vermag der primÅre RÛckgriff auf die Tradition eine pneumatologische PrioritÅtensetzung in der TrinitÅtslehre hervorzurufen – oder der einseitige Schriftbezug eine christologische PrioritÅtensetzung. Deshalb ÛbertrÅgt sich die in C zum Ausdruck kommende altkirchliche Ausgewogenheit in der TrinitÅtslehre und bei den ekklesiologischen Kriterien beispielhaft auf das KirchenverstÅndnis. Die in der TrinitÅtslehre und bei den ekklesiologischen Kriterien zu beobachtende Perichorese findet ihren Niederschlag in den kirchlichen Strukturen, die sich als Koinonia von gegenseitigem Geben und Empfangen erweisen. Aus dem katholischen Wesen der Kirche ergibt sich der Auftrag, das in der Heilsgeschichte des trinitarischen Gottes gewÅhrte Heil aller Welt zu bezeugen249, wozu alle Christen durch den Heiligen Geist ermÅchtigt sind. Das darin zum Ausdruck kommende Priestertum aller Glaubenden bildet den Kontext des ordinierten Am-

nische Bewegung mit der Einigung auf das dynamische RelationsgefÛge von Schrift, Tradition und Kirche v×llig neue Chancen fÛr die °kumene er×ffnet hat (vgl. Anm. 97 u. 115, I. Kap.). Einzelbelege fÛr ein dynamisches ºberlieferungsverstÅndnis bei den KirchenvÅtern in Ost und West finden sich bei A. Buckenmaier: „Schrift“, S. 62 ff. Vgl. dazu M. Haudel: Rezension „Buckenmaier“. 249 Im Blick auf das MissionsverstÅndnis ist es deshalb „theologisch nicht zu begrÛnden, daß die christliche Kirche irgend jemand gegenÛber von der Aufgabe der Bezeugung des Wortes Gottes entbunden wÅre“ (W. HÅrle: Art. „Kirche VII“, S. 294).

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tes, das um der Ordnung und der ×ffentlichen VerkÛndigung in Wort und Sakrament willen notwendig ist und das der Einheit dient. Es erwÅchst aus der Gemeinde und hat zugleich den Charakter einer von Gott verliehenen und eingesetzten Gnadengabe, so daß es in der Perichorese von Amt und Gemeinde „GegenÛber und NÅhe“ zugleich reprÅsentiert. Dabei bleiben Amt und Gemeinde aufeinander angewiesen. Die perichoretisch geprÅgte ekklesiologische Einheit in Vielfalt entspricht der trinitarischen Perichorese mit ihren Spezifika bzw. Proprien auf der Ursprungsebene und deren Einbindung in die gleichursprÛngliche RelationalitÅt, welche durch die ewigen Existenzbeziehungen unterstrichen wird. Denn das Amt bildet ein ekklesiologisches Spezifikum, das aber graduell gleichwertig in die relationale Gemeinschaft des allgemeinen Priestertums eingebunden ist. Diese Ekklesiologie der Gemeinschaft und ihre Analogie zur trinitarischperichoretischen Einheit in Vielfalt prÅgt auch das VerhÅltnis von Orts- und Universalkirche. Denn jede partikulare eucharistische Gemeinschaft bzw. Ortskirche verk×rpert in Analogie zu den jeweiligen trinitarischen Personen je fÛr sich das Wesen der ganzen Kirche, die wiederum in der synodalen bzw. konziliaren Gemeinschaft aller Ortskirchen existiert (analog der wesenseinen trinitarischen RelationalitÅt). Auch wenn diese ZusammenhÅnge nicht in solch detaillierter Weise von den KirchenvÅtern expliziert werden, sind sie doch implizit erkennbar. So bekrÅftigt die Tatsache, daß BeschlÛsse der auch von Laien besuchten Konzile im Leben der Ortskirchen zu rezipieren sind, fÛr die Universalkirche die Bedeutung des Eingebundenseins des ordinierten Amtes in das Priestertum aller Glaubenden und somit den perichoretisch-gemeinschaftlichen Charakter der Kirche. Das auf der heilsgeschichtlichen Gemeinschaft mit dem dreieinigen Gott beruhende KirchenverstÅndnis der Alten Kirche beinhaltet also „wesentlich eine Ekklesiologie der Gemeinschaft“250, deren Ausgewogenheit mit der Ausgewogenheit der TrinitÅtslehre einhergeht, bei der 381 alle Einseitigkeiten Ûberwunden waren. Mit Hilfe des biblisch-×konomischen Ansatzes haben die KirchenvÅter „ihren bleibenden Konsens gefunden“251 und „die Grundlagen der kirchlichen TrinitÅtslehre und ihrer Begrifflichkeit gelegt“252. Damit lieferten sie fÛr die weitere theologische Reflexion den Rahmen, in dem „das Ganze des christlichen Glaubens in eins zusammengefaßt

250 P.-T. Camelot: Lehre, S. 45. Vgl. G. May: Art. „Kirche III“, S. 218 ff.; S. Wiedenhofer: Ekklesiologie, S. 71 ff., und G. Harkianakis: Entwicklung, S. 9 ff., der an die Bedeutung des 34. Kanons erinnert, welcher die Einheit der Kirche aus der trinitarischen Einheit ableitet. 251 J. TrÛtsch: Stellungnahme, S. 69. 252 W. Kasper: Gott, S. 347.

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ist, ohne daß dadurch VerkÛrzungen und Verarmungen eintreten. Hier tut sich vielmehr ein unerh×rt weiter Raum auf, in dem man sich jedoch nicht orientierungslos verliert, sondern zu allem hingeleitet wird, was zum Inhalt der biblischen Offenbarung geh×rt.“253 Das gilt neben der Gotteslehre vor allem fÛr das OffenbarungsverstÅndnis, die Ekklesiologie und ihre hermeneutischen Kriterien (VerhÅltnis von Schrift, Tradition und Kirche). Auf der Grundlage der TrinitÅtslehre entstand fÛr das ekklesiologische und hermeneutische VerstÅndnis ein definitiver Rahmen, der Einseitigkeiten und VerkÛrzungen zu verhindern vermag, aber bis heute von den Kirchen kaum zur Kenntnis genommen wird. Deshalb behÅlt das Dogma von 381 vor dem theologischen Hintergrund seiner Entstehung „bleibende fundamentale Bedeutung fÛr die Kirche und ihre IdentitÅt“254. Denn es verhindert nicht nur die einseitige Aufl×sung des biblischen Paradoxons von Einheit und Dreiheit, die immer eine Art der Vereinnahmung des lebendigen Gottes intendiert255, sondern auch die damit korrespondierenden ekklesiologischen Einseitigkeiten, welche wiederum verschiedenste Formen ekklesiologischer Selbstbehauptung erm×glichen256. Weil solche trinitÅtstheologischen und ekklesiologischen Einseitigkeiten und VerkÛrzungen bis heute von der TrinitÅtstheologie her gesehen pantheistischen, theistischen oder atheistischen Konzeptionen Vorschub leisten und auf Seiten der Ekklesiologie klerikalzentralistische oder spirituell-individualistische Kirchenbegriffe hervorrufen, hat der definitive trinitÅtstheologische, hermeneutische und ekklesiologische Rahmen, den die KirchenvÅter 381 abschließend formulierten, bleibende AktualitÅt. Dieser fÛr das heutige ×kumenische GesprÅch hilfreiche und maßgebende Rahmen wurde in Ûbergreifender Zusammenarbeit der KirchenvÅter des Ostens und des Westens erzielt, weshalb „diese AusprÅgung der TrinitÅtslehre [und der Ekklesiologie] ein hervorragendes Beispiel fÛr ×kumenischen Konsens Ûber die Wahrheit“257 bietet. Die hier vorgelegten Ergebnisse dÛrften die Vermutung Walter Kaspers belegen, daß „die WÅnde, die man oft kÛnstlich aufgerichtet hat, [. . .] durchsichtig und durchlÅssig nach beiden Richtungen“258 sind. Das bezeugt die einhellige Rezeption, die das Dogma von 381 aufgrund sachlicher Kriterien in Ost und West erfuhr. Seine „Rezeption als eines schriftgemÅßen Lehrausdrucks“ ließ das Dogma „in sei-

253 254 255 256 257 258

G. Ebeling: Dogmatik III, S. 540. Vgl. A. M. Ritter: Dogma, S. 213. W. Kasper: Gott, S. 317. S. o., S. 94 f. u. 100 f. S. o., S. 34 ff., und siehe Kap. III,1. D. Ritschl: Logik, S. 181. W. Kasper: Gott, S. 363.

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nem Sachgehalt an der AutoritÅt des Wortes Gottes“259 partizipieren. Die ost-westliche °kumenizitÅt kam 382 formal in der Anerkennung des Dogmas durch die r×mische Synode unter Papst Damasus I. zum Ausdruck (Tomus Damasi), und auch im Athanasianum (Symbolum Quicumque: 5. Jahrhundert/Gallien) fand die neunizÅnische TrinitÅtslehre ihren expliziten Niederschlag.260 „Den eindeutigen Schlußpunkt des trinitÅtstheologischen Streits bildete die definitive reichsweite kirchenrechtliche Anerkennung der ‚neunizÅnischen‘ Synthese auf ×stlichen wie westlichen Synoden der Jahre 381/382.“261 So wurde das Nicaeno-Constantinopolitanum zur bleibenden Basis des Christentums in Ost und West, die aber bis heute mit ihren theologischen und ekklesiologischen Implikationen viel zu wenig wahrgenommen wird. Das liegt nicht zuletzt an der weiteren Entwicklung der Kirchengeschichte, die sich im Osten wie im Westen zunehmend von dem biblisch×konomischen Ansatz entfernte und sich auf verschiedene Weise in spekulativer Ausrichtung einseitig bestimmter trinitarischer und ekklesiologischer Aspekte bediente.262 Diese Entwicklung, die in allen Konfessionen im 19. und 20. Jahrhundert eine Neubesinnung auf die TrinitÅtslehre notwendig werden ließ, soll deshalb wie die ihr folgende trinitÅtstheologische Besinnung im nÅchsten Kapitel aufgezeigt und analysiert werden, und zwar hinsichtlich der fÛr das Thema der Untersuchung bedeutsamen Gesichtspunkte. Nur in diesem theologiegeschichtlichen Kontext wird der Hintergrund der jÛngeren Versuche einer trinitÅtstheologischen Neuorientierung mit ihren ekklesiologischen Konsequenzen transparent, und es lÅßt sich erkennen, wo die Versuche bereits Fortschritte erzielt haben und wo sie selbst noch in den jeweiligen Einseitigkeiten gefangen bleiben. Zur ºberwindung der einseitigen Fehlentwicklungen und ihrer bis heute wirksamen Folgen vermag das Dogma von 381 beizutragen, wenn es vor dem Horizont der ihm zugrundeliegenden altkirchlichen Theologie, besonders der kappadozisch-neunizÅnischen Theologie, gesehen wird. Denn diese erm×glicht die vom Verfasser vorgenommene PrÅzisierung des ×konomischtrinitarischen Ansatzes zu einer BIBLISCH-×konomischen Ausrichtung. Gleiches gilt fÛr die vom Verfasser vollzogenen Neubestimmungen bzw. Differenzierungen im VerhÅltnis von Ahnung und Offenbarung, von spekulativer 259

W.-D. Hauschild: Dogma, S. 46. Vgl. ebd., S. 31 ff. Vgl. auch A. Ganoczy: Aspekte,

S. 52 f. 260 Vgl. zum Text des Tomus Damasi DH 152–177. Vgl. zu dessen Entstehungsgeschichte C. Markschies: Ambrosius, S. 142 ff. Zu den neunizÅnisch-kappadozischen Formulierungen des Athanasianums vgl. ders.: „. . .et tamen non tres Dii“, S. 155 f., und ders.: Luther, S. 52. Zur im Athanasianum betonten Verbindlichkeit dieser Glaubenszusammenfassung vgl. G. R. Schmidt: Bedeutung, S. 90. 261 C. Markschies: „. . .et tamen non tres Dii“, S. 176. 262 Vgl. L. Scheffczyk: Formulierung, S. 187; W. Kasper: Gott, S. 318 f.; S. Wiedenhofer: Ekklesiologie, S. 75 ff.

Rahmen fÛr die °kumene

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und ×konomischer Energienlehre, von innertrinitarischer Ursprungs- und Existenzebene sowie von „GegenÛber und NÅhe“ Gottes. Wie die außerdem herausgestellte Gleichzeitigkeit von intra- und interpersonaler Dimension Gottes k×nnen diese PrÅzisierungen und Neubestimmungen die ×kumenische VerstÅndigung Ûber das OffenbarungsverstÅndnis und die TrinitÅtslehre und damit auch Ûber die Ekklesiologie voranbringen.

III. Kapitel: Die kontroverse Weiterentwicklung der TrinitÅtslehre mit ihren ekklesiologischen Implikationen als Anlaß trinitÅtstheologischer Besinnung im 19. und 20. Jahrhundert 1. Die scholastische Entwicklung im Westen und die photinianischpalamitische Entwicklung im Osten als einseitige Weiterentwicklungen Zur angemessenen Beantwortung der Frage, warum im Westen eine Besinnung auf die TrinitÅtslehre und eine trinitÅtstheologische NeubegrÛndung notwendig wurden und warum sich in der ostkirchlichen Theologie ebenfalls Versuche einer derartigen NeubegrÛndung finden, ist ein Blick auf die kontroverse Weiterentwicklung der TrinitÅtslehre nach der Zeit der Alten Kirche sowie auf die Konsequenzen dieser Entwicklung im 19. und 20. Jahrhundert zu werfen. Das Augenmerk gilt dabei den Fragestellungen, bei denen bis heute keine ºbereinstimmung erzielt werden konnte. Vor dem Hintergrund dieser Betrachtungen sind sowohl die Ursachen der noch bestehenden Divergenzen als auch die M×glichkeiten ihrer ºberwindung klarer zu erfassen. Maßgeblich fÛr die Weiterentwicklung abendlÅndischer TrinitÅtslehre und Ekklesiologie blieb die Theologie Augustins, die zwar von der MentalitÅt westlichen Denkens geprÅgt war, sich aber sehr differenziert darstellte und die ×stliche Theologie rezipierte, so daß sie viele der Einseitigkeiten spÅterer westlicher EntwÛrfe noch nicht aufwies.1 Erst die weiteren kirchen- und theologiegeschichtlichen UmstÅnde f×rderten eine einseitige Rezeption der in der augustinischen Konzeption angelegten Grundmuster westlicher Theologie und ihrer Gefahren, wodurch sich zunehmend charakteristische PrioritÅten und Defizite des westlichen Gottes- und KirchenverstÅndnisses entwickelten. Bereits Augustins Orientierung an der Einheit des Wesens Gottes, die durch die Auseinandersetzung mit neoarianischen Str×mungen forciert wurde, lÅßt im Vergleich zu den Kappadoziern erkennen, daß Augustin in bezug auf die trinitarischen Personen primÅr von der Gemeinsamkeit des g×ttlichen Wesens ausging und die konstitutive Vermittlung des g×ttlichen Lebens durch die gegenseitigen Beziehungen vernachlÅssigte.2 Auch 1 2

S. o., S. 71 ff. (westliche Einseitigkeiten) u. S. 139 ff. (Augustins TrinitÅtslehre). Vgl. W. Pannenberg: Theologie I, S. 351 f. Zu den Tendenzen der augustinischen TrinitÅts-

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in der Darstellung der Gemeinsamkeit der g×ttlichen Handlungen ad extra kam bei ihm nicht mehr so deutlich wie bei Gregor von Nyssa zum Ausdruck, wie jede der drei g×ttlichen Personen auf die ihr eigentÛmliche Weise beteiligt ist. Eine undifferenzierte Rezeption Augustins konnte deshalb zu der spÅteren Tendenz der lateinischen Kirche fÛhren, die trinitarischen Relationen der einen g×ttlichen Natur nachzuordnen und die heilsgeschichtlichen ProprietÅten (EigentÛmlichkeiten) auf bloße Appropriationen (Zueignungen) zu reduzieren.3 Die BefÛrworter des Filioque beriefen sich ebenfalls auf Augustin, der vom Ausgang des Geistes von Vater und Sohn (ab utroque) zu sprechen vermochte, zumal er den Geist als Liebesband zwischen Vater und Sohn oder – im Rahmen der psychologischen Analogie – als Willensakt bezeichnete. Augustins enge Anbindung der Pneumatologie an die Christologie wurde durch seine Ekklesiologie bestÅrkt, in der der Heilige Geist als Liebe und Gemeinschaft der Kirche die Seele des Leibes Christi darstellt, was Augustin gegenÛber den Donatisten betonte, welche die GÛltigkeit der Sakramente von der Heiligkeit ihres Spenders abhÅngig machten. Weil der Geist nach Augustin der Gesamtkirche innewohnt, tritt die kontingente Gabe einzelner Charismen in den Hintergrund. Diese Tendenz fand RÛckhalt in Augustins Gnadenlehre, die vom westlichen GottWelt-Dualismus mit seiner anthropologisch-soteriologisch orientierten Hervorhebung des Gott-SÛnder-VerhÅltnisses geprÅgt war und den Geist deshalb primÅr als eine grundsÅtzliche Kraftmitteilung Christi verstand, die den Menschen auf den Glauben hin umwandelt. Wenn somit die zunehmende westliche Fixierung auf das Filioque durchaus Anhalt in Augustins Theologie hatte, in welcher der Geist als Funktion Christi in Erscheinung trat, konnte sich die entstehende exklusive Verwendung des Filioque jedoch nicht auf Augustin berufen, da dieser keineswegs verschwiegen hatte, daß der Geist principaliter vom Vater ausgeht.4 Ebenso verhielt es sich mit der einseitigen Rezeption von Augustins psychologischer TrinitÅtslehre, die Augustin noch als unzureichende Analogie eingestuft hatte, wÅhrend sie bei Anselm von Canterbury schon als Maßstab galt, der die Angemessenheit der Rede von drei g×ttlichen Personen in Frage stellte. „Erst in der Scholastik, vor allem bei Anselm von Canterbury [. . .] haben solche spekulativen Ableitungen das ºbergewicht bekommen“5. Daß man im Abendland vor allem die intrapersonale psychologische Trini-

lehre vgl. insgesamt Augustins 15 BÛcher Ûber die TrinitÅt (De Trinitate I–XV) und die Grundlagen in der bereits erfolgten Analyse (s. o., S. 139 ff.). 3 Vgl. G. Wagner: Geist, S. 220; B. J. Hilberath: Pneumatologie, S. 446. 4 S. o., S. 71 ff. u. 139 ff. Vgl. A. Schindler: Charis, S. 235 ff.; W.-D. Hauschild: Art. „Geist IV“, S. 202 f.; ders.: Lehrbuch I, S. 225 ff.; L. Scheffczyk: Formulierung, S. 202 ff.; B. J. Hilberath: Pneumatologie, S. 505 ff.; D. Ritschl: Geschichte, S. 38. 5 W. Kasper: Gott, S. 275.

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tÅtslehre rezipierte, hat die Einseitigkeit der westlichen TrinitÅtslehre mitbedingt. Ein weiteres Beispiel fÛr die einseitige Weiterentwicklung der abendlÅndischen TrinitÅtslehre bietet die scholastische Vorordnung der natÛrlichen Erkenntnis der Einheit Gottes (Gilbert de la Porr³e/ca. 1080–1154), die Augustins Beachtung der vestigia trinitatis ausblendete.6 Durch die Konzentration auf die psychologischen Analogien trat die ×konomische TrinitÅt zugunsten einer immer isolierter betrachteten immanenten TrinitÅt in den Hintergrund, anhand derer das eine g×ttliche Wesen als in drei Subsistenzweisen existierend verstanden wurde. Das fÛhrte zu einer ontologisch-metaphysischen Hermeneutik, die der rationalen westlichen Denkweise entgegenkam. Von diesem Ansatzpunkt aus ordneten viele scholastische EntwÛrfe deduktiv die in der Heils×konomie begreifbaren Erkenntnisse ein. Auch der Heilige Geist wurde als „Person“ primÅr innertrinitarisch als Willensakt des Selbstvollzugs g×ttlichen Denkens verstanden, wÅhrend man ihn in bezug auf die Welt lediglich als g×ttliche Kraft einstufte. Mit dem schwindenden VerstÅndnis des Heiligen Geistes als personaler Gegenwart Gottes in der Heilsgeschichte deutete sich an, daß „im Laufe der abendlÅndischen Dogmengeschichte die ganze TrinitÅtslehre weitgehend von der konkreten Erfahrung losgel×st wurde und daher nur noch als eine abstrakte Spekulation erschien“7. Entsprechend wurden auch die neutestamentlichen Kenosisaussagen mehr und mehr von den metaphysischen Vorstellungen der UnverÅnderlichkeit, der Leidens- und Leidenschaftslosigkeit Gottes Ûberdeckt. WÅhrend Augustin die neuplatonische Philosophie noch fÛr den christlichen Glauben instrumentalisiert hatte, hinterließen die neuplatonischen Spekulationen im 6. Jahrhundert bei Pseudo-Dionysius Areopagita umgekehrt deutliche Spuren im christlichen GottesverstÅndnis, da die Trias in die Reihe der Seinsentfaltungen des g×ttlichen Urgrundes rÛckt. Neben der Gefahr, daraus eine sich entfaltende hierarchische Amtsstruktur abzuleiten, bestand die Versuchung, die TrinitÅt als kosmologischen Prozeß zu deuten. Das kam im 9. Jahrhundert noch deutlicher bei Johannes Scotus Eriugena zum Tragen, der eine in den Weltprozeß eingehende TrinitÅt lehrte, die pantheistisch gefÅrbt mehr auf die Geschichte des Kosmos als auf die Geschichte des Heils ausgerichtet war. Die ºberdeckung des biblisch-heils×konomischen Ansatzes durch metaphysisch-spekulative Argumente ließ erneut tritheistische und modalistische Tendenzen aufleben. So faßte Roscellin (gest. um 1125) die trinitarischen Personen als getrennte Wesen auf, die lediglich

Vgl. W. Pannenberg: Theologie I, S. 307 u. 321; B. J. Hilberath: Pneumatologie, S. 504. H. Aldenhoven: Zusammenhang, S. 134. Vgl. insgesamt L. Scheffczyk: Formulierung, S. 204 f. 6 7

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durch ein moralisches Willensband verbunden seien. Abaelard (1079–1142) hingegen betonte die absolute g×ttliche Substanz derart, daß seine Gotteslehre in die NÅhe des Modalismus geriet.8 Mit Abaelard steht bereits einer der VÅter der Scholastik vor Augen, die sich unter der PrÅmisse der Denknotwendigkeit des Glaubens der Vereinbarkeit von Vernunft (ratio) und Offenbarung (auctoritas) widmete und zur rationalen Explikation der Glaubenswahrheiten ein umfangreiches Methodeninstrumentarium entwickelte. Als Wegbereiter des scholastischen Denkens (fides quaerens intellectum) gab Anselm von Canterbury (1033/4– 1109) der augustinischen TrinitÅtslehre unter ZurÛckstellung der heils×konomischen Perspektive eine wesentlich rationalere und spekulativere PrÅgung. Die spekulativen psychologischen Analogien wechseln aus dem Bereich der Anschaulichkeit in den Bereich hermeneutischer Maßgeblichkeit, und die innertrinitarischen Beziehungen werden nur auf der Ebene von Ursprungsbeziehungen definiert, da nach Anselm in Gott alles eins ist, sofern dem nicht eine Gegenseitigkeit der Beziehungen entgegensteht (De proc. Spir. Sancti, Kap. 1). Aufgrund der undifferenzierten Wahrnehmung der innertrinitarischen Beziehungen werden Vater und Sohn ein einziges Prinzip fÛr den Hervorgang des Geistes, was ein exklusiv verstandenes Filioque nach sich zieht. In seinen Gottesbeweisen schließt Anselm von der Denknotwendigkeit Gottes auf dessen Sein, weil der Gedanke an etwas bestehe, Ûber das hinaus nichts Gr×ßeres gedacht werden k×nne, und da etwas Gr×ßeres existiere, als gedacht werden k×nne (Proslogion, Kap. 2 u. 15). Die zeitgen×ssische Verteidigung dieses Arguments durch Walter Kasper wÅre nur dann haltbar, wenn bei Anselm eine auf TranszendentalitÅt verweisende Ahnung gemeint sein sollte und nicht eine ableitbare Notwendigkeit. Gegen letztere haben sich vor Kants Kritik an der ºbereinstimmung von Sein und Denken bereits Zeitgenossen Anselms gewandt, wie zum Beispiel der M×nch Gaunilo, der den ºbergang von Denk- in Seinsstrukturen fÛr nicht belegbar hielt.9 Die intrapersonale und rationale Orientierung der Gotteslehre Anselms baute Thomas von Aquin (1225–1274) in der Hochscholastik mit Hilfe des neu erwachten Aristotelismus aus. Obwohl er die Heilsgeschichte nicht außer acht ließ, konzentrierte er sich in erster Linie auf die Metaphysik. Er ging von der natÛrlichen Erkenntnis des einfachen Wesens bzw. der Einheit Gottes (unitas essentiae in Deo – Summa theol. I,32,1) aus, um daraus die

8 Seine Identifizierung des Heiligen Geistes mit der platonischen Weltseele ließ ausßerdem den Verdacht des Pantheismus aufkommen (vgl. W.-D. Hauschild: Lehrbuch I, S. 565). Vgl. insgesamt L. Scheffczyk: Formulierung, S. 206–208; ders.: Traditionen, S. 56 f.; J. Werbick: Kirche, S. 342 f. 9 Vgl. W. Kasper: Gott, S. 145. Vgl. insgesamt ebd., S. 275; J.-M. Garrigues: Standpunkt, S. 122; W.-D. Hauschild: Lehrbuch I, S. 549 ff.; J. Werbick: TrinitÅtslehre, S. 505.

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innertrinitarischen relationalen Subsistenzweisen ansatzweise zu rekonstruieren, wobei sich ihm die TrinitÅt aber letztlich erst aus der Offenbarung erschloß. Auch wenn auf diese Weise die Ahnung des trinitarischen Gottes auf die Offenbarung angewiesen blieb, kam der Aquinate dennoch zu einer Zweiteilung in natÛrliche (De Deo uno) und ÛbernatÛrliche Erkenntnis (De Deo trino), weil er voraussetzte, man k×nne das allgemeine Wesen Gottes (De Deo uno) unter Absehung von der geoffenbarten TrinitÅt (De Deo trino) erschließen. Der damit verbundene Vorrang der Wesenseinheit gegenÛber der Dreiheit sowie der theologia gegenÛber der oiconomia ließ sogar die Menschwerdung des Sohnes nur als Appropriation erscheinen und fÛhrte in der Wirkungsgeschichte zur Funktionslosigkeit der TrinitÅt fÛr die Heils×konomie. Außerdem bildete sich aus der bei Thomas noch vorhandenen Beziehung der Natur zu Gnade und Offenbarung – spÅtestens seit der r×mischen Gegenreaktion auf die Forderung des L×wener Theologen Bajus nach einem natÛrlichen Recht auf Gnade – eine eigenstÅndige natÛrliche Theologie ohne Gnadenbezug, die ihren wachsenden Anspruch als kritische Instanz gegenÛber der Offenbarung geltend machte.10 Mit seinem trinitÅtstheologischen Ansatz gab Thomas ferner den Ausschlag dafÛr, daß sich die intrapersonale TrinitÅtslehre mit ihren psychologischen Analogien im Westen durchsetzte und Gott weniger als innertrinitarische Koinonia, sondern mehr als geistiger Selbstvollzug gedacht wurde, weshalb nicht die vollkommene gegenseitige Durchdringung der drei Personen (circumincessio) im Vordergrund stand, sondern die bloße gegenseitige InhÅrenz (circuminsessio) von Erkennendem und Liebendem durch die Kraft des liebenden Willens. Die Charakterisierung des Heiligen Geistes als Liebe wurde von Thomas lediglich als Appropriation angesehen (Comp. Theol. I,147), und die permanenten innertrinitarischen Beziehungen galten als gleichf×rmig konstitutiv. Dadurch bestÅrkte er das Filioque ebenso wie die westliche Tendenz, nicht deutlich genug zwischen innertrinitarischen Ursprungsbeziehungen (Hervorgang des Geistes aus dem Vater) und Existenzbeziehungen (Ausgang von Vater und Sohn) zu differenzieren und letztere in die QualitÅt von Ursprungsbeziehungen zu erheben (zwei Prinzipien des Geistes), was die Filioque-Tradition nochmals unterstÛtzt. Die Christologie erhielt somit gegenÛber der Pneumatologie eine Vorrangstellung, die auch in der Interdependenz von thomistischer TrinitÅtslehre und Ekklesiologie zum Ausdruck kommt. Thomas postuliert, die Ablehnung der r×mischen Primatslehre stelle die Hoheit Christi in gleicher Weise in Frage wie es durch die Leugnung des Filioque geschehe.11 Die feh10 Vgl. E. JÛngel: Entsprechungen, S. 164 f.; A. Peters: TrinitÅtslehre, Sp. 565; W. Breuning: Art. „Gotteslehre II“, Sp. 925 f.; W. Kasper: Gott, S. 320 u. 378 f.; W.-D. Hauschild: Lehrbuch I, S. 603 ff.; J. Werbick: TrinitÅtslehre, S. 506; L. Oeing-Hanhoff: Ontologie, S. 175 u. 178. 11 Vgl. A. Ganoczy: Aspekte, S. 62; B. J. Hilberath: Pneumatologie, S. 515; J. Werbick: Trini-

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lende EigenstÅndigkeit des Heiligen Geistes in der TrinitÅtslehre spiegelt sich in seiner fehlenden Funktion fÛr eine Šmter- und Charismenvielfalt wider. Weil der Heilige Geist unter dem Vorzeichen der Christologie ganz an das sakramental und kirchlich vermittelte Gnadengeschehen gebunden wird, spielt er fÛr die „ekklesiologischen Aussagen mittelalterlicher Theologie [. . .] kaum eine Rolle, die institutionskritische Komponente der Pneumatologie kommt zumindest in den Hauptstr×mungen nicht zum Tragen“12. Daran Ånderte auch die scholastische Differenzierung zwischen gratia increata (Geisteinwohnung) und gratia creata (Begnadung) nichts. Sie sollte gegenÛber der Identifizierung von Heiligem Geist und caritas bei Petrus Lombardus (ca. 1095/1100–1160) die Unterscheidung von Geber und Gabe sicherstellen und so eine anthropologische Vereinnahmung des Geistes verhindern. Aufgrund des intrapersonalen Ansatzes gelang es der scholastischen Unterscheidung aber nicht, den Geist angemessen als Person und Geber darzustellen, da die Unterscheidung von geschaffener und ungeschaffener Gnade seine personale Anwesenheit bei der Begnadung nicht voraussetzte.13 Neben der Ûber Anselm und Thomas fÛhrenden – wirkungsgeschichtlich einflußreichen – Linie, die Augustins intrapersonal-psychologische Analogien in einen beherrschenden Rang erhob, gab es aber auch Versuche, die – mehr heils×konomisch orientiert – das interpersonale Moment und damit eine eigenstÅndigere und kirchenkritischere Funktion des Heiligen Geistes herausstellten. ZunÅchst erinnerte die monastisch und mystisch geprÅgte Theologie des Bernhard von Clairvaux (1090–1153) an die Dimension der Glaubenserfahrung, die er gegen jegliche Methode aufsteigender Erkenntnis auf das heilsgeschichtliche Kommen Gottes bezog, weshalb er eine empfangende Hermeneutik forderte. Obwohl sich in der Mystik eine der Scholastik kaum nachstehende Konzentration auf die Christologie zeigt, kommt es in dem Versuch des Richard von St. Viktor (gest. 1173), Mystik und Scholastik zu verbinden, auf der Grundlage eines mehr interpersonalen Ansatzes zu einer eigenstÅndigeren Funktion des Heiligen Geistes, da der Geist als Mitgeliebter (condelictus) definiert wird. Dieser interpersonale Ansatz beruht auf dem VerstÅndnis der ewig und geschichtlich sich mitteilenden g×ttlichen Liebe, die in ihrer innerg×ttlichen Gegenseitigkeit nur vollkommen ist, wenn die zuteil gewordene Liebe (Vater und Sohn) selbstlos einem Dritten (Geist) weitervermittelt wird (De trin. III,11). Obwohl der Geist auch hier im Sinne der Filioque-Tradition als rein passiv erscheint, neigt Richard zu tÅtslehre, S. 507; L. Scheffczyk: Formulierung, S. 211 f.; O. H. Pesch: Art. „Thomas v. Aquin IV“, Sp. 127 ff. 12 B. J. Hilberath: Pneumatologie, S. 517. Vgl. W.-D. Hauschild: Art. „Geist IV“, S. 206. 13 Vgl. W.-D. Hauschild: Art. „Geist IV“, S. 205; ders.: Lehrbuch I, S. 574 u. 585 f.; B. J. Hilberath: Pneumatologie, S. 516 f.; R. W. Jenson: Grundlegung, S. 16.

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der griechischen Anschauung vom Quellprinzip des Vaters, insofern als er vom „Ek-sistieren“ der Personen spricht, deren „In-sich-Stehen“ (sistere) das „Von-einem-her-Sein“ (ex) beinhaltet. Dadurch wird die Bedeutung der eigentlichen Ursprungsbeziehungen wieder deutlicher hervorgehoben.14 In Anlehnung an diesen interpersonalen Ansatz erinnerte Bonaventura (gest. 1274) an die eigentÛmlichen Beziehungen der trinitarischen Personen zur Welt (ProprietÅten), was Rupert von Deutz (gest. um 1130) in heils×konomischer Ausrichtung an der Dreiteilung der Weltgeschichte (Sch×pfung, Erl×sung, Heiligung) demonstrierte.15 Im Blick auf die Einheit der AußentÅtigkeit Gottes achtete Rupert darauf, „daß er die eine Person niemals von den anderen getrennt handeln lÅßt, so daß sie in den opera ad extra zusammenwirken, aber doch derart, daß jedes Werk nach außen nach der Ordnung der HervorgÅnge erfolgt und daraufhin die spezifische UrsÅchlichkeit der drei Personen gemÅß der Ursprungsfolge gewahrt bleibt“16. Die Einwohnung des Heiligen Geistes verstand Rupert nicht wie viele seiner Zeitgenossen als appropriiert, sondern als eigenpers×nlich, weshalb er speziell vom Heiligen Geist die M×glichkeit einer Reform kirchlicher MißstÅnde erwartete.17 Daß den von Rupert gegebenen Anst×ßen zu einer ×konomischen Auffassung und einem mehr interpersonalen VerstÅndnis der TrinitÅt im Westen keine durchschlagende Wirkung beschieden war, lag nicht nur an der MentalitÅt westlicher Theologie18, sondern auch an der Angst vor tritheistischen Tendenzen. Diese machte sich zum Beispiel an dem spekulativ Ûberzogenen interpersonalen Ansatz des Joachim von Fiore (gest. 1202) fest, der das stÅndige VerhÅltnis von GegenÛber und NÅhe des dreieinigen Gottes zugunsten einer chronologischen Einteilung der Heilsgeschichte in drei weltgeschichtliche Abschnitte zurÛckstellte. Indem Vater, Sohn und Heiliger Geist in evolutionistischer Weise jeweils einem dieser „Reiche“ zugeordnet wurden, kam es einerseits zu einer relativen Isolierung der jeweiligen trinitarischen Personen mit einem entsprechend kollektiven VerstÅndnis ihrer Einheit und andererseits zur Nivellierung des Unterschieds zwischen Heils- und Weltgeschichte.19 So bleibt festzuhalten, daß sich inter- und intrapersonale trinitarische AnsÅtze gegenÛberstanden, wobei letztere der abendlÅndischen Denkweise

14 Vgl. J. Werbick: TrinitÅtslehre, S. 508 ff.; L. Scheffczyk: Traditionen, S. 64; W.-D. Hauschild: Lehrbuch I, S. 567 ff.; B. J. Hilberath: Pneumatologie, S. 515 f.; J. Moltmann: Kraft, S. 48. 15 Vgl. L. Scheffczyk: Formulierung, S. 212 f. u. 215. 16 Ders.: Traditionen, S. 59. 17 Vgl. ebd., S. 60; W.-D. Hauschild: Art. „Geist IV“, S. 207. 18 S. o., S. 71 ff. 19 Vgl. L. Scheffczyk: Traditionen, S. 60 f.; ders.: Formulierung, S. 191, und J. Moltmann: TrinitÅt, S. 221 ff., der von diesem Ansatz beeinflußt ist (s. u., S. 292 f.).

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entgegenkamen und sich deshalb im Westen durchsetzten, was sich auch in der Ekklesiologie niederschlug, zumal die Ekklesiologie zunÅchst noch selbstverstÅndlich als integraler Bestandteil des Heilsgeheimnisses und -planes Gottes galt. Die intrapersonale TrinitÅtslehre mit ihrer Konzentration auf die Christologie und ihrer VernachlÅssigung der eigenstÅndigen heilsgeschichtlichen Funktion des Heiligen Geistes fÛhrte zu einer direkten Ableitung der kirchlichen Strukturen aus der Christologie, bei der die jeweils notwendige VergegenwÅrtigung durch den Heiligen Geist und die von ihm gegebenen Charismen fÛr alle Glaubenden zurÛcktraten. Der aus Christus abgeleiteten AutoritÅt des Amtes, die zunehmend in der Linie „Christus – Petrus – Papst – Bisch×fe – Priester“ gedeutet wurde und eine der PassivitÅt des Heiligen Geistes entsprechende PassivitÅt der Gemeinde hervorrief, korrespondierte die hierarchisch geprÅgte Unterscheidung von Klerikern und Laien, so daß Amt und Kirche eine Mittlerfunktion zufiel.20 Dabei nahm die hierarchisch-juridisch ausgerichtete Amtskirche immer deutlichere Konturen an. Diese wurden durch die im westlichen Gott-Welt-Dualismus begrÛndete anthropologisch-soteriologische FÅrbung des KirchenverstÅndnisses und deren primÅr irdisch-organisatorische AusprÅgung unterstrichen. Der intrapersonalen Betonung der trinitarischen Einheit entsprach die Fixierung auf die rechtlich zusammengefÛgte r×mische Universalkirche. Außerdem ließ die rationale scholastische Denkweise mit ihrer auf die Inkarnation bezogenen deduktiven Hermeneutik weder der Eschatologie noch den AktivitÅten des Heiligen Geistes genÛgend Raum. Neben der VernachlÅssigung der Geistwirkungen in der ganzen Gemeinde zugunsten einer Konzentration auf die Ordnungen kam es zur Losl×sung des KirchenverstÅndnisses von der Heils×konomie und der Gotteslehre, was eine Selbstthematisierung der Kirche zur Folge hatte. Aus ihr entwickelte sich zur Zeit des Papstschismas und der Auseinandersetzung um die AutoritÅt in der Kirche (Papst – Konzile) der gesonderte Traktat „De Ecclesia“ (z. B. Johannes von Ragusa: „Tractatus de Ecclesia“, 1433–35).21 Die mittelalterliche Kirche des Westens verstand sich auf der Grundlage des scholastisch-aristotelischen Gedankens vom Hervorgang der Sch×pfungs- und Heilswirklichkeit aus der g×ttlichen Ursache als Mittlerin des g×ttlichen Heilsglanzes, was sich in den lichterfÛllten gotischen Domen und der priesterlichen Pracht Åußerte.22

20 Vgl. H. Aldenhoven: Zusammenhang, S. 141; W.-D. Hauschild: Lehrbuch I, S. 427 ff.; T. Zissis: Bedeutung, S. 15; J. Moltmann: Geschichte, S. 97 f. 21 Vgl. J. Ratzinger: Geist, S. 234 ff.; P. Fransen: communio, S. 176 ff.; M. Kehl: Art. „Ekklesiologie“, Sp. 570; S. Wiedenhofer: Ekklesiologie, S. 75 ff.; W. Pannenberg: Theologie III, S. 34. 22 Vgl. J. Werbick: Kirche, S. 343 f.

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Hinzu kam die Verquickung von kirchlicher und weltlicher Macht, die sich ebenfalls auf die bisher gezeigten ekklesiologischen Charakteristika auswirkte. Nachdem bereits die Konstantinische Wende eine stÅrkere Fixierung auf die politische und kulturelle Funktion der Kirche hervorgerufen hatte, sorgten die mit den Germanen aufziehenden VerÅnderungen im westr×mischen Reich durch den Fortfall der r×mischen Herrschaft (476) in Italien dafÛr, daß der Bischof von Rom zu einem sozialen Ordnungsfaktor wurde, was die Idee des Papsttums stÛtzte. Doch bis zum 8. Jahrhundert blieb der r×mische Bischof ein Teil der r×misch-byzantinischen Reichskirche. Mit der Schrumpfung des Kaiserreiches auf ein griechisches Kerngebiet und den dogmatischen Auseinandersetzungen zwischen Ost und West versuchten die r×mischen Bisch×fe durch die Anlehnung an das emporstrebende Frankenreich ihren papalistischen Anspruch mit Hilfe eines eigenen weltlichen Herrschaftsbereichs (Kirchenstaat) auszubauen und verstrickten sich so in weltliche MachtkÅmpfe. Gegen die Autonomie der Landeskirchen und die germanische Konzeption der kirchlichen Mitwirkung des weltlichen Herrschers versuchte man die Klerikerkirche auszubauen und damit die Laienherrschaft zu unterbinden. Das geschah seit dem 11. Jahrhundert in erster Linie mit Hilfe einer – auf der Papstidee beruhenden – r×mischen Zentralisierung, die den Episkopalismus und die territoriale Kirchenstruktur durch die Institutionalisierung des Kardinalskollegiums (alleiniges Papstwahlgremium) und der kurialen Verwaltung zurÛckdrÅngte. Fast das gesamte Abendland wurde in die stadtr×mische Kirche aufgesogen. Die hierarchisch erstrebte Einheit begrÛndete Gregor VII. (1073–85) mit der pÅpstlichen Mittlerfunktion zwischen Gott und Mensch und dem Anspruch auf das geistliche und weltliche Schwert, das den Jurisdiktionsprimat Ûber die gesamte Kirche beinhaltet, so daß man die Ortskirchen nur noch deduktiv von der Universalkirche ableitete. Diese mit einem pneumatologisch defizitÅren Christomonismus einhergehende „Deformierung der communio hat sich in den Kirchen des Abendlandes regelmÅßig gezeigt“23.

Das einlinige hierarchische KirchenverstÅndnis, das zu einer klerikalen Ontologisierung der Kirche mit sakramentaler Weihegewalt und rechtlicher Hirtengewalt sowie weltlichem Machtanspruch fÛhrte, konnte von denjenigen Theologen in Frage gestellt werden, die wie Rupert von Deutz eine differenziertere und nicht nur abendlÅndisch geprÅgte TrinitÅtslehre vertraten. Auf dieser Grundlage fanden sie „durch ein neues Fragen nach der heilsgeschichtlichen Funktion der Kirche und dem Wirken des Geistes“24 zu einer differenzierten Zwei-Reiche-Lehre sowie zu einem weniger hierarchisch-linearen KirchenverstÅndnis. Daß es jedoch im Westen zur Durchsetzung der beschriebenen r×mischzentralistischen Kirchenstruktur kam, lag an der Verbindung von westlicher

23 P. Fransen: communio, S. 176. Vgl. insgesamt S. Wiedenhofer: Ekklesiologie, S. 75 ff.; J. Finkenzeller: Art. „Kirche IV“, S. 227 ff., und W.-D. Hauschild: Lehrbuch I, S. 412 ff., wo die Klerikalisierung der Kirche und die Entwicklung der Papstidee im Kontext der Kirchen- und Weltgeschichte Ûbersichtlich beschrieben werden. 24 W.-D. Hauschild: Art. „Geist IV“, S. 207. Vgl. insgesamt J. Finkenzeller: Art. „Kirche IV“, S. 228 f.; S. Wiedenhofer: Ekklesiologie, S. 79.

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theologischer MentalitÅt und kirchenpolitischer Entwicklung, was die Geschichte des Filioque belegt. Das bereits voraugustinische Filioque, welches Augustin nur sinngemÅß und noch differenziert verwendete, begleitete die weitere theologische Entwicklung und Bekenntnisbildung im Abendland. So versteht sich das seit dem 5. Jahrhundert in Gallien zusammengestellte „Symbolum Quicumque“ (sog. Athanasianum) mit seiner Formulierung „Spiritus Sanctus a Patre et Filio [. . .] procedens“25 als authentische ErlÅuterung des Bekenntnisses von NizÅa-Konstantinopel (NC/381), wenn es den unbestreitbaren Zusammenhang zwischen Sohn und Heiligem Geist sowie die Bedeutung der Christologie fÛr die Pneumatologie herausstellt, um die Gottheit Jesu zu unterstreichen. Dazu fÛhlte man sich durch die neoarianischen Str×mungen im westgotischen Spanien und in Nordafrika (Priszillianismus) herausgefordert, was besonders die dritte Synode von Toledo (589) und das vierte Konzil von Braga (675) zum Ausdruck brachten, auf denen das Filioque in das NC eingefÛgt wurde.26 Bedenkt man, daß im Westen neben dem erst allmÅhlich rezipierten NC andere Bekenntnisse (Apostolikum, Quicumque etc.) gebrÅuchlich waren, wird ersichtlich, daß das Filioque Ûber lokale Bekenntnisse in das NC gelangte und sich keineswegs gegen den Osten richtete, der es zunÅchst auch nicht als polarisierend empfand. Eine gewisse Einseitigkeit im VerhÅltnis von Christologie und Pneumatologie ergab sich allerdings aus der zunehmenden Verlagerung von der heils×konomischen zur ontologisch-spekulativen Sichtweise.27 Aber das exklusive VerstÅndnis des Filioque, das die Differenzierungen des altkirchlichen dia´ ausblendete und von der intrapersonal-relationalen Einheit ausgehend die Existenzbeziehungen auch als Ursprungsbeziehungen betrachtete, wodurch Vater und Sohn als zwei Prinzipien des Geistes erschienen, kam erst durch die Verquickung mit der Kirchenpolitik zur Entfaltung. Im Auftrag Karls des Großen, der die unterschiedlichen theologischen Tendenzen als hilfreich im Kampf gegen das ostr×mische Reich ansah, verfaßte Theodulf von Orl³ans 809 die Schrift „De Spiritu Sancto“, in der das Filioque wie schon in den „Libri Carolini“ als Streitpunkt gegenÛber Byzanz dargelegt wurde. Nachdem frÅnkische M×nche dann zum Weihnachtsfest in Jerusalem den um das Filioque erweiterten Bekenntnistext benutzt und die Emp×rung der Griechen hervorgerufen hatten, ließ Karl der Große das Filioque auf einer Synode in Aachen (809) als verbindlichen Zusatz zum NC erklÅren, was der um Zustimmung gebetene Papst Leo III. nur inhaltlich, aber nicht als Einschub in den Bekenntnistext billigte. Papst Benedikt VIII. stimmte schließlich im Jahre 1014 auf DrÅngen des deutschen Kaisers Hein-

25 DH 75 (23). Vgl. insgesamt W.-D. Hauschild: Art. „Geist IV“, S. 203; L. Scheffczyk: Formulierung, S. 188, und die Analyse der Geschichte des Filioque-Problems von B. Oberdorfer: Filioque, S. 129 ff. 26 Mit vielen anderen Auslegern geht L. Scheffczyk: Formulierung, S. 193, davon aus, daß diese EinfÛgung erstmals 589 erfolgte, wÅhrend A. Ganoczy: Aspekte, S. 58, die EinfÛgung auf 675 datiert. 27 Vgl. dazu L. Scheffczyk: Formulierung, S. 188 ff. Hinsichtlich der anfÅnglichen Problemlosigkeit des Filioque vgl. ders.: Sinn, S. 26 f. Zur Bewertung der einzelnen Bekenntnisse vgl. D. Ritschl: Geschichte, S. 26; A. Ganoczy: Aspekte, S. 63 f.; A. de Halleux: Konsensus, S. 77; R. Slenczka: Konzil, S. 205.

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rich II. der EinfÛgung in das NC zu und verhalf dem Filioque damit endgÛltig zum Durchbruch.28

Von dieser Entwicklung, mit der ein zunehmend exklusives VerstÅndnis des Filioque einherging, war eine ebenso einseitige Gegenreaktion der ×stlichen Theologie hervorgerufen worden, die ihrerseits der polarisierenden Entwicklung im Westen zusÅtzlichen Auftrieb verliehen hatte. Im 8. Jahrhundert erfolgte eine erste ZurÛckweisung des exklusiven Filioque-VerstÅndnisses anhand der Zusammenfassung der altkirchlichen TrinitÅtslehre durch Johannes von Damaskus (Expos. fid. orth. I,8,12), der dabei aber noch deutlich am ewigen Hervorgang des Geistes aus dem Vater durch (dia´) den Sohn festhielt.29 Das Ånderte sich im 9. Jahrhundert mit dem Patriarchen Photius (Konstantinopel), der in seiner kirchenpolitischen Auseinandersetzung mit Papst Nikolaus I. die FilioqueProblematik aufgriff und sich gegenÛber dem Westen (zwei Prinzipien) in entgegengesetzter Richtung vom altkirchlichen dia´ entfernte, indem er dieses auf die geschichtliche Sendung des Geistes beschrÅnkte und den ewigen Ausgang des Geistes aus dem Vater allein postulierte (e™k mo´nou tou˜ patro´ß).30 Im Gegenzug zur westlichen VerdrÅngung des altkirchlichen dia´ durch ein exklusives Filioque-VerstÅndnis, das den Sohn als zweiten Ursprung des Geistes erscheinen ließ, entstand im Osten mit Photius die Bestreitung des hypostatisch verstandenen altkirchlichen dia´31 durch den exklusiv verstandenen ewigen Hervorgang aus dem Vater allein (mo´nou). Das erreichte Photius durch die Aufl×sung des revelatorischen Zusammenhangs von ×konomischer und immanenter TrinitÅt. Die ×konomisch erkennbaren trinitarischen Konstellationen – wie der Ausgang des Geistes durch den Sohn – sind fÛr ihn lediglich Ergebnisse des g×ttlichen Willens und somit appropriiert. Weil die ×konomisch erkennbaren trinitarischen Existenzbeziehungen auf diese Weise keinen RÛckschluß auf das Sein Gottes zulassen, werden die innertrinitarischen Seinsbeziehungen auf die Ursprungsbeziehungen reduziert. Der Vater erhÅlt dadurch eine herausragende Stellung. Daß die photinianische Hervorhebung des Vaters als innerg×ttliche Ursache die Gefahr des Monopatrismus beinhaltete, zeigt die Wirkungsgeschichte, in der die als kontingent charakterisierten ×konomischen trinitarischen Relationen nur in bezug auf den Vater anders bewertet wurden: dieser sei auch in der °konomie als Vater und innerg×ttliche Ursache zu erkennen.32 Neben der Gefahr einer ºberordnung des Vaters und des damit verbundenen Moments des fernen Gottes bestand die Gefahr der fehlenden Verbindung zwischen Sohn und Heiligem Geist, weshalb

28 Vgl. zur historischen Entwicklung L. Vischer (Hg.): Geist, S. 11, 77 f., 111 ff.; R. Slenczka: Konzil, S. 202 ff.; A. Ganoczy: Aspekte, S. 58 f.; W. Ullmann: filioque, S. 58. 29 „Ich sage, daß Gott immer Vater ist, da er immer sein Wort hat, das von ihm selbst ausgeht, und durch sein Wort seinen Geist hat, der von ihm ausgeht“ (PG 94,1512 B). Vgl. als grundlegendes Werk zur TrinitÅtslehre des Johannes von Damaskus J. Bilz: TrinitÅtslehre. 30 Vgl. M. A. Orphanos: Ausgang, S. 43 ff.; W. Kasper: Gott, S. 270; W. Ullmann: filioque, S. 58; B. Bobrinskoy: Filioque, S. 108. 31 Zum altkirchlichen VerstÅndnis des dia ´ s. o., S. 142 ff. 32 Vgl. D. Wendebourg: Person, S. 521 f.; dies.: Geist, S. 247 ff.; B. J. Hilberath: Pneumatologie, S. 508.

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die Pneumatologie ohne inhaltliche RÛckbindung an die Christologie leicht der subjektiven bzw. ekklesiologischen Vereinnahmung ausgeliefert war.

Daß es zu dieser einseitigen Weiterentwicklung der altkirchlichen TrinitÅtslehre im Osten kam, lag neben der Reaktion auf das Filioque an der Konfrontation mit dem eunomianischen Neoarianismus und seinen rationalistischen Ableitungen. Ihm gegenÛber sah man sich veranlaßt, den Geheimnischarakter Gottes zu unterstreichen, wodurch die Unbegreiflichkeit und Immanenz Gottes mehr Beachtung fand als die ×konomische Erkennbarkeit.33 Diese Entwicklung kam der apophatischen ×stlichen Denkweise entgegen34 und schien zugleich geeignet, dem extremen Filioque zu begegnen, das eine undifferenzierte rationale ºbertragung von den ×konomischen trinitarischen BeziehungsverhÅltnissen auf innertrinitarische Ursprungsbeziehungen beinhaltete. In diesem Zusammenhang warf Photius dem Westen vor, mit dem Filioque zwei Ursachen (Prinzipien) einzufÛhren, was mit der Monarchie des Vaters unvereinbar sei und das Wesen des Sohnes und des Vaters nÅher zusammenrÛcken lasse, wÅhrend der Geist subordiniert werde, so daß er als Enkel des Vaters erscheine (Ep. ad Arch. et metr. Aquil. 9).35 Indem Photius die zu einlinige westliche ºbertragung der ×konomischen BeziehungsverhÅltnisse auf immanente UrsprungsverhÅltnisse damit beantwortete, daß er die ×konomisch erkennbaren hypostatischen ZusammenhÅnge ausblendete und deren Aussagen Ûber die innertrinitarische Existenzebene keine Geltung mehr zugestand, kam es zur hermeneutischen und trinitÅtstheologischen Polarisierung zwischen Ost und West. Sie war von den beschriebenen Differenzen im VerhÅltnis von ×konomischer und immanenter TrinitÅt sowie von Christologie und Pneumatologie geprÅgt.36 Neben diesen inhaltlichen Differenzen und dem auf kanonischer Ebene erhobenen Vorwurf an den Westen, mit der EinfÛgung des Filioque gegen das Verbot der Erstellung eines anderen Bekenntnisses (Kanon 7 des Konzils von Ephesus 431) zu verstoßen, fÛhrten der Kampf um den jeweiligen Rang von Vgl. W. Kasper: Gott, S. 319. S. o., S. 67 ff. 35 Vgl. zur subordinierten Stellung des Geistes PG 102,801 D. Nach Photius kommen g×ttliche Eigenschaften entweder der gemeinsamen Natur oder den jeweiligen Hypostasen zu, wobei die hypostatischen EigentÛmlichkeiten nicht vermittelbar sind. Deshalb kann hypostatisch nur der Vater die Ursache sein. WÅre er es aber gemÅß seines Wesens, dann wÛrde sich der Geist auch selbst hervorbringen, da er die Wesenseigenschaften mit dem Vater teilt (vgl. De S. Spir. Myst. 15–17/Pg 102,293 AB-325 A). Vgl. M. A. Orphanos: Ausgang, S. 43 ff. 36 „Der Osten lÅßt das VerhÅltnis des Geistes zum Sohn in seinem Bekenntnis offen, der Westen kann es begrifflich nur schwer vom VerhÅltnis des Geistes zum Vater unterscheiden. Im Hintergrund steht letztlich die Frage nach dem VerhÅltnis von heils×konomischem Wirken des Heiligen Geistes als Geist Jesu Christi und dessen innertrinitarischem Wesen.“ (W. Kasper: Gott, S. 272 f.) 33 34

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Rom und Konstantinopel und die gegenseitige Exkommunikation von Photius und Nikolaus I. zum vorÛbergehenden photinianischen Schisma (863/67–880).37 Doch bei genauerer Betrachtung war die einseitige Weiterentwicklung der TrinitÅtslehre im Kontext ekklesiologischer Selbstbehauptung in Ost und West grundsÅtzlich Åhnlich strukturiert. Im Westen erfolgte eine direkte Ableitung der Ekklesiologie aus der Christologie mit der Tendenz einer christologischen Ontologisierung von hierarchischem Amt und Kirche. Die jeweils aktuelle VergegenwÅrtigung der christologischen Heilszusagen durch den Heiligen Geist und die dadurch bestehende Angewiesenheit auf das bleibende GegenÛber des lebendigen Gottes traten in den Hintergrund, so daß eine ekklesiologische Vereinnahmung Gottes leichter wurde. Entsprechend wich die differenzierte heils×konomische Sicht einem spekulativen natÛrlich ableitbaren Gottesbegriff, der von der Einheit Gottes ausging (De Deo uno) und damit einer ekklesiologischen Ontologisierung weniger Probleme bereitete. Dem Versuch der christologisch fundierten Ontologisierung der Kirche entsprach im Osten die Tendenz ihrer pneumatologischen Ontologisierung, da man die Pneumatologie zunehmend von der Christologie absetzte und so eine Verabsolutierung der eigenen Geisterfahrung bzw. des eigenen KirchenverstÅndnisses erm×glichte. Dabei entstand ebenfalls ein faktisches „De Deo uno“, da der Vater als alleiniger Vermittler des Geistes die Ûberragende g×ttliche Ursache verk×rperte und die ×konomische TrinitÅt als rein appropriiert angesehen wurde, weshalb Gott in seinen Außenbeziehungen wesensmÅßig als einer erschien. Innertrinitarisch erkannte man lediglich die Ursprungsbeziehungen an, mit denen man Sohn und Geist jeweils allein auf den Vater bezog. Diese Tendenz wurde aufgrund der entsprechend einseitigen Weiterentwicklung der altkirchlichen Energienlehre durch Gregor von Zypern (1241–90) bestÅrkt, der zwar die Notwendigkeit einer ewigen Manifestation des Heiligen Geistes durch den Sohn erneut erkennt, aber diese im Unterschied zu Gregor von Nazianz nicht als hypostatisch38, sondern als rein energetisch betrachtet (De proc. Spir. Sancti).39 Gregor Palamas (1296/7– 1359) nahm diesen Ansatz auf und vollendete ihn zum palamitischen Hesychasmus, der in der Heils×konomie nur noch eine energetische Gegenwart Gottes voraussetzte, da von Gott ausschließlich seine Energien

37 Vgl. B. J. Hilberath: Pneumatologie, S. 508; W.-D. Hauschild: Lehrbuch I, S. 420 f.; W. Kasper: Gott, S. 270; E. Schlink: Dogmatik, S. 75. 38 Vgl. Kap. II,3. 39 Vgl. PG 281 BD-282 AD; 294 D-295 A. Vgl. zur TrinitÅts- und Energienlehre des Gregor von Zypern M. A. Orphanos: Ausgang, S. 46 ff. Zu Gregors kirchengeschichtlicher Bedeutung zwischen Photius und Palamas vgl. ebd., und L. Vischer (Hg.): Geist, S. 17. Zur Person vgl. K. Baus: Art. „Gregorios II“, Sp. 1207 f.

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bzw. WirkkrÅfte erkennbar seien, wÅhrend sein hypostatisches Wesen (ou™sı´a) unzugÅnglich sei. Die g×ttlichen Energien ließen fÛr Palamas keinen RÛckschluß mehr auf das hypostatische Sein Gottes zu. GeprÅgt war Palamas dabei vom Hesychasmus seines Lehrers Gregor Sinaites, fÛr den nicht die kognitive Erfassung der Heils×konomie zur trinitarischen Erkenntnis fÛhrte, sondern der mystische Aufstieg zur Schau des g×ttlichen Lichts.40 Die Konzentration auf den Erkenntnisweg der Erleuchtung ergab sich fÛr Palamas auch durch die Konfrontation mit der Plato-Renaissance im spÅten Byzanz (rational erschließbare platonische Weltseele) sowie mit der rationalistisch gefÅrbten Theologie des Barlaam von Seminara. Die Erleuchtung als Voraussetzung jeglicher Gotteserkenntnis sollte die Unbrauchbarkeit des rationalen RÛckschlußverfahrens herausstellen und eine empfangende Hermeneutik der Teilhabe erm×glichen. Barlaam hatte die Energien als geschaffen verstanden und so auf der natÛrlich-rationalen Ebene behandelt, wobei diese allerdings das g×ttliche Sein nicht erreichte, welches nach Art des neuplatonischen „Einen“ (to` e¾n) jenseits des Seins eingeordnet wurde. Palamas sprach demgegenÛber von den ungeschaffenen Energien, um eine wirkliche Kommunikation zwischen Gott und Welt zu bewahren. Weil Palamas unter dem Einfluß von Pseudo-Dionysius Areopagita aber von der neuplatonischen Seinsmetaphysik und einem physischen TeilhabeverstÅndnis beeinflußt war, mußte er die in der Erleuchtung vorhandene Gegenwart Gottes vor einer Identifizierung des Unendlichen mit dem Endlichen schÛtzen. Deshalb unterschied Palamas strikt zwischen g×ttlichem hypostatischem Wesen und seinen ungeschaffenen Energien.41 Er ging davon aus, daß nur letztere in der Heilsgeschichte erfahrbar sind. So verursachte er im Unterschied zur Alten Kirche eine hermeneutische Trennung von ×konomischer und immanenter TrinitÅt, da aus der Heilsgeschichte keine Aussagen mehr Ûber das hypostatische Sein m×glich waren.42 Die erfahrbaren Energien, in denen die trinitarischen

40 Vgl. D. Wendebourg: Geist; G. Podskalsky: Art. „Gregorios Sinaites“, S. 206 ff.; ders.: Art. „Gregorios Palamas“, S. 200 ff.; G. G. Blum: Oikonomia, S. 292. Zur Entwicklung des Hesychasmus vgl. F. von Lilienfeld: Art. „Hesychasmus“, S. 282 ff. 41 Vgl. F. von Lilienfeld: Rezension „Wendebourg“, S. 202 f. Zu den Einzelheiten des Streites mit Barlaam vgl. G. Podskalsky: Art. „Gregorios Palamas“, S. 200 ff.; D. Wendebourg: Geist, S. 65–125, und C. von Sch×nborn: TrinitÅt, S. 260 f. 42 Vgl. C. von Sch×nborn: TrinitÅt, S. 249 ff.; D. Reid: Lehre, S. 15 ff.; W.-D. Hauschild: Art. „Geist IV“, S. 206; B. J. Hilberath: Pneumatologie, S. 513 f.; D. Wendebourg: Geist, S. 6 u. 11–64. Wendebourg, die zunÅchst wie etliche orthodoxe und westliche (z. B. C. von Sch×nborn) Theologen die palamitische Theologie als genuine Entfaltung der altkirchlichen griechischen Theologie (Kappadozier) einstufte, sieht jetzt auch die Diskrepanz zwischen beiden AnsÅtzen. Vgl. zu weiteren Theologen, die diese Diskrepanz sehen, F. von Lilienfeld: Art. „Hesychasmus“, S. 285. Vgl. Anm. 49 u. 274, III. Kap. – Zum altkirchlich belegbaren Nachweis dieser Diskrepanz siehe Kap. II,3.

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Personen nach außen gemeinsam handeln (Log. apodeik. 2,26 u. 2,69)43, bedurften zur Erkenntnis der immanenten TrinitÅt eines zusÅtzlichen Offenbarungswissens, das fÛr Palamas in der Schrift gegeben war44. Deshalb bestand letztlich wie im Westen eine Unterscheidung zwischen der erfahrbaren Einheit Gottes in seinem Handeln „ad extra“ (De Deo uno) und der ÛbernatÛrlich offenbarten immanenten TrinitÅt (De Deo trino).45 Dadurch trat der heilsgeschichtliche Bezug des trinitarischen Seins Gottes nicht mehr in Erscheinung und das trinitarische Wesen Gottes wurde wie in den einflußreichen Str×mungen der Scholastik soteriologisch funktionslos.46 Zwar vermochte der palamitische Hesychasmus im Unterschied zur natÛrlichen Theologie der Scholastik (De Deo uno) durch den Aspekt der Erleuchtung herauszustellen, daß die Ahnung auf Gottes erleuchtendes und offenbarendes Handeln angewiesen bleibt47, aber aufgrund der konsequenten Trennung von energetischer und hypostatischer Erkenntnis konnte die Offenbarung keinen wesentlichen Bezug zu den gesch×pflichen Voraussetzungen der Ahnung und zu Gottes heilsgeschichtlicher Selbstmitteilung herstellen. Als inkonsequent erweist sich die in der Wirkungsgeschichte des palamitischen Hesychasmus auftretende Tendenz, statt der Schrift die Erfahrung des mystischen Aufstiegs als Maßstab der Offenbarung gelten zu lassen.48 Denn in der mystischen Schau sind lediglich die g×ttlichen Energien zu erkennen, so daß auf diese Weise unter den Voraussetzungen der palamitischen Energienlehre eigentlich keine Aussage zur immanenten TrinitÅt m×glich sein kann. Diese Tendenz trifft allerdings auf viele differenzierte mystische AnsÅtze orthodoxer Theologie nicht zu, da die ×stliche Theologie – ebenso wie die westliche Scholastik – unterschiedliche AnsÅtze hervorbrachte.49

Vgl. M. A. Orphanos: Ausgang, S. 51–53. Vgl. D. Wendebourg: Geist, S. 169. 45 Vgl. dies.: Person, S. 509 ff., wo der Niederschlag dieser Entwicklung in der Geschichte der orthodoxen Dogmatik aufgezeigt ist. 46 Auf die damit verbundene soteriologische Funktionslosigkeit der Pneumatologie verweist W.-D. Hauschild: Art. „Geist IV“, S. 206. 47 Hier macht sich die Paulus-Exegese des Palamas bemerkbar, der sich zu Recht an der paulinischen Dimension der bleibenden Angewiesenheit auf Gottes Selbstmitteilung orientiert (vgl. F. von Lilienfeld: Rezension „Wendebourg“, S. 204). 48 Vgl. D. Wendebourg: Geist, S. 169. 49 Das merkt F. von Lilienfeld: Rezension „Wendebourg“, S. 197 ff., zutreffend an (vgl. dies.: Art. „Hesychasmus“, S. 284). Sie bemÅngelt außerdem, daß D. Wendebourg die westliche Theologie zu undifferenziert auf den ×konomischen Erkenntnisweg fixiere und die ×stlichen Defizite bereits in der altkirchlichen Theologie des Ostens als vorhanden ansehe. Eine direkte ZurÛckfÛhrung des palamitischen Hesychasmus auf die Alte Kirche, die auch bei etlichen orthodoxen Theologen begegnet (vgl. ebd., S. 285), wird aber der differenzierten altkirchlichen TrinitÅtslehre nicht gerecht, was oben bereits anhand der TrinitÅtslehre des Gregor von Nazianz nachgewiesen wurde (vgl. Kap. II,3) und sich im letzten Kapitel bestÅtigt (vgl. Kap. VI,1.2). B. 43 44

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Der palamitische Hesychasmus er×ffnete aber gute M×glichkeiten, sich gegen das Filioque zu wenden, worin ein Grund fÛr seine wirkungsgeschichtliche Bedeutsamkeit liegt. Indem die ×konomisch erkennbaren Beziehungen zwischen Heiligem Geist und Sohn lediglich den energetischen Charakter der nach außen gemeinsamen WirkkrÅfte Gottes zugesprochen bekamen, konnte man innertrinitarisch die BeziehungsverhÅltnisse des Geistes auf die Ursprungsbeziehung zum Vater reduzieren.50 Das geschah bei Palamas unter der philosophisch geprÅgten PrÅmisse, daß der Vater allein die reine UrsÅchlichkeit in Gott darstelle (Log. apodeik. 1,6–8).51 Die vom hypostatischen VerstÅndnis des altkirchlichen dia´ ausgehenden Differenzierungen, die sich aus der innertrinitarischen Perichorese in bezug auf Gottes Wesen ergeben, traten damit zurÛck. Die Beziehung des Heiligen Geistes zum Sohn und seine Eigenschaft als innerg×ttliche Liebe werden spekulativ als rein energetisch deklariert (Log. apodeik. 2,20; Peri hen. kai diakr. 21)52, so daß der Heilige Geist innertrinitarisch genauso wenig erkennbar hypostatisch mit dem Sohn verbunden ist53 wie er heils×konomisch hypostatisch zu den Menschen kommt. Was in der Heilsgeschichte vom Vater durch den Sohn gesandt wird, ist laut Palamas nicht die Hypostase des Heiligen Geistes, sondern nur die g×ttliche Gnade und Energie (Log. apodeik. 2,48). Deshalb wurde Pfingsten nicht die trinitarische Person des Heiligen Geistes vermittelt, sondern es traten lediglich seine Charismen in Erscheinung, und zwar als gemeinsamer Akt der TrinitÅt und als Folge ihres gemeinsamen Willens (Peri hen. kai diakr. 21; Log. apodeik. 2,6).54 Diese spekulative Energienlehre, die den ×konomisch-hypostatischen Aspekt ausklammerte, ließ nur noch spekulative AnnÅherungen an differenzierte innertrinitarische Strukturen zu, im Unterschied zur ×konomischen Energienlehre der Alten Kirche mit ihrer M×glichkeit hypostatischer Ableitungen aus der Heils×konomie. Indem die spekulative Energienlehre die personale Gegenwart Gottes im Sohn und im Geist auf Energien reduzierte, trat der Aspekt der Teilhabe der Glaubenden an der Person Christi in den

Oberdorfer: Filioque, S. 28, kritisiert an Wendebourgs Konzeption, daß sie nicht die in der modernen Orthodoxie aufkommende M×glichkeit erwÅgt, „im Kontext der palamitischen Konzeption Energien und Hypostasen stÅrker zusammenzudenken, als dies m×glicherweise bei Palamas selbst geschieht“. – Vgl. Anm. 42 u. 274, III. Kap. 50 Vgl. B. J. Hilberath: Pneumatologie, S. 514. 51 Vgl. M. A. Orphanos: Ausgang, S. 49 f. u. 59. 52 Vgl. ebd., S. 51–53. 53 Denn die Aussage, daß der Geist seinem hypostatischen Wesen gemÅß zu Christus geh×rt, ist aufgrund der Reduktion der wesentlichen Bestandteile dieser Beziehung auf die energetische Ebene nicht konkret gefÛllt (Log. apodeik. 2,20 u. 29). 54 Vgl. M. A. Orphanos: Ausgang, S. 50 ff.

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Hintergrund, und der Heilige Geist fungierte auch im Osten nur noch als energetische Kraft, was „sich als Entsprechung zur geschaffenen Gnade bei Thomas verstehen“55 lÅßt. Von der heilsgeschichtlichen Gegenwart Gottes in der Person des Heiligen Geistes und seiner Einwohnung bei den GlÅubigen kann dann aber keine Rede mehr sein, so daß der Geber auch hier hinter die Gabe zurÛcktritt.56 Die fehlende Verbindung zur Christologie und deren Relativierung bewirken allerdings, daß primÅr die Pneumatologie fÛr die Erkennbarkeit der g×ttlichen Energien maßgeblich ist, wodurch sich die eigene Geisterfahrung als beherrschender ekklesiologischer Maßstab aufdrÅngt, dem das christologisch gegebene sichtbare Korrektiv fehlt. In der Alten Kirche hatte das orientalisch geprÅgte Denken im Osten in Entsprechung zur trinitarischen Einheit in Vielfalt besonderen Wert auf konziliare Einheit in Vielfalt von Orts- und Universalkirche gelegt und durch die Orientierung an der Theosis von Mensch und Kosmos die Symphonia von Staat und Kirche betont.57 Die damit einhergehende Konzentration auf den dritten Artikel des Bekenntnisses und die entsprechende Beachtung der eigenstÅndigen Funktion der Pneumatologie waren noch angemessen mit der Christologie verbunden. Doch infolge der photinianisch-palamitischen Theologie mit ihrer zunehmenden Isolierung des Heiligen Geistes von der Christologie entwickelte sich eine einseitig pneumatologische Bezugnahme auf den dritten Artikel. Die VernachlÅssigung des christologischen Korrektivs (theologia crucis/eschatologischer Vorbehalt) erh×hte die im CÅsaropapismus sichtbare Gefahr der Identifizierung von Kirche und Staat. Das wirkte sich spÅter auf den wachsenden nationalkirchlichen Regionalismus aus, der die Einheit einer sich immer autonomer verstehenden Vielfalt nationaler Kirchen zu sehr aus dem Blick verlor58, weil der gemeinsame christologische Maßstab zurÛcktrat. Außerdem konnte die pneumatologische Konzentration auf die eigene Geisterfahrung deren ekklesiologische Vereinnahmung und entsprechende ekklesiologische MachtansprÛche bestÅrken, weshalb „die von den streng ‚hesychastischen‘ Patriarchen des 14. Jahrhunderts ausgeÛbte Vorherrschaft [. . .] die ganze Welt der Orthodoxie nachhaltig beeinflußt“59 hat.

In dem ekklesiologischen, politischen und kulturellen Kontext der Entfremdung zwischen Ost und West haben die scholastischen und photinianisch-palamitischen Konzeptionen zur jeweiligen Radikalisierung des ratio-

55 G. Kretschmar: Weg, S. 41. Zur energetisch bedingten VernachlÅssigung der Teilhabe an der Person Christi bei Palamas vgl. C. von Sch×nborn: TrinitÅt, S. 253. – Zur vom Verfasser eingefÛhrten Unterscheidung zwischen ×konomischer und spekulativer Energienlehre siehe Kap. II,3 u. VI,1.2. 56 Vgl. W. Kasper: Gott, S. 271. 57 S. o., S. 67 ff. 58 Zur Entwicklung nationalkirchlicher Strukturen vgl. J. Meyendorff: Regionalismus, S. 310 ff. 59 Ebd., S. 309. Vgl. L. Sertorius: Theologie, S. 190 ff.; S. Wiedenhofer: Ekklesiologie, S. 75 f.; W. Hryniewicz: Art. „Heiliger Geist IV“, Sp. 1312 f.

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nalen westlichen Ansatzes und des apophatischen ×stlichen Ansatzes gefÛhrt.60 Dieser Entwicklung, die sich vom altkirchlichen Zusammenhang von Ahnung und Offenbarung ebenso entfernte wie vom hypostatisch verstandenen dia´, korrespondierte das westliche Filioque und das ×stliche mo´nou. Im Westen bestand die Neigung, rational und undifferenziert aus allen ×konomisch erkennbaren trinitarischen BeziehungsverhÅltnissen Ursprungsrelationen zu deduzieren (Hervorgang des Geistes aus Vater und Sohn) und so die innertrinitarischen Existenzbeziehungen auch als Ursprungsbeziehungen zu definieren, wÅhrend man im Osten dazu neigte, Ûber die Ursprungsbeziehungen zum Vater hinausgehende BeziehungsverhÅltnisse als energetisch und damit als hypostatisch nicht erkennbar zu deklarieren (Hervorgang vom Vater allein) und deshalb die Ebene der Existenzbeziehungen auszublenden. Diese aus der vorausgegangenen Analyse erhobenen Unterschiede zwischen der weiterentwickelten ×stlichen und westlichen TrinitÅtslehre belegen die jeweils einseitigen Grundausrichtungen in der Zeit nach der Alten Kirche. Doch die differierenden theologischen Ausrichtungen „sind eine Entwicklung des Mittelalters und k×nnen nicht den Anspruch erheben, die Norm des gemeinsamen Glaubens der VÅter der ungeteilten Kirche im Hinblick auf das VerhÅltnis des Geistes zum Sohn innerhalb der TrinitÅt zu sein“61. Das kommt bereits im vermittelnden Ansatz des Maximus Confessor (gest. 622) zum Ausdruck, der auf der Grundlage des patristischen Denkens Fr×mmigkeit aus ×stlicher Sicht wieder mehr an der Christusteilhabe orientierte und ein im Sinne des dia´ verstandenes Filioque verteidigte. Der im Filioque gemeinte Ausgang (proi¨e´nai) des Geistes durch (dia´) den Sohn wolle die Einheit des Wesens wahren, ohne den Sohn zur Ursache des Hervorgangs (e™kpo´reusiß) des Geistes zu machen. Das dia´ wird dabei durchaus der Ursprungsebene zugeordnet.62 „Ein eindeutiges Zeugnis fÛr die ursprÛngliche Gemeinsamkeit im Glauben trotz des unterschiedlichen Ausdrucks bietet auch das feierliche Glaubensbekenntnis des 7. °kumenischen Konzils von Nikaia (787), in dem bestÅtigt wurde, daß ‚der Geist durch [dia´] den Sohn vom Vater ausgegangen ist‘.“63 Aber in der scholastischen und photinianisch-palamitischen Entfernung

Vgl. J.-M. Garrigues: Standpunkt, S. 131 f. Ebd., S. 123. 62 „Ebenso wie der Heilige Geist aufgrund seiner Natur dem Wesen des Gottes und Vaters gemÅß existiert, ebenso ist er aufgrund seiner Natur dem Wesen des Sohnes gemÅß, insofern als er durch den gezeugten Sohn wesensmÅßig vom Vater ausgegangen ist“ (PG 90,672 CD – Hervorhebung v. Vf.). Vgl. A. de Halleux: Konsensus, S. 78. Zur Aufwertung der Christologie bei Maximus vgl. C. von Sch×nborn: TrinitÅt, S. 253. – Zu Maximus’ Anbindung des dia´ an die Ursprungsebene (e™kpo´reusiß) siehe Anm. 249, VI. Kap. 63 L. Scheffczyk: Sinn, S. 25. 60 61

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von dieser gemeinsamen Basis dokumentiert sich die jeweils einseitige Weiterentwicklung ×stlicher und westlicher TrinitÅtslehre, die im Kontext des Auseinanderlebens von Morgen- und Abendland steht. Daß die politischkulturelle Entfremdung zwischen Rom und Byzanz und kirchenpolitische Machtinteressen wie der Jurisdiktionsanspruch von Papst Leo IX. Ûber SÛditalien und Sizilien entscheidend zum Schisma von 1054 beitrugen, steht außer Frage.64 Doch aufgrund der aufgezeigten Interdependenz von ekklesiologischen Aspekten und mentalitÅtsbedingten unterschiedlichen trinitarischen Konzeptionen des Morgen- und Abendlandes ist es kein Zufall, daß das Filioque-Problem als bedeutender theologischer Grund der Spaltung zwischen Ost- und Westkirche aufgefÛhrt wurde, zumal diese BegrÛndung 1054 bereits auf eine lange Geschichte polarisierender Auseinandersetzungen zurÛckblicken konnte. Vor diesem Hintergrund warf der pÅpstliche Legat Humbert den Griechen in seiner Bannbulle die „Weglassung“ des Filioque vor, wÅhrend die Griechen den Papst beschuldigten, er habe mit diesem unkanonischen Zusatz das Band der Liebe zwischen ×stlicher und westlicher Kirche zerschnitten. Nach 1054 ging der Streit um das Filioque weiter und verfestigte den Gegensatz zwischen Ost- und Westkirche, was die aufgezeigte Auseinandersetzung um den palamitischen Hesychasmus belegt. Weil man sich offensichtlich dessen bewußt war, daß die Gottes- bzw. TrinitÅtslehre fÛr eine kirchliche Einigung von grundlegendem Gewicht ist, gab es seit dem 11. Jahrhundert Versuche, die Einheit durch theologische GesprÅche wiederherzustellen. Diese beschÅftigten sich vornehmlich mit dem Filioque-Problem und begleiten die Kirchengeschichte bis in die Gegenwart, „weil der Zusatz ‚und vom Sohne‘ im NizÅnum in den vergangenen Jahrhunderten, und auch heute noch, zu den Fragen geh×rt, die Ost und West voneinander trennen“65. Die Interdependenz zwischen den trinitÅtstheologischen PrioritÅtensetzungen und der ekklesiologischen Entwicklung in Ost und West fand aber bisher noch keine angemessene Beachtung. Die Bedeutung des Filioque-Problems kam besonders auf dem Zweiten Konzil von Lyon (1274) und dem Unionskonzil von Ferrara-Florenz (1438/9) zur Geltung. Bei diesen UnionsbemÛhungen versuchte der mÅchtige Westen dem vom Islam bedrohten Osten einen vom Filioque geprÅgten Kompromiß abzuringen. In Lyon begegnete man dem Vorwurf des Photius, durch das Filioque zwei g×ttliche Prinzipien einzufÛhren, mit der PrÅzisierung „tamquam ab uno principio“, so daß Vater und Sohn gemeinsam das eine Prinzip des Heiligen Geistes darstellen und man sich auf die Anathema-

Vgl. W.-D. Hauschild: Lehrbuch I, S. 434 f.; E. Schlink: Dogmatik, S. 756. So Åußerte sich L. Vischer als Direktor von „Glauben und Kirchenverfassung“ zu einer Studie Ûber das Filioque-Problem: L. Vischer (Hg.): Geist, S. 7. 64 65

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tisierung einer Zwei-Prinzipien-Lehre einigen konnte. Doch die gleichzeitige Verwerfung aller, die das Filioque ablehnen, war im Osten nicht rezipierbar.66 Das unterstreicht der Widerstand des Markus Eugenicus (Metropolit von Ephesus) wÅhrend des Konzils von Florenz gegen das Filioque und gegen das VerstÅndnis des einen Prinzips in Vater und Sohn. In dieser Spezifizierung des Filioque sah er eine Vermischung von Vater und Sohn (Cap. syllog. 24) sowie eine ungerechtfertigte ºbertragung der hypostatischen Ursprungseigenschaft des Vaters auf den Sohn (Cap. syllog. 11), was die in Florenz erfolgte synonyme Verwendung von e™k und dia´ in bezug auf den Ausgang des Heiligen Geistes belege. Markus, der in seiner weiteren Argumentation der photinianisch-palamitischen Linie folgte, behielt im Osten großen Einfluß.67 Doch zunÅchst erzielte das Florenzer Unionsdekret im partiellen RÛckgriff auf die Alte Kirche und den Vermittlungsversuch von Maximus Confessor einen Kompromiß, der fÛr Ost und West annehmbar erschien. Indem man sich auf die Vereinbarkeit von Filioque und dia´ einigte, war die M×glichkeit gegeben, zwischen der Funktion des Sohnes (causa) und des Vaters (principium) beim Hervorgang des Geistes zu unterscheiden. So konnten die Griechen das Filioque als nicht-hÅretisch anerkennen und die Lateiner das NizÅnum (NC) in seiner ursprÛnglichen Fassung zulassen. Weil der Kompromiß jedoch im Sinne eines klar westlich orientierten Filioque ausformuliert wurde, insofern als auch der Sohn als Prinzip galt, kam es wiederum nicht zu einem tragfÅhigen Konsens, von den kirchenpolitischen und emotionalen GrÛnden ganz abgesehen.68 Die bisherige trinitÅtstheologische Polarisierung setzte sich weiter durch.69

66 Zum Text des Unionsbekenntnisses von Lyon vgl. DH 851–861. Zu den Aussagen des Konzils Ûber den Hervorgang des Heiligen Geistes vgl. DH 850. Vgl. insgesamt B. Bobrinskoy: Filioque, S. 111; W. Ullmann: filioque, S. 58; W.-D. Hauschild: Lehrbuch I, S. 436 f.; W. Kasper: Gott, S. 270; H. Wolter/H. Holstein: Lyon; B. Oberdorfer: Filioque, S. 236 ff. 67 Vgl. M. A. Orphanos: Ausgang, S. 53 ff. 68 Vgl. zum Text des Unionsdekrets DH 1300–1308. Vgl. insgesamt A. Ganoczy: Aspekte, S. 62 ff.; B. J. Hilberath: Pneumatologie, S. 509 f. 69 Den aktuellen ×kumenischen Dialog zwischen Ost- und Westkirche erleichtert die Stellungnahme von Papst Paul VI. zum 700. Jahrestag des Zweiten Konzils von Lyon, in der er nicht mehr vom „14. ×kumenischen Konzil“ spricht, sondern von einer westlichen Synode, die eventuell nicht in Freiheit zustande kam und Ûber die ×stliche Tradition schlecht im Bilde war (AAS 66,620–25). Vgl. A. de Halleux: Konsensus, S. 71.

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2. Luthers RÛckgriff auf die biblisch-×konomische TrinitÅtslehre der Alten Kirche in seiner reformatorischen und ×kumenischen Relevanz In der Situation einer sich weiter verfestigenden Polarisierung zwischen westlicher und ×stlicher TrinitÅtslehre ergab sich durch die Reformation mit ihrem dezidierten RÛckgriff auf die Schrift und die altkirchlichen Bekenntnisse erneut eine partielle Zusammenschau beider trinitÅtstheologischer Perspektiven. Dabei konnte Luther auf die im Westen selbst entstandene Kritik an den rationalen und natÛrlich-theologischen Ableitungen der scholastischen Metaphysik zurÛckgreifen. Nachdem bereits Duns Scotus (ca. 1265/6–1308) das scholastisch-aristotelische System von Synthese und UniversalitÅt durch den Hinweis auf das kontingente heilsgeschichtliche Handeln Gottes in Frage gestellt hatte, insofern als er die stÅndige Angewiesenheit der natÛrlichen Vernunft auf die Offenbarung neu herausstellte, war der scholastische Universalienrealismus noch deutlicher von Wilhelm von Ockham (ca. 1280/90–1348/9) kritisiert worden. Laut Ockham kann die Gotteserkenntnis nur auf der freien Selbsterschließung des souverÅnen und personalen Gottes beruhen, wodurch die biblisch-×konomische Hermeneutik neue Geltung erhÅlt. Auf dieser Basis erweist sich der Heilige Geist fÛr Duns Scotus und Ockham wieder als unverfÛgbares personales GegenÛber des Menschen, durch welches sich die Gnade Gottes als personale Zuwendung ereignet. „Folgerichtig l×st Ockham auch die Bindung des Geistwirkens an die Sakramente und damit an die kirchliche Vermittlung auf“70, um gegenÛber der juridisch-klerikalen sowie pÅpstlich-zentralistischen Vereinnahmung Gottes in der mittelalterlichen r×mischen Kirche und deren geistlich-weltlichem Herrschaftsanspruch daran zu erinnern, daß Gott das freie GegenÛber und das Haupt der Kirche bleibt, die deshalb gegen pÅpstlichen und klerikalen Absolutismus das Recht der Laien und des Konziliarismus zu beachten hat.71 In der gleichen Stoßrichtung Ûberzogen spÅter nominalistische Theologen die Dimension des „GegenÛber-Seins“ Gottes, indem sie strikt zwischen dem deus absolutus und seiner ×konomischen Gegenwart unterschieden, so daß der – in der °konomie nicht definitiv erfahrbare – absolute Gott als willkÛrlich und Angst erregend erscheinen konnte.72 WÅhrend demgegenÛber schon Nikolaus von Kues (1401–64) die RÛckbesinnung auf die heilsgeschichtliche TrinitÅtslehre als Fundament der 70 W.-D. Hauschild: Art. „Geist IV“, S. 206. Vgl. die gleiche EinschÅtzung bei B. J. Hilberath: Pneumatologie, S. 517. Vgl. insgesamt W.-D. Hauschild: Lehrbuch I, S. 610 ff.; W. Dettloff: Art. „Duns Scotus I“, S. 218 ff.; W. Pannenberg: Aufnahme, S. 338; H. Junghans: Ockham. 71 Vgl. S. Wiedenhofer: Ekklesiologie, S. 79 f. 72 Vgl. J. Hirschberger: Geschichte I, S. 566 ff.; W. Breuning: Art. „Gotteslehre II“, Sp. 925 f.; E. JÛngel: Entsprechungen, S. 229.

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Wahrheitserkenntnis zur Sprache gebracht hatte73, wird an Martin Luther (1483–1546) vollends ersichtlich, welche Bedeutung der biblisch-×konomischen TrinitÅtslehre mit der ihr entsprechenden Pneumatologie in kirchlichen Krisenzeiten zukommt. Angesichts der mittelalterlichen Klerikalisierung der Kirche (Heilsmittlerin) mit ihren Merkmalen ekklesiologischer und weltlicher Selbstverg×ttlichung hob Luther – wie Duns Scotus und Ockham – Gott als GegenÛber der Kirche hervor. Luther betonte die damit verbundene personale Pneumatologie, indem er durch den konsequenten RÛckgriff auf die Schrift eine Neubelebung der schriftgemÅßen altkirchlichen Bekenntnisse und eine Neuprofilierung der Pneumatologie erreichte, setzte sich aber zugleich von der nominalistischen ºberreaktion ab, die das Bild eines fernen und willkÛrlichen Gottes zuließ.74 Das gelang Luther durch eine – biblisch und altkirchlich begrÛndete – differenzierte Zusammenschau von ×konomischer und immanenter TrinitÅt, die fÛr ihn darauf beruht, daß sich Schrift und altkirchliche Bekenntnisse gegenseitig erhellen und die heils×konomische Selbsterschließung Gottes transparent werden lassen. Entsprechend konzentrierte er sich auf den patristisch-heils×konomischen Ansatz und die praktisch-soteriologische Anwendung des altkirchlichen TrinitÅtsdogmas als einer zentralen Grundlage seiner Theologie.75 Eine genauere Analyse der Theologie Luthers erlaubt nicht mehr, davon auszugehen, daß der „locus de trinitate“ fÛr Luther „nur eine Art von ‚Nebenkrater‘ darstellt, wie lange Zeit angenommen worden ist“. Immer mehr Theologen machen „auf die eminente Bedeutung der TrinitÅtslehre fÛr die Theologie Martin Luthers aufmerksam“ und wehren damit dem Eindruck, „daß das Thema ‚Luther und die altkirchliche TrinitÅtstheologie‘ ein von außen aufgen×tigter Gegenstand ist; es will vielmehr auf einen zentralen Punkt der Theologie des Reformators zielen“76. In diesem Zusammenhang wird entgegen anders geÅußerter Vermutungen in der Forschungsgeschichte 73 Vgl. L. Scheffczyk: Traditionen, S. 65; W.-D. Hauschild: Lehrbuch I, S. 634 f.; L. OeingHanhoff: Ontologie, S. 149. 74 Zu Luthers kritischer ºberwindung der r×mischen mittelalterlichen Ekklesiologie vgl. J. Werbick: Kirche, S. 338 ff.; B. J. Hilberath: Pneumatologie, S. 519; S. Wiedenhofer: Ekklesiologie, S. 80 ff., sowie die folgenden AusfÛhrungen. Zur Neubelebung der altkirchlichen TrinitÅtslehre und ihrer Pneumatologie vgl. J. Koopmans: Dogma; H.-O. Kvist: Geist, S. 201 ff.; W.-D. Hauschild: Art. „Geist IV“, S. 207 ff.; E. Kyndal: Umgang, S. 53 f. Zu Luthers differenzierter Haltung gegenÛber dem Nominalismus vgl. E. JÛngel: Entsprechungen, S. 229; W. Breuning: Art. „Gotteslehre II“, Sp. 925. 75 Vgl. A. Peters: TrinitÅtslehre, Sp. 562 ff.; W.-D. Hauschild: Dogma, S. 47; L. Scheffczyk: Formulierung, S. 195 f.; C. Schw×bel: Theologie, S. 331, und R. Jansen: Studien, S. 194 ff. u. 219 ff., der unterschiedliche Schriftgattungen Luthers auf die TrinitÅtslehre hin untersucht und deren Entwicklung bei Luther nachzeichnet. 76 C. Markschies: Luther, S. 42 f. Zu den unterschiedlichen EinschÅtzungen der Bedeutung der TrinitÅtslehre fÛr Luthers Theologie und zu der wachsenden HochschÅtzung dieser Thematik vgl. ebd., S. 38 ff., und die BeitrÅge in J. Heubach (Hg.): Luther.

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immer deutlicher, wie sehr Luther auf den Rahmen der neunizÅnischen TrinitÅtslehre zurÛckgreift: „Es trifft einfach nicht zu, daß Luther [. . .] den durch die kappadozische TrinitÅtslehre gewiesenen und durch Ambrosius und Augustinus im Westen rezipierten synthetischen Mittelweg zwischen Modalismus und Subordinatianismus verlassen hat.“77 Daß die TrinitÅtslehre Luther ein zentrales Herzensanliegen ist und er die in Konstantinopel normierte sowie in ost- westkirchlicher °kumene entstandene neunizÅnische TrinitÅtslehre rezipiert, um sich auf ihrer Grundlage auch gegen die klassischen trinitÅtstheologischen Einseitigkeiten zu wenden, belegt sein Bekenntnis, das die Abendmahlsschrift von 1528 abschließt. Hier bekennt Luther, daß er „erstlich“ und „von hertzen den hohen artickel“ glaubt, daß Vater, Sohn und Heiliger Geist sowohl drei unterschiedliche Personen als auch ein wahrhaftiger, einiger und natÛrlicher Gott sind, was den Arianern, Mazedoniern und Sabellianern sowie Åhnlichen Ketzereien widerspreche. „Knapper kann man eigentlich kaum ausdrÛcken, was nach intensiver trinitÅtstheologischer Diskussion im vierten Jahrhundert auf den beiden ersten Reichskonzilien von NizÅa und Konstantinopel normiert worden ist“78. Luther, der sich bei seiner Rezeption der altkirchlichen TrinitÅtslehre auf verschiedene Quellen stÛtzte, ging es in erster Linie darum, daß das altkirchliche Dogma und die entsprechenden Lehren schriftgemÅß sind. Er kam zu dem Ergebnis, daß die KirchenvÅter in Ost und West, die dieses Dogma im Kontext der neunizÅnischen TrinitÅtslehre schufen, schriftgemÅß gearbeitet haben, weshalb er in der Schrift „Von den Konziliis und Kirchen“ (1539) festhÅlt: „Der glaube ist zu Nicea durch der Apostel schrifft gegruendet.“79 Bei einer Promotionsdisputation (1544) wendet sich Luther mit dem Nachweis der SchriftgemÅßheit des trinitarischen Dogmas gegen das antitrinitarische Argument, es fÅnde sich keine TrinitÅt in der Bibel. Die mit philosophischer Begrifflichkeit durchsetzten Formulierungen der KirchenvÅter hÅlt Luther fÛr legitim, da philosophische Begriffe bei ihrer Integration in den Kontext biblischer Gedanken einen Zugewinn an Sprache und Erkenntnis erhielten (nova lingua). FÛr das altkirchliche trinitarische Dogma traf das aus Luthers Sicht in derart schriftgemÅßer Weise zu, daß er es in einer Predigt zum Trinitatisfest 1535 sogar als Gottes eigenes Wort bezeichnen konnte.80 C. Markschies: Luther, S. 81. Ebd., S. 37. Markschies belegt in seiner Untersuchung, daß Luther speziell die neunizÅnische TrinitÅtslehre in ihrer augustinisch-kappadozischen ºberlieferung rezipiert. Vgl. zu Luthers Bekenntnis WA 26;500,27–30. 79 WA 50;552,14. Zur zentralen Bedeutung der SchriftgemÅßheit fÛr Luther vgl. W. A. Bienert: Aporien, S. 105 ff., und C. Markschies: Luther, S. 55 ff. Zu den Quellen in bezug auf Luthers Rezeption der TrinitÅtslehre vgl. ebd., S. 44–55. 80 Vgl. WA 41;270,25–27. Vgl. zur nova lingua und ihren Konsequenzen C. Markschies: Luther, S. 66 ff. Zur Analyse der Promotionsdisputation unter trinitÅtstheologischer Perspektive vgl. ebd., S. 69 ff. – Daß sich bei Luther hinsichtlich der EinschÅtzung philosophischer Begriff77 78

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Šhnliche Beispiele fÛr die Bedeutung der altkirchlichen TrinitÅtslehre – speziell in ihrer neunizÅnischen Form – lassen sich in Schriften aus allen Lebensabschnitten Luthers finden.81 Dabei stand Luther auch in seiner heils×konomisch-soteriologischen Ausrichtung mit den KirchenvÅtern im Einklang.82 Unter diesen hermeneutischen Voraussetzungen ist er „nicht bei einer Rezeption der augustinischen Form neunizÅnischer TrinitÅtsdogmatik stehengeblieben“83, wie es lange Zeit angenommen wurde. Denn Luther hat bei seiner Neuordnung der Theologie durch das Wort Gottes die Ûberkommene scholastische TrinitÅtslehre keineswegs ausgespart, was bei der zentralen Bedeutung der Gotteslehre auch erstaunlich wÅre.84 So Ûberwand Luther – entgegen vieler gelÅufiger Lutherauslegungen – die einseitig ontologische Sichtweise der westkirchlichen Scholastik, indem er Ûber seine Orientierung an Augustin hinausgehend auf die athanasianischkappadozische (Basilius) TrinitÅtslehre mit ihrer biblisch-×konomischen Ausrichtung und ihrem ×stlich-personalen Ansatz zurÛckgriff.85 „Luther korrigiert den abendlÅndischen Ansatz durch seine Betonung der Eigengestalt der einzelnen Personen der TrinitÅt und ihre heilsgeschichtliche [sic] Bedeutung.“86 Wie sich die athanasianisch-kappadozische TrinitÅtslehre in biblisch-×konomischer Orientierung gegen spekulative Einseitigkeiten gewandt hatte87, so richtet sich der biblische und heils×konomische Ansatz Luthers gegen die scholastische Spekulation, wobei er die BerÛhrungspunkte zur ostkirchlichen Theologie erkennen lÅßt. Zwar steht Luthers Theologie im Kontext der „allgemeinen Differenzen zwischen ×stlicher und lichkeit durchaus eine Entwicklung beobachten lÅßt, die aber nichts an seiner Stellung zur Sache Åndert, zeigt seine zunÅchst distanzierte und spÅter zustimmende Haltung gegenÛber dem Homousios. Diese Wandlung beruhte auf der zunehmenden Konfrontation mit antitrinitarischen und einseitigen trinitÅtstheologischen Tendenzen, was Luther zu der Einsicht fÛhrte, daß es fÛr die KirchenvÅter notwendig war, die Meinung der Schrift durch entsprechende Begrifflichkeit von falschen Vorstellungen abzugrenzen (vgl. WA 50;572,24 ff.). Vgl. dazu C. Markschies: Luther, S. 56 ff., und W. A. Bienert: Aporien, S. 105 ff. Zu Luthers theologischer Entwicklung vgl. ferner R. Jansen: Studien, S. 207 ff. 81 Das belegt explizit C. Markschies: Luther, S. 55–79. Außerdem geht es implizit aus der weiteren Analyse hervor. 82 Vgl. W. A. Bienert: Aporien, S. 99, und C. Markschies: Luther, S. 83 f. 83 C. Markschies: Luther, S. 76. 84 Vgl. W. von Meding: Thesen, S. 243 ff. 85 Neben A. Peters haben besonders T. Mannermaa: Glauben, und W. A. Bienert: Aporien, die Hinwendung Luthers zur ×stlich geprÅgten altkirchlichen TrinitÅtslehre und speziell zum athanasianisch-kappadozischen Ansatz mit seinen ost-westkirchlichen Dimensionen nachgewiesen, was die gelÅufige Annahme, Luther stehe „im Einklang mit den klassisch-westlichen [. . .] Gedanken“ (D. Ritschl: Geschichte, S. 39; vgl. H.-M. Barth: Lehre, S. 60), relativiert. Vgl. zur entsprechenden Akzentverschiebung in der jÛngsten EinschÅtzung reformatorischer TrinitÅtslehre C. Schw×bel: Theologie, S. 330 f.; J. Martikainen: Aporien, S. 71 f. 86 W. A. Bienert: Aporien, S. 111 f. Vgl. A. Peters: TrinitÅtslehre, Sp. 566–568. 87 Zur athanasianischen und kappadozischen altkirchlichen TrinitÅtslehre s. o., S. 119 ff.

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westlicher [. . .] Theologie“, aber es stellt sich „die Frage, ob nicht gerade Luthers Theologie diese Differenzen ein StÛck weit hinter sich lÅßt, sie teilweise Ûberwindet und so einen wichtigen Beitrag fÛr die ×kumenische VerstÅndigung der Kirchen leisten k×nnte“88. Denn Luther sprengt die lateinische EngfÛhrung und bietet einen neuen Zugang zur „gesamtpatristischen Tradition“89. „Gerade an ihm lÅßt sich erkennen, daß wir Erben der ganzen Kirche, des Ostens und des Westens sind.“90 Luther bewegt sich nÅmlich nicht allein deshalb „im Rahmen eines Konsenses zwischen ×stlicher und westlicher neunizÅnischer Theologie“91, weil er „in der neunizÅnisch-augustinischen TrinitÅtstheologie eine zwischen den Kirchen der ganzen Christenheit unumstrittene Gemeinsamkeit gesehen“92 hat, sondern auch, weil er die westlichen trinitÅtstheologischen EngfÛhrungen aus den genannten GrÛnden relativierte, indem er sich speziell der Frage nach der Besonderheit der drei Personen zuwandte. Christoph Markschies, der letzteres auch registriert, ist dennoch der Ansicht, daß Luther vorwiegend vom augustinisch Ûberlieferten NeunizÅnismus geprÅgt sei. Dagegen vertritt Jouko Martikainen die Auffassung, Luther stehe den Kappadoziern und Johannes von Damaskus nÅher. Wolfgang A. Bienert dÛrfte dem Sachverhalt wohl am nÅchsten kommen, wenn er davon ausgeht, daß sich Luther mit der Korrektur des abendlÅndischen Ansatzes durch die Betonung der einzelnen trinitarischen Personen „dem ×stlichen VerstÅndnis der TrinitÅt“ annÅherte, „ohne jedoch den augustinischen Ansatz v×llig aufzugeben“93. Luthers biblisch-altkirchlicher Ansatz erm×glichte nÅmlich eine TrinitÅtslehre, „die – die biblischen Traditionen prÅgende – Unterscheidung von Vater, Sohn und Geist in der Darstellung der ×konomischen TrinitÅt [. . .] auch in der Entfaltung der immanenten TrinitÅt durchhÅlt“94. Die daraus resultierende ºberwindung der unitarisch gefÅrbten scholastisch-ontologischen Sichtweise durch das trinitarisch geprÅgte soteriologisch-personale VerstÅndnis fÛhrte zur erneuten Beachtung der trinitarischen Proprien, die bereits die Kappadozier betont hatten. Denn nach Luther „zeigt der Sohn durch die leibliche Geburt seine ewige Geburt und der Heilige Geist durch den leiblichen Ausgang seinen ewigen Ausgang“95.

W. A. Bienert: Aporien, S. 103. Vgl. insgesamt ebd., S. 100 ff. J. Martikainen: Aporien, S. 71 f., der W. A. Bienert zitiert. 90 G. Kretschmar: Weg, S. 41. 91 C. Markschies: Luther, S. 79, Anm. 192. 92 Ebd., S. 80. 93 W. A. Bienert: Aporien, S. 112. Vgl. C. Markschies: Luther, und J. Martikainen: Aporien. 94 C. Schw×bel: Theologie, S. 331. 95 WA 50;275,1. Vgl. A. Peters: TrinitÅtslehre, Sp. 567. Zur ºberwindung der ontologischen Sichtweise vgl. W.-D. Hauschild: Art. „Geist IV“, S. 208, und zur kappadozischen TrinitÅtslehre siehe Kap. II,3. 88 89

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Die spezifisch soteriologische Bedeutung sowohl der Christologie als auch der Pneumatologie rÛckt dadurch wieder in den Vordergrund. FÛr die Christologie fÅllt hierbei der theologia crucis zentrales Gewicht zu. In Abwehr der nominalistischen Gefahr eines WillkÛr-Gottes offenbart sich fÛr Luther aus der heils×konomischen Selbsterschließung Gottes im Kreuz Christi der liebende Gott.96 Er entlarvt mit seinem Herabkommen in die sÛndige Welt (pro nobis) das menschliche Aufschwingen zu Gott, das sich hinter dem natÛrlichen RÛckschlußverfahren scholastischer Theologie mit ihren via negationis-ºbertragungen auf Gott verbirgt.97 Die scholastische Unterscheidung zwischen natÛrlicher und ÛbernatÛrlicher Theologie, die des verborgenen Gottes (ÛbernatÛrlich) durch die anthropomorph-Ûberh×henden Ableitungen (natÛrlich) habhaft werden will, indem sie auf diese Weise die PrÅmissen fÛr die Offenbarung selbst setzt, wird durch das Kreuz als sich Ûber Gott erhebende Selbstverg×ttlichung transparent. Dem natÛrlich abgeleiteten metaphysischen Gottesbild, das in seinem Ûberh×henden G×ttlichkeitsanspruch die Menschlichkeit aus dem Blick verliert, fehlt die Perspektive des Kreuzes, in dem Gott sich als selbsterniedrigende Liebe offenbart und die menschliche Schuld erkennbar werden lÅßt.98 Im Elend des Kreuzes erweist sich die Herrlichkeit Gottes unter dem Gegenteil (sub contrario) – ebenso wie das Heil der Menschen und der Welt. Weil das Wort Fleisch wurde und der sich selbst erschließende Gott der sich selbst aussagende Gott ist, nennt Luther den offenbaren Gott (deus revelatus) einen gepredigten Gott (deus praedicatus). So wird die Gottes- und Menschenerkenntnis durch die im Heiligen Geist geschehende VergegenwÅrtigung des Heilswerkes Christi und des Wortes der Schrift gewÅhrt.99 Die natÛrliche Gotteserkenntnis (R×m 1,18 ff.) kann lediglich das „daß“ des verborgenen Gottes zur Kenntnis nehmen. Deshalb ÛberfÛhrt das Gesetz die Vernunft der selbstverg×ttlichenden Vereinnahmung Gottes, insoweit die Vernunft Gott aus ihren M×glichkeiten erschließen will, statt den verborgenen Gott ernst zu nehmen und die Angewiesenheit auf seine Selbsterschließung im Evangelium empfangend anzuerkennen: „Darum ist es ein gar großer Unter-

Vgl. W. Breuning: Art. „Gotteslehre II“, Sp. 925. Vgl. Luthers Magnificat (WA 7;547,1 ff.), wo Luther den Unterschied zwischen der abwÅrts gerichteten Liebe Gottes und der aufsteigenden „Liebe“ des Menschen aufzeigt. Vgl. dazu T. Mannermaa: Glauben, S. 108 ff. 98 Zum Aspekt der selbstverg×ttlichenden Spekulation vgl. z. B. WA 43;73,1 f. u. 43;240,22–30. Vgl. dazu insgesamt E. JÛngel: Entsprechungen, S. 202 ff. Zur wahren und den Menschen in seiner Schuld ÛberfÛhrenden Erkenntnis im Kreuz vgl. die Heidelberger Disputation (WA 1;361,31–362,25). Vgl. dazu insgesamt T. Mannermaa: Glauben, S. 129 ff. 99 Zur vergegenwÅrtigenden Funktion des Heiligen Geistes vgl. Luthers Galaterkommentar (WA 40 I;580 ff.). Vgl. insgesamt E. JÛngel: Entsprechungen, S. 249 ff.; T. Mannermaa: Glauben, S. 79 ff.; I. Lønning: Art. „Gott VIII“, S. 673. 96 97

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schied, wissen, daß ein Gott ist, und wissen, was oder wer Gott ist. Das erste weiß die Natur und ist in allen Herzen geschrieben. Das andere lehrt allein der Heilige Geist“100. Wie fÛr die KirchenvÅter besteht auch fÛr Luther ein VerhÅltnis von Ahnung und Offenbarung sowie eine apophatische und eine ×konomische Dimension der Gotteserkenntnis, was in seiner VerhÅltnisbestimmung von verborgenem und offenbarem Gott zum Ausdruck kommt. Der in der natÛrlichen Erkenntnis verborgene Gott hÅlt der Vernunft den apophatischen Aspekt und die Notwendigkeit vor Augen, sich der Selbsterschließung des personalen Geheimnisses Gottes zu ×ffnen. Die M×glichkeit der Selbsterschließung beruht auf der inneren Bezogenheit von ×konomischer und immanenter TrinitÅt.101 Den AnknÛpfungspunkt in der Sch×pfung bieten die vestigia trinitatis, die aus dem Glauben heraus zu erkennen sind und bei Luther dezidiert beschrieben werden, was in der Lutherforschung kaum Beachtung fand.102 Richtige Wahrheitserkenntnis ist nur m×glich, wenn sie den Erkenntnisbedingungen ihres Erkenntnisgegenstandes entspricht, weshalb sich die Theologie der Selbsterschließung Gottes zu ×ffnen hat, der Luther gegenÛber philosophischer oder „natÛrlicher“ Erkenntnis unbeschrÅnkten epistemischen Primat zuerkennt.103 Weil ein nur verborgener Gott ein ferner Gott wÅre und ein nur offenbarer Gott in der Welterkenntnis aufginge, sind beide Dimensionen zu berÛcksichtigen. Deshalb geht es um das offenbare Geheimnis Gottes, der die Menschen in seine Liebesgemeinschaft ruft. Denn der trinitarische Gott offenbart sich als Liebe, indem er sich den Menschen hingibt. In Christus wird die vÅterliche Liebe gegeben und im Heiligen Geist anerkannt. Nur in der heilsgeschichtlich gewÅhrten Gemeinschaft mit dem trinitarischen Gott lÅßt sich Gottes Sein erkennen (Koinonia-Erkenntnis), weil Gott in einem unzugÅnglichen Licht wohnt und so selbst zu uns kommen (I Tim 6,16) und uns erleuchten muß (Joh 1,18; I Kor 13,12), wenn wir ihn und seine Liebe erkennen sollen: „Wo man [. . .] in der Theologie Ûber die Gotteserkenntnis lehrt, ist Gott nicht als inner-

100 WA 19;207,12 f. Vgl. WA 37;39,12–22 u. 43,6–25. Vgl. insgesamt S. M. Daecke: Gott, S. 139 ff.; T. Mannermaa: Glauben, S. 133 ff.; E. JÛngel: Entsprechungen, S. 239 ff.; G. Ebeling: Luther, S. 259 ff. 101 Vgl. WA 42;635,13–16. Vgl. E. JÛngel: Entsprechungen, S. 206–247. 102 Vgl. WA 1;26,36–27,12; WA 42;37,25–34; WA 43;276,27–42. T. Mannermaa: Luther, S. 45 ff., er×rtert die Aussagen, „in denen Luther explizit von der Sch×pfung als vestigium trinitatis spricht“ (S. 53). 103 Vgl. WA 26;436,31–35, und WA 7;98,4 ff.: „Die ersten Prinzipien sollen ausschließlich die g×ttlichen Worte sein, aller Menschen Worte aber nur Schlußfolgerungen, die aus ihnen abgeleitet und auf sie wieder zurÛckfÛhren und an ihnen zu beweisen sind.“ B. D. Marshall: Entscheidung, setzt sich ausfÛhrlich mit dem VerhÅltnis von natÛrlicher Wahrheit und Offenbarungswahrheit bei Luther und Thomas von Aquin auseinander.

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halb seiner selbst Verbleibender zu erkennen, sondern er kommt zu uns, daß wir nÅmlich fest daran glauben, daß er fÛr uns Gott ist.“104 Luthers Neuordnung der trinitarischen Gotteslehre gegenÛber der Scholastik wird deshalb am alttestamentlichen Motiv der Himmelsleiter deutlich, die Gott dem Menschen im Geist hinstellt, damit der Mensch genau auf den Stufen zu Gott kommt, auf denen Gott zu ihm kommt. Weil die Erkenntnis bei der im Heiligen Geist erfolgenden VerkÛndigung des Mensch gewordenen Christus beginnt, spielt der Zusammenhang von TrinitÅtslehre und VerkÛndigung bei Luther eine bedeutende Rolle.105 Der Heilige Geist gewÅhrt und fordert nach Luther einen h×renden bzw. empfangenden Glauben, der an das Wort Gottes gebunden bleibt. GegenÛber scholastischen Spekulationen bleibt die Gotteserkenntnis somit auf die christologisch-pneumatologische Selbsterschließung Gottes bzw. auf die biblisch-×konomische Erkenntnis angewiesen: „Diese wortkonzentrierte und Glauben intendierende TrinitÅtslehre wird zur kritischen Kraft der gesamten Theologie.“106 Wahre Gotteserkenntnis ereignet sich nach Luther also nur in der vom Sohn und vom Heiligen Geist gewÅhrten Teilhabe an der Gemeinschaft mit Gott, die sich im Glauben vollzieht und neben der revelatorischen auch eine soteriologische Dimension beinhaltet, da Gott um unserer SÛnde willen in Christus Mensch wird, um uns in seine Liebesgemeinschaft zurÛckzuholen. Wahrhafte Gotteserkenntnis ist deshalb ebenso wie wahrhaftes Heil allein in Christus gegeben. Somit bekommt die Christologie zwar zentrale Geltung fÛr Luthers Theologie, worauf Wolf-Dieter Hauschild, Notger Slenczka und Simo Peura zu Recht hinweisen.107 Aber da das Sich-Geben und die Heilsgegenwart Gottes in Christus durch den Heiligen Geist vergegenwÅrtigt werden, bleibt spezifizierend festzuhalten, „daß die Gegenwart Christi als Gegenwart der gesamten TrinitÅt im glaubenden Menschen ein integrales bzw. organisierendes Prinzip der TrinitÅtstheologie Luthers ist“108. Denn Luther versteht das trinitarische Dogma „nicht nur als Ûbernommenes Dogma, sondern pointiert als Voraussetzung fÛr das rechte Ver-

104 WA 43;240,23–28. Vgl. insgesamt WA 50;273,22–28, und die AusfÛhrungen von S. Peura: Sich-Geben. Zur Bedeutung der Gemeinschaft mit Gott fÛr die Gotteserkenntnis vgl. R. Flogaus: Theosis, S. 432 ff. – Zu der vom Verfasser eingefÛhrten Begrifflichkeit „Koinonia-Erkenntnis“ s. o., S. 130. 105 Vgl. U. Asendorf: TrinitÅtslehre, und W. von Meding: Thesen, S. 244 ff. 106 W. von Meding: Thesen, S. 261. Vgl. ebd., S. 243–263. 107 Vgl. W.-D. Hauschild: Art. „Geist IV“, S. 208; N. Slenczka: Aristoteles, S. 69 f., und S. Peura: Sich-Geben, S. 132 ff., der die heilsgeschichtlich-soteriologische Dimension des Sich-Gebens Gottes in Luthers Theologie im einzelnen darlegt. Vgl. dazu auch J. Martikainen: Aporien, S. 79 ff. – T. Mannermaa: Luther, S. 58 f., er×rtert, wie Luther das Erkenntnisprinzip der Gotteserkenntnis in Gott selbst und somit allein in der Gemeinschaft mit ihm verankert. 108 S. Peura: Sich-Geben, S. 139 (Hervorhebung v. Vf.).

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stÅndnis des Evangeliums“109, so daß die TrinitÅtslehre zur „conditio sine qua non seiner Theologie“110 wird. Weil Erkenntnis und Gnade Gottes „durch den in der Inkarnation vermittelten Glauben an den dreieinigen Gott erlangt“ werden, „ist die TrinitÅt das organisierende Prinzip der Theologie Luthers und der GeneralschlÛssel zu allen ihren Aussagen. Diese Einsicht konnte in der bisherigen Forschung auch nicht ansatzweise erschlossen werden. Sie enthÅlt [. . .] neue ×kumenische M×glichkeiten“111. Das gilt besonders fÛr die in Sohn und Heiligem Geist gewÅhrte Teilhabe an der Gemeinschaft mit Gott, durch die der Glaubende nach Luther „gÅnzlich g×ttlicher Mensch wird“112. Damit steht Luther dem athanasianischen Theosisgedanken nahe, der Gotteserkenntnis und menschliches Heil in der Teilhabe an dem trinitarischen Gott verankert sah. Laut Oswald Bayers Lutherinterpretation „spricht sich Gott als der Vater im Sohn durch den Heiligen Geist [. . .] verbindlich zu, gibt sich [. . .] ganz und gar hin, teilt [. . .] sein Sein mit“, so daß man „dies durchaus ‚Theosis‘ nennen“113 kann. Wie bei Athanasius garantieren Kreuzestheologie und pneumatologische VergegenwÅrtigung auch bei Luther gegenÛber der Glorientheologie oder dem Gedanken physischer Vergottung, daß der Mensch als Gerechtfertigter und SÛnder zugleich (simul iustus et peccator) weiterhin den Bedingungen dieser Welt untersteht. Tuomo Mannermaa hat gegen das ethisch-relationale GlaubensverstÅndnis neukantianischer Lutherinterpretationen und das aktualistische GottesverhÅltnis existentialistischer Lutherinterpretationen auf den Theosis-Aspekt bei Luther als real-ontische Teilhabe an Gott in Christus hingewiesen, da Christus im Glauben selbst real anwesend sei („in ipsa fide Christus adest“).114 Besonders an Luthers Galaterkommentar lÅßt sich ablesen, wie der Glaubende aufgrund der christologischen communicatio idiomatum im „fr×hlichen Wechsel“ an den erl×senden Eigenschaften Christi partizipiert, weil Christus als Seinswirklichkeit des Glaubens im Glaubenden anwesend ist. Die Glaubenden werden – im Unterschied zu Melanchthon – nicht allein durch die forensische Imputation des Verdienstes Christi gerechtfertigt, sondern umfassender durch die Teilhabe am Heilswerk der Inkarnation des Gottessohnes, der die menschliche Natur annimmt und ihr das g×ttliche Heil zueignet (Idiomenkommunikation). Durch die Partizipation an

E. Kyndal: Umgang, S. 53. R. Jansen: Studien, S. 224. 111 U. Asendorf: TrinitÅtslehre, S. 129 (Hervorhebung v. Vf.), dessen Beobachtungen S. Peura: Sich-Geben, S. 132, bestÅtigt. Auch G. Wenz: Unio, S. 341, betont, daß die TrinitÅtslehre fÛr Luther und die Confessio Augustana „durchweg bestimmend“ als „fundierende Basis“ gilt. 112 WA 40 I;182,15;390,22–24. Vgl. S. Peura: Sich-Geben, S. 141. 113 O. Bayer: VerstÅndnis, S. 105 f. – Zum athanasianischen Theosisgedanken s. o., S. 121 f. 114 Vgl. T. Mannermaa: Glauben. Die zitierte Formulierung Luthers findet sich z. B. in WA 40 II;228,34–229,1. 109 110

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dieser inkarnatorisch-christologischen Gemeinschaft von Gott und Mensch, die eine Trennung von forensischer und effektiver Rechtfertigung Ûberwindet, kann sich der Glaubende in der Gemeinschaft mit Christus als in Christus neu konstituierte Person verstehen, die aber zugleich von Christus unterschieden bleibt. In ekstatischer Weise wird die Christusgemeinschaft im Glauben als mit der Inkarnation vorgegebenes Heil – und somit ohne eigene Verdienste – empfangen. Diese Vorstellung vom Glauben als Realisierung der Christusgemeinschaft, die Friederike NÛssel bei Luther erkennt, lÅßt das VerhÅltnis von „GegenÛber und NÅhe“ Gottes am deutlichsten unter BerÛcksichtigung der trinitarischen Dimension hervortreten, welche Gunther Wenz als grundlegend bezeichnet. Wird das Gewicht auf die VergegenwÅrtigung der Christusgemeinschaft durch den Heiligen Geist gelegt, kommt deutlich die im Geist geschenkte NÅhe des extra nos zur Geltung (Gleichzeitigkeit von „GegenÛber und NÅhe“ Gottes). So kann der Glaubende den Zusammenhang von Rechtfertigung und Heiligung unter den Bedingungen dieser Welt (simul iustus et peccator) leben, ohne seinen Selbstand in der Gemeinschaft mit Christus zu verlieren.115 Luther, der das Theologumenon der Verg×ttlichung aus der patristischen Tradition Ûbernahm, versteht die Partizipation an der Seinswirklichkeit Christi also ebensowenig wie Athanasius substantialiter oder physisch, sondern als mehrfach gebrochenes VerhÅltnis, das unter dem Vorzeichen der menschlichen Krisis (notwendige Umkehr von der Selbstverg×ttlichung) und des eschatologischen Vorbehalts („schon“ und „noch nicht“) steht.116 Wie in Gott innertrinitarisch relationaler und ontologischer Aspekt zusammengeh×ren und wie hinsichtlich der Idiomenkommunikation bei der Menschwerdung Gottes in Christus ein rein substantielles VerstÅndnis durch eine Ontologie der wechselseitigen Gemeinschaft aufgebrochen wird, so ist auch Luthers VerstÅndnis der im Glauben sich vollziehenden Teilhabe an Christus am besten mit dem Wort Seinsgemeinschaft zu beschreiben. Denn Gott bleibt Gott und der Mensch bleibt Mensch, zumal die Glaubenden in Christus bereits an einer Gemeinschaft des Seins partizipieren, nÅmlich an der inkarnatorisch-christologischen Gemeinschaft von g×ttlicher und menschlicher Natur in Christus. Albrecht Beutel erinnert die finnische Lutherforschung angesichts der Gefahr eines zu undifferenzierten VerstÅndnisses der Seinsgemeinschaft mit Christus daran, „daß die irdische Teilhabe des Glaubens an der Wirklichkeit Gottes die Macht der SÛnde

115 Vgl. WA 40 I;283,20–32 (Dr) u. 546,21–28, wo Luther erlÅutert, wie Christus im Glaubenden lebt. Vgl. F. NÛssel: Allein aus Glauben, S. 48 ff., 236 f., 292 ff., 337 ff.; T. Mannermaa: Glauben, S. 26 ff.; G. Wenz: Unio, S. 349 ff. 116 Vgl. WA 1;29,6–22. Vgl. insgesamt N. Slenczka: Aristoteles, S. 66 ff.; T. Mannermaa: Luther, S. 49 f.; U. Asendorf: TrinitÅtslehre, S. 128; R. Flogaus: Theosis, S. 375; A. Beutel: Antwort, S. 86.

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nicht Ûberspringt und darum nur in Gestalt einer fortwÅhrend erneuerten Teilgabe Gottes Bestand haben kann“117. Das GegenÛber-Sein Gottes und der relationale Aspekt gehen also nicht verloren, was bei Mannermaas VerstÅndnis von der real-ontischen Gegenwart Christi im Glauben durch eine defizitÅre BerÛcksichtigung der Funktion des Heiligen Geistes nicht immer deutlich erkennbar bleibt. So nimmt Mannermaa zum Beispiel an, Luther beschreibe die Partizipation der Glaubenden an Christus mit Hilfe der klassischen realistischen Erkenntnistheorie bzw. des scholastischen Substanzbegriffs. Doch fÛr Luther vollzieht sich die Teilhabe im Glauben, der sich in der relationalen Gemeinschaft zwischen Gott und Mensch ereignet. Diese Gemeinschaft beruht wiederum auf dem relationalen Sein Gottes, mit dem er sich in der Heils×konomie mitteilt. Zwar erkennt auch Mannermaa den Zusammenhang von esse und relatio, doch indem er innertrinitarisch und heils×konomisch die Relation mit dem Sein identifiziert und Gott als reinen Akt oder als Bewegung bezeichnet, geht der Selbstand der trinitarischen Personen in dem einen g×ttlichen Wesen auf. Das verleitet Mannermaa dazu, Luther mit dem scholastischen Substanzbegriff in Verbindung zu bringen. Doch Luther hebt den Aspekt relationaler Gemeinschaft hervor. Deshalb sind mit Reinhard Flogaus die bei Mannermaa auftretenden Gefahren eines einseitig substantiellen TeilhabeverstÅndnisses ebenso aufzuzeigen wie Simo Peuras unberechtigte Ablehnung der relationalen Deutung von Luthers Seinsaussagen. Denn Luther charakterisiert „Rechtfertigung und Heiligung des Menschen als ein ontologisches Geschehen [. . .], das sich auf die verborgene Gegenwart Christi im Glauben bzw. im Glaubenden zurÛckfÛhren lÅßt und damit paradoxerweise sich zugleich in nobis ereignet und doch extra nos bleibt“118. Das Geschehen

117 A. Beutel: Antwort, S. 92. Vgl. zu Luthers VerstÅndnis der im Glauben sich vollziehenden Christusgemeinschaft WA 1;28,32–41. Vgl. insgesamt T. Mannermaa: Luther, S. 49 ff.; N. Slenczka: Aristoteles, S. 69 f. Zu Luthers theologischer Entwicklung hinsichtlich der trinitarisch-ontologischen Fragestellung vgl. ebd., S. 61 ff. – BezÛglich der Zusammengeh×rigkeit von personal-relationaler und ontologischer Kategorie vgl. O. Bayer: Wunder, S. 330 f.: „Denn Gott ist der, der – im Wort – zu mir kommt als der, der – im Wort – mir immer schon zuvorgekommen und bei mir, ja in mir ist. Keines dieser beiden Momente darf vom andern isoliert werden und sich verselbstÅndigen. Sonst verfiele die Theologie entweder der Metaphysik oder der Mythologie. [. . .] Von hier aus kann leicht deutlich gemacht werden, daß personales und ontologisches Denken unm×glich gegeneinander ausgespielt werden k×nnen – ebensowenig wie das Reden von forensischer und von effektiver Rechtfertigung.“ 118 R. Flogaus: Theosis, S. 380. Vgl. insgesamt ebd., S. 285–380. – Weil es sich bei der Teilhabe im Glauben um eine „Ontologie“ der Gemeinschaft handelt, bleibt der relationale Aspekt konstitutiv, was auch A. Beutel: Antwort, S. 91, kritisch gegenÛber S. Peura anmerkt: „Kommt doch gerade in der relationalen Bestimmung, wonach der Mensch in theologischer Hinsicht dadurch definiert sei, daß er durch den Glauben gerechtfertigt werde, die reale Gegenwart Gottes zum Ausdruck.“ – Zu Mannermaas Identifikation von Sein und Relation vgl. T. Mannermaa: Luther, S. 44 ff.

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der Teilhabe im Glauben erweist sich also als „Ontologie“ der Gemeinschaft mit kommunikativem Charakter. Flogaus erinnert daran, daß Luther im Unterschied zu Palamas die Verg×ttlichung des Menschen nicht als Habitus oder Aufstiegsschema versteht, das sich aus g×ttlichen Energien speist, sondern als Aufnahme des sÛndigen Menschen in die heils×konomisch offenbare Liebesgemeinschaft des dreieinigen Gottes.119 Indem sich Luther auf der Grundlage der Seinsgemeinschaft von Gott und Mensch gegen die scholastische und spiritualistische Soteriologie der „fides charitate formata“ stellt, die den Glauben als eine QualitÅt des Herzens versteht und deshalb die Rechtfertigung von der Einwohnung Christi und der Heiligung trennt, enthÛllt Luther den inneren Zusammenhang von Theosis und Rechtfertigung: Eine Rechtfertigung aus Gnaden (sola gratia) ist nur gewÅhrleistet, wenn sie nicht aus einem „Werk“ menschlicher Liebe, sondern aus der Teilhabe an der realen Gemeinschaft mit Gott erfolgt. „Der [richtig verstandene] deificatio-Gedanke geh×rt also zum Kern der Rechtfertigungslehre Luthers“120, und zwar unter der Bedingung, daß die „Verg×ttlichung“ die Partizipation des Menschen an der Gemeinschaft mit Gott als Voraussetzung dafÛr vor Augen hat, daß der Mensch wieder im positiven Sinne menschlich und so zum Ebenbild Gottes wird. Deshalb kann „Luther den Kern der Rechtfertigungslehre [auch] mit Hilfe der klassischen Formulierung der Verg×ttlichungslehre“121 erlÅutern, wobei Rechtfertigung und Theosis nur im Kontext seiner differenzierten TrinitÅtslehre richtig zu verstehen sind122. Daß nÅmlich Christus in dieser Glaubens-Teilhabe zugleich das GegenÛber der Menschen bleibt, garantiert – wie bereits gezeigt – der

119 Vgl. R. Flogaus: Theosis, S. 396 ff. Flogaus analysiert in seiner Monographie das VerstÅndnis von Theosis bei Palamas und Luther. – Zum kommunikativen Charakter des Seins in Christus vgl. O. Bayer: VerstÅndnis, S. 104 ff. 120 T. Mannermaa: Glauben, S. 55, der sich auch auf Forschungsergebnisse von R. Prenter und G. Kretschmar zu dieser Fragestellung bezieht (vgl. ebd., S. 17 f.). Zu berÛcksichtigen bleibt allerdings der Hinweis von A. Beutel: Antwort, S. 73 f., daß sich der Terminus „deificatio“ bei Luther nicht in Reinform, sondern in Form verschiedenster Ableitungen findet. – Daß erst der spÅte Luther wieder mehr das Nacheinander von Rechtfertigung und Heiligung in den Blick nimmt, bemerkt R. Flogaus: Theosis, S. 376. Vgl. insgesamt WA 40 I;228,27–229,32, wo Luther gegenÛber der „fides charitate formata“-Soteriologie die in Christus begrÛndete Glaubensgerechtigkeit betont. WA 40 I;285,24–286,20 (Dr) enthÅlt in Abgrenzung von der scholastischen Werkgerechtigkeit den Aufweis des Ineinanderseins von Christus und Glaubendem. Die NÅhe zur athanasianischen theopoiesis-Vorstellung offenbart WA 40 I;182,15 u. 417,15–19, da Luther sich hier auf II Petr 1,4 beruft und ausfÛhrt, wie die Gottheit die Menschheit durchdringt. 121 T. Mannermaa: Luther, S. 48, der viele Belege anfÛhrt. – Zu Luthers Auffassung von der wahren Menschlichkeit als Ziel der „Verg×ttlichung“ vgl. z. B. WA 5;128,36–39; A. Beutel: Antwort, S. 70 ff., und A. Radler: Ontologie, S. 33, der auf den bleibenden Unterschied zwischen Gott und Mensch hinweist. 122 Vgl. G. Kretschmar: Weg, S. 41; R. W. Jenson: Grundlegung, S. 12.

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Heilige Geist, der als Gabe und Geber die reale Anwesenheit Christi im Glauben vermittelt und vom personalen Ansatz her als g×ttliche Person und als GegenÛber des Menschen verstanden wird: „Luther differenziert deutlich den Geist Christi als ein gesondertes ‚Subjekt‘ im Menschen.“123 Da Glaube und Heiligung nicht ohne den Heiligen Geist m×glich sind, ergibt sich aus Luthers VerstÅndnis vom Heiligen Geist als einer wirkenden g×ttlichen Person die von Gott her erfolgende Rechtfertigung des SÛnders, die sich in der Teilhabe an Christi Erl×sung verwirklicht und die die heilsgeschichtliche Zuwendung des Bundesgottes zu seinen Gesch×pfen widerspiegelt.124 „Rechtfertigung und ErwÅhlung, diese recht eigentlich protestantischen LehrstÛcke, sind nicht nur undenkbar ohne die Grundlage der altkirchlichen TrinitÅtslehre und Christologie: sie sind deren notwendige AusfÛhrung und Anwendung.“125 Durch diese Anwendung erreichte Luther zugleich eine „Revitalisierung des altkirchlichen Bekenntnisses“126. Vor solchem Hintergrund konnte der protestantisch-orthodoxe Dialog hinsichtlich des VerhÅltnisses von Rechtfertigung und Theosis bereits beachtliche Fortschritte erzielen.127 Das wechselseitige BedingungsverhÅltnis von TrinitÅt und Rechtfertigung, das auch in Luthers Auffassung vom trinitarischen Sich-Geben in der Credo-Auslegung des Großen Katechismus zur Sprache kommt128, prÅgt neben vielen Schriften Luthers auch die lutherischen Bekenntnisschriften, was Hans-Olof Kvist im einzelnen nach-

123 T. Mannermaa: Glauben, S. 82. Vgl. WA 40 I;581,9–31: Dort hebt Luther hervor, wie der Heilige Geist fÛr den Glaubenden mit Seufzen eintritt (interpellit). Vgl. zu Luthers Pneumatologie die BeitrÅge in J. Heubach (Hg.): Geist. Vgl. insgesamt T. Mannermaa: Glauben, S. 79 ff.; W.-D. Hauschild: Art. „Geist IV“, S. 208 f. 124 Vgl. F. Schmid: ErwÅgungen, S. 65; C. Schw×bel: Theologie, S. 332, und W. von Meding: Thesen, S. 255–262, der die zentrale Bedeutung des Heiligen Geistes fÛr Luthers Theologie pointiert herausstellt: „Die Pneumatologie bildet bei Luther keinen unverstandenen Anhang, sondern den Anfang der glaubenden confessio, wie Christus der Anfang der instructio ist: zugeeignet und ergriffen soll werden, was Vater und Sohn lÅngst heilvoll getan haben.“ (Ebd., S. 262) – G. Wenz: Unio, S. 344, erinnert im RÛckgriff auf E. Schlink an die trinitarische Konstitution der Rechtfertigung, indem er betont, daß das Heilswerk Christi fÛr die Menschen wertlos sei, wenn Christus nicht der Sohn Gottes wÅre, der uns im Heiligen Geist seine Heilsgemeinschaft selbst schenkt (vgl. dazu auch ebd., S. 351 ff.). 125 J. Koopmans: Dogma, S. 115. Vgl. die gleiche EinschÅtzung bei H.-O. Kvist: Geist, S. 201; F. Schmid: ErwÅgungen, S. 65; C. Schw×bel: Theologie, S. 332; A. M. Ritter: Dogma, S. 214, und G. Wenz: Unio, S. 343 f.: „Die ursprÛngliche Einsicht der Reformation ist als rechtfertigungstheologische immer auch und zugleich eine trinitÅtstheologische.“ 126 E. Kyndal: Umgang, S. 53. 127 Vgl. H.-D. D×pmann: Rechtfertigung, S. 251 ff., der die Fortschritte im einzelnen skizziert. „Theosis“ wird in diesen Dialogen nicht selten durch „Verherrlichung“ ersetzt. Die angesprochenen Fortschritte gelten auch fÛr den anglikanisch-orthodoxen Dialog (vgl. ebd., S. 254). Zur ×kumenischen Bedeutung der Fortschritte vgl. auch P. Nørgaard-Højen: Sola fides, S. 474 f. 128 Vgl. BSLK 660 f. Vgl. ferner C. Schw×bel: Theologie, S. 332; S. Peura: Kirche, S. 131 ff.

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gewiesen hat129. Gleichermaßen hat sich der trinitarische Ansatz Luthers auf die reformatorische Ekklesiologie ausgewirkt, denn die biblisch und heils×konomisch orientierte TrinitÅtslehre mit ihrer angemessenen Zuordnung von ×konomischer und immanenter TrinitÅt verhindert nicht nur im GlaubensverstÅndnis, sondern auch im KirchenverstÅndnis eine dualistisch (ferner Gott) oder emanatorisch (Gott geht in der Welt/Kirche auf) bedingte Vereinnahmung Gottes. „Vielmehr bietet sich die M×glichkeit, christologisch von einem Gott zu sprechen, der in die Natur eingeht, ohne in ihr aufzugehen, und pneumatologisch von einem Geist zu reden, der als heiliger, als Gottesgeist auch in der Natur und Materie wirkt.“130 Auf diese Weise kann die differenzierte Zuordnung von „GegenÛber und NÅhe“ Gottes fÛr die Ekklesiologie fruchtbar werden. Sowohl der Gedanke der Gegenwart Christi im Glauben als auch die fÛr jeden Christen geltende Vermittlung dieser Heilsgegenwart durch den Heiligen Geist, die das extra me Christi zum pro me werden lÅßt, fÛhren zurÛck zur Erkenntnis des geistbegabten Gottesvolkes und des allgemeinen Priestertums.131 In Abwehr der r×mischen Auffassung von Kirche als klerikaler Heilsinstitution und -mittlerin korrigiert Luther das GegenÛber von Kirche (Amt) und Kirchenvolk wieder zum GegenÛber von Gott und Kirche (Gemeinschaft der Heiligen). Durch die heils×konomisch-personale TrinitÅtslehre Luthers wird die augustinisch-thomistische Reduzierung des Heiligen Geistes auf die Gnadenlehre (ÛbernatÛrliche Kraft im Menschen) dahingehend Ûberwunden, daß der Heilige Geist als eigenstÅndige trinitarische Person das GegenÛber von Mensch und Kirche bleibt. „Luther verwirft also den Gedanken der geschaffenen Gnade, die zum Sein des Menschen geh×rt (habitus) und auf die sich der actus der Gnade ontologisch grÛnden k×nnte.“132 Der Heilige Geist ist daher nicht nur als Gabe oder Energie (Palamas), sondern auch in seinem g×ttlich-personalen Wesen selbst zugegen, was soteriologisch von Bedeutung ist und womit Luther dem altkirchlichen Ansatz einer ×konomischen Energienlehre entspricht, nach welcher hinter der Anwesenheit der trinitarischen Personen in ihren WirkkrÅften (Energien) auch ihre hypostatische Gegenwart steht.133 Indem der Heilige Geist als Gottes Gabe zugleich als Handelnder (Geber) wirkt, wo und wann es Gott gefÅllt, kommen die UnverfÛgbarkeit und die kirchen- bzw. traditionskritische Funktion des Heiligen Geistes gegenÛber der r×mischen christomonistischen Ekklesiologie zur Geltung, in der die Kirche als fortlebender Christus (Christus prolongatus) und der Geist lediglich als darin enthaltene Gnadenkraft Christi erschienen. „Die kirchenkritische Kraft des pneumatologischen Dogmas wurde erst von Luther und von der Reformation zur Geltung gebracht.“134 In der Reformation erhielt die Pneumatologie 129 Vgl. H.-O. Kvist: Geist. Zur von Luther geprÅgten Pneumatologie der lutherischen Bekenntnisschriften vgl. E. Kinder: Lehre. Vgl. ferner B. Oberdorfer: Filioque, S. 267: „Luther und Melanchthon haben [. . .] die Rechtfertigungslehre selbst und von ihr aus ‚alle(.) LehrstÛkke‘ strikt trinitarisch strukturiert“. 130 S. M. Daecke: Gott, S. 153. 131 Vgl. WA 7;27,17–28. Vgl. ferner T. Mannermaa: Glauben, S. 53 ff. u. 90 f.; W.-D. Hauschild: Art. „Geist IV“, S. 209; T. Schneider: Bekenntnis, S. 212. 132 T. Mannermaa: Luther, S. 58. 133 S. u., S. 517, und siehe Kap. II,3. 134 W. A. Bienert: Aporien, S. 99. Vgl. insgesamt W.-D. Hauschild: Art. „Geist IV“, S. 208 f.; B. J. Hilberath: Pneumatologie, S. 519; G. Ebeling: Dogmatik III, S. 27.

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eine zentrale Bedeutung fÛr die Ekklesiologie, die Soteriologie und die Eschatologie.135 Der auf dieser Pneumatologie beruhende Communio-Charakter der Kirche (Gemeinschaft der Heiligen), welcher auch an dem menschlichen Aspekt der Kirche und der bleibenden Angewiesenheit auf Gott festhÅlt, fand UnterstÛtzung in Luthers altkirchlich geprÅgter Auffassung von der PersonalitÅt der Menschheit Christi. GegenÛber der metaphysisch geprÅgten Synthese von Christus und menschlicher Natur bei Thomas von Aquin verdeutlicht Luthers Auffassung, daß Menschheit und Kirche nicht theandrisch als Instrumentalursache von Christi Heilswirken zu verstehen sind und somit zum Christus prolongatus werden, bei dem Christus die menschliche Natur bzw. die Kirche eingenommen hat. Vielmehr behÅlt das Menschsein aufgrund der Logos-Anthropos-Christologie seine eigene Bedeutung, und Mensch und Kirche bleiben in der Heilsgeschichte als simul iustus et peccator weiterhin der Anfechtung unterworfen.136 Ordiniertes Amt und allgemeines Priestertum sind deshalb in ihrer gegenseitigen Bedingtheit gemeinsam auf den Empfang des Heils Christi im Heiligen Geist angewiesen. Der Geist bestimmt die wechselseitige Beziehung von Amt und Gemeinde in der Gemeinschaft der Heiligen (Koinonia). Um der kirchlichen Ordnung und der ×ffentlichen VerkÛndigung willen bedarf das allgemeine Priestertum des ordinierten Amtes, das aufgrund besonderer Charismen von der Gemeinde Ûbertragen wird und zugleich von Christus durch die Verleihung der Charismen eingesetzt ist.137 Amt und Gemeinde stehen so in wechselseitiger Bestimmung unter dem Geist Christi: Die Gemeinde ist ebenso auf den Dienst der Einheit angewiesen wie das Einheitsamt auf die Vielfalt der gemeindlichen Charismen.138 In ihrer Interdependenz sind Amt und Gemeinde gemeinsam verantwortlich fÛr rechte WortverkÛndigung und Sakramentsverwaltung, die als fundamentale Kennzeichen der sichtbaren Kirche gelten (CA VII) und von denen sich weitere Kennzeichen wie Amt, Gebet, Leiden oder Liebestaten ableiten lassen.139 Die sichtbare Kirche kann anhand ihrer Kennzeichen als rechte oder falsche Kirche identifiziert werden und bedarf somit der Unterscheidung von ihrer Zielbestimmung, der einen, heiligen, katholischen und apostolischen Kirche als geglaubter und verborgener geistlicher Gemeinschaft (ecclesia abscondita). Deshalb ist die Kirche unter dem Anspruch und Zuspruch des Wortes Gottes, aus dem sie in Christus durch den Heiligen Geist lebt, stets zu reformieren (ecclesia semper reformanda est).140 Dabei stellen verborgene und sichtbare Kirche eine komplexe RealitÅt dar, die aber durch die vorgenommene Differenzierung daraufhin zu ÛberprÛfen ist, ob sie ihrem Wesen entspricht. Dieses Åußert sich in einer pneumatischen Leiblichkeit, insofern als der Heilige Geist die Gemeinschaft der Heiligen unter ihrem bleibenden

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Vgl. J. Koopmans: Dogma, S. 114 f.; W. Breuning: Pneumatologie, S. 125. Vgl. WA 34 I;276,8–13. Vgl. insgesamt T. Sartory: Gefahr, S. 65 ff. Vgl. WA 50;633,2; WA 22;183,22 ff.; WA 12;189,21 ff. Vgl. G. Wenz: Einheit, S. 281 ff.; W. HÛffmeier/C.-R. MÛller (Hg.): Gemeinschaft,

S. 33 f. 139

Vgl. WA 50;628 ff. Vgl. WA 6;296,39 ff. u. 300,37 ff.; WA 18;652,23. Luthers KirchenverstÅndnis ist komprimiert enthalten in der Schrift „Von den Konziliis und Kirchen“ (1539). Vgl. insgesamt W. HÅrle: Art. „Kirche VII“, S. 283 ff.; U. KÛhn: Kirche, S. 21 ff.; ders.: Art. „Kirche VI“, S. 262 f. 140

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Haupt Christus als Leib Christi dort sammelt, wo rechte WortverkÛndigung und Sakramentsverwaltung sowohl in der Ortsgemeinde als auch Ûbergreifend stattfinden.141 Weil der Geist das Åußere Wort zur VergegenwÅrtigung des Heils Christi benutzt142, besteht ein differenzierter Zusammenhang zwischen Christologie und Pneumatologie, in dem der Geist als handelnde g×ttliche Person an Christus und die Schrift gebunden ist. Es lÅßt sich also beobachten, daß Luthers RÛckgriff auf die biblisch-×konomisch geprÅgte altkirchliche TrinitÅtslehre zugleich die Besinnung auf die altkirchliche Koinonia-Ekklesiologie bedeutete, in der das soteriologisch relevante VerhÅltnis von Christologie und Pneumatologie zur Wirkung kommt, so daß Luther als eines der Kriterien fÛr die rechte sichtbare Kirche die ºbereinstimmung mit der „rechte[n] alte[n] Kirche“143 nennen kann. Auf dieser Basis wendet sich Luther gegen klerikal-sakramentalistische, enthusiastisch-spiritualistische und humanistisch-skeptizistische Einseitigkeiten. In Abgrenzung vom christomonistisch geprÅgten r×mischen Klerikalismus und Sakramentalismus mit seiner funktionalisierenden Vereinnahmung des Heiligen Geistes durch die Gnadenlehre betont Luther die PersonalitÅt des Heiligen Geistes und seine institutionelle UnverfÛgbarkeit. In Abwehr schwÅrmerischer und enthusiastischer spiritualistischer Str×mungen der Reformation und ihrer pneumatomonistischen Tendenzen wendet sich Luther durch die Bindung des Geistes an die Christologie und das Wort der Schrift gegen isolierte OffenbarungsansprÛche. Dem unitarisch ausgerichteten humanistischen Skeptizismus bezÛglich der Erkennbarkeit Gottes (Erasmus) und dessen atheistischen Implikationen hÅlt Luther die heils×konomische Selbsterschließung Gottes entgegen, die aufgrund der ×konomischen TrinitÅt m×glich und infolge des personalen GegenÛber-Seins Gottes notwendig ist.144

Im Blick auf das VerhÅltnis von Ost- und Westkirche lassen die aufgezeigten Einsichten Ûber Luthers Theologie das Urteil zu, daß Luther in biblisch×konomischer Orientierung der spekulativen scholastischen Theologie (De Deo uno) und ihrer christomonistisch-klerikalen Ekklesiologie mit der athanasianisch-kappadozischen Beachtung trinitarischer Dreiheit begegnete, wÅhrend er gleichzeitig durch die theologia crucis und die Rechtfertigungslehre die in der Ostkirche auftretende Gefahr eines ontologischen TheosisverstÅndnisses ausschloß. In seinem VerstÅndnis der Seinsgemeinschaft zwischen Gott und Mensch erkennt Luther die Kirche durchaus als Mysterium (r×m.-kath.) und als gott-menschliche Gemeinschaft (orth.) an. Zugleich erhÅlt er jedoch durch seine Zuordnung von „GegenÛber und NÅhe“ Gottes ein Kriterium gegen die menschliche Vereinnahmung Gottes. Insgesamt bietet er durch seinen differenzierten trinitÅtstheologischen Ansatz sowie 141 Vgl. H. Beintker: Wort, S. 294 ff. Zur Entwicklungsgeschichte des VerhÅltnisses von verborgener und sichtbarer Kirche beim frÛhen und spÅten Luther vgl. U. KÛhn: Kirche, S. 25 ff. 142 Vgl. WA 50;629,2. 143 WA 51;487,20. Vgl. zu Luthers RÛckgriff auf den Koinonia-Charakter der Kirche J. Werbick: Kirche, S. 338 ff. 144 Vgl. zu Luthers Auseinandersetzung mit Erasmus E. JÛngel: Entsprechungen, S. 218 ff.; I. Lønning: Art. „Gott VIII“, S. 672 f. Vgl. ferner W.-D. Hauschild: Art. „Geist IV“, S. 209.

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die entsprechenden AnsÅtze einer Koinonia-Ekklesiologie einen AnknÛpfungspunkt fÛr die BemÛhungen um ein differenziertes Koinonia-Konzept in der gegenwÅrtigen ×kumenischen Bewegung.145 Daß sich Luthers trinitarischer und ekklesiologischer Ansatz weitgehend in den lutherischen Bekenntnisschriften wiederfindet, belegt nicht nur das von Kvist aufgezeigte WechselverhÅltnis von TrinitÅts- und Rechtfertigungslehre in der Confessio Augustana und den Schmalkaldischen Artikeln, sondern auch die Ekklesiologie der Bekenntnisschriften. Sie beruht maßgeblich auf den bisher ausgefÛhrten Konzeptionen Luthers und erkennt im Heiligen Geist sowohl das personale GegenÛber der Gemeinschaft der Heiligen als auch das in ihr gegenwÅrtige Bindeglied. Deshalb wenden sich die Bekenntnisschriften wie Luther gleichermaßen gegen den r×mischen HeilsInstitutionalismus und den schwÅrmerischen Spiritualismus.146 Doch schon wÅhrend der Reformationszeit sind erneut AnsÅtze einer einseitigen trinitÅtstheologischen und ekklesiologischen Weiterentwicklung zu beobachten. So spricht die Konkordienformel zwar wie Luther von der Einwohnung Gottes im Glaubenden (inhabitatio Dei), isoliert sie aber bereits wieder von der Rechtfertigung als ein ihr nachfolgendes Geschehen.147 Auch der Zusammenhang von verborgener und sichtbarer Kirche wurde wieder dualistischer gesehen, was sich bereits in Melanchthons GegenÛberstellung von wahrer und falscher Kirche andeutet, die sich im Unterschied zu Luthers differenzierter trinitarisch-ekklesiologischer Zusammenschau mehr von der abendlÅndisch-augustinischen Sicht der Wesenseinheit Gottes herleitet. Damit hÅngt auch die vorwiegend psychologische Orientierung der Pneumatologie zusammen, die unter ZurÛckstellung der Verbindung von Wort und Geist die PrÅgung der Seele durch die Geistesgnade mit ihren heiligenden und ethischen Konsequenzen betonte.148 Schon beim spÅten Luther kam es wegen der Auseinanderset-

145 Gleichzeitig kann sich der bei Luther beobachtete Ansatz ost- westkirchlicher °kumene postitiv auf die Probleme innerwestlicher °kumene auswirken, die etwa an der Auseinandersetzung zwischen r×misch-katholischer Kirche und Lutherischem Weltbund um die Konsequenzen der „Gemeinsamen ErklÅrung zur Rechtfertigungslehre“ sichtbar werden (vgl. ErklÅrung/ Rechtfertigungslehre). 146 Vgl. H.-O. Kvist: Geist, S. 201 ff.; U. KÛhn: Art. „Kirche VI“, S. 264 f.; E. Kinder: Lehre, S. 7 ff. 147 Vgl. BSLK 932 f. Vgl. ferner T. Mannermaa: Glauben, S. 14 f. – G. Wenz: Unio, S. 363, sieht im Unterschied zu Mannermaa von der „sachlichen Intention“ der Konkordienformel her betrachtet nicht eine derart gravierende Verschiebung zu Luthers Ansatz, da die Konkordienformel das forensische VerstÅndnis der Rechtfertigung im Kontext der „Koinzidenz von Rechtfertigung und Einwohnung Gottes“ sehe. – Doch insgesamt besteht die Tendenz der aufgezeigten Entwicklung, was auch aus der Untersuchung von F. NÛssel: Allein aus Glauben, hervorgeht, die bereits bei Melanchthon eine Entwicklung zu einer mehr forensischen Rechtfertigungslehre im Sinne der Satisfaktionslehre Anselms beobachtet (ebd., S. 53 ff.). 148 Vgl. J. Koopmans: Dogma, S. 64 f. u. 106 f.; U. KÛhn: Art. „Kirche VI“, S. 263 f.; W.-D. Hauschild: Art. „Geist IV“, S. 210; L. Scheffczyk: Formulierung, S. 196.

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zung mit den SchwÅrmern und mit der mittelalterlichen sowie gegenreformatorischen Vereinnahmung der Kirchenstrukturen zu vorsichtiger ZurÛckhaltung hinsichtlich der im Heiligen Geist gegebenen sichtbaren Strukturen und ihrer universalen Dimension. Dem entsprach die Betonung des individuellen Gnadengeschehens. Nicht zuletzt spiegelt sich darin auch die reformatorische Beibehaltung des Filioque wider.149 Sie kommt auch in den augustinisch-scholastischen Tendenzen Zwinglis (1484–1531) zum Ausdruck, der dem Heiligen Geist zwar einen hohen Stellenwert einrÅumt, ihn aber weniger unter heilsgeschichtlicher Perspektive betrachtet, sondern als eine die menschliche Natur heiligende Geistesgabe, deren FrÛchte an den – aus ihr folgenden – Werken zu erkennen sind.150 Die damit einhergehende Ethisierung klang bereits bei Melanchthon an. Johannes Calvin (1509–64), der „den H×hepunkt der reformatorischen Neuentdeckung des Heiligen Geistes“151 bildet, zeigt wiederum wie Luther NÅhe zur kappadozisch-personalen TrinitÅtslehre, was Thomas F. Torrance besonders im Blick auf Gregor von Nazianz darlegen konnte.152 Auf dieser Basis und ihrer heils×konomischen Orientierung bekÅmpfte Calvin – wie andere Reformatoren auch – die antitrinitarischen Str×mungen, die sich vornehmlich im rationalistischen Modalismus des Michael Servet (gest. 1553) und in den adoptianistischen und sabellianistischen Konzeptionen des Sozianismus (Fausto Sozzini, gest. 1604) Åußerten.153 Indem Calvin nicht rationalistisch-essentialistisch nach dem „was“ Gottes fragt, sondern heils×konomisch-personal nach dem „wer“154, entspricht auch sein hermeneutischer Ansatz dem in der altkirchlichen Hermeneutik beobachteten VerhÅltnis von apophatischer Ahnung und selbsterschließender Offenbarung. Da der Heilige Geist nicht nur als cooperator, sondern auch als creator gilt, besteht in Rechtfertigung und Heiligung wie bei Luther ein einheitliches Handeln Gottes.155 Außerdem bleibt angesichts des ekklesiologischen Gewichts der Pneumatologie festzuhalten, daß die Institutio „ReichtÛmer in der Lehre vom Geist“ enthÅlt, „von denen viele bisher auch den reformatorischen Kirchen unentdeckt geblieben sind“156. Allerdings fÛhrt der RÛckgriff auf die griechisch-antiochenische Denkweise, in der Calvin den Vater als Quelle der Gottheit bezeichnet (Inst. I;13,25) und die Anbindung der Pneumatologie an die Christologie vernachlÅssigt, teilweise zu einer gewissen SouverÅnitÅt des Geistes, die sich auf die calvinistische PrÅdestinationslehre ausgewirkt hat. Daß die Verbindung von Christologie und Pneumatologie aber dennoch grundsÅtzlich durchgehalten wurde, beruht auf dem bleibenden augustinisch-abendlÅndischen Ein-

149 Vgl. H.-O. Kvist: Geist, S. 204 ff. Vgl. insgesamt G. Heintze: Kirche, S. 489 f.; W. HÅrle: Art. „Kirche VII“, S. 288; T. Schneider: Bekenntnis, S. 212. 150 Vgl. W.-D. Hauschild: Art. „Kirche IV“, S. 210 f.; A. Nossol: Geist, S. 137. 151 W.-D. Hauschild: Art. „Kirche IV“, S. 211. 152 Vgl. T. F. Torrance: Perspectives. 153 Vgl. J. Koopmans: Dogma, S. 86; J. Werbick: TrinitÅtslehre, S. 512; L. Scheffczyk: Formulierung, S. 196 f. 154 Vgl. Institutio I;2,2. Vgl. ferner C. Schw×bel: Theologie, S. 332 f. 155 Vgl. W.-D. Hauschild: Art. „Geist IV“, S. 212. 156 A. Nossol: Geist, S. 137. Eine detaillierte VerhÅltnisbestimmung von Christologie und Pneumatologie bei Calvin findet sich in der polnischen Untersuchung von P. JaskÔla: Spiritus (vgl. die deutschsprachige Zusammenfassung ebd., S. 273–278).

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fluß, der allerdings eine Konzentration auf das einheitliche GegenÛber-Sein Gottes sowie auf die Heiligung bzw. auf die Werke als FrÛchte des Geistes hervorrief. Das schlug sich ekklesiologisch in ethisierenden Tendenzen und entsprechenden Vorstellungen Ûber Kirchenzucht und eine christliche Gesellschaft ethisch-theokratischer PrÅgung nieder. Offenbarungstheologisch korrespondierte damit in einigen reformierten Bekenntnissen (das Hugenottische und NiederlÅndische) erneut die Vorordnung des „De Deo uno“.157 Letzteres kam noch deutlicher in der protestantischen Orthodoxie zum Tragen, die angesichts des Konfessionalismus und der Religionskriege die intellektuelle PlausibilitÅt des Glaubens zu erweisen suchte und hierzu auf aristotelisch-thomistische Logik zurÛckgriff. Dabei beschnitt man sowohl die Freiheit des Heiligen Geistes als auch die freie Selbsterschließung Gottes. Der Geist wurde durch die Lehre von der objektivistischen Verbalinspiration, die eine materiale Verbindung von Schriftwort und Geist auch extra usum voraussetzt, verbalistisch objektiviert. Zugleich kam es zur Entfaltung der schon bei Melanchthon sich andeutenden Zergliederung der Heilsvermittlung in ein System psychologisch gefÅrbter Differenzierungen.

Der wieder aufkommende Dualismus von natÛrlicher und ÛbernatÛrlicher Offenbarung mit seiner faktischen Reihenfolge „De Deo uno – De Deo trino“ Ûberdeckte „die biblische Spannung von Verborgenheit und geschichtlicher Selbsterschließung Gottes“158. „Die Bestimmungen der natÛrlichen Theologie Ûber das Wesen der Gottheit werden ersichtlich zum GefÅngnis fÛr die Aussagen der Offenbarungstheologie.“159 Mit dem ZurÛcktreten der heils×konomischen TrinitÅt in ihrer soteriologischen Funktion verband sich eine – zunehmend theistische – Isolierung der Gotteslehre von den Ûbrigen dogmatischen loci, was zum Beispiel hinsichtlich der Rechtfertigungslehre „bis in die heutigen BemÛhungen um eine ×kumenische VerstÅndigung hinein seine lÅhmenden Nachwirkungen hat“160. BezÛglich der Ekklesiologie bewirkte der mangelnde Zusammenhang von TrinitÅts- und KirchenverstÅndnis einen Ausbau der dualistischen Unterscheidung von sichtbarer und unsichtbarer Kirche.161

157 Vgl. A. Peters: TrinitÅtslehre, Sp. 567, der sowohl auf den ostkirchlichen als auch auf den augustinisch-abendlÅndischen Einfluß hinweist und den letztgenannten Einfluß auf die erwÅhnten Bekenntnisse nÅher er×rtert (Sp. 565). Vgl. zu den ekklesiologischen Konsequenzen U. KÛhn: Kirche, S. 58 ff. Vgl. insgesamt W.-D. Hauschild: Art. „Geist IV“, S. 212; L. Scheffczyk: Formulierung, S. 195 f. Zur Entwicklung der trinitarischen Position Calvins vgl. J. Koopmans: Dogma, S. 67 ff. 158 I. Lønning: Art. „Gott VIII“, S. 677. Vgl. insgesamt ebd., S. 675 ff.; W.-D. Hauschild: Art. „Geist IV“, S. 214; A. Peters: TrinitÅtslehre, Sp. 565. 159 J. Moltmann: TrinitÅt, S. 32. 160 I. Lønning: Art. „Gott VIII“, S. 976. 161 Vgl. U. KÛhn: Art. „Kirche VI“, S. 265 f.

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3. Die Infragestellung theistischer Spekulationen durch die AufklÅrung und die ekklesiologisch relevante trinitÅtstheologische Besinnung im 19. und 20. Jahrhundert 3.1 Die Entwicklung vom Theismus zum Atheismus als Anlaß der trinitÅtstheologischen Besinnung Welche Gefahr ein erneut auflebendes natÛrlich-theistisches GottesverstÅndnis beinhaltet, das zunÅchst von einem allgemein erkennbaren Monotheismus ausgeht und das nicht nur in der protestantischen Orthodoxie, sondern auch in der nachtridentinischen katholischen Theologie mit ihrer Konsolidierung des scholastischen Ansatzes vorherrschte, zeigt die weitere geistesgeschichtliche Entwicklung. Sie fÛhrte Ûber die theistischen Vorstellungen der AufklÅrung und die anthropozentrisch fundierte Metaphysikkritik schließlich bis zum Atheismus. Diese Entwicklung ist nur vor dem Hintergrund der abendlÅndischen Geistesgeschichte zu verstehen. Nachdem bereits bei den Vorsokratikern die Vorstellung von der Einheit der Gottheit durch die ºberwindung mythischer und polytheistischer Gottesbilder Raum gewonnen hatte, kam die Ahnung von der Einzigkeit und Einheit des G×ttlichen als Urgrund des Seins bei Platon und Aristoteles vollends zur Geltung. In Analogie zum menschlichen Denken ließ sich Gott als sich selbst denkendes Sein verstehen. Doch diese richtige Ahnung von dem einen Gott veranlaßte die großen attischen Philosophen nicht zur °ffnung fÛr die Selbsterschließung Gottes, sondern sie blieben der spekulativen Ableitung des Gottesbegriffs verhaftet, die eine selbstverg×ttlichende Partizipation des Menschen am g×ttlichen Geist erm×glichte. Durch seine immaterielle und unsterbliche Seele, die vom Leib lediglich eingeengt wird, hat der Mensch nach Platon durch die eingeborenen apriorischen Ideen seines Geistes die FÅhigkeit, am h×chsten Urgrund zu partizipieren, dessen Sein sich als Idee der Ideen emanatorisch bis zum letzten Abbild stufenweise entfaltet. So wird der Mensch als vom Leib-Seele-Dualismus bestimmtes Geistwesen Teil des kosmischen g×ttlichen Geistes. In gleicher natÛrlich-theologischer Ausrichtung beschreibt Aristoteles den ewigen Geist (nou˜ß) als sich selbst denkende Selbstbeziehung. Der nou˜ß der menschlichen Seele kommt von außen „durch die TÛr“ (hurahen) in die Seele (gen. an. 736 b 27), mit dem Ziel, daß sich der menschliche Geist zum g×ttlichen Geist aufschwingt, so daß das G×ttliche in uns das G×ttliche an sich berÛhrt (eth. Nic. 1177 b 28). Die Vernunft gilt als das Ewige und Unsterbliche im Menschen. GegenÛber der idealistisch-emanatorischen Ontologie Platons betont Aristoteles mehr das zwischen Ursache und Ziel dynamisch bewegte Einzelding in der Welt und dessen Bewegung auf den ersten unbewegten Beweger hin.162

162 Vgl. insgesamt J. Hirschberger: Geschichte I, S. 14–243; W. Kern/Y. M. J. Congar: Geist, S. 63 ff.; E. JÛngel: Entsprechungen, S. 161; B. Taureck: Art. „Geist VII“, S. 244 ff.; H. Riedlinger: „Gott“, S. 46 f.

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In der attischen Philosophie erscheint der g×ttliche Geist also grundsÅtzlich als eine von der Erfahrung des vorfindlichen menschlichen Geistes rÛckgeschlossene Wirklichkeit, die in der – fÛr das griechische Denken charakteristischen – Verbindung von Sein (eiÔnai) und Vernunft (noı˜n) steht.163 Der daraus resultierende kosmologisch-ontologische Monismus, der in der stoischen Identifizierung von Geist und Materie gipfelte, bildete die Grundlage der antiken Metaphysik der Substanz, in der der Mensch als Teil des G×ttlichen verstanden wurde, sei es durch die platonische Erhebung in die g×ttliche Ideenwelt oder durch die aristotelische Verg×ttlichung der Weltseele. Diese Integration des Menschen in eine statische G×ttlichkeit bedeutete, daß die richtige Ahnung von dem einen Gott nicht Ûber die Strukturen selbstverg×ttlichender Vereinnahmung Gottes hinausgelangte. Als die Zeit erfÛllt war, sollten die selbstverg×ttlichenden Denkstrukturen mit der Inkarnation des Logos endgÛltig Ûberwunden werden, indem sich Gott vor dem Hintergrund der alttestamentlichen Heilsgeschichte als lebendiges und pers×nliches GegenÛber der Menschen erschloß, das den Menschen in seiner Liebe nahekommt. Das in der trinitarischen Existenz Gottes begrÛndete VerhÅltnis von „GegenÛber und NÅhe“ Gottes zu den Menschen durchbrach den statischen Gottesbegriff, der den Menschen letztlich als Teil des G×ttlichen ausgewiesen hatte. Der ungeschichtlichen ontologischen Partizipation des Menschen am g×ttlichen Sein trat die Heilsgeschichte zwischen Gott und Menschen gegenÛber, in der Mensch und Welt entg×ttlicht sind und in ihrer Selbstverg×ttlichung entlarvt werden.164 Entsprechend vollzog sich in der Patristik die Auseinandersetzung mit den sich gegenseitig bedingenden Formen dualistischer und emanatorischer Vereinnahmung Gottes, die Gott von menschlichen Handlungsvorgaben (Gesetzlichkeit, Werkgerechtigkeit) oder von seiner konstitutiven Eingebundenheit in Welt und Kosmos abhÅngig machten.165 Als sich spÅter auch die Kirche zunehmend auf eine natÛrlich erkennbare Einheit Gottes konzentrierte (De Deo uno) und seine lebendige trinitarische Gegenwart vernachlÅssigte, verfiel sie selbst der Versuchung, Gott zu vereinnahmen. Der Filioque-Doktrin korrespondierend entstand im Westen ein ekklesiologischer Objektivismus, durch den sich die Kirche als Christus prolongatus selbst zum Maßstab erhob.166 Im Kontext des mittelalterlichen geistlichen und weltlichen Machtanspruchs der r×mischen Kirche und der dazugeh×rigen Formen der Klerikalisierung wurde das GegenÛber von Gott und Mensch durch das GegenÛber von Kirche und Mensch abgel×st, da die Kirche in ihrem geistlichen und weltlichen Anspruch eine Vereinnahmung Gottes vollzogen hatte. Der mit dem Ablaß geforderte Freikauf von SÛnden lÅßt die Konsequenzen dieser Entwicklung deutlich werden, weshalb die Reformation im RÛckgriff auf die altkirchliche TrinitÅtslehre an das angemessene VerhÅltnis von „GegenÛber und NÅhe“ Gottes

Vgl. I. D. Zizioulas: Wahrheit, S. 3 ff. Zur Bedeutung jÛdischen und christlichen Denkens fÛr die Entdeckung der Geschichte vgl. W. Pannenberg: Gott, S. 76. 165 S. o., S. 94 f. 166 Vgl. H. Aldenhoven: Zusammenhang, S. 134, der den mit der Filioque-Doktrin einhergehenden Objektivismus im Blick auf den Konflikt der Kirche mit der modernen abendlÅndischen Geistesgeschichte analysiert. 163 164

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erinnerte. Als sich in der nachreformatorischen Zeit eine erneute Vorordnung des „De Deo uno“ und die wieder auflebende Tendenz zur Unterscheidung von natÛrlicher und ÛbernatÛrlicher Gotteserkenntnis ausbreiteten, konnte dies nicht dazu beitragen, der Entwicklung entgegenzuwirken, die sich durch die AufklÅrung hinsichtlich der Gottesvorstellungen vollzog. Denn „das rein rational-spekulative Verfahren, zu dem [. . .] auch die altprotestantische Dogmatik zurÛckgekehrt war, war nicht nur außerstande, der humanistischen Kritik durch den Aufweis der religi×s-heilstheologischen Momente des [trinitarischen] Dogmas zu begegnen, sondern forderte das neu erwachende philosophische Denken geradezu heraus, sich des Dogmas mit einer vermeintlich noch grÛndlicheren RationalitÅt zu bemÅchtigen“.167

Angesichts der Erfahrung mit der ÛbermÅchtigen klerikalen r×mischen Theonomie im Mittelalter und der Religionskriege im 16. und 17. Jahrhundert ging die AufklÅrung nicht den Weg, sich frei von vereinnahmenden klerikalen HerrschaftsansprÛchen der Selbsterschließung Gottes zu ×ffnen, wie es beispielsweise Blaise Pascal (1623–62) tat: er hielt sowohl gegenÛber dem erkenntnistheoretischen Optimismus der Deisten als auch gegenÛber dem atheistischen Skeptizismus an der VerknÛpfung von Ahnung und Offenbarung fest. Diese VerknÛpfung, die sich aus der Unruhe menschlicher Unabschließbarkeit und der darauf antwortenden Heilsgeschichte ergibt, verbindet Gottes- und Selbsterkenntnis miteinander. Denn „Gotteserkenntnis ohne Selbsterkenntnis fÛhrt den Menschen in die ºberheblichkeit, Selbsterkenntnis ohne Gotteserkenntnis in die Verzweiflung“168. Doch die AufklÅrung versuchte unter Absehung von jeglichen vorgegebenen religi×sen Strukturen, in der vernÛnftig erkannten Naturordnung bzw. in der Vernunft eine fÛr alle verbindliche Basis zu finden, wodurch sich die natÛrliche Theologie zum Kriterium der Offenbarungstheologie aufschwingen konnte. Die erst durch die christliche Entg×ttlichung der Welt aufgezeigte WÛrde und PersonalitÅt des Menschen wurde jetzt aus dem Zusammenhang von „GegenÛber und NÅhe“ Gottes gel×st – und zwar in Gegenreaktion auf die Gott vereinnahmende klerikale Theonomie des Mittelalters169 und auf die Relativierung kirchlicher WahrheitsansprÛche durch die Religionskriege. Als Kriterium natÛrlicher Erkenntnis galt allein die menschliche Vernunft. Der Mensch erhielt zunehmend eine autonome Maßgeblichkeit, er wurde zum Maß aller Dinge.170 167

L. Scheffczyk: Formulierung, S. 197. I. Lønning: Art. „Gott VIII“, S. 680; vgl. insgesamt ebd., S. 678 ff. 169 „Dieses System der Bevormundung hat der moderne Mensch, ergriffen vom Bewußtsein seiner Freiheit, Schritt fÛr Schritt abgeschÛttelt. Es zeigte im Ûbrigen, wie nachteilig es fÛr die Kirche ist, ihr VerhÅltnis zur Welt unter dem Aspekt der Macht zu definieren.“ (J. Frisque: Ekklesiologie, S. 218) Vgl. zur Bedeutung der Unterscheidung von natÛrlicher und ÛbernatÛrlicher Gotteserkenntnis fÛr diese Entwicklung ebd., S. 210, und W. Kasper: Gott, S. 102. 170 Vgl. I. Lønning: Art. „Gott VIII“, S. 680; M. Kehl: Kirche/Sakrament, S. 169; S. Wieden168

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Ren³ Descartes (1596–1650) leitete diese Wende zur Neuzeit ein, indem er die sich selbst erfahrende Vernunft als einzige Erkenntnis- und Seinsgewißheit voraussetzte. Durch den methodischen Zweifel, nach dem alles TÅuschung sein k×nnte, blieb laut Descartes allein die sichere Erkenntnis Ûbrig, daß „ich“ als Zweifelnder bzw. Denkender „bin“ (cogito ergo sum).171 Das denkende Subjekt wurde so als einzig sichere Basis zum Mittelpunkt des Kosmos: „Die Selbstgewißheit des Ich ist das Nadel×hr, durch das jede weitere Gewißheit hindurch muß.“172 Dem menschlichen Subjekt gegenÛber erscheint alles andere als Objekt rationaler Erfassung, das den MaßstÅben menschlicher Vernunft unterworfen wird.173 Mit dieser Ausblendung geschichtlich-kontingenter Momente und anderer Erfahrungsdimensionen extra nos, die bewirkt, daß „die Korrespondenz von Gotteserkenntnis und Welterkenntnis die Andersartigkeit Gottes ausschließt“174, vollzog Descartes die Grundlegung des neuzeitlichen Anthropozentrismus, auch wenn er mit seiner Selbstvergewisserung und -bezogenheit den Gottesbegriff als notwendig erweisen wollte. Gott bleibt in Descartes’ Denksystem vom Selbstvollzug des menschlichen Subjekts abhÅngig, weil er die Funktion hat, das – ohne ihn – sichergestellte Wahrheitskriterium (cogito ergo sum) fÛr alle Erkenntnis zu garantieren. Gott soll die KontinuitÅt der Existenz und der klaren Erkenntnism×glichkeit des unvollkommenen und tÅuschbaren Menschen gewÅhrleisten. Dazu bedurfte es eines vollkommenen Gottes, der die Menschen nicht tÅuscht. Descartes postuliert im theistischen RÛckschlußverfahren unter Ausblendung der TrinitÅt die absolute Einfachheit Gottes, die in der IdentitÅt von Erkenntnis und Wollen eine Wahlfreiheit Gottes bei der Sch×pfung nicht zulÅßt (naturnotwendiger Prozeß), zumal Gott laut Descartes nur erschaffen kann, was die menschliche Vernunft zu erkennen vermag. Da das derart als vollkommen gedachte und festgesetzte Wesen Gottes fÛr Descartes nur im Kontext der klaren ErkenntnisfÅhigkeit der Vernunft bzw. in Anwesenheit bei ihr als unbezweifelbar existierend gelten konnte, drang das menschliche Denken spaltend in die Einheit von Existenz und Wesen Gottes ein und wurde – ob bewußt oder unbewußt – zum Maßstab beider Dimensionen.175 Die antike Metaphysik der Substanz, welche die Einheit von Gottes Wesen hofer: Ekklesiologie, S. 81, und W. Kasper: Gott, S. 20 ff., der wie Wiedenhofer auch die Auswirkungen der politischen und sozialgeschichtlichen UmbrÛche beschreibt, wie z. B. das Aufkommen des modernen BÛrgertums mit seiner Relativierung bisheriger Großinstanzen. 171 Vgl. R. Descartes: Meditationen, S. 17 ff. 172 E. JÛngel: Entsprechungen, S. 254. 173 Vgl. R. Descartes: Discours, S. 25 ff. 174 I. Lønning: Art. „Gott VIII“, S. 682. Vgl. J. Moltmann: Geist, S. 42 ff., der die rationalistisch-monistische Ausblendung anderer Erfahrungsbereiche er×rtert. 175 Vgl. R. Descartes: Meditationen. Zu Descartes’ Auffassung Ûber die Sch×pfung vgl. Meditationen VI,1. Vgl. ferner E. JÛngel: Gott, S. 146 ff.; ders.: Entsprechungen, S. 256; L. Oeing-

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und Existenz voraussetzte und von der Teilhabe menschlichen Denkens an dieser substantiellen Einheit ausging, wurde zusehends von einer anthropozentrisch grundgelegten Metaphysik des Subjekts abgel×st, die diese Einheit aufsprengte und an das Kriterium der Vernunft band.176 Was in der Spekulation antiker Metaphysik als Teilhabe an der vorgegebenen Gottheit erschien, fÛhrte die AufklÅrung konsequent auf die menschliche Vernunft als den Ursprung jeglicher theistischer Spekulation zurÛck. Die zunÅchst weiterhin theistisch Ûberdeckte anthropozentrische Konzentration auf die menschliche Vernunft baute Immanuel Kant (1724–1804) aus, indem er das menschliche Subjekt als TrÅger der apriorischen Wahrheitskategorien herausstellte. Die Erkenntnis des menschlichen Geistes richtet sich demnach nicht mehr nach den GegenstÅnden, sondern diese werden von den apriorischen Vernunftkategorien bestimmt, so daß die Vernunft alles aus ihrem eigenen Entwurf hervorbringt.177 Nachdem der Mensch seit der kopernikanischen Wende nicht mehr im Zentrum des Universums gestanden hatte, machte ihn Kant zum Zentrum des Universums. Aus der Zentralposition wurde eine Zentralfunktion.178 Menschliche Freiheit und Autonomie sind nÅmlich nach Kant die Voraussetzungen des moralischen Sollens, das den Menschen als sittliches Vernunftwesen charakterisiert. Mit der Vernunft ist das G×ttliche im Menschen gegeben, die Freiheit und die Unsterblichkeit, letztere als Voraussetzung der endgÛltigen glÛckseligen Realisierung und Belohnung des sittlichen Handelns, fÛr das es in der sinnlichen Natur noch keinen gerechten Ausgleich gibt. Gott wird somit zu einem moralphilosophisch unentbehrlichen Postulat der praktischen Vernunft und zu einer regulativen Idee.179 Obwohl Kant hier einen moralischen Gottesbeweis fÛhrt, spricht er nur von einer Idee, da er die

Hanhoff: TrinitÅtslehre, S. 387 ff. u. 394; W. Kasper: Gott, S. 31 f.; G. Ebeling: Gewißheit; J. Hirschberger: Geschichte II, S. 88 ff. Bei W. Pannenberg: Probleme, S. 336, Anm. 28, kommt die implizite AbhÅngigkeit der Gottesidee vom Kriterium der menschlichen Vernunft bei Descartes nicht deutlich zur Geltung. – Es sei bereits hier angemerkt, daß die trinitarische Einheit von Existenz und Wesen Gottes die cartesianische Aufspaltung dieser Einheit nicht zulÅßt (s. u., S. 265 f.). – Ferner bleibt festzuhalten, daß sich Descartes in Aporien verstrickt, wenn er z. B. bemerkt, daß die Gottesidee nicht aus ihm selbst hervorgehen kann, sich dann aber nicht folgerichtig dem transzendenten Gott ×ffnet, sondern ihn aus den mathematisch geprÅgten Kriterien seiner Vernunft ableitet (vgl. Meditationen III). Ebenso verhÅlt es sich, wenn Descartes Gott als Garanten kontinuierlicher sicherer Erkenntnis erweist, aber die Grundlage dieser Garantie wiederum in der klaren und deutlichen Vernunfterkenntnis und ihren mathematischen Kriterien sieht (vgl. Meditationen III-VI). 176 Vgl. J. Moltmann: TrinitÅt, S. 28 f. 177 Zur umfassenden Darlegung in Kants „Kritik der reinen Vernunft“ vgl. I. Kant: Kritik. 178 Vgl. E. JÛngel: Gott, S. 16 ff.; W. Kasper: Gott, S. 36. 179 Diese Gedanken sind vornehmlich das Ergebnis von Kants „Kritik der praktischen Vernunft“. Vgl. aber auch I. Kant: Grundlegung. Vgl. zur Interpretation J. Moltmann: TrinitÅt, S. 22; I. Lønning: Art. „Gott VIII“, S. 684; J. Hirschberger: Geschichte II, S. 336 ff.

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M×glichkeit der herk×mmlichen metaphysischen Gottesbeweise und deren Nachweis von Gottes Wesen und Existenz bestreitet. Denn mit der Denkbarkeit einer Sache ist seines Erachtens noch nicht ihre Erkennbarkeit gegeben, weil diese von einem Existenz-Urteil abhÅngig ist, das sich aus der Denkbarkeit einer Sache nicht ableiten lÅßt. Der Gottesgedanke erlaubt also keinen RÛckschluß auf Gottes transzendentes Wesen oder seine Existenz, zumal die Vernunft nicht die Dinge an sich, sondern nur ihre Erscheinungen ergreift, die von den apriorischen Kategorien der Vernunft bestimmt sind. Als Grenzbegriff lÅßt sich Gott nicht aus der menschlichen Erfahrungswelt ableiten, weshalb er fÛr die theoretische Vernunft nicht erkennbar ist.180 WÅhrend Kant durch diese Metaphysikkritik zu der wirkungsgeschichtlich bedeutsamen Einsicht kommt, daß Gott nicht einfach spekulativ aus der menschlichen Vernunft ableitbar ist, zieht er daraus aber nicht die Konsequenz der notwendigen °ffnung fÛr die ×konomische Selbsterschließung Gottes, sondern vollzieht die radikale Vereinnahmung Gottes in die Immanenz menschlicher Vernunft und SubjektivitÅt. Die Grenzen der Vernunft werden zum Bollwerk gegen die M×glichkeit der eigenstÅndigen Offenbarung Gottes und somit dazu benutzt, Gott seine Grenzen zu setzen. Aufgrund seiner postulierten Unerkennbarkeit ist Gott nicht mehr an sich wichtig, sondern nur noch als Regulativ sittlicher GlÛckseligkeit des menschlichen Geistes. Dieser zu Anthropozentrismus und Moralismus tendierende aufgeklÅrte Theismus, in dem der Atheismus bereits angelegt war181, hatte in seiner statisch-monistischen QualitÅt keinerlei Raum mehr fÛr die TrinitÅtslehre, der Kant keine praktische Bedeutung zugestand.182 Als Konsequenz der fehlenden Dimension des VerhÅltnisses von „GegenÛber und NÅhe“ Gottes haften dem moralischen Theismus Kants die selbstverg×ttlichenden Tendenzen der Stoa an, die den am G×ttlichen partizipierenden Menschen dazu aufforderte, zu werden, was er ist.183 So kam es durch die idealistische ºberschneidung von g×ttlichem und menschlichem Geist zur Identifikation beider Dimensionen, insofern als sich der menschliche Geist als Teil und Maßstab des g×ttlichen Geistes verstand.184 Der rationalistisch-idealistischen Reduktion Gottes auf die Ebene der Vernunft und des Subjekts hielt Georg Wilhelm Friedrich Hegel (1770–1831) entgegen, infolge des daraus resultierenden theistisch-transzendentalen Gottesbegriffs – der auch die von der AufklÅrung geprÅgten theologischen

Vgl. insgesamt I. Kant: Kritik. „Mit der menschlichen SubjektivitÅt als Gravitationspunkt der Daseinsdeutung ist die ºbertragung der Gottesattribute der traditionellen Metaphysik [auf den Menschen] tendenziell schon als M×glichkeit gesetzt.“ (I. Lønning: Art. „Gott VIII“, S. 681) 182 Vgl. I. Kant: Streit, S. 33. 183 Vgl. W. Kern/Y. M. J. Congar: Geist, S. 68 f. 184 Vgl. G. Sauter: Geist, S. 217 f. 180 181

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AnsÅtze kennzeichnete – werde Gott weltlos und die Welt gottlos. Als h×chstes Wesen erscheine Gott leer und tot, so daß der Satz aus dem lutherischen Gesangbuch „Gott selbst ist tot“ eine Grundstimmung aufgeklÅrten Denkens widerspiegele. Das lÅßt sich nach Hegel nur Ûberwinden, wenn die statische SterilitÅt Gottes mit ihrer weltlichen Irrelevanz durch einen lebendigen weltzugewandten Gott abgel×st wird, und zwar durch den Gott der TrinitÅt. Ihn rief Hegel aus philosophischer Perspektive dem Christentum als christliches Zentraldogma in Erinnerung.185 Im RÛckgriff auf Gotthold Ephraim Lessing, der mit Hilfe des Geistbegriffs Gott als das trinitarische Bewußtsein seiner selbst definierte und so die TrinitÅt neu zur Geltung gebracht hatte, und im Anschluß an Friedrich Wilhelm Joseph Schellings trinitarische Auffassung von dem sich ins Reale objektivierenden Absoluten postulierte Hegel die Einheit von Endlichem und Unendlichem, indem er von der trinitarisch-dialektischen Selbstentfaltung des absoluten g×ttlichen Subjekts in die Welt ausging.186 Sowohl gegen Spinoza (absolute Substanz) als auch gegen Kant (absolutes Geist-Subjekt) hob er die Substanz in das Subjekt auf. Doch damit erreichte Hegel nicht die angestrebte ºberwindung der von der Eitelkeit des „Ich“ geprÅgten SubjektivitÅt, weil er durch die Aufnahme der Substanz in das Subjekt „die Position der Absolutheit des Subjekts allererst vollendete“187. Auch die Abl×sung eines statischen Gottesbegriffs durch einen lebendigen Gott gelang letztlich nicht, was sich an Hegels Bestimmung des g×ttlichen Wesens ebenso ablesen lÅßt wie an seiner VerhÅltnisbestimmung von Gott und Welt. Zwar hat Hegel zur Wiederbelebung des trinitarischen Denkens beigetragen und auf die weltrelevante Lebendigkeit Gottes hingewiesen, aber auch er kam nicht Ûber die Vorstellung von Gott als einem spekulativen Prinzip hinaus, so daß Gott trotz aller dynamischen Dialektik ein in sich geschlossenes – und so schließlich wieder ein statisches – Prinzip blieb. Denn nach Hegels dialektischer Logik mit ihrer panlogistischen Struktur waltet im Unendlichen wie im Endlichen der eine Logos, in dem sich das Absolute in seine endliche bzw. konkrete Besonderung als sein Anderssein vermittelt, um dieses durch Negation wieder in das Allgemeine aufzuheben und so Einheit mit sich selbst im Anderssein zu erhalten.188 Entsprechend wird Gott als rein intrapersonales Geist-Subjekt mit dialektischer innerg×ttlicher Geschichte verstanden, in welche die Weltgeschichte aufgehoben ist: Der absolute Gott (Reich des Vaters) entfaltet

Vgl. G. W. F. Hegel: Vorlesungen, S. 185 ff. Vgl. J. Hirschberger: Geschichte II, S. 375 ff. (Schelling) u. 407 ff. (Hegel). Vgl. zu Lessings Rolle W. Pannenberg: Theologie I, S. 318. 187 W. Pannenberg: Person, S. 137. Vgl. insgesamt B. Taureck: Art. „Geist VII“, S. 250 f. 188 Diese Gedanken entwickelte Hegel vornehmlich in der „Wissenschaft der Logik“. Vgl. zur nÅheren Er×rterung W. Kern: Pneumatologie, S. 54 ff.; ders./Y. M. J. Congar: Geist, S. 69 f. 185 186

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sich in die Welt als das Andere seiner selbst (Reich des Sohnes), um nicht leblos-einsam zu bleiben. Indem er gleichzeitig die Konkretionen seiner selbst in der geistdurchwirkten „christlichen“ Gemeinde zur Einheit des Geistes bzw. zum allgemeinen g×ttlichen Selbstbewußtsein zurÛckbringt, gelangt er zu seiner vollkommenen Wirklichkeit, so daß Gott auf diese Weise in der Geschichte zu h×herer Realisation findet (Reich des Geistes). Die trinitarisch-dialektische Geschichte wird damit laut Hegel zu einem Prozeß der Selbsterhaltung und Selbstvergewisserung Gottes. Im Kampf gegen die theistische Trennung des g×ttlichen Wesens von der Welt bzw. von der Heils×konomie findet Hegel also nur zum umgekehrten Extrem: der Identifikation von g×ttlicher Immanenz und °konomie. Durch diese pantheisierende Ineinssetzung von Gott und Welt bleibt Gott letztlich doch ein in sich ruhendes statisches Prinzip, das kein GegenÛber-Sein von pers×nlichem Gott und Welt kennt. Das gilt nicht nur fÛr Hegels TrinitÅtslehre, sondern auch fÛr die von ihm in Erinnerung gebrachte Kreuzestheologie, da das Kreuz – als spekulativer Karfreitag – zum Prinzip notwendiger SelbstentÅußerung Gottes und ihrer RÛcknahme in das Absolute (Tod des Todes) wird.189 Hegels Identifikation von Gott und Welt sowie von g×ttlicher Immanenz und °konomie hat zwei Ursachen. Eine lÅßt sich in der Auffassung von Gott als rein intrapersonal verstandenem Subjekt erkennen, da dieses der Welt bedarf, um lebendig und nicht einsam zu sein. Daß Hegel Gott – ganz im Sinne der Filioque-Doktrin – rein intrapersonal versteht, zeigt das trinitarische Konzept Hegels, der die drei Personen lediglich als verschiedene Momente der Selbstkonstituierung des absoluten Subjekts betrachtet. Die sich im ewigen Logos entfaltende „ewige Idee“ bezeichnet er als das, „was die heilige Dreieinigkeit heißt“190. Dabei verk×rpert der Heilige Geist lediglich die reelle Einheit von Vater und Sohn, so daß Hegel laut Ludger OeingHanhoff „die Dreipers×nlichkeit Gottes auf eine Zweieinigkeit“191 reduziert, in der sich das endliche menschliche Bewußtsein, das die Konkretion der SelbstentÅußerung des absoluten g×ttlichen Bewußtseins verk×rpert, wieder zum absoluten Geist aufschwingt. In diesem Gedankengang, der sowohl Elemente des platonischen Leib-Seele-Dualismus als auch der Emanationsvorstellung enthÅlt, deutet sich die zweite Ursache fÛr Hegels Identifikation von Gott und Welt an. Hegels Postulat von der absoluten Freiheit des Menschen, das keine EinschrÅnkung durch ein g×ttliches GegenÛber oder durch ein dependentes Eingebundensein in die Natur vertrÅgt, lÅßt 189 Vgl. insgesamt G. W. F. Hegel: Vorlesungen, S. 218 ff. Zur detaillierteren Analyse der Vorstellung von den drei Reichen vgl. W. Kern: Pneumatologie, S. 73 ff., und zur Beurteilung von Hegels Kreuzestheologie vgl. E. JÛngel: Gott, S. 124 ff.; W. Kasper: Gott, S. 239 f. 190 G. W. F. Hegel: Vorlesungen, S. 222. 191 L. Oeing-Hanhoff: TrinitÅtslehre, S. 392.

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sich angesichts eines intrapersonalen Gottesbegriffs als autonome Freiheit nur durch die Einheit von Gott und Mensch aufrechterhalten. Deshalb wendet sich Hegel sowohl gegen den jÛdischen Gottesbegriff eines allmÅchtigen Sch×pfergottes und seiner Erschaffung des Menschen aus dem Nichts als auch gegen die plastischen Gottheiten der Griechen mit ihrer Geschichtslosigkeit Gottes. Erst im Christentum erkennt er die wahrhaft geistige Religion, die mit der Welt-Erscheinung des jenseitigen Gottes die Vers×hnung von Endlichem und Unendlichem beinhaltet. Doch indem Hegel diese Vers×hnung als Einheit bzw. dynamische IdentitÅt von Gott und Welt versteht, verkennt er, daß es im Christentum um die Gemeinschaft von Gott und Welt geht – und zwar im VerhÅltnis von „GegenÛber und NÅhe“ Gottes. Solche christlichen Aussagen kritisiert Hegel, weil ihm in selbstverg×ttlichender Weise daran liegt, daß sich der Mensch in dem aufgezeigten dialektischen Prozeß zu Gott erhebt. Deshalb muß der Mensch fÛr ihn ewig sein, wÅhrend Gott von der Weltgeschichte abhÅngig wird.192 Der Mensch erkennt sich als eine Stufe der Selbstverwirklichung Gottes. Mit diesem Gottesbegriff, in dem Gott und Mensch ebenso eins sind wie Geist und Materie, bereitete Hegel – gegen seine Intention – den NÅhrboden fÛr verschiedenste Formen des Atheismus, weil jetzt alles zur Selbstverg×ttlichung verwendbar wurde, auch die Materie. So konnte nicht nur der humanistische Atheismus Ludwig Feuerbachs (1804–72) verschiedene Gedanken Hegels in anthropologischer Reduktion weiterentwickeln, sondern auch der materialistisch geprÅgte Atheismus von Karl Marx (1818–83).193 Feuerbach reduzierte konsequent jedes spekulative g×ttliche Prinzip auf die Anthropologie, indem er die hegelsche Integration des Menschen in das g×ttliche Prinzip

192 Vgl. insgesamt G. W. F. Hegel: Vorlesungen, S. 50 ff. Vgl. zu Hegels Freiheitsbegriff und zu seiner EinschÅtzung der verschiedenen Religionen L. Oeing-Hanhoff: TrinitÅtslehre, S. 380 ff.; ders.: Ontologie, S. 163 u. 168 ff. Oeing-Hanhoff, der auf der Grundlage einer trinitarischen Ontologie die Chance der Vermittlung von Philosophie und Theologie erkennt, indem er die relationale PersonalitÅt des Menschen nur in Verbindung mit der Gnade des trinitarischen Gottes gewÅhrleistet sieht, kritisiert Hegels intrapersonalen Gottesbegriff und betont die interpersonale Dimension. Da er aber die intrapersonale Dimension wiederum zu sehr vernachlÅssigt, kommen das GegenÛber-Sein Gottes und die Krisis im VerhÅltnis zwischen Mensch (SÛnde) und Gott zu wenig zur Geltung, so daß die Freiheitsgeschichte der Menschen auch bei ihm zu undifferenziert als parallel erscheinende Freiheitsgeschichte von Gott und Mensch interpretiert werden kann. Daran wird ersichtlich, daß ein einseitiges intra- oder interpersonales VerstÅndnis Gottes jeweils zur Gefahr der Vereinnahmung Gottes fÛhren kann. – Vgl. zur zeitgen×ssischen theologischen Rezeption Hegels W. Kern: Pneumatologie, S. 78 ff. 193 Mit Atheismus ist nicht eine „a-theistische“ Grundhaltung gemeint, sondern als „Atheismus hat vielmehr nur die Anschauung zu gelten, die jede Art eines G×ttlichen bzw. Absoluten, das nicht schlechthin identisch ist mit dem Menschen und mit der Welt unserer empirischen Erfahrung und deren immanenten Prinzipien, leugnet“ (W. Kasper: Gott, S. 29). Vgl. zur ausfÛhrlichen Er×rterung der verschiedenen atheistischen Grundanschauungen ebd., S. 33 ff. Zur wirkungsgeschichtlichen Bedeutung Hegels fÛr den Atheismus vgl. ebd., S. 43.

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umkehrte und die materialistisch verstandene Sinnlichkeit bzw. den Menschen und seine Vernunft endgÛltig als einzig maßgebliche Wirklichkeit herausstellte, in die sich jetzt Gott einordnen ließ. Gott gilt als die Projektion der „g×ttlichen“ WÛnsche des Menschen, der selbst Ursprung des G×ttlichen ist und es in sich zurÛckholen muß, um nicht mehr entfremdet zu sein. Wenn der Mensch Gottes Wesen fÛr sich proklamiert und Gottes Existenz leugnet – und damit die bei Descartes begonnene Trennung von Existenz und Wesen Gottes vollendet –, dann ist er sein eigener Gott (Homo homini Deus), und die TrinitÅtslehre enthÛllt sich als Projektion der interpersonalen menschlichen Liebe. Es heißt nicht mehr „Gott ist die Liebe“, sondern „die Liebe ist Gott“.194 Daß die menschlichen WÛnsche aber letztlich nicht die Transzendenz des Menschen abdecken k×nnen und einem geschichtlich vermittelten Gottesbegriff ebensowenig gerecht werden wie den Bedingungen der Wirklichkeit, Ûbersieht Feuerbach.195 Deshalb entwickelte Marx auf der Grundlage von Hegels Aufwertung des Materiellen (Integration in den g×ttlichen Prozeß) und in Anlehnung an Feuerbachs atheistische Reduktion des g×ttlichen Prinzips einen praktisch-materialistischen Atheismus. Marx versteht die unangemessenen materiellen und sozialen VerhÅltnisse als die Entfremdung des Menschen, die in einem – von Darwins Evolutionismus und Hegels Dialektik geprÅgten – Geschichtsprozeß selbsterl×send zu Ûberwinden sei, und zwar durch das allein maßgebliche und damit selbstverg×ttlichte menschliche Handeln.196 So wie der Mensch hier nur noch als Ausdruck der Gesamtheit der gesellschaftlich-materiellen KrÅfte verstanden wird, erscheint er bei Sigmund Freud (1856–1939) lediglich noch als ein aus psychologischen ZwÅngen zu befreiendes Wesen. Auf den Punkt gebracht werden diese verschiedenen Formen anthropologischer Selbstbezogenheit bzw. Selbstverg×ttlichung von Friedrich Nietzsche (1844–1900), der endgÛltig die Zersetzung des Gottesgedankens als Tat des menschlichen „Ich“ durchschaute. Weil der Mensch in seinen theistischen Gottesspekulationen selbst Ûber Existenz und Wesen Gottes entscheidet, verk×rpert er das letzte Entscheidungs- und Machtkriterium und ist somit selbst Gott. Der Mensch hat als ºbermensch die Macht zu ergreifen und sich Ûber Gott und alle bisherigen Werte zu erheben. Denn diese sind wie Gott tot und irrelevant, da sie von den Religionen am allein maßgeblichen sinnlichen Leben vorbei fÛr das Jenseits erstellt wurden und somit das sinnliche Leben als nihilistisch qualifizierten. Besonders das Christentum hat nach Nietzsche durch die Entg×tterung der Welt zu deren ºberlieferung an den Nihilismus beigetragen, da die Wahrheit in eine Hinterwelt projeziert worden sei. Die „g×ttliche“ Wahrheit sei aber nur am Menschen und seiner sinnlichen Welt festzumachen, weshalb sich der Mensch in seiner Macht selbst zum Sch×pfer von Sinn und Werten zu erheben habe – in einer Welt des reinen Schicksals.197 Doch weil die RealitÅt der Welt

194 Diese Gedanken entwickelte L. Feuerbach in seiner Schrift „Das Wesen des Christentums“. Zur detaillierten Analyse und zu weiterfÛhrender Literatur vgl. J. Hirschberger: Geschichte II, S. 468 ff.; W. Kasper: Gott, S. 44 ff., und J. Salaquarda: Art. „Feuerbach“, S. 144 ff. 195 Vgl. J. Moltmann: Geschichte, S. 182; W. Kasper: Gott, S. 46. 196 Vgl. J. Hirschberger: Geschichte II, S. 471 ff. 197 Vgl. ebd., S. 501 ff.; E. JÛngel: Gott, S. 195 ff.

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dieser selbstverg×ttlichenden Suche und Zielsetzung nicht standhÅlt und der letzte Sinn, mit dem der Mensch aufgrund seiner Selbsttranszendenz konfrontiert ist, sich nicht aus der Welt erschließen lÅßt, endete Nietzsche schließlich selbst im Nihilismus.

So entwickelte sich aus dem spekulativen Theismus mit seinen vom Menschen geschaffenen Gottesbildern folgerichtig der anthropozentrische Atheismus, der jedoch die weiter bestehende Ahnung von Gott nie ganz beseitigen konnte. Eine Theologie, die diese Ahnung aufgreifen wollte, ohne der atheistischen Infragestellung des Theismus zu erliegen, bedurfte der Besinnung auf die sich selbst erschließende Offenbarung Gottes. Denn jede metaphysisch-theistische Theologie war von der aufgezeigten Gefahr bedroht, zum anthropozentrischen Atheismus zu degenerieren. Das wird zum Beispiel an der neukantianischen protestantischen Theologie im Zeitalter des Positivismus ersichtlich, die ihren Gottesbegriff in Abgrenzung vom naturwissenschaftlich-doktrinÅren und materialistischen Atheismus in der geistigsittlichen PersonalitÅt des Menschen verankerte198 und daher dennoch der anthropozentrischen Reduzierung des Theismus gegenÛberstand. Die gleiche Gefahr bestand fÛr Schleiermachers Verankerung der Gottesbeziehung im frommen Selbstbewußtsein, die seinem modalistischen GottesverstÅndnis entsprach. Hegels trinitarisches Denken hat – besonders durch die rechtshegelianische Wirkungsgeschichte – gewiß dazu beigetragen, daß sich einige Theologen gegenÛber einlinigen theistischen AnsÅtzen wieder stÅrker der TrinitÅtslehre zuwandten.199 Doch weil er die theistische Trennung von g×ttlicher Immanenz und °konomie lediglich durch ihre totale – nicht mehr unterscheidbare – Identifikation ersetzte und das absolute g×ttliche Subjekt im Weltprozeß aufgehen ließ, verharrte Hegel ebenfalls in der Einlinigkeit eines Prinzips. Somit ließ er kein lebendiges VerhÅltnis von „GegenÛber und NÅhe“ Gottes zu, wodurch auch er die Entwicklung vom Theismus zum Atheismus f×rderte.

3.2 Die Besinnung auf die TrinitÅtslehre im Protestantismus und ihre ekklesiologischen Implikationen Um dieser Situation entgegenwirken zu k×nnen, in der metaphysisch orientierte RÛckschlÛsse auf Gott durch Kants Metaphysikkritik in Frage gestellt waren und sich jeglicher spekulative Theismus als menschliche Projektion

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Vgl. I. Lønning: Art. „Gott VIII“, S. 687. Vgl. zu Hegels Einfluß auf die protestantische Theologie W. Pannenberg: Theologie I, S. 319, und zum Einfluß auf die katholische Theologie vgl. L. Scheffczyk: Formulierung, S. 199 ff. 199

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entlarven ließ, mußte man sich auf die Selbsterschließung des trinitarischen Gottes besinnen. Deshalb kam es im 19. Jahrhundert in Teilen der protestantischen und katholischen Theologie gegenÛber natÛrlich-theistischen Gottesspekulationen zu einer eigenstÅndigen und an der Offenbarung orientierten Besinnung auf die TrinitÅtslehre, die sich auch im Anglikanismus und in der Orthodoxie beobachten lÅßt.200 Mit dieser trinitÅtstheologischen Besinnung galt es zugleich, den ekklesiologischen Konsequenzen zu begegnen, die sich aus der AufklÅrungstheologie ergeben hatten. Die Kirche wurde nÅmlich zunehmend entweder im neukantianischen Sinne wie der Staat als rein sittlich-moralische Konsensgemeinschaft verstanden (besonders im Protestantismus) oder im Zuge der BekÅmpfung des aufklÅrerischen Modernismus klerikal-autoritÅr (besonders im Katholizismus).201 Nachdem im Protestantismus zunÅchst Theologen wie Karl Daub (1765–1836) und Philipp Konrad Marheineke (1780–1846) im Gefolge Hegels eine spekulative TrinitÅtslehre entwickelt hatten, die sie als selbstevidente Idee im menschlichen Geist verankerten, erkannten die von Schleiermacher beeinflußten und Ûber ihn hinausgehenden Vermittlungstheologen Carl Immanuel Nitzsch (1787–1868) und August D. C. Twesten (1789– 1876) die Notwendigkeit, von der in der Schrift bezeugten heilsgeschichtlichen Offenbarung Gottes als Grundlage der TrinitÅtslehre auszugehen. Entsprechend betonten sie gegen alle deistischen und unitarischen Spekulationen sowie gegen idealistische RÛckschlÛsse aus dem Geistbegriff die untrennbare Zusammengeh×rigkeit von Offenbarungs- und WesenstrinitÅt.202 Schleiermacher hatte keine RÛckschlÛsse von der trinitarisch-×konomischen Erscheinungsweise Gottes auf dessen Wesen zugelassen, da er Gott gegenÛber der natÛrlichen und moralischen Religion der AufklÅrung aus dem menschlichen Bewußtsein schlechthinniger AbhÅngigkeit definierte.203 Das

200 Vgl. I. U. Dalferth: Roots, S. 149, der hinsichtlich der trinitÅtstheologischen Neuorientierung im 20. Jahrhundert feststellt: „Anti-theism, [. . .], i. e. the rejection of Enlightenment theism, its consequences and its antithesis (atheism), has been one of the major motifs of trinitarian theology today.“ 201 Vgl. U. KÛhn: Art. „Kirche VI“, S. 268 ff.; S. Wiedenhofer: Ekklesiologie, S. 85 f. – Laut T. Schneider: Ort, S. 112, fÛhrte auch das sittlich-moralische KirchenverstÅndnis zur wachsenden Klerikalisierung in der katholischen Kirche, weil es vornehmlich eine menschliche AutoritÅt verlangte. 202 Vgl. C. I. Nitzsch: System, S. 60 ff. („Von der Offenbarung“) u. S. 135 ff. („Von Gott“); A. D. C. Twesten: Vorlesungen, S. 196 ff. Vgl. ferner zum Ansatz von Nitzsch und Twesten W. Pannenberg: Theologie I, S. 319 f. u. 326 f., und H. Theurich: Art. „Nitzsch“, S. 576 ff. Vgl. insgesamt H. Schott: Art. „Systematische Theologie II“, Sp. 586 ff.; ders.: Art. „Vermittlungstheologie“, Sp. 1362 ff., und E. H. PÅltz: Art. „Daub“, Sp. 48: „Die Dogmatik ist Wissenschaft von der Dreieinigkeit.“ 203 Mit seiner Konzentration auf die AbhÅngigkeit des Menschen von Gott und auf das fromme Bewußtsein, das sich in der Glaubensgemeinschaft realisiert, konnte Schleiermacher zwar die eigenstÅndige Bedeutung von Gott und Kirche gegenÛber der natÛrlichen und mora-

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darin grundgelegte Postulat von der Wahrnehmung des einen g×ttlichen Geistes im Menschengeist lÅßt keine konkreten Aussagen Ûber Gottes immanentes Wesen und seine Eigenschaften zu: „Alle Eigenschaften, welche wir Gott beilegen, sollen nicht etwas Besonderes in Gott bezeichnen, sondern nur etwas Besonderes in der Art, das schlechthinnige AbhÅngigkeitsgefÛhl auf ihn zu beziehen.“204 So erscheint Christus „durch die stetige KrÅftigkeit seines Gottesbewußtseins“205 mehr als Urbild des Menschen und der Geist als „die Vereinigung des g×ttlichen Wesens mit der menschlichen Natur in der Form des das Gesamtleben der GlÅubigen beseelenden Gemeingeistes“206. Christus degeneriert auf diese Weise zum Vorbild der Verwirklichung einer h×heren M×glichkeit der menschlichen Natur, und eine Unterscheidung zwischen Gottesgeist und Menschengeist ist nur noch schwer erkennbar. Der Heilige Geist ist nicht als g×ttliche Person qualifiziert, sondern dem der Kirche immanenten Gemeingeist inhÅrent. Deshalb kommt der Heilige Geist als GegenÛber von Mensch und Kirche kaum zur Geltung. Dem entspricht das modalistische Eingehen Gottes in das fromme Bewußtsein.207 Von daher war es bedeutsam, daß die genannten Vermittlungstheologen auf der Grundlage der Offenbarung erneut durch die Verbindung von ×konomischer und immanenter TrinitÅt an die Relevanz der TrinitÅtslehre und damit an den Zusammenhang von „GegenÛber und NÅhe“ Gottes erinnerten. „Sie haben hier klarer gesehen als viele der spÅteren Theologen: So wie Gott sich offenbart, so ist er auch in seiner ewigen Gottheit.“208 Auch das konfessionelle Neuluthertum, in dem sich Spuren der Erweckung finden, berief sich in Auseinandersetzung mit dem neukantianischen Protestantismus und dessen rationalem und sittlichem VerstÅndnis von Gott und Kirche auf die biblische und heilsgeschichtliche Offenbarung (J. C. K. von Hofmann), was sich nicht zuletzt durch den dezidierten RÛckgriff auf die Alte Kirche erklÅren lÅßt. Diese theologische Orientierung wirkte sich unmittelbar auf die Ekklesiologie aus. Der spekulativen Auffassung von einer unsichtbaren sittlichen Religionsgemeinschaft stellte man den sichtbaren Leib Christi entgegen. Auf der Grundlage von Schrift und KirchenvÅtern fand Wilhelm L×he (1808–1872) erneut zum VerstÅndnis von Kirche als gott-menschlicher koinwnı´a, zu der sie mit Gott und untereinander durch lischen ReligiositÅt verteidigen, aber er stand in der Gefahr, den Gottes- und Kirchenbegriff von der Dimension des Bewußtseins abhÅngig zu machen. 204 F. D. E. Schleiermacher: Glaube I, S. 255 (§ 50). 205 Ders.: Glaube II, S. 43 (§ 94). Vgl. zur Christologie Schleiermachers und ihren Entwicklungsstufen E. H. U. Quapp: Christus, bes. S. 124 ff. u. 204 ff. 206 F. D. E. Schleiermacher: Glaube II, S. 259 (§ 123). 207 Vgl. hierzu neben Schleiermachers Glaubenslehre auch ders.: Religion. Zum VerstÅndnis Schleiermachers vgl. J. Moltmann: Geist, S. 234 ff.; I. Lønning: Art. „Gott VIII“, S. 684 ff.; H.-J. Birkner: Theologie. 208 W. Pannenberg: Theologie I, S. 327.

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den Heiligen Geist zusammengefÛhrt wird. Im Abendmahl erhÅlt diese Gemeinschaft ihren zentralen Ausdruck. Die pneumatologische und christologische Fundierung des organischen Kirchenbegriffs erm×glichte eine kritische Aufnahme des romantischen und idealistischen Organismusdenkens sowie die Absicherung schriftgemÅßer organischer Tradition vor einer ºberlagerung durch philosophische PrÅmissen.209 Zur besseren Unterscheidung von verborgener (Anspruch) und sichtbarer (Wirklichkeit) Kirche trug dann die pneumatologische Differenzierung bei Johann Christoph Blumhardt (1805–1880) und Christoph Blumhardt d. J. (1842–1919) bei. Indem beide den Geist nicht nur als Gabe, sondern auch als Geber ernst nahmen, ließen sie ihn erneut als GegenÛber und Maßstab der Kirche zur Geltung kommen.210 Insgesamt lÅßt sich im 19. Jahrhundert beobachten, daß mit den AufbrÛchen biblischer und heilsgeschichtlicher Orientierung und der entsprechenden trinitÅtstheologischen Besinnung eine Besinnung auf die Kirche einherging. Das geschah im Kontext biblischer und patristischer AufbrÛche in allen Konfessionen211 sowie in Auseinandersetzung mit der rational-spekulativ gefÅrbten liberalen Theologie, die fortschreitend zu einer Entfremdung vom trinitarischen Dogma und zu einem sittlichen und individualistischen KirchenverstÅndnis fÛhrte. Albrecht Ritschl (1822–1889) ließ in Anlehnung an Kant die sittliche Pers×nlichkeit zum religionsphilosophischen Skopus von Theologie und Kirche werden, indem er Seinsurteile Ûber Gott ablehnte und durch Werturteile ersetzte, so daß er das Reich Gottes als sittliches Kulturreich und Jesus als ethische Pers×nlichkeit qualifizierte.212 Die Konzentration auf derartige philosophische PrÅmissen und die entsprechende Ausblendung der biblisch-×konomischen Hermeneutik endeten im v×lligen Verzicht auf die TrinitÅtslehre, die fÛr Adolf von Harnack vor dem Hintergrund des radikalen Historismus und des religionsgeschichtlichen Relativismus nur noch eine dogmengeschichtliche Entfremdung vom eigentlichen Glaubensinhalt darstellte. Das Åußerte sich ekklesiologisch in der Trennung

209 Vgl. W. L×he: Drei BÛcher von der Kirche (1845), in: K. Ganzert (Hg.): Wilhelm L×he 5/1, S. 85–179. Vgl. zur Analyse von L×hes Ekklesiologie M. George: Kirche, S. 216 ff. Vgl. insgesamt H. Fagerberg: Art. „Luthertum II“, Sp. 536–540. 210 Vgl. C. Blumhardt: Reich, wo der Unterschied zwischen Gottesgeist und Geist der Menschen dargestellt ist. Vgl. insgesamt R. Landau: Art. „Geist VI“, S. 240. Die kontingente AbhÅngigkeit des Menschen von Gott als seinem GegenÛber entfaltete besonders pointiert S×ren Kierkegaard (1813–1855), indem er im Widerspruch zu rationaler und spekulativer Glaubenswissenschaft das pers×nliche GegenÛber-Sein von Gott und Mensch hervorhob und so den konkret existierenden Menschen in seiner Verantwortung vor Gott ins Blickfeld rÛckte. (Vgl. S. Kierkegaard: Krankheit; ders.: Furcht. Vgl. ferner H. Diem: Existenzdialektik, S. 77 ff.) 211 Vgl. M. Haudel: Bibel, S. 25 ff.; W. Breuning: TrinitÅtslehre, S. 28. 212 Vgl. A. Ritschl: Lehre, S. 184 ff. u. 575 ff. Vgl. ferner C. Stange: Albrecht Ritschl; H. Graß: Art. „Liberalismus III“, Sp. 352.

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von Geist und Institution.213 Der optimistische Fortschrittsglaube liberaler und positivistischer Theologie und deren kulturprotestantisches Bewußtsein, an der fortschreitenden g×ttlichen Weltvernunft teilzuhaben (E. Troeltsch), wurden jedoch vom Ersten Weltkrieg nachhaltig erschÛttert.214 In dieser Situation erinnerte die Dialektische Theologie gegenÛber den anthropozentrisch-natÛrlich geprÅgten AnsÅtzen als Theologie des Wortes Gottes an den sich selbst offenbarenden Gott, der fÛr Karl Barth (1886–1968) zur Grundlage trinitÅtstheologischer Besinnung wurde. Barth konnte sich dabei auf diejenigen Theologen stÛtzen, die an das GegenÛber-Sein Gottes erinnert hatten, wie die beiden Blumhardts, Kierkegaard oder Erich Schaeder (1861–1936), dessen theozentrische Theologie die Erhabenheit Gottes in den Vordergrund stellte. Daß Gottes GegenÛber-Sein der Offenbarung durch das Wort bedurfte, unterstrich bereits Martin Rade (Marburg) als einer der Lehrer Barths. Er verlieh der ×konomischen TrinitÅt dadurch zwar Gewicht, stellte aber keinen maßgeblichen Zusammenhang mit der immanenten TrinitÅt her.215 Erst Barth gelang es durch seinen biblisch-theologischen und offenbarungstheologischen Ansatz, den Zusammenhang von ×konomischer und immanenter TrinitÅt sowie dessen zentrale Bedeutung fÛr die gesamte Dogmatik erneut herauszustellen. Angesichts der Gefahr anthropozentrischer Vereinnahmung Gottes durch die im Ersten Vatikanischen Konzil konsolidierte natÛrliche Theologie und durch die anthropologische Verankerung liberaler und kulturprotestantischer ReligiositÅt hob Barth in seinem R×merbriefkommentar das dialektische GegenÛber von Gott und Welt hervor. Folgerichtig leitete er die TrinitÅtslehre in der „Christlichen Dogmatik im Entwurf“ (1927) aus dem Begriff der Selbstoffenbarung Gottes ab, da Gott als Herr der Welt und als pers×nliches GegenÛber der Menschen nur durch sich selbst offenbar werden kann. Weder das geistig-sittliche Selbstbewußtsein noch eine andere Form natÛrlicher RÛckschlußverfahren gewÅhren die angemessene Gotteserkenntnis, sondern allein der dreieinige Gott, der sich selbst aussagt („Deus dixit“) und der dreimal anders als derselbe das gesamte Offenbarungsgeschehen umfaßt, und zwar als Offenbarer, Offenbarung und Offenbarsein.216 Daß Barth 1932 die „Christliche Dogmatik“ durch die „Kirchliche Dogmatik“ ersetzte, steht im Zusammenhang mit der theologischen Vertiefung, die

213 Vgl. A. von Harnack: Lehrbuch; ders.: Wesen. Vgl. ferner W. Trillhaas: Theologie, S. 91 ff. 214 Vgl. W. Trillhaas: Theologie, S. 89–102. 215 Vgl. M. Rade: Glaubenslehre I, S. 32 ff. u. 173 ff. Vgl. ferner den Briefwechsel zwischen K. Barth und M. Rade: C. Schw×bel (Hg.): Karl Barth. Vgl. insgesamt I. Lønning: Art. „Gott VIII“, S. 688; R. Landau: Art. „Geist VI“, S. 240. 216 Vgl. K. Barth: Christliche Dogmatik, S. 126 ff.; ders.: R×merbrief.

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ihm bei der Entstehung des Buches Ûber Anselms Gottesbeweis (1931) in Form einer christologischen Konzentration widerfuhr: Jesus Christus wurde fÛr ihn zum Zentrum von Theologie und Kirche, weil er in seiner Wesenseigenschaft als lebendiges Wort Gottes die konkrete Gestalt der biblischen Offenbarung verk×rpert. Dieses Zentrum ist nach Barth nur trinitarisch zu verstehen und impliziert als Ausgangspunkt der Gotteserkenntnis eine kritische EinschÅtzung der natÛrlichen Theologie.217 Deshalb setzt der erste Band der „Kirchlichen Dogmatik“ mit der „Lehre vom Wort Gottes“ (Prolegomena) ein, welche fÛr Barth die trinitarische Grundlage der Dogmatik bildet. Die TrinitÅtslehre erhÅlt im Anschluß an die Er×rterung des Offenbarungsbegriffs ihren Ort am Anfang der Dogmatik, um sich in allen Teilen der Dogmatik auslegen zu k×nnen. In biblischer Konkretisierung des Offenbarungsbegriffs wird sie von Jesus Christus als der lebendigen Offenbarungsgestalt abgeleitet: „Die TrinitÅtslehre ist nichts Anderes als die Entfaltung der Erkenntnis, daß Jesus der Christus oder der Herr ist.“218 „Hier steht es uns vor Augen, was es heißt: Gott Ûber dem Menschen (erster Artikel) und Gott mit dem Menschen (dritter Artikel).“219 Im Sohn und im Heiligen Geist offenbart sich Gott seinem Wesen entsprechend, so daß die ×konomische TrinitÅt die immanente zu erkennen gibt220, welche wiederum als Voraussetzung der ×konomischen TrinitÅt zu gelten hat. Nur wenn auch die letztgenannte Voraussetzung bedacht wird, ist Gottes souverÅner und freier Selbsterweis nachzuvollziehen und die Offenbarung in ihrer Selbstbewegung auch von innen her nach-zudenken. Erst wer weiß, daß Gott sich in freier Liebe (pro se) fÛr uns hingibt (pro nobis), kann Gottes Heilstat im Kreuz ermessen. Die TrinitÅtslehre wird somit

217 Vgl. zu Barths SelbsteinschÅtzung dieser theologischen Vertiefung K. Barth: „Parergon“, S. 272. Vgl. ferner sein Anselm-Buch: K. Barth: Fides. Vgl. zur Bewertung der sog. „AnselmWende“ O. Bayer: Theologie, S. 330 ff.; F. Schmid: VerkÛndigung, S. 128 ff. Zur Entwicklung der Christologie Barths vgl. A. Nossol: Geist, S. 145 ff. 218 K. Barth: Kirchliche Dogmatik [im folgenden abgekÛrzt KD] I/1, S. 353. Vgl. insgesamt ebd., S. 331 ff.; F. W. Kantzenbach: Programme, S. 185 ff.; W. Breuning: TrinitÅtslehre, S. 27, und J. Moltmann: TrinitÅt, S. 156 f., der aufzeigt, wie Barths Ableitung der TrinitÅtslehre aus dem Offenbarungsbegriff durch die konkrete Gestalt biblischer Offenbarung geprÅgt wird. Das sieht W. Pannenberg: Theologie I, S. 322 ff., nicht so deutlich, insofern als er vermutet, Barth leite seine TrinitÅtslehre lediglich aus dem formalen Offenbarungsbegriff ab. – Gegen diese Vermutung Pannenbergs betont E. Maurer: Tendenzen, S. 16, „daß Barth die trinitarischen Differenzierungen nicht aus einem formalen Offenbarungsbegriff ableitet, sondern aus der Identifikation von Offenbarung und Gottesherrschaft, ausgehend von Jesu VerkÛndigung“. 219 Mit diesen Worten bestÅtigt Barth seine christologisch fundierte TrinitÅtslehre 1947 in der „Dogmatik im Grundriß“: K. Barth: Dogmatik, S. 74. 220 Vgl. KD I/1, S. 503: „[. . .] die uns in der Offenbarung begegnende Wirklichkeit Gottes ist seine Wirklichkeit in allen Tiefen der Ewigkeit“. Vgl. ebd., S. 391. Zur Bedeutung Barths fÛr die wiedergewonnene Erkenntnis der Entsprechung von ×konomischer und immanenter TrinitÅt vgl. E. JÛngel: Gottes Sein.

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auch zur Explikation der Kreuzestheologie, in der Gott als lebendige, freie und hingebungsvolle Liebe offenbar wird.221 Von daher geht Barth gegenÛber natÛrlich oder idealistisch ausgerichteten Konzeptionen von der speziellen Offenbarung aus, um im Unterschied zur nachtrÅglichen Einordnung des Christentums in allgemeine ReligiositÅt die erleuchtende und universale Geltung der christlichen Offenbarung transparent werden zu lassen, was sich in Spannung zur natÛrlichen Wirklichkeit (Krisis) vollzieht. So gilt Christus fÛr Barth als das eigentliche vestigium trinitatis, in dem nicht nur der wahre Gott, sondern auch der wahre Mensch erkennbar wird.222 Damit vollzog Barth unter dem Vorzeichen der Christologie eine Integration der natÛrlichen Theologie, welche er in erster Linie wegen ihrer Ambivalenz und der M×glichkeit hybrider Vereinnahmung Gottes bekÅmpft hatte. So kritisiert er eine eigenstÅndige Lehre von den natÛrlichen vestigia trinitatis, da sie oft genug die ºbertragung menschlicher Strukturen auf Gott mit sich gebracht habe.223 „Grund fÛr Barths Kritik an der natÛrlichen Theologie ist, daß sie Ausdruck der menschlichen Selbstbehauptung gegen Gott [. . .] sei, Ausdruck der SelbstÛberschÅtzung und Selbstverg×ttlichung des Menschen.“224 Das drÅngte sich Barth nicht nur 1934 im Jahr der Barmer Theologischen ErklÅrung angesichts der Deutschen Christen auf, sondern galt ihm auch fÛr andere PhÅnomene der Kirchengeschichte, wie etwa die sittlich-natÛrliche Theologie des 19. Jahrhunderts, die eine trinitarische Selbsterschließung Gottes ausschloß.225 Durch die biblisch und heilsgeschichtlich (Bund, Vers×hnung) orientierte Besinnung auf die TrinitÅtslehre und den Zusammenhang von ×konomischer und immanenter TrinitÅt Ûberwand Barth nachhaltig die Hermeneutik, die mit der Abfolge „natÛrliche – ÛbernatÛrliche Theologie“ bzw. „De Deo uno – De Deo trino“ gegeben war. Die entsprechende ºberwindung der natÛrlich-sittlichen ReligiositÅt des Neuprotestantismus hatte eine ekklesiologische Besinnung zur Folge, die an der Ersetzung der „Christlichen Dogmatik“ (1927) durch die „Kirchliche Dogmatik“ (1932) abzulesen ist. Die kirchliche Gemeinschaft wird nach Barth durch den Heiligen Geist gesammelt und durch Christus erbaut, dem gegenÛber es zuerst die Kirche 221 Vgl. B. Klappert: Tendenzen, S. 204 ff., der darauf hinweist, daß deshalb das Kreuz nicht umgekehrt eine konstitutive Bedeutung fÛr Gottes immanentes Wesen erhalten kann, wie es bei J. Moltmann geschieht. 222 Vgl. KD I/1, S. 337 f. (SelbstenthÛllung, Freiheit Gottes) u. S. 352 ff. (Christus als vestigium trinitatis). Vgl. zur Interpretation der Aussagen Barths auch O. Bayer: Theologie, S. 322 ff.; W. Pannenberg: Theologie I, S. 356. 223 Vgl. O. Bayer: Theologie, S. 345, und W. Kasper: Gott, S. 84 u. 332, der auf die natÛrliche Dimension von Barths analogia relationis hinweist. 224 S. M. Daecke: Gott, S. 141. Vgl. KD I/2, S. 343 u. 387. 225 Vgl. zur Theologie des 19. Jahrhunderts K. Barth: Theologie I, S. 86 f. Zur Situation von 1934 vgl. ders.: Nein! Vgl. ferner O. Bayer: Theologie, S. 353 f.

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gibt (Leib Christi) und in ihr die einzelnen GlÅubigen.226 Die eigentliche Aufgabe der Kirche liegt in der VerkÛndigung des Wortes Gottes, das sich nur trinitarisch verstehen lÅßt. Mit der Bibel existiert das sachgemÅße Zeugnis der trinitarischen Offenbarung, so daß das TrinitÅtsdogma nicht nur die angemessene Interpretation der Schrift darstellt, sondern auch ihren angemessenen Auslegungskontext. Die altkirchlichen Bekenntnisse erhalten deshalb einen hohen Stellenwert. Indem das objektive Credo der Kirche so zum Bezugspunkt des subjektiven Credos wird und die Dogmatik an den Raum der Kirche gebunden bleibt, ergibt sich aus dem dynamischen Weg von der Offenbarung Ûber die Schrift zur kirchlichen VerkÛndigung ein am Zeugnis orientierter Kirchenbegriff, der konfessionelle Grenzen transzendiert.227 Barths trinitÅtstheologische Besinnung mit ihren ekklesiologischen Implikationen bewÅhrte sich im Kirchenkampf gegenÛber totalitÅr-monarchischer Vereinnahmung von Theologie und Kirche, der theistisch und idealistisch geprÅgte Theologie mit national-liberalem Hintergrund wenig entgegenzusetzen hatte. Aufgrund seines theologischen Ansatzes konnte Barth die besondere AffinitÅt des Christentums zur Demokratie herausstreichen.228 Bei allen Verdiensten der theologischen Erneuerung Barths lÅßt sich jedoch auch erkennen, wo seine trinitarische Theologie noch in einseitigen PrÅmissen abendlÅndischer Theologie- und Geistesgeschichte gefangen blieb. In kritischer Auseinandersetzung mit Hegel distanzierte sich Barth zunÅchst wie Marheineke und die Rechtshegelianer von Hegels Einbeziehung des Weltprozesses in den Prozeß der trinitarischen Selbstentfaltung Gottes. Neben dieser Trennung zwischen Gottes immanentem Wesen und heilsgeschichtlicher Kontingenz legte Barth zugleich Wert auf die Entsprechung von ×konomischer Selbsterschließung und immanentem Wesen Gottes, so daß er unter BerÛcksichtigung beider Einsichten von einer Analogie zwischen ×konomischer und immanenter TrinitÅt sprach.229 Dieser Begriff beinhaltet jedoch im Blick auf beide von Barth vorgebrachten Gesichtspunkte Gefahren. Hinsichtlich der Unterscheidung zwischen Gottes ewigem Wesen und kontingenter Heilsgeschichte besteht die Gefahr, beide Dimensionen als analoge Entwicklung zu verstehen, wie es in der Vers×hnungslehre des spÅten Barth geschieht. Barth spricht dort von der ewigen Geschichte Gottes, in der die Vers×hnung

226 Vgl. KD I/2, S. 230. Zur Ekklesiologie Barths vgl. die Studie von E.-W. Wendebourg: Christusgemeinde. Vgl. ferner U. KÛhn: Art. „Kirche VI“, S. 272 f.; W. Kasper: Gott, S. 379. 227 Vgl. KD I/1, S. VIII. Vgl. ferner W. Trillhaas: Theologie, S. 106 f.; F. W. Kantzenbach: Programme, S. 187–189; A. Nossol: Geist, S. 147 ff. 228 Vgl. K. Barth: Texte (Barmen); W. Trillhaas: Theologie, S. 109 ff., und O. Bayer: Theologie, S. 341 ff., der den Zusammenhang zwischen der Barmer Theologischen ErklÅrung und der KD aufzeigt. 229 Vgl. KD I/1, S. 333, 393, 400 f., 411 ff., 424, 435, 450, 489. Vgl. ferner W. Schachten: VerhÅltnis, S. 16 f.; O. Bayer: Theologie, S. 325 ff.; W. Pannenberg: Gott, S. 85.

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schon von Ewigkeit her vollzogen wurde. Dadurch erscheint die Heilsgeschichte lediglich als Wiederholung einer innerg×ttlichen Geschichte.230 Hierzu lÅßt sich mit den Worten Horst Beintkers zu Recht anmerken: „Theologisch besonders fraglich erscheint uns die Vorverlegung der Vers×hnungstatsache in die Entscheidung von Ewigkeit her. Damit ist eben mittels der ‚Geschichtlichkeit‘ die Geschichte gleichgÛltig gemacht worden. Das lÅßt die Fragen unbeantwortet, warum Christus Ûberhaupt am Kreuz noch hat sterben mÛssen, warum noch die Vergebung der SÛnde verkÛndigt werden muß, wenn der Glaube es doch nur noch kognitiv mit dem ‚von Ewigkeit her vers×hnt‘ zu tun hat.“231 Reste des Einflusses von Hegels dialektischer Identifikation von Gottes- und Weltgeschichte lassen sich mit dem Analogiebegriff allein also nicht gÅnzlich verhindern. Umgekehrt beinhaltet der Analogiebegriff gleichzeitig die Gefahr der soteriologischen und revelatorischen Relativierung, insofern als die Heilsgewißheit ebenso wie die Erkennbarkeit Gottes zu hinterfragen bleibt, wenn es sich nur um eine analoge Gegenwart Gottes handelt.232 Das bestÅtigt Barths Aufl×sung des „leiblichen Wortes“ (Luther, CA V) in eine primÅr kognitive Dimension, wodurch sich die sichtbare Gegenwart des Wortes auf ein erstrebenswertes Ideal reduzieren lÅßt. Indem Barth somit die Unterscheidung von Gottes- und Menschenwort – anders als Luther – bis in die sichtbare Anwesenheit der Einheit des Wortes Gottes vorantreibt, riskiert er, die ontische Anwesenheit Gottes durch eine lediglich noetische zu ersetzen, was ein aktualistisches WortverstÅndnis nach sich zieht. „Dasselbe gilt fÛr Barths aktualistische Fassung der Einheit der ‚Wirklichkeit Jesu Christi‘, die durch die biblische Ereignis-Ontologie ergÅnzt werden mÛßte“233. Die radikale Unterscheidung von Gottes- und Menschenwort erklÅrt sich aus der historischen Situation, durch die sich Barth zur Auseinandersetzung mit natÛrlichtheologischer und weltimmanenter Gotteserkenntnis herausgefordert sah. Seine entsprechende Betonung Gottes als „GegenÛber“ mit ihrer AffinitÅt zur westlichen TrinitÅtslehre und dem damit korrelierenden intrapersonalen Ansatz Hegels (sich selbst entfaltendes absolutes Subjekt) erweist sich als Ursache der aufgezeigten Aporien. Die fÛr die westliche TrinitÅtslehre typische Orientierung an der Einheit Gottes, die sich zunÅchst auf die absolute Substanz bezog, findet ihre Grundlage bei Barth – wie bei Hegel – im absoluten Subjekt. Im Unterschied zu Hegel tritt Gott bei Barth der Welt als ihr Herrscher gegenÛber, so daß Barth die Herrschaft bzw. Gottheit Gottes mit seinem Wesen gleichsetzt. Gott steht der Welt somit als eine Person gegenÛber, weshalb Barth – hier wiederum im Anschluß an Hegel – eine primÅr intrapersonal strukturierte TrinitÅtslehre vertritt, die sich auf die Selbstkonstitution Gottes in „drei Seinsweisen“ konzentriert.234 Im Kontext des neuzeitlichen Got-

Vgl. KD IV/1, S. 222 f. H. Beintker: Wort, S. 284, der auf die kritische Auseinandersetzung G. Gloeges mit Barths Vers×hnungslehre zurÛckgreift. 232 Vgl. W. Schachten: VerhÅltnis, S. 26. 233 A. Nossol: Geist, S. 151. Vgl. T. Mannermaa: Glauben, S. 190 f., und O. Bayer: Theologie, S. 367–388, der sich neben Luther auf H. Asmussen und H. J. Iwand beruft. 234 Vgl. KD I/1, S. 320 ff. u. 369. Die Formulierung „drei Seinsweisen“ konnte Barth von I. A. Dorner: System I, S. 430 ff., Ûbernehmen, der 1879 formulierte, daß die absolute g×ttliche Pers×nlichkeit die Ineinsfassung der drei an ihr teilhabenden Seinsweisen Gottes verk×rpert. 230 231

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tesbegriffs (absolutes und identisches Subjekt) verzichtet Barth auf den trinitarischen Personbegriff, weil „nicht von drei g×ttlichen Ich, sondern dreimal von dem einen g×ttlichen Ich [. . .] die Rede“235 ist. Indem Barth das im Selbstbewußtsein begrÛndete SelbstverhÅltnis Gottes (Selbstunterscheidung, Selbsterinnerung) hervorhebt, in welchem Christus die ewige Selbsterkenntnis verk×rpert und der Heilige Geist das ewige Band der Liebe, bleibt er – trotz seiner Kritik am Idealismus und an den augustinischen vestigia trinitatis – der imago trinitatis in der menschlichen Seele und somit idealistischen Denkstrukturen verhaftet.236 Entsprechend ist die Rede von den Seinsweisen Gottes oft unter dem Vorzeichen westlich-modalistischer Tendenzen eingeordnet worden.237 Daß Barth die drei Seinsweisen „an sich“ jedoch nicht ausschließlich als je ein „Es“ betrachtet, sondern auch die interpersonale Dimension andeutet, belegt die als „Ich und Du“ gekennzeichnete Gottebenbildlichkeit des Menschen, der als Mann und Frau als Ebenbild von Gott dem Vater und dem Sohn existiert.238 Der insgesamt aber einseitigen Orientierung an der intrapersonalen TrinitÅt mit ihrer AffinitÅt zur Einheit der opera ad extra und deren „personaler“ Unterscheidung lediglich per appropriationem – die Barth allerdings inhaltlich durchbricht – korrespondiert Barths Verteidigung des Filioque.239 Diese ist von der Sache her berechtigt, wo Barth angesichts ostkirchlicher Isolation der Pneumatologie von der Christologie daran erinnert, daß es an der christologischen Selbsterschließung Gottes vorbei keine wahre Gotteserkenntnis geben kann und deshalb eine Anbindung der Pneumatologie an die Christologie notwendig bleibt.240 Die Probleme des Filioque werden aber deutlich, wo Barth den Heiligen Geist nur als „Miteinander des Vaters und des Sohnes“241 bezeichnet: „Daß der Vater und der Sohn der eine Gott sind, das ist der Grund, daß sie nicht nur verbunden, sondern im Geist, in der Liebe verbunden sind“242. Daher ist das Filioque fÛr Barth „der Ausdruck der Erkenntnis der Ge-

KD I/1, S. 370. Vgl. KD I/1, S. 378, 492 f., 504, 512. Vgl. ferner J. Moltmann: TrinitÅt, S. 154 ff.; ders.: Geschichte, S. 179 ff.; W. Kasper: Gott, S. 366; W. Pannenberg: Theologie I, S. 331; L. OeingHanhoff: TrinitÅtslehre, S. 397 ff. 237 Vgl. z. B. A. Peters: TrinitÅtslehre, Sp. 567 f.; H. Fritzsche: Gott, Sp. 3; J. Moltmann: TrinitÅt, S. 155 u. 160. 238 Vgl. zu den Seinsweisen „an sich“ KD I/1, S. 512, und zur interpersonalen Ebenbildlichkeit KD III/2, S. 390. 239 Vgl. KD I/1, S. 496–511. Vgl. zur genannten Grundorientierung KD I/1, S. 497. Vgl. ferner R. Slenczka: Filioque, S. 93. Daß Barth aufgrund der Entsprechung von ×konomischer und immanenter TrinitÅt inhaltlich auch die Proprien der ewigen trinitarischen Personen in der Heils×konomie sieht, belegt sein Hinweis auf die aus der ewigen Selbsterkenntnis folgende zeitliche Selbstoffenbarung (Sohn) und die aus der ewigen Liebe folgende zeitliche Verwirklichung dieser Offenbarung (Geist). Vgl. KD I/1, S. 497 f. u. 503 f. Das lÅßt sich nach E. JÛngel: Gottes Sein, S. 49 ff., darauf zurÛckfÛhren, daß „Appropriation“ hier als Zueignung verstanden wird, in der sich Gott sein Sein selbst zuspricht und sich somit selbst entspricht (vgl. KD I/1, S. 395). JÛngels interpretierende Paraphrase der Gotteslehre Barths, die er in dem angefÛhrten Werk vorlegt, enthÅlt weitere interessante Gesichtspunkte zu Barths TrinitÅtslehre. 240 Vgl. KD I/1, S. 504 ff. Vgl. ferner A. Heron: Filioque, S. 101. 241 KD I/1, S. 492. 242 Ebd., S. 511. 235 236

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meinschaft zwischen Vater und Sohn“243. Vor diesem Hintergrund erklÅrt sich der gegen Barths Pneumatologie vorgebrachte Einwand JÛrgen Moltmanns: „Wird der Geist nur als die Einheit der Getrennten bezeichnet, dann verliert er jedes Aktionszentrum. Er ist dann eine Energie, aber keine Person. Er ist dann eine Beziehung, aber kein Subjekt. Im Grunde herrscht in der Reflexions‚trinitÅt‘ des absoluten Subjektes eine ‚BinitÅt‘ vor. Erst wenn der Heilige Geist als die Einheit der Differenz und der Einheit von Vater und Sohn verstanden wird, kann ihm eine personale und aktive Funktion im trinitarischen VerhÅltnis zugeschrieben werden.“244 Die VernachlÅssigung der EigenstÅndigkeit des Geistes zeigt sich bei Barth auch daran, daß er die „Zeugung“ des Sohnes als begreifbar deklariert, wÅhrend er dies der „Hauchung“ des Geistes abspricht und deshalb rÅt, den Unterschied zwischen Zeugung und Hauchung zu ignorieren.245 Obwohl sich bei Barth hinsichtlich der Hervorbringung des Heiligen Geistes auch ein Unterschied zwischen ewiger Konstitutionsebene und heilsgeschichtlicher Ebene andeutet246, hÅlt er pointiert am Filioque fest. Dadurch wird die intrapersonale Struktur der TrinitÅtslehre mit ihrer Hervorhebung von Gottes GegenÛberSein bestÅrkt, auf das laut Barths Schrift „Zur Lehre vom Heiligen Geist“ (1930) auch die heils×konomische Funktion des Geistes hinweist. Der Geist bleibt ganz auf der Seite Gottes. Er steht als Geist der Verheißung – rein eschatologisch gegenwÅrtig – im Widerspruch zum sÛndigen Geist des Menschen, der in die Erwartung des „Ganz-anderen“ versetzt wird.247 Diese pneumatologische Qualifizierung, die angesichts der historischen Situation zur Sicherung der Offenbarungsdimension und der SouverÅnitÅt Gottes diente, vernachlÅssigte die NÅhe Gottes. Eine eigenstÅndigere Pneumatologie hÅtte zu einer Relativierung der Diastase „natÛrliche Theologie – Offenbarungstheologie“248 fÛhren k×nnen, weil sie die Geistesgegenwart in der Sch×pfung und damit die kosmologische Dimension ebensowenig ausgeblendet hÅtte wie das differenzierte Zusammenspiel von Christologie und Pneumatologie in der Anwesenheit Gottes beim Menschen. Aus Barths christozentrischer PrÅgung der Heilsgeschichte ergibt sich die Tendenz, die heilsgeschichtlichen Differenzierungen in ihrer Vielfalt auf die in Christus gegenwÅrtige Heilstat zu reduzieren, worin eine ErklÅrung fÛr das beschriebene einlinige Konzept ewiger Vers×hnung liegen k×nnte, das die Kontingenz der Heilsgeschichte und deren verschiedene Ausformungen vernachlÅssigt. Das gilt ebenso fÛr Barths Auffassung von der NatÛrlichkeit des Todes als Grenze des irdischen Da-

243

Ebd., S. 504. J. Moltmann: TrinitÅt, S. 159. 245 Vgl. KD I/1, S. 498–500. Vgl. ferner L. Oeing-Hanhoff: TrinitÅtslehre, S. 397. 246 Barth bezeichnet die heilsgeschichtlichen Hervorbringungen als „Hervorbringungen aus einem als seiend vorausgesetzten anderen Wesen“ (KD I/1, S. 509), woraus sich durchaus ein Unterschied zwischen Konstitutions- und Wirkungsebene und damit der Bedarf einer differenzierten Betrachtung der verschiedenen trinitarischen Relationen ableiten ließe (vgl. R. Slenczka: Filioque, S. 95). 247 Vgl. K. Barth/H. Barth: Lehre. Vgl. dazu J. Moltmann: Geist, S. 19 f. 248 „Barth hat mit diesem Gegensatz von Offenbarung und Erfahrung nur einen theologischen Transzendentalismus gegen den von ihm beklagten theologischen Immanentismus gesetzt.“ (J. Moltmann: Geist, S. 20) 244

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seins, von der er den „faktischen Tod“ (Tod des SÛnders) unterschiedet, der im Blick auf Gottes Verewigung des endlichen Lebens zu Ûberwinden sei. Eine differenziertere Einbeziehung des ursprÛnglichen Sch×pfungsziels und der kosmischen Hoffnung auf die Vernichtung des Todes (I Kor 15,26) und auf die Herrlichkeit (R×m 8,18) wÛrde unter BerÛcksichtigung der unterschiedlichen Dimensionen des Lebens im Geist die Wahrnehmung des Todes als der SÛnde Sold erm×glichen.249 Spuren hinterlÅßt die VernachlÅssigung der EigenstÅndigkeit des Heiligen Geistes auch in der VerhÅltnisbestimmung von Gesetz und Evangelium. Wird diese wie bei Barth primÅr von der Inkarnation her gedacht, kommt es aufgrund der christozentrischen Orientierung zur Integration des Gesetzes in das Evangelium. Wenn nÅmlich das Gesetz „nichts anderes als die notwendige Form des Evangeliums“250 ist, werden vita activa und vita contemplativa nicht wie bei Luther durch die vita passiva (reiner Zuspruch) grundgelegt, sondern es besteht die Gefahr der Vergesetzlichung des Evangeliums, worin sich die neuzeitliche Ethisierung bzw. Moralisierung widerspiegelt.251 Weil Barth die „Leugnung des Filioque“ dafÛr verantwortlich macht, „daß die Beziehung des Menschen zu Gott“ einen „unethischen Charakter bekommt“252, lÅßt sich schließen, daß eine differenziertere Pneumatologie, aus der ein angemessenes VerhÅltnis von „GegenÛber und NÅhe“ Gottes resultiert, auch die Ethisierung des Evangeliums zu verhindern vermag. Auch Barths Analogiebegriff und dessen Aporien k×nnen aus einer defizitÅren Pneumatologie resultieren: Wenn das VerhÅltnis von Gott und Mensch allein durch die christozentrisch orientierte intrapersonale Einheit Gottes definiert wird, besteht die Gefahr einer unangemessenen Identifikation, was durch die Betonung der Analogie vermieden werden soll. Ein christologisch und pneumatologisch fundiertes VerhÅltnis von „GegenÛber und NÅhe“ Gottes k×nnte die Sorge um eine unangemessene Identifikation von g×ttlicher und menschlicher Dimension Ûberwinden und den direkten Zusammenhang von ×konomischer und immanenter TrinitÅt explizit zulassen.

So ist es verstÅndlich, daß sich Barth gegen Ende seines Wirkens zunehmend der Bedeutsamkeit der Pneumatologie bewußt wurde, worauf die abnehmende Polarisierung von Offenbarungstheologie und natÛrlicher Theologie beim spÅten Barth wohl zurÛckzufÛhren ist. In Auseinandersetzung mit dem anthropologischen und subjektiven Aspekt in der Theologie des 19. Jahrhunderts, speziell bei Schleiermacher, relativierte Barth unter stÅrkerer BerÛcksichtigung der Pneumatologie bereits 1947 seine anfÅngliche 249 Vgl. J. Moltmann: Geschichte, S. 188 ff., der in der Ablehnung der Vorstellung von einem natÛrlichen Tod allerdings ebenfalls einen heilsgeschichtlich nicht zu belegenden Schluß zieht: Beim Tod handele es sich um eine Trag×die, „die mit dem Weltexperiment der anfÅnglichen Sch×pfung Gottes verbunden ist“ (ebd., S. 190). 250 K. Barth: Evangelium, S. 11. 251 Vgl. O. Bayer: Theologie, S. 356–376. Vgl. ferner H. Beintker: Wort, S. 279 ff. u. 294 ff., der auf die Gefahr hinweist, den Glauben als fortgesetzte Inkarnation zu verstehen und in eine „Theologie der Welt“ abzugleiten. Solche Tendenzen wÛrden auch einem theokratischen Ansinnen dienen. 252 KD I/1, S. 505.

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ºberbetonung des Objektiven und Rationalen: „Es gibt auch ein Subjektives, und man kann die moderne ºberwucherung dieses Subjektiven, die [. . .] von Schleiermacher in systematische Ordnung gebracht wurde, als einen krampfhaften Versuch verstehen, die Wahrheit des dritten Artikels in Geltung zu bringen.“253 Doch um im Unterschied zu einer Theologie des allgemeinen religi×sen Bewußtseins eine christliche Theologie des Heiligen Geistes beanspruchen zu k×nnen, bedarf nach Barth auch eine pneumatologisch ausgerichtete Theologie der Anbindung der Pneumatologie an die Christologie. Das schrieb er fÛnf Jahre spÅter Rudolf Bultmann, als er dessen anthropologische BemÛhungen als Versuch einer Theologie des dritten Artikels bzw. des Heiligen Geistes zu verstehen suchte.254 Gegen Ende seines Lebens, als Barth im Nachwort zur Schleiermacher-Auswahl (1968) seine theologische Entwicklung am Leitfaden der Auseinandersetzung mit Schleiermacher beschrieb, sah er den hermeneutischen SchlÛssel fÛr ein VerstÅndnis Schleiermachers und der gesamten Kirchengeschichte sowie fÛr die Erstellung einer zukÛnftigen Theologie in „einer Theologie des 3. Artikels, beherrschend und entscheidend also des Heiligen Geistes. Alles, was von Gott dem Vater und Gott dem Sohn in VerstÅndnis des 1. und 2. Artikels zu glauben, zu bedenken und zu sagen ist, wÅre in seiner Grundlegung durch Gott den Heiligen Geist [. . .] aufzuzeigen und zu beleuchten. [. . .] Dies ist [. . .] nur in Andeutungen angezeigt, was ich gelegentlich trÅume hinsichtlich der Zukunft der Theologie“255. In diesem Zusammenhang beruhigt es Barth, wenigstens die Kirche im vierten Band seiner Dogmatik ausdrÛcklicher unter dem Vorzeichen des Heiligen Geistes behandelt zu haben, wÅhrend er bedauert, daß er dies nicht auch schon bei der Christologie und den anderen Topoi vollzogen habe. Er beklagt im Blick auf die pneumatologische Dimension der Theologie, den orthodoxen EntwÛrfen nicht nÅher begegnet zu sein, und hÅlt es fÛr notwendig, daß alle Kirchen den Heiligen Geist wieder ernster nehmen.256 Damit nahm Barth den ×kumenischen Kontext der Theologie in den Blick. Barths trinitÅtstheologische Erneuerung, die sich zur Zeit der entstehenden ×kumenischen Bewegung vollzog, wirkte Ûber den Protestantismus hinaus. Zwar standen sich auch weiterhin einseitige trinitÅtstheologische und ekklesiologische Konzeptionen gegenÛber, und eine Besinnung auf die TrinitÅtslehre stieß lÅngst nicht Ûberall auf Interesse. Aber Barth blieb trotz der noch bestehenden Defizite seiner TrinitÅtslehre eine Anregung fÛr diejenigen Theologen, die spÅter eine noch weiterfÛhrendere Besinnung auf die K. Barth: Dogmatik, S. 160. Vgl. F. W. Kantzenbach: Programme, S. 195 f. 255 Schleiermacher-Auswahl, S. 311 f. 256 Vgl. ebd. Vgl. ferner A. Nossol: Geist, S. 152, der entsprechende Passagen aus verschiedensten Šußerungen Barths nachweist. 253 254

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TrinitÅtslehre versuchten, und zwar auf der von Barth neu hervorgehobenen Grundlage der heils×konomischen Selbsterschließung Gottes. Das gilt nicht nur fÛr protestantische Theologen wie Eberhard JÛngel, sondern auch fÛr katholische Theologen wie Karl Rahner257. Daß eine breite ×kumenische Basis fÛr die trinitÅtstheologische Besinnung jedoch schon in die Zeit vor Barth zurÛckreicht, belegt der Kontext, in dem Barths Erneuerung stattfand: die biblischen, patristischen und ekklesiologischen AufbrÛche, die bis ins 19. Jahrhundert zurÛckreichen und die dort nicht nur – wie bereits gezeigt – im Protestantismus, sondern auch in den anderen großen konfessionellen Str×mungen mit trinitÅtstheologischen Neubesinnungen verbunden waren.258

3.3 Die heils×konomisch-trinitarische Besinnung in Anglikanismus und Orthodoxie mit ihren ekklesiologischen Implikationen In der anglikanischen Theologie, in der sich Barths Einfluß auch ausbreiten sollte259, vollzog sich im 19. Jahrhundert vor allem durch die Oxford-Bewegung eine biblische und patristische Besinnung, die in ihrem Einflußbereich einen trinitÅtstheologischen und ekklesiologischen Aufbruch bewirkte. Unter Berufung auf die ungeteilte Alte Kirche besann sich neben Theologen wie Edward B. Pusey und William Palmers besonders John Henry Newman (1801–1890) sowohl dem liberal-religi×sen als auch dem antimodernistischinstitutionellen KirchenverstÅndnis gegenÛber auf den Charakter der Kirche als Leib Christi und Tempel des Heiligen Geistes.260 Denn mit dem neuen Bewußtsein fÛr die Geschichtlichkeit der Kirche gewann auch die trinitarische Heilsgeschichte ihre Bedeutung zurÛck. Newmans VÅterlektÛre, aus der 1834 seine Schrift „Die Kirche der VÅter“ hervorging, er×ffnete ihm die Einsicht in die trinitarisch begrÛndete Koinonia-Struktur der Kirche, nach welcher sich die Gemeinschaft der Christen aus der trinitarischen Gemeinschaft Gottes ableitet. Daneben lag eine der Hauptursachen fÛr Newmans trinitarisches KirchenverstÅndnis in seiner trinitÅtstheologisch geprÅgten Hermeneutik. In ºberwindung eines rein intellektuellen und rationalen

257 Zur Rezeption der Barthschen Christologie in der katholischen Theologie der Gegenwart vgl. A. Nossol: Rezeption. Zum Einfluß Barths auf Rahner vgl. W. Kasper: Gott, S. 333; W. Schachten: VerhÅltnis, S. 20; D. Ritschl: Reiche, S. 469. 258 Vgl. zu den genannten AufbrÛchen M. Haudel: Bibel, S. 25 ff.; M. George: Kirche, S. 212 ff. Zu ihrer Verbindung mit der trinitÅtstheologischen Besinnung vgl. W. Breuning: TrinitÅtslehre, S. 28 f. 259 Vgl. L. Klein: Theologie, S. 149. 260 Vgl. S. Neill: Anglicanism, S. 257 f.; M. George: Kirche, S. 213 f.; O. Chadwick: Church I, S. 168 ff.

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Glaubensaktes ging es ihm um das „ganzheitliche Erfassen“ des Glaubens bzw. um die „reale Zustimmung“, die sich in erster Linie auf das Geheimnis der TrinitÅt als Mitte des Glaubens bezieht. Das Ziel des Lebens sieht er in der Vereinigung mit der Dreifaltigkeit. Sie ereignet sich in der Kirche durch empfangende Gebetshaltung als aktuelle Gegenwart Gottes in der menschlichen Seele, so daß Glauben nur in der Gemeinschaft mit dem dreieinigen Gott m×glich ist.261 Diese in der Oxford-Bewegung lebendigen Einsichten wirkten sich nicht nur auf die weitere trinitÅtstheologische und ekklesiologische Besinnung im Anglikanismus des 20. Jahrhunderts aus262, sondern durch Newmans ºbertritt zur katholischen Kirche (1845) auch auf den Katholizismus. Außerdem ging mit dem RÛckgriff auf die Patristik ein zunehmendes anglikanisches Interesse an den Ostkirchen einher, was sich in intensiver Auseinandersetzung mit dem Filioque-Problem niederschlug, so daß die Lambeth-Konferenz von 1888 die Streichung des Filioque in Aussicht stellte.263 Auch in der ostkirchlichen Theologie des 19. Jahrhunderts lÅßt sowohl die griechische als auch die russische Orthodoxie eine trinitÅtstheologische Neubesinnung erkennen, die ebenfalls aus der Besinnung auf die altkirchliche TrinitÅtslehre und ihre ekklesiologischen Implikationen erwuchs. Die durch Peter den Großen bewirkte °ffnung des russischen Reiches zum Westen und die Befreiung Griechenlands von der tÛrkischen Herrschaft (1821) hatten eine Begegnung mit der westlichen Theologie und damit zugleich eine orthodoxe Selbstbesinnung hervorgerufen. Diese war wegen der orthodoxen Schuldogmatik notwendig geworden, die aufgrund frÛherer Auseinandersetzungen mit den Kirchen des Westens von der rationalen Scholastik und deren Dualismus (natÛrliche – ÛbernatÛrliche Offenbarung) ebenso geprÅgt war wie von einem entsprechend institutionellen Kirchenbegriff. Die deutlichsten Spuren der trinitarischen Neubesinnung, die mit einer Renaissance der theologischen Wissenschaft in den Ostkirchen einherging, hinterließen einige russische Theologen, zum Teil unter dem Einfluß der russischen „religi×sen Philosophie“.264 Anhand ihrer AnsÅtze soll deshalb die trinitÅtstheologische und ekklesiologische Besinnung in der Orthodoxie exemplarisch aufgezeigt werden. So versuchte Zekos Rhoses die Einseitigkeiten der Schuldogmatik dadurch zu Ûberwinden, daß er sich gegen den Dualismus von natÛrlicher und Ûber-

261 Vgl. J. H. Newman: Philosophie (Grammar of Assent), besonders S. 101 ff.; ders.: Apologia. Vgl. ferner S. Wiedenhofer: Ekklesiologie, S. 86 f.; P. J. Cordes: Communio, S. 161–171. 262 Vgl. L. Klein: Theologie, S. 129 f. u. 138. 263 Vgl. zur bis ins 17. Jahrhundert zurÛckreichenden Auseinandersetzung des Anglikanismus mit dem Filioque A. M. Allchin: Filioque-Formel, S. 81 ff. 264 Vgl. insgesamt L. Sertorius: Theologie, S. 159 ff.; R. Slenczka: Ostkirche, S. 32 ff.; A. Nossol: Geist, S. 138 f.; K. N. Pitirim (Hg.): Kirche, S. 249 ff.

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natÛrlicher Offenbarung auf einen ×konomisch-trinitarischen Ansatz berief. Die Schuldogmatik hatte unter ausschließlicher BerÛcksichtigung der Ursprungsbeziehungen den Vater als Ursache von Sohn und Geist herausgestellt. Infolge der Ausblendung der Existenzbeziehungen zwischen Sohn und Geist, die deren Einheit markieren, kam es zu einem partikularistischen und interpersonalen PersonverstÅndnis, das die personale Dreiheit betonte und die Einheit in einseitiger Bezugnahme auf die Ursprungsbeziehungen ausschließlich an der Person des Vaters festmachte. Das interpersonale VerstÅndnis erm×glichte zugleich, daß sich die trinitarischen Personen im Weltbezug untereinander beliebig zu sekundÅren Relationen gruppieren k×nnen, was einer trinitarischen Gotteserkenntnis ebenso im Wege steht wie die Auffassung, Gott sei ad extra nur durch seine Energien prÅsent, welche ihn in seinen Werken als einheitliches GegenÛber zur Welt zeigen. Deshalb beginnt die Schuldogmatik trotz ihres interpersonalen Ansatzes mit der natÛrlichen Erkenntnis des einen Gottes (De Deo uno), und erst in einem zweiten Schritt folgt die Erkenntnis der immanenten TrinitÅt als Sonderinformation (Schrift).265 Dagegen entwickelte Rhoses die Gotteslehre von vornherein als TrinitÅtslehre, indem er an die revelatorisch maßgebliche Entsprechung von ×konomischer und immanenter TrinitÅt erinnerte.266 So kamen auch die heils×konomisch erkennbaren Existenzbeziehungen wieder in den Blick, die mit ihren innertrinitarischen Querverbindungen an die gleichursprÛngliche innertrinitarische Einheit erinnerten. Deshalb konnte Rhoses – in Bezugnahme auf I. A. Dorner – die intrapersonale Wesenseinheit mit einer gleichwertigen wechselseitigen Bezogenheit der trinitarischen Personen erneut zur Geltung bringen.267 Nur wo er in die Sicht der spekulativen Energienlehre zurÛckfiel, bestand noch die Tendenz, die ×konomischen VerhÅltnisbestimmungen als sekundÅre BeziehungsverhÅltnisse einzustufen und unter entsprechender Ausblendung der wechselseitigen Existenzbeziehungen dem Vater eine – Ûber das hypostatische Spezifikum hinausgehende – PrioritÅt einzurÅumen.268 Trotz solcher Aporien gingen von der erneuten heils×konomischen Sicht des VerhÅltnisses von Christologie und Pneumatologie ekklesiologische Fortschritte aus. Denn das institutionelle KirchenverstÅndnis der Schuldogmatik, das die empirische orthodoxe Kirche mit der wahren Kirche Christi identifizierte, wurde durch die ontologische BegrÛndung der Kirche als Leib Christi und Tempel des Heiligen Geistes ebenso in Frage gestellt wie ein

Vgl. D. Wendebourg: Person, S. 504 ff. Vgl. Z. Rhoses: Su´stvma, S. 326. 267 Vgl. ebd., S. 245, 288 f., 291. 268 Vgl. ebd., S. 505 u. 248 f. Vgl. insgesamt zu Rhoses die Analyse von D. Wendebourg: Person, S. 508 f. u. 517 ff. 265 266

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nationalistisches KirchenverstÅndnis.269 Das lÅßt sich an der trinitarisch begrÛndeten Ekklesiologie von Aleksej S. Chomjakov (1804–1860) ablesen, der seinen Ansatz zwar noch nicht in jeder Hinsicht zur ºberwindung der schuldogmatischen Probleme weiterentwickelte (konfessionalistischer Nationalismus), der aber mit seinen grundsÅtzlichen Fortschritten in „der russischen Orthodoxie [. . .] zum einflußreichsten Vordenker der Ekklesiologie“270 wurde. Im RÛckgriff auf die Schrift und die KirchenvÅter sowie auf die organologisch-dynamischen AnsÅtze Newmans und Johann Adam M×hlers entwickelte er gegen die institutionelle Ekklesiologie ein trinitarisches KirchenverstÅndnis, das die kirchliche Gemeinschaft der Heiligen aus der trinitarischen Gemeinschaft Gottes ableitet. Sichtbar und verborgen zugleich existiert die kirchliche Einheit als Freiheit in Liebe, was inhaltlich die spÅtere Sobornost-Lehre mit ihrer Betonung von KatholizitÅt und KonziliaritÅt vorwegnimmt.271 Die freie Einheit vollzieht sich nach Chomjakov im Geist, wÅhrend die leibliche Gestalt der Kirche auf der Christologie beruht. Mit dieser dogmatischen Vertiefung der Ekklesiologie wendet sich Chomjakov gegen das verabsolutierte hierarchische Prinzip in der Ekklesiologie der Schuldogmatik. Der trinitarisch begrÛndete Gemeinschaftsbegriff spiegelt sich auch in Chomjakovs Hermeneutik wider, da er rein begrifflich-rationaler und subjektivistischer Erkenntnis die Korrelation von Offenbarung und Gemeinschaft entgegenstellt. Was auch hier als Koinonia-Erkenntnis bezeichnet werden k×nnte, zeigt den Zusammenhang zwischen Gotteserkenntnis und Kirchengemeinschaft: In der Kirche vollzieht sich die vertikale Gemeinschaft mit Gott als Voraussetzung wahrer Gotteserkenntnis und die horizontale Gemeinschaft der Christen untereinander als Entsprechung dieser Erkenntnis. Letzteres hob spÅter der trinitarisch denkende Sergij N. Bulgakov (1871–1944) hervor, als er den Sorbonost-Begriff durch „Koinonia“ ersetzte. Außerdem relativierte Bulgakov die Energienlehre, insofern als er die Sophia als dynamische Selbstoffenbarung des g×ttlichen Wesens betrachtete, wodurch die innerg×ttliche trinitarische Koinonia gr×ßere heils×konomische Bedeutung erhielt. An Bulgakovs Betonung der Koinonia wird ebenso wie an der erneuten Zusammenschau von Heils×konomie, Kreuz und Kirche ersichtlich, welche ekklesiologische Erneuerung die trinitÅtstheologische Besinnung brachte, auch wenn der biblisch-patristische RÛckgriff im-

269 Vgl. R. Slenczka: Ostkirche, S. 51 ff. u. 294 ff.; S. Harkianakis: Entwicklung, S. 6. Zur Entstehung der Gefahr eines ostkirchlichen Nationalismus vgl. J. Meyendorff: Regionalismus, S. 311 ff. 270 M. George: Kirche, S. 213. 271 Vgl. zu Chomjakovs Bedeutung fÛr das Sobornost-VerstÅndnis R. Slenczka: Ostkirche, S. 125 ff. Zur trinitarischen Ekklesiologie Chomjakovs vgl. die Analyse von P. P. O’Leary: Church, bes. S. 58 ff.

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mer wieder durch philosophische PrÅmissen – wie zum Beispiel das romantische Organismusdenken – Ûberlagert wurde. Das fÛhrte bei Chomjakov dazu, den Leib Christi als fortdauernde Inkarnation Gottes zu betrachten, was die konfessionalistisch-nationalistische Tendenz f×rderte, die wiederum im Widerspruch zur pneumatologisch-christologischen BegrÛndung Chomjakovs stand.272 Diese Antinomie begleitete die orthodoxe Theologie bis zur heutigen ×kumenischen Aporie, die Identifikation der Kirche Christi mit der orthodoxen Kirche in Einklang mit der Rede von der einen Christenheit auf Erden zu bringen.273 Umstritten ist außerdem die Frage, ob der im 19. Jahrhundert neu belebte palamitische Hesychasmus eine authentische Entfaltung der altkirchlichen Energienlehre darstellt, was sich im Problem der angemessenen VerhÅltnisbestimmung von Christologie und Pneumatologie niederschlÅgt.274 Inzwischen wird die palamitische Energienlehre zunehmend von orthodoxen Theologen „dezidiert ‚personalistisch‘ gefaßt, so daß den trinitarischen Personen ein je spezifisches VerhÅltnis zu den gemeinsamen Energien zugeschrieben werden kann“275. „Angesichts dessen k×nnte durchaus west×stliche ºbereinstimmung darÛber erzielt werden, daß das Motiv der Transparenz der ×konomischen fÛr die immanenten VerhÅltnisse der TrinitÅt festzuhalten ist.“276 Bedenkt man, welche gegenseitige Unkenntnis zwischen Ost- und Westkirche vorherrschte – und noch vorherrscht –, ist es erstaunlich, daß die theologischen Entwicklungen im 19. Jahrhundert in allen Konfessionen eine trinitarisch-ekklesiologische Besinnung hervorgerufen haben, die in biblisch-patristischer und heils×konomischer Orientierung Åhnlich strukturiert war und sich im 20. Jahrhundert fortsetzte.

272 Vgl. zur Analyse der Theologie Chomjakovs M. George: Kirche, S. 212 f. u. 226–248, der zugleich einen interessanten Vergleich zwischen Chomjakov und L×he zieht. Vgl. ferner R. Slenczka: Ostkirche, S. 61 ff. u. 133 ff. Zur Analyse Bulgakovs vgl. ebd., S. 147 ff.; L. Sertorius: Theologie, S. 169, 172, 179 ff. Vgl. zu Bulgakovs Gemeinschaftsbegriff S. Bulgakov: Anthropologie, S. 209 ff., und zur Philosophie Bulgakovs vgl. R. Flogaus: Theosis, S. 400 f. Vgl. insgesamt K. N. Pitirim (Hg.): Kirche, S. 249 ff., wo eine christologische Besinnung in den Ostkirchen als Vorstufe der trinitarischen Besinnung aufgedeckt wird. 273 Vgl. R. Slenczka: Ostkirche, S. 171 ff., der das ×kumenische Problem der Ostkirchen diesbezÛglich analysiert. 274 Vgl. F. von Lilienfeld: Art. „Hesychasmus“, S. 285, die auf diesen Streit hinweist (vgl. Anm. 42 u. 49, III. Kap.). Daß die palamitische Energienlehre nicht die authentische Entfaltung der altkirchlichen Energienlehre darstellt, wurde oben bereits nachgewiesen (s. o., S. 166 ff., und siehe Kap. II,3). Zum weiterhin umstrittenen VerhÅltnis von Christologie und Pneumatologie vgl. I. D. Zizioulas: Christologie, S. 124 ff.; W. Hryniewicz: Art. „Heiliger Geist IV“, Sp. 1313. 275 B. Oberdorfer: Filioque, S. 570, der dabei auf R. Flogaus: Theosis, zurÛckgreift (vgl. B. Oberdorfer: Filioque, S. 28). 276 B. Oberdorfer: Filioque, S. 574.

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3.4 Die Besinnung auf die TrinitÅtslehre im Katholizismus und ihre ekklesiologischen Implikationen Eine biblisch-patristisch und heils×konomisch ausgerichtete trinitarisch-ekklesiologische Besinnung lÅßt sich auch fÛr die katholische Theologie nachweisen. Dort wurde diese Besinnung durch die scholastische Aufteilung in die Traktate „De Deo uno“ und „De Deo trino“ herausgefordert, die mit der Unterscheidung von natÛrlicher und ÛbernatÛrlicher Offenbarung einherging. Dem natÛrlich erkennbaren Traktat „De Deo uno“ korrespondierte die Betonung der r×mischen Universalkirche und einer entsprechend institutionalistisch-hierarchischen Ekklesiologie, in der sich der natÛrlich-theistische Gottesbegriff widerspiegelte. Der westlichen VernachlÅssigung des pneumatologischen Aspekts entsprach die Ausblendung differenzierter ekklesiologischer Strukturen. Die Gegenreformation (R. Bellarmin) bestÅrkte das im Primat des Papstes gipfelnde autoritÅr-monolithische KirchenverstÅndnis und dessen Fixierung auf die sichtbare Institution der r×mischen Kirche, die nun als societas perfecta exklusiv mit der Kirche Christi identifiziert wurde. Der mit dem unitarischen Gottesbegriff Ûbereinstimmende unitarische Kirchenbegriff ließ nur ein einliniges HierarchieverstÅndnis zu, das neuplatonisch-emanatorische Merkmale des Hierarchiebegriffs aus dem 6. Jahrhundert aufweist (Pseudo-Dionysius Areopagita). Vollmacht und GnadenfÛlle stufen sich pyramidal von der Spitze (Papst) zu den anderen AmtstrÅgern ab. Die von der Machtspitze am weitesten entfernten Laien erscheinen schließlich nur noch als EmpfÅnger, wodurch man der reformatorischen Betonung des allgemeinen Priestertums die Trennung zwischen Klerus und Kirchenvolk entgegenstellte.277 RÛckhalt hatte diese Entwicklung in der Auffassung von der Einheit des g×ttlichen Wirkens nach außen und der bloß appropriierten Beziehung des Heiligen Geistes zum Menschen. Wegen der Betonung der geschaffenen Gnade wird dem Geist lediglich formale Wirkung zugestanden. Der westlichen Entwicklung gemÅß erhÅlt er als personales und regulatives GegenÛber von Kirche und Glaubenden keine maßgebliche Funktion. Sein Wirken ist auf außergew×hnliche Erfahrungen reduziert, wÅhrend sich die Glaubenserfahrung an „der (ÛbernatÛrlich erleuchteten) Vernunfterkenntnis bzw. der durch das Lehramt garantierten Satzwahrheit“278 zu orientieren hat. Vor dem Hintergrund der zur Wirkungslosigkeit verurteilten pneumatologischen Dimension artikulierte sich im r×mischen AmtsverstÅndnis die 277 Diese EinschÅtzungen stÛtzen sich auf die Bewertung katholischer Theologen. Zum Aspekt der Hierarchie vgl. J. Werbick: Kirche, S. 341 f., der sich u. a. auf E. Schillebeeckx beruft. Vgl. insgesamt S. Wiedenhofer: Ekklesiologie, S. 84; M. Kehl: Art. „Ekklesiologie“, Sp. 571; P. Fransen: communio, S. 175 ff.; Y. M. J. Congar: Implikationen, S. 111. 278 B. J. Hilberath: Pneumatologie, S. 522.

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monolithische Universalkirche, die gegenÛber den Ortskirchen Geltung als Institution der Wahrheit beanspruchte. Letzteres wurde durch den Einfluß der AufklÅrung sogar forciert. Denn die anthropozentrische Ausrichtung des aufklÅrerischen Kirchenbegriffs beschleunigte die Entfernung von der heils×konomischen BegrÛndung der Kirche in Christus und dem Heiligen Geist. Weil die katholische Kirche den Anspruch erhob, die wahre Åußerliche Lehranstalt der inneren Religion zu sein, bedufte es eines unfehlbaren Lehramts. War die Kirche nÅmlich eine moralische Anstalt, rÛckten die Amtsinhaber in den Mittelpunkt, was die Klerikalisierung bestÅrkte. AufklÅrerischer Theismus und r×mischer Zentralismus gingen eine logische Verbindung ein.279 In kritischer Auseinandersetzung mit den scholastischen, gegenreformatorischen und aufklÅrerischen Tendenzen fanden Theologen der TÛbinger Schule im RÛckgriff auf die Schrift und die KirchenvÅter zu einer trinitÅtstheologischen und ekklesiologischen Besinnung. Der BegrÛnder der TÛbinger Schule, Johann Sebastian von Drey (1777–1853), begegnete der aufklÅrerischen Fixierung auf das Individuum und das historische Einzelereignis mit einer organischen Geschichtsauffassung, die zwar ZÛge des romantischen Organismus-Begriffs aufweist, aber letztlich darauf beruht, daß Gott aus seinem WeltverhÅltnis bzw. dem geschichtlichen Prozeß seiner EnthÛllung zu erkennen ist. Damit stand erneut eine heilsgeschichtlich verankerte Gotteserkenntnis zur Debatte, die ekklesiologisch dazu fÛhrte, auch die Vielfalt in der Einheit wieder wahrzunehmen. Doch weil Drey die heilsgeschichtliche Entwicklung mit dem Entwicklungsprozeß des menschlichen Selbstbewußtseins verband und die Kirche als Organ der g×ttlichen Offenbarung verstand, das sich von innen durch einen unsichtbaren Geist bildet, konnte er die Kirche als bruchlose Fortsetzung des mit der Inkarnation begonnenen Prozesses bezeichnen.280 Der noch nicht konsequente RÛckschluß von der ×konomischen TrinitÅt auf Gottes Wesen und die entsprechende VernachlÅssigung der eigenstÅndigen Funktion des Heiligen Geistes fÛhrten bei Drey noch zur Gefahr, die Kirche zum Christus prolongatus werden zu lassen. Als wirkungsgeschichtlich bedeutendster Theologe der TÛbinger Schule brachte der junge Johann Adam M×hler (1796–1838) gegenÛber der nach-

279 Vgl. T. Schneider: Ort, S. 112; ders.: Bekenntnis, S. 220; J. Finkenzeller: Art. „Kirche IV“, S. 243 f.; S. Wiedenhofer: Ekklesiologie, S. 84 ff. Zum Einfluß der Philosophie Kants auf die katholische Theologie des 19. Jahrhunderts vgl. W. Heizmann: Kritik. 280 Vgl. zu Dreys theologischer Entwicklung J. Rief: Johann Sebastian von Drey, S. 9 ff., wo auch sÅmtliche Werke Dreys (einschließlich der Handschriften) und die bedeutendste SekundÅrliteratur aufgelistet sind. Vgl. zu den hier genannten Themen J. S. von Drey: Einleitung; ders.: Apologetik. Vgl. zur Ekklesiologie Dreys und Sailers: J. Finkenzeller: Art. „Kirche IV“, S. 245.

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tridentinischen und aufklÅrerischen Ekklesiologie die pneumatologische Dimension der Kirche wieder ins Spiel, wodurch die verschiedenen charismatischen Funktionen in der Kirche transparent wurden. Das Studium der KirchenvÅter hatte ihm dazu verholfen, seine von der AufklÅrung geprÅgte anthropozentrisch-soziologische Ekklesiologie auf ein trinitarisch-pneumatologisches KirchenverstÅndnis hin zu Ûberwinden, was in seiner Schrift „Die Einheit in der Kirche oder das Prinzip des Katholizismus, dargestellt im Geiste der KirchenvÅter der drei ersten Jahrhunderte“ (1825) zum Ausdruck kommt: „Der Vater sendet den Sohn, und dieser den Geist: so kam Gott zu uns; umgekehrt gelangen wir zu ihm: der Heilige Geist fÛhrt uns zum Sohn und dieser zum Vater. Damit wollte ich beginnen, was bei unserem Christwerden der Zeit nach das Erste ist“281. Weil der dreieinige Gott die Grundlage des Glaubens bildet, verlangt die im Sohn und im Heiligen Geist geschehende Offenbarung eine empfangende Haltung der Glaubenden: „Es gibt kein Wissen von Gott durch die sich selbst Ûberlassene Vernunft; das Wissen von Gott ruht auf der Grundlage des geoffenbarten Glaubens.“282 Auf dieser Grundlage vollzieht sich die freie Begegnung zwischen den Menschen und Gott, der als pers×nliches GegenÛber den dualistischen und emanatorischen Formen der Selbstverg×ttlichung widersteht. M×hler spricht von dem fernen und nicht st×renden Gott des Arianismus und von dem in der Welt aufgehenden Gott des Modalismus oder Evolutionismus. Wo das freie GegenÛber Gottes fehlt, entfallen seines Erachtens auch Schuld und SÛnde des Menschen.283 Doch der Gefahr der Vereinnahmung Gottes drohte auch M×hler zu erliegen, weil er in seinen verschiedenen theologischen Phasen jeweils die Pneumatologie oder die Christologie einseitig betonte und eine ausgewogene VerhÅltnisbestimmung beider Aspekte schuldig blieb. So war die Fixierung auf die pneumatologische Dimension beim jungen M×hler durch den Einfluß idealistischer Tendenzen und romantischer Volksgeistlehre anfÅllig fÛr eine Vermischung von Gottesgeist und kreatÛrlicher Geistigkeit, wÅhrend M×hlers spÅtere Pointierung des christologischen Aspekts in seiner „Symbolik“ (1832) zur Gefahr der Identifizierung von Christus und Kirche (Christus prolongatus) fÛhrte: „So ist denn die sichtbare Kirche [. . .] der unter den Menschen in menschlicher Form fortwÅhrend erscheinende, stets

281 J. A. M×hler: Einheit, S. 3. Vgl. zu M×hlers Kirchenbegriff die Untersuchung von K. Eschweiler: Kirchenbegriff. Zur Eigenart der TÛbinger Schule vgl. R. Geiselmann: TÛbinger Schule. Vgl. insgesamt P.-W. Scheele: Johann Adam M×hler, S. 79 ff.; J. K×hler: Johann Adam M×hler, S. 146; H. Wagner: Kirche/Kirchen. 282 J. A. M×hler: Einheit, S. 114. Vgl. ebd., S. 10 ff. Vgl. ferner P.-W. Scheele: Wegbereiter, S. 71. 283 Vgl. P.-W. Scheele: Johann Adam M×hler, S. 86, der dort entsprechende Gedanken in M×hlers Schrift Ûber Athanasius analysiert.

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sich erneuernde, ewig sich verjÛngende Sohn Gottes, die andauernde Fleischwerdung desselben“284. M×hler, der die idealistische GefÅhrdung seiner pneumatologischen Konzentration wahrgenommen hatte und nicht zuletzt deshalb zur christozentrischen Hermeneutik Ûbergegangen war, erkannte gegen Ende seines Lebens durch intensiviertes Schriftstudium auch die Einseitigkeit des christozentrischen Ansatzes, was aber keinen Einfluß mehr auf sein theologisches Werk und die Wirkungsgeschichte hatte.285 WÅhrend seines Wirkens resultierte aus der trinitarischen Besinnung jedoch die auf Joh 17,21 gegrÛndete BemÛhung um die Einheit der Kirchen sowie die primÅre Qualifizierung der Kirche als eine von Einheit in Vielfalt bestimmte Gemeinschaft der Glaubenden: „J. A. M×hler hat bei den KirchenvÅtern dieses Prinzip der Ekklesiologie wiedergefunden, das das [r×mischkatholische] Abendland in so tragischer Weise vergessen hatte.“286 Die formelle Einbeziehung des ebenfalls vergessenen heils×konomischen Prinzips in die TrinitÅtslehre gelang erst Franz Anton Staudenmaier (1800–1856), einem SchÛler Dreys und M×hlers. Aufgrund seiner These von der „Nichtigkeit des Unterschiedes zwischen Dreieinigkeit des Wesens und Dreieinigkeit der Offenbarung“287 setzte Staudenmaier mit der TrinitÅt in der Erscheinung durch ihre Selbstoffenbarung ein und behandelte erst im Anschluß die immanente TrinitÅt288. Staudenmaiers Ansatz, der damit „das zentrale trinitÅtstheologische Diskussionsthema der Gegenwart schon vorweggenommen“289 hatte, basierte auf seinem heilsgeschichtlichen OffenbarungsverstÅndnis, mit dem er sich gegen die idealistische Immanenz der Vernunfterkenntnis wandte, weil diese aus der Sch×pfung h×chstens eine vorlÅufige Idee von der allgemeinen Existenz eines Gottes erhalte. Durch den RÛckgriff auf die Schrift und die Alte Kirche erkennt Staudenmaier Gott als freies und personales GegenÛber der Menschen, das sich in der partnerschaftlichen Geschichte mit den Menschen trinitarisch als der lebendige Gott erschließt. Daraus leitet sich fÛr Staudenmaier ein lebendiger Einheitsbegriff ab, mit dem er Einheit als organisch-komplementÅre Vielfalt qualifi-

284 J. A. M×hler: Symbolik, S. 332 f. Vgl. zum Einfluß Schleiermachers auf M×hlers pneumatologische Phase P.-W. Scheele: Johann Adam M×hler, S. 73 u. 83. Zur gesamten Lehrentwicklung bei M×hler vgl. die Studie von H. Geisser: Glaubenseinheit, und zur Entwicklung von M×hlers Kirchenbegriff vgl. J. R. Geiselmann: Johann Adam M×hler. 285 Vgl. P.-W. Scheele: Wegbereiter, S. 75; ders.: Johann Adam M×hler, S. 83, und J. K×hler: Johann Adam M×hler, S. 155, der aus einem Brief M×hlers folgendes zitiert: „WÅre ich doch schon frÛher veranlaßt worden, die Hl. Schrift grÛndlicher zu studieren! Die ‚Symbolik‘ wÅre etwas anderes, ich will sagen, weit Besseres [. . .] geworden!“ 286 P. Fransen: communio, S. 176. Vgl. J. A. M×hler: Symbolik. Vgl. ferner P.-W. Scheele: Johann Adam M×hler, S. 90 f. u. 96; ders.: Wegbereiter, S. 84 ff. 287 F. A. Staudenmaier: Dogmatik II, S. 475. 288 Vgl. ebd., S. 479–554. Vgl. ferner L. Scheffczyk: Formulierung, S. 217. 289 J. Werbick: TrinitÅtslehre, S. 513.

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ziert. Nicht nur Staudenmaiers Eintreten fÛr pneumatische und synodale kirchliche Strukturen ist vor diesem Hintergrund zu verstehen, sondern auch sein differenziertes VerstÅndnis der vestigia trinitatis in der Sch×pfung.290 Aus dem heilsgeschichtlichen OffenbarungsverstÅndnis wird auch seine Kritik an den spekulativen AnsÅtzen Hegels und Anton GÛnthers (1783– 1863) nachvollziehbar. Die hegelsche Entfaltung Gottes in die Welt bezeichnet er als logischen Pantheismus, der die relative Notwendigkeit des B×sen beinhaltet und das freie, personale GegenÛber-Sein von Gott und Mensch ebenso ausschaltet wie die menschliche SÛnde. Bei GÛnther kritisiert er die dialektische Sch×pfungslehre, in der die Welt als Nicht-Ich Gottes einen Anspruch auf Verwirklichung beinhaltet und die Sch×pfung nicht als freie Tat Gottes gilt.291 DarÛber hinaus bleibt zu GÛnther festzuhalten, daß er unter den PrÅmissen der cartesianischen Philosophie den Menschen zum Maß aller Dinge erklÅrt. Der Gottesgedanke hat seinen Sitz im Ich-Gedanken, so daß die Offenbarung nicht als Tat Gottes von außen auf den Menschen zukommt, sondern den Urvollzug des geistigen Seins darstellt. Deshalb wird Gott im sich selbst offenbaren Geist des Menschen offenbar. Weil in dieser idealistisch gefÅrbten Gotteslehre der Heilige Geist als personales GegenÛber der Menschen nicht vorkommt, erscheint die Kirche auch bei GÛnther als Christus prolongatus bzw. als in der Geschichte fortgesetzter Christus.292 Dieses Problem Ûberwand Staudenmaier durch seinen heils×konomischen Ansatz, auch wenn ihm „noch keine vollkommene Gestaltung der TrinitÅtslehre nach dem Prinzip der Heils×konomie“293 gelang. Die noch bestehenden Ambivalenzen bei der Besinnung auf die heils×konomische TrinitÅt zeigen sich auch bei Johannes Evangelist von Kuhn (1806–1887), dem Lehrstuhlnachfolger Dreys und Kollegen Staudenmaiers. Zwar betont er gegenÛber der ontisch-metaphysischen Hermeneutik der Neuscholastik die heilsgeschichtlich-personale Selbstmitteilung des dreieinigen Gottes, der den Menschen in seine Gemeinschaft ruft, aber zugleich spricht er in diesem Zusammenhang von einer ÛbernatÛrlichen Beschreibung dessen, was in der philosophischen Gotteserkenntnis auch eigenstÅndig abstrakt erfaßt werden kann. Die damit bestehende Gefahr einer neuer-

290 Vgl. insgesamt P. HÛnermann: Franz Anton Staudenmaier, S. 104 ff. u. 114 ff.; ders.: Trinitarische Anthropologie. Zu Staudenmaiers synodalen Reformbestrebungen vgl. F. A. Staudenmaier: Aufgabe, S. 271 ff., und zu seiner Bestimmung des VerhÅltnisses von Gott und Welt vgl. A. Franz: Christentum, S. 168 ff. 291 Vgl. A. Staudenmaier: Gott. Vgl. ferner P. HÛnermann: Hegel-Rezeption, S. 150 f.; ders.: Franz Anton Staudenmaier, S. 104 f. 292 Vgl. J. Pritz: Anton GÛnther, S. 363 ff., wo sich auch eine Auflistung der Schriften GÛnthers findet. 293 L. Scheffczyk: Formulierung, S. 217.

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lichen Unterteilung in natÛrliche und ÛbernatÛrliche Offenbarung tritt dort zurÛck, wo Kuhn das trinitarische Bekenntnis als die letzte konkrete Bestimmung der unbestimmten Offenheit der menschlichen Gottesidee bezeichnet. Die trinitarische Besinnung erm×glicht ihm die Wahrnehmung der Kirche als einer lebendigen Gemeinschaft, wobei er diese Gemeinschaft in spÅteren Jahren aber nur noch durch die Inhaber des Lehramts reprÅsentiert sieht, was einen Bruch in seinem Gesamtentwurf bedeutet und auf die noch bestehende Ambivalenz hinweist.294 Die AnsÅtze trinitarischer und ekklesiologischer Besinnung in der TÛbinger Schule hinterließen auch in der R×mischen Schule (Gregoriana) ihre Spuren, in der sich Newmans Einfluß bemerkbar machte, nachdem bereits im 17. Jahrhundert Dionysius Petavius und Ludovicus Thomassin in patristischer Orientierung die heils×konomische TrinitÅt und damit die nicht-appropriierte bzw. eigenpers×nliche Einwohnung des Heiligen Geistes aufgewertet hatten. Letzteres gelang ihnen durch die Verbindung von innertrinitarischem Ausgang und heilsgeschichtlicher Sendung. Dadurch konnte die nachtridentinische Verengung auf die von der TrinitÅt einheitlich ad extra vermittelte geschaffene Gnade Ûberwunden werden.295 Diese Tendenz nahm die R×mische Schule auf, in der neben dem juridisch-papalistischen KirchenverstÅndnis auch der Einfluß des trinitarischen Kirchenbegriffs hervortrat. Aufgrund der Anlehnung an die griechischen VÅter leiteten sich fÛr Carlo Passaglia (1812–1887) Wesen und Struktur der Kirche aus der g×ttlichen Dreifaltigkeit ab, was sich bei seinem SchÛler Clemens Schrader (1820–1875) darin Åußerte, daß er die Kirche von der Heils×konomie her als mystischen Leib Christi bestimmte. Dabei gehen die Beziehungen der Kirche zu den g×ttlichen Personen nicht in Appropriationen auf, weil die Kirche in Christus gegrÛndet ist und im Heiligen Geist gebildet und vollendet wird. Trotz der hiermit verbundenen Relativierung juridisch-institutioneller Aspekte enthÅlt Schraders Theologie deutlich papalistisch-hierarchische ZÛge, weil er die Kirche wie der spÅte M×hler als fortgesetzte Inkarnation Christi versteht und so der Pneumatologie zu geringe EigenstÅndigkeit einrÅumt. Ein weiterer SchÛler Passaglias, Johann Baptist Franzelin (1816–1886), unterschied klarer zwischen inkarnatorischer gottmenschlicher Einheit in Jesus und g×ttlicher Einwohnung in der Kirche, so daß hier die eigene Rolle des Heiligen Geistes, die verschiedenen Charismen und die einzelnen Glieder des Leibes stÅrker zum Tragen kamen.296

294 Vgl. insgesamt J. E. von Kuhn: Dogmatik II, und F. Wolfinger: Johannes Evangelist von Kuhn, S. 135–162. 295 Vgl. L. Scheffczyk: Traditionen, S. 66; ders.: Formulierung, S. 216; B. J. Hilberath: Pneumatologie, S. 522. Vgl. insgesamt T. Schneider: Ort, S. 113 f.; H. Schauf: Clemens Schrader, S. 369; J. Frisque: Ekklesiologie, S. 195 ff. 296 Vgl. zu C. Schrader besonders dessen Schrift „De Triplici Ordine“. Vgl. ferner H.

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Die theologische Verbindung von R×mischer und TÛbinger Schule vollzog in Deutschland Matthias Joseph Scheeben (1835–1888), der sowohl gegenÛber der Neuscholastik als auch gegenÛber einem hegelschen oder romantisch-organischen Panentheismus (Gefahr beim spÅten M×hler) das VerhÅltnis von ×konomischer und immanenter TrinitÅt differenzierter darlegte. Nachdem er Gott als GegenÛber zunÅchst durch die Dialektik von natÛrlicher und ÛbernatÛrlicher Ordnung zu garantieren versucht hatte, fand er in Ausrichtung an den griechischen KirchenvÅtern und der konkreten Heils×konomie zu einem angemesseneren VerhÅltnis von „GegenÛber und NÅhe“ Gottes. Da er die trinitarischen Sendungen als freie EntÅußerung der innertrinitarischen Proprien (Zeugung als AusprÅgung, Hauchung als Belebung) erkennt, leitet sich fÛr Scheeben aus den Eigenschaften der innertrinitarischen Gemeinschaft die kirchliche Gemeinschaft ab, welche in Christus ihre PrÅgung und im Heiligen Geist ihre Belebung erhÅlt. Eine Identifizierung von Gott und Kirche kommt also ebensowenig in Frage wie eine Trennung von g×ttlichen und ekklesiologischen Eigenschaften. Die WertschÅtzung der griechischen VÅter bewirkte zugleich eine ºberwindung des Filioque („ex Patre per Filium“), was den Gedanken der innertrinitarischen Gemeinschaft ebenso stÅrkte wie die Wahrnehmung der Kirche als Gemeinschaft aller ihrer Glieder. Scheeben „isoliert mithin nicht (wie zum Beispiel die R×mische Schule) die Hierarchie vom Volk Gottes“297. Die heils×konomisch orientierte trinitarische Besinnung wirkte sich mit ihren ekklesiologischen Implikationen durch die R×mische Schule auf die Vorbereitung des Ersten Vatikanischen Konzils (1869/70) aus, zumal der erste Entwurf der geplanten Konstitution „De Ecclesia Christi“ vor allem auf Schrader und Franzelin zurÛckging. So durchbrach der Titel des ersten Kapitels das neuscholastisch-institutionelle KirchenverstÅndnis, indem er die Kirche von der Gotteslehre her als mystischen Leib Christi definierte: „Ecclesiam esse Corpus Christi Mysticum“. Weil jedoch die neuscholastische Theologie nach wie vor den gr×ßten Einfluß ausÛbte, verursachte dieser Entwurf einige Aufregung. Aber auf dem Konzil, das wegen des deutschfranz×sischen Krieges vorzeitig abgebrochen wurde, kam es nicht mehr zu einer umfassenden Glaubensentscheidung „ºber die Kirche“298, sondern man verabschiedete mit der dogmatischen Konstitution „Pastor aeternus“ nur noch die Definition des Universalprimats und der Unfehlbarkeit des

Schauf: Clemens Schrader, S. 373 ff. Vgl. insgesamt J. Finkenzeller: Art. „Kirche IV“, S. 246 f. Zur nicht-appropriierten Einwohnung des Heiligen Geistes vgl. H. Schauf: Einwohnung. 297 E. Paul: Matthias Joseph Scheeben, S. 401. Vgl. insgesamt ebd., S. 386–401; M. J. Scheeben: Handbuch I, S. 880 ff.; ders. (Hg.): Concil III, S. 81 ff. 298 Der deutsche Text des ersten Entwurfs findet sich bei I. Neuner/H. Roos: Glaube [im folgenden abgekÛrzt NR], S. 259–264. Vgl. zur Geschichte des Textes T. Schneider: Ort, S. 114; J. Frisque: Ekklesiologie, S. 197 f.

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Papstes. Damit setzten sich die restaurativen ultramontanistischen Tendenzen der Neuscholastik durch, die der Moderne mit ihren pluralistischen und sÅkularisierten Gesellschaftsordnungen die katholische Kirche als eine societas perfecta entgegenstellten, die in der r×misch-pÅpstlichen Zentrale verankert ist. Die Absicht, den in „KulturkÅmpfe“ verstrickten Ortskirchen einen zentralen RÛckhalt zu verschaffen, ging mit der Absicht einher, die konziliaren Str×mungen zu verdrÅngen. Das fÛhrte „zu einer bisher noch nie dagewesenen zentralistischen und papalistischen Kirchenverfassung“299, die weder mit ihrer juridisch-institutionellen Hermeneutik noch mit ihrer absolutistischen Konzentration auf den Papst Anhalt im Neuen Testament oder in der Alten Kirche findet. Der universale und umfassende Jurisdiktionsprimat des Papstes wird als heilbringende Wahrheit Ûber das Wesen der Kirche deklariert. Als „oberster Hoherpriester“ gilt der Papst als „Haupt der gesamten Kirche“, wodurch die Kirche ihr GegenÛber nicht mehr in Christus, sondern in einem Menschen hat.300 Daran wird ersichtlich, zu welchen Konsequenzen das christomonistischinstitutionelle VerstÅndnis der Kirche als fortgesetzter Inkarnation Christi (Christus prolongatus) fÛhren kann, wenn es mit seiner latenten Identifizierung von Christus und Kirche und der somit fehlenden Dimension des christologischen GegenÛbers auch noch auf eine Person Ûbertragen wird. Aus der so entstehenden personalen Vollmacht leiteten die Konzilsteilnehmer die Unfehlbarkeit (InfallibilitÅt) von in h×chster Lehrgewalt (ex cathedra) getroffenen Papstentscheidungen zur Glaubens- und Sittenlehre ab, die „aus sich [ex sese], nicht aber aufgrund der Zustimmung der Kirche [consensu Ecclesiae] unabÅnderlich [irreformabiles]“301 sind. Die altkirchliche konziliare Gemeinschaft der Heiligen (Koinonia), die in ihrer Gesamtheit als Garant der Wahrheit galt und zu deren Wesen deshalb die notwendige Rezeption von Glaubensentscheidungen zÅhlte, war endgÛltig ausgeblendet.

299 S. Wiedenhofer: Ekklesiologie, S. 86. Zum Text der Konstitution „Pastor aeternus“ siehe DH 3050–3075. Vgl. insgesamt M. Kehl: Art. „Ekklesiologie“, Sp. 571 f.; T. Schneider: Ort, S. 114 f.; J. Frisque: Ekklesiologie, S. 199; J. Werbick: Kirche, S. 381 ff. 300 Vgl. DH 3055–3064. Vgl. ferner J. Werbick: Kirche, S. 382 ff., der im Unterschied zum neutestamentlichen Petrusdienst in der Kirchenkonstitution ein juridisch-hierarchisches VerstÅndnis pÅpstlicher „Herrschaft“ als „universale, inappellable Gewalt“ erkennt, die der Identifizierung mit Christus gleichkomme: „Kirche, die sich als ‚Leib Christi‘ identifiziert, identifiziert sich mitunter schnell als der dem Haupt Jesus Christus organisch geeinte Leib mit diesem Haupt; und die das Haupt in ihr vertretenden ‚OberhÅupter‘ identifizeren sich mitunter schnell mit dem Haupt, in dessen Stellvertretung sie handeln und entscheiden. Diese Tendenz zur Identifikation ist – mehr oder weniger ausdrÛcklich – vereinnahmend und abgrenzend“ (ebd., S. 300). 301 DH 3074.

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Dem juridisch-institutionellen Ansatz mit seiner hierarchischen Spaltung der Koinonia in Laien und Kleriker entsprach die neuscholastische Teilung in natÛrliche und ÛbernatÛrliche Offenbarung, die sich in der Konstitution Ûber den katholischen Glauben „Dei Filius“ manifestiert. Mit dem Ziel, auf der einen Seite den Atheismus als Widerspruch zur Vernunft zu erweisen und auf der anderen Seite den antirationalistischen Fideismus mit seiner Ausblendung der Vernunft zu Ûberwinden, streicht die Konstitution die M×glichkeit natÛrlicher Gotteserkenntnis heraus. Das neuscholastische Schema einer doppelten Seins- und Erkenntnisordnung voraussetzend spricht der Konzilstext neben der Nennung der ÛbernatÛrlichen Offenbarung davon, daß „Gott [. . .] mit dem natÛrlichen Licht der menschlichen Vernunft aus den geschaffenen Dingen gewiß erkannt werden“302 kann. Wenn auch von Kommentatoren immer wieder betont wird, das Konzil spreche nur die M×glichkeit und nicht das Faktum natÛrlicher Gotteserkenntnis an303, Åndert das nichts daran, daß die Formulierung „gewiß“ eine eigene, von der Offenbarung unabhÅngige Erkenntnis intendiert. Durch das neuscholastische Denkschema (natÛrlich-ÛbernatÛrlich) sind – auch aus katholischer Sicht – „Einseitigkeiten entstanden [. . .], die eine Weiter- bzw. Neuinterpretation [. . .] fordern“304. Denn die relative EigenstÅndigkeit beider Erkenntnisbereiche unterstÛtzte die VernachlÅssigung des heilsgeschichtlich relevanten g×ttlichen GegenÛbers, auf dessen heils×konomische Selbsterschließung der Mensch angewiesen bleibt. Deshalb konnte sich eine reformunfÅhige Selbstbezogenheit der Ekklesiologie bemÅchtigen. „Ein solches Denken neigt zu triumphalistischen T×nen, zu einem ungebrochenen, optimistischen Selbstvertrauen“305, es verliert den Blick fÛr Selbstkritik und eigene SÛndhaftigkeit und kann deshalb ungeachtet aller kirchengeschichtlichen Verfehlungen von der Kirche als „fortdauernde[m] Beweggrund der GlaubwÛrdigkeit“ sprechen sowie von „ihrer außerordentlichen Heiligkeit“306. So wurde schnell vergessen, daß die KonzilsbeschlÛsse zum pÅpstlichen Primat nur ein erster Teil von Aussagen zur gesamten Ekklesiologie sein sollten und daß selbst innerhalb der verabschiedeten Teilaussagen der Konstitution „Pastor aeternus“ mit ihrer „so einseitigen Konzeption genÛgend AnknÛpfungspunkte fÛr eine Neubesinnung auf die umfassendere Sicht gegeben waren“307. Zum Beispiel beginnt der Konstitutionsprolog mit dem

302 DH 3004 (Hervorhebung v. Vf.). Vgl. W. Kasper: Gott, S. 71 u. 96 f.; M. Kappes: „NatÛrliche Theologie“, S. 289 ff. 303 Vgl. W. Kasper: Gott, S. 96 f. 304 M. Kappes: „NatÛrliche Theologie“, S. 291. 305 T. Schneider: Bekenntnis, S. 221. 306 DH 3013. 307 T. Schneider: Ort, S. 115.

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Blick auf Christus und auf die Kirche als Volk Gottes, bevor er zum Gesamtepiskopat und schließlich zum Petrusamt kommt. Die Konstitutionsabschnitte erklÅren außerdem, daß die pÅpstliche Gewalt die unmittelbare Gewalt der Bisch×fe nicht beintrÅchtige und nur in AusnahmefÅllen zum Tragen kommen solle. Ferner wird die pÅpstliche Unfehlbarkeit als eine Gabe bezeichnet, mit der die gesamte Kirche ausgerÛstet ist.308 Doch die Entscheidungsvollmacht des Papstes ex sese und die nicht erforderliche Zustimmung durch den kirchlichen Konsens lassen die – in der Folgezeit bald vergessenen309 – Aspekte der ekklesiologischen Relativierung des Primatsanspruchs aporetisch erscheinen. Daher drÅngt sich der Bedarf einer ºberwindung des verabsolutierten juridisch-hierarchischen Denkens durch die heilsgeschichtlich-trinitarische Besinnung auf, die im ersten Entwurf zur Kirchenkonstitution noch ansatzweise erkennbar ist. Den Versuch, diesem Bedarf gerecht zu werden, unternahm das Zweite Vatikanische Konzil. Doch nach 1870 setzte sich zunÅchst die institutionell-hierarchische Ekklesiologie der Neuscholastik durch. AnsÅtze einer trinitarischen Besinnung gab es h×chstens am Rande. Zu nennen ist Herman Schells (1850–1906) Besinnung auf die TrinitÅt als der erneuernden Wesensmitte des Glaubens, von der her er sich fÛr die Moderne ebenso zu ×ffnen versuchte wie fÛr die anderen Konfessionen, wozu seine Kirche jedoch noch nicht bereit war. Sein Interesse an biblisch-trinitarischer Erneuerung lag in der Einsicht begrÛndet, daß der trinitarische Gott als SelbstursÅchlichkeit sich nur durch seine Offenbarung erschließen lÅßt. Diese Einsicht blieb allerdings ambivalent, da Schell das Kausalgesetz und den auf Gott zutreffenden Causa-sui-Begriff zugleich als Postulat der Vernunft bzw. des natÛrlichen Gottesbegriffs voraussetzte und so statische philosophische PrÅmissen in das trinitarische Gottesbild eintrug.310 Doch aus der trinitarischen Mitte des Glaubens er×ffnete sich fÛr Schell eine Hierarchie der Wahrheiten, die den Blick auf die °kumene lenkt, als einer dem trinitarischen Gott entsprechenden Einheit in Vielfalt. Dabei bezog Schell die zu seiner Zeit wenig beachteten Ostkirchen ein. Eine trinitarisch begrÛndete Glaubensgemeinschaft schien Schell nicht nur mit dem RÛckzug ins r×mische Getto unvereinbar, sondern

308 Vgl. DH 3050 ff. Vgl. ferner J. Finkenzeller: Art. „Kirche IV“, S. 247 f.; J. Werbick: Kirche, S. 381–388. 309 Auch das erlÅuternde Hirtenschreiben der deutschen Bisch×fe von 1875 (DH 3112–3117), das die Eigenverantwortlichkeit der Bisch×fe herausstellte und von Pius IX. als authentische Interpretation anerkannt wurde, geriet in der Folgezeit jahrzehntelang in Vergessenheit (vgl. T. Schneider: Ort, S. 114). 310 Beispielsweise galt ihm der Logos nicht als das Produkt der Erkenntnis des Vaters, sondern als Produkt aller g×ttlichen Personen, die jeweils TrÅger sÅmtlicher g×ttlicher Vollkommenheiten sind. Der Sohn kann deshalb gewissermaßen sein eigenes Produkt sein. Vgl. dazu H. Schell: Wirken, S. 33. Zur Christologie Schells vgl. die Untersuchung von W. Sosna: Selbstmitteilung. Vgl. insgesamt P.-W. Scheele: Wegbereiter, S. 150 ff., und G. Bleickert: Herman Schell, S. 301 ff., wo sich auf S. 324 ff. eine ausfÛhrliche Bibliographie findet.

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auch mit einem zentralistischen Dirigismus und einer unangemessenen Einbeziehung der Laien.311

Eine durchgreifendere Besinnung auf den heilsgeschichtlich-trinitarischen Gottesbegriff und seine ekklesiologischen Konsequenzen erfolgte erst nach dem Schock des Ersten Weltkrieges, der das Vertrauen in die etablierten und selbstsicheren Institutionen erschÛttert hatte und deshalb eine Zuwendung zu den ursprÛnglichen Quellen ausl×ste. Aus „dem tiefen BedÛrfnis der Nachkriegsgeneration, das Christentum auf der Ebene seiner wesentlichen KrÅfte erneuert zu sehen“312, wandte man sich den KirchenvÅtern zu, unter besonderer BerÛcksichtigung der griechischen VÅter. Diese patristische Besinnung erfolgte im RÛckgriff auf die trinitarisch-ekklesiologischen NeuansÅtze der TÛbinger Schule und der R×mischen Schule, die sich an der heils×konomischen Theologie und SpiritualitÅt der VÅter orientiert hatten und gegenÛber der institutionell-hierarchischen nachkonziliaren Ekklesiologie eine Anbindung der Ekklesiologie an die Gotteslehre erm×glichten, was das VerstÅndnis der Kirche als Mysterium nahelegte. „Man erlebt eine Art kollektiven Reifens dessen, was im 19. Jahrhundert nur die Intuition einiger Einzelpers×nlichkeiten war.“313 Das geschah im Kontext der entstehenden ×kumenischen Bewegung sowie der biblischen, patristischen und liturgischen Erneuerung, mit der die Laienbewegung einherging. Wie im Protestantismus entwickelte sich durch die Besinnung auf die Quellen und die auf ihnen beruhenden theologischen Str×mungen des 19. Jahrhunderts ein theologischer Aufbruch, der den „Anschluß an das bedeutend tiefere KirchenverstÅndnis der großen Tradition der VÅter“314 vermittelte. Doch diese Entwicklung wirkte sich nicht unmittelbar auf die offizielle Lehrmeinung aus, so daß die ekklesiologischen Abhandlungen Ûberwiegend der alten Richtung verhaftet blieben. Die daraus resultierende Ambivalenz der theologischen Situation spiegelt sich in der Enzyklika „Mystici Corporis“ (1943/Pius XII.) wider, die zwar das neu zur Geltung gebrachte Bild des mystischen Leibes Christi aufgriff, aber in Sorge um die sichtbare Dimension der Kirche dem juridisch-institutionellen Kirchenbegriff und seiner hierarchischen Struktur treu blieb. Das lag nicht zuletzt an den westlichen trinitÅtstheologischen Einseitigkeiten. Im Unterschied zu großen Teilen der Erneuerungsbewegungen, die sich auf den frÛhen M×hler und seine BerÛcksichtigung der Pneumatologie bezogen, gibt die Enzyklika die christomonistische Tendenz des spÅten M×hler zu erkennen, da die Kirche als fortwÅhrende Inkarnation erscheint. Außerdem erfolgt die Identifikation des Papstes mit dem Haupt des Leibes. Papst und Klerus, die anders als die Laien nicht der Umkehr bedÛrfen, stehen diesen als verehrungswÛrdig unmittelbar gegenÛber und nehmen damit eine quasi-g×ttliche Stel-

311 Vgl. H. Schell: Katholicismus, S. 58 ff. Vgl. ferner P.-W. Scheele: Wegbereiter, S. 109 f.; G. Bleickert: Herman Schell, S. 322 f. Zur Ekklesiologie Schells vgl. K. MÛhlek: Gemeinschaft. Die philosophisch-theologische Systematik Schells hat ausfÛhrlich V. Berning: Gott, analysiert. 312 J. Frisque: Ekklesiologie, S. 198. 313 Ebd., S. 195. Vgl. T. Schneider: Ort, S. 115 f.; W. Breuning: TrinitÅtslehre, S. 28. 314 J. Frisque: Ekklesiologie, S. 199. Vgl. zu den Erneuerungsbewegungen zu Beginn des 20. Jahrhunderts ebd., S. 200 ff.; H. Heinz: Variationen, S. 337; M. Haudel: Bibel, S. 25–57.

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lung ein. In diesem Zusammenhang zeigt sich die Tendenz, den Heiligen Geist als eine dem kirchlichen Leib Christi inhÅrente Gr×ße vornehmlich an das Amt zu binden. „Er ist es, der, obwohl selbst in allen Gliedern gegenwÅrtig und in ihnen in g×ttlicher Weise tÅtig, dennoch in den untergeordneten auch durch die Dienstleistungen der Ûbergeordneten wirkt.“315 An der Stellung zur r×mischen Amtshierarchie entscheidet sich auch das Heil der Christen anderer Konfessionen, da allein die r×misch-katholische Kirche als Verwirklichung der ekklesiologischen Leibwerdung Christi gilt. Die christomonistisch geprÅgte Ekklesiologie mit ihrer – dem Filioque korrespondierenden – funktionalen Unterordnung des Heiligen Geistes bewirkte also ein einliniges KirchenverstÅndnis, in dem die vom Heiligen Geist erm×glichte differenzierte und vielfÅltige Gemeinschaft der Glaubenden kaum Raum erhÅlt. Das Ånderte sich nach dem Zweiten Weltkrieg, als das Bild vom mystischen Leib Christi zunehmend vom Begriff des Volkes Gottes abgel×st wurde. Dazu trug die im Krieg erfahrene Ûberkonfessionelle Gemeinschaft aller Glaubenden ebenso bei wie ein vertieftes exegetisches und patristisches VerstÅndnis fÛr die frÛhchristliche Gemeinschaft des Volkes Gottes. Eine nicht geringe Rolle spielten dabei die Untersuchungen von Yves M. J. Congar, der die eigenstÅndige Bedeutung des Heiligen Geistes aufwertete. Wo wahrgenommen wurde, daß der Heilige Geist in Verbindung zu allen Gliedern den Leib Christi auferbaut, konnte die Teilnahme aller Glaubenden am Priestertum Christi ebenso zum Tragen kommen wie die eschatologische Dimension der Kirche, die daran erinnert, daß auch die Kirche immer wieder der Erneuerung durch den Heiligen Geist bedarf. Die zugleich erfolgende Wahrnehmung der kirchlichen Vielfalt er×ffnete außerdem neue ×kumenische Perspektiven.316 So bildet die in den trinitarischen Sendungen verankerte „heilsgeschichtliche Perspektive [. . .] den eigentlichen Gesichts- und Standpunkt der konziliaren Lehre von der Kirche. [. . .] In dieser Perspektive erscheint die Kirche von selbst als Teil des umfassenden Heilsmysteriums Gottes. Dann aber lebt sie aus der TrinitÅt.“317 Die im 19. Jahrhundert und zu Beginn des 20. Jahrhunderts erfolgte Besinnung auf die trinitarische Heilsgeschichte und ihre ekklesiologischen Konsequenzen wurde in der Zeit bis zum Zweiten Vatikanischen Konzil also immer wieder von einzelnen Theologen aufgegriffen, was besonders in den BemÛhungen von Michael Schmaus zum Ausdruck kommt, Theologie von der ×konomischen Selbsterschließung des trinitarischen Gottes her zu begreifen.318

315 NR 407, DH 3808. (Das Zital folgt der pointierteren ºbersetzung von NR.) Vgl. insgesamt zur Konstitution DH 3800–3822. Vgl. ferner J. Werbick: Kirche, S. 278 f.; W. Beinert: Bild, S. 32. 316 Vgl. Y. M. J. Congar: Geist, wo er aus seiner detaillierten pneumatologischen Besinnung ekklesiologische und ×kumenische Konsequenzen entwickelt. Vgl. ders.: Wege, S. 49–266; ders.: Mystery, S. 147 ff.; ders.: Kirche. Zur Entwicklung nach dem Zweiten Weltkrieg vgl. J. Frisque: Ekklesiologie, S. 206–222. 317 W. Beinert: Bild, S. 30 f. 318 Vgl. M. Schmaus: Katholische Dogmatik I u. IV/1. Im zuletzt genannten Band hebt Schmaus den Heiligen Geist als bleibendes GegenÛber des Menschen und der Kirche hervor (vgl. ebd., S. 39).

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Die theologischen Str×mungen trinitarisch-ekklesiologischer Besinnung wurden zu einer bedeutenden Grundlage theologischer und ekklesiologischer Erneurung auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962–65). Das erklÅrt, warum sich das Konzil angesichts der rudimentÅren Ekklesiologie des Ersten Vatikanischen Konzils auf die Ekklesiologie sowie ihre trinitarische BegrÛndung konzentrierte und warum „die trinitÅtstheologischen Aussagen des Konzils vornehmlich unter heilsgeschichtlichem Aspekt gemacht“319 wurden. FÛr den ersten Entwurf der dogmatischen Konstitution Ûber die Kirche „Lumen Gentium“ (LG), der noch das institutionell-hierarchische KirchenverstÅndnis beinhaltete, hatten die Konzilsteilnehmer eine ºberarbeitung gefordert. Sie l×ste in mehreren Schritten den hierarchisch-institutionellen Aspekt durch das VerstÅndnis der Kirche als Mysterium ab und schaltete den Kapiteln Ûber die Struktur der Kirche eine Reflexion Ûber das Volk Gottes vor. „Damit war das juridische Denken zugunsten einer gemeinschaftsbezogenen oder kommunialen Ekklesiologie zurÛckgedrÅngt.“320 Das geschah wie bei den genannten Erneuerungsbewegungen in intensivem RÛckgriff auf die Schrift und die patristische Tradition, wobei durch die gewachsene ×kumenische Bewegung auch die ×stliche Tradition BerÛcksichtigung fand. Wegen der umfassenden trinitarischen Grundlegung erhielt die christozentrische, am Inkarnationsmodell orientierte Ekklesiologie ansatzweise ein pneumatologisches Gegengewicht, zumal „das II. Vaticanum die ekklesiologische Sicht der frÛhen Symbola (das Ineinander von Geist und Kirche im 3. Artikel)“321 beachtete. Die Orientierung an den biblischen und altkirchlichen Quellen erinnerte an das VerstÅndnis von Offenbarung „als Selbsterschließung Gottes, die ganz darauf ausgerichtet ist, die Menschen in die Gemeinschaft mit Gott aufzunehmen und ihnen so das Heil zu schenken“322: „Es hat Gott [. . .] gefallen, sich selbst zu offenbaren und das Geheimnis seines Willens bekannt zu machen [vgl. Eph 1,9], daß die Menschen durch Christus, das Fleisch gewordene Wort, im Heiligen Geist Zugang zum Vater haben“ (Dei Verbum 2). Mit dem heilsgeschichtlich-personalen TrinitÅtsverstÅndnis kam die altkirchliche Koinonia-Ekklesiologie wieder ins Blickfeld, so daß Lumen Gentium zu Beginn (Artikel 2–4) das trinitarische VerstÅndnis der Kirche entfal-

L. Scheffczyk: Formulierung, S. 201. W. Beinert: Bild, S. 17. Vgl. insgesamt ebd., S. 11 ff. 321 T. Schneider: Ort, S. 118. Vgl. W. Beinert: Bild, S. 25 ff.; B. J. Hilberath: Pneumatologie, S. 524; ders.: Gott, S. 57; H. Biedermann: Gotteslehre, S. 141; Y. M. J. Congar: Implikationen, S. 122 f. 322 H. Petri: Problematik, S. 41. Vgl. das erste Kapitel der Offenbarungskonstitution „Dei Verbum“ (DH 4202–4206). Zum Text von „Lumen Gentium“ siehe DH 4101–4179, und zur Geschichte und Analyse der Kirchenkonstitution vgl. G. Philips: Geschichte. Die Bedeutung der soteriologischen Dimension fÛr das Konzil belegt P. Kaiser: Jesus Christus, S. 282 f. 319 320

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tet, um im zweiten Kapitel ihre Eigenschaft als Volk Gottes hervorzuheben. Im RÛckgriff auf die KirchenvÅter definieren die KonzilsvÅter „die gesamte Kirche als ‚das von der Einheit des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes her geeinte Volk‘“ (LG 4).323 Die Volk Gottes-Metapher ergÅnzte das zur Identifikation von Christus und Kirche tendierende Bild des Leibes Christi, dem außerdem der Begriff „Tempel des Heiligen Geistes“ zur Seite gestellt wurde. Auf diese Weise kristallisierte sich eine Trias von Kirchenbegriffen heraus, die selbst in ihrer Gesamtheit trinitarisch gedeutet wird (LG 17): Volk Gottes (des Vaters), Leib Christi, Tempel des Heiligen Geistes.324 „Doch die eigentliche ekklesiologische Leitvorstellung des Konzils ist die Idee vom Volk Gottes“, die bereits allein die trinitarische Perspektive enthÅlt und Ûber das – vor dem Konzil noch dominierende – christozentrische Bild vom Leib Christi hinausgeht, da die KonzilsvÅter das Volk Gottes als „communio“ verstehen, „d. h. als Gemeinschaft von Personen, die ihre Wurzel in der Dreipers×nlichkeit Gottes selber hat“325. Die damit gewÅhrte Relevanz der Pneumatologie er×ffnete M×glichkeiten zur ºberwindung der christomonistisch-statischen und hierarchischen Tradition.326 Gegen die einseitige Blickrichtung auf die geschaffene Gnade und die Anbindung des Geistes an die Amtsvollmacht geht das Konzil – wie die ×stliche und reformatorische Tradition – davon aus, daß der Heilige Geist in den einzelnen Gliedern der Kirche wohnt (LG 7) und seine Gaben bzw. Charismen an die Einzelnen austeilt (LG 12).327 Das relativiert die Einteilung in Klerus und Laien, denn das „Apostolat der Laien [. . .] ist Teilhabe an der heilbringenden Sendung der Kirche selbst; zu diesem Apostolat werden alle vom Herrn selbst durch Taufe und Firmung bestimmt“ (LG 33).328 So drÅngt sich dem Konzil das „gemeinsame Priestertum aller GlÅubigen“ (LG 10) auf. Deshalb wird im Unterschied zur gegenreformatorischen Theologie und zum Ersten Vatikanischen Konzil nicht die Unfehlbarkeit von Amt und Papst betont, sondern der Umstand, daß die „Gesamtheit der GlÅubigen [. . .] im Glauben nicht fehlgehen [irren]“ (LG 12) kann. Weil das Volk Gottes als eine der trinitarischen Communio entsprechende Gemein-

323

Vgl. W. Beinert: Bild, S. 19, 31, 34; W. L×ser: Einheits- und °kumenismusverstÅndnis,

S. 340. Vgl. H. M. Legrand: Entwicklung, S. 152 u. 160; Y. M. J. Congar: Implikationen, S. 122. W. Beinert: Bild, S. 19 u. 27. 326 „Historisch genau genommen ist ja das Nicht-Traditionelle nicht die kommuniale Ekklesiologie des II. Vatikanischen Konzils, sondern der Institutionalismus des I. Vatikanum.“ (Ebd., S. 36 f.) „FÛr diese notwendige Korrektur einer einseitig-inkarnatorisch gesehenen Christozentrik konnte das Konzil vor allem aus den Voten der dem Erbe der Ostkirche verpflichteten VÅter lernen.“ (J. Ratzinger: Dogmatische Konstitution, S. 523) 327 Vgl. W. Breuning: Pneumatologie, S. 124 f.; B. J. Hilberath: Pneumatologie, S. 522 u. 524 f.; W. Beinert: Bild, S. 19 u. 31; E. Salmann: TrinitÅt, S. 357. 328 Vgl. H. M. Legrand: Entwicklung, S. 162. 324 325

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schaft gilt, in der sich aus der vertikalen Gemeinschaft mit dem dreieinigen Gott die horizontale kirchliche Gemeinschaft als Abbild trinitarischer Lebenseinheit ableitet, tritt auch das konziliare und synodale Moment wieder deutlicher hervor. Die KollegialitÅt der Bisch×fe wird aufgewertet und das – zwar vornehmlich hierarchisch und essentialistisch verstandene – Amt wird als in die Gemeinschaft eingebundenes Dienstamt qualifiziert.329 Mit der Aufwertung des Bischofsamtes gegenÛber dem pÅpstlichen Primat geht eine stÅrkere Gewichtung der Ortskirchen gegenÛber der Universalkirche einher. Das Konzil spricht von „Teilkirchen, in denen und aus denen die eine und einzige katholische Kirche besteht“ (LG 23). Weil sich die Kirche Christi in der eucharistischen Versammlung ereignet, ist sie „wahrhaft in allen rechtmÅßigen ×rtlichen Gemeinden der GlÅubigen anwesend. [. . .] Sie sind nÅmlich an ihrem Ort das von Gott gerufene neue Volk, im Heiligen Geist“ (LG 26). Der hier spÛrbare Einfluß ostkirchlicher Pneumatologie und Ekklesiologie sowie protestantischer Theologie erm×glichte gegenÛber der Ableitung der Ortskirchen aus der Universalkirche deren gleichursprÛngliche Gegenseitigkeit. So ergaben sich einige – leider nicht konsequent genutzte – AnsÅtze, „eine vor allem juridische und dadurch rein christologisch geprÅgte Sicht durch eine Sicht der Kirche als Gemeinschaft von Personen und Gemeinschaft von Ortskirchen in einer trinitarischen Perspektive“330 zu ersetzen. Vor diesem Hintergrund gelang es, die Gefahr der Identifikation von Christi Menschwerdung und Kirche (Leib Christi) einzudÅmmen, indem man das Mysterium der Kirche nur noch als Analogie zur Inkarnation bezeichnete (LG 8). Das heilsgeschichtlich-trinitarische Denken gibt so den Blick frei fÛr die heils×konomische Funktion des Heiligen Geistes und die damit zusammenhÅngende eschatologische Wirklichkeit der Kirche: Weil der Heilige Geist die Kirche als pilgerndes Gottesvolk in der Spannung zwischen „schon“ und „noch nicht“ zur eschatologischen Vollendung des Gottesreiches leitet (LG 48–51), ist die Kirche auf ihrem Weg noch der SÛnde ausgeliefert und deshalb stets zu reformieren (LG 8). Denn nicht die Kirche ist das Licht der V×lker (I. Vatikanum), sondern Christus (LG 1). Da die Kirche gleichsam „das Sakrament bzw. Zeichen und Werkzeug fÛr die innigste Vereinigung mit Gott und fÛr die Einheit des ganzen Menschengeschlechts“ (LG 1) dar-

329 Vgl. insgesamt G. Pattaro: Entwicklungen, S. 77 ff.; Y. M. J. Congar: Implikationen, S. 115; W. Beinert: Bild, S. 19–34; H. Fries: Art. „Kirche II“, Sp. 630 ff. 330 Y. M. J. Congar: Implikationen, S. 122. Vgl. insgesamt ebd., S. 116 ff.; W. Beinert: Bild, S. 34 ff.; S. Wiedenhofer: Ekklesiologie, S. 88; G. Pattaro: Entwicklungen, S. 78 f.; J. Ratzinger: Ekklesiologie, S. 44 f., und J. Freitag: Vorrang, S. 74, der darlegt, wie das „Schreiben an die Bisch×fe der katholischen Kirche Ûber einige Aspekte der Kiche als Communio“ (1992) diese Entwicklung zurÛcknimmt und erneut die ontologische und zeitliche Vorordnung der Universalkirche propagiert (s. u., S. 359 ff.).

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stellt und dazu dient, die V×lkerfamilie „zur Ehre der heiligsten und ungeteilten Dreifaltigkeit“ (LG 69) zu sammeln, erscheint ihre KatholizitÅt nicht mehr als apologetisch-ekklesiologisches Erkennungszeichen, sondern als eschatologisch-heilsgeschichtliche Gr×ße (LG 13). Die sichtbare Kirche steht im Dienst der unsichtbaren Gnadenwirklichkeit. Deshalb hat die Kirche „ihren unverÅußerlichen Platz in der Geschichte der Gnade, aber weil sie nicht selber die Gnade ist, gibt es auch Gnade außerhalb ihrer verfassungsmÅßigen Grenzen. Das hat ×kumenische Folgen. Kirche Christi und konkrete Kirchengemeinschaft sind nicht unbedingt identisch.“331 Angesichts der grundsÅtzlichen Gleichheit aller Getauften und der Gegenwart des Heiligen Geistes bei den einzelnen Glaubenden kommt es zur ºberwindung der christozentrischen Identifizierung von r×misch-katholischer Kirche und Kirche Christi. Die trinitarische Heilsgeschichte lÅß auch in anderen „Kirchen“ und „kirchlichen Gemeinschaften“ (LG 15) „mehrere Elemente der Heiligung und der Wahrheit [. . .] als der Kirche Christi eigene Gaben“ (LG 8) erkennen. So „ist“ (est) die r×misch-katholische Kirche nicht mehr wie in frÛheren Aussagen die einzige Kirche Christi, sondern diese „verwirklicht“ (subsistit) sich in ihr als der allein angemessenen Verwirklichung der Kirche Christi (LG 8). Nach den Worten des Dekrets Ûber den °kumenismus „Unitatis Redintegratio“ (UR) soll die katholische Kirche „mit Eifer an dem ×kumenischen Werk teilnehmen“, um die von Christus gewollte volle kirchliche Gemeinschaft und Einheit zu erzielen. „Denn aus dem Neuwerden des Geistes, aus der Selbstverleugnung und aus dem freien Str×men der Liebe erwÅchst und reift das Verlangen nach der Einheit.“ (UR 7) „H×chstes Vorbild und Urbild“ kirchlicher Einheit „ist die Einheit des einen Gottes, des Vaters und des Sohnes im Heiligen Geist in der Dreiheit der Personen“ (UR 2).332 Die trinitarische BegrÛndung von Kirche und °kumene entsprach mit ihrer Aufwertung des Gemeinschaftsbegriffs (Communio/Koinonia) der gezeigten trinitarisch-ekklesiologischen Besinnung in den anderen Konfessionen. Aus der trinitarischen Erweiterung der °RK-Basis auf der dritten °RKVollversammlung (Neu-Delhi 1961) lÅßt sich diese Entwicklung ablesen333, 331 W. Beinert: Bild, S. 33. Vgl. insgesamt ebd., S. 19 f., 24 f., 28 f., 32 f.; J. Ratzinger: Ekklesiologie, S. 48 ff.; T. Schneider: Ort, S. 117; J. Werbick: Kirche, S. 409 ff. 332 Vgl. zum Text des °kumenismusdekrets K. Rahner/H. Vorgrimler (Hg.): Konzilskompendium, S. 229–250, da sich dieses Dekret bei DH leider nur in AuszÛgen findet, die zentrale Stellen Ûbergehen. Vgl. insgesamt W. L×ser: Einheits- und °kumenismusverstÅndnis, S. 332–343; A. Nossol: Implikationen, S. 358–363. – Zum inzwischen restriktiven VerstÅndnis der Konzilsaussagen, das etwa die ×kumenisch ×ffnende Bedeutung des „subsistit“ umkehrt, s. u., S. 359 ff. (bes. S. 361). 333 Vgl. W. Breuning: TrinitÅtslehre, S. 21 f.; I. D. Zizioulas: Kiche, S. 96, und G. Larentzakis: KirchenverstÅndnis, S. 94, der die positive Bedeutung dieser Entwicklung von orthodoxer Seite wÛrdigt.

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die aber nur Teile des theologischen Spektrums beeinflußte und wegen defizitÅrer AnsÅtze ambivalent blieb. Auch in den Texten des Zweiten Vatikanischen Konzils stehen weiterhin die juridisch-institutionelle und die heilsgeschichtlich-kommuniale Sicht von Kirche nebeneinander, als Folge des unverbundenen Nebeneinanders der christozentrisch-hierarchisch ausgelegten Leib-Christi-Vorstellung und der trinitarisch-heilsgeschichtlich gefÅrbten Volk-Gottes-Metapher.334 Dieses disparate Nebeneinander resultiert aus unterschiedlichen OffenbarungsansÅtzen und einer rudimentÅren Pneumatologie mit entsprechend defizitÅrer Bestimmung des VerhÅltnisses von Christologie und Pneumatologie. Neben der neuscholastischen doppelten Seins- und Erkenntnisordnung von „natÛrlich“ und „ÛbernatÛrlich“ begegnet die heilsgeschichtliche Erschließung Gottes in Christus und im Heiligen Geist.335 LÅßt bereits der bleibende Einfluß der doppelten Seins- und Erkenntnisordnung auf eine defizitÅre Pneumatologie schließen, in der die pneumatologische Interdependenz von Ahnung und Offenbarung nicht zur Geltung kommt, bestÅtigt sich das pneumatologische Defizit vollends in der institutionell-hierarchischen Ekklesiologie, die mit ihrer christozentrischen Grundlegung trotz des trinitarisch-kommunialen Ansatzes fortbestand. Nicht nur protestantische und orthodoxe Beobachter haben „eine gewisse pneumatologische SchwÅche der Texte des II.Vatikanums unterstrichen“336, sondern auch katholische Theologen wie Congar sahen in den trinitarisch-pneumatologischen AnsÅtzen „schwache Versuche, die gewissermaßen auf halbem Wege stehenblieben“337 und wegen der fortbestehenden Christozentrik eine konstitutive Rolle der Pneumatologie verhindern. Deshalb hat das Konzil „nicht zu einer voll zufriedenstellenden VerknÛpfung von Christologie und Pneumatologie gefÛhrt“338. Weil eine konsequente Pneumatologie fehlt, was nicht zuletzt auf der ºberlagerung biblischer Differenzierungen durch juridisch-hierarchische Formulierungen beruht, ist die Spannung zwischen Amtscharisma und anderen Charismen ebensowenig durchgehalten wie die Verbindung von Episkopat und Volk Gottes. Der Communio-Ekklesiologie mit ihrer Integration des Amts in den Kontext des Volkes Gottes steht weiterhin das „pyramidale“ Modell gegenÛber, das den Bischof als charismatisch-institutionelle Instanz versteht. „Im Bereich der hierarchia iurisdictionis wird von Papst und Bisch×fen, also sogenannten GrundÅmtern, gehandelt, wÅhrend von den von ihnen abhÅngigen Šmtern keine Rede ist.“ Das Presbyteramt erscheint weniger als ein spezifisches Charisma, sondern vielmehr als Teilhabe am Bischofsamt,

334 Vgl. J. Werbick: Kirche, S. 300; W. Beinert: Bild, S. 37; M. Kehl: Art. „Ekklesiologie“, Sp. 572. 335 Vgl. zur doppelten Erkenntnisordnung Dei Verbum 6 und zur heilsgeschichtlichen Hermeneutik Gaudium et spes 19–22. Vgl. ferner W. Kasper: Gott, S. 73 u. 97; M. Kappes: „NatÛrliche Theologie“, S. 290 f. 336 H. M. Legrand: Entwicklungen, S. 151. 337 Y. M. J. Congar: Implikationen, S. 123. 338 H. M. Legrand: Entwicklungen, S. 151. Vgl. die entsprechende Kritik auf orthodoxer Seite bei I. D. Zizioulas: Christologie, S. 124 u. 140.

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so „daß der pastoralen Basis, den Gemeinden und ihren Seelsorgern, faktisch keine Aufmerksamkeit geschenkt wird“339. Bei der Wertung der gemeindlichen Basis vollzieht sich eine weitere pneumatologische Abstufung, insofern als die – dem ganzen Volk Gottes geltende – FÛhrung durch den Heiligen Geist mit ihrer Zuteilung der Charismen vor allem den Priestern zuerkannt wird, wÅhrend sie fÛr die Laien nur indirekt ErwÅhnung findet. „Nach wie vor muß konstatiert werden, daß die Rolle der Laien in der Kirche nicht hinreichend gewÛrdigt wird.“340 Die Ursache dafÛr liegt nicht zuletzt in der einseitigen Bindung der Pneumatologie an das primÅr christologisch begrÛndete Amt. Die Ambivalenz positiver AnsÅtze der trinitarisch-kommunialen Ekklesiologie wird dadurch verstÅrkt, daß diese AnsÅtze keine institutionelle Entsprechung finden. So rÅumt Lumen Gentium den verschiedenen Charismen zwar einen bedeutenden Platz ein, leitet davon aber – wie das ganze Konzil – keine kirchenrechtlichen Konsequenzen ab. Die VerstÅndigungsschwierigkeiten zwischen Dogmatikern und Kanonisten hinterlassen sprachliche Unausgewogenheiten, zweideutige Formelkompromisse oder – im Falle unvereinbarer GegensÅtze – bewußt offengelassene LÛcken (Lakunen), was dazu fÛhrte, „daß sich nach dem Konzil diese MißverstÅndnisse fortsetzten“ und die Konzilsergebnisse „autoritativ einseitig interpretiert und ausgelegt“341 werden konnten. Symptomatisch fÛr die theologischen und formalen Ungereimtheiten ist die „ErlÅuternde Vorbemerkung“ (Notae explicativa praevia), die Lumen Gentium zugefÛgt wurde, um die Bedenken einer Minderheit gegenÛber gr×ßerer bisch×flicher KollegialitÅt (LG 22) auszurÅumen. Der GewaltfÛlle des Bischofskollegiums wird deshalb die GewaltfÛlle des Papstes „allein“ gegenÛbergestellt, und die Einsicht in die Notwendigkeit des Konsenses aller in der Kirche wird erneut mit der SouverÅnitÅt des Bischofs von Rom konfrontiert. Hier setzen sich die Aporien fort, die bereits bei der VerhÅltnisbestimmung von Volk Gottes und Klerus auftraten. Weil die christomonistisch-hierarchische Sicht der trinitarisch-kommunialen Ekklesiologie weiterhin entgegenstand, sah das Konzil „nicht oder zumindest ungenÛgend die Wechselseitigkeit, ja Wechselwirkung zwischen dem magisterium und dem sensus fidelium“, so daß der altkirchliche

339 K. Walf: Lakunen, S. 203. Vgl. insgesamt H. M. Legrand: Entwicklungen, S. 149–151; W. Beinert: Bild, S. 38, und G. Pattaro: Entwicklungen, S. 79 u. 81, der die Diskrepanz zwischen biblischer und juridischer Sicht aufdeckt. Zur mangelnden Verbindung von Episkopat und Volk Gottes vgl. das dritte Kapitel von Lumen Gentium. 340 W. Beinert: Bild, S. 38. Vgl. als Beleg fÛr das dargestellte VerhÅltnis von Priestern und Laien Presbyterorum Ordinis 7 und Apostolicam Actuositatem 3 u. 4. Vgl. dazu Y. M. J. Congar: Implikationen, S. 117–119. 341 K. Walf: Lakunen, S. 196 u. 198. Vgl. insgesamt ebd., S. 195 ff.; H. M. Legrand: Entwicklung, S. 153 u. 167 f. Die restriktive Auslegung der mehrdeutigen Ekklesiologie des Konzils bestÅtigt sich z. B. in der vatikanischen „Instruktion zu einigen Fragen Ûber die Mitarbeit der Laien am Dienst der Priester“(1997), die die grundsÅtzliche Differenz zwischen allgemeinem Priestertum und Weihepriestertum herausstreicht und nur ein sehr eingeschrÅnktes Spektrum der Mitarbeit von Laien zulÅßt. Den FÛhrungsanspruch des Papstes erneuerte das Apostolische Schreiben „ºber die theologische und rechtliche Natur der Bischofskonferenzen“ (1998). Zur ontologischen Vorordnung der Universalkirche siehe Anm. 330, III. Kap. – Insgesamt s. u., S. 359 ff.

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„Faktor der Rezeption durch die Kirchenangeh×rigen unterschÅtzt“342 wurde. Auch die in der Alten Kirche vorherrschende Bedeutung der Ortskirche, die sich im trinitarisch-kommunialen Ansatz widerspiegelt, blieb in ihrem VerhÅltnis zur Universalkirche ungeklÅrt. Die pneumatologischen Akzente der trinitarisch-kommunialen Ekklesiologie werteten die Ortskirche zwar auf, aber das christozentrischhierarchische VerstÅndnis rÅumte der Universalkirche PrioritÅt ein. Hinzu kam, daß die trinitarisch-kommunialen AnsÅtze selbst defizitÅr und ambivalent blieben, wenn man etwa in Lumen Gentium Vater, Sohn und Geist je fÛr sich als ekklesiologische Grundlage betrachtete, oder in Unitatis Redintegratio (UR 2) trinitarischekklesiologische Strukturen mit der christozentrischen Hierarchie verband.343 Daß einseitige trinitÅtstheologische AnsÅtze erneut zur ontologisch-hierarchischen Vorordnung der Universalkirche fÛhren k×nnen, belegen das sogenannte „Communio-Papier“ der r×mischen Glaubenskongregation (1992) und deren Verlautbarung „Dominus Iesus“ (2000), die beide unter dem Einfluß der einseitig konzipierten Communio-Ekklesiologie Joseph Ratzingers stehen und der ontologisch vorgeordneten r×mischen Universalkirche exklusiv wahre Kirchlichkeit einrÅumen.344 Nachdem im Anschluß an die fortschrittlichen AnsÅtze des Zweiten Vatikanischen Konzils ein ×kumenischer Aufbruch zu verzeichnen war, sind diese Verlautbarungen Zeichen einer restriktiven amtstheologischen Entwicklung zur Auslegung des Zweiten Vatikanischen Konzils im Sinne des Ersten Vatikanischen Konzils.

Die M×glichkeit dieser Entwicklung, in der kaum Konsequenzen aus dem verheißungsvollen trinitarisch-ekklesiologischen Ansatz des Zweiten Vatikanischen Konzils gezogen wurden, lag nicht zuletzt darin begrÛndet, daß sowohl die TrinitÅtslehre als auch die VerknÛpfung von Gotteslehre und Ekklesiologie noch zu viele Defizite aufwiesen. Das sah auch Papst Paul VI., als er 1973 als unerlÅßliche ErgÅnzung zum Konzil ein neues Studium des Heiligen Geistes forderte.345 Konkret verlangt der katholische Theologe

342 K. Walf: Lakunen, S. 204. „Eine Kirche, eine communio, in der die Laien jedoch lediglich als passive ‚Schutzgenossen‘ gesehen werden, verbaut sich ihre eigene Zukunft.“ (Ebd.) Vgl. zu der in der Alten Kirche noch gewÅhrleisteten Bedeutung des Kirchenvolkes fÛr die Rezeption von Lehrentscheidungen und fÛr kirchliche Wahlen H. M. Legrand: Entwicklung, S. 155 ff. Vgl. insgesamt ebd., S. 158 f.; K. Rahner/H. Vorgrimler (Hg.): Konzilskompendium, S. 111 ff. u. 122; W. Beinert: Bild, S. 36 f.; K. Walf: Lakunen, S. 199 ff.; J. M. Tillard: II. Vatikanum, S. 326 f. Walf und Tillard zeigen, wie unprÅzise sich die konkrete Funktion und Vollmacht des Bischofskollegiums darstellt. Vgl. zum VerstÅndnis des Konzils auch die detaillierten Analysen bei J. C. Hampe (Hg.): AutoritÅt I-III, bes. Bd. I, S. 109–242 (Offenbarung), S. 243–374 (Wesen der Kirche), Bd. II (Šmter und °kumene). Vgl. zur protestantischen EinschÅtzung der Konzilsergebnisse E. Schlink: Konzil; F. Siegmund-Schultze (Hg.): Zweites Vatikanisches Konzil; G. A. Lindbeck (Hg.): Dialog. 343 Vgl. M. Volf: TrinitÅt, S. 209, Anm. 116. 344 Zu „Dominus Iesus“ vgl. ErklÅrung, Nr. 16 u. 17 (s. u., S. 361 ff.). Zum „Communio-Papier“ s. u., S. 359 ff., und zur Interdependenz von trinitÅtstheologischen und ekklesiologischen Defiziten in Ratzingers Communio-Ekklesiologie siehe Kap. V,1. 345 Vgl. H. Heinz: Variationen, S. 339. Vgl. ferner H. M. Legrand: Entwicklung, S. 152 f.

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Jean M. Tillard, das Kirchenrecht an der Gnade zu orientieren, in der jeder Christ im Heiligen Geist und durch die Taufe steht. Eine pyramidal-christomonistische Ekklesiologie sei versucht, diese grundlegende Ebene des Rechts zu vergessen, was schon der Begriff plena potestas zum Ausdruck bringe, der als juridisch-politisches Vokabular des Mittelalters die Vorstellung vom Recht des souverÅnen Herrschers vermittle. Vor dem Hintergrund der noch bestehenden Probleme und ×kumenischen Herausforderungen prÅzisierte Tillard die zu bewÅltigende Aufgabe folgendermaßen: „Genauer muß man sich fragen, in welcher Beziehung Christus und der Geist nicht nur hinsichtlich der Stiftung, sondern auch hinsichtlich der Konstitution der Kirche stehen.“346 Es galt also, sich noch intensiver den dogmatischen Grundfragen und der Gotteslehre zu widmen. „Schon wÅhrend des Konzils, mehr noch nach seinem Abschluß Ûberrundete [deshalb] die Theo-logie [sic] (die Lehre von Gott) die Ekklesiologie.“ Um daraus angemessene Fortschritte erzielen zu k×nnen, muß „ergÅnzend zur Christologie [.] die TrinitÅtslehre mitsamt der Pneumatologie als das Zentrum des theologischen Forschens“347 gelten. Besonders Karl Rahner hatte gegen Ende des Konzils auf das zentrale Gewicht der Gotteslehre und speziell der TrinitÅtslehre hingewiesen. Angesichts der in allen Konfessionen beobachteten ekklesiologisch relevanten Defizite bei der VerhÅltnisbestimmung von Christologie und Pneumatologie und der ihnen zugrunde liegenden offenbarungstheologischen Unsicherheiten war es bedeutsam, daß Karl Rahner versuchte, die TrinitÅtslehre konsequent von der ×konomischen TrinitÅt her zu erneuern. Denn er griff auf diese Weise sowohl die Frage der authentischen Gotteserkenntnis als auch die Frage nach ihrer Heilsbedeutung und somit nach ihrer ekklesiologischen Relevanz auf. Da sich dieser Aufgabe auch Theologen der Ûbrigen Konfessionen widmeten, sollen reprÅsentative Versuche trinitÅtstheologischer Erneuerung analysiert werden, um darstellen zu k×nnen, welche Basis sie fÛr eine angemessene trinitarische BegrÛndung des KirchenverstÅndnisses liefern und wo sie weiterhin Probleme oder Einseitigkeiten aufweisen. Nur so ist zu ermitteln, inwieweit auch heute noch offenbarungs- und trinitÅtstheologische Defizite bestehen, welche ekklesiologischen Konsequenzen sie haben und wie sie von der altkirchlichen TrinitÅtslehre her zu Ûberwinden sind, um die Grundlagen einer gemeinsamen Gotteslehre und des darauf beruhenden KirchenverstÅndnisses zu erlangen. Auf diese Weise er×ffnen sich konkrete und realistische Perspektiven fÛr eine ×kumenische Ekklesiologie bzw. fÛr die Ekklesiologie-Studie von „Glauben und Kirchenverfassung“, die ein trinitarisch begrÛndetes Koinonia-Konzept zu entwickeln versucht. 346 347

J. M. Tillard: II. Vatikanum, S. 323. Vgl. insgesamt ebd., S. 325 u. 327–329. H. Heinz: Variationen, S. 338. Vgl. B. J. Hilberath: Gott, S. 58.

IV. Kapitel: Zeitgen×ssische katholische, protestantische und orthodoxe Versuche einer heils×konomisch orientierten NeubegrÛndung der TrinitÅtslehre 1. Die westlich geprÅgten AnsÅtze Karl Rahners und Eberhard JÛngels mit ihrer Betonung der INTRApersonalen Dimension Gottes 1.1 Karl Rahner 1.1.1 Fortschritte Karl Rahner bescheinigt dem Zweiten Vatikanischen Konzil zwar, die TrinitÅt im heils×konomischen Kontext behandelt zu haben, aber er konstatiert zugleich, daß dies weitgehend unreflektiert und inkonsequent geschehen sei. Das reiche jedoch „zu einer wirklich theologischen Revision der durchschnittlichen Schultheologie der TrinitÅt nicht aus“1. Eine solche Revision hÅlt Rahner aber aus verschiedenen GrÛnden fÛr geboten. GrundsÅtzlich moniert er den lediglich „monotheistischen“2 Glaubensvollzug im westlichen Christentum, der aus der metaphysisch-abstrakten Entwicklung augustinisch-abendlÅndischer TrinitÅtstheologie3 resultiert und faktisch nur die soteriologische Beziehung des einen g×ttlichen Wesens zum Menschen darstellt. Weil die katholische Schultheologie von dieser heilsgeschichtlichen Einheit des g×ttlichen Handelns „nach außen“ (ad extra) ausging, galten die heilsgeschichtlichen Sendungen lediglich als appropriiert und ließen keine SchlÛsse auf das Wesen der g×ttlichen Hypostasen zu, denen sie zugeschrieben waren. Rahner erlÅutert, wie dieses Denken ein monotheistisches bzw. unitarisches VerstÅndnis der Sch×pfungs-, Erl×sungs- und Gnadenlehre nach sich zog. Durch die Gemeinsamkeit der g×ttlichen Werke ad extra trÅgt die Sch×pfung keine Spuren der TrinitÅt in sich, so daß die „vestigia trinitatis“ als fromme Spekulationen erschienen, die keine Erkenntnisse Ûber das Leben Gottes und der Welt beinhalten. Nicht anders verhÅlt es sich mit der MenschwerK. Rahner: Gott, S. 319. Vgl. ders.: Herausforderung. Da der trinitarische Gottesbegriff durchaus einen „konkreten Monotheismus“ (W. Kasper) verk×rpert, wÅre die Rede von einem „unitarischen“ Glaubensvollzug zutreffender gewesen (siehe Anm. 44, I. Kap.). 3 Zur Entwicklung der TrinitÅtslehre in der westlichen Theologie siehe Kap. III. 1 2

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Zeitgen×ssische NeubegrÛndung der TrinitÅtslehre

dung Gottes bzw. mit der Erl×sung, die sich nicht als innertrinitarische EigentÛmlichkeit des Logos zu erkennen gibt, wenn jede der g×ttlichen Personen hÅtte Mensch werden k×nnen bzw. die Eigenschaft besitzt, eine hypostatische Union mit der gesch×pflichen Wirklichkeit einzugehen. „Kein Wunder also, wenn die Fr×mmigkeit aus der Lehre von der Menschwerdung faktisch doch nur heraush×rt, daß ‚Gott‘ Mensch geworden ist, ohne darin eine deutliche Aussage Ûber die TrinitÅt mitzuvernehmen.“ So wundert es nach Rahner auch nicht, daß „diese Lehre in keiner Weise darauf [. . .] reflektiert, daß die Genugtuung gerade vom Verbum incarnatum (und nicht einfach vom Deus-homo) geleistet wurde, und daß man sich darum ebensogut denken k×nnte, daß eine andere g×ttliche Person als Mensch dem dreifaltigen Gott eine satisfactio condigna hÅtte leisten k×nnen, ja auch eine solche ebensogut fÛr uns denkbar wÅre, ohne daß die TrinitÅt als Bedingung ihrer M×glichkeit Ûberhaupt vorausgesetzt wÛrde“4. Dadurch erhÅlt auch die Gnadenlehre eine unitarische Ausrichtung, die sich in der scholastischen Lehre von der „geschaffenen Gnade“ manifestiert. Denn die „geschaffene Gnade“ gilt als quasi-natÛrlicher Habitus, der die anthropologische Struktur des Menschen prÅgt und von dem einen g×ttlichen Wesen bewirkt wird bzw. auf dieses ausgerichtet ist. Weil die „geschaffene Gnade“ als Formalursache der Einwohnung Gottes im Menschen verstanden wird, lÅßt sich die heiligende Einwohnung nicht als pers×nliche Zuwendung oder EigentÛmlichkeit des Heiligen Geistes erkennen. VerstÅrkt wird diese Problematik durch die schultheologische Anschauung, den trinitarischen Personen sei eine ihnen eigentÛmliche Beziehung zur Welt nur durch eine hypostatische Union mit der Welt m×glich, insofern als der Unterschied zwischen den trinitarischen Personen allein im hypostatischen Sein liege und eine hypostatisch eigene Beziehung ad extra deshalb eine hypostatisch einende Beziehung zwischen Hypostase und weltlicher Wirklichkeit sein mÛsse. Vor diesem Hintergrund wÅre die hypostatische Union des Logos mit der gesch×pflichen Wirklichkeit von jeder trinitarischen Hypostase zu vollziehen, so daß auch sie lediglich als appropriiert erscheint. Auch die Einwohnung des Heiligen Geistes lÅßt sich nach dieser Auffassung nicht als reale pneumatologische Selbstmitteilung Gottes verstehen, weil es sich hier explizit nicht um eine hypostatische Union handelt, welche ja grundsÅtzlich als Voraussetzung fÛr eine eigentÛmliche Beziehung zur Sch×pfung gilt. Angesichts dieser Formen des unspezifischen einheitlichen Handelns Gottes „ad extra“ spielt die TrinitÅt keine Rolle fÛr die Rechtfertigungslehre. Das steht nach Rahner allerdings im Widerspruch zur

4 K. Rahner: Gott, S. 320 f. Vgl. insgesamt ebd., S. 319 ff. u. 330 ff. Der erste Abschnitt der hier zitierten Untersuchung Rahners von 1967 ist eine ºberarbeitung seines Beitrags von 1960: „Bemerkungen zum dogmatischen Traktat ‚De Trinitate‘“ (vgl. ders.: Bemerkungen/Traktat).

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trinitarisch bestimmten Lehre von der eschatologischen Schau der g×ttlichen Dreifaltigkeit (visio beatifica), da man die dort vorausgesetzten realontologischen Beziehungen der trinitarischen Personen zum Menschen nicht vorher bei der Heilszueignung leugnen k×nne, wenn man sie in der Eschatologie beibehalten wolle. Mit dieser Leugnung werde die Heilsrelevanz der TrinitÅt bestritten, wodurch „der Traktat Ûber die Heilige Dreifaltigkeit im GefÛge der ganzen Dogmatik ziemlich isoliert dasteht“5. Den Verlust der Heilsrelevanz sieht Rahner auch in der seit Thomas von Aquin Ûblichen Scheidung bzw. Reihung der Traktate „De Deo uno – De Deo trino“ begrÛndet. Mit dem Traktat „De Deo uno“ wird im Kontext der augustinisch-abendlÅndischen Orientierung an der Einheit des Wesens Gottes dessen natÛrliche Ableitbarkeit als „essentielle“ Gotteslehre vorgeschaltet. Heilsgeschichtliche Erfahrung tritt so hinter metaphysische Spekulation zurÛck. Gott wird zum Objekt der natÛrlichen und theoretischen Vernunft, die g×ttliche Eigenschaften apriorisch aus der Einheit des g×ttlichen Wesens deduziert und dessen Selbsterschließung negiert.6 Indem der Traktat „De Deo trino“ damit nur noch als AnhÅngsel der grundsÅtzlich unitarischen Gotteslehre fungiert, fÅllt ihm keine revelatorische und soteriologische Bedeutung mehr zu. Unter solchen Voraussetzungen bleibt auch die psychologische TrinitÅtsspekulation eine abstrakt-innerweltliche Philosophie des endlichen Geistes. Ferner sind die vestigia trinitatis ausgeblendet, denn wenn „fÛr diese Theologie in der Welt und Heilsgeschichte die TrinitÅt als Wirklichkeit nicht vorkommt, dann ist es mindestens nicht wahrscheinlich, daß sich da auch nur die leiseste Kenntnis von ihr findet“7. Angesichts der Ausblendung der revelatorischen und soteriologischen QualitÅt der TrinitÅt, auf der die Funktionslosigkeit der TrinitÅtslehre beruht, erscheint die TrinitÅt als Mythologie, die keine Heils- oder Offenbarungs-

5 Ders.: Gott, S. 322. Vgl. insgesamt zur Problematik der appropriierten Gnadenbeziehungen und zur univoken Zuordnung der hypostatischen Union ebd., S. 321 f. u. 330 ff. Zum VerhÅltnis von „geschaffener Gnade“ und Einwohnung Gottes im Menschen sowie der damit verbundenen unitarischen Rechtfertigungslehre vgl. ders.: Begrifflichkeit, S. 372 ff.; ders.: Art. „TrinitÅt“, Sp. 1012; ders.: Art. „TrinitÅtstheologie“, Sp. 1030; ders.: Erlebnis, S. 67 ff.; K. Fischer: Mensch, S. 360 f.; L. Oeing-Hanhoff: Ontologie, S. 164; R. Flogaus: Theosis, S. 396 ff., und M. Delgado/M. Lutz-Bachmann (Hg.): Theologie, wo Rahners Theologie unter verschiedenen Perspektiven analysiert wird. 6 Vgl. K. Rahner: Gott, S. 323 ff.; ders.: Art. „TrinitÅtstheologie“, Sp. 1022 ff. – P. Siller: Gotteslehre, S. 12, bemerkt zu der von Rahner kritisierten Vorschaltung der natÛrlichen Deduktion g×ttlicher Eigenschaften: „ºber die Logik eines solchen Vorgehens gibt man sich keine Rechenschaft, so daß der Eindruck entsteht, es handle sich um eine ansichseiende Naturnotwendigkeit, der unser Denken von außen folgt.“ In Wirklichkeit unterwirft man aber Gott der Spekulation des eigenen Denkens. (Vgl. ebd., wo sich Siller auf B. Welte beruft.) Vgl. dazu auch B. J. Hilberath: Gott, S. 19. 7 K. Rahner: Gott, S. 327. Vgl. zur kritischen EinschÅtzung der psychologischen TrinitÅtsspekulation ebd., S. 325 f. u. 396; ders.: Grundkurs, S. 141; K. Fischer: Mensch, S. 363.

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gewißheit gewÅhrt.8 Es ist nicht mehr zu verdeutlichen, daß Gott als lebendige Liebe den Menschen seine hingebungsvolle Gemeinschaft er×ffnet, um sie zu erl×sen. Die in der Schrift bezeugte AuthentizitÅt der Gotteserkenntnis und ihre Heilsrelevanz sind nach Rahner nur dann wieder zu garantieren, wenn ernst genommen wird, daß sich Gott in der Heilsgeschichte erschließt. Deshalb grÛndet Rahner seine TrinitÅtslehre auf das Grundaxiom „Die ‚×konomische‘ TrinitÅt ist die ‚immanente‘ TrinitÅt und umgekehrt.“ Von diesem Ansatzpunkt aus hÅlt es Rahner fÛr dringend geboten, gegenÛber der Schultheologie „eine TrinitÅtslehre systematisch zu entwickeln, die [. . .] die biblischen Aussagen Ûber die Heils×konomie, deren dreifaltige Struktur und [. . .] die expliziten biblischen SÅtze im Blick auf den Vater, Sohn und Geist unbefangener wÛrdigen kann“ und „verstehen lÅßt, daß die TrinitÅt auch im Vollzug des christlichen Glaubens als Heilsglaubens und im christlichen Leben vorkommt und vorkommen muß“, insofern als „der wahre und letzte Begriff der Gnade (und so der Heilsgeschichte) als Selbstmitteilung Gottes (nicht primÅr als ‚geschaffene‘ Gnade) in Christus und seinem Pneuma aufgefaßt werden muß“9. Rahner setzt sich also von der spekulativ-unitarischen Weiterentwicklung des abendlÅndischen Augustinismus ab und greift dezidiert auf das biblische Zeugnis, die altkirchlichen Bekenntnisse und die ×stliche voraugustinische Tradition zurÛck. Deshalb geht er nicht von der einen Wesenheit Gottes aus, sondern von dem ursprunglosen Vater, der sich durch den Heiligen Geist im Sohn selbst aussagt, wie es die voraugustinische Tradition bezeugt: „Der Vater ist fÛr sie per definitionem als der Ursprunglose der grundsÅtzlich ‚Unsichtbare‘, der gerade dadurch sich offenbart und erscheint, daß er sein Wort in die Welt sagt, das per definitionem innerg×ttlich und ×konomisch die Offenbarung des Vaters ist, so daß eine Offenbarung des Vaters ohne den Logos und seine Inkarnation dasselbe wie ein Reden ohne Wort wÅre.“10 Durch den Heiligen Geist teilt sich der Vater im Sohn immanent und ×konomisch „wahrhaft selbst in und als Liebe“11 mit, weshalb Gott „der ursprunglose [sic], zu sich selbst sich vermittelnde [sic] (Vater), der in Wahrheit fÛr sich Ausgesagte (Sohn) und der in Liebe fÛr sich selbst EmpVgl. K. Rahner: Gott, S. 340 ff. u. 373 f. Ebd., S. 328. Rahners Grundaxiom, das er erstmals 1960 ver×ffentlichte (vgl. ders.: Bemerkungen/Traktat, S. 115), findet sich fast w×rtlich bereits in dem Artikel „Dreifaltigkeit“ von Henri de Lavalette im LThK 23, Sp. 544. Zu den auffÅlligen Gemeinsamkeiten zwischen Rahners AusfÛhrungen von 1960 und dem Artikel von H. de Lavalette bemerkt Rahner: „Der freundschaftliche Gedankenaustausch, der diesem Artikel des LThK vorausging, rechtfertigt diese Gemeinsamkeiten.“ (K. Rahner: Bemerkungen/Traktat, S. 103, Anm. 1) 10 K. Rahner: Gott, S. 333. Zu Rahners Bezugnahme auf die Schrift und die patristische Tradition des Ostens vgl. ebd., S. 323 f., 354, 371. Vgl. ferner T. F. Torrance: Consensus, S. 337 ff., der ebenfalls auf diese Orientierung Rahners hinweist. 11 K. Rahner: Gott, S. 360. 8 9

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fangene und Angenommene (Geist) ist, und dadurch derjenige ist, der in Freiheit sich ‚nach außen‘ selbstmitteilen kann“12. So erinnert Rahner daran, daß sich Gott in der Heils×konomie seinem Wesen gemÅß selbst mitteilt und die ×konomische TrinitÅt daher die Erkenntnisgrundlage der immanenten TrinitÅt bildet (Erkenntnisordnung), wÅhrend sich umgekehrt die immanente TrinitÅt als ontologische Voraussetzung der freien und ungeschuldeten Selbstmitteilung „pro nobis“ erweist (Seinsordnung). Gnoseologisch liegt die PrioritÅt also auf der ×konomischen TrinitÅt und ontologisch auf der immanenten TrinitÅt.13 Rahners Grundaxiom hebt somit die Unterscheidung von ×konomischer und immanenter TrinitÅt nicht auf: „Keineswegs ist damit gemeint, daß Gott in der Heilsgeschichte aufgeht und die immanente TrinitÅt in dem Sinn ‚nichts anderes‘ sei als die ×konomische TrinitÅt“14. Nach Winfried Schachten handelt es sich um eine intensionale IdentitÅt, die eine ºbereinstimmung der Merkmale von ×konomischer und immanenter TrinitÅt beinhaltet.15 Auch wenn der Begriff der Selbstmitteilung das Zentrum von Rahners TrinitÅtslehre bildet, heißt das keineswegs, daß Gott nicht als bleibendes Geheimnis anerkannt wird. Denn der „Begriff der Selbstmitteilung besagt ja [. . .] gerade die absolute NÅhe Gottes als des unbegreiflichen und in seiner Unbegreiflichkeit bleibenden Geheimnisses“ sowie die „nicht-rÛckfÛhrbare FaktizitÅt dieser Selbstmitteilung“, deren „innere M×glichkeit [. . .] nie durchschaut wird“ und deshalb „nicht von einem anderen Punkt hergeleitet werden“16 kann. Nimmt man den Gottesbegriff ernst und erkennt man Gott als freies personales GegenÛber an, wird man Gott als eigenstÅndiges personales Geheimnis wahrnehmen, das sich als solches mitteilt: „Geoffenbart ist Gott als der in absoluter und vergebender NÅhe sich selbstmitteilende als Gott“17. Wie schon im Alten Testament erkennbar – und sich von anderen Gottesvorstellungen unterscheidend – ist die Selbstmitteilung Gottes daher „nicht nur als Faktum freie Tat Gottes und so nicht a priori ‚deduzierbar‘, sie ist auch in ihrem Wesen bleibendes Geheimnis“18. Weil es bei der Selbstmitteilung Gottes um die Offenbarung Gottes als eines personalen

12

Ebd., S. 384. Vgl. ebd., S. 383 f. Zur detaillierten Entfaltung des Grundaxioms vgl. ebd., S. 370 ff. Zum VerhÅltnis von Seins- und Erkenntnisordnung vgl. auch B. J. Hilberath: Gott, S. 37 u. 65. 14 B. J. Hilberath: Gott, S. 65. 15 Vgl. W. Schachten: VerhÅltnis, S. 21. 16 K. Rahner: Gott, S. 374, Anm. 10. Zur zentralen hermeneutischen und theologischen Funktion der Selbstmitteilung Gottes in Rahners TrinitÅtslehre vgl. B. van der Heijden: Karl Rahner, S. VI f. u. 3 ff. 17 K. Rahner: Bemerkungen/Begriff, S. 15. Vgl. ders.: Gott, S. 375. 18 Ders.: Art. „TrinitÅt“, Sp. 1013. Zum personalen Gottesbegriff und der geheimen Vorgeschichte der TrinitÅtsoffenbarung im Alten Testament vgl. ders.: Gott, S. 341 f. Vgl. dazu ferner P. Siller: Gotteslehre, S. 18. 13

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Geheimnisses geht, zielt die Rede von Gott als Geheimnis nicht im Sinne einer positivistisch-rationalen Theologie auf die UnzulÅnglichkeit menschlicher Erkenntniskraft bzw. auf das sich unserem Horizont entziehende g×ttliche Wesen und somit auf die notwendige ErgÅnzung natÛrlicher Theologie durch ÛbernatÛrliche Theologie. Vielmehr handelt es sich um eine positive Aussage, die Aufschluß Ûber die Dimension des Geheimnisses bei Gott und den Menschen gibt und daher das Wesen Gottes und der Menschen erschließt.19 Das trifft zu, „weil unsere eigene Begnadigung und Herrlichkeit gar nicht anders v×llig erschlossen werden kann, als indem dieses [Gottes] Geheimnis gesagt wird, so daß beide Geheimnisse, das unserer Gnade und das Gottes in sich selbst, ein und dasselbe abgrÛndige Mysterium sind“20. Der Mensch bleibt nÅmlich in der Spannung zwischen Herkunft und Zukunft transzendental auf den letzten Grund seines Daseins verwiesen. Dieses SpannungsverhÅltnis bezeichnet Rahner auch als Spannung zwischen Geschichte und Transzendenz, zwischen Angebot und Annahme oder zwischen Erkenntnis und Liebe. Das transzendentale Geheimnis seiner Existenz, das von diesen vier Doppelaspekten gekennzeichnet ist, erfÅhrt der Mensch durch die Offenbarung des Geheimnisses Gottes, der sich im Wort bzw. Logos als Wahrheit und im Heiligen Geist als Liebe mitteilt und sich dadurch „als Wahrheit in Geschichte, Anfang und Angebot, und als Liebe in Transzendenz auf absolute Zukunft in Annahme auslegt“21. Also entsprechen die GrundmodalitÅten der g×ttlichen Selbstmitteilung als Wahrheit (Sohn) und Liebe (Geist) der Grundstruktur menschlicher Existenz, die von den beiden Seiten der Doppelaspekte geprÅgt ist. Denn unter dem Aspekt von „Herkunft, Geschichte, Angebot, Erkenntnis“ bedarf der Mensch der im Logos manifestierten Wahrheit, und zwar als Angebot geschichtlich vermittelter Erkenntnis. Unter dem Aspekt von „Zukunft, Transzendenz, Annahme, Liebe“ bedarf er der Liebe des Geistes, die Zukunft und Transzendenz er×ffnet und die Annahme des Angebots erm×glicht.22 Die trinitarische Selbsterschließung Gottes er×ffnet also nicht nur das Geheimnis des g×ttlichen Wesens, sondern auch das Geheimnis der menschlichen Existenz. Dieser Zusammenhang ist gegeben, weil Gott im Blick auf seine trinitarische Selbsterschließung den Menschen als entsprechenden Adressaten und Partner geschaffen hat.23

19 Vgl. K. Rahner: Gott, S. 345–349, und ders.: Begriff. Vgl. ferner W. Breuning: UnÅhnlichkeit, S. 373 ff.; W. Kasper: Gott, S. 164 ff.; K. Fischer: Mensch, S. 340 f. 20 K. Rahner: Gott, S. 340. 21 Ebd., S. 381 (Hervorhebung v. Vf.). 22 Zu den zwei Grundweisen der Selbstmitteilung Gottes vor dem Hintergrund der genannten vier Doppelaspekte vgl. ebd., S. 374 ff. Vgl. ferner B. J. Hilberath: Gott, S. 65 ff., und B. van der Heijden: Karl Rahner, S. 429 ff. 23 Vgl. K. Rahner: Gott, S. 383.

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Wenn Gott der Vater im Logos und im Heiligen Geist seinem Wesen gemÅß das Heil der Menschen bewirkt, ist die TrinitÅt nicht wie in der Schultheologie ein spekulatives AnhÅngsel, sondern ein „Heilsmysterium“, sie ist das „Ursprungsmysterium des Christentums“24: „Nur durch sie kann der schlichte Satz voll Unbegreiflichkeit und SelbstverstÅndlichkeit zumal radikal ernst genommen und ohne Abstriche aufrechterhalten werden, daß nÅmlich Gott selbst als das bleibende heilige Geheimnis, als der unfaßbare Grund des transzendierenden Daseins des Menschen nicht nur der Gott unendlicher Ferne ist, sondern der Gott absoluter NÅhe in wahrer Selbstmitteilung sein will und so in der geistigen Tiefe unserer Existenz wie auch in der Konkretheit unserer leibhaftigen Geschichte gegeben ist.“25 Rahner erweist somit erneut die zentrale Bedeutung der TrinitÅt fÛr „das Ganze der Dogmatik“26 und lÅßt die wesensmÅßige Selbstmitteilung Gottes in ihrer soteriologischen Relevanz ebenso zur Geltung kommen wie die Dimension des Geheimnisses: „Eine vertiefte Theologie des Geheimnisses verdanken wir vor allem Karl Rahner.“27 Das ist fÛr den Dialog mit den apophatisch orientierten Ostkirchen von Bedeutung. Rahner findet auf der Basis seines Grundaxioms und der daraus abgeleiteten Erkenntnisse ansatzweise zur ºberwindung der Zweiteilung von „natÛrlicher“ und „ÛbernatÛrlicher“ Offenbarung. Es wurde bereits deutlich, daß er in der Sch×pfung und besonders in der transzendentalen Konstitution des Menschen vestigia trinitatis erkennt. Diese erlauben aber keine rationalistisch-apriorische VerfÛgbarkeit der Gotteserkenntnis im Sinne einer isolierten natÛrlichen Theologie, sondern der in ihnen gegebene Vorbegriff „steht zur expliziten Selbstoffenbarung Gottes im VerhÅltnis allgemeiner Offenheit“28. Insofern bedarf auch die psychologische TrinitÅtsspekulation nach Rahner einer Orientierung an der heils×konomischen Erfahrung, wenn sie nicht bei einer innerweltlich-philosophischen Betrachtung des menschlichen Geistes verharren will.29 Trotz dieser Ausrichtung versuchte Rahner gleichzeitig, durch seinen von Joseph Mar³chal geprÅgten transzendentalen Ansatz Theologie als Anthropologie zu betreiben, wobei er sich bemÛht, „Kants Agnostizismus zu Ûberwinden und ihn auf eine NeubegrÛndung der Metaphysik hin zu Ûberbieten. Der ºberstieg vom Seienden auf das Sein hin, letztlich auf ein abso-

24

Ebd., S. 327. Vgl. ders.: Forderung, S. 162. Ders.: Grundkurs, S. 142. 26 Ders.: Art. „TrinitÅtstheologie“, Sp. 1025. 27 W. Kasper: Gott, S. 164. 28 K. Fischer: Mensch, S. 344. Vgl. ebd., S. 340; K. Rahner: Gott, S. 327 u. 374 ff.; W. Breuning: UnÅhnlichkeit, S. 375: „Es ist insbesondere Karl Rahners Verdienst, diesen Einsichten in der katholischen Theologie gedient zu haben.“ 29 Vgl. K. Rahner: Gott, S. 326, 347, 393 ff. 25

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lutes Geheimnis hin ist ihm die Bedingung der M×glichkeit endlicher Erkenntnis.“30 Auch wenn dieser Ansatz Probleme in sich birgt – wie noch zu zeigen ist –, beinhaltet er den Versuch Rahners, denjenigen theologischen Richtungen zu widerstehen, die jegliche „natÛrliche“ Dimension ausblenden m×chten. Mit seiner primÅren Orientierung an der heils×konomischen Selbsterschließung Gottes und dem daraus resultierenden Duktus seines Grundaxioms konnte sich Rahner zu Recht auf die Schrift und die Alte Kirche berufen, was das zweite Kapitel der vorliegenden Untersuchung belegt.31 Dabei lÅßt sich eine besondere AffinitÅt Rahners zu Athanasius und den Kappadoziern beobachten, die fÛr die altkirchliche Entwicklung von maßgeblicher Bedeutung waren.32 So finden sich in Rahners Konzeption deutliche Spuren des athanasianisch-kappadozischen OffenbarungsverstÅndnisses, das die Diastase zwischen natÛrlicher und ÛbernatÛrlicher Offenbarung Ûberwindet, indem es darlegt, wie die natÛrliche „Ahnung“ von Gott nur durch die heils×konomische Selbsterschließung Gottes zum Ziel gelangen kann. Denn authentische Gotteserkenntnis ist auch nach diesen KirchenvÅtern nur durch die heilsgeschichtliche Gemeinschaft mit Gott m×glich, insofern als sich der transzendente Gott in dieser Gemeinschaft als personales Geheimnis erschließt, das zugleich die wahre Erkenntnis von Mensch und Welt er×ffnet. So erweist sich die TrinitÅt wie bei Rahner als das zentrale Heilsmysterium, das in der immanenten TrinitÅt begrÛndet ist und in der freien ×konomischen Selbsterschließung pro nobis erfahrbar wird.33 Davon abgesehen, daß sich Rahner auch auf den in gleicher Weise von Luther vertretenen Ansatz hÅtte berufen k×nnen34, ist Rahners Grundaxiom ebenso in anderen kirchengeschichtlichen Phasen trinitÅtstheologischer Besinnung grundsÅtzlich vorweggenommen. Das zeigt im 19. Jahrhundert Staudenmaiers Rede von der Nichtigkeit des Unterschiedes zwischen Offenbarungs- und WesenstrinitÅt sowie sein hermeneutisches Ansetzen bei der OffenbarungstrinitÅt, worauf im 20. Jahrhundert vor Rahner bereits Schmaus zurÛckgriff.35 Auf protestantischer Seite finden sich im 19. Jahrhundert solche AnsÅtze bei den Vermittlungstheologen Nitzsch und Twesten36, wÅhrend im 20. Jahrhundert Karl Barth zu nennen ist, der mit seiner wirkungsgeschichtlich bedeutsamen trinitarischen Besinnung einen unumstrittenen

30 W. Kasper: Gott, S. 75. Vgl. B. van der Heijden: Karl Rahner, S. 66 ff. Grundlegend Åußert sich Rahner zu seiner anthropozentrischen BegrÛndung der Theologie in seinem Beitrag „Theologie und Anthropologie“ (vgl. ders.: Theologie/Anthropologie). 31 Siehe Kap. II,1 u. 2. 32 Vgl. K. Rahner: Art. „TrinitÅt“, Sp. 1011; T. F. Torrance: Consensus, S. 337 ff. 33 S. o., S. 120 ff., und siehe Kap. II,3. 34 S. o., S. 180 f. 35 Zu Staudenmaier s. o., S. 224 f. Vgl. W. Kasper: Gott, S. 334. Zu Schmaus s. o., S. 232. Vgl. ferner K. Rahner: Art. „TrinitÅtstheologie“, Sp. 1022. 36 S. o., S. 204 f.

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Einfluß auf Rahner hinterließ. Das gilt sowohl fÛr Barths Konzentration auf den Offenbarungsgedanken als auch fÛr die daraus abgeleitete Einsicht Barths, daß „die uns in der Offenbarung begegnende Wirklichkeit Gottes [. . .] seine Wirklichkeit in allen Tiefen der Ewigkeit“37 ist. WÅhrend Rahner Barths westlicher Fixierung auf die intrapersonale Dimension der TrinitÅt folgt, geht er mit seinem Begriff der IdentitÅt von ×konomischer und immanenter TrinitÅt Ûber Barths Analogiebegriff hinaus und bestÅrkt damit den revelatorischen und soteriologischen Zusammenhang von ×konomischer und immanenter TrinitÅt, ohne die Unterscheidung beider Aspekte leugnen zu wollen.38 Bedenkt man, daß zum Beispiel auch die orthodoxen Theologen Zekos Rhoses (19. Jahrhundert) und John Meyendorff (20. Jahrhundert) inhaltlich Rahners Grundaxiom vertraten und diese Auffassung somit in allen großen Konfessionen wiederentdeckt wurde, ist mit Walter Kasper zu konstatieren: „Was K. Rahner als Grundaxiom formuliert, entspricht heute also einem breiten Konsens in der Theologie der verschiedensten Kirchen.“39 Bei der ºberwindung der schultheologischen Auffassung von den bloß appropriierten Beziehungen der trinitarischen Personen zu ihrem heils×konomischen Wirken konnte sich Rahner ebenfalls nicht nur auf die Alte Kirche stÛtzen, sondern auch auf patristisch orientierte Theologen wie Scheeben (19. Jahrhundert), der anhand einer differenzierten VerhÅltnisbestimmung von ×konomischer und immanenter TrinitÅt ein angemessenes VerhÅltnis von „GegenÛber und NÅhe“ Gottes erzielte, das die trinitarischen Sendungen als freie EntÅußerung der innertrinitarischen Proprien erkennen lÅßt.40 Auf dieser Grundlage, die sich ebenfalls bereits bei Luther findet, geht es Rahner – wie Luther und Scheeben – „um ein VerstÅndnis, das in RÛckbesinnung auf das biblische Zeugnis Gnade nicht als eine von den g×ttlichen Personen unterschiedene und lediglich appropriierte intermediÅre RealitÅt versteht, sondern als die pers×nliche Zuwendung und Gegenwart des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes in Sch×pfung, Vers×hnung und Vollendung“. WÅhrend sich in der scholastischen Gnadenlehre und im palamitischen Hesychasmus „ein Verschwinden der ×konomischen TrinitÅt hinter dem von dem einen g×ttlichen Wesen gewirkten Habitus bzw. hinter der aus ihm hervorgehenden Energie“41 abzeichnet, kommt 37 KD I/1, S. 503. Zu Barths Ansatz insgesamt s. o., S. 207 ff. Vgl. zu Barths Einfluß auf Rahners TrinitÅtslehre C. Gestrich: Beitrag; W. Pannenberg: Theologie I, S. 355 f.; W. Schachten: VerhÅltnis, S. 20 f.; T. F. Torrance: Consensus, S. 337 ff.; W. Kern/Y. [M. J.] Congar: Geist, S. 108; D. Ritschl: Reiche, S. 469. 38 „Gott verhÅlt sich zu uns dreifaltig, und ebendies dreifaltige (freie und ungeschuldete) Verhalten zu uns ist nicht nur ein Abbild oder eine Analogie zur inneren TrinitÅt, sondern ist diese selbst“ (K. Rahner: Gott, S. 337). – K. Rosenthal: Bemerkungen, S. 142, entdeckt allerdings bei Rahner keinen expliziten Hinweis darauf, daß es sich lediglich um eine intensionale IdentitÅt handelt, wie W. Schachten: VerhÅltnis, S. 21, vermutet. 39 W. Kasper: Gott, S. 333. Vgl. zu Meyendorff ebd., und zu Rhoses s. o., S. 217 f. 40 S. o., S. 227. 41 R. Flogaus: Theosis, S. 397 f., der nachweist, daß Rahner wie Luther gegenÛber dem scholastischen und palamitischen VerstÅndnis der geschaffenen oder energetischen Gnade erneut auf biblischer und heils×konomischer Basis die Heilsrelevanz der trinitarischen Gegenwart Gottes herausstellt. Zu Luther siehe Kap. III,2, und zum palamitischen Hesychasmus s. o., S. 166 ff. – Rahners Ablehnung eines quasi vermittelnden Habitus unterstreicht auch T. F. Torrance: Consensus, S. 348.

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hier erneut die personale trinitarische Gegenwart Gottes in der Heils×konomie zum Tragen. Die damit erm×glichte ºberwindung der Vorstellung von einer geschaffenen oder energetischen Gnade beruht auf der Einsicht, daß Gott im Heilswirken des Sohnes und des Geistes selbst in jeweils eigentÛmlicher Weise gegenwÅrtig ist.

Die Inkarnation bietet fÛr diese Einsicht bzw. fÛr Rahners Grundaxiom einen dogmatisch sicheren Ausgangspunkt, weil in Jesus Christus unbestreitbar nicht Gott im allgemeinen, sondern die zweite g×ttliche Person, der Logos, Mensch geworden ist. Jesus weiß sich sowohl dem Vater als auch den Menschen gegenÛber in eigentÛmlicher Weise als der „Sohn“, was bei einer allgemeinen Menschwerdung des Vaters bzw. des g×ttlichen Wesens unm×glich gewesen wÅre. „Hier ereignet sich ‚außerhalb‘ des innerg×ttlichen Lebens in der Welt selbst etwas, was nicht einfach Ereignis des in WirkursÅchlichkeit in der Welt wirksamen dreipers×nlichen Gottes als des einen ist, sondern nur dem Logos allein zukommt, Geschichte einer g×ttlichen Person im Unterschied zu den anderen g×ttlichen Personen ist.“42 Weil sich der Sohn wesensmÅßig als immanente und ×konomische Selbstmitteilung des Vaters erweist (das Wort ward Fleisch/Joh 1,14), ist die Menschwerdung sein Proprium, was dann auch fÛr die hypostatische Union gilt. Hat die hypostatische Union somit nicht lediglich als appropriiert zu gelten, bedarf der Heilige Geist ihrer nicht fÛr eine personale Einigung mit den Menschen. Durch diese EntkrÅftung des schultheologischen Einwands, die Hypostasen k×nnten eine eigene Beziehung ad extra nur durch die hypostatische Union realisieren, lÅßt sich auch die Einwohnung des Heiligen Geistes als ihm eigentÛmliche und personale Beziehung zum Menschen erkennen: „[. . .] weil die dem Heiligen Geist in der Schrift zugeschriebene Einwohnung (als heiligende, konsekrierende, treibende usw. Macht) gerade der personalen Eigenart des Geistes und seines Ausgangs aus Vater und Sohn entspricht, kann durchaus gesagt werden, daß in dieser Weise nur der Geist dem Menschen einwohnt“43. Als Geber und Gabe bewirkt der im Menschen personal gegenwÅrtige Geist die liebende Annahme der g×ttlichen Mitteilung, so daß nicht mehr von einer „geschaffenen Gnade“ oder von geschaffenen Weltpotenzen die Rede sein kann, welche die Gefahr arianischen Denkens in sich tragen. Dieser Gefahr ist wie der umgekehrten Gefahr modalistischer AnsÅtze nur zu wehren, wenn Gottes trinitarische Anwesenheit in der Heils×konomie dem inneren Leben Gottes entspricht und die personale Anwesenheit der trinitarischen Personen „der realontologische Grund des Gnadenlebens im Menschen“44 ist. Deshalb muß nach Rahner die auf der

42 43 44

K. Rahner: Gott, S. 329. Vgl. ebd., S. 332 u. 359. Ders.: Begrifflichkeit, S. 374, Anm. 2. Vgl. insgesamt ders.: Gott, S. 330 ff., 339, 373. Ders.: Gott, 337. Vgl. ebd., S. 339 u. 373. Vgl. ders.: Erlebnis, S. 68 f.

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Selbstmitteilung Gottes beruhende „ungeschaffene Gnade“ zur Grundlage der Gnadenlehre werden, die davon lebt, daß sich Gott in seinem relationalperichoretischen Sein als dreifaltiger Gott zu uns verhÅlt, wodurch sich die wesentlichen HeilstÅtigkeiten der jeweiligen trinitarischen Personen als deren Proprien erweisen und ihnen nicht einfach appropriiert sind.45 Dabei achtet Rahner jedoch darauf, daß der eine Gott das eine GegenÛber des Menschen bleibt. In kritischer Auseinandersetzung mit Hegel greift Rahner zwar auf dessen Dialektik der Selbstunterscheidung Gottes zurÛck und lÅßt Hegels Grundgedanken in der Betonung der Menschwerdung des Logos und der entsprechenden menschlichen Werdegeschichte erkennen. Aber er legt Wert darauf, daß es sich um den in sich unverÅnderlichen Gott handelt, der sich am anderen bzw. am Menschen Åndern kann und deshalb „trotz seiner UnverÅnderlichkeit wahrhaft etwas werden kann“46. Diesen – wiederum bereits von Luther ausgefÛhrten47 – Gedanken begrÛndet Rahner mit der christologischen Formel des Konzils von Chalcedon (451), das neben der Einheit von Gottheit und Menschheit in der hypostatischen Union zugleich am „unvermischt“ festhÅlt, so daß Gottes Erl×sungshandeln in seinem „pro nobis“-Charakter erkennbar bleibt und nicht in sein Wesen hineinverlegt wird. Gottes „Werden“ am Menschen ist also im Unterschied zu Hegel kein Akt notwendiger Selbstkonstitution Gottes, sondern es handelt sich um die freie und liebende Tat Gottes, die aus seinem souverÅnen „Beisichsein“ entspringt. Deshalb wird die Sch×pfung nicht zu einem Moment Gottes, sondern sie kommt durch Gottes Heilshandeln in ihrem Selbstwert zu sich selbst.48 Das durch Rahners trinitÅtstheologischen Ansatz differenzierter begrÛndete VerhÅltnis von „GegenÛber und NÅhe“ Gottes hinterließ auch in der Ekklesiologie eine differenziertere Sichtweise. FÛr die schultheologische Konzeption der „geschaffenen Gnade“ ist der Heilige Geist laut Rahner „nur eine Wirklichkeit [. . .], die wir gleichsam durch eine bloße Åußere Indoktrination von [. . .] Kirchenlehre als in uns zwar gegeben, aber als schlechthin jenseits unserer eigenen spirituellen Erfahrung stehend wissen“49. GegenÛber einer solchen Weitergabe der Geisterfahrung durch eine Mittlerinstanz vermittelt die in Gottes Selbstmitteilung erfolgende personale Gegenwart

Vgl. ders.: Gott, S. 339, 362 ff., 367, 373. Ders.: Theologie/Menschwerdung, S. 147, Anm. 3. Vgl. K. Fischer: Mensch, S. 345 ff.; W. Kern: Pneumatologie, S. 87 ff.; ders./Y. [M. J.] Congar: Geist, S. 85. 47 Vgl. die große Abendmahlsschrift Luthers von 1528, die in diesem Kontext von E. JÛngel: Geheimnis, S. 126, und W. Kern: Pneumatologie, S. 88, zitiert wird: „[. . .] Gott in seiner Natur kann nicht sterben, aber nun Gott und Mensch vereinigt ist in einer Person, so heißts recht: Gottes Tode, wenn der Mensch stirbt, der mit Gott ein Ding oder eine Person ist“. (Vgl. zu diesen Gedanken Luthers WA 26,261 ff.) 48 Vgl. K. Fischer: Mensch, S. 347–352, und W. L×ser: TrinitÅtstheologie, S. 27 ff. – Zu Hegel s. o., S. 198 ff. 49 K. Rahner: Erlebnis, S. 65. Vgl. ebd., S. 66 f.: „Ein heilshafter ÛbernatÛrlicher Glaubensakt 45 46

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des Geistes im Menschen „die Unmittelbarkeit Gottes [. . .] als in Freiheit des Glaubens angenommener“50. Dadurch erhÅlt die Geisterfahrung aller Glaubenden wieder stÅrkeres Gewicht fÛr die Kirche, in der Geist und Institution zwar nicht beziehungslos nebeneinander stehen, aber auch nicht identisch sind, so daß in der Kirchengeschichte des ×fteren „manche Gabe des Geistes Gottes an seine Kirche besser in diesem einfachen, betenden Volk bewahrt wurde als bei manchen ‚KirchenfÛrsten‘“51. Das alles hat gleichzeitig ×kumenische Konsequenzen: „Alle Christen innerhalb und außerhalb der katholischen Kirche sind also, sofern sie nur ihrem Gewissen treu sind, miteinander verbunden im Geist der Kirche, im g×ttlichen Leben, fÛr das alles Kirchliche zwar wesensgemÅße Erscheinung ist, gewissermaßen sakramental-geschichtliches Zeichen, ohne aber mit diesem g×ttlichen Leben selbst identisch zu sein.“52 Außerdem erweise sich der Mensch im Horizont der Selbstmitteilung Gottes als gemeinschaftliches Wesen, was die Kirche widerzuspiegeln habe, zum Beispiel durch ein kollegial-synodales Prinzip.53

Rahner erzielt durch seine trinitÅtstheologische Besinnung also vielfÅltige theologische und ekklesiologische Fortschritte. Angesichts des faktischen Unitarismus westlicher Theologie kann er an die Heilsrelevanz der trinitarischen Sendungen und die Bedeutung der TrinitÅtslehre fÛr die gesamte Dogmatik erinnern, indem er offenbarungstheologisch das erkenntnistheoretische Gewicht der ×konomischen TrinitÅt nachweist. 1.1.2 Defizite Die skizzierten Fortschritte k×nnen jedoch nicht verbergen, daß auch Rahners TrinitÅtslehre noch Defizite aufweist, die weitgehend aus seinen offenbarungstheologischen PrÅmissen sowie aus Einseitigkeiten westlicher trinitÅtstheologischer Traditionen resultieren. Obwohl sich Rahner durch seinen heils×konomischen Ansatz von der augustinisch-scholastischen Traditionslinie mit ihrer psychologisch orientierten Geistmetaphysik abzusetzen versucht54, bleibt er ihren existentialistisch gefÅrbten Strukturen verhaftet55. Wenn Rahner etwa begrÛßt, daß seine trinitÅtstheologische Begrifflichkeit „die Einheit und Einzigkeit Gottes deutlicher unterstreicht“56, kommt die westliche Orientierung an der Einheit Gottes trotz des RÛckgriffs auf ×st-

besteht fÛr diese Schule aus verbal, doktrinÅr, kirchenlehrhaft vermittelten Bewußtseinsinhalten“. 50 Ebd., S. 72. Vgl. ebd., S. 73 ff. 51 Ders.: Dynamische/Kirche, S. 65. Vgl. ders.: Erlebnis, S. 79, und ders.: Konstitution, S. 228. Vgl. ferner H. Geisser: Schwierigkeiten, S. 56. 52 K. Rahner: Kirche/Kirchen, S. 367. 53 Vgl. ders.: Grundkurs, S. 336; ders.: Kirche/Kirchen, S. 359 ff.; ders.: Bild, S. 349. 54 Vgl. ders.: Gott, S. 326, 347, 395 ff. 55 Vgl. L. Scheffczyk: Traditionen, S. 49; T. F. Torrance: Consensus, S. 339. 56 K. Rahner: Gott, S. 391.

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liche KirchenvÅter zum Vorschein, was durch die Betonung der „Einfachheit Gottes“57 belegt wird. Die Ursache dieser Tendenz liegt in Rahners rein intrapersonaler Umsetzung der von ihm Ûbernommenen ostkirchlichen Verankerung von Gottes Einheit in der Person des Vaters: Die antike Berufung auf die eine g×ttliche Substanz wird von der neuzeitlich-idealistischen Vorstellung des absoluten Subjekts abgel×st, insofern als Sohn und Heiliger Geist als innerg×ttliche Selbstmitteilung des Vaters gelten und „nicht eigentlich eine gegenseitige [. . .] Liebe zwischen Vater und Sohn“58 und Geist darstellen. In diesem rein intrapersonalen Kontext erscheinen Sohn und Geist – als „die beiden Weisen der Selbstmitteilung“59 des Vaters – in einem subordinierten VerhÅltnis gegenÛber dem Vater. Das gilt besonders fÛr den Geist, dessen personbildende Ursprungsrelation im Unterschied zu Vater und Sohn als rein passiv verstanden wird, indem Vater und Sohn seine aktive Hauchung verk×rpern, wÅhrend er sich nur durch seine „HerkÛnftigkeit“ von Vater und Sohn definieren lÅßt. Den Sohn charakterisiert neben seiner AktivitÅt bei der Hauchung auch die PassivitÅt des Gezeugtseins. Allein dem Vater kommt als Zeugendem und Hauchendem keine passive Eigenschaft zu. Wenn der Heilige Geist genau umgekehrt als rein passiv erscheint, bleibt ausgeblendet, daß er aktiv Vater und Sohn verbindet. Auch der Hinweis, daß der Geist „willentlich“ aus Vater und Sohn entspringe60, widerspricht der Ansicht maßgeblicher KirchenvÅter (Athanasius: Orat. c. Arian. I–III) und bestÅtigt die auch bei Rahner anhaltende Wirkung des Filioque, das die Gefahr beinhaltet, den Geist als rein passiv Vater und Sohn unterzuordnen. Das resultiert aus der westlichen Neigung, „die Lehre von den ‚Sendungen‘“61 zu verabsolutieren und alle ×konomisch erkennbaren Beziehungen als Ursprungsbeziehungen zu betrachten, wodurch die innertrinitarischen Existenzbeziehungen ihre eigene QualitÅt verlieren und jede Verbindung zwischen Sohn und Geist als Ursprungsbeziehung erscheint. Die entsprechende Konzentration auf die Christologie lÅßt sich an der zentralen Funktion ablesen, welche die Inkarnation in Rahners Entwurf innehat. Da sich in ihr laut Rahner vollzieht, was geschehen muß, wenn Gott

57 Ders.: Art. „TrinitÅt“, Sp. 1020. Diese weiterhin bestehende Verankerung in der westlichen Tradition Ûbersieht C. Gestrich: Beitrag, S. 148, wenn er annimmt, Rahner gehe wie die Ostkirchen von der g×ttlichen Dreiheit aus. 58 K. Rahner: Gott, S. 387. Vgl. zum Einfluß der idealistischen Lehre vom absoluten Subjekt J. Moltmann: TrinitÅt, S. 162 ff., und B. J. Hilberath: Gott, S. 71 f. Nach E. Maurer: Tendenzen, S. 9, „ist nicht einzusehen, warum Rahner die Wechselseitigkeit der g×ttlichen Selbstannahme abblenden will“. 59 K. Rahner: Gott, S. 372. 60 Vgl. ebd., S. 360. Vgl. insgesamt ebd., S. 368, 384, 387. 61 Ebd., S. 347.

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sich in das Nichtg×ttliche entÅußert bzw. selbst mitteilt62, stellt sie die „Natur“ der intrapersonalen Selbstmitteilung Gottes dar. Diese Inkarnationstheologie lÅßt die Kreuzestheologie und das in ihr gegebene Zusammenspiel der drei g×ttlichen Personen bei der Heilstat am Kreuz in den Hintergrund treten. Entgegen seiner ursprÛnglichen Intention hebt Rahner deshalb die Bedeutung des einen g×ttlichen Subjekts hervor und bleibt so der westlichen Vorordnung der g×ttlichen Wesenseinheit verhaftet.63 DafÛr ist auch Rahners RÛckgriff auf die Strukturen menschlicher Existenz (existentialistische Grundlagen) verantwortlich, die ihm neben der heilsgeschichtlichen Selbstmitteilung Gottes als erkenntnistheoretischer Ausgangspunkt dienen. Aufgrund der transzendentalen Verwiesenheit des Menschen auf den trinitarischen Gott ist die Theologie nach Rahner als Anthropologie zu betreiben und „die TrinitÅtslehre ‚anthropologisch‘ zu lesen“64. Die menschliche Selbsterfahrung erm×gliche eine gewisse Einsicht in die Strukturen g×ttlicher Selbstmitteilung, da diese gemÅß der menschlichen Personstruktur ergehe. Weil sich die darauf beruhende Gotteserfahrung in Entsprechung zur anthropologischen Wende der neuzeitlichen Philosophie fÛr Rahner nicht auf die Welt und ihre Ordnung (kosmologisch), sondern auf die Existenz des Menschen (existentialistisch) grÛndet, gerÅt sie unter die PrÅmissen idealistischer Geistmetaphysik.65 Die TrinitÅt wird nach Maßgabe der neuzeitlich-individualistischen Anthropologie und unter Ausblendung moderner relationaler Existenz- und Personvorstellungen als Selbstkonstitution des absoluten Subjekts und somit rein intrapersonal verstanden.66 Durch diese ºbertragung der existentialistisch-intrapersonalen Geistmetaphysik auf den Gottesbegriff erscheint Gottes Wesen als innerg×ttliche Selbstmitteilung, deren bereits aufgezeigten vier Grund- bzw. Doppelaspekte sich von „unserer kreatÛrlich-menschlichen Grundverfassung her“67 ergeben. Der kategorialen (Geschichte, Erkenntnis) und transzen62

Vgl. ebd., S. 335, 376, 379 ff. Vgl. zu Rahners Christologie ders.: Grundlinien, S. 17 ff. Auch T. F. Torrance: Consensus, S. 346, ist der Auffassung, daß Rahner der westlichen Vorordnung des „De Deo uno“ letztlich doch nicht v×llig entrinnt. 64 K. Rahner: Theologie/Anthropologie, S. 48. 65 Vgl. ebd., S. 56 u. 61, und ders.: Gott, S. 375 ff. Zur heilsgeschichtlich und anthropologisch-existentialistisch begrÛndeten Hermeneutik Rahners vgl. ebd. Vgl. ferner K. Fischer: Mensch, S. 338, und B. van der Heijden: Karl Rahner, S. 434. Zur Maßgeblichkeit der anthropologischen Wende vgl. auch B. J. Hilberath: Gott, S. 81; W. Kasper: Gott, S. 75 u. 366 ff.; H. Petri: Problematik, S. 29. 66 Vgl. K. Rahner: Gott, S. 338 f., 343 f., 353 f., 365 f., 375 ff., 387 ff. Vgl. ferner J. Moltmann: TrinitÅt, S. 162 ff. 67 K. Rahner: Gott, S. 375. Vgl. ebd., S. 371 ff. u. 384. Zu den Doppelaspekten s. o., S. 246. Rahners ºbertragung anthropologischer Kategorien auf Gott wird auch von T. F. Torrance: Consensus, S. 345 ff.; B. J. Hilberath: Personbegriff, S. 12 u. 143; P. Siller: Gotteslehre, S. 14, und B. van der Heijden: Karl Rahner, S. 433 ff., moniert. Letzterer hebt hervor, daß bei Rahner „das letzte und h×chste Geheimnis der Dreifaltigkeit auch immanent als Selbstmitteilung Got63

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dentalen (Zukunft, Liebe) GrundmodalitÅt menschlicher Existenz hat die immanente Selbstmitteilung Gottes zu entsprechen, die sich als solche auch ×konomisch mitteilt: „Erkenntnis und Liebe beschreiben in ihrer einen Gezweitheit die Wirklichkeit des Menschen. Eine Selbstmitteilung Gottes an den Menschen muß sich also als Selbstmitteilung der absoluten Wahrheit [Sohn] und als solche der absoluten Liebe [Geist] an den Menschen konstituieren.“68 Indem sich der Gottesbegriff so von metaphysisch-existentialistischer Begrifflichkeit her definiert, wird die erkenntnistheoretische Ausrichtung an der Heils×konomie Ûberlagert. Die heils×konomisch prÅsente interpersonale Koinonia zwischen Vater, Sohn und Heiligem Geist kommt nicht mehr zur Geltung. Das innerg×ttliche Paradoxon von intra- und interpersonaler Dimension, welches in der biblischen Sprache bewahrt ist und nach welchem die eine g×ttliche Person in drei Personen existiert, wird von der geistmetaphysischen Begrifflichkeit und der rein intrapersonalen existentialistischen Konzeption des sich selbst entfaltenden absoluten Subjekts abgel×st. Deshalb spricht Rahner nicht von der Dreieinigkeit, sondern von der Dreifaltigkeit. FÛr die Gottesvorstellung ergibt sich die Notwendigkeit, daß „Gott sich innerg×ttlich ‚ausdrÛcken‘ ‚muß‘“69, und zugleich die M×glichkeit, mit den natÛrlichen menschlichen GeisteskrÅften formal zu erkennen, daß Gott „notwendig subsistieren mÛsse, und zwar (mindestens auch) in einer absoluten und in jeder Beziehung schlechthinnigen Ursprungslosigkeit“70. Die Problematik einer solchen natÛrlich-theologischen ºbertragung existentialistisch-geistmetaphysischer PrÅmissen auf Gott zeigt sich spÅtestens bei dem Versuch, aus den endlichen GrundmodalitÅten der Geschichtlichkeit (Wahrheit) und der Transzendenz (Liebe) RÛckschlÛsse auf das Wesen Gottes zu ziehen. Denn wenn „Transzendenz und Geschichte nicht Gott sind, kann aus ihrer Unterschiedenheit von Gott und unter sich auch nicht eine

tes verstanden“ wird (ebd., S. 428). Vgl. ferner P. J. Cordes: Communio, S. 148: „Die ‚Selbstmitteilung‘ Gottes ist das neue Zentralwort, und das Interesse an ihr ist vorwiegend von der Perspektive des EmpfÅngers bestimmt“. 68 K. Rahner: Gott, S. 378. Vgl. ders.: Art. „TrinitÅt“, Sp. 1020 f. Vgl. ferner B. van der Heijden: Karl Rahner, S. 433 ff. 69 K. Rahner: Theologie des Symbols, S. 293. Vgl. K. Fischer: Mensch, S. 354. Zur existentialistischen ºberdeckung des neutestamentlich bezeugten gegenseitigen personalen GegenÛbers von Vater, Sohn und Heiligem Geist vgl. J. Moltmann: Einheit, S. 100 u. 107, und T. F. Torrance: Consensus, S. 344 f. u. 347. Als Beleg vgl. K. Rahner: Gott, S. 366, Anm. 29: „Es gibt daher auch ‚innertrinitarisch‘ nicht ein gegenseitiges ‚Du‘. Der Sohn ist die Selbstaussage des Vaters, die nicht nochmals als ‚sagend‘ konzipiert werden darf, der Geist die ‚Gabe‘, die nicht nochmals gibt.“ 70 K. Rahner: Theos, S. 150. Vgl. ders.: Gott, S. 355. Vgl. ferner K. Fischer: Mensch, S. 342 ff. u. 354: „[. . .] daß Gott Ûberhaupt ‚muß‘, behauptet Rahner kraft analogisierender Anwendung seiner Geistmetaphysik auf Gott“.

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immanente Unterschiedenheit in Gott gefolgert werden“71. Aus der existentialistischen ºberlagerung des biblisch-×konomisch bezeugten intraund interpersonalen Wesens Gottes resultiert eine Hermeneutik, die als existentialistisch-×konomisch bezeichnet werden kann, weil weniger die biblische als vielmehr die existentialistische Begrifflichkeit das heils×konomische und damit das immanente GottesverstÅndnis zu prÅgen scheint. So reduziert Rahner bereits die Heils×konomie auf die intrapersonale Sichtweise, indem er die „Du“-Anrede zwischen Jesus und dem Vater ausschließlich der gesch×pflichen Ebene des inkarnierten Logos zuordnet. Deshalb lÅßt diese interpersonale Dimension keine RÛckschlÛsse auf die immanente TrinitÅt zu.72 Obwohl Rahner den paradoxalen Charakter der TrinitÅt erkennt, die trotz des einen g×ttlichen personalen Bewußtseins auch bei den jeweiligen trinitarischen Personen ein konkretes Bewußtsein aufweist und so oft in einer „nicht mehr Ûberholbaren Doppeltheit“73 ausgesagt werden muß, weicht er dem Paradoxon aus, indem er das Wesen Gottes analog der existentialistischen Geistmetaphysik auf den intrapersonalen Aspekt innersubjektiver Selbstmitteilung reduziert. Weil der Begriff der Selbstmitteilung auf diese Weise nicht nur die ×konomische, sondern auch die immanente TrinitÅt begrÛndet, kommt es zu einer formalen IdentitÅt von ×konomischer und immanenter TrinitÅt, die die heils×konomische TrinitÅt „ihrer geschichtlichen Eigenwirklichkeit beraubt und nur noch als zeitliche Erscheinung der ewigen immanenten TrinitÅt“74 hervortreten lÅßt. Das beruht nicht zuletzt auf der PrÅgung von Rahners Christologie durch eine hegelianisch gefÅrbte Anthropologie, die sich in der Anschauung Åußert, daß sich die „Selbstmitteilung Gottes [. . .] auf die eine Welt aus Geist und Materie (als der notwendigen Andersheit des endlichen Geistes) hinbewegt und [. . .] notwendig in der Inkarnation [. . .] ihren H×hepunkt“75 findet. „Will Gott in Freiheit aus sich selbst heraustreten, muß er – den Menschen schaffen.“76 So kann Rahner einerseits den Menschen als Chiffre bzw. als abgekÛrztes Wort Gottes bezeichnen und andererseits die Fleischwerdung als notwendige Struktur des Selbstangebotes Gottes darstellen, wodurch die pro nobis erfolgende Selbsthingabe Gottes in das Menschsein (theologia

B. van der Heijden: Karl Rahner, S. 438. Vgl. K. Rahner: Gott, S. 366, Anm. 29. Diese Funktionalisierung der Christologie fÛr Rahners intrapersonale Sichtweise kritisieren auch J. Werbick: TrinitÅtslehre, S. 535; B. van der Heijden: Karl Rahner, S. 437, und P. Schoonenberg: Diskussion, S. 131. 73 K. Rahner: Gott, S. 370. Vgl. ebd., S. 346 u. 366. 74 W. Kasper: Gott, S. 335. Vgl. die Kritik von E. JÛngel: VerhÅltnis, S. 360, der aufgrund der fehlenden „Dialektik von Gesetz und Evangelium“ eine „formale Identifizierung von ‚×konomischer‘ und ‚immanenter‘ TrinitÅt“ erkennt. Vgl. ferner B. J. Hilberath: Gott, S. 87. 75 K. Rahner: Gott, S. 376. 76 Ebd., S. 375. 71 72

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crucis) als sekundÅr erscheint.77 Weil die menschliche Natur nach Rahner vor diesem Hintergrund zum konstitutiven Realsymbol des Logos wird und dieser gleichzeitig als Realsymbol des Vaters gilt, entsteht eine unangemessene Identifizierung von g×ttlicher und menschlicher Natur, die sich auf der Grundlage der ºbertragung anthropologisch-existentialistischer Strukturen auf Gottes Wesen vollzieht.78 Das beruht wiederum auf der immer noch defizitÅren Bestimmung des VerhÅltnisses von natÛrlicher Theologie und Offenbarungstheologie, insofern als Rahner die anthropologischen Voraussetzungen zu unkritisch Ûbernimmt und ihre Ambivalenz unterschÅtzt, was seine Rede vom „anonymen Christentum“ bestÅtigt. Er entwickelt eine christologisch begrÛndete natÛrliche Theologie, nach der jeder Mensch transzendental auf die in Christus mitgeteilte Gnade ausgerichtet ist, diese positiv erwartet und schon als „Offenbarung“ annimmt, „wenn er sich selbst wirklich ganz annimmt“79, so daß die geistige Geschichte der Menschheit mit der Offenbarungsgeschichte koexistent verlÅuft und die Kirche nur noch als „h×here Entwicklungsphase dieses [anonymen] Christentums“80 gilt. Wie die Christologie beinahe als automatische Menschwerdung erscheint, ist umgekehrt der christliche Glaube als quasi-natÛrliche Eigenschaft des Menschen zu sehen. Eine solche Christologie, Soteriologie und Anthropologie k×nnte man als „ErgÅnzungstheologie“ bezeichnen, da die explizite Offenbarung und die kirchliche Heilsvermittlung nur noch als ErgÅnzung der natÛrlichen Entwicklung zum Heil in Erscheinung treten. Außerdem wirkt die Fleischwerdung Christi als ergÅnzender H×hepunkt des „Nach-außen-tretens“ Gottes, dessen Struktur mit den anthropologischen Grundstrukturen Ûbereinzustimmen hat, um den Verdacht von Mythologie abzuwenden. Doch diesbezÛglich ist mit Bert van der Heijden zu fragen: „Schließt dieser Begriff der Selbstmitteilung jeden Verdacht auf Mythologie aus? Warum wÛrde es kein unberechtigter Anthropomorphismus sein, in Gott eine ‚Struktur‘ und ein pers×nliches VerhÅltnis nach Art unseres pers×nliches [sic] Verhaltens vorauszusetzen?“81

77 Vgl. ebd., S. 379, und ders.: Theologie/Menschwerdung, S. 150: „Die AbkÛrzung, die Chiffre Gottes ist der Mensch [. . .]. Wenn Gott Nicht-gott sein will, entsteht der Mensch“. 78 Vgl. ders.: Theologie des Symbols, bes. S. 292; ders.: Gott, S. 335. Zu Rahners SymbolVerstÅndnis vgl. K. Fischer: Mensch, S. 353 ff. 79 K. Rahner: Christen, S. 549. Diese zitierte Schrift Ûber die anonymen Christen greift auf vielfache BegrÛndungen in anderen Schriften Rahners zurÛck. Vgl. dazu ders.: Randbemerkungen; ders.: Christentum; ders.: Theologie/Menschwerdung, und N. Schwerdtfeger: Der ‚anonyme Christ‘. 80 K. Rahner: Christentum, S. 155. Vgl. ders.: Bemerkungen/Begriff, S. 16. 81 B. van der Heijden: Karl Rahner, S. 434. Vgl. P. Siller: Gotteslehre, S. 14: „Denn solange und soweit Gott nur erreicht wird als von der Existenz und ihrer Situation je ern×tigt, wenn auch als der sie souverÅn Bestimmende, wird noch nicht vom g×ttlichen Gott gesprochen als dem, der das menschliche Wesen in freier Gnade erst in diese Not einweist.“ – Der Begriff „Er-

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Rahners natÛrlich-existentialistische Identifizierung menschlicher und g×ttlicher Wesensmerkmale fÛhrt zur formalen IdentitÅt von ×konomischer und immanenter TrinitÅt, die den Unterschied zwischen g×ttlichem und menschlichem Wesen ebensowenig deutlich werden lÅßt wie die Ambivalenz der transzendentalen Situation des Menschen und den heilsgeschichtlichen Anlaß der Inkarnation. So verdeckt die Konzeption Rahners, daß Gott die intra- und interpersonale Dimension in sich vereinigt, wÅhrend der Mensch als intrapersonal strukturiertes Einzelwesen fÛr die interpersonale Dimension der Gemeinschaft mit Gott und den Mitmenschen bedarf. In bezug auf die Ambivalenz der natÛrlichen Voraussetzungen wird kaum ersichtlich, daß der Selbstverg×ttlichungsdrang des Menschen zu einem Selbstwiderspruch im Vollzug des transzendentalen Bewahrtseins fÛhren kann. Dadurch bleibt hinsichtlich des heilsgeschichtlichen Anlasses der Inkarnation verborgen, daß Gott um der SÛnde willen (pro nobis) Mensch wurde. Das Åußert sich in der fehlenden theologia crucis und der verdrÅngten Dimension der Krisis bei den „natÛrlich“-anthropologischen Voraussetzungen und bringt den heils×konomischen Ansatz um sein kreuzestheologisches Šrgernis sowie um den entsprechend kenotischen Charakter. Es besteht die Gefahr, weiterhin von den natÛrlichen Voraussetzungen zu den ÛbernatÛrlichen ErgÅnzungen Ûberzugehen, statt das VerhÅltnis von – ÛberfÛhrendem – Gesetz und – erneuerndem – Evangelium zu berÛcksichtigen. Denn obwohl die Offenbarung an die Voraussetzungen der Sch×pfung anknÛpft, stellt sie bisher SelbstverstÅndliches in Frage, was die Notwendigkeit von Umkehr und den eschatologischen Mehrwert der Offenbarung unterstreicht.82 Die rein intrapersonalen und abstrakten Identifizierungen von menschlichen und g×ttlichen Existenzstrukturen hingegen k×nnen zur ungewollten Tendenz eines soteriologischen „Automatismus“ (ErgÅnzungstheologie) fÛhren, der Ûbersieht, daß es sich im VerhÅltnis von Gott und Mensch nicht um ein abstraktlineares ExistenzverhÅltnis handelt, sondern um die neutestamentlich bezeugte Gemeinschaft (Koinonia) zwischen Gott und Mensch. In ihr kommt auch die interpersonale Dimension Gottes zur Geltung, da der betende Mensch nicht allein im VerhÅltnis zur einen personalen Gottheit steht, sondern auch zur jeweiligen Person des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes.83 Rahners intrapersonaler und linearer Ansatz hat nicht nur zur Folge, daß Rahner mehr geistmetaphysisch von Gott als Selbstmitteilung und weniger bi-

gÅnzungstheologie“ wird vom Verfasser eingefÛhrt, weil er auch auf Åhnliche hermeneutische Konstellationen bei Theologen anderer Konfessionen zutrifft, was sich im folgenden noch zeigen wird. 82 Vgl. insgesamt E. JÛngel: Entsprechungen, S. 178–192; ders.: VerhÅltnis, S. 360; W. Kasper: Gott, S. 336. 83 Vgl. T. F. Torrance: Consensus, S. 342, und W. L×ser: TrinitÅtstheologie, S. 29 f.

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blisch von Gott als Liebe spricht, sondern er f×rdert auch eine zu undifferenzierte IdentitÅt von ×konomischer und immanenter TrinitÅt. Diese wurde wegen ihrer fehlenden distinctio vielfach kritisiert, weil sie ein Aufgehen der immanenten TrinitÅt in der ×konomischen TrinitÅt sowie die damit verbundene Gefahr der AbhÅngigkeit Gottes von der Welt nicht ganz ausschließt.84 Gleichzeitig verbindet sich dieser Ansatz mit der westlichen Betonung des GegenÛber-Seins von Gott und Mensch und der entsprechenden Konzentration auf die Gnadenlehre. Weil die TrinitÅt fÛr Rahner „im Mysterium der Gnade impliziert“ ist und die Gnade hinsichtlich der Offenbarungswirklichkeit der „Kern ist“85, besteht nach Walter Kasper die Gefahr, „daß die TrinitÅtslehre ihren strukturbildenden Charakter an die theologische Anthropologie abgetreten hat und nur noch als Erm×glichungsbedingung der Gnadenlehre reflektiert wird“86. Die Kosmologie und die Doxologie treten damit in den Hintergrund.87 FÛr die Doxologie ergibt sich im Kontext der Rede vom „anonymen Christentum“ außerdem die Gefahr, Gott „zu einem namenlosen Geheimnis“88 werden zu lassen. Das unterstreicht Rahners ErgÅnzung bzw. Ersetzung des trinitarischen Personbegriffs, in der sich die bisher genannten Probleme noch einmal bÛndeln. Wenn Rahner statt von drei „Personen“ lieber von drei „distinkten Subsistenzweisen“ spricht, benutzt er ein unverstÅndliches metasprachliches Geheimvokabular, das weder fÛr die VerkÛndigung noch fÛr die Doxologie geeignet erscheint, denn eine „distinkte Subsistenzweise kann man [. . .] nicht anrufen, anbeten und verherrlichen“89. Wie kann Rahner aber unter diesen Voraussetzungen seiner Zielrichtung gerecht werden, einen erklÅrenden und deutlicheren Begriff fÛr den seines Erachtens mißverstÅndlichen Personbegriff zu erhalten? Ursache seiner terminologischen Initiative war die Annahme, seit der neuzeitlichen Wende verbinde man mit „Person“ die individualistische Vorstellung des eigenstÅndigen Bewußtseins- und Aktzentrums, wÅhrend der Begriff zu Beginn seiner altkirchli84 Vgl. zum Spektrum dieser Kritik W. L×ser: TrinitÅtstheologie, S. 30 f. u. 41; J. Werbick: TrinitÅtslehre, S. 532 f., und E. Schlink: Dogmatik, S. 755. – Die benannte Gefahr kommt z. B. bei P. Schoonenberg: Diskussion, S. 155 ff., zum Tragen, der durch die totale Identifikation von ×konomischer und immanenter TrinitÅt jede distinctio leugnet und nur noch die heils×konomische Existenz von Sohn und Geist als GnadenkrÅfte des Vaters pro nobis akzeptiert (patromonistischer Subordinatianismus), unter dem Postulat, daß es in Gott immer auch die ×konomische TrinitÅt gibt. Letzteres beinhaltet die AbhÅngigkeit Gottes von seinem AußenverhÅltnis. 85 K. Rahner: Theologie/Anthropologie, S. 53. Vgl. ders.: Gott, S. 371. 86 W. Kasper: Gott, S. 368, der diese Gefahr am Aufbau von Rahners „Grundkurs des Glaubens“ festmacht. 87 Vgl. K. Rahner: Theologie/Anthropologie, S. 56, wo die kosmologische Dimension zugunsten des anthropologisch-existentialistischen Ansatzes verdrÅngt wird. 88 W. Kasper: Gott, S. 76. 89 Ebd., S. 351. Vgl. zu dieser vielfach geÅußerten Kritik P. Schoonenberg: Diskussion, S. 135; J. Moltmann: Geschichte, S. 123 f.; E. Gutwenger: TrinitÅtslehre, S. 328.

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chen Verwendung in modalistischer FÅrbung (Rolle, Maske) nur ein distinktes Subsistieren gemeint habe. Deshalb impliziere die heutige Verwendung des Personbegriffs in der TrinitÅtslehre ein tritheistisches MißverstÅndnis.90 Doch Rahners Bedenken sind sowohl hinsichtlich des altkirchlichen als auch des neuzeitlichen PersonverstÅndnisses zu hinterfragen. Es wurde bereits im zweiten Kapitel der vorliegenden Untersuchung nachgewiesen, daß schon der altkirchliche Person- und Hypostasenbegriff den Zusammenhang von Selbstand und Relation beinhaltete, so daß die Dimension des Selbstandes nicht erst seit der Neuzeit mit dem Personbegriff verbunden wird. Tertullian verstand unter dem trinitarischen Personbegriff – in Abgrenzung vom ×stlichen (Prosopon/Antlitz) und westlichen (Maske/Rolle) philosophischen VerstÅndnis – die Einheit von EigenstÅndigkeit und BeziehungsfÅhigkeit (Selbstand in Relation), die nicht nur fÛr die jeweiligen trinitarischen Personen zutrifft, sondern auch fÛr die intra- und interpersonale Gleichzeitigkeit des wesenseinen Seins Gottes.91 Die intra- und interpersonale Interdependenz von Sein und Gemeinschaft, die sich aus der heils×konomischen Erfahrung und nicht aus der Ableitung vom anthropologischen PersonverstÅndnis ergibt, prÅgte auch das HypostasenverstÅndnis der Kappadozier, nach dem jede Hypostase in ihrer Beziehung zu den anderen (Relation) ganz bei sich selbst ist (Selbstand). WÅhrend Rahner im kappadozischen Hypostasenbegriff nur unterschiedene Gegebenheitsweisen bzw. distinktes Subsistieren zugrunde gelegt sieht, diente dieser Begriff den Kappadoziern als Ausgangspunkt fÛr die innerg×ttliche perichoretische Koinonia, die fÛr Gregor von Nyssa das h×chste Paradoxon beinhaltet, bei dem intra- und interpersonale Dimension in der Interdependenz von Selbstand und Relation zusammenfallen.92 Augustins TrinitÅtslehre belegt vollends, daß ein mit der Dimension des Selbstandes verbundener Personbegriff nicht erst ein neuzeitliches Problem darstellt, sondern bereits Augustin angesichts tritheistischer BefÛrchtungen dazu veranlaßte, den Begriff „relatio“ vorzuziehen.93 Auch die neuzeitliche Situation nimmt Rahner defizitÅr wahr, indem er sich ledig-

90 Vgl. K. Rahner: Gott, S. 342 f., 353 f., 365, 388 f. Vgl. ders.: Art. „TrinitÅt“, Sp. 1018: „Die klassische TrinitÅtsformel kann und darf also diese moderne Begriffsgeschichte nicht mitvollziehen.“ 91 S. o., S. 104 ff. Vgl. B. J. Hilberath: Personbegriff, S. 65 f., 145 ff., 306 ff., der sich auf der Grundlage von Tertullians Personbegriff mit Rahners Konzeption auseinandersetzt. Vgl. ders.: Gott, S. 93 ff., wo sich eine Zusammenfassung der Ergebnisse findet. Durch den wesensmÅßigen Zusammenhang von Selbstand und Relation im trinitarischen Gottesbegriff ist zugleich die – in Antithese zu Rahner vertretene – Position von J. J. Lynch und F. X. Bantle widerlegt, die das individualistisch-neuzeitliche PersonverstÅndnis (absoluter Selbstand) im altkirchlichen Personbegriff zu finden meinten (vgl. B. J. Hilberath: Pneumatologie, S. 66 u. 142; P. Schoonenberg: Diskussion, S. 135). 92 Siehe Kap. II,3. Vgl. J. Werbick: TrinitÅtslehre, S. 546 ff., und L. Scheffczyk: Traditionen, S. 71 f. Vgl. zu Rahners HypostasenverstÅndnis K. Rahner: Gott, S. 365 f. u. 390. Daß sich die heils×konomische TrinitÅtserfahrung auf das VerstÅndnis menschlicher PersonalitÅt auswirkte – und nicht umgekehrt –, betont W. Pannenberg: Person, S. 147. 93 S. o., S. 140. „Was Rahner die moderne Problematik des Personbegriffs nennt, ist also im Grunde schon bei Augustin da.“ (J. Werbick: TrinitÅtslehre, S. 544)

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lich auf das rein intrapersonal-individualistische PersonverstÅndnis bezieht und den modernen Personalismus mit seinem relationalen Existenz- und Seinsbegriff Ûbersieht.94 WÅhrend sich Rahner auf das individualistisch-subjektivistische VerstÅndnis beschrÅnkt, das auch sein GottesverstÅndnis prÅgt, bildet sich im modernen Ringen um RelationalitÅt oder Selbstand ein PersonverstÅndnis heraus, das sowohl Relation als auch Selbstand berÛcksichtigt, was die Modifizierung des Personbegriffs durch Wolfhart Pannenberg belegt. In ºberwindung von Fichtes Selbstsetzung des „Ich“ stellt er heraus, wie das „Ich“, das zwar fÛr die ºbernahme bestimmter IdentitÅten verantwortlich bleibt, identitÅtsfindend in das „Selbst“ integriert ist und sich durch dieses in die Mitwelt und die unabgeschlossene transzendente Dimension eingebunden findet.95

Durch Rahners intrapersonal-individualistisches PersonverstÅndnis wird dem trinitarischen Personbegriff eine MißverstÅndlichkeit zugeschrieben, die ihm bei genauerer Betrachtung nicht anhaftet, so daß die Rede von der „distinkten Subsistenzweise“ ambivalenter erscheint als der Personbegriff, zu dessen ErklÅrung sie gedacht war. Obwohl Rahner die gleiche Zielrichtung wie Karl Barth verfolgt, setzt er sich in Anlehnung an Thomas von Aquin („subsistens distinctum“) von Barths Begrifflichkeit („Seinsweise“) ab, da diese eine modalistische Tendenz beinhalte. Doch von dem modalistischen Klang, der heute wohl eine gr×ßere Gefahr als der von Rahner gefÛrchtete Tritheismus darstellt, kann sich auch der Begriff „distinkte Subsistenzweise“ nicht befreien.96 Rahner sieht selbst, daß der neue Begriff deshalb wie der alte erneuten KlÅrungsbedarf hervorruft und sogar „ein sehr formalistischer Begriff ist“. Daß Rahner ihn dennoch bevorzugt, liegt daran, daß er „die Einheit Gottes sehr deutlich betont“97, was die Relevanz der westlichen und intrapersonal-existentialistischen PrÅmissen belegt. Doch auch die neue Begrifflichkeit tut sich schwer, Gottes intrapersonale Einheit zu schÛtzen, weil Rahner Subsistenz auch als „Unmittelbarkeit eines Seienden“ bezeichnen kann, „durch die es als schlechthin in seiner Wirklichkeit in sich u. fÛr sich ist“98. Das widerspricht aber dem Anliegen, alle pers×nli-

94 Vgl. zum modernen Personalismus und seiner Rezeption W. Pannenberg: Person; ders.: Anthropologie, S. 151 ff. u. 473 ff.; B. J. Hilberath: Personbegriff, S. 130 ff. u. 318 ff.; W. Kern: Pneumatologie; L. Oeing-Hanhoff: Ontologie. 95 Vgl. W. Pannenberg: Person, S. 142 ff., und ders.: Anthropologie, S. 151–235. 96 Vgl. E. Gutwenger: TrinitÅtslehre, S. 328; J. Moltmann: TrinitÅt, S. 162 f., und W. Kasper: Gott, S. 351, der auf die aktuelle Bedeutung der modalistischen Gefahr hinweist. Zu Rahners RÛckgriff auf Barth und Thomas von Aquin vgl. K. Rahner: Gott, S. 343 u. 389 f. Daß sich AnsÅtze einer interpersonalen Dimension (Beziehungsaspekt) auch in der thomistischen Konzeption finden, zeigen L. Scheffczyk: Traditionen, S. 72, und L. Oeing-Hanhoff: Ontologie, S. 151 ff. 97 K. Rahner: Gott, S. 391. 98 Ders./H. Vorgrimler: W×rterbuch, S. 343. Diese Definition bildet den Hintergrund fÛr das auf menschlicher Erfahrung beruhende „konkrete reale So-und-nicht-anders-Dasein“ (K. Rahner: Gott, S. 390, Anm. 35).

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che Selbsthabe von den Hypostasen fernzuhalten. Dieses Anliegen wiederum lÅßt fragen, welche Heilsrelevanz den trinitarischen Personen letztlich noch zukommt, wenn sie des pers×nlichen Aspekts entbehren, unser Heil aber vom pers×nlichen VerhÅltnis zu Gott abhÅngt.99 Und schließlich bleibt noch festzuhalten, daß Rahners Gebrauch von unterschiedlichen Begriffen in der ×konomischen („verschiedene Gegebenheitsweisen“) und der immanenten TrinitÅt („distinkte Subsistenzweisen“) auch sein Grundaxiom der IdentitÅt von ×konomischer und immanenter TrinitÅt in Frage stellen kann.100 Die Gefahr der ºberlagerung seines heils×konomischen Ansatzes durch die intrapersonal-existentialistischen PrÅmissen hat der spÅtere Rahner deutlicher gespÛrt.101 Sie kommt bei ihm immer dann zum Tragen, wenn die existentialistisch-×konomische Hermeneutik die biblisch-×konomische Perspektive in den Hintergrund drÅngt. Zwischen den heils×konomischen Erfahrungen und den Folgerungen fÛr die immanente TrinitÅt scheinen in Rahners Hermeneutik die existentialistisch-anthropologischen PrÅmissen zu stehen. Weil die trinitarische Existenz Gottes in Analogie zu diesen PrÅmissen rein intrapersonal strukturiert wird und so der Eindruck entsteht, die entsprechenden anthropologischen Voraussetzungen wÛrden durch Gottes Gnade „ergÅnzt“, tritt die in der biblischen Heils×konomie bezeugte Koinonia zurÛck, die intra- und interpersonal in Gott sowie zwischen Gott und den Menschen besteht. Auf dieser ºberlagerung des heils×konomischen Ansatzes durch anthropologische PrÅmissen beruhen auch die Ambivalenzen in Rahners Ekklesiologie. Weil sich Rahner an der intrapersonalen Geistmetaphysik orientiert, bleibt er trotz gegenteiliger Zielsetzung vielfach der psychologischen TrinitÅtsspekulation und der westlichen Ausrichtung an der Einheit Gottes verhaftet. Die daraus resultierende Betonung des GegenÛbers von Gott und Mensch mit ihrer Konzentration auf die Christologie (Inkarnation) und die Gnadenlehre kommt der Filioque-Tradition entgegen. Entsprechend vollzieht sich auch in der Ekklesiologie eine ºberlagerung von heils×konomisch erzielten Einsichten: Der heils×konomischen Erkenntnis Rahners, daß die personale Gegenwart des Heiligen Geistes bei allen Glaubenden an die gemeinschaftliche und ×kumenische Dimension von Kirche erinnert, steht die christozentrisch begrÛndete Auffassung von der „Kirche als dem Ursakrament der Gnade“ gegenÛber. Indem die Kirche als „inkarnatorisch strukturierte PrÅsenz des eschatologischen Heiles Christi“ und als „Gnade Gottes im ‚Fleisch‘ einer geschichtlich-kirchlichen Greifbar-

Vgl. B. van der Heijden: Karl Rahner, S. 440 f. Vgl. K. Rahner: Gott, S. 389. Vgl. zum Aufweis dieser Gefahr T. F. Torrance: Consensus, S. 345 f. – E. Lessing: Art. „Geist V“, S. 222, bemerkt treffend, daß diese IdentitÅt nicht an einer unterschiedlichen Begrifflichkeit scheitert. Es kann hierbei also nur um die Frage gehen, ob mit den unterschiedlichen Begriffen unterschiedliche RealitÅten ausgesagt werden. 101 Vgl. K. Fischer: Mensch, S. 352. 99

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keit“102 gilt, werden die inkarnatorischen Strukturen auf die Kirche Ûbertragen, die deshalb als Christus prolongatus erscheint: „Insofern ist dem Katholiken die Kirche eine ‚absolute‘ Gr×ße. Einfach darum, weil sie mit Christus, der fÛr ihn das menschgewordene Absolutum ist, eins ist“103. Die Unterscheidung von Haupt und Kirche wird vor diesem Hintergrund kaum ersichtlich, ebenso wie der Unterschied zwischen Kirche und Sakrament. Das ist problematisch, da die Kirche sowohl von ihrem Haupt als auch von den Sakramenten lebt und deshalb nicht mit ihnen identisch sein kann. Bei Rahners „Verrechnung von Wort und Sakrament in der Begrifflichkeit der ekklesialen Elemente“ ist die Kirche versucht, Ûber Gottes Heilshandeln zu befinden und „von ihr selbst eingesetzte Sakramente mit von Christus gestifteten Sakramenten hinsichtlich ihres Offenbarungsranges gleichzusetzen“104. Die kritische Funktion der Schrift und der Heilige Geist als Geber konkreter Charismen und als jeweils vergegenwÅrtigendes Moment des Heils erscheinen so von geringer Bedeutung. Diese zu undifferenzierte Identifikation von Christus und Kirche fÛhrt schließlich zur ontologischen Vorordnung der Universalkirche, aus deren Existenz sich die Ortskirchen ableiten.105

Die gezeigten theologischen und ekklesiologischen Spannungen, die sich aus der gelegentlichen Differenz zwischen Anspruch und Wirklichkeit in Rahners Entwurf ergeben, liegen nicht zuletzt an Rahners Verwendung des Begriffs „Selbstmitteilung“. Denn Rahner lÅßt diesen Begriff aufgrund der rein intrapersonal geprÅgten anthropologischen PrÅmissen nicht nur fÛr die ×konomische TrinitÅt konstitutiv werden, sondern auch fÛr die immanente TrinitÅt, und zwar im Sinne der Selbstmitteilung des absoluten Subjekts. So entsteht eine formale IdentitÅt von ×konomischer und immanenter Selbstmitteilung des trinitarischen Subjekts, die ihre PrÅgung von der ºbertragung intrapersonal-geistmetaphysischer anthropologischer Strukturen auf Gott erhÅlt. Deshalb ist es fÛr den heils×konomischen Ansatz der TrinitÅtslehre sinnvoller, von der Selbsterschließung Gottes zu sprechen. Diesem Begriff haften noch keine anthropologisch deduzierten Vorgaben fÛr das VerstÅndnis der immanenten TrinitÅt an, sondern er lÅßt zu, daß Gott sich heils×konomisch als intra- und interpersonale innerg×ttliche Koinonia erschließen kann.

102 K. Rahner: Kirche/Sakramente, S. 21. Vgl. ders.: Bild, S. 348, wo Rahner im gleichen Duktus statt vom „Ursakrament“ vom „Grundsakrament“ spricht und damit den vom Zweiten Vatikanischen Konzil bevorzugten Begriff Ûbernimmt (vgl. J. Werbick: Kirche, S. 410). Daran wird deutlich, daß ein Austausch der Begriffe die Grundprobleme noch nicht l×st, wenn die dahinter stehenden theologischen Probleme nicht gel×st werden. 103 K. Rahner: Dynamische/Kirche, S. 44. 104 W. Dantine: Problematik, S. 151. Vgl. die Åhnlich gelagerte Kritik von D. Staniloae: Dogmatik III, S. 23 ff. 105 Vgl. I. D. Zizioulas: Christologie, S. 132.

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1.2 Eberhard JÛngel 1.2.1 Fortschritte Die aus der Analyse von Rahners TrinitÅtslehre hervorgegangene Anforderung, noch deutlicher als dieser eine von eigenen PrÅmissen befreite Selbsterschließung Gottes zuzulassen, wird inhaltlich durch folgende Aussage Eberhard JÛngels bestÅtigt: „Gott bestimmt sich selbst“, und zwar in „Freiheit“106. Als Voraussetzung des Vollzugs und der Erkenntnis der freien Selbstbestimmung Gottes Ûbernimmt JÛngel von Rahner – und Barth – das Grundaxiom der Einheit von ×konomischer und immanenter TrinitÅt, dessen eigentlicher Wert fÛr ihn jedoch darin liegt, daß es die Konstituierung des trinitarischen Gottesbegriffs in der Kreuzestheologie erm×glicht. Denn im Kreuz ist fÛr JÛngel – in Anlehnung an Luthers Kreuzestheologie – Gottes Selbstbestimmung konkret zu erfassen, „weil sich in Jesu Gottverlassenheit und Tod [. . .] Gott selbst [als Liebe] ereignet“107: „Was am Kreuz Jesu geschah, das ist in seiner Einmaligkeit ein die Tiefen der Gottheit erschließendes Geschehen.“108 Gott, der den Menschen von seinem Selbstverg×ttlichungsdrang zur Menschlichkeit befreien will, bestimmt sich am Kreuz in seiner Freiheit nicht beliebig, sondern konkret als menschlicher Gott, der material die „Einheit von Tod und Leben zugunsten des Lebens“ bewirkt und sich so formal „als die inmitten noch so großer Selbstbezogenheit immer noch gr×ßere Selbstlosigkeit vollzieht und insofern Liebe ist“109. JÛngel setzt sich damit von der aristotelisch-metaphysischen Tradition ab, die Gott als schlechthin selbstbezogenes Wesen (actus purus) versteht und der biblischen Definition der Liebe nicht gerecht wird: „In der Liebe widersprechen sich Selbstlosigkeit und Selbstbezogenheit nicht“110, weil es in ihr kein Haben gibt, das nicht der Hingabe entspringt. Die Realdefinition Gottes im Gekreuzigten, die christliche Theologie aus

E. JÛngel: Gott, S. 45. Ebd., S. 507. Zur ºbernahme von Rahners Grundaxiom, das sich inhaltlich bereits bei K. Barth findet (s. o., S. 207 ff.), und zur kreuzestheologischen Spezifizierung des Grundaxioms vgl. ebd., und E. JÛngel: VerhÅltnis, S. 355 f., sowie ders.: Gottes Sein, S. 45 ff., wo JÛngel nÅher auf die Entsprechung von ×konomischer und immanenter TrinitÅt bei Barth eingeht. An dieser Paraphrase der Gotteslehre Barths wird deutlich, wie sehr JÛngel von Barths TrinitÅtslehre geprÅgt ist. Zu JÛngels Kreuzestheologie vgl. ders.: Sein Jesu Christi, S. 510 ff., und zu JÛngels RÛckgriff auf Luthers Auffassung von der Selbstbestimmung Gottes im Gekreuzigten vgl. ders.: Gott, S. 46. Vgl. insgesamt auch M. Root: Bedeutung, S. 149. 108 E. JÛngel: Gott, S. 299. 109 Ebd., S. 408 f. Vgl. ebd., S. 45 f. u. 434. 110 Ebd., S. 506. Vgl. ders.: Sache, S. 206 ff., und ders.: Entsprechungen, S. 262 f. – M. Welker: Geist, S. 274 ff., kritisiert, daß JÛngel die aristotelische Konzeption der individualistisch-gedanklichen Selbstverwirklichung Gottes aber grundsÅtzlich nicht verlÅßt (siehe Anm. 149, IV. Kap.). 106 107

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JÛngels Sicht wesentlich als theologia crucifixi ausweist, erschließt Gottes Sein als g×ttliche Lebendigkeit, welche durch die Identifikation Gottes mit dem Gekreuzigten gesteigert ist zu der Einsicht, daß „Gott als Liebe lebt“111. Diese Erkenntnis er×ffnet sich als trinitarisches Geschehen und lÅßt sich auch nur als solches verstehen. Denn wenn sich Gott der Vater als Gott der Sohn mit dem Gekreuzigten identifiziert, wird die Selbstunterscheidung Gottes offenbar, in der Gott als Gott der Sohn pro nobis die Verlassenheit von Gott dem Vater erleidet und sich so im Tode Jesu als Gott der Vater und der Sohn gegenÛbertritt. In diesem t×dlichen GegenÛber bleibt Gott durch Gott den Geist als Band der Liebe zwischen Vater und Sohn auf sich bezogen und lÅßt die aeterna generatio auch im Tode nicht enden, so daß er sich in seiner Hingabe als Einheit von Leben und Tod zugunsten des Lebens erweist.112 Durch das Kreuzesgeschehen „ist die TrinitÅtslehre [. . .] das soteriologische LehrstÛck schlechthin“113, an dem nicht nur erkennbar wird, daß Gott als Liebe lebt, sondern auch wie er als Liebe lebt und was von daher die Liebe ist, an der die Menschen teilhaben. Im Unterschied zu ihnen ist nÅmlich Gott selbst die Liebe, weshalb das Wesen der Liebe auch nur von Gottes Selbsterschließung her definiert werden kann. Gott ist Liebe, weil „in den drei g×ttlichen Relationen, dem von sich aus liebenden Vater, dem schon immer geliebten und liebenden Sohn und dem immer neuen Ereignis der Liebe zwischen Vater und Sohn, das der Geist ist, die v×llige IdentitÅt von g×ttlichem Wesen und g×ttlicher Existenz“114 besteht. Von daher erweist sich die cartesianische Trennung zwischen Wesen und Existenz Gottes, durch welche die Vernunft zum Maßstab der g×ttlichen Existenz wurde und somit deren atheistische Leugnung erm×glichte, als unhaltbar, insofern als aus dem heils×konomischen Kreuzesgeschehen die trinitarische Einheit von Existenz und Wesen Gottes hervorgeht. Wenn nÅmlich Gott der Vater im Tode Jesu Christi durch den Geist zum Sohn kommt, liegt der Ursprung dieser Heilstat in Gottes Sein als ewiger Selbstliebe: „[. . .] wer mit Jesus an Gott glaubt, glaubt an Gott den ewigen Vater. Wer an Gott den ewigen Vater glaubt, glaubt aber zugleich notwendig an Gott den ewigen Sohn, den das Urteil des Vaters im Tode Jesu mit dem Menschen Jesus identisch spricht. Es kann aber dieses IdentitÅtsurteil des Vaters vom Menschen nur nachvollzogen werden [. . .] ‚im Heiligen Geist‘ (1 Kor 12,3)“, der „uns in das Leben des Gottes“ einbezieht, „der die Liebe ist“115.

111 E. JÛngel: VerhÅltnis, S. 354. Vgl. ders.: Gott, S. 15, 430, 437, 471, 505. Vgl. ders.: Sein Jesu Christi, S. 512. 112 Vgl. ders.: Gott, S. 450, 470 ff., 479, 504, 528, und ders.: VerhÅltnis, S. 358. 113 Ders.: Gott, S. 471. Vgl. zu den folgenden Gedanken ebd., S. 434 ff. u. 447 ff. 114 Ebd., S. 513. Vgl. ebd., S. 303, wo JÛngel „das Wesen Gottes als Existenz erfaßt“. 115 Ebd., S. 532 f. Vgl. insgesamt ebd., S. 525–527. Vgl. zur cartesianischen Hermeneutik ebd., S. 136 f. u. 205. – Zu Descartes s. o., S. 196 f.

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Als ewiges lebendiges Sein der Liebe ist Gottes Sein ewig im Kommen, insofern als Gott ewig als Gott (Geist) von Gott (Vater) zu Gott (Sohn) kommt. „Gott kommt von Gott“, weil er als Vater der Ursprung seiner selbst ist – und als solcher kann er auch der sch×pferische Vater alles Lebenden werden. Der ursprunglose „Vater“ impliziert „Vater und. . .“, so daß es sich der heils×konomischen Erfahrung gemÅß um den Vater des Sohnes handelt. Da sich Gott im ewigen Sohn selbst Ziel und Gemeinschaft ist, gilt gleichermaßen: „Gott kommt zu Gott“. Und als solcher kann Gott auch zum Menschen kommen, und zwar als der, der er schon immer fÛr sich selber ist. Als Ursprung und Ziel ist sich Gott gleichzeitig selbst liebende Vermittlung, weshalb der Heilige Geist als „vinculum caritatis“ den dritten Aspekt verk×rpert: „Gott kommt als Gott“. Im Heiligen Geist als innerg×ttlicher Gemeinschaft vermag Gott auch die Gemeinschaft mit den Menschen zu erm×glichen.116 Mit den Akten g×ttlicher Selbstbewegung verbinden sich also auch fÛr JÛngel die heils×konomischen Proprien, denen wiederum menschliche Akte und Seinsweisen entsprechen: der auf die Herkunft bezogene Glaube, die auf die Ankunft bezogene Liebe und die auf die Zukunft bezogene Hoffnung. „Im Glauben auf den von sich selbst her zur Welt gekommenen Gott zurÛckkommend, in der Liebe von dem auch im Tode zu sich selbst kommenden menschlichen Gott mitgenommen und in der Hoffnung dem als Gott kommenden und so der Liebe zum Sieg verhelfenden Gott entgegengehend, wahrt der Mensch Gott als das Geheimnis der Welt.“117 Wie Rahner betont auch JÛngel die Dimension des Geheimnisses, die „dem neueren Protestantismus [. . .] abhanden gekommen“118 ist. Durch die Besinnung auf Gott als „mysterium trinitatis“ er×ffnen sich fÛr den westlichen Protestantismus neue VerstÅndigungsm×glichkeiten mit der apophatisch geprÅgten ostkirchlichen Theologie. Daß die AnnÅherung allerdings nicht auf der Ebene eines Apophatismus liegen kann, der sich von einer spekulativen Energienlehre ableitet, die keine RÛckschlÛsse von Gottes energetischer Gegenwart auf sein hypostatisches Sein zulÅßt119, zeigt JÛngels Auffassung vom offenbaren Geheimnis, die sich gegen die prinzipielle Unbegreiflichkeit Gottes wendet und grundsÅtzlich mit Rahners VerstÅndnis Ûbereinstimmt. WÅhrend sich Rahners Erkenntnis jedoch primÅr auf das Wesen Gottes als Mysterium der trinitarischen „Selbstmitteilung“ stÛtzt, wird das g×ttliche Geheimnis fÛr JÛngel im Kreuzesgeschehen dahin gehend offenbart, daß Gott als „Liebe“ lebendig ist. Gott ist im „Ereignis“ Vgl. E. JÛngel: Gott, S. 520–534. Ebd., S. 542. Vgl. ebd., S. 532 ff. 118 Ebd., S. XIII. Der Titel von JÛngels trinitarischem Entwurf „Gott als Geheimnis der Welt“ unterstreicht die Bedeutung der Dimension des Geheimnisses fÛr JÛngels Konzeption. 119 S. o., S. 166 ff. 116 117

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der Liebe das freie Subjekt seiner selbst, er kommt nur von sich selbst (Gott kommt von Gott) und nicht aus dem Zusammenhang der Welt. Als deren personales, in sich selbst lebendiges GegenÛber, kann er also allein aufgrund von Selbstoffenbarung erfahren werden, und zwar als personales Geheimnis der in sich lebendigen Liebe, an der die Menschen partizipieren. In der Liebe teilen Gott und die Menschen dasselbe Geheimnis, was in Jesus Christus als vestigium trinitatis zum Ausdruck kommt. Durch seine doppelte Stellvertretung als dem an unserer Stelle leidenden Gottessohn und dem an Gottes Stelle handelnden Menschen ist Jesus Christus Ebenbild Gottes und Urbild der Welt zugleich.120 Bevor gezeigt wird, welche weiteren Differenzierungen sich aus diesem kreuzestheologischen VerstÅndnis von Gott als Liebe fÛr das OffenbarungsverstÅndnis ergeben, sei darauf hingewiesen, daß JÛngel Gott durch den Begriff „Liebe“ angemessener als pers×nliches GegenÛber und als den Adressaten der Gemeinschaft zwischen Gott und Mensch qualifiziert, als es durch Rahners formalen Begriff der „Selbstmitteilung“ m×glich ist. Außerdem wird durch die biblische Charakterisierung Gottes als Liebe mehr Raum fÛr den personalen Charakter der innertrinitarischen Gemeinschaft gegeben. Diese Vorteile der Terminologie JÛngels, die der ×konomischen und immanenten Koinonia angemessener ist, gelten in gleicher Weise gegenÛber Barths Konzentration auf den Begriff der „Selbstoffenbarung“.121 Ferner Ûberwindet JÛngel die EinschrÅnkungen im VerhÅltnis von ×konomischer und immanenter TrinitÅt, die sich aus Barths Kennzeichnung dieses VerhÅltnisses als Analogie ergaben. Mit Hilfe der Kreuzestheologie bringt JÛngel in AnknÛpfung an Rahners Grundaxiom die Einheit von ×konomischer und immanenter TrinitÅt pointierter zum Ausdruck als Barth, wodurch sich die heils×konomischen Proprien der trinitarischen Personen klarer charakterisieren lassen. Aufgrund seiner BerÛcksichtigung der theologia crucis vermag JÛngel diesbezÛglich aber auch gegenÛber Rahner noch konkreter zu werden, insofern als er nicht nur die Inkarnation als Proprium des Sohnes bezeichnet, sondern auch die Selbsthingabe in den Fluchtod pro nobis.122 WÅhrend Rahner sein Grundaxiom in der Annahme der menschlichen Existenz durch Gott (Inkarnation/unio hypostatica) verankerte, hat JÛngel dieses Grundaxiom kreuzestheologisch spezifiziert. Dadurch konnte er gegenÛber Rahners existentialistischer Entsprechung von anthropologischen Voraussetzungen und Offenbarung – und dem damit verbundenen

120 Vgl. insgesamt E. JÛngel: Gott, S. 43, 341 ff., 410, 479, 503, 515, 530, 543, und ders.: VerhÅltnis, S. 354 u. 358. 121 Zu K. Barths trinitÅtstheologischem Ansatz s. o., S. 207 ff. Vgl. zum Nachteil seiner Terminologie W. Pannenberg: Theologie I, S. 324 f. 122 Vgl. E. JÛngel: VerhÅltnis, S. 360, und ders.: Gottes Sein, S. 50 f., Anm. 148.

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MißverstÅndnis der Gnade als ErgÅnzung menschlicher Strukturen – die biblischen Aspekte der Selbsthingabe Gottes ebenso zur Geltung bringen wie die heilsgeschichtliche Krisis zwischen Gott und Mensch. Weil sich die Heils×konomie unter diesen Voraussetzungen als ungeschuldete Gnade erweist, bedarf es nach JÛngel der Beibehaltung der „distinctio rationis“ zwischen ×konomischer und immanenter TrinitÅt. Dadurch soll die Gefahr einer tautologischen Identifizierung der beiden Seiten des Rahnerschen Grundaxioms eingedÅmmt werden.123 In der Absicht, m×gliche Defizite der AnsÅtze Barths und Rahners auszuschließen, vertritt JÛngel also gegenÛber Barths Analogielehre eine direktere Einheit von ×konomischer und immanenter TrinitÅt, wÅhrend er Rahners Identifikationslehre mit der Beibehaltung der distinctio rationis begegnet. Letzteres verdankt sich vornehmlich der kreuzestheologischen Wahrnehmung der Krisis, von der sich auch die Unterschiede zwischen Rahners und JÛngels OffenbarungsverstÅndnis ableiten. Das im Kreuz offenbare Šrgernis, das die Entstellung anthropologischer Grundstrukturen durch den Selbstverg×ttlichungsdrang aufdeckt, verlangt nach JÛngel nicht nur die ºberwindung des westlichen Unitarismus mit seiner soteriologischen Funktionslosigkeit der TrinitÅt, sondern auch die Infragestellung der – von Rahner beibehaltenen – Entsprechung von metaphysischer und heils×konomischer Hermeneutik. In Anlehnung an Barth sieht JÛngel nur von der – kreuzestheologischen – Selbsterschließung Gottes her die M×glichkeit, die Theologie, die angesichts des im Atheismus geendeten Theismus aporetisch und sprachlos geworden war, wieder sprachfÅhig zu machen.124 Neben der Aporie des neuzeitlichen Gottesbegriffs, in dessen spekulativem Theismus der Atheismus bereits angelegt ist, sieht JÛngel die Aporie des Absolutheits-, UnverÅnderlichkeits- und Apathieaxioms, da diese Axiome den leidenden und liebenden Gott bzw. die authentische theologia crucis ausblenden.125 Wenn JÛngel allerdings in der altkirchlichen TrinitÅtslehre lediglich einen impliziten Anhalt an der Kreuzestheologie zu erkennen meint, Ûbersieht er die expliziten kreuzestheologischen Aussagen zur Gotteslehre bei bedeutenden KirchenvÅtern wie Athanasius, der bereits anhand der theologia crucis das philosophische Gottesbild eines statischen und unverÅnder-

123 Vgl. ders.: VerhÅltnis, S. 364. Vgl. auch W. L×ser: TrinitÅtstheologie, S. 33 f.; B. J. Hilberath: Gott, S. 79 f.; T. F. Torrance: Consensus, S. 340. 124 Vgl. insgesamt E. JÛngel: Gott, S. 2 ff., 18 ff., 49 ff., 203 ff., 507 f.; ders.: VerhÅltnis, S. 356 f.; ders.: Entsprechungen, S. 171 ff. Zur von Luther Ûbernommenen Einsicht, daß das Grundproblem des Menschen darin besteht, selbst sein zu wollen wie Gott, vgl. ebd., S. 192, 194, 316 f. 125 Vgl. ders.: Gott, S. 14 ff. u. 511. Zur neuzeitlichen Entwicklung vom Theismus zum Atheismus siehe Kap. III,3.1.

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lichen Gottes durchbrach.126 Aufgrund der seit langem bestehenden Konfrontation zwischen den genannten Axiomen und der theologia crucis gibt es schon verschiedenste Versuche, beide Dimensionen unter der Relativierung philosophischer PrÅmissen miteinander zu verbinden.127 JÛngel geht es in erster Linie darum, eine Hermeneutik zu Ûberwinden, die zunÅchst unter Absehung von Gottes Wirklichkeit (remoto deo) eine anthropologische Ausweisbarkeit der Notwendigkeit Gottes zu erzielen versucht, welche dann zur PrÅmisse der speziellen Offenbarung wird und so philosophisch geprÅgte Axiome hervorbringen kann. In Auseinandersetzung mit Wolfhart Pannenbergs und Rahners ºberbewertung der anthropologischen Voraussetzungen streicht JÛngel heraus, daß Gott nicht aus den weltlichen Voraussetzungen ableitbar ist, weil er weder als notwendig noch als nicht notwendig postuliert werden kann.128 Denn Notwendigkeit oder ihr Gegenteil sind ein Seinsmodus, eine relationale Gr×ße, die sich auf einen Grund bezieht oder als Folge eines Grundes erscheint. Diese Kategorie ist jedoch fÛr Gott unzureichend, da er selbst Ûber Sein oder Nichtsein entscheidet. Deshalb ist die Gottesfrage nicht auf der Ebene des Seienden zu entscheiden. Die Ambivalenz menschlicher Erfahrung zwischen Sein und Nichtsein ist aus sich selbst heraus nicht zu beantworten, sondern nur durch Gott als dem zwischen Sein und Nichtsein Unterscheidenden. Insofern als Gott nur aus sich selbst und nicht aus dem Zusammenhang der Welt existiert (Gott kommt von Gott) und sich daher als grundloses Sein erweist, ist er mehr als notwendig und so nur durch seine Selbstoffenbarung erfahrbar. Die in der Spannung zwischen Sein und Nichtsein bestehende Ahnung von Gott kann allein durch die Selbstoffenbarung zur Gotteserkenntnis fÛhren. Da Gott in sich selbst gegrÛndet ist, erschließt er sich als Freiheit. Durch die trinitarische Selbsterschließung erweist sich dieses Sein in Freiheit nicht als unbestimmt oder willkÛrlich, sondern als freies Sein der Liebe, was auch den Menschen als einen zur Liebe erschaffenen erkennbar werden lÅßt. Als das vollkommene Leben der Liebe in sich selbst bleibt Gott der Ursprung der Liebe (Gott ist Liebe, I Joh 4,8.16), so daß er nicht wie bei Feuerbach als das Šußerste des menschlichen Begriffs von Liebe (die Liebe ist Gott) bzw. als Produkt menschlicher Selbstverwirklichung zu gelten hat. Gott muß deshalb weder der Liebe geopfert werden (Feuerbach) noch verbirgt sich hinter seiner Existenz als Liebe ein willkÛrlicher und unheimlicher Gott. Gott er×ffnet dem Menschen die liebende Koinonia, die sich sowohl durch die NÅhe als auch durch das bleibende GegenÛber-Sein von Gott und Mensch auszeichnet, da der Glaube „sich selbst in der Kraft Gottes, des Heiligen Geistes, durch Tod

126

S. o., S. 119. Zu JÛngels Auffassung vgl. ders.: Gott, S. 507, und ders.: VerhÅltnis, S. 356. Dabei kommen nicht alle Forscher zu JÛngels Ergebnis, daß die genannten Axiome aufzugeben seien. So kommt W. Kern: Pneumatologie, S. 87, im Anschluß an K. Rahners Auffassung, daß sich der unverÅnderliche Gott am anderen Åndern k×nne, zu folgendem ResÛmee: „Die dialektische Spannung von beidem – UnverÅnderlichkeit Gottes in sich und sein Werden in Geschichte – ist festzuhalten“. 128 Vgl. E. JÛngel: Gott, S. 19, Anm. 6 (zu W. Pannenberg), und ders.: Entsprechungen, S. 178 ff. (zu K. Rahner). 127

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und Auferstehung des wahren Menschen und wahren Gottessohnes Jesus Christus auf Gott den liebenden und allmÅchtigen Vater bezogen und so den Glaubenden von dem dreieinigen Gott konkret unterschieden weiß“129. Die unter der Voraussetzung von „GegenÛber und NÅhe“ erm×glichte Gemeinschaft zwischen Gott und Mensch gewÅhrt wahre Gotteserkenntnis lediglich im Kontext dieser Gemeinschaft. Denn als unbedingtes Subjekt seiner selbst ist Gott nur zugÅnglich, wenn er sich selbst zugÅnglich macht, das heißt, wenn er den Menschen die Erkenntnis-Gemeinschaft mit sich selbst er×ffnet. Deshalb k×nnte man bei JÛngel wie bei den KirchenvÅtern von einer „Koinonia-Erkenntnis“ sprechen. Diese Erkenntnis vollzieht sich nach JÛngel in Gottes heilsgeschichtlicher Selbsterschließung, die in Jesus Christus als wahrem Gott und wahrem Menschen definitiv die Gottes- und Menschenerkenntnis vermittelt. Die EgoitÅt des „Ich denke“ und der in die VerhÅltnislosigkeit fÛhrende Drang zur SelbstbegrÛndung mit seinen individuierenden Tendenzen werden als erfolglos und sÛndhaft entlarvt, weil der Mensch erst durch die Liebes-Gemeinschaft mit Gott zu wahrer Menschlichkeit findet. Wie das Wesen der menschlichen Existenz nur auf diese Weise ernst genommen wird, wird auch der Gottesbegriff allein dadurch ernst genommen, daß man Gott Gott sein lÅßt und in empfangender Hermeneutik anerkennt, daß Gott nur durch seine freie Selbsterschließung erkennbar wird, wenn er nicht als Gefangener der PrÅmissen menschlicher Vernunft gelten soll. „Die Vernunft ist vernÛnftig, wenn sie begreift, daß sie von sich aus keinen Gott konstruieren kann. Die Vernunft ist vernÛnftig, wenn sie begreift, daß ein Gott Ûberhaupt nur dann als Gott gedacht wird, wenn er als sich offenbarender Gott gedacht ist. [. . .] Ohne Offenbarung wird das Denken allenfalls einen Gottesgedanken konstruieren, den es dann auch selber wieder zersetzen kann“130.

Die sich in der Begegnung von Gott und Mensch ereignende Gottes- und Menschenerkenntnis vollzieht sich im Wort, da Gott als Wort (Logos) zum Menschen kommt, der ontologisch durch Sprachlichkeit konstituiert ist. Der angesprochene Mensch kann Gott als den frei von sich aus Redenden sein und gelten lassen und sich von ihm in antwortender Freiheit in dessen Gemeinschaft mitnehmen lassen. Da das Wort „Gott“ nicht wie in der traditionellen Signifikationshermeneutik nur als Zeichen einer bezeichneten Sache (res significata) gilt, sondern im Horizont performativer Rede das Besagte zugleich bewirkt, lÅßt es als Sprachereignis (notae praesentis rei) Gott und Mensch zusammenkommen. Dem „Begegnungs- und Ereignischarakter des Gottesgedankens“ entspricht der Glaube. Er „ist dabei verstanden als die durch das Ereignis des redenden Gottes erm×glichte und ins Sein gerufene existentielle Relation des sich auf den anredenden Gott einlassenden 129 Ders.: Gott, S. 470. Vgl. insgesamt ebd., S. 16–54, 205, 222, 225, 406 f., 430–470. Vgl. ferner ders.: Entsprechungen, S. 188, 223, 261 f. 130 Ders.: Gott, S. 211 f. Vgl. insgesamt ebd., S. 203–227, 413 ff., 484 ff., 542; ders.: Entsprechungen, S. 173, 195–197, 239, 245 ff.; ders.: Sein Jesu Christi, S. 516; ders.: Gottes Sein, S. 11. – Zur vom Verfasser eingefÛhrten Terminologie der „Koinonia-Hermeneutik“ und ihrer Ableitung aus der altkirchlichen Hermeneutik s. o., S. 130.

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Menschen“131. Was sich im Glauben als Befreiung vom Zwang der SelbstbegrÛndung vollzieht, wird im Denken als Reflexion des Mitgenommenseins begriffen. Der Glaube hat es sowohl mit dem verborgenen als auch mit dem offenbaren Gott zu tun. Indem er sich auf letzteren bezieht, verehrt er zugleich die MajestÅt des verborgenen Gottes, der sich als solcher der menschlichen Vereinnahmung verweigert, um sich in der Offenbarung als derjenige zu erschließen, den man glauben und verstehen kann. Denn in der Verborgenheit des Kreuzes offenbart sich Gott als Liebe und verbirgt damit seine g×ttliche Verborgenheit. In diesem VerhÅltnis von verborgenem und offenbarem Gott gewÅhrt Gott in der Zeit heilsgeschichtlicher Geduld den Menschen die Freiheit, seiner Liebe zu entsprechen: „Wenn Gott also nicht auf g×ttliche Weise erschienen, wenn sein Zur-Welt-Kommen unsichtbar ist, dann besagt das positiv, daß es anstelle des Endes der Welt deren Wende brachte.“132 Weil Gott in seiner heilsgeschichtlichen IdentitÅt mit Jesus Christus das Geheimnis der Welt ist und den Tod als der SÛnde Sold bzw. als Folge der Vermessenheit des Menschen, selbst mit dem Nichts fertig werden zu wollen, Ûberwindet, bleibt mit dem VerhÅltnis von verborgenem und offenbarem Gott auch die notwendige VerhÅltnisbestimmung von Gesetz und Evangelium verbunden. Das Gesetz als SelbstverstÅndlichkeit des Zwanges und der Notwendigkeit, das auch Gott in notwendige Formen preßt, wird Ûberwunden durch die heilsgeschichtlichen M×glichkeiten, durch das, was das Gesetz nicht geben kann, sondern nur Gott selbst mit seinen nicht als Notwendigkeit einzustufenden M×glichkeiten: die Befreiung zur SelbstverstÅndlichkeit der Liebe, zur Gottesgemeinschaft. Realisierbar ist das allerdings nur durch den trinitarischen Gott, der in seiner M×glichkeit von „GegenÛber und NÅhe“ die Spannung zwischen Gesetz und Evangelium sowie zwischen verborgenem und offenbarem Gott zu gewÅhrleisten vermag.133 So bleibt die Dialektik von Gesetz und Evangelium nach JÛngel fÛr eine angemessene Gotteserkenntnis maßgeblich, was sich an der mangelnden distinctio in Rahners Grundaxiom zeige, da dieses ohne die BerÛcksichtigung des Todes Christi unter dem Gesetz (fÛr die SÛnder) das heilsgeschichtliche 131 E. JÛngel: Gott, S. 218 f. Vgl. insgesamt ebd., S. 208, 215–227, 488. Vgl. ders.: Entsprechungen, S. 186–190. Zur sprachlichen Einstufung des Wortes „Gott“ vgl. bes. ders.: Gott, S. 3–16. Vgl. ferner W. Kasper: Gott, S. 88 u. 106–150, wo die Geschichte des sprachphilosophischen Kontextes des Gottesbegriffs nachvollzogen wird und so zum Vorschein kommt, daß religi×se Sprache als „Vorgriff auf einen Gesamtsinn der Wirklichkeit [. . .] Sprache zu sich selbst“ (S. 214) bringt. Vgl. dazu auch G. Ebeling: Dogmatik I, S. 257 ff.; ders.: Dogmatik II, S. 90 ff.; ders.: Dogmatik III, S. 249 ff.; ders.: Wort I, S. 319 ff. u. 340 ff.; ders.: Wort II, S. 99 ff. 132 E. JÛngel: Gott, S. 519. Vgl. insgesamt ebd., S. 412 ff. u. 206–227. Vgl. ferner ders.: Entsprechungen, S. 191, 231, 239, 241. 133 Vgl. ders.: Gott, S. 474. Vgl. insgesamt ebd., S. 424 u. 490 ff., sowie S. 305 f., Anm. 73 (Tod als der SÛnde Sold).

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Šrgernis verfehle und deshalb ×konomische und immanente TrinitÅt rein formal identifiziere.134 Das hÅlt JÛngel fÛr unangemessen, weil die im Wortgeschehen konstituierte ErzÅhlgemeinschaft von Gott und Mensch die weltlichen SelbstverstÅndlichkeiten transzendiert und auf einer gefÅhrlichen ErzÅhlung beruht, die eine sich selbst begrÛndende Welt durch Gottes Liebe in Frage stellt.135 Im Gekreuzigten kommt dieser Konflikt „als Torheit und Skandal fÛr den ‚natÛrlichen Menschen‘ in beiderlei Gestalt (Juden und Griechen)“136 zum Austrag (I Kor 1,18 ff.). Durch diese Krisis werden die „Alltagserfahrungen einerseits kritisch befragbar, andererseits aber gerade dadurch besser auf die in ihnen vertretene, jedoch [. . .] in der Regel eben nicht wahrgenommene Wahrheit ansprechbar“137. So setzt die Gnade sich die Natur voraus, entlarvt sie aber in ihrer Ambivalenz, die ihr ohne die Gnade anhaftet, weil sich der selbstbezogene Mensch gegenÛber der KreatÛrlichkeit des Seins verschließt. Erst die Offenbarung kann als Wahrheit „erfahrbar machen, was sich ohne das erzÅhlende Wort [. . .] nicht von selbst versteht“138. Deshalb argumentiert JÛngel nicht wie Rahner von den anthropologischen Voraussetzungen der Selbstmitteilung Gottes her, sondern kommt umgekehrt von der Offenbarung auf die PhÅnomene der Welt und der Natur zurÛck, die erst so die wahren menschlichen Entsprechungen preisgeben (Glaube, Liebe, Hoffnung).139 Letzteres setzt allerdings voraus, daß Offenbarung als solche bereits weltliche Sprache bei sich hat, zumal sie sonst gar nicht offenbaren k×nnte. Damit geht JÛngel Ûber Barth hinaus, fÛr den Offenbarung erst durch Interpretation weltliche Sprache gewann.140 Insgesamt knÛpft JÛngel an Barths SpÅtwerk und dessen vorsichtige Hinwendung zur Dimension der natÛrlichen Theologie an, weil es ihm unter Anerkenntnis der Wahrheit natÛrlicher Theologie um die Aufdeckung ihrer Verkehrung in ihrer traditionellen Gestalt geht. In ihr beansprucht sie nÅmlich durch die Trennung von natÛrlicher und ÛbernatÛrlicher Gotteserkenntnis im vorab einen selbst konstruierten Rahmenbegriff fÛr „Gott“ – trotz geschehener Offenbarung. Die Orientierung an der heilsgeschichtlichen Offenbarung als Aufdeckung der wahren

Vgl. ders.: VerhÅltnis, S. 360. Vgl. ders.: Gott, S. 424 f. Auf S. 307 ff., bes. auf S. 406–430, erlÅutert JÛngel die narrative Grundstruktur der christlichen Glaubensgemeinschaft, die auf deren heilsgeschichtlicher und worthafter Verankerung beruht. Vor allem durch die analoge Rede des Gleichnisses werden Gott und Mensch in ihrer Unterschiedenheit „in ein und demselben Ereignis [. . .] versammelt“ (406). 136 Ebd., S. 209. Vgl. ebd., S. 488 u. 510. 137 Ders.: Entsprechungen, S. 176. 138 Ders.: Gott, S. 421. Vgl. ders.: Entsprechungen, S. 164 ff. 139 Vgl. ders.: Gott, S. 534 ff., und ders.: Wahrheit, S. 11 f. 140 Vgl. ders.: Gott, S. 477 ff. 134 135

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„Natur“ ist demgegenÛber die natÛrlichere Theologie, da sie dem Wesen Gottes, des Menschen und der Welt entspricht.141 JÛngels Verdienst besteht darin, im Unterschied zu Rahner von der Kreuzestheologie her die Krisis bzw. die Ambivalenz einer zu eigenstÅndigen natÛrlichen Theologie aufgedeckt zu haben. Er erinnert auf diese Weise an die bleibende Bedeutung der „distinctio rationis“ zwischen ×konomischer und immanenter TrinitÅt, die – ohne die Einheit beider Momente aufzugeben – die ×konomische TrinitÅt in den Kontext der heilsgeschichtlichen Freiheit Gottes und deren Hingabecharakter (pro nobis) stellt. Dadurch wird die AbhÅngigkeit Gottes von der Welt ebenso ausgeschlossen wie eine „natÛrliche“ lineare ErgÅnzungstheologie, die eine zu undifferenzierte ºbereinstimmung von anthropologischen AnknÛpfungspunkten und trinitarischer Selbsterschließung voraussetzt. So garantiert JÛngel ein angemessenes VerhÅltnis von „NÅhe und GegenÛber“ Gottes, das die Erneuerung der von der SÛnde geprÅgten Welt erm×glicht. Der Blick auf die natÛrlichen AnknÛpfungspunkte g×ttlicher Selbsterschließung verbindet sich bei JÛngel wie beim spÅten Barth mit der Bezugnahme auf den sonst zuweilen vernachlÅssigten Heiligen Geist, durch den sich – anders als in ergÅnzungstheologischem Automatismus – die Gemeinschaft mit dem dreieinigen Gott vollzieht.142 Die der Gegenwart des Geistes und der trinitarischen Selbsterschließung Gottes entsprechende empfangende Hermeneutik liegt auch JÛngels Ekklesiologie zugrunde, welche die Gemeinschaft der Glaubenden in Analogie zur trinitarischen Gemeinschaft Gottes sieht und Kirche als den Raum versteht, der die VergegenwÅrtigung von Gottes Heilswerk in Christus durch die Kraft des Heiligen Geistes zulÅßt. So bleibt Gott der Handelnde, und die Kirche setzt sich nicht als Christus prolongatus an seine Stelle, was JÛngel bei Rahners Rede von der Kirche als „Ur- oder Grundsakrament“ als verdeckte Gefahr erkennt. Weil sich die Kirche selbst aus der heilsgeschichtlichen Selbsterschließung des trinitarischen Gottes empfÅngt, existiert kein GegenÛber von Kirche und Christen, sondern von Gott und den Christen als der Gemeinschaft aller Glaubenden (Kirche), die alle am Priestertum der Glaubenden partizipieren. Ein Amts- und KirchenverstÅndnis, das sich nicht empfangend, sondern als sich selbst bewirkend – oder sÛndlos – versteht, erweist sich nach JÛngel gegenÛber der trinitarisch verankerten Koinonia zwischen Gott und Mensch sowie

141 Vgl. ders.: Entsprechungen, S. 158 ff. u. 197. Vgl. ferner M. Kappes: „NatÛrliche Theologie“, S. 279 ff., der in seiner ×kumenischen Analyse der offenbarungstheologischen AnsÅtze JÛngels, Pannenbergs und Rahners nicht deutlich genug sieht, daß der Aspekt der Krisis bei Rahner und Pannenberg im Unterschied zu JÛngel nicht angemessen zum Tragen kommt. Deshalb ist hier entgegen der Annahme von Kappes kein offenbarungstheologischer Konsens vorauszusetzen. 142 Vgl. E. JÛngel: Entsprechungen, S. 175 u. 258 f.; ders.: Anfechtung, S. 44; ders.: Gott, S. 530 u. 533. Zu entsprechenden Beobachtungen bei K. Barth s. o., S. 214 f.

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zwischen den Menschen untereinander als unangemessen. Gleiches gilt fÛr die selbstbezogene konfessionelle Uneinheitlichkeit der Kirchen.143

Durch seine Konzentration auf die Kreuzestheologie als Grundlage der heils×konomischen Selbsterschließung Gottes gelang es JÛngel also nicht nur, an die Ambivalenz der „natÛrlichen“ Voraussetzungen der Gotteserkenntnis und an deren bleibende Angewiesenheit auf die Offenbarung zu erinnern, sondern auch, die empfangende Grundstruktur herauszustellen, welche der Kirche gegenÛber der trinitarischen Selbsterschließung Gottes als bleibendes Merkmal vorgegeben ist. 1.2.2 Defizite In JÛngels Konzentration auf die Kreuzestheologie scheint aber zugleich eine der Ursachen fÛr die EngfÛhrungen und Defizite seiner trinitÅtstheologischen Konzeption zu liegen. ZunÅchst fÅllt auf, daß JÛngel bezÛglich der biblischen Fundierung des Glaubens an den dreieinigen Gott vornehmlich auf das Zeugnis vom Kreuz baut: „Gott ist vollstÅndig definiert in dem gekreuzigten Jesus von Nazareth.“144 Damit treten andere Aspekte der heilsgeschichtlichen Selbsterschließung Gottes – wie die Inkarnation oder das Pfingstereignis – weniger in Erscheinung. Doch diese verschiedenen heilsgeschichtlichen Aspekte, die in den triadischen Formeln zusammengefaßt sind, bilden den konstitutiven VerstÅndnishorizont des Kreuzesgeschehens. Das gilt besonders fÛr die pneumatologische Selbsterschließung Gottes. Die VernachlÅssigung dieser Aspekte durch die Konzentration auf die theologia crucis und den zweiten Artikel kann aber nicht nur den dritten Artikel in den Hintergrund treten lassen, sondern auch den ersten Artikel. Das lÅßt sich daran ablesen, daß JÛngel exegetisch kaum auf die klassischen Belegstellen fÛr die „natÛrliche“ Gottesahnung eingeht (z. B. R×m 1,18–23: Gottesahnung aus den Sch×pfungswerken; R×m 2,14 f.: Gesetz im Herzen der Heiden), wÅhrend er ausfÛhrlich auf das neutestamentliche Zeugnis von der Krisis zurÛckgreift (z. B. I Kor 1,18 ff.: Evangelium als Torheit).145 So findet der Aspekt der natÛrlichen AnknÛpfungspunkte der Offenbarung trotz seiner Ûber Barth hinausgehenden BerÛcksichtigung immer noch relativ wenig Beachtung.146 Aufgrund der prioritÅren Bezugnahme auf den zweiten ArtiVgl. E. JÛngel: Wahrheit, S. 310–335, und ders.: Anfechtung, S. 40 ff. Ders.: Sein Jesu Christi, S. 511. Vgl. ders.: VerhÅltnis, S. 356, und ders.: Gott, S. 481, 511, 529. Vgl. ferner E. Maurer: Tendenzen, S. 11, der in bezug auf JÛngels Verbindung von TrinitÅt und Kreuzestheologie konstatiert: „Das Sein Gottes als Liebe ereignet sich nur in Passion und Kreuz Christi.“ 145 Vgl. zu letzterem W. Kappes: „NatÛrliche Theologie“, S. 301 u. 307. Zur Problematik der Reduktion auf den zweiten Artikel vgl. C. SchÛtz: Tendenzen, S. 320. 146 W. L×ser: TrinitÅtstheologie, S. 36, stellt JÛngel deshalb die „Frage, ob eine jedes metaphysische GottesverstÅndnis ausschließende Theologie nicht den Bezugspunkt aufgel×st hat, 143 144

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kel mit dem entsprechenden Interesse an einer mehr individualistischen Gnadenlehre scheint gleiches fÛr die Kosmologie und die Eschatologie sowie die explizite Er×rterung sichtbarer ekklesiologischer Strukturen zuzutreffen. Von daher findet sich auch bei JÛngel die Tendenz westlicher Konzentration auf die Christologie und die individualistische Gnadenlehre, der die Orientierung an der intrapersonalen Einheit Gottes korrespondiert. In die augustinisch-westliche Entsprechung von „Sich-Selber-Haben“ des menschlichen Geistes (psychologische TrinitÅt) und trinitarischer Selbsthabe Gottes wird durch JÛngel der idealistisch geprÅgte „Prozeß des Sich-Verwirklichens unseres Ich durch die Hingabe an das Nicht-Ich hindurch eingeblendet“147 (Schelling, Hegel). JÛngel kritisiert zwar die anthropologische Grundorientierung des deutschen Idealismus und Hegels mangelnde Unterscheidung von Gott und Mensch148, aber er scheint dennoch idealistischen Denkstrukturen verhaftet zu bleiben, was sich in einigen – noch zu zeigenden – ambivalenten trinitÅtstheologischen Formulierungen niederschlÅgt. Auch seine Kritik an der aristotelischen Geistmetaphysik der puren gedanklichen Selbsthabe als Notwendigkeit (statt als Dimension freier M×glichkeit) bleibt grundsÅtzlich im Rahmen der intrapersonal-gedanklichen Selbstentfaltung Gottes.149 Indem JÛngel Selbsthabe konstitutiv mit Selbsthingabe verbindet, lÅßt er Spuren idealistischer Geistmetaphysik erkennen: „[. . .] in Akten g×ttlichen Geisteslebens“ kommt Gott „zu sich selbst, nicht ohne zu einem Anderen seiner selbst kommen zu wollen“150. Weil es laut JÛngel in der Liebe kein Haben gibt, das nicht der Hingabe entspringt, und sich deshalb in der liebenden Hingabe eine Selbstentfernung zugunsten einer neuen NÅhe zu sich selbst ereignet, existiert der trinitarische Gott als absolutes geistiges Subjekt der Liebe inmitten noch so großer Selbstbezogenheit in immer noch gr×ßerer Selbstlosigkeit. Diese Gedanken lassen idealistische AnklÅnge erkennen. Obwohl JÛngel eine Definition der Liebe nur von der kreuzestheologischen Selbsterschließung Gottes her fÛr m×glich hÅlt, vollzieht er die „Be-

auf den sich ihre Aussagen beziehen“. Vgl. die Åhnlich gelagerte Kritik von H. Petri: Problematik, S. 16–26. 147 A. Peters: TrinitÅtslehre, Sp. 566. Vgl. ebd., Sp 561. Zur Kritik an der christologischen EngfÛhrung vgl. W. Kern/ Y. [M. J.] Congar: Geist, S. 85. 148 Vgl. E. JÛngel: Gott, S. 18 u. 124 f. Vgl. dazu auch W. Kern: Pneumatologie, S. 81 ff. 149 Vgl. E. JÛngel: Sache, S. 206 ff. Vgl. ferner M. Welker: Geist, S. 274 ff., der JÛngels Beharren auf der rein gedanklich-geistigen Selbstentfaltung Gottes als abstrakt und weltflÛchtig kritisiert und eine interpersonal strukturierte Verbindung von Gott und Welt prÅferiert, die mit einer sozialen trinitÅtstheologischen Analogie korreliert. Dabei Ûbergeht Welker jedoch die bleibende Bedeutung des intrapersonalen Aspekts fÛr das GegenÛber von Gott und Welt. (Siehe Anm. 110, IV. Kap.) 150 E. JÛngel: VerhÅltnis, S. 363.

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sinnung auf das Wesen der Liebe“151 im Kontext der menschlichen Ich-DuBeziehung. Er ÛbertrÅgt das relationale interpersonale Ereignis der menschlichen Ich-Du-Liebe auf die intrapersonale Liebe des einen g×ttlichen Subjekts, so daß der interpersonale und relationale Aspekt in der intrapersonalen g×ttlichen Selbstverwirklichung aufgeht. Dadurch erscheint die RelationalitÅt in Gott mehr als intrapersonale Dimension und erhÅlt in ihrem innertrinitarischen interpersonalen Charakter kaum Geltung.152 Gleichzeitig lÅßt das Ereignis der menschlichen Ich-Du-Beziehung das intrapersonale g×ttliche Sein als Ereignis und Geschichte bzw. als ein „Werden“ erscheinen.153 ZunÅchst knÛpft JÛngel damit an die positive Erkenntnis Hegels an, daß Gott als das in sich lebendige Leben der Liebe grundlos aus sich selbst existiert und sich somit auch nur selbst erschließen kann. Von der Gefahr, daß Gottes „Werden“ wie bei Hegel als Selbstentfaltung Gottes in die Welt im Sinne einer im Anderen sich vollendenden Selbstwerdung Gottes mißverstanden werden kann, distanziert sich JÛngel explizit: „Gott ist sich keineswegs erst insofern Ziel, als er auf den Menschen zielt. Gott ist sich selber genug.“154 JÛngel setzt sich von der hegelschen Vorstellung eines werdenden Gottes ab, weil er lediglich zeigen will, wie die innertrinitarische Bezogenheit als ewige innerg×ttliche Geschichte geschieht. Da diese ewige Bezogenheit sich als Liebe ereignet und JÛngel diese Liebe als Zusammenspiel von sich hingebender Agape und Eros versteht, hÅtte er eigentlich auch das interpersonale Moment des innerg×ttlichen Seins deutlicher hervorheben k×nnen. Doch er bleibt bei dem rein intrapersonalen westlichen Gottesbegriff und dessen Terminologie der innertrinitarischen Relationen, was mit der Scheu vor dem Personbegriff einhergeht.155 So steht mehr die idealistisch gefÅrbte Selbstentfaltung des g×ttlichen GeistSubjekts der Liebe im Vordergrund. Dabei erscheinen Sohn und Geist gegenÛber dem Ursprung der Selbstentfaltung (Vater) als nachgeordnet, weil die mehr interpersonal zu verstehende RÛckbewegung zum Vater in den Hintergrund tritt.156

Bei der BegrÛndung der Ursache innerg×ttlicher Selbstunterscheidung scheint JÛngel in Konflikt mit seiner Forderung nach einer „distinctio rationis“ zwischen ×konomischer und immanenter TrinitÅt sowie mit seiner Distanzierung von der hegelschen Vermengung der g×ttlichen und gesch×pflichen Ebene zu geraten. Denn als ewiges Motiv der Selbstunterscheidung Gottes deklariert JÛngel den Willen Gottes, im Gesch×pf das schlechthin Andere zu lieben: „WÅre Gott nur der ewig sich selber liebende, so wÅre die Unterscheidung von Gott und Gott mÛßig, und eigentlich wÛrde Gott Ders.: Gott, S. 446. Vgl. insgesamt ebd., S. 430 ff. u. 537 f., und ders.: Gottes Sein, S. 41. Vgl. ders.: Gott, S. 444 ff. 153 Das spiegelt der Titel von JÛngels Barth-Paraphrase wider: „Gottes Sein ist im Werden“. Vgl. ebd., S. 41 ff. u. 106. Vgl. ferner ders.: Gott, S. 298 ff., 430 ff., und 521 ff., wo es heißt: „Gottes Sein ist im Kommen“. 154 Ders.: Gott, S. 526. 155 Vgl. ebd., S. 508 f. Insgesamt vgl. ebd., S. 298 ff., 430 ff., 463, 475, 504, 521 ff., und ders.: Gottes Sein, S. V, 41 ff., 106 ff. 156 Vgl. W. Pannenberg: Theologie I, S. 324 f., und M. Root: Bedeutung, S. 158. 151 152

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dann in seiner schlechthinnigen IdentitÅt Ûberhaupt nicht lieben.“157 Hier scheint JÛngel von seiner eigenen Auffassung abzuweichen, daß sich Gott als ewiges lebendiges Sein der Liebe selbst genug ist. Dadurch weist die distinctio zwischen ×konomischer und immanenter TrinitÅt eine gewisse Ambivalenz auf, die bei JÛngel zuweilen zum Vorschein kommt. Wenn er etwa betont, daß Gott nicht ohne den Menschen zu sich selbst kommen will (voluntativ), so steht das in Spannung zu der Aussage, daß sich Gottes Selbstliebe im Kreuzestod Jesu vollendet (konstitutiv). Indem JÛngel die Ewigkeit des g×ttlichen Seins mit dem Kreuzestod Jesu belastet sieht und die lebendige Einheit von Leben und Tod in Gottes Sein ansiedelt, besteht die Gefahr, daß die Grenze zwischen der heilsgeschichtlichen Hingabe pro nobis – die JÛngel an anderer Stelle wieder betont – und dem ewigen immanenten g×ttlichen Sein verschwimmt.158 Das k×nnte nicht zuletzt daran liegen, daß fÛr JÛngel alles im Kreuzesgeschehen kulminiert, wodurch sich hinsichtlich der Zusammenschau von ×konomischer und immanenter TrinitÅt mit Walter Kern die Frage stellt: „Geht es an, im Tod Jesu die Große Konversion zu sehen, das Paradigma aller Hegelschen Begriffs-Umkehrungen“159? Außerdem drÅngt sich dabei die Frage nach dem Unterschied zwischen heilsgeschichtlicher Kontingenz und ewigem g×ttlichen Wesen auf, die sich auch angesichts JÛngels AffinitÅt zu Barths Auffassung von der heilsgeschichtlichen Offenbarung als Wiederholung des innerg×ttlichen trinitarischen Seins stellt.160 Es bleibt also auch fÛr JÛngel selbst wichtig, an der von ihm geforderten „distinctio rationis“ festzuhalten, wenn Gottes heilsgeschichtliche Hingabe pro nobis als eine in seiner ewigen innerg×ttlichen Liebe begrÛndete freie Gnade erkennbar sein soll. Deshalb fordert nicht nur Kern, die spannungsreiche Dialektik zwischen ewigem souverÅnen Wesen Gottes und seiner M×glichkeit, sich am Anderen zu Åndern (K. Rahner), beizubehalten.161 Dabei dÛrfte die SouverÅnitÅt Gottes aber nicht als statischer Begriff aufgefaßt werden, als der sie bereits durch die altkirchliche Kreuzestheologie relativiert wurde. Die aus einer teilweise zu undeutlichen Unterscheidung von ×konomischer und immanenter TrinitÅt erwachsende Gefahr eines „werdenden Gottes“ kann sich durch JÛngels starke christologische Orientierung vergr×ßern.

E. JÛngel: Gott, S. 451. Vgl. ebd., S. 500. Vgl. ebd., S. 471 (Einheit von Leben und Tod in Gott) und S. 494 (Hingabe pro nobis) sowie S. 451 (Gott will Menschen) und S. 527 (Vollendung der Selbstliebe). Vgl. ferner zu weiteren Beispielen fÛr die ambivalenten Tendenzen ebd., S. 298 ff. u. 521 ff. 159 W. Kern: Pneumatologie, S. 84. 160 Vgl. E. JÛngel: Gottes Sein, S. 107–118. 161 Vgl. W. Kern: Pneumatologie, S. 85 ff., wo er Åhnliche Forderungen anderer Theologen auffÛhrt. Vgl. ferner W. Breuning: UnÅhnlichkeit, S. 380 ff., der auch eine deutlichere distinctio zwischen ×konomischer und immanenter TrinitÅt anmahnt. 157 158

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Denn eine primÅr christologische Soteriologie bleibt einer linearen Entwicklung verhaftet, die erst durch die im Heiligen Geist garantierte stÅndige Dimension von „GegenÛber und NÅhe“ Gottes aufzuweiten ist. Eine nachhaltigere Wahrnehmung der pneumatologischen Dimension wÅre hier hilfreich, zumal die im Kreuzesgeschehen offenbare Selbstunterscheidung Gottes bei JÛngel in erster Linie auf der Selbstunterscheidung von Vater und Sohn beruht (Ich-Du-Beziehung). Die dritte Person, der Heilige Geist, spielt unter expliziter BekrÅftigung des Filioque eine untergeordnete und mehr funktionale Rolle.162 Sowohl in der immanenten als auch in der ×konomischen TrinitÅt erhÅlt er kaum eine eigenstÅndige und aktive Funktion. Er gilt immanent als Relation der Relationen bzw. als Ereignis der Liebe zwischen Vater und Sohn (vinculum caritatis): „Im Geist bejahen sich Vater und Sohn gegenseitig.“163 °konomisch tritt der Geist weniger als Geber in Erscheinung als vielmehr als Gabe und Kraft. Er ist die „Kraft Gottes“, die im Kreuzesgeschehen „den Gegensatz von Leben und Tod zugunsten der M×glichkeit neuen Seins vereinigt“164. Es fÅllt auf, daß der Heilige Geist zumeist nur in direkter Verbindung mit seiner heils×konomischen Funktion genannt wird, und zwar derart, daß diese zuweilen als fÛr das Sein des Geistes konstitutiv erscheint, wenn es beispielsweise heißt, daß „Gott nicht nur als Liebender und Geliebter da ist, sondern als Heiliger Geist Ûber sich hinausgeht“165, und zwar in die Sch×pfung. Gott wÅre nach JÛngel ein selbstbezogener Egoist, wenn der Geist als innerg×ttliches Band der Liebe „nicht zugleich die Gabe wÅre, in der und als die Gott sich [. . .] auf Menschen bezieht [. . .]. Von Gott als einer ewig neuen Beziehung zwischen Gott und Gott kann nur aufgrund der selbstlosen Unterscheidung von Vater und Sohn zugunsten eines Anderen als Gott die Rede sein.“166 Solche Aussagen bedÛrfen erneut einer schÅrferen distinctio zwischen ×konomischer und immanenter TrinitÅt und stehen in Spannung zu den skizzierten Aussagen JÛngels Ûber die sich selbst genÛgende innertrinitarische Liebe Gottes. Die geringere immanente EigenstÅndigkeit des Heiligen Geistes resultiert nicht zuletzt aus der Filioque-Tradition mit ihrer VernachlÅssigung der Eigenschaft des Geistes als „Geber“.167 Eine damit einhergehende Konzentration auf die Christologie und die Gnadenlehre korre162 Vgl. E. JÛngel: Gott, S. 513 u. 532 (Filioque). Zur primÅr Vater und Sohn betreffenden Selbstunterscheidung und der entsprechenden menschlichen Ich-Du-Beziehung vgl. u. a. ebd., S. 448, 450, 529. 163 Ebd., S. 532. Vgl. ebd., S. 504, 506, 513. 164 Ebd., S. 470. Vgl. ebd., S. 504 u. 513, und ders.: Sein Jesu Christi, S. 511, wo die funktionale Qualifizierung des Heiligen Geistes in ×konomischer und immanenter Hinsicht ebenfalls zum Ausdruck kommt. 165 Ders.: Gott, S. 451. Vgl. ebd., S. 449 f. 166 Ebd., S. 513 f. 167 Vgl. die Kritik an JÛngels westlich geprÅgter Pneumatologie bei I. U. Dalferth: Roots,

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liert mit der intrapersonal-idealistisch gefÅrbten Sichtweise westlicher PrÅgung, wobei die analoge Entsprechung von innerg×ttlicher Gemeinschaft und menschlicher Ich-Du-Beziehung die Selbstunterscheidung von Vater und Sohn fast binitarisch erscheinen lassen kann.168 Ferner liegt es nahe, daß die zurÛckhaltende Bezugnahme auf die natÛrlichen AnknÛpfungspunkte mit der geringeren Beachtung des eigenstÅndigen Geistwirkens in der Sch×pfung zusammenhÅngt. WÅhrend Rahner die EigenstÅndigkeit des Heiligen Geistes vernachlÅssigen konnte, weil er die natÛrlichen Voraussetzungen mit der Christologie in ein VerhÅltnis der ErgÅnzung brachte, kann JÛngel aus umgekehrter Perspektive von einer intensiveren Auseinandersetzung mit den eigenstÅndigen Spuren des Heiligen Geistes absehen, weil die natÛrlichen Voraussetzungen aufgrund ihrer Ambivalenz fÛr ihn weniger maßgeblich sind. Auch in JÛngels Ekklesiologie macht sich die geringe eigenstÅndige Funktion des Heiligen Geistes bemerkbar, insofern als „die neue Initiative des Geistes an Pfingsten“169 (M. Root) wegen der primÅr christologisch-kreuzestheologischen Ausrichtung zurÛckhaltendere Beachtung findet. Zwar gilt JÛngel der Heilige Geist als derjenige, durch dessen Kraft die Menschen in die Gemeinschaft Gottes einbezogen werden, aber das Gewicht der christologisch verankerten Gnadenlehre lÅßt der Betrachtung der Kirche als sichtbarer Gemeinschaft (Koinonia) der Glaubenden weniger Raum.170

Die aufgezeigten inneren Spannungen zwischen einigen Aussagen JÛngels, die auf eine ºberlagerung der heils×konomisch orientierten Hermeneutik durch intrapersonal-idealistische Tendenzen und durch die Filioque-Tradition hindeuten, hinterlassen also sowohl in der trinitÅtstheologischen Konzeption als auch in der Ekklesiologie Spuren. Zur ºberwindung dieser Spannungen bedÛrfte es Ûber die kreuzestheologische Orientierung hinaus einer deutlicheren Wahrnehmung aller heilsgeschichtlichen Phasen. Von der damit verbundenen stÅrkeren Beachtung der pneumatologischen Selbsterschließung Gottes wÛrde eine dezidiertere Wahrnehmung der eigenstÅndigen und aktiven Funktion des Heiligen Geistes hervorgerufen. Das wiederum hÅtte die Aufwertung des interpersonalen Aspekts zur Folge, da der

S. 150 f.: „JÛngel follows a long tradition of Western thought [. . .]. [. . .] he has difficulty in articulating, with any clarity, the personal agency of the Spirit“. 168 Vgl. E. JÛngel: Gott, S. 529, wo JÛngel davon ausgeht, daß der Mensch „dem dreieinigen Gott nur in der Gemeinschaftlichkeit zumindest zweier ‚Wir‘ sagender Menschen entspricht“. Vgl. dazu auch ebd., S. 537. 169 M. Root: Bedeutung, S. 158, der anmerkt, „daß der Geist als wirklich Handelnder in JÛngels TrinitÅtsverstÅndnis eine geringe Rolle spielt“ (ebd., S. 159), und der sogar zu dem Schluß kommt: „Pfingsten und die Zeit nach Pfingsten (d. h. die Kirche) drohen zu verschwinden.“ (Ebd., S. 158) 170 Vgl. z. B. E. JÛngel: Wahrheit, S. 311 ff.

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Heilige Geist so deutlicher in seiner personalen Interaktion mit den anderen trinitarischen Personen in Erscheinung treten k×nnte. Außerdem erm×glicht eine derartige pneumatologische Besinnung eine differenzierte VerhÅltnisbestimmung von „GegenÛber und NÅhe“ Gottes. Denn der Heilige Geist garantiert sowohl das „GegenÛber-Sein“ als auch die „NÅhe“ Christi, indem er dessen Heilswerk vergegenwÅrtigt. Als Geber (GegenÛber) und Gabe (NÅhe) verk×rpert der Geist auch selbst die Gleichzeitigkeit von „GegenÛber und NÅhe“ Gottes, deren differenzierte Zuordnung vor Ambivalenzen beim VerhÅltnis von ×konomischer und immanenter TrinitÅt zu schÛtzen vermag. WÅhrend hinsichtlich der zuletzt genannten VerhÅltnisbestimmung bei JÛngel Gottes „GegenÛber-Sein“ zuweilen nicht ganz deutlich wird, kann er es in seiner Kritik am r×misch-katholischen VerstÅndnis der Kirche als Sakrament deutlich darlegen, wobei allerdings die ekklesiologischen und charismatischen Implikationen der im Geist gegebenen „NÅhe“ Gottes weniger in Erscheinung treten.171 So stellt sich insgesamt erneut die Bedeutsamkeit einer angemessenen Beachtung des Heiligen Geistes und des dritten Artikels sowie das zentrale Gewicht einer prÅzisen Bestimmung des VerhÅltnisses von Christologie und Pneumatologie heraus.

2. JÛrgen Moltmanns Vermittlungsversuch zwischen westlicher und ×stlicher Theologie als INTERpersonal geprÅgte TrinitÅtslehre 2.1 Fortschritte GegenÛber den beobachteten Problemen, die sich aus einer einseitig intrapersonalen Orientierung existentialistischer oder idealistischer PrÅgung und einer entsprechend einseitig westkirchlichen TrinitÅtslehre und Ekklesiologie ergeben, setzt JÛrgen Moltmann auf die Wahrnehmung der ×kumenischen Dimension – besonders hinsichtlich des ostkirchlichen Ansatzes.172 Denn die auf Gottes Einheit fixierte Substanz- und SubjekttrinitÅt der Westkirchen, die Gott zunÅchst als h×chste Substanz und spÅter im Zuge des aufgeklÅrten Idealismus als absolutes Subjekt verstand, bedarf nach Moltmann der Korrektur durch die ostkirchliche Beachtung der drei heilsgeschichtlichen Phasen, in denen die Dreiheit Gottes und seines Handelns zum Ausdruck kommt. Nur durch eine solche Korrektur k×nne man die

171 172

321 f.

Vgl. ebd. Vgl. J. Moltmann: Geschichte, S. 12 f. u. 236; ders.: TrinitÅt, S. 14 f.; ders.: Geist, S. 16 f. u.

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Folgen einer rein intrapersonalen ReflexionstrinitÅt des absoluten Subjekts Ûberwinden. Zu diesen Folgen zÅhlt nach Moltmann die anthropozentrische EngfÛhrung, die der Gottesbegriff durch seine Verankerung in der neuzeitlichen Vernunft- und Geistmetaphysik erfÅhrt: „An die Stelle des Beweises Gottes aus der Welt tritt der Beweis Gottes aus der Existenz, aus der Seele, aus dem unmittelbaren Selbstbewußtsein.“173 Diese Entwicklung sieht Moltmann in die westliche AffinitÅt zur psychologischen TrinitÅt eingefÛgt, deren Vorstellung von Gott als absolutem Subjekt auf anthropologischer Seite der Individualismus entspricht, der auf der Basis der psychologischen TrinitÅt durch den Leib-Seele-Dualismus charakterisiert ist, weil die den K×rper beherrschende Seele als Ebenbild Gottes (imago Dei) verstanden wird.174 Das darin zum Ausdruck kommende HerrschaftsverhÅltnis korreliert mit der Konzentration auf die monarchische Gestalt der TrinitÅt, die einseitig durch die Bewegungsrichtung der Sendungen charakterisiert ist, in welchen das eine g×ttliche Subjekt der Welt als Herrscher gegenÛbertritt. Die SendungstrinitÅt weist auch innertrinitarisch ein monarchisches GefÅlle auf, da der Vater durch den Sohn in der Kraft des Heiligen Geistes handelt und somit alle AktivitÅt vom Vater ausgeht, wÅhrend der vom Vater ausgehende und vom Sohn gesandte Geist als logische Konsequenz des Filioque rein passiv die dritte Rangordnung einnimmt (Vater – Sohn – Geist). Er erscheint lediglich als Kraft oder Wirkung des Wirkens Gottes.175 Der innertrinitarischen und heils×konomischen Monarchie korrespondiert wiederum eine monarchische Ekklesiologie, die sich in der Lehre vom monarchischen Episkopat widerspiegelt: „Ein Gott – ein Christus – ein Bischof – eine Gemeinde“176. Den passiv definierten Geist bindet man als Gabe an die AutoritÅt des Amtes, wÅhrend seine eigenstÅndige Ausgießung der Charismen an die Gemeinschaft der Glaubenden zurÛcktritt, so daß es im Westen immer wieder zur Kontroverse zwischen „Amtskirche“ und „Geistkirche“ (Katholizismus) oder schriftgebundener und spiritualistischer Theologie (Protestantismus) kam.177 Außerdem erkennt Moltmann in Anlehnung an Erik Peterson einen Zusammenhang zwischen theologischem und 173 Ders.: TrinitÅt, S. 29. Vgl. insgesamt ebd., S. 25 ff. u. 154 ff.; ders.: Geschichte, S. 103 ff.; ders.: Einheit, S. 100; ders.: Kraft, S. 45 ff.; ders.: Gemeinschaft, Sp. 706 ff. 174 „Aus der modalistischen Reduktion der TrinitÅt auf die absolute Pers×nlichkeit folgt in der Anthropologie eine theologische BegrÛndung [. . .] der modernen bÛrgerlichen Individualkultur“ (J. Moltmann: TrinitÅt, S. 172). Vgl. insgesamt ebd., S. 29, 77 ff., 162 f.; ders.: Gemeinschaft, Sp. 709; ders.: Kraft, S. 51; ders.: Geschichte, S. 186; ders.: Kommen Gottes, S. 15. 175 Vgl. ders.: Geist, S. 305 ff.; ders.: Kraft, S. 45 ff.; ders.: Geschichte, S. 90 ff.; ders.: Gemeinschaft, Sp. 707 ff., und ders.: TrinitÅt, S. 105, 110 f., 159. Vgl. zur monarchischen TrinitÅt ebd., S. 154 ff.; ders.: Gemeinschaft, Sp. 707 ff.; ders.: Geschichte, S. 103 ff.; ders.: PersonalitÅt, S. 439. 176 Ders.: Geschichte, S. 98. 177 Vgl. ebd., S. 92 ff.; ders.: Gemeinschaft, Sp. 710; ders.: Kraft, S. 53 f.

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politischem Monarchianismus (ein Gott – ein Kaiser – eine Kirche – ein Reich).178 Schließlich lÅßt sich nach Moltmann auch noch eine Entsprechung zwischen trinitarischem und anthropologischem PersonverstÅndnis erkennen. Wird Gott wie bei Barth und Rahner nur als die eine absolute Pers×nlichkeit verstanden und der Personbegriff an die Einheit Gottes gebunden – und so fÛr die trinitarischen „Personen“ unbrauchbar –, drÅngt sich fÛr das anthropologische PersonverstÅndnis eine individualistische Anschauung auf, die den relationalen Aspekt des Personseins vernachlÅssigt.179 Daraus resultiert das Gewicht der individualistischen Gnadenlehre in den westlichen Kirchen. Die entsprechende Fixierung auf das soteriologische GegenÛberSein von Gott und sÛndigem Menschen unterstreicht die anthropozentrische EngfÛhrung im GottesverstÅndnis und erklÅrt die defizitÅre Wahrnehmung von Kosmologie, Eschatologie und Doxologie. Weil die cartesianisch geprÅgte anthropozentrische Weltsicht das menschliche Subjekt zum Maßstab jeglicher Erfahrung und Wirklichkeit erhebt und so auch die Erfahrung des Geistes Gottes auf die Selbsterfahrung beschrÅnkt, kommt die Gegenwart Gottes in der Gemeinschaft und in der Natur zu kurz, so daß die kosmische Bedeutung Christi und des Heiligen Geistes ausgeblendet bleibt. Es wird Ûbersehen, daß die „‚Gottebenbildlichkeit‘ [. . .] der Menschen nur im Rahmen der Sch×pfungsgemeinschaft gilt (Ps 104)“180. Mit der individualistischen Gnadenlehre hÅngt auch die fehlende Aufmerksamkeit fÛr die eschatologische Vollendung der kosmisch relevanten Heilsgeschichte zusammen. Ferner bewirkt die heils×konomisch-soteriologische Reduktion eine VernachlÅssigung der Doxologie, die sich laut Moltmann Ûber die heils×konomische Dimension hinaus auf die eschatologische visio beatifica ausrichtet und den apophatischen Charakter von Glauben und Theologie bewahrt, was besonders dem Protestantismus verloren gegangen sei.181 Der rein intrapersonalen TrinitÅtslehre westlicher PrÅgung hÅlt Moltmann die ostkirchliche Wahrnehmung der Dreiheit Gottes und damit die interpersonale bzw. gemeinschaftliche Dimension Gottes entgegen, die andere Schlußfolgerungen fÛr das Gottes-, Menschen- und WeltverstÅndnis zulÅßt. Das setzt voraus, daß die in der biblischen Heilsgeschichte erkennbare Dimension der interpersonalen Gemeinschaft zwischen den trinitarischen

178

Vgl. ders.: TrinitÅt, S. 208 ff. Vgl. ebd., S. 154 ff., und ders.: Kraft, S. 47 ff. u. 56. 180 Ders.: Geist, S. 50. Vgl. insgesamt ebd., 22 ff. u. 41 ff. Vgl. zur Bedeutung des Gottesbegriffs fÛr die Wahrnehmung und den Umgang mit der Sch×pfung ders.: Geschichte, S. 176 ff.; ders.: Gott/Sch×pfung, und ders.: Zukunft. 181 Vgl. zur Bedeutung der Doxologie ders.: Gedanken, S. 222; ders.: Geist, S. 86 u. 315 ff.; ders.: Geschichte, S. 105, und ders.: PersonalitÅt, S. 443. Zur Bedeutung der Eschatologie vgl. ders.: Kommen Gottes; ders.: Umkehr, und ders.: Theologie. 179

JÛrgen Moltmann

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Personen ernst genommen wird, da man mit den rein intrapersonalen AnsÅtzen das „im Neuen Testament so eindrÛcklich bezeugte personale GegenÛber des den Sohn liebenden Vaters, des zum Vater betenden Sohnes und des den Vater und den Sohn bekennenden und verherrlichenden Geistes [. . .] nicht erfaßt“182. Deshalb Ûbersieht die monarchische Gestalt der TrinitÅtslehre mit ihrer Rang- und Wirkungsordnung (Vater – Sohn – Geist) das wechselseitige Zusammenwirken von Geist und Sohn. Das schlÅgt sich in der VerdrÅngung der synoptischen Geistchristologie nieder, nach welcher der Vater in der Kraft des Heiligen Geistes an seinem Sohn handelt und welche sich daher durch die Ordnungsfolge „Vater – Geist – Sohn“ charakterisieren lÅßt, insofern als Christus vom Heiligen Geist empfangen, mit ihm getauft, von ihm begabt und durch ihn auferweckt wird. Erst nach der Auferstehung kommt die von Paulus und Johannes prÅferierte christologische Pneumatologie mit ihrer Sendung des Geistes durch Christus zum Tragen (Vater – Sohn – Geist). Beide Ordnungen sind aufgrund ihres sachlich bestimmten WechselverhÅltnisses, das die Wechselwirkung zwischen Sohn und Geist widerspiegelt, zu beachten, zumal diese heils×konomisch erkennbare Wechselwirkung auch fÛr die immanente TrinitÅt zutrifft. Denn wenn der Geist vom „Vater des Sohnes“ ausgeht, wirkt die Sohnschaft indirekt beim Hervorgang des Geistes aus dem Vater mit. Umgekehrt wird die Zeugung des Sohnes vom Ausgang des Geistes begleitet wie der Hervorgang des Wortes durch den Atem. So strahlt der Geist nicht nur aus dem Sohn, sondern er ruht auch in ihm. Deshalb ist der Sohn zugleich EmpfÅnger des Geistes. „Diese Vorstellungen vom Begleiten des Sohnes, vom Ruhen im Sohn und vom Ausstrahlen des Geistes vom Sohn entsprechen der Geistes-Geschichte Christi und der Christus-Geschichte des Geistes, von der das Neue Testament spricht“183. Auf dieser Grundlage ist laut Moltmann zwischen der „konstitutiven“ Ursprungsbeziehung, von der der Geist durch den Hervorgang aus dem Vater seine hypostatische Gottheit erhÅlt, und den perichoretischen Lebensbeziehungen zu unterscheiden, die die innertrinitarische Gestalt des Geistes aufgrund seiner Beziehungen zu Vater und Sohn „manifestieren“. Daneben gelte es zu beachten, daß sich die trinitarischen Personen in der g×ttlichen Herrlichkeit gegenseitig zur Darstellung bzw. zum Leuchten bringen.184

182

Ders.: Geschichte, S. 119. Ders.: Geist, S. 322. Vgl. insgesamt ebd., S. 84 f., 307, 320 ff.; ders.: TrinitÅt, S. 105 ff.; ders.: Weg, S. 92 ff. Moltmann greift beim Gedanken von der Begleitung der Zeugung des Sohnes durch den Geist auf den orthodoxen Theologen D. Staniloae zurÛck. (Vgl. J. Moltmann: Geist, S. 321 f., Anm. 70.) 184 Vgl. ders.: VorschlÅge, S. 148 f.; ders.: Geist, S. 321 ff.; ders.: TrinitÅt, S. 189 ff. – Zur Problematik, die Moltmanns terminologische Unterscheidung zwischen „Konstitutions- und Relationsebene“ mit sich bringt, s. u., S. 291, 341 ff., 536 ff., und siehe Anm. 212, II. Kap. 183

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Aus solchen Differenzierungen ergibt sich die M×glichkeit, im Unterschied zum Filioque zwischen dem Hervorgang des Geistes aus dem Vater und seiner Sendung durch Vater und Sohn zu unterscheiden. Diese differenziertere VerhÅltnisbestimmung von Christologie und Pneumatologie unterstreicht Moltmann, indem er die westliche Konzentration auf die monarchische Gestalt der TrinitÅt durch die eucharistische und doxologische Gestalt der TrinitÅt ergÅnzt. In der Heilsgeschichte folge nÅmlich auf die monarchische SendungstrinitÅt (Vater – Sohn – Geist) die eucharistische VerherrlichungstrinitÅt (Geist – Sohn – Vater), in welcher der Geist nicht als passive Kraft, sondern als das eigentlich handelnde Subjekt in Erscheinung tritt. Der Geist versammelt die Menschen unter Dank, Gebet und Lobpreis in die Gemeinschaft mit Gott zum eschatologischen Ziel der Verherrlichung Gottes, wobei der Geist den Sohn und durch den Sohn den Vater verherrlicht. Die mit der eucharistischen Bewegungsrichtung verbundene eschatologische Hoffnung ist von der apophatischen Haltung geprÅgt, die als empfangende Vernunft „keine EinschrÅnkung des Erkennens und keine Verarmung des Denkens, sondern im Gegenteil Befreiung des Erkennens im ‚weiten Raum‘ des Geistes Gottes“185 bedeutet. So geht diese Haltung in die trinitarische Doxologie Ûber, welche die monarchische und eucharistische TrinitÅt transzendiert, da sie Ûber die Heils×konomie hinaus auf das ewige Wesen Gottes selbst blickt, als Angeld des Schauens Gottes von Angesicht zu Angesicht (visio beatifica). Deshalb kritisiert Moltmann die palamitische Unterscheidung von zugÅnglichen Energien und unzugÅnglichem Wesen Gottes, da eine unantastbare Heiligkeit Gottes nicht geheiligt werden k×nne. In der trinitarischen Doxologie wird Gott um seiner selbst Willen angebetet und im Unterschied zu linearen Ordnungsfolgen der trinitarischen Personen vollends als innertrinitarische perichoretische Gemeinschaft erfahren, was im Bekenntnis von NizÅa-Konstantinopel (381) dadurch zum Ausdruck kommt, daß der Heilige Geist „mit dem Vater und dem Sohn zugleich angebetet und verehrt wird“. Hier tritt die PersonalitÅt des Geistes hervor. Sein Wesen entspricht seiner Funktion, insofern als er sowohl die wechselseitige innertrinitarische als auch die heils×konomische Anteilnahme erm×glicht („Gemeinschaft des Heiligen Geistes“ – II Kor 13,13) und somit Geber und Gabe zugleich ist. Diese trinitarische Pneumatologie wehrt nach Moltmann einer unitarischen Inhabitation des „Gemeingeistes“ (Schleiermacher) ebenso wie einer ekklesiologischen Hierarchie-Gemeinschaft, die als christologisch charakterisierte „Subjekteinheit“ vom Heiligen Geist vermittelte Charismen ausblendet. WÅhrend bei der monarchischen TrinitÅt die Gottesherrschaft im Vorder-

185 Ders.: Geist, S. 86. Vgl. insgesamt ebd., S. 312 ff.; ders.: TrinitÅt, S. 25 u. 142 f.; ders.: Gemeinschaft, Sp. 713 f.; ders.: PersonalitÅt, S. 440 ff.; ders.: Kraft, S. 58 f.

JÛrgen Moltmann

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grund steht und bei der eucharistischen TrinitÅt die verherrlichende Danksagung, tritt mit der trinitarischen Doxologie der Aspekt der interpersonalen innertrinitarischen Gemeinschaft in den Vordergrund (soziale Analogie, ×stliche PrÅgung).186 Auf diese Weise wird die westliche Reduktion auf die intrapersonal-monarchische TrinitÅt Ûberwunden, welche nur die Seele und das Individuum als Ebenbild Gottes erkannte. Die interpersonal-soziale Dimension erinnert daran, daß der ganze Mensch – mit seinem Leib als „Tempel des Heiligen Geistes“ (I Kor 6) – als PersonalitÅt der innertrinitarischen Koinonia entspricht, weil sich seine PersonalitÅt durch Gemeinschaft konstituiert. Deshalb spiegelt sich die Gotteserfahrung in der Selbst- und Sozialerfahrung wider. In diesem Kontext ist auch die geschlechtliche Differenzierung zwischen Mann und Frau zu verstehen. Die mit dem monarchischen Ansatz verbundene Herrschaft Gottes Ûber die Welt, die leicht zu einer analogen Auffassung von der Herrschaft der Seele Ûber den Leib oder des Mannes Ûber die Frau fÛhren konnte, wird durch die trinitarische Doxologie aufgeweitet in die Sicht der liebenden Gemeinschaft. Diese bezieht sich letztlich auf die ganze Sch×pfung (Eph 1, Kol 2), weil die menschliche Gemeinschaft in die °kosysteme der natÛrlichen Gemeinschaft integriert ist.187 So gibt Moltmann die Grundlage zu erkennen, auf welcher der individualistische Personbegriff neuzeitlich-westlicher PrÅgung durch das relationale PersonverstÅndnis Ûberwunden werden kann, das sich sowohl in der Alten Kirche als auch im modernen philosophischen Personalismus findet. Gleichzeitig kommt es zur ºberwindung der anthropozentrischen EngfÛhrung, die im Westen die VernachlÅssigung der Kosmologie nach sich zog. Der mit der kosmologischen Besinnung verbundene Blick auf die eschatologische Neusch×pfung unterstreicht das Gewicht der futurischen Eschatologie, die Moltmann gegenÛber der westlichen Reduktion auf die existentialistisch-prÅsentische Eschatologie betont.188 Vor diesem Hintergrund erlangt die Gotteslehre wieder mehr Relevanz fÛr die Universalgeschichte der Menschheit und fÛr das VerhÅltnis von Kirche und Welt. Entsprechend erweist sich die perichoretische Gemeinschaft der TrinitÅt fÛr Moltmann auch als Urbild gemeinschaftlicher Staatsformen (Demokratie), wobei weder ein 186 Vgl. insgesamt ders.: Geist, S. 230 ff., 299 ff., 315 ff.; ders.: TrinitÅt, S. 215 f.; ders.: Gemeinschaft, Sp. 713 f.; ders.: PersonalitÅt, S. 443 ff. 187 Vgl. ders.: Kraft, S. 49 ff.; ders.: Gemeinschaft, Sp. 708 ff.; ders.: Geist, S. 21 ff., 44 ff., 230 ff.; ders.: Der gekreuzigte Gott; ders.: Geschichte, S. 177 u. 192. 188 Das zeichnete sich bereits mit der 1964 erschienen „Theologie der Hoffnung“ ab, deren eschatologische Ausrichtung sich durch alle weiteren Werke Moltmanns zieht, bis hin zu Moltmanns Eschatologie „Das Kommen Gottes“ (1995). Zur theologischen Entwicklung Moltmanns vgl. dessen eigene Skizzierung seines theologischen Weges in ders.: Geschichte, S. 219–240. Nicht zu Ûbersehen ist der Einfluß der Prozeßphilosophie A. N. Whiteheads auf die kosmologischen und eschatologischen AusfÛhrungen Moltmanns (vgl. u. a. ders.: Geist, S. 47).

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bÛrgerlicher Individualismus noch ein sozialistischer Kollektivismus der perichoretischen Vorgabe gerecht werde. Ferner impliziere die Ausrichtung an der trinitarischen Koinonia eine Sch×pfungsgemeinschaft ohne zerst×rerische und ausbeuterische MachtmentalitÅt.189 Die innertrinitarische perichoretische Gemeinschaft gilt natÛrlich erst recht als Vorgabe fÛr eine analoge Ekklesiologie. Auch hier darf es deshalb weder ein kollektives klerikales Bewußtsein geben, das den einzelnen Glaubenden unterdrÛckt (katholisches Problem), noch ein individualistisches Bewußtsein, das die Gemeinsamkeit Ûbersieht (protestantisches Problem). Die gemeindliche VolkssouverÅnitÅt verbietet sich also ebenso wie der Klerikalismus. Weil der Heilige Geist im Unterschied zu seiner funktionalen Bindung an das Amt (monarchischer Filioque-Ansatz) durch die Koinonia-TrinitÅt als Gabe und Geber erkennbar wird, der die Charismen an alle Glaubenden austeilt, erweist sich das Priestertum aller Glaubenden als Kontext der speziellen Šmter. Das prophetische, k×nigliche, priesterliche und messianische Gottesvolk und die ihm aufgetragenen besonderen Šmter dÛrfen nicht gegeneinander ausgespielt werden. Die charismatische Struktur kommt der ganzen Kirche zu. Sie hat ihren Maßstab im Kreuz Christi und im Dienst am Reich Gottes. Mit dieser Verbindung von Kreuzes- und Geisttheologie, die dem perichoretischen VerhÅltnis von Sohn und Geist entspricht, kann Moltmann zeigen, daß die Einheit der Glaubenden nicht im monarchischen Episkopat begrÛndet ist, sondern in der Partizipation an der trinitarischen Koinonia, die der Heilige Geist vermittelt. So wird dieser von seiner funktional-passiven trinitarischen (Filioque) und ekklesiologischen Rolle (Amt) befreit, wodurch sich die Kirche dem Geist wieder als ihrem Geber empfangend ×ffnen kann, statt ihn zu vereinnahmen. Das bewirkt automatisch die ×kumenische °ffnung der Kirchen. Auch das VerhÅltnis von Schrift und Tradition wird durch eine angemessenere Wechselwirkung zwischen Christologie und Pneumatologie berÛhrt, insofern als die Schrift zwar christologisch abgeschlossen, aber pneumatologisch offen fÛr die Zukunft des Reiches Gottes ist. Von daher weist die Schrift Ûber sich selbst hinaus auf die Tradition. Ein geistvergessener Verbalismus ist deshalb ebenso unangebracht wie ein wortvergessener Traditionalismus oder Spiritualismus.190

Daß die Wahrnehmung der innertrinitarischen perichoretischen Koinonia daneben natÛrlich in erster Linie zur ºberwindung trinitÅtstheologischer Einseitigkeiten beitrÅgt, welche die genannten defizitÅren Konsequenzen allererst hervorrufen, er×rtert Moltmann auch. So nennt er als Ursache der skizzierten Beobachtung, daß die trinitarische Koinonia weltlich und kirchlich weder Individualismus noch Kollektivismus impliziert, die innertrinitarische GleichursprÛnglichkeit und KomplementaritÅt von Person und Relati-

189 Vgl. ders.: Geschichte, S. 13, 16 f., 106 ff., 156 ff., 173 ff.; ders.: Kraft, S. 56; ders.: Geist, S. 21 ff., 111 ff., 247 f.; ders.: TrinitÅt, S. 51, 144 ff., 207 ff. 190 Vgl. insgesamt ders.: Kirche, S. 321 ff.; ders.: Geist, S. 237 ff.; ders.: Gemeinschaft, Sp. 710 ff. (Die in dem zuletzt genannten Literaturhinweis erfolgenden AusfÛhrungen sind identisch mit den Aussagen in ders.: Kraft, S. 53 ff., und ders.: Geschichte, S. 97 ff.) – Zum VerhÅltnis von Schrift, Tradition und Kirche vgl. M. Haudel: Bibel (vgl. Anm. 115, I. Kap.).

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on. Die perichoretische Koinonia beinhaltet laut Moltmann, daß der Vater zwar ursprungloser Ursprung des Sohnes ist, aber seine Person sich aufgrund der Vaterschaft erst im Blick auf den Sohn konstituiert, weshalb die GleichursprÛnglichkeit der trinitarischen Personen besteht. Infolgedessen ist die totale IdentitÅt von Person und Relation (westkirchliche Tendenz) ebensowenig vertretbar wie die Ansicht, der Vater sei Gott an sich und „manifestiere“ sich lediglich durch den Sohn (ostkirchliche Tendenz). PersonalitÅt und RelationalitÅt sind also sowohl zu unterscheiden als auch in ihrem genetischen Zusammenhang zu sehen, da sie zugleich und miteinander entstehen. Weil die g×ttlichen Personen in Beziehung zueinander stehen und gleichzeitig ineinander existieren (Perichorese/circumincessio), vollzieht sich eine vollkommene Durchdringung in ewiger Liebe, die die g×ttliche Einheit ebenso beinhaltet wie die g×ttliche Gemeinschaft (interpersonaler Aspekt) und von daher Tritheismus ebenso ausschließt wie Modalismus. In gleicher Weise lÅßt die Dimension der innertrinitarischen Gemeinschaft keinen westlichen Filioquismus zu, wÅhrend die einheitstiftende Perichorese ×stlichem Patromonismus widersteht.191 Die innertrinitarische Perichorese, die auch die BerÛcksichtigung der sozialen Analogie (Vater, Mutter und Kind) erm×glicht, er×ffnet fÛr Moltmann gegenÛber der vom „Allvater“ ausgehenden patriarchalischen Tradition die Einsicht in die weiblichen ZÛge Gottes. Jede der trinitarischen Personen weist demnach transgeschlechtliche Merkmale auf. Der Vater zeugt den Sohn nicht nur, sondern dieser geht auch aus dem „Mutterschoß des Vaters“ (Konzil von Toledo 675) hervor; in Christus ist „nicht Mann und Frau“ (Gal 3,28), und der Heilige Geist verk×rpert als ruach Jahwe sowie als herrschender und lebendigmachender Geist mÅnnliche und weibliche Charakteristika.192 Schließlich erm×glicht die perichoretische innerg×ttliche Gemeinschaft, die sich fÛr die Gemeinschaft mit der Sch×pfung zu ×ffnen vermag, fÛr Moltmann auch eine Relativierung des Apathieaxioms, ohne dessen Inhalt v×llig ablehnen zu mÛssen. Gott ist nÅmlich in dem Sinne apathisch und leidensunfÅhig, daß er nicht wie die Kreatur aus Mangel leidet. Aber er ist frei, sich aus Liebe zu seinen Gesch×pfen ihrer verÅnderlichen Geschichte zu ×ffnen und fÛr sie zu leiden.193 Diese ºberwindung des rein alternativen Denkens (unverÅnderlich – verÅnderlich) zeichnet sich durch die differenzierte perichoretische TrinitÅtslehre auch fÛr das OffenbarungsverstÅndnis ab, insofern als die aus der inner-

191 Wie Moltmann die perichoretische Integration des Heiligen Geistes nachzeichnet, wurde bereits analysiert. Vgl. insgesamt ders.: Einheit, S. 107 ff., und ders.: TrinitÅt, S. 179 ff. 192 Vgl. ders.: Geschichte, S. 14 ff., 25 ff., 45 ff.; ders.: Geist, S. 283 ff. 193 Vgl. ders.: Gedanken, S. 220; ders.: Geschichte, S. 171; ders.: TrinitÅt, S. 39; ders.: Der „gekreuzigte Gott“, S. 410. Die Auffassung Moltmanns entspricht Rahners Vorstellung von der M×glichkeit des unverÅnderlichen Gottes, sich am Anderen zu Åndern.

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trinitarischen Gemeinschaft hervorgehende Gemeinschaft mit der Sch×pfung sowohl einem reinen Transzendentalismus (Offenbarungstheologie, „Theologie von oben“) als auch einem reinen Immanentismus (natÛrliche Theologie, „Theologie von unten“) entgegensteht. „Weil Gottes Geist im Menschen ist, ist des Menschen Geist selbsttranszendent auf Gott angelegt. Wer Offenbarung und Erfahrung zu Alternativen stilisiert, endet bei unerfahrbaren Offenbarungen und offenbarungslosen Erfahrungen.“194 Moltmann liegt wie JÛngel daran, auf der Basis der Kreuzestheologie jenseits von Theismus und Atheismus die Dialektik von ambivalenter menschlicher Erfahrung und g×ttlicher Selbsterschließung aufzuzeigen und so das VerhÅltnis von „GegenÛber und NÅhe“ Gottes angemessener darzustellen.

2.2 Defizite Sein berechtigtes Anliegen, dem VerhÅltnis von „GegenÛber und NÅhe“ Gottes zu entsprechen, gefÅhrdet Moltmann selbst, wenn er die Erkenntnism×glichkeit einseitig an die eschatologische Vollendung bindet. So besteht die Gefahr, den metaphysischen Erweis Gottes aus der Welt lediglich durch ein eschatologisch-futurisches Verifikationsschema zu ersetzen, das den Gottesbegriff der eschatologischen ErfÛllung der Heilsgeschichte unterwirft.195 Infolge dieser linearen Verbindung von Gott und Weltgeschichte kann es erneut zur Verquickung von Gott und Welt kommen, was mit Defiziten in der TrinitÅtslehre zusammenhÅngt. Denn bei seinem in weiten Bereichen konstruktiven Versuch, die Einseitigkeiten der westlich-intrapersonalen TrinitÅtslehre und ihre Konsequenzen zu Ûberwinden, unterliegt Moltmann der umgekehrten Tendenz einer einseitig INTERpersonalen TrinitÅtslehre, die mit der VernachlÅssigung des intrapersonalen Aspekts das „GegenÛberSein“ des einen Gottes zur Welt verschwimmen lÅßt. Zwar formuliert Moltmann hinsichtlich des trinitÅtstheologischen Ansatzes, daß die vestigia trinitatis Selbst- und Sozialerfahrung nicht alternativ beinhalten, weil „nicht nur in menschlicher IndividualitÅt, sondern mit gleichem Gewicht in menschlicher SozialitÅt das Ebenbild des dreieinigen Gottes zu suchen ist“196. Aber indem er dann doch nur die interpersonal-soziale Dimension berÛcksichtigt, gerÅt er explizit in Widerspruch zur gerade zitierten Aussage, wenn es an anderer Stelle heißt: „Ebenbild Gottes aber ist nicht die Individualperson“197. Hieß es oben noch „nicht nur“, so heißt es jetzt ausschließlich „nicht“. J. Moltmann: Geist, S. 20. Vgl. ders.: TrinitÅt, S. 31 f. Vgl. ders.: Der gekreuzigte Gott; ders.: Kraft, S. 77 ff.; ders.: TrinitÅt, S. 178; ders.: Geschichte, S. 164 f.; ders.: Dialektik, und die Analyse von B. Klappert: Tendenzen, S. 200 ff. 196 J. Moltmann: TrinitÅt, S. 216. Vgl. ders.: Geist, S. 233, und ders.: Geschichte, S. 95. 197 Ders.: TrinitÅt, S. 216. 194 195

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Von dieser Beobachtung ausgehend sollen die Defizite aufgezeigt werden, die sich in Moltmanns Versuch der ºberwindung westlich-intrapersonaler Einseitigkeiten finden. ZunÅchst lÅßt sich nachweisen, daß die angefÛhrte WidersprÛchlichkeit im Umgang mit den intra- und interpersonalen Analogien aus einer synonymen WidersprÛchlichkeit in Moltmanns Entwurf der immanenten TrinitÅt resultiert. So formuliert er einerseits: „[. . .] die Einheit des dreieinigen Gottes besteht nicht nur in der einen g×ttlichen Substanz und auch nicht nur in dem identischen, g×ttlichen Subjekt, sondern vor allem in der einzigartigen Gemeinschaft der drei Personen“198. Andererseits sieht er den Grund der Einheit Gottes „nicht in dem einen, einzigen homogenen Wesen Gottes (substantia) und auch nicht in dem einen identischen absoluten Subjekt“199. Auch hier wird zunÅchst auf die inter- und intrapersonale Dimension Gottes Bezug genommen, wobei es dann aber doch zur Ausblendung des intrapersonal strukturierten EINEN Wesens Gottes kommt. Entsprechend konstatiert Moltmann im Blick auf Barth und Rahner sowie angesichts der Gefahr des westlichen Modalismus: „Die Einigkeit der drei g×ttlichen Personen wird von diesen weder als ihr eines Wesen vorausgesetzt [Modalismusgefahr] noch als Selbigkeit oder IdentitÅt der Gottesherrschaft [Barth] oder Selbstmitteilung [Rahner] bewirkt.“200 Daß Moltmann bei seiner Kritik an der intrapersonalen westlichen TrinitÅtslehre mit ihren modalistischen Tendenzen die intrapersonale Einheit Gottes nahezu gÅnzlich ausschließt und dadurch in die Gefahr des entgegengesetzten Extrems einer interpersonal-tritheistischen Tendenz gerÅt, sieht er selbst nicht so. Doch wenn er von der trinitarischen Geschichte der „drei distinkten Subjekte“ ausgehend die „trinitarische IntersubjektivitÅt“ betont, nach der die innertrinitarische Gemeinschaft „nur durch die Lebensgemeinschaft der relational aufeinander bezogenen [. . .] drei Personen“201 existiert, scheint die tritheistische Gefahr nicht ganz abgewehrt zu sein. Moltmann bewertet die „Tritheismus-Gefahr“ historisch jedoch lediglich als fiktives Feindbild zur Protektion des Monotheismus, den er wiederum pauschal ablehnt, indem er ihn als monarchische Vorstellung von der Herrschaft des „Einen“ mit „Monarchianismus“ und „Theismus“ gleichsetzt.202 Zu dieser Bewertung gelangt er durch eine einseitige Auslegung des biblischen und altkirchlichen Zeugnisses. 198 Ders.: Kraft, S. 47 (kursive Hervorhebung des „nur“ v. Vf., die anderen Hervorhebungen sind im Original unterstrichen). Vgl. ders.: Geschichte, S. 92 f. 199 Ders.: TrinitÅt, S. 174 (Hervorhebung v. Vf.). 200 Ebd., S. 167. 201 Ebd., S. 192. Vgl. ders.: Geist, S. 303, und ders.: Einheit, S. 106. Vgl. zum Tritheismusproblem bei Moltmann u. a. die Hinweise von L. Oeing-Hanhoff: Ontologie, S. 160, Anm. 60; W. Kasper: Gott, S. 360, und I. U. Dalferth: Roots, S. 152: „However, [. . .], Moltmann so much stresses the personal agency of Father, Son and Spirit, that it becomes difficult to see how it still can be said to be one and the same God.“ 202 Vgl. J. Moltmann: Antwort, S. 182 f., und ders.: TrinitÅt, S. 146, Anm. 7. Moltmanns Zu-

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So liest er aus der biblisch bezeugten Heilsgeschichte lediglich die interpersonale Gemeinschaft der „drei unterscheidbaren und verschiedenen Subjekte“ heraus, weshalb „die TrinitÅtslehre von drei distinkten Subjekten dieser Geschichte ausgehen muß“203. Dabei stÛtzt er sich vorwiegend auf einen kreuzestheologischen Ansatz, der sich auf das markinische und paulinische Zeugnis beschrÅnkt und das Kreuz primÅr als Zeichen der Geschichte des Zusammenwirkens und der Gemeinschaft der trinitarischen Personen deutet.204 Indem Moltmann die biblisch und heilsgeschichtlich ebenfalls bezeugte intrapersonale Dimension der trinitarischen Einheit Gottes durch einseitige Auslegung vernachlÅssigt, l×st er das biblisch-heilsgeschichtlich offenbarte Paradoxon der inter- und intrapersonalen Einheit Gottes zugunsten der alleinigen Wahrnehmung des interpersonalen Aspekts auf.205 Das setzt sich in seiner jeweils einseitigen Beurteilung der AnsÅtze westlicher und ×stlicher KirchenvÅter fort. Moltmann bewertet die lateinische Theologie als modalistisch-monarchisch, weil sie die eine g×ttliche Substanz vorgeordnet (Tertullian) und den Personbegriff lange in seiner modalistischen FÅrbung (Maske) benutzt habe oder PersonalitÅt und RelationalitÅt einfach identifiziert habe (Augustin). Dadurch werde der interpersonale Relationsbegriff aufgel×st. In der ×stlichen Theologie mit ihrem mehr als IndividualitÅt zu verstehenden Personbegriff (Hypostase), mit ihrer sozialen Analogie und der Betonung der drei heilsgeschichtlichen Reiche des Vaters, des Sohnes und des Geistes finde man hingegen eine Theologie der trinitarischen Gemeinschaft.206 In der vorliegenden Untersuchung wurde bereits dargelegt, daß eine derart pauschale Bewertung patristischer AnsÅtze in Ost und West der genaueren Analyse altkirchlicher TrinitÅtslehre nicht standhÅlt. So hat schon Tertullian dem Personbegriff den Charakter individueller EigenstÅndigkeit verliehen und Gott nicht nur als intrapersonale Substanzeinheit verstanden, sondern auch als Handlungs- und Kommunikationseinheit der trinitarischen Personen. Durch diesen kommunikativen Personbegriff nahm er die kappadozische Verbindung von Sein und Gemeinschaft bereits vorweg. Die Kappadozier wiederum verbanden mit ihrer Auffassung von der interpersonalen trinitarischen Gemeinschaft durchaus die intrapersonale Einheit Gottes, was durch ihre Zuordnung von ou™sı´a und ušpo´stasiß ebenso zum Ausdruck kommt wie durch ihren perichoretischen Ansatz. Da Augustin diesen Ansatz rezipierte, ist auch seine TrinitÅtslehre nicht einfach mit modalistisch-monarchianistischen Kategorien zu ermessen.207 Indem Moltmann das in ost-westlicher altkirchlicher

rÛckweisung des Tritheismus-Vorwurfs beurteilt E. Maurer: Tendenzen, S. 19, folgendermaßen: „Das theologiegeschichtliche Argument, es habe niemals einen Tritheismus gegeben, vielmehr habe die Standardpolemik nur jeweils den eigenen Modalismus verschleiert [. . .], widerlegt Moltmann selbst, indem er faktisch dem Tritheismus verfÅllt.“ 203 J. Moltmann: Einheit, S. 101 u. 106. 204 Vgl. ders.: Der „gekreuzigte Gott“, S. 409 f. Vgl. auch die EinschÅtzung von D. Ritschl: Reiche, S. 466. 205 Zur biblisch-heilsgeschichtlich bezeugten intra- und interpersonalen Einheit Gottes siehe Kap. II. 206 Vgl. J. Moltmann: TrinitÅt, S. 153 f., 187 ff., 221 f.; ders.: Geschichte, S. 91 ff.; ders.: Kraft, S. 45 ff. 207 Zur entsprechenden Analyse der trinitÅtstheologischen AnsÅtze Tertullians, der Kappadozier und Augustins s. o., S. 103 ff., 127 ff., 139 ff.

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°kumene festgehaltene biblische Paradoxon der Einheit von intra- und interpersonalem g×ttlichen Wesen auf den interpersonalen Aspekt reduziert und die Einheit Gottes nicht auf sein Wesen bezieht, kann er sich auch gegen das nizÅnische Homousios wenden.

Aus dieser Reduktion erklÅren sich die terminologischen Einseitigkeiten Moltmanns, der den Begriff des Monotheismus verwirft, indem er die intrapersonal konstituierte monotheistische Dimension des trinitarischen Gottes ausblendet und den christlichen Gottesbegriff somit nicht wie Kasper oder Pannenberg als „konkreten Monotheismus“ erkennt. So muß er sich mit den Worten Pannenbergs fragen lassen, ob es ihm „gelungen ist, die Einheit des trinitarischen Gottes begrifflich einwandfrei zu formulieren“208. Wie sehr Moltmann hingegen die g×ttliche Dreiheit betont, zeigt seine Motivation fÛr die Ablehnung des Personbegriffs. WÅhrend Barth und Rahner diesen Begriff wegen der Gefahr zu großer IndividualitÅt ablehnten, fÛrchtet Moltmann umgekehrt, daß die Anwendung ein und desselben Begriffs auf die trinitarischen Personen deren IndividualitÅt gefÅhrden k×nne.209 DarÛber hinaus lÅßt Moltmanns innertrinitarische Unterscheidung zwischen „Konstitutions- und Relationsebene“ terminologisch nicht klar genug hervortreten, daß sich auch die konstitutiven Ursprungsbeziehungen in Relationen zwischen den trinitarischen Personen darstellen und sich die Einheit somit auch auf der Ursprungsebene manifestiert.210 Als Ursache fÛr seine Hervorhebung der individuellen SubjektivitÅt der trinitarischen Personen erweist sich bei genauerer Betrachtung auch Moltmanns Christologie. Indem er unter Ablehnung der Zwei-Naturen-Lehre Jesus und den ewigen g×ttlichen Logos direkt identifiziert, muß der Sohn Gottes in Entsprechung zum Menschen Jesus ein selbstÅndiges Bewußtseinszentrum besitzen. Wenn das Kreuzesgeschehen von Moltmann gleichzeitig nicht primÅr als Geschehen zwischen Gott und Mensch, sondern zwischen g×ttlichem Sohn (Jesus) und Vater qualifiziert wird, handelt es sich bei den innertrinitarischen Beziehungen um die Interaktion selbstÅndiger Bewußtseins- und Aktionszentren.211 Nur eine derartige perichoretische Gemeinschaft hÅlt Moltmann in bezug auf das heils×konomische Sch×pfungsverhÅltnis fÛr maßgeblich. Der innertrinitarischen Konstitutionsebene

208 W. Pannenberg: Theologie I, S. 364, Anm. 220. Vgl. zu Moltmanns kritischer Haltung gegenÛber der Wesenseinheit Gottes J. Moltmann: TrinitÅt, S. 167 u. 191 f. Zu Belegen fÛr seine Ablehnung des Monotheismus-Begriffs siehe die Literaturhinweise in Anm. 202, IV. Kap. Zum Begriff „konkreter Monotheismus“ vgl. W. Kasper: Gott, S. 358. 209 Vgl. J. Moltmann: VorschlÅge, S. 510 f.; ders.: Einheit, S. 112 f. 210 Zur detaillierten Auseinandersetzung mit dieser Problematik s. u., S. 341 ff. u. 536 ff., und siehe Anm. 212, II. Kap. 211 Vgl. J. Moltmann: Der „gekreuzigte Gott“, S. 411. Vgl. ferner zur EinschÅtzung von Moltmanns Christologie K. Rosenthal: Bemerkungen, S. 146.

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hingegen, die den Hervorgang des Geistes und die Zeugung des Sohnes betrifft und deshalb auch an die intrapersonale Zusammengeh×rigkeit der trinitarischen Personen erinnern kann, spricht er dafÛr jegliche Relevanz ab.212 Auf diese Weise unterstreicht er die Reduktion des intra- und interpersonalen Wesens Gottes auf die interpersonale Dimension. Mit der Ausblendung der intrapersonalen Einheit Gottes wird Gott jedoch nicht mehr so deutlich als personales „GegenÛber“ zur Welt wahrgenommen, was sich bei Moltmann daran abzeichnet, daß er „das bisherige Denkmuster von Wesen und Offenbarung, Sein und Tun, immanenter und ×konomischer TrinitÅt“ durch die „Modelle[.] der monarchischen TrinitÅt, der geschichtlichen TrinitÅt, der eucharistischen TrinitÅt und der doxologischen TrinitÅt“213 ersetzt. Aufgrund der VernachlÅssigung der intrapersonalen Einheit Gottes als GegenÛber zur Welt tritt die vertikale Dimension zurÛck, wÅhrend die Konzentration auf die interpersonale heils×konomische Gemeinschaft der trinitarischen Personen die horizontale Dimension der linearen Geschichte von Gott und Mensch in den Vordergrund rÛckt. Das belegt die EinfÛgung der Gestalt der geschichtlichen TrinitÅt, die Moltmann innerhalb seiner 1991 ver×ffentlichten Pneumatologie in die bis dahin von ihm nur als dreistufig vertretene Konzeption von monarchischer, eucharistischer und doxologischer TrinitÅt vollzieht. Denn die geschichtliche TrinitÅt ÛbertrÅgt nach Moltmann die monarchische Gestalt „aus der vertikalen Ewigkeit-Zeit-Relation in die heilsgeschichtliche Abfolge der Zeiten des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes“214. Moltmanns eschatologischer Grundorientierung entsprechend ist der „heilsgeschichtliche Zeitsinn“ auf die Zukunft der Geschichte ausgerichtet. Unter dem Einfluß der Prozeßphilosophie (A. N. Whitehead) steht das „VorwÅrts des Prozesses“ im Blickpunkt. Das spiegelt sich in der Rezeption der trinitarischen Reichslehre des Joachim von Fiore und ihrer Konzeption von den – als „aufsteigende Linie“ gedachten – drei bis vier Reichen wider.215 Zwar setzt Moltmann dem Verdacht einer rein chronologischen Sicht entgegen, mit den verschiedenen Reichen seien stets prÅsente Schichten und ºbergÅnge in der Geschichte des Reiches gemeint, aber da er den jeweiligen Reichen qualitativ verschiedene Arten und M×glichkeiten der Gottesbeziehung zuordnet, bleibt die linearchronologische PrioritÅt erhalten.

212 Vgl. J. Moltmann: Geschichte, S. 181; ders.: TrinitÅt, S. 182 f. u. 192. – Die Ursprungsbeziehungen k×nnen aber nur dann an die intrapersonale Einheit erinnern, wenn sie nicht unter Ausblendung der gegenseitigen Existenzbeziehungen primÅr partikularistisch verstanden werden, wie es in der orthodoxen Theologie oft der Fall ist. 213 Ders.: Geist, S. 304. 214 Ebd., S. 309. Zur vorherigen dreifachen Konzeption vgl. ders.: Einheit, S. 104. 215 Vgl. ders.: Geist, S. 240 u. 309 ff.; ders.: TrinitÅt, S. 220 ff. – Zu Joachim von Fiores Ansatz s. o., S. 160, und zum Einfluß Whiteheads siehe Anm. 188, IV. Kap.

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Ausschlaggebend dafÛr ist auch die VerknÛpfung der Heilsgeschichte mit der menschlichen Freiheitsgeschichte. Dem Reich des Vaters, das durch „Gottesknechtschaft“ charakterisiert ist, korrespondiert die monarchische TrinitÅt, die die Einheit der trinitarischen Personen durch die „Gottesherrschaft“ qualifiziert. Dem Reich des Sohnes, das die „Gotteskindschaft“ reprÅsentiert, ist die auf Zukunft ausgerichtete geschichtliche TrinitÅt zuzuordnen. Dem Reich des Geistes mit seiner „Gottesfreundschaft“ entspricht die von Danksagung geprÅgte eucharistische TrinitÅt, und mit dem Reich der Herrlichkeit als „vollkommener Freiheit“ in der Erkenntnis von Angesicht zu Angesicht verbindet sich die trinitarische Doxologie als Wahrnehmung der ewigen „Gemeinschaft“ der trinitarischen Personen. Der letzten trinitarischen Gestalt, der trinitarischen Doxologie, entspricht nach Moltmann im Blick auf die ewige trinitarische Gemeinschaft allein die soziale Analogie der interpersonalen menschlichen Gemeinschaft. Analog dazu gilt in der menschlichen Freiheitsgeschichte die vollkommene Gemeinschaft unter den Menschen als h×chste Form der „Stufen der Freiheit“, die ihr Ziel in der vollkommenen Gemeinschaft mit Gott findet. Daß dieses direkte Zusammenwirken von menschlicher Freiheitsgeschichte und trinitarischer Geschichte Gottes die Gefahr spekulativer und evolutionistischer Verquickung in sich birgt, bestÅtigt sich durch Moltmanns Aufnahme der „Wiederbringung aller Dinge“ (Apokatastasis Panton) ebenso wie durch seine chiliastischen AnklÅnge.216 Solche Tendenzen Moltmanns k×nnte die traditionelle Zusammenschau der Reiche des Sohnes und des Geistes im „Reich der Gnade“ abwehren, weil sie durch ihre heilsgeschichtlich bleibende Interdependenz von theologia crucis und theologia gloriae ein primÅr lineares Fortschreiten von der theologia crucis zur theologia gloriae verhindern wÛrde. Die bei Moltmann zu erkennende Gefahr, menschliche interpersonale Strukturen und innertrinitarische Gemeinschaft zu direkt miteinander zu identifizieren, resultiert auch aus der zu undifferenzierten kreuzestheologischen Identifikation des Menschen Jesus mit dem ewigen Logos. Hinzu kommt, daß das Kreuzesgeschehen als primÅr innerg×ttliches Geschehen konstitutiv dem immanenten Wesen Gottes zugeordnet wird und daß so aus seiner heils×konomischen QualitÅt (pro nobis) eine fÛr Gottes Wesen konstitutive QualitÅt entsteht. Die historische Passion Christi offenbart laut Moltmann die ewige Passion Gottes, weshalb sich Gott am Kreuz selbst konstituiere: „Es ist keine ‚immanente TrinitÅt‘ denkbar ohne ‚das erwÛrgte Lamm‘.“217 Moltmann vollzieht die totale Identifikation von ×ko216 Vgl. zu letzterem J. Moltmann: Geschichte, S. 155, und ders.: Geist, S. 243, 347, 311. Vgl. insgesamt ebd., S. 304–324 (verschiedene Gestalten der TrinitÅt), und ders.: TrinitÅt, S. 220–239 (Reichs- und Freiheitslehre). 217 Ders.: Antwort, S. 180. Vgl. ders.: TrinitÅt, S. 47 u. 98 f., und ders.: Einheit, S. 105 f.

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nomischer und immanenter TrinitÅt, die keine distinctio mehr zulÅßt, wodurch Gott nicht mehr als bleibendes „GegenÛber“ erkennbar ist. Es kommt zur „Wechselwirkung“ zwischen Heilsgeschichte und g×ttlichem Wesen, insofern als sich die immanente TrinitÅt erst durch die eschatologische ErfÛllung der Heilsgeschichte „vollendet“. Wie bei Hegel scheint Gott sich erst mit Hilfe der SelbstentÅußerung in die Geschichte vollends zu konstituieren, so daß Moltmann im expliziten RÛckgriff auf Hegel von der innertrinitarischen „Geschichte Gottes“218 spricht, die sich in der Heils×konomie ereignet. Das mit der totalen Identifizierung von ×konomischer und immanenter TrinitÅt einhergehende Problem der Vermengung von Gott und Welt beruht letztlich auf einer mangelnden biblisch-×konomischen Ausrichtung. Mit ihr garantierten bereits die KirchenvÅter die angemessene BerÛcksichtigung des VerhÅltnisses von „GegenÛber und NÅhe“ Gottes, da die biblischen Aussagen auf die differenzierte Zuordnung von heils×konomischer Anwesenheit und immanentem Wesen Gottes hinweisen.219 Indem Moltmann aber seinen Ansatz ausdrÛcklich nur als „heilsgeschichtlich“ bezeichnet, „um die mit dem Ausdruck ‚biblisch‘ gesetzten Grenzen zu ×ffnen“220, ×ffnet er die heilsgeschichtliche Orientierung fÛr spekulative EinflÛsse, wÅhrend er biblische Kriterien fÛr das VerhÅltnis von ×konomischer und immanenter TrinitÅt zurÛcktreten lÅßt. Besonders deutlich wird die Gefahr der ºberlagerung des heilsgeschichtlichen Ansatzes durch spekulative PrÅmissen an Moltmanns Vorstellung von der TrinitÅt als einem offenen Prozeß. Weil nach Moltmann „die TrinitÅt kein in sich geschlossener Kreis im Himmel, sondern ein fÛr die Menschen offener eschatologischer Prozeß auf der Erde“221 ist, tritt die revelatorische Bedeutung der Inkarnation als gegebene Basis fÛr die Gotteserkenntnis in den Hintergrund, so daß das Augenmerk mehr auf den eschatologischen M×glichkeiten der Zukunft liegt. Durch die Orientierung an der zukÛnftigen Dimension der Gotteserkenntnis besteht aber eine gr×ßere Versuchung, diese mit eigenen Vorstellungen zu fÛllen. Die einseitig eschatologische Konzeption Moltmanns scheint von sol218 Ders.: TrinitÅt, S. 190. Vgl. insgesamt ebd., S. 50 u. 175 ff., und ders.: Der „gekreuzigte Gott“, S. 410 ff. 219 Zur biblisch-×konomischen Ausrichtung bedeutender KirchenvÅter und den daraus resultierenden Differenzierungen s. o., S. 119 ff., 130 f., 146 ff. 220 J. Moltmann: Geschichte, S. 120. Moltmanns heilsgeschichtlicher Ansatz bleibt unklar und widersprÛchlich, wenn er einerseits betont, „die Erkenntnis der ×konomischen TrinitÅt“ gehe der immanenten TrinitÅt „voran“ (ders.: TrinitÅt, S. 170), und andererseits erklÅrt, er werde „nicht der traditionellen Erkenntnismethode folgen und von der Tat auf den TÅter und vom Werk auf den Meister zurÛckschließen“ (ebd., S. 113). Vgl. zu weiteren Unstimmigkeiten ders.: Geist, S. 306 ff. Vgl. ferner die Kritik von D. Ritschl: Reiche, S. 470. 221 J. Moltmann: Der gekreuzigte Gott, S. 235 f.

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chen PrÅmissen geprÅgt zu sein, da sie unter dem Einfluß der Philosophie der Hoffnung (E. Bloch) und der Prozeßtheologie (A. N. Whitehead) steht. Das bestÅtigt Moltmann selbst, ebenso wie die Verbindung dieser futurischevolutionistischen Komponente mit den materialistischen Konzeptionen Blochs und der Frankfurter Schule, die sich fÛr Moltmann durch den marxistisch-christlichen Dialog der sechziger Jahre aufdrÅngten.222 Vor diesem Hintergrund wird Moltmanns einseitige Konzentration auf die eschatologische Entwicklung und deren interpersonal-soziale Relevanz schon verstÅndlicher. Hinzu kommen EinflÛsse aus dem christlich-jÛdischen Dialog, die zu einer bedenklichen Verzahnung von Gottes Wesen und Weltgeschichte fÛhren. Im RÛckgriff auf die Schechina-Theologie von Franz Rosenzweig versteht Moltmann die Einheit des dreieinigen Gottes nicht als gegebene Dimension des Wesens Gottes, sondern als eschatologisches Ziel, das mit dem Heil der Sch×pfung verbunden ist, insofern als Gott durch den Verlauf der Heilsgeschichte „geeinigt“ wird. Es geht also statt um Gottes „Einheit“ um Gottes „Vereinigung“, an der die Menschen teilhaben. Gott wird so von den Menschen abhÅngig, zumal Moltmann auch Gottes Herrlichkeit an die endzeitliche Verherrlichung der Welt bindet.223 VerstÅrkt wird diese Interdependenz von g×ttlichem und menschlichem Geschick durch den Einfluß von Nikolai Berdjajews Theosophie des Menschheitsgeschicks, nach der eine geschichtliche Wechselbeziehung zwischen himmlischer und irdischer Geschichte bzw. zwischen g×ttlicher Liebe und menschlicher Freiheit besteht. Sie beruht darauf, daß sich in Gott eine dramatische Geschichte vollzieht, die aus dem leidenschaftlichen Verlangen Gottes nach dem „Anderen“ resultiert. Denn die sch×pferische Bewegung wird als notwendiges Merkmal der Vollkommenheit Gottes betrachtet. Die Diskussion Ûber Gottes LeidensfÅhigkeit (PassibilitÅt) in der englischen Theologie, die Moltmann ebenfalls rezipiert, verbindet den Aspekt der Notwendigkeit mit Gottes Liebe und Hingabe: Weil Gott sich in Ewigkeit selbst opfert und sich aus Liebe selbst hingeben muß, war auch die Menschwerdung notwendig. Insofern als das Erleiden des B×sen die Voraussetzung der ewigen Seligkeit Gottes darstellt, ist das B×se mit Gott selbst schon gegeben und Gott fÅhrt durch die Zeit, um sein ewiges Sein zu finden. Dieser hegelsche Einfluß findet sich auch bei dem von Moltmann ebenfalls beachteten Spanier Miguel de Unamuno, der Gott und Welt in einem gemeinsamen Erl×sungsprozeß sieht.224

222 Vgl. ders.: Geschichte, S. 219–240, wo Moltmann seinen theologischen Weg nachzeichnet. Vgl. ferner ders.: Kommen Gottes, S. 13 u. 358 ff. Zur Bedeutsamkeit dieser EinflÛsse vgl. auch M. Welker (Hg.): Diskussion; H. U. von Balthasar: Theodramatik III, S. 299 f.; W. Kasper: Revolution, S. 10 ff. Die einseitige Schwerpunktverlagerung von der gegebenen Offenbarung zur offenen bzw. alles bisherige relativierenden Zukunft kritisiert auch R. Bauckham: Eschatologie, S. 45. 223 Vgl. J. Moltmann: TrinitÅt, S. 44 f.; ders.: Kommen Gottes, S. 360 ff.; ders.: Kirche, S. 77 f.; ders.: Gedanken, S. 215 ff. 224 Vgl. zu Unamuno, Berdjajew und der angelsÅchsischen Diskussion J. Moltmann: TrinitÅt, S. 45–63.

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Zwar setzt sich Moltmann von Hegels modalistischer Sicht der Selbstverwirklichung des absoluten g×ttlichen Subjekts in der Geschichte ab, aber er Ûbernimmt den Gedanken der konstitutiven Bedeutung der Weltgeschichte fÛr den Gottesbegriff in gezielt interpersonal-trinitarischer Orientierung, was etwa in seiner Ansicht zum Ausdruck kommt, daß die Herrlichkeit Gottes von der heilsgeschichtlichen Verherrlichung der Welt (im Geist durch den Sohn auf den Vater hin) abhÅngt. In Åhnlicher Weise distanziert sich Moltmann zwar einerseits von dem Vorwurf, dem Duktus mythischer G×tterdramen nahezustehen, in denen die G×tter durch ihre Leidenschaften dem Schicksal unterworfen sind. Das Pathos Gottes bestehe fÛr ihn nÅmlich in Gottes Freiheit als Liebe.225 Andererseits erhÅlt aber auch diese Freiheit bei Moltmann den Charakter der Notwendigkeit. Das betrifft alle heilsgeschichtlichen Phasen von der Sch×pfung bis zur eschatologischen Herrlichkeit. So findet sich in Moltmanns Replik auf VorwÛrfe, die Gottheit Gottes in menschlicher Geschichte aufgehen zu lassen, folgende inkonsistente Aussage: „Die TrinitÅt ist vollkommen in sich selbst. Sie ist aber [. . .] ‚unvollkommen‘ in ihrem Sein der Liebe“226. Wenn Gott die Liebe ist, besteht seine Freiheit nach Moltmann nicht darin, zu lieben oder nicht zu lieben, sondern „im Tun des Guten und in nichts anderem“227. Der liberale Freiheitsbegriff sei deshalb nicht auf Gott zu Ûbertragen. Da Liebe in ihrem mitteilenden Wesen ihre wahre BetÅtigung noch nicht in Gott selbst finde, weil das Gleiche dem Gleichen nicht genug sei, brauche Gott „die Welt und den Menschen“: „Ist Gott Liebe, dann [. . .] kann er nicht ohne die von ihm Geliebten sein.“228 So gibt es nach Moltmann keine „Vorstellung von einer immanenten TrinitÅt, in der Gott ohne seine Heil mitteilende Liebe fÛr sich ist“229: „Die Liebe wird [. . .] nur selig, wenn sie die Geliebten findet“. Weil diese Aussage aber nicht auf die intrapersonale Gemeinschaft der TrinitÅt bezogen wird, sondern allein auf die interpersonale Gemeinschaft Gottes mit der Sch×pfung, geht Gott aus sich heraus, um sich zu versammeln, und so „ist die Geschichte der Sch×pfung“ schließlich doch „als Trag×die der g×ttlichen Liebe anzusehen“230: „‚Gottes Geschichte‘ ist dann die Geschichte der Geschichte des Menschen.“231 225 Vgl. ebd., S. 41, und ders.: Dialektik, S. 155. Vgl. zu Moltmanns Hegelrezeption ders.: Kommen Gottes, S. 353 ff. Zum Vorwurf des „fast mythologischen und tragischen Gottesbegriff[s]“ siehe W. Kasper: Gott, S. 86. Vgl. dazu ferner H. U. von Balthasar: Theodramatik III, S. 300 f. Vgl. insgesamt zur kritischen Diskussion maßgeblicher Positionen Moltmanns M. Welker (Hg.): Diskussion. 226 J. Moltmann: Dialektik, S. 155. 227 Ders.: Antwort, S. 172. Vgl. ders.: TrinitÅt, S. 168. 228 Ders.: TrinitÅt, S. 74. Vgl. ders.: Dialektik, S. 155. 229 Ders.: TrinitÅt, S. 169. 230 Ebd., S. 75. Vgl. ders.: Gedanken, S. 221. 231 Ders.: Der „gekreuzigte Gott“, S. 412.

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Auf diese Weise verschwimmt Gott als „GegenÛber“ der Menschen ebenso wie seine intrapersonale Dimension der trinitarischen Liebe. Ferner widerspricht der Aspekt der naturgemÅßen Notwendigkeit der g×ttlichen Liebe mit dem entsprechend qualifizierten Freiheitsbegriff dem Charakter der Liebe, die nur unter der Voraussetzung freier Entscheidung und Zuwendung als solche bezeichnet werden kann, da das Wesen der Liebe allein in freier Zuwendung zur Geltung kommt. Um die Liebe als freie Zuwendung und dadurch als Liebe zu erkennen, bedarf es der „distinctio rationis“ zwischen ×konomischer und immanenter TrinitÅt. Nur in diesem Kontext ist dann von selbstloser Hingabe zu sprechen. Wenn bei Moltmanns absoluter Identifizierung von ×konomischer und immanenter TrinitÅt von der auf eigene Seligkeit bedachten g×ttlichen Liebe die Rede ist, findet der Begriff von der selbstlosen Liebe keine Deckung mehr.232 Was hier an Moltmanns Sch×pfungstheologie offenkundig wurde, gilt in gleicher Weise fÛr seine Kreuzestheologie und seine Eschatologie. Weil das Kreuz neben seiner soteriologischen Funktion eine konstitutive Bedeutung fÛr das Wesen Gottes erhÅlt und der trinitarische Gott ohne das Kreuz nicht denkbar ist, da er sich dort selbst als Liebe konstituiert, wird der Zusammenhang von Schuld und Erl×sung des Menschen in Frage gestellt. Denn als ewige immanente g×ttliche Wahrheit wÛrde das Kreuzesgeschehen eine negative PrÅdestination hinsichtlich der entsprechenden heilsgeschichtlichen Situation bedeuten.233 Auch im Blick auf die Eschatologie wird die Erl×sungsbedÛrftigkeit des Menschen unmittelbar mit der Selbstkonstitution des g×ttlichen Wesens verbunden. Weil der Geist „durch uns den Sohn und den Vater verherr-

232 „Deshalb muß ein Weg gefunden werden, die immanente TrinitÅt so als den Grund des Weltprozesses [. . .] zu deuten, daß sie weder, wie bei Rahner, als ein formaler Selbstvermittlungsprozeß Gottes erscheint, noch, wie bei Moltmann, als in den Weltprozeß hineinverstrickt, daß sie vielmehr als jene ewige und absolute Selbsthingabe verstanden wird, die Gott schon in sich als die absolute Liebe erscheinen lÅßt, woraus sich erst die freie Selbsthingabe an die Welt als Liebe erklÅrt“ (H. U. von Balthasar: Theodramatik III, S. 300). Doch Balthasars Versuch, die Verstrickung Gottes in die Weltgeschichte zu Ûberwinden, endet im umgekehrten Extrem. Er verlegt das Drama der sÛndigen Weltgeschichte in das immanente Wesen Gottes, wo es als „UrDrama“ die Heilsgeschichte bis hin zur immanenten „Gott-losigkeit Gottes“ vorwegnimmt (vgl. ebd., S. 302 ff.). Damit wird der menschlichen SÛndengeschichte jedoch ihre kontingente Dimension genommen, so daß sich auch hier die Frage nach menschlicher Freiheit und Schuld stellt. Gleichermaßen steht die vom Verlauf der SÛnden- und Heilsgeschichte geforderte freie Zuwendung Gottes in Frage. – Vgl. auch die Kritik an Balthasar von B. J. Hilberath: Gott, S. 81–83. 233 Vgl. J. Moltmann: TrinitÅt, S. 98: „Er [sc. Gott] konstituiert sich selbst als Liebe. Das ist am Kreuz geschehen.“ Weil demnach der „Schmerz des Kreuzes [. . .] das innere Leben des dreieinigen Gottes von Ewigkeit zu Ewigkeit“ bestimmt (ebd., S. 177), kommt Moltmann zu dem Schluß: „Hier steht das innerste Leben der TrinitÅt auf dem Spiel.“ (Ebd., S. 97)

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licht“234, besteht nach Moltmann eine Wechselwirkung zwischen ×konomischer und immanenter TrinitÅt. Die Heilsgeschichte wirkt verÅndernd auf das Wesen Gottes zurÛck: „Die ×konomische TrinitÅt vollendet sich dann zur immanenten TrinitÅt, wenn Geschichte und Erfahrung des Heils vollendet werden.“235 Aufgrund dieser totalen Identifizierung von ×konomischer und immanenter TrinitÅt spielt sich „die Geschichte des Reiches Gottes [. . .] nicht nur auf der Erde ab“, sondern auch „innerhalb der TrinitÅt“236: „Die endzeitliche ºbergabe der Herrschaft vom Sohn an den Vater ist sowohl die Vollendung der Befreiungsgeschichte der Welt wie auch ein innertrinitarisches Geschehen. [. . .] Gott kommt zu seiner Herrlichkeit, indem die Sch×pfung frei wird. [. . .] Das ‚Heil‘ umfaßt Gott und die Sch×pfung [. . .]. Die Leidensgeschichte Gottes in der Passion des Sohnes und dem Seufzen des Geistes dient [. . .] seiner vollendeten Seligkeit am Ende. Das ist das letzte Ziel der Leidensgeschichte Gottes in der Welt.“237 So wird aus der heilsgeschichtlichen Liebe Gottes „pro nobis“ mit ihrer selbstlosen Hingabe (stellvertretende SÛhne) eine Geschichte der Selbsterl×sung Gottes, was besonders bei Moltmanns Rezeption der Theologie Unamunos zur Geltung kommt: Geht Gott „in seine endliche Sch×pfung ein, dann nimmt er auch selbst an ihrer Evolution teil. Gott und Welt stehen dann in einem gemeinsamen Erl×sungsprozeß.“238 Moltmann hÅlt zwar daran fest, daß Gott zur ºberwindung der SÛnde (Absonderung von Gott) fÛr die Menschen (pro nobis) leidet. Aber sein evolutionistisches VerstÅndnis von der auf „Gemeinschaft“ zulaufenden Sch×pfung und seine Auffassung von der Wechselwirkung zwischen Gottes- und Menschheitsgeschichte fÛhren ihn zu der Annahme, der Mensch leide auch fÛr Gott und dessen Verherrlichung, weshalb „die Erl×sung der Welt mit der Selbsterl×sung Gottes von seinen Leiden verbunden“239 sei. Deshalb gelangt Moltmann zu folgendem Schluß: „Der Tod des Lebendigen ist weder natÛrlich noch sÛndig, sondern Zeichen einer Trag×die, [. . .] die mit dem Weltexperiment der anfÅnglichen Sch×pfung Gottes verbunden ist.“240 Damit wird die Schuld der Menschen endgÛltig relativiert und das B×se im Bereich der defizitÅren Sch×pfung Gottes angesiedelt. Diese Gefahr vermag auch Moltmanns Gedanke vom pan-en-theistischen

Ebd., S. 186 (Hervorhebung v. Vf.). Vgl. ebd., S. 142 f. Ebd., S. 178. Vgl. ebd., S. 177. 236 Ebd., S. 111. 237 Ders.: Kirche, S. 80. Vgl. ders.: Gedanken, S. 221: „Gott kommt zu seiner Verherrlichung, indem die Sch×pfung zu ihrer Vollendung kommt.“ 238 Ders.: TrinitÅt, S. 54. 239 Ebd., S. 75. Vgl. insgesamt ebd., S. 67 f. u. 76; ders.: Geist, S. 238 f., und ders.: Einheit, S. 110. 240 Ders.: Geschichte, S. 190 (Hervorhebung v. Vf.). Vgl. ders.: Gott/Sch×pfung, S. 193 ff. 234 235

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Charakter der TrinitÅtslehre (die in Gott eingeborgene Welt) nicht zu bannen, da er ebenfalls die „distinctio rationis“ zwischen ×konomischer und immanenter TrinitÅt Ûbersieht und so eine Ûber die Heils×konomie hinausgehende Verquickung von menschlicher Geschichte und g×ttlichem Wesen zulÅßt.241 Das wird durch Moltmanns Zusammenschau von menschlicher und g×ttlicher Freiheitsgeschichte belegt: Ein souverÅner Gott als intrapersonales GegenÛber der Menschen lasse keine menschliche Freiheit zu, wÅhrend die interpersonale Gemeinschaft zwischen Gott und Mensch eine Geschichte menschlicher Freiheit er×ffne, die durch ihre eschatologische Ausrichtung noch nicht definierte M×glichkeiten der Menschen anvisiere und in der interpersonal-sozialen Zwischenmenschlichkeit auf Freiheit als Gemeinschaft ziele. Mit der eschatologischen Freiheit der Sch×pfung wiederum komme Gottes Herrlichkeit erst in Freiheit als Liebe zum Ziel. Aufgrund der AbhÅngigkeit Gottes vom Ausgang der Geschichte stellt sich aber erneut die Frage, „wie Moltmann die Freiheit Gottes in der Geschichte noch wahren kann“242. Die aus der totalen Identifikation von ×konomischer und immanenter TrinitÅt resultierende VernachlÅssigung der intrapersonalen Einheit Gottes als „GegenÛber“ der Menschen und die entsprechende Reduktion auf die interpersonale Dimension der TrinitÅt mit ihrer primÅr linearen Einbindung in die Heilsgeschichte schlagen sich auch in Moltmanns Ekklesiologie sowie in seiner VerhÅltnisbestimmung von Kirche und Welt nieder. Denn diese Reduktion erm×glicht eine direkte ºbertragung der interpersonal-sozialen Strukturen der Welt auf den Gottesbegriff, der dann wiederum zur Legitimation fÛr die einseitige Hervorhebung der zwischenmenschlich-sozialen Komponente dient. So entsteht zuweilen der Anschein zu direkter ethischer Ableitungen und Analogien, die von den jeweils aktuellen politisch-geistesgeschichtlichen Entwicklungen geleitet sind.243

241 Vgl. ders.: Der gekreuzigte Gott, S. 266. Ein Åhnlich evolutionistischer Umgang mit der Schuldfrage und der Verbindung von Gott und Weltprozeß findet sich bei W. Pannenberg: Gott. Vgl. ders.: Theologie II, S. 15–201. Vgl. dazu I. U. Dalferth: Roots, S. 154, der die Verquickung von trinitarischem Wesen Gottes und Weltgeschichte bei Pannenberg kritisiert: „If the full realization of the monarchia of the father is the Kingdom and if this is brought about only as the final result of the cooperation of all three persons in history, the divine unity of these three centres of activity is hidden and obscure in the course of history.“ 242 W. Kasper: Revolution, S. 13. Vgl. die Kritik von I. U. Dalferth: Roots, S. 152: „That is to say, the Trinity itself is seen in terms of God’s involvement in historical becoming“. – Vgl. J. Moltmann: TrinitÅt, S. 80 f., 220, 226, 230 ff.; ders.: Kirche, S. 80, und ders.: Geist, S. 111–135. 243 Vgl. J. Moltmann: Zukunft; ders.: Gott/Sch×pfung, S. 239 ff., und ders.: Geschichte, S. 219–240, wo diese Tendenzen auch an Moltmanns Beschreibung seines theologischen Weges ablesbar sind, wenn er z. B. seine jeweiligen Verbindungen zu philosophischen Sozial-Konzeptionen, zur Politischen Theologie, zur Schwarzen Theologie oder zur °kologischen Theologie benennt. Vgl. ferner G. Heintze: Kirche, S. 497 ff., der kritisch anfragt, ob Moltmann bei solchen direkten ºbertragungen den eschatologischen Vorbehalt und die Verborgenheit des g×ttlichen Handelns genÛgend berÛcksichtigt.

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Außerdem erhÅlt die Entwicklung der „menschlichen Weltgemeinschaft“ maßgebliches Gewicht, wodurch die heilsgeschichtliche Bedeutung der Kirche angesichts des „Universalismus des Menschseins“ und des „Pluralismus der Religionen“ relativiert wird: „Die Kirche nimmt teil an der Vereinigung der Menschen untereinander, der Gesellschaft mit der Natur und der Sch×pfung mit Gott.“244 Zwar stellt Moltmann zu Recht fest, daß die Kirche nicht mit dem eschatologischen Ziel des Reiches Gottes verwechselt werden darf und der Geist Gottes sich auch anderer weltlicher und religi×ser BemÛhungen bedienen kann. Aber seine Annahme, daß andere weltliche und religi×se Gemeinschaften als gleichberechtigte „Wege“ zu diesem Ziel anzusehen sind und die Kirche nur an der Entwicklung der menschlichen Weltgemeinschaft teilnimmt245, bleibt aufgrund der heilsgeschichtlichen Funktion der Kirche zu hinterfragen. Das eschatologisch offene und interpersonal ausgerichtete Denken wirkt sich also auch auf Moltmanns Ekklesiologie aus. Wie er Gott kaum als intrapersonale Einheit und GegenÛber zur Welt in Erscheinung treten lÅßt und mehr interpersonal vom linearen Prozeß der Heilsgeschichte her definiert, stellt Moltmann auch die Kirche mehr im Kontext der messianisch-eschatologischen Entwicklung sowie des Entwicklungsprozesses der menschlichen Weltgemeinschaft dar. Er spricht von der messianischen und offenen Kirche, die den realdialektischen Prozeß der ankommenden Gottesgerechtigkeit verk×rpert und „ihre praktische Einheit auf Grund ihrer erfahrenen und gelebten Befreiung von HerrschaftsansprÛchen in der Gesellschaft“246 gewinnt. Dadurch wird die Verborgenheit von Kirche sowie die bleibende Differenz zu sozialen und politischen AnsprÛchen undeutlich. Wegen seines trinitarisch-perichoretischen Ansatzes mit der Interdependenz von Christologie und Pneumatologie gelingt es Moltmann zwar, sich sowohl von einem kollektiv-klerikalen als auch von einem individuell-spiritualistischen KirchenverstÅndnis abzusetzen und die interdependente Verbindung von Gottesvolk (allgemeines Priestertum) und Amt herzustellen. Aber die mit dem Amt verbundene Dimension von Gott als bleibendem GegenÛber der Kirche tritt in seinen AusfÛhrungen zugunsten der interpersonalsozial orientierten Konzentration auf die Gemeinschaft der im Geist versammelten Gemeinde zurÛck. Deshalb werden alle „Richtungen kirchlicher Praxis auf die versammelte Gemeinde orientiert“247, so daß auch in der Ekklesiologie der interpersonale Aspekt dominiert und die Dimension des „GegenÛbers“ weniger Beachtung findet.

Insgesamt lÅßt sich also beobachten, daß Moltmann im Dialog mit der ostkirchlichen TrinitÅtslehre die intrapersonal-individualistische Reduktion westlicher TrinitÅtstheologie und deren ekklesiologische Konsequenzen zu Ûberwinden vermag und somit die kosmologische, eschatologische und so-

J. Moltmann: Kirche, S. 81. Vgl. ders.: Geschichte, S. 167. Vgl. ders.: Geschichte, S. 167. 246 Ders.: Kirche, S. 372. Vgl. zu den Gefahren der Konzeption einer messianischen und offenen Kirche mit entsprechend realdialektischer Entwicklung die Analyse von G. Heintze: Kirche, S. 492 ff. 247 J. Moltmann: Kirche, S. 362. Vgl. insgesamt ebd., S. 318–362. 244 245

Dumitru Staniloae

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ziale Komponente der Gotteslehre in Erinnerung ruft, daß er aber zugleich zum umgekehrten Extrem eines rein interpersonal-sozialen Ansatzes mit entsprechenden Konsequenzen gelangt.

3. Dumitru Staniloaes Versuch der heils×konomischen Erneuerung ostkirchlicher TrinitÅtslehre 3.1 Fortschritte Staniloaes reprÅsentativer orthodoxer Entwurf verk×rpert sowohl eine BrÛcke zwischen ost- und westkirchlicher °kumene248 als auch den Versuch, gegenÛber einseitigen orthodoxen Str×mungen eine Synthese authentischer orthodoxer Theologie zu erzielen.249 Zu ×kumenisch bedeutsamen Ergebnissen gelangt Staniloae, wenn er in bezug auf die hermeneutischen Kriterien explizit auf die Schrift und den altkirchlichen theologischen Rahmen der TrinitÅtslehre zurÛckgreift, den maßgebliche westliche und ×stliche KirchenvÅter schufen.250 Šhnlich wie beim RÛckgriff auf diese Basis durch Zekos Rhoses im 19. Jahrhundert wirkt sich das gegenÛber der orthodoxen Schuldogmatik positiv auf Staniloaes OffenbarungsverstÅndnis und damit auch auf seine differenzierte Haltung gegenÛber der palamitischen Energienlehre aus.251 Hinsichtlich des OffenbarungsverstÅndnisses wird ersichtlich, daß sich Sta248

Vgl. D. Staniloae: Dogmatik I, S. 10 (Vorwort v. J. Moltmann), und I. Bria: Vision, S. 74

u. 80. 249 Vgl. F. von Lilienfeld: Rezension „D. Wendebourg: Geist“, S. 200; dies.: Art. „Hesychasmus“, S. 285; I. Bria: Vision, S. 80; D. Staniloae: Dogmatik I, S. 10 ff.; D. Wendebourg: Rezension „D. Staniloae: Dogmatik [I]“, S. 108; dies.: Rezension „D. Staniloae: Dogmatik III“, S. 399; K. C. Felmy: Theologie, S. 17. 250 Nach eigenem Bekunden versucht Staniloae, „die kirchliche Lehre im Geist der KirchenvÅter zu verstehen“ (ders.: Dogmatik I, S. 15), da deren Theologie durch Rezeption und allgemeinen Konsens zu anerkannter Kirchenlehre wurde (vgl. ebd., S. 96 f.). Deshalb gilt ihm das altkirchliche trinitarische Dogma als trinitÅtstheologischer „Rahmen“ (ebd., S. 258): „Die dogmatische Formel von der wesenseinen Gottheit in drei Personen [. . .] grenzt die christliche Lehre von Gott angesichts anderer Lehren ab“ (ebd., S. 257). Dabei bezieht sich Staniloae gleichzeitig auf das Zeugnis der Heiligen Schrift, da diese „schriftlicher Ausdruck der in Christus erfÛllten Offenbarung“ (ebd., S. 57) ist: „Die Schrift garantiert in diesem Sinne die Bewahrung eines lebendigen, unverdorbenen Glaubens in der Kirche; die Schrift wird vom Geist Christi [. . .] zur Geltung gebracht“ (ebd., S. 60). Hier wird der Zusammenhang des VerhÅltnisses von Christologie und Pneumatologie mit dem VerhÅltnis von Schrift und Tradition erneut deutlich. 251 Zum trinitÅtstheologischen Erneuerungsversuch von Zekos Rhoses s. o., S. 217 f. Vgl. dazu auch D. Wendebourg: Person, S. 506 ff. BezÛglich Staniloaes VerhÅltnis zur Schuldogmatik vgl. K. C. Felmy: Theologie, S. 17 u. 32.

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niloae unter Berufung auf die KirchenvÅter sowohl gegen eine einseitig rationale Theologie westlicher PrÅgung als auch gegen eine einseitig apophatische Theologie ×stlicher PrÅgung wendet. „GemÅß der patristischen Tradition gibt es eine rationale oder kataphatische und eine apophatische oder unsagbare Gotteserkenntnis. Letztere ist der ersteren Ûberlegen und ergÅnzt sie. Durch keine der beiden wird Gott aber in seinem Wesen wirklich erkannt. Durch die erstere erkennen wir Gott nur in seiner Eigenschaft als Ursache fÛr die Sch×pfung und Erhaltung der Welt, wÅhrend wir durch letztere eine Art unmittelbare Erfahrung seiner geheimnisvollen Gegenwart machen“252. Auf Gregor von Nazianz und Gregor von Nyssa verweisend betont Staniloae die Interdependenz von kataphatischer und apophatischer Erkenntnis sowie die Notwendigkeit einer dritten Erkenntnisdimension, die mit der Selbsterschließung Gottes gegeben ist. Die kataphatische Hermeneutik bezieht sich auf die RationalitÅt des Kosmos, der von Gott vernÛnftig gestaltet wurde. Sie hat somit auch mit den vestigia trinitatis zu tun, insofern als das Universum in seiner Einheit in Vielfalt Spuren seines Sch×pfers aufweist und den Abglanz des dreieinigen Gottes in sich trÅgt. Da aber die RationalitÅt des Universums aufgrund der von SÛnde geprÅgten Welt ambivalent bleibt und das „Gesetz im Herzen“ (R×m 2,14 f.) ebenso wie die Selbsttranszendenz von Mensch und Welt (R×m 1,18–20) eine °ffnung auf Gott hin verlangen, ergibt sich die Notwendigkeit einer empfangenden Hermeneutik, die Ûber die rationale Dimension hinaus einen apophatischspirituellen Aspekt beinhaltet. Dieser bezieht sich auf den transzendenten Gott, der sich als personales Geheimnis offenbart und dessen Transzendenz durch seinen Person-Charakter gewÅhrleistet ist, weil er im Unterschied zu neuplatonischen oder hegelschen Vorstellungen „das Wesen der Welt oder das des menschlichen Geistes nicht einfach fortsetzt oder ins Unendliche verlÅngert; eine Verbindung [. . .] ist nur durch Gnade m×glich“253. Wie die rationale Erkenntnis somit die apophatische Hermeneutik impliziert, so schließt die apophatische Erkenntnis die rationale Dimension nicht aus, was

252 D. Staniloae: Dogmatik I, S. 109. Eine kritische Anmerkung zu den jeweiligen Einseitigkeiten findet sich ebd., S. 126. Die Kritik an einer rein rationalen Theologie, die z. B. in protestantischen Str×mungen wegen der fehlenden apophatischen AnnÅherung an ÛbernatÛrliche Ereignisse auf die Entmythologisierung solcher Ereignisse angewiesen ist, durchzieht das gesamte Werk Staniloaes (vgl. z. B. ebd., S. 42, 100 f., 124, und ders.: Characteristics, S. 628). Zur Kritik an einer rein apophatischen Hermeneutik vgl. ders.: Dogmatik I, S. 123 f. 253 Ebd., S. 116. Vgl. ebd., S. 111, 115 f., 121 ff., 131 ff. Zur empfangenden Hermeneutik, der Staniloae das Gebet als konstitutive Dimension zuordnet, vgl. ebd., S. 75, 133 f., 170, 174, 237. Zu den verschiedenen Aspekten der kataphatischen Erkenntnis und zu den vestigia trinitatis vgl. ebd., S. 19 ff., 28 f., 35 ff., 195, 224, 261, 277. Hinsichtlich der expliziten Bezugnahme auf das OffenbarungsverstÅndnis der Kappadozier vgl. ebd., S. 112 ff., 214, 440. Zur Analyse des kappadozischen OffenbarungsverstÅndnisses, deren Ergebnisse Staniloaes RÛckgriff als berechtigt erweisen, s. o., S. 129 ff.

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oft vom Abendland unterstellt wird. „Wir sind einerseits auf Worte und Vorstellungen angewiesen, denn sie rÛhren doch von den Kreaturen Gottes her, in denen sich seine Macht zeigt [. . .]; andererseits mÛssen wir sie aber Ûberschreiten, um vor Gott selber als vor dem Ursprung seiner Kreaturen und Werke zu stehen“254. Weil das Apophatische seinen letzten Grund in Gottes personalem Charakter hat, beinhaltet es nicht die Unkenntlichkeit Gottes oder einen Gott, der sich selbst verschließt. Vielmehr verweist es auf die °ffnung fÛr die Selbsterschließung Gottes, der als innerg×ttliche trinitarische Liebe und PersonalitÅt nicht wie eine statische Gottheit in einen Bezugsrahmen vereinnahmt werden kann (Einfluß von K. Barth), sondern apophatische Wirklichkeit ist, die nur selbst das Kriterium ihrer Wahrheit und Wirklichkeit zu erschließen vermag. „Die christliche apophatische Erkenntnis impliziert sowohl ein Herabsteigen auf die Stufe menschlichen Erkenntnisverm×gens als auch die Transzendenz Gottes.“255 Kataphatische und apophatische Erkenntnis sind deshalb beide „auf die ÛbernatÛrliche Offenbarung angewiesen und fußen auf ihr“256. Diese Offenbarung kann sich durch Ereignisse und Worte vollziehen, weil sich Menschen und Welt vom innertrinitarischen Wort her ableiten und entsprechend konstituiert sind: „In dem Worte des Vaters sind also alle W×rter oder die vernÛnftige Verfassung der erschaffenen und endlichen Dinge gegeben.“257 Das bedeutet fÛr Staniloae zum einen, daß Christus die FÛlle der Gottes- und Menschenerkenntnis verk×rpert, was einer zu starken Fixierung auf die eschatologische Entwicklung entgegenstehe.258 Daraus lÅßt sich eine kritische Anfrage an Moltmanns einseitige eschatologische Konstitution der Erkenntnis ableiten. Zum anderen kommt Staniloae in dem zitierten Satz der Einsicht JÛngels nahe, daß der Mensch dem „Wort“ (Logos) Gottes entsprechend sprachlich konstituiert ist. Auch Ûber diesen Gesichtspunkt hinaus gilt fÛr Staniloae, daß mit der Erkenntnis der personalen innertrinitarischen Gemeinschaft der Liebe die Erkenntnis analoger Grunddaten der menschlichen Existenz (PersonalitÅt, Gemeinschaft, Liebe) gegeben ist, weshalb er zu dem Schluß kommt: „Nichts kann ohne die Heilige Dreieinigkeit verstanden werden.“259 Staniloaes Zuordnung von kataphatischer, apophatischer und aus Gottes

D. Staniloae: Dogmatik I, S. 120. Vgl. ebd., S. 114 f. u. 136. Ebd., S. 116. Vgl. insgesamt ebd., S. 116 ff., 145 ff., 209, 214, 280. Zum RÛckgriff auf K. Barth vgl. ebd., S. 161. 256 Ebd., S. 111. 257 Ders.: Gott, S. 445. Vgl. ders.: Dogmatik I, S. 52. 258 Vgl. ders.: Dogmatik I, S. 46, 54, 102. 259 Ebd., S. 214. Vgl. ebd., S. 52, 80, 150 ff., 215 u. ×. Zur Bedeutung der TrinitÅt fÛr Staniloaes Theologie vgl. ebd., S. 74: „Die alles umfassende Wahrheit ist [. . .] die Heilige Dreieinigkeit“. Vgl. ferner ebd., S. 80 f. 254 255

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Selbstmitteilung resultierender Erkenntnis zeigt, daß er in den analysierten Passagen inhaltlich den Dualismus von natÛrlicher und ÛbernatÛrlicher Offenbarung Ûberwunden hat, auch wenn er diese Begrifflichkeit noch benutzt. Die natÛrliche Erkenntnis erscheint wie bei den KirchenvÅtern eher als eine Ahnung, die auf die g×ttliche Selbstoffenbarung angewiesen ist, welche wiederum an diese Ahnung anknÛpfen kann. Das bestÅtigt Staniloae implizit durch das ebenfalls von den KirchenvÅtern abgeleitete VerstÅndnis von Erkenntnis als Vereinigung bzw. Gemeinschaft mit Gott, nach welchem die Gottes- und Menschenerkenntnis nur durch die Teilhabe an der trinitarischen Selbsterschließung Gottes in Wort (Sohn) und Geist m×glich ist. Das entspricht der in dieser Untersuchung als Koinonia-Erkenntnis qualifizierten Hermeneutik der KirchenvÅter.260 Auf dieser Grundlage findet Staniloae zu einem differenzierteren VerstÅndnis der Energienlehre, das sich ebenfalls auf den altkirchlichen Rahmen der TrinitÅtslehre berufen kann. Zwar ×ffnet sich Staniloae dem palamitischen Hesychasmus, um das einseitig rationale Denken westlicher Theologie und orthodoxer Schuldogmatik zu Ûberwinden. Aber weil er die heils×konomische Erkenntnis nicht wie Palamas und viele Neopalamiten auf ein rein energetisches und einheitliches Handeln Gottes ad extra beschrÅnkt (faktisches „De Deo uno“) und die Erkenntnis der immanenten TrinitÅt nicht an eine Sonderoffenbarung knÛpft (faktisches „De Deo trino“), sondern wie Athanasius, die Kappadozier und Maximus Confessor die heils×konomische Selbsterschließung Gottes berÛcksichtigt, nimmt er die hypostatische Gegenwart der trinitarischen Personen in der Heils×konomie wahr261: „In seiner Herablassung zu uns teilt Gott uns in einer Art und Weise, die uns gemÅß ist, etwas von dem mit, was er tatsÅchlich ist“262. Durch die Einsicht, daß auch die KirchenvÅter aus der Heils×konomie alle Beweise fÛr die TrinitÅt entnahmen, er×ffnet sich fÛr Staniloae folgender Zusammenhang: „Die Worte, die sich auf die Werke beziehen, k×nnen auch als Namen fÛr das Wesen dienen, denn die Werke gehen ja aus dem Wesen hervor.“263 Mit solchen Feststellungen und dem Hinweis, daß nach Maximus Confessor bereits Abraham im Alten Testament Einsicht in Gottes Wesen erhielt und daß Christus „uns das g×ttliche Wesen er×ffnet“264, Ûberwindet Staniloae die palamitische Trennung von ×konomischer und immanenter TrinitÅt, wobei sich ×konomische Selbsterschließung und energetische Gegenwart Gottes nicht ausschließen: „In

260 S. o., S. 129 ff., wo auch das VerhÅltnis von Ahnung und Offenbarung bei den KirchenvÅtern nachgewiesen ist. Zu Staniloaes Konzept der Erkenntnis als Teilhabe an der trinitarischen Gemeinschaft vgl. ders.: Dogmatik I, S. 40, 86, 104, 115, 151, 210 ff., 226, 250 f., 289. 261 Zur palamitischen Energienlehre, ihrem OffenbarungsverstÅndnis und ihrem VerhÅltnis zum scholastischen Dualismus von „De Deo uno – De Deo trino“ s. o., S. 166 ff. – Die ausdrÛckliche Bezugnahme Staniloaes auf Gottes Selbstmitteilung findet sich z. B. bei ders.: Dogmatik I, S. 209 u. 214. 262 D. Staniloae: Dogmatik I, S. 139. 263 Ebd., S. 141. Vgl. ebd., S. 260. 264 Ebd., S. 249. Vgl. ebd., S. 277.

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Christus ist Gott jedem Menschen nicht nur mit seinem Wesen ganz nahe gekommen, sondern er steht ihm auch mit seiner ganzen Energie zur Seite“265. Indem Staniloae in Anlehnung an Athanasius und die Kappadozier eine Verbindung zwischen energetischen WirkkrÅften und hypostatischer Gegenwart der trinitarischen Personen sieht, gelangt er von der palamitischen Energienlehre, die in dieser Untersuchung als spekulative Energienlehre bezeichnet wird (heils×konomische Wesenserkenntnis bleibt wegen der fehlenden Verbindung zwischen Energie und Hypostase spekulativ), zur Energienlehre der Kappadozier, die in dieser Untersuchung als ×konomische Energienlehre definiert ist (Zusammenhang von energetischer und hypostatischer heils×konomischer Gegenwart).266 Damit wahrt Staniloae die Interdependenz von rationaler und apophatisch-empfangender Hermeneutik. Denn diese Interdependenz erm×glicht es, Gott in seiner Selbstmitteilung als offenbares Geheimnis wahrzunehmen, und sie allein ist deshalb dem VerhÅltnis von „GegenÛber und NÅhe“ Gottes angemessen: „Wenn Gott sich nicht so offenbart hÅtte, daß er im Vollzug dieser Herablassung nicht doch noch einen Teil seiner Transzendenz behielte, dann wÅre seine Heiligkeit als g×ttliche Eigenschaft nicht zu erkennen; und wenn er sich nicht herabließe, ohne aufzuh×ren transzendent zu sein, k×nnte die Welt seine Heiligkeit gar nicht ertragen und auch nicht an ihr teilhaben.“267 In diesem Kontext offenbart sich die ×konomische TrinitÅt als Entsprechung der immanenten TrinitÅt. Christus und der Heilige Geist werden jeweils als „g×ttliche Hypostase selbst auf einer der Menschen entsprechenden Ebene zugÅnglich“268, wobei sie nach Maximus Confessor auch die Person des Vaters erkennbar werden lassen. Mit dem Aufweis von Gottes ZugÅnglichkeit zeigt Staniloae gegenÛber dem Vorwurf, ein apophatisch-energetisches Konzept fÛhre zwangslÅufig zur Annahme der unzugÅnglichen Transzendenz Gottes (H. U. von Bathasar), daß eine differenzierte Energienlehre die ZugÅnglichkeit Gottes gewÅhrleistet. Letzteres hÅlt er fÛr soteriologisch notwendig, da ansonsten weder Heilserkenntnis und -gewißheit noch Heilsgemeinschaft mit Gott m×glich seien. Diese Einsicht Staniloaes impliziert, daß dann auch die orthodoxe Vorstellung von der Theosis als wachsender Gemeinschaft mit Gott keine Grundlage mehr hÅtte.269 So betont Staniloae zu Recht, daß Christus und der Heilige Geist nicht nur energetisch, sondern auch als Hypostase und Person beim Menschen anwesend sind. Dadurch schließt er sich einerseits im Unterschied

Ebd., S. 195. Zur ×konomischen Energienlehre der Kappadozier siehe Kap. II,3, und zur spekulativen Energienlehre des Palamas s. o., S. 166 ff. Der Zusammenhang von energetischen WirkkrÅften und hypostatischer Gegenwart Gottes findet sich z. B. bei D. Staniloae: Dogmatik I, S. 197 u. 270 (Athanasius, Kappadozier), und ders.: Dogmatik II, S. 232 ff. Indem H. Pitters „energeia“ mit „Wirken“ oder „Werk“ Ûbersetzt, wird er der ursprÛnglichen Bedeutung nicht ganz gerecht, die sich besser im Begriff „WirkkrÅfte“ wiederfindet (vgl. D. Wendebourg: Person, S. 510). Denn dieser Begriff beinhaltet auch die Verbindung von energetischer und hypostatischer Gegenwart Gottes. 267 D. Staniloae: Dogmatik I, S. 234. 268 Ebd., S. 180. Vgl. ebd., S. 259, und ders.: Dogmatik II, S. 154 ff. u. 233 ff. 269 Vgl. zur Reaktion auf den Vorwurf H. U. von Balthasars D. Staniloae: Dogmatik I, S. 212 u. 257. Was Staniloae unter Theosis versteht, findet sich u. a. ebd., S. 29, 78, 94. Zu Maximus’ Aussagen hinsichtlich der Person des Vaters vgl. ebd., S. 61. 265 266

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zur energetischen Konzeption des Palamas und vieler Neopalamiten (V. Lossky) Maximus Confessor an, der unter Verweis auf die Anwesenheit Christi die christologische Dimension der Theosis hervorhob. Andererseits wendet er sich im Anschluß an Athanasius unter Berufung auf die hypostatisch-personale Anwesenheit des Heiligen Geistes gegen die r×misch-katholische Auffassung von der geschaffenen Gnade, die den Geist als unpers×nliche Kraft qualifiziert und so ein institutionelles KirchenverstÅndnis f×rdert, statt die personale Gemeinschaft zwischen Gott und Mensch zu gewÅhren. Eine solche Gemeinschaft ist nÅmlich nur m×glich, wenn der Heilige Geist als Gabe und Geber bei den Menschen in Erscheinung tritt. Allein die pers×nliche Gegenwart Gottes vermag die personale Glaubensgemeinschaft zwischen Gott und Mensch in Freiheit und Liebe zu er×ffnen. Auch mit dieser Erkenntnis setzt sich Staniloae zugleich implizit von einer spekulativen Energienlehre ab, die mit den als kontingent und appropriiert verstandenen Energien die ×konomische TrinitÅt zugunsten einer intermediÅren RealitÅt zurÛckdrÅngt, nicht anders, als es sich in der scholastischen Anschauung vom gewirkten Habitus der geschaffenen Gnade vollzieht.270

Durch die AnsÅtze einer ×konomischen Energienlehre, die sich bei Staniloae erkennen lassen, insofern als die energetische Gegenwart Gottes seines Erachtens die heils×konomische Erkenntnis der immanenten TrinitÅt nicht ausschließt, er×ffnen sich Staniloae auch die trinitarischen Proprien. Entgegen der palamitischen Auffassung von einem kontingenten energetischen Handeln Gottes ad extra, das nur das einheitliche GegenÛber des g×ttlichen Subjekts zu erkennen gibt, offenbaren sich die trinitarischen Personen nach Staniloae in der Heils×konomie „gemÅß der jeweiligen innertrinitarischen Stellung“271. Der Sohn verk×rpert das Zeugnis Gottes in der Welt sowie den

270 Zu Staniloaes hypostatisch-personalem VerstÅndnis des Sohnes und des Geistes und zu seiner Kritik an der geschaffenen Gnade, die wegen der mangelnden direkten Vereinigung mit Christus die Stellvertreterfunktion des Papstes bestÅrkt, vgl. ders.: Dogmatik I, S. 194 u. 289; ders.: Dogmatik II, S. 157, 202, 234 ff., 244, 247, und ders.: Role, S. 347 (Athanasius), wo Staniloae die Rolle des Heiligen Geistes in der orthodoxen Theologie er×rtert. Vgl. zum zentralen Gewicht der Christologie fÛr Staniloae ders.: Jesus Christ. Die soteriologische Notwendigkeit der hypostatisch-personalen Anwesenheit Christi betont auf orthodoxer Seite auch D. Dimitrijevic: Bedenken, S. 329, der sich damit ebenfalls von einem rein energetischen Konzept absetzt. – Zur palamitischen Energienlehre und zu den von Maximus Confessor vorgenommenen Modifizierungen s. o., S. 166–171. Vgl. dazu ferner C. von Sch×nborn: TrinitÅt, S. 248 ff.; D. Wendebourg: Geist; dies.: Person, und R. Flogaus: Theosis, S. 397 ff., der auch die Reduzierung des Geistes auf eine Kraft bei Palamas erkennt. Mit der entsprechenden Reduzierung des Geistbegriffs in der katholischen Theologie setzte sich K. Rahner auseinander. Neben dessen heils×konomisch begrÛndeter innerkatholischer Kritik an der „geschaffenen Gnade“, die bereits in der Analyse von Rahners TrinitÅtslehre er×rtert wurde, findet sich auch bei K. Lehmann: Heiliger Geist, S. 190 ff., ein Åhnlich kritischer Standpunkt. 271 D. Staniloae: Dogmatik II, S. 48. Wenn Staniloae diesen Ansatz allerdings als genuin ostkirchlich darstellt und ihn der westlichen Theologie abspricht, in der man „die Beziehung zwischen den g×ttlichen Personen beinahe ausschließlich als eine innertrinitarische Frage“ (ders.: Ausgang, S. 156) sehe, wird er weder der ×stlichen noch der westlichen TrinitÅtslehre gerecht,

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Ausgangspunkt der M×glichkeit endlicher Wirklichkeiten, weil er das innertrinitarische Zeugnis der g×ttlichen Wirklichkeit des Vaters darstellt. Gleichzeitig muß der Mensch „seinerseits die FÅhigkeit in sich tragen, im Logos Gottes diese Horizonte zu erkennen“272. Damit betont Staniloae wie Rahner die anthropologischen AnknÛpfungspunkte als Voraussetzung der Gotteserkenntnis. Die biblisch und patristisch begrÛndete Darlegung der Proprien vollzieht Staniloae auch im Blick auf den Heiligen Geist, den er im Unterschied zu den meisten westlichen Konzeptionen als aktives Subjekt erkennt: Nur ein drittes Subjekt, das nicht passiv wie ein Objekt dasteht, kann verhindern, daß die Liebe zwischen Vater und Sohn ohne Horizont bleibt und unterschiedslos ineinander verschmilzt. Letzteres hÅtte eine egoistische Enge zur Folge, die auch in der zur BinitÅt fÛhrenden Vorstellung von Vater und Sohn als einem Prinzip (tamquam ab uno principio, Konzil von Lyon 1274) zum Ausdruck kommt. Als BestÅtigung der subjektiven ObjektivitÅt von Vater und Sohn und ihrer pers×nlichen Unterscheidbarkeit vollzieht sich erst im Heiligen Geist die vollkommene Wahrheit der Existenz Gottes, weshalb der Geist auch „Geist der Wahrheit“ genannt wird (Joh 15,26; 16,13). Indem er als Vermittler der Liebe zwischen Vater und Sohn zugleich eine Liebe ohne Ausschluß eines dritten erm×glicht und somit Zeichen der vollkommenen und heiligen Liebe ist, heißt er „Heiliger Geist“. Als solcher er×ffnet er der innertrinitarischen Liebe das Potential, sich auf Subjekte außerhalb ihrer selbst zu beziehen. Zugleich ist er als Zeichen der vollkommenen innertrinitarischen Wahrheit, Heiligkeit, Gemeinschaft und Liebe dazu prÅdestiniert, die Menschen in die Wahrheit zu fÛhren, sie zu heiligen und ihnen die liebende Gemeinschaft mit Gott und untereinander zu gewÅhren.273 Die Sendung des Geistes durch den Sohn lÅßt nach Staniloae außerdem RÛckschlÛsse auf die innertrinitarische Verbindung zwischen Geist und Sohn zu, insofern als der aus dem Vater hervorgehende Geist im Sohn ruht und durch ihn ausstrahlt. Damit erkennt Staniloae inhaltlich die in dieser Untersuchung vorgenommene Unterscheidung von Ursprungsebene (Hervorgang aus dem Vater) und Existenzebene274 (Ausstrahlung vom Sohn) an. Das geschieht unter Bezugnahme auf Athanasius und andere KirchenvÅter sowie in ºbereinstimmung mit protestantischen und katholischen Theologen (J. Moltmann, J.-M. Garrigues), weshalb Staniloae hier die Chance fÛr maßgebliche Fortschritte in der Filioque-Diskussion sieht. So scheint

da beide Seiten sowohl angemessene als auch defizitÅre Entwicklungen aufweisen. Vgl. dazu auch K. C. Felmy: Theologie, S. 109 f. 272 D. Staniloae: Dogmatik II, S. 166. Vgl. ders.: Dogmatik I, S. 259, und ders.: Gott, S. 445. 273 Vgl. ders.: Dogmatik I, S. 50, 90, 273 f., 279 ff., 283 ff., 289; ders.: Dogmatik II, S. 247 u. 249; ders.: Gott, S. 447; ders.: Ausgang, S. 162. 274 S. o., S. 135 f.

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Staniloae inhaltlich durchaus die altkirchliche Vorstellung vom Hervorgang des Geistes aus dem Vater durch (dia´) den Sohn zu akzeptieren, wenn er feststellt, daß der Hervorgang des Geistes und die Zeugung des Sohnes verbunden sind und der Geist sein Personsein durch die jeweilige Beziehung zu Vater (Ursprung) und Sohn (Ruhe, Ausstrahlen) empfÅngt, zumal die Ausstrahlung des Geistes aus dem Sohn den Hervorgang des Geistes aus dem Vater begleitet. Obwohl Staniloae folgerichtig entsprechende Formulierungen von Jean-Miguel Garrigues „auch fÛr die orthodoxe Kirche fÛr annehmbar“275 erachtet, hÅlt er dennoch fÛr den Hervorgang des Geistes (Ursprungsebene) am „mo´nou“ (Hervorgang aus dem Vater allein) fest. Die Ursache hierfÛr wird bei der Er×rterung der noch bestehenden Defizite Staniloaes hervortreten. Ohne Abstriche benennt Staniloae aber den ewigen Zusammenhang von Sohn und Heiligem Geist, wie er sich aus der Heils×konomie fÛr die innertrinitarische Existenzebene zu erkennen gibt. Weil der Geist innertrinitarisch nie ohne den Sohn existiert und umgekehrt, wirkt der Geist auch in der Offenbarungsgeschichte nie ohne das Wort und umgekehrt, so daß der Heilige Geist immer als Geist Christi anzusehen ist, durch den Christus vergegenwÅrtigt wird: „Und das bewahrt uns sowohl vor theologischem Rationalismus als auch vor rein gefÛhlsmÅßigem Enthusiasmus.“276 Damit bannt Staniloae nicht nur die Gefahr der westlichen VernachlÅssigung der Pneumatologie, sondern auch die Gefahr ihrer zu starken VerselbstÅndigung gegenÛber der Christologie in ostkirchlichen AnsÅtzen. Durch die Zusammenschau des gemeinsamen und des spezifischen Handelns der trinitarischen Personen entspricht Staniloae der kappadozischen Sicht der opera ad extra, nach der die trinitarischen Personen ihrem jeweiligen trinitarischen und heilsgeschichtlichen Spezifikum gemÅß einheitlich handeln.277 Das Zusammenwirken von Sohn und Heiligem Geist bewirkt außerdem die Gleichzeitigkeit von „GegenÛber und NÅhe“ Gottes, die wiederum erst eine freie personale Gemeinschaft der Liebe zwischen Gott und Mensch erm×glicht. Denn indem Christus durch den Heiligen Geist vergegenwÅrtigt wird, kann er selbst unser GegenÛber bleiben, ohne seine NÅhe im Heiligen Geist aufgeben zu mÛssen. Da auch der Geist als Person in uns wirkt, er×ffnet er uns die freie Gemeinschaft personaler Liebe. Das bedeutet zum einen, daß Gott als h×chste und vollkommene PersonalitÅt der Liebe aus sich selbst frei existiert und zu seiner Vollkommenheit keines Anderen bedarf. Er leidet nicht fÛr die Menschen, weil er ihre Liebe ben×tigt, son-

D. Staniloae: Ausgang, S. 154. Vgl. insgesamt ebd., S. 153–163. Ebd., S. 157. Vgl. insgesamt ebd., S. 153 ff.; ders.: Dogmatik I, S. 47 f., und ders.: Dogmatik II, S. 154. 277 Vgl. zu Staniloaes Auffassung ders.: Dogmatik I, S. 268. Zur Sicht der Kappadozier s. o., S. 131 ff., bes. S. 134. 275 276

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dern er leidet fÛr die ºberwindung des selbstverschuldeten Leids der Menschen (pro nobis). Anders als bei Moltmann ist die Vollkommenheit der innertrinitarischen Liebe und Einheit Gottes nicht von den Menschen abhÅngig, weil dann nicht mehr von der Liebe Gottes zu den Menschen zu sprechen wÅre, insofern als sich Liebe nur frei als solche realisieren kann.278 Zum anderen bedeutet die GewÅhrung personaler Liebesgemeinschaft fÛr Staniloae die Ablehnung der doppelten PrÅdestination zum Heil oder zum Unheil, wie sie der Calvinismus lehrt. Nach dieser Lehre erscheine der Mensch als rein passives GefÅß eines willkÛrlichen Gottes, und es k×nne von einer personalen Liebesgemeinschaft nicht mehr die Rede sein. Da aber nach dem Zeugnis der Schrift das Wirken des Geistes mit Freiheit verbunden sei (II Kor 3,17) und Gott wolle, daß allen Menschen geholfen werde (I Tim 2,4) – wobei sich Gott als Liebe nicht untreu werde (II Tim 2,13) –, k×nne es h×chstens eine durch das g×ttliche Vorherwissen bedingte PrÅdestination geben, denn die Schrift spreche sowohl vom Angebot der Gnade an alle Menschen als auch von der M×glichkeit, die Gnade zurÛckzuweisen. Das Vorherbestimmtsein nur einiger Menschen widersprÅche der im Kreuz offenbarten Liebe Gottes und wÛrde die Heilsgeschichte mit ihren LiebesReaktionen Gottes auf das menschliche Handeln zur einfachen Manipulation und Determination degradieren. „So verstanden wÅre das Heil nicht mehr Sache der Gemeinschaft Christi als Person mit Menschen als Personen, denn wahre Gemeinschaft lÅßt sich weder einseitig zuweisen noch lÅßt sie sich mit Gewalt erzwingen.“279 Daraus ergibt sich fÛr Staniloae auch eine differenzierte Sicht des SynergismusProblems sowie der Zuordnung von Glauben und Werken. Er wendet sich sowohl gegen die Ausblendung der gegenseitigen personalen Beziehung zwischen Gott und Mensch durch westliche AnsÅtze einer geschaffenen Gnade oder eines unpers×nlichen Geistes (Kraft) als auch gegen jede Form von Werkgerechtigkeit. Gottes freie Liebe und seine vorausgehende Gnade m×chten die Gegenliebe als freie Šußerung wecken. Wahre Freiheit besteht dabei aber nicht in einer absolut neutralen Entscheidungsfreiheit ohne Lebensgrundlagen, sondern sie wird auf der Lebensbasis der Liebe Gottes gewÅhrt, die uns dazu befreit und befÅhigt, „selbst zu wirken bzw. mit dem Geist mitzuwirken“280. Wie bei Luther wird der Mensch aus Glauben gerecht und so in die Lage versetzt, dieser Glaubensgerechtigkeit durch Liebeswerke zu entsprechen bzw. ein Leben im Heiligen Geist zu fÛhren (II Kor 6,1.17).281

Nur ein Mensch, der sich der im Heiligen Geist vergegenwÅrtigten Liebesgemeinschaft in Christus mit dem Vater ×ffnet, vermag in der christologisch-pneumatologisch prÅsenten Spannung von „GegenÛber und NÅhe“ Gottes zum Heil als personaler Gemeinschaft der Liebe zu finden, so daß 278 Vgl. insgesamt D. Staniloae: Dogmatik I, S. 141 f., 144 ff., 161, 177 f., und ders.: Dogmatik II, S. 237 u. 244. 279 Ders.: Dogmatik II, S. 242. Vgl. insgesamt ebd., S. 199 u. 241 ff., und ders.: Dogmatik I, S. 219 ff. u. 230. Zur Bedeutung der Dimension des „Personalen“ fÛr Staniloaes Theologie vgl. D. Wendebourg: Rezension „D. Staniloae: Dogmatik II“, S. 133 ff. 280 D. Staniloae: Dogmatik II, S. 233. Vgl. ebd., S. 241–244. 281 Vgl. ebd., S. 255 ff. u. 279 f., und ders.: Dogmatik I, S. 233. Auch P. Nørgaard-Højen: Sola fides, S. 475, kommt zu dem Ergebnis, „daß Staniloaes Analyse der Relation von Glauben und Liebe in wesentlichen Punkten dem lutherischen VerstÅndnis dieser Beziehung entspricht“.

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die Erl×sung allein das Werk der Dreieinigkeit sein kann. Denn zur liebenden Koinonia zwischen Gott und Mensch fÛhrt laut Staniloae weder eine statisch-emanatorische Gottesvorstellung (Neuplatonismus) noch ein Dualismus zwischen einem in sich verschlossenen Gott und der Welt (Judentum und Islam).282 Staniloae kommt also inhaltlich der in dieser Untersuchung vorgenommenen Unterscheidung zwischen dem trinitarischen Gottesbegriff und den Grundformen menschlicher Vereinnahmung Gottes nahe. Es wurde bereits gezeigt, daß die emanatorischen Formen durch das Aufgehen Gottes in der Welt nur Gottes NÅhe propagieren, wÅhrend die dualistischen Formen versuchen, sich des fernen Gottes (GegenÛber) durch gesetzliche Beeinflussung zu bemÅchtigen. Der mit der TrinitÅt gegebene Zusammenhang er×ffnet dagegen die differenzierte Wahrnehmung der Gleichzeitigkeit von „GegenÛber und NÅhe“ Gottes.283 Auch letzteres nimmt Staniloae implizit auf, indem er diese Gleichzeitigkeit durch den Aufweis von Gottes intra- und interpersonaler Existenz indirekt belegt. Denn die so qualifizierte Existenz Gottes garantiert neben der interpersonal begrÛndeten NÅhe einzelner trinitarischer Personen zu den Menschen gleichzeitig Gott als intrapersonales GegenÛber der Menschen. Unter Bezugnahme auf Athanasius und die drei Kappadozier hÅlt Staniloae gegenÛber der spÅteren ostkirchlichen Konzentration auf die interpersonale Dimension Gottes an dem biblischen Paradoxon der Gleichzeitigkeit von intra- und interpersonaler Dimension Gottes fest. Die TrinitÅt sei im Unterschied zu den gesch×pflichen Kategorien Ûber die Unterscheidung von Einheit und Beziehung erhaben und k×nne deshalb als das eine g×ttliche Subjekt in der Einheit und Einzigkeit des Wesens gleichzeitig in drei Personen bzw. Subjekten existieren. Daher bestehe eine Interdependenz von KonsubstantialitÅt und InterpersonalitÅt. Folgerichtig ergÅnzt Staniloae die in der Orthodoxie Ûbliche Konstitution der g×ttlichen Einheit in der Person des Vaters durch ihre Verankerung in der trinitarischen IntersubjektivitÅt, was an Athanasius und die drei Kappadozier erinnert und eine BrÛcke zur westlichen TrinitÅt darstellt. „In der TrinitÅt ist alles gemeinsam und perichoretisch, ohne daß in dieser gemeinsamen Bewegung der SubjektivitÅt des einen in der des anderen eine Vermischung der besonderen Erlebnisweisen dieser SubjektivitÅt eintritt.“284 Mit dieser innertrinitarischen Koinonia

Vgl. D. Staniloae: Dogmatik I, S. 81 u. 260. S. o., S. 94 ff. 284 D. Staniloae: Dogmatik I, S. 275. Vgl. insgesamt ebd., S. 84, 199, 253 ff., 262 ff., 270 ff., 280, 287, und ders.: Ausgang, S. 157. Zur BegrÛndung der innertrinitarischen Einheit bei Athanasius und den Kappadoziern s. o., S. 119 ff. u. 131 ff. Die Fortschritte, die Staniloae gegenÛber einer primÅr interpersonal ausgerichteten Theologie und einer exklusiven BegrÛndung der g×ttlichen Einheit im Vater erreicht, sieht auch D. Wendebourg: Person, S. 506 ff. u. 524. 282 283

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ist das vollkommene Leben der Liebe gegeben, das sich als Vorbild und kritischer Maßstab menschlicher Gemeinschaft erweist. Den kritischen Maßstab berÛcksichtigend kann Staniloae die ostkirchliche Konzentration auf die theologia gloriae durch den Aspekt der theologia crucis ergÅnzen und so auch die Dimension der Krisis warhnehmen. Hier treten erneut Gemeinsamkeiten mit der Theologie Luthers hervor, wenn Staniloae im Kreuz das „abgrundtiefe“ Zeichen der Liebe Gottes erblickt, mit der Gott die sÛndigen Menschen aus ihrer egoistischen Selbstverg×ttlichung zu wahrer Menschlichkeit befreien will. Deshalb bleibe das Kreuz „unumgÅnglich“ fÛr die Gemeinschaft von Gott und Mensch, weil das Absterben des alten Adam nur durch die Teilhabe an der Selbsthingabe Christi zu erreichen sei.285 Wo Staniloae das Kreuz als g×ttliches Heilsangebot darlegt, gelangt er zu einem heilsgeschichtlichen TheosisverstÅndnis (Teilhabe an der gewÅhrten Gemeinschaft Gottes), das wie bei Athanasius die Gefahr einer evolutionistisch-physischen Theosisspekulation bannt.286 Die gegenÛber westlicher Theologie stÅrkere kosmologische Relevanz der Heilsgeschichte in den Ostkirchen, die wegen der theologia gloriae aber wenig Bezug auf die Weltverantwortung hervorruft, erhÅlt durch Staniloaes theologia crucis eine deutlichere Ausrichtung auf die kirchliche Weltverantwortung.287 Dabei gelingt es Staniloae durch die Beachtung der intra- und interpersonalen Dimension Gottes besser als Moltmann, neben den sozialen Konsequenzen der TrinitÅt auch deren spirituelle und ethische Relevanz fÛr das Individuum und die „innere Gerechtigkeit“288 herauszustellen. Die intra- und interpersonale trinitarische Koinonia gilt ihm als Urbild menschlicher Gemeinschaft, die aber nur analog daraus abzuleiten ist. Denn Gott verk×rpert als h×chste personale Wirklichkeit mit der Gleichzeitigkeit von intra- und interpersonaler Dimension die FÛlle des Lebens, wÅhrend der Mensch die interpersonale Dimension nur in Gemeinschaft mit anderen Wesen erfÅhrt (Gott und Mitmenschen). Weil personale Existenz ihre ErfÛllung allein in personaler Gemeinschaft findet und der Mensch Lebensgrundlage und -sinn nicht in sich trÅgt, ist er auf eine h×chste personale Wirklichkeit angewiesen, die ihm dies gewÅhrt. Ansonsten gerÅt er in eine t×dliche Isolierung, welche sich allein durch die Teilhabe an der trinitarischen Koinonia Ûberwinden lÅßt.289

285 Vgl. D. Staniloae: Dogmatik I, S. 33, 157, 174, 195, 225, 239 ff.; ders.: Dogmatik II, S. 171; ders.: Gott, S. 448 f. 286 Zu den Passagen explizit heilsgeschichtlicher Ausrichtung bei Staniloae vgl. z. B. ders.: Dogmatik I, S. 100, 140, 224, 254, 439 ff.; ders.: Dogmatik II, S. 166 f., 214, 227; ders.: Dogmatik III, S. 180 f. Zur ºberwindung des falschen TheosisverstÅndnisses durch Athanasius s. o., S. 121 ff. 287 Vgl. zur Kosmologie D. Staniloae: Dogmatik I, S. 239, 251, 443, und ders.: Dogmatik III, S. 290 ff. Zur Weltverantwortung vgl. ders.: Conception, S. 657, und I. Bria: Vision, S. 77 ff., der auch auf den Zusammenhang mit der Kreuzestheologie hinweist. 288 Vgl. D. Staniloae: Dogmatik I, S. 231 f., und ders.: Dogmatik III, S. 12 ff. u. 180 ff. 289 Vgl. ders.: Dogmatik I, S. 27, 46, 74, 78 f., 80, 82, 87, 143, 150, 163, 189, 275, und ders.: Dogmatik III, S. 180 f.

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Diese Teilhabe bietet auch die Grundlage fÛr Staniloaes Ekklesiologie. Aus den Fortschritten, die Staniloae in heils×konomischer Ausrichtung gegenÛber der Schultheologie in der Gotteslehre erzielt, leiten sich neben den Fortschritten im VerhÅltnis von Kirche und Welt entsprechende ekklesiologische Fortschritte ab. Da der Sohn und der Heilige Geist nicht nur energetisch, sondern hypostatisch und personal in der Kirche gegenwÅrtig sind, ist ein differenzierteres VerhÅltnis von „GegenÛber und NÅhe“ Gottes gegeben, was sich auf das Kirchen- und AmtsverstÅndnis auswirkt. Christus bleibt als Haupt des Leibes das GegenÛber der Kirche, das durch den Heiligen Geist vergegenwÅrtigt wird, indem dieser die Gemeinschaft zwischen Gott und Mensch sowie die Gemeinschaft der Heiligen untereinander bewirkt. Er ist als trinitarische Person anwesend (Geber) und teilt die Charismen aus (Gabe). So bleibt auch der Geist selbst in einem VerhÅltnis von „GegenÛber und NÅhe“ zu den Glaubenden, deren Glaubensantwort er hervorrufen m×chte. „Denn die Kirche besteht aus Personen, [. . .] die zur Freiheit und unvergÅnglicher Liebe berufen sind.“290 Deshalb unterstreicht Staniloae gegenÛber orthodoxen Tendenzen, die Kirche aus Sicht der theologia gloriae primÅr als g×ttliche Gr×ße zu betrachten, die historische Dimension der Kirche, in der die Heiligen der SÛnde auch weiterhin ausgesetzt sind. Damit entspricht Staniloae dem reformatorischen „simul iustus et peccator“, das auch bei ihm die Einsicht nach sich zieht, daß die Kirche „stÅndig erneuert“291 werden muß (reformatorisch: „semper reformanda“). Diese Einsicht verhindert eine zu starke Identifizierung von Kirche und Sakrament, wie sie Staniloae in Rahners Rede von der Kirche als „Ursakrament“ erkennt, so daß er die Sakramente explizit an der Einsetzung durch Christus festmacht.292 So wendet sich Staniloae inhaltlich gegen die Gefahr der Identifikation von Gott und Kirche, der er aber selbst erliegt, wenn er die biblisch und heils×konomisch ausgerichtete Hermeneutik vernachlÅssigt, was noch zu zeigen sein wird, ebenso wie der Umstand, daß ein Abweichen von dieser Hermeneutik auch hinsichtlich der anderen aufgezeigten Fortschritte Ambivalenzen erzeugt. Wo Staniloae aber an dieser Hermeneutik festhÅlt, kann er sich auch von der einseitigen eucharistischen Ekklesiologie (z. B. N. N. Afanasiev) distanzieren, insofern als er die Einheit in der Lehre ebenfalls fÛr zentral hÅlt, wobei der Gotteslehre primÅres Gewicht zufÅllt.293 Letzteres wirkt sich außerdem auf das AmtsverstÅndnis aus. Weil Staniloae die Kirche als „Dialog Gottes mit den GlÅubigen durch Christus im Heiligen Geist“294 begreift, er×ffnet sich ihm aufgrund des heils×konomisch erkannten differenzierten Zusammenwirkens von Sohn und Heiligem Geist ein differenziertes AmtsverstÅndnis: Durch den Heiligen Geist, der seine Gaben an alle Glaubenden verteilt, wirkt

290 Ders.: Dogmatik II, S. 179. Vgl. insgesamt ebd., S. 165 f., 172, 176, 179, 212, 237, 249 ff., und ders.: Dogmatik III, S. 25. 291 Ders.: Dogmatik II, S. 238. Vgl. zur Wahrnehmung der gerechtfertigten SÛnder ebd., S. 216 f. Zur Betonung der historischen Dimension der Kirche vgl. auch die Analyse von I. Bria: Vision, S. 77 f. 292 Vgl. D. Staniloae: Dogmatik III, S. 17–25. Zum VerhÅltnis von Kirche und Sakrament vgl. auch D. Wendebourg: Rezension „D. Staniloae: Dogmatik III“, S. 396 f. 293 Zur Bedeutung der Gotteslehre vgl. D. Staniloae: Jesus Christ, S. 403. Zur kritischen Haltung gegenÛber der eucharistischen Ekklesiologie vgl. K. C. Felmy: Theologie, S. 162. 294 D. Staniloae: Dogmatik I, S. 55.

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Christus in allen Gliedern der Kirche. Deshalb freuen sich alle Glieder des „gleichen Wirkens“ (Basilius) und sind gemÅß der Lehre der KirchenvÅter „wie Christus gleichzeitig K×nig, Priester und Prophet“295. So kommt Staniloae auch hier zu einer reformatorischen Einsicht, wenn er hervorhebt, daß alle Getauften ein k×nigliches Priestertum der GlÅubigen bilden.296 Irrtumsfreiheit und Lehrgewalt stehen deswegen nur der Kirche als Ganzer zu, in der die Wahrheit wie zur Zeit der altkirchlichen Konzile durch die Rezeption aller – AmtstrÅger und Laien – ermittelt wird. „Die gesamte Kirche stellt ein permanentes Konzil dar, eine andauernde Gemeinschaft, Konvergenz und Zusammenarbeit aller ihrer Glieder, da ihre geistlichen GÛter nur in diesem Zustand bewahrt und ausgewertet werden.“297 Die hier zum Ausdruck kommende Entsprechung von ekklesiologischer und trinitarischer Gemeinschaft schlÅgt sich in der SynodalitÅt bzw. KonziliaritÅt der Kirche nieder, was der r×mische Zentralismus und der protestantische Partikularismus laut Staniloae stÅrker zu beachten haben. WÅhrend die ordinierten AmtstrÅger in dieser synodalen Gemeinschaft die Erfahrung des „GegenÛber-Seins“ Christi gewÅhrleisten, bleiben sie nach Staniloae gleichzeitig heilsbedÛrftige Menschen, die nur Hinweise auf Christus geben. Der „Priester wird also nicht etwa zu einem anderen Christus“, sondern ist laut Gregor von Nazianz als „Mitpriester Christi“298 zu bezeichnen. Weil in Christus und im Wirken des Heiligen Geistes die Einheit des Leibes Christi begrÛndet ist, „lÅßt sich weder die Kirche von Gott losl×sen, noch k×nnen ihre glÅubigen Glieder in der Tiefe ihres Wesens voneinander getrennt werden“299. Die Einheit kann deshalb nur anhand der Erneuerung in Christus durch den Heiligen Geist erzielt werden und ist weder von institutioneller Art (Vorwurf an den Katholizismus) noch von individueller PartikularitÅt (Vorwurf an den Protestantismus), sondern eine Einheit „des ontologisch-pneumatischen Lebens in Christus und in seinem Heiligen Geist“300. Auf dieser Basis hofft Staniloae, in Anlehnung an die ×kumenischen Konzile der Alten Kirche eine konfessionelle Einheit in Vielfalt zu erreichen, die der trinitarischen Einheit entspricht.301 So kann Staniloae durch die gezeigten Fortschritte die ×kumenische Orientierung einiger orthodoxer Theologen (G. Florovsky, N. A. Nissiotis) aufnehmen und konkretisieren.302

Die aus den Fortschritten in der Gotteslehre resultierenden ekklesiologischen Differenzierungen bewirken also auch ×kumenische Fortschritte, die

295 Ders.: Dogmatik II, S. 183. Vgl. ebd., S. 220, wo Staniloae Basilius zitiert. Vgl. ferner ebd., S. 164, 179, 193. 296 Vgl. ebd., S. 179 u. 211. 297 Ebd., S. 218 f. Vgl. ebd., S. 194, und ders.: Dogmatik I, S. 97 f. 298 Ders.: Dogmatik II, S. 189 (Hervorhebung v. Vf.). Vgl. insgesamt ebd., S. 169, 183 ff., 190, 194, 218 f. 299 Ebd., S. 200. Vgl. ebd., S. 174 u. 198 ff. 300 Ebd., S. 203. Vgl. ebd., S. 198 u. 201. Vgl. ders.: Conception, S. 662. 301 Vgl. ders.: Gott, S. 450; ders.: Characteristics, S. 629, und ders.: Dogmatik II, S. 194. Zum ×kumenischen Engagement Staniloaes vgl. I. Juhasz: Ecumenical Studies. 302 Vgl. zu den ×kumenischen AnsÅtzen von Florovsky und Nissiotis die AusfÛhrungen von K. C. Felmy: Grenzen, S. 471 ff., und N. A. Nissiotis: Theologie, S. 11 ff., der auf der Grundlage der TrinitÅtslehre zu einer ×kumenisch ausgerichteten orthodoxen Ekklesiologie findet.

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Staniloae aber selbst wieder relativiert, wenn er von der biblischen und heils×konomischen Orientierung abweicht, was die Analyse seiner noch bestehenden Defizite erweisen wird. 3.2 Defizite Die im Vergleich zu den aufgezeigten Fortschritten auftretenden Ambivalenzen in Staniloaes Entwurf, die im folgenden nachgewiesen werden, haben ihre Ursache nicht zuletzt im ambivalenten Umgang mit den hermeneutischen Kriterien. Einerseits erhÅlt die Schrift eine maßgebende Funktion in der von Staniloae als grundlegend betrachteten Interdependenz von Kirche, Schrift und Tradition. So bezeichnet er die Schrift als Garanten des unverdorbenen Glaubens der Kirche, dessen Mitte – wie bei Luther – im Heilshandeln Christi als der Mitte der Schrift besteht. Durch die Schrift ereignet sich sowohl die Selbstmitteilung des Logos als auch sein Wirken an uns.303 Andererseits beruht der „Fortbestand“ der Erkenntnis Christi nach Staniloae auf der Erfahrung der Kirche, deren Tradition als „Fortsetzung der Offenbarung“ eine „ErgÅnzung“ zur Schrift und „die VerlÅngerung der Gottesaktion in Christus“304 darstelle. Weil Staniloae nur „die schriftliche Fixierung eines Teiles der Offenbarung“305 anerkennt und die normative Anwendung der Offenbarung durch die Kirche als Teil der Offenbarung bewertet, kann er davon sprechen, daß es „seit der GrÛndung der Kirche eine fortlaufende ErgÅnzung der Offenbarung“306 gibt, die sich mittels hierarchisch-sakramentaler Strukturen vollzieht. Hier ist nicht mehr die Schrift Garant des unverdorbenen Glaubens, sondern die Kirche und ihre Tradition, deren „Šnderung“ nach Staniloae „einer VerstÛmmelung der Offenbarung“307 gleichkÅme. Aus diesem ambivalenten Umgang mit den hermeneutischen Kriterien erklÅrt sich, daß Staniloaes biblisch und heils×konomisch abgeleiteten Erkenntnisse und die schriftgemÅßen altkirchlichen Grundlagen immer wieder durch die Bezugnahme auf spÅtere Traditionen Ûberlagert werden. Das manifestiert sich in seiner gelegentlichen Harmonisierung der Theologie des Palamas mit der patristischen Theologie des 4. Jahrhunderts, was aber we-

303

Vgl. D. Staniloae: Dogmatik I, S. 53 u. 57 ff. Ebd., S. 65. Vgl. ebd., S. 63 f. 305 Ebd., S. 72 (Hervorhebung v. Vf.). Vgl. ebd., S. 69 f. 306 Ebd., S. 68. Vgl. ebd., S. 70 f. 307 Ebd., S. 70. Vgl. zur Gewichtung der kirchlichen Strukturen ebd., S. 64. Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, daß Staniloae trotz der HochschÅtzung der Schrift nur die Dogmen, den Gottesdienst und die Hierarchie als Basis kirchlicher Einheit nennt (vgl. ders.: Dogmatik II, S. 205). 304

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der in der Theologie des 4. Jahrhunderts noch bei Palamas Anhalt findet.308 So vertritt Staniloae in einigen Passagen die der ×konomischen Energienlehre (Kappadozier) entsprechende Auffassung, daß Gott in seinen heils×konomisch erkennbaren Energien hypostatisch offenbart, was er „tatsÅchlich“ ist, wÅhrend er sich an anderer Stelle von jeglicher Erfahrbarkeit des g×ttlichen Seins und Wesens distanziert, was der spekulativen Energienlehre des Palamas entspricht, die eine Verbindung zwischen energetischer und hypostatisch-wesenhafter Erkenntnis Gottes ausschließt: „Inhaltlich erfahren wir Ûber Gott nichts als seine vielfÅltigen Wirkungen, die [. . .] ihren Grund in [s]einem Sein haben [. . .]; wie dieses Sein aber nÅher beschaffen ist, wissen wir nicht“309. Daraus ergibt sich die Gefahr, den heils×konomischen Zusammenhang von Ahnung und Offenbarung wieder durch den palamitischen Dualismus von energetischer Erkenntnis des einheitlichen Handelns Gottes ad extra (De Deo uno) und trinitarischer Sonderinformation (De Deo trino) zu verdrÅngen. Wo Staniloae mehr auf die spekulative palamitische Energienlehre zurÛckgreift, neigt er entgegen seiner heils×konomischen Erkenntnisse erneut zur einseitigen Auslegung des einheitlichen g×ttlichen Handelns ad extra, das dann als kontingent und vom freien g×ttlichen Willen abhÅngig erscheint und keine RÛckschlÛsse mehr auf trinitarische Proprien zulÅßt: „Gott selbst tritt fÛr uns in seinem Wirken unterschiedlich in Erscheinung, dabei bleibt er als der Urheber dieser Werke doch immer der Eine und Einfache“310. Weil das Ûber-existente Wesen Gottes somit nach außen als Einheit erscheint und die trinitarischen Personen ihre Außenbeziehungen in unterschiedlichen Gruppierungen bestimmen, werden die von Staniloae an anderer Stelle heils×konomisch erkannten Existenzbeziehungen zwischen den trinitarischen Personen relativiert, da sie jetzt appropriierten und kontingenten Charakter erhalten. Im Klima der klassischen ostkirchlichen Gegenreaktion auf das Filioque werden die trinitarischen Existenzbeziehungen auf diese Weise den Ursprungsbeziehungen untergeordnet.311

308 S. o., S. 166 ff., und siehe Kap. II,3. Zu den Harmonisierungstendenzen bei Staniloae vgl. ders.: Dogmatik I, S. 128 u. 137. 309 D. Staniloae: Dogmatik I, S. 138. Zur ×konomischen Energienlehre der Kappadozier und zur spekulativen Energienlehre des Palamas s. o., S. 166 ff., und siehe Kap. II,3. Zu den widersprÛchlichen Aussagen Staniloaes vgl. z. B. ders.: Dogmatik I, S. 131 u. 139. In welche Aporien die spekulative Energienlehre mit ihrer Vorstellung von dem als „undefinierbar“ (ebd., S. 146) geltenden Gott fÛhren kann, zeigt eine Aussage des Pseudo-Dionysius Areopagita, mit der Staniloae auf die ºber-Existenz Gottes hinzuweisen versucht: Gott „‚war nicht, er wird auch nicht sein, er wurde nicht und wird nicht werden; und eigentlich ist er auch gar nicht‘“ (ebd., S. 163). 310 D. Staniloae: Dogmatik I, S. 138. Vgl. ebd., S. 154 u. 160. 311 Vgl. ebd., S. 258. Zur kontingenten Bestimmung der heils×konomischen Zuordnung vgl. ebd., S. 89 u. 286. Vgl. dazu auch D. Wendebourg: Person, S. 520 ff., die aber wie an anderer Stelle (dies.: Rezension „D. Staniloae: Dogmatik [I]“, S. 110 ff.) zu einseitig die Defizite Staniloaes

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Dadurch kommt es zur energetischen Abwertung der ewigen Beziehungen zwischen Sohn und Geist und zur M×glichkeit, am photinianischen Hervorgang des Geistes aus dem Vater allein (mo´nou) festzuhalten. So erklÅrt es sich auch, daß Staniloae selbst an den Stellen, an denen er inhaltlich das Nebeneinander von Ursprungs- und Existenzebene beibehÅlt, den erkannten Beziehungen zwischen Sohn und Geist keine Relevanz fÛr die Ursprungsbeziehungen zugesteht. Zwar erkennt er an, daß die Begleitung der Geburt des Sohnes durch den Ausgang des Geistes ihre Ursache in den ewigen Beziehungen zwischen Sohn und Geist hat, aber er lÅßt den RÛckschluß auf die innertrinitarische Begleitung der Zeugung des Sohnes durch den Hervorgang des Geistes nicht zu. Die Erkenntnis, daß der Geist auf der innertrinitarischen Existenzebene auch im Sohn ruht und von ihm ausstrahlt, fÛhrt nicht wie bei den Kappadoziern zu der logischen Konsequenz, daß der Hervorgang des Geistes aus dem Vater als seinem Ursprung deshalb durch (dia´) den Sohn geschieht, zu dem der Geist eine Existenzbeziehung hat. Es fÅllt auf, daß Staniloae hier nicht auf die Kappadozier, sondern auf Gregor von Zypern und Palamas zurÛckgreift, die er als Zeugen dafÛr auffÛhrt, daß man das „dia´“ nur in bezug auf die Existenzebene (Ausstrahlung des Geistes durch den Sohn), aber nicht in bezug auf die Ursprungsebene (Hervorgang aus dem Vater) verwenden dÛrfe, weil der Zusammenhang zwischen Zeugung des Sohnes und Hervorgang des Geistes lediglich darin bestehe, daß der Geist dem Sohn mitgeteilt werden solle. Doch selbst Gregor von Zypern spricht davon, daß der Geist vom Sohn ausstrahlt. Indem der Geist aber vom Sohn ausstrahlt, geht er – wegen der Verbindung zwischen Zeugung des Sohnes und Hervorgang des Geistes – durch (dia´) den Sohn aus dem Vater hervor. Das scheint Staniloae zwar inhaltlich zu akzeptieren, wenn er von der heils×konomischen Sicht ausgeht, aber explizit lÅßt er es aufgrund der immer wieder auflebenden spekulativen Energienlehre nicht zu.312 Diese AnklÅnge bewirken bei Staniloae außerdem gegenÛber seiner perichoretischen BegrÛndung g×ttlicher Einheit ein erneutes Aufleben ihrer patromonistischen BegrÛndung im Vater mit entsprechend subordinatianistischen Tendenzen. Wie bei vielen orthodoxen Theologen wird die heils×konomisch behauptete Kontingenz im Blick auf den Vater durchbrochen, der als Ausgangsort des g×ttlichen Handelns auch als innertrinitarischer Ausgangsort gilt: Es gibt „in Gott ein einziges Prinzip, ein einziges Wirk-Zentrum, [. . .] dies ist der Vater, [. . .] und eben nicht das gemeinsame We-

hervorhebt: er sei in Anlehnung an Palamas und die idealistische Spekulation des 19. Jahrhunderts nur an dem GegenÛber des einen g×ttlichen Subjekts (Person/Monade) interessiert, weshalb er die TrinitÅt nicht wirklich integriere. 312 Vgl. insgesamt D. Staniloae: Ausgang, S. 153–163.

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sen“313. Nur wenn sich Staniloae auf die Kappadozier bezieht, sieht er Gottes Einheit sowohl in der intra- und interpersonal strukturierten Einheit des g×ttlichen Wesens als auch in der Person des Vaters als personaler Grundlage verankert.314 Ansonsten wird die Gottheit zu exklusiv mit dem Vater identifiziert, der durch seine „beiden HÅnde“ (Sohn und Geist) in der Heilsgeschichte handelt (Subordination von Sohn und Geist).315 Die damit verbundene VernachlÅssigung des einheitlichen Wesens Gottes schlÅgt sich auch in der Gefahr nieder, trotz der Beachtung der intra- und interpersonalen Dimension Gottes die interpersonale Dimension einseitig hervorzuheben, was der PrÅferenz der Ursprungsbeziehungen in einer spekulativen Energienlehre entspricht und weitere Ambivalenzen hervorruft. So kann es geschehen, daß Staniloae zwar in Wahrnehmung des biblischen Paradoxon Gott als „reines Subjekt bzw. [als] eine Dreiheit reiner Subjekte“ zugleich bezeichnet und durch den Ausdruck „IntersubjektivitÅt“ lediglich einen „Schwerpunkt“316 auf die interpersonale Dimension gelegt sieht, aber im Widerspruch dazu an anderer Stelle konstatiert, daß Gott „nicht ein bewußtes Einzelsubjekt, sondern eine Gemeinschaft von Subjekten“317 ist. Daraus folgt wiederum die Gefahr, die von Staniloae durchaus erkannte Differenz zwischen intra- und interpersonaler g×ttlicher Koinonia und interpersonaler menschlicher Gemeinschaft aus dem Blick zu verlieren. Denn eine primÅr interpersonale trinitarische Struktur ist direkter mit der interpersonalen zwischenmenschlichen Struktur zu identifizieren, so daß sich die Versuchung der ºbertragung anthropologischer Strukturen auf Gott vergr×ßert. WÅhrend Staniloae im RÛckgriff auf Gregor von Nazianz noch den Unterschied zwischen g×ttlicher und menschlicher Koinonia betonte, insofern als die interpersonale Einheit beim Menschen nur mit anderen und nicht in sich selbst existiere318, vollzieht er an anderer Stelle eine v×llige Gleichsetzung von g×ttlicher Seinsstruktur und zwischenpers×nlicher menschlicher Gemeinschaft. Hier lÅßt sich der Einfluß des Dialog-Prinzips Bubers im Verbund mit einer personalistisch gefÅrbten idealistischen Subjektphilosophie erkennen: Vollkommene menschliche „IntersubjektivitÅt“ und „zwischenpers×nliche Gemeinschaft bringt den personalen Charakter Gottes in h×chster Weise zur Geltung“319. Indem die Attribute anthropolo-

Ders.: Dogmatik I, S. 286 f. Vgl. D. Wendebourg: Person, S. 522–524. Zur kappadozischen Lehre s. o., S. 131 ff. 315 Vgl. D. Staniloae: Dogmatik I, S. 48 u. 154. 316 Ebd., S. 272 f. 317 Ebd., S. 267. 318 Vgl. ebd., S. 262 ff., 275, 277, 282. 319 Ebd., S. 146. Vgl. ebd., S. 189. Zum Einfluß der idealistischen Spekulation und zur Bedeutung des Personalismus vgl. auch D. Wendebourg: Rezension „D. Staniloae: Dogmatik [I]“, S. 110 ff., und dies.: Rezension „D. Staniloae: Dogmatik III“, S. 395 ff. 313 314

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gischer InterpersonalitÅt – wie Freiheit und Erkenntnis – deshalb auf Gott Ûbertragen werden, wird das absolute Gute als Verbindung zwischen absoluten Personen definiert. Daher kann Staniloae nicht nur von dem einen Wesen Gottes sprechen, sondern auch von „den g×ttlichen Personen gleichen Wesens“320. Aus der einseitig interpersonalen Ausrichtung ergibt sich also eine zu direkte ParallelitÅt g×ttlicher und menschlicher Strukturen, die Staniloae einen eschatologischen „Pan-Personalismus“ erm×glicht, in dem die menschliche IntersubjektivitÅt die geistige Einheit vollkommener g×ttlicher IntersubjektivitÅt erreicht, so daß in dieser Einheit „das gesamte Universum der Objekte subjektiviert“321 wird. Das fÛhre dazu, daß die Menschen selbst ein Absolutes werden und mit Ausnahme der Seins-IdentitÅt wie Gott sind, da sie „den Unterschied zwischen dem Menschlichen und dem G×ttlichen Ûberschreiten“322. Diese Gefahr einer biblisch und heilsgeschichtlich unangemessenen Identifizierung von g×ttlichem und menschlichem Sein resultiert auch aus Staniloaes defizitÅrer Christologie. Aufgrund des bleibenden Einflusses der spekulativen Energienlehre legt sie nicht das Annahmen der ganzen menschlichen Person durch den Logos (Logos-Anthropos-Christologie) zugrunde, sondern nur dessen Annahme der menschlichen Natur (Logos-Sarx-Christologie). Denn sÅmtliche personalen Eigenschaften der menschlichen Seite Christi, die durch die ungeschaffenen Energien „verg×ttlicht“ wird, schreibt Staniloae dem Logos zu. Deshalb wird die menschliche Seite Christi „als Person mit Gott identisch“323, und der Hinweis von Chalcedon (451) auf das bleibende „unvermischt“ kommt nicht mehr deutlich zum Tragen. So vereinigt sich Gott mit der h×chsten Stufe menschlicher Natur, da die Menschheit Christi „nicht die eines ‚einfachen Menschen‘ ist [. . .], sondern einer Hypostase, die frei ist von der Begrenztheit des Geschaffenen“324. Das wird aber weder dem soteriologischen Anspruch noch der Kreuzestheologie gerecht, denn Gott hat sich in die tiefste SÛnde und SchwÅche des – ganzen – Menschen gegeben, der nur so mit allen seinen Dunkelheiten auf Erl×sung hoffen darf.325 Damit sind bereits die soteriologischen und anthropologischen Defizite an320 D. Staniloae: Dogmatik I, S. 256 (Hervorhebung v. Vf.). Vgl. insgesamt ebd., S. 79, 161 ff., 199, 213 ff. 321 Ebd., S. 158. Vgl. ebd., S. 183 ff. u. 192 ff.; ders.: Dogmatik III, S. 321 ff.; ders.: Jesus Christ, S. 409 ff. 322 Ders.: Dogmatik I, S. 158. Vgl. ebd., S. 46, 157, 193. 323 Ders.: Dogmatik II, S. 36. Vgl. ebd., S. 31–63, 160, 236. Vgl. ferner D. Wendebourg: Rezension „D. Staniloae: Dogmatik II“, S. 133 f. 324 D. Staniloae: Dogmatik I, S. 194. Vgl. ebd., S. 221. 325 Sicherlich ist das Kreuz mit Staniloae auch als Krafterweis Christi zu deuten. Doch die von ihm nahezu ausgeblendeten Aspekte der SchwÅche, des Leidens und der Vers×hnung mÛs-

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gesprochen, die sich aus den offenbarungstheologischen, trinitarischen und christologischen Defiziten ergeben. Den AnklÅngen platonischer und idealistischer Geistmetaphysik entsprechend geht es Staniloae um die vollkommene Vergeistigung der vom Logos angenommenen Natur. GemÅß dem platonischen Leib-Seele-Dualismus liegt das Eigentliche des Menschen in seiner unsterblichen Seele bzw. in seiner – unendliche M×glichkeiten enthaltenden – Geistigkeit. So gerÅt die Heilsgeschichte zu einer stufenweisen Erhebung von den BeschrÅnkungen der Natur zur h×chsten Geistesstufe. In dieser „Vergeistigungsbewegung“, die physische SchwÅchen und natÛrliche Bindungen abstreift, versichert sich der Mensch, daß er ein Geistsubjekt ist, welches als Ebenbild des g×ttlichen Wesens wie dieses fortdauernd existiert und ein „ºberdauerverm×gen“ besitzt, das ihn „zu einer unersch×pflichen und daher ewigen Kommunikation mit der dreieinigen g×ttlichen Hypostase“326 befÅhigt. Eine solche Gleichsetzung von g×ttlichen und menschlichen Eigenschaften hat aber zur Folge, daß der Mensch, dessen „Personsein“ nach Staniloae „niemals an eine Grenze seines Wachstums stoßen kann“327, das G×ttliche von Natur aus in sich birgt und so der Unterschied zwischen Gott und Mensch verschwimmt. Entsprechend geht es Staniloae bei der Heiligung lediglich um eine ErgÅnzung der natÛrlichen Voraussetzungen des Menschen, die vervollkommnet werden, indem Christus der menschlichen Natur die vollkommenen geistigen g×ttlichen Energien zueignet.328 Wie bei Rahners bruchloser AnknÛpfung des Glaubens an die natÛrlichen Voraussetzungen kann also auch hier von einer „ErgÅnzungstheologie“ gesprochen werden. Die Theosis rÛckt vor diesem Hintergrund aus dem Kontext einer sich immer wieder neu ×ffnenden und empfangenden Glaubensgemeinschaft mit Gott in den Bereich einer naturalistisch-evolutionistischen Theosis neuplatonisch-hegelscher PrÅgung: „[. . .] es str×mt alles wie in einem gewaltigen Flußbett wieder auf Gott, auf die ursprÛngliche Einheit, zu“329. sen ebenfalls grundlegendes Gewicht behalten. Vgl. dazu D. Staniloae: Dogmatik II, S. 59 u. 129 ff. 326 D. Staniloae: Dogmatik I, S. 149. Vgl. insgesamt ebd., S. 41 ff., 49, 66, 87 f., 100, 148, 150, 164 ff., 170, 205 ff.; ders.: Dogmatik II, S. 154 u. 268; ders.: Dogmatik III, S. 198 ff. (unsterbliche Seele), und ders.: Gott, S. 441. Zur entsprechenden heilsgeschichtlichen Qualifizierung vgl. ders.: Dogmatik I, S. 42 u. 49: Gott ziele in der VÅterzeit mehr auf die Natur, zur Zeit der Propheten mehr auf die Seele und mit Christus auf die Geistigkeit. – Hinsichtlich der ºberwindung von Naturgesetzen und menschlichen Charakteristika durch das geistliche Fortschreiten vgl. ebd., S. 87 f., 100, 150, 164. 327 Ders.: Dogmatik II, S. 282. Vgl. ebd., S. 286, wo Staniloae von den „unendlichen M×glichkeiten“ der „Menschennatur“ spricht. 328 Vgl. ebd., S. 154, 168, 236, 282 ff. Vgl. ferner ders.: Dogmatik I, S. 154 u. 206. 329 Ders.: Dogmatik I, S. 155. So ist es kein Zufall, daß sich Staniloae immer wieder auf Pseudo-Dionysius Areopagita beruft, dessen Konzeption die Heilsgeschichte als einen neuplatonisch gefÅrbten kosmologischen Prozeß erscheinen lÅßt (s. o., S. 156).

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Auch das OffenbarungsverstÅndnis gerÅt wieder in den Bereich der bruchlosen „ErgÅnzung“ der natÛrlichen Offenbarung durch die ÛbernatÛrliche Offenbarung.330 Weil Staniloae in diesen ArgumentationszusammenhÅngen die theologia crucis vernachlÅssigt und primÅr bei Inkarnation (wie K. Rahner) und Auferstehung als fortschreitender GewÅhrung energetischer Geistigkeit einsetzt, geht der Blick fÛr die Krisis verloren. Noch stÅrker als bei Rahner erhalten die optimistisch Ûberh×hten anthropologischen Strukturen maßgebliches Gewicht fÛr das GottesverhÅltnis. Die menschliche Neigung zur Selbstverg×ttlichung wird durch die Konzentration auf ein natÛrliches Streben nach Gott verdrÅngt und so erlangt die vorlaufende und sich erniedrigende Gnade Gottes geringe Geltung, da bei den symphonisch gleichgestimmten Partnern die Initiative von beiden Seiten ausgeht: Die g×ttliche Person „×ffnet sich nur dem, der sich ihr selbst ×ffnet“331. Die g×ttliche Gnade erscheint deshalb kaum noch als aufopferungsvolle Selbsthingabe fÛr die verlorenen Menschen, sondern als ErgÅnzung der menschlichen AufwÅrtsbewegung, wobei sich die g×ttliche Energie immer bis zu der Stufe herablÅßt, die der Mensch gerade erreicht hat.332 Im Unterschied zu seiner vorherigen Ableitung der guten Werke aus dem Glauben spricht Staniloae hier von der „Notwendigkeit stÅndiger guter Werke“333 als Voraussetzung des stufenweisen Aufstiegs, so daß sich das VerhÅltnis von Glauben und Werken umkehrt: „Wir mÛssen wirken, damit wir erfahren, daß Christus in uns wirkt.“334 Da der Mensch fÛr Staniloae den eigentlichen Zweck und das wahre Zentrum des fÛr ihn geschaffenen Kosmos darstellt und als „Makrokosmos“ sowie als Bindeglied zwischen Gott und Sch×pfung die wahre Vergeistung des gesamten Kosmos bewirken kann, bedeutet das gezeigte Wiederaufleben der Werkgerechtigkeit, daß der Mensch selbst die kosmische Erl×sung zu erzielen vermag.335 Der Mensch erhÅlt Åhnlich wie bei Moltmann konstitutive Bedeutung fÛr die Vollendung des eschatologischen kosmologischen Prozesses. Damit wird die BerÛcksichtigung der Kosmologie dem Anthropozentrismus unterworfen, worin sich Staniloae letztlich doch nicht von der anthropozentrischen Ausrichtung westlicher AnsÅtze unterscheidet. Wo Staniloae dem Einfluß der spekulativen Energienlehre nachgibt, betont er die energetische Teilhabe der Menschen an den Attributen des einen g×ttlichen Subjekts (Ewigkeit, Allmacht,

330

Vgl. D. Staniloae: Dogmatik I, S. 31. Ebd., S. 75. Vgl. insgesamt ebd., S. 29, 74 ff., 102, 204; ders.: Dogmatik II, S. 168; ders.: Conception, S. 656. 332 Vgl. ders.: Dogmatik I, S. 190, 203, 216. 333 Ders.: Dogmatik II, S. 285 (Hervorhebung v. Vf.). Vgl. ebd., S. 214 u. 275, und ders.: Dogmatik I, S. 152, 170 ff., 236. 334 Ders.: Dogmatik II, S. 272. 335 Vgl. ders.: Dogmatik I, S. 21 ff., 29, 156 f., 192, 206 f., 213, und ders.: Jesus Christ, S. 410. 331

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Barmherzigkeit etc.), was die zu direkte Identifizierung von Gott und Mensch unterstreicht.336 Die er×rterten Defizite wirken sich auch auf Staniloaes KirchenverstÅndnis aus. Da seine Christologie unter dem Einfluß der spekulativen Energienlehre die bleibende EigenstÅndigkeit („unvermischt“) der menschlichen Dimension Christi nicht mehr darzustellen vermag, weil der Logos in energetischer Vergeistigung bzw. „Verg×ttlichung“ die menschliche Natur Ûberwindet, kann Staniloae zu der Auffassung gelangen, daß die g×ttlichen KrÅfte und der Heilige Geist statt aus der g×ttlichen Hypostase des Logos aus seinem verklÅrten und vergeistigten Leib der menschlichen Natur ausstr×men. So tritt der Heilige Geist „aus der Menschheit Christi“ und damit „zugleich aus der Kirche“337, dem Leib Christi, hervor. Im Unterschied zu Staniloaes heils×konomischer Einsicht, daß der Sohn (Logos) hypostatisch das GegenÛber (Haupt) der Kirche bleibt, das durch den Heiligen Geist vergegenwÅrtigt wird, ist der Heilige Geist hier der menschlichen Natur und der Kirche inhÅrent, was folgerichtig zu dem Schluß fÛhrt: „Die Kirche ist Christus“338. Aufgrund dieser Identifizierung ist es zu verstehen, daß der Geist laut Staniloae nur dort wirkt, wo die Kirche ist, und daß „die Kirche selbst [. . .] das Opfer darbringt“339. Die Identifizierung von Christus und Kirche lÅßt der Kirche die opfernde Funktion Christi zukommen und verdrÅngt, daß Christi Opfer keiner ErgÅnzung bedarf und pro nobis geschah, auch fÛr die Kirche. Die empfangende Haltung wird erneut von Werkgerechtigkeit Ûberlagert, welche Gottes Initiative Ûbernimmt. Entsprechend gilt jetzt – im Unterschied zu vorher – die Kirche (nicht Christus) als Quelle der Sakramente, so daß der Mensch durch die Sakramente der Kirche stufenweise zum Heil gelangt. Nicht Gott, sondern die als sÛndlos und vollkommen geltende Kirche erscheint jetzt als GegenÛber der Menschen: „Es ist zwischen der Kirche und ihren Gliedern zu unterscheiden“340. Die Kirche steht nur noch unter dem Zeichen der theologia gloriae, sie besitzt als verklÅrter Leib Christi „die Reserven der Heiligkeit und der Kraft“341. Eine solche IdentitÅt von Christus und Kirche wird auch durch pneumatologische Defizite m×glich, die sich ergeben, wenn Staniloae auf Palamas zurÛckgreift und den Geist nur als energetisch anwesend betrachtet. Statt als personal anwesender Geber, der Christus jeweils neu vergegenwÅrtigt und die Kirche zu erneuern vermag, fungiert der Heilige Geist so lediglich als eine der Kirche innewohnende Kraft (Gabe), so daß die Erfahrung der Kirche zum Kriterium der Wahrheit wird. Die Tradition der

Vgl. ders.: Dogmatik I, S. 150–255. Ders.: Dogmatik II, S. 158 f. Vgl. insgesamt ebd., S. 154 ff. u. 177. 338 Ebd., S. 163. Vgl. ebd., S. 201, und ders.: Dogmatik I, S. 55. Zur WidersprÛchlichkeit zwischen heils×konomisch fundierten Aussagen und diesen Schlußfolgerungen vgl. u. a. ders.: Dogmatik II, S. 162 u. 165. Ebd., S. 200, ist festzustellen, daß Staniloae aus Sicht der spekulativen Energienlehre auch Athanasius undifferenziert auslegt, indem er in dessen Aussagen die IdentitÅt von Christus und Kirche hineininterpretiert. Zu Athanasius s. o., S. 119 ff. 339 D. Staniloae: Dogmatik II, S. 172. Vgl. ebd., S. 161 (Geistwirken) u. 181 ff. 340 Ebd., S. 218. Vgl. ebd., S. 201, 204 f., 215, 217 f. 341 Ebd., S. 215. 336 337

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Kirche gerÅt damit zur „Fortsetzung der Offenbarung“, zur „VerlÅngerung der Gottesaktion“, und zwar „in Ewigkeit“. Deshalb ist die Kirche „die ÛbernatÛrliche Offenbarung“, sie gilt nach Inkarnation, Kreuzigung, Auferstehung und Himmelfahrt als „der fÛnfte Akt des Heilsdramas“342 Christi – und nicht wie im Glaubensbekenntnis als Teil des dritten Aktes der Heilsgeschichte. Die Kirche erscheint als Christus prolongatus und als Teil der Offenbarung. Das zieht die Verschiebung der hermeneutischen Kriterien nach sich, insofern als die Kirche zur maßgeblichen Gr×ße wird und die Schrift ihre Funktion als Kanon der Kirche nicht mehr innehat.343 Als greifbares Kriterium fÛr Kirche und Tradition gilt deshalb jetzt das priesterliche und episkopale Amt. Weil der nur noch energetisch verstandene Geist als Gabe an das Amt gebunden wird, nehmen die AmtstrÅger eine „Mittlerfunktion“ ein. Die Gnade geht von den Bisch×fen auf die Priester Ûber, durch die der Glaubende in die Gemeinschaft mit Christus tritt. Das Priestertum aller Glaubenden und deren direkte Beziehung zu Gott treten zurÛck, weil die sakramentale Heilsvermittlung nach Staniloaes Personalismus in der personalen Begegnung zweier Personen verankert wird. Ohne Priester gibt es demnach kein Heil und keine Kirche. Als „objektives Mittlertum“ reprÅsentiert das Amt die sichtbare Kirche. Eine Ablehnung des Priestertums kÅme der Infragestellung der Kirche, ihres Heils und der Inkarnation Christi gleich, insofern als „das Priestertum BestÅtigung der realen Menschwerdung des Sohnes Gottes ist“344. Daraus leitet Staniloae ab, daß die unsichtbare Kirche nur ein Teil der sichtbaren Kirche sei, die damit entgegen der altkirchlichen Glaubensbekenntnisse zum Maßstab der geglaubten Kirche wird. Das erklÅrt die anti×kumenische Verabsolutierung der eigenen sichtbaren kirchlichen Tradition, die Staniloaes ×kumenische AnsÅtze immer wieder konterkariert.

Die EinschÅtzung des Heiligen Geistes als eine der Kirche inhÅrente Energie legitimiert die Berufung auf die eigene kirchliche Erfahrung, die bei Staniloae dazu fÛhrt, wie andere exklusive AnsÅtze ostkirchlicher Ekklesiologie das vollkommene Heil nur in der orthodoxen Kirche verk×rpert zu sehen, weil „nur die orthodoxe Kirche in der Tat Kirche im vollen Sinn dieses Wortes“345 ist. Ihrer Lehre kann „nichts mehr hinzugefÛgt werden“, sie „besitzt die gesamte Vollkommenheit“, denn sie hat die volle Gegenwart Christi

342 Ebd., S. 153. Siehe zu den anderen Zitaten ders.: Dogmatik I, S. 55, 63, 65. Vgl. ders.: Dogmatik II, S. 203 ff. (Erfahrung) u. 248 (Palamas). 343 Vgl. ders.: Dogmatik I, S. 63 ff. 344 Ders.: Dogmatik II, S. 195. Vgl. insgesamt ebd., S. 184 ff., 195 ff., 226, und ders.: Dogmatik III, S. 13, 27 ff., 123 ff. Zum VerhÅltnis von Personalismus und Amt vgl. auch D. Wendebourg: Rezension „D. Staniloae: Dogmatik III“, S. 396. Zur WidersprÛchlichkeit der Aussagen Staniloaes, die sich aus der unterschiedlichen Gewichtung seiner hermeneutischen ZugÅnge ergibt, vgl. u. a. ders.: Dogmatik II, S. 184–186, wo er das Amt einerseits als notwendigen Garanten fÛr die fortgesetzte Darstellung des Opfers Christi einstuft und andererseits das Wirken Christi im Sakramentsvollzug betont, „geschehe er durch wen auch immer“ (ebd., S. 186). Šhnliche WidersprÛche finden sich hinsichtlich der Bedeutung von ordiniertem Amt und allgemeinem Priestertum. 345 D. Staniloae: Dogmatik II, S. 206. Vgl. ebd., S. 206 ff. Vgl. zu den verschiedenen AnsÅtzen ostkirchlicher Ekklesiologie K. C. Felmy: Grenzen.

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„nie, auch nicht im geringsten, eingeengt“346. Doch diese ekklesiologische Selbstidentifikation mit Gottes Wahrheit, die der Identifikation von Christus und Kirche entspricht, hÅlt schon Staniloaes eigener Einsicht nicht stand, die in biblisch-hermeneutischer Ausrichtung durchaus die defizitÅre, sÛndige und zu erneuernde Kirche wahrnimmt, wie es oben nachgewiesen wurde. Auf solchen Aporien, die sich aus der ºberlagerung biblisch-heils×konomischer Hermeneutik durch die spekulative Energienlehre ergeben, beruht Staniloaes Kritik an anderen Konfessionen. Neben berechtigten Anfragen finden sich pauschale Verzeichnungen katholischer und protestantischer Standpunkte. Weil Staniloae die positiven und fortschrittlichen Charakteristika Ûberwiegend der eigenen Konfession zurechnet und anderen Konfessionen Einseitigkeiten oder Defizite unterstellt, Ûbersieht er die trinitÅtstheologischen und ekklesiologischen Gemeinsamkeiten sowie ×kumenische Fortschritte. So leitet er aus dem protestantischen Festhalten an der Schrift als Kanon ein reduziertes sola scriptura ab, das die Ablehnung von Tradition und Kirche beinhalte. Solche in der nachtridentinischen Polarisierung vorgenommenen Reduktionen entsprechen aber nicht der reformatorischen Beachtung der Interdependenz von Schrift, Tradition und Kirche. Diese Interdependenz stellt Staniloae aber selbst in Frage, wenn er der Kirche im Zusammenwirken von Schrift, Tradition und Kirche eine absolute Funktion einrÅumt.347 In Åhnlicher Weise disqualifiziert er die westliche theologia crucis mit ihrer Beachtung der Krisis – und einer entsprechenden Unterscheidung von Gott und Welt – als Mißachtung der Koinonia zwischen Gott und den Menschen. Dabei ignoriert er, wie gerade Luther gegenÛber institutionell-klerikal bedingter (katholisch) oder energetisch bedingter (orthodox) Distanz zwischen Gott und Mensch die christologisch und pneumatologisch garantierte personale Gegenwart Gottes neu zur Sprache brachte. Staniloae selbst k×nnte hier von Luther lernen, da er die Koinonia von Gott und Mensch zu optimistisch als Symphonia versteht, die auf der energetischen ErgÅnzung natÛrlicher menschlicher Voraussetzungen beruht und somit in die NÅhe evolutionistischen Fortschrittsglaubens gerÅt.348

346 D. Staniloae: Dogmatik II, S. 223 f. – GegenÛber der Annahme, „die orthodoxe Kirche [. . .habe] die lebendige Tradition der Urkirche bewahrt“ (ebd., S. 207), ist wegen der einseitigen trinitÅtstheologischen Weiterentwicklungen in den Ostkirchen nach der patristischen Zeit festzuhalten, daß auch die orthodoxen Kirchen den erneuernden RÛckgriff auf den in ost-westlicher °kumene gewachsenen altkirchlichen Rahmen n×tig haben. Diese Einsicht unterstreichen einige orthodoxe Theologen selbst, wie z. B. G. Florovsky (vgl. K. C. Felmy: Grenzen, S. 472). 347 Vgl. zu Staniloaes pauschaler Kritik ders.: Dogmatik I, S. 68 f. Zur Interdependenz von Schrift, Tradition und Kirche im Protestantismus vgl. M. Haudel: Bibel, S. 66 ff. 348 Zu Luther, der dieses mit Staniloaes Christologie zusammenhÅngende Problem (Annahme der menschlichen Natur durch den Logos) aufgrund einer betonten Logos-AnthroposChristologie nicht aufkommen ließ, siehe Kap. III,2. Zu Staniloaes Kritik und zu dessen eigenen Defiziten vgl. ders.: Dogmatik I, S. 204 u. 206, und ders.: Dogmatik II, S. 217 u. 257. Die ergÅnzungstheologischen Tendenzen Staniloaes fÛhren dazu, daß er nicht wie Luther von Got-

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Zeitgen×ssische NeubegrÛndung der TrinitÅtslehre

Aus diesem linear aufsteigenden TheosisverstÅndnis erklÅrt sich auch Staniloaes Kritik an der empfangenden und angeblich passiven protestantischen Hermeneutik. Sie basiere auf einem rein forensischen RechtfertigungsverstÅndnis und blende eine weiter bestehende Gemeinschaft mit Gott in der Kirche sowie einen entsprechenden Fortschritt im Glauben (Heiligung) aus, weshalb der Protestantismus die Bedeutung von Glaubenswerken mißachte. Letztere seien als FrÛchte der Gemeinschaft mit Christus nicht im Blick, weil diese Gemeinschaft bzw. die Einwohnung Christi im Menschen aufgrund der rein juristischen Freisprechung (Rechtfertigung) nicht gesehen werde.349

Daß Staniloae mit solchen VorwÛrfen, die er aus der Perspektive seiner trinitarisch-ekklesiologischen Defizite dem Protestantismus entgegenhÅlt, diesen nahezu in sein Gegenteil verkehrt, hat die Analyse von Luthers TrinitÅtstheologie erwiesen. Denn Luther versteht die Rechtfertigung als Teilhabe an der realen Gemeinschaft mit dem trinitarischen Gott als Seinsgemeinschaft, die nicht nur die reale Anwesenheit Christi im Glauben betont, sondern auch dem athanasianischen VerstÅndnis von Theosis als Teilhabe entspricht und den Heiligungsprozeß ebensowenig Ûbergeht wie die Glaubenswerke als FrÛchte dieser Teilhabe.350 Aber gerade diese genuin reformatorische Unterscheidung von Gesetzes- und Glaubenswerken spricht Staniloae dem Protestantismus ab und meint, diesen auf die Freiheit hinweisen zu mÛssen, die aus der Gemeinschaft mit Gott erfolgt und zu guten Werken befreit.351 Doch diese Argumentation ist gut lutherisch. Wenn Staniloae also die bestehenden Gemeinsamkeiten im VerstÅndnis der menschlichen Teilhabe am trinitarischen Gott wahrnehmen wÛrde, statt sie – wohl aufgrund mangelnder Kenntnis – gegenteilig darzustellen, kÅme die bereits erreichte ×kumenische AnnÅherung in diesen theologischen Grundfragen deutlicher zum Vorschein. Insgesamt wurde deutlich, daß die WidersprÛchlichkeit zwischen Fortschritten und Defiziten bei Staniloae an der ºberlagerung des biblisch, patristisch und heils×konomisch orientierten Ansatzes durch spÅtere Traditionen wie der spekulativen palamitischen Energienlehre liegt, was auf dem ambivalenten Umgang mit den hermeneutischen Kriterien beruht. Wenn die Schrift als Bewahrerin der authentischen Glaubenswahrheit (Kanon) innerhalb der Interdependenz von Schrift, Tradition und Kirche einseitig durch die Erfah-

tes grundloser Liebe spricht, die sich des unansehnlichen SÛnders erbarmt, sondern vom Eros, der Gott dazu bewegt, sich zum Menschen herabzuneigen (vgl. ders.: Dogmatik I, S. 252). 349 Vgl. D. Staniloae: Dogmatik II, S. 206, 254 f., 257, 268, 279 ff. 350 S. o., S. 182 ff. Vgl. P. Nørgaard-Højen: Sola fides, S. 469 ff., der die ungerechtfertigte Verzeichnung des Protestantismus durch Staniloae Åhnlich einschÅtzt. – Auch im Blick auf die Theosis k×nnte Staniloae mit dem lutherischen VerstÅndnis der Seinsgemeinschaft ein Korrektiv erhalten, das ihn vor der Gefahr einer ergÅnzungstheologischen Seinsangleichung bewahrt. 351 Vgl. D. Staniloae: Dogmatik II, S. 245, 255 ff., 260 f., 279 ff.

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rung der Kirche verdrÅngt wird, k×nnen eigene kirchliche Traditionen zum maßgeblichen Kriterium aufsteigen.

4. Die Gefahren eines defizitÅren BIBLISCH-×konomischen Ansatzes der TrinitÅtslehre Die Analyse zeitgen×ssischer Versuche einer heils×konomisch orientierten NeubegrÛndung der TrinitÅtslehre hat gezeigt, daß die heils×konomische Orientierung an der Selbsterschließung des dreieinigen Gottes der ºberlagerung durch spekulative PrÅmissen ausgesetzt ist, wenn man nicht konsequent an einer biblisch-×konomischen Ausrichtung festhÅlt. Eine defizitÅre biblisch-×konomische Hermeneutik, die sich zu wenig an den biblischen Differenzierungen hinsichtlich des Offenbarungs- und GottesverstÅndnisses orientiert, er×ffnet konfessionellen und philosophischen PrÅmissen maßgeblichen Einfluß, der zu trinitÅtstheologischen Einseitigkeiten fÛhrt. So kann eine mangelnde Bezugnahme auf das biblisch und altkirchlich bezeugte Paradoxon der intra- und interpersonalen Dimension Gottes zur Folge haben, daß die heils×konomische Erkenntnis nicht an das biblische Paradoxon gebunden wird, sondern an eine vertrautere philosophisch-anthropologische Gedankenstruktur. Das belegt das hermeneutische Gewicht der idealistisch-existentialistischen Sichtweise in Rahners TrinitÅtslehre, die den Gottesbegriff im Sinne der idealistischen Geistmetaphysik auf den intrapersonalen Aspekt reduziert. In selektiver Interpretation wird Gott sowohl ×konomisch als auch immanent als sich selbst mitteilendes absolutes Subjekt verstanden. Dadurch entsteht eine formale IdentitÅt von ×konomischer und immanenter TrinitÅt, was sich in einer einseitigen Konzentration auf die Inkarnation Åußert, welche die ×konomische TrinitÅt primÅr als zeitliche Erscheinung der immanenten TrinitÅt (Selbstmitteilung) hervortreten lÅßt. Der heilsgeschichtliche Anlaß der Menschwerdung Gottes und die theologia crucis kommen kaum noch angemessen zum Tragen. Das gilt ebenso fÛr die Ambivalenz der natÛrlichen anthropologischen Voraussetzungen der Offenbarung. Wie die Inkarnation nahezu als automatische Menschwerdung erscheint, zu der es notwendig kommt, wenn sich Gott in die Welt von Geist und Materie mitteilt, erhÅlt der christliche Glaube die QualitÅt einer quasi natÛrlichen Eigenschaft des Menschen (anonymes Christentum), deren Weiterentwicklung nur noch einer ErgÅnzung bedarf, so daß von einer ErgÅnzungstheologie gesprochen werden kann. Die zu positive EinschÅtzung der natÛrlichen Voraussetzungen (fehlende Krisis) beruht auf einer zu eigenstÅndigen Funktion der natÛrlichen Theologie und somit auf einem weiterhin defizitÅren VerhÅltnis von natÛrlicher Theologie und Offenbarungstheologie, das den klassischen Dualismus von natÛrlichen Voraussetzungen und ÛbernatÛrlicher ErgÅnzung noch nicht ganz Ûberwin-

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det und eine undifferenzierte ºbertragung anthropologischer Strukturen auf Gott zulÅßt. Weil Rahner mehr existentialistisch-×konomisch als biblisch-×konomisch argumentiert und so das intrapersonal-idealistische ExistenzverstÅndnis auf Gott ÛbertrÅgt, kommt es durch die unangemessene Identifizierung von g×ttlichen und menschlichen Existenzstrukturen zu einem einseitig intrapersonalen GottesverstÅndnis, das der westlichen Orientierung an Gottes Einheit korrespondiert. Soteriologisch erfolgt unter dem Verdikt des neuzeitlichen Individualismus und Anthropozentrismus eine Konzentration auf die individualistische Gnadenlehre, die Doxologie und Kosmologie weitgehend ausblendet. Die Koinonia zwischen Gott und Sch×pfung scheint sich auf ein abstrakt-lineares ExistenzverhÅltnis zu reduzieren. So gelangt der Versuch, die augustinisch-psychologische Traditionslinie und die scholastische Vorordnung des „De Deo uno“ durch eine heils×konomisch-trinitarische Orientierung zu Ûberwinden, noch nicht an das erhoffte Ziel. In bezug auf die Gotteslehre gelten Sohn und Heiliger Geist durch die Ausblendung des interpersonalen Aspekts trinitarischer Koinonia als intrapersonale Selbstmitteilung des Vaters. Die damit verbundene subordinatianistische Tendenz betrifft vor allem den Geist, der sich im Sinne des Filioque rein passiv konstituiert. Das liegt außerdem an der undeutlichen distinctio zwischen ×konomischer und immanenter TrinitÅt (formale Identifikation), aus der die typisch westliche Gleichsetzung von innertrinitarischer Ursprungs- und Existenzebene resultiert. Die heils×konomisch erkennbaren Beziehungen zwischen Sohn und Heiligem Geist werden in direkter und undifferenzierter ºbertragung nur als Ursprungsbeziehungen qualifiziert, was den Hervorgang des Heiligen Geistes aus Vater und Sohn (Filioque) unterstreicht. Eine dezidiert biblisch-×konomische Hermeneutik hÅtte die Differenzierungen zwischen Ursprungs- und Existenzebene sowie das entsprechende VerhÅltnis von ×konomischer und immanenter TrinitÅt erkennbar werden lassen (Hervorgang des Geistes aus dem Vater durch den Sohn, Ausgang des Geistes von Vater und Sohn). Das wÅre auch fÛr die Ekklesiologie von Bedeutung gewesen, denn die undifferenzierte IdentitÅt von ×konomischer und immanenter TrinitÅt mit ihrer ergÅnzungstheologischen und christozentrischen Zuspitzung auf die Inkarnation kann mit einer entsprechend undifferenzierten Identifikation von Christus und Kirche einhergehen: Rahner versteht die Kirche als inkarnatorisch strukturierte PrÅsenz Christi (Christus prolongatus) und damit als Ursakrament. Da hier die Unterscheidung zwischen Kirche und ihrem Haupt sowie zwischen Kirche und Sakrament ebenso zurÛcktritt wie die vergegenwÅrtigende Funktion des Heiligen Geistes, kommt es zu einer christozentrischen Ekklesiologie mit ontologischer Vorordnung der Universalkirche, wobei Kirche und Tradition die kriteriologische Funktion der Schrift als Kanon zu Ûberdecken drohen. Der Gefahr einer unangemessenen Identifikation von ekklesiologischen

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und anthropologischen Strukturen mit Gottes Seinsstruktur kann man wie JÛngel mit dem Hinweis auf die zentrale Bedeutung des Kreuzes fÛr die heils×konomische Erschließung Gottes begegnen. Die theologia crucis erinnert an die Ambivalenz der natÛrlichen Voraussetzungen (Krisis), der ein formaler ºbergang von der immanenten zur ×konomischen Selbstmitteilung ebensowenig gerecht wird wie die bloße ErgÅnzung natÛrlicher Glaubensvoraussetzungen. Denn es geht um die freie Hingabe der innertrinitarischen Liebe pro nobis, die nach JÛngel eine „distinctio rationis“ zwischen ×konomischer und immanenter TrinitÅt sowie eine kritische Hinterfragung anthropologischer Glaubensvoraussetzungen verlangt. Doch JÛngels starke heils×konomische Verankerung in der Kreuzestheologie und die geringere Beachtung anderer biblisch-×konomischer Aspekte, die den hermeneutischen Kontext des Kreuzesgeschehens bilden (Inkarnation, Pfingstereignis, triadisch formulierte ZusammenhÅnge), gewÅhren den Ûbrigen Phasen heilsgeschichtlicher Selbsterschließung sowie einigen trinitarisch relevanten Aussagen nicht immer genÛgend Geltung. Deshalb liegt das zentrale Gewicht auf dem zweiten Artikel, wÅhrend der erste Artikel mit seinen kosmologischen Perspektiven und der dritte Artikel mit der eigenstÅndigen Funktion des Heiligen Geistes sowie den entsprechenden ekklesiologischen, eschatologischen und doxologischen Implikationen weniger Beachtung finden. Das verstÅrkt die von der Betonung der Krisis hervorgerufene VernachlÅssigung der „natÛrlichen“ Gottesahnung, insofern als das eigenstÅndige Wirken des Geistes (dritter Artikel) in der Sch×pfung (erster Artikel) zurÛcktritt. Die Tendenz einer zu positiven ergÅnzungstheologischen Wertung der natÛrlichen Voraussetzungen bei Rahner kann somit von einer tendentiell zu negativen EinschÅtzung der natÛrlichen AnknÛpfungspunkte abgel×st werden, was eine ºberlagerung des heils×konomischen Ansatzes durch philosophische PrÅmissen ebenfalls nicht verhindert. Denn die EinschrÅnkung der natÛrlichen AnknÛpfungspunkte auf wenige anthropologische Grunddaten vermag diesen einen zu exklusiven hermeneutischen Rang einzurÅumen. Das Gewicht bestimmter anthropologischer Grunddaten ergibt sich zugleich aus der Fixierung auf den zweiten Artikel, die sich in der westlichen Konzentration auf die Christologie und die individualistische Gnadenlehre widerspiegelt und deshalb das GegenÛber-Sein des Menschen zu dem einen g×ttlichen Subjekt herausstellt, das gemÅß der augustinisch-psychologischen Tradition als rein intrapersonal strukturierte Einheit gilt und daher fÛr das Eindringen von Spuren idealistischer Geistmetaphysik in den Gottesbegriff anfÅllig bleibt. So kommt Gott nach JÛngel im innertrinitarischen Geistesleben in einem Anderen zu sich selbst, wobei die hegelsche Gefahr eines von der Welt abhÅngigen „Werdens“ Gottes nicht ganz ausgeschlossen zu sein scheint, wenn es etwa heißt, die Selbstunterscheidung Gottes sei letztlich nur im Blick auf die Sch×pfung sinnvoll.

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Daß auch hier die distinctio zwischen ×konomischer und immanenter TrinitÅt verschwimmen kann, liegt nicht zuletzt an der hermeneutischen PrÅferenz fÛr die Kreuzestheologie, die in ihrer Maßgeblichkeit fÛr die Gotteserkenntnis die Auseinandersetzung um Leben und Tod nicht nur im heils×konomischen „pro nobis“, sondern auch im ewigen immanenten Sein Gottes ansiedelt, wodurch sich die ×konomische TrinitÅt als Wiederholung der immanenten TrinitÅt (K. Barth) darstellt. Diese korreliert aufgrund JÛngels ºbertragung der anthropologischen Ich-Du-Beziehung auf Gottes intrapersonale Selbstentfaltung (Vater – Sohn) mit der Filioque-Tradition, da der Geist als Relation der innertrinitarischen Relationen oder als Ûberwiegend ×konomisch relevante Kraft gilt. Weil seine PersonalitÅt und Funktion als Geber zurÛcktritt, kommt er mehr im Kontext der individualistischen Gnadenlehre als Gabe zur Geltung und weniger als Geber sichtbarer ekklesiologischer Strukturen. Abgesehen von Rahners und JÛngels EntwÛrfen beinhaltet die westliche Ausrichtung an der intrapersonalen Einheit Gottes durch das ºbergewicht eines individualistischen GlaubensverstÅndnisses die Gefahr partikularistischer ekklesiologischer Tendenzen im protestantischen Bereich. Ferner kann das monarchische GefÅlle der intrapersonalen ReflexionstrinitÅt, bei der sich der Vater im Sohn und im Geist entfaltet (SendungstrinitÅt), mit einem idealistischen HerrschaftsverhÅltnis des Geistes Ûber den K×rper oder einer monarchisch-hierarchischen ekklesiologischen Struktur wie dem monarchischen Episkopat korrelieren. Letzteres betrifft besonders die katholische Amtshierarchie und fÛhrt zu einer Bindung des subordinierten passiven Geistes an das Amt. Die umfassende Koinonia zwischen Gott und Mensch, zwischen den Menschen untereinander sowie zwischen Mensch und Natur wird so der Tendenz eines linear-monarchischen ExistenzverstÅndnisses ausgesetzt, das die gezeigten Ambivalenzen bei der Zuordnung von ×konomischer und immanenter TrinitÅt begÛnstigt (×konomische TrinitÅt als Wiederholung der immanenten TrinitÅt, Identifikation oder Vermischung g×ttlicher und menschlicher Strukturen etc.). Eine differenzierte biblisch-×konomische Zuordnung, die eine angemessene distinctio ebenso berÛcksichtigt wie eine angemessene Entsprechung, erfordert auf der Basis christologisch-pneumatologischer Interdependenz die Wahrnehmung der eigenstÅndigen Funktion des Heiligen Geistes, der die Gemeinschaft zwischen Gott und Mensch in der richtigen Relation von „GegenÛber und NÅhe“ gewÅhrleistet. Denn das vermag selbst eine pneumatologische Erneuerung nicht zu garantieren, solange sie einer einseitigen Filioque-Doktrin unterworfen bleibt. Als Beleg lÅßt sich Heribert MÛhlens (r×m.-kath.) Versuch einer pneumatologischen Erneuerung des Gottes- und KirchenverstÅndnisses anfÛhren, der sich nicht von einem exklusiv verstandenen Filioque abheben kann, weil er Vater und Sohn gemÅß

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der scholastischen Tradition als das eine Prinzip des Geistes versteht. Entsprechend gilt der Geist als „Wir-Akt“ der innerg×ttlichen DualitÅt von Vater und Sohn (Ich und Du). Da dieser „Wir-Akt“, der als Wesen Gottes „eine Person in zwei Personen“ verk×rpert, als „g×ttliche SelbstÛberschreitung“ definiert wird, erhÅlt der Geist lediglich heils×konomisches Gewicht. Deshalb besteht in Gottes immanentem Wesen nur noch eine BinitÅt, die erst mit der ×konomischen Dimension als TrinitÅt in Erscheinung tritt, so daß ×konomische und immanente TrinitÅt in eine absolute IdentitÅt und gegenseitige AbhÅngigkeit Ûbergehen. Im Geist vollzieht sich die Interdependenz von innerg×ttlicher Gemeinschaft und menschlicher Freiheitsgeschichte. Diese Verquickung ist m×glich, weil der Geist weder innertrinitarisch noch heils×konomisch als GegenÛber fungiert. Wie er immanent als Wir-Prinzip charakterisiert ist, ist er ×konomisch den Menschen und der Kirche als deren Wir-Prinzip inhÅrent. Da MÛhlen die Einwohnung des Geistes mit der Inkarnation des Logos vergleicht, gelangt er von der westlichen Gefahr des Christus prolongatus zum VerstÅndnis der Kirche als Fortdauer des Geistes. So wird die ekklesiologische Identifikation mit Christus lediglich durch die Identifikation mit dem Heiligen Geist ersetzt, was nicht nur ein angemessenes VerhÅltnis von „GegenÛber und NÅhe“ Gottes verhindert, sondern auch die Unterscheidung zwischen sichtbarer und unsichtbarer Kirche. MÛhlens Versuch einer pneumatologisch begrÛndeten „personalistischen TrinitÅtslehre“, die eine personale Gemeinschaft zwischen Gott und Mensch er×ffnet, scheitert also sowohl in bezug auf die Ekklesiologie als auch hinsichtlich der Gotteslehre an den beibehaltenen westlichen Einseitigkeiten.352

Zur ºberwindung westlich geprÅgter trinitÅtstheologischer Einseitigkeiten mit ihrem Ûberwiegend intrapersonalen GottesverstÅndnis bedarf es der Wahrnehmung der interpersonalen Dimension Gottes. Das versucht Moltmann durch die Hinwendung zur ostkirchlichen Konzentration auf die – in den drei heilsgeschichtlichen Phasen artikulierte – Dreiheit Gottes und ihren gemeinschaftlich-interpersonalen Charakter. Indem so auch der biblischheilsgeschichtlich bezeugte interpersonale Aspekt der trinitarischen Gemeinschaft Beachtung findet, kommt die TrinitÅt im Unterschied zur monarchischen oder individualistischen Sicht als perichoretische Koinonia zur Geltung. Der Heilige Geist erhÅlt dadurch auch eine eigenstÅndige personale Stellung als Geber. So entsteht ein ausgewogeneres VerhÅltnis zwischen Pneumatologie und Christologie, das den Einfluß des Geistes auf den Sohn

352 Vgl. H. MÛhlen: persona; ders.: Geisterfahrung, S. 255 ff.; ders.: Art. „Pneumatologie“, Sp. 959 f. Das bei MÛhlen auftretende Problem der immanenten BinitÅt enthÛllt auch J. Moltmann: Geist, S. 27. – Im protestantischen Bereich zeigt sich dieses Problem zum Beispiel an Michael Welkers Versuch, die westliche Pneumatologie von der idealistisch-individualistischen EngfÛhrung zu befreien. Auch bei ihm bleibt der Geist im Kontext der westlichen FilioqueTradition primÅr an die SÛndenvergebung (Gnadenlehre) gebunden. Diese wird hier zwar nicht individualistisch verstanden, sondern als Ausgangspunkt der Verantwortung fÛr den NÅchsten und die Welt, aber sie belÅßt den Geist dabei in einer absolut christozentrischen Funktion: „Er ist die ×ffentliche Person, die dem Individuum Jesus Christus entspricht.“ (M. Welker: Geist, S. 289) Vgl. ebd., S. 259–313.

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berÛcksichtigt, weil mit dem perichoretischen Ansatz neben der innertrinitarischen Ursprungsebene die Existenzebene mit ihren gegenseitigen Beziehungen zwischen Sohn und Geist differenzierter wahrgenommen wird. Zugleich wehrt die perichoretische GleichursprÛnglichkeit der trinitarischen Personen patromonistischen Tendenzen. Eine entsprechend gemeinschaftliche Ekklesiologie kann auf dieser perichoretischen Grundlage, die PersonalitÅt und RelationalitÅt verbindet und unterscheidet, sowohl kollektivistische als auch individualistische Einseitigkeiten verhindern. Doch weil Moltmanns Kritik an der intrapersonalen westlichen TrinitÅtslehre durch einen selektiven heils×konomischen Ansatz in die entgegengesetzte Einseitigkeit einer rein interpersonalen Konzeption gerÅt, vermag er die TrinitÅt nicht mehr als konkreten Monotheismus darzustellen. Mit der weitgehenden Ausblendung der g×ttlichen Wesenseinheit bzw. der intrapersonal strukturierten Einheit Gottes geht die Vorstellung von drei distinkten Subjekten einher, die die Gefahr tritheistischer Tendenzen nicht ganz zu bannen vermag und Gott als das eine pers×nliche GegenÛber der Menschen undeutlich werden lÅßt. Daher tritt die vertikale Dimension hinter die linear-horizontale heilsgeschichtliche Abfolge der Reiche des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes zurÛck. Die chronologische heilsgeschichtliche Entwicklung mit ihren eschatologischen M×glichkeiten wird zum hermeneutischen Angelpunkt der Gottes- und Menschenerkenntnis, so daß die Inkarnation als Ort der endgÛltigen Offenbarung an Bedeutung verliert.353 Das begÛnstigt ein evolutionistisches VerstÅndnis von Heils- und Weltgeschichte, welches durch die Orientierung an den eschatologischen M×glichkeiten die Gefahr erh×ht, die offene Zukunft unter eigene PrÅmissen zu stellen. In selektivem Umgang mit der Schrift l×st Moltmann das biblisch bezeugte Paradoxon der intra- und interpersonalen Einheit Gottes zugunsten des exklusiv interpersonalen VerstÅndnisses auf, das seinen weltanschaulichen PrÅmissen entgegenkommt. Da er wegen Bedenken gegen „biblische“ Begrenzungen explizit nur heils×konomisch statt biblisch-×konomisch argumentiert, ×ffnet er das VerstÅndnis der Heils×konomie fÛr die

353 Ein primÅr eschatologisches VerstÅndnis der Konvergenz von ×konomischer und immanenter TrinitÅt findet sich auch bei R. W. Jenson, der die Heilsgeschichte und das g×ttliche Wesen im Kontext der unersch×pflichen Zukunft Gottes betrachtet. Weil sich Gottes Zukunft in unerwarteter Weise vollziehen kann, begegnet Jenson der begrifflichen Beschreibung Gottes mit Skepsis und bevorzugt eine narrative Logik. So gewinnt die eschatologisch-spekulative Dimension gegenÛber den historisch-revelatorischen Kriterien an hermeneutischem Gewicht. Vor diesem Hintergrund hÅlt Jenson z. B. den Begriff „Hypostase“ fÛr ungeeignet, da er zu sehr spezifische Merkmale verk×rpere. Vgl. insgesamt R. W. Jenson: Triune Identity, S. 105 ff. u. 161 ff.; ders.: Theology I, S. 42 ff. u. 207 ff., und ders.: Point, S. 31 ff. – Diese hermeneutische Orientierung findet sich grundsÅtzlich auch bei E. Maurer: Tendenzen, S. 17, der die „nicht prognostizierbare Bewegung von einer ×konomisch-trinitarisch strukturierten Begegnung mit Gott zur jeweils nÅchsten“ betont.

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ºberlagerung durch philosophische PrÅmissen, die eingÅngiger sind als die zum Teil paradox anmutenden biblischen Aussagen Ûber Gottes Wesen. So kann Moltmann im Kontext prozeßphilosophischer und materialistischer PrÅmissen sozial-interpersonale anthropologische Strukturen auf Gottes Wesen Ûbertragen und die menschliche Freiheitsgeschichte in die Geschichte der interpersonalen trinitarischen Gemeinschaft einbinden, wodurch sich das stÅndige VerhÅltnis von „GegenÛber und NÅhe“ Gottes, das nur durch die inter- und intrapersonalen Wesensmerkmale Gottes garantiert ist, stark auf die NÅhe Gottes reduziert. WÅhrend zeitgen×ssische INTRApersonale EngfÛhrungen mit ihrer existentialistischen oder idealistischen Identifikation menschlicher und g×ttlicher Strukturen wie bei Rahner zu einem linear-ergÅnzungstheologischen GottesverhÅltnis fÛhren, bei dem die anthropologischen Voraussetzungen durch die g×ttliche Gnade ergÅnzt werden, resultiert aus Moltmanns INTERpersonal bestimmten Einseitigkeiten mit ihrer Interdependenz von g×ttlichem und menschlichem Geschick eine AbhÅngigkeit Gottes von der Weltgeschichte. Denn die Heilsgeschichte gerÅt zur Selbstkonstitution und -erl×sung Gottes, was in der Sch×pfungs- und Kreuzestheologie sowie in der Eschatologie zum Ausdruck kommt. Will Gott seiner Liebe entsprechen, muß er nach Moltmann die von ihm Geliebten erschaffen, zumal er im Anderen zu seiner eigenen Vollkommenheit findet, was auch die Menschwerdung unter das Vorzeichen der Notwendigkeit stellt. Das Kreuz gilt als interpersonales innertrinitarisches Konstitutionsgeschehen, in dem sich Gott als Liebe konstituiert. Die TrinitÅt gerÅt zu einem offenen eschatologischen Prozeß, bei dem es um die Einigung und Vollendung Gottes geht, deren Ausgang von der Heils- bzw. Menschheitsgeschichte abhÅngig ist. Aus der freien heilsgeschichtlichen Liebe Gottes „pro nobis“ scheint ein von der Menschheitsgeschichte abhÅngiger Selbsterl×sungsprozeß Gottes zu werden, weil theosophisches und hegelsches Gedankengut die BIBLISCH-×konomische Erkenntnis Ûberlagern. Das intrapersonale „GegenÛber-Sein“ Gottes wird ebenso unkenntlich wie die distinctio zwischen ×konomischer und immanenter TrinitÅt und der Zusammenhang von menschlicher Schuld und g×ttlicher Gnade. Damit erscheint das Kreuz bei Moltmann – wie bei Wolfhart Pannenberg – als Zeichen der Trag×die eines defizitÅren evolutionistischen Weltexperiments. Pannenberg gelangt zu Åhnlichen Ergebnissen wie Moltmann, da auch bei ihm die Gefahr besteht, in einseitiger Konzentration auf Gottes interpersonale Dimension und seine NÅhe im linearen heilsgeschichtlichen Entwicklungsprozeß das Sein Gottes mit dem Verlauf der menschlichen Geschichte zu vermengen.354 Um dieser Verquickung von g×ttlichem Wesen und menschlicher Geschichte zu entgehen, genÛgt es nicht, wie Hans Urs von

354

Vgl. W. Pannenberg: Gott; ders.: Probleme; ders.: Theologie II, S. 15–201.

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Balthasar die heils×konomischen Ereignisse als vorweggenommenes „UrDrama“ in das immanente Wesen Gottes zu verlegen, da die kontingente menschliche SÛndengeschichte und die freie Zuwendung Gottes auch auf diese Weise nicht zur Geltung kommen.355 Nicht anders verhÅlt es sich mit den umgekehrten Versuchen Piet Schoonenbergs und Hans KÛngs, die immanente in die ×konomische TrinitÅt aufzul×sen, was bei KÛng schließlich zur Bestreitung der trinitarischen Wesensstruktur Gottes fÛhrt.356 Daß sich die totale Identifikation von ×konomischer und immanenter TrinitÅt auch auf die Ekklesiologie auswirkt, zeigt sich an Moltmanns VernachlÅssigung der intrapersonalen Einheit Gottes (als GegenÛber der Welt), die auf dieser pauschalen Identifikation beruht und die Kirche wegen der rein interpersonal-sozialen Deutung des GottesverhÅltnisses nur als Teil der allgemeinen menschlichen Vereinigung in Erscheinung treten lÅßt. Dadurch entstehen neben der Relativierung der heilsgeschichtlichen Rolle der Kirche zu direkte gesellschaftliche und ethische Analogien, die den Unterschied zwischen Kirche und Welt nivellieren und die Gefahr einer gegenseitigen Legitimation von Gottes-, Welt- und KirchenverstÅndnis beinhalten. Auch hinsichtlich der Kirchenstruktur dominiert der interpersonale Aspekt, insofern als die „versammelte Gemeinde“ klare PrioritÅt gegenÛber dem Amt erhÅlt, das als Zeichen fÛr Gottes intrapersonal begrÛndetes „GegenÛberSein“ zurÛcktritt. Nicht weniger problematisch als die totale Identifikation von ×konomischer und immanenter TrinitÅt ist das umgekehrte Extrem der hermeneutischen Trennung von ×konomischen und immanenten Aussagem×glichkeiten, das in der ostkirchlichen Theologie aus der spekulativen Energienlehre resultiert, indem die palamitische Energienlehre von Gottes energetischer Gegenwart in der Heils×konomie nur spekulative RÛckschlÛsse auf sein hypostatisches Sein zulÅßt. GegenÛber dieser ostkirchlichen Tradition erinnert Staniloae in den ZusammenhÅngen, in denen er auf das biblisch-heils×konomische Zeugnis zurÛckgreift, inhaltlich an die ×konomische Energienlehre der KirchenvÅter, die einen RÛckschluß von den heils×konomisch erkennbaren g×ttlichen Energien auf die hypostatische Gegenwart der trinitarischen Personen beinhaltet, so daß Gnade personal begegnet und nicht als gewirkter Habitus (geschaffene Gnade) oder intermediÅre RealitÅt (Energie).357 Die Zusammenschau von energetischer und hypostatischer Erkenntnis berÛcksichtigt die hinter den Energien verborgene Transzendenz ebenso wie das hypostatische Offenbarwerden Gottes. Mit der Verbindung

355

Siehe Anm. 232, IV. Kap. Vgl. P. Schoonenberg: Diskussion, S. 155 ff., und W. Schachten: VerhÅltnis, S. 21 ff. 357 Zur Unterscheidung von spekulativer und ×konomischer Energienlehre, die vom Verfasser eingefÛhrt wurde, s. o., S. 129, und siehe Kap. VI, 1.2. 356

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von apophatischer und kataphatischer Hermeneutik sowie mit deren Verankerung in der Selbsterschließung Gottes wendet sich Staniloae sowohl gegen eine einseitig rationale Theologie westlicher PrÅgung mit ihrer Ausblendung der apophatischen Dimension als auch gegen eine einseitig apophatische Theologie ×stlicher PrÅgung mit ihrem Postulat der UnzugÅnglichkeit Gottes. Nur eine kataphatisch und apophatisch bestimmte empfangende Hermeneutik, welche die vestigia trinitatis ebenso ernst nimmt wie deren Transzendenz, vermag sich Gott als personalem und offenbarem Geheimnis zu ×ffnen, indem sie auf der Grundlage menschlicher Gottesahnung und ihrer offenbarungsrelevanten AnknÛpfungspunkte die Gemeinschaft des sich erschließenden Gottes sucht (Koinonia-Erkenntnis). In dieser Gemeinschaft erweist sich Gott gegenÛber patromonistischen Tendenzen als intra- und interpersonal charakterisierte perichoretische Koinonia, die auf der Interdependenz von innertrinitarischer Ursprungs- und Existenzebene basiert und das Urbild kirchlicher Gemeinschaft verk×rpert. Deshalb ergÅnzt Staniloae einseitig soziale Analogien rein interpersonaler AnsÅtze (Moltmann) durch den intrapersonal begrÛndeten individuell-spirituellen Aspekt. Ekklesiologisch entspreche der trinitarischen Koinonia die konziliare und ×kumenisch offene Gemeinschaft des allgemeinen Priestertums, die sich selbstkritisch und reformierbar an dem personal-hypostatischen GegenÛber von Sohn und Heiligem Geist auszurichten hat. Das intra- und interpersonal strukturierte Wesen Gottes garantiert dessen „GegenÛber und NÅhe“, so daß in der Gemeinschaft von Gott und Mensch, die eine physische Theosisspekulation ausschließt, weder Gott von den Menschen abhÅngig ist (gegen Moltmann) noch der Mensch als determiniert zu gelten hat. Letzteres stehe der doppelten PrÅdestination ebenso entgegen wie einem Ûberzogenen Anti-Synergismus, der den angemessenen Zusammenhang von Glauben und Werken verzeichnet. Staniloaes fortschrittliche Differenzierungen werden jedoch aufgrund seines ambivalenten Umgangs mit den hermeneutischen Kriterien immer wieder von traditionellen spekulativen AnsÅtzen und deren Einseitigkeiten Ûberlagert. Weil die Schrift vielfach von der kirchlichen Erfahrung als Glaubenskriterium abgel×st wird und so eigene kirchliche Traditionen kriteriologische Funktion erhalten, verdrÅngen spÅtere Traditionen die biblisch×konomischen Erkenntnisse schriftgemÅßer patristischer EntwÛrfe des 4. Jahrhunderts. Vor diesem Hintergrund kommt erneut die palamitisch orientierte spekulative Energienlehre mit ihrer Unterscheidung von einheitlichem energetischen Wirken des trinitarischen Gottes ad extra (De Deo uno) und trinitarischer Sonderinformation (De Deo trino) zum Vorschein. Deshalb gelten die heils×konomisch erkennbaren ZusammenhÅnge zwischen Sohn und Heiligem Geist nicht mehr als Hinweis auf eine entsprechende Verbindung auf der innertrinitarischen Existenzebene, wodurch sich die einseitige PrÅferenz fÛr die Ursprungsbeziehungen mit ihrem patromonisti-

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Zeitgen×ssische NeubegrÛndung der TrinitÅtslehre

schen GefÅlle und ihrer VernachlÅssigung der innertrinitarischen Einheit wieder durchsetzt. Das bedeutet nicht nur den RÛckfall in die photinianische Position, der Heilige Geist gehe vom Vater allein (mo´nou) aus, sondern auch die erneute Reduktion auf einen rein interpersonalen TrinitÅtsbegriff, der eine undifferenzierte Identifizierung mit den interpersonalen anthropologischen Strukturen (Personalismus, Dialog-Prinzip) nach sich zieht. Diese Symphonie von g×ttlichen und menschlichen Seinsstrukturen spiegelt sich in der Logos-Sarx-Christologie wider, die nur von der energetischen ErgÅnzung der menschlichen Natur durch den Logos ausgeht und ergÅnzungstheologisch eine stufenweise geistige Erhebung dieser Natur zu g×ttlichen Seinsstrukturen propagiert, was wieder einem evolutionistisch-physischen TheosisverstÅndnis entspricht. So tritt an die Stelle der theologia crucis eine symphonisch und synergistisch strukturierte Werkgerechtigkeit, die die kosmische Erl×sung an die menschliche AufwÅrtsbewegung als einer pan-personalistischen Vergeistigung bzw. Verg×ttlichung des Kosmos bindet, in welchem der Unterschied zwischen menschlichem und g×ttlichem Sein verschwimmt. Der Mensch erscheint in Anlehnung an den platonischen Leib-Seele-Dualismus als ewiges Geistwesen, wodurch er noch stÅrker als bei Rahner die Voraussetzungen fÛr eine bruchlose ergÅnzungstheologische AnknÛpfung bietet, die dann nicht mehr auf menschliche Umkehr oder g×ttliche Selbsthingabe pro nobis angewiesen zu sein scheint. Aus solchen offenbarungstheologischen, trinitarischen und christologischen Defiziten ergeben sich aber nicht nur anthropologische und soteriologische Defizite, sondern auch ekklesiologische Gefahren. Da der Logos laut Staniloae die „verg×ttlichte“ menschliche Natur Ûbernimmt, wird die menschliche Seite Christi bzw. die Kirche als sein Leib zum Ausgangsort des Heiligen Geistes, der damit den Menschen und der Kirche inhÅrent ist. Das bedeutet die Identifizierung von Christus, Kirche und Geistwirken. Statt des Logos oder des Heiligen Geistes (Geber) wird die Kirche zum GegenÛber der Glaubenden und zur Fortsetzung der Offenbarung (Christus prolongatus), so daß sich ihre eigene Erfahrung bzw. Tradition zum Wahrheitskriterium erhebt. Als sichtbares Zeichen dieses Kriteriums fungiert jetzt im Unterschied zum allgemeinen Priestertum das priesterliche und episkopale Amt, an das der Geist als Gabe gebunden wird. Eine derartige ekklesiologische EngfÛhrung, die auf Staniloaes defizitÅrem biblisch-×konomischen Ansatz der TrinitÅtslehre beruht, hat schließlich die anti×kumenische Verabsolutierung der eigenen sichtbaren kirchlichen Tradition zur Folge. Nachdem deutlich geworden ist, welche Gefahren sich aus einem defizitÅren BIBLISCH-×konomischen Ansatz weiterhin in ost- und westkirchlicher Theologie fÛr das Offenbarungs- und GottesverstÅndnis sowie fÛr das VerhÅltnis von Gott und Welt (bzw. Mensch) oder Gott und Kirche ergeben, soll unter BerÛcksichtigung offenbarungstheologischer Defizite die bereits

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angedeutete Interdependenz von trinitÅtstheologischen und ekklesiologischen Defiziten detailliert aufgezeigt werden, und zwar an drei konfessionellen Beispielen, bei denen diese Interdependenz aufgrund expliziter trinitarischer BegrÛndung der Ekklesiologie prÅgnant und reprÅsentativ in Erscheinung tritt.

V. Kapitel: Die ekklesiologischen Konsequenzen der trinitÅtstheologischen Defizite 1. Die Gefahr einer INTRApersonal-relational geprÅgten christozentrischen Ekklesiologie (J. Ratzinger/r×misch-katholisch) Der theologische Ansatz Joseph Ratzingers eignet sich in mehrfacher Hinsicht, r×misch-katholische Merkmale der Interdependenz trinitÅtstheologischer und ekklesiologischer Defizite herauszuarbeiten. So konzentriert sich Ratzinger auf eine Theologie der Kirche, die trinitarisch konzipiert ist: „Die Kirche lebt vom trinitarischen Geheimnis her“1, denn „trinitarisch glauben heißt: communio werden“2. Deshalb kommt Ratzinger zu dem Schluß: „TrinitÅtstheologie wird direkt zum Maß der Ekklesiologie“3. Mit einer trinitarisch begrÛndeten Communio-Ekklesiologie versucht Ratzinger den westlichen Unitarismus, partikularistisch-individualistische Str×mungen und juridisch-institutionelle oder ontologisch-mystische Einseitigkeiten zu Ûberwinden. Sein Entwurf weist jedoch weiterhin eine – große Teile der katholischen Tradition kennzeichnende – westlich-augustinische EngfÛhrung auf. WÅhrend bei Rahner noch Spuren westlicher trinitÅtstheologischer Defizite und ihrer ekklesiologischen Konsequenzen erkennbar waren, treten diese Defizite in Ratzingers Entwurf deutlicher hervor. Sie zeigen, wo seine Communio-Ekklesiologie nach wie vor trinitÅtstheologische und entsprechende ekklesiologische Defizite aufweist. Außerdem lÅßt sich bei Ratzinger beobachten, wie ekklesiologische PrÅmissen auf den trinitÅtstheologischen Ansatz zurÛckwirken, so daß von einer wirklichen Interdependenz zwischen trinitÅtstheologischen und ekklesiologischen Defiziten gesprochen werden kann. Daß es sich ferner um eine reprÅsentative r×misch-katholische Konzeption handelt, ergibt sich nicht zuletzt aus dem Einfluß Ratzingers, der ihm als PrÅfekt der „Kongregation fÛr die Glaubenslehre“ zukam und als Papst Benedikt XVI. zukommt (die Papstwahl fand wÅhrend der Drucklegung statt).

J. Ratzinger: Volk Gottes, S. 283. Ders.: Prinzipienlehre, S. 23. Ratzinger hat zwar nur knappe „Betrachtungen Ûber den Dreieinigen Gott“ angestellt (vgl. J. Ratzinger: Gott), aber er argumentiert an den SchlÛsselstellen seiner Theologie trinitarisch, so daß sein theologisches Denken auf folgender Grundlage steht: „Alles Entscheidende in seiner Ekklesiologie (und Theologie Ûberhaupt) wurzelt in der TrinitÅtslehre.“ (M. Volf: TrinitÅt, S. 63) Zur ekklesiologischen und trinitarischen Ausrichtung der Theologie Ratzingers vgl. ebd., S. 26 ff.; G. Nachtwei: Unsterblichkeit, S. 181 ff., und P. Eyt: ºberlegungen, S. 40 f. 3 J. Ratzinger: Geist, S. 233. 1 2

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1.1 TrinitÅtstheologische PrÅmissen Erleichtert wird die Analyse von Ratzingers Ansatz durch den Umstand, daß sich sein Denken Ûber den Zeitraum seines theologischen Wirkens hinweg als relativ konsistent erweist, da die These von einer grundsÅtzlichen theologischen Wende nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil keinen Anhalt an der Charakteristik der Theologie Ratzingers findet. Doch ebensowenig ist umgekehrt Michael Fahey und Miroslav Volf zuzustimmen, wenn sie davon ausgehen, daß sich keine bedeutsame Šnderung in Ratzingers Theologie vollzogen habe, sondern lediglich in Ratzingers Funktion und Einstellung.4 Denn in der Zeit vor und kurz nach dem Konzil lassen sich hinsichtlich der hermeneutischen Kriterien und der Pneumatologie noch Einstellungen erkennen, die spÅter Ûberdeckt werden und sich entsprechend anders darstellen. Beim frÛhen Ratzinger kommt sowohl die traditionskritische Funktion der Schrift als auch die kirchenkritische Funktion des Heiligen Geistes noch zur Geltung. So hebt er in seinem Kommentar zur Offenbarungskonstitution „Dei Verbum“ den Vorrang der zuerst aus sich selbst zu sehenden Schrift sowie deren Funktion als Maßstab der Tradition hervor und bedauert, daß sich das Konzil nicht positiv zur Notwendigkeit einer darauf beruhenden Traditionskritik geÅußert hat.5 Šhnlich betont der frÛhe Ratzinger in Ausrichtung an der heils×konomischen Erkenntnis die kirchenkritische Funktion des Heiligen Geistes. Er deklariert den „Leib Christi“ als pneumatologischen Begriff, weil der Geist Christus vergegenwÅrtige und das Fundament des institutionellen Aspekts der Kirche bilde. Durch Offenheit, Weite und Freiheit begrenze der Geist den Anspruch der Institution und erm×gliche neben dem Amt das Charisma.6 Doch diese Auffassungen verschoben sich, als Ratzinger spÅter im konstitutiven Zusammenhang von Schrift, Tradition und Kirche nicht mehr die Schrift als den Ausgangspunkt sah, der vor der Entfaltung der ºberlieferung zuerst aus sich selbst gesehen werden muß, sondern der Kirche als TrÅgerin von Tradition und ºberlieferung hermeneutische PrioritÅt gewÅhrte. Ratzinger stellt das VerhÅltnis von Schrift, Tradition und Kirche

4 Vgl. M. Volf: TrinitÅt, S. 28, Anm. 14, und M. Fahey: Joseph Ratzinger, S. 79. Zur konsistenten „Grundorientierung“ der Theologie Ratzingers vgl. P. Eyt: ºberlegungen, S. 40. Zur Gesamtkonzeption Ratzingers vgl. auch die Untersuchungen von G. Nachtwei: Unsterblichkeit, und A. Nichols: Theology. 5 Vgl. J. Ratzinger: Dogmatische Konstitution, S. 519 f. u. 524 f. Vgl. ebd., S. 577: „Das bedeutet, daß die Bibel in Zukunft zuerst aus sich selbst gesehen, bedacht und befragt werden muß und dann erst die Entfaltung der ºberlieferung [. . .] einsetzen kann.“ 6 Vgl. ders.: Volk Gottes, S. 245; ders.: Art. „Kirche III“, Sp. 177; ders.: EinfÛhrung, S. 277. Zur expliziten Beachtung des heils×konomischen Ansatzes beim frÛhen Ratzinger vgl. ebd., S. 125 f.

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jetzt als die Entwicklung zu einem „Mehr“ dar. In seiner BekÅmpfung der Gefahr des einseitigen sola scriptura gelangt er zur Gefahr eines einseitigen sola ecclesia. Dabei identifiziert er die ecclesia mit der r×mischen Hierarchie, was zum Beispiel daran ersichtlich ist, daß er die petrinische Vollmacht als konstitutives Element des Prozesses der Entstehung der Schrift postuliert.7 Entsprechend stellt das r×mische Lehramt als Auslegungsgarant der Kirche den absoluten Maßstab der Schrift dar, dem auch der Heilige Geist eingeordnet wird, wenn er als primÅr an das Amt gebunden gilt, welches wiederum das als GeisttrÅger existierende Subjekt „Kirche“ reprÅsentiert.8 Auf diese Weise k×nnen Amt und Kirche nicht nur die traditionskritische Funktion der Schrift Ûberdecken, sondern auch die kirchenkritische Funktion des Heiligen Geistes, der jetzt der Kirche inhÅrent zu sein scheint. Die Ursache fÛr diese Entwicklung liegt in der ºberlagerung der biblisch und heils×konomisch ausgerichteten Hermeneutik durch die Tradition spekulativ-westlicher trinitÅtstheologischer Hermeneutik, die sich in Tendenzen negativer Theologie und damit korrelierenden PrÅmissen idealistischer Philosophie widerspiegelt.9 Diese hermeneutische Verschiebung, die in der weiteren Analyse belegt wird, wirkt sich nÅmlich sowohl auf die TrinitÅtslehre und ihre ekklesiologischen Implikationen als auch auf die Zuordnung von Schrift, Tradition und Kirche aus. Es wird sich erweisen, daß diese Grundtendenz Ratzingers Anliegen beeintrÅchtigt, mit einem trinitarischen Communio-VerstÅndnis westlichen Unitarismus einerseits und partikularistisch-individualistische Str×mungen andererseits zu Ûberwinden, insofern als die AusfÛhrung seines Anliegens von den genannten PrÅmissen Ûberlagert wird. WÅhrend Ratzinger zunÅchst noch betonte, daß sich die TrinitÅtslehre

7 Zur historischen Unangemessenheit dieses Postulats vgl. die AusfÛhrungen zum Kanonisierungsprozeß bei M. Haudel: Bibel, S. 59 ff. Zur Interdependenz von Schrift, Tradition und Kirche vgl. ebd., S. 66–401, und zu den genannten Tendenzen Ratzingers vgl. J. Ratzinger: Gemeinschaft, S. 66 f.; ders.: Glaubensvermittlung, S. 30; ders.: Theologie, S. 517 ff.; ders.: Versuch, S. 43; ders.: Schriftauslegung, S. 15 ff. Vgl. ferner M. Volf: TrinitÅt, S. 47 f., und P. Eyt: ºberlegungen, S. 41: „Die Sicht Ratzingers beruht auf der Annahme einer PrioritÅt der Kirche vor der Heiligen Schrift.“ 8 Vgl. J. Ratzinger: Theologie, S. 527 ff.; ders.: Prinzipienlehre, S. 276 ff.; ders.: Kirche, S. 37 ff. Vgl. ferner M. Volf: TrinitÅt, S. 205 u. 230, und M. Fahey: Joseph Ratzinger, S. 83. 9 Daß M. Volf ebenfalls einige Unterschiede in der Entwicklung vom frÛhen zum spÅteren Ratzinger registriert (vgl. M. Volf: TrinitÅt, S. 47), diesen aber keine weitergehende Relevanz beimißt (vgl. ebd., S. 28, Anm. 14), liegt darin begrÛndet, daß er die Verschiebung der hermeneutischen Orientierung Ratzingers nicht wahrnimmt. – Vgl. allgemein zu den idealistischen Tendenzen in Ratzingers Theologie R. A. Krieg: Kardinal Ratzinger, und W. Kasper: Wesen. Zur augustinisch-westlichen Grundorientierung Ratzingers vgl. G. Nachtwei: Unsterblichkeit, S. 79 ff. u. 186 ff.; P. Eyt: ºberlegungen, S. 40, und Ratzingers Dissertation Ûber Augustins Ekklesiologie (J. Ratzinger: Volk). Zu Ratzingers AnklÅngen an eine negative Theologie vgl. ders.: EinfÛhrung, S. 133 ff. u. 142, und G. Greshake: Gott, S. 56 f.

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„aus dem MÛhen um eine Verarbeitung geschichtlicher Erfahrungen“10 ergebe, scheinen solche AnklÅnge heils×konomischer Hermeneutik spÅter dem Einfluß idealistischer anthropologischer PrÅmissen zu weichen, was der Konzentration auf die Tradition westlich-augustinischer TrinitÅtsspekulation korrespondiert. So macht sich ein wachsendes Mißtrauen gegenÛber historischer Erfahrung bemerkbar, welches mit der platonisch-idealistischen Auffassung von der logisch-geistigen Struktur des Seins und vom Primat des Logos Ûber die bloße Materie einhergeht.11 In Anlehnung an die idealistische PhÅnomenologie Max Schelers (1875–1922) gilt historische Forschung mehr dem PhÅnomenalen oder Akzidentiellen und weniger dem Substantiellen, so daß der historische Jesus als einmalige Erscheinung kaum von Belang ist, sondern Jesus neben seiner christologisch begrÛndeten Funktion als exemplarischer Mensch einfach als Vorbild oder Ideal-Typ gelten kann, worin sich Schelers Vorstellung von Personen als idealen Vorbildern widerspiegelt. Dadurch entsteht die Gefahr einer Identifizierung von Christus und christlichem Glauben bzw. Christen, bei der Jesus als außergew×hnlicher Mensch erscheint und die Christen als Verk×rperung der universalen Werte des exemplarischen Menschen „Attribut Gottes“ bzw. g×ttlich werden k×nnen. Man darf Ratzinger dabei allerdings nicht wie Robert A. Krieg unterstellen, sein methodologischer Ausgangspunkt liege in einer idealistischen PhÅnomenologie der Liebe. Denn Ratzinger setzt bei dem – westlich geprÅgten – trinitarischen Personbegriff (relatio) und bei der Christologie ein, insofern als die Menschen in Christus als dem paradigmatischen Menschen sterben und neue Subjekte werden mÛssen. Als solche gehen sie jedoch relational bzw. liebend im christologischen Subjekt auf.12 Den theologischen und philosophischen Voraussetzungen entsprechend kommt es zur Identifizierung von Glaube und Liebe („Liebe ist Glaube“) und zur Rede vom „Prinzip Liebe“, mit der Ratzinger die Differenz von Glaube und Liebe sowie die konsequente Ableitung der Liebe aus einem heils×konomisch begrÛndeten Gottesbegriff aufzugeben scheint und sich Gedanken Feuerbachs und Hegels annÅhert.13 So kann Ratzinger statt von der – heils×konomisch vermit-

J. Ratzinger: EinfÛhrung, S. 125 f. Vgl. ders.: Theologie, S. 521 ff., und ders.: EinfÛhrung, S. 35 u. 115 f. Vgl. ferner W. Kasper: Wesen, Sp. 184 ff., und R. A. Krieg: Kardinal Ratzinger, S. 118 ff. 12 Vgl. J. Ratzinger: EinfÛhrung, S. 153 ff. Zum hermeneutischen und ekklesiologischen Gewicht der Christologie vgl. auch ders.: Christus, und ders.: Identifikation. Vgl. ferner die Åhnlich gelagerte Kritik an R. A. Kriegs Analyse durch G. Nachtwei: Unsterblichkeit, S. 46 u. 262 f., und M. Volf: TrinitÅt, S. 64 ff. 13 „Das hÅtten Hegel und Feuerbach ebenso sagen k×nnen.“ (W. Kasper: Wesen, Sp. 185) Vgl. insgesamt J. Ratzinger: EinfÛhrung, S. 153 ff., 167, 189 f., 205 f., 221; ders.: Dogma, S. 139, 220 ff., und ders.: Gott, S. 55: „Wir werden Gott in der Teilhabe an der GebÅrde des Sohnes.“ 10 11

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telten – Gemeinschaft zwischen Gott und Mensch vom „Eingeholtwerden der eigenen RelativitÅt in die Absolutheit der g×ttlichen Liebe“14 sprechen. Ratzingers PersonverstÅndnis ist unÛbersehbar von Hegels VerstÅndnis des Seins beeinflußt, denn nach Ratzinger „muß die Wende vom Ich zum Nicht-mehr-Ich vollzogen sein“, „um sich dann in einem gr×ßeren Ich [. . .] neu zu empfangen“15. Das hat fÛr Ratzinger im RÛckgriff auf die SchelerSchÛlerin Hedwig Conrad-Martius ein rein relationales PersonverstÅndnis zur Folge, da sowohl g×ttliches als auch menschliches Sein „im ‚Sein von her und auf jemand zu‘“ aufgehen, so daß es sich nicht um „die Substanz des abgeschlossenen Ich“ handelt, sondern um „die reine RelativitÅt auf den anderen hin“, in der man „wahrhaft zu sich selber kommt“16. Von diesen philosophisch-theologischen PrÅmissen ausgehend findet Ratzinger zu der Beurteilung, „was von der Schrift her Person heißen muß: nicht eine sich abschließende Substanz, sondern das PhÅnomen der totalen RelativitÅt“17. Im Kontext seiner – nicht explizit benannten – philosophischen PrÅmissen, die seine Orientierung an der relationalen TrinitÅtslehre augustinisch-westlicher PrÅgung unterstreichen, legt Ratzinger nicht nur die Schrift selektiv aus, sondern auch die KirchenvÅter. In Tertullians Personbegriff erkennt er zwar noch die Dimension Gottes als eines „dialogischen Wesens“, was eigentlich auch die interpersonale Dimension und einen gewissen Selbstand impliziert. Aber als sinnvolle Weiterentwicklung dieser frÛhen Stufe des Personbegriffs interpretiert er Augustins Vorstellung von der „relatio“ als „reine Aktwirklichkeit“, womit er Augustin nicht gerecht wird, was sich im folgenden noch herausstellt. Indem Ratzinger die Person allein als den Akt ihrer Handlung qualifiziert (z. B. Hingabe), reduziert er Personsein auf den „Akt der RelativitÅt“: „Person in Gott ist die reine RelativitÅt“18. Ratzinger Ûbergeht also nicht nur die Ûber das paradigmatische Menschensein hinausgehende eigenstÅndige Bedeutung der Person Jesu Christi, sondern auch die in der Schrift, bei Tertullian und anderen Kirchen-

Vgl. zur Analyse auch R. A. Krieg: Kardinal Ratzinger, S. 107 ff., und W. Kasper: Wesen, Sp. 185 f. 14 J. Ratzinger: Dogma, S. 221. Die hier auftretenden Probleme einer zu direkten Identifizierung g×ttlicher und menschlicher Strukturen werden im folgenden noch detaillierter er×rtert. 15 Ders.: Theologie, S. 519 u. 523. Vgl. dazu auch Ratzingers AusfÛhrungen „Zum PersonverstÅndnis in der Theologie“ in ders.: Dogma, S. 205–223, und ders.: EinfÛhrung, S. 150, wo Ratzinger festhÅlt, daß das Sein „nur zu sich selbst kommt, indem es von sich selbst weggeht und als Beziehentlichkeit in seine wahre UrsprÛnglichkeit zurÛckfindet“. Zu den entsprechenden dialektischen Gedanken Hegels s. o., S. 199 ff. 16 J. Ratzinger: Dogma, S. 212 f. Zu Ratzingers RÛckgriff auf Hedwig Conrad-Martius vgl. R. A. Krieg: Kardinal Ratzinger, S. 109. Vgl. zur Bedeutung von „Relation und Geistigkeit“ fÛr Ratzingers Personbegriff G. Nachtwei: Unsterblichkeit, S. 27 ff. 17 J. Ratzinger: Dogma, S. 213 (erste Hervorhebung v. Vf.). 18 Ebd., S. 211. Vgl. insgesamt ebd., S. 206 ff.

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vÅtern vorhandenen Hinweise auf die Dimension des Selbstandes der trinitarischen Personen, die das Aufgehen der totalen RelationalitÅt in eine letztlich doch wieder monistische Einheit verhindert. In selektiver Exegese belegt Ratzinger das Anliegen seines westlich-trinitÅtstheologischen und idealistischen Ansatzes, nach welchem die Dreiheit in „der umgreifenden Dominanz der Einheit“ aufgeht, die als „Grund des Wirklichen“ lehrt, „wie recht verstandene TrinitÅtslehre zum Konstruktionspunkt der Theologie“19 wird. Recht verstandene TrinitÅtslehre hat zwar nach Ratzinger unter dem Hinweis auf die „Wir-RealitÅt Gottes“ der westlichen Gefahr des Unitarismus zu wehren, die in der Rede von Gott als „una persona“ (Thomas von Aquin) zum Ausdruck kommt, sie steht aber auch bei Ratzinger unter dem einseitigen Primat absoluter Einheit, das durch totale RelationalitÅt bedingt ist: „Das Wesen der trinitarischen PersonalitÅt ist es, reine Relation und so absoluteste Einheit zu sein.“20 Weil jede trinitarische Person „reine Relation“ ist, „nichts Eigenes“ verk×rpert und nur aus dem „Akt“ der „Beziehentlichkeit“ und der entsprechenden Handlungen besteht, wird immanenten und ×konomischen AktivitÅten der trinitarischen Personen (z. B. des Sich-EntÅußerns) das dahinterstehende Subjekt entzogen und der TÅter wie bei Nietzsche durch die TÅtigkeit ersetzt. Es geht nur noch um den Akt und nicht mehr um den Inhalt. Auf diese Weise gehen die trinitarischen Personen v×llig in ihrer RelativitÅt und AktivitÅt auf, so daß sie ohne die Dimension irgendeines Selbstandes letztlich in „reiner Einheit“ und damit in der g×ttlichen Substanz „zusammenfallen“. Deshalb gilt Gott als „dreifaltigeins“. Vor diesem Hintergrund wird verstÅndlich, warum Ratzinger von der „umgreifenden Dominanz der Einheit“ spricht und die Einheit auf der Substanzebene ansiedelt, wÅhrend er die Dreiheit der Ebene des „Relativen“ zuordnet.21 Dabei kommt nicht mehr zur Geltung, daß neben der Dimension der Relation die Dimension der Ursprungsbeziehung konstitutiv bleibt, insofern als „nur die schon konstituierten Personen [. . .] sich aufeinander beziehen

19 Ders.: EinfÛhrung, S. 148 u. 141 (Hervorhebung v. Vf.). Vgl. zu Ratzingers zielgerichteter Exegese R. A. Krieg: Kardinal Ratzinger, S. 111, der Ratzinger vorwirft, daß er „selektiv vorgeht“: „Ratzinger scheint eine vorgefaßte Meinung vom Begriff der Person und von Jesus als der vollkommenen Person zu haben. Bibelstellen und exegetische Studien scheinen herangezogen zu werden, wenn sie dieser vorgÅngigen Konzeption entsprechen.“ – Zu dem Umstand, daß im Unterschied zu Ratzingers Wahrnehmung bei Tertullian die Dimensionen von Relation und Selbstand zur Geltung kommen, s. o., S. 104 ff. 20 J. Ratzinger: EinfÛhrung, S. 147 (Hervorhebung v. Vf.). Zu Ratzingers Kritik am Unitarismus und dessen individualistischen Konsequenzen vgl. ders.: Dogma, S. 223. 21 Vgl. ders.: EinfÛhrung, S. 141–150, und ders.: Gott, S. 23. Zur Analyse vgl. auch M. Volf: TrinitÅt, S. 63 ff. Daß Ratzinger laut eigener Aussage die Einheit als „Leitmotiv des Ganzen“ versteht, betont auch G. Greshake: Gott, S. 492 f.

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und ineinander existieren“22 (M. Volf) k×nnen. Die in diesem Zitat zugrundegelegte terminologische Anlehnung Miroslav Volfs an JÛrgen Moltmanns Rede von der „Konstitutionsebene“ – als Pendant zur „Relationsebene“ – bleibt ungenau, weil sich die konstitutiven Ursprungsbeziehungen ebenfalls im VerhÅltnis (Relation) der trinitarischen Personen untereinander darstellen – wie Wolfhart Pannenberg in Ablehnung dieser Unterscheidung berechtigt anmerkt – und weil auch die anderen trinitarischen Relationen auf ihre Weise konstitutiv sind. Dennoch kann mit der vom Verfasser eingefÛhrten terminologischen Unterscheidung von Ursprungs- und Existenzbeziehungen im Unterschied zu Pannenberg verdeutlicht werden, daß es einer klaren Unterscheidung der in den Ursprungsbeziehungen bestehenden personalen EigentÛmlichkeiten (z. B. Hervorgebrachtheit des Geistes) von den ewigen Existenzbeziehungen (z. B. Ruhen des Geistes im Sohn) bedarf, um diese Ebenen nicht gleichzusetzen. Denn das hat sich bereits beim Filioque-Problem als verhÅngnisvoll erwiesen, wo in der westlichen TrinitÅtslehre die biblisch-×konomisch erkennbaren Existenzbeziehungen zwischen Geist und Sohn die gleiche QualitÅt wie die Ursprungsbeziehungen erhielten und damit ein einseitiges – auf den ursprÛnglichen Hervorgang bezogenes – Filioque-VerstÅndnis nahelegten (zwei Prinzipien). Die notwendige Unterscheidung zwischen beiden Ebenen steht Ratzingers Einebnung in undifferenzierte RelationalitÅt entgegen, zumal auch die Ursprungsbeziehungen aus biblisch-×konomischer Perspektive neben der intrapersonalen Dimension die Dimension gegenseitiger interpersonaler Bezogenheit verk×rpern. Somit weisen sie auf einen gewissen Selbstand (Selbstand in Relation) der trinitarischen Personen hin, der durch die spezifischen UrsprungsverhÅltnisse gekennzeichnet ist.23 Auf diese Dimension des VerhÅltnisses von Selbstand und Relation deutet der Unterschied zwischen Ursprungs- und Existenzebene insofern hin, als er zeigt, wie die in den Ursprungsbeziehungen gekennzeichneten trinitarischen Personen sich auch darÛber hinaus in ewigen Existenzbeziehungen zueinander verhalten. Eine einfache Gleichsetzung von Ursprungsbeziehung und Selbstand verbietet sich also ebenso wie eine Leugnung der Dimension des Selbstandes. Indem Ratzinger aber die Prozessionen (Ursprungsebene) in reine Relationen aufl×st und die Differenzierung zwischen Ursprungs- und Existenzebene einebnet, erh×ht er die Gefahr, die g×tt-

M. Volf: TrinitÅt, S. 204 f. Zu den entsprechenden Einsichten in der Alten Kirche s. o., S. 104 ff. u. 131 ff. Zur westlichen Gleichsetzung von Existenz- und Ursprungsebene im Filioque-Streit s. o., S. 157 f. u. 163, und zur Auseinandersetzung mit Moltmann und Pannenberg siehe Anm. 212, II. Kap. – Die vom Verfasser prÅzisierte Unterscheidung (s. o., S. 135) wehrt auch der einseitig interpersonalen Sicht Pannenbergs, der von eigenstÅndigen interaktiven Aktzentren spricht und damit der intrapersonalen Einheit kaum gerecht wird. 22 23

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lichen Personen in der g×ttlichen Natur aufgehen zu lassen. So gilt der Vater nur „im Hin-sein zu dem anderen“ als Vater, „im In-sein seiner selbst ist er einfach nur Gott“24. Diese Gleichsetzung der personalen EigentÛmlichkeiten mit reiner RelationalitÅt spiegelt sich auch in Ratzingers VerstÅndnis der ×konomischen TrinitÅt wider, fÛr das er die biblische Geschichte des Sohnes umdeuten muß, weil sich der Sohn laut Ratzinger nicht selbst entÅußert, sondern die AktivitÅt der EntÅußerung ist.25 Mit einer solchen Definition der Person als totaler RelationalitÅt nimmt Ratzinger der Person jeglichen Selbstand und damit die Dimension des Geheimnisses bzw. wahrer PersonalitÅt. Er kann sich dabei zwar auf die westliche Tradition „persona est relatio“ berufen, aber nicht auf Augustin selbst, der den Personbegriff nicht ausschließlich mit „relatio“ bzw. der Dimension „relative“ identifizierte. Denn so wÛrden die trinitarischen Personen und der Personbegriff begrifflich Ûberbestimmt und bis ins letzte ausdefiniert, was dem personalen Geheimnis entgegensteht.26 Weil Ratzinger aber eine derartig absolute Identifikation von Person und Relation vollzieht, widerspricht er seiner eigenen Communio-Vorstellung von Gott als dialogischem oder perichoretischem Wesen, da Dialog und wechselseitiges perichoretisches Durchdringen der Dimension eines gewissen Selbstandes bedÛrfen.27 Allein dann kann auch von innerg×ttlicher „Liebe“ die Rede sein, weil Liebe auf freie Gegenseitigkeit angewiesen ist.28 Außerdem wird die nur noch relational und rein intrapersonal qualifizierte g×ttliche Einheit den heils×konomischen Hinweisen auf die Dimension des interpersonalen VerhÅltnisses zwischen Vater, Sohn und Heiligem Geist nicht gerecht, ganz zu gen von der Tatsache, daß ineinanderfallende Relationen wohl kaum als die jeweiligen g×ttlichen Personen anzubeten oder zu verherrlichen sind. Die letztlich doch wieder monistische Konzeption Ratzingers, in der die totale RelationalitÅt in der Einheit der Substanz aufzugehen droht, wirkt

24 J. Ratzinger: EinfÛhrung, S. 144. Auch der Logos gilt als reines „Gesprochensein“ bzw. als „reine Beziehung“ (ebd., S. 149). Zum allgemeinen Problem der Aufl×sung von Prozessionen in Relationen vgl. M. Volf: TrinitÅt, S. 206 f. 25 Vgl. M. Volf: TrinitÅt, S. 65. Zu einem weiteren Beispiel fÛr die rein relationale Interpretation biblischer Aussagen vgl. ebd., S. 178, Anm. 136. 26 Vgl. zum Problem der begrifflichen ºberbestimmung M. Volf: TrinitÅt, S. 160, Anm. 52. Zum Unterschied zwischen Augustin und spÅteren EngfÛhrungen in der augustinischen Tradition vgl. C. Markschies: Luther, S. 75 f. Zu Augustins differenziertem Umgang mit der Dimension der Relation s. o., S. 140. 27 Zu Ratzingers Vorstellung von Gott als einem dialogischen Wesen vgl. J. Ratzinger: Dogma, S. 210. Den mit dieser Vorstellung gegebenen Widerspruch zu Ratzingers Personbegriff (reine Relation) stellt auch M. Volf: TrinitÅt, S. 65, heraus. 28 Vgl. zu den Bedingungen fÛr das VerstÅndnis innerg×ttlicher Liebe C. Schw×bel: TrinitÅtslehre, S. 146.

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sich in ihrer westkirchlich-idealistischen PrÅgung auch auf Ratzingers Pneumatologie aus. Weil der Geist nur als personale Verk×rperung des Wesens Gottes gilt, ist er „kein Ausdruck fÛr etwas Spezifisches“, sondern er „verschwindet in den Sohn und in den Vater hinein“ und ist zugleich Produkt ihrer „Fruchtbarkeit“ (Filioque): „[. . .] er ist das Gemeinsame, die Einheit von Vater und Sohn, Einheit in Person“29. Hier wird Ratzingers Ansatz nicht nur in seiner einheitlich-monistischen FÅrbung bestÅtigt, sondern er erhÅlt auch eine binitarische Tendenz. Wie der Geist innertrinitarisch das Ergebnis der Fruchtbarkeit der Liebe zwischen Vater und Sohn sowie deren Einheit darstellt, so gilt er ×konomisch vornehmlich als Gabe, deren „Grundwerk“ und „Zielrichtung“ in der Einheit liegt. Das unterstreicht Ratzinger dadurch, daß er alle Charismen in der einen Gabe des Geistes Jesu Christi zusammenfaßt. Der Christus vergegenwÅrtigende Geist ist seines Erachtens nur mit dem ganzen Leib Christi zu haben. Deshalb liegt „das entscheidend n×tige Charisma“ im Mitwirken „an der Einheit der Kirche“30, dem einen Leib Christi, welchem der Geist als Gemeingeist der Kirche inhÅrent ist. Denn der „Geist ist der Atem des Sohnes“31. In monistisch-binitarischer Orientierung, die die altkirchlich-kappadozische Beachtung der hypostatischen SelbstÅndigkeit des Geistes und seiner Funktion als Geber (GegenÛber) vermissen lÅßt32, ereignet sich eine christozentrische Zuspitzung, mit der die Gefahr einer ekklesiologischen Vereinnahmung des Geistes einhergeht und durch die Ratzingers Verwurzelung in westkirchlichen Einseitigkeiten hervortritt. 1.2 Ekklesiologische Konsequenzen Die Auswirkung der Verwurzelung in westlichen trinitÅtstheologischen Einseitigkeiten und den damit korrelierenden philosophischen Tendenzen auf die Ekklesiologie ist bei Ratzinger offensichtlich. Zugleich wird anhand seiner trinitÅtstheologischen BegrÛndung der Ekklesiologie und des AmtsverstÅndnisses ersichtlich, wie ekklesiologische Interessen umgekehrt auf die TrinitÅtslehre zurÛckwirken. Doch zunÅchst sei darauf hingewiesen, daß sich die Orientierung an der Einheit Gottes in ihrer christozentrischen Ausrichtung unmittelbar im Kirchenbegriff niederschlÅgt. Wie Ratzinger zwar die innerg×ttliche RelationalitÅt betont, diese aber als reine RelationalitÅt letztlich in der g×ttlichen Einheit aufgehen lÅßt, so stellt er auch Beziehungen innerhalb der Kirche trinitarisch-relational dar, findet aber insgesamt 29 30 31 32

J. Ratzinger: Gott, S. 89 u. 91. Vgl. ders.: Geist, S. 225 ff. Ders.: Geist, S. 238. Vgl. insgesamt ebd., S. 225–238. Ders.: Gott, S. 89. S. o., S. 136 f.

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zu einem monistischen KirchenverstÅndnis. Er versteht die Kirche als ein einziges kollektives Subjekt, als eine Korporativpers×nlichkeit, die aus reiner intrapersonaler RelationalitÅt besteht, insofern als alle Glaubenden ein „einziges Subjekt mit Christus“33 bilden oder sogar „alle ein einziger werden sollen: Jesus Christus“34. Daher gehen die Glaubenden als selbstÅndige Subjekte in dem Leib Christi bzw. in der Kirche auf, in gleicher Weise, wie die trinitarischen Personen in reiner RelationalitÅt in der einen g×ttlichen Substanz aufgehen. Ratzinger weist selbst darauf hin, „wie hier TrinitÅtslehre in Existenzaussagen Ûbergeht, wie die Behauptung, daß Relation zugleich reine Einheit ist, durchsichtig wird auf uns hin“35. Der trinitÅtstheologischen Ausblendung des Selbstandes der trinitarischen Personen korrespondiert der Verlust des Selbstandes der Glaubenden. Diese erleben laut Ratzinger eine „Subjektverschmelzung“ mit Christus, die einen „Subjektwechsel“ nach sich zieht: „Das Ich h×rt auf, [. . .] in sich selbst stehendes Subjekt zu sein. Es wird sich selbst entrissen und in ein neues Subjekt eingefÛgt“, „um sich dann in einem gr×ßeren Ich [. . .] neu zu empfangen“36: „Die Kirche ist das neue und gr×ßere Subjekt“, in dem sich der Glaube vollzieht. DafÛr „muß die Wende vom Ich zum Nicht-mehr-Ich vollzogen sein“37. WÅhrend die idealistisch-hegelschen AnklÅnge hier ebenso hervortreten wie das wohl ekklesiologisch geprÅgte Interesse, die Glaubenden der kirchlichen Hierarchie der Universalkirche einzuordnen, erweisen sich die exegetischen Ableitungen als ambivalent. Sie entstehen durch eine gegenseitige Interpretation einzelner Paulusworte, wobei der jeweils unmittelbare und der weitere Kontext paulinischer Theologie defizitÅre BerÛcksichtigung findet. Bei der Bezugnahme auf Gal 2,20 (Christus lebe jetzt in den Glaubenden) kommt beispielsweise nicht zur Geltung, daß sich Christi Anwesenheit im Heiligen Geist vollzieht, wodurch der personale Selbstand der Glaubenden gewahrt bleibt. Vielmehr gilt Ratzinger eine wiederum in sich defizitÅre Auslegung von Gal 3,16.28 als Referenzrahmen: Daß sich die Abrahamsverheißung allein in dem einen Christus erfÛllt (3,16), wird im Sinne einer monistischen Korporativpers×nlichkeit gedeutet, die Christus nach Gal 3,28 jetzt darstelle, weil nicht mehr Juden und Griechen „sind“, sondern alle „einer in Christus Jesus“. Die pneumatologisch vermittelte und alle weltlichen Grenzen Ûberwindende Einheit aller Glaubenden „in“ Christus wird so von Ratzinger in die christomonistisch-identifizierende Vorstellung umgedeu-

33

J. Ratzinger: Theologie, S. 519 (Hervorhebung v. Vf.). Vgl. M. Volf: TrinitÅt, S. 30 ff., 67 f.,

205. 34 35 36 37

J. Ratzinger: Prinzipienlehre, S. 51. Ders.: EinfÛhrung, S. 147. Ders.: Theologie, S. 519. Ebd., S. 523 u. 525.

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tet, die Glaubenden seien ein „einziges Subjekt mit Christus“38 bzw. „ein einziger“, nÅmlich „Jesus Christus“39. Daß sich ein solches exegetisches Vorgehen durchaus aus ekklesiologischen Interessen erklÅren lÅßt, gab bereits Volf zu bedenken: „Die Intention einer solchen theologischen Uminterpretation ist klar: Eine ganze Soteriologie und Ekklesiologie – eine deutlich katholische Soteriologie und Ekklesiologie, in der die Kirche in Bisch×fen und Priestern mit Christus handelt – ist in dem Subjektsein der Kirche impliziert. Was unklar bleibt, sind die exegetischen und theologischen GrÛnde fÛr diese Umdeutung. Ratzinger gibt jedenfalls keine an.“40 Entsprechend postuliert Ratzinger ohne weitere exegetische BegrÛndung, man k×nne die Rede von dem „einen Leib“ in I Kor 10,17 „wohl auch mit ‚ein Subjekt‘ Ûbersetzen“41, weshalb er zu dem Schluß kommt: „Das tiefste Wesen der K[irche] ist es, mit Christus zusammen der Christus totus, caput et membra, zu sein.“42 Die Kirche kann sich also nach Ratzinger mit Christus als dem Haupt identifizieren, so daß der Unterschied zwischen Haupt und Leib verschwimmt und Christus als GegenÛber kaum erkennbar wird. Auch wenn Ratzinger betont, die Kirche sei „nicht einfach Christus“, weil der „relationale und pneumatologische Charakter des Leib-Christi- und des Brautgedankens“43 bestehen bleibe, muß dennoch mit Volf gefragt werden, „wie die Kirche ein einziges Subjekt mit Christus sein und dennoch von Christus unterschieden werden kann“, denn „auch der Rekurs auf das vergegenwÅrtigende Werk des Heiligen Geistes kann die Idee eines GesprÅchs innerhalb des einen einzigen Subjekts nicht des Verdachts befreien, ein bloßes SelbstgesprÅch zu sein. Es scheint nicht m×glich, das GegenÛber von Kirche und Christus zu denken, ohne die Vorstellung des einen, den BrÅutigam und die Braut einschließenden, Subjekts aufzugeben.“44 Die Berechtigung der Kritik Volfs zeigt sich daran, daß Ratzingers trinitarische Communio-Ekklesiologie mit „Wir-Charakter“45 und sein trinitÅtstheologisches Konzept der „Wir-RealitÅt Gottes“46 durch den rein relationalen Ansatz westlich-idealistischer PrÅgung letztlich doch zu einem christozentrisch-monistischen VerstÅndnis fÛhren. So endet Ratzingers berechtigtes Anliegen, einseitige partikularistische und individualistische ekklesiolo-

38 39 40 41 42 43 44 45 46

Ebd., S. 519. Vgl. insgesamt ebd., S. 518 f. Ders.: Prinzipienlehre, S. 51. Vgl. M. Volf: TrinitÅt, S. 30 f. M. Volf: TrinitÅt, S. 31. J. Ratzinger: Theologie, S. 521. Ders.: Art. „Kirche III“, Sp. 180 (Hervorhebung v. Vf.). Ders.: Gemeinschaft, S. 36. M. Volf: TrinitÅt, S. 31. J. Ratzinger: Kirche, S. 15. Ders.: Dogma, S. 223.

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gische AnsÅtze zu Ûberwinden, in einer gleichermaßen einseitigen Gegenreaktion. Denn „communio werden“ im Leib Christi heißt nach Ratzinger, daß das bekennende und glaubende Ich „ein kollektives Ich ist, das Ich der glaubenden Kirche, dem das einzelne Ich zugeh×rt“47. Der Glaube des einzelnen geht auf im Glauben des christomonistisch begrÛndeten einen Subjekts Kirche, dem man seinen Glaubensakt Ûberlassen soll. Das setzt die gegenseitige personale InterioritÅt zwischen dem einzelnen Glaubenden und dem Subjekt Kirche voraus. Eine solche gegenseitige InterioritÅt kennt das Neue Testament aber nur zwischen Gott und den Menschen (z. B. R×m 8,1.10), weil Gott im Heiligen Geist dem Glaubenden die Gemeinschaft mit sich gewÅhrt. FÛr Ratzinger jedoch gibt es unter Bezugnahme auf Romano Guardini keinen „frei zugÅnglichen Gott“, sondern nur die M×glichkeit der „Subjektverschmelzung“ mit dem einen Subjekt Kirche, welches die „Gleichzeitigkeit mit Christus“ und die „Vermittlung zwischen Sein und Zeit“ sowie zwischen Gott und Mensch verk×rpert. Auch wenn Ratzinger versichert, der Mensch finde sich in diesem Subjekt neu, er gehe darin „nicht einfach unter“ und werde gemÅß der trinitarischen Communio-Erfahrung nicht in ein anonymes Wir eingeebnet, bietet er angesichts der bisher skizzierten Gedanken keine plausible Bestimmung dieses Sachverhalts. Denn das „Sich-selbst-Finden“ wÅre nur dann keine leere Chiffre, wenn es ein von den Relationen unterschiedenes Ich gÅbe, was aber mit dem oben beschriebenen rein relationalen kollektiven Ich unvereinbar ist. Gleiches gilt – wie gezeigt – fÛr das rein relationale VerstÅndnis der trinitarischen Communio.48 Diese Ambivalenz spiegelt sich auch in Ratzingers Er×rterung des menschlichen Personbegriffs wider. Einerseits merkt Ratzinger an, daß g×ttliches Personsein im Unterschied zum menschlichen Personsein vom Wesen her totale Beziehentlichkeit beinhaltet, wÅhrend der Mensch nicht selbst totale InterpersonalitÅt ist. Andererseits bezeichnet er die totale RelationalitÅt g×ttlicher Beziehentlichkeit als einen „Richtungspfeil“ menschlicher PersonalitÅt, der diese in die Richtung der wesensmÅßigen totalen Beziehentlichkeit einweist. Ratzinger sieht sich offensichtlich gen×tigt, eine derart

Ders.: Prinzipienlehre, S. 23. Das erkennt G. Nachtwei: Unsterblichkeit, S. 189 u. 192, nicht deutlich genug. – Zu Ratzingers Vorstellung von der Notwendigkeit der Subjektverschmelzung und zu seinem RÛckgriff auf R. Guardini vgl. J. Ratzinger: Theologie, S. 519 u. 524 f., und ders.: Prinzipienlehre, S. 23. Vgl. zur entsprechend monistisch verstandenen „Wir-Struktur des Glaubens“ ebd., S. 15 ff. Vgl. insgesamt M. Volf: TrinitÅt, S. 34 f. u. 177, wo sich weitere Belege finden. – Daß mit der bisher geÅußerten Kritik der wesentliche Zusammenhang zwischen Glaube und Kirche nicht geleugnet, sondern nur angemessener dargestellt werden soll, wird im folgenden noch deutlicher. 47 48

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ambivalent und kaum m×glich erscheinende quantitative Verbindung der qualitativ unterschiedlichen Seinsformen zu vollziehen, denn mit den Worten Volfs wÛrde „das ‚Etwas-Eigenes-Haben‘ jeder einzelnen Person [. . .] sich im kollektiven Subjekt allzu leicht als St×rfaktor erweisen“: „Die Auffassung der Person muß dieser soteriologisch-ekklesiologischen Gegebenheit angepaßt werden.“49 Nur so kann der einzelne im kollektiven Wir der Kirche aufgehen, in dem sein Glaube vollzogen wird, weil kein frei zugÅnglicher Gott bzw. ein direktes GegenÛber von Gott und Mensch vorausgesetzt ist, sondern nur ein GegenÛber von Gott und Kirche bzw. von kollektivem g×ttlichen und kollektivem kirchlichen Wir: „[. . .] auf beiden Seiten ist das Ich eingeborgen in das gr×ßere Wir“50. Der rein relational bedingte trinitarische Monismus und der gleichermaßen geprÅgte ekklesiologische Monismus entsprechen sich und liefern die alleinige Grundlage fÛr die Gemeinschaft von Gott und Mensch, die sich letztlich nur auf das eine g×ttliche Wir auszurichten vermag und gleichzeitig nur von dem einen kirchlichen Wir ausgehen kann. Auf diese Weise nimmt die Kirche eine konstitutive Mittlerfunktion zwischen Gott und Mensch ein, denn sie vollzieht die „Einbeziehung des Menschen in die Gabe, die sie selber empfÅngt“51. Die vom Heiligen Geist durch Christus gewÅhrte Gemeinschaft jedes Glaubenden mit dem Vater, wie sie in der Schrift als Merkmal des Glaubens bezeugt ist, fÅllt der monistischen Gemeinschaft von g×ttlicher „Wir-Einheit“ und kirchlicher „Wir-Einheit“ zum Opfer. Die Gesamtkirche wird zur konstitutiven Ebene der „Vermittlung“, und das heißt fÛr den Glauben: „[. . .] nur von dort her kann man ihn empfangen“52. Daß Ratzinger hier wohl selbst eine gewisse Ambivalenz verspÛrt, zeigt die an anderer Stelle zu findende Bemerkung, daß der Glaube „nicht in einem privaten Konversionsentschluß zu seiner GÅnze gelangen kann“53. Eine gewisse Erlangung des Glaubens durch den einzelnen scheint bei dieser Formulierung also doch vorausgesetzt zu sein. Aber trotz solcher Relativierungen bleibt es grundsÅtzlich fÛr Ratzinger dabei: Wie der Mensch nur „Teil gewinnen“ kann „an der vorgegebenen Entscheidung der glaubenden“ Kirche – bis hin in die

49 M. Volf: TrinitÅt, S. 177. Vgl. insgesamt ebd., S. 65 f., wo Volf darauf hinweist, daß Ratzinger die Ambivalenz seines anthropologischen Personbegriffs wohl selbst spÛrt, wenn er die Vorstellung vom eschatologischen Personsein des Menschen in der Schwebe zwischen „In-Beziehung-Stehen“ und „Beziehung-Sein“ lÅßt. Vgl. das Åhnliche ResÛmee von R. A. Krieg: Kardinal Ratzinger, S. 121: „Die Vorstellung von der Person als Beziehung entzieht sich einem klaren VerstÅndnis.“ – Zu Ratzingers Argumentation vgl. J. Ratzinger: Dogma, S. 213 ff., und ders.: EinfÛhrung, S. 145. 50 J. Ratzinger: Dogma, S. 222. 51 Ders.: Begriff, S. 18. 52 Ders.: Prinzipienlehre, S. 35. Vgl. ebd., S. 23. 53 Ebd., S. 116 (Hervorhebung v. Vf.).

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Gebetssprache –, so ist „der Glaube unmittelbar eine Gabe der Kirche“54. Deshalb ist er als unmittelbare Gabe Gottes unkenntlich. Dagegen ist einzuwenden, daß nur die im Heiligen Geist vermittelte Gegenwart Gottes den Glauben zur fiducia fÛhren kann und so erm×glicht, daß sich der einzelne glaubend auf Gott verlÅßt, was zur Grundlage der Heilsgemeinschaft zwischen Gott und Mensch sowie der Glaubenden untereinander geh×rt. Ferner lÅßt sich das Heilshandeln nur so als Handeln Gottes erweisen.55 Entsprechend empfÅngt man den Glauben nicht von der Kirche, sondern durch die Kirche, die nicht ein Subjekt darstellt, sondern den Leib Christi als die im Heiligen Geist vermittelte Gemeinschaft der Heiligen bzw. der selbst glaubenden Personen. Da Ratzinger den Glauben aber strikt als Gabe der Kirche definiert, hat sich die von ihm geforderte empfangende Haltung des Menschen zunÅchst auf die Kirche zu richten, die als ein Subjekt mit Christus dort handelt, wo Christus handelt, so daß sich die Frage stellt, wie ihr Handeln vom Heilshandeln Gottes zu unterscheiden ist.56 Die Berechtigung dieser Frage bestÅtigt sich anhand der PrÅdikate und Funktionen, die Ratzinger der Kirche einrÅumt. Sie wird als „lebendiges Subjekt“57 des biblischen Wortes bezeichnet und zum GegenÛber der Glaubenden erhoben, wenn Ratzinger vom „Wort“ spricht, „das aus dem lebendigen und verbindlichen GegenÛber der Kirche kommt“58. Das steht aber der biblischen Einsicht entgegen, daß nur Gott Subjekt seines Wortes sein kann. In gleicher Weise gilt Ratzinger die Kirche anstelle Gottes als „innerer Grund und [. . .] unmittelbare Quelle“ der Theologie, welcher „erst diese ‚gebende Kraft‘ [. . .] ihre großen Perspektiven“59 er×ffnet. Von daher kommt dem einen Subjekt Kirche in Form seines Lehramts der „PrimÅranspruch [. . .] auf das Verstehen des Wortes“60 zu, weil „das eine Sakrament Kirche“ als „Sakrament in den Sakramenten“61 (Christus totus) selbst die UnverfÛgbarkeit des Glaubens garantiert. Die g×ttliche Wahrheit kann nach Ratzinger nur vom Subjekt der Gesamtkirche empfangen werden, die fÛr jeden Glaubenden, jede Gemeinde und jede

54 Ebd., S. 38. Vgl. ders.: Fest, S. 28, wo Ratzinger betont, daß man nicht „unter ºberspringung der Kirche mit Christus allein reden“ kann. 55 An diesen biblisch belegten Zusammenhang hat Luther immer wieder erinnert, wenn er betonte, daß niemand seinen Glauben einem anderen geben oder ihn auf andere Ûbertragen kann, sondern daß jeder fÛr sich selbst den Glauben verwirklichen muß, der ihm allein durch Christus im Heiligen Geist geschenkt wird (vgl. WA 10/I;476,12 ff.). 56 Vgl. zu Ratzingers Form der empfangenden Hermeneutik ders.: EinfÛhrung, S. 218 ff. Vgl. dazu auch M. Volf: TrinitÅt, S. 33 u. 60 f. 57 J. Ratzinger: Begriff, S. 17. 58 Ders.: Theologie, S. 517. 59 Ebd., S. 528 u. 526 (Hervorhebung v. Vf.). 60 Ders.: Prinzipienlehre, S. 347. 61 Ebd., S. 50. Zu Ratzingers SakramentsverstÅndnis vgl. ders.: BegrÛndung.

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Konsequenzen der trinitÅtstheologischen Defizite

Ortskirche die gesamtkirchliche Transzendenz verk×rpert. Somit eignet sowohl dem christlichen Glauben als auch der christlichen Wahrheit eine „doppelte Transzendenz“62: die gesamtkirchliche und die g×ttliche. Unter solchen PrÅmissen gerÅt die Kirche – wie schon durch ihre Einstufung als GegenÛber der Glaubenden oder durch die Christus totus-Vorstellung – in die Gefahr, sich an die Stelle Gottes zu setzen, zumal Gott sein Heilshandeln gemÅß Ratzingers trinitarisch-christologischer Vorgabe („ein Subjekt mit Christus“) nicht durch die Kirche umzusetzen scheint, sondern diese scheinbar mit Gott als Subjekt des Heilshandelns auftritt.63 Daß Ratzinger das von ihm als „IdentitÅtstheologie“ deklarierte Problem (IdentitÅt von Christus und Kirche) bei sich selbst nicht wahrnimmt, sondern als altes katholisches Problem einstuft, und daß er sich differenzierteren trinitarisch-ekklesiologischen AnsÅtzen ungern ×ffnet, liegt nicht zuletzt darin begrÛndet, daß er andere und zum Teil differenziertere ZugÅnge vorschnell als „achristologisch“64 verdÅchtigt. Als weitere Ursache fÛr Ratzingers Tendenz einer zu starken Identifizierung von Kirche und Christus erweist sich die mit der einseitigen TrinitÅtslehre einhergehende defizitÅre Pneumatologie. Zwar legt Ratzinger in Anbetracht des g×ttlich und menschlich bestimmten Daseins der Kirche gegenÛber einem rein institutionellen KirchenverstÅndnis Wert auf die VergegenwÅrtigung Christi im Heiligen Geist und damit auf die pneumatologische Dimension der Kirche als Begrenzung des Anspruchs institutioneller Formen, was den spiritualistischen Grundzug der Theologie Ratzingers erklÅrt.65 Aber die westlich-idealistische PrÅgung seiner Pneumatologie unterstÛtzt die christozentrische Orientierung an dem einen gesamtkirchlichen Subjekt. Der Geist erscheint gemÅß der Filioque-Tradition kaum als Geber, sondern als Gabe des Sohnes, die dem kirchlichen Gesamtsubjekt „Christus totus“ inhÅrent ist. Hier kommt sowohl die idealistische Vorstellung vom Gemeingeist als auch die westliche VernachlÅssigung des eigenstÅndigen personalen Spezifikums des Heiligen Geistes zum Tragen. Indem der Geist nur mit dem ganzen Leib Christi zu haben ist, indem er alle Charismen in der einen Gabe des Geistes Christi zusammenfaßt und indem sein Grundwerk in der Aufrechterhaltung der Einheit des „Christus totus“ liegt, ist er in die Subjekteinheit von Haupt und Leib Christi ebenso integriert wie in die totale RelationalitÅt des kollektiven Subjekts Kirche.66 62 Ders.: Prinzipienlehre, S. 42. Vgl. zum Problem der doppelten Transzendenz auch die Analyse von M. Volf: TrinitÅt, S. 38 u. 43. 63 In dem zuletzt genannten Problem des Handelns der Kirche mit Gott, das auch M. Volf benennt, sieht dieser eine der wesentlichen ×kumenischen Barrieren (vgl. ders.: TrinitÅt, S. 158, Anm. 41). 64 J. Ratzinger: Volk Gottes, S. 240 f. Vgl. ebd., S. 237 ff. 65 Vgl. z. B. ders.: EinfÛhrung, S. 277; ders.: Geist, S. 234; ders.: Gemeinschaft, S. 35 ff., und ders.: Volk Gottes, S. 245. Zum spiritualistischen Grundzug der Theologie Ratzingers vgl. M. Fahey: Joseph Ratzinger, S. 82. 66 S. o., S. 344.

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So ist schwer erkennbar, wie der Geist seiner biblisch und altkirchlich bezeugten Aufgabe nachkommen soll, die Verbindung zwischen Haupt und Gliedern sowie zwischen den Gliedern untereinander als Gemeinschaft der Heiligen zu vollziehen. Denn das vermag er nur als Geber und Gabe sowie durch die Einwohnung in den einzelnen Glaubenden zu gewÅhrleisten. Ratzinger sollte berÛcksichtigen, daß der Heilige Geist erst in dieser eigenstÅndigen Funktion eine wirkliche Communio der Liebe erm×glicht, da Gemeinschaft und Liebe auch von Gegenseitigkeit und Selbstand leben. Entgegen einer rein relationalen Eingliederung der Glaubenden in die Kollektivperson Kirche mit dem ihr inhÅrenten Geist wohnt der Heilige Geist auch „in den Herzen“ der einzelnen (II Kor 1,21) und lÅßt sie auf diese Weise an der Gemeinschaft des Volkes Gottes partizipieren. Gleichzeitig erweist sich durch die Einwohnung des Heiligen Geistes, daß Gott und nicht die Kirche das GegenÛber der Menschen verk×rpert, wodurch die direkte Gottesbeziehung der einzelnen gewÅhrleistet wird. Diese bleibt zugleich in die Gemeinschaft der Glaubenden als Leib Christi eingebunden, weil es Christi Geist ist, der die Glaubenden untereinander und mit Christus verbindet, entsprechend der trinitarischen Einheit in Vielfalt. Das geschieht wiederum nur unter der Voraussetzung, daß das Haupt das GegenÛber der einzelnen Glaubenden und der Gemeinschaft der Glaubenden (Kirche) bildet. Auf diese Weise verhindert eine VerhÅltnisbestimmung von Christologie und Pneumatologie, die das biblisch-×konomisch erkennbare personale Spezifikum des Heiligen Geistes ernst nimmt, sowohl kollektivistische als auch partikularistische ekklesiologische AnsÅtze sowie Tendenzen der Identifizierung von Gott und Kirche. Die bei Ratzinger auftretende Gefahr einer zu starken Identifizierung von Christus und Kirche und eines undifferenzierten Aufgehens der Glaubenden im kirchlichen Gesamtsubjekt als ihrem glaubensrelevanten GegenÛber (gegenseitige personale InterioritÅt von Glaubenden und Kirche statt von Gott und Glaubenden) lÅßt sich also durch eine angemessenere Pneumatologie verhindern, ohne die von Ratzinger befÛrchteten partikularistischen Tendenzen zu f×rdern. Das gilt auch fÛr eine angemessenere Wahrnehmung der Austeilung der Charismen an alle Glieder des Leibes, die mit ihren unterschiedlichen Gaben (Selbstand) der Einheit des Leibes (Relation) dienen (I Kor 12,7 u. ×.). So erm×glicht der Heilige Geist als Geber und Gabe in seiner Gleichzeitigkeit von „GegenÛber und NÅhe“ einerseits das in der Taufe und der Geistesgegenwart gewÅhrte allgemeine Priestertum und andererseits das ordinierte Priestertum mit seiner spezifischen Verk×rperung der Dimension des GegenÛbers und der Einheit. Diese beiden pneumatologisch begrÛndeten Aspekte entsprechen wiederum der grundsÅtzlichen Gleichheit der trinitarischen Personen (gleichursprÛngliche Perichorese/Wesenseinheit) und deren gleichzeitig existierenden Spezifika (Ursprungs- und Existenzebene).67 67 Auch G. Greshake: Gott, S. 420, bemerkt selbstkritisch im Blick auf die westlich geprÅgte r×misch-katholische Tradition: „Man [. . .] setzte nicht genÛgend in Rechnung, daß dem Geist ein spezifisches Wirken zukommt.“ Einige der oben geÅußerten kritischen Anmerkungen zu Ratzingers Einseitigkeiten und Defiziten finden sich in Åhnlicher Form bei Greshake ganz allgemein auf die traditionelle EngfÛhrung der katholischen Theologie bezogen (vgl. ebd., S. 386 ff. u. 411 ff.). Bei M. Volf: TrinitÅt, sind ebenfalls Åhnlich kritische Hinweise zu finden, dort aber wieder speziell auf Ratzinger bezogen (vgl. ebd., S. 177 ff., 204 f., 209 f., 230 ff., 267 ff.). Vgl. ferner die Kritik von J. Moltmann: Geist, S. 237: „Sofern man Christus fÛr ein

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Konsequenzen der trinitÅtstheologischen Defizite

Indem aber Ratzinger den Geist wesentlich an das Amt und das Subjekt der Gesamtkirche bindet, werden diese trinitÅtstheologischen und ekklesiologischen Differenzierungen in Entsprechung zu Ratzingers monistischem Ansatz eingeebnet. Bei der Diskussion um Demokratie in der Kirche und die Rolle der Laien bezeichnet Ratzinger die Gegenwart des Geistes mit seinen Charismen als „unverfÛgbare ErmÅchtigung von oben“68. Anders verhÅlt es sich bei der Bestimmung von Geistesgegenwart und Amt. Hier stellt Ratzinger fest, daß „der pneumatische Charakter der Kirche [. . .] sich im pneumatischen Charakter ihrer Dienste [Šmter] ausdrÛckt“69. Denn das priesterliche Amt wird „als Setzung des Heiligen Geistes verstanden“70. Im „Mittlerdienst“ des Amtes vollzieht die Kirche ihre Teilnahme am Mittlertum Christi. „Die Heiligkeit des Priesters besteht in diesem Vorgang des geistlichen Arm-Werdens“. Er „allein“ hat im „Allerheiligsten [. . .] den Vorhang durchschritten“71. Die Konzentration der g×ttlichen Vollmacht auf das priesterliche Amt spitzt sich zu auf die episkopale Struktur und den Primat. Als „VollmachtstrÅger fÛr die Gesamtkirche“72 gelten bereits die Bisch×fe, wÅhrend der Papst „in direkter Verantwortung dem Herrn gegenÛber [. . .] die Einheit von Christi Wort und Werk zu verk×rpern und zu sichern“73 hat. Da die „Kirche [. . .] Christus als Abgestiegener“ ist und die „FortfÛhrung der Menschheit Jesu Christi“74, so daß die Christen (als Kirche) Christi „Existenz weitertragen durch die Zeiten“75 (Christus prolongatus), muß sich die Einheit des Christus totus auch in seiner sichtbaren kirchlichen Gestalt widerspiegeln: „Die Wir-Einheit der Christen [. . .] ist ihrerseits durch pers×nliche TrÅger der Verantwortung fÛr die Einheit zusammengehalten und stellt sich noch einmal personalisiert in Petrus dar [. . .]. In seinem neuen, das historische Individuum Ûberschreitenden Namen wird Petrus zur Institution, die die Geschichte hindurchgeht“76. Aufgrund der Voraussetzung, „daß Einheit zentrale Wesensbestimmung der Kirche ist“, geh×ren Episkopat und Primat in der Kirche „zum Kern ihrer heiligen Ordnung“, „so daß der Verlust dieses Elements sie im Eigentlichen ihres Kircheseins verletzt“77.

‚Subjekt‘ hÅlt, mag man christologisch die Gemeinschaft Christi eine ‚Subjekteinheit‘ nennen; in der FÛlle des Geistes und seiner vielen Gaben aber ist sie eine Gemeinschaft, die jedem das Seine und jeder das Ihre gibt“. Diese Einsicht lÅßt Ratzingers Vorstellung von einer rein relational und damit intrapersonal zu denkenden Subjekteinheit nicht zu. – Zum ×kumenischen VerstÅndnis des „allgemeinen Priestertums“ vgl. H.-M. Barth: Priester. 68 J. Ratzinger: Demokratisierung, S. 26. 69 Ders.: Prinzipienlehre, S. 276. 70 Ebd., S. 293. 71 Ebd., S. 298. Vgl. ebd., S. 281 ff., wo die Vorstellung vom „Priester als Mittler“ ausfÛhrlich er×rtert wird. 72 Ders.: Kirche, S. 53. 73 Ders.: Volk Gottes, S. 169. 74 Ders.: Geist, S. 235. 75 Ders.: Volk Gottes, S. 83. 76 Ders.: Kirche, S. 40. Vgl. ders.: Dogma, S. 265: „Zur Kirche geh×rt notwendig [. . .] die lebendige Einheit mit dem Ganzen, die sich in der Einheit der AmtstrÅger darstellt und verwirklicht.“ 77 Ders.: Gemeinschaft, S. 88.

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Wie bei Ratzinger trinitÅtstheologisch die rein intrapersonale und totale RelationalitÅt in der einen g×ttlichen Natur aufgeht, so gilt auch in der Kirche das Prinzip des einen Subjekts, das sich in der monozentrisch-hierarchischen Amtsstruktur realisiert, der die Ûbrigen Glieder des Leibes relational zubzw. untergeordnet werden.78 Aus der christomonistischen EngfÛhrung und ihrer Unterordnung des Heiligen Geistes ergibt sich im Kontext des VerstÅndnisses von Kirche als „FortfÛhrung“ Christi eine vertikal-absteigende hierarchische Linie, die der katholische Theologe Gisbert Greshake selbstkritisch als „mindestens seit dem 2. Jahrtausend“ bestehendes defizitÅres „Normbild der r×mischen Ekklesiologie“ bezeichnet: „Gott Vater – Christus – Amt ([. . .] Papst/Bisch×fe) – Laien“79. Dieser Entwicklung entsprechend geh×rt das „‚hierarchische‘ Amt“ nach Ratzinger „zur katholischen, sakramentalen Wesensgestalt“80 der Kirche. Wenn man Ratzingers BegrÛndung des Petrusamtes genauer betrachtet, stellt sich die Frage, ob nicht das Interesse an der Legitimierung bestehender traditioneller Amtsstrukturen die Argumentation mehr bestimmt als nachweisbare Sachverhalte. So behauptet Ratzinger, der r×mische Primat sei Ålter als der Kanon des Neuen Testaments, und die Gestaltwerdung von frÛher ºberlieferung und Kirche habe den Primat „zur inneren Bedingung“81 gehabt. Das lÅßt sich aber an den historischen Gegebenheiten nicht belegen.82 Angesichts der monistisch-hierarchischen Konzeption Ratzingers, die auf einer christomonistisch geprÅgten Subjekteinheit der Kirche und einer entsprechenden VernachlÅssigung des Heiligen Geistes und seiner Charismen fÛr den einzelnen Glaubenden beruht, kommt auch Moltmann zu dem Schluß: „Es versteht sich von selbst, daß damit die hierarchische Verfassung der Kirche legitimiert werden soll.“83 Er kritisiert zu Recht, daß die

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S. u., S. 355 ff. G. Greshake: Gott, S. 420. 80 J. Ratzinger: Prinzipienlehre, S. 311. 81 Ders.: Gemeinschaft, S. 67. Vgl. ebd., S. 65 f. Hier projiziert Ratzinger Primatsvorstellungen des Ersten Vatikanischen Konzils in die Zeit der frÛhen Kirche. Wenn er den Kanonisierungsprozeß an die „herausgehobene Ursprungsmacht [. . .] des r×mischen Stuhles“ (ebd., S. 66) bindet, entspricht das nicht den historischen ZusammenhÅngen (siehe nÅchste Anm.). Auch die Schlußfolgerung, die Ratzinger aus dem Hinweis „in der ersten Redaktion“ (!) der Kirchengeschichte des Eusebius von Caesarea zieht, Rom spiele innerhalb der Patriarchatssitze eine gewichtige Rolle, lÅßt auf die BemÛhung nachtrÅglicher Legitimation schließen: Dieser Hinweis „fÛhrt zu einer sehr prinzipiellen Feststellung: Der r×mische Primat bzw. die Anerkennung Roms als Kriterium des rechten apostolischen Glaubens ist Ålter als der Kanon des Neuen Testaments, als ‚die Schrift‘“ (ebd., S. 65). Hier wird dem r×mischen Patriarchat in seiner unbestreitbar bedeutenden Rolle einseitig eine konstitutive kriteriologische Funktion zugeschrieben, die ihm so nicht zukam. 82 Vgl. z. B. M. Haudel: Bibel, S. 59 ff., wo die tatsÅchlichen Wesensmerkmale des Kanonisierungsprozesses dargelegt sind. 83 J. Moltmann: Geist, S. 237. Vgl. zu der folgenden Kritik ebd. 79

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Vorordnung der „Subjekteinheit“ die KomplementaritÅt mit der Gemeinschaft im Heiligen Geist verdrÅnge, in der die FÛlle des Geistes jedem das Seine gebe. Die Berechtigung dieser Kritik belegt Ratzinger durch die Anbindung der pneumatischen Vollmacht an die als Mittler fungierenden AmtstrÅger, die er als TrÅger der ekklesiologischen Einheit des einen Subjekts betrachtet, dem – als ganze Subjekteinheit (Christus totus) – der Geist innewohnt. Doch daß die AmtstrÅger und Šmter keine Garantie fÛr die authentische Weitergabe des Evangeliums sind, haben auch katholische Theologen wie Karl Rahner und Walter Kasper zu bedenken gegeben. „Dem soteriologisch-amtstheologischen ‚Zuviel‘ entspricht“ mit den Worten Volfs „ein ‚Zuwenig‘ auf der Seite der Laien“84. Letzteres unterstreicht Ratzingers Auffassung vom Lehramt. Das Amt gilt zwar grundsÅtzlich als Dienst an Wort, Sakrament und allgemeinem Priestertum, aber Taufe und Eucharistie sowie die gemeinschaftliche Vermittlung des Wortes Gottes haben ihr „Kriterium“ dennoch im universalkirchlich-sakramental konstituierten Amt, das die Mittlerfunktion Christi reprÅsentiert. Entsprechend liegt das Kriterium von Theologie und Glauben zwar prinzipiell in der gesamtkirchlichen VerkÛndigung und im gemeinsamen Taufglauben, aber „im Namen des gemeinsamen Subjekts Kirche“ spricht das mit „AutoritÅt“, „Macht“ und „Verantwortung“ ausgerÛstete Lehramt. Hinsichtlich der Kriterien seiner vollmÅchtigen und bindenden Entscheidungen wird zumeist nur darauf hingewiesen, daß es „im Namen der Kirche“ lehrt.85 Das belegt die einseitige Aufl×sung des VerhÅltnisses von Schrift, Tradition und Kirche zugunsten der hermeneutischen PrioritÅt der Kirche, deren – im Amt fokussierte – Glaubenserfahrung damit aber in der Gefahr steht, der traditionskritischen Funktion der Schrift und der kirchenkritischen Kraft des Heiligen Geistes entzogen zu werden. Das maßgebliche Wahrheitskriterium verk×rpert das episkopale Amt: „Der Episkopat ist die letzte Instanz des Lehrens und des Entscheidens in der Kirche, weil er die lebendige Stimme der universalen Kirche ist.“86 Welche exklusive Funktion dabei der Aufsicht des hierarchischen Lehramts zukommt, offenbart die Weisung von Pius XII., die Theologie habe die Lehren des Lehramts anhand von Schrift und Tradition zu belegen.87 Hier wird der hermeneutische Weg theologischer Auslegung, die Lehren aus Schrift und Tradition abzuleiten bzw. zu formulieren, umgekehrt.

84 M. Volf: TrinitÅt, S. 214. Zur Kritik Rahners und Kaspers vgl. die ebd. gegebenen Hinweise auf S. 157, Anm. 37. 85 Vgl. J. Ratzinger: Theologie, S. 527 u. 531. Vgl. insgesamt ders.: Volk Gottes, S. 105 ff.; ders.: Prinzipienlehre, S. 251 ff. u. 347 f., und ders.: Glaubensvermittlung, S. 30. 86 Ders.: Kirche, S. 74. 87 Vgl. zu dieser Weisung in der Enzyklika „Humani generis“ und zur Aufsicht des hierarchischen Lehramts M. Fahey: Joseph Ratzinger, S. 83.

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Das damit bestÅtigte VerhÅltnis von „Zuviel“ auf seiten der AmtstrÅger und von „Zuwenig“ auf seiten der rezeptiv erscheinenden Laien prÅgt auch Ratzingers Sicht der „eucharistischen Ekklesiologie“, die sich an die Strukturen seines Communio-VerstÅndnisses anlehnt. Allerdings geht es Ratzinger mit der eucharistischen Ekklesiologie zunÅchst um die berechtigte Abwehr ekklesiologischer Einseitigkeiten. Die Eucharistie stelle den Vollzug der communio sanctorum dar, weil sich in ihr die Gemeinschaft der Glaubenden mit Christus und untereinander im Heiligen Geist vollziehe. Das widerspreche sowohl der Ausklammerung der pneumatologischen Dimension der Kirche durch „k×rperschaftlich-juristische“ oder „institutionell-hierarchische“ AnsÅtze als auch der mangelnden BerÛcksichtigung der sichtbaren Kirche durch „organologisch-mystische“88 AnsÅtze. Unter Hinweis auf das Zweite Vatikanische Konzil sowie auf reformatorische, ostkirchliche und moderne exegetische Einsichten, daß in jeder eucharistischen Gemeinschaft der ganze Herr – und somit die ganze Kirche – gegenwÅrtig sei, bekrÅftigt Ratzinger, daß „dem eucharistischen Mysterium nichts mehr hinzugefÛgt werden“ kann. Auch bezÛglich der „Bedingungen“ dieses Mysteriums bemerkt er noch zutreffend, daß es „nur ‚von außen‘“, vom sich schenkenden Herrn empfangen werden kann. Doch genau an diesem Punkt wirkt sich erneut die Christus totus-Vorstellung mit ihrer tendenziell zu starken Identifizierung von Christus und Kirche („caput et membra“) aus, insofern als Ratzinger auch hier die empfangende Haltung nicht nur gegenÛber Gott, sondern primÅr gegenÛber der Kirche fordert und so den Unterschied zwischen beiden verschwimmen lÅßt. Die Kirche wird zum gebenden GegenÛber, da jede Gemeinde oder Ortskirche „nur Kirche wird, indem sie sich von der Gesamtkirche her als Kirche empfÅngt“89, so daß die Universalkirche eine Åhnliche Transzendenz erhÅlt wie Gott. Diese Konsequenzen der eucharistischen Ekklesiologie Ratzingers sowie seiner Christus totus-Vorstellung und der Definition der Kirche als Subjekteinheit fÛhren zur ontologischen und temporalen Vorordnung der Universalkirche: „Die zeitliche und ontologische PrioritÅt liegt bei der Universalkirche“90. Entsprechend leiten sich auch die Dienste der Ortskirchen von der Universalkirche ab, insofern als sich das Bischofsamt zu einem großen Teil aus seiner synchronischen und diachronischen Gemeinschaft mit den Ûbrigen Bisch×fen und dem Papst versteht und somit das „Wir“ der Gesamtkirche in der Ortskirche verk×rpert. Das „Subjekt“ der eucharistischen Liturgie besteht deshalb im „‚Wir‘ des heiligen Volkes Gottes“91. Dazu geh×rt 88 J. Ratzinger: Volk Gottes, S. 99 f. Vgl. insgesamt ebd., S. 90 ff., und ders.: Volk, S. 211. Vgl. ferner M. Volf: TrinitÅt, S. 39. 89 J. Ratzinger: Prinzipienlehre, S. 308 f. Vgl. ebd., S. 307, und ders.: Kirche, S. 17–19. 90 Ders.: Gemeinschaft, S. 41. 91 Ders.: Volk Gottes, S. 219. Vgl. M. Volf: TrinitÅt, S. 59 f. u. 124.

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natÛrlich auch die Ortsgemeinde als aktiver TrÅger der Gesamtkirche und der Liturgie. Doch letztlich bindet Ratzinger die HeilsaktivitÅt der mit Christus handelnden Kirche an „das sichtbare werkzeugliche Tun der amtlichen Hierarchie“92. Von daher verankert er auch die Eucharistie in der Amtshierarchie: Der Vorsitz bzw. die Handlungsvollmacht in der Eucharistie „hÅngt unzertrennbar und ausschließlich am priesterlichen Amt“93, das wiederum konstitutiv im Kontext der episkopal und primatial qualifizierten apostolischen Sukzession steht. „Das Wort des Herrn ist zwar einerseits Ûberall ganz, aber es kann ganz nur dadurch gehabt werden, daß man es im Ganzen und mit dem Ganzen hat. [. . .] Obgleich also die einzelne Gemeinde ganz Kirche ist, ist sie es doch nur, wenn sie es in der ganzen Kirche, von ihr her und auf sie hin ist.“94 Wie die trinitarischen Personen in Ratzingers TrinitÅtslehre rein relational in der intrapersonalen Einheit der g×ttlichen Substanz aufgehen, so gehen auch die Ortskirchen rein relational in dem einen Subjekt der Universalkirche auf. Jede Art von Selbstand bzw. jedes „Festhalten an dem Eigenen“ hieße nÅmlich nach Ratzinger, daß „der Zusammenfall“ aller Aspekte in die „Einheit aufgehoben wird“95. Laut Volf kÅme aber „eine solche Einheit, die aus reiner RelationalitÅt entstehen wÛrde, [. . .] der Aufl×sung der je eigenen IdentitÅt der unterschiedlichen Lokalkirchen gleich“96. Daß Ratzinger mit seinem Ansatz grundsÅtzlich in einer langen Tradition r×misch-katholischer Ekklesiologie steht, die einer westlichen trinitÅtstheologischen EngfÛhrung entspricht, zeigt die selbstkritische EinschÅtzung dieser Tradition durch Hermenegild Biedermann: „Wie die Einheit der einen g×ttlichen Natur und Wesenheit die Dreiheit der Personen gleichsam ‚trÅgt‘, so ‚trÅgt‘ auch die eine Universalkirche als das gemeinsame Fundament die Vielfalt der Lokalkirchen, die hier in der Regel bezeichnenderweise Teilkirchen heißen. Und wie dort im VerhÅltnis von Wesen und Person die eine Wesenheit den Vorrang zu haben scheint, so entsteht der Eindruck, als lÅge die universale Kirche den Ortskirchen voraus, ja als fÛhre sie ein eigenes Leben Ûber den Ortskirchen.“97 Das unterstreicht auch die der westlichen Tradition folgende Annahme Ratzingers, daß die trinitarischg×ttliche Einheit in den Werken nach außen (opera ad extra) einheitlich handelt, was sich mit den entsprechend modalistischen AnklÅngen ebenfalls in seiner Ekklesiologie widerspiegelt. Denn diesem einheitlichen Handeln Gottes ist die universalkirchliche Handlungsvollmacht kongruent, indem

92 93 94 95 96 97

J. Ratzinger: Volk, S. 149. Vgl. ders.: Volk Gottes, S. 151. Ders.: Prinzipienlehre, S. 248. Ders.: Demokratisierung, S. 40 (letzten beiden Hervorhebungen v. Vf.). Ders.: EinfÛhrung, S. 147. M. Volf: TrinitÅt, S. 198. Vgl. ebd., S. 191 ff. H. Biedermann: Gotteslehre, S. 138.

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Papst und Bisch×fe „mit rechtlicher Kraft, d. h. als VollmachtstrÅger fÛr die Gesamtkirche wirken“98. Eine solche „Hypostasierung“ der Gesamtkirche lÅuft aber nach dem selbstkritischen Urteil des katholischen Theologen Josef Freitag auf einen „ekklesiologischen Modalismus“ hinaus. Die Ortskirchen wÛrden so „zu bloßen ‚Seinsweisen‘“ bzw. „×rtlichen ‚Modi‘ [. . .] der Kirche“: „Die Wirklichkeit Kirche bliebe hinter ihren ‚Erscheinungen‘ verborgen“99. Auch die juridisch-institutionelle Konstitution der Kirche tritt dadurch gegenÛber der von Ratzinger eigentlich prÅferierten sakramentalen Konstitution in den Vordergrund. Das liegt nicht nur an dem Gewicht der notwendigen rechtlichen Anerkennung der Ortskirchen durch Rom100, sondern auch an Ratzingers juridischer Verankerung der Eucharistie in der Gesamtkirche. Er charakterisiert die Eucharistie als „geradezu juristisch umgrenzbaren Ausgangspunkt“ der Kirche, die sich so als „sichtbare und greifbare RealitÅt in der Feier der Eucharistie“101 erweist. Weil Ratzinger den Heiligen Geist in Ausblendung seiner eigenstÅndigen Funktion an das Subjekt der Gesamtkirche und die dieses Subjekt reprÅsentierenden Šmter bindet, kann er trotz seiner Betonung der pneumatologischen Dimension der Kirche die erkennbare juridische Tendenz nicht verhindern. Die defizitÅre Pneumatologie bewirkt außerdem eine defizitÅre Realisierung der von Ratzinger angestrebten Communio der Liebe, die er zwar zu Recht als perichoretisches „immerwÅhrendes dynamisches Ineinander-ºbergehen, Sich-Durchdringen von Geist zu Geist, von Liebe zu Liebe“102 bezeichnet. Aber einer solchen perichoretischen Struktur wird Ratzinger durch die reine RelationalitÅt und den fehlenden Selbstand kaum gerecht. DarÛber hinaus lÅßt seine relationale Communio bei der Bestimmung des VerhÅltnisses von Universal- und Ortskirche ein einseitig hierarchisches GefÅlle erkennen: In der postulierten Gegenseitigkeit des „von her – auf hin“ bleibt ersteres stets konstitutiv, wÅhrend letzteres nicht selten auf ein „mit“ oder „nicht gegen“ reduziert erscheint.103

J. Ratzinger: Kirche, S. 53. J. Freitag: Vorrang, S. 84. Vgl. auch die Kritik an diesem westlich-r×mischen Defizit bei H. Biedermann: Gotteslehre, S. 140: „Die Versuchung des Modalismus, den wir als die GefÅhrdung des Westens hinsichtlich seines TrinitÅtsverstÅndnisses erkannten, als wÅren die g×ttlichen Personen nur modi, Erscheinungsweisen des einen Wesens Gottes, begegnet uns als Gefahr seiner Ekklesiologie von neuem: Die wahre, die zuletzt einzige Wirklichkeit scheint die Universalkirche (als die ‚katholische Kirche‘) zu sein; die Ortskirchen dagegen sind nur ×rtliche ‚Erscheinung‘ der Universalkirche“. Vgl. die Åhnlich lautende Kritik von G. Greshake: Gott, S. 427, der bezÛglich der ºberordnung der Universalkirche zugleich auf die Gefahr eines ekklesiologischen Subordinatianismus hinweist. 100 Vgl. J. Freitag: Vorrang, S. 84 f. 101 J. Ratzinger: Volk Gottes, S. 84. 102 Ebd., S. 214. 103 Das er×rtert Ûberzeugend M. Volf: TrinitÅt, S. 53 f., 67 f., 198 f. 98 99

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Das gilt ebenso fÛr die Communio zwischen ordiniertem Amt und allgemeinem Priestertum. Aus der christomonistisch geprÅgten Orientierung an dem einen Subjekt der Gesamtkirche und der entsprechend filioquistischen TrinitÅtslehre ergibt sich die ekklesiologische ReprÅsentation des im kirchlichen Subjekt handelnden Christus (Christus totus) durch das stellvertretende Haupt der Universalkirche (Papst) und das analoge Haupt der Lokalkirche (Bischof). Die im Heiligen Geist gewÅhrte Vielfalt und ihre kollegialsynodale Struktur treten in den Hintergrund. Es entsteht ein hierarchisches GefÅlle, das auch nicht durch Ratzingers Hinweis auf die Einbindung des Amtes in die relationale Communio zwischen Gott und Mensch sowie der Menschen untereinander aufgefangen werden kann. Denn die Betonung der rein vikariellen Macht der AmtstrÅger und der relationalen Gemeinschaft mit allen Glaubenden k×nnte zwar in der eschatologischen Situation reiner gegenseitiger Liebe sinnvoll sein, aber in der voreschatologischen Situation mit der entsprechend einseitigen Definition der Vollmacht des hierarchischen Amtes „kann die Auffassung der Person als reine Relation leicht zu einer unterdrÛckenden Ideologie ausarten“104. Diese ekklesiologischen Charakteristika, die sowohl aus den trinitÅtstheologischen Einseitigkeiten als auch aus der Verteidigung hierarchischzentralistischer Strukturen resultieren, sind der Niederschlag einseitiger trinitÅtstheologischer und ekklesiologischer Entwicklungen im Katholizismus. Greshake bemerkt dazu, „daß [. . .] die westlich-r×mische Ekklesiologie ‚christomonistisch‘ und damit nicht nur juridisch-klerikal, sondern auch zentralistisch enggefÛhrt wurde, damit ein erhebliches pneumatologisches Defizit aufweist und so [. . .] dazu fÛhrte, die Ekklesiologie vornehmlich in institutionell-hierarchischer Perspektive zu sehen“105. Weil man „das Wirken des Geistes in die vertikale, hierarchisch-christologische Sendungslinie“ integrierte, steht das Amt christologisch-filioquistisch verstanden „isoliert unter den Vorzeichen von auctoritas und potestas“106. Vor diesem Hintergrund erhÅlt die kirchliche Communio laut JÛrgen Werbick die Bedeutung „einer eucharistischen Kultgemeinschaft, der von den Priestern, die wiederum an der vollen Weihegewalt der ‚Ober-Priester‘ teilhaben, Teilhabe am Heiligen Geist gewÅhrt wird“107. Eine solche Bindung des Geistes an das Amt hat auch Folgen fÛr Erneuerungsm×glichkeiten und Reformen in der Kirche, wobei erneut die ekklesiologische Auswirkung der trinitÅtstheologischen Defizite Ratzingers er-

104 M. Volf: TrinitÅt, S. 205. Vgl. ebd., S. 67 ff., 198 f. u. 227: Dann „werden die trinitarisch begrÛndeten hierarchischen Beziehungen in der Kirche konkret immer als teilweise erzwungene Unterordnung der Vielen unter den dominanten Einen gelebt werden mÛssen“. 105 G. Greshake: Gott, S. 387. 106 Ebd., S. 415 u. 420. 107 J. Werbick: Kirche, S. 322.

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sichtlich wird. Wie der Heilige Geist in der Filioque-Tradition primÅr als Gabe von Vater und Sohn sowie als geistliche Einheit beider gilt und sein Einfluß auf den Sohn deshalb kaum zur Geltung kommt, so erscheint er ekklesiologisch vorwiegend als spirituelle QualitÅt der gesamtkirchlichen Communio, wodurch er kaum Einfluß auf die christomonistisch geprÅgten Strukturen erhÅlt. Reformen geraten deshalb nur auf der spirituellen und moralischen Ebene ins Blickfeld, wÅhrend sie auf der strukturellen Ebene als unangemessen abgewiesen werden: „Die wirklich Glaubenden messen dem Kampf um die Reorganisation kirchlicher Formen kein allzu großes Gewicht bei. Sie leben von dem, was die Kirche immer ist. [. . .] Denn die Kirche ist am meisten nicht dort, wo organisiert, reformiert, regiert wird, sondern in denen, die einfach glauben“108. Der Glaube sei stets auf die relational geprÅgte SelbstentÅußerung hin zu messen, was sich auf seine moralischen Implikationen auswirke, aber nicht auf die kirchlichen Strukturen.109 Entsprechend kommt dem Heiligen Geist keine kirchenkritische Funktion zu, sondern er ist gekennzeichnet als „Geist des Ertragens“110 oder „als kirchliche Geduld“111. Als einheitlicher Geist des „Christus totus“ (Kirche) bewirkt der Heilige Geist weniger die perichoretische Koinonia gegenseitiger Liebe in der Gemeinschaft der Heiligen und den damit verbundenen gemeinsamen Gehorsam gegenÛber Gott, sondern er erhebt die Kirche zum GegenÛber der Glaubenden: „Der Gehorsam gegen die Kirche ist die Konkretheit unseres Gehorsams.“112 Zu welcher zentralen soteriologischen Gr×ße das gesamtkirchliche Subjekt angesichts der bisherigen Beobachtungen wird, belegt eine ºberschrift aus Ratzingers Vortrag „Theologie und Kirche“: „Das neue Subjekt als Voraussetzung und Grund aller Theologie“113. In dieser Tragweite fand Ratzingers Ansatz Eingang in die ErklÅrung der Glaubenskongregation „Schreiben an die Bisch×fe der katholischen Kirche Ûber einige Aspekte der Kirche als Communio“ (1992). Dem sogenannten Communio-Papier gilt die Gesamtkirche auch als „eine jeder einzelnen Teilkirche ontologisch und zeitlich vorausliegende Wirklichkeit“. Im Unterschied zur Aussage des Zweiten Vatikanischen Konzils, die Gesamtkirche bestehe „in“ und „aus“ den Teilkirchen (Lumen Gentium 23), formuliert das Communio-Papier umgekehrt, daß die Teilkirchen im VerhÅltnis zur Universalkirche „ihre Kirchlichkeit in ihr und aus ihr“114 haben. Obwohl die ErklÅrung ihre Formulierung (Ecclesiae in et ex Ecclesia) nur als interpretierende Er108

J. Ratzinger: EinfÛhrung, S. 286. Vgl. ders.: Gemeinschaft, S. 138. Vgl. ders.: Gemeinschaft, S. 135–143, und ders.: Kirche, S. 37. Dieses Problem Ratzingers erkennen auch M. Volf: TrinitÅt, S. 67 f., und W. Kasper: Wesen, Sp. 184. 110 J. Ratzinger: EinfÛhrung, S. 286. 111 Ders.: Geist, S. 233. 112 Ders.: Theologie, S. 525. 113 Ebd., S. 518. 114 Schreiben, S. 11 (Hervorhebungen im letzten Zitat v. Vf.). 109

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gÅnzung zu Lumen Gentium (Ecclesia in et ex Ecclesiis) verstanden wissen will, wird die Universalkirche in ihrer ontologischen und zeitlichen Vorordnung „allein wirklich Kirche, die Ortskirchen sind es nur im Maß ihrer Teilhabe an ihr“115 (J. Freitag). WÅhrend das Konzil noch die Gegenseitigkeit und GleichursprÛnglichkeit von Ortsund Universalkirche im Blick hatte, betont man jetzt die AbhÅngigkeit der Ortskirchen von der Universalkirche, weil an die Stelle der wiederentdeckten perichoretischen Koinonia-TrinitÅt des Konzils die westlich geprÅgte relational-monistische TrinitÅtslehre Ratzingers getreten ist. Die biblisch-patristische Orientierung des Konzils an der perichoretischen Koinonia mit ihrer Betonung der spezifischen Funktion des Heiligen Geistes und der verschiedenen Charismen verlieh den Ortskirchen und synodal-kollegialen Strukturen stÅrkeres Gewicht. Deshalb konnte der christozentrisch-hierarchisch ausgelegten Leib-Christi-Vorstellung die trinitarisch-heilsgeschichtlich gefÅrbte Volk-Gottes-Metapher zur Seite gestellt werden, was auch das VerstÅndnis von KatholizitÅt beeinflußte. KatholizitÅt erschien so als eschatologisch-heilsgeschichtliche Gr×ße und nicht mehr als apologetisch-ekklesiologisches Erkennungszeichen exklusiver Identifizierung mit der Kirche Christi. Doch aufgrund weiter bestehender trinitarisch-pneumatologischer Defizite blieben die christozentrisch-hierarchische Leib-Christi-Metapher und die trinitarisch-heilsgeschichtliche Volk-Gottes-Metapher unvermittelt nebeneinander stehen, so daß die im Communio-Papier von 1992 wirksame TrinitÅtslehre Ratzingers durch ihr rein relationales und damit wieder monistisches Communio-VerstÅndnis die christozentrischhierarchische Leib-Christi-Metapher erneut zu ekklesiologischer Maßgeblichkeit erheben konnte.116 Viele katholische Theologen gehen davon aus, daß mit dieser Entwicklung zugleich ein „theologischer Legitimationsversuch fÛr das gegenwÅrtige zentralistische Kirchenregiment“117 verbunden ist (J. Werbick). DafÛr spricht die Ableitung, die sich nach Auffassung des Communio-Papiers aus der „Idee vom Corpus Ecclesiarum (Leib der Kirchen)“ zwangslÅufig ergibt, nÅmlich „daß eine Kirche das Haupt der Kirchen ist – dies ist eben die Kirche von Rom, [. . .] Haupt des Corpus (K×rperschaft) oder Kollegiums der Bisch×fe ist [. . .] der Bischof von Rom“118. UnterstÛtzt wird diese r×misch-zentralistische Sicht durch folgendes Postulat: „Der Universalkirche geh×rt man nicht mittelbar an, vermittels der Zugeh×rigkeit zu einer Teilkirche, sondern unmittelbar“119. Das heißt nach Ratzinger fÛr die Communio der Ortskirchen: „Sie ist katholisch, oder sie ist gar nicht.“120 Mit „katholisch“ ist allerdings auch hier zunÅchst die fÛr jede Kirche wesensnotwendige KatholizitÅt gemeint, die zu den notae ecclesiae geh×rt und die faktisch nur in der verborgenen Kirche exi-

115 J. Freitag: Vorrang, S. 75. G. Greshake: Gott, S. 426 f., Anm. 565, verweist auf eine entsprechende Sichtweise im Corpus Iuris Canonici (ClC) von 1983, wo eine Teilkirche nicht als Subjekt g×ttlichen Rechts anerkannt wird, sondern nur die Gesamtkirche. 116 Zu den trinitÅtstheologischen und ekklesiologischen Str×mungen des Zweiten Vatikanischen Konzils s. o., S. 233 ff., und zur neuerlichen zentralistisch-hierarchischen Tendenz siehe Anm. 341, III. Kap. 117 J. Werbick: Kirche, S. 322. 118 Schreiben, S. 13 f. 119 Ebd., S. 11. 120 J. Ratzinger: Gemeinschaft, S. 77.

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stiert. So erkennt Ratzinger an, daß jeder Getaufte Anteil an der Kirche hat, weshalb das Konzil bewußt das „restlos identifizierende ‚est‘ (corpus Christi est ecclesia Romana catholica)“ durch „subsistit“ ersetzt und auch andere Konfessionen als „Kirchen“ bezeichnet habe. Doch er fÛgt sogleich hinzu: „Mit dieser °ffnung ist [. . .] der spezifische Anspruch der r×misch-katholischen Kirche nicht einfach aufgegeben“121, denn sie hat „sich dem schweren Anspruch zu stellen, der darin liegt, daß die katholische Kirche das Paradox wagt und wagen muß, inmitten des angenommenen Plurals sich dennoch auf eine einzigartige Weise den Singular ‚die Kirche‘ zuzuschreiben“122. Diese Relativierung der vollzogenen °ffnung offenbart eine defizitÅre Bestimmung des VerhÅltnisses von verborgener und sichtbarer Kirche, und sie geschieht nicht ohne Grund: Nach Ratzinger bringt die Kirche die „KatholizitÅt bis in den Kern der eucharistischen Liturgie hinein zur Geltung, wenn sie jede eucharistiefeiernde Gemeinde des Ortsbischofs und des Petrusnachfolgers, des Papstes, gedenken lÅßt“123. Entsprechend formuliert das Communio-Papier, „daß die Existenz des Petrusamtes, das das Fundament der Einheit der Bisch×fe und der Universalkirche ist, der eucharistischen Gestalt der Kirche zutiefst entspricht“. Indem zugleich „die Einzigkeit und Unteilbarkeit des eucharistischen Herrenleibes“ bzw. der Kirche herausgestellt wird und der „Primat des Bischofs von Rom“ als „Wesenselement[.] der Gesamtkirche“124 gilt, wird wirkliche Kirchlichkeit außerhalb der r×mischen Kirche nicht mehr denkbar. Vollends kommt diese restriktive ×kumenische Tendenz in der ebenfalls von Ratzinger geprÅgten Verlautbarung der Glaubenskongregation „Dominus Iesus“ (2000) zum Ausdruck, die den protestantischen Kirchen erneut explizit abspricht, „Kirchen im eigentliche Sinn“125 zu sein. Entsprechend will Ratzinger das „subsistit“ mittlerweile weniger als °ffnung verstanden wissen, sondern als Ausdruck dafÛr, daß die wahre Kirche allein in der r×mischen Kirche subsistiere. So kann die vor dem Konzil geÅußerte Ansicht Ratzingers auch heute noch Geltung beanspruchen, wonach „gesagt werden darf: Communio catholica = communio Romana; nur wer mit Rom kommuniziert, steht in der wahren, nÅmlich kath. communio“126. Seine Sicht von der Kirche als einem einzigen Subjekt versucht Ratzinger mit dem Postulat zu unterstreichen, daß „biblisches Denken [. . .] zuerst das Ganze sucht und im Ganzen den einzelnen“127. Angesichts des biblischen Zeugnisses von den einzelnen Schritten der heils×konomischen Geschichte Gottes mit den Menschen erscheint dieses pauschale Urteil allerdings als fraglich. Auch Ratzingers Darstellung eines konstitutiven altkirchlichen r×mischen Primats in Glaubensfragen wird der konziliaren altkirchlichen Situation mit ihrem Wesenselement der Rezeption ebensowenig gerecht wie seine Darstellung der Konzile als reine Bischofssynoden, da hier auch andere Gruppierungen zugegen waren, wÅhrend

121 122 123 124 125 126 127

Ders.: Volk Gottes, S. 236. Vgl. ebd., S. 102 u. 319 ff. Ebd., S. 320. Ders.: Dogma, S. 266. Schreiben, S. 13 f. ErklÅrung, S. 27. J. Ratzinger: Art. „Kirche III“, Sp. 179. Ders.: Volk Gottes, S. 95.

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der r×mische Bischof gelegentlich nur als Appelationsinstanz galt.128 Daß der Bischof von Rom keine administrative Funktion fÛr die Gesamtkirche einnehmen konnte, sieht Ratzinger selbst. Deshalb machte er den ×kumenisch interessanten Vorschlag, man mÛsse von den Ostkirchen nicht mehr an Primatslehre fordern als im ersten Jahrtausend. Denn hier habe es sich nicht um eine administrative Patriarchatsidee im Sinne der Einverleibung der Rechte anderer Patriarchate gehandelt, sondern um den apostolischen Primat der Einheit bzw. der Liebe. Bei diesem Vorschlag stellt sich zunÅchst die Frage, wie er mit der von Ratzinger akzeptierten Lehre des Ersten Vatikanischen Konzils vereinbar ist (Jurisdiktionsprimat).129 Doch bei genauerer Betrachtung deckt sich Ratzingers VerstÅndnis des altkirchlichen Einheitsamts mit der Lehre des Ersten Vatikanischen Konzils. Er versteht unter dem apostolischen Einheitsamt „die Vollmacht verbindlicher Auslegung“, denn die „Einheit der Kirche verlange nach katholischem VerstÅndnis Unterstellung unter die definitive Auslegung des Glaubens durch den Papst. Daran kann und soll nach dem Vatikanum I nicht gerÛttelt werden“130. Daß auch der Zusammenhang mit der Jurisdiktion bestehen bleibt, zeigt der Hinweis, bei der „Letztverantwortung fÛr Einheit und Reinheit des Glaubens“ seien hinsichtlich der „VerwaltungsausÛbung [. . .] die Grenzen fließend“131. Der Duktus dieser Aussagen erklÅrt, warum das CommunioPapier schließlich zu dem Ergebnis kommt: „Das Amt des Primats ist also vom Wesen her ausgestattet mit wahrer bisch×flicher Gewalt – nicht nur h×chster, voller und universaler, sondern auch unmittelbarer Gewalt – Ûber alle, sowohl Ûber die Hirten als Ûber die Ûbrigen GlÅubigen“. Deshalb geh×rt es „innerlich zum eigentlichen Kirchesein jeder Teilkirche“, so daß vorausgesetzt wird: „In jeder gÛltigen Eucharistiefeier kommt die universale Gemeinschaft mit Petrus [. . .] zum Ausdruck“132. Weil der Primat aufgrund des trinitÅtstheologisch-ekklesiologischen Ansatzes Ratzingers eine derart konstitutive Rolle fÛr das Kirchesein spielt, sind andere Kirchen „aufgrund ihrer derzeitigen Situation in ihrem Teilkirchesein verwundet“, wobei den protestantischen Kirchen in „Dominus Iesus“ auch das „Teilkirchesein“ abgesprochen wird. Die „Wunde“ der katholischen Kirche hingegen, die dazu „berufen ist, allen ‚eine Herde und ein Hirt‘ zu sein“, besteht lediglich darin, „ihre UniversalitÅt in der Geschichte“ nicht voll verwirklichen zu k×nnen. Ziel des ×kumenischen Einsatzes bleibt es, daß „allen m×glich werde, das Fortdauern des Petrusamtes in seinen Nachfolgern, den Bisch×fen von Rom, anzuerkennen“133. Hier wÅre aber nur auf der Basis vorbehaltloser Wahrnehmung altkirchlicher Strukturen eine konsensfÅhige Orientierung an einem Dienstamt der Einheit bzw. der Liebe denkbar, wie es auf der FÛnften Weltkonferenz fÛr Glauben und Kirchenverfassung (Santiago de

128 S. o., S. 138 u. 228 ff. Vgl. ferner J. Werbick: Kirche, S. 330 ff. Zu Ratzingers Sicht des Primats in der Alten Kirche vgl. u. a. J. Ratzinger: Gemeinschaft, S. 64 ff., und ders.: Volk Gottes, S. 132 f. 129 Vgl. M. Haudel: Vorsitz, S. 460. Vgl. ferner J. Ratzinger: Volk Gottes, S. 132 f. 130 J. Ratzinger: Volk Gottes, S. 142 f. 131 Ebd., S. 133. 132 Schreiben, S. 14 f. Vgl. J. Ratzinger: Kirche, S. 77 f., wo Ratzinger betont, der Primat dÛrfe nicht „zur bloßen Manifestation herabgemindert“ werden. 133 Schreiben, S. 18 (letzte Hervorhebung v. Vf.).

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Compostela 1993) formuliert wurde: „Ein solcher Dienst sollte in einer pastoralen Weise ausgeÛbt werden – als ‚Vorsitz in der Liebe‘. [. . .] Dieses Amt muß an die Gemeinschaft aller Kirchen und deren Leitungspersonen gebunden sein und dient dem ganzen Volk Gottes“134. Auch wenn Ratzinger einem pastoralen Vorsitz in der Liebe grundsÅtzlich zustimmen kann, geht der r×mische Vollmachtsanspruch, den er fÛr dieses Amt reklamiert, Ûber die altkirchliche Grundlage hinaus. In Åhnlicher Weise befindet sich Ratzinger mit den Ergebnissen des Communio-Papiers im Widerspruch zu den Ergebnissen des von ihm mitgetragenen katholisch-orthodoxen Dialogs, insofern als dort keine ontologische Vorordnung der Gesamtkirche erfolgte, sondern die Kirche als Koinonia der Kirchen oder Communio vieler Gemeinden verstanden wird.135 Mit der hier erkennbaren AnnÅherung an die altkirchliche Koinonia und deren BerÛcksichtigung der interpersonalen Dimension des jeweiligen Selbstandes der Lokalkirchen ist das im Communio-Papier wirksame relational-monistische Communio-VerstÅndnis des einen kirchlichen Subjekts kaum vereinbar, so daß mit JÛrgen Werbicks Worten festzuhalten bleibt: „[. . .] sehr unterschiedliche Ekklesiologien lassen sich offenkundig vom Grundwort ‚communio/koinonia‘ ableiten“136. Das gilt auch fÛr das VerstÅndnis der eucharistischen Ekklesiologie, die Ratzinger durch ihre Bindung an das universalistisch-hierarchische Amt zur Vorordnung der Gesamtkirche dient, wÅhrend andere katholische Theologen betonen, daß die Eucharistie die Universalkirche nur „mittelbar“, die Ortskirchen hingegen „unmittelbar“ bestimmt: „Der Bischof, nicht der Papst, ist auch nach westlicher Theologie fÛr die Eucharistie und die daraus erwachsende Kirche konstitutiv“. Das wiederum hat Konsequenzen fÛr das VerstÅndnis des Amtes, das sich vor diesem Hintergrund gemeinschaftlich-perichoretisch und nicht zentralistisch-hierarchisch darstellt: „Der Bischof empfÅngt alle fÛr seinen Hirtendienst notwendigen Vollmachten als unmittelbare und ordentliche Gewalt aufgrund seines Amtes, nicht durch den Papst [. . .], wobei sein Amt bestimmt ist durch die Ortskirche“137. Doch weil Ratzinger analog seiner relational-monistischen TrinitÅtslehre alles zentralistisch der Gesamtkirche zuordnet und die Ortskirchen von der Universalkirche ableitet, gelangt er zu der innerkirchlich und ×kumenisch bedenklichen EinschÅtzung, daß alles, was nicht aus der Gesamtkirche und ihrem hierarchischen Amt kommt, selbstgemacht und daher nicht Gott entsprechend sei. „Ein Glaube, ein Kirchesein, das Wort Gottes, eine Liturgie, die man nicht von der Gesamtkirche empfangen hat, sind ein ‚selbsterfundener Glaube‘, eine ‚selbstgemachte Gemeinde‘“138. Deshalb kann Ratzinger Strukturen, die nicht mit der gesamtkirchlichen Hierarchie konform sind, pauschal der ProfanitÅt verdÅchtigen: „Aus der EgalitÅt [. . .] folgt ProfanitÅt“139. Daraus ergibt sich die Unterstellung, daß den protestantischen Landeskirchen „ihr geistlicher Charak-

134 G. Gaßmann/D. Heller (Hg.): Santiago de Compostela, S. 233. Vgl. M. Haudel: Vorsitz, S. 460, wo die M×glichkeiten einer VerstÅndigung Ûber ein Dienstamt der Einheit er×rtert werden. 135 Vgl. J. Freitag: Vorrang, S. 79, der diese Beobachtung detailliert belegt. 136 J. Werbick: Kirche, S. 324. 137 J. Freitag: Vorrang, S. 80 f. 138 M. Volf: TrinitÅt, S. 61, der Ratzinger hier zutreffend analysiert und zitiert. 139 J. Ratzinger: Prinzipienlehre, S. 260.

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ter fehlte“140. Als ebenso unreflektiert erscheint das Urteil Ûber reformatorisches KirchenverstÅndnis: „[. . .] Kirche wurde zum Negativbegriff“141. Wie unzutreffend dieses Urteil ist, belegen nicht nur aktuelle protestantische Stimmen („Christsein heißt in der Kirche sein“142), sondern auch Šußerungen Luthers, die sich Åhnlich bei Calvin und anderen Reformatoren finden, wie etwa der Hinweis, daß die Kirche „ein yglichen Christen zeugt und tregt“143. Dabei unterscheiden die Reformatoren allerdings deutlich zwischen g×ttlichem Heilshandeln und kirchlichem Handeln, und berÛcksichtigen die Dimension des Selbstandes, die den ortskirchlichen Gemeinschaften sowie den einzelnen Glaubenden in der Gemeinschaft der Heiligen zukommt.

Indem Ratzinger durch seine rein relationale TrinitÅtslehre, in der die trinitarischen Personen in der Einheit des g×ttlichen Wesens aufgehen, die Dimension des Selbstandes ausblendet und Ortskirchen sowie Glaubende im zentralistisch-hierarchisch strukturierten Subjekt der ontologisch vorgeordneten Universalkirche aufgehen lÅßt, kann er weder fÛr eine Koinonia autokephaler Ortskirchen (orth.) noch fÛr eine Verankerung kirchlicher Koinonia im allgemeinen Priestertum und in ortskirchlichen Strukturen (prot.) VerstÅndnis aufbringen. Dabei berÛcksichtigt er kaum, daß auch die orthodoxe Theologie die universalkirchliche PrÅsenz in den Ortskirchen ernst nimmt (I. D. Zizioulas) und protestantische Ekklesiologie die Gemeinschaft aller Heiligen voraussetzt. So wird verstÅndlich, warum die von Ratzinger geprÅgte Verlautbarung „Dominus Iesus“ erneut die wahre Kirche exklusiv mit der r×misch-katholischen Universalkirche identifiziert und bisherige ×kumenische Fortschritte bremst, die durch andere theologische AnsÅtze – und das Zweite Vatikanische Konzil – erreicht oder anvisiert wurden.144 Die Ursache der zentralistisch-monistischen TrinitÅtslehre Ratzingers und des entsprechenden KirchenverstÅndnisses liegt maßgeblich in der defizitÅren Qualifizierung des Personbegriffs, der weder den biblischen und patristischen Quellen noch der modernen Anthropologie gerecht wird. In Anlehnung an den rein relationalen Personbegriff einer einseitig weiterentwikkelten augustinischen Tradition und an damit korrespondierende idealistische PrÅmissen Ûbergeht Ratzingers intrapersonaler Ansatz die biblischheils×konomisch bezeugte Gleichzeitigkeit von intra- und interpersonaler

140

Ebd., S. 322. Ders.: Kirche, S. 18. 142 G. R. Schmidt: Bedeutung, S. 91. Im Blick auf eine ebenso unberechtigte Abwertung des protestantischen AmtsverstÅndnisses durch Ratzinger vgl. die ×kumenische Er×rterung des „allgemeinen Priestertums“ bei H.-M. Barth: Priester. 143 WA 30/I;188,24 f. 144 S. o., S. 239 f. Zu „Dominus Iesus“ vgl. ErklÅrung, Nr. 16 u. 17. Vgl. ferner M. Haudel: Votum. 141

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Dimension Gottes. Diese weist aufgrund der heils×konomisch erkennbaren gegenseitigen Gemeinschaft von Vater, Sohn und Heiligem Geist einen Selbstand in Relation auf. In der perichoretischen altkirchlichen Koinonia kommen diese Aspekte im Unterschied zu Ratzingers rein relationalem Communio-VerstÅndnis noch zum Tragen.145 Das gilt auch fÛr den modernen Personalismus, der gegenÛber der idealistischen Auffassung von der Absolutheit des Subjekts ein vertieftes VerstÅndnis der Person wiedergewann, indem er den konstitutiven Zusammenhang von Selbstand und Beziehung neu entdeckte.146 Sowohl Selbstand als auch Relation sind Voraussetzung fÛr die in der Schrift bezeugte Gemeinschaft zwischen Gott und Mensch, die durch Liebe und Freiheit gekennzeichnet ist und pers×nliche Verantwortung vor Gott und den Mitmenschen beinhaltet. Ein solches VerstÅndnis von Koinonia lÅßt sich aber nur durch ein angemessenes VerhÅltnis von Christologie und Pneumatologie erzielen. Als Geber und Gabe erm×glicht der Heilige Geist nicht nur die Einwohnung Gottes in den Herzen der einzelnen Glaubenden und eine existentielle Gottesbeziehung, sondern auch die Gemeinschaft dieser Glaubenden mit Gott und untereinander im Leib Christi. Damit garantiert er ein angemessenes VerhÅltnis von „GegenÛber und NÅhe“ Gottes, das durch die freie Gemeinschaft zwischen Haupt und Gliedern sowie zwischen den Gliedern untereinander sowohl kollektivistischen als auch partikularistischen Einseitigkeiten entgegensteht. DemgegenÛber erweist sich Ratzingers filioquistisch-christozentrischer Ansatz als unangemessen, insofern als er die Glaubenden ohne angemessene BerÛcksichtigung ihres Selbstandes in die Kollektivperson Kirche (Christus totus) mit dem ihr inhÅrenten Geist einfÛgt. So wird Ratzinger weder dem vom Geist als Geber garantierten GegenÛber-Sein von Gott und einzelnen Glaubenden noch der differenzierten christologischpneumatologisch strukturierten Koinonia aller Glaubenden gerecht. Das schlÅgt sich auch in der analogen EinfÛgung der Ortskirchen in das universalkirchliche Subjekt nieder. Auf diese Weise sperrt sich Ratzingers Vorstellung von einem gesamtkirchlichen Subjekt mit zentralistischer Amtshierarchie auch gegen die innerkatholische Suche nach der Wiedergewinnung einer wirklich perichoretischen Communio, welche die Gegenseitigkeit von Universal- und Ortskirche ebenso wahrnimmt wie die von ordiniertem Amt und allgemeinem Priestertum.147 An Ratzingers Konzeption lÅßt sich im Kontext der

145

S. o., S. 104 ff. u. 131 ff. Vgl. W. Pannenberg: Person, S. 140 ff. 147 Als Verfechter der Suche nach einem angemessenen Koinonia-VerstÅndnis lassen sich z. B. G. Greshake, P. HÛnermann, J. Werbick, W. Kasper und J. Freitag nennen. Zu einigen dieser AnsÅtze s. u., S. 435 ff. 146

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katholischen Theologie ablesen, wie eine einseitig geprÅgte TrinitÅtslehre zu einer entsprechend einseitig ausgerichteten Ekklesiologie fÛhrt und wie umgekehrt ekklesiologische Interessen trinitÅtstheologische PrÅmissen festigen.

2. Die Gefahr einer patromonistisch und pneumatozentrisch beeinflußten Ekklesiologie (I. D. Zizioulas/orthodox) Der theologische Entwurf von Ioannis D. Zizioulas bietet sich in vielfacher Hinsicht an, die trinitÅtstheologische BegrÛndung eines einflußreichen ekklesiologischen Ansatzes orthodoxer Theologie zu untersuchen sowie zu eruieren, wo weiterhin trinitarische und ekklesiologische Defizite auftreten und in welchem Zusammenhang sie miteinander stehen. Als einer der gegenwÅrtig bedeutendsten orthodoxen Theologen versucht Zizioulas nicht nur eine Synthese zwischen verschiedenen theologischen Richtungen innerhalb der Orthodoxie zu erreichen, sondern auch zwischen ×stlicher und westlicher Theologie. Dabei kommt ihm sein Einfluß als Metropolit (Titularbischof) und Wissenschaftler ebenso zugute wie sein jahrzehntelanges ×kumenisches Engagement. Sein theologisches Wirken beruht auf der Einsicht, daß eine angemessene Gottes- bzw. TrinitÅtslehre konstitutiv fÛr das KirchenverstÅndnis und damit auch fÛr die ×kumenische Einheit der Kirchen ist: Die „Suche nach Einheit“ braucht „eine stichhaltige Lehre von Gott als Dreieinigkeit“, weil „die Kirche nicht existieren und funktionieren kann ohne Bezug auf die heilige Dreieinigkeit“148. Zizioulas, der als „ein das ekklesiale Sein ergrÛndender Denker“149 sowie als „einer der wichtigsten Vertreter einer (neo)kappadozischen TrinitÅtslehre“150 gilt, erkennt in der neunizÅnischen TrinitÅtslehre der Kappadozier und in der Theologie des Maximus Confessor (gest. 622) eine ×kumenische Basis fÛr die Ekklesiologie in Ost und West, wobei er diese Basis jedoch einseitig von frÛheren syrischen und palÅstinensischen Str×mungen her auslegt.151

148 I. D. Zizioulas: Kirche, S. 98 u. 104. Vgl. ders.: Doctrine, S. 27: „[. . .] progress towards the visible unity of the Church will inevitably depend in the future on the way Trinitarian doctrine affects Ecclesiology“. Zu seinem Interesse am innerorthodoxen Dialog und zu seiner ×kumenischen Ausrichtung am VerhÅltnis von ×stlicher und westlicher Theologie vgl. ders.: Kirche, S. 95 ff.; ders.: Being, S. 25 f.; ders.: Eschatologie, S. 373 ff.; ders.: Response, S. 342 ff., und ders.: Christologie, S. 124 ff. Vgl. ferner zu seiner theologischen und ×kumenischen Bedeutung P. McPartlan: Eucharist, S. 124–130; ders.: Rezension „I. D. Zizioulas: Being“, S. 78 f.; M. Volf: TrinitÅt, S. 22 f. u. 70 f., und R. Williams: Rezension „I. D. Zizioulas: Being“, S. 101 f. 149 M. Volf: TrinitÅt, S. 70. 150 C. Schw×bel: TrinitÅtslehre, S. 150. Vgl. I. D. Zizioulas: Doctrine/Holy Trinity. 151 Das wird die Untersuchung erweisen. Zum RÛckgriff auf die Kappadozier und auf Maximus Confessor vgl. z. B. I. D. Zizioulas: Wahrheit, S. 19 ff., und ders.: Doctrine/Holy Trinity. Vgl. ferner P. McPartlan: Eucharist, S. 124 f.

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2.1 TrinitÅtstheologische PrÅmissen Angesichts der defizitÅren Weiterentwicklung von ost- und westkirchlicher TrinitÅtslehre und Ekklesiologie in nachpatristischer Zeit strebt Zizioulas auf der Grundlage der griechischen VÅter und in Anlehnung an seinen Lehrer Georges Florovsky eine „neopatristische Synthese“ an, welche Einseitigkeiten westlicher und ×stlicher Tradition zu Ûberwinden vermag.152 Hier geht es nach Zizioulas zum einen um die christomonistische Tendenz im Westen, die sich in ihrer geschichtlichen, juridischen und ethischen Ausrichtung mit einer individualistischen Gnadenlehre, einer institutionalistischen Ekklesiologie oder einem ekklesiologischen Universalismus verbindet. Denn die VernachlÅssigung der Pneumatologie blende neben der „g×ttlichmenschlichen“ Dimension auch die Gemeinschaft der Glaubenden in individualistischer oder kollektivistischer Form aus. Das habe nicht nur einen anthropologischen Individualismus und soziologisch-aktivistische Sichtweisen zur Folge, sondern auch eine Dichotomie zwischen institutioneller und spiritualistisch-mystischer Fr×mmigkeit. Zum anderen nennt Zizioulas die pneumatomonistischen Tendenzen der Ostkirchen, die den eschatologischen, liturgischen und metahistorischen Zugang zum Glauben widerspiegeln. Das k×nne neben einer mangelnden BerÛcksichtigung des geschichtlichen Aspekts zur VernachlÅssigung von Weltverantwortung und Diakonie sowie zu einer entsprechend triumphalistischen Symphonia von Staat und Kirche fÛhren, die in nationalkirchlicher und partikularistischer Ekklesiologie zum Ausdruck komme.153 Die Einseitigkeiten der beiden Traditionen ergeben sich fÛr Zizioulas aus „einer Abweichung von der christologisch-pneumatologischen Synthese“ der Patristik, so daß Ost- und Westkirche jeweils eine angemessene Synthese zwischen Christologie und Pneumatologie anzustreben haben, da diese „eine conditio sine qua non fÛr ein richtiges VerstÅndnis der Kirche“154 darstellt. In besonderer Weise gilt das fÛr das VerhÅltnis von Orts- und Universalkirche bzw. fÛr die ºberwindung pyramidal-universalistischer oder partikularistischer AnsÅtze: „Theologisch gesehen haben wir es hier mit dem Problem der richtigen Verbindung von Christologie und Pneumatologie (oder anders gesagt, mit dem richtigen VerstÅndnis des ‚Einen‘ und des ‚Vielen‘ –

152 Vgl. I. D. Zizioulas: Being, S. 25 f.; ders.: Dimension, S. 134 ff. u. 146 f., und P. McPartlan: Eucharist, S. 124 ff. 153 Vgl. I. D. Zizioulas: Response, S. 343 ff.; ders.: Christologie, S. 124 f. u. 129; ders.: Dimension, S. 144 ff.; ders.: Kirche, S. 100; ders.: Eschatologie, S. 376 u. 383, und ders.: Grundlage, S. 69 ff. 154 Ders.: Dimension, S. 135 u. 146. Vgl. ders.: Christologie, S. 126 u. 138 f., wo Zizioulas betont, daß weder Ost- noch Westkirche dieser Aufgabe bisher gerecht geworden sind.

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d. h. der Dreiheit – in der Heiligen Dreieinigkeit) zu tun.“155 Vor diesem Hintergrund vollzieht Zizioulas unter Bezugnahme auf Florovsky gegenÛber orthodoxer Tradition eine ekklesiologische Besinnung auf die Christologie (Leib Christi), wobei er aber anders als sein Lehrer auf eine pneumatologische Determination der Christologie zielt.156 Außerdem steht seine christologische Besinnung weiterhin im Kontext patromonistischer PrÅmissen. Die letzten beiden Hinweise, welche die Untersuchung belegen wird, deuten bereits darauf hin, daß auch Zizioulas’ BemÛhungen um ein ausgewogenes Gottes- und KirchenverstÅndnis nach wie vor spezifisch orthodoxe Charakteristika der Interdependenz von trinitÅtstheologischen und ekklesiologischen Defiziten aufweisen. Als Ursache der noch bestehenden Defizite offenbaren sich auch bei Zizioulas seine offenbarungs- und trinitÅtstheologischen PrÅmissen. ZunÅchst wendet er sich mit Recht gegen griechisch-philosophische und scholastische Konzeptionen eines monistischen oder dualistischen VerstÅndnisses von Gott und Welt, das sich bis in die orthodoxe Schultheologie erstreckt. Ob von einer vorgegebenen Ideenwelt und einem Kosmos ausgehend, der die Geschichte ausschließt (Platonismus), oder von einer geschichtlichen Selbstbewegung (Aristotelismus), jedesmal handele es sich um einen Seinsmonismus, der von Notwendigkeit geprÅgt sei und kein freies GegenÛber von Gott und Welt kenne. Auch die lineare hebrÅische Geschichtsauffassung erscheine als statisch, weil sie in ihrer linearen Orientierung nicht offen sei fÛr Unterbrechungen des vorgegebenen geschichtlichen Ablaufs und die eschatologische Gegenwart Gottes vor Ende dieses Ablaufs. Statischen und monistischen Denkweisen entsprechen nach Zizioulas pyramidal-kollektivistische und partikular-individualistische Konzeptionen, die zwischen der Einzigkeit des Seins (Platonismus) und der Vielfalt von Wahrheiten (Artistotelismus) oszillieren. Als Ursache dieses Denkens benennt Zizioulas die Individuation von Mensch und Sein, die aus dem Bruch der Gemeinschaft mit Gott resultiert. Mit „dem Anspruch, Gott zu sein, hat der Mensch Adam seinen Kreis geschaffen, in dem er selbst den Mittelpunkt bildet. Alles Sein bezieht sich daher in letzter Konsequenz auf den Menschen“, denn „die menschliche Anschauung der Dinge wird zum SchlÛssel des Erkennens“157. Der Ontologie des Seins und ihrer Hermeneutik der Individuation haben die KirchenvÅter laut Zizioulas in biblischer Orientierung eine Ontologie der Person und eine Hermeneutik der Gemeinschaft entgegengesetzt.158 Im Unterschied zur bis dahin paradigmatischen Vorstellung des Aristoteles, Leben oder Relation seien zum Sein hinzutretende QualitÅten, wurde der Beziehungsbegriff jetzt zum Bestandteil der Ontologie. Gottes Sein fÅllt mit seinem Personsein zusammen und die trinitarische Ders.: Kirche, S. 100. Vgl. ders.: Being, S. 158 ff.; ders.: Dimension, S. 133, und ders.: Christologie, S. 124 ff. 157 Ders.: Wahrheit, S. 31. Vgl. insgesamt ebd., S. 3 ff., 27 ff., 32 ff.; ders.: Being, S. 16 f.; ders.: Being/Person, S. 38 ff.; ders.: Capacity, S. 403 ff., und P. McPartlan: Eucharist, S. 144 f. 158 Das Begriffspaar „Hermeneutik der Individuation/der Gemeinschaft“ verwendet Zizioulas zwar nicht explizit, aber es trifft prÅzise seine Intention. 155 156

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Einheit in Vielfalt offenbart, daß Gottes Sein Liebe ist, an der menschliches Sein teilhat159, weshalb Zizioulas im Unterschied zur Ontologie des Seins auch von der Ontologie der Liebe sprechen kann. Durch die entsprechende Ontologie der Person werden seines Erachtens legitime Interessen bisheriger Weltanschauungen aus ihren statischen Konzeptionen befreit und durchaus zum Ziel gebracht: Die Geschichtlichkeit Christi als des Logos Gottes erweist sich als Wahrheit fÛr Griechen und Juden zugleich, weil sie das griechische Interesse an der durchhaltenden Bedeutung des Seins ebenso umfaßt wie das jÛdische Interesse am Ziel der Geschichte. ºber diese Interessen hinaus wird das Sein nach christlichem VerstÅndnis jedoch aus dem Gott und Welt vereinnahmenden circulus vitiosus befreit und der lineare geschichtliche Verlauf fÛr die transtemporale eschatologische Gegenwart Gottes in Christus und im Heiligen Geist ge×ffnet.160 Zizioulas bedauert, daß diese patristische Charakterisierung der biblischen Ontologie von Gott und Welt nach dem 4. Jahrhundert erneut unter den Einfluß der Substanzontologie und ihrer rationalen Hermeneutik geriet. Die scholastische Vorordnung des Traktats „De Deo uno“ ließ den Menschen natÛrlich-theologisch als TrÅger einer natÛrlichen Potenz der Gottesbeziehung (capax Dei) erscheinen, die man scholastisch-substantiell, augustinisch-psychologisch oder kantianisch-moralisch als QualitÅt des Menschen charakterisierte (gratia creata). Den darauf beruhenden Zusammenhang von natÛrlicher und ÛbernatÛrlicher Gotteserkenntnis lehnten vor allem protestantische Vertreter einer reinen Offenbarungstheologie ab, weil sie Gott durch die postulierten natÛrlichen Voraussetzungen determiniert sahen. Die rationale Auseinandersetzung um das jeweilige Bekenntnis und seine objektivierenden Definitionen von Kirche habe sich nach dem Fall von Byzanz auch auf die Ostkirchen ausgewirkt, die ebenfalls mit der Erstellung eigener „Bekenntnisschriften“ (Petrus Mogilas u. a.) begannen. So sei wie im Westen eine rational-statische Schultheologie entstanden.161 Gleichzeitig habe die westliche biblische und patristische Besinnung des 19. und 20. Jahrhunderts auch im Osten eine RÛckkehr zu den altkirchlichen Grundlagen ergeben, womit die Wiederentdeckung der ekklesiologischen Dimension der Eucharistie (z. B. W. Elert/prot., N. N. Afanasiev/orth.) einherging, die an die Gemeinschaft zwischen Gott und Mensch sowie der Menschen untereinander in der eucharistisch konstituierten Lokal- und Universalkirche erinnert. Daß die Eucharistie sowohl auf die vertikale als auch auf die horizontale Koinonia hinweist, hÅlt Zizioulas angesichts der klerikal-institutionalistischen (r×m.-kath.) und individualistischen (prot.) Fehlentwicklungen fÛr erwÅhnenswert. Durch die ºberwindung der substanzontologi-

Vgl. I. D. Zizioulas: Doctrine/Holy Trinity. Laut Zizioulas „gibt es keinen anderen Fall, in dem es der philosophischen Sprache gelungen wÅre, Anfang und Ende des Seins miteinander zu verbinden, ohne sich in einen circulus vitiosus zu verfangen“ (I. D. Zizioulas: Wahrheit, S. 28). Vgl. insgesamt ebd., S. 6, 12, 18 ff., 24 ff., 31 ff.; ders.: Being, S. 17 f., 27 ff., 67 ff.; ders.: Capacity, S. 410 f.; ders.: Being/Person, S. 38 ff.; ders.: Dimension, S. 136 f.; M. Volf: TrinitÅt, S. 72 ff.; C. Schw×bel/C. E. Gunton (Hg.): Persons, S. 14 f. 161 Vgl. insgesamt I. D. Zizioulas: Eucharistie, S. 163 ff.; ders.: Capacity, S. 403 ff.; ders.: Being, S. 17 u. 20; ders.: Wahrheit, S. 19; ders.: Response, S. 347; P. McPartlan: Eucharist, S. XIV, XVI, 126 f.; R. Williams: Rezension „I. D. Zizioulas: Being“, S. 105. 159 160

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schen Gottesvorstellung und ihrer anthropologischen Analogien k×nnen Gott und Kirche von der gemeinschaftlich qualifizierten trinitarischen Koinonia her verstanden werden, die eine relational-existentialistische Ontologie verlangt. In ihr sieht Zizioulas eine BrÛcke zwischen den maßgeblichen KirchenvÅtern und moderner Philosophie und Naturwissenschaft. Die moderne Philosophie habe ebenso wie die Naturwissenschaft erkannt, daß Sein relational konstituiert sei. Besonders die existentialistische Philosophie beinhalte die relational-existentialistische Dimension des Personseins und den dazugeh×rigen Aspekt personaler Freiheit, so daß man dem PersonverstÅndnis bedeutender KirchenvÅter teilweise wieder sehr nahe komme.162 Doch trotz der zu erkennenden patristischen Besinnung kann die ºberwindung der Ontologie des Seins laut Zizioulas noch nicht als abgeschlossen gelten.163 So kritisiert er die weiterhin bestehende Unterscheidung von natÛrlicher und ÛbernatÛrlicher Gotteserkenntnis in westlichen AnsÅtzen ebenso wie eine Ûberzogene apophatische Theologie im Osten, die den historischen, verbalen und revelatorischen Gehalt der Offenbarung weitgehend ausblendet. Außerdem zeigt er an Afanasievs pneumatozentrischer Orientierung, wie aus diesem Defizit eine nahezu kongregationalistische PrioritÅt der Ortskirche entsteht, wÅhrend aus r×misch-katholischen AnsÅtzen christomonistischer PrÅgung institutionell-pyramidale Konzeptionen resultieren, die die (Universal-)Kirche der Eucharistie als deren Konstitutivum vorordnen, statt die Interdependenz von lokaler eucharistischer Gemeinschaft und Universalkirche wahrzunehmen. So werde das Amt von der lokalen eucharistischen Gemeinschaft getrennt und die Ordination als ºbertragung einer sakramentalen Gnade mißverstanden, was vor dem Hintergrund der eucharistischen Koinonia ebenso unangemessen sei wie ein rein funktionales AmtsverstÅndnis auf protestantischer Seite. Doch nicht nur solche Reduktionen fÛhrt er auf eine rational-scholastische Hermeneutik zurÛck, sondern auch ein physisches TheosisverstÅndnis in der orthodoxen Theologie, das Theosis nicht als personale Wiederherstellung der Gemeinschaft von Gott und Mensch versteht, sondern als physisch-substantiellen Prozeß.164

Vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen fordert Zizioulas gegenÛber der Seins- und Substanzontologie eine Ontologie der Person, wobei es jedoch zur ºberreaktion kommt, die dazu fÛhrt, daß Zizioulas’ Konzeption WidersprÛche zu ihrer Zielbestimmung enthÅlt. Das Ziel bestand darin, die statische Theologie des mit Notwendigkeit, Individualismus und Kollektivis-

162 Vgl. I. D. Zizioulas: Wahrheit, S. 34 u. 46, und ders.: Being, S. 18. Vgl. insgesamt ebd., S. 17 ff., 143 ff., 209 ff., 247 ff.; ders.: Wahrheit, S. 35 ff.; ders.: Eucharistie, S. 172 ff.; ders.: Christologie, S. 124 ff., 131 ff., 139 f.; ders.: Dimension, S. 133 ff. u. 146 f.; ders.: Doctrine, S. 20 ff.; ders.: Welt, S. 342 f.; M. Volf: TrinitÅt, S. 72 ff. u. 93 ff.; P. McPartlan: Eucharist, S. 128 ff. 163 Vgl. I. D. Zizioulas: Christologie, S. 139, und ders.: Eucharistie, S. 172: „Außerdem muß auch gesagt werden, daß die neue Denkweise die [. . .] scholastischen Tendenzen noch nicht vollstÅndig ersetzt hat“. 164 Vgl. insgesamt ders.: Capacity, S. 440; ders.: Being, S. 64 f.; ders.: Christologie, S. 124 ff. u. 132; ders.: Dimension, S. 134 ff.; ders.: Eschatologie, S. 379; ders.: Welt, S. 345; ders.: presuppositions, S. 340 f.; M. Volf: TrinitÅt, S. 105 f.; P. McPartlan: Eucharist, S. 131 u. 152; ders.: Rezension „I. D. Zizioulas: Being“, S. 81.

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mus verbundenen Seinsmonismus durch eine differenzierter trinitarisch begrÛndete Theologie personaler und freier Gemeinschaft zu ersetzen, um eine gemeinschaftlichere Ekklesiologie zu erlangen. Aufgrund der im folgenden dargelegten ºberreaktion wird diese Zielbestimmung aber vielfach nicht erreicht. Die ºberreaktion gegenÛber der monistischen Ontologie der Substanz beruht zunÅchst auf einer VernachlÅssigung differenzierterer AnsÅtze der griechischen Ontologie (mittlerer Platonismus, Plotin) und einer einseitig negativen Bewertung der „Substanz“ bzw. „Natur“ in der Theologiegeschichte. So unterstellt Zizioulas augustinisch-westlicher Theologie zu Unrecht, sie betrachte die g×ttliche ou™sı´a als kausales Prinzip der g×ttlichen Personen, worauf er mit dem Postulat der ontologischen PrioritÅt des Partikularen bzw. der Hypostase (Person) reagiert. Das geschieht allerdings in widersprÛchlicher Weise, insofern als Zizioulas einerseits die personale PartikularitÅt auf die Ebene der ontologischen PrioritÅt erhebt („to the level of ontological primacy“165) und andererseits verneint, „daß die g×ttlichen Personen eine ontologische PrioritÅt vor der einen Substanz Gottes haben“166. Ausschlaggebend fÛr die sich dennoch durchsetzende ontologische PrioritÅt des Partikularen bzw. Personalen in Zizioulas’ Entwurf ist die pauschale Unterteilung in westliche Hermeneutik der „Natur“ (Substanz) und ×stliche Hermeneutik der „Person“, was beiden Seiten nicht gerecht wird. Der als personal qualifizierten ostkirchlichen Tradition schließt sich Zizioulas mit dem Hinweis an, daß sie sowohl vor der Gefahr eines „natÛrlichen“ Anthropomorphismus als auch vor der substanztheologisch verursachten Gefahr des Institutionalismus und Klerikalismus schÛtze.167 Es wird sich erweisen, daß diese EinschÅtzung nicht zutrifft. Außerdem resultiert aus dieser Pauschalisierung eine verzerrte Charakterisierung westlicher Theologie als natÛrlich-funktional, historisch, ethisch und sozial. Eine derartige Theologie lasse das Handeln und die Natur zur Voraussetzung der Offenbarung werden.168 Im Unterschied dazu nehme ein angemessenes ostkirchliches OffenbarungsverstÅndnis die Gemeinschaft zwischen g×ttlicher und menschlicher PersonalitÅt in apophatisch-offener Weise ebenso ernst wie den Vollzug dieser Gemeinschaft in der Eucharistie.

165 I. D. Zizioulas: Being/Person, S. 41. Vgl. ders.: Capacity, S. 416, und ders.: Doctrine/Holy Trinity, S. 53 f. Zum unberechtigten Vorwurf an den Westen, er verstehe die Substanz als kausales ontologisches Prinzip, vgl. ders.: Being, S. 88 (= ders.: Wahrheit, S. 19), und ders.: Being/ Person, S. 40. Vgl. dazu auch die Kritik von R. Williams: Rezension „I. D. Zizioulas: Being“, S. 104, der ebenfalls den zu undifferenzierten Umgang mit dem Spektrum der griechischen Philosophie bemÅngelt. 166 I. D. Zizioulas: Christologie, S. 133. 167 Vgl. ders.: Capacity, S. 419 f.; ders.: Response, S. 343; ders.: Being, S. 55. 168 Vgl. ders.: Eschatologie, S. 378 ff.; ders.: Being, S. 20; ders.: Grundlage, S. 68 ff.

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Diese Unterscheidung deutet bereits die Grundlage fÛr die Einseitigkeit von Zizioulas’ OffenbarungsverstÅndnis an. Sie steht in Zusammenhang mit der negativen Wertung von Natur und Substanz. Zizioulas befÛrchtet, daß die Verbindung von immanenter und ×konomischer TrinitÅt das Risiko der AbhÅngigkeit Gottes von weltlicher Natur und Geschichte beinhalte. Weil Zizioulas dem natÛrlichen Sein eine rein existential verstandene Gemeinschaft personalen Lebens entgegensetzt und der Ontologie natÛrlich-substantieller QualitÅten mit rein personaler Geistigkeit begegnet, bestreitet er die M×glichkeit wesensgemÅßer ×konomischer Gotteserkenntnis. Die – wie im platonischen Leib-Seele-Dualismus – als minderwertig eingestuften natÛrlich-historischen Voraussetzungen k×nnen keine TrÅger der Gotteserkenntnis sein, da die Gotteserkenntnis aufgrund ihrer geistig-personalen QualitÅt im Geist von den natÛrlich-historischen Voraussetzungen zu befreien sei.169 Entsprechend erhÅlt das Kreuz, das die tiefste Zuwendung Gottes zur Welt verk×rpert, fÛr Zizioulas keine Bedeutung fÛr die Gotteserkenntnis, sondern lediglich die Auferstehung als eschatologische ºberwindung der natÛrlichen Bedingungen.170 Sogar der Offenbarungsbegriff an sich wird von Zizioulas verdÅchtigt, durch die Verbindung von geschaffenem Sein und ungeschaffener Vernunft die Einheit des Seins und damit den Seinsmonismus zu verk×rpern.171 In seiner Gegenreaktion auf den Seinsmonismus spricht Zizioulas sowohl dem menschlichen als auch dem g×ttlichen Wesen qualitative Inhalte bzw. Naturen ab und reduziert es auf geistig-existentiale Strukturen, so daß die Ersetzung der Ontologie des Seins durch eine Ontologie der Person zur Mißachtung natÛrlicher WesensqualitÅten fÛhrt: „The ontology of personhood [. . .] cannot be extrapolated from history or nature.“172 „Thus personhood implies the ‚openness of being‘, and [. . .] a movement towards com-

169 „Der Geist hat die Aufgabe, den Sohn und die Heils×konomie von den Fesseln der Geschichte zu befreien.“ (I. D. Zizioulas: Christologie, S. 130) Vgl. ders.: Eschatologie, S. 381, wo Zizioulas betont, „daß Gott frei bleiben muß, frei selbst von seiner eigenen Verquickung in die Geschichte“. Vgl. insgesamt ebd., S. 380 ff.; ders.: Grundlage, S. 68 u. 77; ders.: Doctrine, S. 23 f.; ders.: Doctrine/Holy Trinity, S. 53 ff.; ders.: Being/Person, S. 45 f.; ders.: Being, S. 16, 19, 21, 62; ders.: Wahrheit, S. 21 ff. u. 41 ff.; P. McPartlan: Eucharist, S. 157 ff. u. 248 ff., und B. Oberdorfer: Filioque, S. 542, wo Zizioulas’ Kritik am RÛckschluß von der ×konomischen auf die immanente TrinitÅt anhand seiner Reaktion auf die zum Filioque gegebene „Klarstellung“ des PÅpstlichen Rates zur F×rderung der Einheit der Christen er×rtert wird. Zu der „Klarstellung“ vgl. ºberlieferung. 170 Vgl. I. D. Zizioulas: Wahrheit, S. 36 u. 40, Anm. 113; ders.: Being, S. 178 ff.; P. McPartlan: Eucharist, S. 247 ff. 171 Vgl. I. D. Zizioulas: Wahrheit, S. 11, wo Zizioulas diese Gedanken in Auseinandersetzung mit der Hermeneutik des Origenes er×rtert. 172 Ders.: Being/Person, S. 44.

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munion which leads to a transcendence of the boundaries of the ‚self‘“173. Auf dieser Grundlage sieht Zizioulas nicht nur die Ersetzung kataphatischer Rede durch apophatische Rede gerechtfertigt, sondern auch die Definition von Wahrheit als Gemeinschaft.174 Da er aber seine philosophischen Vorstellungen von Personsein und Gemeinschaft auf die innerg×ttliche Gemeinschafts- und PersonalitÅtsstruktur ÛbertrÅgt und auch fÛr die KirchenvÅter in Anspruch nimmt, sie hÅtten einen derartigen Gemeinschafts- und Personbegriff in den Gottesbegriff eingebracht, gelangt Zizioulas statt zu einer heils×konomischen Ableitung des trinitarischen Koinonia-VerstÅndnisses zu einer anthropomorph geleiteten Identifikation von menschlicher und g×ttlicher Koinonia, die er dann auch auf die ekklesiologische Koinonia ÛbertrÅgt.175 Zugleich sind seine philosophisch-anthropologischen Definitionen von seinen trinitÅtstheologischen PrÅmissen geprÅgt, was sich in der Analyse als Interdependenz zwischen hermeneutischen, anthropologischen, ekklesiologischen und trinitÅtstheologischen PrÅmissen bestÅtigen wird. Wegen der geistig-existentialen und personal-gemeinschaftlichen Definition menschlicher und g×ttlicher Wesensstrukturen, die gÅnzlich von natÛrlichen QualitÅten absieht, setzt sich auch bei Zizioulas eine spekulative Energienlehre durch. Der fehlende revelatorische Zusammenhang von ×konomischer und immanenter TrinitÅt, der auf der Ablehnung substantieller oder historischer Selbstbindung Gottes beruht, lÅßt die soteriologischen Sendungen „ad extra“ als freie und appropriierte ZusammenschlÛsse erscheinen.176 Deshalb erhÅlt die revelatorisch-historische Dimension keinen wirklichen Offenbarungswert, den Zizioulas primÅr der eschatologischgemeinschaftlichen Dimension zugesteht, die sich in der Eucharistie manifestiert. Denn die eucharistisch-eschatologische Ekklesiologie Zizioulas’ beinhaltet die Gegenwart der eschatologischen Kirche in der Eucharistie: „Consequently, the eucharist had the unique privilege of reuniting in one whole, in one unique experience, the work of Christ and that of the Holy Spirit. It expressed the eschatological vision through historical realities

173

Ders.: Capacity, S. 408. Vgl. ders.: Wahrheit, S. 12–41, und ders.: Being/Person, S. 45 f. 175 Vgl. ders.: Capacity, wo Zizioulas zunÅchst eine Studie zum „Personsein“ durchfÛhrt (S. 401–433), um diese anschließend in ihrer Bedeutung fÛr die theologische Lehre zu skizzieren (S. 433 ff.). Zur ºbertragung eines neuen Seinsbegriffs auf den Gottesbegriff durch die KirchenvÅter vgl. ders.: Wahrheit, S. 15: „Die griechischen VÅter haben [. . .] die Gleichsetzung von Sein und Leben mit der Gemeinschaft bis zum Åußersten Punkt des Seins, nÅmlich zu Gott selbst,“ vorangetrieben. 176 Vgl. ders.: Doctrine, S. 23 f.; ders.: Capacity, S. 407 ff.; ders.: Wahrheit, S. 21 f. u. 25; ders.: Grundlage, S. 68; P. McPartlan: Eucharist, S. 157 ff. u. 249 f. – Zur vom Verfasser eingefÛhrten Unterscheidung zwischen spekulativer und ×konomischer Energienlehre s. o., S. 129 u. 134 f., und siehe Kap. VI,1.2. 174

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[. . .]. The eucharist manifests the historical form of the divine economy“177. Weil die trinitarisch-×konomische Gotteserkenntnis der spekulativen Energienlehre zum Opfer fÅllt, nimmt bei Zizioulas die Eucharistie und damit die kirchliche Erfahrung diese Funktion ein: „Die Gemeinde selbst wird Wahrheit.“178 Die Eucharistie bildet als Verk×rperung der Kirche bzw. der Korporativperson Christi den Ort der Wahrheitsteilhabe. Von daher spielen Schrift, Bekenntnisse und Dogmen eine ebenso untergeordnete Rolle wie die Vernunft und der kognitive Aspekt. Die doxologisch, liturgisch und eucharistisch konstituierte Erfahrung der Kirche wird zum theologischen Erkennungsort, so daß einer einseitig rational-historisch-natÛrlichen Hermeneutik (Westen) eine einseitig apophatisch-metahistorisch-transzendente Hermeneutik entgegengestellt wird und substantielle Inhalte oder greifbare Kriterien in der Hermeneutik ebenso zurÛcktreten wie in der anthropologischen und theologischen Wesensbestimmung.179 Diese hermeneutische Grundorientierung bedingt Tendenzen einseitiger Schrift- und VÅterauslegung, die nicht nur die inhaltliche Interpretation betreffen, sondern auch die hermeneutische Einordnung der Schrift oder patristischer Epochen. Die Schrift fÅllt unter das Verdikt der irreversiblen Vergangenheit und der Geschichtsgebundenheit, welche „die Geschichte zum Ausgangspunkt der Offenbarung“ mache, wohingegen die „liturgische Sprache oder die Ikonensprache [. . .] nicht von etwas Geschehenem abgeleitet“ werde, sondern in angemessenerer Weise danach strebe, „darzustellen, was geschehen wird“180. Indem Zizioulas den revelatorisch-historischen Aspekt gÅnzlich dem eschatologisch-spekulativen Aspekt opfert, weil er Geschichte natÛrlich-historischer Notwendigkeit zuordnet, kann er der eucharistischeschatologischen Erfahrung der Kirche den Vorzug vor der Schrift geben. Deshalb sieht er nicht die Zeit des Neuen Testaments (apostolische Zeit) als Kriterium der ab dem 4. Jahrhundert entstandenen Einseitigkeiten, sondern die nachapostolische Zeit bis zum Ende des 3. Jahrhunderts, die mit ihrer eucharistisch-kirchlichen Erfahrung gegenwÅrtigen ekklesiologischen Erfahrungsm×glichkeiten vergleichbarer sei als die neutestamentliche Zeit. Entsprechend spielt Zizioulas die synchrone eucharistische Erfahrung gegen die diachrone ºberlieferung von Schrift, Bekenntnissen und Dogmen aus.181 Die eucharistische Erfahrung der Kirche wird in ihrer spekulativen

177 I. D. Zizioulas: Being, S. 21. Vgl. ders.: Wahrheit, S. 11 ff., 30, 41 ff.; ders.: Eucharistie, S. 172 ff.; ders.: Grundlage, S. 66 f. 178 Ders.: Wahrheit, S. 42. 179 Vgl. ebd., S. 11 ff., 30, 41 ff.; ders.: Eucharistie, S. 174 ff.; ders.: Dimension, S. 142 ff.; ders.: Community, S. 37; ders.: Eschatologie, S. 376 ff.; ders.: Capacity, S. 413. 180 Ders.: Eschatologie, S. 379. 181 Vgl. ders.: Episkop³, S. 30 ff. u. 41, und ders.: Christologie, S. 136 f. Vgl. ferner P. McPartlan: Eucharist, S. 125–127.

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QualitÅt Ûber die inhaltlichen Kriterien von Schrift und Bekenntnis gestellt. Diese einseitige Hermeneutik versucht Zizioulas in einseitiger Konzentration auf die syrisch-palÅstinensische Theologie der ersten drei Jahrhunderte zu belegen, die aber im Unterschied zu seinem Urteil lediglich eine theologische Nebenlinie darstellt. Gegen das westlich-alexandrinische VerstÅndnis von Kirche im Kontext historischmissionarischer Sendung, das die Gotteserkenntnis auf Kriterien der ºberlieferungsgeschichte (Schrift, Bekenntnis) stÛtzt, fÛhrt Zizioulas Ignatius von Antiochien und die syrische Didaskalia als Zeugen fÛr ein eucharistisch-eschatologisches Kirchen- und OffenbarungsverstÅndnis an, das die Kirche als Bild (ei™kw´n) des eschatologischen Reiches Gottes charakterisiert und die Offenbarungswahrheit in der apokalyptischen Bildersprache verwurzelt sieht. Dabei tritt die „Bildersprache [. . .] gerade dort hervor, wo die Wahrheit mit Gemeinschaft gleichgesetzt wird“. Durch ihre Verankerung in der eucharistischen Gemeinschaft „erscheint die Wahrheit nicht als Produkt des Geistes, sondern als ein ‚Besuch‘ und als ein Tabernakel [. . .] der eschatologischen und metahistorischen Wirklichkeit, die in die Geschichte eintritt, um sie im Ereignis der Kommunion zu erschließen. Dies schafft eine Vision von der Wahrheit“182. Statt des Heiligen Geistes gilt so die eucharistisch-visionÅre Erfahrung der Kirche als Quelle der Wahrheit, die sich nicht mehr von dem an Gottes Wort gebundenen Geist, sondern von einer eucharistisch-eschatologischen Vision ableitet. Weil die Eucharistie mit dem eschatologischen Reich Gottes bzw. mit dem Leben Gottes selbst gleichgesetzt wird, gilt die Kirche als ei™kw´n des Reiches Gottes, und weil der Bischof das Haupt der Eucharistie verk×rpert, gilt er als ei™kw´n Christi bzw. als „type of God“183, der an der Stelle Gottes sitzt. Auf diese Weise wird die eucharistische Quelle der Wahrheit mit dem Bischof identifiziert, der als Bild Christi wie dieser letztlich allein die Vollmacht der Geistausteilung besitzt und somit heilsnotwendig wird: „Spirituality was thus to be related to the bishop, who as head of eucharistic community distributed the gifts of the Spirit to the members of the church (compare Ignatius).“184 „No one can participate in eternal life without passing through the Eucharist and the bishop.“185 Wie Christus verk×rpert der Bischof als Korporativperson bzw. als „Einer“ die „Vielen“ in der Kirche, von den Presbytern umringt wie Christus von den Aposteln.186 Zizioulas bezieht sich nur auf diejenigen Aussagen von Ignatius, die den Bischof

182 I. D. Zizioulas: Wahrheit, S. 30. Vgl. ebd., S. 11 ff. u. 23 f.; ders.: Being, S. 204 ff.; ders.: Bishop, S. 26 f.; ders.: Community, S. 41. 183 Ders.: Community, S. 32. Vgl. ebd., S. 30 ff., und ders.: Bishop, S. 29. Vgl. ferner ders.: Episkop³, S. 33 ff., wo der Bischof als an Gottes Stelle sitzendes Haupt qualifiziert wird. Zur eschatologischen Identifizierung der Eucharistie mit dem Reich Gottes bzw. mit Gott selbst vgl. ders.: Wahrheit, S. 14: „Das Leben der Eucharistie ist das Leben Gottes selbst“. Vgl. auch ders.: Being, S. 22: „The eucharistic community makes the Church eschatological“. Vgl. ferner ders.: Grundlage, S. 66 ff. 184 Ders.: Community, S. 40. 185 Ebd., S. 32. 186 Vgl. ders.: Bishop, S. 30; ders.: Grundlage, S. 71; ders.: Episkop³, S. 39; ders.: presuppositions, S. 345.

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als Bild Christi bezeichnen, nicht aber auf die Aussagen, in denen auch Diakone als solches gelten. Dem entspricht, daß Zizioulas die zunÅchst bestehende ParallelitÅt und IdentitÅt der Begriffe „Presbyteros“ und „Episkopos“ im Sinne einer Ableitung des Presbyteramtes vom Bischofsamt interpretiert. Aber genau umgekehrt ging aus der zunÅchst identischen Funktion des Presbyter- oder Bischofsamtes als lokale Gemeindeleitung erst spÅter der Ûberregionale monarchische Episkopat hervor, und zwar aufgrund entstehender Ûberregionaler Strukturen.187 Ebensowenig kann die Gleichstellung des von Presbytern umringten Bischofs mit dem von den Aposteln umringten eschatologischen Christus als Grundlage eucharistischer Ekklesiologie aus der Patristik abgeleitet werden. Gleiches gilt fÛr die einseitig eschatologische Definition der Kirche, die neben der einseitigen Ableitung des Amtes aus der Eucharistie eine Reduktion christlicher Hermeneutik auf eucharistische Erfahrung zur Folge hat. Die Bedeutung von Schrift und Bekenntnis fÛr die Patristik bleibt ausgeblendet.

So bezieht sich Zizioulas bei den zentralen theologischen Topoi zunÅchst auf eine patristische Nebenlinie (syrisch-palÅstinensisch), die er zudem noch selektiv interpretiert, bevor er von diesen PrÅmissen her die neunizÅnische Theologie einseitig auslegt.188 Die Schriftauslegung erweist sich in dem Versuch, diese Ergebnisse zu belegen, als ebenso einseitig. Denn die Vermutung, die apokalyptische Bildersprache schÛtze im Kontext eucharistischer Erfahrung vor Manipulation und Objektivation, widerlegt Zizioulas selbst durch die Dominanz seiner eigenen Visionen gegenÛber dem gesamten Spektrum patristischer und biblischer Belege. Diese Dominanz eigener PrÅmissen ergibt sich schon dadurch, daß die in der eucharistischen Erfahrung vermittelte g×ttliche Wahrheit laut Zizioulas „nicht von außen“, sondern „im Innersten unserer eigenen Existenz“189 begegnet. Im Kontext dieser eucharistisch qualifizierten Erfahrungsebene ist auch Zizioulas’ Exegese von seiner eucharistisch-episkopalen Korporativ-Ekklesiologie geprÅgt. Im Neuen Testament beachtet Zizioulas lediglich den eucharistischen Ansatz und liest aus den biblischen Zeugnissen pauschal die Identifizierung von Christus und Kirche als Korporativperson, und zwar nach dem Modell der Einheit des „Einen“ und der 187 R. P. C. Hanson: Art. „Amt V“, S. 535, erkennt selbst bei Zizioulas’ Hauptzeugen, Ignatius von Antiochien, „das Wissen darum, daß das Presbyteramt historisch aus einer frÛhen Zeit stammt, wÅhrend der monarchische Episkopat eine junge Entwicklung darstellt“. Vgl. zur SynonymitÅt beider Šmter im Neuen Testament und in der frÛhen Kirche ebd., S. 535 ff., und W. Pannenberg: Theologie III, S. 454. 188 Vgl. zur angefÛhrten Kritik auch R. Williams: Rezension „I. D. Zizioulas: Being“, S. 104. Zu Zizioulas’ Argumentation vgl. I. D. Zizioulas: Bishop, und ders.: Episkop³. Daß Zizioulas eine patristische Nebenlinie verfolgt und eine Reduktion des patristischen Zeugnisses vollzieht, zeigt der historische Blick auf das patristische Zeugnis. Vgl. z. B. R. P. C. Hanson: Art. „Amt V“, S. 335–549. Hinsichtlich weiterer Belege fÛr Zizioulas’ einseitige Auslegung der patristischen Zeugnisse s. u., S. 396 ff. 189 I. D. Zizioulas: Wahrheit, S. 41. Vgl. ebd., S. 30.

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„Vielen“. Dabei werden die Glaubenden mit der ewigen „Vater-Sohn-Beziehung“ Christi identifiziert, weshalb sie Gott als Christus selbst („as Christ himself“) „Abba“ nennen k×nnen, da gilt: „[. . .] every communicant is the whole Christ and the whole Church“190. Letzteres ist wegen der Identifizierung der Gottesbeziehung der Christen mit der innertrinitarischen „Vater-Sohn-Beziehung“ m×glich.191 Eine solche IdentitÅt wird erreicht, wenn allein der Heilige Geist die ekklesiologische Korporativperson dadurch konditioniert, daß er sie erschafft und ihr gleichzeitig inhÅrent ist: „All seperation between Christology and ecclesiology vanishes in the Spirit.“192 Dabei geht das neutestamentliche VerstÅndnis von Christus als Haupt und bleibendem GegenÛber der Glaubenden ebenso verloren wie das Zeugnis vom Empfangen des Heiligen Geistes, der seinen Ursprung „extra nos“ besitzt. Gleichermaßen bleibt die Vielfalt ekklesiologischer ZugÅnge neben dem eucharistischen Ansatz ebenso unbeachtet wie die qualitativ gleichwertige Šmtervielfalt neben dem episkopalen Zugang. Das resultiert aus dem christologischen VerstÅndnis der eucharistischen Korporativperson, welches den „Einen“ als Verk×rperung der „Vielen“ betrachtet. Um dieses Modell aufrechterhalten zu k×nnen, zwÅngt Zizioulas Bibelstellen, die davon sprechen, die Christen seien „eins“ in Christus (I Kor 10,16 f.; Gal 3,28; Joh 17) in dieses Konzept. Statt von der Einheit der Christen im Leib Christi spricht er von dem „einen Christus“, weil „‚eins‘ nicht als Neutrum, sondern als Masculinum zu verstehen“193 sei. „Es scheint, daß Zizioulas die IdentitÅt von Christus und Kirche so sehr betont, daß die ekklesialen Personen, die ihr Personsein durch das eine VerhÅltnis des Sohnes zum Vater haben, ihrerseits das Personsein der TÅuflinge mitkonstituieren. Die Kirche wÛrde dann nicht nur am innertrinitarisch bestimmten Sein des Sohnes, sondern auch an seinen Handlungen nach außen partizipieren.“194

Diese mit dem Korporativmodell „Einer-Viele“ verbundene Identifizierung von Christus und Kirche setzt sich in Zizioulas’ trinitÅtstheologischer Auslegung der KirchenvÅter fort. Denn Zizioulas interpretiert die neunizÅnische TrinitÅtslehre aus seiner einseitigen exegetischen und syrisch-palÅstinensischen patristischen Orientierung. Aufgrund seiner Natur- und Substanzfeindlichkeit und der damit korrelierenden spekulativen Energienlehre sieht Zizioulas nur die interpersonale Ebene der Existenz Gottes. Der

190 Ders.: Being, S. 60 f. Vgl. M. Volf: TrinitÅt, S. 85. Vgl. zur pauschalen Methodik I. D. Zizioulas: Community, S. 28: „This paradox of the one who is many and of the many who are one was deeply rooted in the biblical mentality“. Vgl. ders.: Dimension, S. 136, und ders.: Being, S. 112. Vgl. zur Identifizierung des Handelns der Glaubenden mit dem Handeln Christi ders.: Community, S. 28, wo er den Christen folgendes Privileg zugesteht: „[. . .] the privilege of calling God ‚Father‘ as Christ himself in a unique and eternal way does“. Vgl. ebd., S. 26. 191 Vgl. ders.: Community, S. 28 ff., und ders.: Capacity, S. 438. 192 Ders.: Being, S. 111. 193 Ders.: Abendmahlsgemeinschaft, S. 33. Vgl. ebd., S. 34, wo Zizioulas in spekulativer Allegorese meint, sein Modell aus dem Wechsel von Singular und Plural in Joh 3,11 ff. ableiten zu k×nnen. Vgl. ferner ders.: Community, S. 26, und ders.: Capacity, S. 438. – Zur Åhnlich problematischen Exegese Ratzingers in bezug auf die BegrÛndung der Korporativperson des einen Christus s. o., S. 345 ff. 194 M. Volf: TrinitÅt, S. 87.

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Aspekt der intrapersonalen Wesenseinheit Gottes, der sich aus den heils×konomisch erkennbaren Querverbindungen zwischen Sohn und Geist ableiten lÅßt und so an die perichoretische Einheit Gottes erinnert, bleibt nahezu unberÛcksichtigt. Es wird sich erweisen, daß Zizioulas die in Gott existierende paradoxale Gleichzeitigkeit von intra- und interpersonaler Ebene einseitig zugunsten des interpersonalen Aspekts aufl×st, insofern als die Substanz- und Wesenseinheit Gottes nicht mehr zum Tragen kommt, und zwar wegen der ausschließlich interpersonalen Konstituierung in der Dreiheit der Personen. Das erm×glicht eine strukturelle Identifizierung der rein interpersonal verstandenen g×ttlichen Struktur mit den interpersonalen menschlichen Strukturen und schafft damit eine der Voraussetzungen fÛr das korporative VerstÅndnis des Modells „Einer-Viele“. In diesem Zusammenhang offenbart sich Zizioulas’ eigentliche Absicht, die seine Haltung gegenÛber der Dimension der Substanz bzw. des Wesens erklÅrt: „If God’s existence is determined by the necessity of his ousia, [. . .] then all existence is bound by necessity. On the other hand, if God’s existence is not bound by an ousianic tautology but is caused by a free person, then there is hope also for the creature [. . .] to be free from these ‚givens‘ [. . .]. It is essential that we study the problems of the Trinity in the light of this existential preoccupation. It is our only hope to make this doctrine relevant to Man.“195 Hier zeigt Zizioulas, unter welchen PrÅmissen er die TrinitÅtslehre versteht. In platonischer und kantianischer PrÅgung gelten Substanz, Wesen oder Natur als „Gegebenes“, das man zu Ûberwinden habe, da es die absolute g×ttliche und menschliche Freiheit von allen Voraussetzungen behindere und die KatholizitÅt geistig-willentlicher Freiheit nicht zulasse. Ziel ist ein absolut freies hypostatisch-personales Sein, das die Grenzen des Selbst transzendiert und auch den Menschen Ûber alle Grenzen des NatÛrlichen und Gegebenen erhebt: „[. . .] you must be free from and higher than any necessity or objective-natural [. . .]. What gives meaning [. . .] to existence is the person as absolute freedom.“196 In ºberwindung der menschlichen Natur soll der Mensch zur absoluten g×ttlichen Geistigkeit finden, zur Existenzweise Gottes: „For Man [. . .] it is necessary to take an attitude of freedom vis-Â-vis his own nature“197, „nature’s limitations will finally be overcome“. „Man [. . .] is called to exist in the way God exists“, „to ‚becoming God‘“198. Gegen ein substantiell-physisches TheosisverstÅndnis

I. D. Zizioulas: Doctrine, S. 25 f. Ders.: Doctrine/Holy Trinity, S. 56. 197 Ders.: Being/Person, S. 43. Vgl. ders.: Doctrine/Holy Trinity, S. 56: „[. . .] man is called to an effort to free himself from the necessity of his nature and behave in all respects as if the person were free from the laws of nature“. 198 Ders.: Doctrine/Holy Trinity, S. 55. Vgl. ebd., S. 59: „[. . .] it makes us see in God a kind of existence we all want to lead“. 195 196

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stellt Zizioulas also ein geistig-existentiales TheosisverstÅndnis, das aber in gleicher Weise den Unterschied zwischen Gott und Mensch verwischt, weil es Zizioulas um die Erhebung des Menschen Ûber die kreatÛrliche Existenz hinaus in die Existenzweise Gottes geht.199 Die Voraussetzung dafÛr liegt in der undifferenzierten Identifizierung interpersonaler g×ttlicher und anthropologischer Strukturen, basierend auf der einseitigen Auslegung der KirchenvÅter. So deutet Zizioulas die in der Sache fÛr Athanasius gewichtige Dimension des Homousios nicht als positive Aussage Ûber das innertrinitarische Sein Gottes, sondern als rein antiarianische Abgrenzung von der KreatÛrlichkeit. Der ousia-Begriff erhielt laut Zizioulas lediglich Relevanz fÛr die ×konomische TrinitÅt: „Ging es [. . .] um die ontologische Beziehung Gottes zur Welt, dann mußte der Begriff hypostasis [. . .] durch den Begriff des Wesens ergÅnzt werden“200. Diese EinschÅtzung wird aber weder der trinitÅtstheologischen Entwicklung in der Alten Kirche noch Athanasius selbst gerecht, der die innertrinitarischen Beziehungen der Personen konstitutiv mit ihrer Wesenseinheit verband und auf diese Weise neben den Ursprungsbeziehungen auch die ewigen Existenzbeziehungen wahrnahm.201 Als ebenso pauschal erweist sich der Vorwurf, Athanasius habe ausschließlich die Gleichsetzung von ousia und hypostasis betont.202 Es bleibt unberÛcksichtigt, daß es Athanasius war, der mit dem Tomus ad Antiochenos (362) durch die Vermittlung von Ein- und Drei-Hypostasenlehre den Weg zur Formel mı´a ou™sı´a – treı˜ß ušposta´seiß ebnete.203 Trotz dieser Versuche von Zizioulas, die Bedeutung der ousia fÛr die athanasianische TrinitÅtslehre zu schmÅlern, kommt er nicht umhin, an anderer Stelle konstatieren zu mÛssen, daß Athanasius „der Substanz [. . .] letztgÛltigen Charakter beigelegt“204 hat. Doch weil die athanasianische Gleichwertigkeit von Wesenseinheit und Interdependenz der trinitarischen Personen nicht Zizioulas’ Konzeption entspricht, kritisiert er, Athanasius habe die Notwendigkeit der EinfÛhrung einer innertrinitarischen Ursache nicht gesehen.205 Um die innertrinitarische Konstitution von der Wesenseinheit zu l×sen und sie auf die ausschließliche Ableitung aus der personalen PartikularitÅt des Vaters zu reduzieren, setzt Zizioulas seine Interpretationslinie auch bei der kappadozischen TrinitÅtslehre fort. Er postuliert, die Kappadozier seien allergisch gegen die Begrifflichkeit und die Dimension des Wesens. Entsprechend sei lediglich die innertrinitarische

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Vgl. ebd., S. 50 u. 55 ff. Ders.: Wahrheit, S. 20. Vgl. P. McPartlan: Eucharist, S. 161. 201 S. o., S. 120. – Zur vom Verfasser eingefÛhrten neuen terminologischen Unterscheidung zwischen „Ursprungs- und Existenzbeziehungen“ s. o., S. 134 f., und siehe Anm. 212, II. Kap., sowie Kap. VI,1.3. 202 Vgl. I. D. Zizioulas: Doctrine/Holy Trinity, S. 47, und ders.: Wahrheit, S. 18. 203 S. o., S. 125 f. Wenn Zizioulas dabei betont, erst mit den Kappadoziern sei die ontologische Revolution erfolgt, daß RelationalitÅt zum Wesen des Seins geh×rt, dann Ûbersieht er die entsprechenden Differenzierungen, die sich bereits bei Tertullian (Selbstand in Relation) oder Athanasius finden (s. o., S. 104 ff. u. 119 ff.). 204 I. D. Zizioulas: Wahrheit, S. 16. 205 Vgl. ders.: Doctrine, S. 25. Vgl. ferner P. McPartlan: Eucharist, S. 155. 200

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Koinonia gemeint, wenn sie von der gemeinsamen Natur Gottes sprechen. Doch diese Koinonia bezogen die Kappadozier auf die interpersonalen Relationen, denn sie identifizierten nicht einfach Wesen und Gemeinschaft, sondern betonten neben der hypostatisch-personalen RelationalitÅt das gemeinsame Wesen als eine der beiden Seiten der Formel mı´a ou™sı´a – treı˜ß ušposta´seiß: „[. . .] dabei hebt weder die Unterscheidung der Hypostasen die KontinuitÅt des Seins auf, noch vermischt die Gemeinsamkeit des Wesens die PartikularitÅt der hypostatischen Zeichen“206. Das Gewicht der Wesenseinheit blendet Zizioulas aber aus, weil er die BegrÛndung der Einheit Gottes in sich ausschließenden Alternativen sieht: entweder in der Monarchie des Vaters oder in der Einheit des Wesens.207 In seiner ºberreaktion auf die westliche Betonung der Substanzeinheit verliert Zizioulas die perichoretische GleichursprÛnglichkeit aus dem Blick und reduziert die Konstituierung der TrinitÅt auf die hypostatische PartikularitÅt der Ursprungsbeziehungen, und zwar auf die Person des Vaters, der aus seinem Willen das trinitarische Sein hervorbringe und in seiner personalen Existenz die g×ttliche Substanz konstituiere: „This puts the person of the Father in the place of the one God“208. Wie bei seiner anthropologischen Personbestimmung m×chte Zizioulas auch die trinitarischen Personen von gegebenen WesensrealitÅten befreien, wobei er jedoch nicht erklÅren kann, inwiefern nicht zumindest der freie Wille des Vaters als gegebene WesensrealitÅt vorauszusetzen ist. Hier kommt er an die Grenzen seines Postulats und mÛßte eigentlich wahrnehmen, daß die Ausblendung von Wesen, Substanz oder Natur bzw. von Gegebenem letztlich nicht durchfÛhrbar ist. Weil Gott drei-einig existiert und auch die intrapersonale Einheit verk×rpert, haben die KirchenvÅter bei der personal-hypostatischen Konstituierung des g×ttlichen Wesens nicht ohne Grund an der Wesenseinheit festgehalten (mı´a ou™sı´a – treı˜ß ušposta´seiß). Deshalb ist es nicht sinnvoll, die Wesenskomponente auszublenden, wie es Zizioulas tut: „[. . .] the person, and not the nature, causes Him“209. Unter der Voraussetzung, daß sich g×ttliches Sein in Freiheit von der Substanz allein aus dem Willen des Vaters ableiten lasse (was Athanasius ablehnte), unterscheidet Zizioulas zwischen dem einen Gott, dem Vater, und den anderen Personen der TrinitÅt.210 Dadurch sind die Monarchie des Vaters und die Tendenz der Subordination von Sohn und Geist vorgegeben, weshalb der Hierarchiebegriff fÛr Zizioulas ausdrÛcklich zum Wesen des Personbegriffs geh×rt. Zizioulas sieht sogar eine gewisse Subordination als theologisch akzeptiert an.211 Hieran Åndert sich auch nichts, wenn Zizioulas die gegenseitige Bedingtheit der trinitarischen Personen betont, denn es handelt sich dabei um eine asymmetri-

206 PG 32,333 (vgl. Basilius, Ep. 38,4,67–73). S. o., S. 131 ff. Vgl. insgesamt I. D. Zizioulas: Christologie, S. 133, und P. McPartlan: Eucharist, S. 162. 207 Vgl. I. D. Zizioulas: Doctrine, S. 24 f. 208 Ders.: Doctrine/Holy Trinity, S. 52. Vgl. ders.: Wahrheit, S. 19 f.; ders.: Being, S. 17 f.; ders.: Being/Person, S. 42 ff.; P. McPartlan: Eucharist, S. 164. 209 I. D. Zizioulas: Doctrine/Holy Trinity, S. 56. 210 „[. . .] between the One God the Father and the other Persons“ (ders.: Bishop, S. 34). Vgl. ders.: Doctrine/Holy Trinity, S. 51 ff., und ders.: Being/Person, S. 42 ff. – Athanasius hat immer wieder darauf hingewiesen, daß sich die Existenz des Sohnes nicht aus dem Willen, sondern aus dem Wesen erklÅre. 211 „In making the Father the ‚ground‘ of God’s being [. . .] theology accepted a kind of sub-

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sche ReziprozitÅt, insofern als der Vater den Sohn und den Geist konstituiert, wÅhrend diese den Vater lediglich bedingen. Weil Zizioulas aus dieser Argumentation sein Korporativmodell „Einer-Viele“ ableitet, verk×rpert dieses Modell eine monarchisch-hierarchische und somit asymmetrische BipolaritÅt: Der eine Gott existiert in der Person des „Einen“ (Vater) in den „Vielen“ (Sohn und Geist).212 Diese ausschließliche Gleichsetzung der Konstituierung von Gottes Sein und Einheit mit der Person des Vaters entspricht aber nicht der kappadozischen TrinitÅtslehre. So wird nach Basilius die g×ttliche Einheit nicht nur vom Vater als Ursprung gewahrt, sondern auch vom Nebeneinander der drei monacw˜ß. Basilius geht nÅmlich von einer perichoretischen Koinonia aus, deren GleichursprÛnglichkeit von Bedeutung bleibt, ebenso wie die Einheit des g×ttlichen Wesens (mı´a ou™sı´a). Dabei wird das hypostatische Sein nicht einfach mit dem Wesen gleichgesetzt, sondern es erscheint bei den Kappadoziern als Ûberkategoriales Sein. Deshalb konnte Gregor von Nyssa in Abwehr subordinatianistischer Tendenzen die „Ungezeugtheit“ aus dem Bereich der Wesenseigenschaft in die Dimension der innertrinitarischen Eigenschaften des Vaters verweisen, so daß der „Gezeugte“ nicht als vom Wesen abgeleitet und damit als subordiniert erscheint. Im Kontext der perichoretischen GleichursprÛnglichkeit und der Wesenseinheit bleibt der Vater durchaus als innertrinitarische Quelle erkennbar, doch alle trinitarischen Personen befinden sich auf gleicher Ebene. Aufgrund ihrer ×konomischen Energienlehre erkannten die Kappadozier neben den Ursprungsbeziehungen auch die Relationen auf der ewigen innertrinitarischen Existenzebene, wodurch sie neben den interpersonalen Relationen Gottes auch den Aspekt intrapersonaler Einheit wahrnahmen, der auf den Querverbindungen der Existenzebene beruht, da diese die perichoretische Einheit bekrÅftigen.213

Indem Zizioulas die Wesenseinheit Gottes ausblendet und die von ihm durchaus erkannten reziproken Relationen der gleichursprÛnglichen Perichorese „durch den Monotheismus des Vaters konterkariert“214 und so Gottes Sein exklusiv aus der personalen PartikularitÅt des Vaters ableitet, gelangt er zu einem subordinatianistischen Patromonismus. Weil er zugleich unter Ausblendung der gleichursprÛnglichen Perichorese postuliert, daneben sei der Substanzmonismus die einzige Alternative zur BegrÛndung g×ttlicher Einheit, drÅngt sich der Verdacht auf, daß die hierarchische trinitÅtstheologische BegrÛndung g×ttlicher Einheit auch von hierarchisch orientierten ekklesiologischen PrÅmissen beeinflußt ist215, was sich im folgenden noch herausstellen wird. Jedenfalls verfehlt Zizioulas sein Ziel, die statische Orientierung an der PrioritÅt des „Einen“ im griechisch gefÅrbten Substanz-

ordination“ (ders.: Being, S. 89). Zur konstitutiven Bedeutung des Hierarchiebegriffs vgl. ders.: Dimension, S. 141. 212 Vgl. ders.: Being. Vgl. ferner P. McPartlan: Eucharist, S. 179 u. 245, und M. Volf: TrinitÅt, S. 74 ff. 213 Zu den genannten Merkmalen der kappadozischen TrinitÅtslehre siehe Kap. II,3. 214 C. Schw×bel: TrinitÅtslehre, S. 150, wo Schw×bel auf Zizioulas’ unangemessenen Umgang mit den reziproken Relationen hinweist. 215 Diese Annahme vertritt auch M. Volf: TrinitÅt, S. 76.

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monismus zu Ûberwinden, insofern als er diese PrioritÅt lediglich von der Substanzebene auf die hypostatisch-partikulare Personebene transferiert (Konstituierung Gottes in dem „Einen“ bzw. im Vater). Aus dem rein interpersonalen und auf die Ursprungsbeziehungen fixierten Ansatz Zizioulas’ folgen aber nicht nur patromonistische, sondern auch pneumatozentrische Tendenzen, da Zizioulas – anders als die Kappadozier216 – die auf den innertrinitarischen Existenzbeziehungen beruhenden gegenseitigen Beziehungen von Sohn und Geist kaum berÛcksichtigt. So spricht er mit der syrisch-palÅstinensischen Tradition von dem vom Vater hervorgehenden Geist, der in eschatologischer Macht auf Christus wirkt, der Christus als Korporativperson konstituiert und der den Menschen die Gemeinschaft mit Gott erm×glicht.217 Die VernachlÅssigung der Bedeutung Christi fÛr den Geist fÛhrt zu einer dominant pneumatologischen BegrÛndung der Christologie, die sich noch in ihrer ekklesiologischen Relevanz erweisen wird. Es lÅßt sich aber bereits an der trinitÅtstheologischen Analyse erkennen, daß Zizioulas’ christologische Besinnung von patromonistischen und pneumatozentrischen Relikten determiniert und relativiert ist. Zizioulas’ einseitig interpersonal-soziale TrinitÅtshermeneutik mit ihrer partikular-hypostatischen Konzentration auf die einzelnen Personen fÛhrt durch die VernachlÅssigung der intrapersonalen Einheit Gottes dazu, daß Gott nicht deutlich als GegenÛber der Menschen erkennbar bleibt. Wird die Gleichzeitigkeit von intra- und interpersonaler Dimension Gottes, die nach Gregor von Nyssa sein paradoxales personales Geheimnis im Unterschied zum Menschen ausmacht218, einseitig interpersonal aufgel×st und die Dimension der g×ttlichen Wesenseinheit ausgeblendet, ist der Weg frei fÛr die Identifizierung interpersonaler g×ttlicher und menschlicher Strukturen. Zizioulas vollzieht sie mit dem Ziel einer rein geistigen Koinonia in Freiheit von Natur und Vorgegebenem, so daß die Gefahr einer Identifizierung auf der Substanzebene nur durch die gleiche Gefahr auf existential-geistiger Ebene abgel×st wird. Auch die rein intrapersonale Identifizierung g×ttlicher und menschlicher Strukturen bei Ratzinger wird lediglich durch eine rein interpersonale Identifizierung abgel×st. Der Unterschied zwischen der paradoxalen Gleichzeitigkeit von intra- und interpersonalem Wesen Gottes und den anthropologischen Strukturen, die eine solche Gleichzeitigkeit nicht aufweisen, wird weiterhin nicht ernst genommen, sondern Gottes Wesen wird auf einen der beiden Aspekte menschlicher PersonalitÅt reduziert, um dann Gottes PersonalitÅt mit der des Menschen identifizieren 216

Zur Pneumatologie der Kappadozier s. o., S. 132 ff. Vgl. I. D. Zizioulas: Wahrheit, S. 38 f.; ders.: Christologie, S. 127 ff.; ders.: Dimension, S. 134 ff.; ders.: Eucharistie, S. 177 f., und P. McPartlan: Eucharist, S. 183 ff. u. 264. 218 S. o., S. 133 f. 217

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zu k×nnen. Nur die hermeneutische Ausrichtung an der biblisch-×konomischen Selbsterschließung Gottes wÛrde eine angemessene Erkenntnis der intra- und interpersonalen Koinonia Gottes gewÅhren und die Wahrnehmung des VerhÅltnisses von Gottes „GegenÛber und NÅhe“ garantieren. Aus Zizioulas’ interpersonaler Identifizierung trinitarischer und anthropologischer Koinonia-Strukturen ergibt sich auch die direkte ºbertragung innertrinitarischer Koinonia-Strukturen auf die Koinonia von Gott und Mensch. Das spiegelt sich in Zizioulas’ Christologie wider, die die Gemeinschaft von Gott und Mensch in Christus mit der innertrinitarischen Koinonia-Struktur gleichsetzt. Indem das anthropologische Personsein in die PersonalitÅt der innertrinitarischen Vater-Sohn-Beziehung inkorporiert wird, gilt die trinitarische Koinonia als einzig m×gliche Struktur wahrhafter PersonalitÅt: „Der dreieinige Gott bietet in sich selbst diese einzige M×glichkeit [. . .] der wahrhaften Person.“219 Da wahres Sein mit interpersonaler trinitarischer Gemeinschaft gleichgesetzt wird, erhÅlt der Mensch seine wahre PersonalitÅt laut Zizioulas allein als Teil der trinitarischen Vater-Sohn-Relation, und zwar durch die Identifizierung der menschlichen Hypostase mit der Hypostase des Sohnes, was durch die tendenzielle Subordination des Sohnes begÛnstigt wird (gr×ßere NÅhe zur Sch×pfungsebene). Der Mensch wiederum wird von seinem natÛrlich „Gegebenen“ befreit, weil seine neue Existenz mit der innertrinitarischen Vater-Sohn-Beziehung identisch ist: „[. . .] man’s person establishes its identity [. . .] as the very filial relationship between the Son and the Father and [. . .] in the very same way in which the Son relates to the Father, ‚in the Spirit‘“220. Demnach existiert der Mensch, der auf diese Weise selbst „Christus“ wird („become Christ“), in der Existenzweise Gottes, in der Freiheit von seinem natÛrlich-anthropologischen Bedingtsein: „[. . .] he exists [. . .] as a person, in a manner free from the relationship created by his biological identity. [. . .] freedom is identified with the being of man“221. Da dem Menschen diese christologisch-hypostatische Existenz in Gottes Seinsweise durch die Taufe zugeeignet wird, gilt die strukturelle Identifizie-

219 I. D. Zizioulas: Wahrheit, S. 36. Zur ºbertragung der trinitarischen Koinonia auf die christologische Koinonia vgl. ders.: Kirche, S. 97, und ders.: Wahrheit, S. 37 ff. 220 Ders.: Capacity, S. 442, Anm. 2 (Hervorhebung v. Vf.). Vgl. insgesamt ebd., S. 435 ff. Vgl. ferner ders.: Community, S. 29: „[. . .] a new identity based on new relationships which are identical with the Father-Son relationship of the Holy Trinity“ (Hervorhebung v. Vf.). Zur Identifizierung der menschlichen Hypostase mit der Hypostase des Sohnes vgl. ders.: Being, S. 56: „[. . .] the identification of his [man’s] hypostasis with the hypostasis of the Son of God“. Zur Befreiung von den natÛrlich-biologischen Voraussetzungen vgl. ebd., S. 52 ff., und ders.: Being/ Person, S. 43. 221 Ders.: Being, S. 57. Vgl. ders.: Capacity, S. 442: „This [. . .] should happen to every man in order that he himself may become Christ“. Vgl. ferner M. Volf: TrinitÅt, S. 82 f.

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rung auch fÛr die Gemeinschaft der Christen, fÛr die Kirche: „Ihr ‚wahres Leben‘ ist identisch mit dem ewigen Leben des dreieinigen Gottes“222. Die Kirche ist wie jeder Christ identisch mit der Korporativperson Christus, der als „Einer“ die „Vielen“ verk×rpert. Indem wahres Menschsein unter natÛrlichen Voraussetzungen als unm×glich erscheint und der Identifizierung mit der Vater-Sohn-Relation bedarf, reduziert sich die Inkarnation zu einer „evolutionistischen“ Stufe auf dem Weg zu wahrer PersonalitÅt, wÅhrend die Kreuzestheologie ihre konstitutive Bedeutung verliert. So wird Christus nicht mehr in seiner heilsgeschichtlich notwendigen PersonalitÅt und Einmaligkeit erkannt, sondern als Paradigma wahren Menschseins, das erst die angemessene Stufe wahren Personseins brachte. Deshalb kann auch hier insofern von einem ergÅnzungstheologischen Ansatz gesprochen werden, als Gott in der Heilsgeschichte lediglich die defizitÅren sch×pfungsmÅßigen Voraussetzungen ergÅnzt hat. Das entspricht aber weder dem biblischen noch dem patristischen Zeugnis.223 Wegen seiner hypostatischen Identifizierung der Menschen mit der Person des Sohnes – als Befreiung von der Bedingtheit durch die Natur – stÛtzt sich Zizioulas bei der patristischen Christologie einseitig auf die hypostatische Union in Christus, da diese der PersonalitÅt PrioritÅt gegenÛber der Natur einrÅume. Dabei Ûbergeht er die Zwei-Naturen-Lehre sowie die communicatio idiomatum, und nÅhert sich so statt einer Logos-AnthroposChristologie einer Logos-Sarx-Christologie monophysitischer PrÅgung. Die in den altkirchlichen Symbola prÅsente Dimension des „wahren“ natÛrlichen Menschseins kommt aufgrund der Identifizierung mit der Hypostase des Sohnes ebensowenig zur Geltung wie der Unterschied zwischen g×ttlicher und menschlicher Natur.224

222 I. D. Zizioulas: Wahrheit, S. 41. Vgl. ebd., S. 39 ff., und ders.: Being, S. 55 ff. – G. Baillargeon: Perspectives, S. 257, weist berechtigt darauf hin, daß Zizioulas hier die im Chalcedon formulierte einmalige christologische Vereinigung auf die Ekklesiologie ÛbertrÅgt. Er erkennt dabei allerdings nicht, daß Zizioulas’ einseitige Konzentration auf die interpersonale Struktur Gottes die Voraussetzung fÛr die Identifikation interpersonaler g×ttlicher und menschlicher Wesensstrukturen bildet und eine solche ºbertragung dadurch erst erm×glicht. Ebenso ergeht es P. McPartlan: Eucharist, S. 267 f., der an Baillargeons Argumentation kritisiert, dieser unterschÅtze die hermeneutische Relevanz des Modells „Einer-Viele“, dabei aber selbst die Identifikation der interpersonalen Strukturen als Ursache Ûbersieht. 223 Vgl. zu dieser Kritik R. Williams: Rezension „I. D. Zizioulas: Being“, S. 103. Vgl. insgesamt I. D. Zizioulas: Wahrheit, S. 27 u. 35 ff.: „[. . .] die Inkarnation hÅtte auch ohne den Fall des Menschen stattgefunden“ (ebd., S. 27). Vgl. ders.: Capacity, S. 407–447; ders.: Being, S. 49 ff.; ders.: Dimension, S. 136. Vgl. ferner M. Volf: TrinitÅt, S. 80 ff. 224 Vgl. I. D. Zizioulas: Capacity, S. 403 ff. u. 435 ff.; ders.: Wahrheit, S. 35 ff.; ders.: Being, S. 50–57. – Zur Bedeutung der Idiomenkommunikation und der Gemeinschaft von Gott und Mensch in Christus s. o., S. 182 ff.

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Damit wird offenbar, welche Konsequenzen sich aus Zizioulas’ trinitÅtstheologischen und christologischen Einseitigkeiten fÛr die Anthropologie ergeben und wie sich anthropologische Zielvorstellungen in der TrinitÅtslehre widerspiegeln. Die bisherige Analyse ließ erkennen, daß Zizioulas mit wahrer Anthropologie die Befreiung des Menschen von seiner natÛrlichen Bedingtheit und damit das Erlangen der Existenzweise Gottes in geistig-willentlicher Freiheit verbindet. Das hat eine negative Bewertung der Gesch×pflichkeit zur Voraussetzung, die Zizioulas als defizitÅr und als in ihrer biologischen NatÛrlichkeit zu Ûberwindende betrachtet. Dabei argumentiert er erneut widersprÛchlich, indem er teils den SÛndenfall und teils die natÛrliche Tragik der KreatÛrlichkeit fÛr die Situation der Menschen in der Welt verantwortlich macht. Einerseits geht er davon aus, daß der SÛndenfall als Abbruch der Gemeinschaft mit Gott den personalen Menschen zum Individuum degenerieren ließ, wÅhrend er andererseits postuliert, kreatÛrliche Existenz lasse unter natÛrlichen Bedingungen nur Individuierung zu und erlaube deshalb kein wahres Personsein.225 Die WidersprÛchlichkeit setzt sich darin fort, daß Zizioulas der IndividualitÅt der biologischen Hypostase an einer Stelle rudimentÅre und verdeckte PersonalitÅt zutraut und ihr an anderer Stelle jegliche M×glichkeit zur PersonalitÅt abspricht.226 Hinzu kommt, daß natÛrliche K×rperlichkeit einerseits als Teil der Gottebenbildlichkeit gilt und andererseits als Hindernis fÛr die angestrebte Existenzweise Gottes.227 Diese unausgewogene Sch×pfungs- und SÛndenlehre fÛhrt dazu, daß die „Sch×pfung und der SÛndenfall [. . .] in Zizioulas’ Denken in eins“228 verschmelzen, wodurch das natÛrliche Menschsein zur tragischen Existenz wird: „All this means that man as a biological hypostasis is intrinsically a tragic figure.“229 Weil IndividualitÅt und Tod als natÛrliche Entwicklung („‚natural‘ development“) biologischen Menschseins gelten und Personsein nur in der inkarnatorisch gewÅhrten Existenzweise Gottes m×glich ist („in precisely the manner in which God also subsists as being“230), entsteht ein nahezu evolutionistisches VerstÅndnis der Heilsgeschichte. Die Bedeutung der SÛnde

225 Vgl. ders.: Capacity, S. 428 f.: „Man by his fall chooses to sacrifice his personhood by individualising his existence in the manner of the division and fragmentation of thinghood.“ Vgl. ebd., S. 424 f. – Vgl. dagegen ders.: Doctrine/Holy Trinity, S. 55: „Man [. . .] is subject to the limitations of space and time which involve individuation and ultimately death“. Vgl. ders.: Being, S. 51, und ders.: Capacity, S. 420. 226 Vgl. ders.: Capacity, S. 424: „Man can pervert his personhood but he cannot eliminate it entirely.“ Vgl. ebd., S. 428. – Vgl. dagegen ders.: Being, S. 51: „The body, which is born as a biological hypostasis, behaves like the fortress of an ego, like a new ‚mask‘ which hinders the hypostasis from becoming a person“. Vgl. ebd., S. 56, wo die ontologische Dimension der Notwendigkeit in der Seinsstruktur der biologischen Hypostase laut Zizioulas automatisch die Tragik des a-personalen Individualismus nach sich zieht. 227 Vgl. ders.: Capacity, S. 423: „The body is an inseparable aspect [. . .] of the imago Dei“. Vgl. ebd., S. 439. – Vgl. dagegen ders.: Being, S. 54: „[. . .] it is impossible for created existence to escape ontological necessity in the constitution of the biological hypostasis“, „the person as absolute ontological freedom needs a hypostatic constitution without ontological necessity“. Vgl. ders.: Capacity, S. 409. 228 M. Volf: TrinitÅt, S. 78. Vgl. R. Williams: Rezension „I. D. Zizioulas: Being“, S. 103. 229 I. D. Zizioulas: Being, S. 52. Vgl. ders.: Welt, S. 344: „Die SÛnde ist ein tragisches Element“. 230 Ders.: Being, S. 55. Siehe zum ersten Zitat ebd., S. 51.

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fÛr diese Entwicklung tritt nicht klar hervor und die M×glichkeit einer Wahl zwischen Personsein und Individuum wird nicht sichtbar, wÅhrend die Inkarnation als eine Entwicklungsstufe zum Personsein erscheint.231 Die eschatologische Ausrichtung auf die g×ttliche Existenzweise absolut geistiger Willensfreiheit („‚way of being‘ of God Himself“232) birgt so die gezeigte Gefahr in sich, durch die Identifizierung interpersonaler g×ttlicher und menschlicher Strukturen das bekÅmpfte physische TheosisverstÅndnis lediglich durch ein platonisch gefÅrbtes geistiges TheosisverstÅndnis zu ersetzen. Damit wird man dem Christusheil nicht gerecht, das Theosis nicht als ontologische Entwicklungsstufe, sondern als pneumatische Gemeinschaft mit Gott versteht, in der die zur Selbstverg×ttlichung neigenden Menschen wieder menschlicher werden.233 Das bleibt bei Zizioulas nicht nur durch das Nacheinander von negativer natÛrlicher und positiver „verg×ttlichter“ Existenz unklar, sondern auch durch die Disqualifizierung natÛrlicher anthropologischer Strukturen. Weil Personsein Befreiung von den Notwendigkeiten der „Natur“ voraussetze, k×nne es nur als Freiheit und Liebe charakterisiert werden. Vernunft und Erkenntnis werden in den a-personalen Bereich der IndividualitÅt verwiesen. Entsprechend gilt eine inhaltliche Definition menschlicher PersonalitÅt als unm×glich.234 So kann Zizioulas sein trinitÅtstheologisches Modell „Einer-Viele“, das in partikular-hypostatischer Ausrichtung Natur bzw. Wesenseinheit verdrÅngt, nicht nur auf die Christologie Ûbertragen, sondern auch auf die Anthropologie, indem er Adam wie Christus als Korporativperson bezeichnet. Als partikulares Sein soll Adam die hypostatische Ursache menschlichen Seins verk×rpern. Doch weil er nach dem Fall diese konstante Beziehung zur Menschheit aufgrund des Todes nicht zu leisten vermag und seine KreatÛrlichkeit ohnehin vom Tod gefÅhrdet wÅre, kann die wahre „menschliche“ PersonalitÅt erst durch die hypostatische Identifizierung mit Christus erreicht werden. Diese PersonalitÅt bedeutet unter hypostatischer Einbeziehung der gesamten menschlichen Natur ein einzigartiges Abbild der KatholizitÅt (katholische Einzigartigkeit) und die ekstatische Transzendierung des Selbst in freier Gemeinschaftlichkeit. Der eigentlich nicht mehr als solcher zu bezeichnende „Selbstand“ besteht somit nur noch als RelationalitÅt innerhalb der korporativen KatholizitÅt.235 231 Vgl. zu dieser Kritik auch P. McPartlan: Rezension „I. D. Zizioulas: Being“, S. 80, und M. Volf: TrinitÅt, S. 78 f. Vgl. ferner zur EinschÅtzung von Zizioulas’ InkarnationsverstÅndnis I. D. Zizioulas: Wahrheit, S. 45, wo dieser wohl nicht ohne Grund von der „Ordnung der Inkarnation“ spricht. 232 I. D. Zizioulas: Doctrine/Holy Trinity, S. 56. 233 Vgl. zur christologisch gewÅhrten Menschlichkeit als Ziel der Erl×sung C. Schw×bel: Being, S. 159 f. 234 Vgl. I. D. Zizioulas: Capacity, S. 406 f., wo er die M×glichkeit inhaltlicher Charakterisierung menschlicher Natur etwa damit widerlegt, daß der Darwinismus nur einen quantitativen Unterschied zum Tier zulasse und die Computerwissenschaft auch intelligente „Wesen“ neben dem Menschen schaffe. Vgl. insgesamt ebd., S. 413 f. u. 440; ders.: Being/Person, S. 45 f., und ders.: Christologie, S. 130, wo auch die Funktion des Heiligen Geistes dieser Konzeption angepaßt wird: „Der Geist hat die Aufgabe, den Sohn und die Heils×konomie von den Fesseln der Geschichte zu befreien.“ 235 Vgl. insgesamt ders.: Being/Person, S. 38 ff., und ders.: Capacity, S. 408 u. 435. Vgl. zur Analyse M. Volf: TrinitÅt, S. 78 f., und P. McPartlan: Eucharist, S. 173 ff.

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2.2 Ekklesiologische Konsequenzen Die gezeigten Identifizierungen von trinitarischer, christologischer und anthropologischer Seinsstruktur haben die bereits angeklungene ºbertragung dieser Struktur auf die Ekklesiologie zur Folge, wobei die Frage bestehen bleibt, ob die ºbertragung nicht auch den umgekehrten Weg ging, nÅmlich von ekklesiologisch-anthropologischen PrÅmissen zum trinitarisch-christologischen Ansatz. Hinsichtlich der Anthropologie wurde diese Interdependenz bereits an Zizioulas’ Ziel der geistig-existentialen Freiheit von allem „Gegebenen“ sichtbar. Diesem Ansatz rÅumt er gegenÛber dem – bestrittenen – Erkenntnisgehalt ×konomischer TrinitÅt hermeneutische PrioritÅt ein: „We must actually begin from the point where these non-theological concerns emerge in our time.“236 In ekklesiologischer Hinsicht fÅllt auf, daß das Modell „Einer-Viele“ der Untermauerung des hierarchischen Episkopats dient. Dabei kommt die patromonistische und pneumatozentrische PrÅgung der christologischen Besinnung Zizioulas’ zum Tragen. Die folgende Analyse wird das bekrÅftigen. ZunÅchst sei zum VerstÅndnis des ekklesiologischen Ansatzes noch einmal darauf hingewiesen, daß Zizioulas die christologische Ontologie (Chalcedon) nach dem Modell „Einer-Viele“ direkt auf die ekklesiologische Ontologie ÛbertrÅgt und so zur totalen Identifizierung von Christus und Kirche gelangt („identification totale“237). Das wird aber erst durch seine einseitig interpersonale TrinitÅtslehre mit ihren patromonistischen und pneumatozentrischen Relikten m×glich: „So erwÅchst das Geheimnis der Kirche aus der pneumatisch begrÛndeten [. . .] Christologie. [. . .] In seinem Wesen ist das Geheimnis der Kirche nichts anderes als [. . .] das ‚Eine‘, das zugleich das ‚Viele‘ ist.“238 Weil Christus durch die patromonistisch-subordinatianistischen Tendenzen nÅher an die Ebene von Welt und Kirche rÛckt und weil der Heilige Geist Christus pneumatozentrisch als ekklesiologische Korporativperson konditioniert, kann Zizioulas die Kirche mit dem „einen“ Christus identifizieren, der die „vielen“ Glaubenden und damit die Kirche ontologisch verk×rpert. Diese ontologische IdentitÅt und ReziprozitÅt zwischen Christus und den Christen, die gemÅß der patromonistischen Tendenz asymmetrisch der Dimension des „Einen“ primÅres Gewicht einrÅumt, lÅßt sich wiederum nur unter Zizioulas’ Postulat der Gleichheit g×ttlicher und

I. D. Zizioulas: Doctrine, S. 27. – S. o., S. 378 f. Ders.: Mystre, S. 328. 238 Ders.: Wahrheit, S. 39. Vgl. ebd., S. 35 f., und ders.: Christologie, S. 135: „Es gibt keinen ‚Einen‘, der nicht gleichzeitig ‚Viele‘ ist – geht es hier nicht um das gleiche wie in der pneumatologisch geprÅgten Christologie [. . .]?“ Vgl. ferner ders.: Capacity, S. 445 ff.; ders.: Being/Person, S. 43, und ders.: Wahrheit, S. 41: „Die ºbertragung der Existenz Christi auf unsere eigene Existenz fÛhrt [. . .] zu nichts anderem als zur Verwirklichung der kirchlichen Gemeinde.“ 236 237

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menschlicher interpersonal-geistiger Wesensstrukturen bewerkstelligen.239 Denn Zizioulas folgt nicht dem hermeneutischen Weg der ×konomischen TrinitÅt, in der sich die immanente TrinitÅt in der Gleichzeitigkeit von „GegenÛber und NÅhe“ offenbart und eine pneumatologisch gewÅhrte Gemeinschaft zwischen Gott und den Menschen in Christus er×ffnet. Vielmehr geht er auf den verschiedenen Ebenen (innerg×ttlich, inkarnatorisch-christologisch, anthropologisch und ekklesiologisch) von gleichartig strukturierten „Einer-Viele“-Einheiten aus, die er auf mystisch-eschatologische Weise im Ereignis der Eucharistie identifiziert.240 Zwar erhÅlt laut Zizioulas schon der Getaufte durch die Identifikation mit der innertrinitarischen Hypostase des Sohnes ein neues ekklesiologischhypostatisches Sein, das gegenÛber natÛrlich-individuellem Sein personales Sein darstellt, aber erst in der Eucharistie gelangt er zur absoluten Seinsweise Gottes: Wahres Leben, „identisch mit dem ewigen Leben des dreieinigen Gottes“, wird als prÅsentisches Eschaton in der Eucharistie erfahrbar. „Diese Erfahrung der Wahrheit in der Existenz der Kirche realisiert sich [. . .] aufs h×chste in der Eucharistie. Die eucharistische Gemeinschaft ist der Leib Christi par excellence, denn in ihr verbinden sich unsere Lebensgemeinschaft und die trinitarische Gemeinschaft“241. „Das Leben der Eucharistie ist das Leben Gottes selbst, [. . .] das Leben der g×ttlichen Gemeinschaft, wie sie in der TrinitÅt besteht und wie sie Wirklichkeit wird unter den Gliedern der eucharistischen Gemeinschaft.“242 Deshalb verlangen nicht nur alle anderen Sakramente nach ihrer Vollendung in der Eucharistie, sondern auch die Kirche erhÅlt in der Eucharistie ihre vom eschatologischen Reich Gottes her konstituierte institutionelle Struktur: „In the eucharist, therefore, the Church found the structure of the Kingdom, and it was this structure that she transfered to her own structure. In the eucharist the ‚many‘ become ‚one‘“243. Letzteres wiederum bedeutet nach Zizioulas, daß der Mensch in 239 Vgl. ders.: Wahrheit, S. 38 ff.; ders.: Christologie, S. 136 ff.; ders.: Doctrine, S. 27 f. Vgl. ferner M. Volf: TrinitÅt, S. 80 ff., der auch auf das Problem der hierarchisch strukturierten Korporativperson („Einer-Viele“) und ihres patromonistischen Grundmusters hinweist, aber nicht die einseitig interpersonale Identifizierung von g×ttlichen und menschlichen Strukturen als Voraussetzung erkennt, da er selbst das intra- und interpersonale Sein Gottes einseitig auf den interpersonalen Aspekt einengt, was das Kapitel Ûber Volfs Konzeption belegen wird. 240 Vgl. I. D. Zizioulas: Being/Person, S. 33 ff.; ders.: Christologie, S. 129 ff.; ders.: Wahrheit, S. 13–48; ders.: Being, S. 15 ff. Vgl. ferner P. McPartlan: Eucharist, S. 248 ff. 241 I. D. Zizioulas: Wahrheit, S. 41. Vgl. ders.: Welt, S. 345: „Bei dieser Begegnung empfindet sich Gott selbst nicht mehr als ein ‚Jenseits‘ der Natur“. – Zur Funktion der Taufe vgl. ders.: Being, S. 53 ff., und M. Volf: TrinitÅt, S. 84 ff. 242 I. D. Zizioulas: Wahrheit, S. 14. Zur Identifizierung mit Gottes Seinsweise s. o., S. 384 ff. Vgl. ferner ders.: Being/Person, S. 33: „Personhood [. . .] has the claim of absolute being“. Vgl. ders.: Being, S. 15: „From the fact that a human being is a member of the Church, [. . .] he exists as God Himself exists, he takes on God’s ‚way of being‘.“ 243 Ders.: Being, S. 206. Vgl. ebd., S. 207: „[. . .] the structure which emerges from the vision

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der Kirche ein „katholisches“ Wesen verk×rpert, da er in Christus bzw. in die Kirche inkorporiert wird und dadurch in beiden aufgeht: „So wie [. . .] jede Person zu einem vollstÅndigen Christus wird und in der Eucharistie [. . .] in den ganzen Leib Christi umgewandelt wird, so wird im gleichen Geist die Struktur der Kirche zur Daseinsstruktur jeder Person.“244 Weil auf diese Weise Christus, Kirche und Christen rein sakramental-ontologisch als eine Korporativperson identifiziert sind, bleiben die auf den Unterschied zwischen Christus und Kirche hindeutenden neutestamentlichen Bilder (Herde, Braut etc.) unberÛcksichtigt, und es gilt nur die eucharistische Erfahrung der Kirche als Erkenntniskriterium fÛr das Gottes-, Menschen- und KirchenverstÅndnis: „This ontology [. . .] came out of the eucharistic experience of the Church“245. Zizioulas vollzieht eine eucharistische Reduktion, mit der er nur die pneumatisch-eschatologische Dimension fÛr maßgeblich hÅlt, wÅhrend er die historisch-revelatorische Dimension (Schrift, Bekenntnis etc.) der unmaßgeblichen natÛrlichen Ebene der Notwendigkeit zuordnet. „The eucharistic community makes the Church eschatological. It frees it from the causality of natural and historical events“246. Die Synthese zwischen historischen und eschatologischen RealitÅten bedeutet fÛr Zizioulas die absolute Determination durch die eschatologische Vision: „The historical heritage of the past [. . .] as well as the historical needs of the present [. . .] will both have to be judged by this ultimate, final judgment provided by the vision of the eschata“247. Deshalb verk×rpert die „orthodoxe Liturgie [. . .] in ihrer gesamten Struktur nichts als ein Bild der Eschata“248. Weil „Gott frei bleiben muß [. . .] von seiner eigenen Verquickung in die Geschichte“, grÛndet sich das Sakrament „nicht auf Zusicherungen, die aus der Geschichte stammen“, sondern es ist „eine Ikone des Eschatons“: „Nicht die Geschichte fÛhrt zum Eschaton, sondern umgekehrt.“249 Unter dieser hermeneutischen Ausblendung des ersten und zweiten Artikels in der Heilsgeschichte wird die Eucharistie fÛr Zizioulas zum wesentli-

of the eschatological community“. Vgl. zur zentralen sakramentalen Stellung der Eucharistie ders.: Kirche, S. 103. Vgl. dazu auch M. Volf: TrinitÅt, S. 93 ff. 244 I. D. Zizioulas: Dimension, S. 142. Vgl. zur „KatholizitÅt“ des Seins in der Kirche ders.: Wahrheit, S. 47, und ders.: Being, S. 58. 245 Ders.: Being, S. 17. 246 Ebd., S. 22. Vgl. ders.: Christologie, S. 137, wo Zizioulas die Schrift im Unterschied zur eschatologischen Perspektive in einem Atemzug mit natÛrlich-historischer Notwendigkeit nennt. 247 Ders.: Being, S. 207. Vgl. ebd.: „[. . .] by letting the eschaton determine history and its structures“. Vgl. ders.: Kirche, S. 103, und ders.: Grundlage, S. 66 ff. – Zu den skizzierten hermeneutischen Grundorientierungen s. o., S. 373 ff. 248 Ders.: Eucharistie, S. 175. 249 Ders.: Eschatologie, S. 381.

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chen Akt der prÅsentisch-eschatologischen Konstituierung der Kirche, die sich in der Eucharistie hier und jetzt zur eschatologisch-messianischen Gemeinschaft konstituiert und damit exakt der Seinsweise des trinitarischen Gottes entspricht.250 Doch mit dieser Vorstellung wird Zizioulas dem biblischen Zeugnis in doppelter Weise nicht gerecht: Erstens gilt der eschatologische Vorbehalt des „schon“ und „noch nicht“ auch fÛr die eucharistische Versammlung. Zweitens wird die Gemeinschaft der Glaubenden auch im Eschaton nicht zum „Sein“ Gottes. Sie kann dem innertrinitarischen Wesen Gottes nicht entsprechen, da der Unterschied zwischen Gott, Mensch und Kirche wesensmÅßig ist und somit Bestand hat. Das gilt etwa fÛr die paradoxale Gleichzeitigkeit von intra- und interpersonaler Dimension, die allein fÛr Gottes Wesen zutrifft und deshalb Zizioulas’ interpersonaler Identifizierung von g×ttlicher und menschlicher Seinsweise entgegensteht. Zwar sieht Zizioulas das neue eschatologische Leben der Christen nur im eucharistischen Akt manifestiert, was den Blick fÛr den eschatologischen Vorbehalt in den Phasen zwischen den eucharistischen Akten ×ffnet. Aber da der Christ in der Eucharistie zu einer neuen Korporativperson wird, kann der Vorbehalt letztlich nicht wirklich zur Geltung kommen. Das bestÅtigt sich in der exklusiven eucharistischen Reduktion, durch die Zizioulas alle Ûbrigen ekklesiologischen Grundlagen ausblendet und „die Eucharistie [. . .] mit der Kirche identisch“ werden lÅßt: „Dies ist die einzige Ontologie, die die Kirche kennt und verkÛndet.“251 Diese sakramentale Ontologie versteht die Wahrheit eschatologisch und als Gemeinschaft: „Eschatologie und Gemeinschaft stellen die fundamentalen Elemente des orthodoxen EucharistieverstÅndnisses dar.“252 ºber die rein eschatologische Konstituierung hinaus, die neben der patromonistischen und pneumatozentrischen auch zur eschatologischen Determination der Christologie fÛhrt253, liegt ein weiteres Problem im korporativen VerstÅndnis von Gemeinschaft, das – wie gezeigt – aus Zizioulas’ Person250 Vgl. ders.: Doctrine, S. 27 f.: „The Church is primarily communion, i. e. a set of relationships making up a mode of being, exactly as is the case in the Trinitarian God.“ Vgl. ferner ders.: Christologie, S. 136: „Die Eucharistie ist [. . .] ein eschatologisches Ereignis.“ Vgl. ders.: Community, S. 29: „The eucharist was understood [. . .] not only to celebrate but also to constitute the eschatological messianic community here and now.“ – Vor diesem Hintergrund wird verstÅndlich, warum G. Baillargeon: Perspectives, S. 256 f., und M. Volf: TrinitÅt, S. 97, Zizioulas eine Ûberrealisierte Eschatologie vorwerfen. 251 I. D. Zizioulas: Eucharistie, S. 177 u. 173. Zum Problem der rhythmischen inter-eucharistischen Existenz mit ihrer angeblichen M×glichkeit des eschatologischen Vorbehalts vgl. P. McPartlan: Eucharist, S. 269 ff. 252 I. D. Zizioulas: Christologie, S. 130. 253 Vgl. ders.: Wahrheit, S. 26, wo die Christologie in die eschatologischen PrÅmissen eingeordnet wird: „Sieht man aber nun die Bedeutung der Geschichte unter der Erwartung des ZukÛnftigen, wo findet sich dann die besondere und entscheidende Stelle, die nach unserer Auffassung der Wahrheit der Christologie zukommt?“ Vgl. ders.: Christologie, S. 130 ff. Hier wird

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begriff resultiert. Weil er Wort Gottes und Wahrheit nicht kognitiv oder revelatorisch-historisch versteht, sondern als eucharistische Existenz der ekklesiologischen Korporativperson Christi, welche „Wahrheit zu etwas Sakramentalem“254 werden lÅßt, steht das Wort Gottes nicht mehr einer empfangenden Kirche gegenÛber, sondern es ist ihr inhÅrent: „Das Wort Gottes wohnt also nicht im menschlichen Geist als vernÛnftige Erkenntnis [. . .], sondern als Gemeinschaft inmitten einer Gemeinde“, die als Christus selbst „Wahrheit“255 wird. Ebenso ist der Heilige Geist der ekklesiologischen Korporativperson inhÅrent. Aufgrund der einseitigen Konzentration auf die Ursprungsbeziehungen kommt er nur in seiner Wirkung auf Christus zur Geltung. Der aus den ewigen Existenzbeziehungen abzuleitende Ausgang des Geistes aus Christus geht in der einseitig pneumatozentrischen Determination der Christologie verloren, und die Wirkung des Geistes als vergegenwÅrtigender Agens zwischen Christus und Kirche bleibt ausgeblendet, so daß der Geist die Trennung von Christologie und Ekklesiologie aufhebt und die „Wahrheit als Christus und die Wahrheit als Geist [. . .] identisch“256 sind. Folgerichtig verlieren Wort und Geist ihre Dimension eines g×ttlichen GegenÛbers, und die Gleichzeitigkeit von „GegenÛber und NÅhe“ des trinitarischen Gottes reduziert sich auf den Aspekt der „NÅhe“, bis hin zur Identifizierung in der ekklesiologischen Korporativperson. Das Konzept der ontologischen Korporativperson bedeutet zugleich, daß es neben der Konstituierung der Kirche durch das g×ttliche Sein des „Einen“ (Christus) zur ontologischen Bedingtheit der g×ttlichen Existenz durch die geschaffene Existenz der „Vielen“ (Kirche) kommt, was die ekklesiale Bedingtheit der Existenz Christi beinhaltet. Von daher verwundert es nicht, daß Zizioulas – gegen den biblischen Befund (Kol 1,18; Eph 4,15) – die Unterscheidung von Haupt und Leib in der westlichen Theologie kritisiert.257 In der ontologischen Korporativperson stehen Christen und Kirche der Wahrheit nÅmlich nicht in empfangender Weise gegenÛber, sondern sie werden selbst Quelle der Wahrheit: „Somit wird uns die Wahrheit nicht auferlegt, sondern sie entstammt unserem Dasein“258.

deutlich, daß die eschatologische Determination der pneumatozentrischen Tendenz entspricht und aus dieser resultiert. Vgl. dazu auch ders.: Wahrheit, S. 38 u. 40 f. 254 Ders.: Dimension, S. 142. 255 Ders.: Wahrheit, S. 42. 256 Ebd., S. 40. Vgl. ebd., S. 38 f., und ders.: Eucharistie, S. 177. 257 Vgl. ders.: Grundlage, S. 75, wo er neben der genannten Kritik folgendes konstatiert: „Nimmt man Christus aus der Gemeinde heraus, dann hat man keinen Christus mehr“. Vgl. ders.: Kirche, S. 97: „Die ‚Vielen‘ sind ein konstitutives Element des ‚Einen‘.“ Zu dieser Bedingtheit der g×ttlichen Existenz durch das geschaffene Sein bzw. durch die Kirche vgl. auch M. Volf: TrinitÅt, S. 81 f., und P. McPartlan: Eucharist, S. 258 f. u. 284 f. 258 I. D. Zizioulas: Dimension, S. 143.

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Aufgrund dieser eucharistisch-sakramentalen Hermeneutik sind alle revelatorisch-historischen Quellen bzw. Kriterien wie Schrift und Bekenntnis an den Rand gedrÅngt. Die Kirche verabsolutiert in einer pneumatozentrisch bedingten eschatologisch-spekulativen Ausrichtung ihre eigene Erfahrung und Vision und damit ihre eigene Tradition. Dem entspricht Zizioulas’ PrÅferenz fÛr die pneumatologische „Kon-stitution“ der Kirche, die ihrer christologischen „In-stitution“ vorzuziehen sei, weil letztere ein gegebenes Faktum darstelle, das „fÛr unsere Freiheit eine Provokation“ bedeute, wÅhrend erstere uns in ihr „eigentliches Sein einbezieht“, weil wir an ihrem „Entstehen teilhaben“259. Die von Zizioulas angestrebte existentiale Freiheit, die der g×ttlichen Freiheit kongruent ist, kommt letztlich aber nicht den einzelnen Christen zu, sondern nur der Kirche als Korporativperson. Denn durch die Identifizierung mit dieser Korporativperson wird der Christ zur ekklesiologischen Hypostase, in der sein Selbstand mit der ºbernahme der Daseinsstruktur der Kirche absorbiert wird. Das entspricht der Verankerung in der Eucharistie, die die „Gesamtkirche und nicht die vertikale Beziehung jedes einzelnen zu Gott“260 verk×rpert: „[. . .] der Heilige Geist [. . .] schafft nicht gute Einzelchristen, sondern [. . .] eine Kirche“261. FÛr Zizioulas vollzieht sich die christologische und die pneumatologische Einwohnung Gottes nicht im einzelnen Christen, sondern nur Ûber die ekklesiologische Korporativperson: „Spirituality is an ecclesial and not an individual experience.“262 Deshalb werden die Gaben des Geistes ohne RÛcksicht auf den biblischen Befund als rein korporativ postuliert und als Beleg fÛr das Aufgehen der einzelnen Christen in der ekklesiologischen Korporativperson verwendet, wogegen aber Schriftpassagen wie I Kor 6,19 sprechen, die den Leib jeder einzelnen Person als Tempel des Heiligen Geistes herausstellen.263 Doch laut Zizioulas erhÅlt der Mensch seine christliche Existenz allein aus dem Mutterschoß der Kirche, die somit an Gottes Stelle zum Heilsmaßstab und zur Heilsquelle des Menschen wird. Mit dem ekklesialen Sein geht der Mensch in einer als „evolutionistische Theosis“ zu bezeichnenden Weise von seiner biologischen Hypostase in die mit Gottes Seinsstruktur identische personale ekklesiologische Hypostase Ûber und erhÅlt erst so seine „Per-

Ders.: Christologie, S. 139. Vgl. ders.: Doctrine, S. 28. Ders.: Welt, S. 343. Vgl. ders.: presuppositions, S. 348: „[. . .] no member of the Church can relate to God individually, but only as a member of a body“. Vgl. ferner ders.: Dimension, S. 142 f., und ders.: Being, S. 53 ff. Vgl. auch P. McPartlan: Eucharist, S. 272, und M. Volf: TrinitÅt, S. 96. 261 I. D. Zizioulas: Eucharistie, S. 178. 262 Ders.: Community, S. 30. Vgl. ebd., S. 27 ff., und ders.: Being, S. 164. Vgl. ferner P. McPartlan: Eucharist, S. 278 f. 263 Vgl. I. D. Zizioulas: Community, S. 27: „[. . .] the gifts of the Spirit by nature corporate“. Vgl. ebd., S. 26 ff. Vgl. ferner M. Volf: TrinitÅt, S. 85, Anm. 90. 259 260

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sonalitÅt“: „The church [. . .] provided one with a new identity, different from the identity given by natural birth“264. Die von Zizioulas angestrebte PersonalitÅt und Freiheit, die er dem natÛrlichen Menschsein abspricht, erhÅlt der Mensch aufgrund der KorporativEkklesiologie also auch nicht in der Kirche, weil die partikulare menschliche PersonalitÅt von der ekklesiologischen Korporativperson aufgesogen wird. Miroslav Volf hat Ûberzeugend dargelegt, daß die Personen in ihrer Unterschiedlichkeit nicht in dem einen VerhÅltnis des Sohnes zum Vater konstituiert werden k×nnen, da dieses VerhÅltnis fÛr alle Personen gleich ist und durch die hypostatische Identifikation lediglich ein geistiges Klonen gewÅhrt, aber keine personale PartikularitÅt. Das biblisch bezeugte – je besondere – personale GottesverhÅltnis des Menschen mit dessen Ansprechbarkeit und FÅhigkeit zur pers×nlichen Antwort oder Annahme des g×ttlichen Zuspruchs gehen so verloren. Das gilt auch fÛr Zizioulas’ Versuch, die menschliche PartikularitÅt durch ihren spezifischen Ort in der ekklesialen Gemeinschaft zu definieren, da er sie nur in verschiedenen Diensten oder Ordnungen (wie Laien oder Bisch×fe) verankert, die aber immer mehreren Personen gemeinsam sind.265 Daß die einzelnen Glaubenden bzw. die „Vielen“ nur kollektiv als jeweiliger Dienst oder Ordo in Erscheinung treten und in ihrer PartikularitÅt kaum zu unterscheiden sind, erinnert an die trinitÅtstheologische Reduktion auf die Ursprungsbeziehungen und damit auf die HervorgÅnge von Sohn und Geist. Die Ursprungsbeziehungen lassen nÅmlich im Unterschied zu den vielfÅltigen ewigen Existenzbeziehungen auch nur wenig Unterscheidungsm×glichkeiten zwischen Sohn und Geist bzw. den „Vielen“ zu.

Der Einebnung partikularer menschlicher PersonalitÅt entspricht Zizioulas’ Einordnung von Vernunft, Erkenntnis, Willen und Glauben in den zu Ûberwindenden natÛrlich-individuellen Bereich, was damit zusammenhÅngt, daß er PersonalitÅt inkarnatorisch-eucharistisch verankert und demnach rein sakramental-ontologisch als Gemeinschaft und Liebe versteht. Eigenschaften wie Vernunft und Wissen, die das Getrenntsein von Erkennendem und Erkanntem voraussetzen, charakterisiert Zizioulas als individuierend und deshalb seiner Hermeneutik der Gemeinschaft nicht wesensgemÅß. Ihr entspreche nur ein Mensch, der sich allein von der Relation und vom anderen her definiert, und

264 I. D. Zizioulas: Community, S. 26 ff. Vgl. ders.: Capacity, S. 443: „[. . .] Church [. . .] offers impersonal nature [. . .] the personhood of man“. Vgl. dazu ders.: Welt, S. 346: „Damit h×rt der Mensch auf, Individuum zu sein. Er wird Person“. Vgl. ferner ders.: Wahrheit, S. 40: „Die Existenz Christi wird auf unsere geschichtliche Existenz nicht in abstracto Ûbertragen oder auf eine individualistische Weise, sondern in der Gemeinde und durch sie. Diese Gemeinde bildet sich aus der gew×hnlichen Existenz durch eine radikale Umkehrung des Individualismus in der Taufe. Die Taufe [. . .] bezeichnet den entscheidenden ºbergang von der Existenz der ‚Wahrheit‘ des individuierten Seins zur Wahrheit des personalen Seins.“ Vgl. dazu auch ders.: Being, S. 58: „[. . .] his [man’s] ‚hypostatic constitution‘, [. . .] his new birth from the womb of the Church“. 265 Vgl. M. Volf: TrinitÅt, S. 83 ff. u. 173 ff.

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zwar von der Kirche her, so daß die Christen „aufh×rten, Individuen zu sein, um Kirche zu werden. In der Eucharistie h×ren Gebet, Glaube, Liebe, Caritas [. . .] auf, ‚mein‘ zu sein, sie werden zur Beziehung [. . .] zwischen Gott und seiner Kirche“266. In der ekklesiologischen Korporativperson (Christus totus) betet dann nicht mehr der einzelne Christ, sondern die Kirche bzw. Christus.267 Durch den sakramentalontologischen ºbergang (Theosis) von der natÛrlichen IndividualitÅt zur eschatologischen PersonalitÅt ist auch die Dialektik des „schon“ und „noch nicht“ (eschatologischer Vorbehalt) kaum noch durchzuhalten, zumal die volle Verwirklichung des Gottesreiches in der Eucharistie postuliert wird. Weil der Mensch im Kontext dieser eucharistisch-eschatologischen Synaxis vom natÛrlichen Individuum in die ekklesiale Person Ûbergeht und es so um zwei verschiedene ontologische Konstitutionen geht, lÅßt sich das „simul iustus et peccator“ ebenfalls nicht mehr denken.268 Doch die korporative Gebetsidentifizierung sowie die Ausschaltung des SÛnderseins und der Dimension des individuellen Glaubens und Erkennens entsprechen nicht den biblischen und anthropologischen Voraussetzungen. So betet laut neutestamentlichem Zeugnis nicht Christus statt der Christen oder durch sie, sondern diese beten im Geist durch Christus zum Vater (R×m 1,8; 8,15; 8,26; Gal 4,6).269 Diese Differenzierung erinnert an die Differenz zwischen Christus (Haupt) und Kirche, worin die Voraussetzung fÛr das „simul iustus et peccator“ und eine wirkliche Gemeinschaft zwischen Christus und Christen liegt. Denn von PersonalitÅt in Gemeinschaft kann nur die Rede sein, wenn die Bedingungen fÛr die glaubende Annahme dieser Gemeinschaft ernst genommen werden. Aufgrund der sakramental-ontologischen Theosis spielt der Glaube in Zizioulas’ Ekklesiologie und Soteriologie jedoch kaum eine Rolle. Er begegnet h×chstens als vages Verlangen nach der Anwesenheit g×ttlicher Gemeinschaft oder als allgemeine FÅhigkeit der ekklesiologisch-sakramentalen Korporativperson.270 Als subjektive Aneignung des verkÛndeten Heils paßt er nicht in Zizioulas’ System, da er so als kognitiver Akt kognitive Inhalte voraussetzen wÛrde und unter das Verdikt der Individuierung fiele. Weil die Gemeinschaft aber nicht ohne kognitive Bezugnahme auf die geoffenbarte Wahrheit und die Glaubensinhalte auskommt, treten bei Zizioulas erneut widersprÛchliche und nicht schlÛssige Argumentationsmuster auf. Zum Beispiel erkennt er die Notwendigkeit, die eucharistische Vision Christi durch Dogmen vor hÅretischer Entstellung zu schÛtzen. Obwohl das kognitive Unterscheidung voraussetzt, spricht er den Dogmen eine inhaltlich-kognitive Beziehung zur Wahrheit ab

266 I. D. Zizioulas: Welt, S. 346. Vgl. ders.: Doctrine/Holy Trinity, S. 56; ders.: Wahrheit, S. 32 f. u. 45; ders.: Community, S. 37, und ders.: Capacity, S. 413 f. u. 426 f. 267 Vgl. ders.: Community, S. 26: „[. . .] it meant that Christian prayer was in essence nothing but Christ’s prayer addressed to God for (hyper) us or instead of (anti) us“. 268 Vgl. ders.: Capacity, S. 440: „Finally [. . .] it must be added that if Christ is taken as the Man par excellence, theology cannot help but develop a very high view of man. Man cannot be defined as simul iustus et peccator“. Vgl. M. Volf: TrinitÅt, S. 96 ff. 269 Vgl. hierzu die exegetisch begrÛndete Kritik von M. Volf: TrinitÅt, S. 96, Anm. 151. 270 Vgl. I. D. Zizioulas: Capacity, S. 421: „[. . .] man has a capacity [. . .] for faith“, because „man confronts nothingness not as a sort of an acceptable ‚nirvana‘, but as a painful absence which makes him long for presence“. Vgl. ders.: Being, S. 58: „The ecclesial hypostasis is the faith of man in his capacity to become a person“.

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und reduziert ihre Charakteristik auf den doxologisch-eucharistischen Vollzug. Von daher unterstellt er auch den Konzilen und Glaubensbekenntnissen, in Ergebnis und Zielsetzung nicht theologischer Orientierung bzw. Reflexion zu dienen, sondern lediglich der Ausrichtung gemeinsamer Eucharistie.271 Kognitive und reflexive Glaubensinhalte, die sich auf die apostolische Lehre beziehen, sind aber notwendig, um Christus von anderen G×tzen unterscheiden zu k×nnen (II Kor 11,4 u. ×.) sowie Christus und sein Werk bekennen und glaubend annehmen zu k×nnen. Deshalb geh×ren kognitives Wissen, reflektierendes und ×ffentliches Bekennen (R×m 10,10 u. ×.), personale Anerkennung und annehmender Glaube bzw. willentliche Hingabe (Lk 1,38 u. ×.) zu den GrundmodalitÅten des Heilsempfangs und kirchlicher Gemeinschaft. Weil der Glaube als Aufnahme des Evangeliums Wissen voraussetzt und als Annahme des Evangeliums des Willens bedarf, ist der Glaube als personale Anerkennung bzw. Annahme der Heils×konomie Gottes neben seiner pneumatologischen Dimension wesentlich auch kognitiv, ebenso wie das Bekenntnis und die VerkÛndigung. Außerdem bilden Glaube, Bekenntnis und verkÛndigtes Wort die Grundvoraussetzungen fÛr den Sakramentsempfang (I Kor 11,27 ff.; Gal 3,27 f.; Hebr 10,23 u. ×.). Neben den Sakramenten liegt im verkÛndigten Wort das konstitutive Merkmal der Kirche, da diese nicht fÛr sich selbst existiert, sondern fÛr die Welt.272

Wie Zizioulas durch seine einseitig syrisch-palÅstinensische Auslegung der Patristik das ekklesiologische Gewicht von Wort und Bekenntnis zugunsten einer sakramental-eucharistischen Reduktion verdrÅngt, so vernachlÅssigt er die biblisch bezeugte Bedeutung des Glaubens mit seiner kognitiven und voluntativen Dimension. Mit dieser ºberreaktion gegenÛber der kognitiv-rationalen Theologie scholastischer PrÅgung schaltet Zizioulas die wesentlichen Momente aus, die eine wirkliche Gemeinschaft zwischen Gott und Mensch sowie der Menschen untereinander erm×glichen. Nur wenn der Mensch nicht korporativ in den Relationen aufgeht, sondern wie in der Bibel als sprachlich konstituiertes Wesen erkannt wird, das Zuspruch annehmen kann und durch subjektive Wahrnehmung der Welt und den Mitmenschen frei gegenÛberzutreten vermag, besteht die M×glichkeit voluntativer Gemeinschaft. Gleiches gilt fÛr das VerstÅndnis der Liebe, die als ontologisch-korporatives RelationsgefÛge nicht als freie personale Beziehung denkbar ist, weil es dazu der BerÛcksichtigung des Erkennens des Geliebten und der willentlichen Erwiderung bedarf. Von daher bilden SubjektivitÅt und personaler Selbstand – im Unterschied zum Modell der Korporativperson – die Voraussetzung fÛr die von Zizioulas eigentlich angestrebte Ekklesiologie der Gemeinschaft in Liebe und Freiheit. Das wiederum setzt voraus, daß der Mensch bereits in der Sch×pfungsordnung PersonalitÅt be271

Vgl. ders.: Wahrheit, S. 43–45. Vgl. dazu C. Schw×bel: Being, S. 161. Vgl. insgesamt M. Volf: TrinitÅt, S. 91 f., 138 ff., 159 ff. Zur zentralen Bedeutung des Glaubens im Neuen Testament vgl. R. Bultmann: Theologie, S. 91. 272

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sitzt.273 Erst dann besteht kein evolutionistisch-ontologischer ºbergang von der Stufe der IndividualitÅt zur Stufe eschatologischer PersonalitÅt mit entsprechender Vermischung g×ttlicher und menschlicher Strukturen, sondern es besteht ein stÅndiges VerhÅltnis von „GegenÛber und NÅhe“ Gottes, das sowohl der SÛnde als Abwendung des Menschen von Gott als auch der Heilsannahme als Hinwendung zu Gott Raum gibt. Mit der Ausblendung biblisch bezeugter SozialitÅt und SubjektivitÅt des Menschen beraubt sich Zizoulas eines angemessenen VerstÅndnisses von SÛnde, Heilsannahme, Gemeinschaft und Liebe, was auch aus seiner pneumatozentrischen VerdrÅngung der theologia crucis resultiert. Dadurch kann er substanzmonistischer Theosis nicht durch eine Ekklesiologie freier und personaler Gemeinschaft begegnen, sondern er gelangt erneut zu einer monistischen Korporativ-Ekklesiologie, die aus seiner pneumatozentrisch-eschatologischen Identifizierung g×ttlicher und menschlicher Strukturen sowie seiner patromonistisch-hierarchischen Orientierung resultiert. Das spiegelt sich sowohl in Zizioulas’ evolutionistisch-inkarnatorischem °konomieverstÅndnis als auch in seinem sakramental-korporativen KirchenverstÅndnis wider, in dem nicht der einzelne als Glaubender zur Geltung kommt, sondern nur die Kirche, die die PersonalitÅt der einzelnen absorbiert. Da nach dem trinitarischen Modell „Einer-Viele“ aber nicht die kirchliche Gemeinschaft konstitutiv sein kann, sondern nur die personale Hypostase des „Einen“, ÛbertrÅgt Zizioulas sein trinitarisches Modell auch auf das AmtsverstÅndnis. Der ekklesiologische „Eine“, der die vielen Glaubenden inkorporiert, ist der Bischof. Ihm schreibt Zizioulas exklusiv die Funktion des Hauptes der Eucharistie zu. Da diese wegen ihrer eschatologischen Identifizierung mit der g×ttlichen Wesensstruktur als konstitutive Quelle kirchlicher Wahrheit gilt, entspricht sie mit ihrem episkopalen Haupt dem eschatologischen Reich Gottes mit Christus als Haupt. Deshalb kann Zizioulas eine Analogie zwischen dem von Aposteln umgebenen eschatologischen Christus und dem von Presbytern umgebenen Bischof herstellen. Auf diese Weise findet er zu einer identifizierenden ParallelitÅt von christologischer und episkopaler Korporativperson. Wie oben bereits gezeigt, wird diese Konstruktion aber weder dem biblischen noch dem patristischen Befund gerecht.274 Das gilt sowohl fÛr ihr Ergebnis als auch fÛr ihre einzelnen Voraussetzungen.

273 Vgl. insgesamt M. Volf: TrinitÅt, S. 159 ff. u. 173 ff. Zum Selbstand des Menschen innerhalb des Kontextes von Gottes- und Weltbezug vgl. W. Pannenberg: Anthropologie, S. 217 ff. Zur sprachlichen Konstitution des Menschen s. o., S. 38 u. 270, und s. u., S. 467 ff. 274 S. o., S. 375 ff. Vgl. zur skizzierten Konstruktion I. D. Zizioulas: Episkop³, und ders.: Bishop.

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Wenn Zizioulas ausschließlich den Bischof als Vorsitzenden der Eucharistie gelten lÅßt, Ûbergeht er diese Funktion bei den Presbytern, die im Neuen Testament und in der Alten Kirche ebenfalls als Leiter der Eucharistiegemeinde agierten, was schon daran ersichtlich ist, daß die Begriffe presbu´teroß und ešpı´skopoß lange Zeit synonym verwendet wurden. Der altkirchlichen Entwicklung entspricht deshalb auch nicht die Annahme, die Aufgabe des episkopalen Amtes habe zunÅchst primÅr im Eucharistievorsitz bestanden und sei erst spÅter auf Lehre und Administration zugeschnitten worden, wÅhrend umgekehrt der Eucharistievorsitz erst nachtrÅglich auf die zunÅchst mit Lehre und Jurisdiktion betrauten Presbyter Ûbergegangen sei. Beide Šmter verk×rpern im Neuen Testament und in der frÛhen Kirche von Anfang an sowohl Wort- und Sakramentsverwaltung als auch Leitungsvollmacht. So ist es unangemessen, wenn Zizioulas die ursprÛngliche episkopale bzw. apostolische Sukzession in der Alten Kirche auf die eucharistische Funktion fixieren will und der Sukzession in bezug auf die Lehre keine Beachtung schenkt, denn der Grundcharakter des Amtes liegt in der VerkÛndigung des Evangeliums, und „der Gegenstand der ºberlieferung ist der christliche Glaube als zusammenhÅngendes System“275. Selbst die von Zizioulas prÅferierte syrisch-palÅstinensische Nebenlinie lÅßt seine weitgehend sakramental-hohepriesterliche Definition des Bischofsamtes bei genauerer Betrachtung der Quellen nicht zu.276 Die Bedeutung der Šmter fÛr die apostolische Lehre steht der rein eucharistischen Konstitution des Amtes durch Zizioulas entgegen. In gleicher Weise widerspricht die Verbindung der Šmter zum Zeugnis Jesu ihrer rein eschatologischen Definition.277

Erst durch seine eucharistisch-eschatologische Reduktion mit ihrer Identifikation von eucharistischer und himmlischer Gemeinschaft erhÅlt Zizioulas die Bedingungen fÛr sein korporativ-episkopales AmtsverstÅndnis. Wie der von den Aposteln umgebene himmlische Christus als „Einer“ die „Vielen“ und

275 R. P. C. Hanson: Art. „Amt V“, S. 545, der das unter Berufung auf IrenÅus betont. Vgl. zu den historischen Grundlagen der hier vorgebrachten Kritik an Zizioulas’ patristischer Bezugnahme ebd., S. 535 ff., und Åhnlich kritische Šußerungen von R. Williams: Rezension „I. D. Zizioulas: Being“, S. 104. Zur neutestamentlichen und frÛhkirchlichen SynonymitÅt von „Presbyteros“ und „Episkopos“, die auch von der Reformation aufgenommen wurde, vgl. außerdem H. Fagerberg: Art. „Amt VI“, S. 565, und W. Pannenberg: Theologie III, S. 419, 435, 438, 452 f., u. 454 f., der betont, daß die Einheit von Bischofs- und Presbyteramt auch vom Mittelalter und der Scholastik aufgenommen wurde, wÅhrend das Konzil zu Trient in gegenreformatorischer Absicht einen hierarchischen Unterschied zwischen den Šmtern als g×ttliche Anordnung herausstrich. – Zur Argumentation von Zizioulas vgl. I. D. Zizioulas: Episkop³, S. 31 ff.; ders.: Bishop, S. 23 ff., und ders.: Grundlage, S. 70 ff. 276 Denn im Blick auf den Gedanken eines derartigen Priestertums kommt R. P. C. Hanson: Art. „Amt V“, S. 539, allgemein – ohne sich auf Zizioulas zu beziehen – zu dem Ergebnis: „Man hat gemeint, ihn schon bei frÛheren Autoren zu finden, in der Didache (13,3: ‚ihr seid unsere Hohenpriester‘, auf die Propheten bezogen), bei Clemens von Rom (I Clem 40–44 [. . .]) und sogar bei Ignatius (Phld 9,1). Aber keiner dieser Texte lÅßt eine solche Interpretation zu.“ 277 Zur exklusiv eucharistisch-eschatologischen BegrÛndung des Amtes vgl. I. D. Zizioulas: Grundlage; ders.: Bishop, S. 25 ff.; ders.: Episkop³, S. 31 ff.; ders.: Being, S. 149 ff. Vgl. zur bedeutend vielfÅltiger angelegten historischen Entwicklung des Amtes R. P. C. Hanson: Art. „Amt V“, S. 533 ff.

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damit die Kirche verk×rpert, gilt der von den Presbytern umgebene Bischof als „alter Christus“ und damit als Korporativperson des „Einen“, der die „Vielen“ umfaßt. Zu den „Vielen“ geh×ren auch alle Ûbrigen Šmter, weshalb Zizioulas die Presbyter nur als Kollektiv qualifiziert und die Laien ebenfalls lediglich kollektiv als Ordo berÛcksichtigt. Die Presbyter gelten nicht mehr als Stellvertreter Christi, sondern als Stellvertreter des Bischofs, der die Rolle Christi Ûbernimmt. Daher kann Zizioulas in einseitiger Auslegung der syrisch-palÅstinensischen Linie die Identifikation von Christus und Episkopos konstatieren: „This kind of theology [. . .] sees no difference between the unity in Christ and the unity in the bishop [. . .], and this not by way of metaphor but in a mystical sense of real identification.“278 Die Voraussetzung dieser Identifikation liegt im rein interpersonalen TrinitÅtsverstÅndnis, das die Identifizierung mit anthropologischen und ekklesiologischen interpersonalen Strukturen erm×glicht. Beim AmtsverstÅndnis ist die Charakterisierung dieser Identifizierung auch durch die pneumatozentrischen und patromonistischen Relikte der christologischen Besinnung Zizioulas’ geprÅgt. Indem er unter einseitiger Bezugnahme auf die Ursprungsbeziehungen nur die Wirkung des Geistes auf den Sohn berÛcksichtigt, entsteht ein exklusives (pneumatozentrisches) GefÅlle von der Pneumatologie zur Christologie279, so daß die mit der Pneumatologie verbundenen eschatologischen und sakramentalen Aspekte die Christologie und die Ekklesiologie determinieren. Im Geist vollzieht sich die Identifikation von eucharistischer und eschatologischer Gemeinschaft, und der Geist verwandelt Christus und die Bisch×fe in eine Koporativperson. Dadurch wird die sakramental-spekulative Hermeneutik unterstrichen, die sich nur auf kirchliche Erfahrung und eschatologische Visionen stÛtzt, wÅhrend sie revelatorische Aspekte wie Schrift und Bekenntnis oder das Zeugnis des irdischen Jesus vernachlÅssigt. Aus der rein eucharistisch-eschatologischen BegrÛndung des Amtes resultiert die episkopozentrische Fixierung auf das – allein im Bischof akzeptierte – Haupt der Eucharistie als episkopal-korporative Darstellung des eschatologischen Christus. GegenÛber dieser eschatologisch-eucharistischen BegrÛndung kirchlicher KatholizitÅt durch den Bischof bezeichnet Zizioulas historisch-zeitliche (alter apostolus) und rÅumliche

278 I. D. Zizioulas: Being, S. 149, Anm. 24. Zu den Ûbrigen Hinweisen auf die Struktur von Zizioulas’ Ansatz vgl. ders.: Bishop, S. 25–30 (S. 30: „In and through the bishop the One Christ becomes ‚Many‘ – a community – and the many become ‚One‘.“); ders.: Episkop³, S. 35 f., 39, 42; ders.: Grundlage, S. 70–72; ders.: Christologie, S. 135 f., und ders.: Community, S. 31 ff. Vgl. zu einigen der analysierten Aspekte auch P. McPartlan: Eucharist, S. 262 ff., und M. Volf: TrinitÅt, S. 104 ff. 279 Vgl. I. D. Zizioulas: Grundlage, S. 75: „Im Gegensatz zur westlichen Vorstellung des ‚filioque‘ bestand der Osten immer darauf, daß der Geist keine Gabe Christi sei, sondern eine Voraussetzung fÛr den Christus“.

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KatholizitÅt (Verbindung mit Nachbarbisch×fen) als sekundÅr. Apostolische Sukzession versteht er deshalb nicht inhaltlich oder Ûberlieferungsgeschichtlich, sondern als eucharistisch-gemeinschaftliches Geschehen der im Episkopos verk×rperten Ortsgemeinden, die dadurch identisch mit Christus und untereinander werden.280 Insgesamt verstÅrkt das pneumatozentrische Relikt bei Zizioulas durch das korporative Kirchen- und AmtsverstÅndnis die Identifikation g×ttlicher und menschlicher Strukturen, indem es das GegenÛber-Sein Christi und des Heiligen Geistes in der Kirche aufgehen lÅßt.281 Innerhalb dieser korporativen Gemeinschaftsstruktur kommt es durch patromonistische Relikte zu asymmetrischen und hierarchischen Relationen, die wiederum das korporative Modell „Einer-Viele“ stÛtzen. ZunÅchst betont Zizioulas zwar aufgrund seines trinitarischen Koinonia-Ansatzes die reziproke Gemeinschaft zwischen allen Gliedern der Kirche, wenn er von der ºberwindung pyramidal-kollektiver und institutionell-klerikaler Vorstellungen spricht. So m×chte er gegenÛber einem monarchischen Episkopat, das individuelle Amtsgewalt in reiner Amtssukzession als sakramentale Gnade weitergibt (r×m.-kath.), den Episkopat konstitutiv in die eucharistische Gemeinschaft der Ortskirche eingebunden wissen. Weil die Eucharistie die Gemeinschaft der Getauften verk×rpere, k×nne es weder eine eucharistische Liturgie noch eine Bischofsordination ohne die konstitutive Anwesen-

280 Vgl. zu diesen Tendenzen einer pneumatozentrischen Determination von Christologie und Ekklesiologie sowie zu ihren Resultaten ders.: Bishop, S. 26 ff. (S. 29: „[. . .] the constitutive role played by the Holy Spirit in Christology, for it is the specific function of the Spirit [. . .] to make Christ a corporate person – not a mere individual. [. . .] The bishop in being alter Christus is also inconceivable as a separate individual“.); ders.: Christologie, S. 135 ff.; ders.: Episkop³, S. 31 ff.; ders.: Dimension, S. 139 („Jede Bischofsordination ist ein neues Pfingstereignis“.), und ders.: Being, S. 167 f. (eucharistisch-kommuniale Sukzession statt inhaltlich-lehrhafter Sukzession) u. 207: „[. . .] the structure which emerges from the vision of the eschatological community as the complex of the specific relations (ministries) in and through which the Spirit constitutes this community“. – Daß bei Zizioulas hier ein pneumatozentrisches Relikt die christologische Besinnung und damit die Ekklesiologie sowie das AmtsverstÅndnis determiniert, Ûbersieht M. Volf: TrinitÅt, S. 214: „Nach Zizioulas ist das Sein der AmtstrÅger – der Bisch×fe – sowohl christologisch als auch ekklesiologisch bestimmt“. P. McPartlan: Eucharist, S. 264, erkennt zwar einen starken pneumatologischen Einfluß („a powerful and precise Pneumatology“), aber nicht die Gefahr eines pneumatozentrischen GefÅlles. 281 Vgl. I. D. Zizioulas: Wahrheit, S. 38 f.: „Es handelt sich um eine pneumatologische BegrÛndung der Christologie. Zwischen Christus, der Wahrheit, und uns selbst muß nicht erst einen [sic] Distanz durch Gnadenmittel Ûberwunden werden. Der Heilige Geist, der das Christusgeschehen in der Geschichte ins Werk gesetzt hat, verwirklicht zugleich seine pers×nliche Existenz als Leib oder Gemeinde. Christus existiert nicht zuerst als Wahrheit und danach als Gemeinschaft. Er ist beides zugleich. Im Geist wird die Trennung von Christologie und Ekklesiologie aufgehoben. [. . .] Christus als die Wahrheit existiert im Geist.“ Vgl. ders.: Being, S. 165: „[. . .] the Spirit [. . .] does not live outside this community because He is the bond of love. It is in this sense that the Spirit is exclusively possessed by the Church“.

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heit der Laien geben. Deren Aufgabe sieht Zizioulas bei der Eucharistiefeier aber lediglich in dem „Amen“ als Antwort auf die empfangene Gnade. Ebenso verhÅlt es sich mit dem gemeindlichen „axios“-Ruf als Zeichen der Annahme des inthronisierten Bischofs. Obwohl sich die Ordinationsgewalt des Bischofs laut Zizioulas auch nach der Inthronisierung nur „in einer dynamischen perichoresis innerhalb“282 der Ortsgemeinde vollzieht, bleibt der Gemeinde auch hier nur die Funktion des Antwortens. So ist das episkopale Amt bei Zizioulas zwar durch die Gemeinde bedingt und in deren reziproke Relationen eingebunden, aber aufgrund der patromonistisch-subordinatianistischen PrÅgung des Modells „Einer-Viele“ und dessen ºbertragung auf das AmtsverstÅndnis wird die ReziprozitÅt zwischen Episkopos und Gemeinde asymmetrisch bzw. hierarchisch. Wie der eine Gott, der Vater, die vielen Personen in der TrinitÅt (Sohn und Geist) konstituiert, so konstituiert der eine Episkopos die vielen Glieder der Kirche. Die hierarchische BipolaritÅt der TrinitÅtslehre wird auf die Ekklesiologie Ûbertragen, mit dem Hinweis, daß der Hierarchiebegriff dem Personbegriff innewohne.283 Das gesamte Ausmaß der hierarchischen Funktion des Bischofs wird ersichtlich, wenn man sÅmtliche Stufen der ºbertragung in ihrer Logik betrachtet: die innertrinitarische, die christologische und die ekklesiologische. Das asymmetrisch-bipolare Modell „Einer-Viele“ wird in gleicher Weise auf alle drei Ebenen bezogen, obwohl es sich um wesensmÅßig unterschiedliche Ebenen handelt. Laut Zizioulas konstituiert der Vater den Sohn und den Geist, wÅhrend diese ihn lediglich bedingen (trinitarische Ebene). Christus konstituiert die Kirche, durch die er wiederum bedingt ist (christologische Ebene), und der Bischof konstituiert als identisches Abbild des korporativen Christus die kirchliche Gemeinschaft, von der er umgekehrt nur bedingt ist (ekklesiologische Ebene).284 Doch diese ºbertra-

282 Ders.: Dimension, S. 144. Vgl. ders.: Abendmahlsgemeinschaft, S. 47: „Ordination zum Amt im Zusammenhang der zur Eucharistie versammelten Gemeinde schließt ein, daß das empfangene ‚Siegel des Heiligen Geistes‘ nicht ohne existentielle Beziehung des EmpfÅngers zur Gemeinschaft bestehen kann.“ Vgl. insgesamt ders.: Being, S. 165 u. 218; ders.: Christologie, S. 127–140; ders.: Episkop³, S. 33 u. 35; ders.: presuppositions, S. 343 ff.; ders.: Bishop, S. 31 f.; ders.: Grundlage, S. 71 f.; ders.: Kirche, S. 99 f. 283 Vgl. ders.: Dimension, S. 141; ders.: Bishop, S. 30–34, und ders.: Grundlage, S. 77: „[. . .] die AutoritÅt des Vaters wird vom Sohn und vom Heiligen Geist anerkannt [. . .]. Und diese AutoritÅt und Rangordnung ist es, die die Kirche in ihrem Amt widerspiegeln muß.“ 284 Zizioulas’ analoge Verwendung der asymmetrischen BipolaritÅt auf den genannten drei Ebenen und ihren Zusammenhang mit der Monarchie des Vaters stellt M. Volf: TrinitÅt, S. 205 f., deutlich heraus, im Unterschied zu G. Baillargeon: Perspectives, S. 83 ff., der lediglich die ReziprozitÅt in Zizioulas’ Ekklesiologie wÛrdigt. Volf sieht aber bei seiner Darlegung nicht deutlich genug die unterschiedliche Problematik auf den jeweiligen Ebenen und das dafÛr verantwortliche Problem der ºbertragbarkeit, weil er selbst von einem rein interpersonalen trinitÅtstheologischen Ansatz ausgeht. Deshalb nimmt er den Unterschied zwischen der Gleichzeitigkeit von intra- und interpersonaler Dimension Gottes und den intra- oder interpersonalen

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gungskette weist vielschichtige UnzulÅnglichkeiten auf. Auf der trinitarischen Ebene besteht eine zu geringe BipolaritÅt, insofern als die perichoretische GleichursprÛnglichkeit durch das patromonistische GefÅlle verlorengeht. Da der Vater nur durch den Sohn und den Geist Vater ist, wird er nÅmlich durch beide konstituiert statt nur bedingt. Abgesehen davon, daß innertrinitarische Strukturen nicht einfach auf die Christologie Ûbertragbar sind, da es sich bei der christologischen Ebene um die Verbindung von g×ttlicher und menschlicher Dimension handelt, erscheint die BipolaritÅt bei der Christologie – umgekehrt wie auf der trinitarischen Ebene – als zu stark, da Christus hier von weltlichen Bedingungen abhÅngig gemacht wird. Ebenso unangemessen ist die direkte ºbertragung trinitarischer und christologischer Strukturen auf das VerhÅltnis der Christen untereinander, denn der Bischof ist weder mit dem Vater als g×ttlichem Ursprung noch mit Christus gleichzusetzen, der Gottheit und Menschheit in sich verbindet. Statt das VerhÅltnis von „GegenÛber und NÅhe“ Gottes, das sich aus der ×konomischen Selbsterschließung ergibt, fÛr alle Glieder der Kirche zu wahren, vollzieht Zizioulas durch die Identifizierung interpersonaler g×ttlicher und anthropologischer Strukturen die Identifizierung von Christus und Episkopos. Indem Christus durch die patromonistisch-subordinatianistische Tendenz zwischen Gott und Sch×pfung angesiedelt erscheint, wÅhrend der Episkopos in der ekklesiologischen Gemeinschaft als der „Eine“ den Platz der Monarchie des Vaters einnimmmt, treffen sich Christus und Episkopos auf gleicher H×he. Die christologisch-episkopale Korporativperson befindet sich daher als ein einziger Heilsmittler auf der Ebene zwischen Gott und Sch×pfung, so daß der korporative Episkopos als Kirche mit der Heilsmittlerschaft Christi identisch wird285, was den Anschein episkopaler und ekklesiologischer Selbstverg×ttlichung hat und durch die pneumatozentrisch-eschatologische Identifizierung von Bischof und eschatologischem Christus unterstrichen wird. Einer solchen unangemessenen ºbertragungskette von g×ttlichen Strukturen auf menschliche bzw. ekklesiologische Strukturen und der entsprechenden Ge-

anthropologischen Strukturen nicht wahr. Zwar erkennt Volf einen Unterschied zwischen innerg×ttlicher Perichorese und ekklesiologischer Gemeinschaft, aber nur innerhalb der jeweiligen interpersonalen Strukturen, auf die er sowohl die g×ttliche als auch die anthropologische und ekklesiologische Existenzweise reduziert (s. u., S. 416 ff.). – Welche Probleme sich aus einem solchen hermeneutischen Defizit bei Zizioulas jeweils fÛr die genannten Ebenen ergeben, wird im folgenden gezeigt. 285 Vgl. I. D. Zizioulas: Being, S. 163 ff., und ders.: Abendmahlsgemeinschaft, S. 38, wo Zizioulas die im Bischofsamt fokussierte Kirche als darbringende Heilsmittlerin beschreibt. Auf diese Stellung der episkopal konstituierten Kirche in Zizioulas’ Soteriologie verweist auch P. McPartlan: Eucharist, S. 293 u. 296 f. Aber er erkennt nicht die genannten trinitÅtstheologischen Defizite als Voraussetzung fÛr dieses Konzept.

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fahr korporativer Identifizierung von Gott und ekklesiologischen Šmtern k×nnte mit einer ausgewogeneren TrinitÅtslehre begegnet werden. ZunÅchst mÛßte Zizioulas den Unterschied zwischen der Gleichzeitigkeit von intraund interpersonaler Dimension Gottes und dem weltlichen oder ekklesiologischen Geflecht intra- und interpersonaler Aspekte wahrnehmen, statt die TrinitÅt einseitig interpersonal zu qualifizieren und so eine Identifikation mit interpersonalen ekklesiologischen Strukturen vorzunehmen. Bei BerÛcksichtigung des intra- und interpersonalen Wesens Gottes bliebe Gott als intrapersonales GegenÛber der Menschen erkennbar, das ihnen heils×konomisch nahe kommt. So wÛrde Gott auch fÛr die AmtstrÅger als bleibendes GegenÛber erkannt. Diese erschienen dann nicht nur als hierarchisches GegenÛber des Gottesvolkes, sondern wÅren perichoretisch in dessen Gemeinschaft integriert. Das setzt ferner die ºberwindung der patromonistischen Relikte voraus, indem neben der hypostatischen EigentÛmlichkeit des Vaters (Ursprung) die perichoretische GleichursprÛnglichkeit der trinitarischen Personen Geltung erlangt. Anolog zur trinitarischen Perichorese mit ihren spezifischen EigentÛmlichkeiten der Personen wÅre so innerhalb der grundsÅtzlichen Gleichwertigkeit aller Glaubenden ein spezifisches Amt darstellbar, das den Unterschied zwischen Gott und Kirche (Amt) bewahrt. DafÛr bedÛrfte es ferner der endgÛltigen ºberwindung pneumatozentrischer Relikte, die bei Zizioulas fÛr die pneumatologisch-eschatologische Identifizierung von christologischer und episkopaler Korporativperson verantwortlich sind. Erst dann wÛrde sich das Amt perichoretisch in die interpersonalen ekklesiologischen Relationen einfÛgen, wÅhrend Gott das intrapersonale GegenÛber der Kirche bliebe. In der Kirche entsteht der Zusammenhang von intra- und interpersonaler Dimension also erst in Gemeinschaft mit Gott, der den interpersonalen Relationen kirchlicher Gemeinschaft als intrapersonales GegenÛber Einheit schenkt. Deshalb bleibt die Kirche einschließlich ihrer Šmter Gott gegenÛber in einer empfangenden Haltung, was in Analogie zur trinitarischen Perichorese nicht ausschließt, daß der AmtstrÅger oder Bischof der Gemeinde als Zeichen des GegenÛberSeins Gottes dienen kann. Wie sich der Vater als innerg×ttlicher Ursprung im Kontext perichoretischer GleichursprÛnglichkeit als GegenÛber von Sohn und Geist erweist, ohne deren gleichursprÛngliche Wesenseinheit in Frage zu stellen, so kann der Bischof in der perichoretischen Gemeinschaft der Glaubenden als Zeichen des g×ttlichen GegenÛbers gelten, ohne selbst das GegenÛber zu sein und damit seine perichoretische „Wesenseinheit“ mit den Ûbrigen Glaubenden zu verlieren. In diesem Kontext erhÅlt auch die Rede vom „Ehrenprimat“ ihren Sinn. Zur Wahrnehmung dieser Analogie bedarf es ferner der Beachtung des VerhÅltnisses von innertrinitarischen Ursprungs- und Existenzbeziehungen, weil die ewigen Existenzbeziehungen auf die gleichursprÛngliche Perichorese der trinitarischen Personen verweisen und so die Gefahr patromonistischer und pneumatozentrischer Tendenzen verhindern. Denn Zizioulas’ alleinige Konzentration auf den Ursprung des Sohnes und des Heiligen Geistes im Vater verleitet sowohl zur Subordination von Sohn und Geist als auch zur Ausblendung der christologischen Anbindung des Geistes. Die Beachtung der ewigen Existenzbeziehungen erm×glicht hingegen, die Ursprungsbeziehungen innerhalb der perichoretischen Gemeinschaft als jeweilige Spezifika wahrzunehmen, was sich im VerhÅltnis des ordinierten Amtes (Zeichen fÛr

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das GegenÛber-Sein Gottes) zur Gemeinschaft aller Glaubenden niederschlagen kann.

Welche Konsequenzen sich daraus ergeben, wenn man die heils×konomisch erkennbaren trinitarischen Differenzierungen nicht wahrnimmt, belegen Zizioulas’ einseitige trinitÅtstheologische Definitionen mit ihren strukturellen ºbertragungen. Weil sich die patromonistisch angelegte Identifikation von Christus und Episkopos durch die pneumatologisch-eschatologische Identifizierung von Bischof und eschatologischem Christus vollzieht, ist die Vermittlung des Geistes bei Zizioulas an das episkopale Amt gebunden, wodurch nur der Bischof die Kirche konstituieren kann: „[. . .] none else can give the Spirit to the community [. . .]. In this sense he is addressing the community; he constitutes it, as the ecclesial presupposition par excellence.“286 Als „alter Christus“, als der korporative „Eine“, der Christus und die Menschen verk×rpert, konstituiert der Bischof nicht nur die Einheit und die KatholizitÅt der Ortskirche, sondern auch die Beziehungen der „Vielen“ innerhalb der Kirche, indem er alle Ûbrigen Šmter sowie den Ordo der Laien als charismatische Manifestationen zuordnet. Er wird „zum Zentrum [. . .], durch das alle diese Charismen hindurchgehen sollen“287, weil er den Platz Christi einnimmt und somit als Heilsmittler in Erscheinung tritt, als „Person, durch dessen HÅnde die ganze Gemeinde hindurchgereicht werden muß[.], um Gott in Christus dargebracht zu werden“288. Entgegen der beabsichtigten gemeinschaftlichen Ekklesiologie mit ihrer antiklerikalen und antipyramidalen Stoßrichtung gelangt Zizioulas wieder zu einer korporativstatisch wirkenden episkopal-hierarchischen Ekklesiologie, in der „die Gemeinde [. . .] zu einem Teil der Ontologie des Bischofsamtes“289 degeneriert. Deshalb gibt es laut Zizioulas weder eine angemessene Gottesbeziehung noch eine christliche SpiritualitÅt ohne den Episkopos, weil die Christen erst durch ihn in die kirchliche Gemeinschaft inkorporiert sind.290 Von daher kann nur eine Lokalkirche an jedem Ort existieren, die im Bischof und seiner Eucharistie als Vorwegnahme der eschatologischen Sammlung alle zusammenfaßt und so die KatholizitÅt vor Ort zum Kriterium angemessener EkklesialitÅt werden lÅßt. Der Bischof ist Garant fÛr die IdentitÅt von Orts- und Universalkirche, insofern als seine Eucharistie in das ganze eschatologische Gottesvolk bzw. in den ganzen Christus inkorporiert, was

286 I. D. Zizioulas: presuppositions, S. 345. Vgl. ders.: Wahrheit, S. 42 f., wo Zizioulas dem Bischofsamt das „charisma veritatis“ zuspricht. 287 Ders.: Dimension, S. 140. Vgl. ders.: Kirche, S. 99, und ders.: Bishop, S. 30. Vgl. ferner M. Volf: TrinitÅt, S. 107 ff. 288 I. D. Zizioulas: Abendmahlsgemeinschaft, S. 38. Vgl. ders.: Grundlage, S. 70, und ders.: Episkop³, S. 33, wo Zizioulas betont, daß der Bischof den Platz Gottes innehat. 289 Ders.: Christologie, S. 136. 290 Vgl. ders.: Community, S. 31 u. 34, und ders.: Episkop³, S. 42.

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sich identisch in jeder Lokalkirche ereignet und durch die Handauflegung der Nachbarbisch×fe bei der Bischofsordination zum Ausdruck kommt. Der vom Bischof verk×rperten eschatologischen KatholizitÅt (alter Christus) entspricht also die rÅumliche KatholizitÅt, die von der zeitlichen KatholizitÅt – in KontinuitÅt zum apostolischen Ursprung (alter apostolus) – ergÅnzt wird.291 Weil so jede Lokalkirche mit der Universalkirche identisch ist, vermag Zizioulas sowohl gegen die exklusiv ortskirchliche Ekklesiologie von Nicholas N. Afanasiev (Ganzheit der Kirche allein in der ×rtlichen Eucharistiegemeinde) als auch gegen die r×misch-katholische Vorordnung der Universalkirche eine „Einheit in IdentitÅt“ von Orts- und Universalkirche herauszustellen. Auf diese Weise entsteht die Einheit der Universalkirche nicht durch die Addition der Ortskirchen, sondern sie ist in ihnen vollstÅndig prÅsent, wÅhrend die Ortskirchen dadurch in der universalkirchlichen Einheit existieren.292 Aufgrund seiner interpersonal ausgerichteten TrinitÅtslehre (Betonung der jeweiligen trinitarischen Personen), die sich in Opposition zum westlichen Substanzmonismus (Vorordnung der einen g×ttlichen Natur) und der daraus zuweilen abgeleiteten Vorordnung der Universalkirche versteht, gelangt Zizioulas zur Wahrung lokalkirchlicher EigenstÅndigkeit. Wie die jeweiligen trinitarischen Hypostasen in sich selbst auch die ganze Gottheit verk×rpern, so besteht in der eucharistischeschatologisch konstituierten Lokalkirche die Realisierung der katholischeschatologischen Universalkirche, so daß der Ortskirche keine ekklesiale Instanz Ûbergeordnet sein kann. Doch durch die einseitige Konzentration auf die Ursprungsbeziehungen mit ihrem patromonistisch-subordinatianistischen GefÅlle und der Ausblendung perichoretischer GleichursprÛnglichkeit sowie intrapersonaler Wesenseinheit vermag Zizioulas die Einheit der Hypostasen nur Ûber ihre IdentitÅt nach dem Modell „Einer-Viele“ zu erreichen, was einen differenzierten Selbstand ausschließt. Entsprechend lÅßt sich der Zusammenhang von Orts- und Universalkirche nur anhand des Modells „Einer-Viele“ erzielen, und zwar durch die episkopal-eucharistische Identifikation der Lokalkirche mit der eschatologischen Universalkirche. Diese Identifikation, die innerhalb der „Einheit in IdentitÅt“ keine Differenzierungen zulÅßt, ist in eschatologischer, amtstheologischer und ekklesiologischer Hinsicht zu hinterfragen. Zu Recht hat Volf darauf hingewiesen, daß zwar in jeder eucharistischen Ortskirche die FÛlle Christi prÅsent ist (Eph 1,23), aber die escha-

291 Vgl. ders.: Bishop, S. 27 ff.; ders.: Community, S. 31 u. 34, und ders.: presuppositions, S. 346: „The Bishop is the link between the local and the universal Church. [. . .] it is through him that each Eucharist becomes the one Eucharist of the One, Holy, Catholic and Apostolic Church“. Vgl. auch M. Volf: TrinitÅt, S. 99–103. 292 Vgl. I. D. Zizioulas: Christologie, S. 132, und ders.: Kirche, S. 100. Vgl. zur Analyse J. Freitag: Vorrang, S. 76 ff.

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tologische GottesfÛlle sowohl fÛr die Lokalkirche als auch fÛr die Universalkirche noch aussteht (Eph 3,19; Kol 1,19). Deshalb ist die Lokalkirche „nicht eine konkrete Verwirklichung der existierenden Universalkirche, sondern die reale Antizipation – sozusagen die Vor-Verwirklichung – der noch ausstehenden eschatologischen Sammlung des ganzen Volkes Gottes“293. Diese Antizipation erfolgt im Heiligen Geist als Erstlingsgabe und Unterpfand der neuen Sch×pfung (Eph 1,14; R×m 8,23) und impliziert – nicht zuletzt wegen des eschatologischen Vorbehalts – als „Minimalforderung der KatholizitÅt [. . .] die Offenheit jeder Kirche fÛr alle anderen Kirchen“294. ºber diese berechtigte Kritik Volfs hinaus ist festzuhalten, daß die Orientierung der KatholizitÅt am eschatologischen Gottesreich einer differenzierten VerhÅltnisbestimmung von Christologie und Pneumatologie bedarf, die wiederum vom heils×konomisch erkennbaren Zusammenhang zwischen innertrinitarischer Ursprungs- und Existenzebene abhÅngt. WÛrde Zizioulas die ×konomisch erkennbaren Existenzbeziehungen wahrnehmen, die gegenÛber seiner pneumatozentrischen Reduktion auf das an Christus geschehende Geistwirken (korporative Identifizierung) auch die Sendung des Geistes aus Christus implizieren, kÅme es zur ºberwindung der korporativ-eschatologischen Identifizierung von Christus und Kirche, indem die im Heiligen Geist erfolgende VergegenwÅrtigung Christi in der Kirche zur Geltung kÅme. Dadurch wÅre die Gleichzeitigkeit von „GegenÛber und NÅhe“ Gottes garantiert und die Wahrnehmung des VerhÅltnisses von KatholizitÅt und Eschatologie erm×glicht. Auch die Beachtung der g×ttlichen Wesenseinheit wÛrde eine differenziertere Einheit jenseits totaler hypostatischer IdentitÅt zulassen. Ginge Zizioulas nicht von einer relationalhypostatischen Einheit in IdentitÅt aus, sondern von einer differenzierten Perichorese in Wesenseinheit, fÅnde er Grundlagen fÛr ein differenzierteres ekklesiologisches VerstÅndnis. Auf dieser Basis k×nnte die eucharistisch-episkopale IdentitÅt von Lokalkirche und eschatologischem Gottesvolk auf einen differenzierteren Zusammenhang von Ortsund Universalkirche hin ge×ffnet werden. Die Einheit mit den vergangenen und zukÛnftigen Lokalkirchen muß dann nicht mehr Ûber eine – real nicht gegebene – IdentitÅt verlaufen, sondern sie entsteht durch im Geist vermittelte Partizipation und Antizipation. Der Leib Christi erweist sich so als pneumatologisch-christologisch konstituierte Gemeinschaft und nicht als kollektiv-korporatives Subjekt. WÅhrend der Zusammenhang von Orts- und Universalkirche in Zizioulas’ KorporativEkklesiologie nur Ûber die sakramental-eucharistische IdentitÅt bzw. die episkopale Korporativperson erfolgen kann, Ûberwindet eine Ekklesiologie der Gemeinschaft, die von einer nicht nur auf hypostatische IdentitÅt reduzierten TrinitÅtslehre ausgeht, die sakramental-episkopale Verabsolutierung. Sie ×ffnet den Blick fÛr eine viel-

293 294

M. Volf: TrinitÅt, S. 133. Vgl. ebd., S. 256 ff. Ebd., S. 263.

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seitigere Ekklesiologie, die Ûber Zizioulas’ „primitive norm“ des Episkopats295 hinaus auch andere konstitutive ekklesiologische Merkmale beachtet. Die dem Glauben wesentliche Dimension des kognitiven Bekennens verweist zum Beispiel auf die konstitutive Funktion der altkirchlichen Bekenntnisse, die wie der biblische Kanon als Grundlage apostolischer Einheit dienen. Angesichts der Vielfalt der Kriterien darf der Maßstab der KatholizitÅt nicht auf ein bestimmtes Sakrament oder Amt reduziert werden, wogegen die biblische und patristische Šmtervielfalt sowie die Entwicklungsgeschichte des Bischofsamtes sprechen.

Werden aber nur die eigenen Amtstraditionen und die eigenen sakramentalen Erfahrungen verabsolutiert, gilt, was Wolfhart Pannenberg angesichts des eschatologischen Vorbehalts zur KatholizitÅt der Kirche Åußerte: „Als Perversion wahrer KatholizitÅt muß es [. . .] betrachtet werden, wenn eine Kirche die eigene – in Wahrheit immer auch partikulare – kirchliche Verfassung und Tradition exklusiv, in Abgrenzung gegen andere Kirchen, als allein katholisch behauptet. Echte KatholizitÅt bleibt der VorlÅufigkeit der eigenen Erkenntnis- und Lebensform eingedenk und bleibt darin offen fÛr Gemeinschaft mit anderen.“296 Zizioulas scheint das im Kontext seiner eucharistischen Bezugnahme auf den Leib Christi auch zu sehen, wenn er hinsichtlich der ursprÛnglichen Abendmahlsauffassung betont: „[. . .] dieselbe Abendmahlsauffassung verwehrte auch jeden Provinzialismus, der dieselbe Wirklichkeit nicht auch in anderen zur Eucharistie versammelten Gemeinden sehen wollte“297. Entsprechend fÅhrt er fort, daß die KatholizitÅt der Kirche nicht von ihr selbst abhÅnge, sondern ein Werk des Heiligen Geistes sei, der in Christus alle Trennungen Ûberwinde, so daß Dichotomien ein Verrat an der fÛr die Kirche Christi wesentlichen KatholizitÅt seien.298 Doch indem Zizioulas daraus die Notwendigkeit der Existenz von nur einer Lokalkirche an einem Ort ableitet, die zudem seiner eucharistisch-episkopalen Korporativ-Ekklesiologie zu entsprechen habe, nimmt er seine grundsÅtzlichen Aussagen zur KatholizitÅt letztlich nicht ernst, weil er sie nur auf die orthodoxen Episkopalkirchen bezieht und anders strukturierte eucharistische Gemeinschaften ausschließt, was auch der Existenz mehrerer Hauskirchen an einem Ort im Neuen Testament nicht gerecht wird.299 Diese Verabsolutierung der eigenen kirchlichen Tradition legt die von Volf geÅußerte Vermutung nahe, „daß man auf dem Prinzip der TerritorialitÅt nicht so sehr 295 Zur bewußten Reduktion seiner Ekklesiologie auf diese „primitive norm“ vgl. I. D. Zizioulas: Being, S. 177, und R. Williams: Rezension „I. D. Zizioulas: Being“, S. 104 f. Vgl. auch I. D. Zizioulas: Dimension, S. 140, und ders.: Bishop, S. 23: „[. . .] ecclesiology is basically episcopocentric“. 296 W. Pannenberg: Theologie III, S. 444. 297 I. D. Zizioulas: Abendmahlsgemeinschaft, S. 41. 298 Vgl. ebd., S. 42–45, und ders.: Being, S. 247 ff. 299 Vgl. ders.: presuppositions, S. 348 f.; ders.: Being, S. 247 ff., und ders.: Community, S. 30 ff.

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insistiert, um die KatholizitÅt der Ortskirche zu sichern, sondern um die eindimensionale [sic] AutoritÅts- und Subordinationsstrukturen aufrecht erhalten zu k×nnen, die nur unter Annahme des Territorialprinzips konsequent implementiert werden k×nnen“300. Durch sein asymmetrisches Modell „Einer-Viele“ hat Zizioulas aber nicht nur auf lokalkirchlicher Ebene Probleme, grundsÅtzliche theologische Einsichten mit seiner episkopalen Korporativ-Ekklesiologie in Einklang zu bringen, sondern auch auf universalkirchlicher Ebene. Obwohl er dem Bischofsamt die h×chste kirchliche AutoritÅt zugesteht und die Einheit unter den Lokalkirchen Ûber die episkopal-synodale Struktur denkt, scheint er nach dem Modell „Einer-Viele“ Ûber die Funktion der Patriarchen hinaus Ûber ein Primat nachzudenken, das die vielen Bisch×fe vereint. Hier kommt er zu widersprÛchlichen Aussagen, da diese primatiale Einheit aufgrund der episkopalen Korporativ-Ekklesiologie nicht korporativ zu denken ist. So spricht er einerseits vom Ehrenprimat der Patriarchen sowie von einem m×glichen Ehrenprimat darÛber hinaus und andererseits von einem Einheitsamt nach dem Modell „Einer-Viele“301. Eindeutig bleibt die Anwendung dieses Modells nur im lokalkirchlichen VerhÅltnis des Episkopos zu den Ûbrigen Šmtern und dem Ordo der Laien, so daß die Konzile laut Zizioulas ausschließlich durch die Bisch×fe als korporative Vertreter der Lokalkirchen besetzt sein k×nnen. So wird auch die KonziliaritÅt durch die episkopal-korporative IdentitÅt der konziliaren Gemeinschaft definiert. Das erreicht Zizioulas durch die einseitige Fixierung der Konzile auf die Eucharistie, was aber der Bedeutung von Bekenntnissen und Lehrfragen fÛr die altkirchlichen Konzile keineswegs entspricht.302 Wegen der episkopalen Konstitution der Eucharistie kann Zizioulas das eucharistisch verankerte Modell „Einer-Viele“ trotz der primÅr eucharistischen Qualifizierung der Konzile nicht auf die Primatsfrage Ûbertragen. Deshalb erscheinen die gegenseitigen Beziehungen der episkopalen Lokalkirchen im Unterschied zur

300 M. Volf: TrinitÅt, S. 267, Anm. 71. Zum ×kumenisch exklusiven Charakter von Zizioulas’ Ansatz vgl. ebd., S. 123 f. u. 267. 301 Vgl. einerseits I. D. Zizioulas: Response, S. 344: „This mystery of the ‚one‘ and the ‚many‘ [. . .] involves a ministry of primacy inherent in all forms of conciliarity“. Vgl. andererseits ders.: Bishop, S. 33: „[. . .] there is no higher authority in the Church than that of the bishop“. Vgl. ferner ders.: Kirche, S. 100 f. – M. Volf: TrinitÅt, S. 103 u. 114 ff., betont aus seiner protestantischen Perspektive in bezug auf diese uneinheitlichen Aussagen, daß es Zizioulas letztlich darum gehe, alle Bisch×fe als Nachfolger auf der cathedra Petri zu verstehen. P. McPartlan: Eucharist, S. 205 ff. u. 302 ff., legt aus seiner r×misch-katholischen Perspektive wiederum Wert auf die Feststellung, daß Zizioulas durch das Modell „Einer-Viele“ auch die notwendige Einheit durch den Primus vor Augen stehe. 302 Vgl. I. D. Zizioulas: Entwicklung, S. 34 ff., wo Zizioulas durchaus die sich wandelnde Teilnehmerschaft der Konzile erkennt, sie aber letztlich rein episkopal festlegt. Die Zielsetzung der Konzile reduziert er einseitig auf die eucharistische Gemeinschaft.

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ansonsten asymmetrisch-hierarchischen Korporativ-Ekklesiologie (EinerViele) als symmetrisch. In dieser Aporie sind die Ursachen der widersprÛchlichen Aussagen zur Primatsfrage zu suchen. Wie bei vielen r×misch-katholischen AnsÅtzen offenbart sich also auch bei Zizioulas ein Bruch in der Argumentation, wenn das trinitarisch-ekklesiologische Konzept nicht mit dem eigenen AmtsverstÅndnis zur Deckung kommt. WÅhrend einige r×misch-katholische AnsÅtze trotz der ansonsten gemeinschaftlich-trinitarischen Ausrichtung an den primatialen Strukturen festhalten, wird bei Zizioulas die episkopozentrische PrioritÅt durchgehalten, auch dort, wo sie nicht der Logik seines trinitarisch-ekklesiologischen Ansatzes folgt. Ein weiteres Beispiel dafÛr bietet die Bischofswahl, die nach dem eucharistisch-korporativen Ansatz eigentlich der eucharistischen Gemeinschaft zukÅme, aber der Bischofssynode Ûberlassen bleibt.303 Als widersprÛchlich erweist sich Zizioulas’ Ansatz auch hinsichtlich des VerhÅltnisses von Zielsetzung und Verwirklichung. Zizioulas ist angetreten, sowohl gegenÛber substanzmonistischen westlichen AnsÅtzen als auch gegenÛber statisch-undialektischen AnsÅtzen ostkirchlicher Schultheologie eine trinitarische Koinonia-Ekklesiologie darzulegen, die im RÛckgriff auf die patristischen und biblischen Quellen monistische, statische, pyramidale, klerikale, kollektive, anthropomorphe sowie sakramentale AnsÅtze Ûberwindet und eine Ekklesiologie der Gemeinschaft in Freiheit und Liebe bietet. Als Grundlage dieser Ekklesiologie sollte eine ausgeglichenere TrinitÅtslehre mit einer ausgewogeneren Zuordnung von Christologie und Pneumatologie dienen.304 Daß Zizioulas seine Zielsetzung letztlich nicht angemessen umsetzen konnte, liegt an seinen trinitÅtstheologischen Defiziten, die auf einer einseitigen biblischen und patristischen Auslegung beruhen, auf die aber wohl auch umgekehrt – wie verschiedentlich gezeigt – anthropologische und ekklesiologische PrÅmissen Einfluß nahmen. So eignet sich das Modell „Einer-Viele“ zur StÛtzung der episkopal-hierarchischen Korporativ-Ekklesiologie sowie zur Verabsolutierung der eigenen kirchlichen Tradition. Der Selbstand der Ûbrigen Šmter und der einzelnen Christen (die „Vielen“) sowie deren kognitiver und individueller Glaube gehen in der eucharistisch-episkopalen Korporativperson (der Bischof als „Einer“) ebenso verloren wie sich die historisch-revelatorischen Kriterien (Schrift und Bekenntnis) in der eucharistisch-eschatologischen Hermeneutik verlieren, die wiederum zur Verabsolutierung eigener kirchlicher Erfahrung verleitet.

303 Vgl. I. D. Zizioulas: conf³rences, S. 503 ff. Als diesbezÛglich aufschlußreich prÅsentiert sich auch die Ambivalenz zwischen dem konstitutiven Gewicht der Gemeinschaft aller Glaubenden und der konstitutiv episkopozentrischen Ausrichtung: „Die GÛltigkeit der Eucharistie liegt bei der Gemeinschaft als ganzer und nicht bei einem besonderen Amt. Wenn es doch ein Amt gibt, das in diesem Fall entscheidend ist, dann ist es das des Vorsitzenden Ûber die Eucharistie.“ (Ders.: Eucharistie, S. 174) 304 S. o., S. 367 ff. Vgl. ferner I. D. Zizioulas: Christologie, S. 124 ff. u. 138 ff.; ders.: Kirche, S. 97 u. 99 f.; ders.: Dimension, S. 134 f., und ders.: Eucharistie, S. 163 ff.

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Vor diesem Hintergrund kommt die angestrebte ºberwindung der substanzmonistischen Identifikation g×ttlicher und menschlicher Strukturen (Ontologie des Seins) durch eine gemeinschaftliche Ontologie der Person305 nicht Ûber die statischkorporative Identifikation der interpersonal-geistigen Strukturen Gottes und der Menschen hinaus. Der von Zizioulas kritisierten substanzmonistischen PrioritÅt des „Einen“ (Vorordnung der einen g×ttlichen Natur)306 folgt lediglich die PrioritÅt des hierarchisch-korporativen „Einen“ in Form der episkopalen Korporativperson. Mit dem entsprechenden Episkopozentrismus ist auch das Ziel verfehlt, klerikale und pyramidale Strukturen zu Ûberwinden und eine „Perichorese der Šmter“ zu erreichen.307 Auch die ºberwindung reduktionistischer AnsÅtze, die die Einheit von Wort, Sakrament und Institution einseitig aufl×sen und wahrhafte °kumene verhindern308, verfehlt Zizioulas durch seine eucharistisch-episkopale Reduktion. Indem er jegliche Erkenntnis unter Abwertung der revelatorisch-inhaltlichen Kriterien wie Schrift und Bekenntnis auf die eucharistisch-eschatologische Erfahrung fixiert, ÛbertrÅgt Zizioulas nicht nur die trinitÅtstheologische Ausblendung der inhaltlichen Wesensdimension sowie die entsprechende anthropologische Ausblendung einer inhaltlich qualifizierbaren Natur auf die Hermeneutik, sondern er reduziert seinen theologisch-ekklesiologischen Ansatz auch auf nur eine Dimension, nÅmlich die sakramental-eschatologisch-apophatische Dimension.309 Damit widerspricht er zugleich dem Ansinnen, die Dichotomie zwischen historischer und eschatologischer Orientierung sowie zwischen rationaler und apophatischer Erkenntnis zu Ûberwinden.310 Auch die angestrebte Synthese zwischen Institutionalismus und Sakramentalismus311 ist so einseitig auf letzteren fixiert geblieben. Ferner gelangt Zizioulas bei der ºberwindung der evolutionistisch-physischen Theosis312 nur zu deren Abl×sung durch eine evolutionistisch-geistige Theosis. Durch die Identifizierung g×ttlicher und anthropologischer Strukturen wird Gottes GegenÛber-Sein unkenntlich, und zwar sowohl hinsichtlich ekklesiologischer (Korporativ-Ekklesiologie) als auch hermeneutischer Strukturen (eucharistische Erfahrung ohne inhaltliche Kriterien). Das heißt, daß Zizioulas den von ihm kritisierten anthropomorphen ºbertragungen in der natÛrlichen Substanztheologie313 unter geistig-existentialen PrÅmissen selbst erliegt.

Insgesamt bleibt festzuhalten, daß Zizioulas die von ihm angestrebten Synthesen kaum verwirklicht, weil er in ºberreaktion auf intrapersonale und

Vgl. ders.: Being/Person, S. 37 ff. Vgl. ders.: Wahrheit, S. 3 ff. 307 Vgl. ders.: Kirche, S. 99 f.; ders.: Christologie, S. 138; ders.: presuppositions, S. 344 f.; ders.: Response, S. 345. 308 Vgl. ders.: Response, S. 347, und ders.: Eucharistie, S. 163 ff. 309 Vgl. ders.: Dimension, S. 142: „So wird Wahrheit zu etwas Sakramentalem“. 310 Vgl. ders.: Grundlage, S. 78; ders.: Christologie, S. 138; ders.: Being, S. 21 u. 205 ff.; ders.: Response, S. 347; ders.: Wahrheit, S. 20 ff.; ders.: Eschatologie, S. 379 u. 383. 311 Vgl. ders.: Wahrheit, S. 11 ff. u. 41 ff.; ders.: Response, S. 347; ders.: Christologie, S. 136 ff. 312 Vgl. ders.: Capacity, S. 440, und ders.: Welt, S. 348. 313 Vgl. ders.: Capacity, S. 419 f. 305 306

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substanzmonistische AnsÅtze vornehmlich zu gegensÅtzlich begrÛndeten Konzeptionen findet, die in umgekehrter Einseitigkeit auch in statischem Monismus enden. Wie Ratzingers Versuch, die monistische Identifizierung von Kirche und Leib Christi („Mystici Corporis“) durch eine trinitarische Communio-Ekklesiologie zu Ûberwinden, durch seine einseitig intrapersonale Subjekt-Ekklesiologie zur gleichen Identifikation gelangte, so fÛhrt auch Zizioulas’ BemÛhung letztlich nicht zu dem Ziel, statisch-monistische und pyramidale AnsÅtze durch eine trinitarische Ekklesiologie der Gemeinschaft zu Ûberwinden. Denn aus seiner rein interpersonalen und von patromonistischen sowie pneumatozentrischen Relikten geprÅgten TrinitÅtslehre resultiert auch wieder eine hierarchische und monistische Korporativ-Ekklesiologie.

3. Die Gefahr einer INTERpersonal-polyzentrisch gefÅrbten Ekklesiologie (M. Volf/protestantisch) Daß sich als protestantisches Paradigma fÛr die Interdependenz von trinitÅtstheologischen und ekklesiologischen Defiziten die Communio-Ekklesiologie von Miroslav Volf anbietet, hat eine Vielzahl von GrÛnden. ZunÅchst ist von Belang, daß der freikirchlich-baptistisch verwurzelte Volf als Moltmann-SchÛler seinen explizit trinitarisch-ekklesiologischen Entwurf im GesprÅch mit der reformierten und lutherischen Theologie sowie in Auseinandersetzung mit der ostkirchlichen und r×mischkatholischen Tradition erarbeitet, so daß sein Entwurf einerseits im Kontext des gesamten protestantischen Spektrums steht und andererseits den ×kumenischen Standort berÛcksichtigt. Hilfreich ist dabei, daß Volf in seiner Habilitationsschrift „TrinitÅt und Gemeinschaft“314 als ×kumenische ReferenzentwÛrfe die hier analysierten AnsÅtze Ratzingers und Zizioulas’ wÅhlt, um „in Auseinandersetzung mit Ratzinger und Zizioulas die trinitarischen Grundlagen einer nicht-individualistischen evangelischen Ekklesiologie zu skizzieren“315. In dem Bewußtsein, daß eine „Neubesinnung Ûber die Kirche [. . .] heute nur als ein ×kumenisches Projekt sinnvoll“316 ist, m×chte Volf „in kritischer Offenheit fÛr die Anregungen aus anderen ekklesiologischen Traditionen“317 besonders das freikirchliche Modell korrigieren, und zwar nicht nur hinsichtlich der individualistischen Tendenzen, sondern auch in bezug auf dessen christomonistische Ausrichtung. Beide Defizite finden sich laut Volf bereits beim BegrÛnder des Baptismus, John Smyth (1554–1612), auf den sich Volf immer wieder korrigierend bezieht, mit dem Ziel, durch eine trinitarisch be314 Vgl. M. Volf: TrinitÅt. Die Analyse wird sich maßgeblich auf diese Schrift stÛtzen, die als Habilitationsschrift von J. Moltmann begleitet wurde, bei dem Volf auch promovierte (vgl. „Zukunft der Arbeit – Arbeit der Zukunft“). 315 M. Volf: TrinitÅt, S. 182. 316 Ebd., S. 18. 317 Ders.: Kirche, S. 54. In diesem – sieben Jahre vor Volfs Habilitationsschrift erschienen – Aufsatz sind viele Gedanken und Ergebnisse seiner Habilitationsschrift bereits vorgeprÅgt.

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grÛndete Ekklesiologie der Gemeinschaft der freikirchlichen und gesamten protestantischen Tradition mit ihren individualistischen AnklÅngen die „Entsprechung der Kirche zur TrinitÅt“ nÅherzubringen und so „zu einer trinitarischen Umgestaltung der freikirchlichen [und protestantischen] Ekklesiologie beizutragen“318. In diesem Zusammenhang liegt ihm auch daran, der im Protestantismus verbreiteten Gefahr einer Trennung von Geist und Institution sowie der damit verbundenen VernachlÅssigung sichtbarer Strukturen zu begegnen.319 Im partiellen RÛckgriff auf die gesamte reformatorische und protestantische Tradition (Luther, Calvin, K. Barth, E. Brunner, D. Bonhoeffer, E. JÛngel, J. Moltmann, W. Pannenberg u. a.) und die ekklesiologischen AnsÅtze des Zweiten Vatikanischen Konzils sowie der ostkirchlichen Ekklesiologie m×chte er die konstitutive Relevanz der Kirche fÛr den Glauben herausstellen.320 GegenÛber individualistisch-kongregationalistischen AnsÅtzen mit ihrer Konzentration auf die subjektiven ekklesialen Bedingungen und gegenÛber korporativ-episkopalen AnsÅtzen mit ihren primÅr objektiven Bedingungen versucht er ein Kirchenmodell zu entwickeln, „nach dem die Kirche durch ein konsequent gemeinschaftliches Geschehen konstituiert wird, wobei die objektiven und subjektiven Bedingungen der EkklesialitÅt als zwei Dimensionen eines einzigen Vorgangs erscheinen“321. FÛr den Versuch, vor diesem Hintergrund eine Ekklesiologie der Gemeinschaft zu entwickeln, scheint Volf biographisch prÅdestiniert zu sein, weil er durch die Stationen seiner wissenschaftlichen Anbindung in Jugoslawien, Deutschland und den Vereinigten Staaten vom orthodoxen, deutschsprachigen und angelsÅchsischen theo-

318 Ders.: TrinitÅt, S. 187. Vgl. ebd., S. 23 (zur Bezugnahme auf J. Smyth) u. 153, wo sich Volf gegen die „in den freikirchlichen Kreisen (aber auch im Protestantismus im allgemeinen) noch immer wirksame individualistische Auffassung der Glaubensvermittlung und des Heils“ wendet. Zu den besonders im freikirchlichen Bereich auftretenden individualistischen und christomonistischen Tendenzen, die laut Volf darauf beruhen, daß der „freikirchlichen Tradition [. . .] der Gedanke der Entsprechung der Kirche zur TrinitÅt weitgehend fremd geblieben“ (ebd., S. 187) ist, vgl. auch E. Geldbach: ºberlegungen, S. 134 u. 138 f. 319 Vgl. M. Volf: TrinitÅt, S. 224: „Nach einer in protestantischen Kreisen weit verbreiteten Ansicht stehen Geist Gottes und kirchliche Institution im Widerspruch.“ Vgl. ebd., S. 163 ff. u. 225, wo sich Volf u. a. auf die Auseinandersetzung A. von Harnacks mit R. Sohm bezieht. Vgl. dazu auch M. Volf: Kirche, S. 73: „Im Gefolge von R. Sohm hat man die Kirche als Ekklesia scharf von der Kirche als Institution abgegrenzt“. 320 Vgl. ders.: TrinitÅt, S. 152 ff., wo sich Volf mit der ekklesialen Vermittlung des Glaubens und einer angemessenen Definition der Mutterschaft der Kirche auseinandersetzt. Vgl. ferner ebd., S. 147 (orthodoxer Einfluß) u. 164 ff., wo er z. B. der Auffassung von J. Smyth, die sichtbare Kirche liege nicht in der positiven Widerfahrnis des Heils, dadurch begegnet, daß er die protestantisch, orthodox und r×misch-katholisch belegte Ansicht von der wesentlichen Kirchlichkeit und SozialitÅt des Heils betont. Auf S. 165 u. 216 hebt er Luthers ekklesiologisches VerstÅndnis des Heils hervor. Vgl. dazu auch ders.: Kirche, S. 56 f. Vgl. außerdem ders.: Church, S. 12 f., wo Volf auf die Ekklesiologie der Reformatoren und des Zweiten Vatikanischen Konzils vermittelnd Bezug nimmt. 321 Ders.: TrinitÅt, S. 128. Vgl. ebd., S. 124 ff., 148, 243 f. Auf S. 171 weist Volf darauf hin, daß die „Kirche weder ein sozialer Organismus noch eine Assoziation ist“. Vgl. auch ders.: Kirche, S. 53 f. Hier skizziert Volf die zunehmende Konzentration auf den Gemeinschaftsbegriff (Communio, Koinonia) in Orthodoxie, Katholizismus und Protestantismus.

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logischen Kontext geprÅgt ist.322 Indem er zugleich von seinen freikirchlichen Wurzeln her ein auf den gesamten Protestantismus hin ge×ffnetes ekklesiologisches Konzept in ×kumenischer Ausrichtung vorlegt, reprÅsentiert sein Entwurf ein breites theologisches Spektrum. Es liegt eine explizit trinitarische Ekklesiologie aus dem protestantischen Bereich vor, die aufgrund der Verbindung ihres Verfassers mit kongregationalistischen UrsprÛngen auch den „radikalsten“ Pol des protestantischen Spektrums bedenkt und der oft kritisierten Ausblendung dieser Richtung aus den ×kumenischen BemÛhungen des Protestantismus entgegenwirkt.323 So garantiert die Wahl von Volfs Entwurf fÛr eine Analyse der Interdependenz zwischen trinitÅtstheologischen und ekklesiologischen Defiziten im Protestantismus, daß auch die aus episkopal orientierter Sicht bedenklichsten protestantischen Strukturen nicht außer Acht bleiben und eine der aktuellsten sowie explizitesten trinitarischen Ekklesiologien protestantischer PrÅgung zur Sprache kommt.

3.1 TrinitÅtstheologische PrÅmissen Volfs trinitÅtstheologische BemÛhungen drehen sich um die heils×konomisch erkennbare reziprok-perichoretische Einwohnung der trinitarischen Personen. Dieser auf Gegenseitigkeit beruhenden Perichorese entspricht laut Volf ein symmetrisch-reziprokes TrinitÅtsverstÅndnis sowie ein partizipatorisches VerstÅndnis der Kirche als Gemeinschaft, wodurch sowohl ein asymmetrisch-hierarchisches TrinitÅts- und KirchenverstÅndnis r×mischkatholischer oder orthodoxer Provenienz als auch individualistische protestantische Tendenzen zu Ûberwinden seien. Mit der Wahrnehmung der symmetrisch-perichoretischen InterioritÅt der trinitarischen Personen und der entsprechenden ekklesiologischen Implikationen sieht Volf nicht nur die besonders im freikirchlichen und liberalen Protestantismus auftretende individualistische VernachlÅssigung der Communio-Ekklesiologie abgewehrt, sondern auch die korporativ-hierarchische Verbiegung des Communio-Begriffs durch eine modalistisch (J. Ratzinger) oder subordinatianistisch (I. D. Zizioulas) gefÅrbte trinitarische Ekklesiologie.324 Die sich in der Heilsgeschichte ereignende Offenbarung Gottes und die pneumatologische Anwesenheit Gottes in der Kirche lassen laut Volf eine analoge Konvertierbarkeit trinitarischer Strukturen in ekklesiologische Strukturen zu, wobei zu berÛcksichtigen sei, daß Gott trotz seiner offenbaren Eigenschaften die Dimension des eschatologischen personalen Geheimnisses behalte. Deshalb k×nne die Analogie nur

Vgl. ders.: Demokratie, S. 434. Vgl. ders.: TrinitÅt, S. 18 ff. Vgl. zur Kritik an der verbreiteten ×kumenischen Abkopplung des kongregationalistisch-freikirchlichen Spektrums vom protestantischen °kumenismus u. a. E. JÛngel: Wahrheit, S. 341. 324 Vgl. M. Volf: TrinitÅt, S. 26 ff. (Analyse Ratzingers), 70 ff. (Analyse Zizioulas’), 126 ff., 148 f., 153 f., 163 ff., 179 ff., 199 ff. Vgl. ders.: Kirche, S. 69 u. 73 f. 322 323

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unter Beachtung der Differenz zwischen geschichtlicher und eschatologischer Existenz der Christen gelingen, die bereits in der Taufe angelegt sei, insofern als hier die Gemeinschaft mit dem dreieinigen Gott sowohl vorausgesetzt als auch auf eschatologische Vollendung ausgerichtet werde: „So erwachsen die Kirchen aus der Taufe [. . .] als vom Geist erm×glichte konkrete Vor-Erfahrungen der einen Gemeinschaft des dreieinigen Gottes und seines verherrlichten Volkes (s. 1 Joh 1,3 f.; Offb 21–22).“325 Nach Maßgabe der heilsgeschichtlichen Erfahrung beruht die trinitarische Gemeinschaft laut Volf auf den Handlungen von drei g×ttlichen personalen Subjekten, die in symmetrischen reziproken Beziehungen zueinander stehen und sich so in reziproker InterioritÅt gegenseitig durchdringen, ohne daß die PersonalitÅt in der RelationalitÅt aufgeht. Nur so bleibe die gegenseitige personale Liebe m×glich, wÅhrend die Einheit auf der perichoretischen ºberlagerung der SubjektivitÅten beruhe: „Jede g×ttliche Person handelt als Subjekt, und zugleich wirken die anderen Personen als Subjekte in ihr.“326 Daraus lasse sich analog eine symmetrisch-reziproke Kirchengemeinschaft ableiten, die nicht nur hierarchischer ºber- und Unterordnung widerspreche, sondern auch individualistischer Abwertung der gemeinschaftlichen und institutionellen Dimension. Als stabile Interaktionsstruktur habe auch die TrinitÅt institutionellen und gemeinschaftlichen Charakter: „Die heilige Dreieinigkeit ist [. . .] eine Institution [. . .]. Sie ist eine Gemeinschaft der Liebe. [. . .] Je mehr eine Kirche durch symmetrisch/dezentralistische und frei bejahte Interaktion charakterisiert ist, desto mehr entspricht sie der trinitarischen communio. Denn solche Interaktion ist nur in der Gemeinschaft der Liebe m×glich.“327 Da sich die Interaktion zwischen Gott und Mensch im Modus der zwischenmenschlichen ekklesialen Interaktion vollzieht, kann der Glaube nur ekklesialer Glaube sein. Im RÛckgriff auf einen breiten protestantischen Traditionsstrang (Luther, E. Brunner, D. Bonhoeffer u. a.) bezeichnet Volf die Kirche als notwendige Lebensweise des Glaubens und als Mittel zum Heil. Deshalb spricht er gegenÛber der freikirchlichen Fixierung ekklesiologischer KatholizitÅt auf die ecclesia invisibilis von der Bedeutung der sichtbaren Kirche328 und gegenÛber den individualistischen protestantischen Traditionen von der „Mutter Kirche“. Zugleich erinnert er r×misch-katholische und orthodoxe AnsÅtze daran, daß die Kirche nicht das GegenÛber der Christen verk×rpert, sondern daß die interaktive Gemeinschaft der einzelnen Christen die „Mutter Kirche“ ist, der in ihrer Gemeinschaftlichkeit nur Gott als

325 Ders.: TrinitÅt, S. 185. Vgl. zu Volfs VerstÅndnis von heils×konomischer Offenbarung und analoger trinitarisch-ekklesiologischer Konvertierbarkeit ebd., S. 182–191. 326 Ebd., S. 200. Vgl. insgesamt ebd., S. 179 f. u. 195 ff. 327 Ders.: Kirche, S. 74. Vgl. ebd., S. 73. Aufgrund der symmetrisch-perichoretischen TrinitÅt bedarf die Ekklesiologie nach Volf statt monarchisch-hierarchischer Strukturen demokratischer Eigenschaften. Bei der Demokratisierungsdebatte gehe es aber weder um die von K. Barth aufgeworfene Frage, ob Gott oder die Menschen in der Kirche herrschen, noch um den von J. Ratzinger erhobenen Vorwurf der Aufhebung der pneumatisch unverfÛgbaren ErmÅchtigung von oben. Vielmehr stehe damit zur Debatte, durch welche Menschen Gott in der Kirche herrscht und wie der Geist wem die Charismen zuteilt. Vgl. dazu M. Volf: Demokratie, S. 430 ff. 328 „Die unsichtbare Kirche – communio sanctorum – ist nur in der PluralitÅt der sichtbaren Kirchen konkret.“ (Ders.: TrinitÅt, S. 164. Vgl. ebd., S. 257 ff.)

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alleiniges Subjekt des Heilshandelns gegenÛbersteht.329 Das belegt Volf mit dem VerhÅltnis von Christologie und Pneumatologie, welches er durch das reziprok-perichoretische TrinitÅtsverstÅndnis als bedeutend angemessener bestimmt sieht, weil der Geist hier nicht nur als Gabe oder als inhÅrente Gr×ße einer ekklesiologischen Korporativperson zur Geltung kommt, sondern auch als eigenstÅndige trinitarische Person und als GegenÛber der Menschen bzw. der Kirche: „Der Geist ist sowohl Gegenwart als auch GegenÛber – da er eine Person ist, ist er ein GegenÛber; da er in vielen Personen ist, ist er die Gegenwart.“330 So kann Christus durch den Heiligen Geist den einzelnen Christen intern sein, ohne deren Selbstand und sein eigenes GegenÛber-Sein aufzuheben. Die auf solche Weise christologisch-pneumatologisch gewÅhrte Gemeinschaft der Heiligen widersteht einer korporativen Identifizierung von Christus und Kirche, die den einzelnen Glaubenden unter Ausblendung seines subjektiven und kognitiven Glaubens in dem einen ekklesiologischen Subjekt aufgehen lÅßt. Denn die reziprok-perichoretische TrinitÅt verhindert nicht nur die zur Identifizierung fÛhrende modalistische (Ratzinger) oder subordinatianistische (Zizioulas) Vorordnung des „Einen“, sondern auch die Aufl×sung des Selbstandes der „Vielen“331, indem sie das VerhÅltnis von Relation und Selbstand in der trinitarischen Perichorese berÛcksichtigt. Weil durch dieses VerhÅltnis das gemeinschaftliche Wesen der Kirche zum Ausdruck kommt, widersteht es laut Volf umgekehrt auch freikirchlichen oder kongregationalistischen AnsÅtzen, die Kirche nur als funktionale Addition glaubender Individuen verstehen.332 Mit dieser Aufwertung der Kirche als sichtbarer Gemeinschaft auf der einen Seite geht auf der anderen Seite ein Schutz vor falscher ekklesiologischer Selbstdarstellung einher (theologia gloriae). Weil die Kirche nur die Antizipation des eschatologischen Reiches Gottes verk×rpert und Christus sowie der Heilige Geist ihr GegenÛber bleiben, ist sie als corpus mixtum weiterhin empfangend auf Gott und seine Vergebung angewiesen (heilige und sÛndige Kirche). Als Zeichen und Werkzeug des eschatologischen Gottesreiches (Vatikanum II) existiert sie nicht zur Selbstdarstellung ihres eigenen Glanzes, sondern dienend als Hinweis auf das Licht Gottes. Deshalb hat sie sich stets im H×ren auf das Wort und den Geist des dreieinigen Gottes zu erneuern (ecclesia semper reformanda est).333 Der trinitarischen Perichorese entsprechend stehen alle Mitglieder der Kirche in gemeinsamer Verantwortung fÛr die Kirche und ihren Dienst an der Welt und sind in gegenseitiger Unterordnung nur ihrem gemein-

329 Vgl. ders.: Kirche, S. 68 f. u. 57 f.: „Den unbedingten Gehorsam schulden die Mitglieder der Kirche nur ihrem gemeinsamen Herrn.“ Vgl. auch ders.: TrinitÅt, S. 154 ff. u. 165 f. 330 Ders.: TrinitÅt, S. 180. Vgl. ebd., S. 179 ff. 331 Zu den hier genannten Problemen, die Volf zu Ûberwinden versucht, s. o. die Analysen von Ratzingers und Zizioulas’ Ansatz. Vgl. ferner M. Volf: TrinitÅt, S. 179 f. u. 204 ff. 332 Vgl. ebd., S. 153 f. u. 187 f. 333 Vgl. ders.: Church, S. 13–26. In diesem Zusammenhang kritisiert Volf zum einen, daß auch Moltmann die Kirche als „Angeld“ des eschatologischen Gottesreiches versteht, wÅhrend Paulus solche Formulierungen allein auf den Heiligen Geist bezogen habe (vgl. ebd., S. 17 u. 28, Anm. 28). Zum anderen kritisiert er Zizioulas’ Aufforderung, die Kirche solle sich der Welt zur Rezeption anbieten (vgl. ebd., S. 29, Anm. 52). Vgl. insgesamt auch ders.: TrinitÅt, S. 140 f. u. 161 ff.

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samen Herrn unbedingten Gehorsam schuldig.334 Das begrÛndet Volf mit der paulinischen Charismenlehre und der Berufung aller Glieder des Leibes Christi zu Zeugnis und Dienst (I Kor 1,9; I Petr 2,9). Dieser Berufung gemÅß sind die Charismen eine universale Erscheinung, insofern als die Glieder des Leibes Christi verschiedene Gaben zur gegenseitigen Erbauung erhalten (R×m 12,3 ff.; I Kor 12,7 ff.; Phil 4,15 u. ×.). Dabei entspricht der Beitrag der verschiedenen Charismen zur Auferbauung des einen Leibes der g×ttlichen Einheit, wÅhrend die unterschiedlichen Gaben die g×ttliche Vielfalt widerspiegeln. Wie die perichoretischen g×ttlichen Personen stehen alle Glieder des Leibes in ihrem charismatischen Dienst im Geben und Nehmen zueinander, zumal ihre Gaben und Dienste den trinitarischen Personen zugeordnet sind (I Kor 12,4–6). Volf erinnert daran, daß Luther dieses neutestamentlich bezeugte partizipative ekklesiale Leben des Priestertums aller Glaubenden, in dem die Christen einander Christus sind, nicht nur soteriologisch, sondern auch ekklesiologisch wiederbelebt hat. Weil die personale Partizipationsstruktur die InstitutionalitÅt der Kirche bestimmt, erhÅlt der interaktionelle Charakter der Charismenzuteilung nach Volf betrÅchtliches ekklesiologisches Gewicht. Die GewÅhrung der Gaben des souverÅnen Geistes Gottes vollzieht sich in der Interaktion des Menschen mit sich selbst (Abgleich zwischen natÛrlichen Voraussetzungen und charismatischer Begabung) und mit der Kirche (Abgleich zwischen potentiellem Dienst und ben×tigten Diensten). Der charismatische Dienst bleibt auch Ûber die authentische Anerkennung hinaus ein gemeinschaftlicher und offener Prozeß kritischer Begleitung, insofern als die Charismen das Zusammenspiel von unverfÛgbarer Gottesgabe und Vermittlung in der Gemeinschaft verk×rpern. Im Kontext der Charismen des allgemeinen Priestertums existiert das spezifische Charisma des ordinierten Amtes, das sich im charismatischen Charakter nicht von den anderen Charismen unterscheidet, sondern lediglich in seiner EigentÛmlichkeit als Dienst am Ganzen der Lokalkirche: „Das ordinierte Amt grÛndet in der kirchlichen Notwendigkeit einer TÅtigkeit im Namen der Kirche in Hinsicht auf Gott und die Welt einerseits, und in der TÅtigkeit im Namen Christi in Hinsicht auf die Kirche als ganze andererseits.“335 Da der ganze Christus durch den Heiligen Geist in der Lokalkirche anwesend ist und dieser deshalb die FÛlle des Heils innewohnt (inhaltliche KatholizitÅt), definiert Volf in Anlehnung an die orthodoxe Tradition die Lokalkirche als Kirche im eigentlichen Sinn. Ihre inhaltliche KatholizitÅt bestimmt er aber im Unterschied zur episkopal-eucharistischen Verankerung orthodoxer Ekklesiologie von der inhaltlichen ApostolizitÅt her (Treue zur apostolischen Tradition). Die KatholizitÅt der apostolischen Tradition verlange von jeder Kirche die Erkenntnis eigener konfessioneller PartikularitÅt und die Offenheit fÛr andere Kirchen, zumal jede Kirche lediglich an der eschatologischen Gemeinschaft des ganzen Gottesvolkes mit dem dreieinigen Gott partizipiere. Diese Partizipation verlange, daß die kirchlichen Institutionen der reziproken trinitarischen Perichorese durch eine symmetrisch-gemeinschaftliche Ekklesiologie mit demokratischen AnklÅngen entsprechen, wobei die Kirche nicht ein-

Vgl. ders.: Kirche, S. 56 ff. Ders.: Demokratie, S. 433. Vgl. insgesamt ebd., S. 431 ff.; ders.: Kirche, S. 56 ff., und ders.: TrinitÅt, S. 215–224 u. 230–242. 334 335

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fach als soziales Gebilde gilt, sondern als pneumatologisch und sprirituell bestimmte Liebesgemeinschaft.336 Geist und Institution seien ebensowenig zu trennen wie Glaube und soziales Engagement, weil zur Kirche und ihren Institutionen „eine g×ttliche und eine menschliche Dimension“337 geh×re. Dabei Ûbersieht Volf keineswegs die Gebrochenheit der Analogie von TrinitÅt und Kirche. Im Unterschied zum natÛrlichen Menschsein, das auch Isolation und Gegeneinander verk×rpere, entspreche das Christsein zwar der trinitarischen Perichorese, da christliche Existenz nur gemeinschaftlich m×glich sei. Aber diese Existenz beruhe nicht auf gegenseitiger InterioritÅt wie in Gott, sondern christliche Gemeinschaft werde durch die Einwohnung des Heiligen Geistes konstituiert.338

Die eigentlichen Ursachen fÛr die Gebrochenheit der Analogie zwischen g×ttlichen, menschlichen und ekklesiologischen Strukturen bleiben bei Volf zu undeutlich, weil er nicht klar zwischen intra- und interpersonaler Dimension Gottes unterscheidet und auf allen Ebenen nur von der interpersonalen Dimension her argumentiert. Das sich daran abzeichnende trinitÅtstheologische Defizit liegt darin begrÛndet, daß Volfs trinitÅtstheologische PrÅmissen in Korrelation mit verschiedenen theologiegeschichtlichen, ekklesiologischen und sozialphilosophischen Zielsetzungen stehen, die sie einseitig beeinflussen. ZunÅchst gibt die Analyse zu erkennen, daß Volf den einseitig interpersonalen Ansatz seines Lehrers Moltmann Ûbernimmt. So bezieht er sich gegen das VerstÅndnis von einem dreipersonalen g×ttlichen Selbst auf das von Moltmann vertretene soziale Modell gegenseitiger RelationalitÅt dreier selbstÅndiger Aktzentren: „[. . .] nur eine Gemeinschaft der Personen kann der TrinitÅt entsprechen“339, weil „die Einheit der heiligen Dreieinigkeit als eine polyzentrische Gemeinschaft zu denken ist, die durch die dynamische und symmetrische Interaktion der g×ttlichen Personen gebildet wird“340. Die Gleichzeitigkeit von intra- und interpersonaler Dimension in Gottes Wesen wird also auch von Volf einseitig auf den interpersonalen Aspekt fokussiert. Damit geht – wie bei Moltmann – die Ausblendung der intrapersonalen Wesenseinheit Gottes einher. Explizit lehnt Volf unter ZurÛckweisung der nahe-

336 Vgl. ders.: Kirche, S. 61 u. 72 f. Vgl. insgesamt ders.: TrinitÅt, S. 131 f., 147 ff., 225 ff., 255, 260, 263 f. 337 Ders.: TrinitÅt, S. 234. Vgl. ders.: Church, S. 14 ff., wo Volf sowohl ein einseitig sozial-revolutionÅres oder ethisches Engagement von Kirchen als auch ein rein liturgisches oder auf individuelle Fr×mmigkeit ausgerichtetes KirchenverstÅndnis verurteilt. 338 Vgl. ders.: TrinitÅt, S. 197 f. u. 203 f. 339 Ebd., S. 198. Vgl. ebd., S. 188, 192 ff. u. 206, wo sich Volf neben Moltmann auch auf die sozial-interpersonalen AnsÅtze Pannenbergs und Staniloaes bezieht. Zu Moltmanns und Staniloaes AnsÅtzen siehe Kap. IV,2.2 u. 3.2. Vgl. zu W. Pannenberg ders.: Theologie I, S. 283–364 u. 456–466. 340 M. Volf: Kirche, S. 71. Diese Formulierung scheint nur schwer vor der tritheistischen Gefahr zu schÛtzen zu sein.

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zu einhelligen ×stlichen und westlichen Tradition von der Wesenseinheit Gottes (Homousie) eine solche Wesenseinheit ab und postuliert ohne nÅhere BegrÛndung, daß dies wohl auch nicht nizÅnische Lehre gewesen sei.341 Die oben durchgefÛhrte altkirchliche Untersuchung konnte hingegen erweisen, daß die ×stliche und westliche Tradition mit ihrer Auffassung von der g×ttlichen Wesenseinheit der nizÅnischen Lehre entspricht, die mit der Formel mı´a ou™sı´a – treı˜ß ušposta´seiß den schon vorher offenbaren Zusammenhang von Wesenseinheit und hypostatischer bzw. personaler Dreiheit bekrÅftigte.342 Diesen Zusammenhang unterstreicht auch die durch Johannes von Damaskus vollzogene Verbindung von Homousie und hypostatischer Perichorese, die Volf ebenfalls ablehnt, weil die Homousie nur die g×ttlichen Ursprungsbeziehungen als Spezifikum der g×ttlichen Personen zulasse und die trinitarischen Personen in der Perichorese mit den Relationen identifiziere.343 Bei dieser Argumentation handelt es sich erneut um ein Postulat, da die Wesenseinheit neben spezifischen Ursprungsbeziehungen auch spezifische Relationen auf der Ebene ewiger Existenzbeziehungen zu umfassen vermag. Volfs Argumentation wÛrde ihrer eigenen Logik schon dann nicht mehr standhalten, wenn ins Blickfeld kÅme, daß auch die Ursprungsbeziehungen relationalen Charakter haben. Das wiederum kommt bei Volf zumindest begrifflich nicht zum Tragen, da er wie Moltmann zwischen „Konstitutionsund Relationsebene“ unterscheidet und so terminologisch die relationale Dimension von der Konstitutionsebene trennt.344 Zwar betont Volf die KomplementaritÅt von Person und Relation, insofern als die g×ttlichen Personen als Subjekte konstituiert werden, die ohne Relationen nicht zu denken sind und sich deshalb selbst in ihrer Perichorese konstituieren. Doch an anderer Stelle heißt es im Widerspruch dazu: „Die Relationen zwischen den Personen und ihre personale InterioritÅt setzen logisch die ‚Zeugung‘ des Sohnes und den ‚Hervorgang‘ des Geistes voraus. Denn nur die schon konstituierten Personen k×nnen sich aufeinander beziehen und ineinander existieren.“345 Weil Volf bei der Definition der trinitarischen Perichorese schließlich doch zwischen hypostatischer Konstitutionsebene Vgl. ders.: TrinitÅt, S. 193. S. o., S. 131 f. 343 Vgl. M. Volf: TrinitÅt, S. 201, Anm. 87. 344 Vgl. ebd., S. 207 f. Auf die reziproken Aspekte bei der Konstitution der g×ttlichen Personen und die entsprechende Problematik bei Moltmanns Begriffspaar hat zu Recht Pannenberg hingewiesen, der aber umgekehrt nicht deutlich genug zwischen Ursprungs- und Existenzebene unterscheidet und so der Gefahr unterliegt, die ewigen Existenzbeziehungen und die Ursprungsbeziehungen zu gleichwertig zu betrachten, was sich bei der Filioque-Auseinandersetzung als Problem erweist (siehe Anm. 212, II. Kap.). 345 M. Volf: TrinitÅt, S. 204 f. Vgl. zu den umgekehrt ausgerichteten Aussagen ebd., S. 196 u. 201. 341 342

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und „innertrinitarischer Gestalt“ auf der Relationsebene unterscheidet, bekrÅftigt er durch die konstitutive Einordnung der Ursprungsbeziehungen die Dreiheit der g×ttlichen Personen. Gleichzeitig resultiert aus der symmetrisch charakterisierten RelationalitÅt eine interpersonal-egalitÅre Perichorese, die hypostatische Spezifika (z. B. Vater als Quelle) der egalitÅren Symmetrie unterordnet: „Die Struktur der trinitarischen Beziehungen ist [. . .] durch eine polyzentrische und symmetrische ReziprozitÅt der Vielen charakterisiert.“346 Volf bleibt so in dem Bild „Einer-Viele“, das er als Schablone fÛr die Auseinandersetzung mit Ratzinger und Zizioulas verwendet.347 Doch mit diesem Modell lÅßt sich das differenzierte VerhÅltnis von intra- und interpersonaler Dimension Gottes nicht erfassen, was Volfs trinitarische und ekklesiologische Reduktion auf die interpersonale Gegenseitigkeit zeigt. Der ontologischen InterioritÅt der g×ttlichen Personen entspreche eine nichtontologische InterioritÅt pers×nlicher Eigenheiten der Menschen, die dadurch zur „katholischen Pers×nlichkeit“ werden. Die Christen seien durch ihre Relationen konstituiert, durch „die Internalisierung [. . .] ihrer ganzen ‚Umwelt‘ – des Sch×pfers wie auch jedes Gesch×pfes“348. Eine derartige Konstitution des Christseins findet aber keinen Anhalt in der Wirklichkeit. Der RealitÅt angemessener ist die Analogie, die sich aus der Beachtung der inter- und intrapersonalen Dimensionen Gottes und der Menschen ergibt. Denn der intrapersonalen Einheit des einen g×ttlichen GegenÛbers entspricht analog die intrapersonale Einheit des menschlichen Subjekts, wie es in der psychologischen TrinitÅt zum Ausdruck kommt. Im Unterschied zu Gott verk×rpert der Mensch aber nicht zugleich die interpersonale Dimension, da er diese nur in Gemeinschaft mit Gott und den Mitmenschen empfÅngt, so daß die interpersonale Dimension im Christsein erst voll zur Entfaltung kommt. Diese Differenzierungen spiegeln die subjektive und gemeinschaftliche QualitÅt des Mensch- und Christseins angemessener wider als eine in der RealitÅt kaum nachvollziehbare „KatholizitÅt“ der Person. Volf nimmt sich die M×glichkeit dieser Differenzierung durch seinen einseitig interpersonalen Ansatz, der mit seinen ekklesiologischen Zielvorstellungen und seinen sozialphilosophischen PrÅmissen korrespondiert. Sein polyzentrisch-egalitÅres bzw. demokratisches KirchenverstÅndnis bedarf einer interpersonal-reziproken Anologie. Gleiches gilt fÛr das Ziel eines weltwei-

Ebd., S. 208. Vgl. ebd., S. 207 f. Volf bezieht sich auf die Konzeption des Universalisierungs- und Pluralisierungsdenkens. Die Tradition des Universalisierungsgedankens gehe von dem Vorrang des „Einen“ aus, wÅhrend die Tradition des Pluralisierungsgedankens von dem Vorrang der „Vielen“ ausgehe (vgl. ebd., S. 252). Vgl. zur Bezugnahme auf das VerhÅltnis „Einer-Viele“ ebd., S. 205 f. u. 210. 348 Ebd., S. 202. Vgl. insgesamt ebd., S. 201 f. u. 267 ff., und ders.: Ausgrenzung, S. 61. 346 347

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ten sozialen Umbruchs zu interdependenten und eigendynamischen Teilsystemen, der einen „unumkehrbaren ‚Kongregationalisierungsprozeß‘ des ganzen Christentums“349 nach sich ziehe. Daß die sozialphilosophischen und ekklesiologischen PrÅmissen konstitutiv auf Volfs TrinitÅtsverstÅndnis einwirken, belegt seine hermeneutische Gewichtung der sozialen PrÅmissen fÛr die trinitarische Konstitution der Kirche: „Die konkrete Form der Abbildung der TrinitÅt in der Kirche ist [. . .] durch die jeweilige geschichtliche Situation, in der sich die Kirche befindet, mitbedingt“350, so daß „sich die ekklesialen bzw. sozialen Modelle und trinitarischen Modelle gegenseitig bedingen“351. Wie bei seinem Lehrer Moltmann besteht somit auch bei Volf die Gefahr eines zu direkten Einflusses sozialer Entwicklungsstrukturen auf die interpersonal-sozialen TrinitÅtsstrukturen.352 Die diesen PrÅmissen entsprechende interpersonale EngfÛhrung spiegelt sich auch in Volfs einseitiger Auslegung ×konomischer TrinitÅtserkenntnis wider. Wenn er behauptet, aus der Heilsgeschichte seien die trinitarischen Personen allein als verschiedene Subjekte zu erschließen, Ûbergeht er sÅmtliche biblisch-heilsgeschichtlichen Hinweise auf die Einheit Gottes (Joh 17 u. ×.). Diese Vorgehensweise bestÅtigt die Notwendigkeit eines biblisch-×konomischen Ansatzes.353 Im Interesse seiner Auslegung schließt Volf sogar umgekehrt von der einseitig interpersonal determinierten immanenten TrinitÅt auf die ×konomische TrinitÅt: Weil in Gott selbstÅndige Aktzentren existieren, „kann Gott auch nach außen nicht als das eine dreipersonale g×ttliche Selbst, sondern nur als eine Gemeinschaft der verschiedenen ineinander existierenden Personen handeln“354. Um aber die innertrinitarischen Spezifika der Ursprungsbeziehungen (Vater als Quelle etc.) in seinen egalitÅren symmetrischen Ansatz integrieren zu k×nnen, argumentiert er wieder von der ×konomischen TrinitÅt her, sie gebe nur reziproke trinitarische Beziehungen zu erkennen. Aufgrund dieser gegenlÅufigen Argumentation gelingt es Volf nicht, den egalitÅr-symmetrischen Ansatz

349 Ders.: TrinitÅt, S. 12. Vgl. ebd., S. 13, Anm. 22, wo Volf zu erkennen gibt, daß er sich an N. Luhmanns soziologischer Konzeption moderner Gesellschaften orientiert. Vgl. ferner ebd., S. 11 ff. u. 167 f. Vgl. ders.: Kirche, S. 53, 70, 76. Zur Kongruenz des trinitarischen Ansatzes mit der ekklesiologischen Zielvorstellung vgl. ebd., S. 69–74; ders.: TrinitÅt, S. 208 ff. u. 224 ff., und ders.: Demokratie. 350 Ders.: Kirche, S. 75 f. 351 Ders.: TrinitÅt, S. 185. 352 Zu den entsprechenden Gefahren bei Moltmann siehe Kap. IV,2.2; zum Gewicht der sozialphilosophischen Dimension bei Volf vgl. ders.: Arbeit, S. 414, wo er die grundsÅtzliche Auffassung der Arbeit als vocatio maßgeblich von aktuellen industriellen Entwicklungen abhÅngig macht. Vgl. ferner ders.: „Zukunft der Arbeit – Arbeit der Zukunft“. 353 Zu dieser vom Verfasser neu eingefÛhrten Spezifizierung s. o., S. 96 f., und s. u., S. 500 ff. 354 M. Volf: TrinitÅt, S. 206. Vgl. ebd., S. 196.

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schlÛssig mit den erkannten Spezifika der Ursprungsbeziehungen zu vermitteln.355 Volfs relativ spekulative Auslegung von ×konomischer und immanenter TrinitÅt resultiert aus seiner einseitig eschatologischen Ausrichtung, die erneut den Einfluß Moltmanns erkennen lÅßt, der sich auf den eschatologischen Entwicklungsprozeß konzentrierte.356 Volf nimmt die von ihm selbst geÅußerte Einsicht, daß die eschatologsiche Gemeinschaft mit dem dreieinigen Gott nur deshalb am Ende des Weges stehen kann, „weil der dreieinige Gott schon am Anfang des Weges stand“357, hermeneutisch nicht ernst genug. So stellt er das eschatologische Sein der Kirche bzw. ihre eschatologische Integration in das Leben des dreieinigen Gottes als Maßstab fÛr die gegenwÅrtige Auffassung der EkklesialitÅt heraus. Deswegen habe „die Analyse der EkklesialitÅt [. . .] mit einer Reflexion Ûber die eschatologische neue Sch×pfung Gottes“358 einzusetzen. Vermittelt wird dieser eschatologische Maßstab durch den Heiligen Geist als Kraft der neuen Sch×pfung im eschatologischen Reich Gottes. Da das Augenmerk neben der eschatologischen Orientierung auf der geschichtlichen Entwicklung sozialer Strukturen liegt und deshalb „die Integrationsstrukturen der Kirche pneumatologisch“ sowie „Ûber die sozio-kulturelle Bedingtheit der Sozialeinheit Kirche“359 verstanden werden, drÅngt die eschatologische und soziologische Orientierung historisch-revelatorische Kriterien zurÛck. Obwohl Volf auf Schrift und Tradition als Zeugnisse der ApostolizitÅt hinweist und ein angemessenes ekklesiales Kommunikationsgeschehen fordert, geht er nicht auf das VerhÅltnis von Schrift, Tradition und Kirche ein, sondern hebt immer wieder den eschatologischen Maßstab hervor.360 Entsprechend verliert auch die altkirchliche TrinitÅtslehre fÛr ihn an Bedeutung: Man solle „nicht allzuviel von der [. . .] Rekonzeptualisierung der TrinitÅtslehre erwarten“361, zumal die trinitarischen Modelle auch sozial und ekklesial bedingt seien. Durch die Einbindung der trinitarischen Ekklesiologie in die sozialgeschichtliche Entwicklung sowie durch ihre hermeneutische Verankerung in der Eschatologie (VernachlÅssigung gegebener revelatorischer Kriterien) Vgl. ebd., S. 208. Zur einseitig eschatologischen Ausrichtung Moltmanns siehe Kap. IV,2.2. 357 M. Volf: TrinitÅt, S. 180. 358 Ebd., S. 255. Vgl. ebd., S. 191, 194, 225, 265, 269 u. 121: „Der eschatologische Charakter der Kirche verlangt [. . .] mit der neuen Sch×pfung Gottes in ihrer Beziehung zum Volk Gottes zu beginnen.“ 359 Ders.: Kirche, S. 76. Vgl. insgesamt ebd., S. 61 u. 79 f., und ders.: Church, S. 16 u. 22 f. 360 Vgl. ders.: TrinitÅt, S. 157 u. 264 f. Zur Bedeutung der VerhÅltnisbestimmung von Schrift, Tradition und Kirche vgl. M. Haudel: Bibel, und ders.: Schrift (siehe Anm. 97 u. 115, I. Kap., und Anm. 248, II. Kap.). 361 M. Volf: TrinitÅt, S. 185. 355 356

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kommt Volf zu spekulativen und relativen Ergebnissen, wenn er etwa angesichts der pluralistischen Situation den relativen Charakter christlicher ºberzeugungen anspricht oder die nur perspektivische M×glichkeit bestimmter ekklesialer Beurteilungen betont.362 Aufgrund der Gefahr hermeneutischer Ungenauigkeit treten bei Volf zuweilen widersprÛchliche Schlußfolgerungen auf, was die Analyse der ekklesiologischen Konsequenzen seiner hermeneutischen und trinitÅtstheologischen Defizite erweisen wird. Außerdem erklÅrt sich aus Volfs Abwertung der altkirchlichen trinitÅtstheologischen Basis seine kaum fundierte ZurÛckweisung allgemein rezipierter altkirchlicher Traditionen (Homousie). Weil trinitÅtstheologische Einseitigkeiten nur durch einen differenzierten RÛckgriff auf die altkirchliche Basis zu Ûberwinden sind und Volf diesen RÛckgriff vernachlÅssigt, k×nnen sich weltanschauliche PrÅmissen auf seine TrinitÅtslehre auswirken, deren Einseitigkeiten sich wiederum in seiner Ekklesiologie niederschlagen. 3.2 Ekklesiologische Konsequenzen In dem bisher Gesagten deuten sich bereits die ekklesiologischen Konsequenzen der trinitÅtstheologischen Defizite Volfs an. Aus der trinitÅtstheologischen EngfÛhrung auf die interpersonale Gemeinschaft der g×ttlichen Personen (Hypostasen) und der damit korrespondierenden Ausblendung g×ttlicher Wesenseinheit (Homousie) ergibt sich analog ein gemeinschaftlich-partikulares KirchenverstÅndnis (Ortskirchen) mit entsprechend defizitÅrer Beachtung kirchlicher Einheit (UniversalitÅt). Weil Volf das mit der kappadozischen Formel mı´a ou™sı´a – treı˜ß ušposta´seiß gegebene VerhÅltnis „g×ttliche Natur – g×ttliche Personen“ sowie das Homousios ablehnt und nur die interpersonalen Beziehungen trinitarischer Aktzentren als maßgeblich betrachtet, kann er nach eigenem Bekunden „die Beziehungen innerhalb der Kirche genausowenig in Entsprechung zum VerhÅltnis ‚g×ttliche Natur – g×ttliche Personen‘ denken wie die Beziehungen zwischen den Kirchen“363. Vielmehr gilt fÛr ihn die Kirche in Analogie zu seinem rein interpersonal-perichoretischen Ansatz als polyzentrisch-partizipatorische Gemeinschaft interdependenter Subjekte. FÛr die universalkirchliche Einheit existiert keine eigene Analogiegr×ße, da die intrapersonale We-

362 Vgl. ebd., S. 251, und ders.: Herausforderung, S. 266, wo Volf die ºberwindung der Alternative „Fundamentalismus-Liberalismus“ nur in einer relativistisch-eschatologischen Orientierung zu sehen scheint, ohne auf die Kriterien des VerhÅltnisses von Schrift, Tradition und Kirche Bezug zu nehmen. Vgl. ferner ders.: Kirche, S. 69. Hier betont Volf von seinen hermeneutischen Voraussetzungen her, daß „die Grenzen der Kirche im Laufe der Geschichte nicht klar gezogen werden“ k×nnen. 363 Ders.: TrinitÅt, S. 194.

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senseinheit nicht zur Geltung kommt. Die zwischenkirchliche EkklesialitÅt erscheint analog der rein hypostatischen InterpersonalitÅt nur als RelationalitÅt zwischen partikularen Ortskirchen.364 In Entsprechung zu Volfs trinitÅtstheologischem Ansatz einer reziproksymmetrischen Perichorese, der weniger Gewicht auf die mit den Ursprungsbeziehungen gegebenen Spezifika legt, bedarf die Kirche dezentral-symmetrischer und egalitÅrer Strukturen mit freier Interaktion.365 Die trinitÅtstheologische Reduktion auf die interpersonale Perichorese lÅßt fÛr die ekklesiologische Analogie nur die M×glichkeit einer perichoretisch geprÅgten Interaktion der Glaubenden, die Volf mit dem bereits er×rterten Begriff der „katholischen Pers×nlichkeit“ zu gewÅhrleisten versucht. Vor diesem Hintergrund stellt Volf die Analogie zwischen trinitarischer und ekklesialer Perichorese her: „Der Auffassung der g×ttlichen Personen als (interdependente und einander interne) eigenstÅndige Aktzentren entspricht die Auffassung der ekklesialen Personen als interdependente und katholische, aber eigenstÅndige Subjekte.“366 Doch weil Volf trotz absichernder Unterscheidungen zwischen ontologischer g×ttlicher und nicht-ontologischer menschlicher InterioritÅt wohl spÛrt, daß eine relationale menschliche KatholizitÅt, die die gesch×pfliche und g×ttliche Wirklichkeit internalisiert, kaum als realistisch erscheint, kommt er an anderer Stelle zu dem Ergebnis: „Nicht die gegenseitige Perichorese der Menschen, sondern die allen gemeinsame Einwohnung des Geistes macht die Kirche zu einer der TrinitÅt entsprechenden Gemeinschaft“367. Die Parallelisierung rein interpersonal definierter g×ttlicher Strukturen und interpersonaler menschlicher Strukturen weist also bereits hier BrÛche auf, die sich auch in der Analogie von trinitarischer und inter-ekklesialer Einheit finden. WÅhrend Volf an einer Stelle betont, daß die „Perichorese nicht als Modell der inter-ekklesialen Einheit dienen“ kann, ist sie fÛr ihn an anderer Stelle „auch inter-ekklesial von Bedeutung“368. Selbst wenn Volf damit nur zum Ausdruck bringen m×chte, daß die inter-ekklesialen Beziehungen nicht durch die Kirchen an sich, sondern durch die interaktive KatholizitÅt der einzelnen Glaubenden entstehen (wo ist der Unterschied?), bleibt undeutlich, wie die Analogie zwischen seiner perichoretischen TrinitÅtslehre und der entsprechenden Ekklesiologie aussehen kann. Das gilt ebenso fÛr seine Bezugnahme auf das Modell „Einer-Viele“, wenn er die perichoretische trinitarische Einheit nicht Ûber den „Einen“ konstituiert sieht, aber

Vgl. ebd., S. 192 ff. u. 215 ff. Vgl. ders.: Kirche, S. 74, und ders.: TrinitÅt, S. 199 ff. 366 Ders.: TrinitÅt, S. 211. Vgl. insgesamt ebd., S. 199 ff.; ders.: Ausgrenzung, S. 61 f., und ders.: Kirche, S. 71 f., wo Volf explizit die perichoretische Analogie fordert. 367 Ders.: TrinitÅt, S. 204. 368 Ebd. 364 365

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die BegrÛndung der ekklesialen Einheit durch „Einen“ (Gottes Geist) fÛr notwendig hÅlt.369 Sowohl das Modell „Einer-Viele“ als auch die rein INTERpersonale Perichorese erweisen sich also als ungeeignet, Analogie und Differenz beim VerhÅltnis von trinitarischer und ekklesiologischer Einheit in Vielfalt darzustellen. Weil Volf universalkirchliche KatholizitÅt allein mit Hilfe der relationalpersonalen KatholizitÅt der Glaubenden bestimmt, die in der Geschichte nicht universal auffindbar ist, wird universalkirchliche Einheit zu einer rein eschatologischen Gr×ße, so daß man in der Geschichte „nur von der PluralitÅt der Kirchen, nicht aber von der einen Kirche sprechen kann. [. . .] Diesseits der eschatologischen Sammlung des ganzen Volkes Gottes kann es keine Kirche im Singular geben. [. . .] Die eine Kirche existiert in der Geschichte nur als Gemeinschaft der Kirchen. Diese Gemeinschaft ist selbst nicht eine Kirche“370. So hÅlt Volf eine Entsprechung von innerg×ttlicher Liebesgemeinschaft und inter-ekklesialer Gemeinschaft erst im Eschaton fÛr m×glich, was faktisch eine Absage an die geschichtlichen BemÛhungen um universalkirchliche Einheit bedeutet. Jeglicher ×kumenische Versuch, Ûber Einheitsmodelle (z. B. konziliare Gemeinschaft) kirchliche Einheit zu erzielen, wird als unrealistisch bewertet. Volf kann das VerhÅltnis von Orts- und Universalkirche also nur durch den Unterschied zwischen universalkirchlich nicht realisierbarer perichoretischer KatholizitÅt in der Geschichte und der Realisierung dieser KatholizitÅt im Eschaton bestimmen. Indem Volf diese eschatologische Realisierung als „vollkommene[.] Integration in das trinitarische Leben Gottes“ bzw. als das „reziproke personale Einwohnen von Gott, Lamm und Volk“371 kennzeichnet, nimmt er den auch im Eschaton bestehenden Unterschied zwischen innertrinitarischer und menschlicher Gemeinschaft nicht ernst genug. Das wiederum resultiert aus der rein interpersonalen Parallelisierung g×ttlicher und menschlicher Strukturen. HÅtte Volf zwischen der Gleichzeitigkeit von intra- und interpersonaler Dimension Gottes und den jeweiligen intra- oder interpersonalen gesch×pflichen Strukturen unterschieden, wÅre die Gefahr einer eschatologischen Identifizierung von g×ttlichen und menschlichen Strukturen nicht so groß gewesen. Statt von einer vollkommenen Integration in die trinitarische Perichorese wÅre angemessener von der Gemeinschaft der Menschen mit Gott zu sprechen, auch wenn diese Gemeinschaft durch die pneumatologisch gewÅhrte Verk×rperung des Leibes Christi an der innertrinitarischen Gemeinschaft partizipiert. Zudem hÅtte die Beachtung der intrapersonalen Wesenseinheit Gottes die analoge Wahrnehmung einer der Kirche vorgegebenen Ein369 370 371

S. 121.

Vgl. ebd., S. 210. Ebd., S. 150. Vgl. ebd., S. 198 f., 204, 268 f. Ders.: Kirche, S. 70 f. (Hervorhebung v. Vf.). Vgl. ebd., S. 61 u. 72, und ders.: TrinitÅt,

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heit erleichtert, die nicht von der interaktiven RelationalitÅt katholischer Personen abhÅngig ist, sondern dem Wesen der Kirche innewohnt. Auf diese Weise k×nnte man schon in der Geschichte die Realisierung der vorgegebenen Einheit anstreben, statt nur auf ihre eschatologische Verwirklichung durch die personale KatholizitÅt zu warten. Weil Volf gemÅß seines interpersonal-perichoretischen Ansatzes in der Geschichte nur von der lokalkirchlichen Antizipation eschatologischer Einheit zu sprechen vermag, kommt die durch Orts- und Universalkirche zu verwirklichende Antizipation eschatologischer Vollendung nicht zum Tragen, sondern die universalkirchliche KatholizitÅt wird auf die unsichtbare Kirche reduziert372. An einer Stelle neigt Volf sogar dazu, Ûberhaupt nicht mehr von der Existenz der Universalkirche zu sprechen: „Ohne Zweifel kann eine Lokalkirche nur Ûber den Bezug auf ein sie Ûbersteigendes ekklesiologisches Ganzes katholisch sein. Es ist aber zu fragen, ob es zutreffend ist, dieses Ganze als die (himmlisch und irdisch) existierende Universalkirche zu bestimmen. Nach dem Modell, das ich [Volf] oben vorgeschlagen habe, ist dieses Ganze die eschatologische Einwohnung des dreieinigen Gottes in seinem ganzen Volk.“373 Weil damit allein die Lokalkirche konstitutives Gewicht erhÅlt, ersetzt Volf die einseitig universalkirchliche Communio-Ekklesiologie Ratzingers nur durch eine umgekehrt einseitig ortskirchliche Communio-Ekklesiologie. Unter partiellem RÛckgriff auf die kongregationalistische Ekklesiologie von John Smyth und dessen ekklesiologischen Referenztext Mt 18,20 sieht er die Existenz der einen, heiligen, katholischen und apostolischen Kirche in jeder Hausgemeinde und ihrer dezentralen Interaktion verwirklicht.374 Wie die Taufe einseitig als Eingliederung (Initiation) in die Lokalkirche verstanden wird, gilt die Ordination als rein lokalkirchlicher Akt und als rein lokalkirchliches Charisma. Eine symbolische Verbindung der Ordination zur Universalkirche sei ÛberflÛssig, weil „die so verstandene Universalkirche eine theologische Abstraktion“375 sei und die KatholizitÅt der Dienste nicht den Bezug zur Gesamtkirche verlange, da „KatholizitÅt [. . .] den der Lokalkirche zukommenden Reichtum der Geistesgaben“376 bedeute. Vor diesem Hintergrund hÅlt Volf „die Offenheit jeder Kirche fÛr alle anderen Kirchen“ 372 Vgl. ders.: TrinitÅt, S. 164, 194, 255 ff. WÅhrend Volf an diesen Stellen – seiner Konzeption entsprechend – nur von der lokalkirchlichen Antizipation eschatologischer Einheit spricht, begegnet im Unterschied dazu auf S. 133 der Gedanke einer lokal- und universalkirchlichen Antizipation eschatologischer Einheit, was an anderen Stellen wieder durch die rein eschatologische Charakterisierung universalkirchlicher Einheit konterkariert wird. 373 Ebd., S. 260 f. 374 Vgl. ebd., S. 128 ff. u. 150; ders.: Kirche, S. 62–69; ders.: Demokratie, S. 430, und ders.: Church, S. 14. 375 Ders.: TrinitÅt, S. 241. Vgl. zum lokalkirchlichen Tauf- und OrdinationsverstÅndnis ebd., S. 169 u. 239 ff. 376 Ebd., S. 262.

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fÛr genÛgend und tiefere Beziehungen zwischen den Kirchen lediglich fÛr „wÛnschenswert“377. Mit der beobachteten Ausblendung universalkirchlicher Einheit vermag auch Volf den Vorwurf nicht zu entkrÅften, freikirchliche AnsÅtze seien mit einem gebrochenen VerhÅltnis zur KatholizitÅt verbunden. Obwohl er inhaltlich-qualitativ und eschatologisch an dem Anspruch der KatholizitÅt festhÅlt, tritt sie doch in bezug auf geschichtliche Formen zwischenkirchlicher Einheit zurÛck, da Volf eine derartige Einheit in der Geschichte nicht fÛr m×glich hÅlt und die von ihm propagierte Offenheit fÛr andere Kirchen als ausreichend fÛr die KatholizitÅt bezeichnet, wÅhrend er allein die lokalkirchliche Eingebundenheit als „unerlÅßliche Bedingung der KatholizitÅt der Person“378 definiert. So bleibt auch Volf trotz der von ihm geforderten Offenheit fÛr andere Kirchen letztlich einer partikularistischen Selbstzufriedenheit verhaftet, die sich mit dem Status quo konfessioneller Spaltung abfindet und ×kumenisch wenig motivierend wirkt. Auch Volfs Entwurf lÅßt neben den ekklesiologischen Konsequenzen trinitÅtstheologischer Defizite den umgekehrten Einfluß ekklesiologischer PrÅmissen auf die TrinitÅtslehre erkennen, wie es bereits mehrfach anklang und etwa in der Argumentation hervortritt, die Einheit des g×ttlichen Wesens sei schon aus ekklesiologischen GrÛnden nicht fÛr eine Analogie zwischen TrinitÅt und Kirche brauchbar.379 In gleicher Weise gehen Volfs sozialphilosophische und kirchengeschichtliche EinschÅtzungen in seinen Entwurf ein. So konstatiert Volf eine „fortschreitende globale Expansion des freikirchlichen Modells“, die durch weltweite „irreversible soziale Šnderungen“380 getragen werde. Sein globales Urteil stÛtzt sich allerdings vornehmlich auf den freikirchlichen und nordamerikanischen Erfahrungshorizont sowie auf den sozialphilosophischen Ansatz Niklas Luhmanns. Volf sieht die Kirchen im Sog fortschreitender Differenzierung in den modernen Gesellschaften, in denen die Kirchen als Gruppierungen zur Befriedigung religi×ser BedÛrfnisse dienen, was mit der wachsenden Privatisierung des Entscheidens einhergehe. Die damit verbundene AffinitÅt zu assoziativen Formen der Sozialisation habe den Niedergang des Denominationalismus und ein postkonfessionelles Christentum partizipativ-kongregationalistischer PrÅgung zur Folge. Die fÛr den christlichen Tradierungsprozeß notwendige Identifikation mit der Kirche sei nÅmlich gemÅß der gesellschaftlichen Entwicklung nur noch durch assoziativ-partizipatorische Strukturen m×glich: „Die Bildung der Menschen fÛr kritische RationalitÅt [sic] zusammen mit der Abnahme des sozialen Askriptivismus und der Zunahme der Wertgeneralisation, die weltweit immer charakteristischer fÛr moderne

377 378 379 380

Ebd., S. 263. Ebd., S. 269. Vgl. zum allgemeinen Vorwurf mangelnder KatholizitÅt ebd., S. 248 f. Vgl. ebd., S. 195. Ebd., S. 13.

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Gesellschaften werden, verlangen nach symmetrischer zwischenmenschlicher Interaktion auf allen Ebenen.“381 Doch diese soziologischen und kirchengeschichtlichen Annahmen sind angesichts der gegenwÅrtigen wirtschaftlichen, politischen und konfessionellen Entwicklungen zu hinterfragen. Denn die wirtschaftlichen Globalisierungsprozesse tragen nicht selten dazu bei, eine fortschreitende Differenzierung gerade zu verhindern. Gleiches gilt fÛr den wiedererwachten Nationalismus, der sich auch auf die Rekonfessionalisierungstendenzen auswirkt. Wenn auch die starke Expansion der Pfingstkirchen als Beleg fÛr Volfs PrÅmissen dienen k×nnte, sind die gegenlÅufigen Entwicklungen von nicht geringerem Gewicht und lassen Volfs pauschale soziologischekklesiologische Gleichung nicht zu, was die jÛngsten hierarchischen Zentralisierungstendenzen in der r×misch-katholischen Kirche unterstreichen.382

Volfs symmetrisch-partizipative Ekklesiologie spiegelt sich in ihrer egalitÅren und partikular-lokalkirchlichen Ausrichtung auch in seinem AmtsverstÅndnis wider. Aus dem symmetrisch-interpersonalen trinitÅtstheologischen Ansatz, der durch die Betonung perichoretischer EgalitÅt die Spezifika der Ursprungsbeziehungen in den Hintergrund treten lÅßt, resultiert eine egalitÅre Ekklesiologie. In Analogie zur symmetrischen ReziprozitÅt der trinitarischen Personen stehen sich die Glaubenden mit ihren Charismen als Gebende und Nehmende dezentralistisch gegenÛber. Diese gegenseitige Zeugnisgemeinschaft bedarf nur einer unspezifischen ekklesiologischen Definition, die in egalitÅrer PrÅgung kaum noch Raum fÛr das Spezifikum des ordinierten Amtes lÅßt: „Da die einzige notwendige intraekklesiale Bedingung der kirchenkonstituierenden PrÅsenz Christi darin besteht, daß sich die Menschen im Namen Christi versammeln, um sich voreinander und vor der Welt zu Christus zu bekennen, kommt die PrÅsenz Christi nicht durch die ‚enge Pforte‘ des ordinierten Amtes in der Kirche, sondern durch das dynamische Leben der ganzen Kirche. [. . .] Wie immer das Amt [. . .] wÛnschenswert sein mag, es ist fÛr die EkklesialitÅt nicht notwendig. Das ordinierte Amt geh×rt nicht zum esse, sondern zum bene esse der Kirche.“383 Dieser EinschÅtzung des Amtes entsprechend „kann das Element des Empfangens nur durch die Wechselseitigkeit aller [. . .] ausgedrÛckt werden“, so daß die HeilsverkÛndigung nicht durch das ordinierte Amt geschieht, sondern „dadurch, daß alle verschiedenen Mitglieder der Gemeinde einander und der Welt Christus [. . .] bezeugen“384.

Ders.: Kirche, S. 70. Vgl. insgesamt ders.: TrinitÅt, S. 11–19. Einen vorlÅufigen H×hepunkt dieser Entwicklung stellt die ×kumenische Passage der Verlautbarung der Glaubenskongregation „Dominus Iesus“ dar, in der die r×mische Primatialund Episkopalverfassung erneut explizit zur konstitutiven Voraussetzung wahren Kircheseins erhoben wird (vgl. ErklÅrung, Nr. 16 u. 17). 383 M. Volf: TrinitÅt, S. 144. Vgl. insgesamt ebd., S. 209 f. u. 218–237. 384 Ders.: Kirche, S. 68 f. 381 382

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Hiermit entfernt sich Volf von den reformatorischen Grundlagen Luthers und der Bekenntnisschriften sowie der „Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa“ (Leuenberger Kirchengemeinschaft), wo zwar im Kontext des allgemeinen Priestertums vorausgesetzt ist, daß jeder dem anderen gleichsam ein Christus werden kann (Luther)385, aber ebenso deutlich betont wird, daß aufgrund der Ordnung und des ×ffentlichen Auftrags am Ganzen nicht jeder das gemeinsame Eigentum an sich reißen soll, sondern nur der durch Wahl und rechte Berufung bevollmÅchtigte.386 Wie das allgemeine Priestertum steht das der EvangeliumsverkÛndigung und der Sakramentsverwaltung dienende Predigtamt unter dem Wort Gottes, so daß kein gradueller Unterschied zwischen AmtstrÅgern und den Ûbrigen Christen besteht. Dennoch ist das Predigtamt von Gott als Grundamt gestiftet bzw. eingesetzt worden, damit zeichenhaft erfahrbar bleibt, daß die Glaubensgabe nicht aus eigenem Verdienst, sondern von Christus als dem GegenÛber der Glaubenden empfangen wird (CA 5).387 „Daß Christus das Amt eingesetzt hat im Dienste der WortverkÛndigung und der Sakramentsverwaltung und daß dieses Amt zum Kirchesein hinzugeh×rt, bedarf der vollen ºbereinstimmung.“388 (Leuenberger Kirchengemeinschaft) Das Predigtamt geh×rt nÅmlich als „Grund-Amt“ zu Gottes worthaftem Handeln und somit zur „Sache selbst“389. Da sich aus diesem Grundamt alle Ûbrigen Šmter ableiten, ist ein hierarchisches AmtsverstÅndnis ausgeschlossen.390 Volf scheint die Streichung dieses Grundamtes aus dem esse der Kirche selbst fÛr problematisch zu halten, wenn er im Unterschied zu den oben zitierten Passagen an anderer Stelle zugesteht, daß die „Dienste, die AmtstrÅger verrichten, [. . .] fÛr die Kirche unentbehrlich“ sind und die Kirche zum ºberleben „auch Leiter, Lehrer und Diakone“ brauche: „In diesem begrenzten Sinne geh×ren die [. . .] Šmter notwendig zum ekklesialen Leben als Bedingung seines Vollzugs.“391 Zum direkten Widerspruch kommt es bei Volf hinsichtlich der ekklesialen Notwendigkeit der Sakramente. In einem Aufsatz von 1989 konstatiert Volf, daß „die Sakramente [. . .] fÛr die EkklesialitÅt der Kirche nicht notwendig“392 seien. In seiner Habilitation setzt er sich

385 Vgl. WA 7;66,3 ff. u. 27. Zur ×kumenischen Grundlegung des allgemeinen Priestertums vgl. H.-M. Barth: Priester. 386 Vgl. u. a. WA 6;408,13–17, und WA 8;495,31–33. Vgl. ferner CA 14. 387 Vgl. WA 6;441,24 f., und CA 5,1–3 (BSLK 58,2–10). – S. o., S. 187 ff. 388 W. HÛffmeier/C.-R. MÛller (Hg.): Gemeinschaft, S. 54. Vgl. insgesamt ebd., S. 33 ff., wo die ºbereinstimmung der Leuenberger Kirchengemeinschaft mit den hier genannten reformatorischen Grundlagen deutlich wird. 389 C. H. Ratschow: Art. „Amt VIII“, S. 616 f. 390 Vgl. insgesamt H. Fagerberg: Art. „Amt VI“, S. 557 ff., und W. Pannenberg: Theologie III, S. 406 ff. 391 M. Volf: TrinitÅt, S. 239. 392 Ders.: Kirche, S. 66.

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explizit davon ab: „Die Sakramente [. . .] geh×ren [. . .] zum esse der Kirche.“393 Daran lÅßt sich ablesen, daß Volf hier die UnzulÅnglichkeit seines Ansatzes erkennt und seine Auffassung teilweise Åndert. Die Ambivalenzen resultieren aus der Analogie zwischen der interpersonal-egalitÅren Perichorese der TrinitÅt und der interdependent-dezentralistischen Interaktionsgemeinschaft der Kirche. Dabei kommen sowohl die innertrinitarischen als auch die ekklesiologischen Spezifika zu kurz. Gef×rdert werden die Ambivalenzen außerdem durch die eschatologisch-spekulative Ausrichtung der Hermeneutik, die sich zu wenig auf revelatorische Kriterien wie das VerhÅltnis von Schrift, Tradition und Kirche stÛtzt. So zeigt Volf auch Unsicherheiten in bezug auf die Bedeutung stabiler Institutionen und Interaktionsstrukturen. Er stellt einerseits fest, daß die TrinitÅt, welche „die Kirche abbilden soll“, auch eine „Institution“ ist, weil die TrinitÅt „nicht ohne eine stabile Struktur der Interaktion der g×ttlichen Personen denkbar“394 wÅre. Andererseits konterkariert der diese Einsicht folgendermaßen: „Weil die Interaktion der trinitarischen communio allein durch Liebe charakterisiert ist, sollen sich die fÛr die pilgernde Kirche notwendigen formal oder informal bestimmten Interaktionsregeln auf ihre eigene Aufhebung hin entwikkeln.“395 Auch hinsichtlich der Verk×rperung kirchlicher Einheit argumentiert Volf ambivalent, indem er seine einzige trinitÅtstheologische Analogiebasis, die symmetrische interpersonale Perichorese, ekklesiologisch unterschiedlich zuordnet. Das eine Mal betont er, daß in Analogie zur perichoretischen TrinitÅt jede Person die Konstitution kirchlicher Einheit trÅgt, weil die kirchenkonstituierende PrÅsenz Christi durch das Netzwerk der Beziehungen vermittelt wird, das die Kirche in den einzelnen Glaubenden darstellt. Das andere Mal stellt er heraus, daß die kirchliche Einheit in der Summe verschiedenster AmtstrÅger zum Ausdruck kommt: „Jeder der verschiedenen AmtstrÅger bezieht sich auf seine spezifische Weise auf das Ganze der Lokalkirche – als Prediger, Diakon, Spender der Sakramente usw. [. . .] In jedem AmtstrÅger kommt eine Dimension der Einheit der ganzen Lokalkirche zum Ausdruck, und sie gemeinsam sind ein Zeichen der kirchlichen Einheit.“396 Gemeinsam ist beiden Ansatzpunkten, daß sie nur auf die Einheit der Lokalkirche bezogen sind. „Deswegen ist das (durch die Ordination) sakramental vermittelte ‚Mit-der-Gesamtkirche-Sein‘ oder ‚Vonder-Gesamtkirche-her-Sein‘ nicht eine unerlÅßliche Bedingung der Ekkle-

Ders.: TrinitÅt, S. 144. Ders.: Kirche, S. 73. 395 Ebd., S. 75. 396 Ders.: TrinitÅt, S. 238. Vgl. zur Verankerung der Einheit in den einzelnen Glaubenden ebd., S. 148 u. 210. 393 394

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sialitÅt.“397 Da die Ordination laut Volf allein ein Akt der Lokalkirche ist, bleibt sie wiederholbar, weil sie sich jeweils auf die konkreten Aufgaben einer Lokalkirche bezieht. Der interpersonal-egalitÅren Perichorese seines trinitÅtstheologischen Ansatzes entsprechend gilt die Ordination fÛr Volf als Teil einer Ekklesiologie mit „dezentralistisch vollzogener Verteilung der entscheidenden Funktionen zwischen Personen“, so daß es bei ihr nicht um die Verleihung, sondern um die Anerkennung eines Charismas gehe, und der Vorgang deshalb „treffender Installation als Ordination zu nennen“ sei. Von daher fehle der Ordination ein sakramentaler Charakter und somit geh×re sie wie das Amt „nur zum bene esse, nicht aber zum esse der Kirche“398. Indem Volf dem ordinierten Amt innerhalb einer dezentralistischen Interaktionsgemeinschaft als Spezifikum nur wenig Gewicht einrÅumt und seine Bedeutung fÛr die universalkirchliche Einheit gÅnzlich Ûbergeht, wird er erneut den reformatorischen Grundlagen sowie vielen bedeutenden protestantischen TraditionsstrÅngen kaum gerecht. Es kam bereits zum Ausdruck, daß in der reformatorisch-protestantischen Tradition die Einsetzung des Predigtamtes durch Gott vorausgesetzt ist. Damit verbunden war zuweilen der Hinweis auf die TrinitÅt als causa efficiens des Amtes.399 Diese WertschÅtzung des Amtes hatte zur Folge, daß man auch auf die spezielle Berufung oder Ordination bzw. auf die geordnete Weitergabe des Amtes großen Wert legte (CA 14). So wird zwar die r×misch-katholische Auffassung vom character indelebilis abgelehnt, nach der die Ordinationsweihe ein unausl×schliches PrÅgemal und damit eine vom allgemeinen Priestertum unterschiedene ontologische QualitÅt vermittelt, aber die Lutherischen Bekenntnisschriften haben die Ordination unter der Vorgabe der ordnungsgemÅßen Berufung (CA 14: rite vocatus) und in Anlehnung an die apostolisch-altkirchliche Grundlage durchaus mit einer – mittels Handauflegung vollzogenen – Weihe verbunden, die als Bitte um die Gabe des Geistes galt. Diese Zeremonie konnte als Zeichenhandlung mit sakramentalem Charakter gelten (Apol CA 13: „ein Sakrament von dem Predigtamt und Evangelio“), wobei sie jedoch deutlich von den Sakramenten Taufe und Abendmahl unterschieden wurde, da diese den EmpfÅnger mit Christus selbst verbinden, wÅhrend die Ordination die durch die Taufe begrÛndete Zugeh×rigkeit zu Christus schon voraussetzt. Vor dem Hintergrund der allgemeinen Berufung zu Zeugnis und Dienst sind die AmtstrÅger kraft ihrer Ordination zur ×ffentlichen VerkÛndigung und damit zum Dienst an der Einheit berufen. Es geht dabei auch um den Dienst an der universalkirchlichen Einheit, da die AmtstrÅger im Namen Christi handeln und somit als ReprÅsentanten der auf die Apostel zurÛckgehenden Kirche. Deshalb konnte auch Luther die AusÛbung des Amtes von der Beauftragung der Apostel ableiten und seine sukzessive Weitergabe als den Normalfall bezeichnen (nach Tit 1,5), wobei er jedoch

397

Ebd., S. 148. Ders.: Kirche, S. 60. Vgl. insgesamt ebd., S. 59 f.; ders.: TrinitÅt, S. 239–247, und ders.: Demokratie, S. 432 f. 399 Vgl. H. Fagerberg: Art. „Amt VII“, S. 579. 398

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an der neutestamentlichen und altkirchlichen SynonymitÅt von Presbyteros und Episkopos festhielt.400 So beruft die Gemeinde zwar in dieses Amt, aber sie konstituiert es nicht, weil das Amt auch in der Sache selbst begrÛndet ist, wie es oben skizziert wurde.401 Von daher ist die Wiederholung der Ordination in den reformatorischen Kirchen grundsÅtzlich nicht Ûblich, „weil die Berufung in das kirchliche Amt ‚im Zusammenhang mit der Einsetzung des Amtes fÛr die Gesamtkirche‘ erfolgt und nicht nur fÛr den Dienst an einer bestimmten Einzelgemeinde“402. Aus diesem Grund sollte bei Ordinationshandlungen durchaus die Dimension der universalkirchlichen Einheit zeichenhaft durch beteiligte AmtstrÅger anderer Lokalkirchen zum Ausdruck kommen und die Ordination oder Amtsberufung nicht „als Institution einer Partikularkirche usurpiert werden“, denn es „ist den Kirchen der Christenheit ihre Einheit in Jesus Christus sowohl vorgegeben als auch aufgegeben“403. Entsprechend betonen auch „die an der Leuenberger Konkordie beteiligten Kirchen [. . .], daß sie den Dienst der Episkop³ als einen Dienst des Wortes fÛr die Einheit der Kirche auffassen“404. Das Amt der ×ffentlichen VerkÛndigung und des Dienstes an der Einheit verk×rpert also ein spezifisches Charisma, weshalb eine zu egalitÅre Einordnung des Amtes in die perichoretisch-interaktive Gemeinschaft aller Glaubenden als nicht angemessen erscheint. Dieser bei Volf beobachteten Gefahr Ûberzogener EgalitÅt bleibt entgegenzuhalten, daß der Gleichheitsgedanke nicht das Merkmal der paulinischen Charismenlehre ist, zumal der „Trend zur ³galit³ [. . .] das Amt in seinen GrundansÅtzen zersetzen“405 muß.

Volfs egalitÅr orientiertes Kirchen- und AmtsverstÅndnis, das der spezifischen Funktion des Amtes im Kontext des allgemeinen Priestertums nicht genÛgend Rechnung trÅgt, resultiert aus seinem trinitÅtstheologischen Ansatz einer interpersonal-egalitÅren Perichorese, die zu wenig die innertrinitarischen Spezifika – wie etwa die Ursprungsbeziehungen – berÛcksichtigt. Weil das Amt in Analogie zur egalitÅren trinitarischen Perichorese in der ekklesialen Interaktionsgemeinschaft nur defizitÅr als Zeichen des „GegenÛber-Seins“ der Heilsbotschaft dienen kann, vermag es auch kaum als Einheitsamt in Erscheinung zu treten. WÛrde Volf die innertrinitarischen Spezifika angemessener berÛcksichtigen, k×nnte er neben der Analogie zwischen gleichursprÛnglicher trinitarischer Perichorese und grundsÅtzlicher Gleichrangigkeit im allgemeinen Priestertum auch wahrnehmen, daß innerhalb dieser graduellen Gleichheit Spezifika m×glich sind, die der grundsÅtzlichen Gleichheit nicht widersprechen, aber eine eigene Charakteristik besitzen. 400 Vgl. WA 40/I;59,14–24, und WA 38;237,23. Vgl. insgesamt W. Pannenberg: Theologie III, S. 410–441; H. Fagerberg: Art. „Amt VI“, S. 562 ff.; C. H. Ratschow: Art. „Amt VIII“, S. 614 ff., und E. Schlink: Dogmatik, S. 591 ff. 401 Vgl. dazu auch C. H. Ratschow: Art. „Amt VIII“, S. 616. 402 W. Pannenberg: Theologie III, S. 435. Vgl. C. H. Ratschow: Art. „Amt VIII“, S. 619. 403 W. Pannenberg: Theologie III, S. 441. Vgl. ebd., S. 439 ff. u. 452 f., und E. Schlink: Dogmatik, S. 619 ff. 404 W. HÛffmeier/C.-R. MÛller (Hg.): Gemeinschaft, S. 34. 405 C. H. Ratschow: Art. „Amt VIII“, S. 595. Vgl. W. Pannenberg: Theologie III, S. 422 f.

Die Interdependenz trinitarischer und ekklesiologischer Defizite

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Denn so wie der Vater innerhalb der gleichursprÛnglichen Perichorese das Spezifikum der innertrinitarischen Quelle verk×rpert, ohne die g×ttliche Wesenseinheit anzutasten, lÅßt sich auch das Amt als spezifisches Zeichen des „GegenÛber-Seins“ g×ttlichen Heils verstehen, ohne das Amt graduell Ûber dem Priestertum aller Glaubenden ansiedeln zu mÛssen. GestÛtzt wÛrde diese Einsicht, wenn neben dem rein interpersonalen perichoretischen Ansatz Volfs auch die intrapersonale Wesenseinheit Gottes zur Geltung kÅme, die spezifische Differenzierungen innerhalb dieser Einheit leichter zulÅßt als die Vorstellung vom egalitÅr-perichoretischen Bedingtsein der Einheit. Denn Volfs Modell der perichoretischen KatholizitÅt erlaubt ihm nicht, ein geschichtlich umsetzbares VerstÅndnis universalkirchlicher Einheit zu entwickeln, was ihm aber durch die Beachtung der intrapersonalen Wesenseinheit Gottes gewÅhrt wÛrde. In diesem Fall wÅre die Einheit nÅmlich als wesensmÅßig gegeben vorausgesetzt und nicht allein von interaktiver KatholizitÅt abhÅngig. So k×nnte Volfs Fixierung auf die Lokalkirchen durch den universalkirchlichen Einheitsaspekt ergÅnzt werden. Insgesamt bleibt festzuhalten, daß Volfs Kritik an Ratzingers und Zizioulas’ hierarchisch-korporativem VerstÅndnis des einen ekklesiologischen Subjekts in entgegengesetzten Einseitigkeiten endet, die ebenfalls aus einem defizitÅren trinitÅtstheologischen Ansatz resultieren. Aus der interpersonalegalitÅren Perichorese der trinitarischen Personen leitet sich eine partikularistisch-ortskirchliche Ekklesiologie mit egalitÅrem AmtsverstÅndnis ab. So beeintrÅchtigen Volfs Defizite auch die Umsetzung seiner Absicht, fÛr den protestantischen – und speziell freikirchlichen – Bereich eine angemessenere Ekklesiologie der Gemeinschaft zu entwickeln.

4. Die Interdependenz offenbarungstheologischer, trinitarischer und ekklesiologischer Defizite Anhand der Analyse trinitarisch orientierter ekklesiologischer AnsÅtze konnte die Interdependenz zwischen trinitÅtstheologischen und ekklesiologischen PrÅmissen bzw. Defiziten sowie ihr Zusammenhang mit offenbarungstheologischen Defiziten detailliert aufgezeigt werden. Einer defizitÅren trinitÅtstheologischen Konzeption entspricht in der Regel ein analog defizitÅrer ekklesiologischer Entwurf, wÅhrend sich ekklesiologische PrÅmissen auch umgekehrt auf die TrinitÅtslehre auszuwirken verm×gen. Von daher besteht eine wirkliche Interdependenz zwischen trinitÅtstheologischen und ekklesiologischen AnsÅtzen, die aber nicht immer geradlinig verlÅuft. Denn es kommt nicht selten zu BrÛchen im Vollzug der Analogie, wenn grundsÅtzliche trinitarische Einsichten nicht konsequent umgesetzt werden, weil sie der Legitimierung zentraler AnsprÛche des eigenen Kir-

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chen- und AmtsverstÅndnisses entgegenstehen. Die Ursache solcher ArgumentationsbrÛche liegt zumeist schon in trinitÅtstheologischen SchwÅchen bzw. Defiziten begrÛndet. Daß die trinitarischen Defizite entstehen, resultiert wiederum vornehmlich aus defizitÅren offenbarungstheologischen AnsÅtzen. So finden sich in Ratzingers ansatzweise heils×konomisch ausgerichteter Hermeneutik Spuren der ºberlagerung durch einseitig weiterentwickelte augustinische Konzeptionen mit Tendenzen spekulativer und negativer Theologie, die mit idealistischen PrÅmissen korrelieren. Neben der VernachlÅssigung historischer (heilsgeschichtlicher) Erfahrung zugunsten der idealistischen PrÅferenz fÛr logisch-geistige Strukturen wird trinitarisches Personsein unter Einfluß des hegelschen SeinsverstÅndnisses als reine RelativitÅt verstanden. Vor diesem Hintergrund interpretiert Ratzinger Augustins Vorstellung von der „relatio“ unangemessen als „reine Aktwirklichkeit“, so daß Personsein in totaler RelationalitÅt aufgeht und die trinitarischen Personen ohne personalen Selbstand und die Dimension des personalen Geheimnisses in der monistischen Einheit der g×ttlichen Substanz „zusammenfallen“. Entsprechend gelangt Ratzinger zur umgreifenden Dominanz der Einheit, was der westlichen Tradition korrespondiert. Daher lÅßt er auch die biblisch-×konomisch erkennbare Gleichzeitigkeit von intra- und interpersonaler Dimension406 Gottes außer acht, die er auf den Aspekt der intrapersonalen Einheit reduziert, indem er die interpersonal-dialogischen und perichoretischen Merkmale nicht beachtet und die innertrinitarischen Ursprungsbeziehungen mit ihrem Hinweis auf die Dimension des Selbstandes in reine Relationen bzw. Akte aufl×st. Das wiederum bewirkt die Nivellierung des Unterschieds zwischen den innertrinitarischen Ursprungsund Existenzbeziehungen407, wodurch die personalen EigentÛmlichkeiten in der g×ttlichen Natur aufgehen und die Existenzbeziehungen zwischen Sohn und Geist – einem einseitigen Filioque-VerstÅndnis entsprechend – egalitÅr die QualitÅt von Ursprungsbeziehungen erhalten k×nnen (zwei Prinzipien). So gilt der Geist bei Ratzinger immanent und ×konomisch lediglich als Einheits-Gabe von Vater und Sohn. Die daraus resultierende christozentrische Zuspitzung und die idealistisch geprÅgte Zusammenschau von menschlicher und g×ttlicher relationaler Seinsstruktur beinhalten die Gefahr einer christologisch-ekklesiologischen Identifizierung g×ttlicher und menschlicher Strukturen. Wie Gott eine rein intrapersonale und absolute Einheit darstellt, in der die trinitarischen Personen in totaler RelationalitÅt aufgehen, verk×rpert die Kirche mit Christus 406 Zur vom Verfasser eingefÛhrten Verwendung dieser Terminologie in Form eines grundsÅtzlichen Begriffspaares s. o., S. 104 ff., und siehe Anm. 96, II. Kap., sowie Kap. VI,1.4. 407 Zu dieser vom Verfasser unternommenen neuen terminologischen Differenzierung s. o., S. 135, und siehe Anm. 212, II. Kap., sowie Kap. VI,1.3.

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ein einziges Subjekt, eine Korporativpers×nlichkeit, von der die einzelnen Glaubenden und ihr Glaube rein relational absorbiert werden. Der Selbstand der Glaubenden geht im kollektiven „Ich“ der glaubenden Kirche ebenso verloren wie der Selbstand der trinitarischen Personen in der g×ttlichen Einheit. VerstÅrkt wird diese Charakteristik durch die idealistisch und einseitig westlich geprÅgte Pneumatologie Ratzingers. Die idealistische Vorstellung vom Gemeingeist und die im Westen verbreitete VernachlÅssigung der PersonalitÅt des Geistes (Filioque-Tradition) fÛhren dazu, daß der Geist kaum als GegenÛber in Erscheinung tritt, sondern als inhÅrente Einheitsgabe der christologisch-ekklesiologischen Korporativperson „Kirche“ erscheint, weshalb die Kirche anstelle Gottes zur gebenden Kraft und zur Quelle des Wortes oder des Glaubens erhoben werden kann. Auf diese Weise behÅlt weder der Geist seine kirchenkritische noch die Schrift ihre traditionskritische Funktion, wÅhrend die Kirche mit ihrem Lehramt als Kriterium der Wahrheit fungiert. Das VerhÅltnis von Schrift, Tradition und Kirche wird also einseitig zugunsten der hermeneutischen PrioritÅt der Kirche aufgel×st, die als Subjekt des Christus totus die Existenz Christi weitertrÅgt (Christus prolongatus). Ihr Handeln droht so mit dem Heilshandeln Gottes identisch zu werden, so daß die Kirche anstelle Gottes als glaubensrelevantes GegenÛber der Glaubenden erscheint, deren Glaube sich wiederum in die reine RelationalitÅt der ekklesiologischen Korporativperson aufhebt (rein intrapersonale Analogie). Lediglich als Gabe und einheitlicher Geist des Christus totus verstanden kann der Geist weder einen Selbstand der Glaubenden noch eine perichoretische Koinonia gegenseitiger Liebe in Gemeinschaft vermitteln, sondern nur den Glauben eines korporativen Subjekts „Kirche“. Entsprechend ist er an das Amt gebunden, in dem die Kirche laut Ratzinger ihre Teilnahme am Mittlerdienst Christi vollzieht. Das Heilshandeln Gottes geschieht also nicht mehr durch die Kirche, sondern diese handelt als korporative Einheit mit Gott. Dabei entspricht die rein intrapersonal und rein relational begrÛndete PrioritÅt der Einheit in der TrinitÅtslehre dem korporativ-universalkirchlichen und hierarchischen VerstÅndnis von kirchlicher Einheit. Dieses wird durch die christozentrisch-filioquistische Orientierung untermauert, welche die Konstitution der – als „FortfÛhrung“ Christi verstandenen – Kirche in einer vertikal absteigenden Linie verankert: Gott Vater – Christus – Amt (Papst/Bisch×fe) – Laien. Der trinitarischen und ekklesialen Einheitsstruktur entsprechend geh×ren Episkopat und Primat als Garanten orts- und universalkirchlicher Einheit notwendig zum Wesen der Kirche, wodurch sich die r×mische Amtsstruktur als konstitutive – und somit exklusive – Voraussetzung wahrer EkklesialitÅt darstellt, was von Ratzinger geprÅgte r×mische Verlautbarungen unterstreichen (Communio-Papier/1992, Dominus Iesus/2000). Letzteres gilt auch fÛr die ontologische und temporale Vorord-

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nung der (r×mischen) Universalkirche, von der sich die Ortskirchen als Kirchen empfangen. Als das korporative Subjekt des Christus totus erhÅlt die Universalkirche im VerhÅltnis zu den Ortskirchen – und den einzelnen Glaubenden – eine Åhnliche Transzendenz wie Gott, dessen Seinsstruktur die Kirche widerspiegelt: Wie die trinitarischen Personen rein relational und ohne Selbstand in der intrapersonalen Einheit der g×ttlichen Substanz aufgehen, gehen die Ortskirchen in dem universalkirchlichen Subjekt auf. Damit bleibt Ratzinger der klassischen Vorordnung des „De Deo uno“ verhaftet, die sich in der Vorordnung der hierarchischen Universalkirche niederschlÅgt. So entsteht aus der Gefahr des trinitarischen Modalismus analog die Gefahr, Ortskirchen lediglich als Modi der Universalkirche zu verstehen und kollegial-synodale Strukturen abzuwerten. Außerdem f×rdert die zentralistische Anbindung der Ortskirchen das juridisch-institutionelle KirchenverstÅndnis, das durch die filioquistische Einbindung des Geistes in die hierarchische Sendungslinie des Amtes (auctoritas, potestas) verstÅrkt wird, da die Charismen der einzelnen an Bedeutung verlieren. Wie in der TrinitÅtslehre tritt die Vielfalt hinter die Einheit zurÛck. DarÛber hinaus lÅßt Ratzingers Ansatz strukturelle ekklesiologische Reformen aus dem Blick geraten. Weil der Geist im Sinne der Filioque-Tradition als Gabe von Vater und Sohn kaum in seinem Einfluß auf den Sohn zur Geltung kommt, wird ihm auch ekklesiologisch kein Einfluß auf die christologisch konstituierten Strukturen der Kirche zugestanden, sondern lediglich auf spirituelle und moralische Reformen. So kann Ratzingers TrinitÅtslehre der Legitimierung hierarchisch-zentralistischer Bestrebungen dienen, weshalb die angestrebte ºberwindung partikularistischer und individualistischer AnsÅtze im umgekehrten Extrem eines korporativen Monismus endet. Gegen seine Absicht, die unitarische Leib-Christi-Ekklesiologie von „Mystici Corporis“ durch eine trinitarische Communio-Ekklesiologie zu Ûberwinden, gelangt Ratzinger sowohl durch das total relationale und so wieder monistische TrinitÅtsverstÅndnis als auch durch die zentralistischen ekklesiologischen Bestrebungen doch wieder zu einem monistisch-korporativen KirchenverstÅndnis, nur mit subtileren Methoden. Vor diesem Hintergrund Ûberrascht es nicht, daß – von Ratzingers Ansatz geprÅgte – Verlautbarungen wie das „Communio-Papier“ (1992) oder „Dominus Iesus“ (2000) den biblisch-patristischen Aufbruch des Zweiten Vatikanischen Konzils unterbinden, der fÛr die Communio-Ekklesiologie auch die interpersonale trinitarische Dimension und die spezifische Funktion des Heiligen Geistes mit seinen Charismen voraussetzte, so daß mit der Volk-Gottes-Metapher die Interdependenz zwischen Orts- und Universalkirche sowie zwischen ordiniertem Amt und allgemeinem Priestertum ebenso in den Blick kam wie die ºberwindung des ekklesiologischen Exklusivanspruchs. Ratzingers monistische Communio-Ekklesiologie fÛhrt hingegen zur Wiederbelebung der zentralistisch-hierarchischen Leib-Christi-

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Metapher. Der r×mische Primat gilt als Voraussetzung wahren Kircheseins und die Glaubenden gelten als „unmittelbar“ zur r×mischen Universalkirche, weil auch die Eucharistie der Universalkirche und dem Petrusamt unmittelbar sei. Daß viele katholische Theologen im Einvernehmen mit theologischen AnsÅtzen anderer Konfessionen die eucharistische Unmittelbarkeit mit gutem Grund der Ortskirche zuschreiben, wird ebenso Ûbergangen wie die Ambivalenzen, die bei der biblischen und patristischen BegrÛndung von Ratzingers Konzeption auftreten. An diesen Ambivalenzen lÅßt sich ablesen, daß auch das ekklesiologische Interesse an der Verteidigung gewisser r×misch-katholischer Traditionslinien auf die trinitÅtstheologische Konzeption einwirkt. Doch umgekehrt tragen die trinitÅtstheologischen Defizite von Anfang an zur gezeigten PrÅgung des Gottes- und KirchenverstÅndnisses bei, das sich unter konsequent biblisch-×konomischer Ausrichtung408 anders darstellen wÛrde, insofern als dann entgegen der rein intrapersonalen RelationalitÅt die Gleichzeitigkeit von intra- und interpersonaler Dimension Gottes mit ihrer perichoretischen QualitÅt zur Geltung kÅme. So fÅnde personaler Selbstand ebenso BerÛcksichtigung wie der Heilige Geist als Gabe und Geber, als Voraussetzung fÛr ein angemessenes VerhÅltnis von „GegenÛber und NÅhe“409 Gottes, das individualistische, kollektivistische und identifizierende MißverstÅndnisse verhindert und freie Gemeinschaft in Liebe mit dem Haupt und untereinander erm×glicht. Weil Ratzingers Aufhebung des Selbstandes in totale Subjekteinheit die – auch von ihm angestrebte – Communio der Liebe nicht umzusetzen vermag, steht sein Ansatz Versuchen anderer katholischer Theologen entgegen, eine wirklich perichoretische Communio wiederzugewinnen, welche die Gegenseitigkeit von Ortsund Universalkirche ebenso in den Blick nimmt wie diejenige von allgemeinem Priestertum und ordiniertem Amt. Doch auch solche Versuche weisen in der Regel einen Bruch auf, wenn es um die Darstellung des AmtsverstÅndnisses geht. Zum Beispiel m×chte Gisbert Greshake die neutestamentlich und altkirchlich begrÛndete Communio-Ekklesiologie des Zweiten Vatikanischen Konzils gegenÛber der christomonistisch-zentralistischen Ekklesiologie ausbauen. Um ein gemeinschaftlicheres VerhÅltnis von Orts- und Universalkirche oder von ordiniertem Amt und allgemeinem Priestertum zu erlangen und die einzelnen Glaubenden sowie Gemeinden in ihrer Eigenschaft als Subjekte wÛrdigen zu k×nnen, orientiert er sich an der interpersonal-perichoretischen Koinonia-Vorstellung ×stlicher PrÅgung. Das verhindert aber nicht, daß er die auf Rom ausgerichtete primatiale Struktur als Prinzip seiner Communio-Ekklesiologie rechtfertigt, indem er bei der Amtsfrage entgegen der zuvor genannten Orientierung wieder ein

408 Zur EinfÛhrung dieser hermeneutischen PrÅzisierung durch den Verfasser s. o., S. 96 f., und s. u., S. 500 ff. 409 Zur EinfÛhrung dieses Begriffspaares durch den Verfasser s. o., S. 36, und siehe Kap. VI,1.4.

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einendes Prinzip vorordnet. Eine der Ursachen hierfÛr k×nnte – neben den ekklesiologischen PrÅmissen – ein verbliebenes Defizit des offenbarungstheologischen Ansatzes Greshakes sein, insofern als er vorschnell Verbindungen zu natÛrlichen Vorgaben (hier bezÛglich der Einheit) herstellt, weil er die Dimension der Krisis vernachlÅssigt. Das wÅre durch eine differenzierte Auseinandersetzung mit dem VerhÅltnis von Ahnung und Offenbarung zu beheben.410 Als weiteres Beispiel fÛr den genannten konzeptionellen Bruch bietet sich der Entwurf von JÛrgen Werbick an, der im Unterschied zu westlichen trinitÅtstheologischen Einseitigkeiten und einer entsprechend monistisch-hierarchischen Ekklesiologie Wert auf ein perichoretisches Koinonia-VerstÅndnis legt. Aber das daraus abgeleitete partizipatorische KirchenverstÅndnis kommt bei der Amtsfrage nicht mehr zur Geltung, wenn Werbick die Funktion des Primats als Einheits- und Wahrheitsgarantie grundsÅtzlich nicht in Frage stellt und die Irrtumslosigkeit der Kirche letztendlich an das Lehramt bindet.411 Ausl×ser fÛr diesen Bruch k×nnte unter anderem der Umstand sein, daß Werbick im Gefolge westlicher Tradition die eigenstÅndige Funktion des Heiligen Geistes mit ihren ekklesiologischen Konsequenzen (Einwohnung in den einzelnen Glaubenden etc.) noch nicht deutlich genug berÛcksichtigt. Šhnlich ergeht es Siegfried Wiedenhofer, der eine trinitarische Communio-Ekklesiologie mit Strukturen gegenseitiger Gemeinschaft postuliert, aber dieses Ziel nicht erreicht, weil er die Pneumatologie vornehmlich eschatologisch versteht, so daß die konstitutive und praktische Funktion des Heiligen Geistes fÛr die kirchlichen Struk-

410 Zu Recht expliziert Greshake die Dimension der vestigia trinitatis, wobei er aber ansatzweise in Gefahr gerÅt, diese zu prinzipiell zu verstehen. Vgl. insgesamt G. Greshake: Gott, S. 72, 172 ff., 219 ff., 386 ff., 412 ff., 503 ff. – Auch bei W. Kasper tritt trotz seiner ansonsten vorbildlichen heils×konomischen Orientierung und seiner ansatzweisen ZusammenfÛhrung lateinischer und griechischer Aspekte die Tendenz auf, die natÛrlichen AnknÛpfungspunkte der Gotteserkenntnis von einem existential-anthropologisch geprÅgten intrapersonalen TrinitÅtsverstÅndnis her zu positiv einzuschÅtzen. Denn er betrachtet die natÛrlichen Voraussetzungen primÅr aus der Perspektive religi×ser Sehnsucht, weshalb er die menschliche Perversion dieser Dimension durch den Hang zur Selbstverg×ttlichung nicht immer deutlich genug als Krisis hervortreten lÅßt. Die anthropologischen intrapersonalen Vorgaben entsprechen seinem intrapersonalen trinitarischen Ansatz, wodurch die durchaus vorhandene perichoretische Sicht insofern einseitig wird, als Kasper den Heiligen Geist rein passiv versteht. Das hat wiederum damit zu tun, daß Kasper nicht klar zwischen innertrinitarischer Ursprungs- und Existenzebene unterscheidet. – Vgl. insgesamt W. Kasper: Gott, S. 92 ff., 151 ff., 246 ff., 285 ff. – Zur vom Verfasser eingefÛhrten Differenzierung hinsichtlich des VerhÅltnisses von natÛrlicher Theologie und Offenbarungstheologie („Ahnung – Offenbarung“) s. o., S. 130 f., und siehe Kap. VI,1.1. 411 „Wo diese Kompetenz des Lehramts bestritten wird, da bliebe der glaubenden SubjektivitÅt die letzte Entscheidung darÛber, wo im Konfliktfall die untrÛgliche Wahrheit des Glaubens zu finden sei.“ (J. Werbick: Kirche, S. 390) Dabei geht es Werbick – aus seiner Sicht „nur“ – um die lehramtliche „Inanspruchnahme des Charismas der Unfehlbarkeit in Situationen, in denen eine Lehrentscheidung um der IntegritÅt der Glaubenswahrheit willen notwendig wird und ‚reif‘ ist“ (ebd.), so daß er festhÅlt: „Die Theologie hat die situativen Entscheidungen des Lehramts entsprechend ihrer jeweils geltend gemachten Verbindlichkeit in ihrer mehr-als-theologischen Bedeutung zu wÛrdigen und dort, wo sie ‚unverirrlich‘ getroffen sind, als Ausgangsnorm zu rezipieren.“ (Ebd., S. 397) Vgl. insgesamt ebd., S. 317 ff. u. 371 ff., und ders.: TrinitÅtslehre, S. 521–575.

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turen zurÛcktritt. Dadurch kann Wiedenhofer das Wesen der Ortskirchen einseitig christologisch vom zweiten Artikel her bestimmen, wÅhrend er die universalkirchliche Wesensbestimmung sch×pfungstheologisch aus dem ersten Artikel ableitet. Die Einbindung der Kirchenstruktur in den dritten Artikel und die entsprechend kirchenkritische Funktion des personal wirkenden Geistes kommen so kaum zum Tragen. Mit dieser trinitarisch-ekklesiologischen VerhÅltnisbestimmung korreliert das VerhÅltnis von Schrift, Tradition und Kirche, weil Wiedenhofer in Analogie zur Ableitung der Universalkirche aus vorgegebenen sch×pfungstheologischen Bedingungen primÅr die faktisch (vor)gegebene r×misch-katholische Tradition als hermeneutisches Kriterium anerkennt und die traditionskritische Funktion der Schrift ebenso vernachlÅssigt wie zuvor die kirchenkritische Funktion des Heiligen Geistes. Diese Defizite bewirken, daß Wiedenhofer entgegen seiner Zielsetzung die Kirche als ein Subjekt versteht, zu dessen Grundlage die r×misch-katholische Lehre vom unfehlbaren Primat und Lehramt geh×rt.412 Auch Elmar Salmann wird aufgrund einer defizitÅren Pneumatologie seinem perichoretischen Gottes- und KirchenverstÅndnis nicht gerecht, obwohl er die Gleichzeitigkeit von intra- und interpersonaler Dimension Gottes erkennt. Weil er aber den Geist noch zu sehr als christozentrisch determinierte Gabe betrachtet, die dem Leib Christi inhÅrent ist, besteht unter ambivalenter Bezugnahme auf das Zweite Vatikanische Konzil die Gefahr, die Kirche analog der Inkarnation des Logos als pneumatisch-inkarnatorische „Offenbarungsform“ bzw. als Inkarnationsmedium des Geistes zu definieren: „Es besteht eine Analogie zwischen der Wirklichkeit der Inkarnation und jener der Kirche, kraft derer Kirche sacramentum [. . .] ist.“413 Auf diese Weise erhÅlt die kirchliche Erfahrung bzw. Tradition normative OffenbarungsqualitÅt, und der Unterschied zwischen g×ttlichen und ekklesiologischen Eigenschaften verschwimmt, was der Rede von der Kirche als Ur- oder Grundsakrament bei Karl Rahner oder im Zweiten Vatikanischen Konzil korrespondiert, wobei sich Rahners ºbertragung inkarnatorischer Strukturen auf die Ekklesiologie allerdings christozentrisch vollzieht.414

Die gezeigten BrÛche und Ambivalenzen, die sich auch in ambivalenter Bezugnahme auf das Zweite Vatikanische Konzil Åußern, resultieren nicht zuletzt aus den mehrdeutigen Formulierungen des Konzils selbst. Denn das Konzil ließ neben der heilsgeschichtlich-kommunialen Sicht der trinitarischen Communio-Ekklesiologie unvermittelt die christozentrisch-hierarchisch charakterisierte Leib-Christi-Metapher stehen. DarÛber hinaus wies der trinitarisch-kommuniale Ansatz durch unterschiedliche OffenbarungsansÅtze oder rudimentÅre pneumatologische Konzeptionen selbst noch Ambivalenzen auf, so daß er erneut zentralistisch-pyramidal qualifiziert werden konnte. Entsprechend erkennt der Codex Iuris Canonici 412 Vgl. S. Wiedenhofer: KirchenverstÅndnis, S. 87 ff., 181 ff., 213 ff., 352 ff., und ders.: Ekklesiologie, S. 65 ff., 92 ff., 134 ff. 413 E. Salmann: TrinitÅt, S. 357, wo er sich auf H. MÛhlen stÛtzt. Vgl. insgesamt ebd., S. 356 ff. 414 S. o., S. 262 f.

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(1983) nicht die Ortskirchen, sondern die r×mische Universalkirche als Subjekt g×ttlichen Rechts an. So schlug sich der trinitarisch-kommuniale Aufbruch kaum in konkretem Kirchenrecht nieder und die Konzilstexte blieben offen fÛr die in den letzten Jahren zu beobachtende restriktive Auslegung ihres Gottes- und KirchenverstÅndnisses.415 Der primÅren Orientierung an der trinitarischen Einheit und der ihr korrespondierenden monistisch-zentralistischen Ekklesiologie, die bei Ratzinger aus der Aufl×sung einer total relationalen TrinitÅt in eine rein intrapersonale Wesenseinheit resultiert, kann man wie Zizioulas mit der Erinnerung an die interpersonal-perichoretische Dimension begegnen, die die innertrinitarischen Ursprungsbeziehungen mit ihrer Hervorhebung der hypostatischen Dreiheit berÛcksichtigt. Zizioulas sieht auf dieser Grundlage nicht nur die M×glichkeit, Ûber die Filioque-Tradition hinaus eine angemessenere VerhÅltnisbestimmung von Christologie und Pneumatologie zu vollziehen und dadurch sowohl christozentrische als auch pneumatozentrische Einseitigkeiten in Ost und West zu Ûberwinden, sondern auch die Chance, gegen statische und substanzontologische EntwÛrfe eine Ontologie der Person zu verwirklichen, die ein personal-gemeinschaftliches Gottes- und KirchenverstÅndnis impliziert. Er wendet sich gegen traditionelle Einseitigkeiten westlicher und ×stlicher Theologie. So beklagt er die westliche christomonistische Tendenz mit ihrer geschichtlichen, juridischen, institutionalistischen und ethischen Orientierung, die sich als Folge rudimentÅrer Pneumatologie erweist, insofern als die vom Geist vermittelte „gott-menschliche“ Dimension ebenso zurÛcktritt wie die von ihm konstituierte Gemeinschaft aller Glaubenden. Letzteres konnte sowohl hierarchischen Zentralismus (r×m.-kath.) als auch soteriologischen Individualismus (prot.) bewirken. In seiner Kritik an der substanzmonistischen Betonung des einheitlichen Wesens Gottes, die er fÛr diese Defizite verantwortlich macht, Ûbersieht Zizioulas, welche Bedeutung dem einseitig intrapersonalen TrinitÅtsverstÅndnis fÛr diese Entwicklung zukommt. Denn indem Gott im Westen vornehmlich als dreifacher geistiger Selbstvollzug verstanden wurde, erschien er der Welt gegenÛber als in sich geschlossener Kreis, der entweder eine Gott und Kirche identifizierende Korporativ-Ekklesiologie (katholische Gefahr) oder ein dualistisches GegenÛber von Gott und Welt mit individualistischer Gnadenlehre (protestantische Gefahr) hervorzurufen vermochte. Die mit dem rein intrapersonalgeistigen TrinitÅtsbegriff verbundene Ausblendung der PersonalitÅt des Heiligen Geistes beruht nicht zuletzt auf der rationalen westlichen Hermeneutik. Durch deren rationale Gleichsetzung von innertrinitarischen Ursprungs- und Existenzbeziehungen erscheint der Geist pauschal als Gabe

415

S. o., S. 237 ff. Vgl. ferner G. Alberigo [u. a.] (Hg.): Kirche, bes. S. 81, 152, 166, 172, 200.

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zweier Prinzipien (Vater und Sohn), weil nicht zwischen prinzipiellem Hervorgang aus dem Vater und Ausgang vom Sohn unterschieden wird. Die entsprechend christozentrische Hermeneutik vernachlÅssigt die bleibende Angewiesenheit auf die VergegenwÅrtigung Christi durch den Heiligen Geist. So verursacht sie einerseits die Gefahr christologisch-ekklesiologischer Identifizierung (Christus prolongatus) mit entsprechender Abwertung der vom Geist gegebenen Charismen an die einzelnen (katholisches Problem). Andererseits folgt aus dem einseitigen VerstÅndnis des Geistes als Gabe dessen einseitige Einordnung in die Gnadenlehre, die seine Relevanz fÛr sichtbare ekklesiologische Strukturen vernachlÅssigt (protestantisches Problem). WÅhrend Zizioulas die zuletzt gezeigten ZusammenhÅnge kaum im Blick hat, erkennt er hinsichtlich der ostkirchlichen Einseitigkeiten das Problem der pneumatomonistisch verankerten metahistorisch-eschatologischen Hermeneutik. Sie beinhaltet die Gefahr triumphalistischer Symphonia von Staat und Kirche mit nationalkirchlichen Tendenzen. Daß die einseitig pneumatologisch-eschatologische Konzentration auf den dritten Artikel aus der trinitÅtstheologischen Orientierung an der linearen Dreiheit einer eschatologisch ausgerichteten Chronologie der Heilsgeschichte hervorgeht, welche im Einklang mit der induktiven orientalischen Hermeneutik und einer interpersonal-sozialen TrinitÅtslehre steht, registriert Zizioulas nicht. Außerdem Ûbergeht er die in der orthodoxen Theologie verbreitete Abl×sung der heils×konomischen Gotteserkenntnis durch die spekulative Energienlehre, die – anders als die ×konomische Energienlehre416 – heilsgeschichtlich keine hypostatische Erkenntnis der trinitarischen Relationen zulÅßt und so den innertrinitarischen Existenzbeziehungen zwischen Sohn und Geist nur energetischen Charakter zugesteht. Durch die entsprechende Reduktion auf die Ursprungsbeziehungen gelangen die Ostkirchen nicht nur zum Postulat des Hervorgangs des Geistes vom Vater allein (mo´nou), das pneumatomonistische Tendenzen f×rdert, sondern auch zur Gefahr eines subordinatianistischen Patromonismus. Denn die exklusive BegrÛndung der g×ttlichen Wesenseinheit in der Ursprungslosigkeit des Vaters und die Reduktion der Erkennbarkeit Gottes auf die durch den Heiligen Geist vermittelten g×ttlichen Energien bewirken ein patromonistisches und pneumatozentrisches GefÅlle. Letzteres beinhaltet die Gefahr der Identifizierung von energetischer Geisterfahrung und eigener kirchlicher Tradition. Das damit verbundene ZurÛckdrÅngen des christologischen Korrektivs (theologia crucis, eschatologischer Vorbehalt) f×rdert wiederum

416 Zu dieser vom Verfasser eingefÛhrten Unterscheidung zwischen spekulativer und ×konomischer Energienlehre s. o., S. 166 ff., und siehe Kap. II,3 u. VI,1.2.

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– neben einer theologia gloriae – die einseitig metahistorisch-eschatologische und apophatische Hermeneutik.417 Diese Probleme zeigen sich auch in Zizioulas’ Konzeption, mit der er versucht, die in Ost- und Westkirche verbreiteten statisch-seinsmonistischen TrinitÅtsentwÛrfe zu Ûberwinden, um die christomonistischen oder pneumatomonistischen EngfÛhrungen mit ihren pyramidal-universalistischen oder partikularistischen ekklesiologischen Einseitigkeiten verhindern zu k×nnen. Zur Erlangung eines personalen und gemeinschaftlichen TrinitÅtsund KirchenverstÅndnisses ersetzt Zizioulas nicht nur die Ontologie des Seins durch eine Ontologie der Person (interpersonal-relationale PersonalitÅt), sondern auch die kognitiv-rationale – ebenso wie die rein metahistorisch-apophatische – Hermeneutik durch eine Hermeneutik der Gemeinschaft (Wahrheit als Gemeinschaft). Bei seinem Erneuerungsversuch kommt es jedoch zu einer ºberreaktion, indem Zizioulas unter Ablehnung von Substanz- und Wesenseinheit nur ein rein hypostatisches TrinitÅtsverstÅndnis zulÅßt, was zur Ausblendung der intrapersonalen Wesenseinheit Gottes fÛhrt, so daß Zizioulas in umgekehrter Einseitigkeit lediglich die interpersonale Dimension berÛcksichtigt. Dieses Defizit steht in direktem Zusammenhang mit seinem defizitÅren offenbarungstheologischen Ansatz. Aufgrund der platonisch gefÅrbten anthropologischen PrÅmisse, daß menschliches und g×ttliches Sein absolut freie Geistigkeit impliziere und deshalb von Wesen oder Natur als „Gegebenem“ zu befreien sei, k×nnen natÛrlich-historische Voraussetzungen fÛr Zizioulas keine TrÅger der Gotteserkenntnis sein, was die PrÅferenz fÛr die spekulative Energienlehre zur Folge hat. Daher ersetzt die eucharistischeschatologische Hermeneutik der Gemeinschaft (interpersonal) das fehlende revelatorisch-historische Offenbarungskriterium, so daß die eucharistisch-kirchliche Erfahrung die Funktion der Heils×konomie einnimmt, weil sie als deren historische Manifestation gilt. Die Kirche, die in der Eucharistie die eschatologische Seinsweise Gottes erhÅlt und mit der Korporativperson „Christus“ identisch wird, fungiert selbst als „Wahrheit“ und l×st die inhaltlichen Kriterien (Schrift und Bekenntnis) ab. Da so nicht mehr der an das Wort gebundene Heilige Geist als Quelle der Wahrheit dient, sondern die eucharistisch-visionÅre Erfahrung der Kirche, treten substantielle Inhalte oder greifbare Kriterien in der Hermeneutik ebenso zurÛck wie bei der Bestimmung von menschlichem und g×ttlichem Sein (Ausblendung von Natur und Wesen). Letzteres resultiert aus der spekulativen Energienlehre, weil sie die Verbindungen auf der innertrinitarischen Existenzebene nicht mehr als Hin-

417 Zur detaillierten Analyse der trinitarisch-ekklesiologischen Einseitigkeiten in Ost und West und ihrer HintergrÛnde siehe Kap. I,3 u. III.

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weise auf die perichoretisch qualifizierte intrapersonale Wesenseinheit Gottes zulÅßt. Die entsprechend einseitige Konzentration auf die Ursprungsbeziehungen und auf die partikularistisch-hypostatische Dreiheit in ihrer interpersonalen RelationalitÅt sieht Gott durch den absolut freien Willen der Hypostase des Vaters konstituiert. Als anthropologische Zielsetzung gilt die hypostatisch-personale Erhebung zur g×ttlichen Existenzweise in absolut freier Geistigkeit. Von daher wird die von Zizioulas kritisierte substantiell-physische Theosis lediglich durch eine geistig-existentiale Theosis ersetzt. Außerdem wird Ratzingers rein intrapersonale Identifizierung g×ttlicher und menschlicher Strukturen nur durch die umgekehrt einseitige Identifizierung rein interpersonaler g×ttlicher Strukturen mit interpersonalen menschlichen Strukturen abgel×st. So kommt es in beiden FÅllen zur Reduktion der allein in Gott bestehenden Gleichzeitigkeit von intra- und interpersonaler Dimension auf einen der beiden Aspekte, um in Entsprechung zu einem der Faktoren anthropologischer PersonalitÅt (intrapersonale SubjektivitÅt oder interpersonale Gemeinschaft) die Identifizierung g×ttlicher und menschlicher Strukturen zu erm×glichen. Auf diese Weise vermag auch Zizioulas innertrinitarische Koinonia-Strukturen direkt auf die Gemeinschaft zwischen Gott und Mensch zu Ûbertragen. Er vollzieht christologisch die Identifikation der menschlichen Hypostase mit derjenigen des Sohnes, indem er den Menschen in die trinitarische Vater-Sohn-Beziehung inkorporiert, in der Annahme, wahres Sein sei nur mit trinitarischer InterpersonalitÅt gleichzusetzen. Daher mangele es dem natÛrlichen Menschen an wahrer PersonalitÅt, die er allein durch die Inkarnation erlangen k×nne. Diese Argumentation hinterlÅßt bei Zizioulas eine unausgewogene Sch×pfungs- und SÛndenlehre und AnsÅtze einer evolutionistischen ErgÅnzungstheologie, nach welcher das Heil auf der inkarnatorischen ErgÅnzung natÛrlichen Menschseins durch die geistig-interpersonale Seinsstruktur Gottes beruht. Die Identifizierung g×ttlicher und menschlicher Strukturen auf christologischer Ebene gelingt aber nicht nur durch die Erhebung des Menschen Ûber das anthropologisch „Gegebene“, sondern auch durch die trinitÅtstheologische Subordination des Sohnes, der so der menschlichen Ebene nÅher rÛckt. Der entsprechende subordinatianistische Patromonismus folgt wiederum aus der exklusiven Konstituierung des g×ttlichen Seins in der hypostatischpersonalen PartikularitÅt des Vaters, so daß Zizioulas die von ihm kritisierte PrioritÅt des „Einen“ im westlichen Substanzmonismus lediglich von der Substanzebene auf die hypostatisch-partikulare Personebene ÛbertrÅgt und dieser PrioritÅt deshalb im Modell „Einer-Viele“ selbst erliegt. Aufgrund der Mißachtung der ewigen Existenzbeziehungen gerÅt der Einfluß des Sohnes auf den Geist aus dem Blick, was eine pneumatozentrische Tendenz bewirkt, die das Muster der anthropologisch-christologischen Identifikationsstrukturen bestimmt. Diese Strukturen sind in der eucharistischen Identifikation mit dem eschatologischen Christus verankert. So ist die christolo-

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gische Besinnung, die Zizioulas selbstkritisch in bezug auf ostkirchliche Defizite vollzieht, nach wie vor patromonistisch, pneumatozentrisch und eschatologisch determiniert. Das schlÅgt sich wie die Ûbrigen trinitÅtstheologischen Einseitigkeiten in Zizioulas’ Ekklesiologie nieder. ZunÅchst verursacht der subordinatianistische Patromonismus ein asymmetrisch-bipolares Modell „Einer-Viele“, weil der Vater als der „Eine“ gilt (Gott), in dem die „Vielen“ existieren (Sohn und Geist), die der Vater konstituiert, wÅhrend diese ihn nur bedingen. Unter Ausgrenzung der perichoretischen GleichursprÛnglichkeit der trinitarischen Personen und ihrer intrapersonalen Wesenseinheit lÅßt Zizioulas also nur die rein hypostatisch-identifizierende ºberlagerung der Personen mit einem patromonistisch-subordinatianistischen GefÅlle zu, so daß er die Hierarchie als QualitÅt des Personbegriffs bezeichnen kann. Auf diese Weise gelangt er zu seinem asymmetrisch-reziproken „Einer-Viele“-Modell, das er dann pauschal auf andere Ebenen ÛbertrÅgt, obwohl sich diese wesensmÅßig von der innertrinitarischen Ebene unterscheiden. WÅhrend auf der trinitarischen Ebene eine zu geringe BipolaritÅt besteht, insofern als der Vater durch Sohn und Geist nicht nur bedingt, sondern konstituiert wird (ohne die beiden kann er nicht Vater sein), hinterlÅßt Zizioulas’ Transfer dieser asymmetrischen ReziprozitÅt auf die christologische Ebene dort eine zu starke BipolaritÅt: Unter monophysitischer Ausblendung der Zwei-Naturen-Lehre und der Logos-Anthropos-Christologie konstituiert der „eine“ Christus die neue Menschheit bzw. die Kirche als ein Subjekt (hypostatische ºberlagerung), wodurch Sch×pfung und Kirche den Logos bedingen. Das heißt aber, daß dieser von beiden abhÅngig wird. Bei Zizioulas’ ºbertragung dieser Strukturen auf die Ekklesiologie herrscht wiederum eine zu geringe BipolaritÅt: Der „eine“ Episkopos konstituiert als Verk×rperung Christi die Gemeinschaft der „vielen“ Glaubenden, die den Episkopos umgekehrt lediglich bedingen (hierarchischer Episkopat), wobei Zizioulas Ûbersieht, daß der Bischof die Glaubenden nicht konstituieren kann, weil er weder direkt mit dem ursprungslosen Vater noch mit – dem Gottheit und Menschheit in sich vereinenden – Christus gleichzusetzen ist. Doch durch die Ausblendung der Wesenseinheit und die einseitige Konzentration auf die hypostatische PersonalitÅt kann in Zizioulas’ Modell „Einer-Viele“ nicht die kirchliche Gemeinschaft konstitutiv sein, sondern nur die personale Hypostase des „Einen“. Deshalb muß der als Vorsitzender der Eucharistie geltende Episkopos als der ekklesiologische „Eine“ die „vielen“ Glaubenden inkorporieren. In pneumatozentrisch-eschatologischer Hermeneutik wird das Amt unter erneuter Ausblendung inhaltlicher Kriterien wie Wort und VerkÛndigung einseitig an Eucharistie und Eschatologie gebunden, was dem biblischen und altkirchlichen Befund ebensowenig entspricht wie die Identifikation von eucharistischer Gemeinschaft und eschatologisch-himmlischer Heilsgemeinschaft, durch die der Bischof als Verk×rpe-

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rung des eschatologischen Christus gilt. Mit Hilfe dieser Identifikation bindet Zizioulas die Vermittlung des Geistes an das episkopale Amt, das die Kirche in ihrer Einheit und Vielfalt konstituiert und als heilsnotwendig erscheint, weil die einzelnen erst durch den Bischof in die kirchliche Gemeinschaft inkorporiert werden. Entgegen seiner anvisierten perichoretisch-gemeinschaftlichen Ekklesiologie mit antiklerikaler und antipyramidaler Ausrichtung gelangt Zizioulas so doch wieder zu einer statisch-korporativen und monarchisch-hierarchischen Ekklesiologie, wofÛr auch die patromonistisch-subordinatianistischen Relikte seiner christologischen Besinnung erneut von Belang sind. Indem der „eine“ Bischof die ihn lediglich bedingenden Glaubenden („Viele“) ebenso konstituiert wie der „eine“ Vater die „Vielen“ (Sohn und Geist), kann der subordinierte Sohn auf die Ebene zwischen Gott (Vater) und Sch×pfung gelangen und sich so mit der Funktion des Episkopos treffen, der in der Kirche als der „Eine“ – neben der eucharistisch-christologischen Identifikation – von der Rangordnung her den Platz des Vaters einnimmt und so emporgehoben wird. Auf diese Weise befindet sich die christologisch-episkopale Korporativperson als einziger Heilsmittler auf der Ebene zwischen Gott und Sch×pfung. Die totale Identifikation von Christus und Kirche erreicht Zizioulas dabei, indem er die einmalige inkarnatorische Einheit zwischen Gott und Mensch in Christus (Chalcedon) mittels des „Einer-Viele“-Modells als allgemeine ekklesiologische QualitÅt auch auf die Kirche ÛbertrÅgt: Wie der inkarnierte „eine“ Christus die Menschheit der „Vielen“ annimmt, verk×rpert Christus als „ein“ Subjekt analog die „vielen“ Glaubenden in dem „einen“ Subjekt der ekklesiologischen Korporativperson. Damit verliert die Inkarnation ihre einmalige QualitÅt, was der Ausblendung des ersten und zweiten Artikels bei der Konstituierung der Kirche entspricht, die Zizioulas rein sakramental-eschatologisch als eucharistische ºbertragung der Seinsweise Gottes vollzieht. So kann Zizioulas interpersonale g×ttliche und menschliche Strukturen identifizieren, weil er auf trinitarischer, christologischer, anthropologischer und ekklesiologischer Ebene von gleichartig strukturierten „Einer-Viele“-Einheiten ausgeht. Indem dabei die innertrinitarischen Existenzbeziehungen mit ihrer Wechselwirkung zwischen Geist und Sohn zurÛcktreten, gilt der Geist nicht als vergegenwÅrtigender Agens zwischen Christus und Kirche, sondern als Teil der christologisch-ekklesiologischen Korporativperson, so daß er der Kirche inhÅrent ist. Christen und Kirche stehen der Wahrheit deshalb nicht mehr empfangend gegenÛber, sondern sind in Form der mit Christus identischen Korporativperson selbst ihre Quelle, so daß Gott kaum noch als bleibendes GegenÛber der Kirche wahrgenommen wird und auch das Wort Gottes der Kirche inhÅrent erscheint. Die eucharistische Erfahrung der Kirche kann auf diese Weise als Wahrheitskriterium fungieren, was die Verabsolutierung der eigenen kirchlichen Tradition erm×glicht.

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Die Kirche wird also durch ihre pneumatische Erfahrung selbst mit Christus zum Heilsmaßstab und zur Heilsquelle, wobei die Menschen evolutionistisch von ihrer biologischen in die ekklesiologische Hypostase Ûbergehen mÛssen, um PersonalitÅt zu erlangen. Weil der Mensch dafÛr aber die Daseinsstruktur der Kirche zu Ûbernehmen hat, wird der Selbstand der Glaubenden mit der ºbernahme in die ekklesiologische Korporativperson absorbiert, zumal der Heilige Geist die g×ttliche Einwohnung laut Zizioulas nicht Ûber die Einzelchristen, sondern Ûber die ekklesiologische Korporativperson vollzieht. Entsprechend werden auch die Charismen korporativ verstanden und Vernunft, Erkenntnis, Wille und Glaube der einzelnen als individuierend abgelehnt. Der Glaube gilt als allgemeine FÅhigkeit der ekklesiologisch-sakramentalen Korporativperson, die fÛr den einzelnen betet. Die angestrebte existentiale Freiheit kommt somit nicht mehr den einzelnen Glaubenden zu, sondern nur noch der ekklesiologischen Korporativperson, so daß wahre PersonalitÅt, die Zizioulas dem natÛrlichen Menschsein abspricht (Individuation), unter diesen Voraussetzungen – entgegen seiner Zielsetzung – auch nicht in der Kirche zu verwirklichen ist. Durch den evolutionistisch-ontologischen ºbergang vom natÛrlichen Individuum zur ekklesialen Korporativperson wird das stÅndige VerhÅltnis von „GegenÛber und NÅhe“ Gottes in der Heilsgeschichte ebenso ausgeschaltet wie die von Zizioulas angestrebte Ekklesiologie der Gemeinschaft in Liebe und Freiheit. Zum pers×nlichen GottesverhÅltnis geh×rt nÅmlich eine PersonalitÅt mit Vernunft, Erkenntnis und Willen, die die Voraussetzung fÛr eine wirkliche Liebesgemeinschaft darstellt. Als sprachlich konstituiertes und ansprechbares Wesen darf der Mensch weder auf natÛrlichen Individualismus noch auf eucharistisch-korporative SakramentalitÅt reduziert werden. In seiner ºberreaktion auf die kognitiv-rationale Theologie schaltet Zizioulas also wesentliche Voraussetzungen wahrer PersonalitÅt und Gemeinschaft aus. Wie Zizioulas in der TrinitÅtslehre Natur und Wesen als inhaltlich Gegebenes ablehnt, so verschmÅht er die kognitive Dimension der Glaubenden. Die trinitÅtstheologischen Defizite bestimmen auch Zizioulas’ VerhÅltnisbestimmung von Orts- und Universalkirche. Er vertritt die IdentitÅt von Orts- und Universalkirche, analog der trinitarischen Voraussetzung, daß die rein interpersonale und auf die Ursprungsbeziehungen reduzierte TrinitÅtslehre mit ihrer Konzentration auf die hypostatische Dreiheit (Ausblendung intrapersonaler Wesenseinheit) die Einheit der Hypostasen nur Ûber deren IdentitÅt erzielen kann (Modell „Einer-Viele“). Die entsprechende IdentitÅt von Orts- und Universalkirche erreicht Zizioulas durch seine eucharistischepiskopale Korporativ-Ekklesiologie, nach welcher der Episkopos die Glaubenden durch die ortskirchliche Eucharistie zugleich in das ganze eucharistische Gottesvolk bzw. den ganzen Christus inkorporiert. Dadurch Ûberwindet Zizioulas zwar sowohl partikularistisch-ortskirchliche AnsÅtze orthodoxer Provinienz als auch die r×misch-katholische Vorordnung der

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Universalkirche, aber er wird durch die episkopal-eucharistische Identifizierung der Lokalkirchen mit der eschatologischen Universalkirche weder dem differenzierten Selbstand der Lokalkirchen gerecht noch deren Unterscheidung von dem eschatologischen Gottesvolk aller Zeiten. Solche Differenzierungen ließen sich durch die Wahrnehmung des heils×konomisch erkennbaren VerhÅltnisses von Ursprungs- und Existenzbeziehungen erzielen. Denn die rein hypostatisch vollzogene IdentitÅt von Ortsund Universalkirche in der ekklesiologischen Korporativperson (mit dem ihr inhÅrenten Geist) k×nnte dann durch eine differenzierte orts- und universalkirchliche Gemeinschaft abgel×st werden, indem der – gemÅß den ewigen Existenzbeziehungen – auch von Christus ausgehende und ihn vergegenwÅrtigende Geist die Gleichzeitigkeit von „GegenÛber und NÅhe“ Gottes aufrecht erhielte – und somit ein differenziertes VerhÅltnis von KatholizitÅt und Eschatologie. Auch die Beachtung der perichoretischen Wesenseinheit ließe ein differenzierteres VerhÅltnis von Orts- und Universalkirche zu, da sie analog mehr Raum fÛr verschiedene konstitutive ekklesiologische Merkmale (Kanon, Bekenntnisse etc.) und entsprechend differenzierte Formen kirchlicher Gemeinschaft gewÅhrt, wÅhrend die hypostatische IdentitÅt analog nur die Reduktion auf das eine Amts- und SakramentsverstÅndnis der eucharistisch-episkopalen Korporativ-Ekklesiologie erlaubt. Deshalb endet Zizioulas trotz der Einsicht in die universale eucharistische Einheit wieder bei der Verabsolutierung des eigenen Amts- und SakramentsverstÅndnisses, was zeigt, daß ihm die trinitarische Konzeption auch umgekehrt zur Legitimierung des eigenen konfessionellen Ansatzes dient. Das belegt sein Umgang mit dem Modell „Einer-Viele“ auf universalkirchlicher Ebene, bei dem es in der Argumentation dort zu einem Bruch kommt, wo das trinitarische Modell seinem AmtsverstÅndnis widerspricht. Denn nach dem Modell „Einer-Viele“ ist Zizioulas versucht, auch auf konziliarer Ebene die „vielen“ Bisch×fe in „einem“ Primat verk×rpert zu sehen. Doch weil er die primatiale Einheit aufgrund seiner episkopal konstituierten Korporativ-Ekklesiologie nicht korporativ denken kann, kommt er zu ambivalenten und widersprÛchlichen Aussagen. Im Widerspruch bleibt Zizioulas durch seine offenbarungstheologischen und trinitÅtstheologischen Defizite und deren Interdependenz mit den ekklesiologischen Defiziten auch zu vielen seiner trinitarisch-ekklesiologischen Zielsetzungen. Durch die eucharistisch-episkopale Reduktion gelingt es Zizioulas nicht, gegenÛber dem von ihm kritisierten Seinsmonismus und dessen Vorordnung des „Einen“ die beabsichtigte perichoretische Gemeinschaft bzw. ein angemessenes VerstÅndnis von PersonalitÅt zu verwirklichen. Mit dem asymmetrisch-hierarchischen Episkopalismus bleibt er weit entfernt von der postulierten „Perichorese der Šmter“ und ihrer ºberwindung des Klerikalismus. Gleiches gilt fÛr die von ihm anvisierten Synthesen zwischen rationaler und apophatischer Hermeneutik, zwischen historischer

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und eschatologischer Dimension sowie zwischen Institutionalismus und Sakramentalismus. Denn Zizioulas kommt nicht Ûber eine rein apophatischeschatologische und sakramentalistische Konstitution der Kirche hinaus. So bleibt auch er einer reduktionistischen Theologie verhaftet, die er ansonsten als Ursache anthropomorpher ºbertragungen verurteilt. Daß er dieser Gefahr aufgrund der Mißachtung der heils×konomischen Gotteserkenntnis im Kontext seiner spekulativen Energienlehre selbst erliegt, zeigt der Einfluß seiner platonisch gefÅrbten geistig-existentialen PrÅmissen auf die rein interpersonal-geistig strukturierte Identifikation g×ttlicher und menschlicher Strukturen, die eine Verabsolutierung eigener kirchlicher Erfahrung erleichtert. Eine solche Verabsolutierung ist infolge einer pneumatozentrischen und spekulativ-energetischen Hermeneutik sowie der entsprechenden VernachlÅssigung des christologischen GegenÛbers bzw. Korrektivs (theologia crucis etc.) vielfach in den Ostkirchen als Gefahr der Vereinnahmung des Geistes zu beobachten. Die mangelnde christologische und biblische RÛckbindung des Geistes f×rdert seine Bindung an das episkopale Amt, das als Kriterium der eigenen Erfahrung gilt. Vor diesem Hintergrund kann die Kirche als fortgesetzte Inkarnation gelten, aber nicht christozentrisch begrÛndet wie in r×misch-katholischen AnsÅtzen, sondern pneumatozentrisch verankert: „Die Orthodoxe Kirche ist [. . .] die Kirche der ununterbrochenen Inkarnation der Wahrheit durch den Heiligen Geist.“418 Die Vereinnahmung des Geistes wird m×glich, weil der Geist wie im Westen nicht als hypostatisch gegenwÅrtiger Geber ernst genommen wird. WÅhrend dies im Westen durch die filioquistisch geprÅgte Charakterisierung des Geistes als Gabe geschieht, liegt die Ursache im Osten in der spekulativen Energienlehre, die sich auf die pneumatologisch vermittelten g×ttlichen Energien konzentriert. Wird aber Gott als handelndes GegenÛber verdrÅngt, wie es in westlicher christozentrischer Ekklesiologie durch die Ausblendung der Notwendigkeit aktueller pneumatologischer VergegenwÅrtigung Christi geschieht oder in ×stlicher pneumatozentrischer Ekklesiologie durch die VerdrÅngung des christologischen Korrektivs und der hypostatischen pneumatologischen Gegenwart, dann gestaltet sich die Identifizierung der eigenen kirchlichen Strukturen mit den g×ttlichen Strukturen problemloser. Kommt es dabei folgerichtig zu exklusiven ekklesiologischen AnsÅtzen, gerÅt in Vergessenheit, daß der Heilige Geist den einen Christus aller Glaubenden vergegenwÅrtigt, den Christus, der sich anhand der biblisch-heils×konomischen Kriterien erkennen lÅßt. Solche Defizite k×nnte Zizioulas Ûberwinden, wenn er den Heiligen Geist nicht als inhÅrente Gr×ße der ekklesiologischen Korporativperson betrach-

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D. Papandreou: Ekklesiologie, S. 827.

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ten wÛrde, sondern ihn – Ûber die Funktion als Vermittler der g×ttlichen Energien hinaus – als gegenwÅrtigen hypostatischen Geber bzw. als handelndes GegenÛber ernst nÅhme. Dadurch kÅme nicht nur die kirchenkritische Funktion des Geistes zum Tragen, sondern auch eine empfangende Hermeneutik, die sich – statt g×ttliche und menschliche Strukturen zu identifizieren – der heils×konomischen Selbsterschließung Gottes ×ffnet. So wÅre im Unterschied zu den jeweiligen intra- oder interpersonalen Dimensionen im menschlich-ekklesiologischen Bereich die allein in Gott existierende Gleichzeitigkeit dieser Dimensionen zu erkennen. Zum Beispiel wÛrde deutlich, daß die in interpersonalen Relationen bestehende kirchliche Gemeinschaft ihre – der intrapersonalen Dimension analoge – Einheit nicht in sich selbst findet, sondern nur durch Gott, der die Gemeinschaft der Heiligen im Geist als Leib Christi konstituiert. Diese Erkenntnis garantiert den Zusammenhang von „GegenÛber und NÅhe“ Gottes und lÅßt unter BerÛcksichtigung der g×ttlichen Wesenseinheit ein differenzierteres VerstÅndnis orts- und universalkirchlicher Einheit zu als die rein hypostatische Identifizierung. Im Kontext der Wesenseinheit zeugen die heils×konomisch wahrnehmbaren Existenzbeziehungen gegenÛber Zizioulas’ Reduktion auf die Ursprungsbeziehungen von der perichoretischen GleichursprÛnglichkeit in Gott, was die patromonistischen und pneumatozentrischen Tendenzen verhindert. Denn dann stellen die Ursprungsbeziehungen lediglich Spezifika innerhalb der perichoretischen und wesenseinen Gleichwertigkeit dar, ohne die gegenseitigen Beziehungen zwischen Geist und Sohn auszuschließen. Daraus ergibt sich fÛr das Kirchen- und AmtsverstÅndnis eine Analogie, die Zizioulas’ korporativ-hierarchischen Episkopalismus zu Ûberwinden vermag: Wie in Gott die hypostatischen EigentÛmlichkeiten (Spezifika) ohne subordinatianistisches GefÅlle in der perichoretischen GleichursprÛnglichkeit existieren, existiert in der Kirche aufgrund der Gleichwertigkeit aller Glaubenden das spezifische ordinierte Amt ohne graduell-hierarchisches GefÅlle im Verbund mit dem allgemeinen Priestertum.419 Neben einer solchen ºberwindung der Folgen des patromonistischen Defizits wÛrde sich die ºberwindung des pneumatozentrischen Defizits dahingehend auswirken, daß der Geist nicht mehr in einseitiger Wirkung auf Christus als derjenige gilt, der Christus als ekklesiologische Korporativperson konstituiert und dieser Korporativperson selbst inhÅrent ist. Vielmehr wÛrde er dann – als Gabe und Geber – der VergegenwÅrtigung Christi als Haupt (Kol 1,18; Eph 4,15) der Gemeinschaft der Glaubenden dienen, die der Geist konstituiert. Weil Christus somit wieder als bleibendes GegenÛber der Kirche er419 Zum gleichursprÛnglichen VerhÅltnis von Amt und Gemeinde und der spezifischen QualitÅt des Amtes vgl. G. Wenz: Einheit; C. H. Ratschow: Art. „Amt VIII“, S. 611 ff., und G. Gaßmann: Zusammenspiel. Diese Untersuchungen er×rtern allerdings nicht den direkten Zusammenhang mit der TrinitÅtslehre.

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kennbar wird, l×st sich die Identifikation von episkopalem Amt und Christus insofern auf, als Christus das GegenÛber der Gemeinschaft aller Glaubenden einschließlich ihrer ordinierten AmtstrÅger darstellt. Das schließt nicht aus, daß die AmtstrÅger das Zeichen des GegenÛber-Seins Gottes bzw. des Zuvorkommens der g×ttlichen Initiative verk×rpern. Wie sich nÅmlich der Vater als GegenÛber von Sohn und Geist erweist, ohne deren gleichursprÛngliche Wesenseinheit in Frage zu stellen, lÅßt sich der Bischof bzw. ein anderer AmtstrÅger in der perichoretischen Gemeinschaft aller Glaubenden als Zeichen des g×ttlichen GegenÛbers verstehen, ohne dieses selbst zu sein und die Gleichwertigkeit mit den Ûbrigen Glaubenden in Zweifel zu ziehen. Die Betonung der Gleichwertigkeit aller Glaubenden und eines AmtsverstÅndnisses ohne graduell-hierarchische Strukturen ergibt sich aus einer perichoretisch-symmetrischen TrinitÅtslehre, wie sie auf protestantischer Seite von Miroslav Volf vertreten wird. Volf stÛtzt sich auf die heils×konomisch erkennbaren gegenseitigen Beziehungen der trinitarischen Personen, die deren perichoretische ReziprozitÅt beinhalten. Dieses Beziehungsgeflecht erm×glicht Volf eine ausgewogenere VerhÅltnisbestimmung von Christologie und Pneumatologie, so daß er den Heiligen Geist in ºberwindung der westlichen Filioque-Tradition als Gabe und Geber charakterisieren kann. Dadurch ist der Geist nicht mehr als inhÅrente Gr×ße einer ekklesiologischen Korporativperson zu verstehen, sondern als eigenstÅndige trinitarische Person, die als bleibendes GegenÛber der Kirche gilt und die Christus im Glauben der einzelnen vergegenwÅrtigt. Auf diese Weise wird sowohl die korporative Identifizierung von Christus und Kirche als auch die Aufhebung des Selbstandes der einzelnen in das korporative Subjekt verhindert. Das korreliert mit der symmetrisch-reziproken Perichorese, die den Selbstand in Relation gewÅhrleistet, insofern als sich die trinitarischen Personen in reziproker InterioritÅt durchdringen, ohne daß ihre PersonalitÅt in der RelationalitÅt aufgeht. Unter diesen Voraussetzungen sieht Volf nicht nur die korporativ-hierarchische Verbiegung der Communio-Ekklesiologie abgewehrt, die sich in der asymmetrisch geprÅgten modalistischen (Ratzinger) oder subordinatianistischen (Zizioulas) Vorordnung des „Einen“ vollzieht, sondern auch die individualistische VernachlÅssigung der Communio-Ekklesiologie (protestantische Gefahr). Denn sein symmetrisch-perichoretisches VerstÅndnis betont die gleichwertige ReziprozitÅt der trinitarischen Personen ebenso wie deren Gemeinschaft und InterioritÅt. Daraus folgt fÛr Volf analog ein symmetrisch-gemeinschaftliches und partizipatorisches KirchenverstÅndnis, welches die institutionellen und sichtbaren gemeinschaftlichen Strukturen berÛcksichtigt (Hinweis an den Protestantismus) und das GegenÛber von Gott und gemeinschaftlich konstituierter Kirche wahrnimmt (Hinweis an Katholizismus und Orthodoxie).

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Doch weil Volfs heils×konomisch orientierte Hermeneutik eine konsequent biblisch-×konomische Ausrichtung vermissen lÅßt und von theologiegeschichtlichen, sozialphilosophischen und ekklesiologischen PrÅmissen Ûberlagert wird, entspricht auch er letztlich nicht seiner Zielsetzung, da er so wieder zu trinitÅtstheologischen und ekklesiologischen Einseitigkeiten gelangt. Die konkrete Ursache der hermeneutischen ºberlagerung des heils×konomischen Ansatzes liegt in der VerdrÅngung historisch-revelatorischer Kriterien zugunsten einer eschatologischen und soziologischen Orientierung. Volf vernachlÅssigt sowohl die genaue VerhÅltnisbestimmung von Schrift, Tradition und Kirche als auch die altkirchliche trinitÅtstheologische Basis und richtet sein Augenmerk auf sozialgeschichtliche Entwicklungen und das eschatologische Sein der Kirche in der Existenz Gottes. Dadurch gewÅhrt er sozialphilosophischen und ekklesiologischen PrÅmissen viel Einfluß, der auch auf die TrinitÅtslehre zurÛckwirkt. In Korrespondenz zu seinem sozialphilosophischen Konzept der interdependenten und eigendynamischen Teilsysteme und seiner kirchengeschichtlichen These von einem Kongregationalisierungsprozeß Ûbernimmt Volf Moltmanns soziale TrinitÅtslehre mit ihrer polyzentrischen RelationalitÅt dreier selbstÅndiger Aktzentren sowie die daraus resultierende Mißachtung der intrapersonalen Wesenseinheit. Entsprechend blendet er die heils×konomischen Hinweise auf die intrapersonale Wesenseinheit Gottes aus. So reduziert auch Volf die intra- und interpersonale Dimension Gottes auf den INTERpersonalen Aspekt, was die Unterscheidung zwischen g×ttlichen und menschlichen Strukturen erschwert, da Volf den Unterschied zwischen Gott und Mensch lediglich durch graduelle Unterschiede der jeweiligen interpersonalen InterioritÅt bestimmt. WÅhrend es sich bei Gott um eine ontologische InterioritÅt handele, fÛhre bei den Menschen die InterioritÅt der Eigenheiten zur „katholischen Pers×nlichkeit“, welche die gesamte Wirklichkeit internalisiere. Hier ist kritisch anzumerken, daß eine solche Pers×nlichkeit keinen Anhalt in der RealitÅt findet, weshalb die Beachtung der inter- und intrapersonalen Analogie sinnvoller gewesen wÅre. Sie vermag nÅmlich Analogie und Differenz zwischen g×ttlicher und menschlicher Existenz auszudrÛcken, indem sie zwischen der Gleichzeitigkeit von intra- und interpersonaler Dimension in Gott und der intrapersonalen Dimension des einzelnen Menschen unterscheidet, der nur in Relation zu Gott und den Mitmenschen den interpersonalen Aspekt erhÅlt. Als zu undifferenziert erweist sich auch die ºbernahme von Moltmanns Unterscheidung zwischen „Konstitutions- und Relationsebene“, weil sie dem konstitutiven und komplexen Zusammenhang von innertrinitarischer Ursprungs- und Existenzebene nicht gerecht wird420 und die Spezifika der hy-

420

S. o., S. 291 f. u. 341 ff., und s. u., S. 536 ff.; siehe ferner Anm. 212, II. Kap. Z. B. gibt die Un-

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postatischen Konstitution (Vater als Quelle etc.) von der – eigentlich auch konstitutiven – RelationalitÅt trennt, welche so rein egalitÅr-symmetrisch erscheint und die innertrinitarischen Spezifika in den Hintergrund drÅngt. Daraus leitet sich ein dezentral-symmetrisches und egalitÅres KirchenverstÅndnis ab, das in Korrelation zur rein interpersonalen trinitarischen ReziprozitÅt und ihrer Ausblendung der intrapersonalen Wesenseinheit die ortskirchliche PartikularitÅt sowie die symmetrische ReziprozitÅt der Glaubenden hervorhebt. In Entsprechung zur interpersonal-polyzentrisch geprÅgten trinitarischen Perichorese erscheint die Kirche als polyzentrisch-partizipatorische Gemeinschaft interdependenter Subjekte, in deren perichoretischer InterioritÅt („katholische“ Pers×nlichkeiten) der kirchliche Zusammenhalt begrÛndet sein soll. Doch wÅhrend die interaktive RelationalitÅt „katholischer“ Personen – aufgrund der FragwÛrdigkeit einer personalen Internalisierung der gesamten Wirklichkeit – bei Volf schon hinsichtlich der lokalkirchlichen Umsetzung dieses Modells zu argumentativen BrÛchen fÛhrt, muß Volf in bezug auf die universalkirchliche Einheit zugestehen, daß eine solche interpersonale InterioritÅt universalkirchlich erst eschatologisch denkbar sei. Weil Volf aber wegen der Ausblendung der intrapersonalen Wesenseinheit eine andere Analogiegr×ße fÛr die universalkirchliche Einheit fehlt, leugnet er einfach die Realisierbarkeit dieser Einheit und damit den Sinn jeglicher ×kumenischer Suche nach struktureller Einheit. Deshalb vermag Volf die einseitig universalkirchliche Communio-Ekklesiologie Ratzingers lediglich durch eine umgekehrt einseitig lokalkirchliche Communio-Ekklesiologie zu ersetzen. Im Unterschied zu Zizioulas, bei dem die rein interpersonale Ausblendung der intrapersonalen Wesenseinheit Gottes im Kontext des patromonistischen GefÅlles trinitarische Einheit nur als hypostatische IdentitÅt erlaubt und so – auch universalkirchlich – allein korporative ekklesiologische Einheit zulÅßt, folgt aus dem rein interpersonalen Ansatz bei Volf eine hypostatisch-perichoretische InterioritÅt, die aufgrund ihrer polyzentrisch-egalitÅren ReziprozitÅt Ûberhaupt keine universalkirchliche Einheit erm×glicht, sondern nur eine interpersonale Beziehung zwischen partikularen Ortskirchen. Aus einem einseitig interpersonalen Ansatz resultiert hier also entweder eine hierarchisch-korporative Identifizierung g×ttlicher und kirchlicher Strukturen mit entsprechender Identifizierung von historischer und himmlischer Kirche (Zizioulas) oder ein partikular-egalitÅres KirchenverstÅndnis mit Verweis der universalkirchlichen Einheit ins Eschaton (Volf). Die angemessene Wahrnehmung der intraper-

terscheidung zwischen „Konstitutions- und Relationsebene“ nicht zu erkennen, daß auch die konstitutiven Ursprungsbeziehungen relationalen Charakter haben, wÅhrend den Relationen umgekehrt auch konstitutive Bedeutung zukommt.

Die Interdependenz trinitarischer und ekklesiologischer Defizite

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sonalen Wesenseinheit Gottes hÅtte bei Zizioulas eine differenziertere BegrÛndung kirchlicher Einheit gewÅhrt als die auf hypostatischer IdentitÅt beruhende korporative Einheit, und bei Volf hÅtte sie Ûber den partikularistischen und egalitÅr-symmetrischen Ansatz hinaus die Beachtung des Einheitsaspekts und der Ursprungsbeziehungen mit ihren Spezifika gef×rdert. Indem Volf durch seine egalitÅre Perichorese die mit den Ursprungsbeziehungen gegebenen Spezifika in ihrer Bedeutung fÛr die symmetrische ReziprozitÅt vernachlÅssigt (polyzentrisch-egalitÅre Interdependenz), erhÅlt seine Ekklesiologie eine dezentral-egalitÅre QualitÅt (egalitÅr-dezentralistische Interaktionsgemeinschaft), die sich im AmtsverstÅndnis niederschlÅgt. Ein spezifisches ordiniertes Amt hÅlt Volf ekklesiologisch nicht fÛr notwendig, da sich die Kirche in Analogie zur egalitÅr-perichoretischen TrinitÅtslehre als dezentralistische Wechselseitigkeit aller Glaubenden verstehen lasse, in der spezifische Šmter lediglich zum bene esse der Kirche geh×ren. Ordination und Amt sind außerdem – wie die Taufe – rein lokalkirchlich definiert, und zwar aufgrund der laut Volf nur lokalkirchlich m×glichen InterioritÅt der Glaubenden. Als Teil der gegenseitigen Interaktion aller Glaubenden erscheint die Ordination mehr als Akt gegenseitiger Anerkennung von Charismen und weniger als sakramentaler Akt ihrer Verleihung. Mit diesem Ordinations- und AmtsverstÅndnis entfernt sich Volf jedoch von den reformatorischen Grundlagen Luthers und der Bekenntnisschriften sowie der Leuenberger Kirchengemeinschaft, die das Predigtamt – im Verbund mit dem allgemeinen Priestertum – als ein von Gott gestiftetes Grundamt voraussetzen, das dem worthaften Handeln Gottes entspricht und als Zeichen des g×ttlichen GegenÛbers sowie als Dienst an der Einheit der ganzen Kirche gilt, da die AmtstrÅger im Namen des einen Christus handeln. Die Ordination stellt dabei eine pneumatische Zeichenhandlung zur geordneten Weitergabe dieses Amtes dar, das sich allerdings nicht graduell vom allgemeinen Priestertum unterscheidet. Ein rein funktionales AmtsverstÅndnis verbietet sich also ebenso wie die lokalkirchliche BeschrÅnkung des Amtes, was Volf erkennen k×nnte, wenn er Ûber die interpersonal-egalitÅre Perichorese hinaus auch die intrapersonale Wesenseinheit mit ihrem Hinweis auf die Spezifika der Ursprungsbeziehungen ernst nehmen wÛrde. Dann kÅme er zu der Einsicht, daß innerhalb der gleichursprÛnglichen Perichorese auch Spezifika m×glich sind421: Wie der Vater innerhalb dieser Perichorese ohne BeeintrÅchtigung der g×ttlichen Wesenseinheit das

421 WÅhrend Zizioulas daran zu erinnern war, keine Reduktion auf die Ursprungsbeziehungen und die entsprechenden subordinatianistischen Tendenzen vorzunehmen, sondern die perichoretische GleichursprÛnglichkeit mit ihrer Charakterisierung der Ursprungsbeziehungen als gleichwertige Spezifika zu erkennen, gilt es fÛr Volf umgekehrt, innerhalb der gleichursprÛnglichen Perichorese die Ursprungsbeziehungen und damit die Spezifika Ûberhaupt wahrzunehmen.

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Konsequenzen der trinitÅtstheologischen Defizite

Spezifikum der Quelle verk×rpert, dient das Amt ohne graduelle Erhebung Ûber das allgemeine Priestertum als Zeichen des „GegenÛber-Seins“ des g×ttlichen Heils sowie als Zeichen der Einheit. Das Ûbersieht Volf wohl wegen des Einflusses, den seine kongregationalistisch-egalitÅre Ekklesiologie auch umgekehrt auf die trinitarische Konzeption nimmt, wenn er etwa argumentiert, die g×ttliche Wesenseinheit sei schon aus ekklesiologischen GrÛnden nicht als Analogiebasis brauchbar. Indem Volf nur die lokalkirchliche Eingebundenheit als Konstitutivum der KatholizitÅt bezeichnet, kann er den Vorwurf nicht entkrÅften, etliche protestantische Str×mungen hÅtten ein gebrochenes VerhÅltnis zur KatholizitÅt und zur sichtbaren Einheit der Kirche. So gelangt er mit seinem Versuch, sowohl korporativ-konfessionalistische Konzeptionen orthodoxer oder r×misch-katholischer Provinienz als auch individualistische protestantische Konzeptionen durch eine angemessenere Ekklesiologie der Gemeinschaft zu Ûberwinden, nicht Ûber eine partikularistisch-ortskirchliche Ekklesiologie hinaus, so daß er in partikularistischer Selbstzufriedenheit verharrt. Wie Volfs BemÛhungen um eine trinitarische Koinonia-Ekklesiologie wegen seines egalitÅr-partikularistischen Ansatzes letztlich doch noch Grundmerkmale protestantischer Einseitigkeiten aufweisen, so ist auch Ratzingers trinitarische Communio-Ekklesiologie als pyramidal-universalkirchliche Korporativ-Ekklesiologie noch von r×misch-katholischen EngfÛhrungen geprÅgt, wÅhrend die trinitarische Koinonia-Ekklesiologie Zizioulas’ in ihrer eucharistisch-episkopalen Zuspitzung ostkirchliche Einseitigkeiten zu erkennen gibt. Es wurde deutlich, daß diese Defizite in direktem Zusammenhang mit den jeweiligen offenbarungstheologischen und trinitÅtstheologischen Einseitigkeiten stehen. So verlangt die gezeigte Interdependenz offenbarungstheologischer, trinitÅtstheologischer und ekklesiologischer Defizite, die nach wie vor Strukturen protestantischer, r×misch-katholischer und orthodoxer Einseitigkeiten offenbart, nach gemeinsamen L×sungsansÅtzen fÛr das Offenbarungs-, Gottes- und KirchenverstÅndnis, wenn die ×kumenischen EinheitsbemÛhungen Aussicht auf Erfolg haben sollen. Als zentral und strittig erwies sich das VerhÅltnis von ×konomischer und immanenter TrinitÅt, das nicht nur mit der Art und Weise heils×konomischer Gotteserkenntnis zusammenhÅngt, sondern auch mit dem Problemfeld der Energienlehre und dem VerhÅltnis von natÛrlicher Theologie und Offenbarungstheologie. FÛr die umstrittene Relation von Christologie und Pneumatologie und das damit zusammenhÅngende Filioque-Problem zeigte sich ferner die Beziehung zwischen innertrinitarischer Ursprungs- und Existenzebene als gravierend. Als nicht weniger bedeutungsvoll stellte sich die EinschÅtzung der intra- und interpersonalen Dimension Gottes heraus, die nicht zuletzt fÛr das VerhÅltnis von „GegenÛber und NÅhe“ Gottes sowie fÛr die Analogie und Differenz zwischen g×ttlichen und ekklesiologischen Strukturen von Belang ist.

VI. Kapitel: L×sungsansÅtze fÛr ein ×kumenisches Offenbarungs-, Gottes- und KirchenverstÅndnis

1. Die ºberwindung der Defizite durch die aus der altkirchlichen TrinitÅtslehre abgeleiteten neuen Differenzierungen und VerhÅltnisbestimmungen Der gezeigte Einfluß offenbarungstheologischer und trinitÅtstheologischer PrÅmissen auf das KirchenverstÅndnis und die umgekehrt zu beobachtende Wirkung ekklesiologischer PrÅmissen auf entsprechende PrioritÅtensetzungen in der TrinitÅtslehre lassen die weitreichende Interdependenz von offenbarungstheologischen, trinitÅtstheologischen und ekklesiologischen Defiziten erkennen. Zur ºberwindung dieser Defizite bedarf es gemeinsamer Kriterien fÛr differenziertere offenbarungstheologische, trinitÅtstheologische und ekklesiologische AnsÅtze, als deren Grundlage sich die in ostwestkirchlicher °kumene sowie in biblischer und heils×konomischer Ausrichtung entwickelte neunizÅnische TrinitÅtslehre erwiesen hat. Denn hier wurde ein Rahmen offenbarungstheologischer, trinitÅtstheologischer und ekklesiologischer Hermeneutik geschaffen, der die Abgrenzungen gegen die spÅter erfolgten einseitigen Weiterentwicklungen enthÅlt und aus dem sich Differenzierungen ableiten lassen, die zur ºberwindung der bis heute wirksamen defizitÅren Weiterentwicklungen beitragen k×nnen. Daß diese Erwartung nicht unberechtigt ist, belegt die in der Untersuchung nachgewiesene Relevanz, die dem RÛckgriff auf die biblisch und heils×konomisch orientierte altkirchliche TrinitÅtslehre stets fÛr kirchengeschichtliche Phasen trinitÅtstheologischer und ekklesiologischer Besinnung zukam. Nachdem in der Untersuchung bereits hervortrat, wie verschiedene offenbarungstheologische, trinitÅtstheologische und ekklesiologische Defizite aufgrund der genannten Differenzierungen zu Ûberwinden sind, soll jetzt systematisch entfaltet werden, welche neuen Differenzierungen und VerhÅltnisbestimmungen sich von der erwÅhnten altkirchlichen Basis als ×kumenische Perspektiven fÛr das Offenbarungs-, Gottes- und KirchenverstÅndnis ableiten lassen. Das gilt zunÅchst fÛr das OffenbarungsverstÅndnis und dessen Bedeutung fÛr das VerhÅltnis von ×konomischer und immanenter TrinitÅt. Auf der Grundlage einer angemessenen Zuordnung von natÛrlicher Theologie und Offenbarungstheologie sowie von ×konomischer und immanenter TrinitÅt (1.1) lÅßt sich dann auch das gegenseitige UnverstÅndnis zwischen Ost- und Westkirchen hinsichtlich der Energienlehre beheben (1.2). Der damit verbundene RÛckgriff auf die neunizÅnische Energienlehre gibt durch die Differenzierung, die von ihrer Basis abgeleitet wurde, den Weg frei fÛr die Wahrnehmung des komplexen VerhÅltnisses von innertrinitarischer Ursprungs- und Existenzebene. Die differenzierte Bestimmung dieses VerhÅltnisses bildet wiederum die Voraussetzung fÛr eine angemessene Wahrnehmung der trinitarischen Perichorese und der dadurch erm×glich-

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L×sungsansÅtze

ten adÅquaten VerhÅltnisbestimmung von Christologie und Pneumatologie. Auf dieser Grundlage kommen AnsÅtze zur L×sung des Filioque-Problems in den Blick (1.3). Außerdem lassen diese Differenzierungen die Gleichzeitigkeit von intra- und interpersonaler Dimension Gottes in ihrem VerhÅltnis zu den intra- oder interpersonalen Aspekten auf anthropologischer und ekklesiologischer Ebene transparent werden. Daraus resultiert schließlich unter entsprechender Zuordnung des VerhÅltnisses von „GegenÛber und NÅhe“ Gottes die M×glichkeit einer ausgewogenen trinitarisch begrÛndeten Ekklesiologie (1.4).

1.1 Das VerhÅltnis von Ahnung und Offenbarung und der biblisch×konomische Ansatz als Basis einer angemessenen Zuordnung von ×konomischer und immanenter TrinitÅt Im Laufe der Untersuchung ließ sich der unaufl×sliche Zusammenhang zwischen OffenbarungsverstÅndnis und Gottes- bzw. TrinitÅtslehre deutlich erkennen. Wie nÅmlich das GottesverhÅltnis des Menschen, das sich im OffenbarungsverstÅndnis niederschlÅgt, maßgebliche Implikationen fÛr das GottesverstÅndnis beinhaltet, bestimmt umgekehrt das GottesverstÅndnis das GottesverhÅltnis. Zum Beispiel zieht die Vorstellung eines aus der Natur ableitbaren Gottes ein spekulatives RÛckschlußverfahren nach sich, wÅhrend ein pers×nliches g×ttliches GegenÛber eine empfangende Hermeneutik verlangt, die wiederum eine spekulative Rekonstruktion Gottes aus natÛrlichen Gegebenheiten ebensowenig zulÅßt, wie ein reines RÛckschlußverfahren Offenheit Ûber seine gegebenen PrÅmissen hinaus erwarten lÅßt. Es besteht also eine Interdependenz von Glaubensform (fides qua creditur) und Glaubensinhalt (fides quae creditur), die in der Interdependenz von OffenbarungsverstÅndnis und Gottesbegriff zum Ausdruck kommt und die durch die Qualifizierung der Glaubensform auch die menschliche Selbsterkenntnis (z. B. Akzeptanz von SÛnde und Schuld) und die entsprechende hermeneutische Grundhaltung (z. B. Demut) konstituiert. Somit steht und fÅllt das TheologieverstÅndnis mit dem Offenbarungs- und GottesverstÅndnis, weshalb die Gottesfrage als „Grundfrage der Theologie“1 gilt und der Offenbarungsbegriff eine „Art Metabegriff der Theologie“2 darstellt. Von daher ist

1 W. Kasper: Gott, S. 9. Zum Zusammenhang von GottesverhÅltnis und -verstÅndnis vgl. C. Schw×bel: TrinitÅtslehre, S. 136 ff., und zum VerhÅltnis von Glaubensform und -inhalt mit seinen Konsequenzen fÛr die menschliche Selbsterkenntnis vgl. E. Hultsch: Christen, S. 15 ff. Vgl. ferner C. Schw×bel: Human Being, S. 145: „[. . .] adequate knowledge of what it means to be human is dependent on God’s relation to humanity in revelation.“ E. JÛngel: Entsprechungen, S. 173 f., betont die Charakterisierung der Glaubensform durch den Glaubensinhalt und die entsprechende Einheit von „fides quae creditur“ und „fides qua creditur“. – Diese ZusammenhÅnge werden in den folgenden AusfÛhrungen weiter expliziert. 2 H. Petri: Problematik, S. 37.

Die neuen Differenzierungen und VerhÅltnisbestimmungen

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es verstÅndlich, daß es inner- und interkonfessionell immer wieder zu Auseinandersetzungen um das OffenbarungsverstÅndnis kommt, weil „an diesem Punkt das Ganze der Theologie auf dem Spiel“3 steht. Šhnlich verhÅlt es sich mit der Gotteslehre und ihrem VerhÅltnis zum OffenbarungsverstÅndnis, was folgende Anfrage Walter Kaspers zum Ausdruck bringt: „Die Frage ist jetzt, wie sich Gottesfrage und Seinsfrage nÅherhin zueinander verhalten, ob wir die Gottesfrage im Horizont der Seinsfrage oder die Seinsfrage im Horizont der Gottesfrage zu verhandeln haben. Die Frage nach dem VerhÅltnis von Glauben und Denken, von Theologie und Philosophie, von natÛrlicher Theologie und Offenbarungstheologie ist damit neu gestellt.“4 In der Beantwortung dieser Fragen liegt die „Aporie gegenwÅrtiger Theologie schlechthin“, denn es fehlt an konsensfÅhigen „ausgebildeten Kategorien, um eindeutig von Gott reden zu k×nnen“5. Zwar belegt die vorliegende Untersuchung, daß „sich mehr und mehr ein Konsens in der Richtung“ abzeichnet, daß die „Schwierigkeiten und Aporien, in die das Gottesproblem [. . .] mÛndet, [. . .] nur in der TrinitÅt als dem unterscheidend Christlichen eine Antwort finden“6, aber es tritt in der Untersuchung zugleich hervor, wieviel Probleme sich durch defizitÅre offenbarungstheologische AnsÅtze auch noch nach der trinitÅtstheologischen Besinnung und fÛr diese selbst ergeben. Bisher wurde deutlich, daß die TrinitÅtslehre als Lehre Ûber das „Geheimnis in allen Geheimnissen“7 die Antwort auf die genannten Aporien verk×rpert, wenn sie im Kontext weltlicher und menschlicher Selbsttranszendenz (Gottesahnung) sowie entsprechender AnknÛpfungspunkte die heils×konomisch vollzogene und damit vorgegebene Selbsterschließung des dreieinigen Gottes wahrnimmt. Denn Gott erschließt sich selbst in der Welt als offenbares und personales Geheimnis – zum Heil der Menschen und der Sch×pfung. Auf diese Weise bewirkt Gott durch die Verbindung von verborgenem und offenbarem Gott sowie von Sch×pfungs- und Erl×-

3 E. JÛngel: Entsprechungen, S. 159. JÛngel setzt sich z. B. mit K. Rahners Rede vom „anonymen Christen“ und mit dem Versuch W. Pannenbergs auseinander, die natÛrlichen Voraussetzungen der Gotteserkenntnis und des Glaubens zunÅchst „remoto deo“ zu eruieren. Vgl. ferner M. Kappes: „NatÛrliche Theologie“, S. 277 ff., der Teile der innerprotestantischen und der katholisch-protestantischen Auseinandersetzung beleuchtet, und D. Wendebourg: Person, S. 514 ff., wo sich Beispiele fÛr den Zusammenhang von offenbarungstheologischen Voraussetzungen und Gotteslehre in der orthodoxen Theologie finden. – Insgesamt s. o., S. 37 ff., und siehe Kap. III,3.2 u. IV. 4 W. Kasper: Gott, S. 91. 5 Ebd., S. 90. Vgl. I. Lønning: Art. „Gott VIII“, S. 690, und C. SchÛtz: Tendenzen, S. 276, wo „das Ausmaß der gegenwÅrtigen Krise, in der sich die Gottesidee befindet“, benannt wird. Zur „Verschiedenheit der Bestimmung, was Offenbarung ist und wie sie ergeht“, siehe H. Petri: Problematik, S. 37, und ebd., S. 15, wo Petri in diesem Kontext auf „konfessionsbedingte Unterschiede in der Behandlung der Gottesfrage“ hinweist. 6 C. SchÛtz: Tendenzen, S. 317. 7 W. Kasper: Gott, S. 329.

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sungsordnung die angemessene Gottes- und Menschenerkenntnis, die nur in der Gemeinschaft von Gott und Mensch letztgÛltig zum Tragen kommt und die vestigia trinitatis in aller Klarheit zum Leuchten bringt. Durch das damit einhergehende VerhÅltnis von „GegenÛber und NÅhe“8 des lebendigen Gottes wird der Gottesbegriff gleichermaßen ernst genommen wie die Menschlichkeit des Menschen, so daß die Liebe Gottes – heilsgeschichtlich und wesensmÅßig – ebenso in Erscheinung tritt wie die menschliche Geschichte von SÛnde und Schuld sowie die eigentliche sch×pfungsgemÅße und eschatologische Bestimmung des Menschen (Partizipation an der Liebe Gottes). Aus diesen ZusammenhÅngen ergibt sich das hermeneutisch angemessene Selbst- und GlaubensverstÅndnis.9 Also beinhaltet das mysterium trinitatis einerseits die – in der theologia crucis offenbare – Krisis hinsichtlich der selbstverg×ttlichenden und spekulativen10 Bestrebungen des Menschen (incurvatus in se ipsum) und andererseits „die letzte konkrete Bestimmung der unbestimmten Offenheit des Menschen“ bzw. „die Ûberbietende Antwort auf die Frage, die der Mensch nicht nur hat, sondern ist“11. Entsprechend wird die Lehre vom trinitarischen Gott als Sch×pfer, Erl×ser und Vollender als Korrektiv und Integral des gesamten WirklichkeitsverstÅndnisses transparent, wie es die Heilsgeschichte und die biblischen Schriften als Zeugnisse der heilsgeschichtlichen Selbsterschließung Gottes belegen.12 Die durch den Sohn (Logos) und den Geist erfolgende christologische und pneumatologische Selbsterschließung Gottes geschieht demnach in Wort und Tat. Von daher berichten die biblischen Schriften von „einem Geschehenen, das sich sogleich als nicht nur geschehen, sondern geschehend erweist“13, denn Gott ist Subjekt und Objekt der VerkÛndigung zugleich. So verk×rpert die trinitarische Selbsterschließung als Summe des Evangeliums Inhalt und Ereignis der Offenbarung, weshalb die biblische ºberlieferung und Tradierung Teil der Heils×konomie bleibt: „Man wird das Faktum der biblischen Verheißungsgeschichte eben nicht nur als Zeugnis (oder gar nur als Dokument), sondern als zum Gottesbegriff geh×rendes PhÅnomen zu begreifen haben“14. Als sachgemÅße Wahrnehmung der heils×konomischen Selbsterschließung Gottes bildet

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Zur EinfÛhrung dieses Begriffspaares durch den Verfasser s. o., S. 36. „Das trinitarische Bekenntnis ist in hervorgehobener Weise Ausdruck der Anerkennung jener Vor-gegebenheit und Vor-geordnetheit dessen, dem sich der Glaube verdankt“ (F. Schmid: ErwÅgungen, S. 65). 10 Mit „Spekulation“ ist die – Gott vereinnahmende – ºbertragung eigener philosophischer und weltanschaulicher PrÅmissen auf Gott gemeint und nicht das berechtigte „Nach-denken“ der Selbsterschließung Gottes und ihrer Voraussetzungen (s. o., S. 29). 11 W. Kasper: Gott, S. 371, der aber das Moment der Krisis nicht wahrnimmt (Hervorhebung v. Vf.). 12 S. o., S. 39 ff. – Auch F. Schmid: ErwÅgungen, S. 74, streicht heraus, „daß das trinitarische Bekenntnis nicht eine gesonderte ºberwirklichkeit anspricht, sondern die Gesamtwirklichkeit menschlichen Lebens unter der Herrschaft Jesu Christi, also den Wirklichkeitszusammenhang, der Gott, Welt und Mensch und damit Alles [sic] in seiner Ordnung, Gliederung, Differenziertheit und Einheit umgreift“. 13 F. Schmid: ErwÅgungen, S. 73. 14 E. JÛngel: Gott, S. 480. – S. o., S. 86 ff. 9

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das trinitarische Bekenntnis die zutreffende Interpretation der Bibel und deren angemessenen Auslegungskontext.15 Die Beachtung der heils×konomischen Erschließung der immanenten TrinitÅt Ûberwindet die faktische Funktionslosigkeit der TrinitÅtslehre, wie sie etwa durch die hermeneutische Stufenordnung von natÛrlicher und ÛbernatÛrlicher Offenbarung und deren Vorordnung des natÛrlich erkennbaren Traktats „De Deo uno“ vor das ÛbernatÛrlich geoffenbarte AnhÅngsel „De Deo trino“ gegeben war. Den Gefahren und Einseitigkeiten, die sich wiederum mit der Besinnung auf die heils×konomische TrinitÅt fÛr die VerhÅltnisbestimmung von ×konomischer und immanenter TrinitÅt ergeben (totale Identifizierung, Trennung, Verquickung von Gott und Welt etc.), kann nur mit der Wahrung des Zusammenhangs von biblischer und heils×konomischer Selbsterschließung begegnet werden.

Diese nur in vereinfachenden AuszÛgen dargestellten Einsichten, die aus der bisherigen Analyse hervorgehen, sind jetzt explizit zu belegen, und zwar in Auseinandersetzung mit dem ebenfalls gewonnenen Ergebnis, daß die in allen Konfessionen zu beobachtende Besinnung auf das heils×konomische TrinitÅtsverstÅndnis noch trinitÅtstheologische Differenzen und Defizite aufweist, die mit defizitÅren offenbarungstheologischen AnsÅtzen zusammenhÅngen. So hat sich gezeigt, daß der heils×konomische Zugang immer wieder von eigenen hermeneutischen PrÅmissen Ûberlagert wird, woraus trinitÅtstheologische Einseitigkeiten resultieren. Eine maßgebliche Rolle spielen dabei sowohl philosophisch-theologische und ekklesiologische PrÅmissen als auch inner- und interkonfessionelle Divergenzen sowie die verschiedenen hermeneutischen MentalitÅten ost- und westkirchlicher Theologen.16 In allen großen konfessionellen Str×mungen kommt es in diesem Kontext stets aufs neue zur Auseinandersetzung zwischen natÛrlich-spekulativen und ÛbernatÛrlich-fideistischen AnsÅtzen, was Auswirkungen auf die TrinitÅtslehre und deren ekklesiologische Konsequenzen hat. Welche Folgen offenbarungstheologische Ambivalenzen mit sich bringen, zeigt beispielsweise das Zweite Vatikanische Konzil mit seiner Wirkungsgeschichte, insofern als hier das disparate Nebeneinander von neuscholastischer doppelter Seins- und Erkenntnisordnung (natÛrlich/ÛbernatÛrlich) und patristisch-heils×konomischem Zugang ein entsprechendes Nebeneinander von christozentrischer und trinitarisch-kommunialer Gotteslehre bewirkte, was das Nebeneinander von juridisch-hierarchischer Leib-Christi-Ekklesiologie und kommunialer Volk-Gottes-Ekklesiologie nach sich zog.17 15 Siehe Kap. II. – Vgl. dazu auch F. W. Kantzenbach: Programme, S. 189: „Das TrinitÅtsdogma ist die zutreffende Interpretation der Bibel, wenn diese als ‚sachgemÅße Analyse der Offenbarung‘ verstanden wird. Die Offenbarung selbst ist die Wurzel der TrinitÅtslehre. Die TrinitÅtslehre erweist sich als der notwendig zu benutzende Kommentar fÛr die Auslegung der Bibel.“ 16 Siehe Kap. I,3 u. III–V. 17 S. o., S. 233 ff.

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Angesichts der Bedeutung offenbarungstheologischer Divergenzen und Defizite sowie ihres Zusammenhangs mit der Gotteslehre wird es verstÅndlich, daß die in theologischen Krisenzeiten erfolgten trinitÅtstheologischen Besinnungen (z. B. Reformationszeit oder 19. und 20. Jahrhundert) mit biblischen Besinnungen einhergingen und auf die biblisch-×konomisch geprÅgte TrinitÅtslehre der Alten Kirche zurÛckgriffen. So konnten sie inadÅquate hermeneutische AnsÅtze und deren Konsequenzen abwehren, die sich etwa in ekklesiologisch-selbstverg×ttlichenden Tendenzen (z. B. mittelalterlicher Klerikalismus) oder in anthropologisch-aufklÅrerischen selbstverg×ttlichenden Tendenzen Åußerten (z. B. die Entwicklung vom Theismus zum Atheismus).18 Doch weil diese Besinnungsphasen oft nur partiellen Einfluß hinterließen bzw. nicht nachhaltig genug waren und selbst defizitÅr blieben, riefen die ost- und westkirchlichen Einseitigkeiten sowie die inner- und interkonfessionellen Divergenzen neben anderen hermeneutischen PrÅmissen weiterhin offenbarungstheologische Differenzen hervor, deren ºberwindung bis heute aussteht. Es werden hier nur einige der wichtigsten PolaritÅten und Gefahren genannt, die immer wiederkehren und sich verdeckt oder offen auswirken. Die klassische Unterscheidung zwischen natÛrlicher und ÛbernatÛrlicher Offenbarung, die die natÛrliche Ableitbarkeit der Einheit Gottes (De Deo uno) suggerierte und das Grundproblem der Vermittlung von Gottesund Welterfahrung bzw. von Glaube und Vernunft beinhaltet, zeigt bis heute Nachwirkungen, sei es, daß natÛrlich-metaphysische Ableitungen zum Kriterium der Offenbarung werden (Vorordnung der natÛrlichen Offenbarung), oder daß fideistische AnsÅtze keinen Wert auf natÛrliche AnknÛpfungspunkte legen (VernachlÅssigung der natÛrlichen Voraussetzungen). Auf diese Weise bleibt die Diastase zwischen natÛrlich-rationaler Gotteserkenntnis und fideistisch-revelatorischer Gotteserkenntnis aktuell19, auch wenn sie zumeist diffiziler und im Kontext weiterer PolaritÅten zum Vorschein kommt. GrundsÅtzlich entsprechen der genannten Diastase zwei einseitige AnsÅtze der Vermittlung von Gottes- und Welterfahrung. Die fideistische Hermeneutik beruht auf einer dualistisch-transzendentalen Betonung von Gott als „GegenÛber“ (ferner Gott), wÅhrend die natÛrliche Theologie in ihren unterschiedlichen AusprÅgungen zumeist Strukturen der „NÅhe“ Gottes voraussetzt, indem sie Gottes Strukturen aus den weltlichen bzw. immanenten Strukturen ableitet. Dadurch wird das VerhÅltnis von verborgenem und offenbarem Gott (Deus absconditus/Deus revelatus) – im Unterschied zur bi18

Siehe Kap. III,2 u. 3. Vgl. z. B. die Auseinandersetzung um die natÛrliche Gotteserkenntnis bei C. Bresch [u. a.] (Hg.): Gott, und den Hinweis auf die ×kumenische Dimension des Problems bei M. Kappes: „NatÛrliche Theologie“. 19

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blischen Spannung von Verborgenheit und geschichtlicher Selbsterschließung – zur PolaritÅt von apophatischer Unbegreiflichkeit Gottes und rationaler Objektivierbarkeit Gottes, was mit einer PolaritÅt von Glaube und Vernunft korreliert und die GegenÛberstellung von via negationis und via affirmationis zur Folge hat. Die theologia negativa erlaubt die AnnÅherung an Gott als via negationis lediglich durch die Negation endlicher Modi (unk×rperlich, unendlich etc.) sowie durch die ºberh×hung endlicher Vollkommenheiten (via eminentiae), so daß Gott als ein der Vernunft unzugÅngliches ºberseiendes gilt. Indem so auch die Offenbarung stets unter dem Vorbehalt des „Deus semper maior“ steht, gehen verlÅßliche Gotteserkenntnis und Heilsgewißheit verloren. Zugleich fÛhrt die vermeintlich apophatische Achtung der Transzendenz und Verborgenheit Gottes durch die RÛckschlÛsse der negativen Theologie – gegen deren Intention – doch wieder zu anthropomorpher Vereinnahmung Gottes, zumal die Dimension der Unbegreiflichkeit Gottes aus kosmologischen und anthropologischen Vorgaben abgeleitet wird. Noch offensichtlicher vollzieht sich diese anthropomorphe Ableitung im RÛckschlußverfahren der via affirmationis, die als natÛrliche Theologie den positiven Zusammenhang zwischen g×ttlichen und weltlichen Strukturen voraussetzt. In derart anthropomorpher Vereinnahmung Gottes gelangt sie umgekehrt – wegen der scheinbaren Offenbarung Gottes in der Sch×pfung – wieder zur Konfrontation mit der nicht zu verstehenden g×ttlichen Verborgenheit, da die Schrecken der Welt den postulierten positiven Zusammenhang konterkarieren.20 So endet eine einseitige Konzentration auf den primÅr offenbaren oder den primÅr verborgenen Gott jeweils im aporetischen Scheitern an einer angemessenen Vermittlung beider Dimensionen. Diese PolaritÅten treten unbeschadet der Metaphysikkritik Kants auf, da die Metaphysik der Substanz zumeist nur durch eine Metaphysik des Subjekts abgel×st wurde, die zwar in ihrer Anthropozentrik und aufgrund Kants metaphysikkritischer Reduktion auf die apriorischen Vernunftkategorien die Entwicklung vom Theismus zum Atheismus erm×glichte, woraus aber dennoch Åhnlich gelagerte PolaritÅten entstanden, die in ihrer Grundstruktur die genannten Diastasen aufnehmen. In jeweils unterschiedlicher Bewertung der Metaphysikkritik Kants besteht eine Auseinandersetzung Ûber die berechtigte Aufnahme theistischer bzw. metaphysischer Vorstellungen und den a-theistischen Charakter christlichen Glaubens. Letztere Position erinnert daran, daß sich durch Kants Metaphysikkritik jeglicher Theismus als menschliche Projektion entlarven lÅßt, weil Kant die Unm×glich-

20 Vgl. insgesamt E. JÛngel: Entsprechungen, S. 247 ff.; ders: Gott, S. 342 ff. u. 405 ff.; I. Lønning: „Art. Gott VIII“, S. 677; W. Kasper: Gott, S. 127, 163, 329; B. J. Hilberath: Personbegriff, S. 308 ff.

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keit eines metaphysischen RÛckschlusses auf Gottes Existenz und Wesen aufgezeigt hat.21 Andere AnsÅtze versuchen wiederum, den auf die Erkennbarkeit Gottes bezogenen Agnostizismus Kants durch eine NeubegrÛndung der Metaphysik zu Ûberwinden.22 Diese Versuche laufen erneut Gefahr, natÛrliche AnknÛpfungspunkte zum Kriterium der speziellen Offenbarung werden zu lassen, was etwa an Rahners Konzeption deutlich wurde, die unter VernachlÅssigung der Ambivalenz natÛrlicher Voraussetzungen (Krisis) die allgemeine Offenheit fÛr die g×ttliche Selbstmitteilung beinhaltet (anonymes Christentum) und so das VerhÅltnis von Gesetz und Evangelium durch linear-ergÅnzungstheologische Aspekte zu Ûberlagern vermag.23 Umgekehrt verleitet die a-theistische Orientierung in ihrer Konzentration auf die Krisis zu einer geringeren Wahrnehmung der natÛrlichen AnknÛpfungspunkte, was sich an JÛngels streng kreuzestheologisch ausgerichtetem Ansatz zeigt.24 Diese Tendenzen stehen im Kontext weiterer PolaritÅten wie dem VerhÅltnis von analoger Gotteserkenntnis anhand des sch×pfungsmÅßigen Seins (analogia entis) und anhand des Glaubens (analogia fidei) oder dem VerhÅltnis von theologia gloriae und theologia crucis. Letzteres lenkt den Blick auf Polarisierungen, die aus unterschiedlichen hermeneutischen MentalitÅten in Ost- und Westkirche resultieren, wenn etwa einer rational-historisch-natÛrlichen Hermeneutik im Westen durch Ioannis D. Zizioulas eine von ×stlicher MentalitÅt geprÅgte apophatisch-metahistorisch-transzendentale Hermeneutik entgegengestellt wird, die in ihrer pneumatologischeschatologischen Orientierung gegenÛber christologisch-historischen PrioritÅten im Westen (theologia crucis) den Christus Pantokrator und die Symphonia von irdischer und himmlischer Kirche betont (theologia gloriae).25 Dadurch tritt auch der Zusammenhang des offenbarungstheologischen Ansatzes mit dem VerhÅltnis von Christologie und Pneumatologie hervor. WÅhrend ferner die westliche Hermeneutik in ihrer historisch-revelatorischen Ausrichtung die hypostatische Erkennbarkeit des trinitarischen Gottes in der Heils×konomie voraussetzt, gehen ×stliche AnsÅtze palamitischer PrÅgung lediglich von der Gegenwart der g×ttlichen WirkkrÅfte (Energien) aus. Beide Ausrichtungen verursachen in ihrer Einseitigkeit 21 Zu Kants Metaphysikkritik und ihrer Wirkungsgeschichte s. o., S. 197 ff. – Die a-theistische Dimension wurde besonders von der Dialektischen Theologie in Abwehr jeglicher natÛrlicher, theistischer und metaphysischer Spekulationen herausgestrichen. Vgl. zur aktuellen Diskussion z. B. E. JÛngel: Gott, S. 128: „Der Atheismus ist als Verneinung des Theismus ein kritisches Moment christlicher Theologie, das im Gottesbegriff selbst zur Geltung zu bringen ist.“ 22 Neben K. Rahner (s. o., S. 247 f.) vgl. z. B. H. Petri: Problematik, S. 24 ff., und W. Kasper: Gott, S. 382. 23 Siehe Kap. IV,1.1.2. 24 Siehe Kap. IV,1.2.2. 25 Siehe Kap. I,3 u. V,2.1.

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unterschiedlichste Formen der Vereinnahmung Gottes. Im Westen fÛhrte die rationale Betrachtung der ×konomischen TrinitÅt mit ihrer oft unterschiedslosen Qualifizierung aller trinitarischen Querverbindungen zur Vorordnung des „Deus unus“, insofern als die fÛr eine dezidierte Wahrnehmung der Dreiheit wichtigen Differenzierungen eingeebnet wurden. Daraus konnte sowohl ein auf die Gnadenlehre fixiertes dualistisches GegenÛber von g×ttlicher Einheit und Welt als auch eine christozentrische Identifizierung von Gott und Kirche entstehen. Die beiden Grundformen der Vereinnahmung oder Handhabung Gottes, die sich oft gegenseitig bedingen, machen sich also auch hier bemerkbar: zum einen die dualistische Vorstellung vom fernen Gott, die das G×ttliche im Menschen (z. B. gnostische Konzepte, Formen des Idealismus) oder religi×se Selbstrechtfertigung (z. B. Formen pharisÅischer Werkgerechtigkeit, Formen neukantianischer Sittlichkeit) erfordert; zum anderen die identifizierende Vorstellung von der Immanenz g×ttlicher Strukturen, die eine Verquickung g×ttlicher und weltlicher Strukturen (z. B. neuplatonische Emanationen, Formen evolutionistischer ErgÅnzungstheologie) oder das Aufgehen Gottes in Welt und Kirche (z. B. Hegelscher Idealismus, Formen identifizierender Korporativ-Ekklesiologie) nach sich zieht. Auch ostkirchliche hermeneutische Einseitigkeiten sind von diesen zumeist diffiziler und in Mischungen auftretenden Grundformen der Versuche geprÅgt, Gottes habhaft zu werden. Zum Beispiel resultiert aus der palamitischen Trennung von ×konomischer und immanenter TrinitÅt nicht selten ekklesiologisch eine Identifizierung von pneumatozentrisch-energetischer Gottesgegenwart und eigener konfessioneller Erfahrung bzw. Tradition oder soteriologisch eine energetische ErgÅnzung natÛrlicher anthropologischer Voraussetzungen (Theosis als evolutionistische ErgÅnzungstheologie).26 Mit den offenbarungstheologischen Divergenzen, die nicht nur im VerhÅltnis von Ost- und Westkirche, sondern auch innerhalb der einzelnen Konfessionen bestehen, hÅngen also die theologischen Hauptprobleme hinsichtlich der Gottes- bzw. TrinitÅtslehre, der Glaubenshaltung, der Soteriologie und der Ekklesiologie zusammen. Neben konstitutiven VerhÅltnisbestimmungen wie dem VerhÅltnis von Einheit und Dreiheit Gottes (uno/ trino, intra-/interpersonal27 etc.), von ×konomischer und immanenter TrinitÅt (Trennung, Verquickung, totale Identifikation etc.)28 und von

Insgesamt s. o., S. 94 ff., und siehe Kap. I,3; III u. V. Zur vom Verfasser eingefÛhrten Verwendung dieser Terminologie in Form eines grundsÅtzlichen Begriffspaares s. o., S. 105 f. 28 In ºbereinstimmung mit W. Kasper bezeichnet G. Larentzakis: KirchenverstÅndnis, S. 79, diese VerhÅltnisbestimmung als das „fundamentalste Problem gegenwÅrtiger Theologie“. 26 27

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Christologie und Pneumatologie (Christozentrismus, Pneumatozentrik, Filioque etc.) sowie den mit diesen VerhÅltnisbestimmungen verbundenen Fragen nach energetischer oder hypostatischer Erkenntnis, nach appropriierten oder propriierten Sendungen und nach dem VerhÅltnis von innertrinitarischer Ursprungs- und Existenzebene29 geht es um die Grundfrage nach empfangender oder vereinnahmend-spekulativer bzw. selbstverg×ttlichender Hermeneutik. Denn auch in der Theologie tendiert der Mensch in seiner Neigung zur SelbstbegrÛndung zuweilen – wenn auch verdeckt – dahin, „daß er Gott ist und daß Gott nicht Gott ist“30 (Luther), was nach wie vor „das Hauptsymptom aller Pathologie unseres [. . .] Theologisierens ausmacht“31, insofern gilt: „Wir sollen menschen vnd nicht Gott sein. Das ist die summa“.32 (Luther) Von der hermeneutischen Grundhaltung hÅngt auch das VerstÅndnis der Soteriologie ab, wie etwa die Frage, ob der Mensch durch den Glauben und die personale Gemeinschaft mit Gott gerechtfertigt wird, oder ob er seine Gerechtigkeit in dem Habitus der geschaffenen Gnade oder einer energetisch-ergÅnzungstheologischen Theosis wÅhnt. In diesem Kontext kann auch die PolaritÅt zwischen synergistischem und deterministischem GlaubensverstÅndnis begegnen, durch die sich der Mensch etwa mittels Werkgerechtigkeit selbst auf die Seite des Heilsbringers stellt oder umgekehrt aufgrund doppelter PrÅdestination teilnahmslos resigniert. Mit der PrÅgung der Gottes- und Menschenerkenntnis durch die offenbarungstheologischen AnsÅtze, die das VerhÅltnis von verborgenem und offenbarem Gott bestimmen, bleibt auch die Charakterisierung des VerhÅltnisses von verborgener und sichtbarer Kirche verbunden, das sich je nach der Zuordnung von „GegenÛber und NÅhe“ Gottes darstellt. Ob es sich dabei um empfangende oder Gott vereinnahmende Strukturen handelt, liegt wiederum am VerhÅltnis von Schrift, Tradition und Kirche, das ebenfalls mit den offenbarungstheologischen AnsÅtzen korreliert (z. B. PolaritÅt zwischen revelatorisch-historischer PrioritÅt der Schrift und pneumatisch-eucharistischer Maßgeblichkeit kirchlicher Erfahrung).33 Das VerhÅltnis von Gott und Kirche bestimmt mit seinen Kriterien auch das VerhÅltnis von Kirche und Welt, das ebenfalls entsprechende PolaritÅten aufweisen kann (z. B.

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Zur EinfÛhrung dieser Terminologie durch den Verfasser s. o., S. 135. WA 1;225,2. 31 S. Harkianakis: Charakter, S. 346. 32 WA.B 5;415,43 ff. Vgl. neben dem damit Ûbereinstimmenden Hinweis aus den Ostkirchen in Anm. 31 den katholischen Theologen J. Madey: Koinonia, S. 166 f.: „Die GrundhÅresie unserer Zeit, den Glauben an den Menschen allein, kann man vielleicht ‚Prometheus-Glaube‘ bezeichnen.“ 33 Siehe Kap. V. 30

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Kirche als Offenbarung/Verweltlichung der Kirche).34 Diese PolaritÅten stehen nicht zuletzt mit der Frage nach anthropozentrischer oder kosmologischer Deutung des VerhÅltnisses von natÛrlicher Theologie und Offenbarungstheologie in Verbindung. Außerdem prÅgt die Zuordnung von allgemeiner und spezieller Offenbarung nicht unwesentlich die Kriterien fÛr den interreligi×sen Dialog, und zwar in Interdependenz mit dem Gottesbzw. TrinitÅtsverstÅndnis. Die fÛr alle diese Dimensionen folgenreichen inner- und interkonfessionellen Divergenzen im OffenbarungsverstÅndnis beruhen zumeist schon darauf, daß die Begriffe „natÛrliche Theologie“ und „Offenbarungstheologie“ an sich bereits unterschiedlich verstanden werden.35 Trotz der in allen Konfessionen zu beobachtenden Besinnung auf die Offenbarungsrelevanz der heils×konomischen TrinitÅt und die damit verbundenen biblischen und patristischen Grundlagen36 fehlt aufgrund der gezeigten Probleme nach wie vor ein konvergenzfÅhiger offenbarungstheologischer Rahmen. Dieser ließe sich aus dem in ost-westkirchlicher °kumene entstandenen – und im zweiten Kapitel nachgewiesenen – altkirchlichen offenbarungstheologischen Rahmen der neunizÅnischen Theologie ableiten, der zugleich die maßgeblichen trinitÅtstheologischen und ekklesiologischen Implikationen beinhaltet. Die dadurch gestellte Aufgabe, einen kriteriologischen offenbarungstheologischen Rahmen aus der neunizÅnischen Theologie abzuleiten, erscheint aufgrund der beobachteten Ûberkonfessionellen Besinnung auf die heils×konomisch ausgerichtete altkirchliche TrinitÅtslehre nicht nur als m×glich, sondern sie erweist sich angesichts der konstitutiven Bedeutung des offenbarungstheologischen Ansatzes fÛr das TrinitÅts- und KirchenverstÅndnis auch als notwendig, wenn eine trinitÅtstheologische und ekklesiologische AnnÅherung erreicht werden soll.37 Um die Relevanz und die Voraussetzungen des altkirchlichen Rahmens erkennen und entsprechende Differenzierungen aus ihm ableiten zu k×nnen, sollen zunÅchst die kosmologischen, anthropologischen und theologischen Dimensionen der Gotteserkenntnis beleuchtet werden.

34

S. o., S. 43. Zu den unterschiedlichen Auffassungen von „natÛrlicher“ Theologie vgl. W. Kasper: Gott, S. 92 ff., und E. JÛngel: Entsprechungen, S. 160 ff. Welche „Verschiedenheit“ und welcher „Mangel an Konkretheit“ hinsichtlich des Offenbarungsbegriffs besteht, er×rtert H. Petri: Problematik, S. 37 ff. 36 Siehe Kap. III,3. 37 „Die Vermittlung von Gotteserfahrung und Welterfahrung bleibt als dringliche Aufgabe der theologischen Reflexion auf der Tagesordnung der °kumene. Daß dabei die altkirchliche TrinitÅtslehre ins Zentrum der Aufmerksamkeit rÛckt, darf als interessantes Zeichen der Zeit zu bewerten sein“ (I. Lønning: Art. „Gott VIII“, S. 690). 35

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Sowohl der Wirklichkeit von WELT UND KOSMOS als auch der Universalhistorie und dem Menschen haftet eine Selbsttranszendenz an, die zwischen „woher“ und „wohin“ oszilliert, die aufgrund der Kontingenz und Endlichkeit einer radikalen Fraglichkeit unterworfen ist, die im Staunen Ûber das Wunder des Seins Frag-WÛrdigkeit enthÅlt und die die Ahnung eines letzten Grundes beinhaltet. Damit verbunden ist die Frage nach einem letzten Sinn oder Ziel sowie das PhÅnomen der Gottesidee, wobei alle genannten Dimensionen „die Form eines unthematischen Gewahrseins haben“, weil „der Mensch von allem Anfang an in ein ihn Ûbersteigendes ‚Geheimnis‘ hineingestellt ist, und zwar in der Weise, daß sich ihm ‚die unverfÛgbare [. . .] Unendlichkeit der Wirklichkeit als Geheimnis dauernd zuschickt‘“38. FÛr die Gottesbeweise in ihrer kosmologischen, anthropologischen, geschichtsphilosophischen oder ontologischen Ausrichtung gilt deshalb, daß sie nicht im RÛckschluß von den Aspekten, welche die Selbsttranszendenz begrÛnden, Gott „beweisbar“ ableiten k×nnen – was Kants Metaphysikkritik unterstreicht –, sondern sich lediglich einem „Grenzbegriff der Vernunft“ nÅhern: „Wir stoßen auf einen grundlosen Grund, an dem unser begrÛndendes Denken zu Ende ist. Gerade wo es um den letzten Grund geht, mÛssen wir unser begrÛndendes Denken aufgeben und uns auf das absolut Grundlose einlassen.“39 Eine durch die Selbsttranszendenz hervorgerufene Ahnung von Gott verlangt also die hermeneutische Umkehr von selbstbehauptendem und spekulativem Denken zu empfangender Anerkennung der KreatÛrlichkeit des Seins. Unter dieser Voraussetzung ist laut alt- und neutestamentlichem Zeugnis die Erkennbarkeit Gottes aus den Werken seiner vom Sch×pfergeist durchdrungenen Sch×pfung gegeben (z. B. Psalm 8; 19; 29; 104; 148; Act 14,16 f.; 17,22 ff.; R×m 1,19 f.), weshalb es sich als unentschuldbar erweist, wenn der Mensch Gott die Ehre verweigert (R×m 1,20). Das bezeugt auch das menschliche Gewissen, insofern als das Gesetz Gottes dem Menschen ins Herz geschrieben ist (R×m 2,14 f.). Der Mensch, dem sich auf diesen Wegen die Ahnung er×ffnet, daß Gott ist, aber noch nicht, wer Gott ist (Luther), neigt jedoch nach R×m 1,18 ff. statt zu einer sich ×ffnenden Anerkennung Gottes zur Identifikation Gottes mit Gesch×pflichem oder mit sich selbst. Wegen der darauf beruhenden Ambivalenz „natÛrlicher“ Gotteserkenntnis mÛssen Natur und Gnade sowie Vernunft und Glaube aufeinander bezogen bleiben, da sich die Gnade die Natur voraussetzt und der Glaube die Vernunft in Dienst nimmt. „Deshalb ist die Natur kein eigenstÅndiger, in sich abgeschlossener und aus sich vollendbarer Wirklichkeitsbereich. Sie ist dynamisch Ûber sich hinaus auf eine ErfÛllung ausgerichtet, die sie sich selbst nicht geben kann, die sie vielmehr allein durch die Gnade erhÅlt. Erst durch die Gnade erlangt die Natur ihre eigentliche Bestimmung. Wo sie sich dagegen sÛndhaft gegen die Gnade versperrt, da gerÅt sie in Widerspruch mit sich selbst, da wird sie zutiefst verkehrt.“40 Somit ist der Zusammenhang zwischen Sch×pfungs- und Heils-

38 W. Pannenberg: Theologie I, S. 128, wo er auf K. Rahner zurÛckgreift. Vgl. insgesamt W. Kasper: Gott, S. 133 ff., und C. SchÛtz: Tendenzen, S. 277 ff. 39 W. Kasper: Gott, S. 135. Zu den verschiedenen Formen der Gottesbeweise vgl. ebd., S. 131 ff. – Zu Kants Metaphysikkritik s. o., S. 197 f. 40 W. Kasper: Gott, S. 101. Vgl. insgesamt ebd., S. 93 ff.; M. Welker: Geist, S. 17; E. JÛngel: Entsprechungen, S. 163 ff.; C. Bresch [u. a.] (Hg.): Gott, S. 53 u. 138 f., und W. Pannenberg:

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ordnung bzw. zwischen allen drei Artikeln des Glaubensbekenntnisses gegeben. Entgegen der linear trennenden Stufenordnung von natÛrlicher und ÛbernatÛrlicher Gotteserkenntnis besteht eine trinitarisch-heilsgeschichtliche Dynamik von Sch×pfung, Erl×sung und Vollendung, in der sowohl das jeweils spezifische Handeln von Vater, Sohn und Heiligem Geist in den drei heilsgeschichtlichen Phasen zum Ausdruck kommt als auch das gemeinsame Handeln der trinitarischen Personen in jeder dieser Phasen, so daß die TrinitÅtslehre im Kontext von Gesetz und Evangelium den hermeneutisch relevanten Zusammenhang von Sch×pfungs- und Heilsordnung aufzeigt. In der dynamischen Zuordnung von sch×pfungsmÅßigen Erkenntnisvoraussetzungen und revelatorischer Selbsterschließung kommt neben den natÛrlichen AnknÛpfungspunkten und Voraussetzungen der Selbsterschließung auch die Krisis (theologia crucis) mit ihrer Offenlegung der sÛndhaften Verkehrung und Ambivalenz dieser Voraussetzungen zum Tragen. „Die Sch×pfung muß daher so interpretiert werden, daß sie von Anfang an auf die Verwirklichung der vollendeten Gemeinschaft des trinitarischen Gottes mit seiner Sch×pfung abzielt, die angesichts des Widerspruchs der SÛnde nur durch die von Gott gewirkte Vers×hnung verwirklicht werden kann. Die Vers×hnung muß in dieser Weise als Ausdruck der Treue Gottes zu seiner Sch×pfung und in dieser Weise als erneute Einbeziehung des Gott widersprechenden Menschen in die ursprÛngliche Zielsetzung der Sch×pfung verstanden werden. Die Vollendung der Welt darf darum nicht nach apokalyptischer Manier als radikale Neusch×pfung verstanden werden, sondern muß als Vollendung der vers×hnten Sch×pfung interpretiert werden, also als neusch×pferisches Handeln Gottes an der ursprÛnglichen Sch×pfung.“41 Gesch×pfliche Natur und Vernunft bleiben trotz der SÛnde AnknÛpfungspunkte fÛr die Erschließung der Gemeinschaft mit dem dreieinigen Gott, weil sie darauf ausgerichtet sind: „Wenn es faktisch keine natÛrliche Ordnung (im traditionellen Sinn) gibt und ‚Natur‘ (Sch×pfung) immer schon Anfang von trinitarischer Offenbarungs- und Heilsgeschichte ist, so gibt es auch keine natÛrliche Vernunft im Sinne eines ‚neutralen‘ Verm×gens als jener geistigen FÅhigkeit, mit der der Mensch sich die Wirklichkeit zu eigen macht, seinen eigenen Ort darin bestimmt und allenfalls noch eine unbestimmte Offenheit auf Transzendenz erfÅhrt. Vielmehr ist auch die Vernunft faktisch geprÅgt von dem und ausgerichtet auf das von Gott in Freiheit er×ffnete und geschenkte Ziel des Lebens mit dem dreifaltigen Gott. Und da dieses Ziel sich dem Menschen in einem geschichtlichen Offenbarungsprozeß darbietet, ist die Vernunft nicht indifferent gegenÛber den sie an-gehenden geschichtlichen Bestimmungen.“42 Zugleich sind der Vernunft die Spuren der TrinitÅt (vestigia trinitatis) in der vom dreieinigen Gott geprÅgten Sch×pfungswirklichkeit zugÅnglich. Neben vielen Spuren analoger Einheit in Vielfalt im Kosmos gilt das auch fÛr intrapersonal-psychologische und interpersonal-soziale trinitarische Analogien, die ihre Berechtigung

Theologie I, S. 121 ff., der im Blick auf R×m 2,15 den Zusammenhang von Gewissen, Selbstbewußtsein, Selbsterfahrung und Selbsterkenntnis er×rtert. 41 C. Schw×bel: TrinitÅtslehre, S. 143 (Hervorhebung v. Vf.). Vgl. insgesamt ebd., S. 142 ff.; E. Lessing: Art. „Geist V“, S. 229 ff.; W. Kasper: Gott, S. 102; G. Noller: Eschatologie, S. 91 f. 42 G. Greshake: Gott, S. 39.

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zwar unter anderem in der Gottebenbildlichkeit des Menschen (imago Dei, Gen 1,26 f.) haben, die aber die intra- und interpersonale Dreieinigkeit Gottes immer nur annÅhernd widerspiegeln k×nnen, da allein in Gott die Gleichzeitigkeit von intraund interpersonaler Dimension existiert. Deshalb darf es nicht zur unangemessenen Prinzipialisierung der TrinitÅtslehre kommen, wie es in vielen zeitgen×ssischen trinitÅtstheologischen AnsÅtzen durch die undifferenzierte Identifizierung g×ttlicher und weltlicher bzw. menschlicher Strukturen zu beobachten ist, wobei die Identifizierung zumeist durch die ºbertragung weltlicher, anthropologischer oder ekklesiologischer Strukturen auf Gott erfolgt, was einer Funktionalisierung der TrinitÅtslehre gleichkommt.43 „Die Rede von den vestigia trinitatis in aller geschaffenen Wirklichkeit ist also gewissermaßen eine Gratwanderung: auf der einen Seite betont sie den Zusammenhang zwischen trinitarischem Gott (qua trinitarischem) und Erfahrung, auf der anderen Seite betont sie durch die Abweisung eines durch rationale Argumentation geschehenden, evidenten und zweifelsfreien RÛckschlusses die ‚ontologische Differenz‘: Die Weise, wie Gott in sich ist, Ûbersteigt alle gesch×pfliche Ausdenkbarkeit, und darum kann (endliche) Erfahrung nur auf vestigia fÛr das Unendliche stoßen. Aber dieses ‚Nur-vestigium-Sein‘ der gesch×pflichen Wirklichkeit ist nicht als Defizienz, sondern als positive modale Bestimmung zu werten: Die Erfahrungswirklichkeit weist tatsÅchlich auf den trinitarischen Gott hin.“44 Denn das „Geschaffene ist auf Grund seines Ursprungs und seiner Entfaltung vom dreieinen Gott durchwirkt und deshalb dessen Abbild“45. Die Analogie zwischen gesch×pflicher und g×ttlicher Wirklichkeit bildet die Voraussetzung dafÛr, die Offenbarung Gottes verstehen zu k×nnen und die UniversalitÅt der speziellen Offenbarung wahrzunehmen, was durch die Interdependenz der drei Artikel des Glaubensbekenntnisses gewÅhrleistet wird. Weil die Inkarnation (2. Artikel) sowohl auf die mit der Sch×pfungswirklichkeit gegebenen Voraussetzungen (1. Artikel) als auch auf die eschatologische Vollendung durch den Heiligen Geist (3. Artikel) verweist, ist der integrale Zusammenhang von Vernunft und Geist sowie von Sch×pfungs- und Heilswirklichkeit gegeben, zumal der Heilige Geist neben der Vollendung auch die Erhaltung der Sch×pfung und die Erl×sung in Christus vollzieht.46 In diesem Kontext verbietet nicht nur der erste Artikel mit seiner Bezugnahme auf den gesamten Kosmos eine oft zu beobachtende anthropozentrische oder

43 Vgl. dazu die kritische Untersuchung der trinitÅtstheologischen AnsÅtze in Kap. IV u. V. – Zum Problem der Prinzipialisierung und Funktionalisierung der TrinitÅtstheologie vgl. auch C. Schw×bel: TrinitÅtslehre, S. 135 u. 153 f., und O. Bayer: TrinitÅtslehre, S. 76 ff. Zu verschiedenen Formen der vestigia trinitatis s. o., S. 140 f., und vgl. z. B. G. Greshake: Gott, S. 38 ff.; J. Werbick: TrinitÅtslehre, S. 518 ff., und L. Oeing-Hanhoff: Ontologie, S. 143 ff., der geistmetaphysischontologische vestigia trinitatis darlegt, diese aber auch im metaphysischen RÛckschlußverfahren auf Gott ÛbertrÅgt. – Zur Ambivalenz der in der Welt vorfindlichen vestigia trinitatis vgl. G. Wenz: Unio, S. 342. 44 G. Greshake: Gott, S. 42. 45 Ebd., S. 41. 46 Vgl. Gemeinschaft, S. 88; J.-Y. Lacoste: Theologie, S. 6; W. Kasper: Gott, S. 280; E. Lessing: Art. „Geist V“, S. 229 ff.; E. JÛngel: Entsprechungen, S. 7 f., und G. Wenz: Unio, S. 341 f., der den trinitarisch begrÛndeten Zusammenhang von Sch×pfung und Erl×sung anhand der Confessio Augustana er×rtert.

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existentialistische Reduktion, sondern auch der dritte Artikel mit seiner den ganzen Kosmos betreffenden Perspektive der eschatologischen Verherrlichung. Die neuzeitliche anthropozentrische Grundorientierung, die sich etwa in rein sittlicher ReligiositÅt neukantianischer PrÅgung oder in existentialistischer Ausblendung der natÛrlich-kosmologischen Dimension Åußert, wird der ganzheitlichen Selbsttranszendenz des Menschen und seiner Einbindung in Welt und Geschichte nicht gerecht. Deshalb „wÛrde ein v×llig akosmisches Gottesbild, Wirklichkeits- und SelbstverstÅndnis des Menschen [. . .] eine bedenkliche Ausfallerscheinung darstellen.“47 Ein solches Defizit wird durch das trinitarische Bekenntnis verhindert, das Sch×pfung und Erl×sung umschließt und sich „fÛr den umfassenden Horizont des Wirklichen“48 ×ffnet. Weil man Gott die Wirklichkeit von Welt und Kosmos nicht entziehen kann und der universale Wahrheitsanspruch der Offenbarung im Erfahrungskontext der Menschen gewÅhrleistet bleiben muß, um zu verhindern, „daß der Glaube auf den Standpunkt eines ‚credo, quia absurdum‘ verwiesen wird“49, bedarf es der Wahrnehmung der Dimension natÛrlich-metaphysischer Transzendenz50 und ihrer ganzheitlichen Orientierung, allerdings nicht in Form einer prinzipialisierenden natÛrlichen Theologie, sondern als Grundlage der Ahnung von Gott und als AnknÛpfungspunkt seiner revelatorischen Selbsterschließung, auf welche die Ahnung wiederum angewiesen bleibt. Neben der Beachtung des kosmologischen Aspekts bleibt jedoch gerade im neuzeitlichen Kontext die Auseinandersetzung mit den ANTHROPOLOGISCHEN VORAUSSETZUNGEN DER GOTTESERKENNTNIS grundlegend. Als ErgÅnzung der diesbezÛglich schon hervorgetretenen Aspekte sei darauf hingewiesen, daß bereits im griechischen Begriff „Anthropos“ (Mensch) das Ûber sich hinausweisende Wesen des Menschen angedeutet ist, insofern als dieser Begriff etymologisch mit dem Wortstamm a™nahreı˜n (nach oben blicken) in Verbindung gebracht wurde.51 Der Mensch, der die Begrenztheit seines Lebens ernst nimmt, spÛrt, daß er von Voraussetzungen lebt, die er nicht selbst geschaffen hat. Dadurch erfÅhrt sich der Mensch als Frage und als Geheimnis, es existiert eine Unruhe der Unabschließbarkeit und somit das GefÛhl, aus sich herausgerufen zu sein. Die sich in solcher „Frag-WÛrdigkeit des Geheimnisses“52 und im existentiellen Verwiesensein dokumentierende Selbsttranszendenz des Menschen erwartet eine „Antwort auf die mit dem Menschen als Person gegebene Frage nach dem Ganzen der Wirklichkeit“53 sowie nach dem universalen Sinn aller

47 C. SchÛtz: Tendenzen, S. 281. Vgl. insgesamt I. Lønning: Art. „Gott VIII“, S. 681 f. u. 687 f.; W. Kasper: Gott, S. 46; E. JÛngel: Gott, S. 17 ff.; B. Klappert: Tendenzen, S. 194 f. 48 F. Schmid: ErwÅgungen, S. 68. 49 C. SchÛtz: Tendenzen, S. 275. Vgl. H. Petri: Problematik, S. 14 ff., und M. Kappes: „NatÛrliche Theologie“, S. 297, 300 f., 307. 50 Vgl. H. Petri: Problematik, S. 14 ff. u. 23 f., und C. SchÛtz: Tendenzen, S. 270 ff. 51 Vgl. E. JÛngel: Entsprechungen, S. 208. 52 C. SchÛtz: Tendenzen, S. 283. Vgl. ebd., S. 285 u. 306; B. G. Langemeyer: Einheit, S. 313; E. JÛngel: Entsprechungen, S. 190; ders.: Gott, S. 20 u. 541; W. Kasper: Gott, S. 25 ff., 114 ff., 328 ff.; I. Lønning: Art. „Gott VIII“, S. 579 u. 699; H. G. Ulrich: Heiliger Geist, S. 69 f. 53 W. Kasper: Gott, S. 27. Vgl. E. JÛngel: Gott, S. 541: „Man kann vor der ehernen Tatsache der eigenen Begrenztheit, die angesichts der Todesgrenze und ihres non plus ultra besonders peinlich ist, auch resignieren. Man wÛrde damit aber gegenÛber dem Menschsein des Menschen, man wÛrde vor sich selbst resignieren.“

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Wirklichkeit. In diesem „Gefordertsein der menschlichen Existenz“54 existiert sowohl das mit menschlicher PersonalitÅt und Liebeserfahrung gegebene Grundvertrauen als auch eine unauslotbare Verborgenheit: „Insofern die Erfahrung des Geheimnisses ein unerreichbarer Horizont aller unserer Erfahrung ist, begegnet es uns als das ganz Andere [. . .]. Insofern es uns in allen Dingen nahe ist, erscheint es uns als bergender Grund“55. Durch die Erfahrung des Geheimnisses, das die Frage nach dem universalen Sinn beinhaltet, wird das Denken Ûber sich selbst hinausgewiesen, bis hin zum Grenzbegriff der Gottesidee: „Vor ihm muß unser Denken verstummen. Soll uns das Unendliche zugÅnglich werden, dann muß es sich uns selbst erschließen.“56 Das Herausgerufensein bzw. das Angewiesensein auf Anrede ist in der personalen und sprachlichen Konstitution des Menschen angelegt, wobei sich PersonalitÅt und sprachliche Konstitution gegenseitig bedingen. Die mit selbstreflexiver SubjektivitÅt verbundene PersonalitÅt des Menschen verk×rpert Selbstsein im GegenÛber- und Mitsein. Dementsprechend beinhaltet menschliche PersonalitÅt sowohl die apophatische Reserve des personalen Geheimnisses, die jenseits empirischer Ableitbarkeit steht, als auch die mit den Externrelationen einhergehende Dimension der Gemeinschaft und des Angegangenseins von außen. Weil sich der Mensch als personales Geheimnis nur selbst mitteilen kann und zugleich auf personale Gemeinschaft und damit auf Anrede angewiesen ist, bedarf er ontologisch der sprachlichen Konstitution. Die Sprachlichkeit wiederum erm×glicht durch den Zusammenhang von Erschließung, Verschlossenheit und Offenheit nicht nur die Handhabung des Aspekts des personalen Geheimnisses, sondern auch die freie Ansprechbarkeit des Menschen und die freie intersubjektive Gemeinschaft der Menschen untereinander.57 DarÛber hinaus geben Sprachlichkeit und PersonalitÅt die Selbsttranszendenz des Menschen zu erkennen. Hinsichtlich der sprachlichen Transzendenz gelangt Walter Kasper nach einem komprimierten sprachphilosophischen Durchgang zu folgendem begrÛndeten Urteil: „Zusammenfassend lÅßt sich sagen, daß die Sprache sowohl in syntaktischgrammatischer wie in pragmatischer und in semantischer Hinsicht eine transzendierende Bewegung einschließt. Sie kann nicht nur, sie will auch immer schon mehr sagen, als was der Fall ist. Die Sprache lebt vom Vorgriff auf einen Gesamtsinn der Wirklichkeit und bringt diesen in Metaphern und Gleichnissen zum Ausdruck. So ist die Sprache zugleich Erinnerung an eine unabgegoltene Hoffnung der Menschheit und zugleich Antizipation dieser Hoffnung. Noch bevor die Sprache zur expliziten religi×sen Sprache wird, impliziert sie je schon eine religi×se Dimension. Erst die religi×se Sprache bringt die Sprache zu sich selbst. Nicht das Wort Gott ist ein sinnloses Wort, vielmehr ist dort, wo Gott totgeschwiegen wird, das Sprechen selbst gefÅhrdet.“58

I. Lønning: Art. „Gott VIII“, S. 699. W. Kasper: Gott, S. 115. Vgl. E. JÛngel: Entsprechungen, S. 201. 56 W. Kasper: Gott, S. 151. Vgl. W. Pannenberg: Theologie I, S. 121 ff. 57 Vgl. insgesamt D. Staniloae: Dogmatik I, S. 26 f., 93, 137 ff.; E. JÛngel: Gott, S. 208 u. 216 ff.; ders: Entsprechungen, S. 190; G. Ebeling: Dogmatik I, S. 182 ff.; W. Kasper: Gott, S. 88 f., 122 ff., 328 ff.; L. Scheffczyk: Traditionen, S. 72. 58 W. Kasper: Gott, S. 124. Vgl. ebd., S. 122: „Die religi×se Sprache ist also keine Sondersprache neben anderen Sprachformen; sie expliziert vielmehr die M×glichkeitsbedingung aller anderen Sprache.“ Zum sprachphilosophischen Durchgang Kaspers vgl. ebd., S. 116–131. Mit seiner 54 55

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Nach Gerhard Ebeling bÛndelt sich „die Tatsache, daß der Mensch in der Ganzheit seines Lebens und damit im Hinblick auf die Wirklichkeit im ganzen in einer letztgÛltigen Weise sprachlich angegangen ist“, im Wort „Gott“59. Wie die Sprachlichkeit des Menschen bewußte Beziehungen in personaler Gemeinschaft erm×glicht bzw. voraussetzt und wie die im personalen Geheimnis gegebene Sinnfrage auf ein personales GegenÛber verweist, das den Sinn hinter den vom Menschen nicht beantwortbaren Fragen zu er×ffnen vermag, so kann das menschliche Wesen „seine ErfÛllung als Person nur in der Gemeinschaft mit einem h×heren pers×nlichen Wesen finden“60. Als „Anrede Gottes“ weist „das Rufwort Gott [. . .] eindeutig auf ein Du hin, angesichts dessen sich der Mensch erst als ein unverwechselbares Ich weiß“61. Mit dieser Charakteristik des Gottesbegriffs und der historisch tatsÅchlich vorfindlichen Selbsterschließung Gottes im Wort tritt neben der PersonalitÅt des Menschen auch die PersonalitÅt Gottes hervor: „Gotteserkenntnis als Wortgeschehen impliziert Erkenntnis Gottes als Person.“62 Indem Gottes Wort die als Wortsituation bestehende Grundsituation des Menschen trifft, zeigt es schon allein als Vollzug das menschliche Hingeordnetsein auf die freie personale Gemeinschaft mit Gott, die das menschliche Personsein als „Reflex der Personhaftigkeit Gottes“63 erweist. Vor diesem Hintergrund geben die vestigia trinitatis zu erkennen, daß die Menschen als imago Dei in sich selbst und untereinander auf das g×ttliche Leben der Liebe, welches die innertrinitarische Koinonia darstellt, hingeordnet sind.64 Hinweise auf diese ZusammenhÅnge beinhalten neben der – die Selbstliebe erm×glichenden – intrapersonalen psychologischen Analogie (Geist [mens]/Erkenntnis [notitia]/Liebe [amor]) und der – die interpersonale Liebe kennzeichnenden – sozialen Analogie (Vater/Mutter/Kind) auch vestigia trinitatis, wie sie in zeitgen×ssischen Konzeptionen einer Ontologie bzw. Metaphysik der Person oder Liebe aufgedeckt werden. Solche Konzeptionen erkennen gegenÛber statischen AnsÅtzen – seien sie substanz- oder geistmetaphysisch – verschiedene intra- und interpersonale trinitarische Analogien, die lebendige PersonalitÅt, Sprachlichkeit, Gemeinschaft und Freiheit als AnknÛpfungspunkte fÛr die Koinonia zwischen dem trinitarischen Gott und den Menschen transparent werden lassen. Auf der Grundlage, daß Seiendes (ens) und seine artlich bestimmte Wesenheit als „Sache“ (res) eine Einheit bilden (unum), zeigen sie zum Beispiel den Ternar „ens, res, unum“ und die „communicatio sui“, in der Sein und We-

EinschÅtzung des VerhÅltnisses von allgemeiner und religi×ser Sprachlichkeit entspricht Kasper den Ergebnissen G. Ebelings, fÛr den das Wort als Wort in letzter Hinsicht im Wort Gottes begegnet, das die Sprache zu ihrem Ziel bringt (vgl. G. Ebeling: Dogmatik I, S. 182 ff. u. 257 ff.; ders.: Dogmatik II, S. 90 ff.; ders.: Dogmatik III, S. 249 ff.; ders.: Wort I, S. 319 ff.; ders.: Wort II, S. 99 ff. Vgl. dazu auch E. JÛngel: Gott, S. 203 ff., und M. Haudel: Bibel, S. 73. 59 G. Ebeling: Dogmatik I, S. 190. 60 D. Staniloae: Dogmatik I, S. 27. Vgl. C. SchÛtz: Tendenzen, S. 283 f.: „Dem [. . .] Zusammenhang von Geschichte und Sinnfrage bzw. Sinnerfahrung wird kein apersonales ErklÅrungsmodell letztlich gerecht.“ 61 I. Lønning: Art. „Gott VIII“, S. 698 f. 62 G. Ebeling: Wort I, S. 370. 63 I. Lønning: Art. „Gott VIII“, S. 699. Vgl. W. Kasper: Gott, S. 88, und L. Oeing-Hanhoff: Ontologie, S. 163 ff. 64 Vgl. J. Werbick: Bilder, S. 288 f.; L. Oeing-Hanhoff: Ontologie, S. 143 ff. u. 173 ff.

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sen das konkrete Seiende durch ihre Selbstmitteilung konstituieren. So kann Sein als „Vollzug“ von „Kommunion“ und „Sich-Geben“ verstanden werden, was mit der Darstellung personalen Lebens als Selbstmitteilung durch sprachliche Selbstdarstellung und durch liebende Hingabe korreliert. Die sprachliche Verfaßtheit wird hier daran ersichtlich, daß das Wort das Bild ist, das der menschliche Geist von sich und den Dingen hat, so daß durch Sprachlichkeit geformte PersonalitÅt die Voraussetzung freier Kommunikation und Gemeinschaft bildet und die dialogische Gemeinschaft der Liebe er×ffnet (Metaphysik der Liebe).65 An diesen ZusammenhÅngen kommen Analogien zu den intra- und interpersonalen Dimensionen zum Vorschein, in denen sich Vater, Logos und Heiliger Geist darstellen und lieben. Karl Rahner kann deshalb von der trinitarisch geprÅgten Analogie zwischen dem Geheimnis Gottes und dem Geheimnis menschlicher Existenz sprechen, weil letztere von ihrer Herkunft und Erkenntnis auf das Angebot der Wahrheit durch den Logos angewiesen ist, wÅhrend sie hinsichtlich ihrer Zukunft der Erm×glichung der Annahme des Liebesangebots durch den Heiligen Geist bedarf.66 Im trinitarischen Geheimnis erweist sich dessen sprachliche Konstitution durch die IdentitÅt des Wortes Gottes (Logos) mit Gott selbst. Diese einmalige IdentitÅt von Wort und Sein erm×glicht den Menschen wahre Gotteserkenntnis und Heilsgewißheit, weil sich Gott in seinem Wort entspricht. Wenn sich der sprachlich konstituierte Mensch glaubend auf die Anrede Gottes einlÅßt, handelt es sich um „dasjenige Verhalten, in dem der Mensch gleichursprÛnglich sowohl Gott als auch sich selbst entspricht“67, da er Gott als den von sich aus Redenden gelten lÅßt und sich das wahre Menschsein zusprechen lÅßt. „Letztlich geht es um das einzige Wort, ‚das den Menschen menschlich macht, indem es ihn zum Glaubenden macht‘“68. So ist wahre Gottes- und Menschenerkenntnis nur in der Gemeinschaft mit Gott m×glich, was in dieser Untersuchung als Koinonia-Erkenntnis herausgestellt wurde.69 Denn Gott verschließt sich nicht bis zur Unkenntlichkeit, sondern er erschließt sich als personales Geheimnis, und zwar auf der Grundlage kreatÛrlicher AnknÛpfungspunkte, weil die Sch×pfung vom g×ttlichen Logos und vom Geist geprÅgt ist, so daß sich bereits „in Sch×pfung und vorchristlicher Geschichte immer auch schon antizipierende Formen der TrinitÅtsoffenbarung ereignen“70. Die vestigia trinitatis zeigen, daß „Gott im Hinblick auf seine trinitarische Selbsterschließung den Menschen als Adressaten und Partner“71 geschaffen hat. Gott, der die innertrinitarische Beziehung

65 Anmerkungen zu Konzeptionen einer Metaphysik der Liebe, die z. B. H. U. von Balthasar entwickelt, finden sich bei W. L×ser: TrinitÅtstheologie, S. 36 ff. Eine trinitarische Ontologie und Metaphysik der Person liefert z. B. L. Oeing-Hanhoff: Ontologie, S. 143 ff., wobei er sich u. a. auf K. Hemmerle bezieht. – Zur Problematik, daß solche Konzeptionen nicht zu einer vorgeordneten metaphysischen Prinzipialisierung der TrinitÅtslehre werden dÛrfen, sondern auf die heils×konomische Selbsterschließung Gottes angewiesen bleiben, s. u., S. 493 ff. 66 S. o., S. 246 f. 67 E. JÛngel: Gott, S. 219. Zur Identifikation von Wort Gottes und Gott vgl. ders.: Entsprechungen, S. 238. 68 M. Haudel: Bibel, S. 73. 69 S. o., bes. S. 129 f. u. 270, und s. u., S. 482 f. 70 G. Greshake: Gott, S. 41. 71 B. J. Hilberath: Gott, S. 67.

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der Liebe verk×rpert, nimmt „die Menschen als seine von ihm selbst geschaffenen Kommunikationspartner in diese Beziehung auf [. . .], so daß diese – von der grenzenlosen Beziehungswilligkeit Gottes ergriffen und sich ihr ×ffnend – den Mitmenschen wie auch ihrem Gott entsprechen und zu ihrem menschlichen Wesen kommen k×nnen“72. Doch die vestigia trinitatis allein k×nnen nicht zu dieser Erkenntnis fÛhren, da sie zwar einen analogen Zusammenhang zwischen kreatÛrlichem und g×ttlichem Geheimnis widerspiegeln, aber zugleich die Differenz zwischen beiden Ebenen beinhalten, was ein prinzipialisierendes RÛckschlußverfahren verbietet und die bleibende Angewiesenheit auf die Selbsterschließung des personalen Geheimnisses Gottes bedeutet. Eine Prinzipialisierung der TrinitÅtslehre wÛrde nÅmlich mit der undifferenzierten Identifizierung weltlicher und g×ttlicher Strukturen die Gefahr einer funktionalisierenden ºbertragung weltlicher Strukturen auf Gott heraufbeschw×ren.73 Die natÛrlichen AnknÛpfungspunkte, die sich aus der kosmologischen und anthropologischen Transzendenz ergeben, er×ffnen also lediglich die Dimension einer Ahnung von Gott, die verlangt, sich fÛr die g×ttliche Selbsterschließung zu ×ffnen, welche erst die vestigia trinitatis klar aufleuchten lÅßt. Werden Selbsttranszendenz und Gottesbegriff ernst genommen, lÅßt sich erkennen, daß sich die Menschen Gott empfangend zu ×ffnen haben, statt ihn spekulativ zu vereinnahmen oder zu negieren. Neben den gezeigten Aspekten kosmologischer und anthropologischer Transzendenz wird das Erfordernis einer solchen Hermeneutik am GOTTESBEGRIFF deutlich, wie es zum Teil schon anklang. Die bereits hervorgetretenen Aspekte, die aufgrund menschlicher PersonalitÅt und Sprachlichkeit auf die PersonalitÅt Gottes und die Charakteristik des Wortes „Gott“ als Rufwort bzw. Anrede hindeuten, fordern ebenso wie andere Merkmale dazu auf, die Implikationen des Gottesbegriffs ernst zu nehmen. Zwar enthÅlt das Wort „Gott“ fÛr sich genommen noch keine bestimmte Gottesvorstellung oder eine eigenstÅndige VerstÅndlichkeit, aber das menschliche Reden von Gott weist einen gewissen Resonanzboden auf, der das Moment des LetztgÛltigen und des Angegangenseins anklingen lÅßt. Zum einen haftet dem im Gottesbegriff gegebenen Horizont der letztgÛltigen Wahrheit und Seinsgrundlage die Dimension des Geheimnisses an, das sich aus den weltlichen ZusammenhÅngen nicht greifen lÅßt und hinter dem sich deshalb eine unverfÛgbare Eigenwirklichkeit (AseitÅt) und somit eine selbstursÅchliche Einzigartigkeit zu verbergen vermag. So scheint der Gottesbegriff ein grundloses Sein zu enthalten, das aus sich selbst existiert und index sui et falsi ist. Der Gottesbegriff transportiert also zum einen ein Geheimnis, das sich dem Menschen als entzogen erweist, das ihn aber zum anderen als definitives „Woraufhin“ seines Lebens unbedingt angeht. Denn dieses Geheimnis verbindet sich mit der Ahnung einer ersten, aus sich existierenden und alles Sein umfassenden Ursache, zumal „die Rede von Gott nur dann sinnvoll ist, wenn sie ‚Gott‘ als ein auf das Ganze gehendes Wort zu verstehen gibt, dessen besonderer Anspruch

72 J. Werbick: TrinitÅtslehre, S. 557 (im Original kursiv). Vgl. W. Kasper: Gott, S. 96 u. 104; L. Oeing-Hanhoff: Ontologie, S. 164, 167, 173; P. Fransen: communio, S. 186 f.; W. Breuning: TrinitÅtslehre, S. 33; ders.: UnÅhnlichkeit, S. 374 f. 73 Vor einer Prinzipialisierung der TrinitÅtslehre warnen auch O. Bayer: TrinitÅtslehre, S. 78 f., und C. Schw×bel: TrinitÅtslehre, S. 135 u. 154.

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universale Geltung einschließt“: was „im sachgemÅßen Gebrauch des Wortes ‚Gott‘ zur Sprache kommt, geht jeden Menschen unbedingt an“74. Doch aufgrund der menschlichen Versuchung, Gott zu vereinnahmen oder sich selbst zu verg×ttlichen, bedarf es der Einsicht, daß das Denken im Gottesgedanken Ûber sich selbst hinausgewiesen ist, daß es nicht Ûber die Dimension des Geheimnisses verfÛgen kann, um selbst Ûber Gottes Sein zu entscheiden, sondern daß es sich dem Sein Gottes empfangend zu ×ffnen hat. „Letztlich kann Gott nicht von einer Åußeren Instanz her bewiesen werden. Er muß sich selbst erweisen. Man kann den Gottesgedanken nur daran bewÅhren, daß man ihn an seinen eigenen Implikationen mißt.“75 Denn als Geheimnis, das sich nicht unter dem Aspekt ableitbarer ontologischer Notwendigkeit erschließen lÅßt, sondern sich solchem Zugriff entzieht, verk×rpert der Gottesbegriff in Verbindung mit der menschlichen Selbsttranszendenz die Ahnung – und nicht die metaphysisch-theistische Notwendigkeit oder die atheistische Nicht-Notwendigkeit – von einem g×ttlichen Horizont, der in seiner Eigenwirklichkeit als grundloser Grund Ûber Sein und Nicht-Sein entscheidet. Der diesem Anschein nach aus sich selbst existierende Gott ist deshalb um seiner selbst willen ernst zu nehmen und nur aus sich selbst erkennbar, er muß sich selbst verifizieren, wenn er erkannt werden soll. Diese PhÅnomene finden sich auch im Wesen der PersonalitÅt, die ihr personales Geheimnis bzw. ihre Eigenwirklichkeit frei entziehen oder erschließen kann, so daß sich die – mit dem Moment der Freiheit verbundene – PersonalitÅt und ihre apophatische Dimension mit der entsprechenden Erm×glichung von Transzendenz als Kategorien fÛr den Gottesbegriff aufdrÅngen. Das wird durch die menschliche personale Struktur als AnknÛpfungspunkt und Voraussetzung fÛr den Zugang zu Gott unterstrichen. „Person besagt wesentlich Kommunikation, d. h. freies Sich-Schenken, das sich in Freiheit Schenken und Annehmen des anderen. Solche Kommunikation ist als wirklich nur denkbar, wenn zu ihr das Moment der ‚Ek-sistenz‘, d. h. der freie Vollzug des Seins, hinzukommt.“76 Wie „schon zur Anwesenheit eines Menschen

74 E. JÛngel: Entsprechungen, S. 195 u. 185. Vgl. I. Lønning: Art. „Gott VIII“, S. 691: „Als Platzhalter eines definitiven Woraufhins ist das Wort ‚Gott‘ fÛr das GesamtgefÛge der sprachlichen Kommunikation von eminenter Wichtigkeit.“ Vgl. zum Resonanzboden des Gottesbegriffs G. Ebeling: Dogmatik I, S. 182 ff. Vgl. insgesamt W. Kasper: Gott, S. 133 u. 293; E. JÛngel: Gott, S. 30 ff.; ders.: Entsprechungen, S. 171; W. Breuning: Art. „Gotteslehre II“, Sp. 923 f.; C. SchÛtz: Tendenzen, S. 274; P. Siller: Gotteslehre, S. 12 f.; W. Pannenberg: Theologie I, S. 121 ff. 75 W. Kasper: Gott, S. 143. Vgl. E. JÛngel: Gott, S. 204 ff., und ders.: Entsprechungen, S. 173 ff. u. 231 ff. 76 C. SchÛtz: Tendenzen, S. 313. Vgl. zur Bedeutung des Wesens der PersonalitÅt L. OeingHanhoff: Ontologie, und D. Staniloae: Dogmatik I, S. 116: „Wenn Gott als Gott transzendent ist, dann ist er personale Wirklichkeit.“ Vgl. ebd., S. 117 ff., wo Staniloae die apophatische Dimension der PersonalitÅt Gottes erlÅutert. Vgl. insgesamt E. JÛngel: Gott, S. 30 ff. u. 520 ff., der er×rtert, daß Gott in seinem grundlosen Sein von keinem Seienden abhÅngig ist und deshalb weder notwendig noch nicht-notwendig ist, sondern mehr als notwendig: Er ist der in freier Liebe agierende und aus sich selbst kommende Sch×pfer, der hinsichtlich der fÛr den Menschen ambivalent bleibenden Spannung zwischen Sein und Nicht-Sein zugunsten des Seins handelt. Vgl. ferner ders.: Entsprechungen, S. 196: „Gott ist um seiner selbst willen interessant [. . .]. Was man Menschen zugesteht, sollte man Gott auch nicht einmal in der Theorie vorenthalten.“

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dessen Entzogensein geh×rt“, ist „Gottes Anwesenheit [. . .] Ûberhaupt nur mit seiner Abwesenheit zugleich erfahrbar. Deshalb ist seine Anwesenheit auch nur als Offenbarung erfahrbar.“77 Vor diesem Hintergrund kann Gott nur durch eine dem Menschen zugÅngliche Selbsterschließung des g×ttlichen Geheimnisses erkannt werden. Er ist nur als sich offenbarender Gott als Gott zu denken und nur so als Gott und g×ttliche Wirklichkeit ernst genommen: „[. . .] fÛr Gott als den, Ûber den hinaus Gr×ßeres nicht gedacht werden kann, kann es nicht nochmals einen gr×ßeren und umfassenderen Horizont geben, von dem her und innerhalb dessen wir ihn begreifen k×nnen“78. Will man Gott nicht depotenzieren oder vereinnahmen, muß man ihn als sich selbsterschließendes Geheimnis wahrnehmen, wodurch man ihn als Gott gelten lÅßt, wÅhrend man sich selbst auf diese Weise unter BerÛcksichtigung der eigenen Selbsttranszendenz als empfangende menschliche KreatÛrlichkeit annimmt, da die „Anerkenntnis des alleinigen Gottseins Gottes [. . .] ein menschliches Menschsein“ erm×glicht. „Das reine Denken Ûberbietet sich am Ende notwendig, indem es etwas denkt, das es wesensmÅßig nicht mehr denken kann, weil das Unendliche jeden endlichen Begriff sprengt. Gott kann deshalb nur durch Gott erkannt werden; er kann nur erkannt werden, wenn er sich selbst zu erkennen gibt.“79 Indem sich der verborgene Gott der Versuchung menschlicher Vereinnahmung verweigert, erm×glicht er die wahre Gotteserkenntnis durch den offenbaren Gott: „[. . .] nur indem der Mensch sich dem offenbaren Gott zuwendet, verehrt er den verborgenen Gott“80. Der in Gottes PersonalitÅt gegebene Zusammenhang von Anwesenheit und Abwesenheit Gottes beinhaltet, daß der „Begriff des g×ttlichen Wesens“ die Dimension der „Offenbarung“ impliziert: „Das g×ttliche Wesen denken heißt: es als ein Wesen zu denken, das sich geoffenbart hat und dem deshalb ein bestimmtes Ineinander von Anwesenheit und Abwesenheit wesentlich ist.“81 Gott wird nur als sich selbsterschließendes offenbares Geheimnis zugÅnglich, dessen Verborgenheit positiv die EigenstÅndigkeit von PersonalitÅt charakterisiert und das so weder die Undefinierbarkeit Gottes fÛr menschliche Erkenntnis bedeutet noch eine rationale Ableitbarkeit seines Wesens. Deshalb ist Gott weder in einer resignativ-apophatischen noch in einer spekulativ-rationalen Hermeneutik zu begegnen, sondern in einer empfangenden Hermeneutik der Offenheit. Denn der Gottesbegriff erm×glicht aufgrund seiner Ambivalenz, die aus den menschlichen Vereinnahmungstendenzen resultiert, als Zeichen (signum) fÛr eine bezeichnete Sache (res significata)

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E. JÛngel: Gott, S. 137. W. Kasper: Gott, S. 158. Vgl. insgesamt E. JÛngel: Gott, S. 203 u. 410 ff. 79 W. Kasper: Gott, S. 147 u. 136. Vgl. insgesamt ebd., S. 132, 165, 276. Vgl. ferner E. JÛngel: Entsprechungen, S. 197 u. 229 ff. Zur Verbindung zwischen der im Atheismus gipfelnden Selbstverg×ttlichung des Menschen und dem Gottesbegriff s. o., S. 37 f. 80 E. JÛngel: Entsprechungen, S. 231 (im Original kursiv). Vgl. ebd., S. 224 ff. (bes. S. 241), wo sich JÛngel auf Luthers VerhÅltnisbestimmung von verborgenem und offenbarem Gott bezieht: „Luther will mit der Unterscheidung von verborgenem Gott und offenbarem Gott verhindern, daß Ûber den offenbaren Gott geredet wird wie Ûber einen gleichwohl verborgenen Gott, daß also der offenbare Gott in seiner Offenbarung nicht ernst genommen wird.“ (Ebd., S. 229) 81 Ders.: Gott, S. 137. 78

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keine verlÅßlichen Aussagen, die der Mensch definitiv ableiten k×nnte. Umgekehrt steht er aber auch nicht fÛr reine Unkenntlichkeit und Beziehungslosigkeit, sondern das Wort „Gott“ bringt im performativen Sprachgebrauch, in dem die Sprechhandlung Wirklichkeit bewirkt, zunÅchst ein Sprachereignis (notae praesentis rei) zur Sprache: „Das Wort Gott bringt die Wirklichkeit so zur Sprache, daß es zugleich an der Welt selbst ‚etwas‘ aufleuchten lÅßt, was mehr als Welt ist. [. . .] Damit ist die [. . .] Rede von Gott [. . .] immer ein wirksames Wort. In ihm geht es nicht um das, was die Welt immer schon war, um ihr bleibendes Wesen, sondern um ihre offene Zukunft. Das Wort Gott ist deshalb eine Einladung, die Welt als Gleichnis zu betrachten und sich darauf einzulassen, d. h. umzudenken und umzukehren, zu glauben und zu hoffen. Die semantische Bedeutung des Wortes Gott erschließt also zugleich dessen pragmatische Bedeutung.“82 Das Wort „Gott“ selbst redet den sprachlich konstituierten Menschen also bereits auf die Gemeinschaft mit Gott an, es hat selbst schon Begegnungscharakter.83 Als „Antwort auf die Fraglichkeit des Menschen und der Welt schlechthin“84 verlangt die Gottesrelation im Unterschied zu den approximativen bzw. annÅhernden Aussagen der menschlichen Weltrelation Aussagen assertorischer (Glaubens-)Gewißheit.85 So handelt es sich beim Gottesbegriff um „einen Beziehungsbegriff, dessen Maß und Norm Gott selbst in dieser Beziehung“86 setzen muß, wenn solche Gewißheit erlangt werden soll. Denn „Gott denken heißt: Gott allein als denjenigen denken, der de deo etwas zu sagen hat. [. . .] Gott denken kann nicht heißen, daß die menschliche Vernunft ihm gleichsam vorschreiben k×nnte, wie er sich ihr zu zeigen hat.“87 Die Wahrnehmung einer derartigen „Selbst-Setzung“ der Gottesrelation durch Gott bedarf also ebenso wie die kosmologische und anthropologische Selbsttranszendenz einer empfangenden und sich ×ffnenden Hermeneutik. Nur sie vermag die biblisch bezeugte HEILSGESCHICHTLICHE SELBSTERSCHLIESSUNG88 DES DREIEINIGEN GOTTES zu erkennen, in der sich Vater, Sohn und Heiliger Geist in Wort und Tat namentlich als der dreieinige Gott identifizieren, der in sich selbst das vollkommene Leben der Liebe verk×rpert, in welchem er die Menschen zur Teilhabe an seiner Liebe schuf und in welchem er sich am Kreuz fÛr die Menschen hingab, um sie aus ihrer lebensfeindlichen Abwendung vom Sch×pfer in seine Liebe zurÛckzurufen. Die alt- und neutestamentlichen Schriften bezeugen, daß Gott sich selbst – in weltgeschichtlich einmaliger Weise – zu unterschiedlichsten Zeiten verschiedensten Menschen derart in seiner Heilsgeschichte in Wort und Tat erschlossen hat. Gottes heilsgeschichtliches Handeln und sein Wort belegen neben der PersonalitÅt und AseitÅt Gottes sowohl seine Verborgenheit als auch seine Selbsterschließung. Die Bezeugung, daß nie-

W. Kasper: Gott, S. 123. Vgl. E. JÛngel: Gott, S. 3–16. Vgl. E. JÛngel: Gott, S. 12 f. u. 208, und ders.: Entsprechungen, S. 185 f. 84 W. Kasper: Gott, S. 15. 85 Vgl. I. Lønning: Art. „Gott VIII“, S. 701 f. 86 F. Schmid: ErwÅgungen, S. 67. 87 E. JÛngel: Gott, S. 211. Vgl. P. Siller: Gotteslehre, S. 18: „Es gibt also keine EnthÛllung Gottes vom Menschen her, aber ein Sichselbstzeigen Gottes.“ – Auch nach Luther ist darauf zu h×ren, „was Gott selbs sagt und leret“ (WA 37;45,7). 88 Zur Bevorzugung des Begriffs „Selbsterschließung“ gegenÛber dem Begriff „Selbstmitteilung“ s. o., S. 263 f. – Außerdem s. o., S. 38. 82 83

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mand den in einem unzugÅnglichen Licht wohnenden Gott je gesehen hat (Joh. 1,18 a; 6,46; I Tim 6,16; I Joh 4,12), begrÛndet nicht die grundsÅtzliche Unkenntlichkeit Gottes, sondern den Aspekt seines transzendentalen und personalen Geheimnisses, das er als von sich aus Redender und Handelnder selbst in der menschlichen Geschichte erschließt: „[. . .] der Eingeborene, der Gott ist und in des Vaters Schoß ist, der hat ihn uns verkÛndigt“ (Joh 1,18 b).89 Die trinitarische Heilsgeschichte vollzieht sich in der Interdependenz von Wort- und Tatoffenbarung, die sich gegenseitig bestÅtigen, sich zu einer großen Geschichtslinie verbinden und die personale Selbsterschließung Gottes erm×glichen: „Wort und Tat sind schon im menschlichen Bereich die Formen, in denen Personen sich offenbaren und mitteilen. Ohne solche offenbarenden Worte und Taten ist uns der andere Mensch verschlossen; in ihnen erschließt er sich und gibt sich zu erkennen. So ist auch der geschichtliche Charakter der Offenbarung die leibhaftig-zeichenhafte Seite einer unableitbaren personalen Freiheit, die uns ohne diese Offenbarung verborgen ist. Die biblische Offenbarung ist also primÅr [. . .] personale Selbstoffenbarung Gottes.“90 Im Kontext des biblischen Offenbarungsbegriffs verweist die Dimension des Geheimnisses nicht wie in neuplatonisch oder aufklÅrerisch geprÅgten theologischen Traditionen auf ºber-Rationales oder auf die Unbegreiflichkeit Gottes, sondern auf den apophatischen Aspekt des personalen Geheimnisses Gottes, der Gottes Selbstaussage impliziert. Insofern ist Gott weder schweigend als unsagbar zu bejahen (Mystik) noch atheistisch als undenkbar zu negieren oder theistisch im RÛckschlußverfahren abzuleiten, sondern als personales Geheimnis in seinen selbsterschließenden Worten und Taten ernst- und wahrzunehmen. Vor diesem Hintergrund wird der Aspekt des Geheimnisses durch die Offenbarung nicht aufgehoben. Denn das Geheimnis der PersonaliÅt Gottes erschließt sich positiv als offenbares Geheimnis, das zugleich das Geheimnis der Menschen und der Welt beinhaltet und somit neben der Gotteserkenntnis auch zur wahren Erkenntnis des Menschen fÛhrt. Wie Gott als Geheimnis einerseits das Gericht Ûber die menschliche Hybris bedeutet, ihn vereinnahmen und bestimmen zu wollen oder selbst zu sein wie er (Gen 3,5), so ist es dem Geheimnis andererseits wesentlich, sich – ohne in seiner PersonalitÅt aufgel×st zu werden – vertraut zu machen und seine Relevanz zu erweisen, was wiederum auf das Geheimnis der kosmologischen und anthropologischen Selbsttranszendenz zielt und den Sinn dieses Geheimnisses er×ffnet.91 Da-

89 Vgl. insgesamt E. JÛngel: Gott, S. 9, 340 ff., 514 ff.; C. SchÛtz: Tendenzen, S. 274 u. 300 ff.; W. Kasper: Gott, S. 155 ff. u. 291; W. Breuning: UnÅhnlichkeit, S. 379 f.; C. Schw×bel: TrinitÅtslehre, S. 136 ff.; G. Ebeling: Dogmatik I, S. 180 f.; M. Haudel: Gotteslehre, S. 121 ff. – Zur gleichlautenden Auffassung Luthers s. o., S. 180 f. 90 W. Kasper: Gott, S. 156. Vgl. C. SchÛtz: Tendenzen, S. 301, und D. Staniloae: Dogmatik I, S. 138 f.: „Im Ûbrigen hat auch die menschliche Person [. . .] eine Art Reserve [. . .]. Das PersonSein ist Ûberhaupt und an und fÛr sich etwas Apophatisches.“ – Vgl. ferner H. U. von Balthasar: Gott, S. 8 ff., der herausstellt, daß Gott in der Einheit der drei trinitarischen Formen der Selbsterschließung sein eigener Ausleger ist. Zur Interdependenz von Offenbarungsaussagen und Offenbarungsgeschehen s. o., S. 90. 91 Vgl. insgesamt P. Siller: Gotteslehre, S. 17 f.; W. Kasper: Gott, S. 159 ff., 328 ff., 367 ff.; E. JÛngel: Gott, S. 340 ff. u. 514 ff.; G. Ebeling: Dogmatik I, S. 254 ff.; D. Staniloae: Dogmatik I, S. 116 ff.; H. Aldenhoven: Zusammenhang, S. 135 f.

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mit sind den menschlichen Spekulationen Ûber Gott die Grenzen gezeigt, wÅhrend gleichzeitig die Notwendigkeit einer empfangenden – sich Gott ×ffnenden – Hermeneutik hervortritt. Als apophatisch-personale Existenz kann Gott nur selbst in der Gleichzeitigkeit von „GegenÛber und NÅhe“ das Kriterium seiner Wahrheit und Wirklichkeit erschließen. „K×nnten wir nÅmlich Gottes Geheimnis mit unseren endlichen ErkenntniskrÅften erfassen, wÛrden wir Gottes Gottsein depotenzieren; indem wir ihn erkennen, wÛrden wir ihn verkennen; indem wir ihn begreifen wollten, wÛrden wir uns an ihm vergreifen. Soll Gott in unserem Erkennen Gott bleiben und nicht ein selbst zurechtgezimmerter, nach unseren Maßen entworfener G×tze werden, dann muß sich uns Gott nicht nur ‚objektiv‘ offenbaren, sondern uns auch ‚subjektiv‘ das Verm×gen schenken, ihn zu erkennen; dann muß er uns den Heiligen Geist als den Geist des Glaubens geben (II Kor 4,13)“92, der sich wiederum der menschlichen Vernunft und Erkenntnis bedient (fides quaerens intellectum). Der sich im Heiligen Geist und im Sohn Jesus Christus auch als himmlischer Vater erschließende dreieinige Gott erweist sich so nicht nur als verkÛndigtes Objekt der Gotteserkenntnis, sondern auch als bleibendes Subjekt dieser in der Heilsgeschichte sich vollziehenden Erkenntnis. Wie Gott im Heiligen Geist den Menschen die im Wort bezeugte Geschichte ihres Heils existentiell erfahrbar werden lÅßt, so steht in Christus die Tat des von Gottes Liebe erzÅhlenden Wortes vor Augen. Diese Interdependenz von christologischer und pneumatologischer Wort- und Tatoffenbarung bezeugt die Wahrheit der Selbsterschließung Gottes in der Heilsgeschichte, von der das menschliche Denken mitgenommen werden darf: „Gott und Glaube geh×ren darin und darum zusammen, daß der Heilige Geist den Glauben an Jesus Christus als die ErfÛllung des ersten Gebotes zur Sprache gebracht hat und immer wieder zur Sprache bringt. Dem Ausschließlichkeitsanspruch des Gottes, der im ersten Gebot redet, entsprechen in der Sprache des christlichen Glaubens das Anrufen und der Lobpreis Gottes als Vater, Sohn und Heiliger Geist“93. Denn in dieser Weise bzw. in diesem Namen hat sich Gott als wahrer und dreieiniger Gott „als Gott der Geschichte, als Retter und Richter“94 bzw. als Sch×pfer, Erl×ser und Vollender offenbart. Gott lÅßt sich also als pro nobis Handelnder beim Namen nennen, wodurch seine IdentitÅt hervortritt und ein ausdrÛckliches GottesverhÅltnis konstituiert wird. Die identifizierenden Eigennamen des trinitarischen Gottes sind mit den identitÅtsbestimmenden heilsgeschichtlichen ErzÅhlungen Ûber Sch×pfung, Erl×sung und Vollendung verbunden, in denen Gottes Wesen transparent wird. „Die Verbindung dieser drei identitÅtsbeschreibenden Geschichten Gottes durch die Eigennamen Gottes hÅlt fest, daß alle drei Geschichten unÛberholbare IdentitÅtsbeschreibungen Gottes zum Ausdruck bringen, deren Einheit in der Verbindung der Namen des Gottes, von dem sie erzÅhlen, zum Ausdruck kommt.“95 In diesem Kontext wird laut biblischem Zeugnis das wahre Heil der Menschen an die trinitarisch strukturierte

W. Kasper: Gott, S. 276. I. Lønning: Art. „Gott VIII“, S. 694. Vgl. insgesamt E. JÛngel: Gott, S. 205 ff. u. 413 ff., und B. J. Hilberath: Gott, S. 31. 94 W. Kasper: Gott, S. 69. 95 C. Schw×bel: TrinitÅtslehre, S. 137. Vgl. insgesamt ebd., S. 136 ff.; B. J. Hilberath: Gott, S. 39 u. 106, und E. JÛngel: Entsprechungen, S. 177 u. 195. 92 93

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Gemeinschaft mit dem dreieinigen Gott als dem wahren Gott gebunden, wodurch der Zusammenhang zwischen trinitarischer Selbsterschließung, trinitarischem Bekenntnis und trinitarischer Glaubensantwort hergestellt ist und die TrinitÅt durchaus als Mitte der Schrift bezeichnet werden kann.96 Der AllgemeingÛltigkeitsanspruch des Gottesbegriffs erwÅchst also aus seiner konkreten Selbsterschließung.97 Diese vermag den Menschen aufgrund des Wesens der christologischen und pneumatologischen Selbsterschließung Gottes zu erreichen bzw. anzusprechen. Da sich Gott der Vater – durch den Heiligen Geist – in seinem ewigen Sohn bzw. seinem ewigen Wort (Logos) in lebendiger Selbstmitteilung als sein eigenes Bild aussagt (Joh 14,9), in welchem er sich selbst Ziel und Gemeinschaft ist, besteht nicht nur die IdentitÅt des Wortes Gottes mit Gott (Joh 1,1) und somit die sprachliche Konstitution Gottes, sondern auch die wesensmÅßige Voraussetzung dafÛr, daß Gott sich in seinem Sohn auch nach außen – den ebenfalls sprachlich konstituierten Menschen gegenÛber – liebend mitteilen kann. Denn der Sohn verk×rpert als Gottes Wort in Person das Bild Gottes (Kol 1,15) und das Abbild des g×ttlichen Wesens (Hebr 1,3). Durch die CHRISTOLOGISCHE SELBSTERSCHLIESSUNG Gottes im Logos begegnet dem Menschen das Wort an sich und damit der Ursprung jeglicher sprachlichen und personalen Konstitution. Zugleich sind durch den Logos, in ihm und auf ihn hin alle Dinge geschaffen (Joh 1,3; Kol 1,16 f.). Nach seinem Bild wurde auch der Mensch erschaffen (imago Dei), was erneut die sprachliche Konstitution des Menschen erklÅrt. Auch die AnknÛpfungspunkte fÛr Gottes Offenbarung in Wort und Tat liegen in dieser Charakteristik der Sch×pfung begrÛndet, in der sich die liebende Menschlichkeit Gottes verbirgt. Vor diesem Hintergrund wird die Inkarnation als Proprium und M×glichkeit des Sohnes Gottes deutlich. In Jesus Christus als wahrem Gott und wahrem Menschen, in dem das Wort Fleisch bzw. Gottes Sohn Mensch wurde (Joh 1,14), um sich fÛr die Menschen hinzugeben und ihnen die Gemeinschaft seiner Liebe neu zu er×ffnen, vollzieht sich die wahre Erkenntnis Gottes und der Menschen. Denn hier wird sowohl die ewig antwortende liebende Hingabe des g×ttlichen Sohnes an den Vater offenbar ( – was den Sohn auch fÛr den Kreuzestod prÅdestiniert – ) als auch die vertrauensvolle Glaubensantwort der Menschen an den himmlischen Vater. Das Geheimnis Gottes und der Menschen enthÛllt sich als Gemeinschaft der Liebe, was durch die trinitarische Einbindung Christi erst vollends offenbar wird. So bleibt festzuhalten, daß sich in Jesus Christus die definitive Offenbarung Gottes und des Menschen ereignete, die Gott als Wort des Angebots und des Lebens erkennen lÅßt, das dem Menschen in der Freiheit seiner Ansprechbarkeit die Freiheit der lebensbejahenden Antwort schenkt, seiner sprachlichen und personalen Konstitution entsprechend.98

96 Vgl. J. Werbick: Bilder, S. 307 f.; C. Schw×bel: TrinitÅtslehre, S. 138 ff., und W. Kasper: Gott, S. 69. Zur alt- und neutestamentlich bezeugten trinitarischen IdentitÅt Gottes und dem GottesverhÅltnis der Glaubenden als einer trinitarisch strukturierten Heilsgemeinschaft mit Gott s. o., S. 89 ff., und zur TrinitÅtslehre als Mitte der Schrift s. o., S. 97. 97 Vgl. E. JÛngel: Entsprechungen, S. 186 u. 195. 98 Vgl. insgesamt G. Ebeling: Dogmatik I, S. 258 f.; J. Werbick: TrinitÅtslehre, S. 566 ff.; E. JÛngel: Gott, S. 208, 215 ff., 530; ders.: Entsprechungen, S. 185 f., 238 f., 264; W. Kasper: Gott, S. 157, 220 ff., 242 ff.; I. Lønning: Art. „Gott VIII“, S. 692 u. 696 ff.; D. Staniloae: Dogmatik I, S. 46 ff. u. 74.

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Diese ZusammenhÅnge werden durch die PNEUMATOLOGISCHE SELBSTERSCHLIESGottes unterstrichen. Wie der Heilige Geist in der immanenten TrinitÅt als geistige Existenz das „Sein-K×nnen eines Einen in oder bei einem Anderen“99 erm×glicht, so besteht auch in der ×konomischen TrinitÅt sein Proprium darin, die Gemeinschaft zwischen Gott und Mensch derart herzustellen. Im Unterschied zur rein passiven Charakterisierung des Geistes in Teilen der westlichen Filioque-Tradition verk×rpert er nicht nur das Geschenk (donum) des Vaters und des Sohnes, sondern er er×ffnet selbst den innerg×ttlichen Raum freier liebender Begegnung. Als „Geist der Wahrheit“ (Joh 15,26; 16,13) stellt er die vollkommene Wahrheit der Existenz Gottes dar, indem er den Horizont der subjektiven ObjektivitÅt von Vater und Sohn und ihrer pers×nlichen Unterscheidbarkeit bildet, so daß Vater und Sohn nicht in einer egoistisch engen Liebe unterschiedslos ineinander verschmelzen, sondern auf eine vollkommene und heilige Liebe ohne Ausschluß eines dritten ausgerichtet sind. Weil sich im Geist eine solche heilige Liebe vollzieht, heißt er „Heiliger Geist“, und weil sich Liebe nur frei als solche realisieren kann, ist das Wirken des Geistes mit Freiheit verbunden (II Kor 3,17). „Vater und Sohn Ûberschreiten sich selbst in der Freiheit des Geistes, der den Raum liebender Begegnung er×ffnet und in Liebe zur Einheit zusammenbindet. Dieser Vollzug des Lebens und der Wahrheit ist als Freiheitsgeschehen der Selbstvollzug geistig-liebenden Personseins.“100 Durch die Erm×glichung von „Aus-sich-Sein“ und „Beim-andern-Sein“ vollzieht sich im Heiligen Geist die innerg×ttliche Liebe, weshalb der Heilige Geist die Charakteristika g×ttlichen Lebens (Joh 4,24: „Gott ist Geist“; I Joh 4,8.16: „Gott ist Liebe“) in Person verk×rpert. Seiner Charakteristik entsprechend, in der er das innerg×ttliche Leben auf die freie Gemeinschaft der Liebe hin ×ffnet und vollendet, kommt dem Heiligen Geist in der Heils×konomie das Proprium zu, die Gemeinschaft freier personaler Liebe zwischen Gott und Mensch zu er×ffnen und zu vollenden. Die dem menschlichen Geist eingepflanzte Hoffnung auf Vollendung wird durch die anthropologische Selbsttranszendenz unterstrichen, die im Heiligen Geist zum Ziel gelangt. Der Heilige Geist ist die Gabe g×ttlichen Lebens und g×ttlicher Liebe. Da er diese Gabe in Person ist, erweist er sich zugleich als personaler Geber dieser Gabe. So wird der Heilige Geist den Menschen einerseits als Gabe zuteil, wobei die Menschen die vom Geist verliehenen Charismen erhalten, wÅhrend er andererseits das personale GegenÛber der Menschen zu bleiben vermag und so die Gleichzeitigkeit von „GegenÛber und NÅhe“ Gottes garantiert. Damit realisiert der Heilige Geist selbst noch einmal, was das trinitarische Wesen Gottes ohnehin schon erm×glicht, wenn etwa der unsichtbare Vater als bleibendes GegenÛber den Menschen in der Inkarnation seines Sohnes ganz nahe kommt. Indem der Heilige Geist die Selbstmitteilung des Vaters im Sohn vergegenwÅrtigt, gewÅhrleistet er, daß der Sohn auch im Leib Christi trotz aller Einheit des Leibes als bleibendes Haupt – und GegenÛber – des Leibes zur Geltung kommt. Nur durch diese Struktur von „GegenÛber und NÅhe“ Gottes, die durch das Wesen der TrinitÅt und des Heiligen Geistes gegeben ist, kann eine freie personale Gemeinschaft zwischen Gott und Mensch entstehen, die die PartizipatiSUNG

E. Lessing: Art. „Geist V“, S. 218. Vgl. ebd., S. 219 ff. B. J. Hilberath: Pneumatologie, S. 538. Vgl. insgesamt ebd., S. 531 ff. Zur aktiven innertrinitarischen Rolle des Heiligen Geistes, die bes. D. Staniloae aufzeigt, s. o., S. 307 f. 99

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on der PersonalitÅt der Gottheit Gottes ebenso zulÅßt wie die Partizipation der PersonalitÅt der Menschlichkeit des Menschen. Auf diese Weise wird die pneumatologische Selbsterschließung Gottes sowohl dem Wesen Gottes als auch dem Wesen des Menschen gerecht, was nicht zuletzt darin begrÛndet liegt, daß der Geist in der Sch×pfung waltet (Sch×pfergeist), die er in VergegenwÅrtigung des Christusheils heiligt, um sie zur eschatologischen Vollendung zu fÛhren. Dabei ist der Heilige Geist als innertrinitarischer Geist des Lebens, der Wahrheit, der Freiheit, der Gemeinschaft, der Heiligkeit und der Liebe dazu prÅdestiniert, auch heils×konomisch den Menschen neues Leben zu schenken, indem er sie in die Wahrheit fÛhrt, sie heiligt und ihnen in Freiheit die Gemeinschaft der Liebe Gottes er×ffnet.101 So verbirgt sich hinter dem personalen Geheimnis des verborgenen Gottes keine Beliebigkeit oder WillkÛr, sondern Gott erschließt sich als freies und vollkommenes Leben der Liebe, das unableitbar aus sich selbst kommt und sich deshalb nur selbst erschließen kann. Der DREIEINIGE GOTT, der sich im Vater selbst Ursprung ist, der sich im geliebten und liebenden Sohn selbst Ziel ist und der im Heiligen Geist solche Liebe – auf einen Dritten ausgeweitet – als vollkommene Liebe vollzieht, existiert als INTRApersonale Wesenseinheit der INTERpersonalen Relation dreier Personen. In der Interdependenz von Selbstlosigkeit und -bezogenheit ist er das vollkommene Leben der Liebe in sich selbst – im Unterschied zum Menschen, der diese Gleichzeitigkeit von intra- und interpersonaler Dimension nicht besitzt und die Liebe deshalb nur in Gemeinschaft mit Gott und den Mitmenschen hat. Hier bestÅtigt sich, daß es keine Prinzipialisierung der vestigia trinitatis geben kann, sondern daß die Erkenntnis Gottes im Kontext der natÛrlichen AnknÛpfungspunkte auf Gottes Selbsterschließung angewiesen bleibt, da in der Welt die in Gott vorhandene Gleichzeitigkeit von intra- und interpersonaler Dimension nicht vorkommt, sondern lediglich unterschiedliche Zuordnungen dieser Dimensionen. So bleibt Gott ein paradoxales Geheimnis, das die einseitige Konzentration auf die intra- oder interpersonale Dimension verbietet, da solche Einseitigkeiten der Vereinnahmung Gottes dienen (Identifizierung mit intra- oder interpersonalen weltlichen Strukturen). „Da die Dreiheit der g×ttlichen Personen in der Einheit des einen g×ttlichen Wesens fÛr den menschlichen Verstand ein unergrÛndliches Geheimnis darstellt, kann der Ausgangspunkt fÛr ein systematisches VerstÅndnis“ von Gottes Liebe als trinitarischer Einheit in Vielfalt nur in der „Offenbarung des Vaters durch den Sohn im Heiligen Geist“102 liegen. Wie Gott nur trinitarisch als freies Sein der Liebe verstÅndlich und denkbar wird, so lÅßt sich auch nur aus der trinitarischen Selbsterschließung erkennen, was Liebe ist.103 In seiner freien und liebenden Selbsterschließung gewÅhrt Gott dem Menschen die freie Gemeinschaft seiner Liebe, denn die „Logik der Liebe hat gerade

101 Zu den genannten Spezifika des Heiligen Geistes s. o., z. B. S. 90 ff. u. 307 f. Vgl. insgesamt auch B. J. Hilberath: Pneumatologie, bes. S. 529 ff.; W. Kasper: Gott, S. 276 ff.; J. Werbick: TrinitÅtslehre, S. 567 ff.; E. Lessing: Art. „Geist V“, S. 220 ff. 102 W. Kasper: Gott, S. 365. Insgesamt s. o., S. 264 f. u. 269 f. 103 Vgl. E. JÛngel: Gott, S. XV; W. Kasper: Gott, S. 364, und B. J. Hilberath: Gott, S. 23: „Was Liebe ist, bestimmt Gott selbst, so daß wir nicht sagen k×nnen ‚die Liebe ist Gott‘, sondern sagen mÛssen ‚Gott ist die Liebe‘“. Gott kann also weder als das Šußerste des menschlichen Begriffs von Liebe gelten, dem er dann geopfert wird (Feuerbach), noch verbirgt sich hinter dem liebenden Gott ein willkÛrlicher Gott.

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in ihrer unableitbaren und unergrÛndlichen Freiheit ihre innere Stimmigkeit und ºberzeugungskraft“104. Nur in solcher Freiheit ist auch der Gnadencharakter der g×ttlichen Selbsterschließung gegeben, die in freier Liebe pro nobis erfolgt. Durch seine gnÅdige Liebe befreit Gott die sich selbst verg×ttlichenden Menschen aus ihrer in sich selbst verkrÛmmten Beziehungslosigkeit zur Gemeinschaft der Liebe mit ihrem Sch×pfer und ihren Mitgesch×pfen. Gott er×ffnet den Menschen die Freiheit der entsprechenden Glaubensantwort, welche wiederum eine h×rende und empfangende Hermeneutik voraussetzt. Was die Menschen in solcher Offenheit empfangen, ist nicht weniger als Gott selbst in seiner Hingabe fÛr die Menschen.105 Deshalb kommt der THEOLOGIA CRUCIS fÛr die Gottes- und Heilserkenntnis konstitutive Bedeutung zu. Am Kreuz durchbricht Gott die Weisheit dieser Welt (I Kor 1,18 ff.), indem er der selbstbehauptenden Hybris der Menschen, die sich auch in einer einseitigen theologia gloriae widerspiegelt, mit liebender Selbsthingabe begegnet. Gott entlarvt am Kreuz die SÛnde des Menschen, selbst Gott sein zu wollen und so selbst die BewÅltigung des Nichts bzw. des Todes anzustreben oder danach zu trachten, Gott durch ºberh×hung menschlicher Eigenschaften zu vereinnahmen bzw. durch selbst gesetzte, spekulative Vernunftkategorien zu bestimmen. Unter den Bedingungen einer derart von ihrem Sch×pfer entfremdeten Welt offenbart Gott seine Herrlichkeit im Elend des Kreuzes unter dem Gegenteil (sub contrario). Da Gott der Vater in seinem Sohn Mensch wird und fÛr die Menschen (pro nobis) in ihren selbstverschuldeten Tod geht, um ihnen im Heiligen Geist die ewige Gemeinschaft des Lebens neu zu er×ffnen, erschließt er sich selbst als lebendiges Leben hingebungsvoller Liebe bzw. als menschlicher Gott, wÅhrend er zugleich die Unmenschlichkeit (un)menschlicher Selbstverg×ttlichung mit ihren menschen- und lebensfeindlichen Konsequenzen als Schuld und SÛnde aufdeckt. In Jesus Christus als wahrem Gott und wahrem Menschen und seinem nur trinitarisch verstÅndlichen Kreuzestod vollzieht sich durch den Heiligen Geist wahre Gottes- und Menschenerkenntnis. Der Mensch erfÅhrt sich als Empfangender, als von Gott geliebter und gerechtfertigter SÛnder, der von seiner selbstbegrÛndenden Sorge um sich selbst und deren egoistischen Konsequenzen (Individuation) zu wahrer Menschlichkeit befreit wird, welche erneut wahre PersonalitÅt in Gemeinschaft mit Gott und den Mitmenschen erm×glicht.106 Gott erweist sich als lebenschenkende dreieinige Liebe, weil Gott der Sohn am Kreuz pro nobis die Verlassenheit von Gott dem Vater erleidet und Gott der

W. Kasper: Gott, S. 375. Vgl. E. JÛngel: Entsprechungen, S. 188 f. u. 227. Insgesamt s. o., S. 121 f. (Alte Kirche), 179 ff. (Luther), 308 ff. Vgl. ferner W. Breuning (Hg.): TrinitÅt, S. 10 f.; E. JÛngel: Gott, S. 422, und O. Bayer: VerstÅndnis, S. 105 f. 106 Besonders I. D. Zizioulas hat betont, daß die sÛndige Individuation von Mensch und Sein aufgrund des Glaubens durch eine Ontologie der Person und eine Hermeneutik der Gemeinschaft abgel×st wird, wobei er jedoch wegen seines platonisch gefÅrbten geistigen TheosisverstÅndnisses die natÛrlichen anthropologischen Strukturen zu stark disqualifiziert, da er Personsein Ûberhaupt erst nach der Inkarnation fÛr m×glich zu halten scheint (s. o., S. 368 f. u. 385 f.) – Zu den bisherigen kreuzestheologischen AusfÛhrungen insgesamt s. o., z. B. S. 179 (Luther). Vgl. ferner T. Mannermaa: Glauben, S. 132 ff. u. 142 ff.; E. JÛngel: Gott, S. 209, 299 ff., 470 ff.; I. Lønning: Art. „Gott VIII“, S. 692 ff. – Daß der Mensch durch die SÛnde nicht zum Unmenschen wird, sondern die Kategorie der Unmenschlichkeit auf die Werke zu beziehen ist, betont zu Recht E. JÛngel: Entsprechungen, S. 191 f. 104 105

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Heilige Geist die hingebungsvolle Liebe zwischen Vater, Sohn und Heiligem Geist auch wÅhrend der Hingabe in den Tod nicht enden lÅßt, wodurch dem todgeweihten Menschen das Leben neu geschenkt wird. Im Kreuz wird die nur trinitarisch m×gliche Gleichzeitigkeit von „GegenÛber und NÅhe“ Gottes vollends offenbar, und zwar sowohl im Blick auf Gottes Sein selbst als auch in bezug auf sein VerhÅltnis zum Menschen. Auf diese Weise vermag Gott unter den Entfremdungen der Welt gegenwÅrtig zu werden, ohne die Welt mit dem grellen Licht seiner vollkommenen Herrlichkeit zu blenden, was das Ende der Welt mit ihren vom Menschen geprÅgten Dunkelheiten bedeuten wÛrde, und ohne umgekehrt nur der ferne deus absconditus zu bleiben. In der Gleichzeitigkeit von „GegenÛber und NÅhe“ Gottes am Kreuz, die sich in der Gleichzeitigkeit von verborgenem und offenbarem Gott vollzieht, wird Gott als liebendes GegenÛber des Menschen erkennbar, das dem Menschen nÅher ist als dieser sich selbst, insofern als der Mensch erst in der Gemeinschaft mit Gott zu wahrer Menschlichkeit findet. Allein in dieser christologisch und pneumatologisch gewÅhrten Gleichzeitigkeit von „GegenÛber und NÅhe“ (verborgen und offenbar) vermag Gott den Menschen vor dem eschatologischen Schauen von Angesicht zu Angesicht (I Kor 13,12) eine Zeit der heilsgeschichtlichen Geduld zu er×ffnen, in der sie im SpannungsverhÅltnis von „schon“ und „noch nicht“ die Chance erhalten, in freier Glaubensantwort in Gottes Gemeinschaft der Liebe zurÛckzukehren. Voraussetzung der Rechtfertigung des SÛnders allein aus Glauben und der entsprechenden Heiligung in der Gemeinschaft mit Gott ist also die trinitarisch erschlossene Selbsthingabe Gottes. „Der dreieinige Gott wirkt befreiend und vermenschlichend.“107 Der Mensch darf noch unter den Bedingungen der von Gott entfremdeten Welt erkennen, daß Gott und Mensch in der Liebe das gleiche Geheimnis teilen, weil die trinitarische Selbsterschließung Gottes, die diesen als personales Geheimnis der Liebe offenbart, auch das Geheimnis wahren Menschseins erschließt. Deshalb erweist sich die trinitarische Selbsterschließung Gottes als das HEILSMYSTERIUM des Menschen, als das offenbare „Ge-heim-nis“, das keine Unkenntlichkeit oder Verschlossenheit Gottes besagt, sondern dem Menschen – und der ganzen Sch×pfung – das „Heim-kommen“108 erm×glicht, was sowohl im Kontext der AnknÛpfungspunk-

107 G. Greshake: Gott, S. 531. – Zum konstitutiven Zusammenhang von TrinitÅts- und Rechtfertigungslehre s. o., bes. S. 185 f. (Luther). Vgl. dazu F. Schmid: ErwÅgungen, S. 65 ff.; J. Koopmans: Dogma, S. 115. – Insgesamt siehe bes. Kap. IV,1.2.1. Vgl. insgesamt E. JÛngel: Entsprechungen, S. 237, 239, 249 ff.; ders.: Gott, S. 470 ff. u. 518 ff.; C. SchÛtz: Tendenzen, S. 318; W. Kasper: Gott, S. 159 ff. 108 Vgl. G. Greshake: Gott, S. 21, der in Bezugnahme auf J. Splett er×rtert, daß „Ge-heimnis“ eine Sammlung bedeutet, die Heim gibt. Vgl. ferner E. JÛngel: Gott, S. 341: „Ein wahres Geheimnis zieht uns an und ins Vertrauen. Es macht mit sich selbst als einem Geheimnis vertraut.“ – Besonders E. JÛngel und K. Rahner stellten angesichts der in der westlichen Tradition vernachlÅssigten Dimension des Geheimnisses die TrinitÅt als das Heilsmysterium heraus, welches als Geheimnis des g×ttlichen Seins und seiner Gnade das Geheimnis der Welt und der Menschen beinhaltet (s. o., S. 245 f. u. 266 ff.). – Die bisherigen AusfÛhrungen haben gezeigt, daß Gott in dreifacher Hinsicht als Geheimnis wahrzunehmen ist: aufgrund seiner AseitÅt, seiner PersonalitÅt und seiner Er×ffnung einer Zeit der Geduld mit ihrem chronologischen Zusammenspiel von verborgenem und sichtbarem Gott.

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te (vestigia trinitatis)109 als auch in ºberwindung der natÛrlichen Entfremdungen (Krisis) erfolgt: „Die [trinitarische] Offenbarung ist also die Bestimmung des unbestimmt-offenen Geheimnisses des Menschen, seiner Welt und Geschichte.“110 Deshalb ist die Erkenntnis des offenbaren Geheimnisses kein defizienter Modus, sondern die ursprÛngliche Erkenntnisweise, die erst alle Erkenntnis erschließt und Gottesgewißheit schenkt: „Gottesgewißheit ereignet sich da, wo Gott als die Heimat des Menschen identifizierbar wird.“111 In der biblisch bezeugten heils×konomischen Selbsterschließung Gottes, die als trinitarisches Sich-geben Gottes der Inhalt des Evangeliums ist, erfÅhrt der sich glaubend ×ffnende Mensch durch die Zusage der Liebe Gottes eine Gottesgewißheit, welche Heilsgewißheit impliziert: „Gottes gewiß sein heißt der Liebe gewiß sein und sich die Liebe, die Gott selber ist, gefallen lassen.“ Auf diese Weise „entdeckt der Glaube mitten in der Fremde das, was allen in die Kindheit scheint und worin doch noch niemand war: Heimat.“112 Vor diesem Hintergrund ist die SOTERIOLOGISCHE und REVELATORISCHE Relevanz der heilsgeschichtlichen Selbsterschließung Gottes unÛbersehbar, zumal sowohl authentische Gotteserkenntnis als auch Heilsgewißheit darauf angewiesen bleiben, daß Gott in der christologischen und pneumatologischen Selbsterschließung selbst zugegen und am Werk ist. Damit widerspricht die aus der trinitarischen Selbsterschließung resultierende Gottes- und Menschenerkenntnis nicht nur der Auffassung Wittgensteins, daß man Ûber die als unerkennbar postulierte TrinitÅt nur schweigen k×nne, sondern auch der Annahme Kants, die TrinitÅtslehre enthalte keinerlei praktische Bedeutung.113 Vielmehr erweist sich die zentrale hermeneutische Relevanz der trinitarischen Selbsterschließung Gottes, da diese unmißverstÅndlich zu erkennen gibt, daß sich wahre Gotteserkenntnis nur in der Gemeinschaft mit dem – von sich aus – die Menschen ansprechenden Gott vollziehen kann. Das geschieht als Teilhabe an Gottes Wahrheit, was in dieser Untersuchung in Anlehnung an entsprechende altkirchliche Einsichten als Koinonia-Erkenntnis (koinoneo = teilnehmen) bezeichnet wird114 und so dem VerstÅndnis des Gottesbegriffs als einem Sprachereignis mit Begegnungs- und Ereignischarakter (notae praesentis rei) Rechnung trÅgt. Nur aus dieser Einsicht, daß sich Gottes Sein allein in der heilsgeschichtlich gewÅhrten Gemeinschaft mit dem trinitarischen Gott erkennen lÅßt, welche allein wahrer g×ttlicher

109 „Der Mensch ist – natÛrlich dann von seinem Sch×pfer – so verfaßt, daß er erwartet, einem letzten Geheimnis zu begegnen. Das ist das Letzte und Tiefste seiner Existenz. Die augustinische Unruhe zu Gott hin mag als klassisches Beispiel dienen“ (W. Breuning: UnÅhnlichkeit, S. 374). 110 W. Kasper: Gott, S. 154. Vgl. ebd., S. 167: „Das Bekenntnis vom Offenbarungs- und Heilshandeln Gottes des Vaters durch Jesus Christus im Heiligen Geist ist die Explikation dieses einen Geheimnisses unseres Heils.“ 111 E. JÛngel: Entsprechungen, S. 257. – Zur zentralen hermeneutischen Funktion des offenbaren Geheimnisses vgl. W. Kasper: Gott, S. 164. 112 E. JÛngel: Entsprechungen, S. 264 u. 261. Vgl. zur heilsgeschichtlichen Selbstgabe Gottes als Inhalt des Evangeliums C. Schw×bel: TrinitÅtslehre, S. 140. 113 Zu Kant und Wittgenstein s. o., S. 28–30 u. 197 f.; zur revelatorischen und soteriologischen Relevanz der trinitarischen Selbsterschließung s. o., S. 86 u. 121 f. (Alte Kirche), und z. B. S. 305 f. 114 Zur EinfÛhrung dieses Begriffs durch den Verfasser s. o., S. 129 f.

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und menschlicher PersonalitÅt entspricht und diese offenbart, erwÅchst letztgÛltige Heilsgewißheit: „Heil ist intensive Gemeinschaft mit Gott [. . .]. Mit dem Kommen des Heiligen Geistes und des Glaubens kommt der dreieinige Gott selbst zum Menschen, um in ihm Wohnung zu nehmen.“115 Diese pneumatologisch vermittelte Glaubens- und Heilsgewißheit wird durch die christologisch erschlossene Gewißheit bestÅtigt: „Als das endgÛltige ‚Ja‘ aller Verheißungen Gottes (II Kor 1,20) teilt Jesus Christus den Glauben als unbedingtes Gottvertrauen mit“116, das auf der heilsgeschichtlichen KontinuitÅt der trinitarischen Selbsterschließung beruht. Sie erm×glicht wegen der UnverÅnderlichkeit des sich uns verheißenden Gottes (Mal 3,6) die Gewißheit der Gotteserkenntnis. Selbstgewißheit sowie Gottes- und Heilsgewißheit kann der Mensch aufgrund seiner ambivalenten Selbsttranszendenz nicht aus sich selbst erlangen, sondern nur durch den empfangenden Glauben. Um die im Heiligen Geist erm×glichte Gewißheit Ûber die in Christus offenbarte Wahrheit der von Gott geschenkten Sch×pfungs- und Heilswirklichkeit zu erlangen, ×ffnet sich der Glaube der Liebe Gottes und nimmt sie an. Der Gottes Heilshandeln gegenÛber passive Glaube erweist sich demnach zugleich als aktive Glaubensantwort117, was sowohl synergistischen Tendenzen (z. B. Werkgerechtigkeit) als auch deterministischen Tendenzen (z. B. doppelte PrÅdestination) widerspricht. Aufgrund der hermeneutischen Kondition, daß die Erkenntnisbedingungen dem Erkenntnisgegenstand zu entsprechen haben, bedarf also die im Wort vollzogene und sich im Heiligen Geist vergegenwÅrtigende Selbsterschließung Gottes mit ihrer Heils-Anrede einer empfangenden Hermeneutik, welche die Glaubensantwort als personale SelbstÛbereignung des Menschen an Gott beinhaltet.118 Denn die menschliche Freiheit der Ansprechbarkeit ist ausgerichtet auf die Freiheit der Antwort auf Gottes Heilszusage, in der die Menschen zu ihrer eigentlichen Entsprechung finden, da Liebe, Gemeinschaft und Glaube die selbstzerst×rerische SelbstbegrÛndung des Menschen ausschließen. Auf diese Weise wird das Wesen der auf Gottes Liebe angewiesenen menschlichen Existenz ebenso ernst genommen wie das Wesen Gottes, den man nur durch die empfangende °ffnung fÛr seine Selbsterschließung Gott sein lÅßt. In dem von „GegenÛber und NÅhe“ geprÅgten Koinonia-VerhÅltnis zwischen Gott und Mensch lassen sich nicht nur Formen metaphysisch-dualistischer Vereinnah-

115 E. JÛngel: Entsprechungen, S. 258 f. Zum Begegnungs- und Gemeinschaftscharakter der Gotteserkenntnis vgl. auch W. Breuning: TrinitÅtslehre, S. 24; H. Petri: Problematik, S. 41; D. Staniloae: Dogmatik I, S. 40, 104, 212, und U. Kuhnke: Koinonia, S. 17, 100 f., 130, 180 ff., der auf den Zusammenhang zwischen der Koinonia mit Gott und der Koinonia mit den Mitmenschen hinweist und so implizit die Verbindung zwischen Gottes- und Menschenerkenntnis bestÅtigt. – Zum personalen und gemeinschaftlichen Begegnungscharakter des Gottesbegriffs und seiner hermeneutischen Relevanz s. o., S. 471 ff. 116 I. Lønning: Art. „Gott VIII“, S. 693. 117 Vgl. C. Schw×bel: Being, S. 146 f. Vgl. insgesamt E. JÛngel: Entsprechungen, S. 236, der sich dort auf Luther bezieht. Vgl. ferner ebd., S. 255 ff., und ders.: Gott, S. 466 f. u. 219, wo JÛngel zeigt, daß der Glaube als die vom redenden Gott erm×glichte und er×ffnete existentielle Relation des sich auf den anredenden Gott einlassenden Menschen die „VerschrÅnkung von AktivitÅt und PassivitÅt des Erkennens im Gottesgedanken“ beinhaltet (ebd., S. 218). – Zum Problem von Synergismus und Determinismus s. o., S. 309. 118 S. o., S. 180 f. Vgl. W. Kasper: Gott, S. 157, und E. JÛngel: Gott, S. 208, 227, 414.

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mung Gottes (ferner Gott) abwehren, die Gottes auf der Handlungs- und Seinsebene (Werkgerechtigkeit, g×ttlicher Funke im Menschen) habhaft werden wollen, oder Formen emanatorisch-identifizierender Vereinnahmung, die g×ttliche und weltliche Strukturen bis hin zum Aufgehen Gottes in der Welt identifizieren, sondern auch atheistische Formen der Leugnung Gottes.119 Auch hier gilt: nur im empfangenden Glauben entspricht der Mensch der Anrede Gottes und der darauf ausgerichteten menschlichen Selbsttranszendenz, was verdeckte – Gott vereinnahmende – oder direkte Selbstverg×ttlichung verhindert. So ist es verstÅndlich, daß sowohl der klerikalen Selbstverg×ttlichung im Mittelalter als auch der aufklÅrerischen Vernunftautonomie mit der Besinnung auf die heils×konomisch offenbarte TrinitÅt begegnet wurde.120 Den sich heilsgeschichtlich erschließenden Gott kann der sich ×ffnende Glaube dann als von sich aus redenden Gott bzw. als Gott gelten lassen. Von daher verk×rpert der empfangende Glaube die einzig angemessene und ursprÛngliche Weise der Annahme der im Wort begrÛndeten Heilsgemeinschaft, wÅhrend die – solchem Glauben entsprechende – Vernunft dem Ergriffen-Sein von dieser Gemeinschaft auf reflexe Weise nach-denkt (fides quaerens intellectum). Die vernÛnftige Vernunft erkennt nÅmlich, daß sie aufgrund der kosmologischen und anthropologischen Selbsttranszendenz und der Verborgenheit Gottes, der nur in seiner Selbsterschließung offenbar wird, Gott nicht selbst konstruieren kann, sondern sich seiner Selbsterschließung zu ×ffnen hat. So stellt sich die Aufgabe, „eine trinitarische Theo-logik zu entwickeln, die sich ihre Begriffe und Denkstrukturen von der heilsgeschichtlichen Offenbarung selbst vorgeben lÅßt“121. Dabei darf jedoch trotz der damit verbundenen Infragestellung der SelbstverstÅndlichkeiten „natÛrlicher“ Vernunft (Krisis) nicht vergessen werden, daß GLAUBE UND VERNUNFT aufgrund des trinitarisch gegebenen Zusammenhangs von Sch×pfungs- und Erl×sungsordnung auch an die natÛrlichen Voraussetzungen anknÛpfen. Im heilsgeschichtlich-trinitarischen Zusammenhang von Sch×pfung, Erl×sung und Vollendung partizipiert die Vernunft sowohl am protologischen Lebensodem der Sch×pfung als auch an der eschatologischen Geist-Gabe Christi, die an die natÛrlichen Voraussetzungen anknÛpft, indem die Gnade sich die Natur voraussetzt und diese kritisch auf ihre Verkehrungen hin befragt, wodurch die Natur auf ihre eigentliche Wahrheit angesprochen wird. Der auf die trinitarische Selbsterschließung gerichtete Glaube, der die Rechenschaft gegenÛber allen Menschen impliziert (I Petr. 3,15), ist also auf die UniversalitÅt und VernÛnftigkeit des in ihm enthaltenen Sinnziels ausgerichtet, was weder die fideistische Trennung (Dualismus) von Glaube und Vernunft erlaubt noch deren rationalistische Identifizierung. Das vom trinitarischen Gott Geschaffene findet seine „volle Verwirklichung erst dann, wenn es in das Licht

119

S. o., S. 94 f. u. 461, und siehe Kap. III,3.1. Siehe Kap. III,2 u. 3. Vgl. insgesamt C. Schw×bel: Being, S. 146 f.; E. JÛngel: Gott, S. 219 f. u. 464 ff.; ders.: Entsprechungen, S. 191 u. 316 f.; T. Mannermaa: Glauben, S. 145 f. 121 B. J. Hilberath: Gott, S. 77. Vgl. J. Werbick: TrinitÅtslehre, S. 517: „Die TrinitÅtstheologie [. . .] hat sich von Gott und von seiner Geschichte mit den Menschen zu denken geben lassen [. . .]. Gott legt sich in der Heils×konomie [. . .] als der allem Nach-Denken gegenÛber UrsprÛnglichere [. . .] aus.“ Vgl. insgesamt E. JÛngel: Gott, S. 205 ff. u. 410 f.; ders.: Entsprechungen, S. 171 ff. u. 242 ff.; P. Siller: Gotteslehre, S. 18 f. 120

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des Urbilds, welches Maß und Ziel seines Seins und Wirkens ist, gestellt wird. Deshalb ist es die vom Glauben an den dreieinigen Gott geleitete Vernunft, welche die tiefsten PotentialitÅten alles Wirklichen zu entdecken und zu aktuieren vermag.“122 Im Kontext der als Krisis und Integral der Wirklichkeit fungierenden trinitarischen Selbsterschließung erweist sich nicht nur der von seinem Gegenstand bestimmte Glaube als trinitarisch geprÅgt, sondern auch die Vernunft, die aufgrund ihrer Sch×pfungsvoraussetzungen letztlich trinitarisch ausgerichtet ist, was bei der Er×rterung der anthropologischen Voraussetzungen bereits deutlich wurde. Die vernÛnftige Vernunft erkennt die VernÛnftigkeit des Glaubens, der in seinem Wesen der trinitarisch erschlossenen Gleichzeitigkeit von „GegenÛber und NÅhe“ bzw. von Verborgenheit und Sichtbarkeit Gottes entspricht, insofern als er nur in empfangender °ffnung Gottes- und Heilsgewißheit zu erlangen vermag und auf diese Weise eine neue Erfahrung mit den alten Erfahrungen erm×glicht.123 So erweist sich weder ein rein fideistischer noch ein rein rationaler Glaube als vernÛnftig, sondern allein ein empfangender Glaube, der sich vor dem Hintergrund der kosmologischen, anthropologischen und theologischen Ahnung von Gott (AnknÛpfungspunkte) der Selbsterschließung Gottes ×ffnet. Dadurch wird eine Polarisierung in zwei Erkenntnisbereiche (natÛrlich – ÛbernatÛrlich) mit Hilfe des biblischen SpannungsverhÅltnisses von Verborgenheit und Selbsterschließung Gottes Ûberwunden, weil dieses VerhÅltnis in der Spannung von Krisis und Integral an die Sch×pfungswirklichkeit anknÛpft. Denn die Offenbarungswirklichkeit wÅre ohne eine vorlÅufige Ahnung von der g×ttlichen Dimension kaum verstÅndlich zur Sprache zu bringen, wÅhrend umgekehrt eine natÛrlich-apriorische Gotteserkenntnis die Offenbarung lediglich unter feststehende Kategorien subsumieren wÛrde.124

Alle Er×rterungen Ûber die Dimensionen der Gotteserkenntnis, ob sie von der Kosmologie, der Anthropologie, dem Gottesbegriff oder dem VerhÅltnis von Glaube und Vernunft ausgingen, haben gezeigt, daß ein Spannungsbogen zwischen natÛrlicher AHNUNG und selbsterschließender OFFENBARUNG existiert, der den zu beobachtenden Einseitigkeiten bei der VerhÅltnisbestimmung von natÛrlicher Theologie und Offenbarungstheologie ent-

122 G. Greshake: Gott, S. 41. Vgl. insgesamt W. Kasper: Gott, S. 95 ff., 105 ff., 329 f.; E. JÛngel: Gott, S. 209, 465 ff.; ders.: Entsprechungen, S. 165, 171 ff., 242 ff., und E. Lessing: Art. „Geist V“, S. 229 ff. 123 Neben dem Glauben entsprechen die Liebe und die Hoffnung (I Kor 13,13) der Koinonia mit dem trinitarischen Gott (s. o., S. 266). – Vgl. insgesamt E. JÛngel: Entsprechungen, S. 171 ff. u. 242 ff.; W. Kasper: Gott, S. 98 ff.; G. Greshake: Gott, S. 39 ff.; C. Schw×bel: TrinitÅtslehre, S. 152, und G. Ebeling: Dogmatik I, S. 190 f. – „Die Grundsituation des Gebets, aus der alle ernsthafte Theologie kommt und in die alle ernsthafte Theologie wieder einmÛndet“ (I. Lønning: Art. „Gott VIII“, S. 699 – Hervorhebung v. Vf.), entspricht in ihrer kenotischen Hermeneutik der kenotischen Liebe Gottes. Vgl. S. Harkianakis: Charakter, S. 351 ff., und C. SchÛtz: Tendenzen, S. 288. 124 Vgl. zum VerhÅltnis von vorlÅufiger und apriorischer Gotteserkenntnis und zur biblischen Spannung von Verborgenheit und Offenbarung I. Lønning: Art. „Gott VIII“, S. 675, 677, 696.

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gegensteht. Die Wahrnehmung dieses Spannungsbogens stimmt inhaltlich mit der Erkenntnis der neunizÅnischen Theologie Ûberein.125 So kam es bei den drei großen Kappadoziern zur differenzierten Vermittlung von natÛrlicher und ÛbernatÛrlicher Gotteserkenntnis, was mit einer Vermittlung von kataphatisch-rationaler und apophatisch-transzendentaler Hermeneutik einherging. Die Kappadozier erkannten die Interdependenz von kataphatischer und apophatischer Dimension, die auf der – fÛr beide Dimensionen geltenden – Notwendigkeit der heils×konomischen Selbsterschließung und der damit verbundenen existentiellen Erkenntnis (Erfahrung) beruht. In Anlehnung an R×m 1–2 gingen die Kappadozier von den in der Natur gegebenen kataphatischen Hinweisen auf die Existenz Gottes aus, wobei Gott aufgrund der Transzendenz von Mensch und Welt in der natÛrlichen Erkenntnis verborgen bleibt. Dieser apophatische Aspekt hÅlt der Vernunft die Notwendigkeit g×ttlicher Selbsterschließung vor Augen, der es schon deshalb bedarf, weil die natÛrliche Erkenntnis aufgrund des menschlichen Selbstverg×ttlichungsdrangs (Verkehrung natÛrlicher Hinweise) ambivalent bleibt (R×m 1,21 ff.). Da das apophatische Moment aber nicht die Unerkennbarkeit Gottes beinhaltet, sondern den Hinweis auf Gott als transzendental-personales Geheimnis, das sich in der trinitarischen Heilsgeschichte unter den Bedingungen der Welt als offenbares Geheimnis der Liebe erschließt, kommt die apophatische Dimension mit der – sich in Worten und Werken vollziehenden – Selbsterschließung Gottes auf die kataphatische Dimension zurÛck. M×glich wird dieser Ansatz nicht zuletzt durch die differenzierte Energienlehre der Kappadozier, die aus den heilsgeschichtlich erfahrbaren g×ttlichen Energien (Respekt vor dem apophatischen hypostatischen Wesen Gottes) RÛckschlÛsse auf das hypostatische Sein Gottes zulÅßt (heils×konomische Erkennbarkeit Gottes). Vor diesem Hintergrund vollzieht sich die Gottes- und Heilserkenntnis bei den Kappadoziern in der empfangenden °ffnung fÛr die Gemeinschaft mit Gott (Koinonia-Erkenntnis), die als Teilgabe an der heilsgeschichtlichen g×ttlichen Selbsterschließung die natÛrlich-kataphatische und die transzendental-apophatische Dimension verbindet und so weder abstrakte natÛrliche noch abgehobene ÛbernatÛrliche Gotteserkenntnis bedeutet. Denn es existieren natÛrliche – aber ambivalente – Hinweise auf Gott, die auf die g×ttliche Selbsterschließung angewiesen bleiben, welche wiederum heilsgeschichtlich an die Sch×pfungsvoraussetzungen anknÛpft.126 Im Anschluß an diese differenzierte Sichtweise der neunizÅnischen Theologie bietet es sich an, die zu Polarisierungen und Einseitigkeiten neigenden Begriffspaare „natÛrliche – ÛbernatÛrliche Gotteserkenntnis“ und „natÛrli-

125 126

S. o., S. 129 ff. Zum kappadozischen Ansatz siehe Kap. II,3.

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che Theologie – Offenbarungstheologie“ durch das Begriffspaar „Ahnung – Offenbarung“ zu ersetzen, da es das differenzierte VerhÅltnis zwischen natÛrlicher Gottesahnung und Offenbarung als Selbsterschließung zum Ausdruck bringt und so hilfreich fÛr die ºberwindung der Polarisierungen bzw. Defizite der divergierenden OffenbarungsverstÅndnisse sein kann.127 ZunÅchst lÅßt der Begriff „Ahnung“ vor dem Hintergrund der bisher er×rterten Bedingungen der Gotteserkenntnis erkennen, daß die natÛrlichen Voraussetzungen keine sicheren und eindeutigen Erkenntnisse liefern, die ein metaphysisches RÛckschlußverfahren oder eine kriteriologische Funktion natÛrlicher Erkenntnis fÛr die Offenbarung erlauben wÛrden. Der Begriff „Ahnung“ beinhaltet die gezeigte kosmologische und anthropologische Transzendenz ebenso wie die entsprechenden – oben er×rterten – Implikationen des Gottesbegriffs, indem er die UnzulÅnglichkeit und Ambivalenz natÛrlicher Gotteserkenntnis zum Ausdruck bringt, die auch in der menschlichen Neigung zu selbstverg×ttlichender Vereinnahmung oder Verkehrung der natÛrlichen Hinweise auf Gott begrÛndet liegt. So verweist die kataphatisch-rationale Dimension natÛrlicher AnknÛpfungspunkte unwillkÛrlich auf den apophatisch-transzendentalen Aspekt, der die Selbsterschließung Gottes notwendig werden lÅßt, insofern als die natÛrlichen Voraussetzungen keine Gottes- und Heilsgewißheit erm×glichen, sondern lediglich eine „Ahnung“ von Gott, die erst in der alle Erkenntnis umfassenden Selbsterschließung Gottes zum Ziel kommt. Das vollzieht sich nicht nur in der Beantwortung einer existierenden Offenheit fÛr Gott, sondern auch als Krisis Ûberkommener Vorstellungen (I Kor 1,18 ff.) und als ºberwindung sÛndiger Selbstbezogenheit.128 Umgekehrt schließt die gewÅhlte Begrifflichkeit den Aspekt natÛrlicher AnknÛpfungspunkte der Gotteserkenntnis nicht aus, der mit dem trinitarisch-heilsgeschichtlichen Zusammenhang von Sch×pfung, Erl×sung und Vollendung gegeben ist und der den kosmologischen und anthropologischen Kontext der Gotteserkenntnis gewÅhrt – als Voraussetzung fÛr die VerstÅndlichkeit und UniversalitÅt der Offenbarung. Nur so wird auch die Situation der Adressaten der Offenbarung ernst genommen und die in I Petr 3,15 geforderte Rechenschaftspflicht gegenÛber allen Menschen m×glich. Die mit der „Offenbarung“ gemeinte heils×konomische Selbsterschließung des trinitarischen Gottes erweist sich also angesichts dieser Dimensionen der natÛrlichen „Ahnung“ dem biblischen Zeugnis entsprechend als

Zur EinfÛhrung dieses Begriffspaares durch den Verfasser s. o., S. 130 f. Deshalb Åußert sich O. Bayer: VerstÅndnis, S. 109, kritisch gegenÛber einseitig transzendental-offenen AnsÅtzen: „Jedes transzendental-philosophische und transzendental-theologische Denken, bei Kant und, ihm folgend, von Schleiermacher bis Rahner und Pannenberg geht von einer einheitlichen – jedenfalls: formal einheitlichen – universalen Offenheit aus, in der universale Verschlossenheit, die SÛnde, immer schon Ûberwunden ist“. 127 128

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Krisis und Integral zugleich. Denn eine natÛrliche „Ahnung“ bleibt unbeschadet der M×glichkeit positiver AnknÛpfung an ihre Einsichten offen fÛr deren kritische Hinterfragung, Korrektur und ºberbietung, so wie es sich im VerhÅltnis von Gesetz und Evangelium darstellt und einem ergÅnzungstheologischen Nacheinander von natÛrlicher und ÛbernatÛrlicher Offenbarung oder der unangemessenen Verquickung beider widerspricht. Deshalb korrespondiert das VerhÅltnis von Ahnung und Offenbarung dem VerhÅltnis von Gesetz und Evangelium: Das auf die Botschaft des Evangeliums hin ÛberfÛhrende – oder in Verkehrung benutzte – Gesetz kommt erst im Evangelium zum Ziel – wie die Ahnung in der Offenbarung. Dualistische Polarisierungen von natÛrlicher und ÛbernatÛrlicher Offenbarung oder identifizierende Nivellierungen beider Aspekte fÛhren zu den bereits er×rterten Formen der Vereinnahmung Gottes auf der Handlungs- und Seinsebene (z. B. Werkgerechtigkeit, Synergismus, metaphysisch-strukturelle Identifizierungen, determinierte AbhÅngigkeiten).129 Das kann zum einen auf der einseitig offenbarungstheologischen Betonung des verborgenen Gottes beruhen, der in der Natur keine Spuren hinterlÅßt und dessen man unter dem Postulat eines fernen Gottes durch eigenes Handeln oder die ºbertragung g×ttlicher QualitÅten auf den Menschen (oder umgekehrt) habhaft werden kann. Zum anderen kann die einseitig natÛrlich-theologische Betonung des in der Natur offenbaren Gottes bewirken, daß Gott von den Strukturen der Welt – oder der Kirche – abhÅngig erscheint bzw. in ihnen aufzugehen droht. Die mit der Dialektik von Gesetz und Evangelium gegebenen Dimensionen menschlicher Schuld und g×ttlicher Liebe, die auf Gottes hingebungsvolle Liebe als Befreiung des Menschen aus dessen Selbstbezogenheit verweisen, gehen in solchen Polarisierungen und Identifizierungen ebenso verloren wie der Zusammenhang von verborgenem und sichtbarem Gott. Denn die nur trinitarisch gewÅhrte Gleichzeitigkeit von „GegenÛber und NÅhe“ Gottes und die daraus resultierende Gemeinschaft freier Liebe zwischen Gott und Mensch finden auf diese Weise keine sachgemÅße BerÛcksichtigung. Erst die heilsgeschichtliche Selbsterschließung des trinitarischen Gottes zeigt im differenzierten Zusammenspiel von Ahnung und Offenbarung die Voraussetzung dieser Gemeinschaft, indem sich Gott selbst und aus sich selbst – als Kriterium seiner Offenbarung – in die Geschichte der Welt – und somit unter den Bedingungen der Welt – erschließt (In-karnation). So erm×glicht er den Menschen in der heilsgeschichtlich gewÅhrten Gemeinschaft mit sich selbst wahre Gottes- und Heilserkenntnis sowie -gewißheit, was hier als Koinonia-Erkenntnis130 bezeichnet wird und in der eschatologi129

Z. B. s. o., S. 461. S. o., S. 130. – Weil sich der trinitarische Gott in der Heilsgeschichte selbst erschließt, ist „die Rede Ûber die Heilsgeschichte indirekte TrinitÅtslehre und die TrinitÅtslehre indirekte Heilsgeschichte“ (C. Schw×bel: TrinitÅtslehre, S. 134). 130

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schen visio beatifica „von Angesicht zu Angesicht“ (I Kor 13,12) vollendet wird. Die unter den Bedingungen der Welt im Glauben erschlossene Gotteserkenntnis ist zwar wahrhaftig und definitiv, aber sie wird erst im Eschaton zum vollendeten Schauen (II Kor 5,7)131, woraus erneut hervorgeht, daß wahre Gotteserkenntnis nur m×glich ist, wenn sich der Mensch dem Weg der Selbsterschließung Gottes ×ffnet. Diesen ZusammenhÅngen gemÅß, in denen die TrinitÅtslehre als Integral des WirklichkeitsverstÅndnisses (Sch×pfung, Vers×hnung, Vollendung) den sich christologisch und pneumatologisch offenbarenden Gott als sich selbst entsprechenden Gott vor Augen fÛhrt, beinhalten sowohl die natÛrlichen AnknÛpfungspunkte (Ahnung) als auch die Selbsterschließung (Offenbarung) – entgegen sonstiger einseitiger Zuordnungen – jeweils eine kataphatische und eine apophatische Dimension. Denn die rational-kataphatisch erfaßbaren natÛrlichen Voraussetzungen der Gotteserkenntnis lassen aufgrund ihrer Transzendenz und Ambivalenz zugleich das apophatische Moment transparent werden. Auch die Selbsterschließung des personalen Geheimnisses Gottes bezieht sich auf die apophatische Dimension, die sich aber zugleich als offenbares Geheimnis heilsgeschichtlich kataphatisch benennbar erschließt. Deshalb sind die Polarisierungen, die sich in den Begriffspaaren „natÛrliche – ÛbernatÛrliche Offenbarung“ und „natÛrliche Theologie – Offenbarungstheologie“ finden, zu Ûberwinden. Denn die sogenannte „natÛrliche Offenbarung“ bzw. „natÛrliche Theologie“ ist wegen ihrer Transzendenz und Ambivalenz (heilsgeschichtliche Krisis/I Kor 1,18 ff.) ebenso mit dem ÛbernatÛrlich-apophatischen Aspekt behaftet, wie die „ÛbernatÛrliche Offenbarung“ bzw. „Offenbarungstheologie“ neben der Bezugnahme auf die apophatische Dimension g×ttlicher PersonalitÅt mit den natÛrlichen AnknÛpfungspunkten verbunden ist, weil sich Gottes PersonalitÅt heilsgeschichtlich erschließt. Das Begriffspaar „Ahnung – Offenbarung“ bringt diese Interdependenz besser zum Ausdruck, indem es auf eine pauschale PolaritÅt von natÛrlicher Theologie und (ÛbernatÛrlicher) Offenbarungstheologie verzichtet. Umgekehrt wehrt das neue Begriffspaar auch der Gefahr einer undifferenzierten Nivellierung beider Seiten, die bei der Rede von „natÛrlicher Offenbarung“ und „ÛbernatÛrlicher Offenbarung“ besteht, weil hier die OffenbarungsqualitÅt beider Seiten als gleichwertig erscheint, was die natÛrliche Erkenntnis oft als Maßstab der heilsgeschichtlichen Offenbarung erscheinen ließ (kriteriologische Vorordnung des Traktats „De Deo uno“). Die begriffliche Differenzierung „Ahnung – Offenbarung“132 weist also un131 Vgl. I. Lønning: Art. „Gott VIII“, S. 670, 674, 696 f., und O. Bayer: TrinitÅtslehre, S. 79. Zu entsprechenden Er×rterungen J. Moltmanns s. o., S. 284. 132 Bisher erfolgte Versuche, den Begriff „natÛrliche Theologie“ wegen seiner Vieldeutigkeit zu ersetzen, haben sich mehr auf die Abgrenzung von einer „philosophischen Theologie“ konzentriert und die Implikationen des Begriffs „Ahnung“ (Krisis, Ambivalenz) nicht zum Aus-

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ter Umgehung bisheriger Polarisierungen oder Nivellierungen deutlicher als die herk×mmlichen Begriffspaare auf den Duktus und die KomplexitÅt des Zusammenhangs von natÛrlichen AnknÛpfungspunkten und heilsgeschichtlicher Selbsterschließung Gottes hin. Damit bildet sie das GerÛst des differenzierten offenbarungstheologischen Rahmens, der sich aus der neunizÅnischen Theologie ableiten lÅßt und der zur ºberwindung offenbarungstheologischer Einseitigkeiten und Defizite beizutragen vermag. Das betrifft zum Beispiel die spÅter in Ost- und Westkirche aufgetretenen Einseitigkeiten hinsichtlich einer rational-kataphatischen (West) und transzendental-apophatischen (Ost) Hermeneutik, weil das Begriffspaar „Ahnung – Offenbarung“ die Interdependenz beider Dimensionen verk×rpert. Zugleich wird durch die bleibende Angewiesenheit der Ahnung auf die Selbsterschließung Gottes die in Ost- und Westkirche aufgekommene Vorordnung der natÛrlichen Erkenntnis von Gottes Einheit verhindert, sei sie nun durch die scholastische Stufung in die Traktate „De Deo uno – De Deo trino“ hervorgerufen oder durch die palamitische Orientierung an den „ad extra“ einheitlich wirkenden g×ttlichen Energien. Wegen der Trennung des einheitlichen energetischen Wirkens von einer gesonderten ÛbernatÛrlichen Offenbarung zog der palamitische Ansatz nÅmlich ebenfalls die faktische Vorordnung der Einheit Gottes nach sich, wodurch er die TrinitÅt vom heilsgeschichtlichen Bezug absonderte und wie im Westen die soteriologische Funktionslosigkeit der TrinitÅtslehre f×rderte.133 GegenÛber diesem palamitischen Defizit, das mit der Polarisierung von natÛrlicher und ÛbernatÛrlicher Offenbarung zusammenhÅngt, verdeutlicht das VerhÅltnis von „Ahnung und Offenbarung“, wie sich Gott unter den heilsgeschichtlichen Bedingungen der Welt erschließt. Das unterstreicht die kappadozische Energienlehre, die entgegen der radikalen palamitischen Trennung von kataphatisch-weltlicher und apophatisch-g×ttlicher Dimension bzw. von ×konomischer und immanenter TrinitÅt RÛckschlÛsse von den heilsgeschichtlich wahrnehmbaren g×ttlichen Energien auf Gottes hypostatisches Sein zulÅßt.134 Auch den mit der soteriologischen Funktionslosigkeit der TrinitÅt einhergehenden Defiziten in Ost und West hinsichtlich der Gnadenlehre vermag die neue offenbarungstheologische Differenzierung zu begegnen. Die westliche Scholastik vernachlÅssigte nÅmlich durch ihre natÛrlich-rationale

druck gebracht, was z. B. die Rede von der „natÛrlichen Gotteserkenntnis“ zeigt, die W. Pannenberg: Theologie I, S. 120, vorschlÅgt. M. Kappes: „NatÛrliche Theologie“, S. 302, erkennt zwar das Problem, bietet aber keine L×sung an, zumal auch bei ihm die Dimension der Krisis nicht deutlich zum Tragen kommt. 133 Siehe Kap. III,1. 134 Zur neunizÅnischen und palamitischen Energienlehre s. o., S. 129 u. 166 ff.

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Ausblendung der apophatischen Dimension die Transzendenz des Heiligen Geistes bzw. seine Gegenwart als personales Geheimnis und lebendiges GegenÛber (Geber der Gnade), so daß der Geist durch rationale natÛrliche Ableitungen mit entsprechender Identifizierung g×ttlicher und menschlicher Strukturen nur noch als gewirkter Habitus des Menschen (geschaffene Gnade) bzw. als Kraft (Gabe) galt. Zur gleichen Vereinnahmung des Geistes, die ihn seiner EigenstÅndigkeit als freies GegenÛber des Menschen beraubte, kam es im palamitisch orientierten Osten, nur auf anderem Wege. Indem man in Ûberzogener apophatischer Hermeneutik der energetischen Gegenwart des Geistes seine heils×konomisch erkennbare hypostatische – und damit personale – Gegenwart absprach, konnte man den Geist nur noch als energetische Kraft und somit – ebenso wie im Westen – lediglich als intermediÅre RealitÅt verstehen. DemgegenÛber zeigt das Begriffspaar „Ahnung – Offenbarung“ mit seiner Interdependenz von kataphatisch-rationaler und apophatisch-transzendentaler Dimension, daß die Konstruktion eines Geist-Habitus durch ein rationales RÛckschlußverfahren im Westen (Identifizierung von natÛrlicher und ÛbernatÛrlicher Offenbarung) ebenso unangemessen ist wie eine energetische ErgÅnzungstheologie im Osten, die dem Menschen eine von der PersonalitÅt des Geistes getrennte energetische ErgÅnzung seiner natÛrlichen Konstitution zuspricht (Polarisierung von natÛrlicher und ÛbernatÛrlicher Offenbarung).135 Erst die angemessene offenbarungstheologische Differenzierung erm×glicht die apophatisch und kataphatisch bedingte Gleichzeitigkeit von „GegenÛber und NÅhe“ des Heiligen Geistes als personalem Geber und als charismatischer Gabe. Dadurch wird Gnade in ºberwindung der jeweils statischen Vereinnahmung des Geistes in Ost und West wieder als Geschenk der personalen Gegenwart Gottes erfahrbar (personale Einwohnung des Geistes), so daß sie die freie personale Gemeinschaft zwischen Gott und Mensch als Voraussetzung des Glaubens neu er×ffnen kann. Also weist nur eine kataphatisch und apophatisch bestimmte empfangende Hermeneutik, die sich der Selbsterschließung Gottes in der heilsgeschichtlichen Wirklichkeit ×ffnet, sachgemÅß auf die personale Glaubensgemeinschaft mit dem trinitarischen Gott hin. Deshalb bietet die hier vorgenommene begriffliche offenbarungstheologische Differenzierung zugleich die Grundlage fÛr die Wahrnehmung des VerhÅltnisses von Glaube und Rechtfertigung sowie fÛr die ºberwindung von Synergismus einerseits und Determinismus andererseits. Denn es zeigt sich, daß der Mensch nicht durch den Habitus der geschaffenen Gnade oder durch eine energetisch-ergÅnzungstheologische Theosis (selbst)gerechtfertigt ist, sondern daß er durch die trinitarisch strukturierte

135 Zu den genannten Defiziten der Gnadenlehre in Ost und West s. o., S. 169 f., 221, 249 f., 305 f., 332 f.

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personale Gnadenzuwendung allein aus Glauben gerechtfertigt wird. Die in der richtigen offenbarungstheologischen Zuordnung erkennbare Gleichzeitigkeit von „GegenÛber und NÅhe“ Gottes gibt Gott als freies GegenÛber der Menschen zu erkennen, das diesen in seinem gnÅdigen Heilsangebot nÅher kommt als sie sich selbst und sie so zur freien Glaubensantwort befreit, die aus der sich ×ffnenden und empfangenden Hermeneutik entspringt. Das schließt synergistische Werkgerechtigkeit jeder Art ebenso aus wie die Mißachtung gegenseitiger personaler Beziehungen und deterministische Formen von PrÅdestination oder PassivitÅt. Denn das Wirken des Geistes ist mit Freiheit verbunden (II Kor 3,17), in der das Angebot der Gnade mit der M×glichkeit ihrer ZurÛckweisung oder der aktiven Glaubensantwort existiert. Gottes freie Liebe und seine vorausgehende Gnade m×chten die Gegenliebe als freie Šußerung wecken, wobei wahre Freiheit nicht in einer absolut neutralen Entscheidungsfreiheit ohne Existenzgrundlage besteht, sondern auf der Basis der befreienden Liebe Gottes geschenkt ist.136 Der Zusammenhang von Liebe, Schuld und Befreiung geht verloren, wenn es entweder durch einen natÛrlich-rationalen Ansatz unter dem Postulat kataphatischer Objektivierbarkeit Gottes via affirmationis (RÛckschlußverfahren) zur Indentifizierung g×ttlicher und menschlicher Strukturen kommt (analogia entis, offenbarer Gott), oder durch einen ÛbernatÛrlichfideistischen Ansatz unter dem Postulat apophatischer Unbegreiflichkeit Gottes via negationis (seinsmÅßige oder moralische Handhabung Gottes) zur dualistischen Vereinnahmung des fernen Gottes kommt (analogia fidei, verborgener Gott). Im ersten Fall werden menschliche Schuld und g×ttliche Liebe ausgeblendet, weil aufgrund der Identifikation menschlicher und g×ttlicher Strukturen ein linear-ergÅnzungstheologischer Fortschritt von der natÛrlichen zur ÛbernatÛrlichen Ebene erfolgt, der keine Krisis erkennen lÅßt und somit Schuld, Umkehr und Erl×sung in den Hintergrund drÅngt. Im zweiten Fall werden die menschliche Schuld der Abwendung von Gott und die damit zusammenhÅngende Erbarmung Gottes durch die fideistisch-transzendentale GeringschÅtzung der natÛrlichen Ahnung Gottes und seines Gesetzes (R×m 1,19 f.; 2,14 f.) verdrÅngt, und zwar durch die Vereinnahmung Gottes auf der Handlungs- oder Seinsebene (z. B. Werkgerechtigkeit, Seinsmetaphysik). Nur wenn durch das VerhÅltnis von „Ahnung und Offenbarung“ eine einseitig natÛrliche oder ÛbernatÛrliche Reduktion Ûberwunden wird, bleibt die kataphatisch und apophatisch verwurzelte Gleichzeitigkeit von „GegenÛber und NÅhe“ Gottes als Voraussetzung der Heilsgemeinschaft zwischen Gott und Mensch bestehen, in der anstelle der 136 Zum Zusammenhang von TrinitÅt, Rechtfertigung und Synergismus- oder Determinismusproblem s. o., S. 185 f., 309, 319 f. – Zur trinitarisch fundierten Beziehung zwischen PassivitÅt und AktivitÅt im VerhÅltnis von Glauben und Glaubensantwort vgl. C. Schw×bel: Being, S. 146 f.

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Vereinnahmung Gottes menschliche Schuld und g×ttliche Liebe hervortreten. Diese Differenzierung widersteht außerdem sowohl einer Ûberzogenen anti-metaphysischen und a-theistischen Ausblendung der natÛrlichen AnknÛpfungspunkte als auch deren metaphysisch-theistischer Prinzipialisierung. Letztere ist nicht nur wegen der Selbsttranszendenz und Ambivalenz natÛrlicher Voraussetzungen (eschatologischer Vorbehalt, Krisis) abzulehnen, sondern auch aufgrund des Unterschieds zwischen g×ttlichen und weltlichen Strukturen. So verbietet die nur in Gott existierende Gleichzeitigkeit von intra- und interpersonaler Dimension eine natÛrliche Prinzipialisierung der vestigia trinitatis und eine damit verbundene weltliche oder ekklesiologische Funktionalisierung derselben. Denn die vestigia trinitatis k×nnen mit den in der Welt vorhandenen intra- oder interpersonalen Strukturen (keine g×ttliche Gleichzeitigkeit) nur Analogien – und damit lediglich AnknÛpfungspunkte – bereitstellen.137 Diese Begrenztheit der natÛrlichen Voraussetzungen, die der Begriff „Ahnung“ zum Ausdruck bringt, wird von AnsÅtzen Ûbersehen, die eine Metaphysik der Liebe (H. U. von Balthasar u. a.) oder eine geistmetaphysische trinitarische Ontologie (L. Oeing-Hanhoff u. a.) aus den vestigia trinitatis ableiten und ihre Ergebnisse zum Prinzip der TrinitÅtslehre werden lassen.138 Vor diesem Hintergrund und angesichts des Zusammenhangs von GlaubensverhÅltnis und Glaubensinhalt wird verstÅndlich, warum die glaubensbegrÛndende Wahrheit nicht in isolierter Vorordnung natÛrlicher Erkenntnis remoto Deo sicherzustellen ist. Denn durch eine solche Hermeneutik k×nnen die naturwissenschaftlichen und philosophischen PrÅmissen als einengendes Kriterium der Selbsterschließung Gottes fungieren, wie es bereits an der Vorordnung des Traktats „De Deo uno“ sichtbar wurde.139 Umgekehrt darf es aber auch nicht zur radikal anti-metaphysischen VernachlÅssigung natÛrlicher Gottesahnung und natÛrlicher AnknÛpfungspunkte kommen, da diese Aspekte den Horizont der VerstÅndlichkeit und der UniversalitÅt der g×ttlichen Selbsterschließung bilden und in ihrer Selbsttranszendenz auf die Dimension der Selbsterschließung hinweisen. Somit dienen die 137 Zum Problem der Prinzipialisierung der vestigia trinitatis, aus der eine unangemessene Prinzipialisierung der TrinitÅtslehre resultiert, s. o., S. 39 f. (bes. Anm. 63), 140 f., 465 f. – Zum Unterschied zwischen g×ttlichen und weltlichen bzw. ekklesiologischen Strukturen siehe Kap. VI,1.4. 138 Vgl. zu diesen AnsÅtzen W. L×ser: TrinitÅtstheologie, S. 36 ff., und L. Oeing-Hanhoff: Ontologie, S. 143 ff. 139 S. o., S. 157 f., 457 ff., 482 ff. Zur Erschließung der glaubensbegrÛndenden Wahrheit remoto Deo vgl. E. JÛngel: Entsprechungen, S. 171 ff., und ders.: Gott, S. 19 f. (Anm. 6), wo JÛngel die Konzeption W. Pannenbergs diesbezÛglich kritisiert, aber dann selbst umgekehrt die natÛrlichen AnknÛpfungspunkte kaum berÛcksichtigt, wie aus der Analyse von JÛngels Ansatz hervorgeht (siehe Kap. IV,1.2.2).

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natÛrlichen AnknÛpfungspunkte nicht nur als nachtrÅgliche BestÅtigung der Einsichten aus der g×ttlichen Selbsterschließung, sondern auch als vorlaufende „Ahnung“.140 Weil die Sch×pfung des dreieinigen Gottes von diesem durchwirkt ist, enthÅlt die Erfahrungswirklichkeit im Horizont allgemeiner Ahnung von Gott auch verweisfÅhige vestigia trinitatis141, die sich allerdings besonders aus der Perspektive der geschehenen heilsgeschichtlichen Selbsterschließung er×ffnen. Die Dimension der natÛrlichen Ahnung von Gott widerspricht also nicht nur der Prinzipialisierung natÛrlicher Voraussetzungen, sondern auch radikalen a-theistischen und anti-metaphysischen AnsÅtzen, die sich zumeist auf Kants Metaphysikkritik berufen. Diese ging aber selbst zu undifferenziert mit dem PhÅnomen der Metaphysik um. Zwar hat Kant gegenÛber dem metaphysischen Theismus deutlich gemacht, daß Gott nicht spekulativ aus natÛrlichen Voraussetzungen bzw. aus menschlicher Vernunft ableitbar ist, aber aufgrund seines Postulats der Unerkennbarkeit Gottes gelangt Kant zu einer agnostischen Metaphysikkritik, die Gott auf den moralisch-intelligiblen Bereich des Selbstbewußtseins reduziert und ihn in diese Kategorie der Vernunft einsperrt. Die Ahnung von einer darÛber hinausgehenden metaphysischen Dimension wird damit ebenso kategorisch abgelehnt wie die M×glichkeit einer Selbsterschließung Gottes. Kant begegnet der Identifizierung von natÛrlicher und ÛbernatÛrlicher Offenbarung, die aus dem RÛckschlußverfahren eines metaphysischen Theismus resultiert, also lediglich umgekehrt mit der dualistischen Trennung beider Bereiche. Er verweist Gott als regulative Idee in die immanenten Grenzen der menschlichen Vernunft und ÛberlÅßt die Frage nach Gottes Wesen und seiner nachweisbaren Existenz der Unkenntlichkeit. So Ûberwindet Kant die selbstspekulativen theistischen AnsÅtze nicht durch eine hermeneutische °ffnung fÛr andere Dimensionen der Ahnung von Gott sowie fÛr Gottes Selbsterschließung, sondern durch eine erneut begrenzte Einordnung Gottes in menschliche Kategorien.142 Sowohl der von Kant zu Recht kritisierten theistischen Vereinnahmung Gottes als auch der von ihm vollzogenen a-theistischen Begrenzung Gottes gegenÛber zeigt die Zuordnung von „Ahnung und Offenbarung“ angesichts zeitgen×ssischer Auseinandersetzungen um die Berechtigung theistischer oder a-theistischer AnsÅtze, daß beide AnsÅtze dem differenzierten VerhÅlt-

Dieser Aspekt tritt z. B. bei E. JÛngel in den Hintergrund (siehe Kap. IV,1.2). S. o., S. 465 f. 142 S. o., S. 197 ff., wo deutlich wird, daß diese dualistische Trennung bei Kant zugleich eine identifizierende ºberschneidung von menschlichem und g×ttlichem Geist nach sich zieht und einen weiteren Schritt auf dem Weg zum anthropozentrischen Atheismus bedeutet. 140 141

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nis von natÛrlicher Ahnung und g×ttlicher Selbsterschließung nicht gerecht werden. Denn die metaphysisch-theistischen AnsÅtze Ûbersehen, daß die mit den natÛrlichen AnknÛpfungspunkten gegebene Transzendenz keine prinzipielle Gotteserkenntnis erm×glicht, sondern lediglich eine „Ahnung“ von Gott, die auf die Selbsterschließung Gottes angewiesen bleibt. Eine a-theistische Hermeneutik wiederum unterschÅtzt die Aspekte natÛrlicher Ahnung von Gott, die im Kontext menschlicher Selbst- und Welterfahrung nicht unwesentlich fÛr die VerstÅndlichkeit und UniversalitÅt des Glaubens sind. Die Ablehnung des metaphysisch-theistischen RÛckschlußverfahrens darf deshalb nicht zur v×lligen Ausblendung der metaphysischen Dimension fÛhren, welche die transzendentale Frage nach dem Ganzen der Wirklichkeit gegenÛber jeglicher anthropozentrischen Reduktion offenhÅlt.143 Eine derartige Ausblendung wÛrde dem Atheismus also ebenso entgegenkommen wie das als menschliche Projektion zu entlarvende metaphysische RÛckschlußverfahren des Theismus. Doch so oder so kann der Atheismus letztlich nie den Dimensionen der Transzendenz, der natÛrlichen Ahnung von Gott und der geschichtlich Ûberlieferten Offenbarung Gottes gerecht werden.144 Kants Metaphysikkritik trifft nur auf ein theistisch-metaphysisches RÛckschlußverfahren zu, aber nicht auf eine „offene“ Metaphysik, die lediglich die Dimension der „Ahnung“ von Gott abzudecken vermag und nicht zur natÛrlichen Gotteserkenntnis fÛhrt, sondern allein zum empfangenden °ffnen fÛr Gottes Selbsterschließung. Es wurde bereits deutlich, daß Kants Reduktion des Gottesbegriffs auf moralische Kategorien der Vernunft eine solche metaphysische Dimension ebensowenig zuließ wie die M×glichkeit der g×ttlichen Selbsterschließung. „Man weiß heute anders als Kant, daß die apriorischen Verstehensbedingungen des Menschen geschichtlich variabel sind. Damit sind auch fÛr das VerstÅndnis der heilsgeschichtlichen Einordnung der Natur und der Vernunft neue Verstehensvoraussetzungen geschaffen und eine von den geschichtlichen Glaubensvoraussetzungen abstrahierende natÛrliche Theologie endgÛltig unm×glich gemacht. [. . .] Der Aufweis der VernÛnftigkeit des Glaubens setzt also den Glauben und seinen Verstehenshorizont [die heilsgeschichtliche Selbsterschließung Gottes] voraus und kann ihn nicht erst erstellen.“145 Somit wird auch das VerhÅltnis von Glaube und Vernunft durch die Zusammenschau von „Ahnung und Offen-

143 Vgl. W. Kasper: Gott, S. 27: „Man nennt die Wissenschaft, die nicht nach einzelnen Seienden und Seinsbereichen, sondern nach dem Sein als solchem und im ganzen fragt, die Metaphysik. Die Rede von Gott setzt die metaphysische Frage nach dem Sein voraus und hÅlt sie zugleich wach.“ Vgl. ferner H. Petri: Problematik, S. 14–26, und I. Lønning: Art. „Gott VIII“, S. 679–690. – Zu K. Rahners Versuch, Kants Agnostizismus zu Ûberwinden, s. o., S. 247 f. 144 Zur im Theismus angelegten Entwicklung zum Atheismus siehe Kap. III,3.1. 145 W. Kasper: Gott, S. 105.

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barung“ adÅquat zugeordnet, weil die vernÛnftige Vernunft die Bedeutung des empfangenden Glaubens fÛr die Gotteserkenntnis wahrnimmt und der Glaube die Vernunft wiederum in Dienst nimmt. Dabei erscheint im Kontext der heilsgeschichtlichen Selbsterschließung Gottes mit ihrer Gleichzeitigkeit von „GegenÛber und NÅhe“ weder eine rationalistische Identifizierung noch eine fideistische Trennung von Glaube und Vernunft als angemessen.146 Die mit der Zuordnung von „Ahnung und Offenbarung“ erm×glichte ºberwindung der jeweiligen Einseitigkeiten betrifft durch das entsprechend differenzierte VerhÅltnis von „GegenÛber und NÅhe“ Gottes bzw. von verborgenem und sichtbarem Gott auch die ekklesiologische Zuordnung von sichtbarer und verborgener Kirche und damit zugleich das VerhÅltnis von Kirche und Welt, was in der Untersuchung schon hervortrat und noch genauer dargelegt wird.147 Auch das VerhÅltnis von spezieller heilsgeschichtlicher Offenbarung und allgemeinem Religionsbegriff erhÅlt durch die Zuordnung von „Ahnung und Offenbarung“ eine differenzierte Grundlage fÛr den interreligi×sen Dialog.148 Weil die differenzierte VerhÅltnisbestimmung von „Ahnung und Offenbarung“ mit ihren vielfÅltigen Implikationen unterschiedlichsten Einseitigkeiten und Vereinnahmungen entgegensteht, kann sie zur ºberwindung der in der Untersuchung transparent gewordenen Probleme beitragen, die sich – trotz der gemeinsamen Besinnung auf die heils×konomische TrinitÅt – in den großen konfessionellen Str×mungen aufgrund offenbarungstheologischer Defizite nach wie vor ergeben. So geht aus der Zusammenschau von „Ahnung und Offenbarung“ beispielsweise hervor, daß Karl Rahner den klassischen Dualismus von natÛrlichen Voraussetzungen und ÛbernatÛrlicher ErgÅnzung trotz seiner Besinnung auf den heils×konomischen Ansatz nicht ganz Ûberwinden konnte, da er Strukturen anthropologischer Voraussetzungen zu unkritisch mit den g×ttlichen Strukturen identifiziert und unter VernachlÅssigung ihrer Verkehrung (Krisis, Ambivalenz) lediglich die allgemeine Offenheit fÛr Gott betont (anonymes Christentum). Dadurch entsteht ein abstrakt-lineares ExistenzverhÅltnis zwischen Gott und Mensch (ErgÅnzungstheologie), in dessen Kontext Rahner seine existentialistisch-geistmetaphysischen PrÅmissen westlicher PrÅgung auf Gott ÛbertrÅgt. Das fÛhrt zu einer einseitig intrapersonalen TrinitÅtslehre (Selbstkonstitution des absoluten Subjekts) mit analogen ekklesiologischen Konsequenzen sowie zu einer weitgehend formalen Identifikation von ×konomischer und immanenter TrinitÅt, die mehr die inkarnatorische ErgÅnzung der anthropologischen Voraussetzungen im Blick hat als den mit menschlicher Schuld

146 147 148

S. o., S. 482 ff. Siehe Kap. VI,2. Siehe Kap. VI,2.

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und g×ttlicher Liebe zusammenhÅngenden kreuzestheologischen Anlaß der Inkarnation.149 Nahezu umgekehrt kommt es bei Eberhard JÛngel in kreuzestheologischer Konzentration auf den zweiten Artikel zur Betonung von christologischer Offenbarung und Krisis, was zwar angesichts zu optimistischer natÛrlich-theologischer Tendenzen berechtigt ist, aber die kosmologisch-natÛrlichen Aspekte des ersten Artikels und das eigenstÅndige Wirken des Heiligen Geistes im dritten Artikel in den Hintergrund treten lÅßt. Die der Filioque-Tradition gemÅße Orientierung an der intrapersonalen Einheit Gottes steht dabei in Interdependenz mit der Gefahr partieller ºberlagerung des heils×konomischen Ansatzes durch idealistische PrÅmissen.150 Auch Dumitru Staniloaes Ansatz lÅßt transparent werden, wie sich offenbarungstheologische Ambivalenzen auf TrinitÅtslehre, Anthropologie und Ekklesiologie auswirken. Denn Staniloaes RÛckgriff auf die neunizÅnische Energienlehre wird immer wieder durch die palamitische Energienlehre Ûberlagert, die in dualistischer Trennung von natÛrlicher und ÛbernatÛrlicher Ebene keinen RÛckschluß von der energetischen auf die hypostatische Gegenwart Gottes zulÅßt. Aus der entsprechenden Ausblendung heilsgeschichtlich erkennbarer innertrinitarischer Existenzbeziehungen und ihrer Bedeutung fÛr die innertrinitarische Einheit resultiert eine rein interpersonale TrinitÅtslehre, die Identifizierungen mit interpersonalen anthropologischen und ekklesiologischen Strukturen zulÅßt. So entsteht anthropologisch eine energetisch-ergÅnzungstheologische Erhebung menschlicher Natur zu g×ttlichen Seinsstrukturen, wÅhrend ekklesiologisch eine korporative Identifizierung von Christus, Kirche und Geistwirken erfolgt, die mit der Verabsolutierung eigener kirchlicher Tradition einhergeht.151 Die ºberlagerung des biblischen und heils×konomischen Ansatzes der TrinitÅtslehre, der den Zusammenhang von natÛrlicher Ahnung und g×ttlicher Selbsterschließung wahrt, durch einseitige westliche offenbarungstheologische PrÅmissen ist bei Joseph Ratzinger zu beobachten. Unter zu geringer WertschÅtzung der heilsgeschichtlichen Erfahrung gibt er dem Einfluß einseitig weiterentwickelter westlichaugustinischer Konzeptionen mit Tendenzen spekulativ-negativer Theologie und damit korrelierenden idealistischen PrÅmissen nach. Weil er Personsein vor diesem Hintergrund als totale RelationalitÅt versteht, gelangt er zu einer intrapersonal-monistischen TrinitÅtslehre und einer analogen monozentrischen Korporativ-Ekklesiologie. Daß so das Ziel wirklicher Gemeinschaft (Koinonia) verfehlt wird, hat also auch mit offenbarungstheologischen Defiziten zu tun, aus deren ºberwindung deshalb die ºberwindung trinitÅtstheologischer und ekklesiologischer Defizite resultieren k×nnte.152

149 Siehe Kap. IV,1.1.2 u. IV,4. Eine mit der VernachlÅssigung der Krisis einhergehende zu optimistische EinschÅtzung der natÛrlichen Voraussetzungen mit entsprechenden trinitÅtstheologischen und ekklesiologischen Konsequenzen zeigt sich auch bei W. Kasper und G. Greshake. Letzterer gerÅt dabei in die Gefahr einer Prinzipialisierung der vestigia trinitatis (s. o., S. 39 f., Anm. 63, u. S. 435 f.). 150 Siehe Kap. IV,1.2.2 u. IV,4. 151 Siehe Kap. IV,3.2 u. IV,4. 152 Siehe Kap. V,1 u. 4.

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Die mit dem Begriffspaar „Ahnung – Offenbarung“ implizierten Differenzierungen k×nnen auf der Grundlage der neunizÅnischen Theologie einen fÛr Ost- und Westkirche akzeptablen Rahmen zur ºberwindung derartiger offenbarungstheologischer Defizite sowie grundsÅtzlicher Einseitigkeiten bilden, indem sie sowohl dualistischen Polarisierungen als auch Identifizierungen von natÛrlicher Theologie und Offenbarungstheologie entgegenstehen. Durch die Betonung der Gleichzeitigkeit von „GegenÛber und NÅhe“ Gottes lassen sich durch diese Differenzierungen Versuche der Vereinnahmung Gottes verhindern, die mit den jeweiligen Einseitigkeiten einhergehen. Weil die genannten Beispiele zeigen, welche Bedeutung eine adÅquate biblische und heils×konomische Orientierung fÛr die differenzierte Zuordnung von „Ahnung und Offenbarung“ erhÅlt, weisen sie implizit auf den konstitutiven Zusammenhang von TrinitÅts- und OffenbarungsverstÅndnis hin, der bereits mehrfach er×rtert wurde: Gott er×ffnet in seiner ×konomischen Selbsterschließung, die als ÛberfÛhrende Krisis und als Integral des WirklichkeitsverstÅndnisses fungiert, selbst die hermeneutischen Bedingungen fÛr eine angemessene Gottes- und Menschenerkenntnis und damit auch fÛr ein angemessenes KirchenverstÅndnis. Nur die christologische und pneumatologische Selbsterschließung gewÅhrt die Gleichzeitigkeit von „GegenÛber und NÅhe“ Gottes als Voraussetzung fÛr eine freie Gemeinschaft der Liebe zwischen Gott und Mensch, in der der dreieinige Gott als Heilsmysterium das richtige VerstÅndnis von Schuld, Gnade, Rechtfertigung oder Synergismus und Determinismus er×ffnet.153 Diesen Voraussetzungen wird offenbarungstheologisch wiederum nur eine differenzierte Zuordnung von „Ahnung und Offenbarung“ gerecht, da sie sowohl eine v×llige Trennung g×ttlicher und menschlicher Strukturen als auch deren Identifikation ausschließt.154 Weil die vom trinitarischen Gott geprÅgte Sch×pfung zwar vestigia trinitatis aufweist, diese aber keine strukturelle IdentitÅt mit dem von der Welt unterschiedenen Gott beinhalten155, liegt in der Analogie der angemessene hermeneutische Zugang fÛr die Zusammenschau von g×ttlicher und menschlicher Wirklichkeit. Denn die Analogie berÛcksichtigt sowohl den Aspekt der AnknÛpfung als auch den Aspekt der Differenz, indem sie auf der Grundlage bekannter Wirklichkeit die Erkenntnis neuer – transzendenter – Wirklichkeit erm×glicht und entgegen der menschlichen Verkehrung natÛrlicher Voraussetzungen die wahre Bestimmung der Sch×pfung aufzeigt. Gleichnisse und Metaphern, von denen das biblische Zeugnis durchsetzt ist, beinhalten durch ihre Gleichzeitigkeit von univoken und aequivoken

153 154 155

S. o., S. 39 ff., 455 ff., 464 ff., 491 ff. S. o., S. 485 ff. S. o., S. 465 ff.

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Aussagen die Dialektik von Vertrautheit und Verfremdung analoger Rede. Sie bringen die Wirklichkeit so zur Sprache, daß sich mehr als die bestehende Wirklichkeit er×ffnet. Als Ûber sich selbst hinausweisende sch×pferische Neubeschreibung der Wirklichkeit und als Vorgriff auf den Gesamtsinn der Wirklichkeit erweist sich die Analogie als „Sprachlehre des Glaubens“156, zumal sich Gott selbst in Metaphern und Gleichnissen zur Sprache bringt und so mit der Gleichzeitigkeit von univoker und aequivoker Sprache die Gleichzeitigkeit von „GegenÛber und NÅhe“ gewÅhrt. Denn eine allein univok-weltliche Sprache wÛrde Gott verendlichen, wÅhrend er durch eine allein aequivoke Rede in einer dualistischen Ferne von der Welt belassen bliebe. Deshalb widersteht die analoge Gleichnisrede sowohl einem „dogmatischen“ Anthropomorphismus, der zur Identifizierung von Gott und Mensch neigt, als auch einem „symbolischen“ Anthropomorphismus mit seiner dualistischen Betonung totaler Verschiedenheit von Gott und Mensch. Zugleich erweist sich die Analogie gegenÛber der eindeutigunivoken Sprache nicht als sekundÅr, sondern als primÅr, weil Eindeutigkeit Vergleichbarkeit voraussetzt.157 Vor diesem Hintergrund ist auch der metaphorisch-verweisende Charakter der trinitÅtstheologischen Begrifflichkeit zu verstehen.158 Die Grundlage der Analogie als Sprachlehre des Glaubens liegt in Gottes ×konomischer Einwohnung in der Welt, die als Gottes Sch×pfung mit ihren gebrochenen kreatÛrlichen Entsprechungen (vestigia trinitatis) die Voraussetzung fÛr die Einwohnung bietet. Der Zusammenhang von Glaubensleben und trinitarischer Selbsterschließung erlaubt zudem die analoge Konvertierbarkeit trinitarischer Strukturen in ekklesiologische Strukturen.159 Neben der Berechtigung trinitarischer Analogien im kosmologischen, anthropologischen oder ekklesiologischen Bereich ist in der heilsgeschichtlichen Selbsterschließung Gottes auch die narrative Grundstruktur biblischer und christlicher Rede von Gott verankert. Gott bringt sich durch die in den ErzÅhlungen der Bibel bezeugte Heilsgeschichte derart zu Wort, daß diese ErzÅhlungen darauf drÅngen, weitererzÅhlt zu werden. Das verlangt im Unterschied zur spekulativ-ableitenden Vereinnahmung Gottes (spekulatives Denken bringt zur Sprache) eine empfangende (fides ex auditu) und bezeugende (missio) Hermeneutik und stellt klar, „daß Gott zur Sprache

156 W. Kasper: Gott, S. 124. Vgl. insgesamt ebd., S. 123–131; B. J. Hilberath: Gott, S. 24 u. 34; J. Werbick: Bilder, S. 302 f.; ders.: Kirche, S. 38 f.; I. Lønning: Art. „Gott VIII“, S. 695; E. JÛngel: Gott, S. 405 ff., und ders.: Entsprechungen, S. 187 f., wo JÛngel darlegt, daß Gott auf diese Weise gegenÛber dem bisher SelbstverstÅndlichen das SelbstverstÅndlichere erschließt. 157 Vgl. W. Kasper: Gott, S. 125 u. 130, und E. JÛngel: Gott, S. 405 ff. 158 S. o., S. 82 ff. 159 S. o., S. 63 ff. u. 412 f.

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kommen muß, wenn er sich denken lassen soll“160 (nach-denken). Der trinitarische Gott bringt sich unter den Bedingungen seiner Sch×pfung so zur Sprache, daß sich die analogia fidei – im Kontext einer als ambivalenter AnknÛpfungspunkt dienenden analogia entis – als analogia trinitatis erweist.161 Weil die heils×konomische Selbsterschließung Gottes im Kontext analoger Vermittlung erfolgt und Gott sich in der Interdependenz von Wort und Tat erschließt, ist es wichtig, von einer BIBLISCH-×konomischen Hermeneutik auszugehen, die terminologisch vom Verfasser als Spezifizierung des heils×konomischen Ansatzes eingefÛhrt wurde162, insofern als sich das genaue VerhÅltnis von ×konomischer und immanenter TrinitÅt nur durch das biblische Zeugnis bestimmen lÅßt. Erst auf dieser Grundlage kann auch das VerhÅltnis von natÛrlich-heilsgeschichtlichen AnknÛpfungspunkten und selbst erschließender Offenbarung („Ahnung – Offenbarung“) dezidiert bestimmt werden, wÅhrend umgekehrt die Implikationen des Begriffspaares „Ahnung – Offenbarung“ nach einer biblisch-×konomischen Bestimmung verlangen, die den heils×konomisch gegebenen Zusammenhang von AnknÛpfungspunkten und Selbsterschließung ebenso garantiert wie die kriteriologische Funktion des offenbarten Wortes Gottes. Der BIBLISCH×konomische Ansatz drÅngt sich aufgrund des vorgegebenen biblischen Zeugnisses und der heils×konomisch erfolgten Erschließung Gottes als der angemessene hermeneutische Zugang auf, zumal Gott selbst in der Schrift das VerhÅltnis von ×konomischer und immanenter TrinitÅt erschließt.163 Das erkannten bereits die bedeutenden ×stlichen und westlichen KirchenvÅter, die sich in biblischer und heils×konomischer Orientierung von den verschiedensten Gefahren dualistischer oder emanatorischer trinitarischer Spekulationen absetzten und ihren bleibenden Konsens fanden, was sich in der neunizÅnischen TrinitÅtslehre widerspiegelt.164 Vor diesem Hintergrund erhÅlt der in ost-westkirchlicher °kumene bedeutender KirchenvÅter erkennbare biblisch orientierte heils×konomische Ansatz vom Verfasser als PrÅzisierung des heils×konomischen Ansatzes die genannte terminologische Zuspitzung „BIBLISCH-×konomisch“. Die mit dieser Begriffskonstellation gegebenen Kriterien fÛr eine angemessene VerhÅltnisbestimmung von ×kono-

160 E. JÛngel: Gott, S. 346 (Hervorhebung v. Vf.). Vgl. insgesamt ebd., S. 342 ff. u. 412 ff., und B. J. Hilberath: Gott, S. 52, 59, 77. 161 Vgl. G. Greshake: Gott, S. 43; W. Kasper: Gott, S. 130 f., und B. J. Hilberath: Personbegriff, S. 308 ff. 162 S. o., S. 96 f. 163 Siehe Kap. II,1. Zu Hinweisen in der Schrift vgl. auch E. JÛngel: Entsprechungen, S. 223 ff., oder D. Wendebourg: Person, S. 505 u. 514. 164 Siehe Kap. II.

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mischer und immanenter TrinitÅt werden Ûber die soeben er×rterten hermeneutischen GrÛnde hinaus schon deshalb so dringend ben×tigt, weil die Frage nach dem VerhÅltnis zwischen ewigem dreieinigen Wesen Gottes (immanent) und seiner heilsgeschichtlichen Zuwendung (×konomisch) neben der Gotteslehre auch die Anthropologie und die Ekklesiologie betrifft und deshalb eines der Hauptthemen der TrinitÅtslehre bzw. eines der fundamentalsten Probleme gegenwÅrtiger Theologie darstellt.165 Im Kontext der gegenseitigen BestÅtigung von Wort- und Tatoffenbarung166 enthÅlt die Schrift viele Angaben fÛr eine differenzierte VerhÅltnisbestimmung von ×konomischer und immanenter TrinitÅt. Es wird transparent, wie sich Gottes prÅexistentes Wesen den Menschen in der Heilsgeschichte zuwendet und sich dabei derart offenbart, daß die trinitarisch strukturierte heils×konomische Zuwendung der ewigen trinitarischen Wesensstruktur Gottes entspricht bzw. diese aufgrund der Selbsterschließung Gottes erkennen lÅßt, wÅhrend gleichzeitig der Unterschied zwischen innerg×ttlicher trinitarischer Koinonia und den trinitarischen Heilshandlungen pro nobis hervortritt (Phil 2,6–8; Joh 1,1–5; Joh 14–17 u. ×.).167 Letzteres erfordert, „sowohl den gegenÛber der immanenten TrinitÅt gnÅdig-freien wie den kenotischen Charakter der ×konomischen TrinitÅt zu wahren und damit dem immanenten Geheimnis Gottes in (nicht: hinter!) seiner Selbstoffenbarung gerecht zu werden“168. Dies bedeutet fÛr Rahners Grundaxiom („Die ‚×konomische‘ TrinitÅt ist die ‚immanente‘ TrinitÅt und umgekehrt“), welches den in kirchengeschichtlichen Besinnungsphasen immer wieder vollzogenen RÛckgriff auf die heils×konomische Selbsterschließung Gottes aufgreift, daß es der ErgÅnzung durch die von JÛngel geforderte „distinctio rationis“ bedarf, um MißverstÅndnissen vorzubeugen. Denn die VerhÅltnisbestimmung von ×konomischer und immanenter TrinitÅt garantiert nur durch die Gleichzeitigkeit von „Einheit und distinctio“ die Gleichzeitigkeit von „GegenÛber und NÅhe“ Gottes, die Gott bei aller soteriologischen und revelatorischen NÅhe als bleibendes GegenÛber zu erkennen gibt und so den biblisch bezeugten Aspekt der freien Gnade und Liebe Gottes gewÅhrleistet. „Die Einheit von ‚immanenter‘ und ‚×konomischer‘ TrinitÅt zu behaupten ist theologisch nur dann legitim, wenn diese Einheit nicht in dem Sinne tautologisch verkannt wird, daß die Freiheit und ungeschuldete Gnade der Selbstmitteilung Gottes und also deren Ereignishaftig-

165 Vgl. W. Breuning: TrinitÅtslehre, S. 30, der vom „Hauptthema der heutigen TrinitÅtslehre“ spricht, und G. Larentzakis: KirchenverstÅndnis, S. 79, der in Anlehnung an W. Kasper darin das „fundamentalste Problem gegenwÅrtiger Theologie“ sieht. 166 S. o., S. 474 ff. 167 S. o., S. 90 ff. u. 119 ff. 168 W. Kasper: Gott, S. 336.

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keit undenkbar wird.“169 Erst wenn in Anlehnung an das biblische Zeugnis Gott als das vollkommene Leben der Liebe erkannt wird, das in allmÅchtiger Freiheit aus und in sich selbst existiert und sich selbst genÛgt, kann der Gnadencharakter der selbstlosen und hingebungsvollen Liebe Gottes (theologia crucis) zur Geltung kommen – wie auch das PhÅnomen der Liebe Ûberhaupt, weil es ohne solche Freiheit nicht zu denken ist. Nur so erhÅlt auch die menschliche Existenz den Charakter eines verantwortungsvollen und liebesfÅhigen GegenÛbers Gottes.170 Deshalb garantiert allein die BIBLISCH-×konomisch erkennbare Gleichzeitigkeit von „Einheit und distinctio“ die – auf der Rechtfertigung im Glauben beruhende – Gemeinschaft zwischen Gott und Mensch, die Gott als sich selbst erschließende Liebe ebenso ernst nimmt wie die menschliche SÛndenund Glaubensgeschichte (Gesetz und Evangelium). Dem entspricht weder eine formale IdentitÅt von ×konomischer und immanenter TrinitÅt (K. Rahner), die die distinctio und somit das VerhÅltnis von Gesetz und Evangelium vernachlÅssigt, noch ein lediglich analoges VerhÅltnis von ×konomischer und immanenter TrinitÅt (K. Barth), das die mit der Selbsterschließung gegebene Einheit beider Seiten zu wenig als Voraussetzung revelatorischer und soteriologischer Gewißheit berÛcksichtigt.171 Zur Beibehaltung der Gleichzeitigkeit von „Einheit und distinctio“ bedarf es der Unterscheidung und Zusammenschau von ontologischer Seinsordnung (immanent%×konomisch) und gnoseologischer Erkenntnisordnung (×konomisch%immanent). So wie die heilsgeschichtlichen Sendungen gnoseologisch die Voraussetzung fÛr die Erkenntnis der ewigen innertrinitarischen HervorgÅnge bilden, so liegt umgekehrt in der innertrinitarischen Seinsstruktur die ontologische Voraussetzung fÛr die heilsgeschichtliche Selbsterschließung. „Gott wird als dreieiniger Gott in der Heilsgeschichte im Glauben erfahren und erkannt, aber er wird nicht erst in dieser Geschichte zum dreieinen Gott. Er ist dieser vielmehr immer schon, ja seine lebendige dreieinige Lebensgemeinschaft ist seinsmÅßige Voraussetzung dafÛr, daß Gott als er selbst 169 E. JÛngel: VerhÅltnis, S. 364. Vgl. auch L. Scheffczyk und Y. M. J. Congar, die „um der unaufhebbaren Freiheit und Transzendenz Gottes gegenÛber der Welt willen“ ebenfalls im Kontext der Einheit von ×konomischer und immanenter TrinitÅt an ihrer „realen Differenz“ (W. L×ser: TrinitÅtstheologie, S. 41) festhalten. 170 „Absolute Selbsthabe ist die Voraussetzung wahrhaft sch×pferischer Freiheit, insofern die sch×pferische Freiheit das Hervorgebrachte nicht ‚begehrt‘, nicht fÛr sich, sondern um seiner selbst willen hervorbringt. Die sch×pferische Freiheit Gottes kommt aber in der Liebesbeziehung zu der von ihr hervorgebrachten endlichen Freiheit zur Geltung.“ (J. Werbick: TrinitÅtslehre, S. 540) Vgl. E. JÛngel: Entsprechungen, S. 227; ders.: VerhÅltnis, S. 359; I. Lønning: Art. „Gott VIII“, S. 692 f.; W. Kasper: Gott, S. 327 u. 360 f.; W. Schachten: VerhÅltnis, S. 24, und W. Breuning: UnÅhnlichkeit, S. 381 ff. 171 Diese Einheit bezeichnet W. Schachten: VerhÅltnis, S. 21, als „intensionale IdentitÅt“, um auch die distinctio zum Ausdruck zu bringen, die bei der Rede von reiner IdentitÅt nicht deutlich wird. – Insgesamt s. o., S. 210 ff., 255 ff., 267 f., und vgl. W. L×ser: TrinitÅtstheologie, S. 34 f.

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Ûber sichselbst hinaustreten und sich uns als er selbst in der Geschichte offenbaren will und kann“172, und zwar in freier und ungeschuldeter Selbsterschließung fÛr das Heil der Menschen. Angesichts des ontologischen Zusammenhangs von ×konomischer und immanenter TrinitÅt sind die heilsgeschichtlichen Sendungen nicht lediglich als zugeeignet bzw. appropriiert zu betrachten, sondern den jeweiligen trinitarischen Personen als ihr innertrinitarisches Proprium (EigentÛmlichkeit) zuzuordnen: Wie der Sohn innertrinitarisch das sich selbst aussagende Wort und Abbild des Vaters verk×rpert, so begegnet in ihm heils×konomisch das Wort und Abbild Gottes, und wie der Heilige Geist innertrinitarisch die Gemeinschaft und Liebe Gottes er×ffnet, so gewÅhrt er heils×konomisch die Gemeinschaft der Liebe zwischen Gott und Mensch.173 Aus dem Umstand, daß Gott auf diese Weise selbst am Werk und erfahrbar ist, ergibt sich fÛr das VerhÅltnis von ×konomischer und immanenter TrinitÅt nicht nur die soteriologische und revelatorische Bedeutsamkeit der Proprien, sondern auch ein angemessenes VerstÅndnis des Wirkens des dreieinigen Gottes „ad extra“. Das Axiom „opera Dei ad extra indivisa“ wurde oft einseitig im Sinne der scholastischen Vorordnung des Traktats „De Deo uno“ oder der palamitischen Auffassung von den nach außen einheitlich wirkenden Energien ausgelegt. Doch das in den opera ad extra zu Recht betonte Zusammenwirken der trinitarischen Personen vollzieht sich „derart, daß jedes Werk nach außen nach der Ordnung der HervorgÅnge erfolgt und daraufhin die spezifische UrsÅchlichkeit der drei Personen gemÅß der Ursprungsfolge gewahrt bleibt“174. Die Differenzierungen im VerstÅndnis des trinitarischen Wirkens nach außen und im VerhÅltnis von ×konomischer und immanenter TrinitÅt, die sich aus dem biblisch-×konomischen Ansatz ableiten lassen, finden sich Åhnlich schon in der neunizÅnischen TrinitÅtslehre.175 Auf dieser Grundlage ergibt sich auch fÛr die Auseinandersetzungen um die Spannung zwischen Gottes UnverÅnderlichkeit oder LeidensunfÅhigkeit (Apathieaxiom) und seiner inkarnatorisch-kreuzestheologischen Selbsthingabe eine differenziertere Sichtweise. Sie beruht auf der biblisch-×konomisch bezeugten Gleichzeitigkeit von „GegenÛber und NÅhe“ Gottes bzw. von „Einheit und distinctio“ im VerhÅltnis von ×konomischer und immanenter TrinitÅt. Das „Beisichsein“ des ewigen souverÅnen Wesens Gottes, welches nur in dem Sinne leidensunfÅhig genannt werden kann, daß es nicht wie die Kreatur aus

172 B. J. Hilberath: Gott, S. 37. Vgl. insgesamt W. Kasper: Gott, S. 337 ff.; J. Werbick: TrinitÅtslehre, S. 483; I. Lønning: Art. „Gott VIII“, S. 698, und K. Rahner: Gott, S. 383 f. 173 S. o., S. 241 ff., 249 ff., 477 ff. 174 L. Scheffczyk: Traditionen, S. 59. Vgl. C. Schw×bel: TrinitÅtslehre, S. 143 f.; E. JÛngel: VerhÅltnis, S. 362, und D. Wendebourg: Person, S. 512 ff. 175 S. o., S. 134.

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Mangel leidet, bleibt ebenso zu berÛcksichtigen wie die erst auf der Basis des souverÅnen Wesens m×gliche freie liebende Selbsthingabe und die damit verbundene FÅhigkeit Gottes, sich am anderen zu „Åndern“. So kann sich Gott der verÅnderlichen menschlichen Geschichte ×ffnen und pro nobis leiden, was letztlich auch die christologische Formel des Konzils von Chalcedon (451) impliziert (Einheit und Unterschiedenheit von Gottheit und Menschheit Christi) und was von Luther erneut aufgenommen wurde. Auf diese Weise ist der Unterschied zwischen heilsgeschichtlicher Kontingenz und ewigem g×ttlichen Wesen gewahrt, so daß Gottes Erl×sungshandeln in seinem „pro nobis“-Charakter erkennbar bleibt und nicht als konstitutiv in Gottes inneres Wesen hineinverlegt wird, was zum Beispiel in Moltmanns Konzeption als Problem auftritt.176 Die Einbindung der ×konomischen TrinitÅt in die heilsgeschichtliche Kontingenz zeigt sich auch daran, daß Gott seine Herrlichkeit – unbeschadet verbindlicher ×konomischer Gotteserkenntnis – im Kreuz sub contrario erschließt, und zwar zur heilsgeschichtlichen ºberwindung der SÛnde, so daß er sich als vollkommene Herrlichkeit erst am Ende schauen lÅßt, wenn er „alles in allem“ sein wird (I Kor 15,28).177 Denn so wie Gott durch die im Heiligen Geist gegebene Gleichzeitigkeit von „GegenÛber und NÅhe“ (Geber und Gabe) in der vom Logos geprÅgten Sch×pfung „alles in allem“ sein kann – ohne in ihr aufzugehen – und gÅnzlich sein wird, wenn sich die ganze Sch×pfung wieder auf ihn hin ×ffnet, so ist er auch innertrinitarisch in der wesenseinen perichoretischen Gleichzeitigkeit von intra- und interpersonaler Dimension „alles in allem“, was im Eschaton von „Angesicht zu Angesicht“ vor Augen stehen wird. Wenn die TrinitÅtslehre nicht konsequent bei einer BIBLISCH-×konomischen Hermeneutik einsetzt, besteht das Problem folgenschwerer Einseitigkeiten im VerhÅltnis von ×konomischer und immanenter TrinitÅt sowie die Gefahr spekulativer ºberlagerung der in allen Konfessionen zu beobachtenden Besinnung auf die heils×konomische Selbsterschließung Gottes durch eigene philosophische oder ekklesiologische PrÅmissen. Das trat in der vorliegenden Untersuchung in Verbindung mit den entsprechenden Konsequenzen fÛr die Gotteslehre, die Anthropologie, die Soteriologie und die Ekklesiologie vielfach hervor. Weil die Heils×konomie sowohl die hypostatische Selbsterschließung des trinitarischen Gottes als auch die distinctio zwischen ×konomischer und immanenter TrinitÅt zu erkennen gibt, sind weder dualistische noch identifizierende VerhÅltnisbestimmungen zwischen ×konomischer und immanenter

176 177

Siehe Kap. IV,2.2. Vgl. J. Werbick: TrinitÅtslehre, S. 575, und siehe Anm. 189, VI. Kap.

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TrinitÅt angemessen. Diese EngfÛhrungen leiteten sich ursprÛnglich aus apophatisch-palamitischer oder scholastisch-dualistischer Trennung sowie aus rationaler oder geschichtlich-linearer Identifizierung von ×konomischer und immanenter TrinitÅt ab. Aus solchen Einseitigkeiten resultieren wie bei den einseitigen Gewichtungen im OffenbarungsverstÅndnis dualistische oder identifizierende Formen der Vereinnahmung Gottes, was in der vorliegenden Untersuchung deutlich hervortrat und in den folgenden Abschnitten Ûber die anderen differenzierenden VerhÅltnisbestimmungen weiter er×rtert wird. Daß diese Probleme mit der defizitÅren Zusammenbindung von biblischer und heils×konomischer Hermeneutik einhergehen, zeigen beispielsweise orthodoxe Konzeptionen, die in palamitischer Ausrichtung aus der Heils×konomie keine hypostatischen RÛckschlÛsse auf die immanente TrinitÅt zulassen. Dadurch gelangen sie zur Trennung von ×konomischer Erkenntnis der einheitlichen Energien Gottes und biblisch-ÛbernatÛrlicher Sonderinformation Ûber das trinitarische Sein Gottes.178 Letzteres vollzog sich auch in Staniloaes Konzeption, weil seine Orientierung an der neunizÅnischen Energienlehre durch die palamitische Energienlehre Ûberlagert wurde, was erkenntnistheoretisch die totale Trennung von ×konomischer und immanenter TrinitÅt zur Folge hatte. Verursacht wird diese ºberlagerung durch die im VerhÅltnis von Schrift, Tradition und Kirche zu beobachtende kriteriologische Verlagerung in Staniloaes Konzeption vom prioritÅren Schriftbezug auf die Erfahrung der Kirche. Auf diese Weise wird aus der biblisch-×konomischen Orientierung eine Orientierung an eigener kirchlicher Tradition und Heils×konomie.179 Aber auch ohne eine derartige Trennung von ×konomischer und immanenter TrinitÅt zeigen sich die Gefahren einer ºberlagerung des heils×konomischen Ansatzes, wenn nicht konsequent biblisch-×konomisch gedacht wird. So wird Rahners grundsÅtzlich vorbildliche Ausrichtung an der heils×konomischen Selbsterschließung des trinitarischen Gottes aufgrund defizitÅrer biblischer Bezugnahme, die sich in der weitgehenden Ausblendung der Krisis und der theologia crucis Åußert, von existentialphilosophischen PrÅmissen Ûberdeckt. Deshalb k×nnte man hier statt von einem biblisch-×konomischen Ansatz von einem existentialistisch-×konomischen Ansatz sprechen. Mit dem entsprechend linearen ExistenzverhÅltnis von Gott und Mensch geht unter VernachlÅssigung der Spannung von Gesetz und Evangelium eine formale IdentitÅt von ×konomischer und immanenter TrinitÅt einher (mangelnde distinctio), die mit einer zu geringen distinctio zwischen Christus und Kirche korreliert.180 Wie nachhaltig man den heils×konomischen Ansatz der ºberlagerung durch philosophische PrÅmissen aussetzt, wenn man bewußt nicht biblisch-×konomisch argumentiert, wird an Moltmanns Konzeption sichtbar, der seine Hermeneutik wegen

Vgl. D. Wendebourg: Person, S. 513 ff. – S. o., S. 166 ff. u. 373 f., und siehe Kap. IV,3.2. Siehe Kap. IV,3.2 u. IV,4. 180 Siehe Kap. IV,1.1.2 u. IV,4. In Åhnlicher Weise, aber unter anderen inhaltlichen Voraussetzungen, findet sich in der Konzeption E. JÛngels der Einfluß idealistischer Geistmetaphysik auf den heils×konomischen Ansatz, was – in wieder anderer Weise – auch bei J. Ratzingers Entwurf zu beobachten ist (s. o., S. 327 f. u. 432 f.). 178 179

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Bedenken gegen „biblische“ Begrenzungen nur heils×konomisch ausrichtet. Dadurch tritt die Notwendigkeit der Auseinandersetzung mit den teilweise paradoxal anmutenden biblischen Aussagen Ûber das Wesen Gottes zugunsten eingÅngiger philosophischer PrÅmissen als Kriterium der Heils×konomie in den Hintergrund, so daß die trinitarische Heilsgeschichte aufgrund einer ºberlagerung durch theosophisches und hegelsches Gedankengut als Prozeß g×ttlicher Selbstkonstitution und -erl×sung erscheint, in dem es um die – von der Menschheitsgeschichte abhÅngige – Einigung und Vollendung Gottes geht. Wegen der Verquickung von g×ttlichem Wesen und menschlicher Geschichte entsteht die totale Identifikation von ×konomischer und immanenter TrinitÅt.181 Eine solche Verquickung ist aber nicht dadurch zu l×sen, daß man die heils×konomischen Ereignisse wie Hans Urs von Balthasar als vorweggenommenes Ur-Drama in Gottes immanentes Wesen verlegt. Denn so besteht – nur auf andere Weise – ebenfalls eine totale Identifikation von ×konomischer und immanenter TrinitÅt, die wegen der fehlenden distinctio abermals weder der kontingenten SÛndengeschichte noch der freien und liebenden Zuwendung Gottes gerecht wird. Die umgekehrte Aufl×sung der immanenten in die ×konomische TrinitÅt durch Piet Schoonenberg und Hans KÛng zeigt, daß solche Konzeptionen, welche die biblischen Differenzierungen vernachlÅssigen, sogar zur Leugnung der trinitarischen Wesensstruktur fÛhren k×nnen (H. KÛng).182

Daß die von einer mangelnden biblisch-×konomischen Hermeneutik verursachten Defizite im VerhÅltnis von ×konomischer und immanenter TrinitÅt auch mit einer defizitÅren VerhÅltnisbestimmung von Schrift, Tradition und Kirche einhergehen k×nnen, hat der Hinweis auf Staniloaes Ansatz bereits offenbart. Auch bei Zizioulas treten wegen der ºberlagerung der biblisch-×konomischen Hermeneutik durch eine platonisch gefÅrbte Geistphilosophie die inhaltlich-kognitiven revelatorischen Kriterien wie Schrift und Bekenntnis zugunsten der apophatisch-eschatologisch und eucharistisch-sakramental verankerten visionÅren Erfahrung der Kirche zurÛck, so daß die eucharistische Erfahrung der Kirche in pneumatozentrischer Orientierung zum Wahrheitskriterium wird.183 Pneumatozentrischen trinitÅtstheologischen Einseitigkeiten kann also eine Verabsolutierung der eigenen kirchlichen Tradition korrespondieren, welche die Bindung der Tradition an den Schriftkanon ebensowenig bedenkt wie die Bindung der Pneumatologie an die Christologie. Daran wird die Interdependenz zwischen trinitÅtstheologischen Gewichtungen und dem VerhÅltnis von Schrift, Tradition und Kirche sichtbar. Wie bei pneumatozentrischen Konzeptionen die Gefahr einer ºberbetonung der Tradition entstehen kann, resultiert aus einem christozentrischen Ansatz nicht selten eine Unterbewertung der

181 Siehe Kap. IV,2.2 u. IV,4. In ebenfalls einseitiger Konzentration auf die interpersonale Dimension gelangt W. Pannenberg zu einem Åhnlich evolutionistischen Prozeß, in dem Gottes Sein mit der menschlichen Geschichte vermengt zu sein scheint (s. o., S. 331). 182 S. o., S. 331 f. 183 Siehe Kap. V,2 u. 4.

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Tradition. Ebenso kann umgekehrt die primÅre hermeneutische Orientierung an der kirchlichen Tradition trinitÅtstheologisch eine PrioritÅtensetzung zugunsten der Pneumatologie bewirken, wÅhrend ein einseitiger Schriftbezug oft mit einer PrioritÅtensetzung zugunsten der Christologie korreliert. Auch hier hilft der RÛckgriff auf die Alte Kirche, in der man die hermeneutischen Kriterien von Schrift, Tradition und Kirche zumeist noch nicht gegeneinander ausspielte, sondern in ihrem interdependenten VerhÅltnis als dynamisches RelationsgefÛge wahrnahm184, was in der modernen ×kumenischen Bewegung in Form einer differenzierten Konvergenz aufgenommen und weitergefÛhrt wurde, aber bisher keine angemessene Rezeption erfuhr.185 Beachtet man zugleich, daß diesem dynamischen RelationsgefÛge in der Alten Kirche eine ausgewogene TrinitÅtslehre korrespondierte und beides sich beispielhaft auf das KirchenverstÅndnis auswirkte, dann gerÅt die Analogie zwischen ausgewogener trinitÅtstheologischer Gewichtung und dem VerhÅltnis von Schrift, Tradition und Kirche ins Blickfeld. Sie ergibt sich nicht zuletzt daraus, daß Christus das menschgewordene Wort Gottes ist, das durch den Heiligen Geist vergegenwÅrtigt wird. Denn vor diesem Hintergrund erscheint der ºberlieferungsprozeß der lebendigen Tradition, der die Kirche begleitet, in Analogie zur Begleitung Christi und der Kirche durch den Heiligen Geist. Im pneumatologischen Begleitprozeß erweist sich Christus aufgrund der christologischen Anbindung der Pneumatologie ebenso als das sichtbare Kriterium der Kirche wie sich analog dazu die Schrift (mit ihrem Christuszeugnis) – aufgrund der RÛckbindung der Tradition an den Kanon – als Kriterium der Tradition erweist. Das heißt: Wie Christus im Prozeß der vom Geist vollzogenen Begleitung der Kirche das sichtbare Maß der Kirche bleibt und gleichzeitig auf die VergegenwÅrtigung durch den Geist angewiesen ist, so bedarf die Schrift des kirchlichen Traditionsprozesses, dessen Maßstab (Kanon) sie aber bleibt. Von daher kann sich die Wahrnehmung des dynamischen VerhÅltnisses von Schrift, Tradition und Kirche ebenso positiv auf ein ausgewogenes VerstÅndnis der TrinitÅtslehre auswirken wie diese umgekehrt eine qualifizierte Zuordnung von Schrift, Tradition und Kirche zu f×rdern vermag.186 Die Voraussetzung fÛr die in diesem Kontext erm×glichte adÅquate TrinitÅtslehre sowie fÛr die damit einhergehende differenzierte VerhÅltnisbestimmung von ×konomischer und immanenter TrinitÅt wird wiederum durch das Ver-

184 Zur Darlegung dieses RelationsgefÛges und seines Zusammenhangs mit der TrinitÅtslehre s. o., S. 148 f. 185 Vgl. dazu M. Haudel: Bibel, wo der ×kumenische Durchbruch bei der VerhÅltnisbestimmung von Schrift, Tradition und Kirche nachgewiesen und analysiert wird (vgl. Anm. 24, Einleitung; Anm. 97 u. 115, I. Kap., und Anm. 248, II. Kap.). 186 S. o., S. 148 f. Vgl. ferner M. Haudel: Konzentration, S. 254.

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hÅltnis von „Ahnung und Offenbarung“ und die damit korrelierende biblisch-×konomische Hermeneutik geschaffen. Erst wenn auf dieser Basis die dynamische Zuordnung von Schrift, Tradition und Kirche einseitige Verabsolutierungen ausschließt, ×ffnet sich die Chance fÛr ein konvergierendes Kirchen- und °kumeneverstÅndnis, das auf einem konvergierenden Offenbarungs- und GottesverstÅndnis beruht. Die bisherigen offenbarungstheologischen Differenzierungen, die aus der neunizÅnischen Theologie abgeleitet wurden, bieten auch die Grundlage fÛr die weiteren Differenzierungen, die in den folgenden Abschnitten dargelegt werden. Mit dem VerhÅltnis von „Ahnung und Offenbarung“ und dem entsprechenden biblisch-×konomischen Ansatz bzw. seinen Implikationen fÛr das VerhÅltnis von ×konomischer und immanenter TrinititÅt sowie mit dem damit korrelierenden VerhÅltnis von Schrift, Tradition und Kirche hÅngt auch das Problem der Energienlehre zusammen. Die Bedeutung der Energienlehre wird nicht nur in Ost- und Westkirchen unterschiedlich eingeschÅtzt, sondern auch innerhalb der Ostkirchen, wie es mit der Unterscheidung zwischen neunizÅnischer und palamitischer Energienlehre bereits mehrfach anklang. Im Laufe der Untersuchung wurde außerdem deutlich, daß die unterschiedlichen Charakterisierungen der Energienlehre, die von ihrer rationalen Ablehnung in westlichen Konzeptionen bis zu ihrer apophatischen Verabsolutierung in ×stlichen Konzeptionen reichen, Konsequenzen fÛr das Offenbarungs-, Gottes- und KirchenverstÅndnis haben. Deshalb bedarf es auch hinsichtlich des VerstÅndnisses der Energienlehre einer Differenzierung, die eine gegenseitige AnnÅherung erm×glicht. 1.2 Die Unterscheidung von ×konomischer und spekulativer Energienlehre in ihrer Bedeutung fÛr die Konvergenz ×stlicher und westlicher Konzeptionen Das eigentliche hermeneutische Problem, das der Auseinandersetzung zwischen Ost- und Westkirchen um das „Filioque“ bzw. um das damit zusammenhÅngende VerhÅltnis von ×konomischer und immanenter TrinitÅt zugrunde liegt, besteht in der hermeneutischen EinschÅtzung der Energienlehre, also in der Frage nach dem VerhÅltnis von energetischer und hypostatischpersonaler Anwesenheit Gottes in der Heils×konomie. WÅhrend die Energienlehre im Westen oft nicht einmal bekannt ist, bleibt ihre Charakterisierung in den Ostkirchen umstritten. Deshalb verwundert es nicht, daß das gegenseitige UnverstÅndnis hinsichtlich der – auch rational erkennbaren – hypostatisch-personalen Gegenwart Gottes auf der einen Seite (Westen) und seiner – mehr apophatisch qualifizierten – lediglich energetischen Gegenwart auf der anderen Seite (Osten) nach wie vor existiert. Denn die seit frÛher Christenheit auftretenden Divergenzen, die sich in ihrer hermeneuti-

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schen GrundsÅtzlichkeit auf das gesamte VerstÅndnis der Theologie auswirken, sind noch nicht Ûberwunden.187 Auf der Grundlage der im vorangegangenen Abschnitt (Kap. VI,1.1) vollzogenen offenbarungstheologischen Differenzierungen lÅßt sich auch ein differenzierteres VerstÅndnis der Energienlehre erlangen, das ebenfalls Anhalt in der neunizÅnischen Theologie findet. Diese entfaltet nÅmlich in Entsprechung zu ihrem schriftgemÅßen OffenbarungsverstÅndnis auch eine der Schrift gemÅße Energienlehre, der die spÅter entwickelten Einseitigkeiten in Ost- und Westkirche nicht gerecht werden. Die auf dieser Basis bereits im zweiten Kapitel abgeleitete bzw. eingefÛhrte Differenzierung zwischen ×konomischer und spekulativer Energienlehre, die eine Chance hermeneutischer Konvergenz er×ffnen k×nnte, soll hier systematisch in ihrer ×kumenischen Relevanz dargelegt werden.188 Das offenbarungstheologische VerhÅltnis von „Ahnung und Offenbarung“ zeigt mit der Selbsterschließung Gottes in der Heilsgeschichte – und damit unter den Bedingungen der Welt –, daß die Erkenntnis des sich erschließenden Gottes im Kontext der natÛrlichen AnknÛpfungspunkte m×glich ist. Dabei erfolgt die personale Selbsterschließung in der Interdependenz von apophatisch-transzendentaler und kataphatisch-rationaler Dimension, worin die Voraussetzung fÛr die Erkenntnis der personal-hypostatischen Anwesenheit des transzendenten Gottes besteht, der sich als personales Geheimnis erschließt. Wie in diesem Zusammenhang das VerhÅltnis von heils×konomischer trinitarischer Gegenwart und ewigem innertrinitarischen Wesen zu bestimmen ist, beantwortet die biblisch-×konomische Hermeneutik durch die in der Schrift enthaltenen Hinweise auf das VerhÅltnis von ×konomischer und immanenter TrinitÅt. Indem sich dieses VerhÅltnis in der Gleichzeitigkeit von „Einheit und distinctio“ darstellt, entspricht es der heils×konomisch erkennbaren hypostatischen Gegenwart der immanenten TrinitÅt ebenso wie dem apophatischen Aspekt von Gottes freier Selbstmitteilung. Denn Gottes personales Geheimnis ist durch kein menschliches RÛckschlußverfahren erreichbar und bedarf deshalb einer empfangenden Hermeneutik, die wahrnimmt, daß sie Gott letztlich nur durch die Teilhabe an seiner Gemeinschaft erkennt (Koinonia-Erkenntnis). So wird – gemÅß der Schrift – die hypostatische Selbsterschließung Gottes in der Heilsgeschichte ebenso ernst genommen wie seine apophatische Transzendenz. Auf diese Weise kommt sowohl das westliche Interesse an der rational nachvollziehbaren personalen Gegenwart der TrinitÅt in der Heils×konomie zum Tragen (Einheit von °konomie und TrinitÅt) als auch das ×stliche In187 S. o., S. 70. – Vgl. R. Slenczka: Filioque, S. 87; G. G. Blum: Oikonomia, S. 282; P. Schoonenberg: Diskussion, S. 154; W. A. Bienert: Aporien, S. 102. 188 Zur vom Verfasser eingefÛhrten terminologischen Differenzierung in bezug auf die Energienlehre s. o., S. 166 ff., und siehe Kap. II,3.

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teresse an der apophatischen Grenze als Schutz vor deduktiver Spekulation (distinctio).189 Vor dem Hintergrund einer solchen offenbarungstheologischen Hermeneutik, die sich zum Beispiel schon bei Alexander von Alexandrien oder Athanasius abzeichnete, konnten die Kappadozier das VerhÅltnis von energetischer und hypostatischer Erkenntnis angemessen bestimmen. Einerseits unterschieden sie zwischen den in der Heilsgeschichte begegnenden ungeschaffenen Energien bzw. WirkkrÅften Gottes (Herrlichkeit, GÛte etc.) und dem Mysterium des hypostatischen Wesens Gottes, um so die Dimension des freien apophatischen GegenÛbers zu wahren. Andererseits sahen sie die Kongruenz zwischen den subsistierenden Beziehungen in der TrinitÅt und ihren energetischen Erscheinungen, weil sich die trinitarischen Personen in ihren Handlungen und Wirkungen entsprechen und darin personal gegenwÅrtig sind. Das geht aus dem Neuen Testament beispielsweise in bezug auf den Zusammenhang zwischen den Wirkungen des Heiligen Geistes (Gabe) und seiner personalen Gegenwart (Geber) hervor.190 Da die neunizÅnische Energienlehre somit RÛckschlÛsse von den heils×konomisch erfahrbaren Energien auf das hypostatisch-personale Sein Gottes erlaubt (das deshalb ×konomisch erfahrbar ist), wird sie vom Verfasser als ×konomische Energienlehre bezeichnet, im Unterschied zur palamitischen Energienlehre, die aus den Energien keinen verlÅßlichen RÛckschluß auf Gottes hypostatisches Sein und Wesen erm×glicht und aufgrund des so bestehenden spekulativen Zusammenhangs zwischen Energie und Wesen Gottes vom Verfasser spekulative Energienlehre genannt wird.191 Die spekulative Energienlehre resultiert aus der einseitigen Weiterentwicklung des offenbarungstheologischen Rahmens neunizÅnischer Theologie,

189 Vgl. zu diesen offenbarungstheologischen Voraussetzungen Kap. VI,1.1. Das differenzierte VerhÅltnis von hypostatischer Gegenwart und apophatischer Transzendenz wahrt auch die Differenz und den Zusammenhang von verbindlicher heils×konomischer Gotteserkenntnis und eschatologischem Schauen „von Angesicht zu Angesicht“. Vgl. dazu z. B. J. Moltmann: TrinitÅt, S. 178: „Von dem ‚Geheimnis der TrinitÅt‘ zu sprechen bedeutet nicht, auf ein undurchdringliches Dunkel hinzuweisen oder unl×sbare RÅtsel aufzustellen, sondern mit aufgedecktem Angesicht die Herrlichkeit des dreieinigen Gottes schon hier im Dunkel der Geschichte zu erkennen und in der Hoffnung zu preisen, einmal von Angesicht zu Angesicht zu schauen.“ S. o., S. 504. 190 Zur kappadozischen bzw. neunizÅnischen Energienlehre siehe Kap. II,3. Zu Alexander von Alexandrien und zu Athanasius, der sowohl gegenÛber dem rationalen RÛckschlußverfahren der Anhom×er als auch gegenÛber der radikalen apophatischen Leugnung der Wesenserkenntnis durch die Hom×er Wesen und Wirken Gottes verband, s. o., S. 115 ff. Vgl. zum VerhÅltnis von Wirkung und personaler Gegenwart des Heiligen Geistes im Neuen Testament G. Kretschmar: Geist; A. Nossol: Geist, und s. o., S. 90 ff. Zum VerhÅltnis von g×ttlichem Wirken und personaler Gegenwart vgl. W. Pannenberg: Aufnahme, S. 336 f., und D. Staniloae: Dogmatik I, S. 139, 141, 148. 191 S. o., S. 129.

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dem ein ausgewogenes Gottes- und KirchenverstÅndnis korrespondierte, das sich im ×kumenischen Bekenntnis von 381 (Konstantinopel) als verbindlicher Konsens niederschlug. Dieser Konsens beruhte neben den biblisch-×konomisch fundierten offenbarungstheologischen, trinitÅtstheologischen und ekklesiologischen Kriterien auf einer sachgemÅßen VerhÅltnisbestimmung von Schrift, Tradition und Kirche. Die mit der neunizÅnischen Theologie gegebene altkirchliche Grundlage fÛr einen gemeinsamen offenbarungstheologischen, trinitÅtstheologischen und ekklesiologischen Rahmen wurde jedoch durch die scholastische Entwicklung im Westen und die photinianisch-palamitische Entwicklung im Osten in jeweils einseitiger, zumeist spekulativer Weiterentwicklung verlassen.192 Als Gegenreaktion auf neoarianische Str×mungen verstÅrkte sich im WESTEN die Konzentration auf die Einheit des Wesens Gottes, wobei die scholastische Vorordnung der natÛrlichen Erkennbarkeit g×ttlicher Einheit vor die ÛbernatÛrliche Offenbarung der TrinitÅt (De Deo uno – De Deo trino) die Trennung in natÛrliche und ÛbernatÛrliche Offenbarung bewirkte. Die Vorordnung der Ableitbarkeit g×ttlicher Wesensmerkmale verlieh der rational-deduktiven westlichen MentalitÅt eine spekulative Zuspitzung, die zur rationalen Egalisierung aller ×konomisch erkennbaren trinitarischen Relationen und ihrer totalen Identifikation mit den – pauschal als Ursprungsrelationen qualifizierten – immanenten Relationen fÛhren konnte (fehlende distinctio). Aus dieser VernachlÅssigung der – das apophatische Moment berÛcksichtigenden – distinctio zwischen ×konomischer und immanenter TrinitÅt ergab sich die Nivellierung der verschiedenen trinitarischen Relationsebenen (Ursprungsund Existenzbeziehungen), die wiederum durch die Egalisierung der unterschiedlichen Relationen des Geistes zu Vater und Sohn eine einseitige Filioque-Tradition (Vater und Sohn als zwei Prinzipien des Geistes) nach sich zog – sowie das undifferenzierte Axiom Anselms, in Gott sei alles eins, dem nicht eine Gegenseitigkeit der Beziehungen entgegenstehe. Mit der dualistischen Vorordnung des Traktats „De Deo uno“ ging – unter Ausblendung der vestigia trinitatis – zugleich das inzwischen unitarisch ausgelegte Postulat des gemeinsamen g×ttlichen Handelns ad extra einher, so daß man nur noch eine appropriierte heils×konomisch-trinitarische Gegenwart Gottes zugestand. Das bedeutete den Vorrang der Wesenseinheit gegenÛber der Dreiheit sowie der theologia gegenÛber der oiconomia und bewirkte die ×konomische und soteriologische Funktionslosigkeit der TrinitÅt. Unter Mißachtung des apophatischen Aspekts wurden so metaphysische Spekulationen begÛnstigt, die Gottes Wesen auf der Grundlage psychologischer Analogien einseitig als geistigen Selbstvollzug bzw. als intrapersonale Einheit charakterisierten. In diesem Kontext trat die personale Konstitution des Geistes zurÛck, der immanent und ×konomisch vornehmlich als Willensakt und Gabe erschien, was der scholastischen Vorstellung von der geschaffenen Gnade als quasi-natÛrlichem Habitus korrespondierte. Die einseitig intrapersonale TrinitÅtslehre mit ihrer mangelnden Beachtung der PersonalitÅt 192 Zur ×kumenisch-kriteriologischen Bedeutung der neunizÅnischen TrinitÅtslehre und des Nicaeno-Constantinopolitanums (381) siehe Kap. II,4, und zur jeweils einseitigen Weiterentwicklung in Ost- und Westkirche siehe Kap. III,1.

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des Heiligen Geistes erm×glichte eine christozentrische Identifikation von Christus und Kirche, die mit einer institutionell-hierarchischen und zentralistischen Ekklesiologie korrelierte. Denn die GeringschÅtzung der personalen Gegenwart des Geistes, der das Christusheil jeweils aktuell vergegenwÅrtigt, verdeckte die stÅndige Angewiesenheit auf das bleibende „GegenÛber-Sein“ des lebendigen Gottes und erleichterte so dessen ekklesiologische Vereinnahmung durch die christologische Ontologisierung von Amt und Kirche. Der im Kontext dieser Entwicklung zunehmenden VerdrÅngung der apophatischen Dimension im Westen stand eine wachsende Betonung der apophatischen Unbegreiflichkeit Gottes im OSTEN gegenÛber. In Auseinandersetzung mit den rationalistischen Ableitungen des eunomianischen Neoarianismus und als Gegenreaktion auf die rationale Egalisierung aller ×konomisch erkennbaren trinitarischen Relationen im Westen (einseitige Filioque-Tradition) wurde die apophatische Tendenz im Osten verabsolutiert. Das fÛhrte so weit, daß Photius gegenÛber der undifferenzierten westlichen ºbertragung aller ×konomisch erkennbaren BeziehungsverhÅltnisse auf immanente UrsprungsverhÅltnisse sogar mit der Leugnung der ×konomischen Erkennbarkeit hypostatischer trinitarischer ZusammenhÅnge antwortete. Die so bewerkstelligte Trennung von ×konomischer und immanenter TrinitÅt (fehlende Einheit) vollendete Gregor Palamas mit seiner Energienlehre. Denn der palamitische Hesychasmus setzte im RÛckgriff auf die einseitige Weiterentwicklung der altkirchlichen Energienlehre durch Gregor von Zypern nur noch eine rein energetische Gegenwart Gottes in der Heils×konomie voraus und hielt einen RÛckschluß von den Energien auf das hypostatische trinitarische Sein Gottes nicht fÛr m×glich. Diese Aufl×sung des altkirchlichen Zusammenhangs von ×konomischer und immanenter TrinitÅt sowie von energetischer und hypostatischer Gotteserkenntnis erklÅrt sich auch aus Palamas’ BekÅmpfung rationaler AnsÅtze der Plato-Renaissance und der Theologie des Barlaam von Seminara. Dabei drÅngte Palamas im Sinne des Hesychasmus seines Lehrers Gregor Sinaites die kognitive Erkenntnis in der Heils×konomie zugunsten des mystischen Aufstiegs zur Erleuchtung zurÛck. Seinen Versuch, ein rationales RÛckschlußverfahren durch die Kommunikation zwischen Gott und Mensch zu Ûberwinden, indem er gegenÛber Barlaams natÛrlich-rationaler Auffassung von geschaffenen Energien dezidiert von ungeschaffenen – g×ttlichen – Energien sprach, konterkarierte Palamas durch die strikte Trennung von energetischer und hypostatischer Anwesenheit Gottes, die erneut personale Gemeinschaft mit Gott verhinderte. Notwendig wurde diese dualistische Trennung von energetischem und hypostatischem Wesen Gottes fÛr Palamas durch den bei ihm selbst vorhandenen Einfluß neuplatonischer Seinsmetaphysik und die damit verbundene Gefahr, auf dem Erkenntnisweg der Erleuchtung das Unendliche mit dem Endlichen zu identifizieren. Weil zur Verhinderung dieser Gefahr Gottes hypostatisches Sein fÛr Palamas nicht mehr in der Heils×konomie erkennbar sein durfte, fehlte der Bezug der Selbstoffenbarung Gottes zu seiner heilsgeschichtlichen Selbsterschließung und damit zu den gesch×pflichen AnknÛpfungspunkten. Deshalb bedurfte die Erkenntnis der immanenten TrinitÅt wie in der westlichen Scholastik einer ÛbernatÛrlichen Sonderoffenbarung (Schrift), wÅhrend die heils×konomisch erkennbaren Energien nur das einheitliche Wirken Gottes „ad extra“ verk×rperten, was faktisch der scholastischen Unterscheidung von erfahrbarer Einheit Gottes in seinem Handeln „ad extra“ (De Deo uno) und ÛbernatÛrlich offenbarter immanenter TrinitÅt (De Deo trino) entspricht und

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damit die gleiche ×konomische und soteriologische Funktionslosigkeit der TrinitÅt bedeutet. Zugleich geht die personale Anwesenheit des Heiligen Geistes in der Gnadenlehre ebenso verloren wie in der scholastischen Konzeption vom quasi-natÛrlichen Habitus der geschaffenen Gnade, da der Geist nur als energetische Kraft und damit als intermediÅre RealitÅt in Erscheinung tritt. Ferner fÛhrt die ZurÛckweisung der heils×konomisch erkennbaren hypostatischen Beziehung zwischen Sohn und Heiligem Geist zu einer pneumatozentrisch verankerten Vermittlung der g×ttlichen Energien, die unter VerdrÅngung des sichtbaren christologischen Maßstabs die ekklesiologische Maßgeblichkeit der eigenen Geisterfahrung beinhaltet (Gefahr der Verabsolutierung eigener kirchlicher Tradition).

Wie die rationalen scholastischen Einseitigkeiten im Westen bewirkte die palamitische Energienlehre im Osten durch ihre einseitige Abweichung von der neunizÅnischen Energienlehre nicht nur die Aufhebung des differenzierten VerhÅltnisses von „Ahnung und Offenbarung“, sondern auch die einseitige Weiterentwicklung des trinitÅtstheologischen und ekklesiologischen Rahmens der neunizÅnischen Theologie. Zwar existierten neben der jeweiligen Radikalisierung des rationalen westlichen und des apophatischen ×stlichen Ansatzes auf beiden Seiten auch AnsÅtze, die der altkirchlichen Basis bedeutend mehr entsprachen. Letztere konnten sich aber im Kontext der Entfremdung zwischen Morgen- und Abendland zunÅchst nicht durchsetzen.193 Daß sich die palamitische Energienlehre von der neunizÅnischen Energienlehre unterscheidet, wurde Ûber die soeben gegebene Zusammenfassung der ostkirchlichen Entwicklung hinaus bereits mehrfach deutlich194, ebenso wie die Berechtigung, sie als spekulative Energienlehre zu bezeichnen, weil sie keine RÛckschlÛsse aus den heils×konomisch erkennbaren Energien auf das hypostatische trinitarische Sein Gottes erlaubt und deshalb nur einen spekulativen Zusammenhang zwischen Energie und Wesen Gottes herstellt – im Unterschied zur neunizÅnischen Energienlehre, die hier ×konomische Energienlehre genannt wird, weil sie die Entsprechung zwischen den subsistierenden Beziehungen in der TrinitÅt und deren energetischen Erscheinungen in der Heils×konomie voraussetzt. Die offenbarungs- und trinitÅtstheologischen, soteriologischen und ekklesiolo-

193 In bezug auf die jeweils einseitige Weiterentwicklung des altkirchlichen offenbarungstheologischen, trinitÅtstheologischen und ekklesiologischen Rahmens, die hier nur noch einmal komprimiert angedeutet wurde, siehe Kap. III,1. Zur ausfÛhrlichen Darstellung der unterschiedlichen MentalitÅten in Ost und West siehe Kap. I,3. 194 Hinsichtlich der nach wie vor bei ost- und westkirchlichen Theologen umstrittenen Frage, ob die palamitische Energienlehre – und damit auch der seit dem 19. Jahrhundert neu auflebende palamitische Hesychasmus – als genuine Entfaltung der neunizÅnischen Energienlehre gelten darf, konnte in der vorliegenden Untersuchung aufgezeigt werden, welcher hermeneutische Unterschied zwischen palamitischer und neunizÅnischer Energienlehre besteht (s. o., S. 166 ff., und siehe Kap. II,3).

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gischen Defizite, die sich in Ost und West aus der jeweils einseitigen Abweichung vom altkirchlichen Rahmen ergaben, zeigen die Bedeutung der ×konomischen Energienlehre fÛr ein angemessenes offenbarungstheologisches, trinitÅtstheologisches und ekklesiologisches VerstÅndnis, das fÛr Ost- und Westkirchen gleichermaßen hermeneutisch zugÅnglich ist und den biblisch-×konomisch gewonnenen Einsichten entspricht. So berÛcksichtigt die ×konomische Energienlehre alle Aspekte der Gleichzeitigkeit von „GegenÛber und NÅhe“ des trinitarischen Gottes, die sich in der heilsgeschichtlichen Selbsterschließung vollzieht und im differenzierten VerhÅltnis von „Ahnung und Offenbarung“ ebenso zum Ausdruck kommt wie in der damit verbundenen Koinonia-Erkenntnis (Gotteserkenntnis als Teilhabe an Gottes Selbsterschließung).195 Im Unterschied zur einseitig apophatischen Orientierung der spekulativen Energienlehre und zur einseitig rationalen scholastischen Ausrichtung bewahrt die ×konomische Energienlehre die in diesen offenbarungstheologischen ZusammenhÅngen bestehende Interdependenz zwischen personal-hypostatischer Gegenwart und apophatischer Transzendenz Gottes sowie zwischen rationaler und apophatischempfangender Hermeneutik. Einerseits weist sie durch die distinctio zwischen energetischer und hypostatischer Anwesenheit Gottes auf die bleibende apophatische Dimension des g×ttlichen Wesens hin (personales Geheimnis), wÅhrend sie andererseits durch die Einheit bzw. den Zusammenhang von energetischer und hypostatischer Erschließung die – auch rational nachvollziehbare – personal-hypostatische Erkennbarkeit der immanenten TrinitÅt in der Heils×konomie gewÅhrleistet. Auf diese Weise garantiert die ×konomische Energienlehre gegenÛber den jeweils einseitigen AnsÅtzen in West und Ost, welche die ×konomische und immanente TrinitÅt egalisierend identifizieren oder dualistisch trennen, die biblisch-×konomisch erkennbare Gleichzeitigkeit von „Einheit und distinctio“. Nur auf dieser Grundlage lÅßt sich wiederum die Koinonia-Erkenntnis vollziehen, da die von Gott in freier und gnÅdiger Selbsterschließung gewÅhrte Erkenntnisgemeinschaft sowohl der apophatischen Dimension (personales Geheimnis) als auch der Dimension wahrnehmbarer personaler Gegenwart bedarf, was doxologisch und revelatorisch ebenso notwendig ist wie soteriologisch. Denn die personal-hypostatische Gegenwart des sich als personales Geheimnis erschließenden Gottes ist nicht nur revelatorisch fÛr die Gottesgewißheit konstitutiv und doxologisch fÛr die personale Anbetung (eine nicht antastbare Heiligkeit ist nicht zu heiligen), sondern auch soteriologisch fÛr die Heilsgewißheit. Nach dem biblischen Zeugnis lÅßt sich nÅmlich die freie Gnade Gottes (Liebe Gottes) als von ihm selbst geschenktes Heil (von Gott zugeeignetes Heil) weder scholastisch als quasi-

195

Zu diesen bereits bei den Kappadoziern bestehenden ZusammenhÅngen s. o., S. 128 ff.

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natÛrlicher Habitus der geschaffenen Gnade noch palamitisch als energetisch zugeeignete intermediÅre RealitÅt verstehen, sondern lediglich durch die hypostatische Anwesenheit der sich gnÅdig zuwendenden trinitarischen Personen. Das garantiert die ×konomische Energienlehre, weil sie die freie PersonalitÅt des g×ttlichen Geheimnisses ebenso wahrt wie die hypostatische Gegenwart der trinitarischen Personen. Eine solche hypostatische Gegenwart wehrt auch dem undifferenzierten scholastischen und palamitischen VerstÅndnis des einheitlichen – und lediglich appropriierten – Wirkens der TrinitÅt „ad extra“ und der damit verbundenen Vorordnung der Einheit (De Deo uno). Die Abwehr dieses VerstÅndnisses ist soteriologisch unerlÅßlich, weil die personale trinitarische Heilszuwendung nur gelingt, wenn die trinitarischen Personen in ihren Proprien erkennbar werden, so daß Gott im Heilswirken des Sohnes und des Geistes selbst in jeweils eigentÛmlicher Weise gegenwÅrtig ist. Hinsichtlich des Heiligen Geistes treten diese ZusammenhÅnge wiederum nur hervor, wenn der Geist dem biblischen Zeugnis entsprechend als Gabe und Geber ernst genommen wird. Allein als personaler Geber vermag der Heilige Geist die personale Glaubensgemeinschaft zwischen Gott und Mensch in Freiheit und Liebe als lebendige Heilsgemeinschaft mit den trinitarischen Personen zu er×ffnen und damit die anthropologische Vereinnahmung Gottes bzw. des Geistes zu verhindern. Solche Vereinnahmungstendenzen zeigen sich nÅmlich in der scholastischen Auffassung vom quasi-natÛrlichen Habitus der geschaffenen Gnade oder in der palamitischen Tendenz einer energetischen Theosis, da hier jeweils die Gefahr einer evolutionistischen ErgÅnzungstheologie besteht. Diese versucht, das Heil mit Hilfe der ErgÅnzung natÛrlicher anthropologischer Voraussetzungen durch intermediÅre RealitÅten zu erreichen und verdeckt so die mit der personalen Heilszueignung verbundene Rechtfertigung aus Glauben.196 Daß es ebensowenig zur dualistischen Trennung von forensischer und effektiver Rechtfertigung mit der M×glichkeit einer Vereinnahmung der Heiligung durch ethische PrÅmissen kommen darf (einseitige Tendenzen im Protestantismus), lÅßt die Wahrnehmung des Geistes als Geber ebenfalls erkennen, weil der Geist bei seiner Zueignung des Heils in der Glaubensgemeinschaft zwi-

196 Im Blick auf die Gefahr einer solchen evolutionistischen ErgÅnzungstheologie s. o., S. 258 f., 319 f., 441 u. ×. Zur doxologischen, soteriologischen und revelatorischen Bedeutung der Energienlehre insgesamt s. o., S. 166 ff., und siehe Kap. III,3.3 u. IV,3.1. – K. C. Felmy: Theologie, S. 25 ff., lÅßt in seinen AusfÛhrungen erkennen, daß die Energienlehre gegenÛber rationalen RÛckschlußverfahren hilfreich dafÛr ist, die Gotteserkenntnis aus der Vereinigung mit Gott zu verstehen. Durch die bei Felmy fehlende Differenzierung zwischen palamitisch-spekulativer und neunizÅnisch-×konomischer Energienlehre wird nicht deutlich, daß nur letztere diese hermeneutische Hilfe bietet.

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schen Gott und Mensch personal gegenwÅrtig bleibt. Das spricht zugleich gegen eine idealistische Identifikation von Geist und Vernunft. Also kann die ×konomische Energienlehre sowohl eine angemessene Gnadenlehre im Westen als auch ein angemessenes TheosisverstÅndnis im Osten gewÅhrleisten, indem sie den Heiligen Geist nicht nur als Gabe, sondern auch als personal-hypostatisch gegenwÅrtigen Geber erkennen lÅßt, der eine personale Gnadengemeinschaft zwischen Gott und Mensch er×ffnet und die anthropologische Vereinnahmung des Geistes verhindert. Gleiches gilt fÛr die Gefahr der ekklesiologischen Vereinnahmung des Geistes in Ost und West, die sich in der rational geprÅgten westlichen Filioque-Tradition ebenso findet wie im apophatisch geprÅgten palamitischen Hesychasmus des Ostens. Indem die filioquistische Charakterisierung des Geistes als Gabe diesen nicht als gegenwÅrtigen hypostatischen Geber bzw. als handelndes GegenÛber wahrnimmt, verdrÅngt sie einerseits die Notwendigkeit der aktuellen pneumatologischen VergegenwÅrtigung Christi. So erm×glicht sie die christozentrisch-korporative Identifizierung eigener ekklesiologischer Strukturen mit den g×ttlichen Strukturen, wobei der Geist zumeist als inhÅrente Gr×ße der christozentrisch-korporativen Kirche vereinnahmt wird (r×m.-kath.). Andererseits kann aus der Reduktion des Geistes zur reinen Gnadenkraft die christozentrische VernachlÅssigung der vom Geist gegebenen sichtbaren Strukturen ekklesiologischer Gemeinschaft resultieren, was eine Konzentration auf die Rechtfertigung des einzelnen bewirkt und eine individualistische Gnadenlehre nach sich zieht (prot.). Auch die spekulative Energienlehre mit ihrer einseitigen Konzentration auf die pneumatologisch vermittelten Energien blendet den Heiligen Geist als personal-hypostatischen Geber sowie als gegenwÅrtiges und handelndes GegenÛber aus. Dadurch besteht die M×glichkeit der Identifikation von energetischer und eigener kirchlicher Erfahrung, bei der man den Geist durch die fehlende christologische Anbindung als Mittel pneumatozentrischer Verabsolutierung der eigenen kirchlichen Tradition vereinnahmen kann. Der Tradition fehlt dann zumeist analog die adÅquate RÛckbindung an die Schrift (orth.).197 Die ×konomische Energienlehre vermag solche in Ost und West zu beobachtenden Vereinnahmungen durch ihre Verbindung von energetischer und personal-hypostatischer heils×konomischer Gegenwart der trinitarischen Personen zu verhindern. Gleichzeitig ist sie in der Lage, westlicher Theologie nahezubringen, daß Energienlehre nicht sofort apophatische UnzugÅnglichkeit Gottes bedeuten muß, sondern durchaus die heils×konomische Erschließung der TrinitÅt beinhalten kann und darÛber hinaus den apophatischen Aspekt des personalen Geheimnisses Gottes nicht vernachlÅssigt. Umgekehrt beinhaltet sie fÛr die palamitischen Str×mungen in den Ostkir-

197

S. o., S. 165 f. u. 446 f.

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chen die Einsicht, daß mit der apophatischen Dimension der Energienlehre auch die heils×konomisch erkennbare personal-hypostatische Gegenwart der trinitarischen Personen gegeben bleibt. Daher erklÅrt es sich, daß es im Laufe der Kirchengeschichte immer wieder zur Besinnung auf den biblisch und ×konomisch begrÛndeten Rahmen der altkirchlichen TrinitÅtslehre und damit auch auf die Implikationen der neunizÅnischen Energienlehre kam, was die vorliegende Untersuchung belegen konnte und was hier nur noch einmal komprimiert im Blick auf die Implikationen der Energienlehre angedeutet wird. Nachdem beispielsweise Maximus Confessor im RÛckgriff auf die neunizÅnischen Grundlagen innerhalb der ×stlichen apophatisch-energetischen Orientierung an die heils×konomische Ableitbarkeit des hypostatischen trinitarischen Seins erinnert hatte198 und nachdem im Westen unter anderem Duns Scotus, Wilhelm von Ockham und Nikolaus von Kues gegenÛber scholastischer Hermeneutik die RÛckbesinnung auf die heils×konomische Selbsterschließung Gottes gefordert hatten, griff Martin Luther mit seinem reformatorischen Ansatz im Kontext der westlich-augustinischen Tradition wie Maximus Confessor auf den Rahmen der neunizÅnischen TrinitÅtslehre zurÛck. Damit erzielte er vor dem Hintergrund der sich verfestigenden Polarisierungen erneut eine partielle Zusammenschau der ×stlichen und westlichen Perspektiven. Er berÛcksichtigte in biblischer und heils×konomischer Orientierung die mit dem VerhÅltnis von „Ahnung und Offenbarung“ gegebene Interdependenz zwischen apophatischer und kataphatischer Dimension, die dem von ihm betonten VerhÅltnis von verborgenem und offenbarem Gott (offenbares Geheimnis) gerecht wurde und angesichts der heils×konomischen Selbsterschließung Gottes die empfangende °ffnung fÛr die von Gott gewÅhrte heilsgeschichtliche Erkenntnisgemeinschaft (Koinonia-Erkenntnis) verlangte. Durch diese Wahrnehmung der trinitarisch er×ffneten Teilhabe an der Gemeinschaft mit Gott, die als Erkenntnisund Heilsvoraussetzung gilt, steht Luther dem – nicht physischen – athanasianischen Theosis-Gedanken nahe, was in Luthers Zusammenschau von forensischem und effektivem Aspekt der Rechtfertigung bzw. von Rechtfertigung und Heiligung zum Ausdruck kommt. Durch die Beachtung einer angemessenen pneumatologischen VergegenwÅrtigung wird die Gabe des Heiligen Geistes gegenÛber der scholastischen Vorstellung vom Habitus der geschaffenen Gnade und gegenÛber der palamitischen Vorstellung vom energetisch-intermediÅren Aufstiegsschema als personale g×ttliche Gegenwart in der Heils×konomie ernst genommen. Das entspricht sowohl der „Einheit und distinctio“ von ×konomischer und immanenter TrinitÅt als auch der Hermeneutik der ×konomischen Energienlehre, nach der hinter den WirkkrÅften der trinitarischen Personen (Energien) auch ihre eigentÛmliche hypostatische Gegenwart (Proprien) steht. Luthers RÛckgriff auf den offenbarungs- und trinitÅtstheologischen Rahmen der neunizÅnischen Theologie zog eine differenzierte Koinonia-Ekklesiologie nach sich, die christomonistischen r×mischen Zentralismus (Vereinnahmung des Geistes als inhÅrente Gnadenkraft) ebenso abwehrte wie schwÅrmerisch-enthusias-

198

S. o., S. 171 u. 304, und siehe Anm. 249, VI. Kap.

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tische SpiritualitÅt oder pneumatozentrische Verabsolutierung eigener kirchlicher Erfahrung.199 Nachdem es in der protestantischen Orthodoxie erneut zum Dualismus von natÛrlicher und ÛbernatÛrlicher Offenbarung mit einem natÛrlich-theistischen GottesverstÅndnis gekommen war, das auch in der nachtridentinischen katholischen Theologie vorherrschte und der Entwicklung vom Theismus zum Atheismus nicht viel entgegenzusetzen hatte200, vollzog sich im 19. Jahrhundert im Kontext biblischer und patristischer AufbrÛche eine weitere Besinnung auf die heils×konomische Selbsterschließung Gottes, zumal auch die orthodoxe Schuldogmatik unter dem Einfluß des scholastischen Dualismus von natÛrlicher und ÛbernatÛrlicher Offenbarung stand. So wandten sich im Protestantismus Vermittlungstheologen wie Carl Immanuel Nitzsch oder das konfessionelle Neuluthertum gegen rational-natÛrliche RÛckschlußverfahren, indem sie im RÛckgriff auf die heils×konomische Selbsterschließung an den Zusammenhang von Offenbarungs- und WesenstrinitÅt erinnerten und damit das aufklÅrerische VerstÅndnis von Kirche als einer sittlichen Religionsgemeinschaft auf eine Koinonia-Ekklesiologie hin Ûberwanden. Diese AufbrÛche Ûbertrug Karl Barth mit seiner trinitÅtstheologischen Besinnung ins 20. Jahrhundert. Neben einer Åhnlich trinitÅtstheologisch und ekklesiologisch relevanten Besinnung im Anglikanismus und im r×mischen Katholizismus, die aber wie im Protestantismus nur partiell zum Tragen kam, versuchten Teile der ostkirchlichen Theologie im 19. Jahrhundert, in ×konomisch-trinitarischer Hermeneutik die scholastisch beeinflußte orthodoxe Schuldogmatik zu Ûberwinden. Deren faktischer Dualismus von natÛrlicher und ÛbernatÛrlicher Offenbarung bzw. von „De Deo uno“ und „De Deo trino“ korrespondierte einer spekulativen Energienlehre und dem daraus hervorgehenden Postulat des einheitlichen energetischen Wirkens Gottes „ad extra“. DemgegenÛber verwies Zekos Rhoses im Sinne der ×konomischen Energienlehre auf die revelatorisch maßgebliche Entsprechung von ×konomischer und immanenter TrinitÅt. Dadurch Ûberwand er die einseitig interpersonale TrinitÅtslehre und erm×glichte so die Infragestellung des institutionellen und konfessionell-nationalistischen KirchenverstÅndnisses der Schuldogmatik, insofern als die differenzierte TrinitÅtslehre analog eine differenzierte Koinonia-Ekklesiologie mit sich brachte (besonders bei A. S. Chomjakov und S. N. Bulgakov). Doch Rhoses’ BemÛhungen blieben ambivalent, weil er immer wieder in die Hermeneutik der spekulativen Energienlehre zurÛckfiel. Šhnlich verhielt es sich mit Erneuerungsversuchen weiterer orthodoxer Theologen (wie z. B. A. S. Chomjakov und S. N. Bulgakov). Da im 19. Jahrhundert der palamitische Hesychasmus neu auflebte, entstand abermals die Auseinandersetzung Ûber die Frage, ob er eine authentische Entfaltung der altkirchlichen Energienlehre darstelle. Obwohl diese Auseinandersetzung bis heute anhÅlt, gibt es zunehmend Theologen, die den Unterschied zwischen altkirchlicher und palamitischer Energienlehre wahrnehmen oder die palamitische Energienlehre dezidiert personalistisch auslegen. Deshalb k×nnte sich eine Konvergenz zwischen Ost und West Ûber die personal-hypostatische Gegenwart des trinitarischen Gottes in der Heils×konomie bzw. Ûber eine Trans-

199 200

Zur detaillierten Analyse der trinitÅtstheologischen Besinnung Luthers siehe Kap. III,2. Zur detaillierten Analyse dieser Weiterentwicklung s. o., S. 190 ff.

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parenz der °konomie fÛr die immanenten VerhÅltnisse abzeichnen, zumal mittlerweile Theologen wie der Serbe Dimitrije Dimitrijevic auf den lokalen Charakter der Synoden von Konstantinopel hinweisen, die Palamas’ Lehre im 14. Jahrhundert rezipiert haben.201 Hinzu kommt, daß auch in westlichen Kirchen die apophatische Dimension des Geheimnisses fortschreitend ernst genommen wird. Die biblische und patristische Besinnung auf den altkirchlichen heils×konomischen Ansatz in Ost- und Westkirche erbrachte also trotz gegenseitiger Unkenntnis beachtliche Fortschritte, die sich im 20. Jahrhundert fortsetzten.202 Nachdem sich die Besinnung auf den heils×konomischen Ansatz im r×mischen Katholizismus durch das Zweite Vatikanische Konzil dokumentiert hatte203, betonte Karl Rahner gegenÛber jeder Form rational-natÛrlicher Vorordnung des Traktats „De Deo uno“ die revelatorische und soteriologische Bedeutung der heils×konomischen Selbstmitteilung Gottes, indem er an die apophatische Dimension des Geheimnisses erinnerte (der transzendente Gott erschließt sich als personales Geheimnis). WÅhrend Rahner damit inhaltlich das apophatische Implikat der ×konomischen Energienlehre berÛcksichtigt, beinhaltet sein Ansatz gleichzeitig deren zweites Implikat der hypostatischen Erkennbarkeit der trinitarischen Personen in der Heils×konomie. Denn Rahner sieht die jeweils eigentÛmliche hypostatische Gegenwart der trinitarischen Personen (Proprien) als Voraussetzung fÛr die AuthentizitÅt der Gottes- und Heilserkenntnis, womit er zugleich die ºberwindung der Vorstellung von einer geschaffenen oder energetischen Gnade erm×glichte. Doch durch die partielle ºberlagerung seiner heils×konomischen Hermeneutik durch existentialistisch-geistmetaphysische PrÅmissen blieben auch Rahners BemÛhungen defizitÅr. Die Verbindung von heils×konomischer trinitarischer Selbsterschließung und der Dimension des Geheimnisses lÅßt sich im protestantischen Bereich etwa bei Eberhard JÛngel beobachten, wÅhrend sich JÛrgen Moltmann besonders fÛr die ostkirchliche Konzentration auf die Pneumatologie und die davon geprÅgte trinitÅtstheologische Struktur ge×ffnet hat.204 Unter den zeitgen×ssischen ostkirchlichen Konzeptionen zeigt zum Beispiel Dumitru Staniloaes Entwurf im RÛckgriff auf die Schrift und den altkirchlichen theologischen Rahmen der TrinitÅtslehre die BerÛcksichtigung der Implikationen des neunizÅnischen OffenbarungsverstÅndnisses und der neunizÅnischen bzw. ×konomischen Energienlehre. Damit kann er sich sowohl gegen eine einseitig rationale Theologie westlicher PrÅgung als auch gegen eine einseitig apophatische Theologie ×stlicher PrÅgung wenden und die Interdependenz von apophatischer und kataphatischer Dimension im Kontext der heilsgeschichtlichen Selbsterschließung Gottes wahren.

201 Vgl. D. Dimitrijevic: Bedenken, S. 362 ff. Zur bis heute anhaltenden Diskussion um das VerhÅltnis von altkirchlicher und palamitischer bzw. neopalamitischer Energienlehre vgl. bes. Anm. 42, 49 u. 274, III. Kap., und s. o., S. 220. In bezug auf die inhaltliche Darstellung des Unterschieds zwischen neunizÅnischer (×konomischer) und palamitischer (spekulativer) Energienlehre s. o., S. 166 ff., und siehe Kap. II,3. 202 Zur Entwicklung der Besinnung auf die heils×konomische Selbsterschließung Gottes in Protestantismus, Anglikanismus und Orthodoxie siehe Kap. III,3.2 u. 3.3. 203 Hinsichtlich der detaillierten Darstellung der Phasen der trinitÅtstheologischen Besinnung im Katholizismus siehe Kap. III,3.4. 204 Zur detaillierten Analyse der hier erwÅhnten Konzeptionen siehe Kap. IV,1 u. 2.

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Einerseits ×ffnet er sich zwar dem palamitischen Hesychasmus, um rationale Tendenzen in der westlichen Theologie und in der orthodoxen Schuldogmatik zu Ûberwinden, andererseits bezieht er sich anders als Palamas und viele Neopalamiten in Anlehnung an Athanasius, die Kappadozier und Maximus Confessor auf die Verbindung zwischen energetischen WirkkrÅften und hypostatischer Gegenwart der trinitarischen Personen. Denn er hÅlt die hypostatische Gegenwart der trinitarischen Personen in der Heils×konomie im Blick auf die revelatorische und soteriologische AuthentizitÅt fÛr notwendig, da ansonsten weder Heilserkenntnis und -gewißheit noch Heilsgemeinschaft mit Gott m×glich seien. Deshalb vollzieht sich die Anwesenheit Christi und des Heiligen Geistes bei den Menschen fÛr Staniloae nicht nur energetisch, sondern auch als Hypostase und Person (Proprien). Durch diese Umsetzung der Implikationen der ×konomischen Energienlehre mit ihrer Gleichzeitigkeit von energetisch-apophatischer und hypostatisch-heils×konomischer Dimension wahrt Staniloae das VerhÅltnis von „GegenÛber und NÅhe“ Gottes sowie die Interdependenz von rationaler und apophatisch-empfangender Hermeneutik. Wo Staniloae diesen hermeneutischen Ansatz konsequent durchhÅlt, kommt er zu differenzierten Einsichten einer trinitÅtstheologischen und ekklesiologischen Koinonia. Wo er jedoch der auch bei ihm immer noch auftretenden partiellen ºberlagerung seiner Hermeneutik durch die spekulative palamitische Energienlehre unterliegt, zeigen sich erneut trinitÅtstheologische, soteriologische und ekklesiologische ostkirchliche Einseitigkeiten. Die Ursache fÛr diese ºberlagerung liegt im ambivalenten Umgang mit den hermeneutischen Kriterien des VerhÅltnisses von Schrift, Tradition und Kirche, da Staniloae seine Bezugnahme auf die Schrift als Garanten des Glaubens immer wieder durch die Bezugnahme auf die kirchliche Tradition als Kriterium abl×st. Aus diesem Grund kann der RÛckgriff auf die biblischen und heils×konomischen Erkenntnisse sowie auf den mit ihnen verbundenen schriftgemÅßen altkirchlichen Rahmen von dem RÛckgriff auf spÅtere kirchliche Traditionen – wie dem palamitischen Hesychasmus – Ûberlagert werden, was bei Staniloae hin und wieder Tendenzen einer Harmonisierung von palamitischer Theologie und patristischer Theologie des 4. Jahrhunderts erkennen lÅßt.205

Im Laufe der Untersuchung hat sich herausgestellt, daß die in in allen Konfessionen zu beobachtenden AnsÅtze einer Besinnung auf die heils×konomische Selbsterschließung des trinitarischen Gottes und ihre schriftgemÅßen altkirchlichen Grundlagen immer wieder durch philosophisch-theologische oder konfessionell-ekklesiologische PrÅmissen Ûberlagert werden und daß diese ºberlagerungen nur durch eine konsequent BIBLISCH-×konomische Hermeneutik zu verhindern sind. Eine solche Hermeneutik er×ffnet die Chance, die hermeneutischen AnnÅherungen zwischen Ost- und Westkirchen, die aufgrund der Besinnung auf die heils×konomische Selbsterschließung Gottes erfolgten, von den immer wieder hervortretenden Vereinnahmungen durch die genannten PrÅmissen zu befreien. So k×nnen die gemeinsamen Grundlagen klarer erkannt werden, die sich aus dem offenba-

205

Zur genauen Analyse von D. Staniloaes Entwurf siehe Kap. IV,3.

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rungstheologischen, trinitÅtstheologischen und ekklesiologischen Rahmen der neunizÅnischen TrinitÅtslehre und den entsprechenden Implikationen der neunizÅnischen Energienlehre ableiten lassen. Es kam mehrfach zum Vorschein, wie die Beachtung der differenzierten Implikationen der neunizÅnischen Energienlehre, die vom Verfasser als ×konomische Energienlehre spezifiziert wurde, jeweilige Einseitigkeiten westlicher und ×stlicher theologischer MentalitÅt und deren einseitige Weiterentwicklung zu Ûberwinden vermag. Das gilt beispielsweise fÛr die Diastase zwischen kataphatisch-natÛrlicher und apophatisch-transzendentaler Hermeneutik, zwischen deduktivem und induktivem Denken, zwischen rational-natÛrlich und mystisch-transzendental geprÅgter Soteriologie und Ekklesiologie oder zwischen theologia crucis und theologia gloriae. Denn die mit der ×konomischen Energienlehre implizierte Gleichzeitigkeit von apophatischer Transzendenz und personal-hypostatischer Anwesenheit Gottes garantiert mit ihrer Gleichzeitigkeit von „GegenÛber und NÅhe“ Gottes die Gleichzeitigkeit von kreuzestheologischer Hingabe und bleibender Herrlichkeit Gottes. Entgegen der rationalen westlichen Tendenz einer totalen Identifikation von ×konomischer und immanenter TrinitÅt und der apophatischen ×stlichen Tendenz ihrer Trennung steht so die Gleichzeitigkeit von „Einheit und distinctio“ im VerhÅltnis von ×konomischer und immanenter TrinitÅt vor Augen. Diese Zuordnungen und ihre Interdependenz von apophatischer und kataphatischer Dimension verhindern sowohl die soteriologische als auch die ekklesiologische Vereinnahmung der trinitarischen Personen. Zum einen halten sie dem scholastischen Postulat eines Habitus geschaffener Gnade oder dem palamitisch geprÅgten energetischen Aufstiegsschema die hypostatisch-personale Anwesenheit des sich in freier Gnade erschließenden personalen Geheimnisses Gottes entgegen, was zugleich ein rein forensisches RechtfertigungsverstÅndnis im Protestantismus verhindert und auch zeitgen×ssische existentialistische, idealistische oder neopalamitische ºberlagerungen des heils×konomischen Ansatzes in Frage stellt. Zum anderen beinhalten diese Zuordnungen mit dem Hinweis auf die unverfÛgbare personale Gegenwart des Heiligen Geistes dessen kriteriologische Bedeutung fÛr die Ekklesiologie, wodurch die gezeigten ekklesiologischen Vereinnahmungen des Geistes erschwert werden. Weil die ×konomische Energienlehre die trinitarischen Personen auf differenzierte Weise in ihrem eigentÛmlichen personalen Sein (ProprietÅten) erkennbar werden lÅßt und der Geist so in angemessener Anbindung an die Christologie die lebendige Gemeinschaft zwischen Gott und Mensch sowie zwischen den Menschen untereinander erm×glicht, enthalten die Implikationen der ×konomischen Energienlehre auch die Voraussetzungen fÛr ein differenziertes VerstÅndnis der ekklesiologischen Koinonia, das maßgeblich vom VerhÅltnis von Christologie und Pneumatologie abhÅngig ist. Die sachgemÅße Bestimmung dieses VerhÅltnisses findet in den Implikationen der

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×konomischen Energienlehre die adÅquaten hermeneutischen Voraussetzungen, weil die ×konomische Energienlehre unter BerÛcksichtigung der Gleichzeitigkeit von „Einheit und distinctio“ ×konomischer und immanenter TrinitÅt daran erinnert, sowohl die apophatische Tiefe der trinitarischen Relationsebenen als auch deren hypostatische Erkennbarkeit ernst zu nehmen. Dadurch wird eine biblisch-×konomisch begrÛndete Unterscheidung zwischen innertrinitarischen Ursprungs- und Existenzbeziehungen m×glich, die sich als Voraussetzung fÛr eine differenzierte trinitarische Perichorese sowie fÛr eine entsprechend differenzierte VerhÅltnisbestimmung von Christologie und Pneumatologie erweist – und somit auch als Grundlage fÛr die L×sung des Filioque-Problems.

1.3 Das VerhÅltnis von innertrinitarischer Ursprungs- und Existenzebene als Grundlage einer differenzierten trinitarischen Perichorese (L×sungsansatz fÛr das Filioque-Problem) Trotz der beobachteten Ûberkonfessionellen Besinnung auf einen heils×konomischen Ansatz der TrinitÅtslehre bleibt die Bestimmung des VerhÅltnisses zwischen den trinitarischen Personen206 – und besonders zwischen Sohn und Heiligem Geist – aufgrund der immer wieder auftretenden ºberlagerung des heils×konomischen Ansatzes durch philosophisch-theologische und konfessionell-ekklesiologische PrÅmissen umstritten. Das gilt nicht nur fÛr die Unterschiede zwischen Ost- und Westkirchen, die sich exemplarisch und grundsÅtzlich im nach wie vor ungel×sten Filioque-Problem dokumentieren, sondern auch fÛr die unterschiedlichen EntwÛrfe innerhalb der verschiedenen Konfessionen. Welche zentrale Bedeutung der ºberwindung dieser Divergenzen zukommt, belegen ihre vielfach hervorgetretenen soteriologischen und ekklesiologischen Konsequenzen, die sich auch auf die Zuordnung des VerhÅltnisses von Kirche und Welt auswirken. Denn vornehmlich das VerhÅltnis von Christologie und Pneumatologie und das damit zusammenhÅngende VerstÅndnis des Heiligen Geistes bestimmen die Zuordnung von „GegenÛber und NÅhe“ Gottes bzw. den Charakter der Gemeinschaft zwischen Gott und Mensch, die wiederum die ekklesiologische Gemeinschaft der Glaubenden untereinander sowie ihr VerhÅltnis zur Welt prÅgt. In diese ZusammenhÅnge weisen neben dem Neuen Testament auch die altkirchlichen Bekenntnisse ein, weil die im dritten Artikel enthaltene Beschreibung der Kirche als Wirkungsort des Heiligen Geistes in Interdepen-

206 Zur kritischen Auseinandersetzung mit dem Personbegriff, die in der vorliegenden Untersuchung mehrfach gefÛhrt wurde, s. u., S. 574 ff.

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denz mit den beiden anderen Artikeln steht. Besonders deutlich sind Konstitution und Gestalt der Kirche hier mit dem VerhÅltnis von Christologie und Pneumatologie verbunden, da im dritten Artikel die Erl×sung durch Jesus Christus (zweiter Artikel) und ihre VergegenwÅrtigung durch den Heiligen Geist ineinander Ûbergehen. Wie grundlegend sich einseitige PrioritÅtensetzungen bei der Auslegung des trinitarischen Bekenntnisses und entsprechende trinitÅtstheologische VerhÅltnisbestimmungen mit ihren patromonistischen, christomonistischen und pneumatomonistischen Tendenzen im KirchenverstÅndnis niederschlagen, hat die vorliegende Untersuchung ebenso gezeigt wie – umgekehrt – den Einfluß ekklesiologischer PrÅmissen auf die TrinitÅtslehre. Deshalb handelt es sich bei der angemessenen VerhÅltnisbestimmung von Vater, Sohn und Heiligem Geist um eine inner- und interkonfessionell grundlegende Aufgabe, die die Voraussetzung eines adÅquaten und konvergenten Gottes- und KirchenverstÅndnisses bildet. Vor diesem Hintergrund erweist sich auch das Filioque-Problem nicht als partikulares ×kumenisches Randthema, sondern als Symptom fÛr grundsÅtzlich unterschiedliche ZugÅnge zum Gottes- und KirchenverstÅndnis, und zwar in bezug auf divergierende offenbarungstheologische und trinitÅtstheologische AnsÅtze und ihre ekklesiologischen Implikationen. Deshalb bedarf die L×sung des Filioque-Problems – wie die anderen inner- und interkonfessionellen trinitÅtstheologischen und ekklesiologischen Divergenzen – der Suche nach einem gemeinsamen Rahmen differenzierter offenbarungstheologischer, trinitÅtstheologischer und ekklesiologischer Kriterien, als dessen Grundlage sich die schriftgemÅße neunizÅnische TrinitÅtslehre in ihrer Ost- und Westkirche umfassenden °kumenizitÅt erwiesen hat.207 So kann sich eine konvergenzfÅhige Bestimmung des VerhÅltnisses der

207 Siehe dazu Kap. I,4 u. II. – Es soll noch einmal daran erinnert werden, daß es nicht um die Darstellung eines einheitlichen oder uniformen Gottes- und KirchenverstÅndnisses geht, sondern um die Darlegung eines theologischen Rahmens und daraus abgeleiteter Differenzierungen, welche die Grenzen und die Mindestanforderungen einer TrinitÅtslehre aufzeigen, die eine ºberwindung bisheriger hermeneutischer und trinitÅtstheologischer Einseitigkeiten und ihrer ekklesiologischen Konsequenzen erm×glicht (siehe Kap. I,4). – Zur grundlegenden Er×rterung der bisher genannten Aspekte siehe Kap. I,1 u. 2, und zu den vom Neuen Testament sowie den altkirchlichen Bekenntnissen gewiesenen ZusammenhÅngen zwischen Gotteslehre und Ekklesiologie s. o., S. 90 ff. u. 144 ff. Hinsichtlich des komplexen Charakters des Filioque-Problems und seiner grundsÅtzlichen Bedeutung siehe Kap. III,1. Vgl. dazu auch die BeitrÅge in L. Vischer (Hg.): Geist, und die ausfÛhrlichen historischen und systematischen Er×rterungen des Filioque-Problems bei B. Oberdorfer: Filioque, der im Blick auf die L×sung dieses Problems Kriterien und ein kategoriales Raster sucht, das die jeweiligen Traditionen zum Zweck angemessener Selbstwahrnehmung auch auf sich selbst beziehen k×nnen (vgl. ebd., S. 566 u. 568). Dabei konzentriert er sich vor dem Hintergrund der kirchengeschichtlichen Entwicklung auf die VerhÅltnisbestimmung von ×konomischer und immanenter TrinitÅt und ihre kategorialen Implikationen fÛr das komplexe innertrinitarische Beziehungsspektrum (vgl. ebd., S. 570 ff.). Oberdorfer greift zur L×sung der Problemstellung jedoch nicht dezidiert genug auf den – ost-

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trinitarischen Personen im Horizont der bisher erarbeiteten offenbarungstheologischen Differenzierungen vollziehen, die aus dem hermeneutischen Rahmen der neunizÅnischen TrinitÅtslehre abgeleitet wurden – zumal diese Differenzierungen die konfessionell-ekklesiologisch oder philosophisch-theologisch geprÅgten ºberlagerungen der Besinnung auf den heils×konomischen Ansatz zu verhindern verm×gen.208 Die Differenzierungen bieten durch ihre hermeneutische Konstitution die Chance, die in der Schrift bezeugten vielfÅltigen Relationen zwischen den trinitarischen Personen zu erkennen und ihrem differenzierten Charakter gemÅß zuzuordnen, da dieser auf einen Unterschied zwischen innertrinitarischen Ursprungsbeziehungen und anderen ewigen innertrinitarischen Seins-beziehungen hindeutet. Eine darauf bezogene differenzierte VerhÅltnisbestimmung mit ihren Implikationen fÛr das gemeinsame Gottes- und KirchenverstÅndnis wird vielfach als zentrale und noch deutlicher zu l×sende theologische wie ×kumenische Aufgabe betrachtet.209 Als Voraussetzung fÛr die Umsetzung dieser Aufgabe erweist sich im Rahmen der bisher abgeleiteten Differenzierungen der biblisch-×konomische Ansatz, der – auf der Basis des Zusammenhangs von „Ahnung und Offenbarung“ – die Gleichzeitigkeit von „Einheit und distinctio“ im VerhÅltnis von ×konomischer und immanenter TrinitÅt gleichermaßen berÛcksichtigt wie die Implikationen der ×konomischen Energienlehre. Letztere erm×glichen durch ihre Verbindung von apophatischer und kataphatischer Dimension sowohl die Wahrnehmung der apophatischen Tiefe des Potentials der trinitarischen Relationen als auch deren hypostatische Erkennbarkeit. Werden beide Aspekte ernst genommen, besteht die hermeneutische Voraussetzung

westkirchliche °kumenizitÅt ausstrahlenden – altkirchlichen Rahmen zurÛck. Ferner findet sich keine grundlegende Auseinandersetzung mit dem OffenbarungsverstÅndnis oder eine kategoriale Differenzierung hinsichtlich der Energienlehre, obwohl Oberdorfer versucht, jeweils pauschale Einordnungen der Energienlehre kritisch zu hinterfragen. Welche SchlÛsse er fÛr die Zuordnung des innertrinitarischen Relationsgeflechts zieht, kommt spÅter im Kontext der kritischen Er×rterung weiterer Zuordnungsversuche zur Sprache (s. u., S. 539 f.). – Der RÛckgriff auf einen schriftgemÅßen altkirchlich-theologischen Rahmen wird Ûbrigens von Theologen aller großen konfessionellen Str×mungen gefordert. Vgl. z. B. W. L×ser: Anmerkungen, S. 116, und A. de Halleux: Konsensus, S. 72 f. (r×m.-kath.); W.-D. Hauschild: BegrÛndung, S. 42, und A. Heron: Filioque, S. 104 (prot.); G. Larentzakis: KirchenverstÅndnis, S. 75, und B. Bobrinskoy: Filioque, S. 107 ff. (orth.). Zum berechtigten und erforderlichen RÛckgriff auf den in ost-westkirchlicher °kumene entstandenen Rahmen der neunizÅnischen TrinitÅtslehre siehe Kap. I,4. 208 Vgl. zu den abgeleiteten Differenzierungen mit ihren theologischen und ×kumenischen Implikationen Kap. VI,1.1 u. 1.2. 209 Vgl. U. von Arx (Hg.): Koinonia, S. 37, wo H. Aldenhoven die gemeinsame Formulierung dieser ZusammenhÅnge bzw. dieser VerhÅltnisbestimmung als noch zu leistende theologische Arbeit betrachtet, die K. Stalder: „Filioque“, S. 99, in ihrer Verbindung mit dem Gottesund KirchenverstÅndnis als grundlegende ×kumenische Aufgabe bezeichnet (vgl. Anm. 212, II. Kap.).

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dafÛr, sich den vielfÅltigen – und zum Teil disparat erscheinenden – Aussagen der Schrift Ûber die BeziehungsverhÅltnisse zwischen den trinitarischen Personen zu stellen, ohne diese BeziehungsverhÅltnisse von vornherein zu nivellieren oder nur selektiv zu berÛcksichtigen, was jeweils einer einseitigen Kategorisierung und Vereinnahmung entsprechen wÛrde. Weder eine totale Identifizierung von ×konomischer und immanenter TrinitÅt durch eine rationale und pauschale ºbertragung sÅmtlicher RelationszusammenhÅnge auf das innertrinitarische Sein Gottes (westliche Tendenz) noch eine apophatische Trennung von ×konomischer und immanenter TrinitÅt durch eine rein energetische Qualifizierung des ×konomisch erkennbaren RelationsgefÛges (×stliche Tendenz) wÛrde dem differenzierten Zusammenhang von apophatischer und kataphatischer Dimension und der damit korrelierenden „Einheit und distinctio“ von ×konomischer und immanenter TrinitÅt gerecht. Vielmehr verlangen diese hermeneutischen Differenzierungen, sich den in der Schrift durchaus feststellbaren Nuancierungen und Unterscheidungen zu ×ffnen. Diese enthalten sowohl eine differenzierte Zuordnung von ewiger innertrinitarischer Wesensstruktur Gottes und kontingentem Heilshandeln pro nobis (Einheit und distinctio) als auch eine Unterscheidung zwischen denjenigen trinitarischen Beziehungen, die innertrinitarische UrsprungsverhÅltnisse betreffen, und denjenigen Relationen, die dem BeziehungsgefÛge der weiteren innertrinitarischen Existenz zugeh×ren (Ursprungs- und Existenzbeziehungen). Nur ein dezidiert biblisch-×konomischer Ansatz wird sich der biblischen Gliederungsvielfalt hinsichtlich der unterschiedlichen Beziehungen zwischen Vater, Sohn und Heiligem Geist stellen und so den von der Schrift gewiesenen komplexen Zusammenhang von ×konomischer und immanenter TrinitÅt in der Gleichzeitigkeit von apophatisch-transzendentaler und kataphatisch-hypostatischer Perspektive erkennen. Dadurch hÅlt man – gegenÛber einseitigen Vereinnahmungen – dem paradoxalen Geheimnis stand, das sich in der Vielfalt biblischer Relationsqualifizierungen als innerg×ttliche Gleichzeitigkeit von intra- und interpersonaler Dimension verbirgt und sich auf die genannte Weise als solche erschließen lÅßt – und zwar aufgrund der biblisch bezeugten Selbsterschließung Gottes. So werden die differenzierten perichoretischen innertrinitarischen Strukturen mit ihren besonders christologisch-pneumatologisch relevanten Konsequenzen erkennbar. ZunÅchst sei noch einmal auf die im Neuen Testament enthaltene Distinktion zwischen heils×konomischem Erl×sungshandeln pro nobis und ewigem immanenten Wesen Gottes hingewiesen, die unter Wahrung des Unterschieds von heilsgeschichtlicher Kontingenz und ewigem g×ttlichen Wesen den freien Gnadencharakter des ×konomischen Handelns garantiert und eine ºbertragung der Kontingenz auf Gottes ewiges Wesen verhindert, ohne auszublenden, daß sich Gottes Heilshandeln den trinitarischen Pro-

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prietÅten gemÅß vollzieht. Diese Zusammenschau von „Einheit und distinctio“, die im vorletzten Abschnitt schon ausfÛhrlich entfaltet wurde210, gewÅhrleistet aufgrund der biblischen Differenzierungen in der Zuordnung von wesensgemÅßem kontingenten Heilshandeln und ewigem g×ttlichen Wesen eine differenzierte Darstellung der Einheit von ×konomischer und immanenter TrinitÅt. Das wurde oben bereits am VerhÅltnis von Christologie und Kreuzestheologie er×rtert211 und lÅßt sich auch an der biblisch-×konomisch wahrnehmbaren Charakteristik des Heiligen Geistes und seines Eingebundenseins in das trinitarische Beziehungsgeflecht darlegen, was zum großen Teil ebenfalls schon im vorletzten Abschnitt erfolgte212 und hier besonders in Hinsicht auf das Verha¨ltnis zur Christologie erga¨nzt werden soll. Denn in diesem Verha¨ltnis kommt der Unterschied zwischen innertrinitarischen Ursprungsbeziehungen und ewigen innertrinitarischen Existenzbeziehungen am deutlichsten zum Ausdruck. Es wurde bereits er×rtert, wie die heils×konomische Funktion des Heiligen Geistes, die Menschen heiligend in die Wahrheit neuen Lebens zu fÛhren und ihnen in Freiheit die Gemeinschaft der Liebe Gottes zu er×ffnen, dem innertrinitarischen Proprium des Geistes des Lebens, der Wahrheit, der Freiheit, der Gemeinschaft, der Heiligkeit und der Liebe entspricht.213 So lÅßt die biblische Vielfalt der Charakterisierung des Geistes als Geber, Gabe und Charismenverteiler die Gleichzeitigkeit von „GegenÛber und NÅhe“ erkennen, in welcher der Heilige Geist als bleibendes personales GegenÛber in anderen gegenwÅrtig sein kann und eine freie partizipatorische Gemeinschaft der Liebe zu er×ffnen vermag. Das erm×glicht er in seiner Eigenschaft als „Sein-K×nnen eines Einen in oder bei einem Anderen“214 durch die GewÅhrung des Zusammenhangs von „Aus-sich-Sein“, „Beim-andern-Sein“ und „Bei-sich-selbst-bleiben“. Denn der Heilige Geist, der den Menschen als Gabe in die Herzen gegeben ist (R×m 5,5; II Kor 1,22) nimmt als handelnde g×ttliche Person (Joh 14,26) in den Menschen Wohnung, damit sie „Tempel des Heiligen Geistes“ werden (I Kor 3,16 u. 6,19). In diesem Tempel bleibt der Heilige Geist im VerhÅltnis zum menschlichen Geist das eigenstÅndige personale GegenÛber (R×m 8,16), das den Menschen die Charismen bzw. Gaben des Geistes gewÅhrt (R×m 12,6 ff.; I Kor 12,4 ff.). So kann Gott im Menschen und der Mensch in Gott sein, ohne die freie Gemeinschaft von menschlicher PersonalitÅt des Menschen und g×ttlicher PersonalitÅt des Heiligen Geistes bzw. Gottes aufheben zu mÛssen.215

210 211 212 213 214 215

S. o., S. 500 ff. S. o., S. 480 f. u. 504. S. o., S. 478 ff., und zu einigen der neutestamentlichen Grundlagen s. o., S. 90 ff. S. o., S. 90 ff. u. 478 ff. E. Lessing: Art. „Geist V“, S. 218. Die im Heiligen Geist gegebene PersonalitÅt als bleibendes eigenstÅndiges GegenÛber

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Wie der Heilige Geist – in VergegenwÅrtigung und Vollendung des Liebeswerkes Christi – heils×konomisch den Raum freier Gemeinschaft und Liebe er×ffnet, indem er Gott und Mensch unter Wahrung ihrer distinkten PersonalitÅt zusammenfÛhrt, so er×ffnet er auch innertrinitarisch den Raum liebender Begegnung und Einheit, indem sich in seinem Wirken die Einheit der trinitarischen Personen unter gleichzeitiger Erschließung ihrer differenten PersonalitÅt als Vollendung g×ttlicher Liebe vollzieht. Der Heilige Geist verk×rpert demnach heils×konomisch die Selbstgabe der Gabe der Charakteristika des g×ttlichen Lebens in Person (Joh 4,24: „Gott ist Geist“; I Joh 4,8.16: „Gott ist Liebe“), so daß in ihm Gott selbst als Gabe gegenwÅrtig ist, und zwar in derjenigen trinitarischen Person, die auch innertrinitarisch das „Sich-selbst-ºberschreiten“ bzw. „Aus-sich-Herausgehen“ und das „Mitdem-anderen-Einssein“ verk×rpert. Diese ZusammenhÅnge kommen auch in der biblisch-×konomisch eruierbaren Wechselwirkung des Heiligen Geistes mit den anderen trinitarischen Personen zum Ausdruck. Deshalb bestÅtigt das mit dieser Wechselwirkung hervortretende RelationsgefÛge die bereits gezogenen RÛckschlÛsse auf die immanente TrinitÅt, wÅhrend es zugleich weitere Einsichten gewÅhrt. Nachdem schon deutlich wurde, daß dem Heiligen Geist ×konomisch und immanent nicht nur eine passive Funktion zukommt, wie es einseitige Tendenzen westlicher Filioque-Tradition suggerieren, sondern daß er auch aktiv handelt, vermag eine detaillierte Wahrnehmung des biblischen Zeugnisses ferner die einlinige Determinationsabfolge „Christus – Geist“, die aus der einseitigen westlichen Konzentration auf die „Sendungs“-TrinitÅt resultiert, zu Ûberwinden – und zwar durch die Einsicht in das wechselseitige VerhÅltnis von Sohn und Heiligem Geist. Diese Wechselseitigkeit steht zugleich ostkirchlichen Tendenzen einer defizitÅren christologischen RÛckbindung der Pneumatologie entgegen.216 Den westlichen EngfÛhrungen gegenÛber bleibt festzuhalten, daß der Geist nicht nur von Christus gesandt wird (Joh 16,7), sondern daß der Vater auch in der Kraft des Heiligen Geistes an seinem Sohn handelt, so daß Christus den Geist sendet,

des Menschen erkennt E. Lessing: Art. „Geist V“, S. 224 f., deutlicher als B. Oberdorfer: Filioque, S. 587, der das Sein des Geistes „nicht in einem reinen An-sich, nicht in einem personalistisch gefaßten GegenÛberstand verstanden“ wissen will, sondern mehr als personifiziertes Medium, was dem Selbstand des Heiligen Geistes aber sowohl ×konomisch als auch immanent nicht ausreichend gerecht wird. Zur Er×rterung der GrÛnde dieses Defizits s. u., S. 539 f. – E. Lessing: Art. „Geist V“, S. 231, erinnert außerdem zu Recht daran, daß das eschatologische Einswerden mit Gott, wenn Gott „alles in allem“ sein wird (I Kor 15,28), die partizipatorischen Strukturen nicht aufhebt. Deshalb bleibt das VerhÅltnis von Gott und Mensch immer ein VerhÅltnis von „GegenÛber und NÅhe“, das die Voraussetzung einer freien Gemeinschaft der Liebe bildet. 216 S. o., S. 283 ff.

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den er selbst empfangen hat (Act 2,33). Der Heilige Geist bewirkt nÅmlich neben Christi EmpfÅngnis und Geburt bzw. Menschwerdung (Mt 1,18; Lk 1,35) Christi Offenbarung bei der Taufe (Mk 1,9–11 par.), seine ErmÅchtigung zum Wirken in der Kraft des Geistes (Lk 4,14) und seine Darbringung im Geist (Hebr 9,14). Ferner ruht der Geist vollstÅndig auf Jesus (Lk 3,22 u. 4,18; Joh 1,32 f.) und bewirkt seine Auferstehung und Erh×hung (R×m 1,4 u. 8,11), nach der wiederum Christus den Geist vom Vater her sendet (Joh 15,26), so daß der Geist auch der Geist Christi (R×m 8,9; Phil 1,19) bzw. des Sohnes (Gal 4,6) ist, woran angesichts ostkirchlicher EngfÛhrungen zu erinnern bleibt. Der Vater handelt also sowohl durch den Heiligen Geist im Sohn (Vater – Geist – Sohn) als auch durch den Sohn im Heiligen Geist (Vater – Sohn – Geist). Gleichzeitig versammelt der Heilige Geist die Menschen unter Dank, Gebet und Lobpreis durch den Sohn in die Gemeinschaft mit dem Vater, indem er den Sohn und – durch den Sohn – den Vater verherrlicht (Joh 16,14; 17,1 ff./Geist – Sohn – Vater). Aber auch der Sohn vollzieht durch den Heiligen Geist die Verherrlichung des Vaters (Joh 14,13 ff./Sohn – Geist – Vater). Aufgrund dieser Interdependenz verwundert es nicht, daß sowohl der Heilige Geist (Joh 4,24; I Kor 2) als auch Jesus Christus (Joh 14,6; Mt 11,27) als authentische Offenbarung und Erschließung Gottes des Vaters gelten. WÅhrend die jeweiligen ProprietÅten der trinitarischen Personen oben bereits aufgezeigt wurden217, lÅßt sich deren Interdependenz bzw. RelationsgefÛge biblisch-×konomisch noch genauer darstellen. So enthÅlt das Neue Testament nicht nur Hinweise auf das interpersonale GegenÛber des den Sohn liebenden Vaters (Mk 1,9–11 u. 9,7; II Petr 1,17), des zu seinem Vater betenden Sohnes (Lk 23,34.46; Mt 7,21) und des den Vater und den Sohn verherrlichenden Geistes (Joh 16,5–15), sondern auch Hinweise auf die innertrinitarischen UrsprungsverhÅltnisse und weitere innertrinitarische Existenzbeziehungen, was in der Untersuchung bereits vielfach hervortrat. Es soll hier nur auf diejenigen ZusammenhÅnge hingewiesen werden, die fÛr die Unterscheidung von innertrinitarischer Ursprungs- und Existenzebene von Belang sind.218 DiesbezÛglich zeigen die neutestamentlichen Aussagen Ûber den Geist des Sohnes und den Geist des Vaters sowohl hinsichtlich der Sendung als auch der Herkunft Unterschiede und Differenzierungen an. Denn der Sohn sendet zwar den Geist (Joh 16,7), der auch Geist des Sohnes ist (Gal 4,6), aber er sendet ihn vom Vater her (Joh 15,26), indem er den Vater bittet (Joh 14,16), weil der Geist aus dem Vater hervor217 S. o., S. 477 ff. Zu weiteren Beispielen fÛr die Wechselwirkung zwischen Sohn und Heiligem Geist s. o., S. 90 ff., und vgl. z. B. J. Moltmann: Geist, bes. S. 71 ff., oder die BeitrÅge in L. Vischer (Hg.): Geist. 218 Zu weiteren biblischen Hinweisen s. o., S. 87 ff.

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geht (Joh 15,26). Gleichzeitig sendet der Vater den Geist im Namen des Sohnes (Joh 14,26), da der Geist vom Sohn nimmt bzw. empfÅngt (Joh 16,14), der wiederum mit dem Vater „eins“ ist (Joh 10,30) und dem alles geh×rt, was der Vater hat (Joh 16,15), weil der Sohn – wesenseins mit dem Vater (Joh 1,1) – von diesem als g×ttlicher Logos bzw. als das Wort Gottes gezeugt ist (vgl. Joh 1,1 u. 16,27; Ps 2,7). Diese biblischen Aussagen geben zu erkennen, daß der Heilige Geist zwar heils×konomisch vom Vater und vom Sohn gesandt wird und so auch von beiden ausgeht, aber dabei in ein bedeutend differenzierteres RelationsgefÛge mit Vater und Sohn eingebunden ist, das differenzierte RÛckschlÛsse von den ×konomischen auf die immanenten trinitarischen Beziehungen zulÅßt. Hinsichtlich seines Ursprungs geht er nÅmlich aus dem Vater hervor, von dem er durch den Sohn gesandt wird, was einer exklusiven Filioque-Tradition (Vater und Sohn als zwei Prinzipien) widerspricht. Doch umgekehrt stehen einem einseitigen photinianisch-palamitischen VerstÅndnis vom Ausgang aus dem Vater „allein“ (monou´) die Hinweise auf die konstitutive Verbindung des Geistes mit dem Sohn entgegen. Ist der Sohn heils×konomisch an der Sendung und dem Ausgang des Geistes beteiligt, der wiederum von ihm nimmt und auf ihm ruht, so mÛssen solche Beziehungen eine innertrinitarische Grundlage haben, da sich Gott in seiner Selbsterschließung treu bleibt (II Tim 2,13) und seine heils×konomische Gegenwart hypostatische RÛckschlÛsse auf die innertrinitarischen Beziehungen erlaubt. Es kommt in diesem Zusammenhang durch die genannten biblischen Referenztexte zum Vorschein, daß es neben den innertrinitarischen Ursprungsbeziehungen vielfÅltige andere Beziehungen zwischen den trinitarischen Personen gibt, die ihre gegenseitige trinitarische Existenz betreffen, wie zum Beispiel das Ruhen des Geistes im Sohn, aus dem der Geist deshalb auch ausstrahlen bzw. in diesem Sinne ausgehen kann, und zwar auf der Existenz- und nicht auf der Ursprungsebene. Dabei sind die konstitutiven Verbindungen auf der innertrinitarischen Existenzebene durchaus in den Ursprungsbeziehungen verwurzelt. Aufgrund der heils×konomisch erkennbaren interdependenten Beziehungen zwischen Vater, Sohn und Heiligem Geist wird die Bedeutung dieser ExistenzbezÛge fÛr die in ihrem Kontext heils×konomisch angezeigten Ursprungsbeziehungen offenbar. Wie der Geist heils×konomisch vom Vater durch den Sohn gesandt wird bzw. durch den Sohn vom Vater erbeten wird, so geht er auch innertrinitarisch aus dem Vater des Sohnes – und somit durch den Sohn – hervor (zumal die Vaterschaft schon begrifflich nicht ohne den Sohn denkbar ist219), so daß der immanente Hervorgang des Geistes ebenso mit der Beziehung zwischen Vater und Sohn zu tun hat wie die heils-

219

Darauf hat bereits Athanasius hingewiesen (s. o., S. 119 f.). Zu einigen der biblischen Re-

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×konomische Sendung des Geistes. Den genannten biblischen Referenztexten entsprechend sagt sich der Vater in dem von ihm gezeugten Logos bzw. Wort selbst aus, begleitet durch die Hauchung (Atem) des Geistes, dessen Proprium in der Erschließung der Gemeinschaft liegt (vgl. II Kor 13,13 u. ×.). Aus diesen Verbindungen zwischen den trinitarischen Personen auf der Ebene der Ursprungsbeziehungen (Vater zeugt Sohn durch die Hauchung des Geistes) resultiert, daß der Geist auf der Ebene der gemeinsamen trinitarischen Existenz von Sohn und Geist – dem biblischen Zeugnis entsprechend – auf dem Sohn ruht und deshalb aus ihm ausstrahlen bzw. hervortreten kann. So vermag er die Gemeinschaft zwischen Sohn und Vater zu erschließen (RÛckwendung des Sohnes zum Vater), indem er durch sein Hervorstrahlen aus dem Sohn, das sich auf den Vater richtet, den Sohn fÛr den Vater ×ffnet. In seiner Doppelfunktion der gegenseitigen Erschließung von Vater und Sohn entspricht der Heilige Geist seiner lebendigmachenden (Joh 6,63) und offenbarenden (Joh 16,13) heils×konomischen Funktion. Denn im innertrinitarischen Ursprungsgeschehen der Zeugung ×ffnet der Geist den Vater fÛr das Leben des Sohnes bzw. fÛr Anderes seiner selbst und erschließt dem Vater so die Lebensgemeinschaft mit dem Sohn, wÅhrend der Geist umgekehrt auf der innertrinitarischen Existenzebene, auf der sich die Beziehung des Sohnes zum Vater realisiert, dem Sohn das Sein des Vaters erschließend offenbart. „Darin, daß der Geist den Vater innerg×ttlich fÛr Anderes seiner selbst, nÅmlich den Sohn, ×ffnet, ist die seinskonstituierende °ffnung fÛr nichtg×ttliches Anderes bereits angelegt. Ebenso ist in der geistgewirkten RÛckwendung des Sohnes zum Vater die °ffnung der Sch×pfung zu ihrem Sch×pfer hin vorabgebildet.“220 Der biblisch und ×konomisch wahrnehmbare Unterschied zwischen innertrinitarischer Ursprungs- und Existenzebene wirkt sich also auch auf das VerhÅltnis von Gott und Welt aus. Im Kontext dieser Interdependenz bestÅtigt sich der spezifische Charakter des Heiligen Geistes, in besonderer Weise die Gleichzeitigkeit von unverfÛgbarem GegenÛber und einwohnender NÅhe Gottes zu verk×rpern. In seinem heils×konomischen Wirken bringt gerade der Heilige Geist – im Unterschied zur Anschaulichkeit der Vater-SohnBegrifflichkeit – durch sein bildloses, unspezifisches und nicht greifbares Wesen das Geheimnis Gottes und damit dessen UnverfÛgbarkeit zum Ausdruck (II Kor 2,11), was mit der QualitÅt des offenbarenden Handelns des Geistes korreliert, in dem er immer auf die anderen trinitarischen Personen verweist oder von ihnen nimmt und sich selbst so vornehmlich indirekt erschließt (Joh 16,13 ff.). Das entspricht dem innertrinitarischen Wirken des

ferenztexte und partiell Åhnlichen Schlußfolgerungen fÛr die ×konomische und immanente TrinitÅt vgl. die BeitrÅge in L. Vischer (Hg.): Geist. 220 B. Oberdorfer: Filioque, S. 583. Vgl. ebd., S. 582.

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Geistes, durch das er Vater und Sohn in Er×ffnung der Gleichzeitigkeit ihrer Differenz und Einheit gegenseitig erschließt und sich dabei selbst als drittes Anderes dieser Einheit darstellt. So erm×glicht der Heilige Geist in der Verbindung von Selbstlosigkeit und Selbstbezogenheit immanent und ×konomisch die Interdependenz von „Bei-sich-selbst-Sein“ und „Immerschon-beim-anderen-Sein“221. Das im Zusammenwirken von Ursprungs- und Existenzebene bestehende RelationsgefÛge, das den Geist mit Vater und Sohn verbindet, ist biblisch×konomisch aber nicht nur anhand der Begleitung der Zeugung des Sohnes durch den Geist erfahrbar, sondern auch umgekehrt anhand der Begleitung des Hervorgangs des Geistes durch die Existenz des Sohnes, was schon anklang. Die biblisch zu erschließende wesenseine Gottheit der trinitarischen Personen setzt ebenso wie das graduell gleichwertige WechselverhÅltnis zwischen Sohn und Heiligem Geist die gleichursprÛngliche wechselseitige Begleitung von „Zeugung“ und „Hauchung“ voraus. Deshalb vollzieht sich der Hervorgang des Geistes aus dem Vater – trotz der im Geist geschehenden °ffnung des Vaters fÛr den Sohn – auf der Basis der Zeugung des Sohnes durch den Vater, weil der Vater ohne den Sohn nicht Vater wÅre. Vor dem Hintergrund dieser Gleichzeitigkeit von Zeugung und Hauchung, welche die jeweilige differenzierte222 Dreifachheit der trinitarischen Beziehungen beinhaltet, ereignet sich der Hervorgang des Geistes aus dem Vater unter der Gegenwart des Sohnes, in dem der Geist laut biblischem Zeugnis ruht und von welchem er ausstrahlt oder hervorleuchtet. Deshalb geht der Heilige Geist nicht nur in der Heils×konomie, sondern auch innertrinitarisch in Verbindung mit der Ursprungsebene aus dem Vater durch (dia´) den Sohn hervor, weil sich der Hervorgang des Geistes aus dem Vater – als seinem Ursprung – wegen der stÅndigen Existenzbeziehung zwischen Geist und Sohn nur durch den Sohn vollziehen kann. Von daher ist das „dia´“, das einem extremen Filioque widersteht (Vater und Sohn als zwei Prinzipien oder als das gemeinsame Prinzip des Geistes), nicht wie bei Gregor von Zypern, Palamas oder Staniloae lediglich energetisch – oft mit Reduktion auf die zeitliche Sendung – zu verstehen oder der Existenzebene zuzuordnen, auf welcher der Heilige Geist aus Vater und Sohn ausstrahlt bzw. ausgeht. Vielmehr ist das „dia´“ – als Ausdruck der Verbindung mit der Existenzebene –

221 S. o., z. B. S. 307. Vgl. ferner J.-Y. Lacoste: Theologie, S. 6; B. J. Hilberath: Pneumatologie, S. 533 f.; B. Oberdorfer: Filioque, S. 582 u. 585; W. Kasper: Gott, S. 273 f.; J. Ratzinger: Geist, S. 223; H. Aldenhoven: Zusammenhang, S. 137. 222 Es kommt darauf an, daß bei der Wahrnehmung der jeweils dreifach geprÅgten wechselseitigen trinitarischen Selbstunterscheidung die Dimension des Unterschieds von Ursprungsund Existenzebene mit ihren differenzierten Konsequenzen ernst genommen wird, da ansonsten Nivellierungen wie bei W. Pannenberg (vgl. Anm. 212, II. Kap.) auftreten k×nnen. Dazu wird im folgenden noch detaillierter Stellung genommen.

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an die Ursprungsebene angebunden, da es die Differenz und den Zusammenhang zwischen der Beziehung des Geistes zum Vater als Ursprung (Prinzip) und der damit verbundenen Beziehung zum Sohn auf der Existenzebene anzeigt.223 So steht das „dia´“ fÛr das gleichursprÛngliche Zusammenspiel von innertrinitarischer Ursprungs- und Existenzebene, das der wechselseitigen Begleitung von „Zeugung“ und „Hauchung“ innewohnt und eine gleichursprÛngliche trinitarische Perichorese mit personalen Spezifika erkennen lÅßt. Denn den bisherigen biblisch-×konomischen Einsichten entsprechend ist jede trinitarische Person unter Beibehaltung ihres hypostatisch-personalen Selbstandes ganz in jeder anderen, wobei diese gegenseitige – mehr interpersonale – Durchdringung (pericw´rvsiß/circumincessio) zugleich die – mehr intrapersonale – wesenseine Einheit des Ineinanderseins (circuminsessio) bzw. des Einsseins beinhaltet (Joh 10,30; 14,9 ff.; 17,21). Dabei wird die Einheit der drei hypostatischen Spezifika der Ursprungsbeziehungen wiederum gerade durch das gleichursprÛngliche wechselseitige RelationsgefÛge auf der Existenzebene garantiert. So ist man aufgrund des biblisch-×konomischen Zeugnisses mit dem paradoxalen Geheimnis der innerg×ttlichen Gleichzeitigkeit von intra- und interpersonaler Dimension konfrontiert, die sich aus der Interdependenz von Ursprungs- und Existenzebene ergibt und nach der Gott als intrapersonale Wesenseinheit der interpersonalen Relationen dreier Personen in sich selbst alles in allem ist und so die vollkommene Gemeinschaft bzw. das vollkommene Leben der Liebe verk×rpert (I Joh 4,8.16). Das innerg×ttliche Sein der Liebe verlangt in seiner Form der gegenseitigen perichoretischen Durchdringung sowohl den personalen Selbstand der trinitarischen Personen als auch die zu diesem Sein geh×rende relationale Gegenseitigkeit, und zwar als wesenseine perichoretische Einheit des einen g×ttlichen Seins. Selbstand, Relation und Wesenseinheit bilden also die Voraussetzung224 fÛr die perichoretische Gleichzeitigkeit von intra- und interpersonaler Dimension bzw. fÛr die innerg×ttliche Einheit in Vielfalt, in der das gesamte g×ttliche Wesen sowohl jeweils jeder trinitarischen Person als auch dem dreieinigen Gott zukommt. Weil drei Hypostasen existieren, die nicht ein Wesen haben, sondern ein Wesen sind, gibt es unter der gezeigten Interdependenz von Selbstand und Relation weder eine Trennung ihres Einsseins noch eine Vermischung ihrer partikular-hypostatischen EigentÛmlichkeiten. Die Unterscheidung von Ursprungs- und Existenzebene gewÅhrleistet die Erkenntnis der Interdependenz von Selbstand und Relation

223

S. o., S. 166 ff. u. 316, und siehe Anm. 249, VI. Kap. Welche Defizite sich durch die Mißachtung einer dieser drei Aspekte ergeben, hat die Untersuchung vielfach erwiesen, auch hinsichtlich der ekklesiologischen Konsequenzen. Letztere werden im nÅchsten Abschnitt (Kap. VI,1.4) noch einmal beleuchtet. 224

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sowie der entsprechenden perichoretischen Gleichzeitigkeit von intra- und interpersonaler Dimension, indem sie aufdeckt, wie die in ihren Ursprungsbeziehungen gekennzeichneten trinitarischen Personen darÛber hinaus durch ihre ewigen Existenzbeziehungen verbunden und geprÅgt sind. Auf diese Weise entsteht ein Zusammenhang zwischen den – im jeweils spezifischen UrsprungsverhÅltnis bestehenden – EigentÛmlichkeiten der trinitarischen Personen und ihrem Selbstand, was aber keine pauschale Gleichsetzung von Ursprungsbeziehungen und Selbstand erlaubt, weil die Ursprungsbeziehungen selbst schon Beziehung bzw. RelationalitÅt enthalten und im Kontext der ewigen innertrinitarischen Existenzbeziehungen stehen, die den Charakter der trinitarischen Personen Ûber die Ursprungskonstitution hinaus ebenfalls bestimmen. So sind Selbstand und Relation einerseits nicht zu trennen, andererseits aber zu unterscheiden, insofern als die trinitarischen Personen im Rahmen ihres essentiellen BeziehungsgefÛges ihre EigentÛmlichkeiten behalten, auch wenn diese wiederum in der Interdependenz von Selbstlosigkeit und Selbstbezogenheit auf ihre jeweils eigene Art perichoretisch-relationale PrÅgung aufweisen. Deshalb ist sowohl die Unterscheidung als auch der Zusammenhang von Ursprungs- und Existenzebene zu wahren. Zum Beispiel stellt der Vater zwar den ursprungslosen Ursprung des Sohnes dar (Ursprungsebene: der Vater als Quelle), aber sein gesamtes Personsein definiert sich aufgrund der Vaterschaft erst vollends durch die mit dem Wirken des Heiligen Geistes verbundene Beziehung zum Sohn, die sich in gleichursprÛnglicher Perichorese auch auf der Existenzebene vollzieht. Das personal-hypostatische Spezifikum des Vaters als Quelle (Monarchie des Vaters) bleibt so einerseits bestehen, bedeutet aber wegen der gleichursprÛnglichen Perichorese keine ºberoder Unterordnung. Nicht anders verhÅlt es sich mit den Spezifika von Sohn und Heiligem Geist im Kontext der gleichursprÛnglichen Perichorese, so daß die jeweilige spezifische PersonalitÅt der trinitarischen Personen mit ihren Proprien ebensowenig ausgeblendet wird wie deren wesenseine GleichursprÛnglichkeit und Gleichrangigkeit.225 Daher ist gegenÛber der ×stlichen Tendenz einer Reduktion auf die Ursprungsbeziehungen mit ihren patromonistischen und pneumatozentrischen Gefahren die GleichursprÛnglichkeit der Perichorese zu betonen, wÅhrend gegenÛber der westlichen Tendenz einer Egalisierung aller Relationen mit ihrer einseitigen Konzentration auf die Wesenseinheit die hypostatischen Spezifika der Perichorese hervorzuheben bleiben. Wie die biblisch-×konomisch erkennbare gleichursprÛngliche Perichorese mit ihrer Wahrung der personalen Spezifika angesichts des ana-

225 S. o., z. B. S. 105 f. (Tertullian), 133 ff. (Kappadozier), 141 ff. (Augustin/Alte Kirche allgemein), 286 f., 341 ff., 357, 451 f. Vgl. zum Begriff der Perichorese auch W. Kasper: Gott, S. 345 f.; W. Breuning: Art. „TrinitÅtslehre“, S. 522, und B. J. Hilberath: Pneumatologie, S. 534.

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logen Zusammenhangs von Gottes- und KirchenverstÅndnis sowohl einseitig egalitÅre als auch einseitig hierarchische ekklesiologische AnsÅtze zu verhindern vermag, wird im nÅchsten Abschnitt analysiert (Kap. VI,1.4). Vor dem Hintergrund des differenzierten Zusammenspiels von Ursprungs- und Existenzebene erscheint weder eine totale Identifizierung von hypostatischer PersonalitÅt und RelationalitÅt als angemessen, weil sie den Unterschied zwischen Ursprungs- und Existenzebene nivelliert und alle Relationen als Ursprungsrelationen auffaßt (westkirchliche Gefahr, Erm×glichung des extremen Filioque), noch wird eine einseitige Betonung der partikularen hypostatischen PersonalitÅt diesem Zusammenhang gerecht, weil sie die Existenzbeziehungen ausblendet und somit die Ursprungsbeziehungen verabsolutiert (ostkirchliche Gefahr, patromonistische und pneumatomonistische Tendenzen). Gleiches gilt fÛr die damit zumeist korrelierenden intra- oder interpersonalen VerkÛrzungen, die unter Mißachtung der Gleichzeitigkeit von intra- und interpersonaler Dimension Gottes die innertrinitarische Koinonia auf eine der beiden Dimensionen reduzieren und auf diese Weise einseitige Identifikationen zwischen g×ttlichen und anthropologischen oder ekklesiologischen Strukturen erm×glichen, wie es in der vorliegenden Untersuchung vielfach nachgewiesen werden konnte. Diesen biblisch-×konomisch eruierten Einsichten in die differenzierten ZusammenhÅnge zwischen den trinitarischen Personen korrespondiert grundsÅtzlich die neunizÅnische TrinitÅtslehre, die sich unter dem hermeneutischen Vorzeichen der ×konomischen Energienlehre sowie in biblisch-×konomischer Orientierung auf KirchenvÅter wie Tertullian und Athanasius stÛtzen konnte und sich zu einem betrÅchtlichen Teil bei Augustin wiederfindet. Die Gleichzeitigkeit von intra- und interpersonaler Dimension und die Verbindung von „Selbstsein“ und „Sein in Beziehung“ (Selbstand in Relation) finden sich ebenso wie die Unterscheidung von Ursprung und Ausgang des Geistes sowie die damit einhergehende Vorstellung vom Hervorgang des Geistes durch (per) den Sohn bereits bei Tertullian, dem Vordenker der abendlÅndischen TrinitÅtslehre, der so in biblischer und heils×konomischer Orientierung Einsichten der neunizÅnischen TrinitÅtslehre vorwegnahm. Dadurch legte er den Grundstein fÛr deren spÅtere Rezeption im Westen.226 Im Schnittpunkt zwischen ×stlicher und westlicher Theologie gelangte Athanasius mit seiner biblisch-×konomischen Hermeneutik inhaltlich zur Unterscheidung zwischen innertrinitarischen Ursprungsbeziehungen und ewigen Existenzbeziehungen, da er einerseits aufgrund des UrsprungsverhÅltnisses vom Hervorgang (e™kpo´reusiß) des Geistes aus dem Vater sprechen konnte und andererseits aufgrund der ewigen Ausstrahlung des Geistes vom Sohn (Existenzebene) den Ausgang des Geistes von Vater und Sohn (rpoi¨e´nai) sah.227

226 S. o., S. 103 ff. Im Zusammenhang mit Tertullians Entwurf ist auch Tertullians wegweisende Formel „una substantia – tres personae“ zu nennen.

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In der kappadozischen TrinitÅtslehre erfahren diese Entwicklungen eine weitere Vertiefung und gelangen damit zu einer ost-westkirchlichen Synthese, die auf der konsequenten Wahrnehmung der Implikationen der ×konomischen Energienlehre sowie einer biblisch und ×konomisch ausgerichteten Hermeneutik beruht. Die kappadozische Formel mı´a ou™sı´a – treı˜ß ušposta´seiß steht fÛr eine differenzierte gleichursprÛngliche Perichorese, welche die hypostatischen Spezifika der trinitarischen Personen nicht vernachlÅssigt. So begrÛndet Basilius die trinitarische Einheit sowohl durch die Monarchie des Vaters (als Ursprung) als auch durch das Neben- und Ineinander aller drei monacw˜ß, und zwar unter Beachtung der Wesenseinheit und des WechselverhÅltnisses zwischen den trinitarischen Personen, besonders zwischen Sohn und Heiligem Geist (u. a. gegenseitige Begleitung von Zeugung und Hauchung). Die somit existierende wesenseine Interdependenz von Selbstand und Relation mit ihrer Gleichzeitigkeit von intra- und interpersonaler Dimension er×ffnet sich den Kappadoziern durch ihre inhaltliche Unterscheidung zwischen Ursprungsbeziehungen und ewigen hypostatischen Existenzbeziehungen, die wiederum auf ihrer ×konomischen Energienlehre beruht. Denn diese lÅßt die neben den Ursprungsbeziehungen existierenden innertrinitarischen Manifestationen als hypostatische ewige Existenzbeziehungen erkennen. Das erm×glicht den Kappadoziern die Unterscheidung zwischen dem Hervorgang (e™kpo´reusiß) des Geistes aus dem Vater (Ursprungsebene) und dem – in der konsubstantiellen Perichorese verankerten – Ausgang (rpoi¨e´nai) des Geistes von Vater und Sohn (Existenzebene: Ruhen des Geistes im Sohn/Hervorleuchten). Deshalb k×nnen sie auf einen hypostatisch relevanten Hervorgang des Geistes aus dem Vater durch (dia´) den Sohn schließen. Es ist „der Scharfsinn des Gregor von Nyssa, der sich weigert, jeden Gedanken an eine KausalitÅt der Vermittlung des Sohnes beim Ausgehen [gemeint: Hervorgang] des Geistes v×llig auszuschließen“228, wobei KausalitÅt nach Gregors eigenem Vernehmen hier nicht im Sinne von PrinzipialitÅt zu verstehen ist: „Wie der Sohn mit dem Vater verbunden ist und von Ihm [sic] sein Wesen empfÅngt, ohne in seiner Existenz spÅter zu sein als er, so empfÅngt der Heilige Geist sich seinerseits vom Sohn, der vor der Hypostase des Geistes betrachtet wird einzig und allein hinsichtlich der KausalitÅt, ohne daß es fÛr Zeitintervalle in diesem ewigen Leben Raum gÅbe. Sieht man also von dem Gedanken der KausalitÅt ab, so weist die Heilige Dreifaltigkeit in sich selbst keinerlei Unterschied auf“229.

In dem skizzierten kappadozischen Ansatz einer innertrinitarischen Perichorese mit der Gleichzeitigkeit von intra- und interpersonaler Dimension erkennen die Kappadozier das paradoxale g×ttliche Geheimnis, das weder eine Trennung der Einheit der trinitarischen Personen noch eine Vermischung ihrer partikularen hypostatischen PersonalitÅt erlaubt (a™su´gcutoß e¾nwsiß:

227 S. o., S. 120 f. u. 123. Durch die Vermittlung von Ein- und Drei-Hypostasen-Lehre im Tomus ad Antiochenos (362) hatte Athanasius maßgeblich Anteil an der Vorbereitung der kappadozischen Formel mı´a ou™sı´a – treı˜ß ušposta´seiß (s. o., S. 125 f.). 228 J.-M. Garrigues: Standpunkt, S. 127, der terminologisch uneinheitlich zwischen Ausgang und Hervorgang des Geistes differenziert (siehe Anm. 280, VI. Kap.). 229 PG 45,464.

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„unzusammengeschÛttete Einheit“). Ferner spiegelt sich die innertrinitarische Koinonia, die in der gleichursprÛnglichen Perichorese mit ihrer Beachtung der hypostatisch-personalen Spezifika besteht, in der kappadozischen Koinonia-Ekklesiologie wider, welche die Interdependenz zwischen Ortsund Gesamtkirche sowie zwischen ordiniertem Amt und Priestertum aller Glaubenden wahrt.230 Aus der trinitÅtstheologisch und ekklesiologisch bedeutsamen kappadozischen Unterscheidung zwischen den trinitarischen Beziehungen auf der Ebene ihres innerg×ttlichen Ursprungs und auf der Ebene weiterer ewiger Beziehungen innertrinitarischer Existenz lÅßt sich die vom Verfasser terminologisch neu eingefÛhrte Unterscheidung zwischen „Ursprungsbeziehungen (Ursprungsebene)“ und „Existenzbeziehungen (Existenzebene)“ ableiten. Sie erm×glicht zum einen die Wahrnehmung der differenzierten perichoretischen ZusammenhÅnge mit ihrem adÅquaten VerhÅltnis von Christologie und Pneumatologie, wÅhrend sie zum anderen den Versuch beinhaltet, Einseitigkeiten oder Defizite bisheriger terminologischer Kennzeichnungen dieser Unterscheidung zu minimieren.231 So tritt in JÛrgen Moltmanns Unterscheidung zwischen „Konstitutions- und Relationsebene“ nicht deutlich genug hervor, daß auch die konstitutiven Ursprungsbeziehungen ein UrsprungsverhÅltnis (Beziehung, Relation) der entsprechenden trinitarischen Personen beinhalten, wÅhrend die Ûbrigen perichoretischen Relationen auf ihre Weise ebenfalls konstitutiv fÛr das trinitarische Wesen sind.232 Entsprechend erweist sich die mit Moltmanns terminologischer Unterscheidung einhergehende Distinktion zwischen der Erlangung der hypostatischen Gottheit und Existenz (ontologischer Begriff) auf der Ursprungsebene und der Erlangung der personalen Gestalt (Åsthetischer Begriff) auf der Relationsebene als defizitÅr, denn der Personcharakter kann nicht von der Existenz getrennt werden.233 Eine solche Trennung zwischen der Entstehung hypostatischen Seins des Geistes aus dem Vater auf der Ursprungsebene und personaler Existenz aus Vater und Sohn auf der – als hypostatisch nicht konstitutiv betrachteten – perichoretischen Relationsebene wÛrde nÅmlich „einer in-

230 Zu den genannten Merkmalen der kappadozischen TrinitÅtslehre und ihren ekklesiologischen Implikationen siehe Kap. II,3. 231 Zur EinfÛhrung dieser Terminologie durch den Verfasser s. o., S. 120 u. 135. – Es sei daran erinnert, daß auch diese Ableitung aus der neunizÅnischen TrinitÅtslehre – wie die Ûbrigen abgeleiteten Differenzierungen – eine breite ×kumenische Basis besitzt, die nicht nur in der von ost- und westkirchlicher °kumene geprÅgten Entstehungsgeschichte der neunizÅnischen Theologie besteht, sondern auch in deren verbindlicher Manifestation im Bekenntnis von NizÅa-Konstantinopel (381) und in der zunÅchst erfolgten ×kumenischen Rezeption in Ost und West (siehe Kap. II,4). 232 Vgl. J. Moltmann: TrinitÅt, S. 189 ff. – Eine Åhnliche Kritik an dieser Terminologie findet sich bei W. Pannenberg: Theologie I, S. 353, der aber umgekehrt zu einer Nivellierung der beiden Ebenen neigt, worauf im folgenden noch eingegangen wird. 233 Vgl. J. Moltmann: VorschlÅge, S. 148 f., und die gleichlautende Kritik von D. Staniloae: Ausgang, S. 161.

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haltlichen Entleerung des SeinsbegrÛndungsgedankens“234 gleichkommen. Moltmanns Trennung zwischen hypostatischer Ebene und Gestaltebene wurde wohl nicht zuletzt durch seinen RÛckgriff auf nachnizÅnisch-ostkirchliche trinitÅtstheologische AnsÅtze verursacht, die innertrinitarische Manifestationen rein energetisch qualifizierten.235 Die explizite terminologische Unterscheidung zwischen „Ursprungsbeziehungen“ und „Existenzbeziehungen“ gibt Moltmann gegenÛber sowohl die relationale QualitÅt der Ursprungsebene als auch die konstitutive Bedeutung der Ûbrigen perichoretischen Relationen fÛr die Existenz der trinitarischen Personen zu erkennen. Auch wo Moltmann spÅter eine Åhnliche terminologische Begrifflichkeit verwendet, bleibt er inhaltlich bei der Trennung zwischen konstitutivem Ursprung der hypostatischen Gottheit und perichoretisch-reziprokem Empfang personaler Gestalt, wobei er noch eine linear-zeitliche Trennung hinzufÛgt, indem er die Ursprungsebene dem heilsgeschichtlichen Ursprung zuordnet und die perichoretische Gleichzeitigkeit der eschatologischen Vollendung.236 Dadurch hebt er die in Gottes Wesen bestehende Interdependenz und Gleichzeitigkeit dieser Dimensionen in doppelter Hinsicht auf (ontologisch und temporal), was seiner einseitigen Reduktion des g×ttlichen Seins auf die interpersonale Dimension und der Ausblendung der Wesenseinheit (Homousios) korrespondiert.237 DemgegenÛber offenbaren der Unterschied und der Zusammenhang von „Ursprungs- und Existenzbeziehungen“ durch die implizierte perichoretische Interdependenz von UrsprungsrelationalitÅt und gegenseitigen Existenzbeziehungen sowohl die Gleichzeitigkeit von intra- und interpersonaler Dimension als auch deren Wesenseinheit.238 Dieses komplexe Zusammenspiel verbietet außerdem die Gleichsetzung von Ursprungsbeziehungen und intrapersonaler Dimension sowie von ewigen trinitarischen Existenzbeziehungen und interpersonaler Dimension, denn erst die adÅquate interdependente Zuordnung von Ursprungs- und Existenzebene entscheidet darÛber, ob einseitige intra- oder interpersonale Reduktionen Ûberwunden werden. Beispielsweise ruft die in den Ostkirchen zu beobachtende Reduktion auf die Ursprungsbeziehungen eine Konzentration auf die personale Dreiheit und die soziale Analogie (interpersonal) hervor, weil das Einheitsgeflecht der vielfÅltigen Existenzbeziehungen, das

234

B. Oberdorfer: Filioque, S. 590. Vgl. J. Moltmann: VorschlÅge, S. 148. 236 Vgl. ders: Geist, S. 321 ff. – Auch H. Aldenhoven: Zusammenhang, S. 141 f., zeigt trotz guter terminologischer AnsÅtze die Tendenz, die Ursprungsbeziehungen allein als Grundbeziehungen zu bezeichnen und deshalb allein ihnen den Anschein konstitutiver QualitÅt zu geben. Doch gleichzeitig warnt er vor einer pauschalen Identifizierung von trinitarischer Person und Ursprungsbeziehung. 237 Zur Auseinandersetzung mit der terminologischen und inhaltlichen Unterscheidung Moltmanns insgesamt s. o., S. 283 f., 291, 341 ff. Vgl. ferner Anm. 212, II. Kap. 238 B. J. Hilberath warnt vor der Verabsolutierung des konstitutiven Charakters der Ursprungsbeziehungen und mahnt, sowohl das intrapersonale Modell der innerg×ttlichen Seinsentfaltung (psychologische Analogie) als auch das interpersonale Modell mit seiner wechselund gegenseitigen RelationalitÅt der trinitarischen Personen zu beachten. Er fordert allerdings den hermeneutischen Einsatz beim interpersonalen Modell, in welches der intrapersonale Aspekt zu integrieren sei. Das wird jedoch der Gleichzeitigkeit von intra- und interpersonaler Dimension nicht gerecht. Vgl. B. J. Hilberath: Pneumatologie, S. 532 ff. u. 542. 235

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auf die intrapersonale Wesenseinheit hinzuweisen vermag, ausgeblendet wird. Die im Westen vorkommende Nivellierung aller Relationen zu Ursprungsbeziehungen fÛhrt wiederum zu einer undifferenzierten intrapersonalen Wesenseinheit (psychologische Analogie), in der erst die Beachtung der Spezifika der eigentlichen Ursprungsbeziehungen eine distinkte PersonalitÅt im Kontext weiterer gegenseitiger Beziehungen erkennen ließe, und zwar als Voraussetzung interpersonaler Relationen. Andererseits wÛrden egalitÅre und polyzentrische interpersonale AnsÅtze wie der von Miroslav Volf, die nur die wechselseitigen interaktiven Relationen sehen und damit die intrapersonale Wesenseinheit Ûbersehen, durch die Wahrnehmung der hypostatischen Spezifika der Ursprungsbeziehungen auch die – intrapersonal im Vater verwurzelte – Wesenseinheit erkennen, die in Interdependenz mit den gleichursprÛnglichen Wechselbeziehungen steht. Das kommt jedoch bei Volf nicht zur Geltung, weil er im RÛckgriff auf die Terminologie seines Lehrers Moltmann („Konstitutions- und Relationsebene“) eine zu starke Trennung von Konstitution und Relation vornimmt und so die hypostatischen personalen Spezifika der Konstitutionsebene (Ursprungsebene) einer egalitÅren Symmetrie auf der Relationsebene unterordnen kann, was nicht zuletzt auf der ºberlagerung biblischer und ×konomischer Einsichten durch sozialphilosophische und ekklesiologische PrÅmissen beruht.239 So zeigen die komplexen perichoretischen ZusammenhÅnge zwischen Ursprungsund Existenzebene und intra- und interpersonaler Dimension sowie ihre Implikationen fÛr das VerhÅltnis von Selbstand und Relation, daß nur die Wahrnehmung der BIBLISCH-×konomischen Vorgaben zur hermeneutischen °ffnung fÛr die Gleichzeitigkeit von intra- und interpersonaler Dimension in Gott fÛhrt, die in ihrer tiefsten BegrÛndung ein paradoxales Geheimnis bleibt (mysterium trinitatis). Auch die terminologische und inhaltliche L×sung Wolfhart Pannenbergs nimmt die KomplexitÅt des innertrinitarischen RelationsgefÛges nicht deutlich genug zur Kenntnis. WÅhrend Pannenberg einerseits Moltmann gegenÛber zu Recht darauf hinweist, daß auch die Konstitutionsebene (Ursprungsebene) relationale QualitÅt besitzt, nivelliert er andererseits den fÛr eine angemessene trinitarische Perichorese grundlegenden Unterschied zwischen Ursprungs- und Existenzebene durch die Rede von der Vielfalt wechselseitiger, je dreistelliger Formen der Selbstunterscheidung als maßgeblicher Grundlage der innertrinitarischen Seinskonstitution. Im Kontext der Vielfalt dieses Netzes allgemeiner RelationalitÅt tritt aber – trotz der Beachtung der Monarchie des Vaters – nicht nur das jeweilige Spezifikum von Ursprungs- und Existenzbeziehungen in den Hintergrund, sondern es kommt sogar zur gleichwertigen Einbeziehung der geschichtlichen Relationen. Das geht mit der Verquickung von ×konomischer und immanenter TrinitÅt einher (fehlende distinctio), insofern als Pannenberg in die wechselseitige innertrinitarische Selbstunterscheidung die geschichtliche Realisierung der Gottesherrschaft als konstitutive – das g×ttliche Wesen betreffende – Leistung des Sohnes fÛr den Vater einbezieht. So wird Gottes innertrinitarisches Wesen mittelbar auch aufgrund der mangelnden Unterscheidung zwischen Ursprungs- und Existenzebene von der Weltgeschichte abhÅngig, wodurch das freie GegenÛber der Gnade Gottes als Selbsthingabe pro nobis von der Vorstellung einer heilsgeschichtlichen Selbstvollendung Gottes absorbiert erscheint. Gott tritt nicht

239

S. o., S. 416 ff.

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deutlich genug als intrapersonales GegenÛber hervor, weil Pannenberg Gottes Sein wegen der wechselseitigen relationalen Vielfalt mehr interpersonal definiert. Durch die erkennbare Nivellierung von Ursprungs- und Existenzebene bleibt auch Pannenberg insgesamt der westlichen Tendenz verhaftet, auf der Basis einer zu pauschalen Identifizierung von ×konomischer und immanenter TrinitÅt alle erkennbaren BeziehungsverhÅltnisse als gleichwertig zu betrachten.240 Solche Grundstrukturen bieten wiederum kaum Schutz vor der westlichen Tendenz, jeder Relation Ursprungs-„QualitÅt“ zuzusprechen, woraus das extreme Filioque (zwei Prinzipien) resultierte. Ebensowenig kann auf diese Weise wirksam trinitÅtstheologischen Konzeptionen begegnet werden, welche die Dreiheit in die Einheit totaler RelationalitÅt aufl×sen, wie es zum Beispiel bei Joseph Ratzinger der Fall ist. Indem Ratzinger die Prozessionen (Ursprungsebene) in reine RelationalitÅt aufl×st und die Differenzierung zwischen Ursprungs- und Existenzebene einebnet, lÅßt er die trinitarischen Personen in ihrer RelativitÅt und AktivitÅt sowie einer entsprechend intrapersonalen Substanzeinheit aufgehen, weil er ihren personalen Selbstand aufl×st. Die Dimension des personalen Geheimnisses geht dabei ebenso verloren wie die der wechselseitigen perichoretischen Durchdringung oder der Liebe, denn diese Dimensionen sind auf freie Gegenseitigkeit angewiesen. Eine Unterscheidung zwischen „Ursprungs- und Existenzbeziehungen“ hÅtte im Kontext perichoretischer RelationalitÅt die hypostatischen Spezifika des personalen Selbstandes auf der Ursprungsebene zum Ausdruck bringen k×nnen und damit die gezeigten Defizite verhindert.241 Auch die an sich differenzierte Unterscheidung der innertrinitarischen Beziehungsebenen durch Bernd Oberdorfer weist terminologisch und inhaltlich noch eine zu geringe BerÛcksichtigung der hypostatischen Spezifika auf der Ursprungsebene und ihres Unterschieds zu den anderen Relationen auf, weil Oberdorfer Pannenbergs Konzept vielfÅltiger wechselseitiger Relationen nahesteht. So sieht er die trinitarischen Personen auch in einseitig interpersonaler Orientierung durch jeweils dreistellige Relationen konstituiert, und zwar durch gegenseitige Erschließungsakte. Deshalb kann er die g×ttliche Einheit als relational erschlossene Gemeinsamkeit bezeichnen, wodurch die Dimension der intrapersonalen Wesenseinheit zurÛcktritt. Oberdorfers terminologische Unterscheidung zwischen „SeinsbegrÛndung und Seinserschließung“ lÅßt die eigenstÅndige Bedeutsamkeit der hypostatisch-personalen Spezifika der Ursprungsbeziehungen und deren Gewicht fÛr den Selbstand der trinitarischen Personen nicht klar zur Geltung kommen. Denn indem Oberdorfer auch die SeinsbegrÛndung als distinkte Bezeichnung fÛr die vom Vater ausgehende Erschließungsbewegung in den – somit fÛr alle Relationen geltenden – Oberbegriff der Seinserschließung einordnet, nimmt er eine Nivellierung des Unterschieds von „Ursprungs- und Existenzebene“ vor. Die damit einhergehende VernachlÅssigung der durch die Ursprungsbeziehungen wahrnehmbaren Dimension des personalen Selbstandes tritt besonders im Blick auf den Heiligen Geist hervor. Da Oberdorfer den

240 Zur kritischen Auseinandersetzung mit Pannenbergs terminologischer und inhaltlicher Kennzeichnung s. o., z. B. S. 342, und siehe Anm. 212, II. Kap., u. Anm. 23, V. Kap. Vgl. ferner B. Oberdorfer: Filioque, S. 575 f., 580, 590. 241 Zu Ratzingers Defiziten s. o., S. 341 ff.

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Geist vornehmlich durch unterschiedliche Erschließungsrelationen definiert, die den Geist in seinem anonymen und auf Andere verweisenden Wesen charakterisieren, gelangt er zu dem Postulat, der Geist sei – als Person anderer KategorialitÅt – nicht im selben Sinne Person wie Vater und Sohn, weil er mehr ein Medium als ein reines Ansich-Sein verk×rpere. Dieses Postulat enthÅlt – trotz Oberdorfers differenzierter Darstellung und Betonung der aktiven Funktionen des Geistes – die Gefahr eines subordinatianistischen Anklangs, die bei stÅrkerer Beachtung der hypostatischen Spezifika der Ursprungsbeziehungen mit ihren jeweils eigentÛmlichen Aspekten personalen Selbstandes nicht gegeben wÅre, da der personale Selbstand des Geistes dann wie bei Vater und Sohn zum Tragen kÅme, unbeschadet seines anonymen und verweisenden Charakters.242

Die terminologische Unterscheidung von „Ursprungs- und Existenzebene“ impliziert im Unterschied zu den gezeigten terminologischen Einseitigkeiten und Defiziten sowohl die angemessene Wahrnehmung der personalen hypostatischen Spezifika innerhalb der – ebenfalls maßgeblichen – gleichursprÛnglichen Perichorese als auch die Gleichzeitigkeit von intra- und interpersonaler Dimension, wodurch ein adÅquates VerhÅltnis von Selbstand und Relation gewÅhrleistet wird. Die gebÛhrende BerÛcksichtigung der Ursprungsbeziehungen vermag beispielsweise zu einheitliche, egalitÅre und nivellierende Konzeptionen zu verhindern, wÅhrend die ernsthafte Beachtung der Existenzbeziehungen in ihrer Bedeutung fÛr die gleichursprÛngliche Perichorese etwa patromonistischen, christomonistischen und pneumatomonistischen EntwÛrfen sowie jeglichen subordinatianistischen Tendenzen entgegensteht. Der Zusammenhang von Ursprungs- und Existenzebene wiederum erm×glicht die ºberwindung der zumeist einseitig intra- oder interpersonalen PrÅgung solcher Konzeptionen. Mit der terminologischen Spezifizierung „Ursprungs- und Existenzbeziehungen“ kann deshalb den einseitigen Weiterentwicklungen begegnet werden, die sich in Ost und West von der gemeinsamen neunizÅnischen Basis entfernten und bis heute nachwirken.243 Von daher bieten die Implikationen dieser Spezifizierung – unter BerÛcksichtigung der Implikationen der ×konomischen Energienlehre – auch einen L°SUNGSANSATZ FºR DAS FILIOQUE-PROBLEM, was sich bereits mehrfach andeutete. Die Hoffnung auf die M×glichkeit einer wachsenden Konvergenz hinsichtlich des Filioque-Problems liegt zunÅchst in der oben dargelegten Beobachtung begrÛndet, daß sich westliche AnsÅtze fÛr die apophatische Tiefe der trinitarischen Relationen ×ffneten und ×stliche AnsÅtze fÛr die hypostatisch-revelatorische Dimension der Heils×konomie, wodurch die vielschichtigen christologisch-pneumatologischen Wechselbeziehungen zum Teil schon deutlicher wahrgenommen wurden. Zudem sind in allen Konfessionen inhaltliche oder terminologische AnsÅtze einer Differenzierung zwi242 243

Vgl. insgesamt B. Oberdorfer: Filioque, S. 581–593. Zu der einseitigen theologischen Weiterentwicklung siehe Kap. III,1.

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schen innertrinitarischen Ursprungsbeziehungen und den Ûbrigen Beziehungen auf der Ebene innertrinitarischer Existenz vorhanden, die auch Eingang in – noch zu zeigende – ×kumenische Dialogergebnisse zum Filioque fanden. Als besonders verheißungsvoll erscheint es, daß diese Differenzierung die gemeinsame Basis der neunizÅnischen TrinitÅtslehre in Anspruch nehmen darf. Die vom Verfasser vollzogenen inhaltlichen und terminologischen Spezifizierungen hinsichtlich dieser VerhÅltnisbestimmung („Ursprungs- und Existenzbeziehungen“) und hinsichtlich der Energienlehre („×konomisch“ und „spekulativ“), die auf der Grundlage der biblisch-×konomischen Hermeneutik und der Implikationen der neunizÅnischen Energienlehre erfolgten, versuchen der in ost-westkirchlicher °kumene entstandenen schriftgemÅßen neunizÅnischen Konzeption gerecht zu werden. Von daher k×nnten sie vor dem Hintergrund der ansatzweise schon erreichten AnnÅherungen als Hilfe fÛr die angestrebte Konvergenz in bezug auf das Filioque-Problem dienen, das wegen der noch bestehenden Defizite bisheriger AnnÅherungen nach wie vor nicht Ûberwunden ist. Der ×kumenische Bedarf der neuen Spezifizierungen und Differenzierungen ergibt sich umso mehr, als zeitgen×ssische ×kumenische Dialoge zur L×sung des Filioque-Problems die KlÅrung des VerhÅltnisses zwischen Ursprungsbeziehungen und anderen innertrinitarischen Relationen verlangen und die Beachtung des in der vorliegenden Untersuchung berÛcksichtigten hermeneutischen, soteriologischen und ekklesiologischen Kontextes anmahnen, und zwar besonders die Beachtung des VerhÅltnisses von ×konomischer und immanenter TrinitÅt und der damit verbundenen Auseinandersetzung mit der Energienlehre.244 Nachdem die maßgeblichen Entwicklungen der Geschichte des FilioqueProblems in ihrem theologischen, kulturellen und kirchenpolitischen Kontext bereits in der Untersuchung dargelegt wurden245, sollen hier nur noch einmal diejenigen Aspekte beleuchtet werden, die fÛr das weitere VerstÅndnis des L×sungsansatzes von Belang sind. Daß die ost-westkirchliche Synthese, welche die neunizÅnische Theologie in hermeneutischer, trinitÅtstheologischer und ekklesiologischer Hinsicht verk×rpert, auch die Grundlage fÛr die ºberwindung des Filioque-Problems bzw. der in West- und Ostkirche entstandenen Einseitigkeiten und Extreme bietet (prinzipieller Hervorgang von Vater und Sohn, isolierter Hervorgang vom Vater allein), wurde bereits ersichtlich. Weil die Kappadozier mit ihrer „×konomischen“ Energienlehre sowohl die apophatische Tiefe als auch die 244 Vgl. z. B. hinsichtlich des bilateralen evangelisch-katholischen Dialogs K. Lehmann/W. Pannenberg (Hg.): Glaubensbekenntnis, S. 9 ff. u. 122 f., und in bezug auf den multilateralen Dialog bei „Glauben und Kirchenverfassung“ vgl. L. Vischer (Hg.): Geist, S. 25, 40, 99, 134, 138 ff. 245 Siehe Kap. III,1.

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hypostatisch-revelatorische QualitÅt der heils×konomisch wahrnehmbaren trinitarischen Relationen berÛcksichtigen, erkennen sie den Unterschied zwischen Ursprungs- und Existenzebene, der ihnen wiederum die Differenz und den Zusammenhang zwischen dem Hervorgang des Geistes aus dem Vater (Ursprung) und seinem Ausgang von Vater und Sohn auf der Existenzebene er×ffnet. Die in der gegenseitigen Begleitung von Zeugung und Hauchung bestehende Verflechtung von Ursprungs- und Existenzebene fordert die Einsicht, daß der Heilige Geist in hypostatisch relevanter Weise durch (dia´) den Sohn aus dem Vater hervorgeht, was einem extremen „Filioque“ ebenso widerspricht wie einem isolierten „mo´nou“. Denn „dia´“ wird hier weder rein energetisch verstanden noch im Sinne der im lateinischen Sprachbereich m×glichen Verwechslung mit dem prÅpositionalen Bedeutungsgehalt „von“, sondern dem griechischen Bedeutungsgehalt gemÅß: „durch“ oder „mittels“.246 Auch Augustin rezipierte trotz seiner westlichen Verankerung (Geist als Liebesband, Willensakt oder Kraft) noch die maßgeblichen Grundmuster der neunizÅnischen TrinitÅtslehre, weshalb er davon sprach, daß der Heilige Geist hinsichtlich des Ursprungs (principaliter) vom Vater und hinsichtlich der Gemeinschaft (communiter) von Vater und Sohn ausgeht. An seiner Rede vom Ausgang des Geistes von Vater und Sohn (ab utroque) oder einem derart charakterisierten Filioque-VerstÅndnis anderer westlicher Theologen nahm man deshalb im Osten keinen Anstoß, vielmehr konnten auch ostkirchliche VÅter in bezug auf die wesensgleiche Gemeinschaft vom Ausgang des Geistes von Vater und Sohn sprechen. Umgekehrt finden sich bei westlichen KirchenvÅtern Formulierungen, die den Ausgang des Geistes durch (dia´, per) den Sohn kennzeichnen. Denn wÅhrend viele ostkirchliche VÅter durchaus ernst nahmen, daß der Geist sich zugleich vom Sohn empfÅngt, beachteten viele westkirchliche VÅter hinsichtlich des Ursprungs die Monarchie des Vaters. Weil man inhaltlich den Unterschied und den Zusammenhang zwischen Ursprungs- und Existenzebene sah, bestanden diese komplementÅren Formulierungsm×glichkeiten, so daß heutige L×sungsversuche zwischen dem noch nicht polarisierenden „Filioque“ und der spÅteren extremen FilioqueTradition unterscheiden mÛssen. Das komplementÅre „Filioque“-VerstÅndnis erinnerte unter inhaltlicher BerÛcksichtigung des Unterschieds von Ursprungs- und Existenzebene mit Recht – Ûber die antiarianische Betonung der Homousie des Sohnes hinaus – an die innertrinitarische Verbindung zwischen Sohn und Geist sowie an die vielfÅltige relationale trinitarische Einbindung des Vaters, weshalb westliche Bekenntnisse dieser PrÅgung wie

246 Vgl. B. Oberdorfer: Filioque, S. 537, und L. Vischer (Hg.): Geist, S. 33 u. 47. Zur genauen Analyse des kappadozischen VerstÅndnisses s. o., S. 535 f., und siehe Kap. II,3.

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das Athanasianum („Spiritus Sanctus a Patre et Filio [. . .] procedens“) als authentische ErlÅuterung des Nicaeno-Constantinopolitanums (NC 381) betrachtet werden konnten.247 Anders verhielt es sich mit der danach aufkommenden extremen FilioqueTradition, die wegen der egalisierenden Umdeutung der Existenzbeziehungen zu Ursprungsbeziehungen das „Filioque“ – im Sinne von zwei Prinzipien des Geistes – auf der Ursprungsebene ansiedelte. Der Einfluß der scholastischen Radikalisierung mit den entsprechend rationalen hermeneutischen Einseitigkeiten westlicher MentalitÅt sowie der Einfluß kirchenpolitischer Auseinandersetzungen auf diese Entwicklung wurden im Kontext der analogen ekklesiologischen Konsequenzen und Vereinnahmungen hinreichend dargelegt und analysiert. Gleiches gilt fÛr die synonyme ostkirchliche Entwicklung vom altkirchlichen „dia´“ zur photinianisch-palamitischen Begrifflichkeit (Ausgang vom Vater „allein“/mo´nou), die aufgrund der apophatisch-hermeneutischen Radikalisierung nur noch eine energetische QualitÅt der Existenzebene postulierte und damit das berechtigte Anliegen ostkirchlicher Theologen Ûberzog, die Monarchie des Vaters und die PersonalitÅt des Geistes zu sichern. Dadurch entfernten sich auch viele derjenigen ostkirchlichen Theologen, die noch an der – in der Alten Kirche verbreiteten – Formulierung des Hervorgangs durch (dia´) den Sohn festhielten, vom hypostatischen VerstÅndnis des „dia´“, das zwar Johannes von Damaskus bei der ZurÛckweisung des extremen Filioque-VerstÅndnisses noch vertrat, das aber schon durch Gregor von Zypern vom rein energetischen VerstÅndnis des „dia´“ abgel×st wurde. Deshalb bezog man den Ausgang durch (dia´) den Sohn zumeist nur noch auf die zeitliche Sendung.248 Das war um so bedauerlicher, als der Vermittlungsversuch des Maximus Confessor (gest. 622), der das mit dem altkirchlichen „dia´“ komplementÅre „Filioque“ verteidigte, und das 7. °kumenische Konzil von NizÅa (787) das altkirchliche VerstÅndnis des „dia´“ bestÅtigt hatten.249 247 Zu Augustin und der zunÅchst noch komplementÅren Situation in Ost und West s. o., S. 139 ff., 154 ff., 163. 248 Zu den einseitigen Entwicklungen in Ost und West mit ihren komplexen Ursachen und Auswirkungen siehe Kap. III,1. 249 S. o., S. 171. – Maximus Confessor hatte inhaltlich an den Unterschied von Ursprungs- und Existenzebene erinnert, indem er ein im Sinne des „dia´“ verstandenes „Filioque“ verteidigte, das die Differenz zwischen Hervorgang aus dem Vater (e™kpo´reusiß) und Ausgang (proi¨e´nai) auf der Ebene der Beziehungen zum Sohn berÛcksichtigt. Bei Maximus wird die notwendige Anbindung des „dia´“ an die Ursprungsebene im Zusammenspiel von Ursprungs- und Existenzebene terminologisch nicht immer ganz deutlich. In dem Brief, den Maximus an Marin von Zypern schreibt, scheint das „dia´“ zwar dem „Filioque“ auf der Ebene des Ausgangs (proi¨e´nai = Existenzebene) gleichgesetzt zu sein, doch Maximus will hier zeigen, wie das „Filioque“ den Zusammenhang von Vater und Sohn beim Hervorgang des Geistes zum Ausdruck bringen soll, so daß er inhaltlich davon sprechen kann, der Geist gehe wesensmÅßig durch (dia´) den Sohn vom Vater aus (vgl. PG 91,136 A-B). In den Quaestiones ad Thalassium verbindet Maximus das „dia´“

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Doch statt eines gemeinsamen RÛckgriffs auf die altkirchliche Basis setzten sich die Polarisierungen fort, die ostkirchliche Theologen angesichts des extremen Filioque zu der berechtigten Kritik veranlaßten, der Westen konterkariere mit der „Zwei-Prinzipien-Doktrin“ die Monarchie des Vaters und betreibe die Subordination des Geistes. Westkirchliche Theologen konnten umgekehrt der photinianisch-palamitischen TrinitÅtslehre vorwerfen, sie ignoriere die Verbindung zwischen Sohn und Geist und ordne beide dem Vater unter. Neben den inhaltlichen Kontroversen sahen die ostkirchlichen Theologen wegen der einseitig westkirchlichen EinfÛgung des Filioque in das NC das kanonische Problem des Verstoßes gegen den Kanon 7 des Konzils von Ephesus (431), der die VerÅnderung des Symbols von 381 bzw. die Aufstellung eines anderen Bekenntnisses (e¾tera pı´stiß) verbot. Nicht zuletzt waren es die – auch im dritten Kapitel er×rterten – kirchenpolitischen Streitigkeiten zwischen Rom und Konstantinopel, welche die Polarisierung forcierten.250 Aufgrund des jeweiligen Einflusses kirchenpolitischer Interessen auf diese hermeneutische und trinitÅtstheologische Polarisierung darf durchaus in Aussicht stehen, daß der RÛckgriff auf gemeinsame theologische Grundlagen die M×glichkeit theologischer AnnÅherung bietet, zumal auch terminologische Unsicherheiten zwischen Ost und West zur F×rderung einer mißverstÅndlichen gegenseitigen Wahrnehmung beitrugen. So wird im Neuen Testament begrifflich zwischen dem Hervorgang des Geistes aus dem Vater (Joh 15,26: e™kporeu´etai) und der Zeugung des Sohnes (Joh 16,27: e™xv˜lhon) unterschieden, was die Vulgata einheitlich mit procedere bzw. procedit Ûbersetzte. Das entsprach der westlichen Nivellierung aller trinitarischen BeziehungsverhÅltnisse, die auch die biblische Differenzierung zwischen dem Hervorgang des Geistes aus dem Vater (e™kpo´reusiß) auf der Ursprungsebene und seinem Ausgang (proi¨e´nai) von Vater und Sohn auf der Existenzebene betrifft. Beides wurde nÅmlich von den Lateinern mit dem Allgemeinbegriff processio gekennzeichnet. Dies war aber insofern unangemessen, als e™kporeu´eshai das Hervorgehen oder Ausstr×men aus einem Ursprung bezeichnet und so auf das VerhÅltnis zum Vater als Quelle oder ursprungslosem Ursprung zutrifft, wÅhrend proi¨e´nai allgemeiner das PhÅnomen des Ausgangs beschreibt. Die terminologische Nivellierung von Hervorgang und Zeugung hatte im Westen zur Folge, daß die zum Vater bestehenden Ursprungsbeziehungen

dann unmißverstÅndlich mit der Ebene des ursprÛnglichen Hervorgangs, wenn er davon spricht, daß „der Heilige Geist in seinem Sein (katL ou™sı´an) substantiell (ou™siodw˜ß) seinen Ursprung (e™kporeuo´menon) vom Vater durch den gezeugten Sohn (diL Uı´ou˜ gennvhe´ntoß)“ (PG 90,672 C) nimmt. – S. u., S. 557 ff. 250 Insgesamt s. o., S. 163 ff.

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des Geistes und des Sohnes fÛr sich genommen begrifflich nicht zu unterscheiden waren. Auch deshalb war man dazu gedrÅngt, diesen Unterschied durch differierende Ursprungsrelationen zu wahren (Ausgang des Sohnes vom Vater, Ausgang des Geistes von Vater und Sohn).251 DarÛber hinaus verhinderte die nivellierende Vulgata-ºbersetzung, daß man im Blick auf den griechischen Wortlaut des NC und die AusfÛhrungen der griechischen VÅter die exklusive BeschrÅnkung von e™kporeu´eshai auf die Ursprungsbeziehungen Ûbersah und auf der Grundlage der egalisierenden processioTerminologie einer Egalisierung von Ursprungs- und Existenzebene unterlag, indem man terminologisch nicht zwischen dem Hervorgang des Geistes aus dem Vater und seinem Ausgang von Vater und Sohn unterschied bzw. unterscheiden konnte.252 Umgekehrt wuchs im Osten die ZurÛckhaltung gegenÛber der terminologischen Verwendung des altkirchlichen „dia´“ nicht nur durch den steigenden Einfluß des photinianischen „mo´nou“, sondern auch wegen der BefÛrchtung, „dia´“ k×nne im lateinischen Sprachbereich mit dem prÅpositionalen Bedeutungsgehalt „von“ verwechselt werden.253 Diese Probleme wirkten sich auch bei den UnionsbemÛhungen auf den Konzilen von Lyon (1274) und Ferrara-Florenz (1438/39) aus, die nach der – sich im Filioque-Problem fokussierenden – einseitigen Auseinanderentwicklung zwischen Ost und West und dem Schisma von 1054 eine ºberwindung dieser Polarisierung zu erzielen versuchten. Nachdem in Lyon die Zwei-Prinzipien-Lehre lediglich durch die Erhebung von Vater und Sohn zu einem Prinzip („tamquam ab uno principio“) abgel×st worden war und die Verwerfung aller erfolgte, die das Filioque ablehnen, erreichte das Florenzer Unionsdekret durch die Unterscheidung zwischen der Funktion des Sohnes (causa) und des Vaters (principium) beim Hervorgang des Geistes doch noch einen Ansatz der Vereinbarkeit von „Filioque“ und „dia´“. Das geschah allerdings in einseitig westlicher Ausformung, wobei die beschriebenen terminologischen Unsicherheiten und Nivellierungen erneut in Erscheinung traten. Denn aufgrund der mit dem processio-Begriff gegebenen Gleichwertigkeit von Ursprungs- und Existenzebene nahm das Konzil die Kongruenz der Lehren „ex Patre Filioque“ und „ex Patre per Filium“ an. Weil durch „ex“ die Ursprungsbeziehung gekennzeichnet ist, interpretierte man das „dia´“ und das „Filioque“ faktisch erneut im Sinne der Zwei-Prinzipien-Lehre. Damit war vorgegeben, daß es letztlich nicht zu weitergehenden AnnÅ-

251 Vgl. W. Kasper: Gott, S. 267 f., und L. Vischer (Hg.): Geist, S. 93 u. 149 f. Zur inhaltlichen Unterscheidung der Grundbegriffe vgl. ºberlieferung, S. 317 u. 319. 252 Vgl. Anm. 234, II. Kap., und B. Oberdorfer: Filioque, S. 535. Zur offiziellen selbstkritischen Darlegung dieser ZusammenhÅnge in der vatikanischen „Klarstellung“ zum FilioqueProblem vgl. ºberlieferung, S. 318 f. 253 Vgl. D. Ritschl: Geschichte, S. 33, und M. A. Orphanos: Ausgang, S. 47.

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herungen kommen konnte. Heute steht das deutlich vor Augen, weshalb Paul VI. in bezug auf das Konzil von Lyon nicht mehr vom „14. °kumenischen Konzil“ sprach, sondern von einer westlichen Teilsynode. Dahinter stand der Versuch, deren Ergebnisse hinsichtlich der Verwerfung der Filioque-Ablehnung relativieren zu k×nnen. Denn die in Lyon verhandelte Kontroverse vollzog sich nach Paul VI. unter Mißachtung der griechischen Tradition und bedarf deshalb seines Erachtens einer Wiederaufnahme durch den ×kumenischen Dialog.254 Die zeitgen×ssischen bilateralen und multilateralen Dialoge oder konfessionellen Stellungnahmen zum Filioque-Problem, die zumeist eine nachhaltigere ºberwindung der entstandenen Polarisierung anstreben, lassen zum einen Spuren der dargelegten Fortschritte bei der VerhÅltnisbestimmung von apophatisch-energetischer und kataphatisch-hypostatischer Gegenwart Gottes und bei der Unterscheidung von Ursprungs- und Existenzbeziehungen erkennen. Zum anderen weisen sie aber noch die ebenfalls dargelegten verbliebenen Defizite auf, zu deren L×sung sie zum Teil aufrufen. Das geschieht vor dem Hintergrund eines breiten Spektrums zwischen noch polarisierenden und sich schon annÅhernden Positionen in Ost und West. So kann das Filioque in den Ostkirchen – abgesehen von den dazwischen liegenden Standpunkten – sowohl als tolerierbare Meinung (V. Bolotov u. a.) als auch als Grundlage der theologischen und ekklesiologischen Divergenzen gelten (V. Lossky u. a.), wÅhrend westkirchliche Theologen und kirchlich-×kumenische Voten zwischen der vollzogenen oder zu empfehlenden Streichung des Filioque-Zusatzes im NC (Internationale Altkatholische Bischofskonferenz, Lambeth Konferenz u. a.) und einer nach wie vor vertretenen theologischen Notwendigkeit dieses Zusatzes (VELKD u. a.) schwanken. AnnÅherungen bei der VerhÅltnisbestimmung von ×konomischer und immanenter TrinitÅt und bei der damit zusammenhÅngenden Zuordnung von hypostatischer und kataphatischer Erkenntnis werden im Bericht der Konsultationen von „Glauben und Kirchenverfassung“ zur Filioque-Kontroverse auf Schloß Klingenthal/Elsaß (1978/79) transparent, der auf r×misch-katholischen, altkatholischen, orthodoxen, anglikanischen und reformierten BeitrÅgen beruht, die sich dezidiert der historischen Entwicklung dieser Kontroverse und ihrer aktuellen ×kumenischen Bedeutung widmen. Vor diesem Hintergrund erwartet der gemeinsame Bericht sowohl die BerÛcksichtigung der apophatisch begrÛndeten Freiheit des kontingenten Heilshandelns Gottes als auch die Wahrnehmung des Zusammenhangs zwischen Gottes Seinsoffenbarung in der Geschichte und seinem ewigen Sein bzw. Wesen. Der Aufweis beider Aspekte ge-

254 Insgesamt s. o., S. 172 f. Vgl. ferner A. Ganoczy: Aspekte, S. 76 f.; A. de Halleux: Konsensus, S. 71 f., und B. Oberdorfer: Filioque, S. 525: „Das heißt nichts anderes, als daß die f×rmliche Verwerfung der Ablehnung des Filioque nicht weiterhin als definitives, mit h×chster AutoritÅt ausgestattetes, letztes Wort Roms in dieser Sache gelten darf.“

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wÅhrt westlicher Theologie – gegenÛber ihrer totalen Identifikation von ×konomischer und immanenter TrinitÅt – AnsÅtze einer Differenzierung innerhalb des trinitarischen RelationsgefÛges und ×stlicher Theologie die ºberwindung der strikten Trennung von energetischem ×konomischen Wirken und hypostatischem immanenten Wesen Gottes. Deshalb konnten die Konsultationen gemeinsame Perspektiven fÛr die Beachtung der vielfÅltigen trinitarischen Wechselbeziehungen und ihrer Unterscheidung er×ffnen, so daß die M×glichkeit der Unterscheidung zwischen dem prinzipiativen Ausgang des Geistes aus dem Vater und seiner Beziehung zu Vater und Sohn bestand, woraus sich unterschiedliche FormulierungsvorschlÅge ableiteten (dia´, geht vom Vater aus und empfÅngt vom Sohn etc.). Neben noch bestehenden inhaltlichen Divergenzen und Defiziten, die außer einer genauen Unterscheidung von Ursprungsebene und anderen Relationen weiterhin das VerhÅltnis von ×konomischer und immanenter TrinitÅt sowie die EinschÅtzung des VerhÅltnisses von energetischer und hypostatischer Gegenwart Gottes betrafen, verhinderte auch die – im Bericht – fehlende klare terminologische Unterscheidung zwischen Hervorgang (e™kpo´reusiß) und Ausgang (proi¨e´nai) einen noch deutlicheren L×sungsansatz. Die schließlich ausgesprochene Empfehlung, zum ursprÛnglichen Text des NC zurÛckzukehren, verbanden die Teilnehmer mit der Forderung nach der Darlegung der berechtigten Aspekte west- und ostkirchlicher Tradition, weil etwa das fehlende Filioque einen christologisch unkontrollierten charismatischen Enthusiasmus hervorrufen k×nne oder die fehlende ostkirchliche Warnung vor einem extremen Filioque nicht mehr davor bewahre, den Heiligen Geist subordinatianistisch zu entpers×nlichen.255 Sowohl die auf der gezeigten theologischen Grundlage entstandene Empfehlung als auch die mit ihr verbundene Forderung fanden Eingang in die Ergebnisse der von „Glauben und Kirchenverfassung“ durchgefÛhrten Studie „Gemeinsam den einen Glauben bekennen“ (1991) sowie in die Sektionsberichte der FÛnften Weltkonferenz fÛr Glauben und Kirchenverfassung (Santiago de Compostela 1993).256 Die aus dem bilateralen evangelisch-katholischen Dialog in Deutschland hervorgegangene „Gemeinsame ErklÅrung des Arbeitskreises evangelischer und katholischer Theologen“ (1981) enthÅlt zwar die Anerkennung der kanonischen IrregularitÅt der VerÅnderung des NC und den Hinweis auf die ×kumenische Chance, welche die von Paul VI. vollzogene Relativierung der Verwerfung der Filioque-Gegner auf dem II. Konzil von Lyon (1274) bietet. Aber sie kommt nicht Ûber die Feststellung hinaus, daß die im Westen noch lÅngst nicht geklÅrte M×glichkeit einer Streichung des Filioque sowohl der Anerkennung des theologischen Anliegens des Filioque durch die Orthodoxie bedÛrfe als auch vielfÅltiger KlÅrung auf der Ebene der TrinitÅtstheologie und der kirchlichen ºberlieferung (AutoritÅt und Interpretation von Konzilen etc.).257 Im Blick auf konkretere Fortschritte wirkt sich hier die mangelnde Unterscheidung zwischen komplementÅrer und extremer Filioque-Tradition sowie zwischen komplementÅrer und einseitig photinianisch-palamitischer ostkirchlicher Tradition negativ aus, da erst eine solche Unterscheidung eine realistische Grundlage fÛr

255 256 257

Vgl. insgesamt L. Vischer (Hg.): Geist, S. 9–23 (Bericht) u. 25 ff. (BeitrÅge). Vgl. Glauben, S. 79–86, und G. Gaßmann/D. Heller (Hg.): Santiago, S. 227. Vgl. K. Lehmann/W. Pannenberg (Hg.): Glaubensbekenntnis, S. 120–125.

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die gegenseitige Forderung nach Anerkennung des Anliegens westlicher und ×stlicher Tradition bietet. Eine klarere Haltung nimmt die 1995 erschienene vatikanische „Klarstellung“ des „PÅpstlichen Rates zur F×rderung der Einheit der Christen“ zur Filioque-Thematik ein, allerdings in Neuorientierung der bisherigen r×misch-katholischen Stellung zu dieser Thematik. Hatte man frÛher das ephesinische VerÅnderungsverbot auf den Glaubenssinn (nicht auf den Wortlaut) bezogen und die EinfÛgung des Filioque als lehramtlich autorisierte Explikation des NC verstanden und so auf der exklusiven Notwendigkeit des Filioque und erst recht auf der ZurÛckweisung des photinianischen „mo´nou“ bestanden, so erkennt man jetzt die griechische Fassung des NC als normatives ×kumenisches Symbol an, demgegenÛber das filioquistische NC als legitimes und komplementÅres westliches Teilbekenntnis gilt. Man sanktioniert sogar die Formulierung, der Geist gehe hinsichtlich seines prinzipiellen Ursprungs vom Vater allein (mo´nou) aus. Dabei beruft man sich auf die Unterscheidung zwischen Ursprungsbeziehung (e™kpo´reusiß) und allgemeinem Ausgang (proi¨e´nai). Letzterer k×nne sich wie „processio“ als Allgemeinbegriff sowohl auf „Zeugung“ (Sohn) und „Hervorgang“ (Geist) als auch auf die ewigen Seinsrelationen zwischen Sohn und Geist (keine Ursprungsebene) beziehen. Dieser Ebene (Existenzebene/proi¨e´nai) wird das Filioque als Sicherung der KonsubstantialitÅt des Geistes mit dem Sohn zugeordnet. Mit dem Hinweis auf die kappadozische Vorstellung von der auf dieser Ebene (Existenzebene) bestehenden Kundmachung (e¹kfaniß) zwischen Sohn und Geist und auf das augustinische „principaliter“ (Ursprungsbeziehung) wird an die gemeinsame altkirchliche Wahrnehmung der Monarchie des Vaters und der darÛber hinaus existierenden Beziehungen zwischen Sohn und Geist erinnert. Das kappadozische „dia´“, das auf der Differenzierung zwischen e™kpo´reusiß und proi¨e´nai beruht und durch das 7. ×kumenische Konzil von NizÅa (787) als gemeinsame altkirchliche Basis bekrÅftigt wurde, gilt als Ausdruck dieses Zusammenhangs beim Hervorgang des Geistes. Die KomplementaritÅt dieses Zusammenhangs mit dem richtig verstandenen – diese Differenzierung aufnehmenden – Filioque habe Maximus Confessor bestÅtigt. Daß jedoch Ûber diese positiven Differenzierungen hinaus das photinianische „mo´nou“ akzeptiert wird und dennoch gleichzeitig bei der ErlÅuterung des „tamquam ex uno principio“ (Zweites Konzil von Lyon/1274) vom Vater als erstem Ursprung des Geistes gesprochen werden kann (Sohn als zweiter Ursprung?), zeigt die Unsicherheit bei der Zuordnung von Ursprungsbeziehungen und den Ûbrigen innertrinitarischen Seinsbeziehungen. Diese Unsicherheit besteht, weil eine dezidierte Auseinandersetzung mit dem VerhÅltnis von ×konomischer und immanenter TrinitÅt bzw. mit dem VerhÅltnis von energetischer und hypostatischer Erkenntnis fehlt, was eine differenziertere Zuordnung von Ursprungs- und Existenzebene verhindert. Gerade an diesem zentralen Punkt, der die Frage nach einem hypostatischen VerstÅndnis des „dia´“ aufwirft, gibt sich die „Klarstellung“ noch nicht als solche zu erkennen. Das gilt auch fÛr den Versuch, unter den Bedingungen r×mischer LehramtskontinuitÅt die KomplementaritÅt des Filioque und der ostkirchlichen Anschauung fÛr die gesamte Kirchengeschichte zu erweisen.258 Die vorliegende Untersuchung hat gezeigt, daß

258

Vgl. insgesamt ºberlieferung, S. 316 ff.; H. Vorster: Klarstellung, S. 80 ff., und die Analy-

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eine solche Harmonisierung der extremen Filioque-Tradition ebensowenig gerecht wird wie dem isolierten VerstÅndnis des „mo´nou“ in der photinianisch-palamitischen Tradition.259 Das VerhÅltnis zwischen dem als legitim bezeichneten west- bzw. teilkirchlichen filioquistischen NC und dem griechischen Originalbekenntnis bedarf also in mehrfacher Hinsicht weiterer Klarstellungen. PrÅzise Klarheit der eigenen Position spricht aus der „Stellungnahme der Kirchenleitung der VELKD“ (1997) zur Filioque-Problematik, die aber nicht verbergen kann, daß solche Klarheit nicht automatisch die umfassende Auseinandersetzung mit den theologischen und ×kumenischen Voraussetzungen impliziert. Weil man in dieser lutherischen Stellungnahme erneut aus einer undifferenzierten Identifikation von ×konomischer und immanenter TrinitÅt wie in der extremen Filioque-Tradition (Anselm von Canterbury etc.) alle innertrinitarischen Relationen egalisierend als Ursprungsrelationen auffaßt und Vater und Sohn als gemeinsames Prinzip des Geistes bezeichnet („tamquam ex uno principio“), bezieht man sich nicht auf die neunizÅnische Basis mit der Dimension des „dia´“ als Referenzpunkt der Auseinandersetzung, sondern – wie in den Zeiten scholastisch-photinianischer Polarisierung – auf die photinianische Position („ex patre solo“). Ihr gegenÛber wird das Filioque als notwendige – und deshalb generell unverzichtbare – Explikation des NC deklariert, weil es allein den Patromonismus und das „Zusammenfallen“ von Sohn und Geist in gleichartigen Ursprungsbeziehungen verhindere: „Daß und wie die drei Personen der TrinitÅt ursprÛnglich aufeinander bezogen sind, ließe sich ohne das ‚filioque‘ fÛr den Sohn und den Geist nicht aussagen.“260 Damit ist trotz der Beteuerung, das Bekenntnis von 381 widerspreche dem filioquistischen NC nicht, faktisch die Insuffizienz des ×kumenischen Symbols konstatiert und dessen Implikat der neunizÅnisch-kappadozischen TrinitÅtslehre mit der im „dia´“ zum Ausdruck kommenden Differenzierung zwischen Ursprungs- und Existenzebene ausgeblendet. Daß mit dem kappadozischen „dia´“ die innertrinitarischen Relationen bedeutend differenzierter zur Darstellung kommen und sich auf diese Weise auch die Einseitigkeiten und Gefahren der Filioque-Tradition verhindern lassen, kommt deshalb ebenso zu kurz wie Luthers inhaltliche Relativierung der westlichen Tradition durch den RÛckgriff auf die neunizÅnische Tradition.261 Die in den ×kumenischen Dialogen hervortretenden AnsÅtze einer Differenzierung und AnnÅherung, die sich im – oft exegetisch vollzogenen – RÛckgriff auf die schriftgemÅße altkirchliche Basis sowohl hinsichtlich des VerhÅltnisses von ×konomischer und immanenter TrinitÅt als auch bezÛglich der Zuordnung von Ursprungsbeziehungen

se von B. Oberdorfer: Filioque, S. 533 f. u. 562 f. – Die Frage nach dem hypostatischen VerstÅndnis des „dia´“ bleibt letztlich unbeantwortet, weil man die zitierten Passagen von Maximus Confessor, die darÛber Aufschluß geben k×nnten, nicht weiter analysiert (vgl. ºberlieferung, S. 317 f. u. 319 f.). Zur Analyse der Aussagen von Maximus Confessor vgl. Anm. 249, VI. Kap. – °kumenisch ermutigend ist jedenfalls die Tatsache, daß I. D. Zizioulas: Quelle, S. 36 f., in seiner Reaktion auf die „Klarstellung“ die von Maximus Confessor im Kontext der Differenzierung von e™kpo´reusiß und proi¨e´nai deklarierte KomplementaritÅt des Filioque positiv bestÅtigt. 259 Siehe Kap. III,1. 260 Stellungnahme, S. 266. Vgl. insgesamt ebd., und die Åhnlich kritische Beurteilung von B. Oberdorfer: Filioque, S. 548 ff. 261 Zu Luthers trinitÅtstheologischer Relativierung der westlichen Tradition siehe Kap. III,2.

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und anderen innertrinitarischen Seinsbeziehungen zeigten, kommen in der Stellungnahme kaum zum Tragen, anders als bei der vatikanischen „Klarstellung“, welche auf der Grundlage dieser Fortschritte – wenn auch noch defizitÅr und mit teils umgekehrter Gefahr – versuchte, die extreme Filioque-Tradition zu Ûberwinden. Die VernachlÅssigung der AnnÅherungen und Unterscheidungen fÛhrt in der lutherischen „Stellungnahme“ dazu, daß man nicht nur hinter der differenzierten Auseinandersetzung Luthers und vieler protestantischer Theologen mit der scholastischen TrinitÅtslehre zurÛckbleibt262, sondern auch hinter den zeitgen×ssischen trinitÅtstheologischen Entwicklungen in den westlichen Kirchen. Das gilt auch fÛr die praktischen Konsequenzen. Indem man gestattet, daß einzelne lutherische Christen die ursprÛngliche Fassung des NC in Gottesdiensten von Kirchen mitbeten dÛrfen, bei denen diese Fassung in Gebrauch ist, bietet man eine restriktivere Formulierung als die Resolution der Achten Vollversammlung des Lutherischen Weltbundes (Curitiba 1990).263 Daß der generelle Verzicht auf die Streichung des Filioque, den die EKD und die Deutsche Bischofskonferenz gegenwÅrtig im Einvernehmen propagieren, gerechtfertigt ist, solange die Anliegen der angemessenen – nicht extremen – Filioque-Tradition bei einer RÛckkehr zum Ursprungstext ×kumenisch nicht gewahrt sind, bleibt durchaus zu beachten. Doch in bezug auf die geÅußerten Bedenken hinsichtlich eines Eingriffs in den reformatorischen Bekenntnisstand sollte nicht vergessen werden, daß die Aufnahme der drei altkirchlichen Symbole in das Konkordienbuch (1580) zwar innerhalb der westlichen Tradition erfolgte, aber von den Reformatoren als Zeichen apostolischer KontinuitÅt, KatholizitÅt und °kumenizitÅt vollzogen wurde. Im Unterschied zur damaligen innerwestlichen Konstellation vermag im gegenwÅrtigen ×kumenischen Kontext nur das ursprÛngliche Bekenntnis von 381 diese Funktion wahrzunehmen, allerdings unter der Bedingung einer gegenseitigen KlÅrung der KomplementaritÅt der jeweils angemessenen westlichen und ×stlichen TraditionsstrÅnge. Ob diese Bedingung bei der bereits vollzogenen Streichung des Filioque durch die altkatholische Kirchengemeinschaft schon genÛgend BerÛcksichtigung fand, scheint fraglich. Denn im Zuge der selbstkritischen – und zu pauschalen – ZurÛckweisung der westlich-augustinischen Filioque-Tradition kommt die altkatholische Kirchengemeinschaft nach einem Jahrhundert der Auseinandersetzung mit der Filioque-Problematik in ihrer ErklÅrung von 1970 tendenziell zur Anerkennung des photinianisch-palamitischen „mo´nou“, statt sich – unter Beibehaltung der konstruktiven Explikationen der nicht-extremen Filioque-Tradition – auf das neunizÅnische „dia´“ zu beziehen, das der Duktus und der theologische Kontext des NC impliziert und das von Johannes von Damaskus, Maximus Confessor oder dem 7. °kumenischen Konzil von NizÅa (787) bestÅtigt wurde. Obwohl sich die altkatholische Kirchengemeinschaft in der intensiven einhundertjÅhrigen Auseinandersetzung mit der Filioque-Problematik und im Dialog mit den Ostkirchen durchaus auch immer wieder differenziert auf ein hypostatisches VerstÅndnis des „dia´“ bezogen hatte, konzentrierte man sich jetzt auf die Tradition des innertrinitarischen Ausgangs des

262 263

Siehe Kap. III,2. Zum Vergleich mit der Resolution siehe B. Oberdorfer: Filioque, S. 550 f.

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Geistes vom Vater allein (mo´nou), allerdings unter der HinzufÛgung „sofern der Vater Grund und Quelle der Gottheit ist“. Vor diesem Hintergrund geht aus der ErklÅrung nicht hervor, wie die Beteiligung des Sohnes beim Hervorgang des Geistes aussehen k×nnte.264 Vielmehr wird die dia´-Formel in der gemeinsamen orthodox-altkatholischen ErklÅrung von 1975 („Die Heilige Dreifaltigkeit“) unter Ablehnung jeglicher MitursÅchlichkeit des Sohnes beim Hervorgang des Geistes auf die Heils×konomie bzw. die zeitlichen Sendungen reduziert, so daß innertrinitarisch nur noch ein isoliertes „mo´nou“ zu bestehen scheint. Jedenfalls sieht man sich nicht in der Lage, die Frage nach dem Zusammenhang mit anderen innertrinitarischen Relationen zu beantworten. Das korreliert mit der positiven AnknÛpfung an die palamitische Energienlehre durch den altkatholischen Theologen Herwig Aldenhoven265, weshalb zu fragen bleibt, ob sich die altkatholischen Theologen in einer Gegenreaktion auf einseitig weiterentwickelte augustinische Traditionslinien den umgekehrten trinitÅtstheologischen Einseitigkeiten photinianisch-palamitischer PrÅgung annÅhern, statt sich der gemeinsamen ost-westkirchlichen Basis zuzuwenden, die mit der neunizÅnischen Energien- und TrinitÅtslehre gegeben ist. Die BemÛhungen der anglikanischen Kirchengemeinschaft um die L×sung des Filioque-Problems setzen sich nicht derart von den bisherigen Optionen westlicher Tradition ab, wÅhrend sie bei der Bezugnahme auf die gemeinsame altkirchliche Basis ebenfalls ambivalent bleiben. Schon im 17. Jahrhundert gab Bischof John Pearson GrundÛberlegungen vor, die bis heute den anglikanischen Diskurs charakterisieren. ZunÅchst rechtfertigt er die berechtigten Anliegen der westlichen Filioque-Tradition durch den biblisch begrÛndeten Nachweis ihrer KomplementaritÅt mit der griechischen Auffassung. Die KomplementaritÅt ergibt sich aus der Differenzierung des innertrinitarischen RelationsgefÛges des Geistes: „er geht vom Vater aus“, „er empfÅngt vom Sohn“. Es erfolgt keine genauere Zuordnung dieser Relationen, weil Pearson nicht auf die Implikationen des neunizÅnischen „dia´“ zurÛckgreift. Unter der Bedingung der ostkirchlichen Anerkennung der von ihm aufgezeigten KomplementaritÅt kann sich Pearson die Streichung des Filioque vorstellen, da es unkanonisch ohne die AutoritÅt eines ×kumenischen Konzils eingefÛgt wurde. WÅhrend es im 17. und 19. Jahrhundert auch zu theologischen BegrÛndungen kam, die in einseitiger Ablehnung der eigenen westlichen Tradition die Streichung des Filioque fÛr berechtigt hielten, weil sie die Beziehungen des Geistes zum Sohn auf die zeitlichen Sendungen einschrÅnkten, kritisierten Ende des 19. Jahrhunderts andere anglikanische

264 Zur „ErklÅrung der Internationalen Altkatholischen Bischofskonferenz zur FilioqueFrage“ von 1970 vgl. ErklÅrung/Bischofskonferenz, S. 69 f. (Zitat S. 70). Zur Geschichte der altkatholischen Auseinandersetzung mit der Filioque-Problematik und zum entsprechenden Dialog mit den Ostkirchen vgl. B. Oberdorfer: Filioque, S. 296 ff., und K. Stalder: „Filioque“, S. 89 ff. 265 Vgl. H. Aldenhoven: Unterscheidung, S. 214 ff., und ders.: Zusammenhang, S. 134 ff., wo Aldenhoven nur die Defizite und Einseitigkeiten der westlichen Tradition kritisiert. Zur gemeinsamen ErklÅrung von 1975 vgl. die dreisprachige Dokumentation der orthodox-altkatholischen Dialogergebnisse aus den Jahren 1975–1987 von U. von Arx (Hg.): Koinonia, S. 49–51, bes. S. 50 f. Der altkatholische Theologe H. Stalder: „Filioque“, S. 98, bestÅtigt die Sprachlosigkeit im Blick auf die m×gliche Verbindung zwischen Ursprungsbeziehungen und anderen innertrinitarischen Seinsbeziehungen.

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Theologen (E. B. Pusey) die VorschlÅge der von der altkatholischen Kirchengemeinschaft einberufenen Bonner Unionskonferenzen (1874/75) als ungebÛhrliche Konzessionen an den griechischen Standpunkt. Eine gemeinsame anglikanisch-orthodoxe Kommission berief sich dann 1931 auf Johannes von Damaskus, um die Formel „durch den Sohn“ eingehender als Einheitsgrundlage diskutieren zu k×nnen. Diese Diskussion konnte dann aber aus verschiedenen GrÛnden nicht weitergefÛhrt werden.266 Erst nach der GrÛndung einer neuen gemeinsamen Kommission (1973) erzielte man mit der „Moskau-ErklÅrung“267 von 1976 gemeinsame Ergebnisse, die aber die Ambivalenzen und Unsicherheiten der AnnÅherungsversuche der vorigen Jahrhunderte widerspiegeln. Einerseits wollen die Anglikaner laut Kommissionsbericht die westliche Filioque-Tradition nicht verurteilen, andererseits lassen sie sich auf die Unterscheidung zwischen ewigem Ursprung (Hervorgang) des Geistes aus dem Vater und vielfÅltiger strukturierten Sendungsrelationen des Geistes ein, so daß die Beziehungen zum Sohn erneut in den Bereich der zeitlichen Sendungen verwiesen sind. Diese Ansinnen widersprechen sich jedoch. Dazu paßt, daß man das „dia´“ dennoch nicht – wie im altkatholisch-orthodoxen Votum von 1975 – auf die heils×konomische Ebene reduziert, sondern die Problematik des „dia´“ in der immanenten TrinitÅt durch Weglassung offenhÅlt. Eine zu empfehlende Streichung des Filioque begrÛndet man deshalb auch auf kanonischer und liturgischer Ebene mit der kanonischen Maßgeblichkeit des Ursprungstextes, der fehlenden Beglaubigung der EinfÛgung durch ein ×kumenisches Konzil und der Einheitsfunktion des ursprÛnglichen Symbols bei der Eucharistiefeier.268 Nachdem die Lambeth-Konferenz von 1978 diese Empfehlung an die Kirchen weitergegeben hatte, versuchte die orthodox-anglikanische „Dublin-ErklÅrung“269 von 1984, bessere theologische Differenzierungen nachzureichen. Von orthodoxer Seite hÅlt man die KomplementaritÅt mit dem Filioque unter den von Maximus Confessor gegebenen Bedingungen fÛr m×glich und unterscheidet – bewußt im Unterschied zum spÅteren extremen Filioque – zwischen dem Hervorgang (e™kpo´reusiß) aus dem Vater (causa existentiae) und der Kundmachung (e¹kfaniß) von Sohn und Geist (communicatio essentiae), wonach der Geist aus dem Vater und dem Sohn ausstrahle. Die anglikanische Seite versucht das „tamquam ex uno principio“ von der extremen Filioque-Tradition zu trennen, indem sie die Unterscheidung „fons deitatis“ und „principium“ anfÛhrt, mit welcher der Westen bei der Vorstellung von Vater und Sohn als einem Prinzip weder den Vater als einzige Quelle vergessen habe noch den Ausgang des Geistes aus einer g×ttlichen Substanz- oder Wesenseinheit gelehrt habe.270 Beide Seiten bleiben jedoch hinsichtlich der konkreten Zuordnung von Ursprungs- und Existenzebene ungenau, weshalb ihnen die dezidierte Bezugnah-

Vgl. insgesamt zu dieser Entwicklung A. M. Allchin: Filioque-Formel, S. 82–85. Der Text dieser ErklÅrung ist abgedruckt bei H. Meyer [u. a.] (Hg.): Dokumente I, S. 81–89. 268 Vgl. insgesamt die Paragraphen 19–21 der ErklÅrung. Zur Bewertung des Kommissionsberichts vgl. A. M. Allchin: Filioque-Formel, S. 80 f. 269 Der Abdruck der ErklÅrung findet sich bei H. Meyer [u. a.] (Hg.): Dokumente II, S. 101–128. 270 Vgl. ebd., S. 112 f. Vgl. B. Oberdorfer: Filioque, S. 530, der dem Motiv dieser Unterscheidung aufgrund der anzustrebenden WÛrdigung legitimer Intentionen der westlichen Tradition 266 267

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me auf das „dia´“ und dessen konkrete Qualifizierung im Kontext von Ursprungsund Existenzebene noch weitgehend fehlt.

Aus den er×rterten multilateralen, bilateralen und konfessionellen Stellungnahmen geht hervor, daß ihre AnnÅherungen nach wie vor mit erheblichen Defiziten verbunden sind, die weitere Fortschritte verhindern und vielfach das VerhÅltnis von ×konomischer und immanenter TrinitÅt bzw. von energetischer und hypostatischer Gegenwart Gottes betreffen sowie das damit zusammenhÅngende VerhÅltnis der Ursprungsbeziehungen zu anderen innertrinitarischen Beziehungen. Den Dialog-Teilnehmern oder Verfassern der Berichte und Stellungnahmen war dieser Umstand oft selbst bewußt, so daß sie nicht selten die verbliebenen Defizite benannten und zu ihrer ºberwindung aufriefen. Das betrifft zunÅchst die mit der Filioque-Problematik verbundene hermeneutische Problematik der angemessenen Zuordnung von ×konomischer und immanenter TrinitÅt, die wiederum von der EinschÅtzung der energetischen und hypostatischen Gegenwart Gottes in der Heils×konomie abhÅngt. In allen untersuchten Berichten und Stellungnahmen trat diese Problematik als weiterhin bestehende Schwierigkeit auf, sei es in Form bleibender Unsicherheit oder in Form fortgesetzter traditioneller Einseitigkeiten. Deshalb trifft die Feststellung Dietrich Ritschls in seinem Beitrag auf den Klingenthal-Konsultationen („Glauben und Kirchenverfassung“) zu: „Die eigentliche Frage aber, deren L×sung allein ×kumenisch verheißungsvoll wÅre, ist die nach einem neuen Zugang zu der [. . .] Beziehung zwischen ×konomischer und immanenter TrinitÅt“271. Dieser neue Zugang kann auf der Grundlage der Differenzierungen erfolgen, die in der vorliegenden Untersuchung von der neunizÅnischen Theologie abgeleitet und im ersten und zweiten Abschnitt dieses Kapitels ausfÛhrlich er×rtert wurden (Kap. VI,1.1 u. 1.2). Die in biblisch-×konomischer Orientierung erfolgte Unterscheidung von ×konomischer und spekulativer Energienlehre erm×glicht durch die Implikationen der ×konomischen Energienlehre mit ihrer Interdependenz von apophatischer und kataphatischer Dimension die differenzierte Zuordnung von freiem heils×konomischen

trotz der bedenklichen terminologischen Unterscheidung zwischen fons („Mon-archie“) und principium („Mono-prinzipialitÅt“) zustimmt. 271 D. Ritschl: Geschichte, S. 40, der dabei auch an die Beachtung des Zusammenhangs von Doxologie und biblisch-×konomischer RÛckbindung denkt. Auch dieser Zusammenhang bedarf einer angemesseneren Zuordnung von apophatischer und kataphatischer Dimension. Das VerhÅltnis von ×konomischer und immanenter TrinitÅt mit seiner Frage nach der Art und Weise der heils×konomischen Gegenwart Gottes betrachtet auch B. Oberdorfer: Filioque, S. 571, als zentrales Problem, denn auch fÛr ihn „liegt an dieser Stelle der vermutlich gravierendste [. . .] Differenzpunkt zwischen westlicher und ×stlicher TrinitÅtstheologie“. Das belegen auch die orthodoxen Reaktionen auf die vatikanische „Klarstellung“ (vgl. B. Oberdorfer: Filioque, S. 542 f.).

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Wirken und transzendentem Wesen Gottes, der sich in der „Einheit und distinctio“ von ×konomischer und immanenter TrinitÅt selbst als personales Geheimnis erschließt, weil er sich in seinem Heilswirken selbst entspricht. Mit der ×konomischen Energienlehre, die in den Merkmalen der apophatisch-energetischen Anwesenheit Gottes auch seine hypostatische PrÅsenz wahrnimmt, kommt sowohl das ostkirchliche Interesse an der apophatischen Ehrfurcht vor dem Geheimnis Gottes und seiner Freiheit gegenÛber der Welt als auch das westkirchliche Interesse an der heils×konomischen Erkennbarkeit des sich selbst erschließenden und sich entsprechenden Gottes zur Geltung. Indem die ×konomische Energienlehre die unverfÛgbare apophatische Freiheit Gottes ebenso berÛcksichtigt wie die revelatorisch und soteriologisch notwendige AuthentizitÅt und VerlÅßlichkeit seiner heils×konomischen PrÅsenz, spiegelt sie das biblisch-×konomisch verifizierbare Spektrum der heils×konomischen Gotteserkenntnis und seine apophatische Tiefe der vielschichtigen trinitarischen Relationen wider. Dabei gewÅhrt die biblisch-×konomische Ausrichtung sowohl die differenzierte Zuordnung von heils×konomischem Wirken und ewigem g×ttlichen Sein als auch die Erkenntnis der Differenz und des Zusammenhangs von trinitarischen Ursprungs- und Existenzbeziehungen. Auf diese Weise wird die rational geprÅgte totale Identifikation von ×konomischer und immanenter TrinitÅt mit ihrer Egalisierung sÅmtlicher Relationen (extreme Filioque-Tradition) ebenso abgewehrt wie die rein apophatisch-energetische Trennung von ×konomischer und immanenter TrinitÅt mit ihrer Ausblendung der – in den zeitlichen Sendungen erkennbaren – vielfÅltigen trinitarischen Wechselbeziehungen (photinianisch-palamitische Tradition).

Daß sowohl ×stliche wie westliche Kirchen trotz ihrer selektiven Wahrnehmung der biblischen Vielfalt des trinitarischen RelationsgefÛges an der angemessenen Erkenntnis der hypostatischen Gegenwart der trinitarischen Personen mit ihren jeweiligen Proprien interessiert sind, belegen ihre gegenseitigen VorwÛrfe: Ostkirchliche Theologen werfen dem Westen vor, die trinitarischen Personen in das essentialistisch begrÛndete einheitliche Wirken „ad extra“ (De Deo uno) aufzul×sen, wÅhrend westliche Theologen dem Osten vorhalten, die trinitarischen Proprien hinter dem einheitlichen energetischen Wirken „ad extra“ zu verbergen. Diese VorwÛrfe k×nnen jedoch nur die jeweils extremen Positionen treffen und wÛrden beim RÛckgriff auf die gemeinsame neunizÅnische Basis bzw. unter BerÛcksichtigung der von dort abgeleiteten Differenzierungen jegliche AngriffsflÅche verlieren, wÅhrend beide Extrempositionen bei einem solchen RÛckgriff Einsicht in ihre Einseitigkeiten erhielten. Ob jedoch die selbstkritische °ffnung fÛr die gemeinsame schriftgemÅße altkirchliche Basis und die Ausrichtung an dem biblisch-×konomischen Kriterium gelingen k×nnen, liegt auch an der damit verbundenen VerhÅltnisbestimmung von Schrift, Tradition und Kirche272,

272 Zur komplexen ×kumenischen Relevanz des VerhÅltnisses von Schrift, Tradition und Kirche und seiner angemessenen ×kumenischen Zuordnung vgl. M. Haudel: Bibel (vgl. Anm. 24, Einleitung; Anm. 97 u. 115, I. Kap., und Anm. 248, II. Kap.).

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die wiederum mit der Bestimmung des VerhÅltnisses der trinitarischen Personen zu korrelieren vermag. Denn das Gelingen der biblisch-×konomischen Orientierung hÅngt von der Bereitschaft ab, im Kontext des heilsgeschichtlichen ºberlieferungsprozesses gegenÛber der Verabsolutierung eigener kirchlicher Erfahrung bzw. Tradition oder eigener philosophischer PrÅmissen die kanonische Funktion der Schrift ernst zu nehmen, analog zu der Bereitschaft, sowohl die Notwendigkeit der Begleitung der Kirche durch den Heiligen Geist (Tradition) als auch die kriteriologische (schriftgemÅße) RÛckbindung des Geistes an Christus einzusehen. Welche Relevanz diesen ZusammenhÅngen auch fÛr die kanonische und Ûberlieferungsgeschichtliche Auseinandersetzung mit dem Filioque-Problem zukommt, belegt die Forderung der „Gemeinsamen ErklÅrung des Arbeitskreises evangelischer und katholischer Theologen“, „die Wechselbeziehungen ‚Schrift – Bekenntnis‘ und ‚Schrift – Konzilien (Lehramt)‘“273 genauer zu klÅren. Ebenso geht aus den untersuchten Berichten und ErklÅrungen hervor, wie direkt sich eine sachgemÅße VerhÅltnisbestimmung von ×konomischer und immanenter TrinitÅt auf die VerhÅltnisbestimmung von Ursprungsbeziehungen und anderen innertrinitarischen Relationen – und damit auf die L×sung des Filioque-Problems – auswirkt. Es zeigte sich immer wieder, daß durch die uneinheitliche VerhÅltnisbestimmung von ×konomischer und immanenter TrinitÅt, die aus differierenden Bewertungen der energetischen oder hypostatischen Erkenntnism×glichkeiten resultiert, weiterhin unklare Zuordnungen zwischen den Ursprungsbeziehungen und den Ûbrigen innertrinitarischen BeziehungsverhÅltnissen entstanden, so daß konvergente AnsÅtze zur L×sung des Filioque-Problems verfehlt wurden. Zum Beispiel traten in den BeitrÅgen der multilateralen Klingenthal-Konsultationen („Glauben und Kirchenverfassung“) die entsprechenden Unsicherheiten aus den orthodoxanglikanischen und den orthodox-altkatholischen Dialogen hervor. In orthodoxen BeitrÅgen auf den Konsultationen kam – neben AnklÅngen an die Implikationen einer ×konomischen Energienlehre – erneut die spekulative (palamitische) Energienlehre zum Vorschein, die Ûber die Ursprungsbeziehungen hinausgehende Relationen energetisch verstand und auf die zeitlichen Sendungen274 reduzierte. Der anglikanische Bericht auf den Konsultationen (A. M. Allchin) gab die Ambivalenzen der „Moskau-ErklÅrung“ von 1976 wieder, in der die Anglikaner einerseits der Einordnung der Beziehungen des Geistes zum Sohn in die zeitlichen Sendungen zustimmten und sich andererseits gegen eine Verurteilung oder Abwertung der Filioque-Lehre K. Lehmann/W. Pannenberg (Hg.): Glaubensbekenntnis, S. 124. Vgl. M. A. Orphanos: Ausgang, S. 45 u. 49 ff., und D. Staniloae: Ausgang, S. 153 ff., der sich durch den zeitweiligen RÛckgriff auf Athanasius und die Kappadozier auch auf Implikationen der ×konomischen Energienlehre bezieht und deshalb AnsÅtze einer Differenzierung zwischen innertrinitarischer Ursprungs- und Existenzebene erkennen lÅßt. 273 274

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L×sungsansÅtze

aussprachen. Dieser innere Widerspruch, der weder eine klare Zuordnung von innertrinitarischen Ursprungsbeziehungen und den Ûbrigen innertrinitarischen Seinsrelationen noch eine klare theologische Haltung zum Filioque erm×glichte, wurde durchaus gesehen (auch von der Lambeth-Konferenz 1978), weshalb man die Frage nach dem energetischen oder hypostatischen VerstÅndnis des „dia´“ umging. Angesichts solcher Unsicherheiten spricht der anglikanische Bericht auf Schloß Klingenthal direkt den Bedarf einer KlÅrung dieser ZusammenhÅnge an: „All diese Fragen wurden offen gelassen, und es wurde der Hoffnung Ausdruck gegeben, daß sie in spÅteren Diskussionen geklÅrt werden k×nnten.“275 Die Hoffnung auf eine KlÅrung des VerhÅltnisses von energetischer und hypostatischer Gegenwart Gottes und des damit zusammenhÅngenden VerstÅndnisses des altkirchlichen „dia´“ Åußert sich auch im r×misch-katholischen Klingenthal-Beitrag von Jean-Miguel Garrigues.276 Doch selbst die fast 20 Jahre spÅter erschienene vatikanische „Klarstellung“ konnte diese Hoffnung – wie gezeigt – noch nicht erfÛllen, da sie durch die gleichzeitige Bezugnahme auf das photinianische „mo´nou“ und auf die Bezeichnung des Vaters als erstem Ursprung genau an diesem zentralen Punkt ambivalent blieb. Nicht viel anders verhielt es sich im gezeigten altkatholisch-orthodoxen Dialog, der durch die einseitige Bezugnahme auf das photinianisch-palamitische „mo´nou“ und die damit einhergehende Unterteilung in Ursprungsbeziehungen (mo´nou) und zeitliche Sendungen (rein energetische und heils×konomische Charakterisierung des dia´) die Frage nach den ewigen Beziehungen, die nicht Ursprungsbeziehungen sind, offen lassen mußte. Das wurde spÅter von altkatholischen Theologen kritisiert und mit der Forderung nach der ºberwindung dieser Problematik verbunden. So moniert selbst Aldenhoven – trotz seiner partiellen AnknÛpfung an die palamitische Energienlehre –, die in den Dialogtexten vorgenommene reduktive Unterteilung in Ursprungsbeziehungen und zeitliche Sendungen erwecke „den Anschein, dass zwischen ewigen und zeitlichen Beziehungen Ûberhaupt kein Zusammenhang besteht“, so „dass hier etwas fehlt, was wichtig ist, um den Zusammenhang zwischen ewigen Beziehungen der TrinitÅt – aber nicht Ursprungsbeziehungen! – und ihren Beziehungen in der zeitlichen Sendung aufzuzeigen. [. . .] Hier wÅre noch theologische Arbeit zu leisten“277. Šhnlich Åußerte sich Kurt Stalder bei seiner Darlegung der altkatholischen Dialogergebnisse im Rahmen der Klingenthal-Konsultationen: „Da die Beziehungen in der zeitlichen Sendung nicht nur den ewigen Ursprungsbeziehungen, sondern auch den anderen ewigen Beziehungen entsprechen, hat das Schweigen des [Dia-

275 276 277

A. M. Allchin: Filioque-Formel, S. 81. Vgl. J.-M. Garrigues: Standpunkt, S. 127. U. von Arx (Hg.): Koinonia, S. 37.

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log-]Textes von diesen letzteren zur Folge, daß ewige Beziehungen und zeitliche Sendung in keinem rechten Zusammenhang zu stehen scheinen“, weshalb „die sachlich wichtige Frage der ewigen Beziehungen, die nicht Ursprungsbeziehungen sind, offenbleiben mußte.“278 Weil dies auch eine offene Frage der orthodoxen Theologie selbst sei, besteht nach Stalder in der altkatholischen Kirchengemeinschaft die Meinung, daß in der gemeinsamen VerhÅltnisbestimmung von Ursprungsbeziehungen und anderen innertrinitarischen Beziehungen aufgrund der trinitÅtstheologischen und ekklesiologischen Bedeutung dieser VerhÅltnisbestimmung eine „grundlegende ×kumenische Aufgabe“279 liege. Einen L×sungsansatz zur BewÅltigung dieser Aufgabe bietet die vom Verfasser vollzogenene terminologische und inhaltliche Differenzierung zwischen „Ursprungs- und Existenzbeziehungen“, die von der neunizÅnischen TrinitÅtslehre abgeleitet wurde. Denn diese Spezifizierung steht im Kontext der bisher – auf derselben Grundlage – vollzogenen hermeneutischen Differenzierungen und bietet ost- und westkirchlichen Theologen deshalb sowohl eine differenzierte hermeneutische als auch eine differenzierte trinitÅtstheologische Grundlage. Es wurde ausfÛhrlich dargelegt, wie durch die ×konomische Energienlehre und die biblisch-×konomische Orientierung die Differenz und der Zusammenhang zwischen Ursprungs- und Existenzbeziehungen zum Vorschein kommen. Der prinzipiative „Hervorgang“ (e™kpo´reusiß) des Geistes „aus“ (e™k) dem Vater auf der Ursprungsebene (Monarchie des Vaters) ist zu unterscheiden – aber nicht zu trennen – vom „Ausgang“ (proi¨e´nai) des Geistes „von“ Vater und Sohn auf der Existenzebene.280 Der Ausgang des Geistes von Sohn und Vater leitet sich ab vom

K. Stalder: „Filioque“, S. 98. Ebd., S. 99 (Hervorhebung v. Vf.). 280 Die deutschsprachige begriffliche Unterscheidung zwischen „Hervorgang“ auf der Ursprungsebene und „Ausgang“ auf der Existenzebene wurde oben schon in Auseinandersetzung mit der vereinheitlichenden lateinischen Terminologie („processio“) durch die Analyse der zugrundeliegenden griechischen Begriffe in ihrer Berechtigung belegt: e™kporeu´eshai kennzeichnet das Hervorgehen oder Ausstr×men aus einem Ursprung, wÅhrend proi¨e´nai allgemein fÛr das PhÅnomen des Ausgangs steht (vgl.: ºberlieferung, S. 317 u. 319). Diese klare terminologische Unterscheidung, die den traditionellen Terminus „Hervorgang“ fÛr die Ursprungsbeziehung des Geistes verwendet und die beispielsweise auch B. Oberdorfer: Filioque, S. 583, bewußt benutzt, ist fÛr den Dialog nicht unbedeutend. So beruht die Beobachtung, daß der Klingenthal-Bericht auch unter einer fehlenden konsequenten terminologischen Unterscheidung zwischen Hervorgang und Ausgang leidet (s. o., S. 547), nicht zuletzt auf dem uneinheitlichen Umgang mit dieser Terminologie in den theologischen BeitrÅgen der Konsultationen. WÅhrend B. Bobrinskoy vom prinzipiativen „Hervorgang“ spricht und D. Staniloae umgekehrt bewußt zwischen prinzipiativem „Ausgang“ und „Ausstr×men“ unterscheidet, verwendet J.-M. Garrigues die Terminologie sogar in seinem eigenen Beitrag gegenlÅufig, indem er sowohl von prinzipiativem „Ausgang“ und nicht-prinzipiativem „Hervorgang“ als auch von prinzipiativem „Hervortreten“ und nicht-prinzipiativem „Ausgehen“ redet. Vgl. dazu L. Vischer (Hg.): Geist, 278 279

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Ruhen des Geistes auf dem Sohn, seinem Ausstrahlen aus dem Sohn und seinem Empfangen vom Sohn sowie der wechselseitigen Begleitung von Zeugung und Hauchung, die zugleich den Zusammenhang zwischen Ursprungs- und Existenzebene vor Augen hÅlt. Vor diesem Hintergrund wird der – durch die vielfÅltigen Wechselbeziehungen bestehende – Zusammenhang zwischen Ursprungs- und Existenzebene beim prinzipiativen Hervorgang des Geistes transparent. Der Charakter des Zusammenhangs beider Ebenen gibt zu erkennen, daß der Geist „durch“ (dia´) den Sohn aus dem Vater (des Sohnes) hervorgeht. Dabei bleibt der Vater allerdings Ursprung und Quelle (Monarchie des Vaters), wÅhrend der Hervorgang durch (dia´) den Sohn wegen des konstitutiven Zusammenhangs von Ursprungs- und Existenzebene wiederum nicht nur energetischen Charakter hat und sich erst recht nicht lediglich auf die zeitliche Sendung beschrÅnken lÅßt, sondern das konstitutive innertrinitarische Zusammenspiel von Ursprungs- und Existenzebene beim Hervorgang des Geistes aus dem Vater durch den Sohn verk×rpert. Diese Interdependenz von Ursprungs- und Existenzebene ist durch die terminologische Spezifizierung „Ursprungs- und Existenzbeziehung bzw. -ebene“ gewÅhrleistet, da die Terminologie – wie oben gezeigt – sowohl die wesentliche RelationalitÅt beider Beziehungsebenen als auch ihre spezifischen EigentÛmlichkeiten beinhaltet. Auf diese Weise kann die Gleichzeitigkeit von intra- und interpersonaler Dimension als Selbstand in Relation zur Geltung kommen, so daß die Beachtung der wesenseinen gleichursprÛnglichen Perichorese mit den jeweiligen personalen Spezifika m×glich wird. Wegen des konstitutiven Zusammenspiels der dennoch zu unterscheidenden Ursprungsund Existenzbeziehungen steht das „dia´“ beim Hervorgang des Geistes aus dem Vater durch den Sohn weder – aufgrund des Unterschieds – fÛr den Bedeutungsgehalt „vom“ bzw. fÛr eine Gleichschaltung von Vater und Sohn im Sinne zweier Prinzipien (extreme Filioque-Tradition) noch lÅßt es sich – aufgrund des Zusammenspiels – rein auf die Existenzebene abschieben (Ausstrahlen vom Vater durch den Sohn), wie es in der photinianisch-palamitischen „mo´nou“-Tradition der Fall ist.281 Die Existenzebene weist nÅmlich im biblisch-×konomischen Horizont durchaus das Ausstrahlen oder auch den Ausgang von Vater und Sohn auf, und durch ihre Verbindung mit S. 107, 131–133, 156. Vgl. auch die Auseinandersetzung um die terminologische Unterscheidung zwischen „Hervorgang“ und „Ausgang“ in dem VELKD-Votum (vgl. Stellungnahme, S. 267), die zwar der hier gewÅhlten Terminologie entspricht, aber letztlich doch keinen gesteigerten Wert auf diese Differenzierung legt, weil sie die inhaltliche Differenzierung nicht vollzieht. – Daß die gewÅhlte Terminologie jedoch Aussicht auf breite ×kumenische Konvergenz hat, belegt auch die grundsÅtzliche terminologische ºbereinstimmung mit der vatikanischen „Klarstellung“ (vgl. ºberlieferung, S. 316 ff.). 281 Vgl. z. B. M. A. Orphanos: Ausgang, S. 46 ff., und D. Staniloae: Ausgang, S. 160. – Siehe Anm. 249, VI. Kap., wo deutlich wird, daß auch Maximus Confessor das „dia´“ gegenÛber der photinianisch-palamitischen Tradition mit der Ebene des ursprÛnglichen Hervorgangs verbindet.

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der Ursprungsebene kommt es zu dem „dia´“, das die fÛr das gesamte Wesen der TrinitÅt relevante Verbindung zwischen Ursprungs- und Existenzebene verk×rpert und auf diese Weise den Hervorgang des Geistes durch den Sohn zum Ausdruck bringt. Damit entspricht das so verstandene „dia´“ der neunizÅnischen Charakterisierung dieses RelationsgefÛges, die auch das NC impliziert.282 Diese gemeinsame Basis gewÅhrt zum einen die KomplementaritÅt des frÛhen und gemÅßigten Filioque, das unter Wahrung des „principaliter“ inhaltlich den Hinweis auf den Ausgang (proi¨e´nai) des Geistes von Vater und Sohn beinhaltete (Existenzebene) und dadurch die im altkirchlichen „dia´“ gegebene konstitutive Verbindung zwischen Sohn und Heiligem Geist im Kontext der Verbindung zum Vater ansprach (Hervorgang des Geistes aus dem Vater des Sohnes, Zusammenhang von Existenz- und Ursprungsebene). Davon zu unterscheiden ist die extreme Filioque-Tradition, die Vater und Sohn unter Nivellierung der Relationsebenen als zwei Prinzipien des Geistes auf der Ursprungsebene deklarierte. Zum anderen gewÅhrt die dargelegte Basis die KomplementaritÅt eines „mo´nou“, das sich im Sinne des Bedeutungsgehalts „vom EINZIGEN Vater“ versteht – anders als die polemisch-antifilioquistische Konnotation eines photinianisch-palamitischen VerstÅndnisses, das auf die innertrinitarische Isolation des Geistes vom Sohn zielt („vom Vater allein“). Diese M×glichkeit brachte bereits Garrigues (r×m.-kath.) im RÛckgriff auf einen Åhnlichen orthodoxen Vorschlag (V. Bolotov) als KomplementaritÅtsvorschlag bei den Klingenthal-Konsultationen ein, mit dem Hinweis auf Bolotovs Anmerkung, die KirchenvÅter hÅtten bewußt nicht vom Hervorgang des Geistes aus dem Vater allein gesprochen, um die Verbindung zwischen Sohn und Heiligem Geist nicht zu verdecken.283 Weder ein extremes Filioque noch ein extremes mo´nou k×nnen die biblisch bezeugte Wechselwirkung zwischen Sohn und Heiligem Geist – sowie die entsprechend differenzierte Einbindung des Vaters – zum Ausdruck bringen, da ersteres nur den Einfluß des Sohnes auf den Geist im Blick hat und letzteres diesen Einfluß ausblendet. Das extreme Filioque unterstreicht zudem die Tendenz einer Egalisierung aller Relationen zu Ursprungsrelationen mit rein intrapersonaler Reduktion auf die Wesenseinheit (westliche Gefahr), wÅhrend das extreme mo´nou die rein interpersonale Verabsolutierung der Ursprungsbeziehungen mit patromonistischer und pneumatozentrischer PrÅgung f×rdert (×stliche Gefahr). Die daraus resultierenden soteriologischen und ekklesiologischen Konsequenzen sind oben mehrfach er×rtert worden.284

282 283 284

S. o., S. 135, 143 ff. u. 535 f. Vgl. J.-M. Garrigues: Standpunkt, S. 131. Siehe Kap. III.

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Erst die VerhÅltnisbestimmung von Ursprungs- und Existenzebene stellt demgegenÛber die gleichursprÛngliche Perichorese mit ihren hypostatischen Spezifika heraus. Auf diese Weise er×ffnet sie dem Westen die Beachtung der eigentlichen Ursprungsbeziehungen mit ihren personalen Spezifika und die Wahrnehmung des Einflusses des Geistes auf den Sohn, wÅhrend sie dem Osten die BerÛcksichtigung der vielfÅltigen Existenzbeziehungen und des Einflusses des Sohnes auf den Geist erm×glicht. Welche trinitÅtstheologischen, soteriologischen und ekklesiologischen Differenzierungen sich aus diesen nur noch einmal angedeuteten Konsequenzen der Differenzierung zwischen Ursprungs- und Existenzebene ergeben, wurde ebenfalls schon er×rtert und wird im nÅchsten Abschnitt (VI,1.4) noch zum Tragen kommen. Der Ansatz zur L×sung des Filioque-Problems, der aus den angefÛhrten hermeneutischen (biblisch-×konomische Orientierung, ×konomische und spekulative Energienlehre) und trinitÅtstheologischen (Ursprungs- und Existenzebene) Differenzierungen resultiert und sich auf die gemeinsame neunizÅnische Basis zu beziehen vermag, berÛcksichtigt also unterschiedliche hermeneutische und trinitÅtstheologische Aspekte, die die Hauptmotive ost- und westkirchlicher Tradition enthalten und sowohl zwischen Ostund Westkirchen als auch innerhalb der jeweiligen Traditionen noch umstritten sind. Um auf der Basis dieser Differenzierungen eine nachhaltigere Konvergenz erreichen zu k×nnen, bedarf es zunÅchst eines besseren gegenseitigen VerstÅndnisses. Das verlangt nach der Beachtung der oben angefÛhrten Unterscheidung zwischen den jeweils angemessenen westlichen und ×stlichen trinitÅtstheologischen Traditionslinien und ihren jeweils einseitigen Weiterentwicklungen wie dem extremen Filioque oder dem isoliert verstandenen photinianisch-palamitischen „mo´nou“. Denn die analysierten ×kumenischen und konfessionellen Dokumente geben zu erkennen, daß die VernachlÅssigung dieser Nuancierungen AnnÅherungen erschwert, weil beispielsweise eine pauschale Bezugnahme auf die „Filioque“-Tradition keine Abstufungen und Differenzierungen zulÅßt und MißverstÅndnissen Vorschub leistet. Gleiches gilt fÛr einseitig harmonisierende Darstellungen der eigenen Tradition, die es versÅumen, selbstkritisch einseitige Fehlentwicklungen zu benennen. So kann etwa die in der vatikanischen „Klarstellung“ konstatierte KomplementaritÅt der „Filioque“-Tradition mit den in dem Dokument dargelegten AnnÅherungen angesichts des breiten historischen und theologischen Spektrums der „Filioque“-Tradition und der in dem Dokument selektiv vollzogenen Harmonisierung nicht konkret zum Ausdruck bringen, worin die KomplementaritÅt besteht. Dieser Umstand korreliert mit der er×rterten theologischen Unsicherheit und Ambivalenz des Dokuments. Außerdem tragen solche Pauschalisierungen nicht zur offenen Auseinandersetzung mit einseitigen und unangemessenen Entwicklungen in der eigenen Tradition bei, was aber die Voraussetzung fÛr fundierte und trag-

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fÅhige AnnÅherungen wÅre. Deshalb mahnte man schon im Rahmen der Studienarbeit des „Arbeitskreises evangelischer und katholischer Theologen“, die divergierenden Standpunkte in den eigenen Traditionen nicht unberÛcksichtigt zu lassen.285 Zugleich haben die im ×kumenischen Dialog immer wieder vorgetragenen Forderungen nach Anerkennung der Anliegen der jeweils eigenen Tradition durch den ×kumenischen Partner nur Aussicht auf Erfolg, wenn der ×kumenische Partner durch die hier angemahnten KlÅrungen zu erkennen vermag, welche Anliegen und Traditionslinien konkret gemeint sind und welche verworfen werden. Verbunden mit innerkonfessionellen Unsicherheiten und Ambivalenzen kann die fehlende Nuancierung und Offenheit erneut zu Unklarheit statt zu mehr Klarheit fÛhren, wie es bei der Analyse der vatikanischen „Klarstellung“ deutlich wurde.286 Eine konkrete und kriteriologische Grundlage fÛr die jeweils zu eruierenden Voraussetzungen der KomplementaritÅt bestimmter Traditionslinien m×chten die vom Verfasser vollzogenen – und von der gemeinsamen neunizÅnischen Basis abgeleiteten – Differenzierungen anbieten. Die theologische Analyse hat gezeigt, daß die ursprÛngliche Form des NC das neunizÅnische „dia´“-VerstÅndnis impliziert und deshalb sowohl mit der gemÅßigten Filioque-Tradition als auch mit einem gemÅßigten VerstÅndnis des „mo´nou“ KomplementaritÅt aufweist. Die beiden Traditionslinien stellen nÅmlich in der oben beschriebenen Form – im Unterschied zu ihren extremen Ausformungen – keine einseitige Korrektur des neunizÅnischen NC dar, sondern sie verk×rpern Interpretationsformeln, die berechtigte ost- und westkirchliche Interessen komplementÅr zum Ausdruck bringen k×nnen.287 Vor dem Hintergrund dieser Erkenntnis und der Analyse des neunizÅnischen Ansatzes wird ersichtlich, daß das vom NC implizierte VerstÅndnis ost- und westkirchliche hermeneutische und trinitÅtstheologische Anliegen integriert. Somit dÛrfte fÛr die Westkirchen vom theologischen Standpunkt aus gesehen einer Streichung des Filioque bzw. einer RÛckkehr zum ursprÛnglichen Text – es geht ja um die Aufhebung eines einseitigen Eingriffs in das ursprÛngliche Bekenntnis – nichts im Wege stehen, ebensowenig wie einer ostkirchlichen Anerkennung der berechtigten Anliegen der

285 Vgl. K. Lehmann/W. Pannenberg (Hg.): Glaubensbekenntnis, S. 97. Zur vatikanischen „Klarstellung“ s. o., S. 548 f. 286 Die hier vorgetragene EinschÅtzung, die auf die meisten der ×kumenischen und konfessionellen Stellungnahmen zutrifft, findet ihre BestÅtigung durch den Hinweis von B. Oberdorfer: Filioque, S. 544, daß die „KomplementaritÅtsbehauptung“ des vatikanischen Dokuments auf einer multilateralen Studientagung zu diesem Dokument „unter den Vorbehalt einer ‚weiteren gemeinsamen KlÅrung‘ gestellt“ wurde. 287 Vgl. Åhnliche ºberlegungen bei den Klingenthal-Konsultationen, die aber noch nicht genÛgend zwischen angemessenen und extremen Traditionslinien unterschieden haben und somit ambivalent blieben. Vgl. dazu L. Vischer (Hg.): Geist, S. 144 ff.

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gemÅßigten Filioque-Tradition. Letzteres wÅre notwendig, weil die hier er×rterten ZusammenhÅnge erkennen lassen, daß eine formale RÛckkehr zum Ursprungstext noch nicht automatisch eine inhaltlich tragfÅhige Konvergenz hervorbringt.288 Diese hat nÅmlich zur Voraussetzung, daß sowohl innerhalb der ost- und westkirchlichen Tradition als auch zwischen Ostund Westkirchen ein m×glichst breites Einvernehmen Ûber das komplementÅre VerstÅndnis der neunizÅnischen Implikationen des NC herbeigefÛhrt wird, wozu die vom Verfasser vorgelegten Differenzierungen beitragen k×nnten. Eine solche inhaltliche AnnÅherung er×ffnet allerdings nicht nur die Option einer gemeinsamen RÛckkehr zum Ursprungstext, sondern auch die M×glichkeit der gegenseitigen Anerkennung der jeweiligen Bekenntnistraditionen, wie es etwa die vatikanische „Klarstellung“ anstrebt, indem sie das griechische NC als ×kumenischen Ursprungstext anerkennt, aber gleichzeitig am filioquistischen NC als einem teilkirchlichen westlichen Bekenntnis festhÅlt.289 Vom theologischen Gesichtspunkt betrachtet besteht darin eine legitime Alternative, insofern als die Einsicht in die gegebene KomplementaritÅt die M×glichkeit – und nicht die Notwendigkeit – einer Streichung des Filioque beinhaltet, zumal im Westen ohnehin mit der zusÅtzlichen Bezugnahme auf das Apostolikum und das Athanasianum eine PluralitÅt der altkirchlichen Bekenntnisse vorherrscht, die auch die Reformatoren Ûbernahmen. Außerdem erleichtert eine solche komplementÅre ParallelitÅt von ursprÛnglich-griechischem und filioquistisch-lateinischem NC den r×mischkatholischen wie den protestantischen Kirchen die KontinuitÅt ihrer Bekenntnistradition. So haben etwa die lutherischen Kirchen die Aufnahme des filioquistisch erweiterten NC in ihre Bekenntnisgrundlagen zu berÛcksichtigen, wÅhrend die r×misch-katholische Tradition Konzile wie das von Lyon und Florenz beinhaltet. Auch wenn Katholizismus und Protestantismus unterschiedliche Kriterien fÛr die Interpretation oder Reformulierung ihrer ºberlieferung anlegen, die sich wiederum von den Kriterien der Orthodoxie unterscheiden, geben die erwÅhnten ×kumenischen AnnÅherungen in der VerhÅltnisbestimmung von Schrift, Tradition und Kirche290 Anlaß zur Hoffnung, daß alle drei großen konfessionellen Str×mungen auf die

288 Vgl. den bei L. Vischer (Hg.): Geist, dokumentierten Klingenthal-Bericht von „Glauben und Kirchenverfassung“, der in diesem Sinne ebenfalls betont, „daß – selbst, wenn Ost und West sich einigten, zur ursprÛnglichen Fassung des Glaubensbekenntnisses zurÛckzukehren – die Differenz noch nicht behoben wÅre“ (ebd., S. 19). 289 Vgl. die damit Ûbereinstimmende Anschauung von W. Kasper: Gott, S. 272: „Es mÛßten also Ost und West ihre unterschiedlichen Traditionen gegenseitig als legitim anerkennen. Wenn dies geschehen wÛrde, wÅre freilich nicht mehr einzusehen, weshalb der Westen auf seine Bekenntnistradition verzichten sollte.“ 290 S. o., S. 554 f.

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gemeinsame neunizÅnische Basis und die daraus abzuleitenden hermeneutischen und trinitÅtstheologischen Differenzierungen zurÛckgreifen k×nnen, um so zu einem kritischen und differenzierten Umgang mit eigenen Einseitigkeiten und damit zu konvergenten AnnÅherungen zu finden. Im Kontext der auf dieser Basis zu erstrebenden KomplementaritÅt wÅre aber auch die immer wieder vorgeschlagene Neuformulierung des NC denkbar, die den Hervorgang des Geistes durch den Einschub einer konvergenten Formel in das NC prÅzisieren soll.291 Doch aus kanonischer, liturgischer und ×kumenischer Perspektive liegen in den bisherigen ºberlegungen keine echten Alternativen zur gemeinsamen Restitution des ×kumenischen Symbols von 381. Das geht bereits aus einem Beitrag hervor, der als GesprÅchsgrundlage fÛr die „Gemeinsame ErklÅrung des Arbeitskreises evangelischer und katholischer Theologen“ (1981) diente und daran erinnert, daß die vom Westen vollzogene einseitige TextÅnderung eines ×kumenischen Symbols ein bleibendes kanonisches Problem darstellt, das auch liturgische Konsequenzen nach sich zieht, insofern als eine „Šnderung im Wortbestand eines Bekenntnisses [. . .] die ‚homologia‘ unm×glich“ macht. „Die Trennung bleibt im Gottesdienst unÛberh×rbar, selbst wenn sie theologisch vermittelt sein sollte.“292 Diese Aspekte sollten bei den westlichen Sorgen um die Wahrung der KontinuitÅt der eigenen Bekenntnistradition nicht in Vergessenheit geraten. Angesichts des strikten und konstitutiven Festhaltens am filioquistischen NC durch die „Stellungnahme der Kirchenleitung der VELKD“ (1997) wurde bereits die – sich von der Reformationszeit unterscheidende – neue ×kumenische Relevanz des ursprÛnglichen NC er×rtert und die Frage gestellt, welche Fassung des NC heute wohl mehr der Intention der Reformatoren entspricht, mit dem RÛckbezug auf das NC die °kumenizitÅt des reformatorischen Glaubens auszudrÛcken. Auch die vatikanische „Klarstellung“ lÅßt erkennen, daß die intensivere Auseinandersetzung mit der eigenen Bekenntnistradition durchaus – anders als vorher im Katholizismus – zur Anerkennung der griechischen Fassung des NC fÛhren kann. Indem die vom Verfasser dargelegten hermeneutischen und trinitÅtstheologischen Differenzierungen den verschiedenen Traditionen den Zugang zur

291 DarÛber wurde z. B. auch auf den Klingenthal-Konsultationen diskutiert: „Viele Theologen auf beiden Seiten sind der Meinung, daß der pneumatologische Artikel des Glaubensbekenntnisses von Konstantinopel in der Tat unvollstÅndig ist, und einige haben vorgeschlagen, gemeinsam eine Neuformulierung vorzunehmen.“ Siehe L. Vischer (Hg.): Geist, S. 78, und vgl. in bezug auf m×gliche Formulierungen ebd., S. 20 (geht aus dem Vater durch den Sohn, geht aus vom Vater und empfÅngt vom Sohn etc.). Auch diese Beispiele leiden unter der fehlenden konsequenten Unterscheidung zwischen „Hervorgang“ und „Ausgang“. 292 K. Lehmann/W. Pannenberg (Hg.): Glaubensbekenntnis, S. 81.

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neunizÅnischen Synthese und ihrem KomplementaritÅtspotential zu er×ffnen versuchen, verweisen sie zugleich auf die inhaltliche Grundlage fÛr eine tragfÅhige Restitution der °kumenizitÅt des ursprÛnglichen NC. Die RÛckkehr zur liturgischen °kumenizitÅt des ursprÛnglichen NC erscheint nÅmlich vor diesem Hintergrund als ×kumenisch verheißungsvoll, weil durch die Differenzierungen die neunizÅnischen Implikationen des NC als gemeinsame Grundlage der KomplementaritÅt der jeweiligen angemessenen Traditionslinien in Ost und West hervortreten. So k×nnte das mit dem kappadozischen „dia´“ gegebene VerstÅndnis des Hervorgangs des Geistes vom Vater erneut seine ×kumenische Funktion einnehmen, die schon damals durch Maximus Confessor oder das 7. °kumenische Konzil von NizÅa (787) bekrÅftigt wurde. Auf dieser Grundlage ließe sich die in ×kumenischen Dialogen immer wieder anvisierte L×sung des Filioque-Problems, eine Restitution des Ursprungstextes mit einer fundierten ErlÅuterung der KomplementaritÅt ×stlicher und westlicher Tradition zu verbinden, nachvollziehbar und ÛberprÛfbar in die Wege leiten. Um den AnnÅherungsprozeß zu unterstÛtzen, der sich sowohl innerhalb der ost- und westkirchlichen Tradition als auch zwischen Ost- und Westkirchen zu vollziehen hat, lassen sich ºbergangsl×sungen finden, wie sie bereits vielfach praktiziert werden und in einigen der oben behandelten Berichte und Stellungnahmen in Erscheinung treten. So wÅre es denkbar, aus Respekt vor der eigenen Tradition und ihren berechtigten Anliegen das filioquistische NC trotz des liturgischen Gebrauchs des ursprÛnglichen NC zunÅchst im Bekenntnisbestand zu belassen und diesen Umstand durch eine begleitende ErklÅrung zu erlÅutern.293 Wie auch immer sich die Kirchen in bezug auf die konkrete Handhabung der gestellten ×kumenischen Aufgabe verhalten, wichtig bleibt die inhaltliche AnnÅherung, weil sie die grundsÅtzliche hermeneutische, trinitÅtstheologische und ekklesiologische Orientierung der verschiedenen Traditionslinien betrifft. Der gemeinsame RÛckgriff auf die neunizÅnischen Grundlagen und die daraus abzuleitenden Differenzierungsm×glichkeiten k×nnte diesbezÛglich gemeinsame Perspektiven er×ffnen, auf deren Basis sich bisherige Einseitigkeiten Ûberwinden ließen. Deshalb soll im nÅchsten Abschnitt noch einmal exemplarisch darauf hingewiesen werden, in welchem Zusammenhang die – aus der angemessenen Zuordnung von Ursprungs- und Existenzebene resultierende – Wahrnehmung der differenzierten trinitarischen Perichorese und ihrer Gleichzeitigkeit von intra- und interpersonaler Dimension mit der Bestimmung des VerhÅltnisses von „GegenÛber und NÅhe“

293 Vgl. B. Oberdorfer: Filioque, S. 565, der solche M×glichkeiten in Anbetracht der vorherrschenden ZurÛckhaltung der lutherischen Kirchen bedenkt, im Ûbrigen aber als Konsequenz seiner umfangreichen Auseinandersetzung mit dem Filioque-Problem auch die Option der gemeinsamen RÛckkehr zum ursprÛnglichen NC favorisiert (vgl. ebd., S. 508 u. 564 f.).

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Gottes sowie mit einer ausgewogenen trinitarisch fundierten Ekklesiologie steht. Denn diese Differenzierungen gewÅhrleisten einen ekklesiologischen Ansatz, der weder zur einseitig intrapersonalen noch zur einseitig interpersonalen Identifikation g×ttlicher und weltlicher bzw. kirchlicher Strukturen fÛhrt (Vereinnahmung Gottes), sondern in analoger ekklesiologischer Entsprechung zu Gottes trinitarischer Liebe den Raum fÛr die Liebesgemeinschaft zwischen Gott und Mensch sowie zwischen den Menschen untereinander er×ffnet. 1.4 Die Gleichzeitigkeit von „GegenÛber und NÅhe“ sowie von intra- und interpersonaler Dimension Gottes als Basis einer ausgewogenen Ekklesiologie Im vorhergehenden Abschnitt (Kap. VI,1.3) wurde bereits detailliert er×rtert, wie die biblisch-×konomisch wahrnehmbare Interdependenz von innertrinitarischen Ursprungs- und Existenzbeziehungen den adÅquaten Zusammenhang von gleichursprÛnglicher trinitarischer Perichorese und personalen Spezifika der trinitarischen Personen erkennen lÅßt. Dabei bedarf die mehr interpersonale perichoretische Durchdringung der trinitarischen Personen sowohl der Dimension des Selbstandes als auch der Dimension der RelationalitÅt, um die freie innerg×ttliche Gemeinschaft der Liebe (Koinonia) zu gewÅhrleisten, wÅhrend das mehr intrapersonale perichoretische Ineinandersein der trinitrarischen Personen ihrer Wesenseinheit bedarf, um die g×ttliche Einheit bzw. das Einssein Gottes zu garantieren. Die drei biblisch erkennbaren Aspekte Selbstand, Relation und Wesenseinheit bilden also die Voraussetzung fÛr ein sachgemÅßes VerstÅndnis innertrinitarischer Koinonia der Liebe in der Einheit Gottes. Ihre Einheit erhalten die in den Ursprungsbeziehungen ansichtig werdenden personalen hypostatischen Spezifika, die auch von den ewigen Existenzbeziehungen geprÅgt sind, außerdem durch das gleichursprÛngliche wechselseitige RelationsgefÛge auf der Existenzebene. Insofern lÅßt sich nicht nur die Existenz der jeweiligen trinitarischen Personen als „Selbstand in Relation“ qualifizieren, sondern auch das gesamte Sein Gottes, der in dieser Interdependenz als intrapersonale Wesenseinheit der interpersonalen Relationen dreier Personen existiert (Ineinander von psychologischer und sozialer Analogie). Deshalb beinhaltet Gottes Sein das biblisch vorgegebene paradoxale Geheimnis der – allein in Gott existierenden – Gleichzeitigkeit von intra- und interpersonaler Dimension.294 Aufgrund dieser inhaltlichen Beobachtung wurde die Terminologie „intra- und interpersonale Dimension“ vom Verfasser explizit als grundsÅtzliches

294

Zur detaillierten Er×rterung dieser ZusammenhÅnge siehe Kap.VI,1.3 u. 1.4.

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Begriffspaar eingefÛhrt, um die EigentÛmlichkeit des g×ttlichen Wesens gegenÛber intra- oder interpersonalen weltlichen Strukturen aufzuzeigen und einseitige Identifikationen des g×ttlichen Seins mit intra- oder interpersonalen anthropologischen und ekklesiologischen Strukturen als Vereinnahmung Gottes aufdecken zu k×nnen.295 Denn solchen Identifizierungen und Vereinnahmungen steht die aus der Gleichzeitigkeit von intra- und interpersonaler Dimension resultierende Gleichzeitigkeit von „GegenÛber und NÅhe“ Gottes entgegen. Das in seinem intrapersonalen Selbstsein begrÛndete „GegenÛber-Sein“ Gottes vermag sich durch seine innerg×ttliche interpersonale Koinonia den Menschen in den heils×konomischen Strukturen der Inkarnation und Einwohnung zu nÅhern, ohne sein intrapersonales „GegenÛber-Sein“ aufgeben zu mÛssen. So ist Gott weder in eine unerreichbare Transzendenz abzuschieben noch droht er in der Welt aufzugehen oder von ihr abhÅngig zu werden, sondern er bietet die Voraussetzung fÛr das in der Schrift bezeugte VerhÅltnis von Freiheit und Liebe, das die Gemeinschaft zwischen Gott und Mensch prÅgen darf und die sÛndhaften Aspekte menschlicher Selbstverg×ttlichung ebenso ernst nimmt wie Gottes gnÅdige Zuwendung. Daher k×nnen zum einen Tendenzen einer natÛrlichen ErgÅnzungstheologie abgewehrt werden, die den Aspekt der Krisis unterbewerten und die g×ttliche Gnade weniger als aufopferungsvolle Selbsthingabe, sondern mehr als ErgÅnzung menschlicher AufwÅrtsbewegung erscheinen lassen (z. B. bei K. Rahner und I. D. Zizioulas).296 Zum anderen werden Tendenzen zurÛckgewiesen, die wegen einer defizitÅren „distinctio“ zwischen ×konomischer und immanenter TrinitÅt die Gefahr beinhalten, aus der heilsgeschichtlichen Liebe Gottes „pro nobis“ (stellvertretende sÛhnende Hingabe) eine Geschichte der Selbsterl×sung und der Vollendung Gottes werden zu lassen (z. B. bei J. Moltmann und W. Pannenberg).297 Die genannten Tendenzen beruhen nÅmlich auf einer intra- ODER interpersonalen Reduktion der g×ttlichen Seinsstruktur, wodurch die Identifikation

295 Zur EinfÛhrung des Begriffspaares s. o., S. 105. – B. J. Hilberath verwendet zwar auch in bezug auf Gottes Sein die Begrifflichkeit „interpersonal“ oder „intrapersonal“, aber nicht als grundsÅtzliches Begriffspaar. Inhaltlich kommt bei ihm nÅmlich nicht die gleichwertige Gleichzeitigkeit beider Dimensionen zum Tragen, sondern er integriert das intrapersonale Modell (psychologische Analogie) in das interpersonale Modell (soziale Analogie), indem er vorschlÅgt, „von dem interpersonalen Modell auszugehen und das Anliegen des intrapersonalen Modells darin zu integrieren“ (B. J. Hilberath: Pneumatologie, S. 533). Vgl. ebd., S. 538 u. 572; ders.: Gott, S. 88; ders.: Personbegriff, S. 312 ff. Aufgrund der ungleichgewichtigen Zuordnung beider Dimensionen tritt bei Hilberath der Unterschied zwischen g×ttlicher und menschlicher Struktur bzw. PersonalitÅt noch nicht deutlich hervor. – Die folgenden AusfÛhrungen enthalten eine detaillierte Er×rterung dieses Unterschieds. 296 S. o., S. 254 ff. u. 317 ff. 297 S. o., S. 293 ff. u. 536 ff.

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der g×ttlichen Seinsstruktur mit den entsprechenden weltlichen Strukturen gelingt, was sich unter BerÛcksichtigung der einmaligen Gleichzeitigkeit von intra- und interpersonaler Dimension Gottes verhindern ließe. Beispielsweise erlaubt Rahners rein intrapersonaler trinitÅtstheologischer Ansatz die Identifikation der trinitarischen Strukturen mit existentialistisch und idealistisch gefÅrbten intrapersonalen anthropologischen Strukturen, so daß die soeben genannte linear-ergÅnzungstheologische Gottesbeziehung entstehen kann, wÅhrend Moltmanns einseitig interpersonale TrinitÅtslehre die Identifikation mit sozialer und geschichtlicher RelationalitÅt erm×glicht und aufgrund der gleichzeitigen VernachlÅssigung des intrapersonal begrÛndeten „GegenÛber-Seins“ Gottes eine wesensmÅßig konstitutive AbhÅngigkeit Gottes von der Weltgeschichte impliziert.298 Dahingegen verbietet sich durch die Gleichzeitigkeit von intra- und interpersonaler Dimension Gottes mit ihrem freien VerhÅltnis von „GegenÛber und NÅhe“ zur Welt eine fÛr die Konstitution des g×ttlichen Wesens bestehende AbhÅngigkeit von der Welt ebenso wie ein linear-ergÅnzungstheologisches GottesverhÅltnis. Das gilt auch fÛr emanatorische Formen des Aufgehens Gottes in der Welt (einseitige Betonung der „NÅhe“). Gleichzeitig widerstreitet dieser Charakter des g×ttlichen Seins allen dualistischen Formen der Vereinnahmung Gottes (einseitige Betonung des „GegenÛbers“), die Gottes auf der Handlungsebene (Werkgerechtigkeit) oder auf der Seinsebene (g×ttlicher Funke oder Geist im Menschen) habhaft werden wollen.299 Die in der Gleichzeitigkeit von „GegenÛber und NÅhe“ gnÅdig gewÅhrte Heilsgemeinschaft zwischen Gott und Mensch, die solche Vereinnahmungen ausschließt, qualifiziert die Kirche als gott- menschliche Gemeinschaft, die weder als g×ttlich-klerikale Heilsanstalt noch als anthropologisch-funktionale Gemeinschaft zu verstehen ist, sondern als Gemeinschaft der Glaubenden, die der Heilige Geist als Koinonia des Leibes Christi zusammenschließt. Das fÛr die soteriologische AuthentizitÅt dieser Koinonia maßgebliche VerhÅltnis von verborgener und sichtbarer Kirche bzw. von Geist und Institution, das die Entfaltung g×ttlicher und menschlicher PersonalitÅt als Voraussetzung freier Liebesgemeinschaft zwischen Gott und Mensch bei der Einwohnung Gottes zu gewÅhrleisten hat, ist wiederum vom trinitÅtstheologischen VerhÅltnis der christologischen und pneumatologischen Gegenwart Gottes in der Kirche abhÅngig. Denn dieses VerhÅltnis bestimmt die QualitÅt des VerhÅltnisses von „GegenÛber und NÅhe“ Gottes und vermag so vor unangemessenen Identifizierungen zu schÛtzen.300 Wegen der trini298

Siehe Kap. IV,1.1.2 u. IV,2.2. S. o., S. 94 f. 300 S. o., S. 47 f. u. 55 ff. – Vgl. S. Wiedenhofer: Ekklesiologie, S. 97: „Kirche und Reich Gottes sind auf der Ebene der Geschichte wie im Hinblick auf die Vollendung zugleich zu identifizieren und zu unterscheiden. Die VorlÅufigkeit und InstrumentalitÅt der Kirche ist genauso wichtig wie ih299

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tÅtstheologischen, anthropologischen und ekklesiologischen Maßgeblichkeit dieser Komponenten wurde in der vorliegenden Untersuchung das Begriffspaar „GegenÛber und NÅhe“ eingefÛhrt, um die Heilsgegenwart Gottes in der Kirche und bei den Menschen differenziert er×rtern zu k×nnen.301 Das VerhÅltnis von „GegenÛber und NÅhe“ Gottes korreliert auch mit der differenzierten Selbsterschließung Gottes im VerhÅltnis von „Ahnung und Offenbarung“, da Gottes „NÅhe“ in den AnknÛpfungspunkten der Sch×pfung („Ahnung“) im Zusammenhang mit dem sich heilsgeschichtlich offenbarenden „GegenÛber“ (personales Geheimnis) steht, so daß sich die Gotteserkenntnis in der differenzierten – von „GegenÛber und NÅhe“ geprÅgten – Gemeinschaft mit Gott vollzieht, die erst wahre NÅhe des GegenÛbers erm×glicht (Koinonia-Erkenntnis).302 Die jeweilige EinschÅtzung des trinitarisch begrÛndeten VerhÅltnisses von „GegenÛber und NÅhe“ Gottes, die offenbarungstheologisch auch auf der EinschÅtzung des VerhÅltnisses von energetischer und hypostatischer Erkenntnis sowie von ×konomischer und immanenter TrinitÅt beruht und trinitÅtstheologisch maßgeblich mit der Zuordnung von Ursprungs- und Existenzbeziehungen sowie von intra- und interpersonaler Dimension zusammenhÅngt, schlÅgt sich in entsprechenden ekklesiologischen Qualifizierungen nieder. Wenn etwa im Westen die rational geprÅgte Nivellierung aller innertrinitarischen Beziehungen zu Ursprungsbeziehungen eine egalitÅre innertrinitarische RelationalitÅt bewirkt, fÛhrt das zur – ekklesiologisch relevanten – einseitigen Betonung der intrapersonalen Einheit und zur christozentrisch-filioquistischen Tradition. Letzteres liegt daran, daß auf diese Weise auch die Beziehungen des Sohnes zum Geist prinzipiativ zu verstehen sind. Aus der so vollzogenen Einengung des Geistes auf seine Funktion als Gabe und aus der fehlenden aktiven VergegenwÅrtigung Christi durch die Person des Heiligen Geistes kann eine christozentrisch-korporative Identifizierung von Christus und Kirche erfolgen, die Gottes lebendige und stÅndige Gegenwart im personalen „GegenÛber“ des Heiligen Geistes vernachlÅssigt (r×m.-kath. Gefahr). Weil sich diese Identifizierung unter alleiniger Bezugnahme auf die SendungstrinitÅt vollzieht, legt sie eine hierarchisch-zentralistische Struktur nahe, indem sie die Amtsgewalt in Analogie zur SendungstrinitÅt linear von Christus ableitet (vertikal absteigend: Vater – Christus – Amt – Laien) und die Charismen des Geistes

re anfanghafte und zeichenhafte IdentitÅt mit dem Reich Gottes. Die Dialektik von Verborgenheit und Offenbarkeit Gottes, die fÛr die Gegenwart des Reiches Gottes in der Welt grundlegend ist, ist zugleich die M×glichkeitsbedingung der Freiheit im VerhÅltnis von Mensch und Gott: Denn erst die zeichenhafte Anwesenheit und zugleich Verborgenheit des Sch×pfers erm×glicht die Freiheit des Gesch×pfes, die Freiheit des Sicheinlassens auf den Ruf des offenbaren-verborgenen Gottes.“ – Um MißverstÅndnissen vorzubeugen, wÅre wohl besser von der Antizipation des Reiches Gottes durch die Kirche statt von der IdentitÅt beider zu sprechen. 301 Zur EinfÛhrung des Begriffspaares s. o., S. 36. 302 Siehe Kap. VI,1.1.

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fÛr die einzelnen zurÛckdrÅngt (institutionell-hierarchischer Zentralismus). Zugleich lÅßt sich der auf seine Funktion als Gabe reduzierte Heilige Geist – gemÅß der scholastischen Gnadenlehre – als natÛrlicher Habitus vereinnahmen.303 Seine kirchenkritische Funktion kann der Heilige Geist aber nur als personale trinitarische Hypostase ausÛben, die den Glaubenden einwohnt und dabei zugleich deren GegenÛber bleibt. Diese Eigenschaft des Heiligen Geistes, selbst noch einmal wie die gesamte TrinitÅt die Gleichzeitigkeit von „GegenÛber und NÅhe“ Gottes verk×rpern zu k×nnen, wird durch seine Reduktion auf einen natÛrlichen Habitus ebenso beeintrÅchtigt wie durch sein rein energetisches VerstÅndnis in vielen ostkirchlichen AnsÅtzen. Denn diese reduzieren den Heiligen Geist damit ebenfalls auf eine intermediÅre RealitÅt und lassen ihn als hypostatisch gegenwÅrtigen Geber bzw. als – auch kirchenkritisch – handelndes personales GegenÛber ebensowenig in Erscheinung treten wie westliche filioquistische AnsÅtze (reine Gnadengabe).304 Derartigen ostkirchlichen AnsÅtzen zugrundeliegende apophatische Ausblendungen der Existenzbeziehungen (Verabsolutierung der Ursprungsbeziehungen) verleiten in entsprechend interpersonaler Einseitigkeit mit ihren patromonistischen und pneumatomonistischen Tendenzen (isolierte Monarchie des Vaters und fehlende christologische RÛckbindung des Geistes) dazu, eigene energetische Geisterfahrung bzw. eigene Tradition wegen fehlender christologischer RÛckbindung zum Kriterium zu erheben. Dabei kommt es aufgrund mangelnder theologia crucis zu einseitiger Betonung der theologia gloriae und der Symphonia von Kirche und Welt. Die interpersonal ausgerichtete Konzentration auf die partikularen trinitarischen Hypostasen der Ursprungsbeziehungen korreliert mit dem ekklesiologischen Hang zu nationalkirchlicher PartikularitÅt, die aufgrund patromonistisch-subordinatianistischer Tendenzen hierarchisch-episkopozentrisch geprÅgt ist. Diese patromonistisch und pneumatomonistisch gefÅrbte PartikularitÅt mit ihren ekklesiologischen Implikationen wÅre durch die BerÛcksichtigung der wechselseitigen Existenzbeziehungen und der perichoretischen GleichursprÛnglichkeit zu Ûberwinden.305 Umgekehrt k×nnte die westliche Nivellierung aller trinitarischen Relationen zu Ursprungsbeziehungen, die sich zumeist auf die – in einheitlicher RelationalitÅt begrÛndete – intrapersonale Einheit konzentriert, durch die Beachtung der Spezifika der eigentlichen Ursprungsbeziehungen und ihres Unterschieds zu den Existenzbeziehungen aufgebrochen werden, so daß die personale EigenstÅndigkeit des Heiligen Geistes mit ihren ekklesiologischen Konsequenzen zum Tragen kÅme. Der Geist mÛßte so weder als inhÅrente Gabe einer christozentrischen Korporativ-Ekklesiologie (r×m.-kath. Gefahr) noch lediglich als Gnadenkraft einer individualistischen Gnadenlehre (prot. Gefahr) gelten. Im Protestantismus vermag nÅmlich aus der einseitigen westlichen Charakterisierung des Geistes als Gabe dessen reduktionistische Anbindung an die individualistische Gnadenlehre zu folgen (Konzentration auf den zweiten Artikel), was die Bedeutung des Geistes fÛr

303 304 305

Z. B. siehe Kap. I,3; III,1; V,1. S. o., S. 446 ff. Z. B. siehe Kap. I,3; III,1; IV,3.2; V,2.1.

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sichtbare und gemeinschaftliche Strukturen (dritter Artikel) schmÅlert.306 Zuweilen kommt es hier wegen der westlichen Egalisierung von Ursprungs- und Existenzebene auch zu egalitÅren ekklesiologischen und amtstheologischen Tendenzen, die ebenfalls durch die Wahrnehmung der Spezifika der eigentlichen Ursprungsbeziehungen und ihres VerhÅltnisses zu den wechselseitigen Existenzbeziehungen eine adÅquatere Differenzierung erhalten k×nnten.307

Die jetzt nur noch einmal angedeuteten ZusammenhÅnge zwischen trinitÅtstheologischen und ekklesiologischen Einseitigkeiten, die in der vorliegenden Untersuchung ausfÛhrlich analysiert wurden, sind im folgenden hinsichtlich ihrer ºberwindung noch detaillierter zu er×rtern. Doch zunÅchst sei daran erinnert, daß auch der Nachweis des konstitutiven theologischen Zusammenhangs von TrinitÅt und Kirche sowie des interdependenten Zusammenhangs von TrinitÅts- und KirchenverstÅndnis in seiner ×kumenischen Relevanz gelang308, und zwar durch die Analyse biblischer und kirchengeschichtlicher Grundlagen sowie unterschiedlicher theologischer Konzeptionen. So ließ sich nachweisen, daß den mit defizitÅren offenbarungstheologischen AnsÅtzen einhergehenden trinitÅtstheologischen Einseitigkeiten in der Regel ein analog defizitÅrer ekklesiologischer Entwurf entsprach, wobei auch BrÛche in der Analogie auftraten oder umgekehrt der Einfluß ekklesiologischer PrÅmissen auf die TrinitÅtslehre hervortrat, wenn es um die Durchsetzung eigener ekklesiologischer oder amtstheologischer AnsprÛche ging. Bei der Analyse solcher ZusammenhÅnge offenbarte sich die Bedeutung der in dieser Untersuchung vollzogenen hermeneutischen und trinitÅtstheologischen Differenzierungen fÛr die ºberwindung der Defizite.309 Im Ûbrigen lassen sich auch die in diesem Abschnitt aufgezeigten Differenzierungen bezÛglich der Gleichzeitigkeit von intra- und interpersonaler Dimension sowie von „GegenÛber und NÅhe“ Gottes mit ihren ekklesiologischen Implikationen von der neunizÅnischen Basis ableiten, weil sich AnsÅtze dieser Differenzierungen und ihrer Konsequenzen inhaltlich bei Tertullian oder den Kappadoziern sowie in der anfÅnglichen Rezeption des NC (381) finden. WÅhrend schon der Vordenker der abendlÅndischen TrinitÅtslehre, Tertullian, inhaltlich die Gleichzeitigkeit von intra- und interpersonaler Dimension Gottes mit analogen ekklesiologischen Konsequenzen erkennen lÅßt310, enthÅlt die kappadozische TrinitÅtslehre mit ihrer inhaltlichen Wahrnehmung der Gleichzeitigkeit von intra- und interpersonaler

306 Zu den allgemeinen Merkmalen trinitÅtstheologisch bedingter ekklesiologischer Defizite in Protestantismus, Katholizismus und Orthodoxie s. o., S. 34–37, und siehe Kap. I,3 u. III. 307 Siehe Kap. V,3. 308 Vgl. zur grundsÅtzlichen BegrÛndung Kap. I. 309 Z. B. siehe Kap. V,4, und vgl. zu den biblischen und kirchengeschichtlichen Grundlagen Kap. II u. III. 310 S. o., S. 103 ff.

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Dimension die Einsicht in die gleichursprÛngliche trinitarische Perichorese, ohne dabei die EigentÛmlichkeiten (Proprien) bzw. die hypostatischen Spezifika der trinitarischen Personen zu vernachlÅssigen (Selbstand in Relation). Dieser differenzierten innertrinitarischen Koinonia entspricht analog ein differenziertes ekklesiologisches Koinonia-VerstÅndnis.311 Denn die auf der neunizÅnischen Basis beruhende altkirchliche Ekklesiologie erweist sich der trinitarischen Perichorese entsprechend als Koinonia von gegenseitigem Geben und Empfangen, und zwar in der Interdependenz von Amt und Priestertum aller Glaubenden sowie von Orts- und Universalkirche. Der Gottes „GegenÛber und NÅhe“ vermittelnde Heilige Geist gewÅhrt durch seine Einwohnung jedem Glaubenden unmittelbaren Zugang zum g×ttlichen Heil, wobei er auch innerhalb der Kirche eine Struktur von „GegenÛber und NÅhe“ erm×glicht, weil das Amt als Zeichen des „GegenÛberSeins“ Gottes dient und die „NÅhe“ Gottes in den Charismen eines jeden Getauften zum Ausdruck kommt. Amt und Gemeinde sind untrennbar aufeinander angewiesen, denn die GlaubensermÅchtigung aller Getauften durch den Heiligen Geist bildet als Priestertum aller Glaubenden den Kontext des spezifischen Amtes der ×ffentlichen VerkÛndigung in Wort und Sakrament, das um der Ordnung und Einheit willen notwendig ist und zugleich den Charakter einer von Gott verliehenen und eingesetzten Gnadengabe besitzt. In der Interdependenz von Amt und Gemeinde verk×rpert das Amt also selbst noch einmal den Zusammenhang von „GegenÛber und NÅhe“. Außerdem besteht eine Analogie zur gleichursprÛnglichen Perichorese mit ihren hypostatischen Spezifika, da das ordinierte Amt als ekklesiologisches Spezifikum in die graduell gleichwertige RelationalitÅt aller Glaubenden eingebunden bleibt. Auch das altkirchliche VerhÅltnis von Orts- und Universalkirche spiegelt die trinitarische Perichorese wider. Jede partikulare eucharistische Gemeinschaft bzw. Ortskirche verk×rpert je fÛr sich das Wesen der ganzen Kirche wie jede trinitarische Person je fÛr sich das gesamte Wesen Gottes verk×rpert, und die Universalkirche existiert in der konziliaren Gemeinschaft aller Ortskirchen wie Gott in der wesenseinen RelationalitÅt aller trinitarischen Personen existiert. Diese Analogien werden von den KirchenvÅtern zwar nicht in derart detaillierter Weise er×rtert, sie lassen sich aber aus ihren trinitÅtstheologischen und ekklesiologischen AnsÅtzen sowie den altkirchlichen Strukturen ableiten. Daß etwa die BeschlÛsse der – auch von Laien besuchten – Konzile im Leben der Ortskirchen zu rezipieren waren, kann sowohl als BestÅtigung der perichoretischen Interdependenz von Amt und allgemeinem Priestertum als auch der Interdependenz von Ortsund Universalkirche gelten.

311

Siehe Kap. II,3.

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Die trinitarische Konstitution der Kirche lÅßt sich außerdem aus der Einbindung der Ekklesiologie in den dritten Artikel des NC ablesen, in dem die Eigenschaften (notae) der geglaubten verborgenen Kirche (Einheit, Heiligkeit, KatholizitÅt, ApostolizitÅt) in die trinitarische Interdependenz der drei Artikel integriert sind. Weil das Leben der sichtbaren Kirche dieser trinitarischen Koinonia zu entsprechen hat, sind die Åußeren Kennzeichen der sichtbaren Kirche (notae externae: Wort-, Sakraments-, AmtsverstÅndnis etc.) auf diese Entsprechung hin zu befragen, was sich wiederum auf der Basis des kriteriologischen VerhÅltnisses von Schrift, Tradition und Kirche zu vollziehen hat. In der Alten Kirche bestand noch ein sachgemÅßes dynamisches VerhÅltnis von Schrift, Tradition und Kirche, das einer ausgewogenen TrinitÅtslehre korrespondierte: Wie der Heilige Geist die Kirche begleitet und Christus der VergegenwÅrtigung durch den Heiligen Geist bedarf, wÅhrend dieser auf Christus als den sichtbaren Maßstab der Kirche angewiesen bleibt, so bedarf die Schrift des ºberlieferungsprozesses der – die Kirche begleitenden – Tradition, wÅhrend sie zugleich deren kanonischen Maßstab verk×rpert. Auf der Grundlage dieser noch einmal knapp zusammengefaßten Merkmale bietet die Alte Kirche einen verheißungsvollen hermeneutischen, trinitÅtstheologischen und ekklesiologischen Rahmen312, den zwar die einseitigen Weiterentwicklungen in Ost und West Ûberschatteten, der aber in kirchengeschichtlichen Phasen trinitÅtstheologischer Besinnung immer wieder mit entsprechenden ekklesiologischen Fortschritten aufleuchtete. Nachdem im dritten Kapitel der Untersuchung sowohl die Entwicklungsphasen der jeweiligen Einseitigkeiten als auch die Phasen der trinitÅtstheologischen Besinnung detailliert erarbeitet wurden, sei hier nur kurz daran erinnert, daß zum Beispiel Luther durch seine Verbindung von augustinischer und athanasianisch-kappadozischer TrinitÅtslehre im Westen die PersonalitÅt des Heiligen Geistes herauszustellen vermochte und dadurch Gottes „GegenÛber und NÅhe“ ekklesiologisch neu zur Geltung brachte. GegenÛber individualistisch-enthusiastischen Str×mungen betont Luther die RÛckbindung des Geistes an die Christologie sowie die Relevanz der kirchlichen Gemeinschaft, wÅhrend er gegenÛber der mittelalterlichen institutionell-juridischen Klerikalisierung der Kirche (Heilsmittlerin) die kirchenkritische Funktion des Geistes herausstellte. Durch die Betonung der personalen Einwohnung des Geistes in den einzelnen Glaubenden korrigiert Luther das GegenÛber von Kirche bzw. Amt und Kirchenvolk wieder zum GegenÛber von Gott und Kirche als Gemeinschaft der Heiligen, weil der Heilige Geist nicht als eine der Kirche inhÅrente Komponente zu gelten hat. Mit der Besinnung auf das altkirchliche VerstÅndnis der trinitarischen Koinonia verband sich fÛr Luther der RÛckgriff auf die altkirchliche Koinonia-Ek-

312 Insgesamt s. o., S. 137 f. u. 144–153. Zur umfassenden Er×rterung des VerhÅltnisses von Schrift, Tradition und Kirche vgl. M. Haudel: Bibel (vgl. dazu Anm. 24, Einleitung; Anm. 97 u. 115, I. Kap., und Anm. 248, II. Kap.).

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klesiologie mit ihrer Interdependenz von Amt und Gemeinde sowie von Orts- und Universalkirche, so daß er als eines der Kriterien fÛr die rechte sichtbare Kirche die ºbereinstimmung mit der „rechten alten Kirche“ nannte, was den ost-westkirchlichen Implikationen von Luthers trinitarisch-ekklesiologischer Konzeption korrespondiert.313 WÅhrend viele dieser Aspekte spÅter im Protestantismus wieder verschÛttet wurden, bevor sie durch trinitÅtstheologische Besinnung teilweise wieder hervortraten (z. B. durch die mit biblischer Besinnung verbundene Besinnung auf TrinitÅt und Kirche bei K. Barth), lassen sich auch in der Orthodoxie und im Katholizismus trinitÅtstheologische Besinnungen und AufbrÛche mit analogen ekklesiologischen Konsequenzen aufzeigen. So etwa im 19. Jahrhundert bei dem orthodoxen Theologen Zekos Rhoses, der die Verabsolutierung der Ursprungsbeziehungen in der orthodoxen Schuldogmatik und deren partikularistisch-interpersonale TrinitÅtslehre durch die Erinnerung an die Ûbrigen wechselseitigen innertrinitarischen Existenzbeziehungen Ûberwand und dadurch auch die intrapersonale Wesenseinheit registrierte. Mit solchen Formen trinitÅtstheologischer Besinnung gingen in Teilen der Ostkirche ekklesiologische Fortschritte einher, die hierarchische und nationalkirchliche Tendenzen der Schuldogmatik relativierten. Auf katholischer Seite fand zum Beispiel im 19. Jahrhundert Matthias Joseph Scheeben durch den RÛckgriff auf die griechischen KirchenvÅter gegenÛber der Neuscholastik zu einer gemeinschaftlich-perichoretisch geprÅgten TrinitÅtslehre und zu einer daraus resultierenden Darstellung der Kirche als Gemeinschaft aller Glaubenden. Das Zweite Vatikanische Konzil erreichte schließlich in biblischer und patristischer Orientierung, daß Ûber die traditionelle Ausrichtung an der intrapersonalen Wesenseinheit Gottes und der damit korrelierenden monistischen Leib-Christi-Ekklesiologie hinaus ein heilsgeschichtlich-personales TrinitÅtsverstÅndnis und eine analoge Communio-Ekklesiologie ins Blickfeld traten. Dieser Fortschritt, der allerdings auf dem Konzil ambivalent blieb, wurde in der Folgezeit erneut durch einseitig intrapersonal-trinitÅtstheologische und analog korporativ-ekklesiologische AnsÅtze (J. Ratzinger) Ûberdeckt.314

Auch wenn die kirchengeschichtliche Entwicklung in allen großen konfessionellen Str×mungen immer wieder den Zusammenhang von TrinitÅtslehre und Ekklesiologie hervortreten lÅßt, darf nicht vergessen werden, daß das VerhÅltnis von trinitarischer und kirchlicher Koinonia nur ein analoges VerhÅltnis sein kann. Die heilsgeschichtliche Selbsterschließung Gottes in der Welt mit ihren vestigia trinitatis und seine christologische und pneumatologische Anwesenheit in der Kirche sowie die in der Schrift gegebenen Hinweise auf das analoge VerhÅltnis von trinitarischer g×ttlicher Existenz und kirchlicher Gemeinschaft (z. B. Joh 17,21 ff.) erlauben eine analoge Konvertierbarkeit trinitarischer Strukturen in ekklesiologische Strukturen, allerdings unter der PrÅmisse, daß der Unterschied zwischen Gottes einmaliger Seins313

Zur detaillierten Analyse der theologischen Konzeption Luthers siehe Kap. III,2. Zu diesen Entwicklungen insgesamt siehe Kap. III,3, und zur Analyse von Ratzingers Ansatz und dessen Relevanz fÛr die theologische und ekklesiologische Entwicklung in der katholischen Kirche siehe Kap. V,1 u. 4. 314

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struktur und ekklesiologischen Strukturen BerÛcksichtigung findet. In biblisch-×konomischer Hermeneutik lassen sich die Kriterien der Analogie erkennen, insofern als die ×konomische TrinitÅt offenbart, wie die innertrinitarische Einheit in Vielfalt in Gottes trinitarischem Heilshandeln bei der Konstitution der Kirche Geltung erhÅlt. Dabei ist auch der eschatologische Vorbehalt zu berÛcksichtigen, daß die Kirche in der Geschichte als pilgerndes Gottesvolk „nur“ die Antizipation der vollkommenen eschatologischen Gemeinschaft mit Gott verk×rpert („schon“ und „noch nicht“). Die „Analogie“ entspricht dem Wesen des VerhÅltnisses von trinitarischer und ekklesiologischer Koinonia, da sie die Gleichzeitigkeit von „GegenÛber und NÅhe“ zum Ausdruck bringt. Sie beinhaltet nÅmlich sowohl Vergleichbarkeit als auch Differenz. In diesem Fall liegt die Vergleichbarkeit darin, daß zu Gottes intra- und interpersonal strukturiertem Sein vergleichbare intra- oder interpersonale anthropologische Strukturen in der Welt existieren („NÅhe“), wÅhrend die Differenz in der einmaligen Gleichzeitigkeit von intra- und interpersonaler Dimension Gottes besteht („GegenÛber“). Von daher unterscheidet sich die Analogie nicht nur von einer agnostizistischen Abschiebung Gottes in eine dualistische Ferne, sondern auch von der Identifizierung g×ttlicher und menschlicher Strukturen. Dem VerhÅltnis von „Ahnung und Offenbarung“ sowie von ×konomischer und immanenter TrinitÅt (Gleichzeitigkeit von „Einheit und distinctio“) korrespondierend, verlangt auch der Analogiebegriff eine empfangende Hermeneutik, die sich der angemessenen Partizipation des Menschen an der trinitarischen Gemeinschaft ×ffnet, und zwar in der Weise, daß im VerhÅltnis von „GegenÛber und NÅhe“ gegenseitige Freiheit und Liebe bzw. jeweils eigenstÅndige g×ttliche und menschliche PersonalitÅt gewahrt bleiben.315 Die Analogie zwischen trinitarischen und weltlichen bzw. ekklesiologischen Strukturen bekrÅftigt die LegitimitÅt des immer wieder umstrittenen trinitÅtstheologischen Gebrauchs des Personbegriffs, den einige Theologen wegen scheinbar mißverstÅndlicher Implikationen des anthropologischen Personbegriffs durch andere trinitÅtstheologische Termini ersetzen (z. B. Augustin: relatio; Thomas von Aquin: subsistens distinctum; K. Barth: Seinsweise; K. Rahner: distinkte Subsistenzweise). Karl Rahner etwa begrÛndet die vermeintliche MißverstÅndlichkeit des Personbegriffs in der TrinitÅtslehre mit dem Postulat, durch die Diastase zwischen der altkirchlichen modalistisch gefÅrbten Verwendung des Personbegriffs (Rolle, Maske) im Sinne eines distinkten Subsistierens und dem neuzeitlichen individualistisch-subjektivistischen PersonverstÅndnis im Sinne eines eigenstÅndigen Aktzentrums verfalle die heutige trinitÅtstheologische Verwendung des Personbegriffs der Tritheismusgefahr. Doch weil Rahner den PrÅmissen seines eigenen existentialistisch-intraper-

315

Im Blick auf die Aspekte der Analogie s. o., z. B. S. 63 ff. u. 498 ff.

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sonal geprÅgten PersonverstÅndnisses unterliegt, Ûbersieht er nicht nur den bereits im altkirchlichen Person- und Hypostasenbegriff vorhandenen Zusammenhang von Relation und Selbstand, sondern auch die modernen philosophischen und psychologischen AnsÅtze eines relational qualifizierten PersonverstÅndnisses. Daß ein als individueller Selbstand zu verstehender Personbegriff nicht erst – wie Rahner vermutet – seit der Neuzeit ein Problem fÛr die TrinitÅtslehre darstellt, wird nicht nur durch Augustins Neigung zum Austausch des diesbezÛglich gefÅhrdeten Personbegriffs durch den Begriff „relatio“ belegt, sondern auch durch die Tatsache, daß der altkirchliche Personbegriff in anderen Konzeptionen (J. J. Lynch, F. X. Bantle) – Rahner genau entgegengesetzt – als reiner Selbstand definiert werden kann. Die zuletzt genannte Entgegensetzung wird der altkirchlichen Position allerdings ebensowenig gerecht wie Rahners Interpretation, da sowohl Tertullian als auch die Kappadozier bezÛglich des Person- und Hypostasenbegriffs den Zusammenhang von EigenstÅndigkeit und BeziehungsfÅhigkeit (Selbstand in Relation) aufzeigten. Weil außerdem die zeitgen×ssische philosophisch-anthropologische Diskussion um PersonalitÅt und Personsein nicht nur zwischen den Aspekten reinen Selbstandes und reiner RelationalitÅt oszilliert, sondern durchaus auch beide Dimensionen zu verbinden vermag, besteht eine KomplementaritÅt zwischen altkirchlichem und modernem Personbegriff, die dem trinitÅtstheologischen Gebrauch nicht entgegensteht.316 Vielmehr lÅßt sich erkennen, daß erst die christliche TrinitÅtslehre ein angemessenes PersonverstÅndnis er×ffnet und erm×glicht hat. Denn sowohl ein IndividualitÅt vermittelnder Selbstand als auch eine damit gewÅhrte substantielle RelationalitÅt sind aus dem neutestamentlich-christlichen Menschenbild entstanden – vorgezeichnet durch die alttestamentlich bezeugte unantastbare WÛrde und Gottebenbildlichkeit des Menschen (Gen 9,6). Die jedem Menschen geltende Liebe Gottes, die den Menschen in Christus zur ewigen Gemeinschaft mit Gott ruft, verlieh dem einzelnen Menschen, seinem Denken und seiner pers×nlichen Verantwortung im Vergleich zur griechischen (pro´swpon) und lateinischen (persona) Vorstellung des Menschen als MaskentrÅger, der eine „Rolle“ spielt, v×llig neues Gewicht.317 Gleichzeitig verband das trinitarische GottesverstÅndnis die bis dahin lediglich als Akzidens verstandene RelationalitÅt (Aristoteles) konstitutiv mit der Dimension des Seins (Tertullian, Athanasius, Kappadozier)318, so daß sich in der trinitarischen Koinonia der Liebe die Grundlage menschlichen Lebens er×ffnete, die einer Subsumierung menschlicher PersonalitÅt unter einen Seinsmonismus, Evolutionismus oder Kollektivismus ebenso widersteht wie einem partikularistisch-individualistischen Subjektivismus. Vor diesem Hintergrund gibt sich das Wesen allgemeiner (sch×pfungsgemÅßer) menschlicher PersonalitÅt und ihrer erfÛllten gottebenbildlichen Entsprechung in der Glaubensgemeinschaft mit dem trinitarischen Gott zu erkennen. In Anbetracht

316 Insgesamt vgl. zur detaillierten Er×rterung dieser Darstellungen die entsprechenden Passagen in der Analyse der Konzeption Rahners (s. o., S. 259 ff.) und in den altkirchlichen Analysen: s. o., S. 104 ff. (Tertullian) u. 131 ff. (Kappadozier). 317 Vgl. W. Pannenberg: Person, S. 133 ff.; J. Moltmann: Kraft, S. 47 f., und B. J. Hilberath: Personbegriff, S. 313 ff. 318 S. o., S. 106 f., 119 f., 131 ff.

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des neuzeitlichen absoluten Subjektivismus, der sich letztlich erst der christlichen Aufwertung individueller PersonalitÅt verdankt, diese aber partikular-individualistisch verabsolutiert, setzt Wolfhart Pannenberg Fichtes Selbstsetzung des „Ich“ eine umfassendere PersonalitÅt entgegen, die der Selbsttranszendenz des Menschen gerecht wird.319 Das fÛr die ºbernahme bestimmter IdentitÅten verantwortliche „Ich“ ist laut Pannenberg in das „Selbst“ integriert, welches das „Ich“ in seine Mitwelt und seine unabgeschlossene Transzendenz einbindet. Durch das PhÅnomen des „Grundvertrauens“ (E. H. Erikson), das das Selbst in seiner Ganzheit zu bergen vermag, empfÅngt die Person ihre unverfÛgbare WÛrde im Geheimnis ihrer unabgeschlossenen Geschichte, in der sie sich auf dem Weg zu ihrem Selbstsein befindet, und zwar durch ihre grundlegendste RelationalitÅt, die implizit auf Gott als den Ursprung ihrer m×glichen Freiheit gerichtet ist. In diesem Sinne findet sich die SubjektivitÅt im Personsein aufgehoben, dessen wahre Dimension sich in der heils×konomischen Selbsterschließung Gottes offenbart320: als intra- und interpersonal geprÅgter Selbstand in Relation, der die Voraussetzung fÛr Freiheit, Gemeinschaft und Liebe bildet. Weil KirchenvÅter wie Tertullian und die Kappadozier diese in der Schrift bezeugten heils×konomischen Aspekte aufnahmen und auf den Personbegriff Ûbertrugen, entstand der trinitarische Personbegriff nicht durch anthropomorph-philosophische ºbertragung, sondern durch die trinitarische Gotteserfahrung, die auch die individuierende Neigung des Menschen zur Selbstbehauptung und -begrÛndung als sÛndhafte BeeintrÅchtigung der von Gott geschenkten PersonalitÅt offenbart.321 Deshalb ist es gerade der Personbegriff, der die intra- und interpersonalen weltlichen Analogien zur innertrinitarischen Koinonia aufnimmt und das in der Schrift angesprochene personale VerhÅltnis zwischen Gott und Mensch in freier Gemeinschaft der Liebe erm×glicht und Alternativen wie Rahners Rede von „distinkten Subsistenzweisen“ in mehrfacher Hinsicht als ungeeignet erscheinen lÅßt. So entbehrt Rahners rein intrapersonal fundierte Terminologie sowohl des intra- und interpersonal geprÅgten Zusammenhangs von Selbstand und Relation als auch der Komponente des personalen GottesverhÅltnisses.322 Als defizitÅr kann sich aber auch die Verwendung des Personbegriffs selbst erweisen, wenn die heils×konomisch wahrnehmbaren Merk-

319 Zur ausfÛhrlichen Er×rterung anthropologischer Transzendenz s. o., S. 467 ff., und zu Pannenbergs Modifizierung des Personbegriffs vgl. W. Pannenberg: Person, S. 141 ff., und ders.: Anthropologie, S. 151–235. 320 Vgl. W. Pannenberg: Person, S. 142 ff., und ders.: Anthropologie, S. 218 ff. Vgl. ferner C. Schw×bel: Being, S. 142 u. 158 ff., der ebenfalls auf die transzendentale QualitÅt der menschlichen PersonalitÅt und ihre ErfÛllung in der Gemeinschaft mit dem trinitarischen Gott hinweist. 321 S. o., S. 103 ff. u. 127 ff., und vgl. W. Pannenberg: Person, S. 147, sowie C. Schw×bel: Being, S. 143, die auch die Verankerung des Personbegriffs in der trinitarischen Gotteserfahrung er×rtern. Zur Unterscheidung von IndividualitÅt und PersonalitÅt vgl. I. D. Zizioulas: Wahrheit, S. 31 ff., der allerdings eine lineare Trennung zwischen Individuation und PersonalitÅt vornimmt, indem er keine natÛrliche PersonalitÅt zulÅßt, sondern PersonalitÅt ergÅnzungstheologisch nur als ekklesiologisch vermittelte Eigenschaft definiert (siehe Kap. V,2). 322 Das zuletzt genannte Defizit ist vielfach kritisiert worden, so z. B. auch – im RÛckgriff auf W. Kasper – von B. J. Hilberath: Personbegriff, S. 326.

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male nicht ernst genommen werden, wie zum Beispiel beim Personbegriff Joseph Ratzingers, der aufgrund seiner individualistisch und einseitig westlich geprÅgten PrÅmissen einen rein relationalen Personbegriff entwickelt, indem er „relatio“ – anders als Augustin – als „reine Aktwirklichkeit“ definiert. So gehen die trinitarischen Personen in totaler RelationalitÅt – ohne die Dimension des Selbstandes und des personalen Geheimnisses – in einer rein intrapersonalen monistischen Einheit auf, was Ratzingers monistischer Korporativ-Ekklesiologie korrespondiert, in welcher der Selbstand der Glaubenden aufgeht und der Aspekt wechselseitiger Gemeinschaft somit nicht zur Geltung kommt.323 Zu den gleichen Konsequenzen kann die umgekehrte Reduktion auf einen rein interpersonalen Personbegriff fÛhren, mit dem beispielsweise Ioannis D. Zizioulas gegenÛber statisch-monistischen AnsÅtzen eine Ontologie der Person und der Gemeinschaft entwickeln m×chte, aber wegen der partikular-hypostatischen Verabsolutierung der Ursprungsbeziehungen und der daraus folgenden GeringschÅtzung der intrapersonalen Wesenseinheit zu einem patromonistisch-hypostatischen Modell „Einer – Viele“ gelangt. Nach diesem Modell konstituiert der „Eine“ die „Vielen“, so daß in der analogen episkopozentrischen Korporativ-Ekklesiologie der Selbstand der vielen Glaubenden von dem einen Amt absorbiert wird.324

Angesichts dieser Beobachtungen erweist sich die Verwendung des Personbegriffs trinitÅtstheologisch nur dann als sachgemÅß, wenn der Personbegriff nicht eigenen philosophischen PrÅmissen unterliegt, sondern seine heils×konomisch erschlossenen Dimensionen ernst genommen werden, wie etwa der Unterschied von Gott und Mensch als eines der – ekklesiologisch relevanten – Merkmale des analogen Zusammenhangs von trinitarischem und anthropologischem Personbegriff. Deshalb soll hier der – schon mehrfach angeklungene – Unterschied zwischen Gott, Mensch und Kirche in bezug auf die intra- und interpersonalen Aspekte g×ttlicher und menschlicher Wirklichkeit aufgezeigt werden, als eine weitere Voraussetzung dafÛr, den unangemessenen Gebrauch des Personbegriffs sowie anthropologische und ekklesiologische Vereinnahmungen Gottes abzuwehren. Der trinitarische Gott ist in seiner perichoretischen Gleichzeitigkeit von intra- und interpersonaler Dimension (Selbstand in Relation) das vollkommene Leben der Liebe (I Joh 4,8.16: „Gott ist Liebe“), an dem er seinen Gesch×pfen Anteil gibt. Als biblisch-×konomisch wahrnehmbares Abbild Gottes (imago Dei/Gen 1,26 f.) verk×rpert der Mensch zwar nicht die allein in Gott existierende wesensmÅßige Gleichzeitigkeit von intra- und interpersonaler Dimension, aber seine Existenz ist dennoch von diesen Aspekten g×ttlichen Seins geprÅgt (vestigia trinitatis). Den Menschen selbst charakterisiert die intrapersonale Dimension trinitarischer Einheit in Vielfalt (psychologische Analogie), mit der er auch eine eigene ReflexivitÅt und Lebendig-

323 324

Siehe Kap. V,1. Siehe Kap. V,2.

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keit besitzt, wÅhrend er die interpersonale trinitarische Dimension nur in Gemeinschaft mit Gott und den Mitmenschen erfÅhrt (soziale Analogie). Was Gott in sich selbst IST, HAT der Mensch also nur analog in der Gemeinschaft mit Gott und den Mitmenschen. So leitet sich aus Gottes Selbstand in Relation, der sich sowohl auf die jeweiligen trinitarischen Personen als auch auf das gesamte g×ttliche Sein bezieht und die Voraussetzung der innertrinitarischen personalen Koinonia bildet, analog die personale Existenz des Menschen ab: Als personales – und damit verantwortliches – GegenÛber Gottes ist der Mensch ebenfalls von Selbstand und Relation geprÅgt, weil er in individueller pers×nlicher Verantwortung (intrapersonal) vor Gott und den Mitmenschen lebt, was sich zugleich nur in der Gemeinschaft mit Gott und den Mitmenschen (interpersonal) vollziehen kann. Auch hier gilt: was Gott in sich verk×rpert, empfÅngt der Mensch im vertikalen und horizontalen Kontext seiner Gesch×pflichkeit. Doch gerade das zeichnet den Menschen als einmaliges Wesen aus. Denn Gott hat sich nicht einfach vervielfÅltigt, sondern ein neues, eigenes und individuelles Leben als außerg×ttliches Ziel seiner Liebe geschaffen. Auf diese Weise erhÅlt das menschliche Leben seinen eigenen Wert. Es ist nicht – wie bei Hegel – Teil eines sich selbst entfaltenden Gottes, sondern etwas Eigenes, in dem Gott nicht sich selbst, sondern etwas anderes liebt. Der Mensch darf in Relation zu Gottes Liebe als etwas EigenstÅndiges in der Gemeinschaft der Liebe mit Gott leben und zugleich auch noch seinesgleichen lieben (Mitmenschen). Hierin besteht erneut die menschliche Abbildhaftigkeit in bezug auf die Beziehungen zwischen den – auch EigentÛmlichkeiten verk×rpernden – trinitarischen Personen untereinander. Die mit der menschlichen Existenz gegebenen intra- und interpersonalen Aspekte gewÅhren dem Menschen also die gleichen personalen Dimensionen, die auch Gottes Wesen ausmachen – aber aus gesch×pflicher Teilhabe, was wiederum die spezifisch menschlichen Aspekte dieser Dimensionen und somit die Besonderheit und EigentÛmlichkeit des Menschen ausmacht. Nur als derart eigenes Wesen vermag der Mensch in freier Gemeinschaft mit Gott dessen Liebe zu entsprechen. Die Dimension menschlicher Freiheit erm×glicht dem Menschen, in freier Liebe mit Gott zu leben. WÅhrend von Gottes Lebensgeschenk her kein Grund besteht, diese Freiheit nicht fÛr Gottes Liebe zu nutzen (Gen 1,31: „siehe, es war sehr gut“), begibt sich der Mensch mit der sÛndigen – selbstbehauptenden bzw. selbstverg×ttlichenden – Perversion dieser Freiheit in falsche AbhÅngigkeiten von sich selbst und von der Welt. Dadurch beschÅdigt er seine menschliche PersonalitÅt, die auf der vertikal und horizontal sowie intra- und interpersonal strukturierten Koinonia beruht. Erst die heilsgeschichtliche Befreiung des Menschen aus seiner SelbstverkrÛmmung lÅßt ihn wieder frei aus der Liebe leben und zur „Freiheit eines Christenmenschen“ (Luther) finden. Dies geschieht in der Kirche, die nach biblisch-×konomischem Zeugnis

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ebenfalls als Abbild der Koinonia Gottes gilt (Joh 17,20 ff.; I Kor 12,4–6; Eph 4,4–6). In der christologisch und pneumatologisch konstituierten ekklesiologischen Gemeinschaft mit Gott und den Mitmenschen kann der Mensch seiner gesch×pflichen Bestimmung entsprechen. Der Heilige Geist verbindet die einzelnen Glaubenden im Leib Christi mit Gott und untereinander, so daß hier die vertikale und horizontale Koinonia zu ihrer angemessenen Einheit in Vielfalt gelangen kann325: Die einzelnen Menschen werden in ihrer intrapersonalen EigentÛmlichkeit durch die Einwohnung des Heiligen Geistes interpersonal mit Gott und den Mitmenschen verbunden, wobei die interpersonale Vielfalt der Kirche ihre intrapersonale Einheit des Leibes Christi nicht aus sich selbst erhÅlt, sondern nur von Gott, der die ekklesiologische Gemeinschaft im Heiligen Geist zur Einheit in Christus zusammenschließt. Wie der Mensch in seiner intrapersonalen EigentÛmlichkeit die interpersonale Dimension nur in der Gemeinschaft mit Gott und den Mitmenschen erhÅlt, empfÅngt die interpersonale Gemeinschaft der Glaubenden in der Kirche ihre intrapersonale Einheit als Leib Christi nur von Gott her, und zwar durch den Heiligen Geist. Von daher verk×rpert nicht nur der Mensch, sondern auch die Kirche lediglich ein analoges Abbild der einmaligen Gleichzeitigkeit von intra- und interpersonaler Dimension in Gott. Eine angemessene christologische und pneumatologische Konstitution der Kirche ergibt sich aus ihrer Analogie zur perichoretischen Interdependenz der intra- und interpersonalen Dimensionen Gottes. Weil der Heilige Geist durch seine Einwohnung in den Glaubenden sowohl die Einheit als auch die differenzierte Vielfalt des im Leib Christi versammelten Gottesvolkes konstituiert und damit auch das VerhÅltnis zwischen Gott und Mensch durch diese Einheit in Vielfalt qualifiziert, beinhaltet die Kirche in mehrfacher Hinsicht den Zusammenhang von intra- und interpersonaler Dimension. Das ist analog zur trinitarischen Perichorese zu verstehen, in der sowohl die jeweiligen trinitarischen Personen als auch Gott an sich diese Dimensionen verk×rpern. In der Kirche vollzieht sich nÅmlich die interpersonale Gemeinschaft der vom intrapersonalen Selbstand geprÅgten einzelnen Glaubenden, die in interpersonaler Glaubensbeziehung zu Gott stehen, und zwar im Kontext der interpersonalen ekklesiologisch-menschlichen Gemeinschaft. Diese Beziehungen intra- und interpersonaler Natur, die der Heilige Geist in ihrer Vielfalt erm×glicht und die eine Analogie zur – von Einheit in Vielfalt geprÅgten – RelationalitÅt der trinitarischen Personen erkennen lassen, verbindet der Heilige Geist nochmals zu einer „h×heren“ Einheit im Leib

325 Zur biblisch bezeugten trinitarischen Konstitution der Kirche und ihrer entsprechenden Kennzeichnung als Abbild der trinitarischen Koinonia s. o., S. 91 ff.

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Christi, worin die Analogie zu der – von Vielfalt geprÅgten – Einheit des ganzen Wesens Gottes transparent wird. Auch diese Abbildung der perichoretischen trinitarischen Koinonia ist nur analog zu verstehen, da die Kirche weder wie Gott eine personale Wirklichkeit darstellt, was korporativ-ekklesiologische AnsÅtze suggerieren, noch wie in der innerg×ttlichen Perichorese eine substantiell-wesenseine gegenseitige InterioritÅt zwischen den Glaubenden oder zwischen Gott und Mensch beinhaltet. Vielmehr verk×rpert die Kirche eine durch den Heiligen Geist gewÅhrte Gemeinschaft von „GegenÛber und NÅhe“ zwischen Gott und den Menschen sowie zwischen den Menschen untereinander. Die Kirche darf und soll also durch empfangende Haltung (°ffnung fÛr den Geist) in analoger Weise der intra- und interpersonal qualifizierten perichoretischen trinitarischen Koinonia entsprechen, statt Gottes Sein einseitig auf die intra- oder interpersonale Dimension zu reduzieren, um sich in entsprechend einseitig intra- oder interpersonaler Weltdeutung mit den g×ttlichen Seinsstrukturen identifizieren zu k×nnen. Doch nur die Wahrnehmung des Unterschieds zwischen g×ttlicher und menschlicher Wesensstruktur schÛtzt vor solchen Identifikationen. Deshalb darf es bei aller analogen Bezugnahme auf die trinitarische Koinonia nicht zu einer natÛrlichen Prinzipialisierung der TrinitÅtslehre326 kommen, die den Unterschied zwischen Gott, Welt und Kirche nicht ernst genug nimmt und folglich identifizierende Vereinnahmungen Gottes nach sich zieht. Daß mit solchen trinitÅtstheologischen Identifikationsversuchen eine defizitÅre Ekklesiologie einhergeht oder ekklesiologische Interessen solche Versuche motivieren k×nnen, wurde in der Untersuchung detailliert nachgewiesen.327 Insgesamt bleibt festzuhalten, daß einseitige Reduktionen von Gottes Sein auf den intra- oder interpersonalen Aspekt und die damit verbundenen Identifikationsversuche das VerhÅltnis von „GegenÛber und NÅhe“ Gottes durch ekklesiologische Vereinnahmungen Gottes ersetzen. Das kann sowohl auf der Ebene eines korporativ-identifizierenden KirchenverstÅndnisses mit korporativ-hierarchischen Amtsstrukturen (Klerikalisierung des Amtes) als auch auf der Ebene partikularistischer Identifikationsmodelle mit egalitÅren Strukturen (Funktionalisierung des Amtes) geschehen. Letzteres zeigt etwa Volfs Identifikation von egalitÅr-symmetrischer Perichorese in der TrinitÅtslehre (Ausblendung der Spezifika der Ursprungsebene) und egalitÅr-dezentralem AmtsverstÅndnis sowie von rein interpersonaler trinitarischer ReziprozitÅt und ortskirchlichem Partikularismus (Ausblendung von intrapersonaler Wesenseinheit und universalkirchlicher Einheit). So gibt Volfs interpersonal-egalitÅr und partikularistisch geprÅgte Koinonia-Ekklesiologie

326 327

Zum Problem der Prinzipialisierung s. o., S. 465 ff. u. 493 ff. Siehe Kap. V.

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noch reduktive Merkmale protestantischer Natur zu erkennen, wÅhrend zum Beispiel Zizioulas’ interpersonal-hypostatisch begrÛndete KoinoniaEkklesiologie eucharistisch-episkopaler PrÅgung (analog einer rein interpersonal-hypostatischen TrinitÅtslehre patromonistischer und pneumatomonistischer PrÅgung) orthodoxe Einseitigkeiten aufweist. Ratzingers intrapersonal-monistisch geprÅgte Communio-Ekklesiologie, die durch die trinitÅtstheologische Nivellierung von Ursprungs- und Existenzebene eine Analogie zu totaler trinitarischer RelationalitÅt darstellt (Ausblendung von „Selbstand in Relation“ und interpersonaler Perichorese), behÅlt in ihrer entsprechend monistischen Einheit pyramidal-universalkirchliche EngfÛhrungen r×misch-katholischer Provenienz bei (pyramidale Hierarchie analog einer filioquistischen SendungstrinitÅt).328 Nur die biblisch-×konomisch fundierte BerÛcksichtigung der gleichursprÛnglichen innertrinitarischen Perichorese mit ihren personalen Spezifika, die aus der Gleichzeitigkeit von intra- und interpersonaler Dimension Gottes resultiert, gewÅhrt ein trinitÅtstheologisches und ekklesiologisches Koinonia-VerstÅndnis, das entgegen identifizierender Strukturen die Analogie – mit dem ihr kongruenten VerhÅltnis von „GegenÛber und NÅhe“ – zwischen trinitarischer und ekklesiologischer Koinonia wahrnimmt. In Anbetracht der Vergleichbarkeit und Differenz g×ttlicher und ekklesiologischer Koinonia erhÅlt die Kirche ihre Einheit nÅmlich weder durch intra- oder interpersonal gekennzeichnete korporative Identifikationsstrukturen auf der Amtsebene (Ratzinger, Zizioulas) noch durch eine interpersonal-perichoretische RelationalitÅt zwischen den Glaubenden (Volf), sondern von Gott als GegenÛber, der im Heiligen Geist die kirchliche Einheit in Vielfalt konstituiert. Dadurch bleibt Gott auch als GegenÛber des Amtes zu erkennen, so daß Amt und Gemeinde gleichermaßen unter dem Wort Gottes stehen. Dennoch verk×rpert das ordinationsgebundene Amt zeichenhaft Gottes „GegenÛberSein“, weil es als Amt der ×ffentlichen VerkÛndigung und rechten Weitergabe von Taufe und Eucharistie der Eigenart des Gotteshandelns (Zuspruch des Evangeliums, Darbietung der Sakramente) entspricht und damit zugleich den Dienst an der Einheit und Leitung vollzieht. Dieses zur Gemeinschaft von Gott und Mensch geh×rende Grund-Amt, das im Urchristentum noch die grundsÅtzliche Einheit von Pfarramt und Bischofsamt aufwies (SynonymitÅt von Presbyteros und Episkopos), ist in der vom Geist geschenkten Interdependenz von Amt und Gemeinde ebenso auf die Vielfalt der gemeindlichen Charismen des allgemeinen Priestertums angewiesen wie die Gemeinde auf den spezifischen Dienst des ordinierten Amtes. Deshalb stellt die Ordination ein Handeln Gottes und der Gemeinschaft dar. Die gleichursprÛngliche und gleichwesentliche Interdependenz zwischen all-

328

Siehe Kap. V.

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gemeinem Priestertum und spezifischem ordinierten Amt, die weder ein interpersonal-egalitÅres noch ein intra- oder interpersonal-korporatives AmtsverstÅndnis beinhaltet und nicht auf Identifikationsstrukturen beruht, erwartet die ekklesiologische Einheit in Vielfalt von Gottes Handeln im Geist.329 In der daraus resultierenden °ffnung fÛr die biblisch-×konomisch wahrnehmbare perichoretische innertrinitarische Koinonia und ihre Bedeutung fÛr Gottes Koinonia mit den Menschen vermag die Kirche analog die gleichursprÛngliche innertrinitarische Perichorese mit ihren personalen Spezifika widerzuspiegeln: Wie in Gott die hypostatischen Spezifika der Ursprungsbeziehungen ohne subordinatianistisches GefÅlle als konstitutive Spezifika in die – von den ewigen Existenzbeziehungen geprÅgte – perichoretische GleichursprÛnglichkeit einbezogen sind (z. B. Vater als Quelle und GegenÛber von gleichursprÛnglichem und wesenseinem Sohn und Geist), so existiert in der Kirche ein spezifisches und konstitutives Grund-Amt als Zeichen des „GegenÛber-Seins“ Gottes und als gleichrangiger Teil der Gleichwertigkeit aller Glaubenden (allgemeines Priestertum). Das spezifische Grund-Amt kann sich ohne graduell-hierarchisches GefÅlle in lokale, regionale und Ûberregionale Šmter ausdifferenzieren, und zwar in Analogie zur nicht-subordinatianistischen Differenzierung der Spezifika der Ursprungsbeziehungen in den ewigen Existenzbeziehungen (in diesem Kontext wÅre auch eine angemessene Vorstellung vom „Ehrenprimat“ zu entwickeln). Versteht man die Differenzierung zwischen Bischofs- und Presbyteramt (Pfarramt) vor diesem Hintergrund und berÛcksichtigt man die damit korrelierende Entwicklung, die vom urchristlichen VerstÅndnis dieser Šmter ausgeht, k×nnten korporative oder funktionale Polarisierungen in der Bewertung dieser Šmter Ûberwunden werden.330 Dies gilt auch fÛr das VerhÅltnis von ordiniertem Amt und ApostolizitÅt. Da sich die Kirche als Gesamtkirche durch Unterscheidung von Inhalten, Rezeption und Glaubensdarlegung in gemeinschaftlichen Strukturen (sensus fidelium) an ihrem apostolischen Ursprung zu messen hat, der in der Schrift und den schriftgemÅßen Bekenntnissen als Zeugnis der Apostel festgehalten ist, dient das ordinierte Amt als Einheitsamt und Amt der ×ffentlichen

329 Vgl. zu den allgemeinen Grundlagen des AmtsverstÅndnisses G. Wenz: Einheit, S. 275 ff.; W. Pannenberg: Theologie III, S. 404 ff.; C. H. Ratschow: Art. „Amt VIII“, S. 613 u. 616 f., und W. HÛffmeier/C.-R. MÛller (Hg.): Gemeinschaft, S. 33 ff. (das dort abgedruckte Dokument der Leuenberger Kirchengemeinschaft zum KirchenverstÅndnis findet sich auch in den „Leuenberger Texten“, Heft 1). 330 Vgl. zur Beurteilung der Gliederung des Amtes W. Pannenberg: Theologie III, S. 452 ff., und G. Wenz: Einheit, S. 283 f. Zur Diskussion der M×glichkeit eines „Ehrenprimats“ vgl. M. Haudel: Vorsitz.

Die neuen Differenzierungen und VerhÅltnisbestimmungen

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VerkÛndigung in besonderer Weise der authentischen Weitergabe des apostolischen Zeugnisses, das den inhaltlichen Maßstab der ApostolizitÅt der Kirche verk×rpert (Act 2,42: „Lehre der Apostel“). Deshalb konnte die FÛnfte Weltkonferenz fÛr Glauben und Kirchenverfassung (Santiago de Compostela 1993) kirchliche „ApostolizitÅt“ in erster Linie als inhaltliche Gr×ße beschreiben.331 Daß dieser der Gesamtkirche aufgetragene Bezug auf den apostolischen Ursprung gemÅß biblischer und urchristlicher Vielfalt in verschiedenen Formen des Amtes gehandhabt werden kann, ist aus dem urchristlichen synonymen Gebrauch von Episkopos und Presbyteros abzulesen: „Es scheint sich anzubahnen, daß die ‚presbyteriale Sukzession‘ als M×glichkeit der AmtsÛbertragung gegeben ist.“332 Das heißt jedoch nicht, daß im Amt ein unfehlbarer IdentitÅtsgarant apostolischer Wahrheit besteht. Denn zum einen sind Episkop³ (Aufsicht) und die damit verbundene Wahrung der apostolischen Wahrheit Aufgabe der ganzen Kirche, so daß verschiedene pers×nliche, kollegiale und synodale Formen der Episkop³ existieren333, wÅhrend zum anderen auch das Amt auf den kriteriologischen Zusammenhang von Schrift, Tradition und Kirche angewiesen ist, in dem die Kirchen ihre Traditionen an der apostolischen Tradition zu messen haben, und zwar unter der Voraussetzung, daß die Tradition den angemessenen pneumatologischen Auslegungskontext der Schrift bietet, die dabei aber der kriteriologische Kanon von Tradition und Kirche bleibt.334 Auf die Korrespondenz dieses dynamischen Zusammenhangs mit dem trinitÅtstheologischen VerhÅltnis von Christologie und Pneumatologie wurde in der vorliegenden Untersuchung bereits hingewiesen (Begleitung der Kirche und ihrer Tradition durch den Heiligen Geist, der Christus vergegenwÅrtigt und gleichzeitig auf die RÛckbindung an den in der Schrift bezeugten christologischen Maßstab angewiesen bleibt). Nur auf dieser Grundlage erhÅlt das Amt seinen angemessenen Ort zwischen einseitiger Traditionsbewahrung und enthusiastischer Geisterfahrung. Auch das adÅquate VerhÅltnis von Orts- und Universalkirche leitet sich analog aus den trinitarischen Charakteristika ab, und zwar aus der gleichursprÛnglichen innertrinitarischen Perichorese und den darin existierenden

331 Vgl. G. Gaßmann/D. Heller (Hg.): Santiago, S. 228. Zum VerhÅltnis von ordiniertem Amt und ApostolizitÅt vgl. insgesamt W. Pannenberg: Theologie III, S. 435 ff.; G. Wenz: Einheit, S. 285 ff., und W. HÛffmeier/C.-R. MÛller (Hg.): Gemeinschaft, S. 37. – Vgl. ferner ebd., S. 29, und zum VerhÅltnis von Amt und sensus fidelium vgl. den ersten Vorentwurf der Ekklesiologie-Studie von „Glauben und Kirchenverfassung“ in D. Heller (Hg.): Wesen, S. 57 ff. 332 C. H. Ratschow: Art. „Amt VIII“, S. 619. 333 Vgl. D. Heller (Hg.): Wesen, S. 52 f. u. 49, wo auch auf die urchristliche Vielfalt des Amtes hingewiesen wird. 334 Zum dynamischen Zusammenhang von Schrift, Tradition und Kirche vgl. M. Haudel: Bibel (vgl. dazu Anm. 24, Einleitung; Anm. 97 u. 115, I. Kap., und Anm. 248, II. Kap.).

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personalen Spezifika: Wie das Wesen Gottes in ganzer FÛlle sowohl in den jeweiligen trinitarischen Personen als auch in der gesamten Gottheit existiert, so realisiert sich das Kirchesein sowohl in den jeweiligen Ortskirchen als auch in der Universalkirche. In der gleichwertigen gegenseitigen Durchdringung von Ortskirchen und Universalkirche behalten die Ortskirchen ihre EigentÛmlichkeit wie die trinitarischen Personen in der innertrinitarischen gleichursprÛnglichen Perichorese. Diese Analogie zwischen dem VerhÅltnis von Orts- und Universalkirche und der Gleichzeitigkeit von intra- und interpersonaler Dimension Gottes, die weder eine Vorordnung der Ortskirchen (Volf) noch eine Vorordnung der Universalkirche (Ratzinger) erlaubt335, impliziert eine konziliare Gemeinschaft, die partikularistische und zentralistische Einseitigkeiten zu Ûberwinden vermag. So gewÅhren die biblisch-×konomisch erkennbaren Kriterien fÛr die adÅquate Wahrnehmung der trinitarischen Koinonia den Rahmen fÛr eine analoge ekklesiologische Koinonia, die dem Wesen der Gemeinschaft zwischen Gott und Mensch entspricht. Insgesamt beinhalten die in der Gleichzeitigkeit von intra- und interpersonaler Dimension Gottes enthaltenen Analogien viele Eckpunkte und Grundlagen fÛr die ×kumenische AnnÅherung beim Amts- und KirchenverstÅndnis. Deshalb k×nnten die erarbeiteten offenbarungstheologischen, trinitÅtstheologischen und ekklesiologischen Differenzierungen, die aus dem altkirchlich-×kumenischen Rahmen neunizÅnischer Theologie und Ekklesiologie abgeleitet wurden, sowohl multilateralen BemÛhungen um eine trinitarisch begrÛndete ×kumenische Ekklesiologie („Glauben und Kirchenverfassung“) als auch bilateralen sowie innerkonfessionellen BemÛhungen um ein adÅquates Gottes- und KirchenverstÅndnis konkrete Konvergenzkriterien bieten.336 Diese Kriterien bilden einen Rahmen, der die oben gezeigten Grundmerkmale fÛr verschiedene ekklesiologische M×glichkeiten beinhaltet. Angesichts des ×kumenisch umstrittenen VerhÅltnisses von Glaubensgrund und Glaubensgestalt vermag dieser Rahmen eine AnnÅherungsbasis zu gewÅhren, die einerseits der protestantischen Konzentration auf den Glaubensgrund Kriterien fÛr eine weitreichendere authentische Umsetzung des Glaubensgrundes in sichtbare ekklesiologische Strukturen an die Hand gibt und andererseits der r×misch-katholischen oder orthodoxen Konzentration auf die

335 „Wie in der TrinitÅt weder die Einheit des g×ttlichen Wesens von der communio personarum noch die Vielfalt der Personen aus der Einheit des Wesens abzuleiten ist, vielmehr beide gleichrangig und gleichursprÛnglich sind, gilt so nicht auch analog, da[ß] weder die Einheit der Universalkirche aus der (vorgeordneten) Vielzahl der Ortskirchen zu gewinnen noch deren Vielfalt und communio aus der (vorgeordneten) Einheit der universalen Una Sancta abzuleiten ist?“ (J. Freitag: Vorrang, S. 82 f.). 336 Zu den vielfÅltigen BemÛhungen um eine ×kumenische Ekklesiologie und um trinitarisch fundierte ×kumenische AnsÅtze siehe Kap. I,2.

Ausblick

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Glaubensgestalt das Potential biblischer Šmter- und Strukturenvielfalt und deren KomplementaritÅt mit dem Glaubensgrund vor Augen hÅlt. So k×nnten durch den RÛckgriff auf die trinitarische Gotteslehre und ihre ekklesiologischen Implikationen etwa Fragen beantwortet werden, die im Protestantismus hinsichtlich weitreichenderer konvergenter ekklesiologischer Strukturen offen bleiben, wenn rechte EvangeliumsverkÛndigung und Sakramentsverwaltung (CA VII) von der „Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa“ (Leuenberger Kirchengemeinschaft) als ausreichende Kennzeichen wahren Kircheseins bestÅtigt werden. Umgekehrt k×nnte die von r×misch-katholischer und orthodoxer Seite prÅferierte Vorstellung organisch-struktureller Einheit mit der Problematik uniformer Verabsolutierung bestimmter ekklesiologischer Strukturen konfrontiert werden.337 Welche M×glichkeiten sich so aus den offenbarungs- und trinitÅtstheologischen sowie analogen ekklesiologischen Differenzierungen fÛr die BemÛhungen um ekklesiologische ×kumenische Perspektiven und ein gemeinsames EinheitsverstÅndnis sowie fÛr anzustrebende konziliare Strukturen ergeben und welche Bedeutung diese Differenzierungen insgesamt fÛr die inner- und interkonfessionellen BemÛhungen um ein angemessenes Gottesund KirchenverstÅndnis erhalten k×nnten, soll im Ausblick perspektivisch aufgezeigt werden. Weil sich das Kirchen- und EinheitsverstÅndnis auch auf das VerhÅltnis von Kirche und Mission, von Kirche und Welt sowie von Kirche und anderen Religionen auswirkt, erfolgt außerdem ein Ausblick auf die Bedeutung der Untersuchungsergebnisse fÛr diese VerhÅltnisbestimmungen, zumal die heilsgeschichtliche Selbsterschließung des trinitarischen Gottes fÛr alle genannten VerhÅltnisbestimmungen relevant ist, da sie in Sch×pfung, Erl×sung und Vollendung die gesamte Wirklichkeit umschließt.338

2. Ausblick: Die Bedeutung der Ergebnisse fÛr ein ×kumenisches VerstÅndnis von Ekklesiologie, Mission, Weltverantwortung und interreligi×sem Dialog Die in der Untersuchung analysierten ZusammenhÅnge zwischen offenbarungstheologischen, trinitÅtstheologischen und ekklesiologischen Defiziten oder Fortschritten sowie die erarbeiteten offenbarungstheologischen, trinitÅtstheologischen und ekklesiologischen Differenzierungen, die aus der neunizÅnischen Theologie und ihrer °kumenizitÅt abgeleitet wurden, k×nnten zunÅchst dazu beitragen, daß die seit lÅngerem zu beobachtende inner- und in337 Zur detaillierten Darlegung dieser unterschiedlichen Einheitsvorstellungen und der M×glichkeit von AnnÅherungen siehe Kap. VI,2. 338 S. o., S. 39 ff. u. 65 f.

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terkonfessionelle Besinnung auf die Ekklesiologie und deren trinitarische Basis in ihrer Berechtigung belegt wird. Zugleich enthalten die Ergebnisse die Mahnung, den trinitarischen Gottesbegriff nicht zu pauschal und selbstverstÅndlich als konforme Einheitsbasis vorauszusetzen, da vielfÅltige divergierende trinitÅtstheologische PrioritÅtensetzungen mit analogen ekklesiologischen Konsequenzen existieren. Zudem liefern die erarbeiteten Differenzierungen neben dem Hinweis auf die grundlegenden Ursachen der ekklesiologischen Divergenzen einen Rahmen zur ºberwindung der bestehenden offenbarungstheologischen, trinitÅtstheologischen und ekklesiologischen Divergenzen und Defizite. Die Hoffnung, daß der Bedarf solcher Differenzierungen erkannt wird, grÛndet sich auf die in allen Konfessionen zu beobachtenden Versuche einzelner Theologen, im partiellen RÛckgriff auf die biblischen und patristischen Grundlagen eine heils×konomisch orientierte trinitÅtstheologische Besinnung mit entsprechenden ekklesiologischen Konsequenzen vorzunehmen. Gleichzeitig erweist sich die Notwendigkeit der vom Verfasser vollzogenen Differenzierungen an der nach wie vor bestehenden ºberlagerung der genannten Besinnungsversuche durch philosophisch-theologische und ekklesiologisch-konfessionelle PrÅmissen, wobei die zuletzt genannten PrÅmissen auch auf die Interdependenz von trinitÅtstheologischen und ekklesiologischen Defiziten hinweisen.339 Die genannten Funktionen der Untersuchungsergebnisse stellen sich als um so dringlicher heraus, als sich eine fortschreitende Bezugnahme der einzelnen Konfessionsfamilien und des bilateralen sowie multilateralen ×kumenischen Dialogs auf das trinitarisch geprÅgte neutestamentliche VerstÅndnis von „Gemeinschaft“ (Koinonia, Communio) vollzieht, ohne daß eine dezidierte ×kumenische Untersuchung des trinitarischen Gottesbegriffs und erst recht des Zusammenhangs von trinitarischen und ekklesiologischen Strukturen stattgefunden hat. (Letzteres ist wiederum erst in der Zusammenschau von offenbarungstheologischen, trinitÅtstheologischen und ekklesiologischen PrÅmissen adÅquat zu vollziehen.)340 Dieses Desiderat lÅßt sich auch an der von „Glauben und Kirchenverfas-

339

Siehe Kap. IV u. V. Zur ausfÛhrlichen Darlegung dieser Entwicklungen und Desiderate s. o., S. 16 f., 46 ff., 58 ff. Vgl. ferner M. Haudel: Relevanz, S. 69 ff., und P. MiÐcÎk: TrinitÅt, der die Entwicklung trinitarischer KirchenbegrÛndung in den Dokumenten von „Glauben und Kirchenverfassung“ analysiert und zu dem Ergebnis kommt: „Der ganze Prozeß der ×kumenischen Einheitssuche in den Dokumenten der Kommission fÛr Glauben und Kirchenverfassung kann im weitesten Sinne als eine trinitarische Vertiefung der Ekklesiologie verstanden werden, die auf dem Weg zu einem trinitarischen Konzept von Kirche fortschreitet. [. . .] Wenn also die Zuordnung und gegenseitige Beziehung von TrinitÅt und Kirche selbstverstÅndlich zur Sprache gebracht wird, mÛßte die Analogie zwischen TrinitÅt und Kirche weiter reflektiert und ausgearbeitet werden. Dies ist aber bisher noch nicht geschehen“ (ebd., S. 236 f./Hervorhebung v. Vf.). 340

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sung“ initiierten Ekklesiologiestudie Ûber „Das Wesen und die Bestimmung der Kirche“ ablesen, die das auf der FÛnften Weltkonferenz fÛr Glauben und Kirchenverfassung (Santiago de Compostela 1993) in ersten AnsÅtzen entfaltete und trinitarisch begrÛndete Koinonia-Konzept einbezieht und die 1998 einen ersten Ergebnisentwurf als Studiendokument hervorbrachte.341 Kirchliche Einheit in Vielfalt wird auch hier konstitutiv vom trinitarischen Gott abgeleitet: „Der dreieinige Gott ist die Quelle des Lebens der Kirche, ihrer Einheit und ihrer Vielfalt.“342 Doch da m×gliche trinitÅtstheologische Unterschiede nicht problematisiert werden, treten sie mit ihren ekklesiologischen Konsequenzen in Form unterschiedlichster Divergenzen hervor, ohne als Ursache erkannt oder benannt zu werden, so daß die Studie nur die Symptome noch bestehender Probleme anzeigt, nicht aber die grundlegenden Ursachen. Beispielsweise kommen in der Studie bei der Darlegung konfessioneller Unterschiede im HierarchieverstÅndnis die aus der neunizÅnischen TrinitÅtslehre ableitbaren Differenzierungen wegen weiter bestehender patromonistischer oder christomonistischer Tendenzen nicht zum Tragen, weshalb keine Perspektive fÛr die ºberwindung der Probleme aufgezeigt werden kann und lediglich ein neues ºberdenken der Hierarchie- und Amtsproblematik gefordert wird.343 Die vom Verfasser in der vorliegenden Untersuchung erarbeiteten Differenzierungen k×nnten hier weiterhelfen. Aus den erwÅhnten Defiziten des Studienentwurfs von „Glauben und Kirchenverfassung“ ergibt sich folgerichtig, daß bei der Beschreibung der Kirche als „Tempel des Heiligen Geistes“ nicht deutlich wird, wie der Geist trotz seiner Gegenwart in der Kirche auch deren GegenÛber bleibt. Deshalb besteht weiterhin das grundsÅtzliche Problem des VerhÅltnisses von „GegenÛber und NÅhe“ Gottes, das sich im weiter umstrittenen VerhÅltnis von Geist und Institution niederschlÅgt und in den Fragen Åußert, ob und in welchem Umfang die Kirche sÛndigen kann oder ob und auf welche Weise die Kirche als „Sakrament“ zu bezeichnen ist.344 Auch hier k×nnten die vom Verfasser vollzogenen Untersuchungen und Differenzierungen nicht nur zeigen, wie sich solche Probleme auf die grundlegende Interdependenz von Gottesund Kirchenbegriff zurÛckfÛhren lassen, sondern auch, welche M×glichkeiten ihrer ºberwindung sich durch den dargelegten Rahmen offenbarungstheologischer, trinitÅtstheologischer und ekklesiologischer Differenzierungen bieten. Das zeigt sich beispielsweise an Ratzingers rein intrapersonal-re-

341 Zur deutschen Fassung des Studiendokuments vgl. D. Heller (Hg.): Wesen, und zur Analyse des Koinonia-Begriffs vgl. E. Geldbach: Koinonia. Zu den BeitrÅgen und Ergebnissen der Weltkonferenz vgl. G. Gaßmann/D. Heller (Hg.): Santiago, und zur kritischen Auseinandersetzung mit den Ergebnissen der Weltkonferenz vgl. M. Haudel: Kriterien. 342 D. Heller (Hg.): Wesen, S. 40. 343 Vgl. ebd., S. 56. 344 Vgl. ebd., S. 15, 19, 25 ff.

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lationalem trinitÅtstheologischen Ansatz, der in filioquistischem GefÅlle zu einer christozentrischen Korporativ-Ekklesiologie fÛhrt, in welcher der Geist lediglich als inhÅrente Kraft der Kirche erscheint und deshalb keine kirchenkritische Funktion ausÛben kann. Hier hÅtte die Beachtung der Gleichzeitigkeit von intra- und interpersonaler Dimension Gottes die PersonalitÅt des Heiligen Geistes und dessen Gleichzeitigkeit von „GegenÛber und NÅhe“ im VerhÅltnis zur Kirche in Erinnerung gerufen und so inadÅquate Identifizierungen von g×ttlichen und ekklesiologischen Seinsstrukturen verhindert.345 Mit den bisher genannten Problemen des Studienentwurfs von „Glauben und Kirchenverfassung“ hÅngen auch die – dort als verbliebene Differenz benannten – Unterschiede im Koinonia- und EinheitsverstÅndnis zusammen. Denn die unterschiedlichen EinschÅtzungen, ob etwa eine „Einheit in vers×hnter Verschiedenheit“ oder eine „organisch-strukturelle Union“346 anzustreben sei, beruhen auf unterschiedlichen Zuordnungen von Glaubensgrund und Glaubensgestalt. Diese korrelieren wiederum mit dem trinitÅtstheologisch geprÅgten VerhÅltnis von „GegenÛber und NÅhe“ Gottes sowie mit dem VerhÅltnis von Schrift, Tradition und Kirche, dessen Interdependenz mit der trinitarischen Selbsterschließung Gottes bereits er×rtert wurde.347 Vor diesem Hintergrund ist es bedauerlich, daß der Studienentwurf zwar eine erneute Auseinandersetzung mit der Zuordnung von Schrift, Tradition und Kirche fordert348, aber die Notwendigkeit einer dezidierten Auseinandersetzung mit der TrinitÅtslehre als Voraussetzung einer trinitarisch-ekklesiologischen AnnÅherung nicht benennt. Hinsichtlich der dynamischen Zuordnung von Schrift, Tradition und Kirche konnte nÅmlich lÅngst ein – allerdings kaum zur Kenntnis genommener – ×kumenischer Durchbruch erzielt werden349, wÅhrend bisher die Erarbeitung eines offenbarungstheologischen, trinitÅtstheologischen und ekklesiologischen ×kumenischen Rahmens fÛr eine trinitÅtstheologische und damit korrelierende ekklesiologische AnnÅherung fehlte. Zur ºberwindung dieses Desiderats m×chte die vom Verfasser vorgelegte Untersuchung beitragen. Implizit geht die Notwendigkeit eines solchen kriteriologischen Rahmens auch aus den Forderungen des Studienentwurfs von „Glauben und Kirchenverfassung“ selbst hervor, wenn dieser die Wahrung differenzierter Einheit

345

Siehe Kap. V,1 u. 4. Vgl. D. Heller (Hg.): Wesen, S. 33 u. 36 f. 347 S. o., S. 148 ff., 498 ff., 506 f. 348 Vgl. D. Heller (Hg.): Wesen, S. 11. 349 Dieser ×kumenische Durchbruch konnte umfassend nachgewiesen werden bei M. Haudel: Bibel (vgl. dazu Anm. 24, Einleitung; Anm. 97 u. 115, I. Kap., und Anm. 248, II. Kap.). 346

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in legitimer Vielfalt fordert.350 Die Forderung lÅßt sich nÅmlich nur erfÛllen, wenn ein Rahmen trinitarisch-ekklesiologischer Differenzierungen einseitige Identifizierungen g×ttlicher und ekklesiologischer oder weltlicher Strukturen zu verhindern vermag und so vor UniformitÅt, PartikularitÅt oder unsachgemÅßer Verquickung von Kirche und Welt schÛtzt. Daß die Kriterien hierfÛr bei „Glauben und Kirchenverfassung“ noch fehlen, zeigt die Dissonanz zwischen qualitativer Bewertung von KonziliaritÅt und konkreten VorschlÅgen bezÛglich ihrer Umsetzung. Einerseits wird „KonziliaritÅt“ als „wesentliches Merkmal der Kirche“351 qualifiziert, insofern als sich volle Gemeinschaft „auf der ×rtlichen und universalen Ebene durch konziliare Lebens- und Handlungsformen“352 Åußere. Andererseits bleibt das „wie“ einer solchen konziliaren Gemeinschaft aufgrund der divergierenden trinitÅtstheologischen Konzeptionen und der damit einhergehenden unterschiedlichen Zuordnungen von Glaubensgrund und Glaubensgestalt ebenso umstritten wie das VerhÅltnis von Orts- und Universalkirche. Zwar findet das Studiendokument zur grundsÅtzlichen Unterscheidung zwischen den fundamentalen Kennzeichen wahrer sichtbarer Kirche (Wahrung der apostolischen Tradition sowie Taufe und Eucharistie) und weiteren dienenden Merkmalen (Amt etc.), aber es besteht dennoch keine Einigkeit zwischen den Kirchen darÛber, „welches Gewicht sie den verschiedenen Mitteln, die apostolische KontinuitÅt aufrechtzuerhalten, zusprechen“353. Nur das „was“ scheint klar zu sein: „Solch eine Ordnung (taxis) muss die QualitÅt der Ordnung in der g×ttlichen Gemeinschaft des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes widerspiegeln.“354 Letzteres unterstreicht auch das „EKD-Votum“ zur „Kirchengemeinschaft nach evangelischem VerstÅndnis“ (2001), indem es fordert, der Kirche „eine Gestalt zu geben, die ihrem Ursprung und ihrer Eigenart entspricht“, weil „die SelbstvergegenwÅrtigung des dreieinigen Gottes in der Glaubensgemeinschaft auf eine ihr entsprechende Åußere Gestalt drÅngt“355. Aufgrund der Bezugnahme auf das Einheitsmodell der „Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa“ bzw. der Leuenberger Kirchengemeinschaft („Einheit in vers×hnter Verschiedenheit“) und dessen Unvereinbarkeit mit der r×misch-katholischen Vorstellung von einer „organischen Union“ fordert auch das EKD-Votum eine KlÅrung der diesem Dissens zugrunde liegenden divergenten VerhÅltnisbestimmung von Glaubensgrund und Glau-

350 351 352 353 354 355

Vgl. D. Heller (Hg.): Wesen, S. 34. Ebd., S. 61. Ebd., S. 38. Ebd., S. 51. Vgl. insgesamt ebd., S. 40, 50 ff., 62. Ebd., S. 54. Kirchengemeinschaft, S. 6 f.

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bensgestalt.356 Auch hierfÛr k×nnen die in der vorliegenden Untersuchung erarbeiteten Differenzierungen hilfreich sein. So liefern sie zum Beispiel Anhaltspunkte zur Beantwortung der Fragen, die bei den Einheitskriterien der Leuenberger Kirchengemeinschaft bestehen bleiben, wenn in Aufnahme des „satis est“ der reformatorischen Bekenntnisschriften (CA VII) als fundamentale Kennzeichen (notae externae) wahrer sichtbarer Kirche die rechte Lehre des Evangeliums und die rechte Verwaltung der Sakramente als ausreichend fÛr die Einheit der Kirche bezeichnet werden (LK 2): Als Maßstab aller VerkÛndigung der Kirche gilt die Rechtfertigungsbotschaft, worin sich das in der rechten Gemeinschaft an Wort und Sakrament verankerte „satis est“ begrÛndet, weil den Menschen die rechtfertigende Gnade Gottes in Wort und Sakrament zuteil wird. Dieser Grundkonsens, der von der reformatorischen Unterscheidung zwischen Grund und Gestalt der Kirche getragen ist und „Einheit in vers×hnter Verschiedenheit“ erm×glichen soll, hinterlÅßt jedoch hinsichtlich weitreichenderer AnnÅherungen die Fragen, „wie“ Rechtfertigung konkret vermittelt wird und „wie“ sie sich konkret in sichtbaren Amts- und Kirchenstrukturen widerzuspiegeln vermag. Zwar erklÅrt die Leuenberger Kirchengemeinschaft selbst, daß es entscheidend sei, „wie die jeweiligen Kirchen sich auf die ihnen vorgegebene Wirklichkeit beziehen“357, bietet dafÛr aber wenig Kriterien und Anhaltspunkte. Das ist auch im Blick auf erstrebenswerte gemeinsame konziliare Strukturen von Nachteil, die einen Dialog der innerprotestantischen Kirchengemeinschaft mit anderen konfessionellen Str×mungen erleichtern wÛrden. „DafÛr mÛßte freilich das Leuenberger Modell strukturell weiterentwickelt werden. Die verabredete Zeugnis- und Dienstgemeinschaft braucht eine Struktur, wenn sie in der Welt von heute effektiv sein will.“358 Die vorliegende Untersuchung hat erwiesen, daß weitreichendere strukturelle AnnÅherungen durch einen differenzierten RÛckgriff auf die gemeinsame Basis der trinitarischen Gotteslehre und ihre ekklesiologischen Implikationen zu erzielen wÅren, zumal die Leuenberger Kirchengemeinschaft selbst formuliert: „Die Einheit der Kirche als Gemeinschaft der Heiligen ist in der Einheit ihres Ursprungs begrÛndet, d. h. in der Einheit des dreieinigen Gottes“359. Zu einer konkreten AnnÅherung an diese trinitarisch be-

356 Vgl. ebd., S. 13. Zur Bedeutung dieser Problematik vgl. auch B. Brenner: Kirchengemeinschaft, S. 101 f. 357 W. HÛffmeier/C.-R. MÛller (Hg.): Gemeinschaft, S. 53 (Hervorhebung v. Vf.). Vgl. zum EinheitsverstÅndnis der Leuenberger Kirchengemeinschaft ebd., S. 27 ff. u. 52 ff. 358 R. Frieling: Glaubenseinheit, S. 283, der diesbezÛglich ebenfalls Anfragen an das „satis est“ formuliert (vgl. ebd., S. 280 ff.). Vgl. ferner G. Wenz: Kirchengemeinschaft, S. 353 ff., der in kritischer Auseinandersetzung mit dem EKD-Votum bezÛglich einer konvergenten Charakterisierung der Kennzeichen wahrer Kirche fehlende Konkretion und PrÅzision bemÅngelt. 359 W. HÛffmeier/C.-R. MÛller (Hg.): Gemeinschaft, S. 28.

Ausblick

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grÛndete Einheit, die fÛr die Umsetzung des Modells der „Einheit in vers×hnter Verschiedenheit“ einen Rahmen detaillierter Kriterien bereitstellt und deshalb auch Ûber dieses Modell hinaus noch mehr sichtbare Einheitsstrukturen erm×glicht, k×nnten die in der vorliegenden Untersuchung erarbeiteten Differenzierungen beitragen. Das gilt auch in bezug auf die Auseinandersetzung mit den anderen Einheitsmodellen, wie etwa mit der von r×misch-katholischer und orthodoxer Seite gestellten Frage, ob Ûber die in CA VII als ausreichend angegebenen Kennzeichen wahrer kirchlicher Einheit hinaus nicht auch Amtsstrukturen und andere ekklesiologische Merkmale zu berÛcksichtigen seien, so daß wahre Einheit nicht in vers×hnter Verschiedenheit, sondern erst in organisch-struktureller Einheit hervortrete. DiesbezÛglich bleibt von protestantischer Seite zunÅchst die RÛckfrage zu stellen, ob derart uniforme Modelle der biblischen Šmter- und Strukturenvielfalt gerecht werden, die sich in der frÛhen Christenheit aus der Gemeinschaft zwischen dem trinitarischen Gott und den Menschen ableitet, wobei aber auch hier ein Rahmen authentischer M×glichkeiten erkennbar bleibt. Die in der vorliegenden Untersuchung analysierte Interdependenz von angemessener trinitarischer Koinonia und analog adÅquater ekklesiologischer Koinonia k×nnte Grundmerkmale dieses Rahmens und der mit ihm gegebenen Kriterien und M×glichkeiten aufzeigen, so daß auf dieser Basis Formen vers×hnter Vielfalt als ×kumenische Zielvorstellung denkbar wÅren, die innerprotestantisch und interkonfessionell Strukturen konziliarer Gemeinschaft in Aussicht stellen und so dem von „Glauben und Kirchenverfassung“ formulierten Ziel entsprechen, fÛr die anzustrebende sichtbare Einheit der Kirche als Koinonia konziliare Gemeinschaftsformen zu entwickeln.360 Insgesamt versuchen die vom Verfasser vollzogenen offenbarungstheologischen, trinitÅtstheologischen und ekklesiologischen Differenzierungen, die von der ×kumenischen altkirchlichen Grundlage neunizÅnischer Theologie abgeleitet wurden, inner- und interkonfessionellen BemÛhungen um eine angemessene trinitarische Ekklesiologie einen kriteriologischen Rahmen aufzuzeigen, der Differenzierungen zur ºberwindung bisheriger Defizite bereithÅlt.

360 Zu den bestehenden Divergenzen im EinheitsverstÅndnis und zur genannten Zielvorstellung vgl. D. Heller (Hg.): Wesen, S. 36–38. – Auch K. Raiser weist in einem Vortrag vor der Plenarkommission von „Glauben und Kirchenverfassung“ auf den Bedarf verbindlicher konziliarer – oder zunÅchst prÅkonziliarer – Strukturen hin, wobei er im RÛckgriff auf A. Houtepen die Hermeneutik der Einheit durch das hermeneutische Viereck von Einheit, Heiligkeit, KatholizitÅt und ApostolizitÅt beschreibt (vgl. K. Raiser: Hermeneutik, S. 413 ff.). Zur konkreten Umsetzung dieses hermeneutischen Vierecks in verbindliche konziliare Strukturen k×nnten die vom Verfasser vorgenommenen hermeneutischen, trinitÅtstheologischen und ekklesiologischen Differenzierungen ebenfalls hilfreich sein. Die Relevanz der Differenzierungen gilt auch fÛr die Umsetzung der Forderung von G. Gaßmann: Kirchengemeinschaft, S. 367 f., Ûber das Modell der Leuenberger Kirchengemeinschaft hinaus weitergehende Modelle – wie das Koinonia-Konzept – zu berÛcksichtigen, die in anderen Dialogen entwickelt wurden.

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Das gilt auch fÛr die Unterschiede zwischen Ost- und Westkirche, die in besonderem Maße berÛcksichtigt wurden (Energienlehre etc.). Weil die Selbsterschließung des dreieinigen Gottes in Sch×pfung, Erl×sung und Vollendung als Integral des WirklichkeitsverstÅndnisses die gesamte Wirklichkeit umfaßt361, sind die Ergebnisse der vorgelegten Untersuchung auch fÛr das MissionsverstÅndnis, die christliche Weltverantwortung und das VerhÅltnis zu anderen Religionen relevant. So hat sich bezÛglich des MissionsverstÅndnisses ebenfalls eine Besinnung auf die TrinitÅt vollzogen. In Korrespondenz zur christologischen Konzentration in der ×kumenischen Bewegung seit der dritten Weltkonferenz fÛr Glauben und Kirchenverfassung (Lund 1952) und der spÅteren Abl×sung durch den trinitarischen Ansatz wurde das seit der Weltmissionskonferenz in Willingen (1952) vorherrschende christozentrische MissionsverstÅndnis zunehmend von einem trinitarisch-heilsgeschichtlichen VerstÅndnis der Missio Dei abgel×st.362 Diese Besinnung auf die trinitarische Basis der Mission, die sich in allen großen konfessionellen Str×mungen vollzog, entsprach dem wesensmÅßigen Zusammenhang zwischen Kirche als heilsgeschichtlich konstituierter Gemeinschaft mit dem dreieinigen Gott und ihrem Auftrag, das von Gott gewÅhrte Heil aller Welt zu bezeugen.363 Die Kirche ist nÅmlich ihrem Wesen nach missionarisch, weil „sie selbst ihren Ursprung aus der Sendung des Sohnes und der Sendung des Heiligen Geistes herleitet gemÅß dem Plan Gottes des Vaters“ (Vatikanum II: Ad gentes 2). Auf diese Weise sind die Kirchen in Gottes missionarisches Zugehen auf die Welt hineingenommen (Missio Dei), das in den heilsgeschichtlichen Sendungen zum Ausdruck kommt364, so daß man auf multilateraler Dialogebene einvernehmlich zu dem Ergebnis kommen konnte: „Die Mission geh×rt zur Essenz des Wesens und des Seins der Kirche als koinonia.“365 Ein derartiges Einvernehmen war nicht immer selbstverstÅndlich und ist wohl nicht zuletzt auf die Einsicht in den konstitutiven Zusammenhang von trinitarischer Selbsterschließung Gottes, kirchlicher Koinonia und missionarischer Bestimmung der trinitarisch-ekklesiologischen Koinonia zurÛckzufÛhren. Das kam auch auf der ersten gemeinsamen Weltkonsultation der beiden °RK-Zweige „Glauben und Kirchenverfassung“ und „Weltmission und Evangelisation“ (H×xter/Deutschland 2000) zum Ausdruck, auf der man ver-

361

S. o., S. 39 ff. – Vgl. ferner C. Schw×bel: TrinitÅtslehre, S. 152. Vgl. J. Wietzke (Hg.): Mission, S. 425 ff., und M. Haudel: Relevanz, S. 76. 363 S. o., S. 149. 364 Vgl. die ErklÅrung des Lutherischen Weltbundes von 1988, abgedruckt bei J. Wietzke (Hg.): Mission, S. 119: „Die Sendung des Sohnes und des Heiligen Geistes in die Welt war der h×chste Ausdruck des g×ttlichen missionarischen Wirkens.“ Zur Entwicklungsgeschichte des „Missio Dei“-Begriffs vgl. D. Werner: Mission, S. 445 ff. 365 D. Heller (Hg.): Wesen, S. 32. Vgl. C. Schw×bel: Being, S. 161. 362

Ausblick

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suchte, unter BerÛcksichtigung der trinitarischen Gotteslehre neue Impulse fÛr ein ×kumenisches Kirchen- und MissionsverstÅndnis zu geben. Unter Anerkennung des trinitarisch begrÛndeten Zusammenhangs von Kirche und Mission konnte auf Vorteile des zunehmend trinitarischen MissionsverstÅndnisses hingewiesen werden: Das Bewußtsein der Kirchen, im Kontext der heilsgeschichtlichen Sendungen selbst EmpfÅnger der Missio Dei zu sein, stÅrkt ein partnerschaftliches VerstÅndnis von Mission, welches sowohl ehemals missionierende Kirchen als auch Kirchen in missionierten LÅndern jeweils als Geber und EmpfÅnger erscheinen lÅßt und die Trennung von „innerer und Åußerer“ Mission relativiert. Außerdem gerÅt durch die trinitarische Perspektive – Ûber anthropozentrische EngfÛhrungen hinaus – die „Theosis“ der ganzen Sch×pfung ins Blickfeld, mit der Konsequenz, daß die Weltverantwortung und der Zusammenhang von Zeugnis und Dienst ebenso in Erinnerung gerufen werden wie der Zusammenhang von individueller Bekehrung und strukturellen Konsequenzen. Doch auch im Blick auf das MissionsverstÅndnis ließ sich auf der Konsultation nicht verbergen, welche Problematik entsteht, wenn man zu pauschal und selbstverstÅndlich eine konforme trinitarische Basis voraussetzt. Der Versuch, das partnerschaftliche MissionsverstÅndnis in Analogie zur innertrinitarischen Perichorese zu verstehen, scheiterte an patromonistisch begrÛndeten Hinweisen russisch-orthodoxer Theologen, die aus einem entsprechend hierarchisch-korporativen AmtsverstÅndnis einen missionarischen „Gebietsschutz“ fÛr Russland, dem „kanonischen Territorium“ der russisch-orthodoxen Kirche, ableiteten.366 Also bedÛrfen auch die ×kumenischen BemÛhungen um ein trinitarisch fundiertes MissionsverstÅndnis einer dezidierten Auseinandersetzung mit der TrinitÅtslehre und deren Implikationen, weshalb der in der vorliegenden Untersuchung erarbeitete Rahmen offenbarungstheologischer, trinitÅtstheologischer und ekklesiologischer Differenzierungen auch in bezug auf ein gemeinsames MissionsverstÅndnis hilfreich sein k×nnte. Zum Beispiel ×ffnet die angemessene Zuordnung von intra- und interpersonaler Dimension Gottes als Voraussetzung fÛr die Wahrnehmung des personalen heilsgeschichtlichen Wirkens des Geistes den Blick fÛr die Spuren der Gegenwart des Geistes in der Sch×pfung und in den verschiedenen Kulturen, was eine differenzierte EinschÅtzung der Inkulturation des Evangeliums erm×glicht. Dabei erlaubt die Beachtung der gleichursprÛnglichen innertrinitarisch-perichoretischen Einheit mit ihren Spezifika der trinitarischen Personen das Zugehen auf die postmoderne Betonung der spezifischen PartikularitÅt, ohne die KatholizitÅt und ApostolizitÅt des Glaubenszeugnisses

366 Vgl. insgesamt M. Haudel: Relation, S. 401 ff., und ders.: Gemeinschaft/Zeugnis, S. 455 ff., wo auch die KomplexitÅt des Proselytismusproblems angedeutet wird, in dessen Kontext der erwÅhnte russisch-orthodoxe Anspruch steht.

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(Einheit) verleugnen zu mÛssen. Das geschieht, indem man die partikulare Evangeliumsaneignung in einem spezifischen Kontext ernst nimmt und gleichzeitig an der UniversalitÅt des einen apostolischen Glaubens festhÅlt. Ein auf diesen trinitÅtstheologischen Differenzierungen beruhendes MissionsverstÅndnis unterliegt also weder der Ausblendung der unterschiedlichen kulturellen AnknÛpfungspunkte fÛr das Evangelium noch der VernachlÅssigung des einen apostolischen Glaubenszeugnisses. Angesichts dieser ZusammenhÅnge bedarf die Suche nach einem trinitarisch begrÛndeten gemeinsamen Kirchen- und MissionsverstÅndnis einer dezidierten Auseinandersetzung mit der TrinitÅtslehre, wenn die BemÛhungen fruchtbar sein sollen.367 Die vom Verfasser erarbeiteten Differenzierungen k×nnten konvergente Grundlagen fÛr die Auseinandersetzung mit der TrinitÅtslehre und ihren Implikationen fÛr das Kirchen- und MissionsverstÅndnis anbieten. In den bisherigen AusfÛhrungen deutete sich bereits die fÛr Kirche und Mission konstitutive Dimension der Weltverantwortung an, die sich aus der trinitarischen Selbsterschließung Gottes ergibt: „Gott, der Vater, verherrlicht seinen Sohn, indem er durch dessen Tod und Auferstehung den Weg zum neuen Leben im Geist er×ffnet. Durch dieses fortdauernde Pfingstgeschehen wird die Kirche in der Liebe der heiligen Dreieinigkeit geeint und erneuert, um ein Leben in der Einheit zu finden. Auf diese Weise erneuert und auf dem Weg zu sichtbarer Einheit, ist die Kirche sowohl ein Zeichen als auch ein Werkzeug fÛr die Erneuerung der menschlichen Gemeinschaft, eine Erneuerung, die erst dann authentisch und erfÛllt sein kann, wenn die ganze Menschheit zusammengefÛhrt wird zur Vollendung der Sch×pfung Gottes in seinem vollkommenen Reich.“368 Das VerhÅltnis von Kirche und Welt ist mit seinen ethischen Implikationen also ebenfalls trinitÅtstheologisch verankert, was ethischen EngfÛhrungen entgegensteht. Zu Recht weist Christoph Schw×bel darauf hin, daß der heilsgeschichtliche Zusammenhang von Sch×pfung, Erl×sung und Vollendung weder eine isolierte Sch×pfungsethik noch eine isolierte Vers×hnungsethik oder eine isolierte ethische Orientierung am Reich Gottes erlaubt, sondern die differenzierte ethische Zusammenschau aller drei Aspekte der Wirklichkeit erfordert.369 Doch auch bei der Beachtung des trinitarisch-heilsgeschichtlichen Zusammenhangs k×nnen einseitig intra- oder interpersonal geprÅgte trinitÅtstheo-

Vgl. M. Haudel: Konzentration, S. 254 f. Kirche/Welt, S. 41 (Studiendokument von „Glauben und Kirchenverfassung“ zum VerhÅltnis von Kirche und Welt). Zum konstitutiven Zusammenhang von ekklesiologischer Koinonia und ethischer Verpflichtung vgl. den Bericht der Sektion IV der FÛnften Weltkonferenz fÛr Glauben und Kirchenverfassung, abgedruckt bei G. Gaßmann/D. Heller (Hg.): Santiago, S. 245 ff. 369 Vgl. C. Schw×bel: TrinitÅtslehre, S. 153. 367 368

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logische Identifikationen g×ttlicher und menschlicher Strukturen leicht zu einer natÛrlichen oder sittlichen Prinzipialisierung trinitarischer Analogien fÛhren, wodurch die Gleichzeitigkeit von „GegenÛber und NÅhe“ Gottes einseitig reduziert wird.370 In der vorliegenden Untersuchung trat mehrfach hervor, wie einseitige Identifikationsstrukturen entweder eine identifizierendvereinnahmende ºberbetonung der „NÅhe“ Gottes oder dualistische Vereinnahmungen des fernen Gottes („GegenÛber“) auf der Seins- oder Handlungsebene zur Folge haben. Damit k×nnen sowohl deterministische (doppelte PrÅdestination) oder synergistische (Werkgerechtigkeit) Tendenzen als auch eine Diastase von Kirche und Welt (Kirche als Offenbarung) oder eine Verquickung beider (Theologie der Welt) verbunden sein.371 Das spiegelt sich in unangemessenen VerhÅltnisbestimmungen von Gesetz und Evangelium wider. So verursacht etwa die primÅr intrapersonal und filioquistisch gefÅrbte TrinitÅtslehre Karl Barths eine einlinig christologisch orientierte Integration des Gesetzes in das Evangelium und damit die Gefahr einer Vergesetzlichung des Evangeliums bzw. eines ethischen „Christus prolongatus“, der leicht in die NÅhe neuzeitlicher Ethisierung oder Moralisierung gerÅt.372 Das umgekehrte Problem einer totalen VerselbstÅndigung sch×pfungsbezogener Ethik entsteht durch eine dualistische Trennung von Gesetz und Evangelium. Von daher k×nnen die vom Verfasser erarbeiteten Differenzierungen auch fÛr eine differenzierte ethische Ausrichtung von Belang sein, die der Gleichzeitigkeit von „GegenÛber und NÅhe“ Gottes in der Heilsgeschichte sowie seiner rechtfertigenden Gnade zu entsprechen versucht. Denn die Beachtung der Gleichzeitigkeit von intra- und interpersonaler Dimension Gottes vermag in ihrer Wahrnehmung der differenzierten VergegenwÅrtigung Christi durch den Heiligen Geist derart einseitige Identifikationen oder Diastasen zu verhindern, indem sie fÛr die Gegenwart Christi in der Kirche eine ebenso gegliederte und nuancierte Charakterisierung gewÅhrt wie fÛr die Gegenwart des Geistes Christi in der Welt. Außerdem widersteht die Gleichzeitigkeit von intra- und interpersonaler Dimension Gottes intrapersonalen Reduktionen mit einseitig individualistischen Analogien gleichermaßen wie interpersonalen Reduktionen mit einseitig kollektivistischen Analogien. Das gilt sowohl fÛr ekklesiologisch als auch fÛr politisch ausgerichtete Versuche einseitiger Vereinnahmungen Gottes, wie sie zum Beispiel in ZusammenhÅngen zwischen monistischer Gotteslehre und zentralistischer Ekklesiologie (z. B. bei J. Ratzinger) oder politischer Monarchie (z. B. aufgezeigt von E. Peterson und J. Moltmann) zum Ausdruck kommen. Dane370 Dazu s. o., S. 464 ff. u. 484 ff., wo auch das fÛr diese Thematik relevante VerhÅltnis von Geist und Vernunft sowie von Glaube und Vernunft ausfÛhrlich er×rtert wird. 371 S. o., S. 41 ff., 292 ff., 308 ff., 333 f. 372 S. o., S. 214.

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ben transzendieren die trinitÅtstheologischen Differenzierungen durch ihre Unterbindung einseitiger anthropomorpher Vereinnahmungen reduktive geschlechtsspezifische trinitÅtstheologische Zuordnungen, so daß Gott weder durch patriarchalische noch durch extreme feministische Gegenreaktionen zu vereinnahmen ist, sondern – unter BerÛcksichtigung seiner biblisch auch bezeugten weiblichen ZÛge – in seiner einzigartigen G×ttlichkeit ernst genommen wird. Weil sich diese G×ttlichkeit auf die ganze Sch×pfung bezieht, verlangt Gottes trinitarisch-heilsgeschichtliches Handeln ein seiner trinitarischen Liebe analoges partizipatorisches soziales und ×kologisches Handeln der Menschen. „Was daher im Zeugnis durch VerkÛndigung und in konkreten Handlungen mit allen Menschen guten Willens fÛr Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Sch×pfung auf dem Spiel steht, ist die IntegritÅt der Sendung der Kirche, ihres wahren Wesens als Gottes Werkzeug.“373 Die der g×ttlichen Liebe analoge Struktur des ethischen Handelns hÅngt auch hier von der Art und Weise trinitÅtstheologischer VerhÅltnisbestimmungen ab, so daß die vorgelegten Differenzierungen erneut hilfreich erscheinen. Da sich die ethischen Prinzipien von den perichoretisch geprÅgten trinitÅtstheologischen Bestimmungen ableiten, sollte gelten, daß die Kirche als „Geistgemeinschaft partizipatorische Handlungsweisen wertmÅßig bevorzugt“ und aufgrund ihrer trinitarischen Konstitution „in der Tat eine besondere Ethik“ hat, was aber wegen der universalen Bedeutung der trinitarischen Heilsgeschichte nicht ausschließt, „daß die ethischen Begriffe der Geistgemeinschaft auch nichttheologische Ethiken bestimmen k×nnen“374. Die damit verbundene Frage, wie der Geist außerhalb der Kirche wirkt, stellt sich neben der angestrebten christlichen Zusammenarbeit mit allen Menschen guten Willens oder der Suche nach einer Ethik der Religionen (Weltethos)375 auch in bezug auf den interreligi×sen Dialog. ZunÅchst bleibt diesbezÛglich darauf hinzuweisen, daß der christlich-jÛdische Dialog nicht einfach der Kategorie „interreligi×ser Dialog“ subsumiert werden darf, weil aufgrund der Heilsgeschichte ein spezifischer und konstitutiver Zusammenhang zwischen Israel und Kirche bzw. Judentum und Christentum besteht. Denn der Gott, der Jesu Zeugnis und Handeln in der Auferstehung bewÅhrte und sich dabei selbst als Vater des Sohnes identifizierte bzw. sich im Sohn offenbarte, ist der „Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs“, da Jesu Zeugnis sich auf den Kontext der Geschichte Israels mit

373 D. Heller (Hg.): Wesen, S. 27. – Zu den zuletzt angesprochenen Themenbereichen insgesamt s. o., S. 41 ff., und siehe Kap. IV,2.1. 374 E. Lessing: Art. „Geist V“, S. 233, der sich primÅr auf die pneumatologische BegrÛndung der Ethik konzentriert. 375 Das Weltparlament der Religionen knÛpfte 1993 mit seiner „ErklÅrung zum Weltethos“ an H. KÛngs VorschlÅge zum „Projekt Weltethos“ an und benannte gemeinsame Grundorientierungen wie die Ehrfurcht vor dem Leben, Gewaltlosigkeit, Gleichberechtigung oder SolidaritÅt.

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Gott bezog und sich in diesem Kontext vollzog. Deshalb ereignet sich die Berufung der Christen zur Gemeinschaft mit Gott in der Geschichte g×ttlichen ErwÅhlungshandelns, das mit der – bleibenden (R×m. 11) – ErwÅhlung Israels begann und im „neuen Bund“ des Christusgeschehens (I Kor 11,25) die Verbindung mit den bisherigen BundesschlÛssen behÅlt (NoahBund, Bund mit Abraham am Sinai), allerdings im Christusereignis „als das endgÛltige, nicht Ûberbietbare Gotteshandeln fÛr das Volk Israel und fÛr die Menschen aus der V×lkerwelt“376. Weil die trinitarische Selbsterschließung Gottes in der Heilsgeschichte diese ZusammenhÅnge er×ffnet, ist die TrinitÅtslehre nicht hinderlich fÛr den christlich-jÛdischen Dialog, wie viele meinen, sondern sie belegt grundlegend die Notwendigkeit dieses Dialogs, und das nicht zuletzt auch deshalb, weil sie die schuldbeladene Geschichte christlich motivierter Judenfeindschaft als Verirrung erkennbar werden lÅßt. So bleibt mit Christoph Schw×bels Worten festzuhalten: „Erst unter Voraussetzung des trinitarischen Glaubens stellt sich die Frage jÛdisch-christlicher °kumene mit besonderer Dringlichkeit.“377 Schw×bel er×rtert die Verbindung von Kirche und Israel durch den Zusammenhang der zur Gotteserkenntnis notwendigen drei identitÅtsbeschreibenden Geschichten: die Geschichte vom Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs; die Geschichte von Jesus und die Geschichte von Gottes Geist-Gegenwart in der Kirche. Indem Jesu Vater als der Gott Israels identifiziert wird und sich der in der Kirche wirkende Geist als Geist Christi sowie als der von den Propheten verheißene Geist zu erkennen gibt, wird das untrennbare VerhÅltnis von Kirche und Israel transparent.378 FÛr eine differenzierte Darlegung dieses VerhÅltnisses, die beide Dialogpartner ernst nimmt, k×nnten sich die vollzogenen trinitÅtstheologischen Differenzierungen abermals als hilfreich erweisen, da sie einseitige und somit pauschalisierende trinitÅtstheologische Konsequenzen zu verhindern verm×gen. Solche Konsequenzen finden ihren Niederschlag nÅmlich nicht selten in einseitigen Modellen wie dem Substitutionsmodell (Kirche ersetzt Israel), Integrationsmodell (Kirche integriert Restisrael), Illustrationsmodell (Israel als Negativfolie) oder KomplementaritÅtsmodell (harmonisierend).379 Werden etwa die innertrinitarischen Spezifika nicht deutlich beachtet, kann es verborgen bleiben, daß christlicher Glaube und jÛdischer Glaube in bezug auf Gott als den Sch×pfer (Vater) Ûbereinstimmen. So tritt der Aspekt bleibender Gemeinsamkeit in den Hintergrund, wodurch die Ten-

376 Kirche/Israel, S. 51 (Dokument der Leuenberger Kirchengemeinschaft). Vgl. insgesamt ebd., S. 27 ff., 37, 50 ff., 66 ff. 377 C. Schw×bel: Theologie, S. 327. 378 Vgl. ebd., S. 326. 379 Vgl. S. Wiedenhofer: Ekklesiologie, S. 118.

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denz zu Substitutionsmodellen ebenso verstÅrkt wird wie durch eine defizitÅre Beachtung des eschatologischen Handelns des Heiligen Geistes an Israel und der Kirche (R×m 11). Umgekehrt lÅßt sich beispielsweise die AffinitÅt von KomplementaritÅtsmodellen zu einer rein intrapersonal-modalistischen Christologie beobachten, die durch unitarisch-modalistische PrÅgung die jÛdischem Denken entgegenstehende Einsicht verdeckt, daß die Inkarnation die definitive Manifestation des innerg×ttlichen Wesens bedeutet und so Gott selbst am Kreuz gelitten hat.380 Hier kommt demnach die Differenz zu kurz. Nur eine differenzierte TrinitÅtslehre bewahrt also die fÛr das VerhÅltnis von Kirche und Israel maßgebliche Gleichzeitigkeit von Gemeinsamkeit und Differenz, die in den Charakteristika der – Israel und Kirche umfassenden – Heilsgeschichte begrÛndet ist. Deshalb verbieten sich trinitÅtstheologische Reduktionen bzw. Einseitigkeiten ebenso wie Minimalisierungen, die im christlich-jÛdischen Dialog harmonisierend auf die TrinitÅtslehre verzichten, zumal ein solcher Verzicht den Umstand Ûbersieht, daß sich Israels Erfahrungen mit dem pers×nlichen und lebendigen Gott nicht ohne weiteres besser mit unitarisch-monotheistischen Gottesvorstellungen vertragen, wozu es von jÛdischer Seite durchaus klare Hinweise gibt.381 Derartige Minimalisierungen erweisen sich auch fÛr den auf alle Religionen382 zielenden interreligi×sen Dialog als wenig hilfreich. Das ergibt sich zunÅchst schon aus grundsÅtzlichen hermeneutischen ErwÅgungen: „Es dient dem Dialog mit anderen Religionen nicht, wenn Christen das besondere Christliche relativieren und zugunsten eines allgemeinen Pluralismus preisgeben. Wer sollte an einem Dialog mit christlichen Theologen interessiert sein, die das Christliche nicht mehr eindeutig vertreten wollen?“383

380 Vgl. dazu M. Haudel: Namen, S. 337. Vgl. ferner W. Pannenberg: Religionen, S. 310, der auf die christlich-jÛdische Auseinandersetzung Ûber die Frage hinweist, ob Gott sich definitiv im Sohn oder im Gesetz manifestiert. 381 Vgl. G. Greshake: Gott, S. 508, Anm. 230, wo er neben der jÛdischen Hypostasenkonzeption auf den jÛdischen Gelehrten R. J. Z. Werblowsky verweist, fÛr den es sowohl bei der christlichen TrinitÅtslehre als auch bei den jÛdischen kabbalistischen Vorstellungen von verschiedenen Formen der Manifestation Gottes jeweils um dasselbe Problem geht, nÅmlich einen dynamischen Monotheos zu erkennen, ohne in Polytheismus zu verfallen. Vgl. ferner ebd., S. 505, Anm. 219, wo Greshake er×rtert, wie sich jÛdische Theologie und Mystik durchaus positiv mit einer „triadischen Sicht“ Gottes auseinandersetzen. Als Beleg fÛr diese Beobachtung vgl. in P. Lapide/J. Moltmann: Monotheismus, S. 9 ff., den Beitrag von Lapide. Vgl. zur grundsÅtzlichen Fragestellung auch M. Haudel: Namen, S. 338. 382 Der Religionsbegriff kann in seiner KomplexitÅt hier nicht er×rtert werden. Was Religion als „Lebensbedingung des Glaubens“ (G. Ebeling: Dogmatik I, S. 138) im Blick auf den christlichen Glauben bedeutet, ist aus der vorliegenden Untersuchung hinreichend hervorgegangen. Hinsichtlich des VerhÅltnisses zu anderen Religionen wird sich die Bedeutung des Religionsbegriff implizit aus den folgenden AusfÛhrungen erschließen. 383 J. Moltmann: Geschichte, S. 11. Vgl. G. R. Schmidt: Bedeutung, S. 85: „Statt zu fragen, welche Kriterien sich aus christlich-theologischen Einsichten fÛr den Dialog [. . .] ergeben, fragt

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(J. Moltmann) Weil sich die christliche IdentitÅt auf die trinitarische Selbsterschließung Gottes grÛndet, liegt fÛr die christlichen Kirchen in einer angemessenen TrinitÅtslehre und ihren Implikationen die Maßgabe fÛr den interreligi×sen Dialog: „Durch die Formulierung des trinitarischen Bekenntnisses klÅren die christlichen Kirchen, was sie zusammenhÅlt und umfaßt, und was sie von anderen trennt: sie bestimmen ihre IdentitÅt, indem sie die trinitarische IdentitÅt Gottes bekennen.“384 (C. Schw×bel) Doch Ûber diese identitÅtsstiftende und kriteriologische Funktion hinaus wird die TrinitÅtslehre, die sich auf die – an der natÛrlichen Ahnung anknÛpfende – Selbsterschließung Gottes beruft, zunehmend als allgemein geeignete Grundlage fÛr den interreligi×sen Dialog gesehen, insofern als sie AnknÛpfungspunkte fÛr eine Zusammenschau der religi×sen PluralitÅt beinhaltet: „FÛr das VerhÅltnis der Religionen untereinander und ihren Dialog bieten sich christlicher TrinitÅtsglaube und christliche TrinitÅtstheologie als eine Basistheorie an.“385 (G. Greshake) Gisbert Greshake sieht in der TrinitÅtslehre das Potential, die Grundtypen der Weltreligionen zu integrieren. Damit bleibt er grundsÅtzlich dem Modell des Inklusivismus (Vatikanum II) verbunden, das in den anderen Religionen Spuren der Kundgabe Gottes bzw. seines Geistwirkens erkennt und davon ausgeht, daß diese Wahrheitsmomente auf die Wahrheit in Christus hingeordnet sind und in ihm zum Ziel kommen. Durch diesen christozentrisch geprÅgten Inklusivismus wird ein ekklesiozentrisch geprÅgter Exklusivismus, der sÅmtliche Aspekte der Heilswahrheit auf den Raum der Kirche beschrÅnkt, ebenso zurÛckgewiesen wie ein theozentrisch geprÅgter Pluralismus, nach dem alle Religionen gleich gÛltig sind (z. B. J. Hick, P. F. Knitter, W. Smith, R. Bernhardt). Letzterer Position wirft Greshake eine Analogie zum Modalismus vor, da sich Gott nach pluralistischem VerstÅndnis in den verschiedensten Religionstypen unter verschiedenen kulturellen Bedingungen zeige, aber niemals so, wie er in Wahrheit ist. Außerdem scheine bei diesen AnsÅtzen das menschliche „Ich“ von wirklich begegnenden g×ttlichen AnsprÛchen unbehelligt sein zu wollen, so daß sich auch die Dialogpartner in ihrer Kommunikation gegenseitig nicht mehr als TrÅger einer wirklich an-sprechenden und an-fordernden Wahrheit wahr-nehmen. Doch das seines Erachtens positive Ansinnen der Pluralismus-Vertreter, auch von anderen Religionen zu lernen, nimmt Greshake in seine trinitarische Synthese der Grundtypen der Weltreligionen auf und beansprucht so eine inklusivi-

man umgekehrt, wie der christliche Inhalt so zurechtgebogen werden kann, daß er dem GesprÅchspartner keinen Anstoß mehr bietet. Damit wird man allerdings auch dem Nicht-Christen kaum gerecht. Dieser findet dann nÅmlich im Extremfall gar keinen christlichen GesprÅchspartner mehr vor!“ 384 C. Schw×bel: Theologie, S. 327. 385 G. Greshake: Gott, S. 505.

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stische Position, in der das genannte Anliegen des pluralistischen Modells zu seinem Recht kommt. Die trinitarische Person des Vaters als ursprungslose Quelle des Seins verk×rpert laut Greshake die Korrelation zu allen apophatischen Religionen (buddhistisches Nirvana etc.), der Sohn als Wort Gottes bildet das Korrelat zu theistischen Religionen mit pers×nlichem GottesverhÅltnis (Islam etc.), und mit dem Wesen des Heiligen Geistes korrelieren religi×se Vorstellungen von der Ganzheits-Immanenz Gottes im Kosmos (hinduistische SpiritualitÅt des Geistes etc.). Greshake gesteht zwar zu, dem ersten und dritten Typos fehle das zur Liebe geh×rende GegenÛber-Sein, dessen Beachtung diese religi×sen Grundtypen von der christlichen TrinitÅt zu lernen hÅtten (Korrektur), in der sie ja perichoretisch vereint wÛrden, aber er meint zugleich, die eigenen legitimen Perspektiven der religi×sen Grundtypen seien deshalb nicht in Frage zu stellen, da sie auch Gottes Wahrheit transportieren. Hier wird der Ansatz aporetisch, weil Greshake Grundausrichtungen zu harmonisieren versucht, die sich in ihrer Grundintention widersprechen (z. B. namenlose Gottesferne und liebende Selbsterschließung Gottes). Der zu bruchlose ºbergang der genannten Grundtypen in die trinitarische Perichorese zeugt von Greshakes mangelnder Wahrnehmung des Aspekts der Krisis und von dem nicht geringen Einfluß der trinitarisch-pantheistischen Konzeption Raimon Panikkars, auf die er partiell zurÛckgreift. Das aporetische VerhÅltnis vieler dieser EinflÛsse zu den revelatorischen christlichen Grundlagen kann Greshake wohl deshalb vernachlÅssigen, weil er den postulierten pan-religi×sen Prozeß evolutionistisch-eschatologisch auf die Vollendung Christi zulaufen sieht, die wiederum vom Verhalten der Menschen abhÅngig sei.386 Hier wÅre ein differenzierter trinitÅtstheologischer Ansatz hilfreich, der weder die „distinctio“ zwischen ×konomischer und immanenter TrinitÅt noch die in Gottes intra- und interpersonalem Sein begrÛndete Gleichzeitigkeit von „GegenÛber und NÅhe“ Gottes vernachlÅssigt. Mit diesen Differenzierungen k×nnte Greshake sowohl der christlichen TrinitÅtslehre als auch den religi×sen Grundtypen gerechter werden, weil er dann in der Lage wÅre, deutlicher zwischen KomplementaritÅt und Differenz zu unterscheiden. Das Wirken des Heiligen Geistes in anderen religi×sen Kontexten kÅme dann zwar nicht in Form eines derart harmonischen Gesamtkonzepts zum Vorschein, dafÛr aber nachvollziehbarer. Denn berÛcksichtigt man die revelatorischen Grundlagen, geht es nicht um die Vollendung Christi als Selbstkonstitution Gottes, sondern um Gottes liebende Hingabe zur Erlangung des

386 Vgl. insgesamt G. Greshake: Gott, S. 499–522. Zu den Klassifizierungen der verschiedenen Dialog-Modelle vgl. auch R. Bernhardt: Absolutheitsanspruch, S. 53 ff., und zu Panikkars pantheistisch geprÅgtem Ansatz siehe Anm. 63, I. Kap.

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eschatologischen Heils der Welt. Der in der Welt und allen Religionen wirkende Geist des Sch×pfers (Vater), dessen Wirken im Kontext der biblisch geforderten Unterscheidung der Geister steht, bleibt durch seine trinitarisch-heilsgeschichtliche Eingebundenheit der Geist Christi, an den er deshalb stets kriteriologisch zurÛckzubinden ist.387 Das erm×glicht einerseits die Wahrnehmung des universalen Geistwirkens in allen Religionen und andererseits die Beachtung der Gleichzeitigkeit von Spuren der KomplementaritÅt und Spuren der Verkehrung – eine Unterscheidung, welche die Kirche auch fÛr sich selbst in Anspruch nimmt, wenn sie zwischen authentischer Glaubensnachfolge und Formen selbstbezogener spekulativer Vereinnahmung Gottes in der Kirche unterscheidet. So erweist sich eine differenzierte TrinitÅtslehre, die eine angemessene VerhÅltnisbestimmung von Christologie und Pneumatologie gewÅhrleistet, nicht nur fÛr ekklesiologische Entsprechungen als bedeutsam, sondern auch fÛr einen differenzierten Zugang zum interreligi×sen Dialog. Daß die christologischen Implikationen durch eine bewußtere trinitarische Orientierung zwar aufgeweitet und von EngfÛhrungen befreit werden, aber nicht an maßgeblicher Bedeutung verlieren, sondern in die – letztlich schon immer – konstitutive trinitarische Verankerung der Kirche eingebunden bleiben, erscheint auch in bezug auf den von Konrad Raiser geforderten Paradigmenwechsel der ×kumenischen Bewegung bedenkenswert. Raiser stellt zu Recht heraus, daß der von ihm als „klassisches Paradigma“ bezeichnete Christozentrismus mit seiner ekklesiozentrischen Sicht und einlinigstatischen Geschichtsauffassung den – mit postmodernem Partikularismus korrespondierenden – Herausforderungen konfessioneller und religi×ser PluralitÅt sowie globaler ºberlebensprobleme unzulÅnglich begegne, wÅhrend diese Situation der Unsicherheit ideologische TotalitÅtsansprÛche f×rdere. Deshalb mÛsse ein neues Paradigma die partizipatorische Teilhabe am differenzierten Haushalt des Lebens der Erde erm×glichen. In der trinitarischen SozialitÅt Gottes erblickt Raiser die Analogie fÛr die eucharistisch vermittelte partizipatorische VerknÛpfung von Lokalem und Universalem.388 Daß eine Besinnung auf die trinitarische Struktur der Gemeinschaft von Gott und Welt, die den Hinweis auf die Sch×pfungsdimension und den in der Sch×pfung gegenwÅrtigen Geist deutlicher enthÅlt, Ûber die christozentrische Konzentration hinaus der beschriebenen Situation gerechter zu werden vermag, geht aus der vorliegenden Untersuchung hinlÅnglich hervor. Gleichzeitig hat die Untersuchung aber auch gezeigt, welche EngfÛhrungen trotz eines trinitarischen Ansatzes erneut entstehen k×nnen, wenn die Tri-

387 388

Vgl. E. Lessing: Art. „Geist V“, S. 229 f. Vgl. K. Raiser: °kumene, bes. S. 52 ff. u. 125 ff.

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nitÅtslehre von einseitigen PrÅmissen geprÅgt wird. Auch Raisers berechtigter Vorstoß einer trinitÅtstheologischen Aufweitung bisheriger christozentrischer Einseitigkeiten bleibt von dieser Gefahr nicht unberÛhrt, weil sein Ziel, partizipatorische soziale und ekklesiologische Strukturen zu erreichen, mit einer rein interpersonal-sozialen TrinitÅtslehre korreliert, welche die intrapersonale Wesenseinheit Gottes vernachlÅssigt. In Entsprechung zu einer rein interpersonal-sozialen Perichorese dreier unterschiedlicher Personen hebt sein Ansatz die partikulare Vielfalt und Unterschiedenheit sowie ihre strukturelle soziale Komponente hervor. Dabei tritt der Aspekt der in Christus vermittelten Einheit des Leibes Christi ebenso in den Hintergrund wie das durch die intrapersonale Wesenseinheit angezeigte „GegenÛber-Sein“ Gottes. Als Gegenreaktion auf die einseitig intrapersonal-christozentrische Betonung der Einheit des Leibes Christi erfolgt hier in Korrespondenz zum postmodernen Partikularismus eine interpersonal-soziale Hervorhebung partikularer Vielfalt und eine primÅre Akzentuierung der „NÅhe“ Gottes in der strukturell gegliederten Vielfalt weltlicher PhÅnomene (Christologie „von unten“). Entsprechend verbindet Raiser mit den griechischen KirchenvÅtern lediglich das rein interpersonale Modell der „sozialen TrinitÅtslehre“.389 Die vorliegende Untersuchung konnte jedoch durch die Analyse der neunizÅnischen TrinitÅtslehre nachweisen, daß diese auf die Gleichzeitigkeit von intra- und interpersonaler Dimension Gottes Wert legt. Ein darin verankerter differenzierter trinitÅtstheologischer Ansatz verhindert unter Wahrnehmung der Gleichzeitigkeit von Gottes „GegenÛber und NÅhe“ reduktionistische intra- oder interpersonale EngfÛhrungen. Er erm×glicht durch die Beachtung der perichoretischen christologisch-pneumatologischen Wechselbeziehungen neben der Perspektive nuancierter analoger Strukturen der Einheit in Vielfalt auch eine differenzierte Sicht auf die heils- und weltgeschichtliche Wirklichkeit. GegenÛber einlinig-christozentrischen heilsgeschichtlichen Konzeptionen vermag diese Sichtweise das Wirken des Geistes in der Sch×pfung, in sozialen Konstellationen und in anderen Religionen zu berÛcksichtigen, ohne die christologische RÛckbindung zu vernachlÅssigen. In Anbetracht einer differenzierten TrinitÅtslehre, die alle trinitarischen Spezifika gleichermaßen berÛcksichtigt, sollte die ºberwindung christozentrisch-ekklesiozentrischer Einseitigkeiten und ihrer einlinigen heilsgeschichtlichen Implikationen nicht als Paradigmenwechsel erfolgen, der die Abl×sung eines Paradigmas durch ein anderes suggeriert, sondern durch eine differenzierte trinitÅtstheologische Besinnung, welche die berechtigten Aspekte christologischer Konzentration nicht ausblendet,

389

Vgl. ebd., S. 146. Insgesamt vgl. ebd., S. 94 ff. u. 121 ff.

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sondern mit Hilfe der bleibenden trinitarischen Grundlage christlichen Glaubens und Handelns einer „Horizonterweiterung“390 unterzieht. Durch eine solche Horizonterweiterung konnte hinsichtlich des interreligi×sen Dialogs auch die methodische Relevanz der TrinitÅtslehre fÛr diesen Dialog hervortreten. Eine gemeinsame Studie der Arnoldshainer Konferenz und der VELKD zum Thema „Religionen, ReligiositÅt und christlicher Glaube“ charakterisiert das kirchliche Handeln in Analogie zum heilsgeschichtlichen Handeln der trinitarischen Personen als dynamische Einheit von Mission, Dialog und Konvivenz. Weil Vater, Sohn und Heiliger Geist auf verschiedene Weise Gottes Weltzugewandtheit verk×rpern, hat die Kirche an dieser Zuwendung zur Welt zu partizipieren, da sie sich nicht selbst dient, sondern dem Ziel der eschatologischen Gemeinschaft der ganzen Sch×pfung mit dem dreieinigen Gott: Wie Gott im Geist Ûber sich hinausgeht (in die Welt), so bewegt der Geist die Kirche zum Zeugnis dieser Liebe Gottes (Mission); wie der Sohn als Wort Gottes den zur Freiheit entbindenden Dialog zwischen Gott und Welt er×ffnet, so ist die Kirche zu diesem dialogischen Umgang in Liebe aufgerufen; und wie der Vater als Sch×pfer das Welthandeln Gottes fÛr alle Gesch×pfe transparent werden lÅßt, so sucht die Kirche in Konvivenz bzw. in konkreter Zuwendung die Gemeinschaft mit der gesamten Sch×pfung. Diese Dynamik spiegelt sich in der Vielfalt wider, die das explizite und implizite Zeugnis fÛr die Liebe Gottes aus biblischer Perspektive aufzuweisen vermag.391 Doch auch angesichts einer solchen dynamischen Zuordnung bleibt mit den Worten von Christine Lienemann-Perrin festzuhalten: „Die Unterschiede und GegensÅtze im Missions- und DialogverstÅndnis sind gr×sser kaum vorstellbar. Angesichts dieser Situation versuchen die Kirchen in den ×kumenischen Stellungnahmen, sich auf gewisse Grundlinien zu verstÅndigen.“392 Daß hierbei die Besinnung auf die TrinitÅtslehre durchaus eine Rolle spielt, belegt die oben erwÅhnte Konsultation von „Glauben und Kirchenverfassung“ und „Weltmission und Evangelisation“.393

390 C. Schw×bel: Theologie, S. 336, der die Terminologie des „Paradigmenwechsels“ aus den genannten GrÛnden fÛr unangemessen hÅlt. 391 Vgl. Religionen, S. 117 ff. Zur biblischen Perspektive vgl. auch C. Lienemann-Perrin: Mission, S. 177 f. – Vgl. zum VerhÅltnis von Dialog und Mission den Beitrag der Leuenberger Kirchengemeinschaft, die zu dem Ergebnis kommt: „Christen schulden allen Menschen, auch den Vertretern anderer Religionen, die Klarheit ihres Glaubens- und Lebenszeugnisses.“ (Kirche, S. 54) 392 C. Lienemann-Perrin: Mission, S. 179, die beispielsweise anfÛhrt, daß das Spektrum von einer konfessionell-missionarischen Funktionalisierung des interreligi×sen Dialogs bis zur Verwerfung jeglicher missionarischer Hintergedanken reicht. Letzteres finde sich in etlichen pluralistischen AnsÅtzen, die Religion oft auf ein Torso reduzierten und entleerten, um st×rende Elemente aus dem Dialog zu entfernen (vgl. ebd., S. 184). 393 S. o., S. 592 ff.

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L×sungsansÅtze

Also k×nnten die in der vorliegenden Untersuchung erarbeiteten offenbarungstheologischen, trinitÅtstheologischen und ekklesiologischen Differenzierungen mit ihren Implikationen fÛr das VerhÅltnis von Kirche und Welt sowie fÛr das Missions- und DialogverstÅndnis durchaus einen Rahmen fÛr die Suche nach gemeinsamen Grundlinien bilden. Hinsichtlich des interreligi×sen Dialogs stehen diese Differenzierungen zum einen exklusivistischen AnsÅtzen entgegen, die das Wirken des Heiligen Geistes in der Sch×pfung und in menschlicher ReligiositÅt v×llig ausblenden, und zum anderen widerstehen sie pluralistischen Konzeptionen, die der christologischen RÛckbindung des Geistes kein Gewicht einrÅumen und die konkrete Selbsterschließung des trinitarischen Gottes im PhÅnomen allgemeiner ReligiositÅt aufgehen lassen. Ebensowenig vertragen sich die trinitÅtstheologischen Differenzierungen mit einem pauschalen Inklusivismus, der dem Aspekt der Krisis bei der Kundgabe g×ttlicher Wahrheit in anderen Religionen kaum Beachtung schenkt. Denn die BerÛcksichtigung der Gleichzeitigkeit von intra- und interpersonaler Dimension Gottes (Gleichzeitigkeit von „GegenÛber und NÅhe“) und die entsprechende Wahrnehmung der gleichursprÛnglichen innertrinitarischen Perichorese mit ihren personalen Spezifika (Wechselbeziehung zwischen Sohn und Geist) gewÅhren einen differenzierten Rahmen fÛr den Dialog mit anderen Religionen, was im Laufe der vorhergehenden AusfÛhrungen ersichtlich wurde. So lÅßt sich darlegen, wie sich die trinitarische Selbsterschließung Gottes im Kontext des VerhÅltnisses von „Ahnung und Offenbarung“ unter AnknÛpfung und Widerspruch vollzieht, so daß sowohl die Spuren g×ttlicher Gegenwart in der Sch×pfung oder in religi×sen Strukturen als auch die Verkehrungen zum Vorschein kommen. Diese biblisch bezeugte Spannung von gegebener Ahnung und verkehrender Vereinnahmung findet ihre Aufl×sung in der heilsgeschichtlichen Selbsterschließung des trinitarischen Gottes, die Sch×pfung, Erl×sung und Vollendung vielschichtig zusammenbindet und weder voneinander isoliert noch uniform vereinheitlicht. Deshalb kommt die Gegenwart von Logos und Geist in der Sch×pfung als Voraussetzung eines transzendentalen bzw. religi×sen Grundvertrauens gleichermaßen zur Geltung wie das inkarnatorisch-kreuzestheologische Erl×sungshandeln des dreieinigen Gottes als Voraussetzung der Gottes- und Heilsgewißheit. Da die Selbsterschließung des dreieinigen Gottes in Sch×pfung, Erl×sung und Vollendung somit ein kriteriologisches Integral darstellt, ist mit den trinitÅtstheologischen Differenzierungen fÛr den interreligi×sen Dialog die M×glichkeit gegeben, sich ernsthaft auf die religi×sen Vorstellungen anderer Religionen einzulassen, ohne das Kriterium der eigenen Glaubenserfahrung aufgeben zu mÛssen. Vor dem Hintergrund der er×rterten ZusammenhÅnge k×nnten die in der vorliegenden Untersuchung vollzogenen Analysen, Differenzierungen und VerhÅltnisbestimmungen zunÅchst dazu beitragen, die Interdependenz von

Ausblick

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offenbarungstheologischen, trinitÅtstheologischen und ekklesiologischen PrÅmissen und Defiziten in ihrer Bedeutung fÛr das Gottes- und KirchenverstÅndnis wahrzunehmen – auch in bezug auf ihre Implikationen fÛr das VerhÅltnis von Kirche und Welt, Kirche und Mission sowie fÛr den christlich-jÛdischen und den darÛber hinausgehenden interreligi×sen Dialog. Gleichzeitig bieten sich die vollzogenen Differenzierungen und VerhÅltnisbestimmungen als kriteriologischer Rahmen an, dessen man bedarf, wenn man angesichts der genannten Interdependenz nach Perspektiven fÛr eine AnnÅherung im Gottes- und KirchenverstÅndnis sucht und deren Relevanz fÛr gemeinsame ZugÅnge zur Mission, zur Weltverantwortung und zum Dialog mit anderen Religionen ernst nimmt. Die Hoffnung, daß die dargelegten Differenzierungen und VerhÅltnisbestimmungen diesbezÛglich hilfreich sein k×nnten, grÛndet sich nicht zuletzt darauf, daß sie von der gemeinsamen altkirchlichen Basis neunizÅnischer Theologie abgeleitet wurden, die in einem Prozeß ost-westkirchlicher °kumene entstand und deren verbindliche °kumenizitÅt in das ×kumenische Symbol von 381 (Nicaeno-Constantinopolitanum) mÛndete. So bieten die aus der neunizÅnischen Theologie abgeleiteten Differenzierungen einen Rahmen, der fÛr ost- und westkirchliche Theologie gleichermaßen zugÅnglich ist.

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Personenregister Das Personenregister erfaßt nicht die in den Anmerkungen genannten Personen bzw. Autoren, da es sonst zu umfangreich wÅre und die Autoren ohnehin im Literaturverzeichnis zu finden sind. Ausnahmen bilden Personen, die in den Anmerkungen Gegenstand besonderer inhaltlicher Er×rterung sind. In diesen FÅllen sind die Seitenzahlen im Personenregister kursiv gedruckt. – Ein Sachregister erÛbrigt sich aufgrund der vielen Querverweise, die in den Anmerkungen gegeben werden. Abaelard 157 Atius 124 Afanasiev, Nicholas N. 312, 369 f., 404 Aldenhoven, Herwig 537, 551, 556 Alexander von Alexandrien 113, 115 ff., 510 Allchin, Arthur M. 555 Ambrosius von Mailand 127, 139, 143, 176 Anselm von Canterbury 155, 157, 159, 208, 511, 549 Apollinaris 124 Aristoteles 134, 193, 368, 575 Arius 113–116 Athanasius 79, 119–126, 131 f., 134, 137, 139, 143, 182 f., 248, 253, 268, 304 ff., 310 f., 379 f., 510, 520, 534, 575 Athenagoras 100 Augustin 35, 42, 71, 120, 127, 134 f., 139–143, 154 ff., 176 f., 260, 290, 340, 343, 432, 534, 542, 574 f., 577 Bajus 158 Balthasar, Hans Urs von 297, 305, 331 f., 493, 506 Bantle, Franz Xaver 260, 575 Barlaam von Seminara 167, 512 Barrios, George 71 Barth, Karl 31, 45, 207–216, 248 f., 261, 264, 267 f., 272 ff., 277, 282, 289, 291, 303, 328, 411, 502, 518, 573 f., 595 Basilius von Ankyra 124 Basilius von Caesarea 127, 131 ff., 143, 145, 177, 313, 381, 535 Bayer, Oswald 182 Beintker, Horst 211

Bellarmin, Robert 221 Benedikt VIII. (Papst) 163 Benedikt XVI. (Papst) 336 Berdjajew, Nikolai 295 Berkhof, Hendrikus 34 Bernhard von Clairvaux 159 Bernhardt, Reinhold 599 Beutel, Albrecht 183 Beyschlag, Karlmann 101 f., 118 Biedermann, Hermenegild 356 Bienert, Wolfgang A. 178 Bloch, Ernst 295 Blumhardt, Christoph d. J. 206 f. Blumhardt, Johann Christoph 206 f. Bobrinskoy, Boris 557 Bolotov, Vasilij 546, 559 Bonaventura 160 Bonhoeffer, Dietrich 43, 411, 413 Brosseder, Johannes 53 Brunner, Emil 411, 413 Buber, Martin 317 Bulgakov, Sergij N. 219, 518 Bultmann, Rudolf 215 Calvin, Johannes 191, 364, 411 Chomjakov, Aleksej S. 69, 219 f., 518 Ciobotea, Daniel 62 f. Congar, Yves M. J. 34, 61, 232, 237 Conrad-Martius, Hedwig 340 Crouzel, Henri 84 Cyprian 109 Damasus I. (Papst) 143, 152 Darwin, Charles Robert 202 Daub, Karl 204

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Personenregister

Descartes, Ren³ 196 f., 202 Dilschneider, Otto A. 63 Dimitrijevic, Dimitrije 519 Dionysios von Alexandrien 113, 116, 118 Dionysius von Rom 113, 116 Dorner, Isaak August 218 Drey, Johann Sebastian von 222, 224 f. Duns Scotus 174 f., 517 Ebeling, Gerhard 469 Elert, Werner 369 Epiphanius von Salamis 142 Erasmus von Rotterdam 189 Erikson, Erik H. 576 Eunomius 124 Eusebius von Caesarea 116 f. Eusebius von Nikomedien 116 f. Eustathius von Antiochien 116 Eustathius von Sebaste 124 Fahey, Michael 337 Felmy, Karl Christian 515 Feuerbach, Ludwig 31, 201 f., 269, 339 Fichte, Johann Gottlieb 261, 576 Flogaus, Reinhard 184 f. Florovsky, Georges 313, 367 f. Franzelin, Johann Baptist 226 f. Freitag, Josef 357, 360 Freud, Sigmund 202 Frieling, Reinhard 55 Garrigues, Jean-Miguel 307 f., 556, 559 Gaßmann, GÛnther 54, 59 Gaunilo 157 Gilbert de la Porr³e 156 Gregor VII. (Papst) 162 Gregor Palamas (siehe Palamas) Gregor Sinaites 167, 512 Gregor von Nazianz 42, 127–139, 166, 191, 302, 313, 317 Gregor von Nyssa 127 f., 131 ff., 143, 145, 155, 260, 302, 381 f., 535 Gregor von Zypern 166, 316, 512, 531, 543 Greshake, Gisbert 40, 353, 358, 435 f., 497, 599 f. Guardini, Romano 347 GÛnther, Anton 225 Harnack, Adolf von 30, 82, 206 Haudel, Matthias 20, 49

Hauschild, Wolf-Dieter 181 Hegel, Georg Wilhelm Friedrich 198–204, 210 f., 225, 251, 275 f., 294, 296, 339 f., 578 Heijden, Bert van der 257 Heinrich II. 164 Herrmann, Wilhelm 30 Hick, John 599 Hilarius von Poitiers 126 f., 139, 143 Hilberath, Bernd Jochen 65, 104 f., 537, 566 Hippolyt 109 Hofmann, Johann Christian Konrad von 205 Humbert 172 Ignatius von Antiochien 103, 375 IrenÅus 102 f., 108, 115 Jenson, Robert W. 330 Joachim von Fiore 160, 292 Johannes Scotus Eriugena 156 Johannes von Damaskus 133, 164, 178, 417, 543, 550, 552 Johannes von Ragusa 161 JÛngel, Eberhard 23, 32 f., 35, 96, 216, 241, 264–280, 288, 303, 327 f., 411, 460, 472, 481, 497, 501, 519 Julian 125 Justin 99 f. Kallis, Anastasios 57 Kant, Immanuel 28 f., 157, 197–199, 203, 206, 247, 459 f., 464, 482, 494 f. Kappadozier (die drei großen) 67, 104, 107, 110, 120, 127–140, 143, 145, 154, 178, 248, 260, 290, 304 f., 310, 315 ff., 366, 379 ff., 486, 510, 520, 535, 541, 570, 575 f. Kappes, Michael 49, 273 Karl der Große 163 Kasper, Walter 33, 35, 38, 47, 92, 151, 157, 249, 259, 291, 354, 436, 455, 468, 497 Kern, Walter 269, 277 Kierkegaard, S×ren 206, 207 Knitter, Paul F. 599 Konstans 124 Konstantin 113, 116, 119, 123 Konstantius 123 f. Krieg, Robert A. 339 KrÛger, Thomas 89

Personenregister

KÛng, Hans 332, 506, 596 Kuhn, Johannes Evangelist von 225 f. Kvist, Hans-Olof 186, 190 Larentzakis, Grigorios 57 Legrand, Herv³ M. 57 Leo III. (Papst) 163 Leo IX. (Papst) 172 Lessing, Eckhard 527 Lessing, Gotthold Ephraim 199 Lienemann-Perrin, Christine 603 Lilienfeld, Fairy von 168 L×he, Wilhelm 205 Loofs, Friedrich 82 Lossky, Vladimir 74, 306, 546 Luhmann, Niklas 419, 425 Luther, Martin 22, 55, 174–191, 211, 214, 248 f., 251, 264, 309, 311, 314, 323 f., 349, 364, 411, 413, 415, 427, 429, 451, 462, 464, 504, 517, 549 ff., 572 f., 578 Lynch, John Joseph 260, 575 Mannermaa, Tuomo 182, 184 Marc Aurel 100 Marcell von Ankyra 116 f., 124 Mar³chal, Joseph 247 Marheineke, Philipp Konrad 204, 210 Marius Victorinus 127, 139 Markschies, Christoph 178 Markus Eugenicus 173 Martikainen, Jouko 178 Marx, Karl 201 f. Maximus Confessor 22, 171, 173, 304 ff., 366, 517, 520, 543, 548, 550, 552, 564 Melanchthon, Philipp 182, 190 ff. Meyendorff, John 249 Minear, Paul S. 54 M×hler, Johann Adam 219, 222–224, 226 f., 231 Mogilas, Petrus 369 Moltmann, JÛrgen 23, 32 f., 98, 135, 213, 280–300, 303, 307, 309, 311, 320, 329–333, 342, 353, 410 f., 416 ff., 449, 504 f., 519, 536–538, 566 f., 595, 599 MÛhlen, Heribert 328 f. Newman, John Henry 216 f., 219, 226 Nietzsche, Friedrich 37, 202 f. Nikolaus I. (Papst) 164, 166 Nikolaus von Kues 174, 517 Nissiotis, Nikos A. 313

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Nitzsch, Carl Immanuel 204, 248, 518 Not 101 Nossol, Alfons 47 Novatian 103 NÛssel, Friederike 183 Oberdorfer, Bernd 169, 523 f., 539 f. Oeing-Hanhoff, Ludger 200 f., 493 Origenes 110–112, 128 Ossius von Cordoba 116 f. Palamas, Gregor 166–169, 185, 187, 304 ff., 314 ff., 321, 512, 519 f., 531 Palmers, William 216 Panikkar, Raimon 40, 600 Pannenberg, Wolfhart 39 f., 135 f., 261, 269, 291, 331, 342, 406, 411, 538 f., 566, 576 Pascal, Blaise 195 Passaglia, Carlo 226 Pattaro, Germano 54 Paul VI. (Papst) 61, 173, 239, 546 f. Paul von Samosata 101, 114, 118 Pearson, John 551 Petavius, Dionysius 226 Peter der Große 217 Peterson, Erik 42, 281, 595 Petrus Lombardus 159 Peura, Simo 181, 184 Philo von Alexandrien 99 Photius 164–166, 172, 512 Pius IX. (Papst) 230 Pius XII. (Papst) 231, 354 Platon 193 Plotin 371 Praxeas 101 Pseudo-Dionysius Areopagita 156, 167, 221, 319 Pusey, Edward B. 216, 552 Rade, Martin 207 Rahner, Karl 23, 32 f., 35, 96, 216, 240–264, 266 ff., 271 ff., 277, 279, 282, 289, 291, 307, 312, 319 f., 325 ff., 331, 334, 336, 354, 437, 460, 470, 481, 496, 501 f., 505, 519, 566 f., 574 ff. Raiser, Konrad 591, 601 f. Ratzinger, Joseph 24, 57, 239, 336–365, 382, 410, 412, 414, 418, 424, 431–435, 438, 441, 448, 450, 452, 497, 539, 573, 577, 581, 584, 587, 595 Rhoses, Zekos 217 f., 249, 301, 518, 573

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Personenregister

Richard von St. Viktor 73, 159 Ritschl, Albrecht 30, 206 Ritschl, Dietrich 62, 553 Root, Michael 279 Roscellin 156 Rosenau, Hartmut 89 Rosenthal, Klaus 31 Rosenzweig, Franz 295 Rupert von Deutz 160, 162 Sabellius 101 Salmann, Elmar 437 Sartory, Thomas 57 Schachten, Winfried 245 Schaeder, Erich 207 Scheeben, Matthias Joseph 227, 249, 573 Scheffczyk, Leo 31, 96 Scheler, Max 339 f. Schell, Herman 230 Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph 199, 275 Schierse, Franz Josef 87 Schleiermacher, Friedrich Daniel Ernst 29 f., 203 ff., 214 ff., 284 Schlink, Edmund 45, 47 Schmaus, Michael 232, 248 Schoonenberg, Piet 259, 332, 506 Schrader, Clemens 226 f. Schw×bel, Christoph 594, 597, 599 Serapion von Thmuis 79, 120 Servet, Michael 191 Slenczka, Notger 181 Smith, Wilfried 599 Smyth, John 410, 424 Sozzini, Fausto 191 Spinoza 199 Stalder, Kurt 556 f. Staniloae, Dumitru 23, 32 f., 301–324, 332–334, 497, 505 f., 519 f., 531 Staudenmaier, Franz Anton 224 f., 248

Tatian 100 Tertullian 79, 102–110, 131, 143, 260, 290, 340, 534, 570, 575 f. Theodoret der Gerber 101 Theodosius I. 144 Theodulf von Orl³ans 163 Thomas von Aquin 28, 157–159, 170, 188, 243, 261, 341, 574 Thomassin, Ludovicus 226 Tillard, Jean M. 240 Tillich, Paul 43 Torrance, Thomas F. 191 Troeltsch, Ernst 207 Twesten, August D. C. 204, 248 Unamuno, Miguel de 295, 298 Ursacius 124 Vajta, Vilmos 52 Valens 124 Valentin 101 Volf, Miroslav 24, 57, 65, 337, 342, 346, 354, 356, 393, 400 f., 404 ff., 410–431, 448–452, 538, 580 f., 584 Welch, Claude 31 Welker, Michael 275, 329 Wendebourg, Dorothea 167 ff. Wenz, Gunther 183 Werbick, JÛrgen 54, 228, 358, 360, 363, 436 Whitehead, Alfred North 292, 295 Wiedenhofer, Siegfried 436 f. Wilhelm von Ockham 174 f., 517 Wittgenstein, Ludwig 30, 482 Zizioulas, Ioannis D. 11, 24, 58, 61 f., 107, 364, 366–410, 412, 414, 418, 431, 438–448, 450 ff., 460, 506, 566, 577, 581 Zwingli, Huldrych 55, 191