Die Rezension als Medium der Weltliteratur 9783111180403, 9783111179056

One aspect has been ignored in the debate about the origins of "world literature": the mediality and materiali

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Die Rezension als Medium der Weltliteratur
 9783111180403, 9783111179056

Table of contents :
Inhalt
Die Rezension als Medium der Weltliteratur – Zur Einführung
Teil 1 Genealogien
Gelehrtenrepublik revisited. Die Rezension und die medialen Voraussetzungen von ‚Weltliteratur‘, von den Nouvelles de la république des lettres zu Le Globe
Die Verspätung der ,Weltliteratur‘. Goethes Konzept im naturforschenden Kontext
Teil 2 Akteure
Albrecht von Hallers europäische Perspektive
Literaturkritik in der Epoche der Aufklärung: Gotthold Ephraim Lessings Rezensionen als ästhetische Schriften?
August Wilhelm Schlegels Rezensionen europäischer Literatur
Schleiermacher recensore dell’Antropologia pragmatica di Kant
Teil 3 Organe
„Weltliteratur “. Eine kontrapunktische Rezension in den Blättern für literarische Unterhaltung vom 4./6. August 1827 als Kristallisationspunkt journalliterarischer Praktiken
Tieck, il teatro e le recensioni nella Dresdner Abend-Zeitung
“Popolarizzazione” e “varietà” nella rivista Europa di Friedrich Schlegel
Letteratura italiana nella Edinburgh Review (1802 – 1810)
Teil 4 Perspektiven
Goethes Werther und Shakespeares Dramen auf dem Prüfstand des „goût“
Sprachübungen, Pferdezucht und Reitkunst. Der Umgang mit weltliterarischer Alterität in frühen Rezensionen von Goethes Altersroman Wilhelm Meisters Wanderjahre
Autorinnen und Autoren
Namensregister
Zeitschriftenregister

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Die Rezension als Medium der Weltliteratur

WeltLiteraturen/ World Literatures

Schriftenreihe der Friedrich Schlegel Graduiertenschule für literaturwissenschaftliche Studien Herausgegeben von Jutta Müller-Tamm, Andrew James Johnston, Anne Eusterschulte, Susanne Frank und Michael Gamper Wissenschaftlicher Beirat Ute Berns (Universität Hamburg), Hans Ulrich Gumbrecht (Stanford University), Renate Lachmann (Universität Konstanz), Ken’ichi Mishima (Osaka University), Glenn W. Most (Scuola Normale Superiore Pisa), Jean-Marie Schaeffer (EHESS Paris), Stefan Keppler-Tasaki (University of Tōkyō), Janet A. Walker (Rutgers University), David Wellbery (University of Chicago), Christopher Young (University of Cambridge)

Band 22

Die Rezension als Medium der Weltliteratur Herausgegeben von Anita Traninger und Federica La Manna

Gefördert aus Mitteln der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) im Kontext des Exzellenzclusters „Temporal Communities: Doing Literature in a Global Perspective“ (EXC 2020, Projekt-ID 390608380).

ISBN 978-3-11-117905-6 e-ISBN (PDF) 978-3-11-118040-3 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-118074-8 ISSN 2198-9370 Library of Congress Control Number: 2023932396 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2023 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Einbandabbildung: Gestaltet von Jürgen Brinckmann, Berlin, unter Verwendung einer Graphik von Anne Eusterschulte Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck www.degruyter.com

Inhalt Anita Traninger und Federica La Manna Die Rezension als Medium der Weltliteratur – Zur Einführung

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Teil 1 Genealogien Anita Traninger Gelehrtenrepublik revisited. Die Rezension und die medialen Voraussetzungen von 19 ‚Weltliteratur‘, von den Nouvelles de la république des lettres zu Le Globe Rainer Godel Die Verspätung der ,Weltliteratur‘. Goethes Konzept im naturforschenden Kontext 47

Teil 2 Akteure Michael Multhammer Albrecht von Hallers europäische Perspektive

69

Isabella Ferron Literaturkritik in der Epoche der Aufklärung: Gotthold Ephraim Lessings 83 Rezensionen als ästhetische Schriften? Sabine Gruber August Wilhelm Schlegels Rezensionen europäischer Literatur

97

Riccardo Martinelli Schleiermacher recensore dell’Antropologia pragmatica di Kant

111

Teil 3 Organe Nicola Kaminski „W e l t l i t e r a t u r “. Eine kontrapunktische Rezension in den Blättern für literarische Unterhaltung vom 4./6. August 1827 als Kristallisationspunkt journalliterarischer Praktiken 131

VI

Inhalt

Federica La Manna Tieck, il teatro e le recensioni nella Dresdner Abend-Zeitung

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Elena Agazzi “Popolarizzazione” e “varietà” nella rivista Europa di Friedrich Schlegel Matteo Largaiolli Letteratura italiana nella Edinburgh Review (1802 – 1810)

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Teil 4 Perspektiven Carolin Fischer Goethes Werther und Shakespeares Dramen auf dem Prüfstand des „goût“ Guglielmo Gabbiadini Sprachübungen, Pferdezucht und Reitkunst. Der Umgang mit weltliterarischer Alterität in frühen Rezensionen von Goethes Altersroman Wilhelm Meisters 215 Wanderjahre Autorinnen und Autoren Namensregister Zeitschriftenregister

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Anita Traninger und Federica La Manna

Die Rezension als Medium der Weltliteratur – Zur Einführung ‚Weltliteratur‘ ist – wie Weltschmerz – eine urdeutsche substantivische Kompositprägung, recht eigentlich eines der untranslatables, der unübersetzbaren Begriffe, die Emily Apter in Against World Literature gegen das Konzept als solches in Stellung gebracht hat.¹ Dass jedes Nachdenken über ‚Weltliteratur‘ mit Goethe zu beginnen habe,² hat sich als Exordialtopos eingebürgert. Dass zugleich der Ausdruck nicht von ihm geprägt wurde und der Begriffshorizont, in dem sich ‚Weltliteratur‘ oder ‚world literature‘ heute bewegen, mit dem Rückgang auf ein Aition nicht einzuholen ist, ist ebenfalls weithin Konsens.³ ‚Weltliteratur‘ ist eine jener konzeptuellen Hüllen, die eher einen Diskurs anstoßen denn ein operatives Konzept bereitstellen.⁴ Mindestens vier Felder lassen sich identifizieren, in denen der Terminus ‚Weltliteratur‘ ganz unterschiedliche und teils inkompatible oder gar widersprüchliche Funktionen erfüllt:⁵ Philologische Ansätze nehmen ihren Ausgang von Goethes Wunsch eines Gesprächs zwischen den Nationen über und im Medium der Literatur; damit verbunden ist die Übersetzungstätigkeit, die Goethe selbst und seine romantischen Gegenüber mit Verve kultivierten. Die Frage der Übersetzung hat insbesondere im angloamerikanischen Debattenbereich großes Gewicht bekommen, was sich in Definitionen niedergeschlagen hat, die im Angesicht der modernen linguistischen Limitationen nachgerade einen apologetischen Beigeschmack haben: „World literature is writing that gains in translation“.⁶ Zum Feld der Philologie gehört prominent auch die Gegenposition, die Erich Auerbach in „Philologie der Weltliteratur“ (1952) formulierte und die ihrerseits in der Übersetzung durch Maire und Edward Said („Philology and Weltliteratur“) zu einem Grundlagentext der nordamerikanischen Debatte avancierte.⁷ Auerbach insistiert auf

 S. Apter: Against World Literature. Zur Fülle der von Goethe benutzten ‚Welt‘-Komposita s. Lamping: Die Idee der Weltliteratur, 17– 18; Borchmeyer: Welthandel – Weltfrömmigkeit – Weltliteratur; sowie den Beitrag von Guglielmo Gabbiadini in diesem Band.  S. Kirsch: The Global Novel, 10. Zit. in Habjan: The Global Process of Thinking Global Literature, 395. Damit soll natürlich keinesfalls gesagt sein, dass die historische Semantik von ‚Weltliteratur‘ allein durch Auslegung von Goethes einschlägigen Stellungnahmen zu erschließen sei, im Gegenteil, vgl. in diesem Sinn auch Pizer: The Idea of World Literature.  S. David: Spectres de Goethe, sowie Davids kompakte Darstellung seiner Schlussfolgerungen in David: The Four Genealogies of ,World Literature‘.  Vgl. Mannweiler: Goethes ‚Weltliteratur‘: Begriff oder Diskurs?  Wir folgen mit dieser Kartierung und in Teilen auch hinsichtlich der Beispiele Jérôme David, der allerdings von „Genealogien“ spricht, s. David: The Four Genealogies of ‚World Literature‘.  Damrosch: What is World Literature?, 281.  Auerbach: Philologie der Weltliteratur (1952); Auerbach: Philology and Weltliteratur (1969). S. jetzt die Neuübersetzung von Jane O. Newman im Kontext einer englischen Ausgabe von Auerbachs Aufsätzen: Auerbach: The Philology of World Literature (2014). https://doi.org/10.1515/9783111180403-001

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Anita Traninger und Federica La Manna

der Notwendigkeit der Bewahrung des kulturell Mannigfaltigen vor der Drohkulisse einer kulturellen Angleichung, die als unintendierte Konsequenz aus dem Ursprungsprojekt einer globalen Verständigung resultieren kann. Damit ist Auerbach eine Brückenfigur zu einem zweiten Großbereich, nämlich jenem, der ‚Weltliteratur‘ als Begriff der Kritik fasst: an den engen Grenzen der Nation, an den Normen des Kanons, am Eurozentrismus der Moderne – aber auch an der Trivialität der Texte, die oftmals jene sind, die tatsächlich globale Ausstrahlung im geographischen Sinn haben. In einem Brief an Walter Benjamin spricht Auerbach von einer „Internationale der Trivialität“.⁸ Der kritische Kosmopolitismus hängt mithin selbst oftmals hinsichtlich seiner Maßstäbe implizit bleibenden Qualitätsvorstellungen an.⁹ Diese Qualitätsvorstellungen verbinden die Perspektive der Kritik mit jener der Pädagogik. Weltliteratur steht hier im Dienste der Bildung und der Schulung des Geschmacks in Erweiterung des individuellen Horizonts. Hier finden die Versuche einer globalen Literaturgeschichte ihren Ort, aber auch ‚Institutionen‘ wie die in rascher Folge aktualisierte und wieder aufgelegte Norton Anthology of World Literature, die einer westlichen Leserschaft die Literaturen der Welt in ihren Grundzügen vorstellt.¹⁰ Die ‚Welt‘ in dieser ‚Weltliteratur‘ ist der geographische Globus tout court. Zwei durchaus zueinander in Spannung stehende Interessensfoci treten hier auseinander: Zum einen ist mit ‚Weltliteratur‘ in pädagogischer Perspektive ein bestimmter Kanon gemeint, also jene Werke, die würdig seien, auf der Bühne der Welt zu bestehen, denen Weltgeltung zukomme, die man, und hier kommen Tiefenechos der Wortgeschichte ins Spiel, als Weltbürger kennen müsse.¹¹ Zum zweiten bezeichnet diese ‚Weltliteratur‘ Literatur aus politisch und/oder kulturell nicht hegemonialen Weltgegenden – analog zu world music also Texte, die sich nicht dem westlichen kulturindustriellen Mainstream fügen bzw. ursprünglich nicht über dessen Institutionen (v.a. das westliche Verlags- und Marketingwesen) konstituiert werden. Dieser Blick auf die ‚Literaturen der Welt‘ impliziert zugleich eine – und gegebenenfalls eine die jeweiligen Selbstbeschreibungen unterlaufende – Bändigung und Einpassung in ein asymmetrisches Machtverhältnis: Es sind Texte, die Lokales mitführen und vermeintlich repräsentieren, oft allerdings im Sinne einer Authentizitätsfiktion inszenieren mit Blick auf den Weltmarkt. Oft kommt den so etikettierten Texten Berichtsfunktion zu: Verarbeitung menschlicher Erfahrung im Kontext der Partikularität fremder Welten. Alterität ist hier geboten, Exotismus stän-

 Barck: 5 Briefe Erich Auerbachs an Walter Benjamin in Paris, 692: Auerbach an Benjamin (3. Januar 1937). Auerbach schreibt diese mit Blick auf Kulturpolitik Atatürks und den rapiden Verlust u. a. der Kennntnis des Arabischen und Persischen.  So attackiert z. B. Pascale Casanova die populären Romane Umberto Ecos oder David Lodges als ‚world fiction‘, die „artificiellement fabriquée“ sei, bzw. als „des produits commerciaux destinés à la diffusion la plus large, selon les critères et des recettes estétiques éprouvés“. Casanova: La république mondiale des lettres, 248.  Vgl. Puchner (Hg.): The Norton Anthology of World Literature; Helgesson u. a. (Hg.): Literary History: Towards a Global Perspective.  S. Weitz: ‚Weltliteratur‘ zuerst bei Wieland.

Die Rezension als Medium der Weltliteratur – Zur Einführung

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diger Begleiter. Es ist kein Wunder, dass diese Weltliteratur oft im Modus des realistischen bzw. naturalistischen Romans operiert und sich so in erprobte Muster fiktionaler Weltreflexion einschreibt. In beiden Fällen ist es freilich ein westliches Publikum, aus dessen Perspektive bestimmt wird, was seiner Aufmerksamkeit würdig sei. Eine vierte Perspektive schließlich ist die methodische: die Frage danach, wie ‚Weltliteratur‘ die etablierten Verfahren der Literaturwissenschaft herausfordert – und umgekehrt in eine theoriegeleitete Praxis übersetzt werden kann. Franco Morettis Vorschlag eines „distant reading“¹² unter dem Vorzeichen des Digitalen hat hier Epoche gemacht, und zwar nicht nur in der Weltliteratur-Debatte, sondern auch und insbesondere in den Digital Humanities. Ebenso gehören hierhin aus der Globalgeschichte heraus entwickelte Ansätze wie jener des Exzellenzclusters „Temporal Communities: Doing Literature in a Global Perspective“ an der Freien Universität Berlin. Wenn man, wie dort vorgeschlagen, das Globale als Perspektive denkt, die Literatur insgesamt als von transkulturellen und insbesondere transtemporalen Verflechtungen geprägte, intermediale Praxis sichtbar macht, dann eröffnet sich nicht allein ein radikal erweiterter Gegenstandsbereich, es treten auch relationale Strukturen und Konstellationen menschlicher und nicht-menschlicher Akteure in den Vordergrund, die Globalität allererst emergieren lassen.¹³ Es ist deutlich geworden, dass diese vier Perspektiven allenfalls heuristisch zu differenzieren sind und sich de facto überlappen und überschneiden, teilweise aber auch gegenseitig ausschließen. Vor allem aber: Die Debatte ist derart vielstimmig, dass bei weitem nicht alle Nuancen und Entwicklungen hier auch nur benannt werden können.¹⁴ Insgesamt aber gilt: Seit den Anfängen wurde ‚Weltliteratur‘, wie Peter Goßens treffend beobachtet hat, an die jeweiligen Topoi des literatur- und kulturwissenschaftlichen Diskurses angepasst bzw. wurde umgekehrt auf deren Grundlage modelliert.¹⁵ Es kann in diesem Band mithin nicht darum gehen, die Bedeutungsfacetten einzuholen, die der schillernde Begriff ‚Weltliteratur‘ in zwei Jahrhunderten der Debatte akkumuliert hat. Die Beiträge dieses Bandes kehren vielmehr zu einer fundierenden Konstellation zurück, um einen Aspekt in den Blick zu nehmen, der bisher erstaunlich vernachlässigt wurde: jenen der medialen Voraussetzungen von ‚Weltliteratur‘. Genauer: das Zeitschriftenwesen und mit ihm die Textsorte der Rezension, die die frühe internationale Debatte inspirierte und allererst ermöglichte. Während die genaue Chronologie von Goethes Nachdenken über ‚Weltliteratur‘ Gegenstand einer anhaltenden Forschungsdiskussion ist, besteht doch weitgehend Konsens darüber, dass es (mit) eine Rezension in der französischen Zeitschrift Le Globe

 S. Moretti: Conjectures on World Literature; Moretti: More Conjectures.  So der Kern des Forschungsprogramms des Exzellenzclusters EXC 2020 „Temporal Communities: Doing Literature in a Global Perspective“, s. www.temporal-communities.de.  Für einen Überblick über grundlegende Positionen verweisen wir auf Theo D’haen, David Damrosch und Djelal Kadir (Hg.): The Routledge Companion to World Literature sowie Theo D’haen, César Domínguez und Mads Rosendahl Thomsen (Hg.): World Literature: A Reader.  Goßens: [Rez. von] Manfred Koch: Weimaraner Weltbewohner, 196.

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Anita Traninger und Federica La Manna

war, die Goethe erstmals von Weltliteratur sprechen ließ.¹⁶ Mehr noch: Goethe koppelte seine Idee der Weltliteratur eng an das Medium der Rezension.¹⁷ Dennoch ist der von ihm als so bedeutsam erkannte mediale Aspekt in der Forschung kaum in seinen Konsequenzen beachtet worden.¹⁸ Dies ist umso erstaunlicher, als Goethe den Begriff der ‚Weltliteratur‘ spezifisch auf die neuen Informationsmöglichkeiten bezog, die das schnellste Massenmedium seiner Zeit, die periodische Presse, bereithielt.¹⁹ Es war in der Tat u. a. die Edinburgh Review, die ihn zu einer enthusiastischen Würdigung der Journale veranlasste: „Diese Zeitschriften, wie sie sich nach und nach ein größeres Publicum gewinnen, werden zu einer gehofften allgemeinen Weltliteratur auf das wirksamste beytragen“.²⁰ Es ist auch kein Zufall, dass Goethe nahezu sämtliche eigene Überlegungen zu Eckpunkten eines Programms der Weltliteratur in seiner eigenen Zeitschrift Ueber Kunst und Alterthum unterbrachte.²¹ Insbesondere die Textsorte der Rezension erschien Goethe geeignet, transnationale Literaturnetzwerke zu schaffen und nationale Traditionen grenzüberschreitend in Dialog zu bringen. Goethes weltliterarisches Projekt begann damit streng genommen schon mit der Publikation der ersten Nummer von Ueber Kunst und Alterthum 1816: Sie enthielt einen detaillierten Reisebericht, den Goethe über den Besuch der Länder längs des Rheins 1815 im Auftrag des preußischen Ministers von Stein verfasste mit dem Zweck der Beurteilung der kulturellen Situation der genannten Gegenden. Weltliterarisch ist eben die Bemühung, Verbindungen zwischen den Kulturen und Nationen herzustellen, mit einer Art von Überwindung der traditionellen Schranken, aber auch mit der Absicht, die zeitlichen Grenzen zu schleifen, durch die Rezeption von zeitlich und räumlich weit entfernten Texten: „Zu einer Zeit wo die Eilboten aller Art aus allen Weltgegenden immerfort sich kreuzen, ist einem jeden Strebsamen höchst nöthig seine Stellung gegen die eigne Nation und gegen die übrigen Kennenzulernen“.²² So formuliert Goethe angesichts einer französischen Rezension zu einer Übersetzung seiner dramatischen Werke; der Text folgt in Ueber Kunst und Alterthum (V.3, 1826) auf den Abdruck einer Rezension von Goethes Rezensionen für die Frankfurter gelehrten Anzeigen aus den Jahren 1772 und 1773 – Rezensionen allent-

 Vgl. den programmatischen Titel von Günther: ,Weltliteratur‘, bei der Lektüre des Globe konzipiert.  Für eine Diskussion des Medienbegriffs im Hinblick auf die Rezension s. den Beitrag von Anita Traninger in diesem Band.  Eine Ausnahme bildet B.Venkat Manis Fokus auf die materiale Zirkulation von Weltliteratur, vgl. Mani: Recoding World Literature. Doch auch hier spielt die Rezension bzw. spielen im weiteren Zeitschriften keine Rolle.  S. zu Goethes Idee eines „veloziferischen Genius der Zeit“, der seine Vorstellung von ‚Weltliteratur‘ unterfüttert, im Verhältnis zu den materialen Kommunikations- und Transportnetzwerken der Zeit s. Koch: Goethes ‚Weltliteratur‘ – Ein ambivalenter Erwartungsbegriff, 56 – 58.  Goethe: , 491.  Eine umfassende Sammlung von Goethes verstreuten Äußerungen zu ,Weltliteratur‘ bereits bei Strich: Goethe und die Weltliteratur, 369 – 372.  Goethe: Notice sur la vie et les ouvrages de Goethe par Albert Stapfer, 280 (i. e. Ueber Kunst und Alterthum 5.3 [1826]). S. dazu Dotzler: Goethe und sein Ende, bes. 100 – 101.

Die Rezension als Medium der Weltliteratur – Zur Einführung

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halben. Das Vehikel der angemahnten wechselseitigen Kenntnisnahme, das durch das Wirken von „Eilboten aller Art“ ermöglicht wird, ist zentral das Zeitschriftenwesen, das gegenüber dem Briefverkehr als Massenmedium agiert und dessen Rezensionen dem internationalen Buchhandel um Monate vorauseilen. Dass Goethe darüber hinausgehend auch persönliche Treffen und damit die direkte Interaktion von „lebendigen und strebenden Literatoren“ einfordert,²³ komplementiert die medial vermittelte, oftmals auch durch Anonymität der Rezensionen entpersonalisierte Kommunikation, ersetzt sie aber nicht. Vielmehr scheint er damit nichts weniger als das moderne akademische Konferenzwesen anzuregen, das sich in der Moderne als community-stiftendes Komplement des anonymen, konfliktbehafteten Gutachterwesens darstellt. Die Erforschung der subkutanen Genealogien der modernen akademischen Praxis steht freilich gleichermaßen erst ganz am Anfang.²⁴ Im Fokus dieses Bandes steht mithin das spezifische mediale Dispositiv, auf das Goethe seine Äußerungen zur ‚Weltliteratur‘ bezog. Die Anführungszeichen, in die der Begriff hier gesetzt wird, sollen indizieren, dass es sich um einen Debattenanker handelt, der von Goethe und seinen Zeitgenossen erst gesetzt wird – und zwar eher als Prozess und Projekt denn als Corpus oder Konzept. ‚Weltliteratur‘ ist, wie Ernst Robert Curtius formulierte, „Einheitspunkt vieler Bezüge, Zentrum divergierender Perspektiven: sie ist ein Aufgegebenes.“²⁵ In diesem Sinn setzen wir ‚Weltliteratur‘ nicht als feste Bezugsgröße voraus, sondern als reflexionsbedürftigen, Anfang des 19. Jahrhunderts eben erst emergierenden Ausdruck, der in diesem Kontext in seinen – durchaus volatilen – semantischen Dimensionen auszuleuchten ist.Wie ‚Weltliteratur‘ im Rahmen des frühen Rezensionswesens historisch platziert und ausgeprägt wurde und wie umgekehrt der Rezension eine kommunikationssteuernde Kraft in der frühen Aushandlung von ‚Weltliteratur‘ zukam, das ist die Frage, der sich die Beiträge dieses Bandes widmen. Dass die Idee der Weltliteratur in ihren konzeptionellen Anfängen – und mutatis mutandis bis heute – eng an die Periodizität und dabei konkret an die Textsorte der Rezension gebunden ist, findet in der florierenden Weltliteraturforschung kaum Berücksichtigung. Ganz allgemein hat das historische Rezensionswesen bisher bei weitem nicht die kritische Aufmerksamkeit erfahren, die ihm entsprechend seinem immensen Umfang und seiner transnationalen Bedeutung eigentlich zukommen sollte.²⁶ Wie und in welchen Hinsichten Rezensionen in Zeitschriften zwischen 1750 und 1850 zu einem

 Goethe: Zu den Versammlungen deutscher Naturforscher und Ärzte, 357.  Vgl. Mario Biagioli: From Book Censorship to Academic Peer Review. S. zum Interaktionsaspekt den Beitrag von Rainer Godel in diesem Band.  Curtius: Goethe als Kritiker, 347.  Neben Jaumanns herausragender Studie zu Tradition und Praxis der Kritik (Jaumann: Critica) und Steffen Martus’ weit ausgreifenden Überlegungen zur „Literaturgeschichte kritischer Kommunikation“ (Martus: Werkpolitik) ist die bibliographische Ausbeute zu Arbeiten zum historischen Rezensionswesen eher mager. Zu nennen ist die Fallstudie zur Allgemeinen Literatur-Zeitung in Jena (1785 – 1803, s. Matuschek [Hg.]: Organisation der Kritik) und natürlich Arbeiten wie jene Donohughes, die allerdings die sozialen Prestigeeffekte von Besprechungen in den Vordergrund stellen (Donoghue: The Fame Machine).

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Anita Traninger und Federica La Manna

Begriff der ‚Weltliteratur‘ beitrugen und welche Gestalt sie ‚fremden‘ Literaturen in diesem Zusammenhang gaben, ist weitgehend ungeklärt.²⁷ ‚Bilaterale‘ Ansätze zur Rezeption einzelner Texte gibt es in der Tat, diese figurieren in der Regel – und bereits für die Literatur der Frühen Neuzeit – unter dem Schlagwort ‚Rezeptionsliteratur‘ und markieren damit zugleich, dass es um Einflüsse und Appropriationen, nicht aber um die Medien ihrer Vermittlung geht.²⁸ Für das 18. und 19. Jahrhundert ist die Rezension als transnationales Kommunikationsinstrument ebenso wenig hinreichend berücksichtigt worden. Übersetzungen spielen in diesem Zusammenhang insgesamt eine wesentliche Rolle, und zwar nicht allein hinsichtlich literarischer Texte, deren Erscheinen in den Zeitschriften annonciert und besprochen wurde, sondern auch hinsichtlich der Rezensionen selbst. Le Globe, Goethes Lieblingslektüre in seinen späten Jahren, setzte in den frühen Nummern intensiv auf die Übersetzung von Beiträgen und Rezensionen aus anderen europäischen Periodika.²⁹ Das hat nur teilweise mit Sprachbarrieren zu tun, war doch die gebildete Leserschaft regelmäßig in der Lage, mehrere Sprachen zu lesen. Die Zeitschriften fungierten vielmehr als Relaisstationen, die andernorts publiziertes Material in ihre je eigenen Abonnentenzirkel einspeisten. Hinsichtlich der literarischen Übersetzungen wiederum kam dem Französischen die Funktion einer Drehscheibe zu. Dies zeigt sich etwa darin, dass auch die Übertragung deutscher Werke ins Italienische aufgrund der zumeist (bestenfalls) geringen Deutschkenntnisse vieler Übersetzer:innen auf dem Umweg über französische Ausgaben erfolgte. Dabei formiert sich gegenüber dem ‚goût français“, Sabine Schwarze hat es gezeigt, nicht selten „eine Distanzierung, ja Rivalität, die gerade in Vorreden zu italienischen Übersetzungen deutlich hervortritt“.³⁰ Trotz seiner Bedeutsamkeit für das Verständnis der wechselseitigen Resonanzen der Literaturen des 18. und 19. Jahrhunderts im zeitgenössischen europäischen Kontext ist die Erforschung des historischen Zeitschriften-, Rezensions- und Übersetzungswesens bestenfalls lückenhaft zu nennen. Die Forschungsgruppe rund um Nicola Kaminski leistet Wegweisendes mit Blick auf die Journalliteratur, und das generische Spektrum der Periodika vom 18. bis ins 21. Jahrhundert in seinem Verhältnis zur Literatur erfährt verstärkte Aufmerksamkeit.³¹ „Populäre Serialität“ ist dank der Arbeiten Claudia Stockingers und anderer zu einem wichtigen konzeptuellen Anker geworden.³² Doch obwohl bereits teilweise seit den 1980er Jahren einige wertvolle  Vgl. für eine Suchbewegung avant la lettre Abrosimov: Französische Aufklärer auf der Suche nach einer ,Weltliteratur‘. In der Regel fokussieren die in den letzten Jahren erschienenen, hervorragenden Studien die Kommunikationsformen der alten Gelehrsamkeit, vgl. Habel: Gelehrte Journale und Zeitungen der Aufklärung; Gantet und Schock (Hg.): Zeitschriften, Journalismus und gelehrte Kommunikation im 18. Jahrhundert.  Vgl. Auteri, Noe und Roloff (Hg.): Die Bedeutung der Rezeptionsliteratur für Bildung und Kultur der Frühen Neuzeit (1400 – 1750).  S. Hamm: Goethe und die französische Zeitschrift ‚Le Globe‘, 18 – 19.  Schwarze: Il traduttore a chi legge, 131.  Vgl. Kaminski, Ramtke und Zelle (Hg.): Zeitschriftenliteratur / Fortsetzungsliteratur; Berg, Gronau und Pilz (Hg.): Zwischen Literatur und Journalistik.  Vgl. Stockinger: An den Ursprüngen populärer Serialität.

Die Rezension als Medium der Weltliteratur – Zur Einführung

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Quellensammlungen und explorative Forschungsbeiträge vorliegen,³³ stehen systematische Studien ebenso wie exemplarische Analysen der durch Periodika initiierten Verflechtungsprozesse zwischen 1750 und 1850 zum größten Teil aus. Die Rezension ist trotz der herausragenden Digitalisierungsanstrengungen, die den Journalen in den letzten Dekaden zuteil wurde und die eine wesentliche Voraussetzung auch für die Beiträge in diesem Band sind, als Textsorte nur schemenhaft präsent. Zu unübersichtlich, zu ausufernd erscheint das Feld, und zu oft scheinen Rezensionen nicht viel mehr als ein Inhaltsreferat zu bieten und damit nicht die nötige Differenzqualität mitzubringen, die den Aufwand ihrer Lokalisierung und ihrer Analyse rechtfertigen würde.³⁴ Dennoch: Die historische Proliferation von Zeitschriften und Rezensionen verweist in Summe darauf, dass die individuelle, kontemplative Lektüre historisch keineswegs der Standardfall einer Erstbegegnung mit einem literarischen Text war. Die Rekonstruktion der historischen Praxis der Lektüre, damit im weiteren die literarische Grundkonstellation von Autor, Text und Rezipient muss mindestens für die Zeit ab 1750 als eine Assemblage unterschiedlicher Texte, Textsorten, Rezensent:innen, Autor:innen und Leser:innen gedacht werden. Der vorliegende Band macht einen Aufschlag in diese Richtung, indem er das deutsche und italienische Rezensionswesen ins Zentrum stellt, für das im Kontext der Untersuchung des deutsch-italienischen Kulturtransfers relevante Studien bereits vorliegen.³⁵ Die Beiträge dieses Bandes führen diese Forschungslinie weiter und gehen zugleich über sie hinaus, indem sie anhand literarischer Rezensionen und Rezensionsorgane europäische, aber ihrem zeitgenössischen Verständnis nach weltliterarische Kommunikations- und Rezeptionsnetzwerke zu kartieren und mit Blick auf Genealogien, Akteure, und Organe in literatur- und wissensgeschichtlichen Fallstudien zu erschließen suchen. Von Bilateralität kann daher keine Rede sein, erweitert sich das Gespräch doch regelhaft um französische und englische Perspektiven. Diese Konstellationen bilden den Ausgangspunkt für eine Kartierung von Positionsmarkierungen, Brücken, Relaisstationen und Knotenpunkten im Netzwerk der an Rezensionen festzumachenden historischen, ‚weltliterarischen‘ Kommunikationen. Dabei werden epochen- wie länderübergreifende Phänomene wie etwa der in Rezensionen manifest werdende Verlauf von „Datenströmen“ zwischen Produktions- und Rezeptionsfeldern, die internationale Resonanz literarischer Akteure und Werke, Praktiken des Kultur-

 Vgl. u. a. Carmassi: La letteratura tedesca nei periodici letterari italiani del Seicento e del Settecento; Carmassi: La letteratura tedesca nei periodici italiani del primo Ottocento; Belski: Die Goethe-Rezeption in italienischen Zeitschriften; La Manna: Commercium; Graeber (Hg.): Französische Übersetzervorreden des 18. Jahrhunderts; Destro und Filippi (Hg.): La cultura tedesca in Italia 1750 – 1850; Bois, Krebs und Moes (Hg): Die französische Literatur in den deutschen Zeitschriften des 18. Jahrhunderts; Mattauch: Die literarische Kritik der frühen französischen Zeitschriften.  Nicht zufällig ist die Zeitschriftenliteratur zu einem vielversprechenden Explorationsfeld der Digital Humanities geworden, vgl. Bode: A World of Fiction.  S. v. a. Unfer Lukoschik: Prolegomeni allo studio del transfer culturale tra Italia e Germania nelle riviste del Settecento italiano.

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Anita Traninger und Federica La Manna

transfers und der Wissensaushandlung, Aneignungs-, Austausch- oder (umgekehrt) Abgrenzungsprozesse kontextualisierend diskutiert.

Die Beiträge Rainer Godel und Anita Traninger situieren Goethes ‚Weltliteratur‘-Wort im Hinblick auf die – untergehende – république des lettres einerseits und auf die – im Aufstieg begriffenen – Netzwerke der Naturforscher andererseits. Anita Traninger zeichnet in ihrem Beitrag die konzeptionellen Transformationen nach, denen das Rezensionswesen von der république des lettres bis zur einsetzenden Weltliteratur-Debatte unterlag. Sie zeigt, dass Goethes Rede von der Weltliteratur eine Reihe von Umbrüchen vorausgeht: Der Begriff der Literatur wird aus dem Feld der Gelehrsamkeit herausgelöst und semantisch auf das Feld der Dichtung bzw. der Belletristik eingeschränkt; Literatur wird von den poetologischen Normen der Frühen Neuzeit befreit, dafür aber in den Dienst der Repräsentation von ‚Nation‘ gestellt; und der transnationale Kommunikationsmodus der république des lettres wird ausgerechnet von jenen, die sich um 1800 einem neuen Kosmopolitismus verschrieben, als obsolet attackiert. Dennoch prägen die Mechanismen der Kritik, wie sie unter dem Vorzeichen der Gelehrsamkeit im 17. und 18. Jahrhundert ausgeprägt wurden, die Weltliteraturdiskussion in bisher kaum registrierter Weise. Traninger zeigt, dass das Rezensionswesen eine agonale Grunddisposition weiter mitführt und insgesamt ‚Weltliteratur‘ erstaunlich präzise in die Kommunikationsmuster der Gelehrtenrepublik einrückt. Rainer Godel setzt am Beginn seines Beitrags polemisch ‚Weltliteratur‘ als „naturwissenschaftliches Konzept“ und weist im Folgenden nach, wie der Kontext der Naturforschung im frühen 19. Jahrhundert wesentlichen Aufschluss über die kommunikativen Implikate des ,Weltliteratur-Begriffs‘ gibt. Ein posthum veröffentlichter Text Goethes, den er anlässlich einer Versammlung der Gesellschaft der Naturforscher und Ärzte verfasste, lässt erkennen, dass Goethe nicht bloß der mediatisierte Schriftverkehr als Kommunikationskanal der Weltliteratur vorschwebte, sondern dass eine persönlichkommunikative Komponente hinzutreten müsse. Die persönliche Begegnung wird dabei als Remedium der im Rezensionswesen verbreiteten Schmählust und der daraus resultierenden Kontroversen konturiert. Godel arbeitet heraus, dass für Goethe neben ein weltliterarisch gedachtes Literatursystem ein weltliterarisches (Natur‐)wissenschaftssystem tritt, wodurch wiederum deutlich wird, wie klar Goethe ‚Weltliteratur‘ als Modus und nicht als Corpus fasst. Dass Goethe diesen transnationalen naturwissenschaftlichen Diskurs unter dem Rubrum ‚(welt‐)literarisch‘ verarbeitet, ist nach Godel Testament einer Verspätung, war doch der Literaturbegriff längst auf den Bereich der Fiktion und der Belletristik reduziert worden. Und auch Goethes Wunsch nach verstärktem Austausch zwischen Naturforschern, der auch sein eigenes Wirken auf dem Gebiet gebührend ins Licht rücken möge, ist letztlich, so Godel, ein Echo früherer Konstellationen: Die Akademien des 17. Jahrhunderts exerzierten genau jene Vernetzung und Kooperation vor, die Goethe nun – verspätet, so Godels Wort – einfordert.

Die Rezension als Medium der Weltliteratur – Zur Einführung

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Das Rezensionswesen des 18. und des frühen 19. Jahrhundert ist von einigen Akteuren geprägt, die sowohl quantitativ als auch qualitativ Maßstäbe setzten. Michael Multhammer porträtiert mit Albrecht von Haller (1708 – 1777) einen Großmeister der Rezension. Um das Corpus von – kolportiert – 16.000 Rezensionen, die von Haller verfasst haben soll, überhaupt in den Blick zu bekommen, werden die Rezensionen naturkundlicher Werke, die das Gros ausmachen, ausgeklammert. Multhammer fokussiert seine Beobachtungen auf Rezensionen von Werken, die zu Lebzeiten von Hallers verfasst und publiziert wurden. Hier kann er zeigen, dass Haller die alte recensio zum typischen Auftakt seiner Rezensionen macht. Doch Haller kommt es nicht auf philologische Exerzitien an; vielmehr wird die Rezension zu einem Instrument der Geschmacksbildung, mehr als die besprochenen literarischen Werke selbst. Referenzhorizont ist dabei nicht die deutsche, sondern die europäische Literaturproduktion. Hallers Rezensionen werden so zu einem wendigen, seriell organisierten Medium seiner poetologischen Überlegungen, die er nie in eine einheitliche, statische Poetik gegossen hat. Haller wurde allerdings, so will es die Reziprozität der printmedialen Rezensionskultur, auch selbst zum Opfer der Kritik. Die Zeitschrift Bemühungen zur Beförderung der Critik und des guten Geschmacks, die Gottsched nahestand, brachte in ihrer ersten Nummer einen Komplettverriss von Hallers Dichtung. Haller, so Multhammers These, verlagerte sich nach diesem Schock schrittweise vollends vom Dichten aufs Rezensieren: Nicht durch das Muster eigener Werke, sondern durch die Explikation poetologischer Prinzipien im Medium der Rezension soll der „Geschmack für die Dichtkunst“ geschult werden. Isabella Ferron nimmt Gotthold Ephraim Lessings (1729 – 1781) Rezensionstätigkeit in den Blick, die den Zeitgenossen wie der nachzeitigen Forschung als Maßstab galt. Seine kritische Produktion entfaltet sich über seine Lebensspanne hinweg, wobei er in seinen frühen Rezensionen einen heftigen polemischen Geist spüren lässt. Ferron konzentriert sich in ihrer Untersuchung auf den zentralen Beitrag, den Lessing nicht nur zur Geschichte der Rezension, sondern auch zur Idee einer Weltliteratur geleistet hat. Seine Arbeit als Rezensent ist von einer pädagogischen Absicht durchdrungen; er richtet sich an ein Lesepublikum, für das Rezensionen „Gärstoffe der Erkenntnis“ werden sollen, die dazu geeignet sind, Reflexionen anzuregen und neue Verknüpfungen herzustellen. Aus diesem Grund stellen auch die schärfsten Kritiken, die bissigsten Rezensionen, so Ferron, keine Attacke ad personam dar, sondern seien vielmehr als ein Instrument zu verstehen, das das Publikum auf eigene Reflexionstätigkeit verpflichtet. Im Rückgriff u. a. auf die grundlegenden Arbeiten Wilfried Barners und Friedrich Vollhardts zeichnet Ferron nach, wie Lessing seine spitzzüngigen Urteile nicht zuletzt an Pierre Bayles Dictionnaire historique et critique schulte. So sehr Lessing die europäische Literaturproduktion im Blick hatte, so sehr war es ihm darum zu tun, eine deutsche Nationalliteratur im Vergleich zu konturieren und dabei die Vorbildlichkeit der Antike keinesfalls preiszugeben. Mit dem Ziel der Geschmacksbildung etabliert Lessing, so Ferron, die Rezension als Denkform. Dass Lessing sie als Vehikel nutzt, um weltliterarische Perspektiven avant la lettre zu verfolgen, demonstriert Ferron mit Blick auf verstreute Bemerkungen zum Zusammenhang der Literaturen verschiedener Länder.

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August Wilhelm Schlegels (1767– 1845) scharfe und auch im Hinblick auf Details sehr kritische, dabei im Ton stets zivilisierte Rezensionen europäischer Literatur untersucht Sabine Gruber. Fremdsprachige Werke – insgesamt 68 an der Zahl – rezensierte Schlegel sowohl im Original als auch in Übersetzungen. Sein Hauptaugenmerk galt dabei dem Französischen, und Gruber weist eine Korrelation von Länge und Urteil nach: je länger eine Rezension, desto positiver das Urteil. Schlegel, der Übersetzer, konzentrierte sich auf die Qualität von Übersetzungen bis in die Details der Wortwahl, des Metrums oder des Reims, reflektierte aber auch die Differenz der poetologischen Normhorizonte zwischen den europäischen Literaturen. Eine bahnbrechende Rolle spielte Schlegel im Hinblick auf die außereuropäischen Literaturen: Seine Beschäftigung mit indologischen Fragen mündete in der Publikation wichtiger Sanskrit-Texte in den 1820er und 1830er Jahren. Dass Schlegel darüber hinaus neben der transnationalen auch eine transtemporale Dimension von ‚Weltliteratur‘ in den Blick nahm, lässt ihn auf weit spätere Debatten und Ansätzen vorausweisen. Friedrich Schleiermachers (1768 – 1834) Rezension von Kants Anthropologie in pragmatischer Hinsicht, die ein Jahr nach deren Publikation 1799 im Athenaeum erschien, enthielt derart scharfe Worte, dass Wilhelm Dilthey sie in seiner Interpretation Schleiermachers als eine ziemliche Beleidigung bezeichnete. Riccardo Martinelli greift diese Rezension auf, die damals die Zeitgenossen aufschrecken ließ, und versucht in einer umfassenden Analyse des Textes vom polemischen Ton des Rezensenten abzusehen und die tieferen Gründe von Schleiermachers Dissens zu erfassen, die bei der genaueren Untersuchung seiner Rezension deutlich werden. Zugleich zeige die Polemik aber auch, so Martinelli, das Unvermögen des Rezensenten, die tatsächliche Bedeutung und Tragweite des von ihm behandelten Werks zu begreifen. Martinelli diskutiert, um diesen Umstand näher zu beleuchten und seinen Befund zu unterfüttern, den Umgang Schleiermachers mit einer Passage aus Kants Vorlesungen über Anthropologie, in der die Betonung ausdrücklich auf die Begriffe ‚Weltgeschichte‘ und ‚Weltliteratur‘ gelegt wird, was eine dem Werk zugrunde liegenden universellen Charakter offenbare – den der Rezensent aber nicht zu erkennen vermochte. Unter dem Signum von ‚journalliterarischen Praktiken‘ untersucht Nicola Kaminski mit präzisem Blick für die Rhetorik der Typographie und die Grammatik der Formate eine Rezension in den Blättern für literarische Unterhaltung vom August 1827. Sie konzentriert sich dabei strikt auf öffentlich zugängliche Äußerungen und publiziertes Material und wendet sich damit gegen weit verbreitete Ansätze in der Goethe-Philologie, die einem Wollen und Meinen des Autors nachspüren, das freilich einer zeitgenössischen Öffentlichkeit verborgen war. Kaminskis Untersuchungsgebiet ist das einer periodischen Presse, die sich nicht nur selbst weltumspannende Reichweite attestiert, sondern sich auch zur „most powerful moral machine in the world“ stilisiert. Der Artikel, den Kaminski in diesem Kontext analysiert, hat den Charakter einer Rezension, weist aber zugleich über die Textsorte hinaus. Unter der Rubrik „Weltliteratur“ wird im August 1827 nicht etwa über Goethes jüngste Nummer von Ueber Kunst und Alterthum berichtet, sondern über „Cooper’s neueste[n] Roman“. Kaminski verfährt im Modus des Stellenkommentars, um die Implikate der Diskussion offenzulegen. So kommen

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Marktverhältnisse und Verlagskonkurrenzen ebenso in den Blick wie jene populäre globale Literatur, die von modernen Theoretiker:innen so geschmäht wird. James Fenimore Coopers The Prairie, in Paris geschrieben, aber den ‚Wilden Westen‘ einholend, und zugleich auf englisch, französisch und deutsch publiziert, steht so unversehens im Zentrum der Aushandlung von ‚Weltliteratur‘. Federica La Manna untersucht in ihrem Beitrag die Theaterrezensionen von Ludwig Tieck (1773 – 1853) für die Dresdner Abend-Zeitung. Die Theaterrezension muss anders als die literarischen Rezensionen auch die Inszenierung berücksichtigen sowie den Effekt auf das Publikum. Sie bezieht sich mithin auf einen spezifischen Moment an einem bestimmten Ort. Im besten Fall kann sie allerdings über den bloßen Ereignisbericht hinausgehen und nachgerade eine dramaturgische Didaktik anbieten. Dies sei, so argumentiert La Manna, bei Ludwig Tieck der Fall. Für Tieck seien die Theaterrezensionen Ergebnis einer Reflexion über die Potenzialität des Theaters vor dem Hintergrund einer tiefen Vertrautheit mit der deutschen dramaturgischen Tradition verbunden mit einer umfassenden Kenntnis der zeitgenössischen internationalen Dramaturgie und deren Traditionen. Die für die Dresdner Abend-Zeitung verfassten Rezensionen ermöglichen es ihm, unerwartete Verknüpfungen zwischen der jeweils betrachteten Aufführung und der zeitgenössischen wie der historischen Dramaturgie herzustellen, eingedenk eines immensen Spektrums von europäischen und außereuropäischen Texten und Autoren. Darüber hinaus erlauben es ihm die Rezensionen, einen ganz persönlichen eigenen Kanon zu entwickeln, der weder den historischen Epochen noch den geographischen Grenzen Rechnung trägt. Elena Agazzi beschreibt, wie sich die Rezension in Friedrich Schlegels (1772– 1829) Zeitschrift Europa als Artikel und als Abhandlung tarnt, um mögliche Zusammenstöße zu vermeiden, wie es schon zuvor im Athenaeum geschehen war. Wie Agazzi schreibt, zielte dieses neue Vorhaben Schlegels darauf ab, den abendländischen Humanismus seiner Zeit zu erfassen. Schlegel widmete sich zu diesem Zweck intensiv der Kunstrezeption, und zwar auf der Grundlage der vor allem von Wackenroder und Tieck in den Herzensergießungen dargestellten Kunstreligion. Von der malerischen und künstlerischen Dimension ausgehend eignet sich Schlegel eine freiere Form an, die es ihm erlaubt, sich zwischen Literatur und bildender Kunst zu bewegen. Die Zeitschrift, die er vor diesem Hintergrund produziert, sei nicht nur das Ergebnis einer tiefen religiösen Veränderung, sondern führe, wie Agazzi vertritt, zu einer tiefen Transformation seines intellektuellen und kommunikativen Stils. Letztere scheint sich insbesondere in der Wahl des Adjektivs ‚populär‘ zu zeigen, das präzise zu jenem Zeitpunkt den Charakter eines klaren, verständlichen und zugänglichen Begriffs erhält. In dem Text „Literatur“, den Agazzi im Detail untersucht, kommen die neuen intellektuellen Impulse Schlegels zum Ausdruck. Diese zeigen sich in der Berücksichtigung von Elementen, die bis dahin scheinbar unbedeutend waren, wie z. B. polemische Schriften oder Übersetzungen. Das Novum, das ihm hier von Agazzi zugesprochen wird, ist die Entwicklung eines Bildungsideals, das offen gegenüber den verschiedenen intellektuellen Anregungen ist, die von Gattungszwängen und Vorschriften befreite Menschen hervorbringen.

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Matteo Largaiolli behandelt in seinem Beitrag Rezensionen von Anthologien und Übersetzungen italienischer Texte, die zwischen 1802 und 1810 in der schottischen Zeitschrift Edinburgh Review erschienen. Diese Rezensionen von italienischen Werken zeigen Largaiolli zufolge ein Element, das entschieden über einen nationalen Charakter hinausgeht. Die Zeitschrift hatte nicht zuletzt deshalb ein gewichtiges Profil, da sie eine derjenigen war, die Goethe die Reflexion über‚Weltliteratur‘ nahelegte, wobei er von der Würdigung der nationalen Differenzen, der wachsenden gegenseitigen Verständigung und, daraus folgend, dem Fortschritt der Menschheit ausging. Die Edinburgh Review war eines der wichtigsten Organe der Englischen Romantik, sie verlieh zu Beginn des 19. Jahrhunderts der liberalen und aufklärerischen Tradition eine Stimme und bewegte sich zwischen zwei Schwerpunkten: dem Aufbau der Nation und dem transnationalen Dialog. Die Rezensionen in dem Betrachtungszeitraum zeigen, so Largaiolli, ein spezifisches Interesse an der Frage, in welcher Beziehung die behandelten Texte zur englischen Literatur stehen. Die Rolle des Rezensenten wird dabei zunehmend wichtiger, weil ihr die Funktion zugeschrieben wird, zwischen den verschiedenen Literaturen, Sprachen und Kulturen zu vermitteln. Das Urteil, das französische Rezensionen über Goethes Die Leiden des jungen Werthers fällten und die poetologischen Urteile, die die Übersetzungen von Shakespeares Dramen ins Französische prägten, stehen im Mittelpunkt von Carolin Fischers Beitrag. Erstmals besprochen wird Shakespeare in Frankreich von Voltaire in den Lettres philosophiques (1734), mithin nicht in einer Rezension im engeren Sinn. Voltaires wesentlich positives Urteil, in dem er zugesteht, dass die herausragenden Stellen Shakespeares Fehler aufwiegen würden, findet sich über Generationen gespiegelt. Zugleich lässt sich eine deutliche Verschiebung in den editorischen Praktiken beobachten: Während in Pierre-Antoine La Place’ einflussreicher Anthologie Le Théâtre anglois (1746 – 1749) Shakespeares Dramen noch im Sinne der französischen Regelästhetik ‚bereinigt‘ werden, setzt sich Le Tourneur in seiner Shakespeare-Ausgabe, die ab 1776 in 20 Bänden erscheint, das Ziel, einen unverfälschten französischen Shakespeare zu präsentieren – gegen die vorherrschende Poetik. Goethes Werther dagegen fand zunächst keine begeisterte Aufnahme bei den ästhetischen Kunstrichtern. Die unmittelbar einsetzende intensive Übersetzungstätigkeit steht, so Fischer, in markanter Spannung zu dem ästhetischen Unverständnis, das in den Rezensionen zum Ausdruck kommt. Guglielmo Gabbiadini gibt den Rezensenten Goethes eine Bühne und zeichnet deren Ringen mit Wilhelm Meisters Wanderjahre nach. Ein Blick auf zeitgenössische Rezensionen der Wanderjahre offenbart eine kuriose Sequenz von satirischen Wortmeldungen, die sowohl die Rezension als Gattung als auch die fast religiöse GoetheVerehrung der Zeit aufs Korn nehmen. Goethes Anhänger erscheinen als kreischende Krähen, und das Geschrei dieser „Göthocoraxe“ unermüdlich zu verfolgen schrieben sich ihre Kritiker auf die Fahnen. Die Wanderjahre selbst liefern im Stil eines Aphorismus eine Bemerkung zur Weltliteratur, die den optimistischen Duktus konterkariert, mit dem Goethe in Ueber Kunst und Alterthum (6.2, 1827) prophezeit, dass den Deutschen in der sich bildenden Weltliteratur „eine „ehrenvolle Rolle vorbehalten sei“. Der einzige Beleg für den Ausdruck ‚Weltliteratur‘ in den Wanderjahren weist in die entgegenge-

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setzte Richtung: „Jetzt, da sich eine Weltliteratur einleitet, hat, genau besehen, der Deutsche am meisten zu verlieren; er wird wohl tun dieser Warnung nachzudenken.“ Die Spannung zwischen diesen Aussagen lotet Gabbiadini unter dem Dach einer übergreifenden Vorstellung von ‚Weltliteratur‘ als „Praktiken von Textzirkulation und -austausch“ aus, in denen dem Anderen dynamisch immer wieder anders begegnet werden könne. Dieses Gebot der Beweglichkeit liege, so Gabbiadini, Wilhelm Meisters Wanderjahren insgesamt zugrunde. Die Episode des Pferdemarkts im zweiten Buch wird zum Aufhänger für eine Diskussion dieser These. Dass zeitgenössische Rezensenten wie Theodor Mundt und Heinrich Gustav Hotho genau mit dieser Szene rangen und das Tertium von Sprachübungen, Pferdezucht und Reitkunst nicht zu erkennen vermochten, unterstreicht, wie sehr ‚Weltliteratur‘ um 1830 ein Diskursgenerator und keineswegs eine in ihren Dimensionen bereits vermessene Größe war.

Zur Textgestalt Zur Textredaktion ist anzumerken, dass es zum einen allen Beitragenden überlassen wurde zu entscheiden, auf welche Goethe-Ausgabe(n) sie sich beziehen. Zum anderen lassen sich historische Zeitschriften nicht friktionslos in moderne Zitierkonventionen bringen; insofern wurde auch hier den Beitragenden die Referenzengestaltung freigestellt, jeweils unter der Maßgabe, dass die zitierten Texte identifizierbar sind.

Danksagung Wir schulden vielen Seiten Dank. Allen voran danken wir Tomas Sommadossi, auf dessen Initiative die Tagung, auf der die grundlegenden Ideen für den Sammelband entwickelt wurden, zurückgeht. Durch seine Arbeiten u. a. zu Klopstock als Rezensent Winckelmanns hat er die Spur gelegt, die wir dann im interdisziplinären Gespräch mit Blick auf eine historische Befragung des Konzepts der Weltliteratur hin entwickelt haben.³⁶ An der Herausgabe des Bandes konnte er sich nur in der Anfangsphase beteiligen, bevor ihn sein beruflicher Weg aus der Wissenschaft hinausführte. Wir sind ihm für seine Initiative, die kluge Planung der Tagung, die verbindliche Umsetzung und die Organisation einer kongenialen Gesprächsatmosphäre zu tiefem Dank verpflichtet. Elena Agazzi, akademische Freundin und Ratgeberin, hat das Projekt von Beginn an umsichtig unterstützt. Dem Team der Villa Vigoni danken wir für gesprächsintensive, aber dabei gelassene und freundschaftlich gestimmte Tage im Frühherbst 2018, und der Deutschen Forschungsgemeinschaft für die großzügige Förderung.

 Vgl. Sommadossi: Klopstock recensore di Winckelmann; Sommadossi: Zwischen Ikonoklasmus, Prophetie und Kunstandacht.

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Dass aus den Vorträgen ein Band werden konnte, verdankt sich dem institutionellen Kontext des Exzellenzclusters „Temporal Communities“, in dessen Vorbereitungsphase die Konzeption der Tagung fiel. Für die Redaktion des Bandes bot der Cluster ein ideales Denk- und Arbeitsumfeld, der Deutschen Forschungsgemeinschaft sei an dieser Stelle auch für die Förderung dieses Projekts gedankt. Aus dem Team der studentischen Mitarbeiter:innen am Arbeitsbereich von Anita Traninger an der Freien Universität Berlin haben zu verschiedenen Zeitpunkten Marie Lippert, Nadine Kose, Enrico Bordieri, Emilia Moreno Brinkmann, Dillwyn Thier und Lenka Burka mitgeholfen, dass Konferenz und Band Wirklichkeit wurden. Ihnen allen gebührt großer Dank. Dem Vorstand der Friedrich Schlegel Graduiertenschule für literaturwissenschaftliche Studien schließlich danken wir herzlich für die Aufnahme des Bandes in die Reihe WeltLiteraturen.

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Teil 1 Genealogien

Anita Traninger

Gelehrtenrepublik revisited. Die Rezension und die medialen Voraussetzungen von ‚Weltliteratur‘, von den Nouvelles de la république des lettres zu Le Globe 1 Drei Begriffe Der vorliegende Sammelband ist rund um drei Begriffe organisiert: Rezension – Medium – Weltliteratur. In diesem Beitrag soll eine Früh- und Vorgeschichte der Rezension ausgemessen werden, die die medialen und rhetorischen Implikate der drei Begriffe in den Blick nimmt, die sie zu Beginn des 19. Jahrhunderts mitführten.¹ Während Weltliteratur weniger ein Begriff als ein Gravitationsfeld ist, das über die Jahrhunderte ganz unterschiedliche, wenn nicht gar gegensätzliche Anliegen angezogen hat, ist Medium in Verbindung mit Rezension vielleicht der am stärksten kontraintuitive Begriff. Dass Rezension und Weltliteratur kurzgeschlossen werden, verdankt sich natürlich Goethe, war ihm doch allem Anschein nach der chinesische Roman, der ihn von Weltliteratur allererst sprechen ließ, durch eine Rezension in Le Globe zur Kenntnis gebracht worden. Aus medientheoretischer Perspektive erscheint es zunächst folgerichtiger, dass die Zeitschrift das Medium und die Rezension die zwingend an dieses Medium geknüpfte Textsorte sei. Doch sehe ich zwei Aspekte, die die Rede von der Rezension als Medium gerechtfertigt erscheinen lassen. Zum einen ist die Rezension Mittlerin der Weltliteratur: Weltliteratur existiert nicht un-mittel-bar, sondern wird konstituiert durch bestimmte Kommunikationsformen, in ihren Anfängen eben dominant jene der Rezension. Damit ist zum anderen eine weitreichendere These verbunden, die im Folgenden entfaltet wird: Weltliteratur ist kein Gegenstand, sondern ein Phänomen der medial vermittelten Aushandlung und Kommunikation. Sie führt dabei ältere Muster mit, von denen sie sich zugleich emphatisch distanziert – jene der république des lettres. Fritz Heiders Unterscheidung von Ding und Medium mag hier in einem weiteren Sinn nützlich sein, wenn er schreibt, dass wir „von dem Etwas, das wir hören, getrennt [sind] durch ein ‚Nichts‘, von dem wir keine oder nur sehr wenig Kunde erhalten.“² Die Rezension, die sich im 18. Jahrhundert so effizient zwischen Autor:innen, Texte und Leser:innen schiebt, ist als solche und vor allem in ihrer Bedeutung für das Konzept der Weltliteratur, das in diesem Band in seiner historischen Genese proble-

 Die Forschung für diesen Beitrag wurde ermöglicht durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) im Rahmen des Exzellenzclusters „Temporal Communities: Doing Literature in a Global Perspective“ (EXC 2020, Projekt-ID 390608380).  Heider: Ding und Medium, 32. https://doi.org/10.1515/9783111180403-002

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matisiert wird, bisher kaum gesehen worden. Das mag spezifisch mit ihrem Mediencharakter zu tun haben: „Das Verschwinden der Medien in ihrem Vollzug“,³ wie Sybille Krämer formuliert, charakterisiert die Rolle der Rezension im Diskurs der Weltliteratur. „Medien,“ so Krämer weiter, „,an-aisthetisieren‘ sich in ihrem Gebrauch, sie entziehen und verbergen sich im störungsfreien Vollzug.“⁴ Am unproblematischsten erscheint von weitem betrachtet der Begriff der Rezension, gerade weil er sich im frühen 19. Jahrhundert – und mehr noch in der Gegenwart – wesentlich naturalisiert hat. Im 17. Jahrhundert freilich erscheint die Rezension als grundstürzend neue Gattung, die sich aus dem ebenso neuen Geist der Kritik speist: Werden mit dem Verbum ‚recensere‘ zum einen Gegenstände gemustert, gezählt und wiedererzählt, so konnotiert seine metonymische Verwendung andererseits zugleich eine Ebene des kritischen, rationalen Einschätzens, der erwarteten Stellungnahme. Die Begriffsgeschichte von ‚Rezension‘ steht also von Beginn an im Spannungsfeld von referierender Darstellung und kritischer Beurteilung.⁵

Herbert Jaumann hat nachgezeichnet, wie das 17. Jahrhundert die Besprechung aktueller Neuerscheinungen noch in separaten Drucken organisierte – typischerweise als sentiments oder observations ausgewiesen –, die ihrerseits auf die lateinischen observationes criticae, acerra, analecta und miscellanea zurückgehen.⁶ Die Rezension entsteht zu einer Zeit, in der ‚Literatur‘ noch gelehrtes Schrifttum im allgemeinen meinte; als Kritik sich gerade erst als Kommunikationsmodus der gelehrten Welt etablierte; und als Periodizität ein radikal neuer Publikationsmodus war. Während erst die Periodizität der Journale die Rezension als stabile Textsorte hervorbringt, verweist der Terminus selbst zurück auf die humanistische Philologie, bezog sich ‚recensere‘ „im konventionellen Wortgebrauch der critica [doch] ausschließlich auf die kritische Prüfung von Textfassungen mit dem Ziel der emendatio.“⁷ Die Rezension ist nicht allein in dieser Hinsicht ein konzeptionelles Umspannwerk. Auch der Literaturbegriff transformiert sich im Verbund mit der Konsolidierung der Rezension. Das 18. Jahrhundert sieht eine graduelle, dabei keineswegs geradlinig verlaufende Verschiebung von einer Auffassung von Literatur als Kompetenz zu Literatur als Gegenstand. Voltaire spricht in einem Fragment zum Thema „Littérature“, das zum Dictionaire philosophique portatif (erstmals 1764) gehört, wiederholt von „avoir de la littérature“ als einer Art von Kenntnis oder Bildung, die durchaus basal angelegt ist: „La littérature est précisément ce qu’était la grammaire chez les Grecs et chez les Romains […].“ Grammatiker in diesem Sinn seien freilich Autoren wie Aulus Gellius, Athenaios oder Macrobius, die in den Noctes Atticae, den Deipnosophistai bzw. in den Saturnalia nicht unwesentlich als Kulturmittler agierten. Von daher überrascht die Definition von     

Krämer: Medium, Bote, Übertragung, 25. Ebd., 27. Huber, Strohschneider und Vögel: Rezension und Rezensionswesen, 271. Jaumann: Critica, 210. Ebd., 242. S. auch Wolfgang Harms: Rezension.

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‚Literatur‘ als einer Art von Wissen nicht: „La littérature, qui est cette grammaire d’AuluGelle, d’Athénée, de Macrobe, désigne dans toute l’Europe une connaissance des ouvrages de goût, une teinture d’histoire, de poésie, d’éloquence, de critique.“⁸ Von hier aus verschiebt sich der semantische Kern in Richtung des modernen Literaturbegriffs: Im Verlauf des 18. Jahrhunderts wandert er „in einer verworrenen Geschichte aus der Respublica Literaria in das Feld der Romane, Dramen und Gedichte“.⁹ Die Wörterbücher des 18. Jahrhunderts dokumentieren diese Karriere. „Littérature“ erscheint in Furetières Dictionnaire universel in den Ausgaben von 1690 und 1727 mit gleichlautender Definition: „Doctrine, connoissance profonde des lettres“.¹⁰ Das Adjektiv „littéraire“ taucht dagegen erstmals in der Ausgabe 1727 mit der Definition „Qui appartient aux Lettres ou aux Sciences“ auf, als Beispiel wird gegeben: „Nouvelles litteraires“. Férauds Dictionnaire critique de la langue française (1787) markiert bereits das Ende des Verschubs: ‚littéraire‘ sei nun „qui apartient aux Belles Lettres“. Allerdings: ein ‚litérateur‘ bleibt „celui, qui est versé dans la litérature; c. à. d. dans l’érudition.“¹¹ Féraud führt erstmals den littérateur, der auf den alten, gelehrten Literaturbegriff zurückverweist, bei Furetière war er weder 1690 noch 1727 präsent gewesen. Der litérateur bindet also weiterhin die gelehrtenrepublikanische Kommunikationsstruktur und steht damit mindestens eine Kompetenzstufe über dem römischen litterator, der als „Sprachmeister im Lesen und Schreiben“ ein Elementarpädagoge war im Gegensatz zum litteratus, dem eigentlich wissenschaftlich Gebildeten.¹² Diese Tiefenechos drängen sich nicht zuletzt deshalb auf, weil Goethe die Akteure der Weltliteratur als „Literatoren“ – und nicht etwa als ‚Literaten‘ – bezeichnet: Wenn wir eine Europäische, ja eine allgemeine Weltliteratur zu verkündigen gewagt haben, so heißt dieses nicht daß die verschiedenen Nationen von einander und ihren Erzeugnissen Kenntnis nehmen, denn in diesem Sinne existiert sie schon lange, setzt sich fort und erneuert sich mehr oder weniger; Nein! hier ist vielmehr davon die Rede, daß die lebendigen und strebenden Literatoren einander kennen lernen und durch Neigung und Gemeinsinn sich veranlaßt finden gesellschaftlich zu wirken.¹³

Wenn, wovon auszugehen ist, Goethe den Ausdruck nach dem Französischen gebildet hat, dann führt die Weltliteratur allen Transformationen des Literaturbegriffs zum Trotz auf der Akteursebene die gelehrtenrepublikanische Praxis weiter mit. Diese  Als Artikel wurde „Littérature“ erstmals 1819 veröffentlicht. Er findet sich nicht in den Ausgaben des 18. Jahrhunderts, sondern wurde nach einem Manuskript von Voltaires Sekretär Jean-Louis Wagnière, das Korrekturen von der Hand Voltaires enthält, konstruiert. S.Voltaire: Oeuvres complètes, Bd. 19, s.v. Vgl. Wellek: Literature and its Cognates.  Simons: Von der Respublica Literaria zum Literaturstaat, 292.  Furetière: Dictionaire universel (1690), Bd. 2, 476, s.v. „Littérature“; Antoine Furetière: Dictionnaire universel (1727), Bd. 3, o.p., s.v. „Litterature“, identische Formulierung.  Féraud: Dictionaire critique de la langue française, Bd. 2, 562, s.v. „Littéraire“.  Georges: Ausführliches Lateinisch-Deutsches Handwörterbuch, s.v.  Goethe: Zu den Versammlungen deutscher Naturforscher und Ärzte, 357. Zum Kontext dieses Zitats s. den Beitrag von Rainer Godel in diesem Band.

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république des lettres war, so hat es Heinrich Bosse auf den Punkt gebracht, nichts anderes als „das Kommunikationssystem des gelehrten Standes“.¹⁴ ‚Weltliteratur‘ ist nun ebenso – so Anne Bohnenkamp – wesentlich ein Kommunikationsprojekt: „Goethes ‚Weltliteratur‘ entsteht nicht nur aus der internationalen und interkulturellen Kommunikation, sie ist diese Kommunikation selbst.“¹⁵ Es handelt sich hier um mehr als um zufällige Parallelen. Vielmehr werden hier subkutan Muster fortgeschrieben, die in der Selbstbeschreibung der Akteure hingegen als Bruch erscheinen.

2 Aufgang und Untergang Die Bühne, auf der ‚Weltliteratur‘ erscheint, ist recht frisch gezimmert. Wenn Goethe proklamiert, dass „Nationalliteratur […] jetzt nicht viel sagen [will]“, und die „Epoche der Weltliteratur“ ausruft,¹⁶ dann will es ganz so scheinen, als ob ein überkommenes Paradigma abgelöst werde – mit all den Überwindungs- und Bruchkonnotationen, die zu einem Epochenwechsel dazugehören. So ist es kaum verwunderlich, dass ‚Weltliteratur‘ insbesondere im weiteren Verlauf der Diskussion als Gegen- und Nachfolgekonzept von ‚Nationalliteratur‘ konstruiert wurde. Dass das Narrativ der Nationalliteratur dennoch und insbesondere um 1830 zeitgleich florierte, ist oft bemerkt und öfter noch betrauert worden – ganz so, als ob ein transnationales und kosmopolitisches Projekt durch rückwärtsgewandten Traditionalismus gehemmt worden wäre. In der Tat emergieren die beiden Begriffe parallel,¹⁷ betreffen aber mindestens im 19. Jahrhundert unterschiedliche Beschreibungs- und Aushandlungsniveaus. Die Nationalliteraturen gründen auf einer Konnexbehauptung, die Leben und Literatur, Sprache und Geschichte als organisch ineinander gefügt denkt, und zwar in gegeneinander klar abgrenzbaren Gemeinschaften. ‚Weltliteratur‘ ist eine Verhandlungsebene über diesen Sektionen. Nicht nur ‚Weltliteratur‘ ist eine deutsche Prägung, die Deutschen fanden auch an ‚Nationalliteratur‘ viel Gefallen, wie René Wellek betont: „Literature in the eighteenth century began to be felt as a particular national possession, as an expression of the national mind, as a means toward the nation’s self-definition. The Germans were particularly conscious of their nationality and in Germany the term ‚Nationalliteratur‘ began to be used widely.“¹⁸ Dieser Grundkonstellation wurde vielfach ein teleologisches Narrativ unterlegt – von der nationalen Enge hin zum Kosmopolitismus. Fritz Strich deutete diesen ver-

 Bosse: Die gelehrte Republik, 62. Vgl. auch die Beiträge in Schneider (Hg.): Kultur der Kommunikation.  Bohnenkamp: Versucht’s zusammen eine Strecke, 186. Vgl. dagegen Lamping: Die Idee der Weltliteratur, 24, der die Rede von den Literatoren als Verweis auf die literarischen Texte liest, vermittels derer ihre Autoren miteinander kommunizieren.  Eckermann: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens, Bd. 1, 325 (31. Januar 1827).  Vgl. zu ‚Nationalliteratur‘ und ‚Weltliteratur‘ als korrespondierenden Konzepten Biti: The Fissured Identity of Literature. S. auch Lamping: Die Idee der Weltliteratur, 63.  Wellek: Literature and its Cognates.

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meintlichen Entwicklungsbogen in seiner einflussreichen Arbeit über Goethe und die Weltliteratur vor dem zeithistorischen Hintergrund seines Schreibens idealistisch als ein Friedens- und Verständigungsprojekt: Weltliteratur sei die zwischen den Nationalliteraturen und damit zwischen den Nationen überhaupt vermittelnde und ihre ideellen Güter austauschende Literatur. Sie umfaßt alles, wodurch sich die Völker auf literarischem Wege gegenseitig kennen, verstehen, beurteilen, schätzen und dulden lernen, alles, was sie auf literarischem Wege einander näherrückt und verbindet. Sie ist ein literarischer Brückenbau über trennende Ströme, ein geistiger Straßenbau über trennende Gebirge.¹⁹

Dass dieser literarische Brückenbau in seinen Anfängen nicht zwingend ein Harmonisierungsprojekt war, sondern an agonalen Verhandlungsmustern partizipierte, die aus der (frühneuzeitlichen) Rhetorik herrührten, wird im Folgenden zu zeigen sein. Dass Goethe den Begriff der Weltliteratur nachhaltig ins Spiel brachte, ihn aber keineswegs prägte, ist bekannt. Die jeweils ausgerufenen Erstbelege verlagerten sich im Prozess der Begriffsarchäologie immer weiter zurück ins 19. und dann auch das 18. Jahrhundert, wobei noch keineswegs ausgemacht ist, dass ein definitiver Prägepunkt bereits etabliert ist. Aktuell halten die Grabungen bei August Ludwig von Schlözer, der im „Vorbericht“ zu Isländische Litteratur und Geschichte (1773) den Ausdruck „Weltlitteratur“ fallen ließ – wiederum allerdings so nonchalant, dass eine bereits etablierte Kurrenz zu vermuten ist.²⁰ Die bis zu Wolfgang Schamonis und Gauti Kristmannssons paralleler Entdeckung der Stelle bei Schlözer weithin als Erstbeleg akzeptierte Passage ist kaum zu datieren, dafür aber zu lokalisieren: sie stammt aus Weimar. Christoph Martin Wieland platzierte das Wort in den handschriftlichen Korrekturen und Varianten, die er in sein Handexemplar der verbesserten Ausgabe seiner Übersetzung von Horaz’ Epistulae (Leipzig 1790, erstmals Leipzig 1782) eintrug. In der „Zueignungsschrift“ an Herzog Carl August von Sachsen-Weimar-Eisenach diskutiert Wieland die Kommentarbedürftigkeit der römischen „Urbanität“. Zwar nehme man „diesen Geschmak der Hauptstadt […] aus dem Lesen der besten Schriftsteller, und aus dem Umgang der cultiviertesten und vorzüglichsten Personen in einem sehr verfeinerten Zeitalter, unvermerkt [an]“, doch setze dies „Kenntnisse voraus, die auch dem gelehrtern Theile der Leser nicht allezeit gegenwärtig sind.“²¹ „Weltlitteratur“ kommt hier erst in den handschriftlichen Annotationen ins Spiel: als weiteres Synonym für ‚Urbanität‘ hält Wieland dort „diese feine Tinktur von Weltkenntnis und Weltlitteratur“ fest. Mit doppeltem

 Strich: Goethe und die Weltliteratur, 17.  „Es giebt eine eigene Isländische Litteratur aus dem Mittelalter, die für die gesammte Weltlitteratur eben so wichtig, und großenteils außer dem Norden noch eben so unbekannt, als die Angelsächsische, Irrländische, Rußische, Byzantische, Hebräische, Arabische, und Sinesische, aus eben diesen düstern Zeiten, ist.“ Schlözer: Isländische Litteratur und Geschichte, § 2. S. dazu Schamoni: ,Weltliteratur‘ – zuerst 1773 bei August Ludwig Schlözer; Gauti Kristmannsson: The Nordic Turn in German Literature; Schamoni: Ein Postscriptum zu ,Weltliteratur‘.  Wieland: Werke. Oßmannstedter Ausgabe, 17.1, 42– 43. Zur Begriffskarriere von urbanitas s. Federhofer: ,Urbanitas‘ als Witz und Weltläufigkeit.

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Federstrich getilgt wird, um der „Weltlitteratur“ Platz zu machen, ein Wort: Gelehrsamkeit.²² „Weltlitteratur“ bezeichnet hier weniger ein Projekt im Sinn eines prospektiven Unternehmens (wie später bei Goethe) als vielmehr den Lektürehorizont des Mannes von Welt zu Zeiten des römischen Imperiums, der vom nachzeitigen Kommentator für ein gewandeltes Publikum eingeholt werden muss.²³ Gelehrte freilich haben sich seit dem späten 17. Jahrhundert als hommes du monde zu inszenieren gesucht, spätestens seit Christian Thomasius in Leipzig statt im Talar in galanter Kleidung und mit Degengehänge auf den Katheder trat, war eine gewisse Weltläufigkeit Gebot.²⁴ Die Welt in Wielands „Weltlitteratur“ ist also ein Eleganzideal des Gelehrten, und mit der Welt ist keine Weltgeltung der Literatur gemeint und auch keine Weltrepräsentation oder gar -konstruktion, sondern der Terminus ist auf den ‚Weltbürger‘ und seinen Bildungshorizont gewendet. ‚Welt‘ erscheint nachgerade als Steigerungspräfix von Literatur im alten Sinn. Urbanitas meint wiederum die Weltläufigkeit des civis romanus, „Weltlitteratur“ erhält damit nicht nur eine historische Tiefendimension, der Begriff ist auch zu verstehen als konzeptuelle Analogbildung zu den artes liberales, zu den Freien Künsten: Der Begriff meint historisch schließlich nicht, dass die Künste frei seien oder sein sollen, sondern dass es sich – im Kontext einer Sklavenhaltergesellschaft – um Künste handelt, die eines freien Mannes würdig seien. Der Wielandsche Begriff der Weltliteratur ist damit nicht sachdeskriptiv, sondern prestige-evokativ und Signum eines reklamierten Eleganz- und Bildungsideals im Zeichen nicht der Weltwahrnehmung, sondern des Auftritts auf der Weltbühne. Am wichtigsten aber: es ist ein Perspektivbegriff, der eine Akteursposition zentriert und Literatur (bzw. Gelehrsamkeit) auf diese hin ordnet – mehr als alles andere sollte diese Perspektivität dem Weltliteraturbegriff über alle semantischen Verschiebungen hinweg eingeschrieben bleiben. Wielands Ersetzung von „Gelehrsamkeit“ durch „Weltlitteratur“ bedeutet daher keine so kategorische Ablöse, wie es sein energischer, doppelter Federstrich nahelegt, im Gegenteil. Allerdings würde sich eine solche Lesart durchaus in das Bild fügen, das sich um 1800 präsentiert: Die Gelehrtenrepublik hat sich nicht allein den Literaturbegriff abkaufen lassen, sie hat auch ihr gemeinschaftliches Idiom, das Lateinische, längst preisgegeben und damit ihren transnationalen kommunikativen Anspruch mindestens gelockert. Pascale Casanova hat für ihre Konzeption einer modernen „république mondiale des lettres“ und der damit verbundenen „invention de la littérature“ an genau diesem Wechsel vom Latein in die Volkssprachen Maß genommen, der in Frankreich bereits im 16. Jahrhundert ohne Zweifel ein kulturpolitisches Anliegen ersten Ranges

 S. das Faksimile bei Weitz: ‚Weltliteratur‘ zuerst bei Wieland, 207. Ursprünglich lautet die Wendung: „diese feine Tinktur von Gelehrsamkeit, Weltkenntniß und Politesse“. Die Korrektur bleibt freilich konsequenzlos, der Auftritt von ‚Weltlitteratur‘ bei Wieland ephemer. Die Oßmannstedter Ausgabe der Werke Wielands hält kommentarlos am Text der Ausgabe 1782 fest.  Weitz: ‚Weltliteratur‘ zuerst bei Wieland, 208.Vgl. die detailreiche Diskussion des Kontexts bei Goßens: Weltliteratur, 33 – 92.  S. Maurer: Christian Thomasius oder: Vom Wandel des Gelehrtentypus im 18. Jahrhundert, bes. 444.

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war.²⁵ Doch die europäische Gelehrtenrepublik der Frühen Neuzeit bleibt bei Casanova bemerkenswert unbestimmt und schemenhaft.²⁶ Dies ist umso erstaunlicher, als die république des lettres in der Tat ein gegen die politischen Machtstrukturen verschobenes transnationales Kommunikationssystem war, ganz im Sinne von Casanovas Ansatz²⁷ – freilich allein des gelehrten Standes. Den Untergang der Gelehrtenrepublik nahm bereits Gotthold Ephraim Lessing als Weltverlust wahr, wie Wilfried Barner schreibt: Lessing scheint in seiner Vaterstadt und während der ersten Meißener Jahre noch ganz in der Tradition der älteren humanistischen, Latein und etwas Griechisch lesenden sowie lateinisch kommunizierenden res publica litteraria aufzuwachsen. Dieses Fundament hat er bis in seine späten Jahre hinein weder verloren noch verleugnet. Selbstverständliche gemeineuropäische Basis sind die antiken Klassiker, die leichter zugänglichen (wie etwa die Komödienautoren) zunächst. Lessing hat sie später, in einem vielzitierten, fast nostalgischen Rückblick als seine ehemalige ,Welt‘ bezeichnet.²⁸

Diese Welt geht freilich auch nicht einfach unter, sondern die „Kosmopoliten“ um 1800 arbeiten sich spezifisch daran ab.²⁹ Der Abschied von der Gelehrtenrepublik wird langhinwirkend im Modus der hyperbolischen Allusion mitgeführt. L’ Eco, das von 1828 bis 1835 in Mailand erscheinende, von Goethe regelmäßig gelesene Giornale di Scienze, Lettere, Arti, Commercio e Teatri, fasst seinen Informationsauftrag dezidiert in Opposition zu den nunmehr wunderlich gewordenen Praktiken der Gelehrtenrepublik. Man versprach neben „diletto senza frivolità“ eine „istruzione senza pedanteria“.³⁰ Pedanterie – das ist das polemische Etikett, mit dem die alte Gelehrsamkeit diskreditiert zu werden pflegte,³¹ und die Maxime, der sich L’ Eco verpflichtet, kann für die Zeitgenossen dementsprechend aphoristisch knapp gehalten sein, ohne an Klarheit zu verlieren hinsichtlich ihrer Stoßrichtung. Die Anfangs- und Endpunkte dieses Prozesses gilt es im Folgenden genauer in den Blick zu nehmen. Die Zeitschriftenliteratur in ihrer Breite entzieht sich naturgemäß dem Skopus dieses Beitrags, es müssen mithin zwei Haltepunkte genügen, um die Rezension als Medium der Weltliteratur zu situieren: die populärste Zeitschrift der république des lettres, die von Pierre Bayle herausgegebenen Nouvelles de la république

 Casanova: La république mondiale des lettres, Kap. 2.  Die entsprechenden Namen und Daten liefert in Teilen nach: Buescu: Pascale Casanova and the Republic of Letters. Zur Geschichte vgl. grundlegend Fumaroli: La république des lettres, bes. Kap. 1 & 4. Zur Diskrepanz zwischen Selbstbeschreibung und gelebter Praxis s. Jaumann: Respublica litteraria / Republic of letters, bes. 16; Daston: The Ideal and the Reality of the Republic of Letters in the Enlightenment.  Casanovas zentrale These, dass Literatur einen eigenen Raum ausbilde, der von politischen und ökonomischen Zusammenhängen unabhängig sei, kompakt in Casanova: Literature as a World.  Barner: Res publica litteraria und das Nationale, 73.  Goßens: Weltliteratur, 92. Vgl. umfassend Albrecht: Kosmopolitismus, bes. Kap. 10.  Zit. in Goßens: Weltliteratur, 97. S. dazu Hamm: L’ Eco, Giornale di Scienze, Lettere, Arti, Commercio e Teatri.  S. Kühlmann: Gelehrtenrepublik und Fürstenstaat, 288 – 318.

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des lettres vom Ende des 17. Jahrhunderts; und Le Globe aus der Zeit um 1830, der als die wichtigste Verbindung des alten Goethe zur Welt beschrieben worden ist.³²

3 Nouvelles de la république des lettres Die Rezension ist in ihren Anfängen Vehikel des Nachrichtenlaufs in der Gelehrtenrepublik. So eröffnet das Journal des Savants sein erstes Heft mit genau dieser Selbstbeschreibung: Le dessein de ce Iournal estant de faire sçauoir ce qui se passe de nouueau dans la Republique des lettres, il sera composé, Permierement d’vn Catalogue exact des principaux liures qui s’impriment dans l’Europe. Et on ne se contentera pas de donner les simples titres, comme on fait iusques à present la plupart des Bibliographies: mais de plus on dira de quoy ils traitent, & à quoy il peuuent estre vtiles.³³

Die Gelehrtenrepublik gibt sich mithin ein Updateverfahren im Modus der Periodizität. Die Absichtserklärung erscheint freilich viel zahmer als sie sich in der Praxis erweisen würde. Inhaltsbeschreibungen und Nützlichkeitsbeurteilungen machen gewiss einen Großteil des Rezensionswesens aus,³⁴ doch tritt ein qualitativer Aspekt hinzu, der in der Wahrnehmung der Zeitgenossen weitaus prägender sein würde: Kritik. Recht eigentlich sind Periodika, so hat Heinrich Bosse formuliert, der Gelehrtenrepublik systemfremd: Die Zeitungen […], als sub- oder nichtakademisches Dienstleistungsgewerbe, gehören weder zur res publica literaria noch zur res publica politica, sondern zum Verkehrssystem der Post. Mit der Post kommen die Nachrichten an, werden gebündelt und weitergegeben, ein bloßer Informationsstrom am Rande oder unterhalb aller Dispute, die ermitteln sollen, was wahr ist, oder wer das Recht auf seiner Seite hat.³⁵

Bereits Kaspar von Stieler hat Ende des 17. Jahrhunderts die postalische Wurzel der Gelehrtenrepublik herausgestellt: „Zeitungen entspringen aus dem Briefwechsel“.³⁶ Noch die von Friedrich Melchior von Grimm herausgegebene Correspondance littéraire, die von 1753 bis 1773 handschriftlich an einen elitären Zirkel hochmögender Abonnent:

 Die in Goethes Bibliothek erhaltenen Exemplare von Le Globe gehören zu den wenigen Titeln, die Goethe intensiv angestrichen hat. Für 295 Artikel lässt sich die Lektüre nachweisen, s. Hamm: Goethe und die französische Zeitschrift ‚Le Globe‘, 15 – 16.  «L’imprimeur au lecteur». Le Journal des sçavans (1. Januar 1665), o.p., https://gallica.bnf.fr/ark:/12148/ bpt6k56523 g.  Vgl. Schneider: Die Funktion wissenschaftlicher Rezensionszeitschiften im Kommunikationsprozeß der Gelehrten.  Bosse: Die gelehrte Republik, 59.  Stieler: Zeitungs Lust und Nutz, 17.

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innen verschickt wurde, nimmt diese Wurzel in Titel und Format ganz wörtlich.³⁷ Zeitschriften schreiben sich also ein in die lange Geschichte personaler Distanzkommunikation, und in ihren Selbstbeschreibungen geben sie zuverlässig ein konstantes Motiv für den Übertritt in die Periodizität an: nur so sei der Bücherflut Herr zu werden. Die Rede von der Bücherflut ist freilich eine Standardklage seit den Anfängen des Buchdrucks mit beweglichen Lettern – man erinnere sich an das beständige Stöhnen der Gelehrten des 16. und 17. Jahrhunderts über das, was Daniel Rosenberg als „early modern information overload“ bezeichnet hat.³⁸ Die Nouvelles de la république des lettres, von dem französischen Protestanten Pierre Bayle im Gefolge des Erfolgs seiner Schrift über den Kometen im holländischen Exil von 1684 bis 1687 unter immensem persönlichem Einsatz und bis zur Erschöpfung herausgegeben,³⁹ reagieren bereits in der préface der ersten Nummer auf eine offenbar schon gegebene Praxis der persönlichen Attacke. Die Abgrenzung von Schmähpraktiken hat hohe Priorität: Die Zeitschrift soll keine Verläumdungsagentur („Bureau d’Adresse de médisance“) sein, wie Bayle in Anspielung an Théophraste Renaudots berühmte Pariser Informationsdrehscheibe formuliert.⁴⁰ Die üble Behandlung, die der Mercure savant (der wie Bayles Nouvelles bei Henry Desbordes in Amsterdam erschien, die erste Nummer war erst im Januar 1684 herausgekommen) angesehenen Gelehrten zuteil werden habe lassen, sei ein abschreckendes Beispiel.⁴¹ Und so erlegt sich Bayle, eine der Galionsfiguren der Gelehrtenrepublik, eine Selbstverpflichtung auf, die als allgemeine Kommunikationsmaxime gelesen sein wollte: Nous déclarons […], que nous soûmettons, ou plutôt que nous abandonnons nos sentimens à la censure de tout le monde. En appellera qui voudra, & nous dirons ici avec un des premiers esprits de l’antiquité, que n’étant point esclaves de nos opinions, nous les verrons maltraiter, sans nous en mettre en colere. Nos qui sequimur probabilia, nec ultra id quàm quod verisimile occurrerit, progredi possumus, & refellere sine pertinacia, & refelli sine iracundia parati sumus.⁴²

 Vgl. zur Bedeutung der Zeitschrift für die Gelehrtenrepublik Abrosimov: Aufklärung jenseits der Öffentlichkeit.  Vgl. Rosenberg: Early Modern Information Overload; Ann Blair: Too Much to Know; zu institutionellen Reaktionsmustern im 18. Jahrhundert vgl. Wellmon: Organizing Enlightenment.  Zu Bayles Publikationsprojekten und eigenen Kontroversen s. van der Lugt: Bayle, Jurieu, and the Dictionnaire historique et critique. Für einen Reprint der Nouvelles de la république des lettres, s. Betz: Pierre Bayle und die „Nouvelles de la République des Lettres“. – Digitalisate: https://gazetier-universel.gazet tes18e.fr/periodique/nouvelles-de-la-republique-des-lettres-11684-1718.  Bayle: Préface, fol. *4r. Zu Renaudot und seinem Bureau d’Adresse vgl. Mazauric: Savoirs et philosophie à Paris dans la première moitié du XVII siècle; vgl. dazu jetzt auch die Dissertation von Isabelle Fellner: Nettoyer l’étude de la poussière.  Der Mercure savant kam über die eröffnende Doppelnummer nicht hinaus, s. für Details den Eintrag von Oliver Bloch im Dictionnaire des journaux 1600 – 1789, https://dictionnaire-journaux.gazettes18e.fr/ journal/0949-mercure-savant.  Bayle: Préface, fol. *4r–v. Die lateinische Passage bezieht Bayle aus Cic. Tusc. 2,5: „Wir dagegen folgen dem Wahrscheinlichen und können nicht weiter voranschreiten als bis zu dem, was uns als wahrscheinlich begegnet, und sind bereit, ohne Fanatismus zu widerlegen und uns ohne Zorn widerlegen zu lassen.“ Das ‚Wahrscheinliche‘ ist hier nicht das Erwartbare im Sinn der modernen Wahrscheinlichkeitsrechnung,

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Adrien Baillet explizierte fast zeitgleich in den Jugements des savants sur les principaux ouvrages (1685/86) das in dieser Deklaration präsupponierte Prinzip als Caveat: Jeder kann sich nun angesichts der Vervielfältigung der Periodika an die Öffentlichkeit wenden. Doch mit dieser Publizitätsoption gehen zwei Auflagen einher: Man unterwirft sich mit Eintritt in das Feld den Bedingungen der Kritik, wird aber zugleich zum Richter anderer. Wer eintritt, muss akzeptieren, dass alle, die bereits da sind, über ihn herfallen können (und wohl auch werden).⁴³ Parrhesie – freimütige Rede – ist das Prinzip der Gelehrtenrepublik: Das ist es, was Pierre Bayle meint, wenn er später im Dictionnaire historique et critique schreiben sollte: „C’est la liberté, qui règne dans la République des Lettres.“⁴⁴ Das Versprechen der Freiheit hat allerdings eine gefährliche Kehrseite: es ist nicht ein Synonym für Toleranz, sondern es ist ein bellum omnium contra omnes, ein Krieg aller gegen alle, der damit angesprochen ist. In Absehung von allen persönlichen Bindungen sei der Wahrheit und der Vernunft Recht zu tun. Im gleichen Atemzug, in dem Rücksichtslosigkeit gefordert wird, wird diese freilich mit den oben zitierten Mäßigungs- und Selbstregulationsappellen verträglich gemacht. Das Absehen von persönlichen Verpflichtungen und Neigungen soll dadurch abgemildert werden, dass Hartnäckigkeit und ein sich Verkämpfen durch übermäßiges Beharren auf Standpunkten vermieden wird. Dass jeder, der diese Sphäre der Kritik betrete, sich dessen bewusst sein müsse, seine Arbeiten und sich selbst zur Disposition zu stellen, und umgekehrt die Schärfe seines Urteils daran bemessen müsse, was er selbst bereit sei auszuhalten – diese Maxime der Reziprozität hängt an einer Gleichheitsfiktion der Gelehrtenrepublik: Ihre Mitglieder sollen einander unter Absehung von Rang und sozialem Gewicht auf Augenhöhe begegnen.⁴⁵ Was nach zivilisiertem Umgang und offener, kollaborativer Wahrheitssuche klingt, war in Wirklichkeit, wie Steffen Martus gezeigt hat, zum Fürchten.⁴⁶ Die Emergenz der Textsorte Rezension ist unter dem Vorzeichen der Periodizität dominant einer Umstellung des Zuständigkeitsbereichs von Gelehrsamkeit geschuldet: Nicht mehr die alten Autoritäten werden ausgelegt, vielmehr kommentieren und kritisieren einander Zeitgenoss:innen gegenseitig. Kritik fügt sich damit ein auf dem schmalen Grat zwischen den kulturell sedimentierten Formen der negativ gestimmten Auseinandersetzung mit der Gegenwart: Die Satire, ästhetisch verdichtet und auf das Allgemeine zielend auf der einen Seite, und das Pasquill oder ‚Famoslibell‘ als persön-

sondern das im dialektischen und auch rhetorischen Sinn Argumentierbare: eine Position, die mit Gründen vertreten werden kann.  „Comme il n’a point de Loix civiles qui défendent à personne de se faire Auteur, & d’écrire pour le Public: il semble qu’il n’y en ait pas aussi pour retrancher ou réformer la licence que chacun prend de se rendre le Censeur ou le Juge de ces sortes de personnes. […] C’est pourquoi Monsieur de Balzac avoit raison de dire que le champ est ouvert à quiconque y veut entrer, & qu’il est exposé au pillage du premier venu.“ Baillet: Jugemens des savans sur les principaux ouvrages des auteurs, Bd. 1, 2.  Bayle: [Art.] „Catius“. Dictionaire historique et critique, Bd. 2, 101– 103, hier 102 [D].  Bayle: Préface, fol. [*6]v.  S. Martus: Werkpolitik, Kap. 2. S. auch Berns: Medienkonkurrenz im 17. Jahrhundert.

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liche Schmähung auf der anderen sind die beiden herkömmlichen Pole öffentlicher Attacke. Kritik ist demgegenüber ein neuer, dritter Modus, der als „Leitoperation der raison“ verstanden werden will, dabei aber dennoch stets im Geruch steht, mit den kulturell konventionalisierten Formen der Negativität in eins zu fallen.⁴⁷ Im periodischen Publikationsbetrieb, der sich die Rezension jüngst erschienener Schriften zur Aufgabe macht, steht nun mit jedem neuen Buch zugleich dessen Autor:in zur Disposition, wie Wiebke Hemmerling schreibt: Bereits seit Anbeginn des Journals war es ein offenes Geheimnis, daß es sich bei dem öffentlichen Rezensieren und Kritisieren der Schriften von noch lebenden Gelehrten um einen Drahtseilakt handelte. Die Grenze zwischen Buchkritik und Gelehrtenkritik konnte kaum als trennscharf bezeichnet werden und demgemäß war der Rezensent immer nahe daran, das zwischen den Gelehrten zu beachtende ‚Decorum‘ zu verletzen.⁴⁸

Schon der Titel der Nouvelles de la république des lettres zeigt an, dass Bayle sich auf das publizistische Geschäft mit der Novität einlässt. Die Erscheinungsweise ist regelmäßig, aber nach späteren Maßstäben entspannt: Die Nouvelles erscheinen monatlich, die Beiträge – Rezensionen, Nachrichten aus den Akademien, Nachrufe – folgen keinem bestimmten Muster. Was es aus der Gelehrtenrepublik zu berichten gibt, ist gleichgestellt; Erscheinungsorte werden mit den bibliographischen Angaben der besprochenen Bücher geliefert, doch es wird quer durch die Sprachen rezensiert und keine Ordnung eingezogen. Eine Generation später stellt sich die Situation bereits anders dar. Wiederum in den Niederlanden, in Den Haag, gibt ein anderer Exilant, Henry Du Sauzet, Nouvelles littéraires contenant ce que se passe de plus considérable dans la république des lettres (1715 – 1720) heraus. In der Vorrede zur ersten Nummer weist Du Sauzet die Zeitschrift als Schwesterprojekt der Leipziger Neue Zeitungen von gelehrten Sachen aus und indiziert damit eine Netzwerkbildung der Zeitschriften, die sich nicht mehr in Korrespondentennetzwerken erschöpft, sondern Allianzen auf der Metaebene schmiedet. Diese Nouvelles folgen einer neuen Formel: sie erscheinen in verdichtetem Takt – wöchentlich, später vierzehntäglich – und projizieren die staatenlose Gelehrtenrepublik auf die europäische Landkarte. Einträge sind nun nach den großen Städten Europas gegliedert. In Imitation der Organisation politischer Nachrichten war das Gliederungsprinzip nun das europäische Metropolennetzwerk. Damit unterwarf dieser neue Zeitschriftentyp die Aktivitäten der république des lettres den Berichterstattungskonventionen des Nachrichtenwesens und band sie an eine europäische Geographie.⁴⁹

 Jaumann: Critica, 225. S. auch Jaumann: Satire zwischen Moral, Recht und Kritik.  Hemmerling: Versprochene Früchte, leere Schalen, 127. Vgl. zu den vor diesem Hintergrund ersonnenen Remedien Stader und Traninger: Unparteilichkeit und das Problem der Trennung von Person und Sache.  Simons: Von der Respublica Literaria zum Literaturstaat, 311. S. auch Granderoute (mit Winnerling): Nouvelles littéraires 1 (1715 – 1720); Winnerling: Wie und wozu Werke verknüpfen?. Wesentliche Zielsetzung dieser Zeitschriften war nun auch eine Beobachtung zweiter Ordnung: der Nachvollzug aktueller

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Die Gelehrtenrepublik ist mithin zur (geographischen) Welt gekommen, doch wo ist die ‚Welt‘ im emphatischen, d. h. globalen Sinn? Für Pierre Bayle gab es keine substanzielle Differenz zwischen den Literaturen. In seiner Rezension der Übersetzung von Graciáns Oráculo manual hat er beispielsweise etwas über das zu lange Vorwort des Übersetzers zu sagen, aber ein bemerkenswerter Unterschied zwischen Spanien und Frankreich kommt ihm nicht in den Sinn.⁵⁰ Texte von außerhalb Europas figurieren nicht, Außereuropa findet allenfalls Eingang in gelehrte Werke und sekundär in deren Rezension. Die Rezension von Johannes Nikolaus Pechlins De potu theae gibt beispielsweise Anlass, über japanische und chinesische Teepraktiken zu reflektieren.⁵¹ Tee und andere Güter zirkulieren und werden hier und andernorts in ihrer Re-Situierung besprochen, nicht so allerdings die Literatur. Dass Bayle gar Literatur (im späteren, modernen Sinn) überhaupt nicht besprochen hätte, trifft freilich nicht zu.⁵² Jedoch: die Gelehrtenrepublik konstituiert sich nicht im Austausch über Dichtung; diese kommt dort vor, wo sie (marginaler) Teil gelehrter Praxis ist. Gegenstand eigenen Rechts ist sie insbesondere beim Blick nach Außereuropa nicht. Das betrifft sogar die nächsten Nachbarn, und das Bild verändert sich bei der nächsten Generation von nouvelles kaum: Jüngst wurden die Einträge zu Russland in den Nouvelles littéraires untersucht mit dem Befund, dass über Kultur, Politik, Sitten und Gebräuche berichtet wird, während Russland als ein Land ohne Texte und jedenfalls ohne Literatur erscheint.⁵³

4 Le Globe Als sich die Zeitschrift, die Goethe zur ersten Äußerung über Weltliteratur animierte, genau diese Welt in den Titel schrieb, bedeutete dies keineswegs, dass die Literaturen der Welt automatisch und breitflächig in den Blick gerieten. Die Konzeption der Zeitschrift Le Globe, die von 1824 bis 1830 erschien und die als „Organ der liberalen Romantik“ gilt,⁵⁴ war zu Beginn Gegenstand einer Aushandlung, die sich zwischen den oben skizzierten Polen von Referatenorgan und kritischer Revue bewegte: Während auf Initiative von Pierre Leroux, Mitbegründer der Zeitschrift und für die finanziellen Angelegenheiten verantwortlich, übersetzte Auszüge aus der ausländischen Presse die Leserschaft über aktuelle Entwicklungen in Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft auf dem Laufenden halten sollten, votierte Paul François Dubois für kritische Originalbeiträge, bevorzugt mit Fokus auf Frankreich – und genau so verschob sich die

Debatten ebenso wie die Funktion eines Archivs der Gelehrtenrepublik, s. Nouvelles littéraires (5. Januar 1715), 1‒2.  Nouvelles de la république des lettres (Juli 1684), 524– 527.  Nouvelles de la république des lettres (Februar 1685), 213 – 233.  S. z. B. Neumeister: Pierre Bayle und der Roman.  S. Meerkerk: Les ,nouvelles de Russie‘ dans le monde littéraire francophone néerlandais du début du XVIIIᵉ siècle.  Engler: Die französische Romantik, 52.

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Schwerpunktsetzung schon gegen Ende des ersten Erscheinungsjahrs von der Übernahme internationaler Texte zu frankreichbezogenen Originalbeiträgen.⁵⁵ Diese Richtungsdebatten gingen an Goethe vorbei. Er hatte den Eindruck – und schätzte das Blatt dafür –, dass die Mitarbeiter des Globe, „Leute von Welt“,⁵⁶ mit einer redaktionellen Stimme sprachen; die Beitragenden sah er in einer „profonde communauté d’esprit“⁵⁷ geeint. Doch nicht allein die Blattlinie wurde justiert. Auch die frenetische Taktung des Anfangs wurde schon nach wenigen Monaten heruntergefahren. Der Nummer 23 (30. Oktober 1824) wurde eine Notiz vorangestellt, in der die Umstellung vom Erscheinen jeden zweiten Tag auf dreimal pro Woche (Dienstag, Donnerstag, Samstag) angekündigt wird, mit doppeltem Heftumfang jeweils am Wochenende.⁵⁸ Ab 1828 erschien Le Globe nur noch zweimal pro Woche mit je acht Seiten⁵⁹ – wobei das „nur noch“ im Vergleich zu vorgängigen Zeitschriften, insbesondere natürlich der vergangenen beiden Jahrhunderte, sich auf einen immer noch ausgesprochen dichten Erscheinungsrhythmus bezieht. Le Globe war ein schnelles Medium. Goethe freilich nahm die frühen Jahrgänge gar nicht in dieser Hochfrequenzerscheinungsweise wahr: Die ersten beiden Jahrgänge wurden ihm am Neujahrstag 1826 im Konvolut überbracht, 200 Nummern mit 1044 Seiten, zusammen mit einer Notiz von Dubois, in der dieser die Verehrung seines Zirkels für den großen Goethe zum Ausdruck bringt.⁶⁰ Goethe las also die Zeitschrift, der er sich nicht einmal sofort zuwandte, zunächst gleichsam als Buch. Späterhin sollte ihn, der nie ein Abonnement abschließen musste, die jeweils aktuelle Nummer jeweils sechseinhalb Tage nach Erscheinen erreichen, und die Lektüre folgte dann dem unablässigen Eingang druckfrischer Hefte.⁶¹ Le Globe war ein Debattenjournal, dessen erklärtes Ziel es war, seine Leserschaft auf der Höhe der aktuellen Diskussion zu halten. Das beobachtete Feld ist weit und umfasst – gleichsam als Echo der alten Gelehrsamkeit – fiktionale und faktuale Texte, Wissenschaft und Kultur gleichermaßen. Le Globe ist dabei freilich selbst Propagandaorgan eines neuen Literaturverständnisses – sein Programm ist die Romantik und damit die Appropriation eines nicht-französischen Konzepts in kritischer Wendung gegen die französischen literarischen Konventionen.⁶² Der Schlachtruf ist dementsprechend: „Liberté!“, und zwar im Sinn von Freiheit von den alten poetischen Normen.⁶³ Die Ge-

 S. Hamm: Goethe und die französische Zeitschrift ‚Le Globe‘, 18 – 19.  Eckermann: Gespräche mit Goethe, Bd. 1, 249 (1. Juni 1826). Dort auch Goethes Aussage: „Ich zähle den Globe zu den interessantesten Zeitschriften und könnte ihn nicht entbehren.“ (250)  Goblot: La jeune France libérale, 20.  Le Globe (30. Oktober 1824), 89.  Hamm: Goethe und die französische Zeitschrift ‚Le Globe‘, 19.  Ebd., 26.  Ebd., 32– 33.  Graeber: Liberalismus und Internationalität, 132. S. dazu Stenzel und Thoma: Poésie et société dans la critique littéraire du Globe.  „Prospectus“. Le Globe (15. September 1824), o.p.

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lehrtenrepublik war ein „état extrêment libre“ gewesen,⁶⁴ wie Bayle formuliert hatte, doch gemeint war damit spezifisch Freiheit zur Kritik. Liberté, in der Programmatik des Globe, meint hingegen eine neue Auffassung vom Gegenstand der Kritik selbst: Das heißt, dass sich im Freiheitsbegriff die Modi kristallisieren, in denen ‚literarisch‘ verfahren wird; das Schlagwort dafür ist originalité. Originalité impliziert in der Poetik freilich ein bestimmtes worlding – weg von der imitatio veterum, hin zur „imitation directe de la nature, c’est l’originalité.“ ⁶⁵ Weltbeobachtung und -verarbeitung, das ist das Programm einer romantischen Literatur, die unter diesem Vorzeichen zum Wesensausdruck von Nation wird: „car la littérature des nations, c’est leur vie.“ Literatur wird, so formuliert es der programmatische Auftakttext („Prospectus“) zur ersten Nummer des Globe, zum Vehikel des Informationstauschs zwischen den Nationen, die durch ein Interesse geeint seien: „avec les nuances qui les distinguent, tous marchent, à l’ombre de la paix, vers un but commun, le perfectionnement de leur état social et les jouissances du travail.“⁶⁶ Diese Passage, die Goethe in seinem Exemplar angestrichen hat, lässt sich als Programm einer konsensuellen Bewegung hin zum Weltfrieden interpretieren – und wurde genau so z. B. auch von Fritz Strich gelesen.⁶⁷ (Dass ihr hingegen eine zwingende Agonalität eingeschrieben war, darauf wird unten zurückzukommen sein). Literatur ist in diesem Entwurf instrumentell in den (wirtschaftlichen) Austauschbeziehungen der Völker, die jeweils dem Streben der einzelnen Nationen nach Fortschritt („perfectionnement de leur état social et les jouissances du travail“) entspringen. Die Interessen der Völker sind dabei von vornherein und eigentlich kontraintuitiv als konvergierend bestimmt. Gegenüber den Entwürfen der république des lettres ist dies ein invertiertes Literaturverständnis: Die république des lettres war immer schon als virtueller ‚Staat‘ Komplement und Gegenteil der realpolitischen Interessen; nun ist es nicht ein virtueller Staat, der über Literatur handelt, sondern es sind die Staaten selbst, die in Literatur zum Ausdruck kommen. Und während die Literatur von den Normen der Gelehrsamkeit ebenso wie von jenen der Regelpoetik befreit wird, wird sie doch zugleich auf eine nationale Repräsentationsfunktion verpflichtet. Das sind die Prämissen, unter denen Le Globe am 23. Dezember 1826 und am 27. Januar 1827 jene Rezension publizierte, die bzw. deren Gegenstand gemeinhin als ursächlich für Goethes Äußerungen über‚Weltliteratur‘ eingeschätzt wird.⁶⁸ Besprochen wurde die von Jean-Pierre Abel-Rémusat vorgelegte Übersetzung eines chinesischen Romans: Iu-Kiao-Li, ou Les deux cousines. Die Rezension könnte nicht emphatischer und novitätsbegeisterter einsetzen: „Il y a donc des romans à la Chine, et des romans qui

 Bayle: [Art.] „Catius“. Dictionaire historique et critique, Bd. 2, 102 [D].  „Prospectus“. Le Globe (15. September 1824), o.p. Graeber: Liberalismus und Internationalität, 136, sieht dementsprechend Freiheit und Originalität als Synonyme der romantischen Bewegung.  „Prospectus“. Le Globe (15. September 1824), o.p.  S. oben Anm. 19. Zur Anstreichung Hamm: Goethe und die französische Zeitschrift ‚Le Globe‘, 161.  S. v. a. Purdy: Goethe, Rémusat, and the Chinese Novel.

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peuvent soutenir le parallèle avec ceux de l’Europe! Quelle source de conjectures! quel aliment pour la curiosité!“⁶⁹ Die europäischen Missionare in China hätten sich bis dahin zu sehr auf Grammatik, Moralphilosophie und Wissenschaften gelegt, und die Romane, die bisher bekannt waren, seien nur durch Sekundär- oder gar Tertiärübersetzungen zugänglich gewesen. Exemplarisch stehe dafür ein Roman, der als Hau-kiou-Choaan zitiert wird: „ [il] offre un récit plein d’intérêt, mais qui, arrivé ainsi à son troisième degré, doit avoir beaucoup perdu de sa physionomie chinoise.“⁷⁰ Dieser Verlust der chinesischen Physiognomie sei dagegen in Rémusats Übersetzung von Iu-Kiao-Li nicht mehr das Problem – im Gegenteil: nun klängen die Figuren zwar nicht wie Engländer oder Franzosen des 19. Jahrhunderts, fährt der Rezensent fort, aber doch so menschlich und vertraut, dass mancher Leser die Authentizität des Romans anzweifeln dürfte. Der chinesische Ursprung sei allerdings verbürgt, sei der Roman doch schon im Katalog der Bibliothèque royale vermerkt, den Étienne Fourmont 1742 erstellt hatte und mit dessen Überarbeitung und Korrektur Rémusat betraut war.⁷¹ Als Iu-Kiao-Li bereits im Oktober 1826 im Globe in einer Annonce als Neuerscheinung gelistet wird, streicht Goethe in margine den zelebratorischen Anfang an: „Un roman chinois! Voilà certes une nouveauté s’il en fut: ajoutez le talent et la célébrité du traducteur, voilà bien toutes les conditions d’un succès d’éclat“.⁷² Goethe muss die Novitätsprätension freilich durchaus fragwürdig vorgekommen sein. Seit mehreren Dekaden befasste er sich mit chinesischer Literatur,⁷³ und der in der Rezension in Le Globe als der chinesischen nationalen „Physiognomie“ nicht gerecht werdendes Tertiärprodukt verzeichnete Roman Hau-kiou-Choaan hatte über viele Jahre immer wieder Goethes Interesse gefunden. In Fourmonts Bibliothekskatalog direkt über Iu-Kiao-Li gelistet, war es das im späten 17. Jahrhundert entstandene Hao qiu zhuan – und nicht Iu jiao li (so die modernen Transliterationen) –, das als „erster chinesischer Roman“ in die europäische Literaturchronik eingehen sollte. Die Übersetzung des englischen Geistlichen Thomas Percy von 1761, Hau Kiou Choaan, or The Pleasing History, bildete die Grundlage für eine ganze Reihe weiterer Übersetzungen.⁷⁴ Deren erste, ins Französische, von MarcAntoine Eidous 1766 in Lyon herausgebracht (Hau Kiou Choaan, histoire chinoise), wurde zwar wegen des schlechten Französisch des Übersetzers von zeitgenössischen Rezen-

 Le Globe (23. Dezember 1826), 299 – 301, hier 299.  Ebd.  Ebd., 300. Vgl. Fourmont: Linguae Sinarum mandarinicae hieroglyphicae grammatica duplex, 367. Fourmont hatte Iu-Kiao für den Autor gehalten, was Rémusat korrigiert – der Titel bezeichnet die beiden Heldinnen Yu und Li und verbindet sie mit dem Adjektiv kiao, reizend oder elegant. S. Abel-Rémusat: Mémoire sur les livres chinois dans la Bibliothèque du Roi, 34– 35.  Le Globe (28. Oktober 1826), 176; Hamm: Goethe und die französische Zeitschrift ‚Le Globe‘, 376 – 377.  S. Wagner-Dittmar: Goethe und die chinesische Literatur.  S. dazu During: Out of Europe.

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senten gescholten,⁷⁵ was freilich ihrem Erfolg, der sich u. a. in der Aufnahme in die Zeitschrift Bibliothèque des romans niederschlug, keinen Abbruch tat.⁷⁶ Goethe soll die deutsche Übersetzung des Hao qiu zhuan, die auf Percys englischer Version beruhte und die zeitgleich mit Eidous’ französischer Version erschien, 1795 kennengelernt haben, Indiz dafür sei ein Tagebucheintrag, in dem erstmals von einem chinesischen Roman die Rede ist.⁷⁷ Das scheint etwas spät zu sein angesichts der Tatsache, dass Goethe mit dem Verfasser dieser deutschen Version persönlich verkehrte. Christoph Gottlieb von Murr, der Nürnberger Zollbeamte und weitgereiste und exzellent vernetzte Antiquar, hatte seine Übersetzung 1766 unter dem Titel Haoh Kjöh Tschwen, d. i. die angenehme Geschichte des Haoh Kjöh bei Johann Friedrich Junius in Leipzig herausgebracht. Fast 25 Jahre später, 1790, machte Goethe jeweils auf dem Weg nach und von Venedig in Nürnberg Station und suchte dabei auch Murr auf auf („Angenehmer Aufenthalt daselbst. Von Murr.“ WA I, 53, 387), woraufhin ihn Murr auch noch brieflich kontaktierte und ihm offenbar Werke zum Kauf anbot – ein Handel, den Goethe dann an seinen Freund Karl Ludwig von Knebel delegierte. Im Zentrum des Interesses standen hier freilich nicht chinesische Romane, sondern Illustrationen zu Pietro Aretinos erotischen Sonetten – „Aretinis“, wie Goethe sie nennt, zu denen er „noch immer Lust“ habe.⁷⁸ Murrs Werke standen in beträchtlicher Zahl in Goethes Privatbibliothek, ⁷⁹ und auch wenn das Haoh Kjöh Tschwen heute nicht mehr darunter ist, so ist zum einen nicht auszuschließen, dass Goethe es schon kannte, bevor er mit Schiller 1796 darüber ins Gespräch kam,⁸⁰ und zum anderen, dass er ein Exemplar zur Hand hatte, auf das er zurückgreifen konnte. Noch 1815 las er in Heidelberg aus dem Roman vor, wie aus dem Briefwechsel der Brüder Grimm bekannt ist – die über ihr eigenes, von Jacob Grimm intensiv durchgearbeitetes Exemplar verfügten.⁸¹ Haoh Kjöh Tschwen, das dem gleichen Genre wie das im Globe besprochene Iu-Kiao-Li angehörte, ist mithin eine langjährige

 Correspondance littéraire (15. September 1766), 156.  S. Postel: Les traductions françaises du Haoqiu zhuan, 7.  Debon: Goethe erklärt in Heidelberg einen chinesischen Roman, 55.  Grave: Der ideale Kunstkörper, 112– 113; Andriolli: I manoscritti dei Sonetti lussuriosi di Pietro Aretino posseduti da Johann Wolfgang von Goethe, bes. 82.  S. Goethe-Bibliothek Online, Klassik Stiftung Weimar im Forschungsverbund Marbach – Weimar – Wolfenbüttel, https://haab.weimar-klassik.de/goethe_neu/about.html. Zu Murrs Reisen und seiner reichen gelehrten Produktion s. Will: Nürnbergisches Gelehrten-Lexicon, 468 – 482.  Laut Detering/Tan soll Goethe den Roman 1796 durch Schillers Vermittlung kennengelernt haben, der ihn seinerseits 1794 von Murr erhalten hatte. S. Detering und Tan: Goethe und die chinesischen Fräulein, 14, 17. Schiller nahm sich 1800 eine Neuübersetzung vor, natürlich wiederum aus dem Englischen, weil er Murrs Übersetzung für veraltet und den Roman insgesamt für vergessen hielt. Dem Berliner Verleger Johann Friedrich Unger trug er das Projekt am 29. August 1800 für dessen Roman-Journal an, nicht ohne substanzielle Kürzungen und Straffungen zu versprechen. S. Walravens (Hg.): Chinesische Romane in deutscher Sprache im 18. und 19. Jahrhundert, 27– 29. Das in der Herzogin Anna Amalia Bibliothek in Weimar erhaltene Exemplar des Haoh Kjöh Tschwen stammt aus Schillers Nachlass.  Boxberger: Mittheilungen von Zeitgenossen über Goethe, 338 – 339. Ich danke Philip Kraut von der Arbeitsstelle Grimm-Briefwechsel an der Humboldt Universität zu Berlin für die freundliche Auskunft über die Auswertungsspuren im Grimm-Nachlass.

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Präsenz, nicht allein bei Goethe, sondern in den führenden Zirkeln der deutschen Literatur. Zum Zeitpunkt des berühmten Gesprächs mit Eckermann am 31. Januar 1827, in dem er erstmals von ‚Weltliteratur‘ sprach, konnte Goethe entsprechend dem oben referierten Postlauf nur den ersten Teil der Rezension gekannt haben. Das Buch selbst hielt er mit Sicherheit noch nicht in Händen.⁸² Gerade am 29. Januar 1827 hatte Goethe allerdings einen anderen chinesischen Text – Chinese Courtship, einen von Peter Perring Thoms übersetzten Versroman – aus der Weimarer Bibliothek entliehen,⁸³ und angesichts der Tatsache, dass Goethe seit 1791 fast die gesamte übersetzte Literatur aus und über China zur Kenntnis genommen hatte,⁸⁴ erscheint völlig unplausibel, dass das Erscheinen eines weiteren Romans ihn zutiefst erschüttert hätte. Vor diesem Hintergrund ist das Gespräch mit Eckermann zu situieren: Bey Goethe zu Tisch. „In diesen Tagen, seit ich Sie nicht gesehen, sagte er, habe ich vieles und mancherley gelesen, besonders auch einen chinesischen Roman, der mich noch beschäftiget und der mir im hohen Grade merkwürdig erscheint.“ Chinesischen Roman? sagte ich, der muß wohl sehr fremdartig aussehen. „Nicht so sehr als man glauben sollte, sagte Goethe. Die Menschen denken handeln und empfinden fast eben so wie wir und man fühlt sich sehr bald als ihre Gleichen nur daß bey ihnen alles klarer, reinlicher und sittlicher zugeht. […]“ Aber, sagte ich, ist denn dieser chinesische Roman vielleicht einer ihrer vorzüglichsten? „Keineswegs, sagte Goethe, die Chinesen haben deren zu Tausenden und hatten ihrer schon, als unsere Vorfahren noch in den Wäldern lebten.“[…] „Ich sehe immer mehr, fuhr Goethe fort, daß die Poesie ein Gemeingut der Menschheit ist, und daß sie überall und zu allen Zeiten in hunderten und aber hunderten von Menschen hervortritt. […] Ich sehe mich daher gerne bey fremden Nationen um und rathe jedem, es auch seinerseits zu thun. National=Literatur will jetzt nicht viel sagen, die Epoche der Welt=Literatur ist an der Zeit und jeder muß jetzt dazu wirken, diese Epoche zu beschleunigen.“⁸⁵

Selbstredend liest sich die Passage ex post, vor dem Hintergrund der schillernden Karriere des Weltliteratur-Worts (um den Begriff und seine Geschichte wird anhaltend gerungen), epochemachender als sie vielleicht in dem Moment war. Aber dennoch: Warum plötzlich eine anbrechende Epoche, jene der ‚Weltliteratur‘? Aus der Nähe besehen ist völlig unklar, welcher konkrete Text Goethe „beschäftiget“ hat – dennoch hat sich die Goethe-Hermeneutik intensiv der Konjektur hingegeben, die sich im Verlauf der

 S. Purdy: Goethe, Rémusat, and the Chinese Novel, 45.  von Keudell: Goethe als Benutzer der Weimarer Hofbibliothek, 285. Goethe behielt den Roman relativ, aber nicht ungewöhnlich lang, bis zum 14. Juni 1827. S. dazu auch Sondrup: Goethe, China, and World Literature.  Detering und Tan: Goethe und die chinesischen Fräulein, 35. Das erste Kapitel von Detering/Tan gibt einen exzellenten und detailreichen Überblick über Goethes Beschäftigung mit China.  Eckermann: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens, Bd. 1, 322, 324, 325 (31. Januar 1827).

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Zeit zu dem Befund verhärtete, spezifisch die Begegnung mit dem Iu-Kiao-Li habe ‚Weltliteratur‘ provoziert.⁸⁶ Jahre bevor Eckermann diese seine Erinnerung an den mündlichen Austausch 1836 publizieren sollte, äußerte sich Goethe noch 1827 in seiner Zeitschrift Ueber Kunst und Alterthum in der Sache. Dort macht er den Impuls explizit, der ihn zu dem WeltliteraturGedanken geführt hatte: das Studium der „französischen Zeitblätter“. Mehr als ein gerade sich bildender Kanon von Werken ist es ein bestimmter Modus der transnationalen Diskussion, der nicht allein die Rede von ‚Weltliteratur‘ inspiriert, sondern offenbar auch ‚Weltliteratur‘ wesentlich ausmacht. Nachdem man „ueberall […] von dem Vorschreiten des Menschengeschlechts, von den weiteren Aussichten der Welt- und Menschenverhältnisse“ höre und lese, sei es ihm ein Anliegen, seine Freunde aufmerksam [zu] machen, daß ich überzeugt sey, es bilde sich eine allgemeine Weltliteratur, worin uns Deutschen eine ehrenvolle Rolle vorbehalten ist. Alle Nationen schauen sich nach uns um, sie loben, sie tadeln, nehmen auf und verwerfen, ahmen nach und entstellen, verstehen oder mißverstehen uns, eröffnen oder verschließen ihre Herzen: dieß alles müssen wir gleichmüthig aufnehmen, indem uns das Ganze von großem Wert ist.⁸⁷

Bayles Ciceronianische Maxime von der erforderlichen, „gleichmüthigen“ Unterwerfung unter die Bedingungen der Kritik klingt hier an,⁸⁸ aber das Zitat enthüllt noch mehr über die Semantik von ‚Weltliteratur‘: sie bezeichnet keinen (wie immer dynamisierten) Kanon von Werken, sondern eine Praxis der gelingenden und misslingenden Kritik. Die accumulatio der Tätigkeitsverben – loben, tadeln, aufnehmen, verwerfen, nachahmen, entstellen, verstehen, missverstehen – entfaltet das praxeologische Panorama eines criticus. Grundiert sind diese Verfahren agonal: Deutschland misst sich mit und an anderen Nationen. Eben so hatte Rémusat seinen chinesischen Roman eingeführt, eben so hatte der Globe seine Besprechung ausgerichtet. Das Schlüsselwort dafür ist parallèle.

 Dazu kritisch O’Bell: Chinese Novels, Scholarly Errors and Goethe’s Concept of World Literature. O’Bell wirft Purdy: Goethe, Rémusat, and the Chinese Novel (und anderen) eine unpräzise Chronologie vor und hält es für unabweisbar, dass es nicht Iu-Kiao-Li war, sondern jener Versroman, den Goethe zu der Zeit aus der Bibliothek entliehen hatte (Chinese Courtship in der Übersetzung von Peter Perring Thoms), der die Rede von ‚Weltliteratur‘ inspirierte.  Ueber Kunst und Alterthum 6.1 (1827), 131– 132. Zur behaupteten Zentralstellung des Deutschen in der Weltliteratur s. den Beitrag von Sabine Gruber in diesem Band. Dass die Deutschen diese Rolle freilich nicht aus einer Position kultureller Marginalisierung heraus einnehmen würden, haben gegen Pascale Casanova Manfred Koch und Norbert Christian Wolf gezeigt, s. Casanova: La république mondiale des lettres, 64; Koch: Weimaraner Weltbewohner; Wolf: De la littérature nationale à la littérature mondiale: la trajectoire de Goethe. S. dazu die Diskussion bei Jurt: Goethes Konzept der ‚Weltliteratur‘.  S. oben Anm. 43.

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5 Parallèle Die Rezension in Le Globe hält sich in ihrem euphorischen Auftakt eng an das Vorwort Rémusats.⁸⁹ Die zentrale Denkfigur hält freilich schon der Titel des Buchs vor: „précédé d’une préface où se trouve un parallèle des romans de la Chine et de ceux de l’Europe“. Le Globe expliziert, dass es sich dabei nicht einfach um interesselosen Vergleich handelt. Ich rufe die Rezension vom 23. Dezember 1826 nochmals in Erinnerung: „Il y a donc des romans à la Chine, et des romans qui peuvent soutenir le parallèle avec ceux de l’Europe! Quelle source de conjectures! quel aliment pour la curiosité!“⁹⁰ „Soutenir le parallèle“ – dem Vergleich standhalten: Die Publikation wird so eingereiht in das rhetorische Muster der synkrisis oder comparatio, das stets agonal auf die wertende Gegenüberstellung ausgelegt ist. Das Verfahren war konzeptionell nicht darauf ausgerichtet, die Leistungen beider Seiten zu würdigen, sondern zu entscheiden, welche Seite der anderen im Hinblick auf welche Aspekte überlegen war (vgl. auch Quint. Inst. Orat., 2, 4, 21: „uter melior uterve deterior“). Parallèle ist das Stichwort, das genau diesen epistemischen Rahmen setzt. Gerade im französischen Kontext waren Modus und generische Konvention der parallèle aus einer Debatte bekannt, der es um Selbstvergewisserung im Agon ging: aus der Querelle des anciens et des modernes. Charles Perrault eröffnete sie 1687 mit einem Enkomium auf Louis XIV, das genau wie die Globistes verfuhr: das Zeitalter des Sonnenkönigs braucht den Vergleich mit dem Zeitalter des Augustus nicht zu scheuen („Et l’on peut comparer, sans craindre d’être injuste, / Le siècle de Louis au beau siècle d’Auguste“).⁹¹ In Reaktion auf unmittelbar einsetzende Widerreden und Attacken entfaltete Perrault sein Argument über fast eine Dekade hinweg in fünf, Parallèle betitelten Dialogen (1688 – 1697) und arbeitete sich dabei systematisch und extensiv durch alle denkbaren Felder kultureller Errungenschaften. Die parallèle von anciens und modernes wird nun gegen eine der nations getauscht. Die asymmetrische Struktur der parallèle freilich unterlegt den geteilten Interessen der Nationen ein agonales Moment. Historisch ist parallèle der Metaphorik des Krieges damit aufs engste verwandt.⁹² Doch während ‚Weltliteratur‘ ein Konkurrenzmuster eingeschrieben ist, gibt sie sich als Friedensprojekt. Als die Correspondance littéraire

 Das ausführliche Vorwort Jean-Pierre Abel-Rémusats spielte für den Erfolg des Romans eine zentrale Rolle. Es wurde in der deutschen und der englischen Übersetzung jeweils mit übersetzt, s. Purdy: Goethe, Rémusat, and the Chinese Novel, 57. Die beiden Übersetzungen erschienen in kurzer Frist nach dem Original: Ju-Kiao-Li, oder die beyden Basen, Ein Chinesischer Roman übersetzt von Abel Rémusat. Wien: Schade, 1827; Iu-Kiao-Li: or, the two Fair Cousins, from the French version of M. Abel-Remusat, London: Hunt and Clark, 1827, beide zit. in Purdy: Goethe, Rémusat, and the Chinese Novel, 56, Anm. 33.  Le Globe (23. Dezember 1826), 299.  Perrault: Le Siècle de Louis Le Grand, v. 5 – 6.  S. Traninger: Querelle – Parallèle – Paradoxe – Guerre. Allerdings wird die parallèle in der modernen Forschung vielfach nicht in ihrer agonalen Qualität erkannt und fehlt dementsprechend in Diskussionen der Kriegsmetaphorik der Gelehrtenrepublik, vgl. Füssel: Die Gelehrtenrepublik im Kriegszustand.

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1766 Eidous’ Hau Kiou Choaan, histoire chinoise rezensierte, war die aufklärerische Überhöhung Chinas als „l’asile de la vertu, de la sagesse et de la félicité“ noch die Folie, vor der der Roman besprochen wurde.⁹³ Erst die Rezension des zeitgleich entstandenen, dem gleichen Genre angehörigen Iu-Kiao-Li im Globe lässt den chinesischen Roman nun in den Modus der parallèle einrücken. Während Hau Kiou Choaan noch unter dem Vorzeichen einer zur Allegorie des perfekten Staats hochgeschriebenen China-Fiktion stand, lässt Rémusats Übersetzung den chinesischen Roman in den Diskurs der wechselseitigen Beobachtung der Nationen eintreten. Doch wer partizipiert an diesem Diskurs? Als Goethe sein Weltliteratur-Wort in Ueber Kunst und Alterthum 1827 platzierte,⁹⁴ griff Le Globe das umgehend berichtsmäßig auf. Allerdings wird im französischen Echo aus ‚Weltliteratur‘ weder littérature-monde noch littérature mondiale, sondern: „littérature occidentale ou européenne.“⁹⁵ So sehr Goethe über die Begegnung mit außereuropäischen Literaturen nachgedacht haben mag, so sehr ist, die Globistes spiegeln es ihm, ‚Weltliteratur‘ eine Standortbestimmung zwischen Europäern im Modus der Periodizität. So überrascht es denn auch kaum noch, dass die Rezension des chinesischen Romans im Heft vom 23. Dezember 1826 unter der Rubrik „France“ ihren Ort gefunden hatte.⁹⁶ Für diese Verhandlung existiert, das ist den Globistes bewusst, eigentlich bereits ein Modell – das der Gelehrtenrepublik: „La tendance des savants à s’entendre et à coordonner leurs travaux n’est pas nouvelle sans doute, et la langue latine, autrefois, servit merveilleusement à ce but.“ Der Unterschied bestehe darin, dass diese Kommunikation auf wenige gelehrte Männer beschränkt war. Und: was früher ein intellektuelles Projekt war, sei nun eines der Literatur bzw. der poetischen ‚Berührung‘ („l’instrument même dont ils se servaient ne pouvait convenir qu’à un certain ordre d’idées, en sorte qu’ils ne se touchaient pour ainsi dire que par l’intelligence, tandis qu’ils se touchent aujourd’hui par le coeur et par la poésie“).⁹⁷ Was dabei allerdings ausgeblendet bleibt, ist der Metadiskurs, der diese Berührung allererst zur Sprache bringt – und dieser ist medial geprägt von der periodischen Presse und der Rezension. Wenn wir nochmals auf das 17. und 18. Jahrhundert zurückblicken, so erscheinen in den frühen Zeitschriften außereuropäische Gegenstände typischerweise entweder

 Correspondance littéraire, Bd. 7, 112 (15. September 1766). Zum im Verlauf des 18. Jahrhunderts sich wandelnden China-Bild, von der aufgeklärten Utopie zum rückständigen Despotenreich, s. Osterhammel: Die Entzauberung Asiens. Europa und die asiatischen Reiche im 18. Jahrhundert sowie die Beiträge in Brandt und Purdy (Hg.): China in the German Enlightenment.  Ueber Kunst und Alterthum 6.1 (1827), 396.  Le Globe (1. November 1827), 481.  Um Goethes Anregung durch die Rezension richtig zu situieren, muss man sich vor Augen führen, dass drei Viertel der Artikel in Le Globe auf Frankreich zielen: „Der Globe war bei aller kosmopolitischen Ausrichtung an erster Stelle eine Zeitschrift mit Themen des eigenen Landes; und Goethe las ihn vorrangig aus Interesse an Frankreich.“ Hamm: Goethe und die französische Zeitschrift ‚Le Globe‘, 42. Zu ‚Weltliteratur‘ als Schauplatz des Vorrangstreits zwischen Deutschland und Frankreich s. Birus: Goethes Idee der Weltliteratur, 5 – 28.  Le Globe (1. November 1827), 481.

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sachnachrichtlich, d. h. nicht als an der Gelehrtenrepublik partizipierende Schriften, sondern als Nachrichten über aktuelle Entwicklungen wie auch Sitten und Gebräuche in per definitionem fremden Ländern, oder aber im Sinn einer Beobachtung zweiter Ordnung, als Rezensionen von Werken, die solches zum Gegenstand haben. In den neuen, ‚global‘ orientierten Zeitschriften wie Le Globe wird entdeckt, dass diese Länder ‚Literatur‘ haben – dem Erstaunen folgt der Vergleich, der die Exotik des neuen Gegenstandes kassiert, indem er die Texte in die generischen und evaluativen Raster der europäischen Literatur einsortiert. So und zugerichtet durch die europäische Übersetzungs- und Publikationsmaschinerie sind sie, wie Goethe formuliert, nicht so fremdartig „als man glauben sollte.“⁹⁸ Die Entdeckung der Literatur rückt China (und andere) ein in eine europäische Temporalität: Bitter beklagt sich der Rezensent in Le Globe, dass die Missionare, die bisher vornehmlich über China berichtet haben, dieses als zeitlose Entität dargestellt hätten – man müsse sich nur umgekehrt vorstellen, dass ein Kantonese vierhundert Jahre europäischer Geistesgeschichte als zeitloses Sittenbild in eins falte.⁹⁹ Und dennoch: Nicht zuletzt durch die mehrfache Vermittlung und Übersetzung erscheinen die chinesischen Autoren zunächst als nicht satisfaktionsfähig. Sie sind streng genommen im Verlauf der Korrektur- und Ordnungsbemühungen, für die Rémusats Bereinigung von Fourmonts Katalog der chinesischen Bestände in der Bibliothèque royale exemplarisch steht, aus dem Diskurs verschwunden. Während die Bibliographen des 18. Jahrhunderts zumindest aus den Werktiteln Autorennamen destillierten,¹⁰⁰ operiert das frühe 19. Jahrhundert mit Blick spezifisch auf die chinesischen Romane ohne auktoriale Gegenüber und damit ohne stabile personale Zurechnungsinstanzen – bei gleichzeitigen Aufrufen, dass die ‚Literatoren‘ der Welt miteinander ins Gespräch kommen sollen. Selbstredend werden gerade aus Außereuropa historische Texte neu in den Diskurs gespielt, doch sind es die europäischen Übersetzer, deren Namen in der Debatte figurieren. Während Bayle die république des lettres als einen Krieg aller gegen alle konzipiert, bei dem derjenige, der die Bühne der (periodisch schriftlichen) Gelehrsamkeit betritt, sich wappnen muss, weil im Modus der Reziprozität verfahren wird und harte Urteile ausgesprochen werden können, aber umgekehrt auch ausgehalten werden müssen, bleiben die außereuropäischen Gegenstände durchweg Objekt, die Autorpositionen Lakune. Ein Mitglied der europäischen république des lettres kritisierte und wurde kritisiert, durchlief Subjekt- und Objektpositionen. China verweilt, auch im 19. Jahrhundert, auf der Objektebene. Und: im neuen Modell der Literatur als

 Eckermann: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens, Bd. 1, 322.  „[…] le bon public européen s’est formé de ces traits épars une idée monstrueuse, qui répond à tout ce qu’on peut imaginer de plus grotesque, de plus contradictoire, de plus impossible; à peu près comme si l’habitant de Canton, réunissant par la pensée ce qu’il peut avoir appris de nos moeurs depuis quatre siècles, emulait nos préjugés, nos folies heureusement si fugitives, et qu’à cette somme de ridicules il attachât de bonne foi l’idée d’Européen.“ Le Globe (23. Dezember 1826), 299.  S. oben Anm. 72. Fourmont vermerkte „Hao Kieu“ als Verfasser des Hao qiu zhuan, eine Konstruktion, die u. a. in der Übersetzung von Murr weiterlebte.

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Ausdruck des Wollens einer Nation gibt die Lektüre des chinesischen Romans letztlich doch Aufschluss nicht über den Roman, sondern über China. Die Literaturen, die tatsächlich in einen reziproken Dialog eingespeist werden, sind jene Europas. Sie werden zwar von der Gelehrsamkeit entkoppelt, aber auf eine Repräsentation des Nationalen verpflichtet. Nationalliteratur und Weltliteratur sind dabei zwei konzeptuelle Rahmen, die die gleichen Texte betreffen können; die einander nicht ausschließen, sondern vielmehr wechselseitig bedingen; und die gleichermaßen von nicht offen gelegten Präsuppositionen und Problemen geplagt sind, trotz aller Sympathie, die das 21. Jahrhundert der Idee einer Weltliteratur entgegenbringt. Goethe lässt keinen Zweifel daran, dass Weltliteratur ein kommunikativer und evaluativer Meta-Nexus der Nationalliteraturen ist – eine Verständigung über die Literaturen der Nationen als Ausdruck ebendieser. Weltliteratur ist, wie Anne Bohnenkamp formuliert hat, „keine Sache, sondern ein Vorgang: ein Vorgang wiederholter Spiegelungen“,¹⁰¹ der sich zwischen Akteuren vollzieht. Dieses ‚Dazwischen‘ bedarf der Medien. Die Verständigung, die nun ‚Weltliteratur‘ heißt, vollzieht sich nicht ausschließlich, aber prominent im Medium der Rezension. Rezensionen sind es denn auch, die angesichts der schieren Zahl und des intensiven Erscheinungsrhythmus der Journale als Schwall auf Goethe einströmen: „Sodann bemerke, daß die von mir angerufene Weltliteratur auf mich, wie auf den Zauberlehrling, zum Ersäufen zuströmt; Schottland und Frankreich ergießen sich fast tagtäglich, in Mailand geben sie ein höchst bedeutendes Tagesblatt heraus, L’Eco betitelt; es ist in jedem Sinne vorzüglich, in der bekannten Art unsrer Morgenblätter, aber geistreich weitumgreifend.“¹⁰² Die gesteigerte Taktung der Zeitschriftenproduktion und Goethes Selbststilisierung als die unaufhaltsamen Ströme erst entfesselnder Zauberlehrling lassen beinahe vergessen, dass sich der periodische Kommunikationsmodus den Mechanismen und Plattformen der alten Gelehrtenrepublik verdankt, die pragmatisch weitergeschrieben und zugleich programmatisch verworfen werden.

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Rainer Godel

Die Verspätung der ,Weltliteratur‘. Goethes Konzept im naturforschenden Kontext 1 ,Weltliteratur‘ als naturwissenschaftliches Konzept In den letzten Jahren seines Lebens wurde für Johann Wolfgang Goethe, wie zahlreiche Äußerungen zeigen, der Begriff der ,Weltliteratur‘ in mehrerlei Hinsicht relevant: als utopisches Konzept zukünftiger internationaler Interaktion, als Abgrenzungsinstrument des eigenen literarischen Selbstverständnisses oder, wie Gero von Wilpert mit fast goetheschem Pathos angibt, als Mittel für die „gemeinsame, harmonische und weltoffene gesellschaftliche Wirksamkeit [der Schriftsteller, R.G.] für die Völkerverbindung und das Humanitätsideal“.¹ Goethe zufolge solle Weltliteratur das „allgemein Menschliche“ mit Blick auf die „ganze[n] Menschheit“,² den „wahren Fortschritt der Menschheit“³ oder das „Vorschreiten des Menschengeschlechts“⁴ anstreben. Auch wenn Joseph Jurt ein wenig Wasser in den humanitären Wein gießt, indem er darauf hinweist, dass Goethes Konzept der Weltliteratur kein Aufgehen in einem „allgemeinmenschlichen“ Kosmos impliziere,⁵ ist den begrifflich unterschiedlich gefassten Zielen der Weltliteratur eines gemein: eine normativ unterlegte Ebene, die der Diagnose von Gegenwartsdefiziten ein zukünftiges Ideal entgegenstellt und auch verschiedene Mittel benennt, dieses zu erreichen. Es muss und soll also anders werden nach Goethe. Aber ist es nicht schon anders? Als Goethe den Begriff und die Konzeptualisierung von ,Weltliteratur‘ in den intellektuellen Diskurs der 1820er Jahre einführt, kommt er zu spät.⁶ Dies ist ihm selbst bewusst:

 Wilpert: Goethe-Lexikon, 1164.  Goethe: German Romance, 86.  Goethe: , 179.  Goethe: Le Tasse, 356.  Vgl. Jurt: Konzept, 28.  Die biographische Erfahrung Goethes mit ausländischer Literatur beginnt früh. Friedenthal etwa weist darauf hin, dass Goethe in seiner Jugend bereits Weltliteratur gelesen habe. Vgl. Friedenthal: Goethe, 715. Begriffsgeschichtlich indes führen die Spuren zu Wieland, konzeptionell zu Herder zurück: Der Begriff findet sich bereits bei Wieland, in der handschriftlichen Überarbeitung seiner Übersetzung von Horazens Briefen. Vgl. Weitz: ‚Weltliteratur‘. Borchmeyer erläutert zurecht, dass der Begriff bei Wieland die „Politesse“ ersetzt, „Welthaltigkeit“ der Weltliteratur meine bei Wieland mithin nicht das Globale, sondern die Literatur des Weltmannes. Vgl. Borchmeyer: Welthandel, 2. Noch früher wird der Begriff von August Ludwig Schlözer verwendet. Vgl. hierzu instruktiv Goßens: Weltliteratur, 83 – 85. Konzeptionell geht Goethes „Weltliteratur“ letztlich auf die im Volksliedprojekt Johann Gottfried Herders artikulierte Vorstellung zurück, dass die „Anverwandlung des Fremden […] konstitutive Voraussetzung für die Entwicklung des Eigenen“ sei (so formulieren Renner und Wagner: Herder und die Philologie, 16). Vgl. hierzu auch Birus: Goethes Idee, 2 u. ö., ausführlicher Goßens: Weltliteratur, 49 – 62. Zurecht weist Naumann https://doi.org/10.1515/9783111180403-003

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Wenn wir eine europäische, ja eine allgemeine Weltliteratur zu verkündigen gewagt haben, so heißt dies nicht daß die verschiedenen Nationen von einander und ihren Erzeugnissen Kenntnis nehmen, denn in diesem Sinne existiert sie schon lange, setzt sich fort und erneuert sich mehr oder weniger.⁷

So heißt es in einem kurzen, erst posthum veröffentlichten Text Goethes anlässlich einer Versammlung der von Lorenz Oken (1779 – 1851) im Jahr 1822 gegründeten Gesellschaft der Naturforscher und Ärzte.⁸ Die Konstitution des Konzepts ,Weltliteratur‘ erfordert mithin zunächst, dass Goethe sie von einem vorgängigen Vorverständnis abgrenzt. Dies tut er an der zitierten Stelle, indem er setzt, dass mit ,Weltliteratur‘ eben gerade nicht bloß eine gegenseitige internationale Wahrnehmung gemeint sei. ,Weltliteratur‘ soll also mehr als das werden, was sie schon ist. Sie soll nun eine persönlich-kommunikative Komponente einschließen.⁹ Positiv wird diese Neubesetzung des Begriffs ,Weltliteratur‘ von Goethe direkt im Anschluss an obiges Zitat erläutert: „hier ist vielmehr davon die Rede, daß die lebendigen und strebenden Literaturen einander kennen lernen und durch Neigung und Gemeinsinn sich veranlaßt finden gesellschaftlich zu wirken.“¹⁰ Auch das Mittel zu einer solchen, einander zugeneigten und gemeinsinnigen, gemeinschaftlichen Wirkung benennt er: „Dieses wird aber mehr durch Reisende als durch Korrespondenz bewirkt, in dem ja persönlicher Gegenwart ganz allein gelingt das wahre Verhältnis unter Menschen zu bestimmen und zu befestigen.“¹¹ Als Medium der ,Weltliteratur‘ erscheint hier mithin die unmittelbare persönliche Begegnung, die je gegenwärtige Interaktion, die Aufhebung der Distanz. Diese ist es, die – in diesem Text aus dem Zusammenhang von Goethes Naturforschungen wenigstens – den Neuerungswert der ,Weltliteratur‘ gegenüber dem ausmacht, was vorher schon existierte. In denselben knappen Essay schaltet Goethe einen von ihm selbst redigierten Bericht „eines würdigen Freundes“ ein. Es handelt sich um Auszüge des Briefs, den der Botaniker Kaspar Maria Graf von Sternberg (1761– 1838) am 30. Oktober 1827 an Goethe gesendet hatte.¹² Dieser Bericht macht noch deutlicher, welche Mittel Goethe hier, im

darauf hin, dass zwischen Herders Internationalismus, der die prinzipielle Gleichrangigkeit von Literaturen anerkennt, und Goethes normativ-klassizistischem Literaturprogramm eine Diskrepanz besteht. Vgl. Naumann: Realität und Utopie, 225.  Goethe: Versammlungen, 357.  Vgl. zum konfliktreichen Verhältnis zwischen Goethe und Oken, das von (wissenschafts‐)politischen Differenzen, von wissenschaftlichen Kontroversen sowie von persönlichen Abneigungen geprägt ist Zittel: Oken und Goethe sowie Enke: Oken.  Peter Weber hat 1977 bereits dargelegt, dass Marx und Engels im Kommunistischen Manifest bereits auf die „Konsequenzen des entstehenden kapitalistischen Weltmarktes für die literarische Kommunikation“ anhand des Begriffs der „Weltliteratur“ hingewiesen hätten. Vgl. Weber: Herausbildung, 533. Vgl. auch Boubia: Goethes Theorie. Hierauf weist Birus: Goethes Idee, 8 hin.Vgl. auch Naumann: Realität und Utopie, 220.  Goethe: Versammlungen, 357. Goßens zeigt überzeugend auf, dass Goethes Arbeit an der Metapher „Weltliteratur“ im engen Zusammenhang mit dessen Wahrnehmung des kommunikativen Wandels seiner Zeit steht. Vgl. Goßens: Weltliteratur, 3 et passim.  Goethe: Versammlungen, 357.  Vgl. Neubauer: Kommentar, 1215 und 1218.

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Bereich der Naturforschung, anzuwenden empfiehlt, um zur Weltliteratur zu gelangen. Sternberg informiert über die Versammlung der genannten Gesellschaft, die sich seit 1822 regelmäßig, immer wieder in anderen Städten zusammenfand. Ein Vorteil hierbei sei, dass man vor Ort stets die dort befindlichen Sammlungen ansehen könne, so Goethe/ Sternberg. Daneben aber bildeten solche Versammlungen genau jenes Mittel, das für das Ziel, ,Weltliteratur‘ hervorzubringen, entscheidend sei. An dieser Stelle heißt es weiter: Größer [im Vergleich zur Möglichkeit, sich an immer wechselnden Orten die jeweiligen Sammlungen anzusehen, R.G.] ist vielleicht noch der Vorteil daß Menschen, die sonst unerkannt oder wohl gar verkannt durch ihr ganzes Leben nebeneinander einher gegangen wären, sich nun als Wissenschafts-Verwandte aufsuchen und ein Verhältnis zu einander gewinnen, statt einander zu bekritteln und schmählustig zu rezensieren.¹³

Der unmittelbare, internationale Kontakt soll mithin Krittelei und Schmählust ersetzen, die hier als Negativattribute dem Rezensionswesen zugeschrieben werden. Die Treffen der „Wissenschafts-Verwandte[n]“ konstituieren die ,Weltliteratur‘. Während also schriftliche Rezensionen, so suggeriert Goethe in diesem Text, zu negativen, nicht wertschätzenden Verhaltensformen führen – überzogene Kritik oder gar Polemik –, ermöglichte es die unmittelbare Begegnung, eine gemeinsame Basis zu schaffen und gemeinschaftlich zu wirken. Während persönlicher Umgang das einander Gemeinsame sucht, provoziert nach Goethe die rein mediale (textliche) Kommunikation Kontroversen. Damit aber schätzt Goethe, zumindest in diesem Text, die literarische Vermittlungsleistung etwa durch Rezensionen als weniger konstruktiv und zielführend ein im Vergleich zu Formen direkten persönlichen Austauschs. Der Gedanke der Relevanz unmittelbarer persönlicher Begegnung ist für Goethe nicht neu. Er bildete schon seit wenigstens gut 30 Jahren ein zentrales Element seines naturwissenschaftlichen Selbstverständnisses oder genauer: seines Verständnisses idealer naturwissenschaftlicher Kommunikation. Schon in Der Versuch als Vermittler von Objekt und Subjekt (1792/1798/1823) arbeitet Goethe die Bedeutung des gegenseitigen Austauschs heraus. Die Beobachtung von Einzelerscheinungen durch mehrere – das bekannte Argument gegen Isaac Newtons experimentum crucis – und aktive Zusammenarbeit von Wissenschaftlern tragen nach Goethe dazu bei, „daß die schönsten Entdeckungen nicht sowohl durch die Menschen als durch die Zeit gemacht worden“.¹⁴ Fast könnte man geneigt sein, eine ideelle Vorwegnahme der soziologischen Entwicklungstheorie der Wissenschaften etwa Ludwik Flecks zu vermuten.¹⁵ Die direkte Interaktion von Denkkollektiven auf der Grundlage je spezifischer historischer Kontexte soll mithin zum Mittel werden, Innovation in den Wissenschaften hervorzubringen. Dasselbe Mittel sollte später die ,Weltliteratur‘-Konzeption Goethes (in der naturwissenschaftlichen Variante) prägen.  Goethe: Versammlungen, 357– 358. Diese Passage übernimmt Goethe fast wörtlich von Sternberg. Vgl. Sternberg: Werke, 30. Oktober 1827, 142.  Goethe: Versuch, 324.  Vgl. Fleck: Entstehung.

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Doch zurück in die späten 1820er Jahre. Schon durch Carl Friedrich Zelters (1758 – 1832) knappen Bericht von derselben Münchner Versammlung der Naturforscher und Ärzte sollte Goethe in seiner Hoffnung auf ein neues Ideal weltliterarischer Kommunikation desillusioniert werden. Zelter berichtete am 22. Oktober 1827 von zahllosen Kontroversen und fruchtlosen Debatten: „Gewisse Herren die nicht genug reden können strecken alle Viere von sich und reden hohle Worte wie es jeder bei sich zu Hause haben kann.“¹⁶ Offenbar trat, folgt man Zelters Bericht, das ein, was Goethe sich nicht erhofft hatte: Die direkte persönliche Begegnung scheint im hier konkreten Fall Kontroversen eher befördert denn Verständnis erzeugt zu haben. Auch zwei Jahre später, im Januar 1830, bleibt Goethes Diagnose über die Gesellschaft der Naturforscher und Ärzte vor dem Hintergrund des angestrebten Ideals der Weltliteratur skeptisch. In seinem Tagebuch hält Goethe nach der Lektüre des offiziellen Berichts von der Heidelberger Versammlung derselben Gesellschaft fest: „Alles sehr erfreulich, nur noch immer nichts als Monologe. Nicht zwei Forscher, die zusammenarbeiten und wirken.“¹⁷ Dem scheint indes auf den ersten Blick zu widersprechen, was Eckermann Goethe mit Datum vom 27. Januar 1830 zum selben Treffen hoffnungsfroher sagen lässt: Ich weiß recht gut, sagte Goethe, daß bei diesen Versammlungen für die Wissenschaft nicht so viel herauskommt, als man sich denken mag; aber sie sind vortrefflich, daß man sich gegenseitig kennen und möglicherweise lieben lerne, woraus denn folgt, daß man irgend eine neue Lehre eines bedeutenden Menschen wird gelten lassen, und dieser wiederum geneigt sein wird, uns in unseren Richtungen eines anderen Faches anzuerkennen und zu fördern.¹⁸

Geltung, Anerkennung, Förderung: drei zentrale Ziele, die Goethes Ideal einer weltliterarischen direkten Begegnung ausmachten, erscheinen auch hier wieder und werden, der ernüchternden Realität zum Trotz, aufrechterhalten. Lassen wir einmal die spezifische Rolle Eckermanns bei der Propagierung von Goethes ,Weltliteratur‘-Konzept beiseite;¹⁹ lassen wir auch einmal beiseite, dass Goethes nur sehr passives Engagement für die genannte Gesellschaft unter dem Vorzeichen des Konflikts mit Lorenz Oken gestanden haben dürfte, dass mithin also persönliche Kontroversen auch die Wahrnehmung der konkreten Versammlung getrübt haben könnten.²⁰ Dennoch: Elementarer Bestandteil von Goethes Ideal einer weltliterarischen direkten Begegnung im Bereich der Naturforschung ist die unmittelbare Begegnung – in deutlicher Abgrenzung zu den Mitteln der schriftlichen Distanzkommunikation. Dieser Zwischenbefund steht nicht im Widerspruch zur Diagnose des vorliegenden Bandes,

 Goethe: Briefwechsel, 1044.  Zit. in Neubauer: Kommentar, 1218.  Eckermann: Gespräche. 27.1.1830, 639.  Vgl. hierzu u. a. Goßens: Weltliteratur, 14– 15.  Vgl. Zittel: Oken und Goethe, 178. Oken formulierte 1821 in seinem Aufruf zur Konstituierung einer „Versammlung der deutschen Naturforscher“ im Übrigen ein Ideal gemeinschaftlicher Wirksamkeit, das Goethes Weltliteratur recht nahe kommt: eine „Republik der Gelehrten“, die sich aus der Geselligkeit konstituiert: vgl. Breidbach: Oken, 23.

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dass das Textgenre der Rezension internationaler Schriften in Goethes Konzept der ,Weltliteratur‘ eine zentrale Rolle spielt. Tatsächlich lässt sich, wie dies nicht zuletzt Peter Goßens demonstriert hat, zeigen,²¹ dass die belletristischen Rezensionen internationaler Literatur in deutschsprachigen Zeitschriften und umgekehrt für Goethe eine der zentralen Textgattungen sind, die sein Ideal der Weltliteratur – einer Kulturen übergreifenden, gemeinsamen, gleichsam humanistischen Zielsetzungen verpflichtenden Kommunikationslandschaft – transportieren sollen. „Diese Zeitschriften“, so heißt es in Goethes eigenen rezensierenden Betrachtungen zu den Edinburgh Reviews, „[…] werden zu einer gehofften allgemeinen Weltliteratur auf das wirksamste beitragen“, in der es um Wahrnehmung und Duldung geht.²² Für den Bereich der Naturforschung indes scheint Goethes Plädoyer für Rezensionen als Mittel der Weltliteratur nicht zu gelten, setzt Goethe hier doch die Hoffnung auf die unmittelbare Begegnung mit Gleich- und Ähnlichgesinnten und eben gerade nicht auf die Wahrnehmung von deren Schriften in gegenseitigen Rezensionen, die er, wie gesehen, als krittelnd und schmählustig charakterisiert. Goethe fügt in seinen knappen Text Bezüge nach außen eine Übersetzung aus Le Globe ein, in der ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass das Phänomen ‚Weltliteratur‘ im Bereich der Naturforschung keineswegs eine Novität ist: Freilich ist das Bestreben der Gelehrten, sich einander zu verstehen und ihre Arbeiten aneinander zu reihen, keineswegs neu, und die lateinische Sprache diente vormals auf eine bewundernswürdige Weise zu diesem Zwecke. […] Die Reisen, das Studium der Sprachen, die periodische Literatur haben die Stelle jener allgemeinen Sprache eingenommen […].²³

Das ,Weltliteratur‘-Konzept ist mithin auf der Grundlage eines angestrebten gemeinsamen, normgeleiteten Ideals gegenseitiger Anerkennung durchaus binnendifferenziert. Die verschiedenen Wissensbereiche, in denen sich Weltliteratur ausbilden kann oder sollte, erfordern ganz offenbar in Goethes Sicht unterschiedliche Mittel. Goethes Konzept einer tendenziell universalistischen ,Weltliteratur‘ bleibt (ironischerweise) kulturtheoretisch wie kulturhistorisch ein Hybrid.²⁴ Innerhalb der überwiegend germanistischen Forschung zu Goethes ,Weltliteratur‘Konzept ist, soweit ich sehe, bisher kaum zwischen dem literarischen und dem naturforschenden Bereich unterschieden worden. Die reziproke Gleichsetzung von Literatur und Wissenschaft, wie sie Bernhard J. Dotzler auf den Spuren August Wilhelm Schlegels entwickelt und auf Goethe überträgt, scheint mir zwar begriffsgeschichtlich relevant, aber angesichts dessen, dass Goethe deutliche Unterschiede zwischen weltliterarischer

 Vgl. Goßens: Weltliteratur.  Goethe: , 131.  Goethe: Bezüge nach außen, 97– 98.  Es ist hier nicht der Ort, auf die unterschiedlichen Ausprägungen des Konzepts der Hybridität in der Kulturtheorie differenzierter einzugehen.

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Wissenschaft und weltliterarischer Literatur akzentuiert, zu pauschal.²⁵ Zu vermeiden wäre die Gefahr, zugunsten einer (auch von Goethe beförderten) hypostasierten begrifflichen Konsistenz Differenzen einzuebnen. Joseph Jurt unterscheidet drei Wege der sich ausbildenden Weltliteratur nach Goethe, ohne indes hierbei auf einen spezifisch naturforschenden Pfad abzuheben.²⁶ Peter Goßens differenziert konzeptionell zwischen einem engen, literarischen ,Weltliteratur‘-Begriff und einem allgemein-gesellschaftlichen.²⁷ Goethe überführe, so Goßens, sein Interesse an der internationalen Literatur in eine allgemeingültige Maxime, die ein gültiges ästhetisches Ideal in einem „globalen Kulturraum“ suche.²⁸ Doch ist der naturwissenschaftliche Bereich so einfach unter den literarischen oder gar unter einen allgemein-gesellschaftlichen zu subsumieren? Sieht das frühe 19. Jahrhundert nicht gerade die Ausdifferenzierung des Wissenschaftssystems? Im 19. Jahrhundert werden Universitäten im Deutschen Bund als Träger der Wissenschaften verstaatlicht; zahlreiche Disziplinen werden neu konstituiert und damit die Grundlage für das heute noch bestehende Disziplinensystem gelegt; Fakultäten werden neu geordnet und zugeschnitten; wissenschaftliche Fachgesellschaften werden gegründet; Naturwissenschaften werden zu „Leitdisziplinen“; es setzen sich neue methodische Paradigmen wie etwa das der Experimentalkultur durch, die als relevant für alle Wissenschaften, sukzessive dann auch für außerwissenschaftliche Bereiche gelten; nicht zuletzt entstehen zahlreiche neue Fachzeitschriften, die immer spezifischere Ausschnitte disziplinärer Themen behandeln.²⁹ Zieht man diese rapide Entwicklung der Institutionalisierungs- und Kommunikationsformen der Wissenschaft schon des ersten Drittels des 19. Jahrhunderts in Betracht, so stellt sich die Frage, ob diese Entwicklungen nicht gerade die Differenz (universitärer) Wissenschaften sowohl zum Bereich der Belletristik als auch zu einem allgemein-gesellschaftlichen Diskurs markieren. Wissenschaft, insbesondere Naturwissenschaft, separiert sich im 19. Jahrhundert aus den traditionellen Diskursen. Mit anderen Worten: Wenn Goethe sein Konzept der ,Weltliteratur‘ auch für den wissenschaftlichen Bereich adaptiert, so tut er dies eben gerade vor dem Hintergrund einer radikalen Wandlung des Wissenschafts-

 Vgl. Dotzler: Goethe, 96 – 97.  Vgl. Jurt: Konzept, 34.  Vgl. Goßens: Weltliteratur, 5.  Vgl. ebd., 24 und 27.  Zu den hier dargestellten Entwicklungen sei exemplarisch nur auf ausgewählte Forschung verwiesen: vgl. etwa Weimar: Geschichte, 175 – 189 zur allgemeinen Universitätsgeschichte mit besonderem Blick auf die Geschichte der Philologien; Berg: Konjunktur sowie Steinle: Explorative Experimente zu methodischen Entwicklungen; bereits die inhaltliche Struktur der Bände der Cambridge History of Science, die das 19. Jahrhundert behandeln, bildet die disziplinäre Ausdifferenzierung ab: Den jeweils geschlossenen Bänden zur antiken, mittelalterlichen, frühmodernen Wissenschaft und der des 18. Jahrhunderts folgen die Bände The Modern Physical and Mathematical Sciences (Bd. 5, hg. Mary Jo Nye) und The Modern Biological and Earth Sciences (Bd. 6, hg. Peter Bowler und John Pickstone), die beide vorwiegend das 19. Jahrhunderts behandeln, sowie der Band The Modern Social Sciences (Bd. 7, hg. Theodore M. Porter und Dorothy Ross), der im 19. Jahrhundert einsetzt.

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dispositivs, die es analytisch kaum erlaubt, Wissenschaft unter Literatur oder unter Gesellschaft zu subsumieren.³⁰ Dem naturwissenschaftlichen Diskurs schreibt Goethe – so meine These – eine andere Relevanz und andere mediale Notwendigkeiten zu als dem belletristischen. Weltliteratur im Goetheschen Sinne nutzt im Bereich der Belletristik andere Mittel als im Bereich der Naturforschung. Während in der Belletristik Rezensionen das entscheidende Mittel sind, ist in der Naturforschung nach Goethe die persönliche Begegnung Rezensionen vorzuziehen. Goethe differenziert damit zwischen verschiedenen Textgattungen, in Abhängigkeit von der jeweils bereichsspezifischen Gegenwartsdiagnose. Paradoxer- oder vielleicht auch ironischerweise nutzt Goethe indes für sein ideelles Konzept im Bereich der Naturwissenschaft eine Semantik von ,Literatur‘, die mittlerweile anachronistisch geworden war. Hier wiederholt sich der Topos der Verspätung: Hatte sich doch schon im Verlauf des 18. Jahrhunderts die Einschränkung des Literaturbegriffs auf Belletristik im Zuge der ästhetischen Debatten letztlich durchgesetzt.³¹ Es bleibt festzuhalten, dass Goethe innerhalb seines Hybridkonzeptes ,Weltliteratur‘ offenbar unterschiedlichen Bereichen eine unterschiedliche Relevanz jeweiliger Kommunikationsmittel und Gattungen zuschreibt. Ich kann nun nicht im Detail darauf eingehen, was mögliche Ursachen dieser differenten Gattungsrelevanz innerhalb von Goethes Hybridkonzept ,Weltliteratur‘ sein könnten. Mir scheint es indes zu pauschal, eine generelle Abwendung Goethes von der deutschen Öffentlichkeit zu vermuten, auch wenn selbstverständlich die verhaltene bis negative Resonanz Goethes im deutschen Sprachraum auch auf sein literarisches Schaffen der 1820er Jahre hier zu Buche schlagen mag. Beim deutschen Publikum hatte die lange unangefochtene Anerkennung seines literarischen Werks, die nicht zuletzt durch erfolgreiches Selbstmarketing befördert worden war,³² einige Kratzer erhalten: Neuere Kritik, etwa in Wolfgang Menzels Die deutsche Literatur (1828), schien ihm offen feindselig.³³ Dem steht gegenüber, dass  „Dispositiv“ verwende ich hier – bei allen Unschärfen – im Sinne Foucaults als „Netz“ von „Diskursen, Institutionen, architektonischen Einrichtungen, reglementierenden Entscheidungen, Gesetzen, administrativen Maßnahmen, wissenschaftlichen Aussagen, philosophischen, moralischen und philanthropischen Lehrsätzen“. Foucault: Gespräch, 392.  Vgl. hierzu exemplarisch Fulda: Synonymie, 237– 258.  Zu Selbstmarketing als Komponente schon der Konstitution der „Klassik“ vgl. Godel: L’esprit de la controverse.  Vgl. Weber: Weltliteratur, 1135. Programmatisch bekundet der National-Liberale Menzel indes dieselben Universalismen, die auch Goethes Konzept der „Weltliteratur“ prägen, wenn er ausführt: „Die Cultur ist so gemeinsam, wie das Licht, und ihr segensreicher Einfluß verbreitet sich unter climatischen Modificationen doch allwärts auf dem Erdenrund. […] Die Literatur soll auf gleiche Weise [wie der Handel, R.G.] die geistigen Schätze der Völker ausstreuen. Jedes Land soll von dem andern annehmen, was seine Natur verträgt und was ihm Gedeihen bringt, und auch in den Geist eines Volkes darf verpflanzt werden, was er verträgt und was ihn edler entwickelt. Wenn es manches gibt, was nur eine Nation besitzen kann, und wodurch sie eben eigenthümlich wird, so gibt es viele höhere Güter, die keinem ausschließlich zukommen, und Eigenthum des gesammten menschlichen Geschlechts sind.“ Menzel: Die deutsche Literatur, 43.

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Goethes literarisches Schaffen international – mithin in dem Bereich, den er mit dem Konzept der ,Weltliteratur‘ adressiert – zusehends Anerkennung fand, insbesondere in den internationalen Rezensionszeitschriften. Anders verhält es sich mit Goethes Streben nach Anerkennung seiner Leistungen als Naturforscher in der scientific community. Vergessen wir nicht, dass die Naturforschung auf vielen Gebieten – von der Farbenlehre über die Urpflanze, von der Chemie über Geologie und Mineralogie bis zur Anatomie – mehr als Goethes Steckenpferd war. Er war allerdings dem selbstgesetzten Ziel, auch ein international anerkannter Naturforscher zu sein, kaum nahegekommen. Olaf L. Müller hat mehrfach zu zeigen gesucht, dass der vermeintliche Konsens der literatur- und wissenschaftshistorischen Forschung, Goethes Farbenlehre sei von der Forschung seiner Zeit abgelehnt oder wenigstens ignoriert worden, die historische Lage nicht adäquat wiedergibt. Goethe habe nicht nur während der Entstehung der Farbenlehre eng mit Johann Wilhelm Ritter kooperiert, sondern auch wenigstens bei einem Drittel der einschlägigen Forscher eine positive Resonanz gefunden.³⁴ Dem gegenüber führen Bican und Wenzel im Goethe-Handbuch aus, wissenschaftliche Rezensionen zur 1810 publizierten Farbenlehre seien zwar nicht ausgeblieben, aber fast ausschließlich kritisch bis polemisch ablehnend ausgefallen, insbesondere, was Goethes Polemik gegen Newton betraf, welche mehrfach auf dem Stand der Optik der Zeit widerlegt worden sei.³⁵ Gunnar Berg hat nicht zu Unrecht darauf hingewiesen, dass Johann Wilhelm Ritter und Thomas Johann Seebeck, von Müller als Vorzeigebeispiele für die positive wissenschaftliche Rezeption von Goethes Forschung angeführt, sich vorwiegend während jener Zeit mit Goethes Thesen zur Optik affirmativ beschäftigten, in der sie sich im unmittelbaren persönlichen Umgang mit Goethe befanden.³⁶ Es ist nun hier nicht der Ort, diese Kontroverse im Detail zu führen. Indes spricht einiges dafür, dass Goethes eigene Wahrnehmung eine deutliche Diskrepanz zwischen dem gewünschten wissenschaftlichen Erfolg und der realen Rezeption seiner Forschungen verzeichnete. Hierfür sprechen nicht nur das oben bereits diskutierte Wahrnehmungsdefizit, sondern etwa auch Goethes Metaphorik selbst: Dass Goethe in den frühen 1820er Jahren sein Bestreben, der Farbenlehre mehr Anerkennung zu verschaffen, mit den Metaphern des „Evangeliums“ und des „Credos“ belegt, dass mithin die wissenschaftliche Auseinandersetzung zu einer Glaubensfrage zu werden scheint, indiziert deutlich Goethes Enttäuschung über die ausbleibende Anerkennung im Bereich der Wissenschaft (in dem Glaubensfragen nicht am Platz wären).³⁷ Zwar kann man zweifellos konstatieren, dass Goethe in breitem Kontakt mit Naturforschern seiner Zeit stand, doch blieb nach seiner eigenen Wahrnehmung die nationale wie internationale Anerkennung seiner Forschungsleistungen in der Wissenschaft weitgehend aus. Objektiv spricht zudem für dieses Defizit, dass seine Thesen und    

Vgl. exemplarisch Müller: Mehr Licht, 441– 451 und Müller: Goethe und die Physik seiner Zeit, 143 u. ö. Vgl. Bican und Wenzel: Rezeptions- und Wirkungsgeschichte, 251– 255, insbes. 253. Vgl. Berg: Besprechung, v. a. 63 – 64. Vgl. hierzu Berg: Neue Blicke, insbes. 258 – 259.

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experimentellen Ergebnisse nicht oder nur kaum Aufnahme in die zusehends standardisierten Lehrbücher fanden. Bianca Bican und Manfred Wenzel resümieren somit nicht ohne Grund: „Zu seinen Lebzeiten hat G. als Naturforscher – abgesehen von einzelnen positiven Rückmeldungen (wie z. B. von Christian Gottfried Daniel Nees von Esenbeck und Carl Gustav Carus) – keine größere Wirkung [Hervorhebung R.G.] erzielt.“³⁸ Nees sollte Goethe 1818, als jener Präsident der Akademie der Naturforscher geworden war, in die Leopoldina aufnehmen. Ohne das Einzelfaktum überzubewerten: dass Goethes Mitgliedsdiplom und Matrikeleintrag in der Leopoldina, wie die Beilage zu Nees’ Brief an Goethe vom 24. Oktober 1818 ausweist, auf den Namen „Johann Wilhelm Goethe“³⁹ ausgestellt wurde, mag – bei aller vorsichtigen Einschätzung der Relevanz der heutigen Nationalen Akademie der Wissenschaften im frühen 19. Jahrhundert – als kurioses Indiz seiner Bekanntheit unter Naturforschern gelten können, selbst im Rahmen einer naturwissenschaftlich-medizinischen Organisation, die die Naturphilosophie wenigstens in ihre Reihen aufnahm, die mithin also nicht auf diejenigen Naturwissenschaftler beschränkt blieb, die dem neuen Experimentalparadigma verpflichtet waren.⁴⁰ Eine gewisse Aufmerksamkeit erzielte Goethe allerdings in den 1820er Jahren, vor allem durch das Periodikum Zur Naturwissenschaft überhaupt, besonders zur Morphologie. Diese Hefte, von Goethe selbst ediert und weitgehend von ihm alleine mit naturwissenschaftlichen, aber auch literarischen Texten bestückt, erschienen von 1817 bis 1824. Auch diese Zeitschrift zeugt indes vom dargestellten Streben Goethes, eine höhere Aufmerksamkeit für seine naturwissenschaftliche Forschung zu erzielen. In der Vorrede zum ersten Band formuliert Goethe die Negativdiagnose: „Leider findet man aber auch bei denen die sich dem Erkennen, dem Wissen ergeben, selten eine wünschenswerte Teilnahme.“⁴¹ Hier begegnet mithin schon das Motiv der fehlenden Teilnahme, das wir auch im Bemühen um wissenschaftliche Weltliteratur als Movens identifiziert hatten. In der Folge dieser Publikation nahmen die persönlichen Kontakte mit Naturwissenschaftlern zu. Morphologie und Botanik wurden allerdings überwiegend nur in Bezug auf Einzelstudien rezipiert, kaum gelangte das übergreifende Modell der Metamorphose zu Anerkennung im Wissenschaftssystem. Die Reaktionen blieben, so summieren Bican und Wenzel, „überwiegend im privaten Raum“.⁴² Dieser private Raum ist nun genau der Bereich, den Goethe sich selbst durch persönliche Kontakte mit Naturforschern erschlossen und aufgebaut hat. Offenbar ist dies auch der Bereich, in dem es Goethe gelang, andere Naturforscher von seinen Thesen zu überzeugen. Das Mittel des persönlichen Kontaktes wiederum – offenbar erfolgreich erprobt – ist genau jenes,

 Bican und Wenzel: Rezeptions- und Wirkungsgeschichte, 251.  Nees: Briefwechsel, 64– 65.  Vgl. etwa zu Nees’ romantisch-naturphilosophischem Ansatz Bohley: Nees, 35 – 60. Zur Entwicklung der Akademie mit und seit Nees vgl. Kanz, Bohley und von Engelhardt: Leopoldina.  Goethe: Unternehmen, 11.  Vgl. Bican und Wenzel: Rezeptions- und Wirkungsgeschichte, 252.

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welches er dann in den späten 1820er Jahren zur Erreichung von „Weltliteratur“ auf dem Gebiet der Naturforschung empfehlen sollte. Wenn wir also nun vor diesem Hintergrund Goethes These in Hinblick auf wissenschaftliche Weltliteratur noch einmal komprimieren, so könnte dies so lauten: Ja, bereits früher gab es Zusammenarbeit und Zusammenwirken von Naturforschern auf der Grundlage einer gemeinsamen Sprache (des Lateinischen). Doch fehlen, um das Ideal der ,Weltliteratur‘ als gegenseitige Teilnahme an den jeweiligen Forschungsresultaten erreichen zu können, die persönlichen Begegnungen – das Mittel mithin, das, nach Goethes Erfahrung, wenigstens zum Teil dazu beigetragen hatte, dass seine eigenen naturforschenden Aktivitäten überhaupt (wenn auch nicht in für Goethe ausreichendem Maße) in den Fokus anderer Wissenschaftler gelangt waren. Mit dieser Analyse ist keinerlei Aussage über die Inhalte von Goethes Naturforschung oder über die Qualität seines methodischen Vorgehens intendiert; ob es gerechtfertigt war, dass Goethe wenig Aufmerksamkeit fand, ob die Propagierung persönlicher Begegnungen auf internationalem Niveau das zeitgemäß adäquate Mittel waren, Aufmerksamkeit zu generieren, ob schließlich eine Balance von wissenschaftsorganisatorischem Anspruch (der Forderung, persönliche Begegnungen einzurichten) und individueller Betroffenheit (Goethes Defizitgefühl) je erreicht werden konnte, muss hier im Rahmen einer historischen Textanalyse unbeachtet bleiben.

2 Medien- und wissenschaftshistorische Verspätungen Peter Goßens verweist zurecht darauf, dass Goethes begriffliche Fassung der Weltliteratur als kommunikativer Prozess im transnationalen Literaturaustausch keineswegs Neuland betrat, sondern dass durch Buchimporte, Übersetzungen und das europäische Rezensionswesen zahlreiche Kommunikationswege zur Verfügung standen.⁴³ Wissenschaftshistorisch betrachtet zeigen sich schon rund 200 Jahre früher – Stichwort „Verspätung“ –, im 17. Jahrhundert also, deutliche Parallelen zu Goethes naturwissenschaftlich indizierter Variante des Konzeptes ,Weltliteratur‘. Denn man kann konstatieren, dass sich schon in der Akademienbewegung des 17. und frühen 18. Jahrhunderts Naturforscher und Mediziner mit dem Anspruch zusammenschlossen, neue Formen persönlicher und medialer Interaktion zu konstituieren. Die Akademienbewegung lieferte zudem lediglich den Grundstein für den Aufbau wissenschaftlicher Fachgesellschaften zur Zeit des späten Goethe. Die „Heterogenität und Pluralität gelehrter Organisationen“ befördern, so hat Rudolf Stichweh gezeigt, die Ausdifferenzierung eines eigenständigen Sozialsystems der Gelehrsamkeit schon in der Frühen Neuzeit.⁴⁴ Seien es die frühen italienischen Akademiegründungen – die Accademia dei Lincei, 1603 in Rom  Vgl. Goßens: Weltliteratur, 18.  Vgl. Stichweh: Der frühmoderne Staat, 114.

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von Federico Cesi, Anastasio de Fillis, Franceso Stelluti und Johannes van Heeck gegründet, oder die anderen italienischen Akademien, seien es die ersten mitteleuropäischen Gründungen wie die 1652 in Schweinfurt gegründete Academia naturae curiosorum oder die Académie des sciences (Paris 1666) und Royal Society (London 1660) – sie alle verbindet, bei allen Unterschieden hinsichtlich ihrer Strukturen, Finanzierungswege und Wirksamkeit, ein entweder aus dem Renaissance-Humanismus oder aus Konzepten der Frühaufklärung genährtes Ideal einer welt-umfassenden Wissenschaftlichkeit, einer genuin international denkbaren respublica litteraria. ⁴⁵ Und sie verbindet auch, dass sie Zusammenarbeit auf einer persönlichen Ebene wie medial vermittelt forderten und förderten. Ursula Goldenbaum hat die These vertreten, dass die Ausweitung der Gelehrtenrepublik aus kleinen Zirkeln und privaten Akademien hin zur verstärkten Institutionalisierung von Wissenschaft ein Kennzeichen einer Verbreiterung des aufklärerischen Wissenschaftsanspruchs sei.⁴⁶ Indes findet sich schon in den frühen Dokumenten auch der nicht staatlich subventionierten oder institutionalisierten Akademien, also unabhängig von der Institutionalisierungsform, ein Anspruch auf genau jenen ideellen Raum internationaler wissenschaftlicher Verständigung durch konkrete, auch persönliche Interaktion wie durch Nutzung und Entwicklung neuer Formen der Kommunikation. Zu letzteren gehören dann entscheidend auch die wissenschaftlichen Zeitschriften, von den Philosophical Transactions über das Journal des Savants bis hin zu den Miscellanea curiosa. ⁴⁷ ,Welt‘ ist hier mehr als nur ein Schlagwort, sondern genuiner Bestandteil eines Wissenschaftsideals. Als Beispiel sei die epistola invitatoria der Academia naturae curiosorum von 1670 angeführt, das Einladungsschreiben, mit dem zukünftige Beiträger für das ambitionierte Zeitschriftenprojekt der Miscellanea oder Ephemerides gewonnen werden sollten.⁴⁸ Hier wird vermutlich von Johann Michael Fehr (1610 – 1688) mit Verweis auf den allumfassenden göttlichen Kreis der Natur die erreichbare europäische Gelehrtenlandschaft angesprochen und zur Mitarbeit eingeladen. Ausdrücklich angeführt werden in der Einladung „subtilissima Italia“, „acumine praepollens Gallia“, „ingeniosissima Britannia“ sowie – die weiteren charakterisierenden Attribute lasse ich aus – Naturforscher aus Belgien, Dänemark, Schweden, Ungarn, Böhmen, der Schweiz, Preußen und aus Livland. Diese Einladung verbindet sich mit der Artikulation des übergeordneten Wissenschaftsideals eines weltumschließenden wissenschaftlichen Humanismus:

 Jaumann weist zurecht darauf hin, dass der universalistische Anspruch der Gelehrtenrepublik der Frühen Neuzeit immer auch Teil der Debatten selbst und damit „Partei“ war. Vgl. Jaumann: Respublica litteraria, 25 – 28, auch Schneider: Kultur.  Vgl. Goldenbaum: Die öffentliche Debatte, 33.  Vgl. hierzu Eckart und Schott (Hg.): Strategien.  Zur Frage der Wissensgenerierung der Academia naturae curiosorum auf dem neuesten Forschungsstand Rebohm: Knowledge.

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Ad Vos nostræ diriguntur pariter humanissimæ & officiosissimæ preces, ut proscriptâ fatali Nationum Invidiâ, sepositâ malevolæ æmulationis rabie, relegatâ incuria & socordiâ candido & sincero affectu vestris ingeniosis inventis aut felicibus experimentis tam Botanicis quâm Anatomicis, tam Therapeuticis, quam Chirurgicis, Chymicis, Physicis fideli per litteras transmissione Ephemerides Germanicas tanquam pretiosissimis gemmis exornare concedatis, quarum splendore quasi rarissimo Mosaico opere intertessellatæ micabunt.⁴⁹

Entscheidend ist für unseren Zusammenhang das ausdrücklich humanitäre Setting dieser Einladung, Schriften zur Publikation für die neue Zeitschrift einzusenden: Um das gemeinsame Ziel einer Sammlung des besten medizinischen und naturwissenschaftlichen Wissens der Zeit zu erreichen, sei es notwendig, den Neid der Nationen und die böswillige Eifersucht beiseite zu setzen, sei geistige Beschränktheit verbannt und seien Aufrichtigkeit und Ehrlichkeit Grundvoraussetzungen. Was hier als Katalog wissenschaftlichen Wohlverhaltens formuliert wird, entspricht dem Ideal eines Humanisten und Gentleman, das die Voraussetzung für Glaubwürdigkeit und Wahrheit wissenschaftlicher Exzellenz bleibt:⁵⁰ Das Ideal ist ein humanistischer Wissenschaftler, der sich durch einen nicht national beschränkten Wissensanspruch auszeichnet und der über die grundlegenden ethischen Voraussetzungen verfügt, um als vertrauenswürdig eingestuft zu werden. Simon Rebohm fasst zusammen: „[…] the ANC [Academia naturae curiosorum, R.G.] called for a neutral collaboration of professionals and highlighted the continuities from traditional to more recent knowledge.“⁵¹ Mit der Vergesellschaftung in Akademien verbindet sich mithin eine gemeinsame Forschungsstrategie, die getragen wird von einer ideellen humanistischen Internationalität – dem Ideal der respublica litterarum –, und die auf gesellschaftliche, gemeinschaftliche Wirksamkeit über die Grenzen der Nationen hinaus genau im Sinne von Goethes ,Weltliteratur‘ abzielt. Der Austausch fand in Begegnungen, Briefkorrespondenz und in Zeitschriften statt, wobei sich letztere teilweise, wie etwa im Fall der Philosophical Transactions, (teils) direkt aus der Korrespondenz und der gemeinschaftlichen Diskussion entwickelten.⁵² Dies diente, auf der Basis des Austauschs mit Gleichgesinnten über vorläufige Forschungsergebnisse, auch dazu, eine gemeinsame Wissensbasis und gemeinsame Wirksamkeit zu erreichen. Als Ziel etwa der Academia naturae curiosorum wird in den Gründungsdokumenten ausdrücklich die „salus hominum“ eingeführt, mithin eine Wirkung auf einer gesellschaftlichen Ebene, die zudem nur durch die Ge Fehr: Epistola invitatoria, 7. Rebohm: Knowledge, 306, betont zurecht, dass das Fächerspektrum gegenüber anderen wissenschaftlichen Periodika der Zeit eingeschränkt blieb. Vgl. zur Programmatik des Einladungsschreibens auch Daston: Akademien, insbes. 28.  Vgl. Shapin: A Social History of Truth, 42– 64 u. ö. Dass dieses moralische Modell der Vertrauenswürdigkeit dann im 18. Jahrhundert keineswegs obsolet wird, obwohl die neue Relevanz der Empirie doch „Naturwahrheit“ zu bieten verspricht, kann am Fall konfligierender Wahrnehmungen gezeigt werden. Vgl. zur Wahrheitsproblematik grundlegend Daston und Gallison: Objektivität; am Beispiel der Kontroverse zwischen Albrecht von Haller und Georg Daniel Coschwitz Godel: Anatomische Evidenz.  Rebohm: Knowledge, 311.  Vgl. zur Entwicklung des Publikationswegs der Royal Society etwa Fyfe und Moxham: Making Public Ahead of Print.

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meinschaftlichkeit erreicht werden könne.⁵³ ,Welt‘ im Sinne der Akademienbewegung des 17. und 18. Jahrhunderts meint immer Weltzugewandtheit auf der Basis einer internationalen (und auch auf dieses Ziel hin organisierten) Wissenschaftsgemeinschaft. ,Weltliteratur‘ oder„Weltwissenschaft“⁵⁴ wird auf der Ebene der Agierenden wie auf der Ebene der Inhalte zum praktischen Gehalt der internationalen scientific community. Dass es sich hierbei selbstverständlich – analog zu Goethes Konzept – um eine ideale Wunschvorstellung internationalen Wissenschaftsmanagements handelt, sei ohne Umstände zugestanden. Zwar weisen etwa die Miscellanea curiosa, um bei dem Beispiel dieser 1670 gegründeten medizinisch-naturwissenschaftlichen Fachzeitschrift zu bleiben, auch auf der Ebene der Inhalte eine beträchtliche Menge von Artikeln auf, die sich mit sogenannten Exotika, vor allem im Bereich der Pharmazie, auseinandersetzen. Über chinesische Heilkräuter wird durchaus auch von Forschern berichtet, die nach Ostasien gereist sind, also aus eigener Anschauung referieren. Hier wird unter Mitwirkung von Forschungsergebnissen oder von Beiträgen von Reisenden ein internationaler Diskurs auch über internationale Gegenstände geführt.⁵⁵ Die Skepsis bei den Hiergebliebenen bleibt allerdings bestehen, und es fehlen nicht die Versuche – wie etwa die des bekannten Mediziners Thomas Bartholin (1616 – 1680) – zu zeigen, dass die einheimischen Heilkräuter doch genauso wirksam seien wie die chinesischen.⁵⁶ Auch die von Goethe für den Bereich der Naturwissenschaften geforderte persönliche Interaktion macht bereits im 17. Jahrhundert und tatsächlich bis in das 19. Jahrhundert hinein einen entscheidenden Aspekt des internationalen Wissenschaftssystems aus. Die peregrinatio academica bildete eine wesentliche Grundlage für den Transfer des Akademie-Gedankens aus Italien nach Mitteleuropa.⁵⁷ Bildungs- und Qualifikationsreisen führten mittel- und westeuropäische Wissenschaftler nach Frankreich und Italien, ab dem späten 17. Jahrhundert dann nach Leiden,⁵⁸ nach Montpellier, Paris und London, spätestens im 18. Jahrhundert dann auch umgekehrt Südeuropäer in die renommiertesten deutschen Universitätsstädte. Diese Reisen boten neben der regelmäßigen Be Vgl. Müller, Weber und Berg (Hg.): Protocollum, 30 (lat.) und 31 (dt.).  Wenzel: Wissenschaft, 704.  Dies korrespondiert etwa den enzyklopädischen Wissenskompendien seit der Frühen Neuzeit. Vgl. Goßens: Weltliteratur, 33 sowie grundlegend Schmidt-Biggemann: Topica universalis.  Vgl. etwa Thomas Bartholin: Opobalsami notæ. Es sei zudem hingewiesen auf das gegenwärtige Forschungsprojekt von Tracy Wietecha (Berlin) zu „German Scientists, their Observationes, and Institutional Ties to the New World in the Seventeenth Century“.  Vgl. Dotzauer: Deutsches Studium sowie grundlegend zum höfischen Grand Tour Stannek: Telemachs Brüder.  Gegen Ende des 17. Jahrhundert verschiebt sich der Schwerpunkt der Reisen aus Deutschland in die Niederlande (v. a. Leiden). Hier scheinen konfessionelle Abschließungen eine Rolle zu spielen. Johann Scheuchzer wird 1720 als Professor nach Padua berufen, dieser Ruf wird aber zurückgenommen, als seine reformierte Konfession bekannt wurde. Ähnlich berichtet Lorenz Heister anfangs des 18. Jahrhunderts von einem Gespräch mit dem Leuvener Professor Verheyen, dass nach Belgien kaum noch ausländische Studenten kämen, weil sie bei der Immatrikulation auf die katholische Konfession schwören müssten. Für die Hinweise aus dem Archiv der Leopoldina danke ich Jacob Schilling. Vgl. v. a. Grell, Cunningham und Arrizabalaga: Centres of Medical Excellence.

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gegnung in den Gesellschaften und Akademien die Möglichkeit, im direkten Austausch mit den collegae sich inhaltlich auseinanderzusetzen. Ihnen bleibt der Anspruch gemein, einen Beitrag zu einer sich zusehends international – vielleicht im Sinne von Goethes ,Welt‘ – konturierenden Wissenschaftslandschaft zu leisten. Auch auf der Ebene der Institutionalisierung von Wissenschaft zeigt sich, dass Goethes Diktum von der „Verspätung“ seiner neuen „Weltliteratur“ zutrifft: Zwar steht eine umfassende Studie zur internationalen Vernetzung der Wissenschaft im 18. Jahrhundert, soweit ich sehe, noch aus, doch allein die umfangreiche Liste der Doppelmitgliedschaften der europäischen Akademien zeigt, dass Internationalität im Sinne einer aktiven Begegnung zu einem der Charakteristika des Wissenschaftsdiskurses im 18. Jahrhundert wurde, angefangen von der Petersburger Akademie (genannt sei nur Leonhard Euler), in der Preußischen wurden Pierre Louis Moreau de Maupertuis und andere entscheidend, die Royal Society gedieh unter der Ägide des deutschen Henry Oldenbourg. Die Reihe ließe sich fortsetzen. Goethes naturwissenschaftliches Ideal der ,Weltliteratur‘, von ihm als Desiderat eingeführt, bildet mithin bereits seit der Frühaufklärung geradezu die Grundlage der Ausbildung des internationalen Wissenschaftssystems. Blickt man etwas genauer hin, gilt das auch noch für Goethes Zeit, und womöglich, angesichts der verbesserten postalischen Möglichkeiten gegenüber dem 17. Jahrhundert, noch in einer umfassenderen Weise. Goethes Drängen auf persönlichen Austausch im Bereich der Naturforschung und seine Enttäuschung über die ausbleibende Wahrnehmung seiner eigenen naturforschenden Aktivitäten beruht womöglich auf der Position eines wissenschaftlichen Außenseiters, der zudem dazu geneigt haben mag, wissenschaftliche Einwände gegen seine eigene Forschung als Mangel an Anerkennung zu werten. Dieser Artikel plädiert dafür, Goethes Konzept der,Weltliteratur‘ in seiner Diversität, in den unterschiedlichen Produktions- und Rezeptionszusammenhängen sowie in den je nach Zusammenhang differenten Mitteln, Medien und Gattungen ernst zu nehmen und dabei den eigenen Anspruch Goethes in den kultur- wie wissenschaftshistorischen Kontext einzuordnen. Es handelt sich bei Goethes ,Weltliteratur‘ mithin keineswegs bloß um eine „ideologische Leerformel“,⁵⁹ sondern um ein Hybridkonzept zur Anregung internationaler Teilnahme und Wertschätzung, ein Konzept indes, das in unterschiedlichen Kontexten nach Goethe unterschiedliche Mittel benötigt. Dass Goethe dabei, wie aufgezeigt wurde, die Geschichte und Gegenwart des wissenschaftlichen Austauschs im Sinne einer „Weltwissenschaft“, womöglich aus der Enttäuschung über die vermeintliche oder tatsächliche Nicht-Wahrnehmung seiner eigenen Forschungen, nicht adäquat einschätzt, gehört ebenso zur Geschichte des Begriffs wie dessen Anspruch, für ein humanitäres Ideal zu stehen, das über die Grenzen von Nationen hinausreicht.

 So Peter V. Zima: Komparatistik, 8. Zit. bei Goßens: Weltliteratur, 5.

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Die Verspätung der ,Weltliteratur‘. Goethes Konzept im naturforschenden Kontext

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Teil 2 Akteure

Michael Multhammer

Albrecht von Hallers europäische Perspektive

Zugegeben – die Welt, zumal die literarische, war zu Zeiten Albrecht von Hallers noch ein wenig kleiner als zu der des späten Goethe. ‚Weltliteratur‘ war expressis verbis selbstredend noch kein Programm, mit dem man sich identifizieren oder dem man gar nacheifern konnte. Und dennoch, vieles von dem, was Goethe in seinen letzten Lebensjahren an Programmatik entwickelte und in den Gesprächen mit Eckermann weiter erläuterte,¹ hat seinen Nukleus in der Mitte des 18. Jahrhunderts: Sicherlich nicht nur, aber eben doch auch an sehr prominenter Stelle in der Person Albrecht von Hallers. Die in der Forschung kolportierte Zahl von 16.000 Rezensionen – und seien es auch nur die Hälfte –, die Haller während seines Lebens verfasst hat oder haben soll, machen ihn im Feld der Literaturkritik zu einem Protagonisten, der maßgeblich auf die folgenden Generationen gewirkt hat.² Nun ist Masse nicht automatisch mit Qualität oder Originalität gleichzusetzen – auch im Falle des Göttinger Gelehrten nicht – dennoch ist die Hoffnung und Wahrscheinlichkeit in Hinblick auf die hier verfolgte Fragestellung fündig zu werden, zwangsweise gegeben. Ich möchte mich im Folgenden anhand von vier kurzen Punkten dem Phänomen annähern: erstens in einer möglichen Unterscheidung verschiedener Erscheinungsweisen von Rezensionen, die Haller sämtlich bedient hat. Zweitens sodann der Frage nach Spezifika in der Rezensionstätigkeit Hallers nachgehen, die sowohl die Medialität als auch das Verhältnis von recensio und Kritik in den Fokus rückt. Drittens möchte ich diese Vorannahmen – denn um mehr handelt es sich nicht – anhand einer Rezension exemplarisch überprüfen. Schlussendlich versuche ich zu plausibilisieren, warum Albrecht von Hallers eigene Dichtungsversuche in den 1740er Jahren jäh und vollständig abbrechen und er sich ganz der Form der Rezension widmet. Die Hoffnung bestünde

 Siehe hierzu Birus: Goethes Idee der Weltliteratur. Die entscheidende programmatische Aussage Goethes findet sich in einem Gespräch mit Johann Peter Eckermann unter dem Datum des 31. Januar 1827. Dort heißt es: „Ich sehe immer mehr, fuhr Goethe fort, daß die Poesie ein Gemeingut der Menschheit ist, und daß sie überall und zu allen Zeiten in hunderten und aber hunderten von Menschen hervortritt. Einer macht es ein wenig besser als der andere und schwimmt ein wenig länger oben als der andere, das ist alles. Der Herr v. Matthisson muß daher nicht denken, er wäre es, und ich muß nicht denken, ich wäre es, sondern jeder muß sich eben sagen, daß es mit der poetischen Gabe keine so seltene Sache sei, und daß niemand eben besondere Ursache habe, sich viel darauf einzubilden, wenn er ein gutes Gedicht macht. Aber freilich wenn wir Deutschen nicht aus dem engen Kreise unserer eigenen Umgebung hinausblicken, so kommen wir gar zu leicht in diesen pedantischen Dünkel. Ich sehe mich daher gern bei fremden Nationen um und rate jedem, es auch seinerseits zu tun. National-Literatur will jetzt nicht viel sagen, die Epoche der Welt-Literatur ist an der Zeit und jeder muß jetzt dazu wirken, diese Epoche zu beschleunigen.“ Goethe und Eckermann: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens, 206 – 207. Als ältere Darstellung immer noch lesenswert Strich: Goethe und die Weltliteratur.  Als erster Orientierungspunkt bietet sich eine vorbildliche Auswahledition an. Guthke (Hg.): Hallers Literaturkritik. https://doi.org/10.1515/9783111180403-004

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darin, zu erweisen, dass Albrecht von Haller in der Form mancher, sicher nicht aller, seiner Rezensionen Elemente des Goethe’schen Weltliteraturbegriffs in Ansätzen vorwegnimmt,³ ohne allerdings diese Forderungen an eine gelungene Rezension zugleich schon zu einem Prinzip von ‚Weltliteratur‘ im engeren zu erheben.

1 Die Rezension als offene Textsorte – einige basale Unterscheidungen und Selektionen oder die Frage: Was interessiert überhaupt? Ein Textkorpus von mehr als 10.000 Rezensionen lässt sich selbstredend nicht über eine inhaltlich-hermeneutische Annäherung erschließen. Allenfalls statistische Auswertungen und computergestützte Verfahren können eine ungefähre Richtung weisen, wie das Claudia Profos vor einigen Jahren erhellend vorgeführt hat.⁴ Dort findet sich eine Vielzahl von Ein- und Übersichten, die auf herkömmliche – rein lesende – Weise nicht ohne weiteres zu erzielen wären. Zu nennen wäre etwa die Verteilung der rezensierten Werke nach den Erscheinungsorten – hier zeigt sich in aller Deutlichkeit Hallers ‚europäische Perspektive‘. Claudia Profos spricht zu Recht von Hallers „patriotisch-kosmopolitische[m] Blick“, der sich in der „geographischen Dimension“ seiner Rezensionstätigkeit erschließt.⁵ Denn „Hallers Kritik berücksichtigt ein Gebiet, das von Glasgow (Schottland) bis Riga (Lettland) und von Uppsala (Schweden) bis Messina (Italien) reicht.“⁶ Haller vermisst nicht weniger als das gesamte literarische Europa entlang seiner Achsen von Nord nach Süd und von West nach Ost. Eine weitere Möglichkeit der Annäherung – und diese sei hier gewählt – ist es, erste Unterscheidungen hinsichtlich der Erscheinungsformen der Rezensionen vorzunehmen. Denn Rezension ist selbstredend nicht gleich Rezension, nicht einmal bei einem Autor wie Albrecht von Haller. Der Großteil der Besprechungen, die Haller im Verlauf seines Lebens verfasst hat, haben im weitesten Sinne naturkundliche Werke zum Gegenstand. Diese müssen – auch wenn sie durchaus zur Sache gehören – in einem ersten Schritt aus rein pragmatischen Gründen ausgeklammert bleiben.⁷ Auszuscheiden sind

 Zur Aktualität des Konzeptes siehe Goßens: ‚Neue Weltliteratur?‘  Profos Frick: Gelehrte Kritik. Einen Überblick liefert Profos Frick: Literaturkritik. Eine Perspektivierung auf Frankreich bietet Profos Frick: Frankreichfreund oder Frankreichfeind? Profos argumentiert hier, dass die dezidierte Auseinandersetzung mit französischer Literatur – die zahlenmäßig die meisten Rezensionen Hallers stellt – im Endzweck auf eine Profilierung der deutschen Literatur hinausläuft.  Profos Frick: Gelehrte Kritik, 267.  Profos Frick: Gelehrte Kritik, 267– 268.  Dass sich die naturkundlichen Werke in der Sache gerade nicht ausschließen lassen, war ein Ergebnis der Diskussion im Nachgang des Vortrages. Gerade der Beitrag von Rainer Godel akzentuiert den engen Zusammenhang. Siehe hierzu seinen Beitrag in diesem Sammelband. Dennoch erweisen sich diese Rezensionen als durchaus wesensverwandt – siehe hierzu den erhellenden Beitrag von Krämer: Albrecht von Haller as an ‚Enlightened‘ Reader-Observer. Ferner Daston: The Empire of Observation.

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auch bloße ‚Vorredenrezensionen‘, wenngleich diese Form bei Haller vergleichsweise selten ist. Schon häufiger finden sich Besprechungen, die – wie Karl S. Guthke es treffend formuliert hat – „über das bloße Referat nicht hinauskomm[en] oder Gleichgültiges in gleichgültiger Weise erörter[n]“.⁸ Es sind also bei Weitem nicht alle Rezensionen wertend oder gar im strengen Sinne kritisch zu nennen. Aber nur um Letztgenannte soll es hier fernerhin gehen, um zu zeigen, wie Haller versucht die Geschmacksbildung seiner Zeitgenossen aus der eigenen Lektürepraxis heraus in den sekundären Diskurs zu ziehen. Dazu gleich mehr. Zuvor gilt es noch eine letzte Einschränkung vorzunehmen. Wichtig in Hinblick auf die Konstituierung einer möglichen ‚Weltliteratur‘ avant la lettre sind Aktualität und Gegenwartsbezug. Im Fokus stehen daher diejenigen Werke und deren Besprechungen, die zu Lebzeiten Hallers nicht nur erschienen sind, sondern auch verfasst wurden. Haller hat zahlreiche Besprechungen antiker Werke und deren Neuausgaben vorgelegt, auch diese können hier nur als Folie dienen – der Vergleich mit den Meisterwerken der Alten ist ohnehin ständiger Referenzpunkt in Geschmacksfragen und deren poetologischer Bewertung. In Parenthese: Welche Formen der Rezension eigentlich ‚weltliteraturfähig sind‘ bleibt als Forschungsfrage zunächst noch völlig offen. Als weitere Unterscheidung könnte man noch die zwischen öffentlich und privat anführen. Ein Großteil dessen, was in der Forschung zu Haller im Ausgang von Guthke den Rezensionen zugeschlagen wird, ist rein privater Natur. Die sogenannten ‚Judicia‘ oder auch ‚Judicia librorum‘ verfasst Haller als private Lektürenotizen in Form von Rezensionen. Es handelt sich insgesamt um 24 Manuskriptbände,⁹ die in Summe – versehen mit eigenen Registern – zu einer Bibliothek sui generis werden, zu einem „historisch-kritische[n] Bücherverzeichnis“, das den Wert einer bloßen „Bibliographie“ bei weitem übersteigt, wie Urs Boschung treffend bemerkt.¹⁰ Die bibliographisch-rezensierenden Unternehmungen Hallers ersetzen zudem seine eigene literarische Tätigkeit, die in jungen Jahren jäh abbricht. Abgesehen von den späten Staatsromanen, die nur im weiteren Sinne unter die schöne Literatur zu subsumieren sind, sind es die Rezensionen, die den Bereich des Literarischen im Werk Hallers abdecken. Auf diesen urplötzlichen Abbruch, der zugleich den Beginn der intensiven Rezensionstätigkeit markiert, werde ich am Ende noch zurückkommen.¹¹ Eine letzte Form gilt es noch abzugrenzen, und hier ist man sicherlich an dem oben erwähnten Nukleus dessen, was man im weiteren Verlauf des Jahrhunderts bereits

 Guthke: Einführung, 3.  Einen Überblick über die Manuskripte aus Hallers Nachlass findet sich bei Braun-Bucher: Hallers Bibliothek und Nachlass.  Siehe hierzu auch Boschung: ‚Mein Vergnügen … bei den Büchern‘, 155. Die Art der Rezensionen ist noch einmal abzugrenzen vom ‚Exzerpt‘, das sich in der Zielsetzung – sich eine bestimmte Schrift zu erschließen und sich deren Inhalt für weitere Arbeiten verfügbar zu halten – zwar treffen mag, in der Gestalt jedoch deutlich divergiert. Siehe hierzu die jüngsten in den Blick der Forschung gekommenen Fragestellungen und Erkenntnisse bei Décultot und Zedelmeier: Exzerpt, Plagiat, Archiv. Zuvor schon Zedelmeier: Lesetechniken.  Siehe hierzu den Punkt 4.

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Weltliteratur nennen könnte, angekommen. Ich meine diejenigen Rezensionen, die wiederum selbst einen poetologischen Impetus verraten, mithin also deutlich mehr wollen, als die Neuerscheinung eines Werkes anzuzeigen und den Lesern eine erste (kritische) Einschätzung zu vermitteln. Diese, so die These im Falle Hallers, manifestieren sich in einem bestimmten Verhältnis von recensio im editionsphilologischen Sinn und einer Form von Kritik, die es in ihrer Funktion noch näher zu bestimmen gilt.

2 Materialität, Medialität und die Konturen der Kritik Beinahe alle Rezensionen von Hallers beginnen mit einer recensio im ursprünglichen Sinne.¹² Im Fokus steht gleich zu Anfang die Materialität des besprochenen Werkes; Format und Umfang werden ebenso selbstverständlich angeführt wie Titel, Autor, Erscheinungsjahr und Erscheinungsort sowie der Verleger.¹³ Das ist soweit zunächst einmal nichts völlig Ungewöhnliches, und als modernem Leser entspricht das auch durchaus unseren Erwartungshaltungen.¹⁴ Doch Haller treibt das Spiel weiter, er betreibt vordergründig zunächst einmal Textkritik, indem er auf andere Ausgaben und Auflagen des Werkes hinweist und dabei Unterschiede und Gemeinsamkeiten herausstellt (recensio). Er untersucht die Kontexte, die sich mit einem erneuten Abdruck verschoben haben und räsoniert über die passende Ausstattung von Büchern und deren Mehrwert für die Lektüre. Es handelt sich also um ein äußerst breites Wahrnehmungsfeld. Philologische Akribie in der Werkbeschreibung, so stellt sich unweigerlich der Eindruck ein, muss der inhaltlichen Kritik notwendig vorausgehen. Erst auf dieser Basis entfaltet die Rezension die ihr potentiell inhärente Kraft und Wirkmächtigkeit. Die enge Verwandtschaft von recensio als literaturwissenschaftlicher Praktik der Kritik und der Textsorte ‚Rezension‘ wird augenfällig. Die angestrebte poetologische Wirkabsicht ist ein äußerst innovatives und wohl einmaliges Programm. Denn bei Albrecht von Haller kommt es – so die These – zu einer fundamentalen Umstellung. Der Geschmack wird nicht durch die Lektüre literarischer Werke selbst gebildet, sondern erst über den sekundären Diskurs bestimmt und eingeübt. Insofern ist das Rezensionswesen zu gleichen Teilen ein Flaschenhals für literarische Qualität, der passiert werden muss, und zugleich diejenige Instanz, die nicht nur den Geschmack des

 „In der auf die Heuristik folgenden recensio werden die verschiedenen überlieferten Textzeugen im Hinblick auf Übereinstimmungen und Abweichungen sorgfältig miteinander verglichen (kollationiert), mit dem Ziel, ihre Beziehungen zueinander zu ermitteln.“ Bohnenkamp: Textkritik und Textedition, 181.  Insofern kann man von Haller durchaus als Pionier einer an praxeologischen Fragestellungen orientierten Literaturwissenschaft verstehen. Zu den Interessenlagen einer an der materiellen Seite des Buches interessierten Forschung siehe jüngst die umfassende Studie von Spoerhase: Das Format der Literatur. Wie wichtig diese materielle Seite der Buchkultur im ausgehenden 18. Jahrhundert für die Rezeption war, erarbeitet Piper: Dreaming in Books.  Vgl. etwa Harms: [Art.] Rezension2, 281– 283.

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Publikums bildet, sondern – so zumindest die ideale Vorstellung – auf die Dichter und Autoren selbst zurückwirkt, indem diese sich einerseits die Kritik an ihren Werken zu Herzen nehmen und darüber hinaus mit als hervorragend beurteilten Kunstwerken anderer Schriftsteller vertraut gemacht werden. Die Rezension, indem sie auf eine umfassende Geschmacksbildung in rezeptions- und produktionsästhetischer Hinsicht abzielt, wird dergestalt zum Kernmedium eines innereuropäischen Literaturvergleichs. Haller hat das präzise gesehen und das Potential der kritischen Journale klar erfasst – deshalb ist seine Perspektive eine europäische.¹⁵ In der Vorrede der Göttingischen Zeitungen für Gelehrte Sachen von 1748, so noch der damalige Titel, schreibt er im Vorwort: Wir haben allerley Urtheile über unsere Aufführung gehört. Einige haben gemeint, man müste in gelehrten Zeitungen weder loben noch Fehler anzeigen, sondern blos den Inhalt dem Leser bekannt machen, das letztere liesse herrsüchtig [sic] und machte Streitigkeiten, das erstere aber wäre schmeichlerisch.¹⁶

Kritik ist also die unverzichtbare Zutat eines wissenschaftlichen wie literarischen Rezensionsjournals. Denn weiter heißt es: Wann man bloß die Capitel dem Leser anzeigen wolte [sic], ohne ihm einen Vorgeschmack des innern Werthes zu geben, so würden unsere Blätter vollkommen wie ohne Salz, auch ohne Kraft und Nutzen, und eine unnöthige Last der Presse sein?¹⁷

Und weiter heißt es, den Nutzen der Kritik noch einmal von einer anderen Seite her bestimmend, sie sei „der Weg zum Geschmacke, zum Vergnügen […]“. Kritik also schult das Geschmacksurteil, das ist mehr als bemerkenswert. Nicht länger die Lektüre ausgesuchter und erwählter Werke steht im Zentrum der Beschäftigung, sondern die Ausbildung der Geschmacksbildung des Einzelnen wandert in den sekundären Diskurs. Das führt zu einer bis dato unerhörten Aufwertung der Rezension. Aber gerade diese Publikationsform ist es, die einen dezidierten Mehrwert verspricht, indem sie etwas leisten kann, was der Lektüre eines einzelnen Werkes notwendig mangelt: der Vergleich mit anderen Werken. Das lehrt auch der Blick nach Frankreich, wo diese Praktik zum Besten der Wissenschaften und Künste praktiziert wurde. Haller schreibt: Sie [die Kritik, M.M.] breitet in ganzen Ländern den Geschmack aus. Ohne die Kritik würden die schönen Künste in Frankreich nicht so blühen. […] Wir sind versichert die Künste, und zumahl die

 Haller unterläuft damit gleichzeitig geschickt die Querelle des Anciens et des Modernes, da sich aus seiner Sicht die ‚Alten‘ nie gegen die ‚Neuen‘ ausspielen lassen – der Blick wird vielmehr von Diachronizität auf Synchronizität umgestellt. Zu den Frontverläufen der Debatte siehe Distelkamp: Parameter der Antiqui-Moderni-Thematik in der Frühen Neuzeit.  [Haller]: Vorrede zur gel. Zeit. 1748, unpag. (= 1v).  Ebd., unpag. (= 2r).

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Poesie, sind eben deswegen in Deutschland noch minder hoch, weil man mit mittelmäßigen zu viel Gedult gehabt, und seine Hochachtung zu wohlfeil weggegeben hat.¹⁸

Haller rückt damit die Rezension als Gattung ins Zentrum seiner poetischen und poetologischen Bemühungen. In der Forschung wurde lange Zeit beklagt, dass es Haller nicht vermocht hätte, eine einheitliche Poetik auszuarbeiten. Aber gerade das Systematische, das Festgeschriebene und damit notwendig in Teilen zumindest Dogmatische war seine Sache nicht. Die poetologischen Äußerungen konnten bei ihm sogar bis zum Widerspruch reichen, in den großen Literaturstreit zwischen Zürich und Leipzig griff er nicht ein und bezog keine eindeutige Stellung.¹⁹ Beweglich, dynamisch, wandelbar, auch noch im Alter vergleichsweise flexibel, Neuem nicht prinzipiell unaufgeschlossen: Dem allen widerspräche eine statische Poetik. Dieser Umstand führt unmittelbar zur Frage nach dem Medium, das sich einzig für dieses von Haller avisierte Unternehmen eignet, das periodische Journal: Die Critic kann übrigens sehr füglich durch Wochenblätter ausgeübt werden. In keiner andern Form können so viele Verfasser beurteilt, und in keiner andern das Urteil so geschwind ausgebreitet werden.²⁰

Periodizität und die Schnelligkeit der Verbreitung, damit nimmt Haller nicht nur wesentliche Bestimmungen von Weltliteratur, wie sie der späte Goethe entwickelt, expressis verbis vorweg,²¹ sondern er setzt einen neuen Standard in der Beurteilung des Mediums. Es sind keine flüchtigen Anzeigen von Büchern mehr, sondern hinter einem ordentlich geführten Rezensionsjournal, wie es die Göttingischen Zeitungen von Gelehrten Sachen sind, steht ein dezidierter Gestaltungswille, der zudem pädagogische Züge trägt. Nur dergestalt können kritische Journale als Schlüsselmedium der Weltliteratur begriffen werden, kosmopolitisch, fortlaufend, zukunftsoptimistisch und im Anspruch bildungspolitisch. Haller jedenfalls hat schon frühzeitig – 1748 – auf eine weitere positive Entwicklung der Rezensionsjournale gesetzt, er schreibt: Unser Briefwechsel nach den meisten fremden Ländern wird mit dem Frieden sich verstärken, und wir werden alles anwenden, viele, zuverläßige und neue Nachrichten mittheilen zu können.²²

 Ebd., unpag. (= 5r).  Er stand zeitlebens zwischen den Parteien des Leipziger-Zürcher-Literaturstreits, siehe hierzu etwa Guthke: Hallers Literaturkritik, 10. Ungleich ausführlicher, in der Stoßrichtung allerdings sehr ähnlich Frey: Albrecht von Haller und seine Bedeutung für die deutsche Literatur. Beide Parteien sind in den Augen Hallers regional gebunden und bleiben so gleichermaßen provinziell.  [Haller]: Vorrede zur gel. Zeit. 1748, unpag. (= 5r).  Goethe wird – so könnte man fast behaupten – Hallers Programm kopieren, wenn ab dem 3. Heft von 1818, einhergehend mit einer Titeländerung, in Über Kunst und Alterthum. Von Goethe zunehmend auch Rezensionen derjenigen Werke einfließen, die er selbst als ‚Weltliteratur‘ gelten lassen will.  [Haller]: Vorrede zur gel. Zeit. 1748, unpag. (= 5r).

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Dieses Versprechen an den Leser hantiert schon mit den Hoffnungen, die Goethe einst hegen wird, allerdings noch in umgekehrter Reihenfolge. Hier wird noch gehofft, dass Frieden die Nachrichtenlage begünstigen werde, Goethe ging noch einen Schritt weiter und stellte gar ein friedliches Zusammenleben der Völker in Aussicht. Ein Beispiel aus der Menge der Buchbesprechungen mag die Programmatik des Rezensierens zumindest in Ansätzen illustrieren.

3 Haller, Hagedorn, und der Wunsch nach einer europäischen Literatur Albrecht von Hallers Rezension von Friedrich von Hagedorns 1747 erschienenen Oden und Lieder ist meines Erachtens von der Absicht getragen, poetologisch wirksam zu werden. Denn es handelt sich letztlich um eine Verdoppelung des Programms: Das, was Haller in der Rezension positiv herausstreicht, ist in der programmatischen und ambitionierten Vorrede Hagedorns zu seinem eigenen Werk ebenfalls bedeutsam.²³ Ich rücke diese kurze Besprechung, die beinahe tagesaktuell zur Publikation des Werkes erschien, hier in Gänze ein: Hamburg Bohn hat in diesem Jahre auf 276 Seiten in groß Oktav sehr sauber gedruckt: Oden und Lieder in fünf Büchern. Ungeacht der H[er]r.V[erfasser]. sich niergends genennet hat, so ist es dennoch ein leichtes, des H[er]rn. v[on]. Hagedorn Feder zu erkennen. Das vollkommen ausgebildete Wesen seiner Verse, und sein überall, durch eine gründliche Kenntniß der alten und neuen besten Schriftsteller in den schönen Wissenschaften, unterstütztes körnichtes Wesen, verräht alle seine Arbeiten. In der itzigen Auflage dieser Gedichte erhalten wir fünf Bücher. Das erste ist mehrentheils aus dem Horaz oder aus einigen der besten neuen Französischen Lieder nachgeahmt. Im zweyten stehen muntre und öfters solche Lieder, die zum gesellschaftlichen Vergnügen aufwecken: und man findet wieder einige Nachahmungen Französischer Lieder darunter. Im dritten trifft man einige reimlose Anacreontische Lieder an: einige triolets: einige reizende Abbildungen der Landlust: und ein bäurisches Lied voll Schalkheit, Feuer und anständiger Einfalt. Im vierten stehen lauter verliebte Gedichte, wo Reiz, und Anmuht überall herrschen. Das fünfte ertheilt viele würkliche Oden, von allerley Vorwürfen: der Wein, der Morgen, und verschiedene satyrische Stüke werden darunter die Augen aller Kenner an sich ziehen. Den Schluß macht des H[er]rn. Eberts Uebersetzung zweyer Abhandlungen des H[er] rn. la Nauze, worinn er von Liedern der alten Griechen und insbesondere Trinkliedern gehandelt hat. Die wohl ausgelesenen Zierrathen sind von alten Mamorn und Münzen hergenommen: und in der Vorrede giebt H[er]r. v[on]. H[agedorn]. sein Urtheil über die Lieder verschiedener heutigen Völker.²⁴

Der Vergleich der Literaturen im europäischen Kontext, die vorbildhafte Antike – hier werden sowohl die positiven Seiten der Alten wie der Neuen betont, von einem Streit kann also gar nicht die Rede sein – sowie die poetologischen Bemühungen Hagedorns  Vgl. Martus: Friedrich von Hagedorn, 32– 36.  Zitiert nach Guthke: Hallers Literaturkritik, 56.

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und Eberts bilden ein gemeinsames Ensemble, das hier gewürdigt wird. Das rezensierte Werk selbst übersteigt den Wert einer ‚bloßen‘ Gedichtsammlung, indem Hagedorn und Ebert – unter Verweis auf weitere Gewährsmänner – eine Programmatik mit gleichzeitigen Exempeln geben. Das ist durchaus im Sinne der Tradition von Regel und Exemplum, die nur im Verbund – hinzu kommt schlussendlich noch die exercitatio – eine adäquate Form der Nachahmung und Einübung in Dichtung liefern können.²⁵ Im Zentrum jedoch steht, wie ich meine, das dezidierte und in diesem Falle überaus positive, in aller Deutlichkeit ausgesprochene Urteil: „Das vollkommen ausgebildete Wesen seiner Verse, und sein überall, durch eine gründliche Kenntniß der alten und neuen besten Schriftsteller in den schönen Wissenschaften, unterstütztes körnichtes Wesen, verräth alle seine Arbeiten.“ Hagedorn verfasst die Vorrede zu den Oden und Lieder auch in selbstapologetischer Absicht, um seine Oden in „vers irréguliers“ zu legitimieren und deren direkte Nachbarschaft mit den Liedern plausibel zu machen.²⁶ Es geht ihm darum, gerade „nicht nur Götter, oder Könige und Helden [zu] besingen“,²⁷ sondern eine Form zu pflegen, die „ihre Vorzüge reizender und gesellschaftlich machet“.²⁸ Denn nach Hagedorn handelt es sich hierbei um „Verse von uralter Abkunft“,²⁹ die im Gegensatz zum deutschen Sprachraum im ‚europäischen‘ Zusammenhang als bekannt vorausgesetzt werden können. Diese Traditionen vor Augen zu stellen ist der Zweck der Vorrede und sie entspricht genau derjenigen Form eines literarischen Abgleichs, wie sie Haller vor Augen steht. Historische Tiefe (bis zurück in das zwölfte Jahrhundert), gepaart mit geographischer Breite (von Lappland bis Südspanien) münden in stilistischer Souveränität (vers irréguliers), wie sie nur eine Literatur in europäischer Perspektive erreicht. Kenntnis literarischer Formen und ihrer nationalsprachlichen Traditionen ist also das Pfund, mit dem von Hagedorn wuchern kann. Sie ist die Basis der Qualität seiner Dichtung. Das Urteil über ihn und seine Dichtung ist gefällt, nun ist es am Leser,³⁰ diesen Eindruck für sich selbst nachzuvollziehen und sich geschmacklich weiterzubilden. Das kann Haller mit seinen Rezensionen helfen anzuleiten – seine eigenen Versuche in der Dichtung gibt er indes in der zweiten Hälfte der 1740er Jahre vollends auf.

 Knape: Poetik und Rhetorik in Deutschland, 87.  [Hagedorn:] Oden und Lieder, XXXVII.  Ebd., III–IV.  Ebd., III.  Ebd., XXXVIII.  Zur zentralen Rolle des Lesens und Lesers bei Haller – weit vor Roland Barthes – siehe Fabian Krämer: „Scholarly reading had become, at least in theory, an act of criticism, and observation an integral part of one’s reading practices.“ Krämer: Albrecht von Haller as an ‚Enlightened‘ Reader-Observer, 224.

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4 Der jähe Abbruch der eigenen Dichtung: Johann Christoph Gottsched und Christlob Mylius nehmen Hallers Lehrgedicht Ueber den Ursprung des Uebels ins Visier Im Jahre 1743, fünf Jahre bevor Haller die Leitung der Göttingischen Zeitungen von Gelehrten Sachen übernimmt, wird er selbst Opfer eines Verrisses. In der kurzlebigen und Gottsched nahestehenden Zeitschrift Bemühungen zur Beförderung der Critik und des guten Geschmacks erscheint bereits in der ersten Nummer eine Generalabrechnung mit Hallers Dichtung. Dass Gottsched hier als Spiritus rector fungiert und die Mitarbeiter ganz auf seiner Linie sind (es handelt sich sämtlich um ehemalige und noch aktuelle Studenten), können auch kleinere Ablenkungsmanöver – wie der Erscheinungsort Halle – kaum verschleiern. Die Besprechung mit dem Titel „Beurtheilung des Hallerischen Gedichts, über den Ursprung des Uebels“,³¹ hüllt sich zu Beginn in den Deckmantel einer Grundsatzdebatte, um im Fortgang der Darstellung umso rufmörderischer gegen die Persona des Dichters zu werden.³² Hauptanklagepunkt gegen Haller – so der anonyme Rezensent – ist die „Dunkelheit“³³ seiner Sprache und Gedanken: „Der Herr D. Haller aber will öfters allzu viel mit allzu wenigen Worten sagen.“³⁴ Hallers Poesie sei viel zu philosophisch aufgeladen, als dass sie gefallen könnte. Hinzu kommt das schweizerische Idiom, das aus sächsischer Sicht schlicht falsches Deutsch ist. „In die Poesie gehören solche tiefsinnige philosophische Begriffe nicht; deswegen, weil sie den Verstand allzusehr überhäufen und die Einbildung desto weniger beschäftigen und ergetzen.“³⁵ Ursache hierfür ist die „wohl größtentheils […] unausgebesserte[] Landessprache“³⁶ des Schweizers. Die Rezension sieht indes die „hallerische Nachahmungssucht“ auf dem Vormarsch – dieser muss unbedingt, aus Gründen der Sprachpflege eines reinen Deutsch, entgegengetreten werden. Denn in der Poesie geht es nicht um die Richtigkeit philosophischer Gedanken, dafür ist die Weltweisheit zuständig, sondern allein um die Schönheit der Sprache, die hier nach Ansicht des Rezensenten auf das Übelste verstümmelt wird.³⁷ Als Autor dieser

 Zu einer kurzen geistesgeschichtlichen Einordnung siehe etwa Elschenbroich: Nachwort. Dort findet sich auch ein Abdruck des Gedichtes, 53 – 74.  Anonym: Beurtheilung des Hallerischen Gedichts.  Ebd., 102.  Ebd.  Ebd., 102– 103.  Ebd., 103.  Den genauen Nachweis dieser Fehler führt Christoph Otto von Schönaich dann in seiner 1754 erstmals erschienen Abhandlung Die ganze Aesthetik in einer Nuß. Auch Schönaich war Redakteur der Beurtheilungen. Eine detaillierte Darstellung dieser Sprachmängel findet sich bei Frey: Albrecht von Haller. Im dritten Stück der Bemühungen wird die Rezension im gleichen Stil fortgesetzt, der Autor fühlt sich mit

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Rezension wurde unter den Zeitgenossen lange der Gottsched-Trabant Christoph Otto von Schönaich vermutet – ein wenig geistreicher Student, der das Gottschedsche Programm mit höhnischer Polemik zu befördern suchte. Umso größer war der Skandal, als Gotthold Ephraim Lessing 1756 das Geheimnis um die Verfasserschaft lüftete: der Autor war niemand Geringerer als der junge Wissenschaftsjournalist Christlob Mylius gewesen. Besonders intrikat ist dieser Umstand, da Haller später zu einem der größten Förderer von Mylius wurde. Aber das ist eine andere Geschichte.³⁸ Was zunächst bleibt, ist die außerordentliche Kränkung Hallers, der zu einer tiefgreifenden Transformation in seinen Bemühungen um die Poesie führen sollte. Denn dieser Verriss kann vielleicht den Stellenwert der Rezensionen poetischer Schriften im Werk Hallers näher begreifbar machen: Sie ersetzen die eigene Dichtung, deren brüske Zurückweisung ihn das Feld wechseln lässt. Dieser Abschied ist kein plötzlicher, er lässt sich ziemlich detailliert an den Vorreden der vier über mehr als fünfzehn Jahre hinweg erschienenen Auflagen der Versuch[e] Schweizerischer Gedichte bis 1748 nachzeichnen. In der sehr knappen Vorrede zur ersten Auflage schildert Haller seine Motivation. Die Gedichte seien vor der Hand „an seine Freunde ohne einige Absicht auf andere geschrieben worden.“³⁹ Auch wenn man diese Wendung als bloße Rhetorik einstufen mag, so heißt das in einem zweiten Schritt nicht, dass Haller tatsächlich vor der Veröffentlichung einen gewissen Kreis an Freunden als mögliche oder auch tatsächliche Adressaten vor Augen hatte. Die Gedichte sind also nicht nur primär in einem Schweizer Kontext entstanden, sondern mitunter auch in Hinsicht auf ein helvetisches oder doch zumindest der oberdeutschen Mundart gewohntes Publikum.Viel wichtiger ist es Haller, dass ihm seine Leser hinsichtlich religiöser Thematiken immer die besten Absichten unterstellen – hier will jemand ganz bewusst nicht provozieren. Und doch sieht sich Haller bereits in der Vorrede zur zweiten Auflage mit Kritik konfrontiert, auf die es zu reagieren galt: Diese zweyte Auflage ist so unterschieden von der ersten, daß es nohtwendig ist, von den gemachten Veränderungen Nachricht zu geben. Etlich hundert Stellen sind geändert, vieles ausgelassen, mehreres darzu gethan.⁴⁰

Allen voran sind es sprachliche Mängel, die Haller versucht hatte zu tilgen, denn „[a]n sehr vielen Orten haben einige teutsche Kenner Sprach-Fehler gefunden, die desto tadelswürdiger sind, jemehr die Poesie ihre Zierde in der Reinigkeit sucht.“⁴¹ Mit dieser Reaktion auf die Kritik beugt sich Haller einem neuen, ursprünglich unter Umständen seinem Vorgehen offensichtlich also völlig im Reinen. [Anonym]: Fortgesetzte Beurtheilung des Hallerischen Gedichtes, 148 – 158.  Siehe hierzu Multhammer: Lessings Rettungen, 289 – 302. Zu der Beziehung zwischen Mylius und Haller und dessen Patronage siehe nun Mahlmann: Christlob Mylius.  [Haller]: Versuch Schweizerischer Gedichten 1732, Vorbericht, unpag.  Haller: Versuch von Schweizerischen Gedichten 1734, Vorbericht, unpag.  Ebd.

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gar nicht intendierten Publikumsgeschmack. Er gerät in die Sphäre des Hochdeutschen. Offenbar in der Überzeugung das notwendige getan zu haben, kündigt der Schweizer an, dass – „wo nicht ein unbilliger Nachdruk dieselbe abzwingt“, „keine fernere Auflage zu gewarten ist“.⁴² Haller wird neun Jahre später – 1743 – wortbrüchig, eine dritte, „vermehrte und veränderte Auflage“ erscheint in Danzig.⁴³ Wiederum stehen die (vermeintlichen) Mängel seiner Sprache und die damit einhergehende Unfähigkeit zur Dichtung im Fokus: Die meisten [Veränderungen, M.M.] sind der Sprache zu Liebe geschehen. Die Vorsehung hat mich nunmehro in Teutschland geführet; ich habe seit sechs Jahren mehr Gelegenheit gehabt, mir das Teutsche bekannt zu machen, das zwar einiger massen meine Mutter-Sprache ist, aber in meinem Vaterlande viel unreiner, und fast seltener, gesprochen wird, als das ganz fremde Französische.⁴⁴

Der Ortswechsel nach Göttingen hat also auch unmittelbare Auswirkungen auf Hallers Dichtung. Er unternimmt den Versuch sich der deutschen Hochsprache anzunähern, sich ihr weiter zu assimilieren und sich von seinem schweizerischen Idiom zu distanzieren. Genau in diese Zeit fällt die vernichtende Kritik von Christlob Mylius, der die Leipziger in toto hinter sich weiß. Hallers Plan ging also nicht auf. In der vierten Auflage – 1748 – sucht er erstmals die Konfrontation und verteidigt seinen Dichtungsstil. Erstens verteidigt Haller – wenngleich nur behutsam – seine Muttersprache, in der doch einiges auszudrücken möglich sei, gerade auch in der Poesie. Und er greift zu einem argumentativ geschickten Schachzug, wenn „ich sage, daß Lohenstein mein erstes Vorbild, und meine Aufmunterung zum Dichten gewesen.“⁴⁵ Geschickt ist der Schachzug deshalb, weil Haller die Schlesische Dichterschule und mit ihr selbstredend auch Opitz gegen die Leipziger in Stellung bringt. Auch diese hätten dialektale Färbungen in ihrer Sprachverwendung und seien dennoch große Dichter. Großen Illusionen gibt sich Haller indes nicht hin: „Es ist das dritte mahl, daß ich an dieser Ausbesserung arbeite, und dennoch werde ich diejenige ihres Vergnügens nicht beraubet haben, die das ihrige im Tadeln suchen.“⁴⁶ Haller versucht immer wieder klar zu machen, dass seine Poesie ein Produkt der wenigen Nebenstunden ist. Umso dankbarer zeigt er sich nun erneut gegenüber nicht namentlich genannten Freunden, die offenbar mit denjenigen Freunden, die in der Vorrede zur ersten Auflage apostrophiert wurden, identisch sind.⁴⁷ Ohne diese Unterstützung in Form von „Schuz-Schrifften“ hätten seine „verwaisten Poesien durch ihre eigenen Kräffte, niemals sich dem ernstlichen Vorsatz […] widersetzen können, den man zu ihrem Verderben gefasst hat.“⁴⁸ Dennoch ergibt sich eine tiefgreifende Einsicht, die       

Ebd. Haller: Versuch Schweizerischer Gedichte 1743. Ebd. Haller: Versuch Schweizerischer Gedichte 1748, 5. Ebd., 8. Ebd., 10. Ebd.

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fernerhin im Hinblick auf die Rezension als Medium einer möglichen Weltliteratur fruchtbar gemacht wird: „Wenige Leser urtheilen aus eigener Ueberlegung, noch weniger haben auch, wann sie selber wiegen wollen, eine richtige Waage.“⁴⁹ Dem Leser diese Waage an die Hand zu geben, ist die Aufgabe der Rezension. Es ist auch für den heutigen Leser noch eine schmerzhafte Lektüre, wie Hallers Dichtung einerseits von einer sächsischen Warte heraus massakriert wird, und wie der Gelehrte selbst sich andererseits versucht für sein scheinbar unzureichendes Hochdeutsch zu entschuldigen. Es ist ein kaum zu ertragendes Wechselspiel von Erniedrigung und Selbsterniedrigung. Hallers persönlicher Umgang mit diesem Verriss ist indes bemerkenswert souverän und abgeklärt. Wenn man selbst schon nicht Dichtung von weltliterarischem Rang zu schaffen im Stande ist, so kann man ihr im ganz eigenen Regeln folgenden Medium der Rezension auf die Füße helfen, indem man die poetologischen Eckpunkte zu ihrem Gelingen hilft mit auszuloten. Spätestens 1749 sind der Abschied von der Dichtung und die Hinwendung zum Medium der Rezension vollzogen, in Albrecht von Hallers eigenen Worten: Es ist nicht ganz und gar, aber doch beinahe so. Der Verfasser der Gedichte, davon man hier die Uebersetzung siehet, glaubt, sein Geschmack für die Dichtkunst sei grösser, als seine Gaben. Das kann sein; es ist viel leichter, die Schönheiten eines Vergil zu empfinden, und die Fehler eines Voltaire zu beurtheilen, als eine Aeneis oder einen Catilina zu schreiben.⁵⁰

Haller hatte seine Dichtung seit jeher als defizitär begriffen,⁵¹ hier haben ihn die folgenden Generationen vollumfänglich rehabilitiert. Seine Leistungen im Bereich des Rezensionswesens – wo ihm im 18. Jahrhundert sicherlich nur Lessing ebenbürtig war – in gleicher Weise auf einer inhaltlichen Ebene zu würdigen, steht in weiten Teilen noch aus.

Literaturverzeichnis Primärliteratur Anonym [i. e. Christlob Mylius]: „Beurtheilung des Hallerischen Gedichts, über den Ursprung des Uebels“. Bemühungen zur Beförderung der Critik und des guten Geschmacks. Erstes Stück. Halle 1743, 101 – 108. [Anonym]: „Fortgesetzte Beurtheilung des Hallerischen Gedichtes, über den Ursprung des Uebels“. Bemühungen zur Beförderung der Critik und des guten Geschmacks. Erstes Stück. Halle 1743, 148 – 158.

 Ebd.  [Haller]: Sammlung kleiner Hallerischer Schrifften, S. 176. Auch hier sieht man wieder die typische Verschränkung von diachroner und synchroner Perspektive.  Dieses Unbehagen an der eigenen Dichtung findet sich bereits in der Vorrede der ersten Auflage von 1732.

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Sekundärliteratur Birus, Hendrik: „Goethes Idee der Weltliteratur. Eine historische Vergegenwärtigung“. Weltliteratur heute. Konzepte und Perspektiven. Hg. v. Manfred Schmeling. Würzburg: Königshausen & Neumann, 1995, 5 – 28. Bohnenkamp, Anne: „Textkritik und Textedition“. Grundzüge der Literaturwissenschaft. Hg. v. Heinrich Detering und Heinz Ludwig Arnold. München: Deutscher Taschenbuch Verlag, 2001, 179 – 203. Boschung, Urs: „‚Mein Vergnügen … bei den Büchern‘. Albrecht von Hallers Bibliothek – Von den Anfängen bis 1736“. Librarum. Zeitschrift der Schweizerischen Bibliophilen-Gesellschaft 3 (1995), 154 – 174. Braun-Bucher, Barbara: „Hallers Bibliothek und Nachlass. Literaturkritik“. Albrecht von Haller. Leben – Werk – Epoche. Hg. v. Hubert Steinke, Urs Boschung und Wolfgang Proß. Göttingen: Wallstein, 2009, 515 – 526. Daston, Lorraine: „The Empire of Observation, 1600 – 1800“. Histories of Scientific Observation. Hg. v. Lorraine Daston und Elizabeth Lunbeck. Chicago und London: University of Chicago Press, 2011, 81 – 113. Décultot, Elisabeth und Helmut Zedelmeier (Hg.): Exzerpt, Plagiat, Archiv. Untersuchungen zu neuzeitlichen Schriftkultur. Halle: Mitteldeutscher Verlag, 2017. Distelkamp, Martin: „Parameter der Antiqui-Moderni-Thematik in der Frühen Neuzeit“. Diskurse der Gelehrtenkultur in der Frühen Neuzeit. Hg. v. Herbert Jaumann. Berlin und Boston: de Gruyter, 2010, 157 – 177. Elschenbroich, Adalbert: „Nachwort“. Albrecht von Haller: Die Alpen und andere Gedichte. Hg. v. Adalbert Elschenbroich. Stuttgart: Reclam, 2004, 87 – 118. Frey, Adolf: Albrecht von Haller und seine Bedeutung für die deutsche Literatur. Leipzig: Severus, 1879, 56 – 85. Goßens, Peter: „‚Neue Weltliteratur?‘ Goethes Weltliteratur-Begriff im Kontext der Globalisierung“. Goethe-Jahrbuch 134. Hg. v. Frieder von Ammon, Jochen Golz und Edith Zehm. Göttingen: Wallstein, 2017, 39 – 46. Guthke, Karl S. (Hg.): Hallers Literaturkritik. Tübingen: Niemeyer, 1970. Harms, Wolfgang: „[Art.] Rezension2“. Reallexikon der deutschen Literaturwissenschaft. Hg. v. Jan-Dirk Müller u. a. 3 Bde. Berlin und Boston: de Gruyter, 1997 – 2003, Bd. 3, 281 – 283. Knape, Joachim: Poetik und Rhetorik in Deutschland 1300 – 1700. Wiesbaden: Harrassowitz, 2006.

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Literaturkritik in der Epoche der Aufklärung: Gotthold Ephraim Lessings Rezensionen als ästhetische Schriften? 1 Der Begriff Weltliteratur: Annäherung an eine Definition Das erneute Interesse an dem Begriff ‚Weltliteratur‘ als kritischem Rahmen, Literatur zu lesen, kann als der Versuch wahrgenommen werden, sich nach der Vorherrschaft der postkolonialen Studien auf die Suche nach methodologischen Verfahren zu begeben, durch die man Literatur interkulturell verstehen und erklären kann. In seinem Buch What is World Literature? (2003) fragt David Damrosch nach der Art und Weise, wie die Welt sich stetig von einem nationalen zu einem globalisierten Zusammenhang verändert, und in welchem Verhältnis dabei die literarische Produktion zur jeweiligen Welt steht. Damrosch versucht aufzuzeigen, wie sich ein literarisches Werk verwandelt, sobald es seine nationalen Grenzen überschreitet und international bekannt wird. In einem neuen Kontext bekommt jedes literarische Werk eine neue Bedeutung, oder anders formuliert: es fügt sich in die neue Kultur ein und bereichert sie. Damrosch verwendet die geometrische Figur der Ellipse, um deutlich zu machen, dass ein literarisches Werk in Wirklichkeit nie seinen Ursprungsort verlässt, sondern wie die Ellipse zwei Brennpunkte hat, einen in seinem Heimatland und den anderen im Zielland. Infolgedessen bewege sich der Informationsfluss ständig und bringe Ideen und Konzepte zweier voneinander verschiedener Kulturen mit sich. Es gebe nicht nur eine Ellipse, sondern mehrere, die sich zwischen zwei oder mehr verschiedenen Kulturen in differente Richtungen bewegen und diesen Austausch ermöglichen. Damrosch spricht von einem Austausch, der nicht nur die Kultur betreffe, sondern auch die Sprache, und der zunächst aus sozial-politischen und ökonomischen Gründen entstehe.¹ In dieser Hinsicht zielt der vorliegende Beitrag darauf ab, innerhalb des umfassenden Diskurses über Weltliteratur und ihre Definition auszuführen, wie und in welchem Maße literaturkritische (und andere) Rezensionen in Zeitschriften zwischen dem 18. und dem 19. Jahrhundert zur Entstehung und Entwicklung des Begriffs der Weltliteratur und somit zur Kenntnis von fremden Literaturen beigetragen haben. Das wird anhand der Rezensionstätigkeit von Gotthold Ephraim Lessing (1729 – 1781) analysiert, der sich in seinem vielseitigen Werk, obwohl er sich an einem Begriff nationaler Literatur orientiert, auch mit einer Auffassung von Weltliteratur in nuce befasst hat.²  Vgl. auch Pizer: Goethe’s World Literature; Casanova: La république mondiale des lettres.  Vgl. Barner: Res Publica litteraria und das Nationale. https://doi.org/10.1515/9783111180403-005

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Lessing, dessen Hauptinteresse es ist, zur Entstehung einer deutschen Nationalliteratur beizutragen, verwendet nie explizit den Begriff der Weltliteratur, dennoch lassen sich in verschiedener Hinsicht Bezüge darauf erkennen, die nicht einfach mit einem quantitativen Aspekt im Sinne einer Summe der relevanten literarischen Werke zu tun haben. Vielmehr versucht Lessing, die Idee eines kultur- und nationenübergreifenden Wissenstransfers zu entwickeln, was z. B. durch sein Ziel deutlich wird, in Hamburg „den Deutschen ein Nationaltheater zu verschaffen, da wir Deutsche noch keine Nation sind“.³ Sein Projekt eines Nationaltheaters beweist, dass er sich immer im Horizont der Weltliteratur bewegt hat, wobei er sich immer – sowohl als Kritiker wie auch als Autor – der Herausforderung gestellt hat, die ‚große Welt‘ in die ‚kleine‘, begrenzte Welt Deutschlands einzuführen. Dies untermauert die These, dass Lessing, obwohl er den Goethe’schen Begriff der Weltliteratur nicht kennen konnte (Goethe prägte diesen 1827, Lessing starb 1781), mit früheren Konzepten von Weltliteratur vertraut war, die schon vor Goethe in der Öffentlichkeit geläufig waren, z. B. mit Wielands Vorstellung von Weltliteratur im Sinne von Andersheit (vor allem von Orientalismus).⁴ Demzufolge wird Lessing durch seine literaturkritischen Arbeiten, die nicht von seinen anderen Werken getrennt zu betrachten sind, zum Pionier des Diskurses über Weltliteratur. Bei ihm, der als Sohn der Aufklärung trotz seiner Faszination für seine eigene Zeit die Welt kritisch prüft, impliziert ein möglicher Begriff von Weltliteratur die Fragestellung nach der stetigen Veränderung der Welt und der Notwendigkeit, die Geschichte immer wieder neu zu denken. Wie später Goethe bezieht Lessings Literaturkritik soziale und politische Aspekte mit ein. Hinsichtlich des Nachdenkens über die Rezension als Vermittlerin von Weltliteratur ist zu fragen, welchen Stellenwert die Literaturkritik zur Zeit der Aufklärung in der literarischen Welt hatte, welche spezifischen Aufgaben man ihr zuschrieb, welche Verfahren entwickelt wurden, um Literatur zu beschreiben und zu bewerten, und schließlich, wer an dieser Kommunikation beteiligt war. Diese Fragen beziehen sich auf eine Analyse der Literaturkritik und speziell der Rezension als einer innerliterarischen Aufgabe, die sich mit der öffentlichen Kommunikation von Literatur beschäftigt und mithin den literaturkritischen Diskurs, seine Argumentationsstrategien und -strukturen sowie die ästhetische Theorie und Geschmacksgeschichte gleichermaßen berücksichtigt.

2 Lessing als Literaturkritiker Seit der Aufklärung wird die Literaturkritik als Institution der Öffentlichkeit begriffen:⁵ Es geht um eine literaturkritische Praxis, die mehrere – teilweise auch im Konflikt  Lessing: Hamburgische Dramaturgie, Werke IV, 450.  Vgl. Weitz: Der einzelne Fall, 349 – 352.  Vgl. Wolf: Fruchtbarer Augenblick – prägnanter Moment; Vollhardt: Lessings Kritik; Müller: Feldkontakte, Kulturtransfer, kulturelle Teilhabe.

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miteinander stehende – Funktionen hat: Zum einen informiert sie über aktuelle Entwicklungen durch die Auswahl der rezensionswürdigen Literatur und dient der Orientierung der Lesenden. Sie erhält damit einen didaktischen bzw. vermittelnden Charakter: In der Frühphase ihrer Etablierung als Gattung in der wissenschaftlichen Debatte bekommt die Rezension die Aufgabe, ein potentiell interessiertes Lesepublikum auf wissenschaftliche und literarische Neuigkeiten auf dem Buchmarkt aufmerksam zu machen. Ihr primäres Ziel war es, dieses Publikum in die Lage zu versetzen, die beschleunigte Wissensproduktion innerhalb der République des Lettres zu kennen und zu verstehen. Zudem sollten Rezensionen einen öffentlichen Austausch von Wissen, Erkenntnissen und wissenschaftlichen Meinungen fördern, um die Entfaltung eines Bildungspublikums zu ermöglichen, das langsam über die Elitezirkeln hinausreicht und sich zu einer breiteren öffentlichen Gemeinschaft entwickelt. Es geht also nicht nur um die Beurteilung individueller Bücher und Autoren durch die Rezensenten, sondern auch um die Vermittlung der Prinzipien und Theorie der Literatur (ihr Wesen, ihre Entstehung, ihre Funktion und Wirkung, ihr Verhältnis zu anderen menschlichen Betätigungen), um die Verständigung über die Subjektivität, deren öffentliche Organisation und Akzeptanz, die nicht nur als Ergänzung durch den kritisch-rationalen Diskurs, vielmehr als bürgerliche Öffentlichkeit zu begreifen ist.⁶ Es ist die Rede von einer Form der Kritik als Meinungsbildung innerhalb der literarischen Öffentlichkeit, der sich, nach Kants Behauptung in der Vorrede zur Kritik der reinen Vernunft, „alles unterwerfen muß“.⁷ Etabliert werden soll eine Kritik, die sich gegen alles „Scheinwissen“ richtet und auf den universellen Anspruch der Vernunft bezieht. Ohne diesen Zusammenhang zwischen Kritik und Öffentlichkeit zu beachten, würden die Funktion der literarischen Polemik und ihr politischer Gehalt verkannt. In diesem historischen Kontext gilt Lessing – wie Vollhardt argumentiert⁸ – mit seiner vielseitigen Tätigkeit als Dramatiker, Journalist, Literatur- und Kunsttheoretiker, Philosoph, Religionskritiker, Bibliothekar, Philologe und Polemiker als einer der berühmtesten Vertreter der europäischen Aufklärung. Seine zahlreichen Beschreibungen und Interpretationen der verschiedenen Kunstformen seiner Zeit sind ein sehr gutes Beispiel dafür, dass die Rezension als eigenständige literarische Gattung begriffen werden kann,⁹ die zu einer internationalen Positionierung der deutschen Literatur beigetragen hat. Seine Rezensionen entsprechen seiner Idee von einer Relativität des  Vgl. Luhmann: Gesellschaftsstruktur und Semantik; Koselleck: Kritik und Krise.  Kant: Kritik der reinen Vernunft, 9.  Vgl. Vollhardt: Gotthold Ephraim Lessing. Epoche und Werk; Vollhardt: Kritik der Apologetik.  Schon zu seiner Zeit wird Lessings Rezensionskunst allgemein anerkannt. Man denke an Sulzer, der behauptet: „Es ist hier ein neuer Criticus aufgestanden […] er scheint nur noch ein wenig zu jung“ (Daunicht: Lessing im Gespräch, 42), oder an Herder, der 1781 sagt: „[K]ein neuer Schriftsteller, dünkt mich, hat in Sachen des Geschmacks und des feinerem gründlichen Urteils über literarische Gegenstände auf Deutschland mehr gewirkt, als Lessing“ (Steinmetz: Lessing, 123), und an Friedrich Schlegel, der von Lessings „zermalmende[r] Beredsamkeit“ redet und der Meinung ist, „[a]lles was Lessing gethan, versucht und gewollt hat, läßt sich am füglichsten unter dem Begriff der Kritik zusammenfassen.“ Schlegel: Lessings Gedanken und Meinungen, Tl. 3, 51.

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Wahrheitsbegriffs, der Offenheit und Beweglichkeit seines Denkens, durch die er immer wieder geltende Begriffe und Definitionen in Frage stellt, damit sie sich nicht zu unreflektierten Dogmen verhärten. Lessings poetische Entwürfe und sein historisch-kritisches Argumentationsverfahren sind jenen kulturellen Traditionen zuzuordnen, die sich im achtzehnten Jahrhundert ausgebildet haben, denkt man z. B. an seine Rettungen oder seine theologischen Schriften. Lessings Rezensionstätigkeit ist sehr umfassend (z. B. Gottsched, Neuer Büchersaal; Gottsched, Gesammelte Reden; Massuet, Elemens de la Philosophie moderne; Schönaich, Die ganze Ästhethik in einer Nuß) und gliedert sich in verschiedene Phasen.¹⁰ Obwohl es schwerfällt, Lessings Literaturkritiken zu klassifizieren, spielen sie eine wichtige Rolle im Werk des anerkannten Kunstrichters. In der Frühphase seiner literarischen Arbeit ist er Rezensent bzw. Auftragsschriftsteller, der Rezensionen eher aus ökonomischen Gründen als aus Vorliebe für diese Form der Kritik verfasst. In diesen ersten literarischen Kritiken zeigt er wenig Respekt für die Texte, die er zu beurteilen hat, oft ersetzt er die Textanalyse durch eine Paraphrase und spart nie an einer bissigen und polemischen Pointe, wie das Zitat aus der Rezension zu Schönaichs Die ganze Ästhethik in einer Nuß beweist: Die ganze Ästhetik in einer Nuß, oder Neologisches Wörterbuch; als ein sichrer Kunstgriff, in 24 Stunden ein geistvoller Dichter und Redner zu werden, und sich über alle schale und hirnlose Reimer zu schwingen. Alles aus den Akzenten der heil. Männer und Barden des jetzigen überreichlich begeisterten Jahrhunderts zusammengetragen, und den größten Wortschöpfern unter denselben aus dunkler Ferne geheiliget von einigen demütigen Verehrern der sehraffischen Dichtkunst 1754. In 8vo. 1 Aphb. 10 Bogen. Dieser Titel ist hoffentlich lang und närrisch genug, um einen hinlänglichen Begriff von dem Buche selbst zu machen. Wenn man es eine Nachahmung des französischen Dictionaire Neologique nennen will, so vergesse man nur nicht, es eine elende Nachahmung zu nennen, so wie man sie von einem geschwornen Gottschedianer erwarten konnte.¹¹

Die Lektüre von Pierre Bayles Dictionnaire historique et critique (1697),¹² die eine Pflichtlektüre der Zeit war, beeinflusst aber nicht nur Lessings Idee der Rezension, sondern bildet auch das Modell einer Kritik, die sich auf den Vergleich von Quellen und Überlieferungszeugnissen stützt. Lessing versteht, dass die Literaturkritik – neben seinen anderen Werken – eine Waffe ist, die eigenen Thesen zu bekräftigen, sein Denkund Urteilsvermögen in die Praxis zu überführen, wie er es dann in der Hamburgischen Dramaturgie (1767– 1769) umsetzen wird. Rezensiert er Werke, die sich mit der Nachahmung der Antike, dem Fortschritt der sittlichen Kultur, dem Vergleich zwischen alter und neuer Dichtung befassen, wird seine Rezension zu einer beweglichen Textsorte, die  Lessings Rezensententätigkeit bei der Berlinischen privilegirten Zeitung fällt in die Jahre von 1748 bis 1755 und endet mit seiner Umsiedlung nach Leipzig. Nach dem Jahr 1755 sind seine Rezensionen meist gelegentliche Arbeiten, die sich aber immer noch mit dem Versuch beschäftigen, eine nationale Literatur zu gründen.Vgl. Lessing: Werke V, 820 – 821; Barner: Autorität und Anmaßung; Beyer: Lessing, la critique et les arts; Michelsen: Der Kritiker des Details.  Lessing: Schönaich, Die ganze Ästhethik in einer Nuß, Werke III, 216.  Vgl. Nisbet: Lessing und Pierre Bayle.

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auf einer Metaebene eine kommunikative Leistung erbringt, ein Netzwerk bildet und den kulturellen Austausch durch die Dialogfiktion (vgl. Briefe, die neueste Literatur betreffend) ermöglicht. Nach und nach wird sie bei Lessing zum Mittel dafür, eine nationale Literatur zu gründen. In diesem Prozess ist das Studium anderer europäischer Literaturen (vgl. die Rolle der französischen Literatur für die deutsche, gegen deren Einfluss er sich stark äußert, oder Shakespeares) von grundlegender Bedeutung. Ist er in seinen frühen Rezensionen noch den Prinzipien einer Regel- und Nachahmungspoetik verhaftet,¹³ entscheidet er sich später aufgrund neudefinierter ästhetischer Werte und unterschiedlicher Entwicklungstendenzen innerhalb der modernen europäischen Nationalliteraturen dafür, sich mit der ihm zeitgenössischen Literatur zu befassen, betont jedoch immer noch „das Muster der Alten“ als Ideal. Beispiele dafür sind das 152. Stück der Berlinischen privilegirten Zeitung ¹⁴ und die Rezension von Gottscheds Gedichten. Seine bissige textzentrierte Kritik wird zur Satire, die ihm dabei hilft, sich im literarischen Panorama zu profilieren, wie die folgende Textpassage beweist: Das Äußerliche dieser Gedichte ist so vortrefflich, daß sie, wie wir hoffen, den Buchläden große Ehre machen werden, und wie wir wünschen lange Zeit machen mögen.Von dem innerlichen aber einen zureichenden Entwurf zu geben, das übersteigt unsre Kräfte. Der erste Teil ist alt, und nur die Ordnung ist neu, welche der schärfsten Hof-Etiquette Ehre machen würde. Wenn der Verfasser den Einfall dazu nicht in Wien bekommen hat, so hat er ihn wenigstens nicht bei dem Horaz gelernt, dem er sonst ein sehr wichtiges Kunststück abgestohlen hat, das große Kunststück nämlich seine Jübeloden allezeit fein zum Schlusse der Abteilung von den Oden zu setzen. Der andre Teil ist größten Teils neu, und mit eben der Rangordnung ausgeschmückt, welche bei dem ersten so vorzüglich angebracht ist; so daß nämlich alle Gedichte auf hohe Häupter und fürstliche Personen in das erste Buch; die auf gräfliche, adeliche und solche die ihnen gewissermaßen gleich kommen, ins zweite; alle freundschaftliche Lieder aber ins dritte Buch gekommen sind. Uns ist die Ode auf den Herrn von Leibniz sogleich in die Augen gefallen. Der größte Teil derselben beschäftiget sich mit dem Lobe der Stadt Leipzig. Das ist Pindarisch! […].¹⁵

Lessings Literaturkritik ist also eine philologisch fundierte, ein Zusammenhang von antiken Gestaltungsprinzipien und modernen poetologischen Überlegungen, in denen er die Dialektik des Allgemeinen und Besonderen im Rückgriff auf Aristoteles in den Figuren dramatischer und komischer Gattungen nachweist. Seine Fragestellungen in den Rezensionen sind unmittelbar mit dem literarischen Leben seiner Gegenwart verbunden. Zur Zeit Lessings befindet sich Deutschland auf der Suche nach einem nationalen Identitätsgefühl, das ein Zugehörigkeitsgefühl mit sich bringen soll, welches aus einer geschichtlichen Kontinuität in einer gemeinsamen Sprache oder in einer kollektiven literarischen Tradition, also aus einer Identität über die Literaturgeschichte, besteht.

 Lessing: 17. Brief, Briefe, die neueste Literatur betreffend, Werke V, 70 – 73.  Lessing: Crébillion, Idomeneus, Werke II, 192– 193.  Lessing: Gottsched: Gedichte, Werke III, 52.

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Mittels einer Art Dialog über literarische Phänomene einzelner Nationen und mit Blick auf das entstehende Deutschland formuliert Lessing in seinen Rezensionen die Defizite seines Landes gegenüber ausländischen Vorbildern der Vergangenheit und Gegenwart. Er beschäftigt sich mit allen Bereichen der aktuellen Literatur, nicht nur der schönen, kritisiert die zeitgenössische Kanonisierung einiger Werke, und mit Bezug auf den französischen Klassizismus und auf den Vorderen Orient eröffnet er einen weltbürgerlichen Horizont im Literaturverständnis.¹⁶ Durch ein transnationales Denken also, durch die Vorbildlichkeit antiker Literaturmuster und die Transformationen eines humanistischen Wissensideals in eine individuell bestimmte Humanität wird die Lessing’sche Rezension zu einem zukunftweisenden Modell universalen Wissens und literarischer Kritik. Anhand der Besprechung einzelner Texte bzw. Werke, die inhaltlich wie auch formal sehr divers sind, nimmt er die Perspektive des Fremden ein und beschäftigt sich mit der Problematik des Verstehens. Er konfrontiert sich und die deutschsprachige Literatur mit der Pluralität anderer Literaturen, sodass seine Rezensionen als Netzwerke der Literatur, als Medium einer intimen Lektüre eines Textes in einer diskursiven Form begriffen werden können. Das Fremde, das Andere wird zu einer hermeneutischen Kategorie, um sich darüber bewusst zu werden, wie einzelne Kulturen ihre spezifischen Eigenheiten bewahren. Diese Fremdheit, dieses Anderssein, die dann ihren Platz im späteren Literaturbegriff finden, helfen bei der Bildung einer Nationalliteratur, weil Voraussetzung dafür die Gewährleistung jeder Einzelsprache ist. Im Vergleich mit anderen Literaturen und den damit verbundenen Kulturen gewinnen die Rezensionen auch eine didaktische Funktion, weil sie dem Lesepublikum das Andere / das Fremde vor Augen führen und es in der Abgrenzung zum Eigenen bewusst machen. In seinen Rezensionen untersucht Lessing nicht nur die Methode des jeweiligen Autors, sondern auch die Aussage bzw. Zweideutigkeit des Werkes, und stellt somit poetologische Geschmacksfragen: Der Verfasser dieser Schrift ist eben der, welchem wir die philosophischen Gespräche schuldig sind. Sie sind durchgängig mit Beifall aufgenommen worden. Wir wünschten aber sehr, daß man diesen Beifall mehr auf den Inhalt, als auf die Art des Vortrags hätte gründen wollen.Waren denn abstrakte Gedanken in einer schönen Einkleidung eine so gar neue Erscheinung unter uns, daß man bei der Anmut der letztern die Gründlichkeit der erstern übersehen durfte? Wären sie in den barbarischsten Ausdrücken einer lateinisch scheinenden Sprache vorgetragen worden, so würde man sie untersucht und bestritten haben. Warum unterblieb beides, da sie deutsch, da sie schön abgefaßt waren? Ist der Deutsche, wenn er ein gründlicher Kopf ist, so gar düster und allen Grazien so gar feind; oder ist der Deutsche, wenn er ein schöner Geist ist, so gar seicht, daß jener nicht will, und dieser nicht kann?¹⁷

In dieser Textpassage zeigt sich Lessing als Kritiker, der den Rezipienten das letzte Urteil überlässt: Indem er nach den Wirkungsmöglichkeiten der Künste fragt, die er am Ein-

 Birus: Lessing und die Weltliteratur.  Lessing: Mendelssohn, Über die Empfindungen, Werke III, 256.

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zelfall prüft, versucht er, verfestigte Vorurteile aufzulösen und die gegenwärtige literarische Debatte zu dynamisieren, wie folgendes Beispiel zeigt:¹⁸ Wir haben zu wenig eigne Stücke; und den meisten dieser Stücke merkt man das Ausländische allzusehr an. Der sicherste Charakter also, den man daraus von dem Deutschen wird bestimmen können, ist, daß er überall das Gute, wo er es findet, billige, und es sich zu Nutze mache. Das ist gewiß, wollte der Deutsche in der dramatischen Poesie seinem eignen Naturelle folgen, so würde unsre Schaubühne mehr der englischen als französischen gleichen.¹⁹

Lessing folgt der kritischen Praxis, die er im Essay über den Laokoon (Laokoon: Oder über die Grenzen der Malerei und Poesie, 1766) zum Ausdruck bringt, wobei er nicht darauf abzielt, eine endgültige These zu einem bestimmten Problem aufzustellen. Vielmehr interessiert er sich für die Methode selbst, die Fähigkeit, Aufmerksamkeit auf das Thema zu lenken, deren Darstellung ihn fasziniert und die das Fundament seines kritischen Denkens bildet. Wie Décultot hinsichtlich des Laokoon argumentiert hat, ist Lessings Kritik von einer methodologischen Doppeldeutigkeit charakterisiert, die sowohl ein induktives Verfahren als auch eine genaue Beschreibung des zu analysierenden Kunstwerkes in sich birgt.²⁰ „Beschreiben“ im Fall der Dichtung und „schildern“ in Bezug auf das Kunstwerk sind zwei Verfahren, die nicht nur im Laokoon zur Anwendung kommen, sondern auch Lessings Rezensionen charakterisieren. Seine Kritik wird ferner von zwei weiteren Elementen bestimmt: der Aufmerksamkeit gegenüber dem individuellen Empfinden und Wahrnehmen, die vom Kunstwerk verursacht werden, und der Konkretheit des Werkes selbst. Zu seiner Zeit sind dies keine originellen Gedanken, wenn man bedenkt, dass Du Bos schon 1719 in seinen Réflexions critiques sur la poésie et la peinture von der Wichtigkeit des menschlichen Gefühls in der ästhetischen Erfahrung gesprochen hatte. Es sind aber Themen, die die diskurstheoretischen Debatten der Zeit beherrschen, welche die individuelle Wahrnehmung ins Zentrum stellen. Die Eigentümlichkeit von Lessings Kritik besteht darin, dass er sich gegen die traditionellen Regeln der Kunst stellt, zumal sie sich auf die Autorität der Tradition und Konvention stützen; er benutzt sie nur, insoweit sie mit Natur und Vernunft übereinstimmen. Er wendet sich gegen die Regeln, die den Konventionen der Ständegesellschaft und des Hofes sowie deren Dichtkunst entsprechen. Wenn er sich auf Regeln beruft, hat er kritisch geprüft, ob sie seinen Vorstellungen einer bürgerlichen Literatur entsprechen. Lessing beachtet weniger die philosophische Begründung des Kunstempfindens als die Verwirklichungsmöglichkeiten der Künste und ihrer Gattungen. Das, was ihn fesselt, ist die Wirkung der Kunst auf die Menschen: Er will keine allgemeine Theorie der Kunst oder der Literatur entwickeln, sondern er verhält sich den Künsten gegenüber als ihr empirischer Kunst-

 Vgl. Anz: Literaturkritik: Geschichte – Theorie – Praxis, 196.  Lessing: „Vorrede“ der Beyträge zur Historie und Aufnahme des Theaters (1750).  Vgl. Décultot: Le Laocoon de Gotthold Ephraim Lessing.

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richter, als ästhetischer Empiriker.²¹ Bei ihm ist die Rezension sowohl eine Darstellungsweise wie auch eine Schreibform, die einem Wahrheitskriterium und einem Erkenntnisanspruch folgt. Sie ist nicht nur die Beschreibung ästhetischer Gebilde, sondern auch kognitiv valenter Verfahrens- und Ordnungsweisen. Die Rezension ist eine spezifische literarische Gattung, aber auch eine Modalität des Denkens und des Schreibens, die für die Literaturkritik konstitutiv wird. Nach Roland Barthes entwickelt sich in der Rezension eine Beziehung zur eigenen Sprache. In der Rezension zeigen sich auch die Probleme der Einbildungskraft und des Stils, insofern sie als hermeneutischer und bewertender Ausgangspunkt aller möglichen Wege zu begreifen ist, zum Kern des Werkes zu gelangen.²² Die Rezension versucht, die vielfältigen Aspekte der im Werk synthetisch dargestellten Welt aufzuzeigen. Die Kritik eines literarischen Textes oder eines Kunstobjekts kommt bei Lessing einer Erkenntnisform zur Suche und Entdeckung des Wahren gleich. Als hermeneutischer Akt untersucht sie einen Text in der Dialektik zwischen Information und Bewertung und ist somit eine Verantwortungsübernahme, weil sie bestimmte, gezielte Informationen bzw. Gedanken vermittelt. Wenn Lessing rezensiert, geht er wirkungsästhetisch von den Empfindungen des Laien aus und zieht daraus Schlüsse, die mit den Grundbegriffen des Vollkommenen und des Schönen zu verbinden sind. Seine Kritik steht auch mit dem Begriff von Einbildungskraft im Zusammenhang: Letztere ist als eine Art Kunstrichter mit einer eigenen produktiven Kraft zu verstehen, die es dem Rezipienten ermöglicht, sich eigenständig dem Inhalt des Werkes und dem künstlerischen Schaffen anzunähern. In der Literatur hat die Einbildungskraft die Funktion, den Text zu generieren und die Mitteilung der tiefsten Empfindungen zu ermöglichen. Lessing berücksichtigt das Urteil anderer, d. h. das ideale Ganze der literarischen Öffentlichkeit. Er orientiert sich am Einzelfall, stellt jedoch in seiner Kritik auch Prototypen, Idealvorstellungen und Gattungserwartungen dar. Er hat im Unterschied zu Gottsched kein festes Regelsystem, an dem er das jeweilige Kunstwerk misst. Im 105. Literaturbrief behauptet er, „es sei die Pflicht des Kriticus, so oft er ein Werk zu beurteilen vornimmt, sich nur auf dieses Werk allein einzuschränken […], uns nur aufrichtig zu sagen, was für einen Begriff man sich aus diesem gegenwärtigen allein, mit Grund von ihm machen könne“.²³ Die Arbeit des Rezensenten soll zur Entwicklung des Geschmacksurteils und Kunstgefühls beitragen:²⁴ Für den Kritiker, der für das Publikum spricht, ist das eigentliche Problem, die Empfindungen des Laien zu artikulieren, zu begründen und einen allgemeinen Konsens herzustellen. Der Rezensent – so drückt sich Lessing im Jahre 1767 spöttisch aus – „braucht nicht besser machen zu können, was er tadelt. Tadeln heißt überhaupt, sein Mißfallen zu erkennen geben. Man kann sich bei diesem Mißfallen

 Vgl. Steinmetz: Literarische (In‐)Kompetenz; Wellbery: Das Gesetz der Schönheit; Schauer: Beobachtung und Urteil; Multhammer: Lessings Rettungen.  Vgl. Barthes: Critique et verité, 47– 57.  Lessing: 105. Brief, Briefe, die neueste Literatur betreffend, Werke V, 280. Vgl. auch Lessing: Der Rezensent braucht nicht besser machen zu können, was er tadelt, Werke, V, 331– 333.  Vgl. Lessing: 105. Brief, Briefe, die neueste Literatur betreffend, Werke V, 280.

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entweder auf die bloße Empfindung berufen, oder seine Empfindung mit Gründen unterstützen.“²⁵ Lessing versteht seine Kritik als eine produktive Suche nach der Wahrheit, die als relativ betrachtet wird: Nicht der Besitz der Wahrheit macht den Wert des Menschen aus, sondern die Bemühung, „hinter die Wahrheit zu kommen“.²⁶ Seine induktive und dialogische Polemik distanziert sich von der politischen Debatte der Zeit, weil Kritik den unpolitischen Gebieten wie Philosophie, Kunst und Literatur angehört. Im Gegensatz zu Gottsched, dessen Kritikform und deduktivem Verfahren (Urteil des „richtenden“ Dichters, vorgegebenes System überlieferter und selbstgesetzter Regeln, deren Wahrheit feststeht) leitet Lessing sein Urteil aus der Wirkung des Einzelwerks her und vollzieht somit eine empirische Überprüfung der Regeln: Methode und Darstellung der Kritik sind Mittel der Publikumserziehung. Der Kritiker entwickelt seine Gedanken und sein Urteil vor den Augen des Lesers in einer dialogischen Darstellungs- und Argumentationsweise, im Prozess der Urteilserfindung. Ihn bewegt eine literaturpädagogische Absicht. Bevorzugter Adressat seiner theoretischen und kritischen Schriften ist die „Welt“: Darunter versteht Lessing nicht nur die empirische Welt, in der sein Publikum lebt und handelt, sondern auch die abstrakte, virtuelle Welt der République des Lettres wie auch die Welt der Künste. Obwohl das Publikum noch vor dem Hintergrund des mundus litterarius verstanden wird,²⁷ ist es vom Pöbel unterschieden. Der ideale Leser besitzt Geschmack und Urteilsvermögen, das es zu bilden gilt. Rezensionen sind laut Lessing „Gärstoffe der Erkenntnis“,²⁸ die zum Selbstdenken anregen sollen: Lessing „will weder dem Dichter vorschreiben, […] wie er Dichter sein sollte, noch das Publikum bevormunden“.²⁹ Als Kritiker vermittelt er zwischen Werk und Publikum auf eine induktive und dialogische Art. Ihn interessieren das Verständnis fragwürdiger zeitgenössischer Kanonisierung, der dialektische Prozess von Moral und Politik, die Sensibilisierung des Lesepublikums bzw. des Zuschauers und die Förderung einer eigenständigen Literatur, die die Öffentlichkeit konstituieren sollte. Der literarische Streit und die literarische Polemik sind keine privaten Angelegenheiten, sondern eine vor den Augen der Öffentlichkeit zu führende Auseinandersetzung. Somit wird die kritische Öffentlichkeit zur Voraussetzung für die Wirkung der Kritik. Literatur erhält mit der Verbreitung von Werten wie Tugend, Moralität, Liebe, Freundschaft usw. auch politische Funktionen, sie selbst steht im Mittelpunkt des menschlichen Lebens und ist mit Geschichte und Philologie verbunden. Da Lessing Literatur als eine Kommunikationsform versteht, tragen seine Rezensionen zur Herausbildung einer modernen Literaturkritik bei. Die Rezension kann also bei ihm als eine Art Denkform angesehen werden, eine anthropische Denkform,³⁰ d. h. menschenbezogen, weil sie sich auf ein

 Lessing: Der Rezensent braucht nicht besser machen zu können, was er tadelt, Werke, V, 331.  Lessing: Eine Duplik, Werke VIII, 33.  Vgl.Vorrede zu den Beyträge[n] zur Historie und Aufnahme des Theaters oder die Rezension Des Herrn Jakob Thomson sämtliche Trauerspiele).  Lessing: Hamburgische Dramaturgie, 95. Stück, 188.  Berghahn: Zermalmende Beredsamkeit, 26.  Vgl. Welsch: Homo mundanus.

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besonderes Menschen- und Weltbild stützt, die Diderots Behauptung in der Encyclopédie zustimmt, der Mensch sei „der einzigartige Begriff, von dem man ausgehen und auf dem man alles zurückführen muss“.³¹ Diese Denkform bildet zusammen mit Kants Kritik der reinen Vernunft den Boden seines Philosophierens und Räsonierens. Es geht um eine Denkform, die sich sowohl in Verbindung mit der Sprache wie auch mit der Kunst in ihrer erkenntnistheoretischen Rolle vollzieht. Die Rezension als Dialog mit dem Publikum wird zum Freiraum der menschlichen Freiheit, die sich nur im Gedankenaustausch vollziehen kann: Im Dialog ist das handelnde Subjekt mit der Welt konkret verbunden, die sich in der wechselseitigen Beziehung der Individuen objektiviert.

3 Rezension und Weltliteratur Wie später Goethe versucht Lessing in der Generierung nationalliterarischer Strukturen als Mittel nationaler Identitätsstiftung und in der Beschäftigung mit nationalen und fremden Stereotypen aufzuzeigen, wie voneinander unabhängige literarische Darstellungen zwischen nationaler Kultur und größeren kulturellen Kontexten vermitteln können.³² Es geht nicht nur um die Wissensvermittlung durch die europäische Welt, sondern auch mittels der Sphäre der literarischen Produktion, der Künste. Sein Bemühen um die Bildung einer nationalen Literatur bezieht sich auch auf den wissenschaftlichen Transfer und den Kontakt zwischen einzelnen Individuen. Es geht in seinen Literaturkritiken nicht nur um den Vergleich mit der kulturellen Produktion anderer Länder, wie es schon seit dem Mittelalter geschieht, sondern eher darum, eine intellektuelle Gemeinschaft auf der Basis der individuellen Wechselwirkung zu gründen. Lessing ist ein aufmerksamer Beobachter seiner Zeit und setzt sich für die freie Zirkulation von Ideen, Kontakten, Interessen, aber auch von Waren und Menschen ein. Die Regeln, die er in seinen Werken versucht festzulegen, haben nicht einfach eine normative Bestimmung, sondern können vielmehr als Kategorien³³ begriffen werden, die mit einer Art kulturellen Dissens und Alterität zu tun haben – Dissens, weil sich die unterschiedlichen Kulturen in ihrer reziproken Beziehung kennenlernen müssen, um sich dann gegenseitig zu schätzen und von diesem wechselseitigen Verhältnis zu profitieren. Lessing spürt die geistige, politische und soziale Unruhe seiner Zeit; anders als Goethe wird er die Französische Revolution und deren Folgen nicht miterleben, jedoch ahnt er bereits die sich anbahnenden, rasanten Veränderungen der Welt durch die sich weiterentwickelnde Technik, mithin die Durchlässigkeit der nationalen Grenzen, den Wettstreit um den ökonomischen Vorteil. Vor diesem Hintergrund versteht sich letztendlich ‚Weltliteratur‘ als eine Widerstandsform, die den Bestrebungen des kulturellen

 Diderot: Enzyklopädie, Bd. I, 187.  Vgl. Bollacher: Goethes Konzeption der Weltliteratur; Moretti: Conjectures on World Literature.  Vgl. Bhabha: The Location of Culture, 12.

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Imperialismus entgegen weit über die europäischen und allgemeiner die Grenzen der westlichen Welt hinausführt. Bei Lessing kann man unterschiedliche Bedeutungen des Begriffs Weltliteratur zwischen den Zeilen seiner Schriften finden: Beispiel dafür ist z. B. seine Anmerkung in der Hamburgischen Dramaturgie über die kulturelle Abhängigkeit des deutschen Theaters von den ausländischen Bühnen: Wir sind noch immer die geschwornen Nachahmer alles Ausländischen, besonders noch immer die untertänigen Bewunderer der nie genug bewunderten Franzosen; alles was uns von jenseit dem Rheine kömmt, ist schön, reizend, allerliebst, göttlich; lieber verleugnen wir Gesicht und Gehör, als daß wir es anders finden sollten; lieber wollen wir Plumpheit für Ungezwungenheit, Frechheit für Grazie, Grimasse für Ausdruck, ein Geklingle von Reimen für Poesie, Geheule für Musik, uns einreden lassen, als im geringsten an der Superiorität zweifeln, welche dieses liebenswürdige Volk, dieses erste Volk in der Welt, wie es sich selbst sehr bescheiden zu nennen pflegt, in allem, was gut und schön und erhaben und anständig ist, von dem gerechten Schicksale zu seinem Anteile erhalten hat.³⁴

Wie er bereits in der Ankündigung der Hamburgischen Dramaturgie erklärt hatte, sollte es nicht um eine einfache Nachahmung der Antike bzw. der Franzosen und deren Kunst gehen, sondern der Kontakt sollte das Bewusstsein von sich selbst als Volk und Nation mit einer eigenen Literatur entwickeln. Entsteht zunächst der Eindruck, dass Weltliteratur bei Lessing als ein Zusammenhang der Literaturen verschiedener Länder aufgefasst würde („Diese Dramaturgie soll ein kritisches Register von allen aufzuführenden Stücken halten, jeden Schritt begleiten, den die Kunst, sowohl des Dichters, als des Schauspielers, hier tun wird“),³⁵ wird im Folgenden deutlich, dass diese Beispiele aus den unterschiedlichen Literaturen für Lessing gerade der Stoff sind, mit dem sich die deutschen Schriftsteller auseinanderzusetzen haben, um in Abgrenzung dazu die Eigentümlichkeit der deutschen Literatur bzw. Kunst hervortreten zu lassen³⁶. Der Vergleich und nicht die bloße Nachahmung dient zur Erweiterung des literarischen Horizonts des deutschen Publikums. Weltliteratur kann aber auch als Interesse für die Antike und andere Kulturen, als umspannender Kanon nicht nur zeitgenössischer Literatur angesehen werden: Weltliteratur bezieht bei Lessing auch die Gebiete der Produktion, des Handelns, des Verkehrs und der Kommunikation von literarischen Werken (Prozess der Globalisierung) mit ein. Sie kann als eine neue Form der internationalen literarischen Wechselwirkungen bestimmt werden, die die Grenzen der Nationen, der Kulturen und der Diskursgemeinschaften beschreibt und zwischen ihnen literarische Kommunikation in weltbürgerlicher Absicht vermittelt. In Bezug darauf ist die Rezension nicht nur ein Nachdenken über literarische und künstlerische Werke, sondern sie trägt auch zur Entstehung der Schriftstelleridentität bei.

 Lessing: Hamburgische Dramaturgie, Werke IV, 684.  Ebd., 231– 234.  Ebd., 233.

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Die Rezension ist nicht nur als ein Phänomen der medialen Vermittlung zu verstehen, durch das sich das Interesse für neue Kunstformen ausdrückt, sondern sie ist darüber hinaus ein Mittler zwischen einem erkennenden Subjekt und einem erkannten Objekt; in dieser Konstellation der wechselseitigen Auseinandersetzung entwickelt sich ein Gefühl für Offenheit, Toleranz und Freiheit. Bei Lessing drückt sich in der Rezension eine universalistische Weltsicht aus, sie stellt die Literatur als kommunikative Leistung, Netzwerk und kulturellen Austausch dar. Somit kann die Weltliteratur als eine Art Kippfigur betrachtet werden, die Lessing durch ein hybrides, dynamisches Konzept in der Vielfalt von literarischen Formen, in der Vorstellung der Unreduzierbarkeit des sprachlichen Ausdrucks jeder Nationalliteratur umreißt. Bei ihm entspricht Weltliteratur der universellen Idee von Literatur, die an sich kein Selbstzweck, sondern eine notwendige Voraussetzung für das Weltverständnis ist. Beispiel dafür ist der Kommentar zu Wilhelm Ehrenfried Neugebauers Der teutsche Don Quichotte (1753), in dem Lessing die Bedeutung eines richtigen kulturellen Austausches (also auch durch gelungene Übersetzungen) betont. Dieser Austausch scheint der Figur der Ellipse zu entsprechen, von der mit Bezug auf Damrosch die Rede am Anfang dieses Beitrags war: Durch die Analyse der deutschen Übersetzung zeigt Lessing, wie Neugebauer geschafft hat, die Besonderheit des Originalwerkes zu bewahren und der deutschen Gesellschaft anzupassen: Unter allen spanischen Werken des Witzes ist bei Ausländern keines bekannter geworden als der Don Quixote des unnachahmlichen Cervantes, und beinahe wird es keine Übertreibung sein, wenn St. Evremont verlangt, daß man bloß dieses Buchs wegen die spanische Sprache lernen müsse. Der unzählichen Nachahmungen ungeachtet, die es wie jedes Original verursacht hat, ist es noch immer das vortrefflichste in seiner Art geblieben und wird gewiß nicht eher aufhören gelesen zu werden, als bis niemand in der Welt mehr Lust haben wird zu lachen. Die gegenwärtige Nachahmung ist keine von den schlechtesten; der Verfasser hat einen sehr komischen Witz, und eine Einbildungskraft, die an drolligten Bildern ungemein reich ist. Allein das Kunststück, unter denselben die ernsthafteste Moral zu verstecken, scheint er nicht in seiner Gewalt zu haben. Es ist daher ein unfruchtbares Lachen, welches er erweckt, und sehr geschickt einem Menschen, der nicht gerne umsonst lachen will, nicht selten ekelhaft zu werden. Sein Don Quixote ist ein deutscher Kaufmannsdiener, dessen Einbildung die Lesung der französischen Romane verrückt hat, so daß er nichts geringer als ein Graf zu sein glaubt, und nichts begieriger sucht als Abenteuer, die ihm seine Tapferkeit und seine edlen Gesinnungen zu zeigen Gelegenheit geben. Sein Sancho Pansa ist ein Diener, der die Einfalt selbst ist, und dem sein Herr den romanenhaften Namen du Bois gegeben hat. Seine Dulcinea ist ein gutes Dorffräulein, deren Verstand an einem gleichen Fieber krank liegt, und die sich eine Gräfin von Villa-Franka zu sein einbildet. Diese nebst einigen andern nötigen Personen, in einem Geschwätze von Abenteuern mit Räubern von nächtlichen Schrecken, von Siegen der zärtlichen Empfindungen etc. etc. gebracht, fein untereinander gerüttelt, mit einer angenehmen Schreibart versetzt, und dem Leser kapitelweise eingeträufelt, geben vier Teile komischer und satyrischer Begebenheiten, die man in den Vossischen Buchläden für 8 Gr. bekommen kann.³⁷

 Lessing: Neugebauer, Der teutsche Don Quichotte, Werke III, 182– 184.

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Literaturverzeichnis Primärliteratur Diderot, Denis: Philosophische Schriften. Berlin: Aufbau, 1961. Kant, Immanuel: „Kritik der reinen Vernunft“. Kant’s gesammelte Schriften. Bd. III und IV. Berlin und New York: de Gruyter, 1968 ff. Lessing, Gotthold Ephraim: Werke. Hg. v. Herbert G. Göpfert et al. München: Hanser, 1970 ff. Schlegel, Friedrich: „Lessings Gedanken und Meinungen / aus dessen Schriften zusammengestellt und erläutert von Friedrich Schlegel“. Kritische Ausgabe seiner Werke. Abt. IV, Bd. 34. Paderborn: Schöningh, 1975, 46 – 102.

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Sabine Gruber

August Wilhelm Schlegels Rezensionen europäischer Literatur Hermann Hesse, der ein ähnlich aktiver Rezensent wie ein Jahrhundert zuvor August Wilhelm Schlegel war, sah seine Rolle als Kritiker vor allem darin, „das Positive zu sehen und zu betonen“¹ und über Werke, die ihm missfielen, lieber zu schweigen. Konnte schon Hesse diesem Anspruch nicht ganz gerecht werden – es sind durchaus schlechte Rezensionen aus seiner Feder bekannt – so ließe sich eine ähnliche Aussage auf August Wilhelm Schlegel überhaupt nicht beziehen. Schlegel sah seine Aufgabe als Rezensent deutlich anders. Die Fülle scharfer Urteile in seinen Kritiken verblüfft, und selbst wenn er ein Werk oder eine Übersetzung lobt, findet er in vielen Fällen noch Details, mit denen er trotz seiner im Allgemeinen zustimmenden Rezension nicht einverstanden ist. Einen Mangel an Kritik, den er in seinen Vorlesungen häufig im Hinblick auf andere Wissenschaftler beklagt, sollte man ihm als Rezensenten nicht vorwerfen können. Seine Kritiken sind jedoch selten grob absprechend, sondern meistens fundiert und – trotz allem – in höfliche Worte gesetzt. Einen entsprechenden kultivierten Ton erwartete Schlegel auch von den Autoren, die er rezensierte, und bemängelte es, wenn diese Erwartung nicht erfüllt wurde. In einer seiner Kritiken macht er beispielsweise seinem Unmut über eine zu heftig geäußerte Kunstkritik in der französischen Übersetzung eines ästhetischen Werks von Francesco Milizia – De l’art de voir – Luft und versucht gleichzeitig eine Erklärung für diesen spürbaren Mangel an Contenance zu finden: [Der Verfasser] trägt die schneidendsten Urtheile über Kunstwerke vor, welche der seit Jahrhunderten genossene Beyfall, wenn er uns auch den unsrigen nicht abnöthigen kann, doch auf gewisse Weise ehrwürdig macht. […] der widrig heftige und höhnende Ton, worein er oft verfällt, lässt sich nur durch seinen Unwillen über das zu lange getragene Joch der Autorität und den Ekel vor der bey den italienischen Kunstbeurtheilern hergebrachten Eintönigkeit der preisenden Superlative […] und selbst durch diese kaum entschuldigen.²

Allerdings warnte Schlegel in seinen Vorlesungen über schöne Literatur auch davor, aufgrund der Beherzigung von Höflichkeitsregeln an Kritik zu sparen: „Halbheit und Zweydeutigkeit gilt hier durchaus nicht, es ist eine der ersten Maximen der Beurtheilung: was Anspruch macht, sich als Kunstwerk darzustellen, muß vortrefflich seyn oder es taugt ganz und gar nichts“.³ Abweichungen vom höflichen Ton, den dennoch die meisten seiner Rezensionen haben, sind nicht zuletzt aufgrund dieser Prinzipien in Schlegels Rezensionen immer wieder zu finden. Das liest sich dann folgendermaßen: „Es bedarf keiner Umschweife, um vorliegendes Produkt für eine der ärgsten Missgeburten

 Zit. n.: Schickling: Hermann Hesse als Literaturkritiker, 61.  Schlegel: Rez. v. Milizia: De l’art de voir dans les beaux-arts, Sp. 605.  Schlegel: Vorlesungen über Ästhetik I, 483. https://doi.org/10.1515/9783111180403-006

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Sabine Gruber

zu erklären, deren es im herabgewürdigten Fache der Romane so unzählige giebt.“⁴ Seine Kritik kann auch folgendermaßen, nicht weniger unhöflich, formuliert sein: „Man ist ungewiß, ob dieß eine undeutsche Uebersetzung oder ein undeutsches Original ist, und eben so sehr, ob es Druckfehler oder Verstöße des Verf.s gegen Grammatik oder Menschenverstand sind, was man hier in jeder Zeile lieset.“⁵ Schlegel konnte seine Ablehnung eines Werks auch so ausdrücken: „Ob es gleich nicht auf dem Titel angezeigt ist, so hat man doch alle Ursache, diese Verirrungen für ein Buch, das sich aus dem Französischen in unsre Sprache verirrt hat, und das Original für ein ziemlich fades und zusammengestoppeltes Produkt zu halten.“⁶ Im Folgenden wird zunächst ein Überblick über August Wilhelm Schlegels Rezensionen fremdsprachiger Werke – in der Originalsprache und in Übersetzungen – gegeben, und es wird anschließend diskutiert, in welchem Ausmaß darin über die Einzelrezensionen hinausweisende transkulturelle Themen angesprochen und Fragen verhandelt werden, die avant la lettre und von diesem abweichend Goethes später entwickeltes Konzept von ‚Weltliteratur‘ berühren. Schlegels Vorlesungen, für die Peter Goßens bereits untersucht hat,⁷ inwieweit darin die Idee einer Weltliteratur diskutiert wird, sollen dabei nicht im Fokus stehen, aber ergänzend herangezogen werden. Am Anfang sollen einige Sätze zur Statistik stehen,⁸ um die Bedeutung von Schlegels Rezensionen im Hinblick auf sein Gesamtwerk besser einschätzen zu können. Der Schwerpunkt seiner Rezensionen fremdsprachiger Literatur unterschiedlicher Gattungen und Genres, darunter auch wissenschaftlicher Studien, liegt auf seiner frühen Schaffensphase, denn die meisten seiner Rezensionen – unabhängig von deren Gegenstand – sind bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts erschienen. Aus späterer Zeit sind nur noch wenige Kritiken Schlegels belegt. Diese Häufung von Rezensionen in seiner frühen Zeit als Autor ist vermutlich darauf zurückzuführen, dass sich seine publizistische Tätigkeit später auf das Verfassen eigener Aufsätze konzentrierte und ihm aus diesem Grund sowie durch seine Lehrtätigkeit an der Universität Bonn ab 1818 weniger Zeit für das Schreiben von Rezensionen zur Verfügung stand. Auch mag Schlegel das Verfassen von Rezensionen als Inhaber eines Lehrstuhls und erfolgreicher Verfasser eigener Werke nicht mehr als adäquate Tätigkeit erschienen sein. Es muss also berücksichtigt werden, dass die Rezensionen Schlegels vor allem die Themenschwerpunkte und Ansichten seiner Frühphase als Autor wiedergeben, die durch seine geistige Beweglichkeit und Aufgeschlossenheit für neue Erkenntnisse durchaus von denen seiner späteren Schaffensphasen abweichen können.

 Schlegel: Rez. v. [Anonymus]: Therese, oder die unglückliche Tochter des Grafen von L**, Sp. 324.  Schlegel: Rez. v. [Anonymus]: Samma. Ein Trauerspiel, 321.  Schlegel: Rez. v. Raupach: Baron Vanini und Rosemont, Sp. 184.  Goßens: Weltliteratur.  Die Statistik stützt sich auf ein Verzeichnis von August Wilhelm Schlegels Schriften, das von Stefan Knödler erstellt wurde und bisher unveröffentlicht ist. Ich danke Stefan Knödler herzlich für die Möglichkeit, es zu verwenden.

August Wilhelm Schlegels Rezensionen europäischer Literatur

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Aus dem Zeitraum von 1789 bis 1833 sind 291 Rezensionen überliefert, die Schlegel zugeordnet werden können. Sehr viele davon erschienen in der Allgemeinen Literaturzeitung, von der sich Schlegel jedoch 1799 öffentlich und im Streit verabschiedete.⁹ Die meisten von Schlegels Rezensionen betreffen deutschsprachige Originalwerke, 68 beziehen sich auf fremdsprachige Werke oder Übersetzungen von fremdsprachigen Werken ins Deutsche. Mit einigen Ausnahmen finden sich Schlegels Rezensionen auch in der mehrbändigen Ausgabe von Schlegels Werken, die Eduard Böcking von 1846 bis 1848 ediert hat (dort im 10. Band).¹⁰ Schlegels Originaltexte wurden von Böcking sprachlich leicht modernisiert und zum Teil auch geringfügig terminologisch verändert. Deshalb werden seine Rezensionen hier in der Regel nach ihren Erstdrucken zitiert. Wo Schlegels Schwerpunkte bei seiner Tätigkeit als Rezensent lagen, wird an der Verteilung seiner Rezensionen auf verschiedene europäische Sprachen deutlich: 21 seiner Rezensionen beziehen sich auf Originalwerke oder Übersetzungen aus dem französischen Sprachraum, 10 auf Originalwerke oder Übersetzungen aus dem englischen Sprachraum, darunter – das ist sehr ungewöhnlich – auch seine eigene Shakespeare-Übersetzung,¹¹ sieben Rezensionen beziehen sich auf Originalwerke oder Übersetzungen aus dem italienischen Sprachraum. Lediglich eine Rezension bezieht sich auf einen Text aus dem spanischen Sprachraum, nämlich die der Übersetzung des Don Quixote von Tieck.¹² Übersetzungen aus dem Altgriechischen oder Lateinischen – in diesem Fall handelt es sich ausschließlich um Übersetzungen – rezensiert Schlegel nur in überschaubarer Zahl, es sind aber wichtige Beiträge darunter. Auffällig ist nicht nur, dass Schlegel seine Kritik gelegentlich mit sehr deutlichen Worten kundtut, sondern dass auch der Umfang seiner Rezensionen je nach Wertschätzung ihres Gegenstandes variiert. In der Regel gilt: Je umfangreicher eine Rezension ist, desto besser fällt Schlegels darin geäußertes Urteil aus. Möglicherweise war dieser Umstand auch dadurch bedingt, dass er Bücher, die ihm missfielen, nicht zu Ende las, sondern schnell mit einem kurzen Text abfertigte, um sich im Anschluss lohnenderen Projekten zuwenden zu können. Rezensionen dieser Art umfassen in der Regel nicht einmal eine halbe Seite. Lobende Rezensionen können bei Schlegel dagegen das Ausmaß eines wissenschaftlichen Aufsatzes annehmen und sind oft auch so gestaltet – beispielsweise mit umfangreichen Fußnoten. Schlegels Behandlung interkultureller Themen innerhalb seiner Rezensionen betrifft – was angesichts seiner vielfältigen theoretischen Überlegungen dazu in anderen Texten von ihm überrascht – am häufigsten seine Bemerkungen zu konkreten Fragen einer adäquaten Wiedergabe fremdsprachiger Texte im Deutschen, die bis ins einzelne Wort oder Metrum hineinreichen können. Zugleich nimmt Schlegel in den meisten seiner Rezensionen aber auch den kulturellen Kontext der besprochenen Werke in den  Vgl. Schlegel: Abschied von der Allgemeinen Literatur-Zeitung.  August Wilhelm von Schlegel’s sämmtliche Werke. Hg. v. Eduard Böcking. 16 Bde. Leipzig: Weidmannsche Buchhandlung, 1846 – 48.  Schlegel: Rez. v. Shakespeare: Dramatische Werke.  Schlegel: Rez. v. Cervantes: Leben und Thaten des scharfsinnigen Edlen Don Quixote von la Mancha.

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Blick, manchmal kurz, manchmal auch sehr ausführlich. Er tritt zwar für Übersetzungen ein, die die Wortbedeutung des Originalwerks möglichst treu erfassen, jedoch ist es seiner Meinung nach ebenso wichtig, Metren und Reime textnah zu übertragen. Ja, Letzteres erscheint ihm im Zweifelsfall wichtiger als Ersteres. Obwohl Schlegel in seinen Kritiken oft strenge Urteile fällt, zeigt er in ihnen ebenso eine Bereitschaft zur Selbstbescheidung. So thematisiert er wiederholt die in Bezug auf Übersetzungen begrenzte Urteilsfähigkeit von Nicht-Muttersprachlern der Ausgangssprache – eine Bescheidenheit, die zu seiner Zeit keine Selbstverständlichkeit war, und die seine Sensibilität für die Probleme des interkulturellen Austauschs zeigt. Schlegel war der Ansicht, dass „man eigentlich nur in der Muttersprache einen sichern und unmittelbaren Takt […] für diese vielfachgemischten, starken und zarten Anregungen habe“, bis „auf einen gewissen Grad“ lasse „er sich in einer fremden, selbst in einer todten, Sprache erwerben; aber nur durch Vergleichung ihres verschiedenen Gebrauchs im gemeinen Leben, im vertrauten oder edeln prosaischen Stil, und in den verschiednen Gattungen der Dichtkunst“.¹³ Ein Einfühlen in eine fremde Sprache erscheint vor diesem Hintergrund zwar möglich, wird aber auch bei größten Anstrengungen nicht dazu führen, dass diejenigen, die sie unternehmen, die fremde Sprache ohne Verluste in ihre eigene Sprache übertragen können. Ausgehend von konkreten translatorischen Fragen befasst Schlegel sich auch mit weitreichenderen interkulturellen Themen, die seiner Meinung nach eng mit den Einzelfragen der Translatorik verknüpft sein können. So thematisiert er in seiner Rezension von Voß’ 1796 erschienener Homer-Übersetzung eine seiner Ansicht nach vorhandene besondere Disposition der deutschen Sprache für Übersetzungen aus dem Altgriechischen: „Unter allen Sprachen, worein man Homers Gedichte in Prosa und Versen zu übertragen sich bemüht hat, von der syrischen bis zur englischen, kann sich vielleicht keine der Urschrift mit einer so glücklichen Treue nähern, als die deutsche.“¹⁴ Die hier geäußerte Auffassung von der Überlegenheit der deutschen Sprache, wenn es um Übersetzungen aus dem Altgriechischen geht, begründet er damit, dass allein im Deutschen die metrische Kunst der Antike „festen Fuß gefasst“¹⁵ habe, wobei er sich vor allem auf Klopstock hätte berufen können, was er an dieser Stelle jedoch nicht tut. Neben einer besonderen Affinität der deutschen Sprache zur antiken Metrik bemerkt Schlegel in seinen Vorlesungen über schöne Literatur darüber hinaus eine besondere Disposition des Deutschen zur Übertragung altgriechischer Begriffe, die er auf die hier häufigen Substantivverbindungen zurückführt: „Auch besitzt sie [die deutsche Sprache] die Fähigkeit, Wörter aus Hauptbegriffen zusammenzusetzen, in völlig gleichem Grade mit der Griechischen.“¹⁶ Weiter unten im Text seiner Homer-Rezension zieht Schlegel daraus den Schluss, man könne an deutschsprachige Übersetzungen altgriechischer Texte generell höhere Erwartungen knüpfen als an die in andere europäische Spra   

Alle Zitate in: Schlegel: Rez. v. Homers Werke, Sp. 476 – 477. Schlegel: Rez. v. Homers Werke, Sp. 473. Ebd., Sp. 473. Schlegel: Vorlesungen über Ästhetik I, 427.

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chen.¹⁷ Diese Auffassung führte er einige Jahre später in seinen Vorlesungen über schöne Literatur sogar auf eine Verwandtschaft beider Sprachen zurück: „Die deutsche Sprache offenbart noch unverkennbar ihre nahe Verwandtschaft mit dem Griechischen, ein Umstand, worauf Klopstock ein stolzes Bewußtseyn gründet, der aber nicht mehr gelten kann als sie sich von diesem Ursprunge zur Vortrefflichkeit ausgebildet.“¹⁸ In der Homer-Übersetzung von Voß sieht Schlegel die hier anzulegenden besonders hohen Ansprüche nicht ganz erfüllt, jedoch immerhin weitgehend. Vor allem lobt er die „genaue Richtigkeit in Ansehung des Wortverstandes“¹⁹. Auch über die von ihm konstatierte sprachliche Affinität mit dem Altgriechischen hinaus war die deutsche Sprache nach der Auffassung Schlegels auf Transkulturalität hin angelegt. Die deutsche Kultur war, so Schlegel, in der Lage, sich ohne das Eigene zu verleugnen, Fremdes besonders leicht anzueignen, eine Fähigkeit, die jedoch auch mit einer Gefahr verbunden sei: Im Geiste unsrer Sprache liegt nämlich, wie im Charakter unsrer Nation, wenn anders beide nicht völlig eins sind, eine sehr vielfältige Bildsamkeit. Der Eifer des Deutschen, alles Ausländische gründlich zu kennen; seine Willigkeit, sich in die entlegensten Denkarten und in die abstechendsten Sitten zu versetzen, die Wärme, womit er ächtem Gehalte, auch in der ungewohntesten Tracht, huldigt, sind oft in Nachahmungssucht und thörichte Vorliebe für das Fremde ausgeartet; aber sie erheben sich allmählich immer mehr zu freyer Aneignung des Besten.²⁰

In diesem Zitat wird in der Bedeutung, die Schlegel der Fähigkeit zuschreibt, sich Fremdes anzueignen, zwar der Kosmopolit sichtbar als der er gemeinhin gilt,²¹ es lässt sich neben seiner kosmopolitischen Tendenz aber auch eine Betonung der herausragenden Fähigkeiten herauslesen, die Schlegel vor allem deutschen Künstlern und Intellektuellen zuspricht. Die Integration fremder kultureller Errungenschaften in die eigene Kultur sollte eine freie „Aneignung des Besten“ sein. Schlegels Betonung der besonderen Rolle Deutschlands und der deutschen Literatur bei diesem Aneignungsprozess mag nicht nur einem Wunschdenken, sondern auch der realistischen Wahrnehmung entsprochen haben, dass – wie Peter Goßens in seiner Publikation über ‚Weltliteratur‘ feststellt – die deutsche Kultur spätestens seit dem Beginn des 19. Jahrhunderts der „Fixpunkt aller kulturellen Entwicklung in Europa“²² war. In seinem Abriß von den Europäischen Verhältnissen der Deutschen Litteratur, der 1825 erstmals gedruckt wurde, vergleicht Schlegel die durch Verlust und Verständnisschwierigkeiten bezüglich der alt- und mittelhochdeutschen Sprache schwer rezipierbare ältere deutsche Literatur mit der der unmittelbaren Vergangenheit und Gegenwart und stellt fest, dass diese

 „Es können daher auch an eine deutsche Uebersetzung Homers Forderungen gemacht werden, an die es lächerlich wäre bei einer französischen und selbst bei einer englischen nur zu denken“. Schlegel: Rez. v. Homers Werke, Sp. 274.  Schlegel: Vorlesungen über Ästhetik I, 426.  Schlegel: Rez. v. Homers Werke, Sp. 477.  Schlegel: Rez. v. Homers Werke, Sp. 473 – 474.  Vgl. hierzu vor allem Paulin: The Life of August Wilhelm Schlegel.  Goßens: Weltliteratur, 48.

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durch „eine große Regsamkeit und fruchtbare Fülle“ geprägt sei und „Ansprüche auf Europäische Anerkennung geltend“²³ machen könne. Deutschland liege „nicht bloß geographisch, sondern auch in intellectueller Hinsicht im Herzen Europa’s“.²⁴ Indem Schlegel unter anderem in der Rezension von Voß’ Homer-Übersetzung der deutschen Sprache eine Affinität zum Altgriechischen bescheinigt, betont er damit auch die wichtige Rolle der deutschen Literatur innerhalb Europas, denn in dem – allerdings Jahrzehnte später entstandenen – Aufsatz stellt er fest, dass das „heutige Europa […] mündig geworden“ sei „durch die Besitznahme von der reichen geistigen Erbschaft, welche Griechenland und Rom uns hinterlassen hatten“.²⁵ Schlegels Vergleich der damals noch durch Kleinstaaterei geprägten italienischen Kultur und der im Gegensatz dazu zentralistischen französischen in der oben bereits zitierten Rezension der Übersetzung eines ästhetischen Werks von Francesco Milizia legt darüber hinaus den Gedanken nahe, dass seiner Ansicht nach nicht nur die regionale Vielfalt der italienischen Kultur, sondern vor allem auch die Dezentralität der deutschen mit vielen kleineren kulturellen Zentren sie so besonders produktiv und aufnahmefähig für fremde Kulturen machte. Schlegel schreibt in der genannten Rezension über die französische Kultur: […] so lange Alles von einem Mittelpunkte ausgeht, wird es auch einen einförmigen, engen Zuschnitt behalten. Was die Kunst in Italien hob, war nicht sowohl die Rivalität der Schulen, als derer, welche die Künstler auf eine grosse Art zu beschäftigen wetteiferten. Und wie soll diese in Frankreich Statt finden, so lange den Theilen der Republik aus Besorgniss vor dem Föderalismus so wenig eignes politisches Leben gegönnt wird?²⁶

Die interkulturellen Fragen, die Schlegel in seinen Rezensionen behandelt, betreffen einerseits – in diachroner Perspektive – die Schwierigkeit, antike Lebens- und Kunstkonzepte aus einer neuzeitlichen Sicht nachzuvollziehen, und andererseits – in synchroner Perspektive – das Problem, Werke aus anderen kulturellen Kontexten zu rezipieren, bei deren Entstehung ästhetische Normen zu Grunde gelegt worden waren, die von den in Deutschland geltenden abwichen. Insbesondere hinsichtlich deutscher und französischer Kultur wird die Diskrepanz ästhetischer Normen in Schlegels Rezensionen immer wieder diskutiert. So äußert er sich in einer Rezension der Œuvres von Nicolas Chamfort über die Eigenheiten der französischen Dichtung, die in einen – unausgesprochenen, aber zwischen den Zeilen zu erahnenden – Gegensatz zur deutschen Literatur gesetzt wird: Seine dichterischen Producte zeichnen ihn am wenigsten aus; sie tragen das allgemeine Nationalgepräge, und die Fesseln der conventionellen französischen Technik haben seinem originalen Geiste

   

Schlegel: Abriß von den europäischen Verhältnissen der Deutschen Litteratur, 2. Ebd., 3 – 4. Ebd., 7. Schlegel: Rez. v. Milizia: De l’art de voir dans les beaux-arts, Sp. 607.

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wenig freye Bewegung gestattet; als Kunstrichter ist Chamfort Akademist und gläubiger Verehrer des classischen Zeitalters unter Ludwig XIV.²⁷

Hier klingt die bei Schlegels Zeitgenossen sprichwörtliche Affinität französischer Kunst mit der Regelästhetik an, von der sich nicht nur deutsche Autoren früh abgewandt hatten. In seinen Vorlesungen über schöne Literatur spricht Schlegel die Dichtung, die von der „ächten Idee der Poesie“ beseelt ist, vom ästhetischen Gesetz frei.²⁸ Für die Entstehung literarischer Werke sind – so Schlegel – immer die in ihrem Entstehungskontext gültigen Normen und Werte wichtig und sie müssen beim Aneignungsprozess in andere Sprachen mit bedacht werden. Nicht immer kann die Aneignung fremder literarischer Werke problemlos gelingen. In seiner bereits zitierten Rezension der HomerÜbersetzung von Voß stellt Schlegel im Hinblick auf die Verstehbarkeit anderer Lebenskonzepte und mitunter bereits Jahrhunderte zurückliegender Ideen, durchaus resigniert, fest: […] bey der doppelten Beziehung der Wörter nach aussen auf Gegenstände, von denen wir gar keine sinnliche Anschauung haben, und die wir erst durch sie kennen lernen müssen, und nach innen auf einen Kreis von Vorstellungen, auf eine Ansicht der Dinge, die von der unsrigen unendlich weit absteht, sind wir den mannichfaltisten Täuschungen ausgesetzt.²⁹

Weiter unten im Text bemerkt er darüber hinaus: Beim Uebersetzen solcher Stellen unsre unsinnliche Seelenlehre zu entfernen, verursacht oft grosse Schwierigkeiten; doch sind sie nicht unübersteiglich, weil jene einfältigen Vorstellungsarten auch bey uns unter dem Volke nicht ausgestorben sind, und in der Sprache des gemeinen Lebens aufbewahrt werden.³⁰

Um das Verständnis einer sinnlich wahrnehmbaren Götterwelt im antiken Griechenland für zeitgenössische Leserinnen und Leser von Übersetzungen aus dem Altgriechischen zu erleichtern, konnten also auch Anleihen bei der aktuellen Sprache des einfachen Volkes in Deutschland hilfreich sein. Um bestimmte Phänomene der Vergangenheit für Zeitgenossen verständlich zu machen, sollte man ähnliche Phänomene in der Gegenwart damit in Bezug setzen. In diesem Zusammenhang stellt Schlegel in seiner Rezension von Karl Ludwig von Knebels Übersetzung der Elegien von Properz fest, dass die Sprache keine „feste bleibende Sache“ sei, sondern „vielmehr die gemeinschaftliche Handlungsweise einer grossen Menschenmasse, und nothwendig mit dieser immerfort wandelbar. Der Dichter hat also auch vor andern das Recht, in die Reihe der Umstände,

   

Schlegel: Rez. v. Chamfort: Oeuvres, Sp. 242. Schlegel: Vorlesungen über Ästhetik I, 429. Schlegel: Rez. v. Homers Werke, Sp. 476. Ebd., Sp, 483.

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welche ihren Wechsel bestimmen, einzugreifen, und auf seine Gefahr zu versuchen, wie weit er sie nach seinem Sinn bilden und ziehen könne.³¹ Eine Übersetzung kann nach Ansicht Schlegels nur dann als gelungen gelten, wenn sie nicht nur den Wortlaut (und bei Versen das Metrum), sondern auch den Geist ihrer Vorlage erfasst. Ist dies dem Autor oder der Autorin einer Übersetzung gelungen, versäumt er nicht, dies in seinen Rezensionen zu thematisieren, wie im folgenden Beispiel in der Kritik zweier Werke von Adélaïde de Souza: „Die Uebersetzung drückt den Geist des Originals vollkommen aus; doch könnte sie freylich in einzelnen Stellen mit mehr Fleiss gemacht sein.“³² Ein weiteres Beispiel für eine Übersetzung, in der Schlegel den Ton wie den Geist des Originals verwirklicht sieht, ist Tiecks Übersetzung des Don Quixote. Schlegel stellt fest, dass die „eingestreuten Sonette und andere Gedichte […] im Ton und Geist der Originale, und was hiezu erstaunlich behülflich ist, auch in den ursprünglichen Silbenmaßen übertragen“³³ seien. Schlegels Gedanken zum Thema Interkulturalität sind in seinen frühen Rezensionen nicht nur von kosmopolitischer Freude an einer kulturellen Bereicherung durch die Aneignung von Fremdem geprägt, sondern mitunter auch von nationalen Diskursen. Das wurde bereits in einigen seiner oben zitierten Rezensionen – vor allem in der herausragenden Bedeutung die er Deutschland und der deutschen Sprache beimisst – deutlich. In einer sehr frühen Rezension von Richard Glovers Athenaid aus dem Jahr 1789, die Schlegel wohl auch unter dem Eindruck der aktuellen politischen Ereignisse in Frankreich verfasste, spielt er die nationale Bedeutung von Literatur gegen ihre Bedeutung in transnationalen Kontexten aus und stellt fest: „Ein Nationalheldengedicht zu liefern scheint beinahe unmöglich. Das Wort Vaterland hat seine Zaubergewalt verloren; an die Stelle des Patriotismus ist ein allgemeineres, aber eben daher auch kälteres Interesse für die Menschheit getreten.“³⁴ Der Patriotismus erscheint an dieser Stelle als Natürliches, Traditionelles und Emotionsgeladenes, das transnationale Interesse dagegen als Künstliches, Neues und Rationales. Weiter unten stellt Schlegel dann fest, dass heroische Gedichte in der gegenwärtigen Zeit von einer Angelegenheit des Volkes zu einer Angelegenheit der Gelehrten geworden seien, also von einer lebendigen, sich weiterentwickelnden Kunst, zu einem toten Gegenstand des Forschungsinteresses. Die Tatsache, dass Schlegel dies durchaus zu bedauern scheint, passt nicht zu dem Kosmopoliten oder Europäer Schlegel wie er unter anderem aus der aktuellen biographischen Literatur bekannt ist. Als Kosmopolit ist auch weniger der frühere als der spätere Schlegel anzusprechen, der sich nicht zuletzt intensiv mit indologischen Fragen befasste und in den zwanziger und dreißiger Jahren des 19. Jahrhunderts in kurzer Folge wichtige Sanskrit-Texte publizierte: 1823 die Bhagavadgītā, 1829 – 1838 das Rāmāyana und 1829 – 1831, gemeinsam  Schlegel: Rez. v. Propertius: Elegien, Sp. 714.  Schlegel: Sammelrez. v. Souza: Adèle de Senange etc., Sp. 480.  Schlegel: Rez. v. Cervantes: Leben und Thaten des scharfsinnigen Edlen Don Quixote von la Mancha, Sp. 181.  Schlegel: Rez. v. Glover: The Athenaid, 18.

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mit Christian Lassen, das Hitopadeśa. ³⁵ Mit der Edition dieser Texte trug Schlegel maßgeblich dazu bei, den in Deutschland, aber auch anderen europäischen Ländern, üblichen Radius kultureller Rezeption bis weit über die Grenzen Europas hinaus auszudehnen. Ja, er hielt es für möglich, dass Europa mehr durch einen kulturellen Austausch mit Indien gewinnen könnte als umgekehrt Indien durch die europäische Kultur. So stellte er in seinem Aufsatz Über die Zunahme und den gegenwärtigen Stand unserer Kenntnisse von Indien von 1830/31 fest: „Wenn ein Tauschhandel der Civilisation zwischen England und Indien gestiftet werden soll, so glaube ich, die Einfuhr von dorther wird mehr werth seyn, als unsre Ausfuhr.“³⁶ Was die Beliebtheit literarischer Werke beim Lesepublikum betrifft, vertritt Schlegel eine elitäre Auffassung und sieht grundsätzlich keinen Zusammenhang zwischen der aktuellen Beliebtheit eines Werkes bei Leserinnen und Lesern und seiner zu erwartenden Bedeutung für den nationalen wie für den im Weltmaßstab geltenden literarischen Kanon. Literatur von Weltgeltung ist für ihn keinesfalls gleichzusetzen mit populärer Literatur. Vielmehr konnte die Beliebtheit eines Werkes bei dem, wie Schlegel es an verschiedener Stelle ausdrückt, „große(n) Publicum“³⁷, seiner Meinung nach auch ein Beleg für dessen mindere Qualität sein, und er erwartete, und das in den meisten Fällen sogar zurecht, dass Werke, die bei besonders großen Bevölkerungsgruppen Beifall fanden, in der Zukunft der Vergessenheit anheimfallen würden. Qualität in der Dichtung zeigt sich, so der Tenor von Schlegels frühen Rezensionen, nicht in ihrer Beliebtheit bei Zeitgenossen, sondern in der Überwindung temporaler wie kultureller und geographischer Schranken. Diese Auffassung steht in einem gewissen Widerspruch zu seiner oben angesprochenen Klage über den Bedeutungsverlust nationaler Heldengedichte und der von ihm konstatierten besonderen Bedeutung Deutschlands für die europäische Literatur. Shakespeare wird in Schlegels Rezension einer deutschsprachigen Romeo und JuliaBearbeitung als Inbegriff eines Autors von transnationaler und transkultureller Bedeutung dargestellt und als größtes dramatisches Genie „aller Zeiten und Völker“³⁸ gepriesen, das auch „eine noch so verfehlte Ausführung […] nicht ganz zu Grunde richten“³⁹ könne, und auch die von ihm rezensierte misslungene Bearbeitung von Romeo

 Bhagavad-Gita id est ΘΕΣΠΕΣΙΟΝ ΜΕΛΟΣ [Thespesion Melos] sive almi Krischnae et Ariunae colloquium de rebus divinis, Bharateae Episodium. Textum recensuit, adnotationes criticas et interpretationem Latinam adiecit Augustus Guilelmus a Schlegel, Bonn: Weber, 1823; Ramayana id est carmen epicum de Ramae rebus gestis poetae antiquissimi Valmicis opus. Textum codd. Mss. collatis recensuit interpretationem Latinam et adnotationes criticas adiecit Augustus Guilelmus a Schlegel. 2 Bde., Bonn: Sumtibus Editoris, 1829 – 1838; Hitopadesas id est institutio salutaris. Textum codd. Mss. collatis recensuerunt interpretationem Latinam et annotationes criticas adiecerunt Augustus Guilelmus a Schlegel et Christianus Lassen. 2 Bde., Bonn: Weber, 1829 – 1831.  Schlegel: Über die Zunahme und den gegenwärtigen Stand unserer Kenntnisse von Indien, 125.  Vgl. z. B. Schlegel: Vorlesungen über Ästhetik I, 488.  Schlegel: Rez. v. Shakespeare: Romeo und Julia, Sp. 826.  Ebd., Sp. 826.

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und Julia nicht.⁴⁰ Chamforts gleich formulierte Einschätzung Molières als „größtem Komiker aller Zeiten und Völker“,⁴¹ die Schlegel in einer Rezension zitiert, teilt er dagegen nicht und schreibt sie nationaler Voreingenommenheit „von einem Kunstrichter seiner Nation“⁴² zu. Nur Werke, die ähnlich hohen Ansprüchen genügten wie die von Shakespeare und in ähnlich unterschiedlichen Rezeptionskontexten rezipiert wurden, meinte Schlegel wohl mit der oben zitierten „freye[n] Aneignung des Besten“⁴³, wobei unter dem „Besten“, zumindest beim reiferen Schlegel, nicht nur das Beste aus europäischen Kulturen zu verstehen ist. Literatur von Weltgeltung musste seiner Ansicht nach auch über die Grenzen Europas hinaus bedeutend sein. Der Terminus ‚Weltliteratur‘ war, als Schlegel den Großteil seiner Rezensionen verfasste, noch nicht geläufig. Zwar hat Wieland ihn bereits vorher verwendet, aber in anderer Hinsicht als Goethe dies später tat, der dem Wort „eine andere, ganz eigene Bedeutung verliehen, es erfolgreich in Umlauf und zu Ansehen gebracht“⁴⁴ hat. Schlegel verwendet, um Transkulturalität inner- und außerhalb Europas zu beschreiben, andere Begriffe. Wie oben bereits in Bezug auf Shakespeare erwähnt, verwendet er die Formulierung „aller Zeiten und Völker“, um Phänomene zu beschreiben, die dem nahekommen, was Goethe später mit dem Terminus ‚Weltliteratur‘ bezeichnete. Interessant ist aber, dass bei Schlegel, der in seinen geschichtswissenschaftlichen Bonner Vorlesungen⁴⁵ die europäische Geschichte aus einer universalgeschichtlich aufgefassten Vorund Frühgeschichte herleitet, der zeitenübergreifende Aspekt von universeller Literatur ebenso wichtig ist wie der länderübergreifende Aspekt. Dies machte er auch in seinen Vorlesungen über schöne Literatur deutlich, in denen er jeden seiner Zuhörer dazu ermunterte, seine nach reiflicher Überlegung gewonnene Meinung über literarische Werke mutig zu vertreten „wenn er auch alle seine Zeitgenossen gegen sich hätte“.⁴⁶ Denn auch wenn dies bei einem Rezensenten der Fall wäre, gelte „noch die Appelation an ein vergangnes oder künftiges Zeitalter, oder an den unsichtbaren Genius des Menschengeschlechts überhaupt, der in der ganzen Geschichte, vornehmlich in den Umgestaltungen der Wissenschaft und Kunst leitend waltet“⁴⁷ und alle „von ihm herrührenden, d. h. ächt genialischen Werke“ hätten „eine stille siegende Gewalt in sich; sie

 „So sehr aber fast alle Spuren von Shakespeare’s Geist ausgelöscht sind, so gross bleibt immer noch das Missverhältnis zwischen dem Entlehnten und des Bearbeiters eigenen Erfindungen“. Schlegel: Rez. v. Shakespeare: Romeo und Julia, Sp. 826.  Schlegel: Rez. v. Chamfort: Oeuvres, Sp. 250.  Ebd., Sp. 250.  Schlegel: Rez. v. Homers Werke, Sp. 473 – 474.  Lamping: Die Idee der Weltliteratur, 10.  Einleitung in die alte/allgemeine Weltgeschichte (Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden [SLUB], Sign. Mscr.Dresd.e.90, XXVIII), Vorlesung über die alte Weltgeschichte/ Entwurf zu Vorlesungen über die alte Weltgeschichte (SLUB Dresden, Sign. Mscr.Dresd.e.90, XXIX), Geschichte der Griechen und Römer (SLUB Dresden, Sign. Mscr.Dresd.e.90, XXX), Antiquitates Etruscae (SLUB Dresden, Sign. Mscr.Dresd.e.90, XLII, 2).  Schlegel: Vorlesungen über Ästhetik I, 483.  Ebd., 483.

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werden, wenn auch noch so lange vergessen, misverstanden und verworfen, zuverläßig in neuer Herrlichkeit wieder emporkommen, so wie hingegen, was einen falschen Ruhm usurpirt hat unvermeidlich zu seiner Zeit in der verdienten Dunkelheit untergehen muß.⁴⁸ In seiner Besprechung des neuen Berlinischen Archivs der Zeit und ihres Geschmacks von 1797 umschreibt Schlegel das – seiner Ansicht nach allerdings in den von ihm rezensierten Heften nicht eingelöste – interkulturelle Vorhaben der Herausgeber, ein umfassendes Panorama von Kritiken, literarischen Werken, Beiträgen über Musik und Theater verschiedener europäischer Länder zu bringen, mit der Möglichkeit, in dieser Monatsschrift „die Welt so zu sagen, in einer Nussschale“⁴⁹ zu haben. Dieter Lamping stellt im Hinblick auf Schlegels Äußerungen über eine geographische und kulturelle Schranken überschreitende Literatur fest, dass August Wilhelm Schlegel „aus seinen Beobachtungen weniger weitreichende Schlussfolgerungen als Goethe gezogen haben“ mag, es sei jedoch nicht „zu übersehen […], dass er schon vor ihm dieselbe Entwicklung erkannt hat, ohne sie allerdings ähnlich prägnant und suggestiv auf den Begriff gebracht zu haben“.⁵⁰ Lediglich in einer Rezension bringt Schlegel das literarische Werk eines Autors mit dem Begriff „Welt“ in nähere Verbindung. Dabei handelt es sich um seine Rezension der Essais en vers et en prose von Claude Joseph Rouget de Lisle, dem Dichter und Komponisten der Marseillaise. „Der Ruhm dieses Dichters“, stellt Schlegel fest, „oder wenigstens eines Gedichtes von ihm, ist in alle Welttheile verbreitet; sein Name wird in der Weltgeschichte genannt werden“.⁵¹ Zugleich schreibt er aber mit Bezug auf das rezensierte Werk „auf seine übrigen Productionen lässt es sich durchaus nicht ausdehnen“.⁵² Weltberühmtheit ist für den Rezensenten Schlegel also nicht gleichbedeutend mit weltund zeitenübergreifender Bedeutung in literarischer Hinsicht, und er stellt in der zitierten Rezension auch nur fest, dass der Name Rouget de Lisles in der Weltgeschichte genannt werden wird, nicht in der von ihm nicht so bezeichneten ‚Weltliteratur‘.

Literaturverzeichnis Primärliteratur Schlegel, August Wilhelm: Rez. v. Sébastien-Roch Nicolas Chamfort: Oeuvres. Teil 1 – 4. Recueillies et publiées par un de ses amis. Paris: Impr. des sciences et des arts, 1794 – 95. Allgemeine Literatur-Zeitung, Jg. 1796, Bd. 4, Nr. 338 – 340, Sp. 241 – 248.

    

Ebd. Schlegel: Rez. v. Berlinisches Archiv der Zeit und ihres Geschmacks, Sp. 522. Lamping: Die Idee der Weltliteratur, 91. Schlegel: Rez. v. Rouget de Lisle, C. J.: Essais en vers et en prose, Sp. 367. Ebd.

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Schlegel, August Wilhelm: Rez. v. Homers Werke. Bd. 1 – 2. Von J. J. Voß. Altona: Hammerich, 1793. Allgemeine Literatur-Zeitung, Jg. 1796, Bd. 3, Nr. 262 – 267, Sp. 473 – 519. Schlegel, August Wilhelm: Rez. v. William Shakespeare: Romeo und Julia. Ein Trauerspiel in 5 Aufzügen. Leipzig: Jacobäer, 1796. Allgemeine Literatur-Zeitung, Jg. 1796, Bd. 3. Nr. 243, Sp. 826 – 828. Schlegel, August Wilhelm: Rez. v. [Anonymus]: Therese, oder die unglückliche Tochter des Grafen von L**. Eine Geschichte unsers Jahrhunderts. 2 Thle. Leipzig und Magdeburg: Creuß, 1796. Allgemeine Literatur-Zeitung, Jg. 1796, Bd. 4, Nr. 348, Sp. 324 – 325. Schlegel, August Wilhelm: Rez. v. Berlinisches Archiv der Zeit und ihres Geschmacks. Allgemeine Literatur-Zeitung, Jg. 1797. Bd. 1, Nr. 66. Sp. 521 – 527. Schlegel, August Wilhelm: Rez. v. Johann Friedrich Raupach: Baron Vanini und Rosemont, oder Beyspiele von Verirrungen des menschlichen Herzens. Berlin: Hartmann, 1796. Allgemeine Literatur-Zeitung, Jg. 1797, Bd 1. Nr. 23, Sp. 184. Schlegel, August Wilhelm: Rez. v. William Shakespeare: Dramatische Werke. Teil 1. Übers. v. August Wilhelm Schlegel. Berlin: Unger, 1797. Allgemeine Literatur-Zeitung, Jg. 1797. Bd. 4, Nr. 347 – 348, Sp. 273 – 282. Schlegel, August Wilhelm: Rez. v. Francesco Milizia: De l’art de voir dans les beaux-arts […]. Traduit de l’italien par le général Pommereul. Paris: Bernard, 1798. Allgemeine Literatur-Zeitung, Jg. 1798, Bd. 3, Nr. 278, Sp. 604 – 608. Schlegel, August Wilhelm: Rez. v. Sextus Aurelius Propertius: Elegien. Übers. v. Karl Ludwig von Knebel. Leipzig: Göschen, 1798. Allgemeine Literatur-Zeitung, Jg. 1798, Bd. 4, Nr. 384, Sp. 713 – 720. Schlegel, August Wilhelm: Rez. v. Claude Joseph Rouget de Lisle: Essais en vers et en prose. Paris: Didot, 1796. Allgemeine Literatur-Zeitung, Jg. 1798, Bd. 1, Nr. 46, Sp. 367 – 368. Schlegel, August Wilhelm: Sammelrez. v. Adélaïde-Marie-Émilie Filleul de Souza: Adèle de Sénange, ou lettres de Lord Sydenham. Teil 1 – 2. Hamburg: Hoffmann 1796; Adélaïde-Marie-Émilie Filleul de Souza: Adele von Senange oder Briefe des Lord Sydenham. Teile 1 – 2. Übers. v. Ludwig Ferdinand Huber. Tübingen: Cotta, 1795. Allgemeine Literatur-Zeitung, Jg. 1798, Bd. 2, Nr. 164, Sp. 478 – 480. Schlegel, August Wilhelm: „Abschied von der Allgemeinen Literatur-Zeitung“. Allgemeine Literatur-Zeitung. Intelligenzblatt, Jg. 1799, Nr. 143, 1179. Schlegel, August Wilhelm: Rez. v. Miguel de Cervantes Saavedra: Leben und Thaten des scharfsinnigen Edlen Don Quixote von la Mancha. Bd. 1. Übers. v. Ludwig Tieck. Berlin: Unger 1799. Allgemeine Literatur-Zeitung, Jg. 1799, Bd. 3, Nr. 230 – 231, Sp. 177 – 189. Schlegel, August Wilhelm: Vorlesungen über Ästhetik I [1798 – 1803]. Hg. v. Ernst Behler. Paderborn et. al.: Ferdinand Schöningh, 1989 (= Kritische Ausgabe der Vorlesungen, Bd. 1). Schlegel, August Wilhelm: „Abriß von den europäischen Verhältnissen der Deutschen Litteratur“. Ders.: Kritische Schriften von August Wilhelm von Schlegel. 1. Teil. Berlin: Reimer, 1828, 1 – 14. Schlegel, August Wilhelm: Rez. v. [Anonymus]: Samma. Ein Trauerspiel. Glogau: Günthersche Buchhandlung, 1796. August Wilhelm Schlegel’s vermischte und kritische Schriften. Hg. v. Eduard Böcking. 4. Bd. Recensionen, Leipzig: Weidmannsche Buchhandlung, 1846 (= August Wilhelm von Schlegel’s Sämmtliche Werke, Bd. 10.), 321. Schlegel, August Wilhelm: Rez. v. Richard Glover: The Athenaid, a Poem, by the author of Leonidas. 3 Bde. London: T. Cadell, 1787. August Wilhelm Schlegel’s vermischte und kritische Schriften. Hg. v. Eduard Böcking. 4. Bd. Recensionen, Leipzig: Weidmannsche Buchhandlung, 1846 (= August Wilhelm von Schlegel’s Sämmtliche Werke, Bd. 10.), 18.

August Wilhelm Schlegels Rezensionen europäischer Literatur

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Sekundärliteratur Goßens, Peter: Weltliteratur. Modelle transnationaler Literaturwahrnehmung im 19. Jahrhundert. Stuttgart und Weimar: J. B. Metzler, 2011. Lamping, Dieter: Die Idee der Weltliteratur. Ein Konzept Goethes und seine Karriere. Stuttgart: Kröner, 2010. Paulin, Roger: The Life of August Wilhelm Schlegel, Cosmopolitan of Art and Poetry. Cambridge: Open Book Publishers, 2016. Schickling, Marco: „Hermann Hesse als Literaturkritiker“. Hermann Hesse und die literarische Moderne. Kulturwissenschaftliche Facetten einer literarischen Konstante im 20. Jahrhundert. Aufsätze. Hg. v. Andreas Solbach. Frankfurt a. M.: Suhrkamp, 2008, 56 – 68.

Riccardo Martinelli

Schleiermacher recensore dell’Antropologia pragmatica di Kant 1 “Una delle cose più atroci pubblicate sull’Athenaeum” Nel 1799 la rivista Athenaeum pubblicò una recensione anonima dell’Anthropologie in pragmatischer Hinsicht di Immanuel Kant, apparsa l’anno precedente. Il recensore, Friedrich Schleiermacher, usa toni insolitamente aspri. Il libro, leggiamo, consta di un “repertorio di banalità” ed è la “negazione di ogni antropologia”, al posto della quale esso offre una “Kantologia” il cui oggetto sono le quotidiane idiosincrasie dell’uomo Immanuel Kant, per il quale “gli affetti e quant’altro ricorre nell’animo vengono sistematicamente trattati come ausilii digestivi”.¹ August Schlegel, condirettore della rivista assieme al fratello Friedrich, parlò al riguardo di “una delle cose più atroci pubblicate sull’Athenaeum”.² Wilhelm Dilthey, autore difficilmente accusabile di scarsa empatia verso Schleiermacher, affermerà che la recensione rappresenta “un oltraggio che non può essere giustificato in alcun modo, in quanto a un giudizio scientificamente infondato assomma delle allusioni personali”.³ Con la maggiore distanza che oggi è concessa, occorre riconoscere che il testo presenta delle asprezze che possono disturbare gli ammiratori di Kant – o magari galvanizzare, in maniera acritica, chi coltiva un’immagine negativa del filosofo prussiano. In entrambi i casi, si tratta di un modo poco fruttuoso di accostarsi a questa recensione. Per verificare imparzialmente in che misura il giudizio di Schleiermacher sull’opera sia o meno fondato, occorre non farsi influenzare troppo dalle pesanti “allusioni personali” di cui parlava Dilthey. Al tempo stesso, però, lo stile non può essere interamente separato dal contenuto, soprattutto in una recensione e men che mai in questa recensione. Schleiermacher la concepì come uno sfavillante tour de force filosofico, che obbliga il lettore a uno sforzo interpretativo (della recensione, non del testo recensito) inusitato e del tutto fuori misura per il genere specifico. Solo tenendo assieme tutti questi diversi elementi si può apprezzare quello che il lavoro ha ancor oggi da dire al lettore moderno. Da questo punto di vista, per opportunità metodologica si possono distinguere due ambiti: quello della Kantforschung e quello degli studi su Schleiermacher. Per quanto  Schleiermacher: Recensione di Immanuel Kant, passim.  Cit. in Auerochs: Manuskripte – Athenaeum – Geselliges Betragen – Vertraute Briefe, 92. Schleiermacher rispose: “sono del tutto incolpevole e non riesco a vedere nulla di atroce nella notizia di un’antropologia”. Di fatto, la recensione è tutt’altro che una semplice “notizia”.  Dilthey: Leben Schleiermachers, 490. https://doi.org/10.1515/9783111180403-007

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riguarda il primo ambito, il tono sprezzante verso Kant utilizzato nella recensione gioca sicuramente un ruolo nella sua scarsa fortuna: gli studi che ne tengono conto sono ridottissimi in numero.⁴ Ad ogni modo, mi sembra che i principali motivi di interesse della recensione in vista di un’interpretazione dell’antropologia di Kant non siano stati adeguatamente chiariti. Alla luce della lettura che propongo in questo lavoro, essi mi sembrano di due ordini. In primo luogo, va detto che Schleiermacher considera l’Antropologia pragmatica ben integrata nel sistema di pensiero kantiano.⁵ Questa lettura è diametralmente opposta a quella, a lungo dominante, di coloro che tendono a isolare l’opera dal resto del corpus kantianum e a minimizzarne la portata quale malriuscito prodotto tardivo, se non addirittura quale “retaggio” di psicologia scolastica sopravvissuto – piuttosto misteriosamente – alla svolta critica.⁶ La strategia di Schleiermacher è diversa, e consiste nel leggere l’Antropologia come un testo in linea con il filosofare kantiano, che ne rivela alcuni tratti generali i quali emergono più distintamente nel momento in cui, per così dire a guardia abbassata, il filosofo di Königsberg tira le somme in merito all’immagine dell’uomo che consegue al criticismo. In secondo luogo, Schleiermacher insiste sull’infelice tentativo kantiano di conciliare l’aspetto “sistematico” col carattere “popolare” dell’esposizione. Il “mutuo annientamento” [wechselseitige Zerstörung]⁷ di questi due aspetti è all’origine del fallimento per così dire specifico dell’Antropologia pragmatica, che va ad aggiungersi ai difetti che essa, come si è detto, eredita dalle prime due Critiche. Con ciò, Schleiermacher indica un problema reale. Una delle ragioni dell’incomprensione che grava tuttora di frequente sull’Antropologia kantiana è proprio la tensione tra carattere sistematico e popolare, tensione che – ritengo – andrebbe risolta a vantaggio di un’esposizione decisamente sistematica delle tesi espresse nel lavoro. Chiaramente, non è questa la sede per intraprendere una simile operazione, ma è evidente che l’analisi della recensione di Schleiermacher costituisce un preliminare importante in quanto richiama al soddisfacimento di questo desideratum. La recensione riveste poi notevole interesse anche in vista di un’analisi dello sviluppo intellettuale del giovane Schleiermacher, alla luce del suo confronto con l’etica di Kant. Com’è facile attendersi, si tratta di una questione piuttosto dibattuta.⁸ Anche in

 Cfr. in particolare Frierson: Freedom and Anthropology in Kant’s Moral Philosophy; Cohen: Physiological vs. Pragmatic Anthropology.  Di diverso avviso è Patrick Frierson: Schleiermacher mostrerebbe che l’Antropologia “contrasta in modo eclatante con il resto della filosofia di Kant”. Frierson: Freedom and Anthropology in Kant’s Moral Philosophy, 1. Frierson sconta qui l’aver analizzato solo una parte del testo di Schleiermacher (quella di cui tratterò nel prossimo paragrafo), trascurando il complesso dell’argomentazione.  Circa il rapporto con la psicologia scolastica tedesca, in passato ampiamente sopravvalutato, al punto da impedire la corretta interpretazione dell’Antropologia pragmatica mi permetto di rinviare a Martinelli: Wolff, Kant, e le origini dell’antropologia filosofica, 206 – 209. In forma molto sintetica si veda infra.  Schleiermacher: Recensione di Immanuel Kant, 368.  Per una ricognizione sintetica delle diverse posizioni critiche in merito, cfr. Buondì 2017, 209 – 212. A ciò si aggiunga la posizione di Robert Louden, che rileva una certa ambiguità nei pronunciamenti di

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questo caso, però, l’attenzione verso il testo è minore di quanto ci si potrebbe attendere.⁹ Solo in anni recenti alcune delle disamine critiche del pensiero di Schleiermacher hanno iniziato a prendere in esame questa recensione.¹⁰ Mi pare probabile che abbiano un ruolo, in questo silenzio, le difficoltà a inquadrare il significato generale dell’Antropologia pragmatica, cosa che chiaramente rende meno agevole per l’interprete il confronto con lo Schleiermacher recensore dell’opera.¹¹ Per ovviare a questo inconveniente, è opportuno introdurre alcune nozioni essenziali in merito al significato del testo recensito. La critica stenta ancora a delineare l’identità per questo lavoro, così diverso da quelli ai quali era già allora legata la notorietà di Kant. Non potendo in questa sede entrare nel merito di tutte le opzioni interpretative, mi limiterò a sintetizzare quella che sembra imporsi sempre più come la lettura corretta di questo testo.¹² In Kant l’antropologia consegue alla critica della metafisica, della quale è uno degli esiti più significativi. Più esattamente, la disciplina è figlia dell’epocale dismissione, da parte di Kant, di una nozione filosofica come quella di anima, ancora protagonista assoluta nel pensiero di Leibniz e dei suoi seguaci. Una volta congedata la psicologia razionale, restava per Kant la necessità di evitare tanto l’empirismo psicologico à la Locke, quanto le teorie medico-fisiologiche del tempo, in odore di materialismo. È l’insieme di queste condizioni di partenza a condurre Kant alla trattazione “pragmatica” dell’antropologia, nella quale egli fa rifluire la materia tradizionale della psicologia empirica, ma interamente trasformata e piegata a un progetto filosofico del tutto innovativo. Nella prima parte (Didattica antropologica),

Schleiermacher in merito all’etica kantiana. Louden: Kant’s Human Being, x. Sia detto per inciso che Louden è anche uno dei massimi studiosi dell’Antropologia di Kant, il che rende singolare il fatto che non vi sia menzione di questa recensione nel suo studio sull’etica di Schleiermacher (Louden: Kant’s Human Being), come neppure in Louden: Kant’s Impure Ethics. Un cenno si trova in Louden: Kant’s Human Being, 77, con riferimento a Cohen: Physiological vs. Pragmatic Anthropology. Questa osservazione, che non vuol essere una critica, valga semplicemente a riprova di quanto poco la recensione sia stata considerata, lungo entrambi i versanti della critica.  Nella letteratura degli scorsi decenni fa eccezione Kurt Nowak, il quale però ritiene che Schleiermacher avrebbe dato “priorità sistematica” a una concezione dell’essenza dell’uomo “pensato come libero agente” rispetto al concetto antropologico kantiano “fondato sulla dottrina delle facoltà”. Nowak: Schleiermacher und die Frühromantik, 252. Che Kant abbia potuto prescindere dall’uomo come “libero agente” è un travisamento grossolano, la cui fonte risiede nell’adozione (Nowak: Schleiermacher und die Frühromantik, 249 – 250) della vecchia interpretazione che riteneva l’antropologia kantiana dipendere in toto dalla psicologia scolastica di Wolff e Baumgarten. Questo erroneo approccio interpretativo viene per così dire proiettato all’indietro da Nowak su Schleiermacher, la cui recensione ha invece il merito di mostrare come esso sia infondato.  Più di recente, il tema è stato trattato da Arndt: Friedrich Schleiermacher als Philosoph, 367– 368 e Giacca: La formazione del pensiero etico di Schleiermacher, 148 – 153. A questi lavori farò riferimento nelle note.  Non sono tuttavia riuscito a procurarmi Richardson: Schleiermacher on Workings of the Knowing Mind, che contiene tra le altre cose la traduzione inglese della recensione.  Per una rassegna di opinioni e un’interpretazione sia concesso rimandare a Martinelli: Antropologia, 20 – 21 e passim.

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conoscenza, sentimento e desiderio sono oggetto di un’analisi spietata, il cui oggetto non sono le facoltà di per sé, quanto piuttosto l’utilizzo – per lo più miserevole – che l’uomo ne fa; tali risultati confluiscono poi nella seconda parte (Caratteristica antropologica) attorno al concetto di “carattere”, il luogo teorico dove sedimenta a livello individuale e storico ciò che l’uomo può e dunque deve (ché in antropologia è questa la sequenza) fare di se stesso. In questo senso Kant concepisce l’antropologia come un tassello della filosofia nel significato cosmopolitico. Ironicamente, la recensione sembra condividere con l’opera recensita un destino di marginalizzazione, a cominciare con la circostanza che la critica sembra non essere in grado di integrare questi scritti con il resto dell’opera dei rispettivi autori. Ancora più dei contenuti, in entrambi i casi a ostacolare la comprensione è lo stile, che pecca per così dire di opposti estremismi, col risultato paradossale che la recensione – come vedremo – può sembrare, almeno al lettore inesperto, persino più densa e difficile da interpretare dell’opera stessa.

2 Kant trascendentalista Schleiermacher inizia col constatare lo scarso interesse sollevato presso il pubblico dal testo kantiano, che non sarebbe stato fino ad allora recensito.¹³ Ciò si spiega, suggerisce, col fatto che i recensori si limitano per lo più a citare brani dai volumi recensiti: senonché quello in oggetto non si presta, perché offre un “repertorio di banalità” quanto al contenuto, e la più “singolare confusione” quanto alla forma. Ma anche i recensori più avveduti, quelli che amano scrivere “sul” libro recensito e non “da” esso, hanno una giustificazione per il loro silenzio: proprio considerando il lavoro dal punto di vista di un’antropologia autenticamente pragmatica, come vuole lo stesso Kant, esso offre molto meno di quanto l’individuo medio già conosce sull’argomento. Ciò non ostante, suggerisce Schleiermacher, c’è un punto di vista dal quale il volume recensito presenta interesse: [u]n libro che ha poco valore se lo si prende per quel che pretende di essere, può tuttavia essere significativo come il contrario di quello, oppure come qualcosa d’altro; e così anche questo è ammirevole non come antropologia, bensì come negazione di ogni antropologia nonché come affermazione e dimostrazione del fatto che l’antropologia, secondo l’idea esposta da Kant, non è possibile ad opera sua e a partire dal suo modo di pensare, il tutto essendo architettato intenzionalmente da Kant, il quale spesso, nella suddivisione delle scienze e dei loro oggetti, tratta esplicitamente di discipline inconsistenti [leeren Fächer], dedicandosi a costruirle con particolare attenzione.¹⁴

 In realtà, “in un anno e mezzo dalla sua pubblicazione, uscirono almeno undici recensioni dell’Antropologia di Kant”. Frierson: Freedom and Anthropology in Kant’s Moral Philosophy, 1.  Schleiermacher: Recensione di Immanuel Kant, 356.

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Si noti un aspetto di questo passaggio: il recensore insinua che il libro, in realtà, sia parte di una sottile strategia dissimulatoria, in ossequio alla quale Kant avrebbe voluto mostrare cosa l’antropologia non è. Più vicino alla pura e semplice derisione che non all’ironia romantica, Schleiermacher gioca sulla finzione che Kant abbia voluto scrivere a bella posta un’opera contenente così tanti difetti. Questo dispositivo retorico, un po’ a buon mercato, è comunque importante perché, come si vedrà, viene utilizzato da Schleiermacher per dar concretezza all’insolita accusa di realismo rivolta a Kant, della quale dovremo occuparci nel prossimo paragrafo. Con ciò, finalmente Schleiermacher arriva a un punto sostanziale: nell’impostazione problematica di Kant c’è un difetto fatale. La basilare distinzione tra antropologia in senso “fisiologico” e “pragmatico” – distinzione (si noti) ritenuta fondata nel “modo di pensare” (Denkungsart) di Kant – rende entrambe impossibili. Data l’importanza della questione, è opportuno riassumere anzitutto il pensiero di Kant sull’argomento. Scriveva Kant: [u]na dottrina della conoscenza dell’uomo, concepita sistematicamente (antropologia), può esser fatta o da un punto di vista fisiologico o da un punto di vista pragmatico. La conoscenza fisiologica dell’uomo mira a determinare quel che la natura fa dell’uomo, la pragmatica mira invece a determinare quello che l’uomo come essere libero fa oppure può e deve fare di se stesso.¹⁵

Come si è detto, in Kant l’antropologia consegue alla critica della ragione, la quale dimostra, prima di qualunque indagine empirica, che l’uomo è un essere libero. La cosa è dunque fuori questione in antropologia, disciplina che non ha il compito di provare nulla al riguardo, né in senso positivo, né in senso negativo. Si pone allora la questione di come configurare la conoscenza empirica dell’uomo alla luce dei risultati della critica. Secondo Kant, la libertà umana rende sostanzialmente vane le ricerche in merito ai processi neurofisiologici corrispondenti agli atti del pensiero umano. Quello che conta è andare a vedere quale uso l’uomo faccia, in quanto essere libero, delle proprie facoltà mentali, e come procurare un miglioramento a riguardo. Di qui la necessità di mettere fuori gioco l’antropologia fisiologica e la conseguente virata verso la dimensione pragmatica.¹⁶ Torniamo ora alla recensione. Denunciando l’unilateralità della distinzione posta in essere da Kant, Schleiermacher afferma che “il fisiologico e il pragmatico sono una sola e medesima cosa”.¹⁷ A suffragio della tesi egli osserva che la dicotomia si basa su due assunti contrastanti: “il libero arbitrio [Willkühr] nell’uomo è natura”, e “la natura nell’uomo è libero arbitrio”. In quanto segue tornerò più dettagliatamente sul senso di questa formulazione. Per il momento basti rilevare che lo spazio dell’antropologia viene individuato nell’insieme dei due momenti indicati: “l’antropologia dovrebbe per

 Kant: Antropologia pragmatica, 3.  Kant: Antropologia pragmatica, 3.  Schleiermacher: Recensione di Immanuel Kant, 366.

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l’appunto essere l’unione di entrambe queste proposizioni, e non può esistere altrimenti che nella loro unione”.¹⁸ Benché Schleiermacher sembri qui dare addirittura per scontata questa concezione dell’antropologia, le sue matrici sono tutt’altro che di immediata identificazione.¹⁹ In prima battuta, si potrebbe pensare a quel vasto insieme di tendenze cui si fa riferimento parlando di una dottrina “dell’uomo tutto intero” [des ganzen Menschen]: un topos scientifico e letterario in voga al tempo.²⁰ Ma il rischio, nel migliore dei casi, è quello di rimanere nel vago. Che l’idea schleiermacheriana di antropologia si lasci ricondurre a una categoria storiografica nella quale hanno un ruolo fondamentale le dottrine mediche del tempo è cosa di per sé non molto probabile, e che comunque non si può dare per acquisita in assenza di ulteriori dettagli. Alla ricerca di punti di riferimento meno vaghi, una mossa più promettente è quella di guardare alla lezione di Schelling. Rilevata da Dilthey già nel secondo volume (rimasto inedito), del Leben Schleiermachers, l’influenza di questo filosofo sul teologo di Breslau è oggi riconosciuta da più parti.²¹ Nelle Lezioni sul metodo dello studio accademico Schelling afferma ad esempio che “ogni vera scienza dell’uomo può essere cercata solamente nell’essenziale ed assoluta unità dell’anima e del corpo”, vale a dire (in polemica contro la “sedicente” scienza psicologica) “nella idea dell’uomo, e di conseguenza non nell’uomo effettivamente reale ed empirico”.²² Che questo atteggiamento debba condurre a una condanna senza appello dell’antropologia pragmatica kantiana è facilmente comprensibile. In una vena complessivamente simile, in riferimento ai motivi determinanti dell’azione, Schleiermacher osservava che “è assurdo dividere l’essere umano, tutto in esso è connesso, tutto è uno”.²³ Più avanti proverò a mostrare, alla luce dei Discorsi sulla

 Ibid. Anche nelle lezioni di psicologia, risalenti a una fase successiva (1811– 1832), Schleiermacher sottolinea la complementarità di anima e corpo: cfr. Brino: La tematica del corpo nelle psicologie filosofiche, 131.  Giustamente Andreas Arndt sottolinea “l’imbarazzo” nel quale si trova il critico richiesto di indicare il contributo di Schleiermacher all’antropologia. Se si intende la disciplina come “ricorso sistematico fondativo a un sapere sulla natura dell’uomo”, allora un concetto di antropologia “non può essere ravvisato in Schleiermacher”, posto che la “descrizione empirica della natura umana” avrà sempre per lui un significato subordinato. Arndt: Friedrich Schleiermacher als Philosoph, 363 – 364.  Per il concetto in generale cfr. Schings (a cura di): Der ganze Mensch; con riferimento a Schleiermacher, cfr. Herms: Leibhafter Geist – Beseelte Organisation, 214.  Dilthey: Introduzione alle scienze dello spirito, 468 – 469. Più di recente Manfred Frank ha insistito sulla “connessione con Schelling, dichiarata dallo stesso Schleiermacher (ma mai investigata in modo soddisfacente)”. Frank: Metaphysical Foundations, 18.  Schelling: Lezioni sul metodo dello studio accademico, 119 – 120. Cfr. Crouter: Friedrich Schleiermacher, 161; van Zantwijk: Ist Anthropologie als Wissenschaft möglich?, 115. Si veda anche il capitolo quinto di Purvis: Theology and the University in Nineteenth-Century Germany, 86 – 108.  Schleiermacher: Über die Freiheit, 214. La citazione è tratta da “Über die Freiheit”, inedito che risale agli anni 1790 – 1792. Il passo prosegue: “[s]e si eliminano le regolarità della facoltà desiderativa, ecco che nell’anima non c’è più niente di regolare; se si negano i motivi casuali interni per le attività di quella facoltà, ecco che allora non ve ne sono per qualsivoglia azione singola, ragion per cui ogni azione risulta:

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religione, in che modo Schleiermacher abbia provato a dare spessore a questa intuizione, e cosa possa dunque significare per lui quest’antropologia derivante dall’unione dei due principi sopra indicati. Prima di illustrare la pars construens della sua idea di uomo, occorre soffermarsi ancora un momento sulla recensione di Schleiermacher e riflettere sulle ragioni del dissenso rispetto alla prospettiva antropologica kantiana. Nei termini della precedente citazione da Schelling, in cui si mira all’“essenziale ed assoluta unità dell’anima e del corpo”, potremmo chiederci se, secondo Schleiermacher, Kant fosse colpevole di trascurare maggiormente l’anima, oppure il corpo. La risposta a questa domanda è di capitale importanza per comprendere la recensione di Schleiermacher – e assieme ad essa l’intera Antropologia di Kant. Alla luce dell’idea di libertà trascendentale sviluppata nella Critica della ragion pratica, si potrebbe pensare che Kant trascurasse la dimensione corporea. In effetti, Kant verrà da più parti accusato di aver ridotto l’individuo reale a una pura funzione trascendentale: privo di carne e sangue, inguaribilmente alieno alla “vita”, il soggetto kantiano ignorerebbe del tutto la dimensione del corpo vissuto. Nelle vene del soggetto trascendentale – scriveva Dilthey a riguardo – “non scorre sangue vero ma la linfa rarefatta di una ragione intesa come pura attività di pensiero”.²⁴ L’ipotesi sembrerebbe confermata dalla scelta di Kant di trascurare l’antropologia fisiologica in favore di quella pragmatica, una mossa che pare rafforzare l’accusa condannandolo definitivamente. Non solo nel criticare la ragion pratica – ché in quella sede lo si poteva in qualche misura giustificare – ma persino nell’accostarsi all’antropologia Kant sarebbe incredibilmente riuscito a tenere fuori dalla porta il corporeo, trascurando colpevolmente “l’uomo tutto intero”. Tuttavia, occorre fare attenzione: anche ammettendo in ipotesi la legittimità di questa critica, dev’essere chiaro che ciò non significa che Kant trascurasse il corpo in favore dell’anima. Proprio questo sarebbe stato per lui inconcepibile. Dalla Critica della ragion pura sappiamo infatti che Kant considerava il concetto di “anima” filosoficamente inservibile, perché frutto di un paralogismo. Questo è proprio il problema al quale l’impostazione “pragmatica” dell’antropologia tenta di dare una soluzione. Di certo, comunque, Kant non avrebbe mai potuto accettare la formula schellingiana dell’“assoluta unità dell’anima e del corpo” quale fondamento dell’antropologia, idea che sembra invece vicina al pensiero di Schleiermacher. Resta dunque da stabilire se Schleiermacher imputi a Kant la trascuratezza della dimensione corporea, alla luce della concezione della libertà nella Critica della ragion pratica, oppure la trascuratezza del concetto di anima, alla luce della dottrina dei paralogismi nella dialettica trascendentale della Critica della ragion pura. Come vedremo, passi diversi della recensione imputano a Kant sia l’una sia l’altra cosa. Orbene, la massima parte dei critici richiama l’attenzione sui momenti dove viene mossa a

o conseguente all’essenza dell’anima, o determinata in modo assoluto dalle cose esterne, oppure assolutamente non fondata, in alcun modo”. Schleiermacher: Über die Freiheit, 214– 215.  Dilthey: Introduzione alle scienze dello spirito, 9.

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Kant la prima accusa, quella di aver trascurato il corpo. Tuttavia, agli occhi di Schleiermacher la colpa maggiore è indubbiamente l’altra, quella di aver trascurato l’anima: solo in questo senso si spiegano l’accusa a Kant di realismo e la critica della “Kantologia” di cui si dirà più sotto. Iniziamo dalla prima critica. Al riguardo è utile citare finalmente per intero un lungo passaggio della recensione di Schleiermacher, alcune delle cui parti sono già state anticipate. Il contrasto, fondato nel modo di pensare di Kant e qui stabilito in modo del tutto peculiare, tra antropologia fisiologica e pragmatica rende […] entrambe impossibili. Alla base di questa dicotomia si trovano infatti due proposizioni opposte, entrambe giuste: quella per cui il libero arbitrio nell’uomo è natura, e quella per cui la natura nell’uomo è libero arbitrio; ma l’antropologia dovrebbe per l’appunto essere l’unione di entrambe queste proposizioni, e non può esistere altrimenti che nella loro unione: il fisiologico e il pragmatico sono un’unica e medesima cosa, solo considerata lungo direzioni diverse. La vecchia psicologia, della quale grazie a Dio non si sente più parlare, astraeva dalla seconda di queste proposizioni, e pertanto non era in grado di rispondere alla domanda come sia dunque possibile riflettere sull’animo posto che in questa riflessione non vi è libertà, e di conseguenza nemmeno alcuna garanzia in merito alla verità di questa riflessione. Kant vuole sbarazzarsi della prima, perché notoriamente per lui l’Io non ha alcuna natura, e così sorge il seguente problema: da dove vengono le “osservazioni fatte su ciò che fu riscontrato come dannoso o giovevole per l’animo”, e come queste possano essere utilizzate per un suo ampliamento, dal momento che non ci sono quei modi fisici di considerare e trattare l’animo che conseguirebbero dall’idea che il libero arbitrio è al tempo stesso natura.²⁵

Considerando analiticamente l’argomento, le due tesi distinte da Schleiermacher sono: (1) la libertà (libero arbitrio) nell’uomo è natura, e (2) la natura nell’uomo è libertà. Con la sua idea di libertà trascendentale, Kant trascura la 1; la vecchia psicologia empirica trascurava la 2. Schleiermacher, sulla scorta di una dottrina sui cui dettagli ci siamo ripromessi di tornare, ritiene che debbano valere entrambe. In questo passaggio, Schleiermacher adotta la linea critica consistente nell’imputare a Kant la trascuratezza della dimensione corporea. In tal senso va letta la constatazione secondo cui per Kant non ci sono “quei modi fisici di considerare e trattare l’animo, che conseguirebbero dall’idea che il libero arbitrio è al tempo stesso natura”, ossia dalla proposizione (1) che Kant trascura (e che gli psicologi empiristi invece considerano fin troppo, precludendosi la possibilità di intendere l’uomo come essere libero). Un rilievo di questo genere sembra sposarsi bene con quella considerazione complessiva dell’uomo, cui sopra si è fatto riferimento parlando dell’uomo “tutto intero” (der ganze Mensch).²⁶

 Schleiermacher: Recensione, 366. Il passo virgolettato sulle “osservazioni fatte su ciò che furiscontrato come dannoso o giovevole per l’animo” è tratto da Kant: Antropologia pragmatica, 3.  Scrive ad esempio Schings: Vorbemerkungen des Herausgebers, 5: “[l]a svolta verso il corpo, i sensi, la vita istintuale, le forze psichiche inferiori, l’oscuro fundus animae, l’inconscio, sospinge l’antropologia dalla parte dell’‘altro della ragione’, mentre la filosofia trascendentale e la filosofia della riflessione raccolgono l’eredità della res cogitans. Non per nulla il (vecchio) termine idealismo ha per gli antro-

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Ma è veramente la scarsa attenzione per i “modi fisici di considerare e trattare l’animo” ciò che preoccupa maggiormente Schleiermacher? Anche una superficiale familiarità con il suo pensiero rende poco verosimile questa opzione, e difatti un’analisi complessiva del testo della recensione mostra che le cose non stanno affatto così. Come mi propongo di mostrare, la critica a Kant che emerge dal passaggio sopra citato non è che la prima parte di una complessa argomentazione che culmina nell’accusa diametralmente opposta rivolta a Kant, accusa che si integra assai meglio col resto della produzione schleiermacheriana. Fin qui, infatti, il recensore lamenta soltanto che Kant si contraddica alla luce delle sue stesse premesse. Ciò non significa però che quelle premesse debbano essere condivise senza riserve.

3 Kant realista Per seguire questi sviluppi occorre riprendere il contrasto sopra illustrato tra le due proposizioni sopra distinte: nell’uomo (1) la libertà è natura e (2) la natura è libertà. Riguardo al contrasto tra queste due proposizioni, che l’antropologia avrebbe il compito di conciliare, Schleiermacher scrive: nessuno si meraviglierà del fraintendimento del contrasto che dovrebbe essere riconciliato nell’antropologia, fraintendimento che consiste nel fatto che Kant considera la natura in tutto e per tutto in relazione all’elemento corporeo. Tuttavia, questo suo fraintendimento si vede qui più chiaramente che mai: infatti, quella che sembra la pura divinizzazione della volontà libera [Willkühr], nel suo fondamento più intimo corrisponde perfettamente a quel realismo nascosto al quale Kant, dopo averlo egli stesso sovvertito e fatto a pezzi, attribuisce pur tuttavia una segreta funzione balsamica.²⁷

Eccoci trasportati dall’esecrazione per la trascuratezza dell’elemento corporeo, sacrificato sull’altare di un astratto trascendentalismo, all’affermazione che il principale fraintendimento “consiste nel fatto che Kant considera la natura in tutto e per tutto in relazione all’elemento corporeo” (corsivo mio). Sotto il profilo formale, Schleiermacher giustifica questo salto dialettico con il sopra menzionato espediente retorico che l’antropologia sia una specie di finzione di Kant, il quale come un consumato prestigiatore mostra e nasconde ora questo ora quell’elemento a seconda degli scopi. Ma il punto, con ogni evidenza, è sostanziale. Per intendere la questione occorre contestualizzare l’importantissimo riferimento al “realismo” presente in questo passaggio. È interessante rilevare che nei coevi Dis-

pologi un suono addirittura patologico. […] Lavater e la nuovamente virulenta traduzione ermetica, Herder e Jean Paul; ovvero qualcosa di ancora diverso come Schiller e naturalmente l’Antropologia di Kant – tutto ciò fornisce i controesempi”.  Schleiermacher: Recensione, 367. Il passaggio mi pare inconciliabile con la tesi interpretativa (cfr. Frierson: Freedom and Anthropology in Kant’s Moral Philosophy, 1) per cui Schleiermacher imputerebbe a Kant un’incongruenza tra filosofia critica e antropologia.

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corsi sulla religione Schleiermacher affronta il medesimo tema introducendo la nozione di “realismo superiore”, che rappresenta il destino dell’idealismo.²⁸ Un raffronto tra i due testi si presenta quindi assai promettente ai fini di un’adeguata comprensione del punto di vista promosso dal recensore. Nelle Reden Schleiermacher contrappone il punto di vista della religione a quello della metafisica e della morale, le quali nell’intero universo “vedono soltanto l’uomo quale centro di tutte le relazioni, quale condizione di ogni essere e causa di ogni divenire”.²⁹ La metafisica “muove dalla natura finita dell’uomo e, a partire dal concetto più semplice di questi, dall’estensione delle sue energie e della sua sensibilità, vuole determinare con coscienza che cosa l’Universo possa essere per lui e in che modo egli debba necessariamente contemplarlo”; la morale “muove dalla coscienza della libertà, il cui regno essa vuole ampliare all’infinito, sottomettendole ogni cosa”. Diverso il punto di vista della religione: essa respira là dove la libertà stessa è già divenuta di nuovo natura, comprende l’uomo al di là del gioco delle sue energie particolari e della sua personalità e lo vede dal punto di vista in cui, lo voglia o no, non può essere altro che quello che è. Essa afferma quindi il proprio dominio e il proprio carattere solo perché si stacca interamente dal punto di vista sia della speculazione che della prassi, e solo in quanto essa si colloca accanto a queste due viene perfettamente colmato il campo comune e, da questo lato, la natura umana raggiunge il suo compimento. Essa si presenta a voi come la terza realtà necessaria e indispensabile accanto a quelle due, come la loro contrapposizione naturale, non minore, per dignità e maestà, di qualsivoglia di esse.³⁰

Troviamo qui, in forma meno criptica, i termini della dicotomia utilizzata nella recensione a Kant: nella religione “la libertà stessa è già divenuta di nuovo natura”, scrive Schleiermacher. Nel superiore punto di vista della religione si realizza dunque quell’unione di natura e libertà che è esattamente ciò la cui mancanza tornava come si è visto a disdoro dell’Antropologia di Kant.³¹ Alla luce di questi passi delle Reden s’intende anche il citato riferimento della recensione al realismo. Poco dopo il passaggio ora citato Schleiermacher trae infatti le conclusioni circa il ruolo della religione relativamente ai sistemi speculativi. “E che ne sarà” – chiede – “del trionfo della speculazione, dell’idealismo compiuto e arrotondato, se la religione non lo controbilancia e gli fa presentire un realismo superiore a quello che esso si subordina così audacemente e con così pieno diritto?”³² Notoriamente, è Spinoza a ispirare in Schleiermacher i lineamenti di questo superiore realismo.³³

 Sul tema si veda Korsch: Höherer Realismus, che rinvia opportunamente al ruolo di Schelling quale ispiratore di questo acrobatico passaggio tra idealismo e realismo (609).  Schleiermacher: Sulla Religione, 113.  Ibid.  Cfr. Arndt: Friedrich Schleiermacher als Philosoph, 367– 368.  Schleiermacher: Sulla Religione, 114.  “Sacrificate rispettosamente con me una ciocca di capelli ai mani del santo scomunicato Spinoza! Il nobile spirito del mondo lo compenetrava, l’Infinito era il suo inizio e la sua fine, l’Universo il suo amore unico ed eterno; in santa innocenza e profonda umiltà egli si specchiava nel mondo eterno, e si rendeva conto che egli stesso ne era lo specchio più amabile; era pieno di religione e pieno di Spirito

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Mentre metafisica e morale assumono il punto di vista dell’uomo finito, la religione assume il punto di vista dell’infinito, spingendosi a osare un “sistema delle intuizioni dell’Universo”. Va tuttavia chiarito che la religione non congeda affatto metafisica e morale, ma le affianca, offrendo loro proprio la possibilità di questa trasfigurazione nel segno dello höheren Realismus. Tornando alla recensione, siamo ora in grado di apprezzare cosa significhi la sopra citata “pura divinizzazione della volontà libera, nel suo fondamento più intimo”, la quale corrisponde “a quel realismo nascosto” di Kant. Già nelle sue prime prove, Schleiermacher aveva bensì condiviso con Kant la negazione della conoscibilità di un mondo sovrasensibile; ma si era rifiutato di seguire Kant nel momento in cui questi ripristinava surrettiziamente proprio quel mondo sovrasensibile rivalutando le idee trascendentali quali postulati della ragion pratica.³⁴ La sbandierata libertà trascendentale – soggetta a questa impropria “divinizzazione” – finisce con l’assumere tratti alquanto sospetti: l’idolatria della libertà umana nasconde un pensiero realista. Tutto intento a bearsi della propria finitudine, opportunamente paludata da vitello d’oro, il soggetto non ha infatti alcun motivo di assumere il punto di vista spinozisticamente trascendente, quello dello höheren Realismus. Forte di argomenti di questa natura, Schleiermacher non poteva che vedere con disprezzo l’Antropologia kantiana. Essa aggrava il quadro in quanto va ad occupare per così dire il luogo teorico che dovrebbe invece spettare alla religione. Ma quale abissale differenza di prospettive! Il Kant antropologo manca clamorosamente l’aggancio al “realismo superiore” per cadere invece, più miseramente che mai, in una sorta di improvvido “realismo inferiore” che mette in scena la grottesca parodia antropologica della religione. Mi preme sottolineare il fatto che, secondo Schleiermacher, lo scandalo dell’Antropologia pragmatica è indice di un problema filosofico collocato a livello più profondo: si tratta di un difetto di impostazione generale del criticismo kantiano. Dopo aver disciplinato la ragione, la riscoperta della dimensione noumenica nella Critica della ragion pratica non è sufficiente. Anzi, essa offre troppo e troppo poco al tempo stesso: da un lato ripristina surrettiziamente il sovrasensibile, dall’altro (proprio per questo) non riesce ad ergersi quale valido argine contro le forme meno elevate di realismo. Da questo la filosofia kantiana non può essere davvero emendata, perché in fin dei conti l’espunzione dell’anima lascia all’uomo esclusivamente il corpo.³⁵

Santo; e anche per questo se ne sta solo e irraggiungibile, maestro nella sua arte, ma elevato al di sopra della congrega profana, senza discepoli e senza diritto di cittadinanza”. Schleiermacher: Sulla Religione, 114.  Cfr. Haym: Die romantische Schule, 423 – 424.  Si potrebbe obiettare che la “natura” ricorre in due significati nell’Antropologia pragmatica: da un lato, essa è l’insieme dei condizionamenti cerebrali sulla mente dei quali vuole trattare l’antropologia “fisiologica”, che viene con ciò condotta fuori strada; dall’altro, però, soprattutto nella Caratteristica antropologica, Kant fa più volte riferimento alla “natura” intesa teologicamente, al modo della critica del giudizio teleologico o degli scritti di filosofia della storia. Cfr. ad es. Kant: Antropologia pragmatica, 198 – 199, 224. Sulla distinzione di questi due aspetti fa perno la “risposta” a Schleiermacher da parte di Alix

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Ecco allora svelarsi, attacca Schleiermacher, le ragioni profonde per cui l’Antropologia pragmatica sfocia nel reiterato precetto di riposare dopo il lavoro o del consumare un pasto in buona compagnia. Il riferimento è alle pagine dove Kant si spinge a individuare il “sommo bene fisico-morale” nell’invito a cena,³⁶ in riferimento alla conversazione che sublima la consumazione del pasto. Sappiamo dell’importanza di questo aspetto nella vita del filosofo.³⁷ Persino in età avanzata, non potendo accettare inviti Kant continuò a ricevere ospiti come aveva fatto regolarmente in passato. Ciò gli offriva un momento di distrazione dagli sforzi di concentrazione cui si sottoponeva nella parte lavorativa della giornata: ma si trattava di una distrazione intellettualmente gratificante, tutt’altro che avulsa dall’attività filosofica e dotata invece, per lui, di significato morale. Scriveva Kant nell’Antropologia: “[i]l mangiar da solo (solipsismus convictorii) non è salutare per un filosofo; non vi è ristoro, ma (specialmente quando la tavola diventi una gozzoviglia solitaria) esaurimento; è un lavoro che logora, non un gioco di pensieri che ristora”.³⁸ Agli occhi di Schleiermacher la stessa nozione di un “sommo bene fisico-morale” doveva apparire spuria e riprovevole. Già nel 1789, in uno scritto dedicato al concetto del sommo bene (tout court), egli criticava Kant per avervi ammesso il sentimento della felicità, aprendo la strada a un’impropria promiscuità concettuale.³⁹ Figurarsi la sua reazione nel vedere la felicità vestire i panni di una fiacca soddisfazione postprandiale. Questo aspetto dell’opera kantiana del 1798 finisce col far premio su ogni altra considerazione, spingendo Schleiermacher alle impietose considerazioni personali di cui si è detto. La mancanza della dimensione “ascetica” in Kant è malattia mortale: non resta infine che la “dietetica”. Ma a Kant l’ascesi è preclusa, in quanto non riconosce “alcuna natura all’Io”.⁴⁰ Diviene allora impossibile anche quel miglioramento del medesimo che la prospettiva pragmatica dovrebbe prospettare: lo studio delle facoltà umane non può che collassare sulla dimensione corporea nel senso più deteriore. Questa deriva è poi aggravata dallo stile adottato da Kant nell’Antropologia pragmatica. Schleiermacher contesta la mancata conciliazione della pretesa di sistematicità con lo stile popolare dell’opera.

Cohen, che propone di distinguere l’antropologia “naturale” (nel senso qui sopra delineato) da quella propriamente “fisiologica”: Kant ha rifiutato solo quest’ultima, non la prima. Cohen 2008, 5.  Kant: Antropologia pragmatica, 168. Cfr. Cohen: The Ultimate Kantian Experience.  Cfr. Kuehn: Kant: A Biography, 334, 421.  Kant: Antropologia pragmatica, 171– 172.  Schleiermacher: Über das höchste Gut, 95. Secondo Schleiermacher, la “connessione di sommo bene e felicità mina alle fondamenta l’intera filosofia morale kantiana”. Cfr. Giacca: La formazione del pensiero etico di Schleiermacher, 29.  Quello che per Kant non può esserci è una conoscenza noumenica dell’Io al di fuori dei fenomeni nei quali esso appare al senso interno. Va detto da contro che per Kant, in senso pragmatico di “Io” ce n’è fin troppo: l’uomo pecca per lo più di “egoismo” (in senso logico, morale ed estetico). Kant: Antropologia pragmatica, 10.

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Per quanto concerne la forma, Kant ha imposto due requisiti all’antropologia. La cui conciliazione egli ha rappresentato appunto come qualcosa di impossibile: e cioè che essa debba essere al tempo stesso sistematica e popolare […]. Ma qui, per lo sforzo di essere popolare il sistematico è naufragato, e data l’innata tendenza [dell’autore] al sistematico, al posto del popolare è restato spesso solo lo spazio vuoto dove avrebbe dovuto essere installato.⁴¹

Proprio riflettendo sullo stile comprendiamo come mai l’Antropologia pragmatica riveli meglio di altre opere il malinteso realismo di Kant.⁴² Schleiermacher menziona di sfuggita ulteriori difetti del testo kantiano, che si aggiungono ai problemi di impostazione sopra rilevati: un rapporto ambiguo verso il “motto di spirito” e il “gioco di parole”, la “completa ignoranza” di arte e specialmente di poesia, il trattamento “del genere femminile come una specie inferiore e comunque come un mezzo”, per finire con una “caratteristica dei popoli” il cui livello è quello dei discorsi conviviali, “tutto ciò e molto altro sono contributi a una Kantologia, che si potrebbe sviluppare ulteriormente sia in senso fisiologico sia in senso pragmatico”, da consigliarsi solamente ai più “ciechi adoratori del grande uomo”.⁴³ Di certo, almeno in questa previsione Schleiermacher si sbagliava: l’Antropologia pragmatica avrebbe invece creato in ogni tempo il massimo dell’imbarazzo ai seguaci di Kant, e massime a quelli più pedissequi, molti dei quali – a prescindere dai toni – condivideranno le lagnanze espresse da Schleiermacher incolpando tuttavia la sola Antropologia pragmatica, infelice frutto della senilità del filosofo.

4 Antropologia pragmatica e Weltliteratur Nel complesso, Schleiermacher è lungi dal comprendere l’autentico significato dell’Antropologia pragmatica. È indicativa in tal senso l’assenza di riferimenti nella sua recensione alla sezione conclusiva sul carattere della specie, dove Kant affronta questioni non certo riconducibili a un “repertorio di banalità” come la discussione sulle disposizioni umane (tecnica, pragmatica, morale), con la risposta alla domanda se l’uomo sia buono o cattivo, o la definizione della “destinazione” dell’uomo.⁴⁴ Ciò testimonia di una lettura parziale, basata su una tesi preconcetta in merito all’oggetto dell’antropologia.⁴⁵ Una lettura al cui superamento, un secolo più tardi, contribuì in

 Schleiermacher: Recensione di Immanuel Kant, 367– 368.  Anche nella coeva recensione (Schleiermacher: Recensione di Johann Gottlieb Fichte) alla Destinazione dell’uomo di Fichte, Schleiermacher esprimeva le sue riserve sullo stile “popolare” in filosofia. Un’analisi in parallelo di queste due recensioni di Schleiermacher dev’essere rimandata ad altra occasione.  Schleiermacher: Recensione di Immanuel Kant, 369.  Kant: Antropologia pragmatica, 217– 220.  Va detto comunque che in questo Schleiermacher anticipa una tendenza interpretativa che diverrà predominante, al punto che la Caratteristica antropologica sarà incredibilmente trascurata in quasi

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misura determinante Wilhelm Dilthey segnalando la vicinanza tra il progetto antropologico kantiano e il Weltbegriff o “concetto cosmico” del filosofare in Kant.⁴⁶ Si tratta di un tema decisivo: in più luoghi Kant distingue la filosofia in sensu cosmico, appannaggio del filosofo inteso come “legislatore della ragione”, dal sapere meramente sistematico del Vernunftkünstler, il “tecnico” della ragione. Il contrasto tra queste due prospettive – quella della Welt e quella della Schule – emerge in diversi luoghi dell’opera kantiana: nell’architettonica della ragion pura della prima Critica, nella Logica e per l’appunto nell’Antropologia. ⁴⁷ L’antropologia si avvale certo di una sistematica delle osservazioni sull’uomo, che garantisce scientificità all’impresa, ma si configura tuttavia come una parte fondamentale di quella “conoscenza del mondo” che deve far seguito al sapere di scuola, consentendone un’adeguata applicazione.⁴⁸ Questo consente, conclusivamente, di introdurre qualche riflessione sul preteso valore “universalistico” – renderemmo così, infatti, in maniera non letterale ma forse più appropriata il senso del riferimento alla Welt – dell’Antropologia pragmatica. Nella prefazione all’opera, le fonti dell’antropologia sono elencate al modo seguente: “storia universale [Weltgeschichte], biografie, persino teatro e romanzi”.⁴⁹ In uno dei corsi di antropologia tenuti all’università di Königsberg Kant precisava: “[c]ome nasce l’antropologia? Dalla raccolta di molte osservazioni sugli uomini di quegli autori, che hanno avuto un’acuta conoscenza degli uomini. Per esempio le opere teatrali di Shakespeare, degli osservatori inglesi e i Saggi di Montaigne, insieme con la sua biografia, tutto ciò è un libro per la vita e non per la scuola”.⁵⁰ Chi vuole conoscere l’uomo in senso pragmatico deve in primo luogo abbandonare la strada della ricerca fisiologica sulle fibre nervose, ma anche la psicologia “scolastica” della scuola wolffiana non potrà soccorrerlo. Quello che occorre è una conoscenza dell’uomo tratta dall’esperienza ma assistita, a monte, da una solida consuetudine con la storia e la letteratura: più precisamente, potremmo riassumere, con Weltgeschichte e Weltliteratur. ⁵¹ Anche a prescindere dal suo pregio estetico, il valore della letteratura universale si radica cioè in una prassi osservativa che l’antropologo “pragmatico” condivide con il letterato, nelle cui opere i caratteri e le situazioni vengono sì “esagerati come in un sogno” sicché “pare che nulla se ne possa apprendere per la conoscenza dell’uomo”; nondimeno, quei caratteri “devono essere derivati nei loro tratti fondamentali dall’osservazione di ciò

tutte le analisi del testo, quasi fino ai giorni nostri. Cfr. Sturm: Kant und die Wissenschaften vom Menschen, 509.  Dilthey: Brief an E. Adickes, 23.  Per questi temi e i necessari riferimenti sia consistito rimandare a Martinelli: Conceptus cosmicus, passim, in cui analizzo brevemente la recensione di Schleiermacher nel contesto della riflessione sul concetto cosmico della filosofia in Kant.  Kant: Antropologia pragmatica, 3 – 4.  Kant: Antropologia pragmatica, 5 (trad. modificata).  Kant: Vorlesungen zur Anthropologie, 472.  Kant disprezza invece la letteratura di intrattenimento, che distrae colpevolmente “le lettrici di romanzi” provocando a lungo andare la perdita della memoria. Kant: Antropologia pragmatica, 71. Il filosofo si dimostra qui incapace di superare pregiudizi e stereotipi di genere.

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che l’uomo fa e non fa: infatti essi, sebbene esagerati nel grado, devono per la qualità coincidere con la natura umana”.⁵² Da questo angolo prospettico, si può dire che l’antropologia pragmatica aspiri a rendere più sistematiche quelle stesse osservazioni sull’uomo che rendono patrimonio universale il lavoro dei massimi scrittori. Certo, nell’operazione viene meno la forza icastica tipica della parola poetica (nonché della vita onirica): pur costituendo il nerbo della Weltliteratur, tale energia va infatti depotenziata e ricondotta entro dimensioni più modeste nel contesto della rappresentazione antropologica, che pure si pone esplicitamente in continuità con quella, condividendone le esigenze universalistiche. Senonché proprio il gesto con cui Kant mira a rendere prosaiche le osservazioni sull’uomo è quanto irrita sommamente Schleiermacher, il quale rifiuta nel modo più categorico di riconoscere all’Antropologia pragmatica qualunque carattere cosmico o universalistico, cogliendo esclusivamente e stigmatizzando la volgarizzazione dei caratteri umani operata nel testo e decretando così il fallimento dell’operazione kantiana. Rispetto a questo netto rifiuto è istruttivo un raffronto con la lettura – in certo modo anch’essa diffidente, ma assai più misurata – dell’Antropologia pragmatica offerta da Goethe. In una lettera a Schiller del 19 dicembre 1798, questi rileva che l’opera ha notevole valore ma va degustata nel tempo “a piccole dosi”, laddove tutta assieme, “così come sta”, risulta “poco edificante” [nicht erquicklich].⁵³ Goethe lamenta soprattutto il fatto che Kant presenti l’uomo nel suo stato “patologico”, ma concede tuttavia che la trattazione, “ricca di spirito”, alle sopra citate condizioni risulti “stimolante”.⁵⁴ Non meno interessante è la risposta di Schiller il quale, non avendo ancora letto il lavoro kantiano, replica osservando che il “lato patologico” menzionato da Goethe è onnipresente in Kant, al punto da conferire quell’aspetto “burbero” [grämlich] alla sua “filosofia pratica”; tuttavia, aggiunge Schiller mitigando con ciò il giudizio, proprio questo aspetto patologico “in un’antropologia potrebbe forse essere appropriato”.⁵⁵ Vi sono dunque autorevoli reazioni coeve che pur cogliendo alcuni aspetti critici del tentativo kantiano non mancano, diversamente da Schleiermacher, di riconoscergli legittimità e valore sulla base di un’idea di antropologia complessivamente diversa da quella di Schleiermacher.⁵⁶ Guardando ad alcuni sviluppi successivi, è possibile inserire queste considerazioni nel contesto di una riflessione di respiro ancor maggior. Le recensione di Schleiermacher non offre solamente un aggiornamento stilistico per l’arte della stroncatura, ma anticipa addirittura quello che sarà un nuovo modo – o almeno una nuova moda – del fare filosofia. In prospettiva, la sua critica del Kant “kantologo” preannuncia pa-

 Kant: Antropologia pragmatica, 5.  Goethe: Brief an Schiller, 145.  Ibid.  Schiller: Brief an Goethe, 146.  Sul punto non è possibile soffermarsi in questa sede. Per alcuni cenni al riguardo cfr. Martinelli: Antropologia, 38 – 39.

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recchi dei successivi smascheramenti dell’aspetto allzumenschlich del sapere filosofico: da Feuerbach⁵⁷ – che fu uditore di Schleiermacher – a Nietzsche e ancora oltre, fino a giungere a nuovi critici dell’antropologia kantiana dal vastissimo seguito come Heidegger o Foucault.⁵⁸ La circostanza che il reagente capace di innescare questo processo sia stata proprio l’Antropologia pragmatica di Kant non è causale. L’introduzione del momento antropologico in filosofia, alla quale Kant dà un contributo significativo, desterà scandalo presso vari filosofi quale improprio abbassamento del livello del filosofare – se si vuole, quale realismo “inferiore” nel senso sopra illustrato. Scrive ad esempio Schleiermacher: “è impossibile riflettere sulle singole cose che accadono nell’esperienza interna se non si fa incominciare la cosa da un inizio sufficientemente elevato”.⁵⁹ La superfetazione di argomentazioni di questo genere porterà ad ampliare la diffidenza verso le bassure dell’umano fino alla teorizzazione di un anti-umanesimo dai toni sdegnati, quasi che nella battaglia contro l’antropologia (o l’antropologismo, come poi si dirà) la filosofia avesse a fronteggiare la più importante e mortale delle sfide. Naturalmente, con ciò non intendo attribuire un ruolo storico epocale proprio alla recensione di Schleiermacher all’Antropologia. Sarebbe assurdo suggerire che quelle poche pagine abbiano innescato processi storico-filosofici di così ampio respiro. Piuttosto, la recensione di Schleiermacher è la prima manifestazione di un modello destinato a ripetersi di frequente nella storia della filosofia successiva. Un modello, che si svela qui con una purezza che sarà raro incontrare nuovamente, il che consente di individuare le peculiarità che rendono una rilettura del testo utile e significativa ancor oggi.

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 Andreas Arndt insiste sul processo di inversione per cui autori vicini all’antropologia come Feuerbach e poi Dilthey si siano ispirati a Schleiermacher. Cfr. Arndt: Friedrich Schleiermacher als Philosoph, 363.  Per un’analisi del problema antropologico in filosofia e i riferimenti relativi cfr. Martinelli: Uomo, natura, mondo.  Schleiermacher: Recensione di Immanuel Kant, 368.

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Abteilung: Schriften und Entwürfe, vol. 1.1. Jugendschriften 1787 – 1796. A cura di Günter Meckenstock. Berlin e Boston: de Gruyter, 1984, 81 – 128. [Schleiermacher, Friedrich Daniel]: “Recensione di Immanuel Kant, Anthropologie in pragmatischer Hinsicht”. Athaeneum 2.2 (1799), 300 – 306. Poi in Kritische Gesamtausgabe. A cura di Hans-Joachim Birkner, Gerhard Ebeling, Hermann Fischer, Heinz Kimmerle, Kurt-Victor Segle. Erste Abteilung: Schriften und Entwürfe, vol. 1.2. Schriften aus der Berliner Zeit (1796 – 1799). A cura di Günter Meckenstock. Berlin e Boston: de Gruyter, 1984, 365 – 369. Schleiermacher, Friedrich Daniel: “Über die Freiheit” (s.d.). Kritische Gesamtausgabe. A cura di Hans-Joachim Birkner, Gerhard Ebeling, Hermann Fischer, Heinz Kimmerle, Kurt-Victor Segle. Erste Abteilung: Schriften und Entwürfe, vol. 1.1. Jugendschriften 1787 – 1796. A cura di Günter Meckenstock. Berlin e Boston: de Gruyter, 1984, 217 – 356. [Schleiermacher, Friedrich Daniel]: “Recensione di Johann Gottlieb Fichte: Die Bestimmung des Menschen”. Athenaeum 3.2 (1800), 283 – 297. Poi in Kritische Gesamtausgabe. A cura di Hans-Joachim Birkner, Gerhard Ebeling, Hermann Fischer, Heinz Kimmerle, Kurt-Victor Segle. Erste Abteilung: Schriften und Entwürfe, vol. 1.3. Schriften aus der Berliner Zeit (1800 – 1802). A cura di Günter Meckenstock. Berlin e Boston: de Gruyter, 1988, 235 – 248. Schleiermacher, Friedrich Daniel: Sulla Religione. Discorsi alle persone colte che la disprezzano. Scritti Filosofici. Trad. Giovanni Moretto. Torino: Utet, 1998 (11799).

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Teil 3 Organe

Nicola Kaminski

„W e l t l i t e r a t u r “. Eine kontrapunktische Rezension in den Blättern für literarische Unterhaltung vom 4./6. August 1827 als Kristallisationspunkt journalliterarischer Praktiken Die Ostermesse 1827 kann als Geburtsstunde wenn nicht des Konzepts, so doch des öffentlichkeitswirksamen Begriffs ‚Weltliteratur‘ gelten.¹ Dabei eignet seiner Lancierung – im Gefolge einer Übersetzung einer Rezension innerhalb einer Zeitschrift – von vornherein ein performatives Moment: indem er supplementär und doch wirkungsvoll, auf Multiplikation zielend in den publizistischen Diskurs eingespeist wird, praktiziert er im Postulat von ‚Weltliteratur‘ einen solchen Kommunikationsmodus zugleich schon.² Und zwar in eigentümlicher, kontroverse Praktiken weiteren Diskurses regelrecht provozierender Weise, denn in journalliterarischer Perspektive ist die publizistische Wiege des Begriffs, (das erste Heft des letzten Bandes von) Ueber Kunst und Alterthum, ein Paradox. Was für eine Zeitschrift im vorherrschenden Verständnis der Zeit den Normalfall bildet: nicht nur in periodisch sich wiederholendem Format und in wiedererkennbarer Optik ein plurales Angebot von Beiträgen zu versammeln, sondern Miszellaneität auch hinsichtlich einer pluralen Beiträgerschaft zu praktizieren, das trifft auf Ueber Kunst und Alterthum im Grunde nicht zu. Wo Goethe nicht gleich selbst Autor ist, tritt er als Übersetzer und Arrangeur derart entschieden in Erscheinung, daß es der ohnehin autor- und werkaffinen Forschung kaum zu verdenken ist, wenn sie von einem „Werk“, einem „Alterswerk“ Goethes spricht.³ Schon die zeitgenössischen Besprechun-

 Zur „frühe[n] Entwicklungsphase dieses Begriffsfeldes im 19. Jahrhundert“ grundlegend Goßens: Weltliteratur; Zitat: 5. Der vorliegende Beitrag stützt sich strikt auf 1827 öffentlich Zugängliches und akzentuiert damit eine für ‚Diskurs‘ nicht unwesentliche Unterscheidung (öffentlich vs. unöffentlich), die in der autorzentriert auf Goethe eingestellten, maßgeblich auch auf Tagebuchäußerungen und Eckermanns retrospektiv ab 1836 veröffentlichte Gespräche mit Goethe sich stützenden Weltliteraturforschung, angefangen bei Fritz Strichs grundlegender Monographie Goethe und die Weltliteratur, nicht konsequent mitgeführt wird. Anders als beispielsweise im jüngst erschienenen Sammelband Vergleichende Weltliteraturen wird „die Idee der Weltliteratur“ dabei streng historisch als etwas erst noch Auszulotendes verwendet und nicht als bereits gegeben vorausgesetzt. Vgl. Lamping: Einleitung, 1 u. ö.  Vgl. Bohnenkamp: Den Wechseltausch zu befördern, 937: „Im Mittelpunkt der letzten Hefte von Goethes Zeitschrift Ueber Kunst und Alterthum steht sein vielbesprochener Begriff von ‚Weltliteratur‘. […] [Sie wurden] – ausgehend von einigen wenigen Nennungen des neuen Ausdrucks ‚Weltliteratur‘ – von Goethe zum Forum seiner so bezeichneten Idee und ihrer Realisierung zugleich gemacht […]. Für diese späten Hefte gilt: Ueber Kunst und Alterthum ist Teil der ‚Weltliteratur‘.“  „Tatsächlich muß KuA als ein lange vernachlässigtes Alterswerk Goethes betrachtet werden“, stellt Bohnenkamp: Den Wechseltausch zu befördern, 941, emphatisch fest und sieht sich mit dieser Einschäthttps://doi.org/10.1515/9783111180403-008

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gen haben Ueber Kunst und Alterthum so aufgenommen. Zum Projekt ‚Weltliteratur‘, das auf Vernetzung, überindividuelle „Communication“,⁴ Vielstimmigkeit, kurz: auf „Diskurs“ zielt,⁵ steht das in Spannung. An dieser Systemstelle setzen im August 1827, zu einem Zeitpunkt, da der Begriff ‚Weltliteratur‘ konzeptuell noch völlig offen ist, da außer wenigen, publizistisch verstreuten Notizen sowie der Bindung an den Namen Goethe und seine Zeitschrift noch nichts feststeht, Brockhaus’ Blätter für literarische Unterhaltung an, eine der wichtigen deutschsprachigen Rezensionszeitschriften des 19. Jahrhunderts, 1818 von August von Kotzebue als Literarisches Wochenblatt begründet, von Dezember 1820 an als Literarisches Conversationsblatt fortgeführt, seit Juli 1826 unter diesem Titel.⁶ Der dort am 4. und 6. August 1827 abgedruckte Fortsetzungsartikel „We l t l i t e r a t u r “, der sich als Rezension gibt, aber nicht nur Rezension ist, macht diesen Mitte Mai 1827 einsetzenden, implizit spannungsvollen, zunächst noch national geführten publizistischen Diskurs zu seiner unmittelbaren, Lesererwartungen steuernden Matrix. An diesem Punkt gilt es darum einzusetzen. Das erste Heft des sechsten Bandes von Ueber Kunst und Alterthum, in dem Goethe beiläufig, im Anschluß an eine in Auszügen aus dem Globe übersetzte Rezension eines französischen Tassodramas, das in Parallele zu seinem eigenen Tasso gesetzt wird, zum ersten Mal öffentlich das Wort „We l t l i t e r a t u r “ (gesperrt gesetzt) fallen läßt,⁷ wird von Cotta zur Ostermesse 1827 annonciert.⁸ Nach einer ausführlichen Inhaltsanzeige im

zung in der Tradition früherer Goethe-Herausgeber, die jedoch daraus nicht die editorischen Konsequenzen einer „integrale[n] Neuedition der Zeitschrift“ (ebd., 940) gezogen hätten, vgl. ebd., 941– 942. Daß auch Bohnenkamp die editorisch unbedingt richtige Entscheidung, das publizistische Kontinuum der Zeitschrift weder nach dem Kriterium der Autorschaft noch nach dem der Gattungszugehörigkeit auseinanderzureißen, ganz mit der als Komposition Goethe zurechenbaren Werkförmigkeit von Ueber Kunst und Alterthum begründet, ist in diesem Zusammenhang sprechend.  So im zweiten Heft des sechsten Bandes von Ueber Kunst und Alterthum in einer die eigene „Weltliteratur“-Äußerung mit deren publizistischer Rezeption in Frankreich vernetzenden Rückkopplungsschleife: „Mein hoffnungsreiches Wort: daß bey der gegenwärtigen höchst bewegten Epoche und durchaus erleichterter Communication eine Weltliteratur baldigst zu hoffen sey, haben unsre westlichen Nachbarn […] beyfällig aufgenommen und sich folgendermaßen darüber geäußert. | Le Globe. Tom. V. Nr. 91. […].“ Bezüge nach Außen. In: Ueber Kunst und Alterthum. Von Goethe. Sechsten Bandes zweytes Heft. Stuttgart, in der Cotta’schen Buchhandlung. 1828, 267– 271, hier 267.  Vgl. dazu Mannweiler: Goethes „Weltliteratur“, bes. 141– 142.  Vgl. dazu Hauke: Literaturkritik in den Blättern für literarische Unterhaltung. Daß ihrem Ursprung nach, in Gestalt von Kotzebues Literarischem Wochenblatt nämlich, die Blätter für literarische Unterhaltung ihrerseits sich maßgeblich der Handschrift eines Herausgeber-Autors verdankten, der die eigene Position im goethezeitlichen Literaturbetrieb programmatisch in Spannung zu Goethe modellierte, kann den Vorgang in ein ironisches Licht setzen. Für diesen Hinweis danke ich Adrian Braunbehrens (Heidelberg).  Le Tasse, drame historique en cinq actes, par M. Alexandre Duval. In: Ueber Kunst und Alterthum. Von Goethe. Sechsten Bandes erstes Heft. Stuttgart, in der Cotta’schen Buchhandlung. 1827, 123 – 133, hier 131.  Vgl. [Anzeige]. In: Jntelligenz-Blatt [zum Morgenblatt für gebildete Stände Nro. 156. Sonnabend, 30. Juni 1827] Nro. 18, 69: „Stuttgart und Tübingen in der J. G. Cotta’schen Buchhandlung sind zur Ostermesse dieses Jahrs erschienen und in allen Buchhandlungen zu haben: | […] | Goethe, v., über Kunst und Al-

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Allgemeinen Repertorium der neuesten in- und ausländischen Literatur Mitte Mai⁹ und einer ebenfalls vorwiegend referierenden Besprechung im Berliner Conversations-Blatt für Poesie, Literatur und Kritik vom 2. und 5. Juni¹⁰ erscheint am 9. und 12. Juni im Weimarer Journal für Literatur, Kunst und geselliges Leben die quasi-autorisierte Rezension von „Eckermann“.¹¹ Gegenüber der episodisch reihenden Struktur des Besprechungsgegenstands ist die Besprechung gleich in mehrfacher Hinsicht auf Zentrierung bedacht. Das beginnt damit, daß Eckermanns Rezension eine Rahmung aus „Anfang und Ende“, dazwischen „mannichfaltige[s] Jnteressante[ ] […] was in der Mitte liegt“,¹² nicht nur konstatiert, sondern auch selbst in der Aufteilung der Fortsetzungslieferungen nachbildet. In den so geschaffenen Mittelpunkt rückt zu Beginn der zweiten Lieferung Goethes en-passant-Äußerung zur sich herausbildenden „We l t l i t e r a t u r “, die geradezu zum performativen Konzept der Zeitschrift erhoben und auf diese Weise als bereits gegenwärtig gesetzt wird: Betrachten wir die mannichfaltigen Gegenstände, die Göthe in diesem Hefte vorführt und zur Sprache bringt, als z. B. C h i n e s i s c h e G e d i c h t e s c h ö n e r F r a u e n ; P e r s i s c h e G e d i c h t e ; S o r b i s c h e ¹³ h e i t e r e L i e d e r ; d a s N e u e s t e S e r b i s c h e r L i t e r a t u r ; B ö h m i s c h e P o e s i e ; A u s d e m F r a n z ö s i s c h e n d e s G l o b e ; F r a n z ö s i s c h e r T a s s o u . s . w. ; so sehen wir sehr wohl, wie auch bereits in den früheren Heften zu bemerken gewesen, daß er im Sinne hat, uns Deutsche ferner aus dem engen Kreise eigener Nationalität herauszuführen und das Interesse auf eine allgemeine We l t l i t e r a t u r [erneut gesperrt] hinzulenken.¹⁴

terthum. 6r Bd. 1s Heft. 8. br. 2 fl. 36 kr.“ Die Ostermesse, eigentlich eine Jubilatemesse, hatte 1827 am 6. Mai (dem Sonntag Jubilate) begonnen.  [Besprechung] Ueber Kunst und Alterthum, von Göthe. Sechsten Bandes erstes Heft. Stuttgart, Cotta’sche Buchh. 1827. 216 S. kl. 8. 1 Rthlr. 12 Gr. In: Allgemeines Repertorium der neuesten in- und ausländischen Literatur für 1827 No. 9. Herausgegeben von einer Gesellschaft Gelehrter und besorgt von Christian Daniel Beck. Zweiter Band. Drittes Stück. Leipzig, 1827. bei Carl Cnobloch, 212– 215. In der knapp annotierenden Auflistung der „35 vielseitige[n] Numern“ (212) wird die ‚Weltliteratur‘-Äußerung gleichwohl herausgehoben, vgl. 213: „S. 123. Le Tasso, drame historique en cinq actes par M. Alex. Duval (Nachbildung des Göth. Tasso, nebst den verschiedenen Urtheilen über beide im Journal du Commerce und im Globe und mit der Aussicht, dass sich eine allgemeine Welt-Literatur bilde, worin den Deutschen eine ehrenvolle Rolle vorbehalten sey).“  Literatur. Ueber Kunst und Alterthum von Göthe, Sechsten Bandes erstes Heft. (Erster Artikel.). In: Berliner Conversations-Blatt für Poesie, Literatur und Kritik Nro. 109. Sonnabend, den 2. Juni 1827, 433 – 435; Literatur. Ueber Kunst und Alterthum von Goethe, Sechsten Bandes erstes Heft. (Zweiter Artikel.). In: Berliner Conversations-Blatt für Poesie, Literatur und Kritik Nro. 110. Dienstag, den 5. Juni 1827, 437– 440. Zur „We l t l i t e r a t u r “-Aussage (auch hier gesperrt gesetzt) 438 – 439, hier 438.  [Besprechung] Kunst und Alterthum von Göthe. Sechsten Bandes Erstes Heft [von] Eckermann. In: Journal für Literatur, Kunst und geselliges Leben Nro. 69. Sonnabend, den 9. Juni 1827, Sp. 546 – 549; Kunst und Alterthum von Göthe. (Beschluß.). In: Journal für Literatur, Kunst und geselliges Leben Nro. 70. Dienstag, den 12. Juni 1827, Sp. 553 – 557.  Ebd., Sp. 549.  In Ueber Kunst und Alterthum handelt es sich um serbische Lieder, vgl. Nach dem Serbischen. In: Ueber Kunst und Alterthum. Von Goethe. Sechsten Bandes erstes Heft. Stuttgart, in der Cotta’schen Buchhandlung. 1827, 141– 146.  [Besprechung] Kunst und Alterthum von Göthe (12. Juni 1827) (Anm. 11), Sp. 553.

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Innerhalb des zentralgesetzten Weltliteraturprojekts wird nun aber wiederum Goethe zum „Mittelpunct“ erklärt, und zwar nicht in seiner Eigenschaft als Schreibender, sondern als Hinweisender, der durch die deiktische Geste Vernetzung stifte: Danken wir also Göthe, daß er fortfährt, auf vorzügliche Erscheinungen des Auslandes hinzuweisen und zu deren Uebersetzung fähige Talente anzuregen. Niemand ist hiezu besser im Stande als Er, der nicht allein von allen jetzt lebenden Autoren gewissermaßen als der Mittelpunct europäischer Literatur anzusehen ist, auf welchen alles zusammenfließt und bei welchem jeder gerne Anerkennung und Zustimmung finden möchte, sondern seine Meinung und seine Worte haben auch mit Recht ein großes Gewicht, welchen zu folgen jeder willig und bereit ist.¹⁵

Daß dabei die Spannung zwischen Vernetzung und Alleingang womöglich gesehen wird, deutet die nachgereichte Legitimierung an („seine Meinung und seine Worte haben auch mit Recht ein großes Gewicht“¹⁶), die das Satzgefüge des das (großgeschriebene!) „Er“ näher qualifizierenden Relativsatzes durch einen Subjektwechsel von vornherein aus dem Gleichgewicht bringt.¹⁷ Auch im Literatur-Blatt zu Cottas Morgenblatt für gebildete Stände wird Ueber Kunst und Alterthum besprochen (am 6. Juli),¹⁸ erneut erscheint „We l t l i t e r a t u r “ gesperrt gesetzt¹⁹ und aufs engste mit Goethe verbunden – auch dies ein Heimspiel beim Verleger von Goethe’s Werken in der „Vollständige[n] Ausgabe letzter Hand“²⁰. Vor dem Hintergrund dieser vier ausführlichen Anzeigen bzw. Besprechungen (möglicherweise gibt es weitere) sowie zahlreicher Verlags- und Buchhändlerannoncen ist der Beginn der Rezension in den Blättern für literarische Unterhaltung vom 11. August 1827 zu lesen, der sich in eine Brieffiktion kleidet: Es gibt Bücher, über die gleich nach ihrem Erscheinen zu sprechen man einen großen Reiz spürt, den aber eine Scheu, das Bedeutende und Würdige vorschnell anzurühren, überwiegt. Es ist damit wie mit ausgezeichneten, weitwirkenden Männern, über die vor dem Verlauf einer geraumen Zeit zu urtheilen, so oft widerrathen wird. Der Verfasser dieser Anzeige empfand öfters jene Scheu, wenn er aufgeregt ward, über ein neuerschienenes Werk von Göthe zu reden, und nicht immer konnte er sie überwinden; er empfindet sie auch jetzt, da er von dem neuesten Hefte „Ueber Kunst und Alter-

 Ebd., Sp. 554.  Meine Hervorhebung.  Syntaktisch korrekt müßte der durch „sondern“ eingeleitete Teilsatz den mit „der nicht allein“ eröffneten Relativsatz bei gleichbleibendem Subjekt weiterführen.  Kunst-Literatur. Ueber Kunst und Alterthum.Von Goethe. Sechsten Bandes erstes Heft. Stuttgart, in der J. G. Cotta’schen Buchhandlung, 1827 [von] Alfrid. In: Literatur-Blatt [zum Morgenblatt für gebildete Stände] Nr. 54. Freitag, den 6. Juli 1827, 213 – 215.  Ebd., 214.  Zitiert nach dem Titelblatt des 1827 erschienenen „Zweyte[n] Band[es]“: Goethe’s Werke. Vollständige Ausgabe letzter Hand. Zweyter Band. Unter des durchlauchtigsten deutschen Bundes schützenden Privilegien. Stuttgart und Tübingen, in der J. G. Cotta’schen Buchhandlung. 1827.

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thum“ zu reden im Begriff ist; auch dieses wird Niemand leichtsinnig zu’r Hand nehmen, um ein Wort der Beurtheilung darüber zu sprechen.²¹

Diese Art von Schwellenrede setzt sich noch bis in die zweite Spalte fort, dann unterbricht eine Überschrift „B r i e f a n * * * “, und es geht nach zwei Geviertstrichen so weiter: Das Blatt, was Du beiliegend findest, hatte ich eben geschrieben; ich konnte nicht weiter, so schwerfällig kam ich mir vor. Auch überfiel mich die erwähnte Scheu. Da kam Dein Brief, in ihm die Frage: Ob ein neues Heft von Göthe erschienen sei, und die Bitte, wenn dies der Fall, Dir, dem vom literarischen Markte Entfernten, vorläufig Etwas über den Jnhalt desselben mitzutheilen. Der Brief kam mir sehr gelegen; meine Feder verließ augenblicklich jenes Blatt, auf dem sie nicht fortwollte, um sich in einem Schreiben an Dich desto freier zu regen.²²

Wo die Scheu vor dem Einen, Unnahbaren die Kommunikation stocken läßt, bringt das quasimündlich Vorläufige des Briefgesprächs sie wieder in Fluß und eröffnet im nächsten Satz sogar die Aussicht auf Ausweitung des Dialogs: Mit einem Briefe nimmt man’s so genau nicht; und wenn außer Dir noch sonst Wer von den Unserigen Notiz davon nimmt; vielleicht daß einer das Lückenhafte der Beurtheilung ergänzt, fortspinnt, was ich angesponnen, oder gegentheilige Ansichten ausspricht.²³

Vom Stocken der Rede also zur vielstimmigen Diskursvision. Bevor aber diese Brief-Rezension erscheint, die sich am 13. August in einem „Z w e i t e [ n] B r i e f “ fortsetzt²⁴ – auch in ihr wird natürlich, einmal mehr gesperrt, Goethes „We l t l i t e r a t u r “-Wort hervorgehoben²⁵ –, gewissermaßen ins Vakuum des scheuen Zögerns hinein, bringen die Blätter für literarische Unterhaltung am 4. und 6. August eine erstaunliche Rezension (Abb. 1).²⁶ Ihr Titel lautet: „We l t l i t e r a t u r “ (gesperrt gesetzt²⁷) – ein Wort, das zu diesem Zeitpunkt in der kritischen Diskussion unzweideutig mit Goethe und dem neuesten Heft  [Besprechung] Ueber Kunst und Alterthum, von Göthe. Sechsten Bandes erstes Heft. Helena, ein Zwischenspiel zu Faust, von Demselben. In: Blätter für literarische Unterhaltung Nr. 185. Sonnabend, 11. August 1827, 737– 739, hier 737.  Ebd.  Ebd.  [Besprechung] Ueber Kunst und Alterthum, von Göthe. Sechsten Bandes erstes Heft. Helena, ein Zwischenspiel zu Faust, von Demselben. (Beschluß aus Nr. 185.). In: Blätter für literarische Unterhaltung Nr. 186. Montag, 13. August 1827, 741– 743, hier 741.  In einem Zitat des ganzen Passus. Vgl. [Besprechung] Ueber Kunst und Alterthum, von Göthe (11. August 1827) (Anm. 21), 739.  Weltliteratur. Cooper’s neuester Roman. In: Blätter für literarische Unterhaltung Nr. 179. Sonnabend, 4. August 1827, 713 – 714; Weltliteratur. Cooper’s neuester Roman. (Beschluß aus Nr. 179.). In: Blätter für literarische Unterhaltung Nr. 180. Montag, 6. August 1827, 717– 719.  Das ist für die typographische Gestaltung von Artikelüberschriften in den Blättern für literarische Unterhaltung zwar nicht außergewöhnlich, aber auch nicht Standard. Vgl. im 1827er Jahrgang in unmit-

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Abb. 1: Erste Seite der Rezension „W e l t l i t e r a t u r “ auf der Titelseite der Blätter für literarische Unterhaltung vom 4. August 1827.

von Ueber Kunst und Alterthum verbunden ist. Es werden also Leseerwartungen geweckt, die mit den Besprechungen aus Leipzig, Berlin, Weimar und Stuttgart seit Mitte Mai in der Luft liegen – und sie werden nicht bedient, sondern auf frappante Weise konterkariert. Denn der Untertitel zum Aufmacher „We l t l i t e r a t u r “ heißt am 4. Au-

telbarer Nähe beispielsweise: Shakspeare und seine Erläuterer. In: Blätter für literarische Unterhaltung Nr. 176. Mittwoch, 1. August 1827, 701– 703, hier 701.

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gust nicht etwa (wie zu erwarten) ‚Goethe’s Ueber Kunst und Alterthum‘, sondern: „C o o p e r ’ s n e u e s t e r R o m a n“! Rezensiert wird der im Frühjahr 1827 gleichzeitig auf englisch, französisch und deutsch erschienene Roman Die Prairie, letztere Ausgabe bei Duncker und Humblot in Berlin in drei Bänden.²⁸ Doch beginnt die eigentliche Rezension – im Grunde ein Verriß, worin der „neue Cooper’sche Roman“²⁹ als langatmiger und oberflächlicher Walter-Scott-Verschnitt vorgeführt wird, der im Fahrwasser der Scott-Mode mitschwimme – erst auf der zweiten Seite, in der Mitte von Spalte 3, kurz vor Ende der ersten Lieferung. Die Vokabel ‚Weltliteratur‘ kommt in ihr nicht vor, wohl aber auf der ersten Seite des Artikels, auf die ich mich im Folgenden konzentrieren will. Unterstellt man erstens, daß der Titel eines Zeitschriftenbeitrags die Lektüre entscheidend lenkt, und nimmt man zweitens an, daß „We l t l i t e r a t u r “ am 4. August 1827 unfehlbar Goethes „We l t l i t e r a t u r “-Äußerung auf den Plan ruft, dann ist der verdeckte Protagonist der Rezension von „C o o p e r ’ s n e u e s t e [ m ] R o m a n“ eben dieses Goethe-Wort aus Heft 6.1 von Ueber Kunst und Alterthum. Den supplementären Gestus des betont Beiläufigen von dessen Einspeisung in den Diskurs kontert die „We l t l i t e r a t u r “-Besprechung, ohne auf Eckermanns Zentrierungsbemühen einzugehen, durch einen gleich doppelt präliminaren Auftritt: im Vorfeld zu einer Cooper-Besprechung im Vorfeld der eigentlich erwartbaren Besprechung von Ueber Kunst und Alterthum. Unter dieser Prämisse möchte ich aus den ersten beiden Spalten der Rezension „We l t l i t e r a t u r. C o o p e r ’ s n e u e s t e r R o m a n“ symptomatische Lemmata herausgreifen³⁰ und auffächern, um so Reflexe eines divergenten, durchaus wörtlich zu nehmend zugleich zentrifugalen und zentripetalen Diskurses einzufangen. 713/1,3 – 11 Weltliteratur und doch Tagesliteratur! Wir wollen sprechen, nicht von Jenen alten Unsterblichen, Deren dauernder Werth, wachsenden Strömen gleich, Jedes lange Jahrhundert füllt,

und welche, wie jene Ströme, geleitet von der immer mächtiger umsichgreifenden Bildung, aus ihrem Mutterlande durch große Meere nach Asien, Afrika und Amerika hinübergetragen werden.] Am Anfang steht – nachdem im Titel Goethe (implizit) und Cooper (explizit) hart aufeinandergeprallt sind – im Zeichen einer weitausgreifenden transnationalen Expansionsbewegung (von Europa „nach Asien, Afrika und Amerika“) eine Verabschiedung: verabschiedet werden mit den „alten Unsterblichen“ in Wahrheit die unsterblichen ,Alten‘, und mit ihnen die an deren ,Kunst und Altertum‘ klassizistisch sich  Die Prairie. Ein Roman von Cooper, Verfasser des Spions, des Letzten der Mohicans u. s. w. Aus dem Englischen übersetzt. Erster Band. Berlin, verlegt bei Duncker und Humblot. 1827.  Weltliteratur (4. August 1827) (Anm. 26), 714.  Im Fortgang verfährt der Text wie ein Stellenkommentar. Es werden Lemmata aus der Rezension herausgegriffen und durch eine Lemmaklammer abgeschlossen, anschließend folgt der Kommentar. Die Stellenangaben nennen vor dem Schrägstrich die Seitenzahl in den Blättern für literarische Unterhaltung, nach dem Schrägstrich die Spaltenzahl und nach dem Komma die Zeilenzahlen.

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orientierende Hochliteratur. Statt dessen, mutmaßlich auf Cooper gemünzt, von dem jedoch vorerst nicht die Rede ist: „Weltliteratur und doch Tagesliteratur!“ Genaugenommen findet die Verabschiedung gleich doppelt statt: rhetorisch in Gestalt einer praeteritio („Wir wollen sprechen, nicht von …“), geographisch, indem statuarisch „dauernder Werth“ verflüssigt wird zu in den Weltmeeren sich auflösenden „Strömen“. Die Verse stammen aus Klopstocks im Titel performativ das eigene Verfahren reflektierender Ode „Der Lehrling der Griechen“³¹ und sind das Sprungbrett zum Aufbruch in eine prosaisch fortströmende Neue Welt(literatur). 713/1,11– 22 Mag der alte Homer sich oben bei den Unsterblichen rühmen, daß er an den Grenzen der Hottentotten, Birmanen und Sioux gelesen wird, was ist das mehr, als was der Herausgeber des „British chronicle“ von seinem Werke hier unten gedruckt nachweisen kann, nachdem dieses kaum einige Monate alt geworden ist? Jst nicht der Kaiser von Brasilien sein erster Pränumerant? Wird es nicht in Gotha und in Neuyork verlegt, und cirkulirt es nicht in Rio-Janeiro und Petersburg, in Wien und Washington, in London und Paris, in Berlin und Calcutta, Weimar und Lieme gar nicht einmal zu erwähnen?] Diese Verabschiedung wird im nächsten Satz konkretisiert. Gegen den „alte[n] Homer“ („oben“), der angeblich „an den Grenzen der Hottentotten, Birmanen und Sioux gelesen wird“ (ganz im außereuropäischen Süden, Osten und Westen somit), setzt der Artikel „We l t l i t e r a t u r “ „hier unten“ (in der Deixis auch sich selbst positionierend) ein Anfang 1827 neubegründetes Periodikum: Meyer’s British Chronicle, a Universal Review of British Literature, &c., erschienen in Gotha und New York, mit einer maximal internationalen Subskribentenliste (Abb. 2 und 3).³² Darauf läßt „Tagesliteratur“, auch wenn vom British Chronicle „[w]öchentlich ein Bogen zu 16 Seiten zweispaltigen Satzes“ ausgegeben wird,³³ sich im Sprachgebrauch der Zeit beziehen: Journalliteratur. Die in den nächsten Nummern fortgesetzte „INTRODUCTION“ schlägt eröffnend einen direkten Bogen von der nach England eingeführten „art of printing“ zur „Periodical Press“, der programmatisch weltumspannende Reichweite attestiert wird: sie sei „the most powerful moral machine in the world“, ja im Verhältnis zur allenthalben immer wieder unterdrückten Meinungsfreiheit geradezu „immortal“.³⁴ So sieht weltliterarische Vernetzung, so neue Unsterblichkeit offenbar

 Der Lehrling der Griechen. In: Oden. Hamburg. 1771. Bey Johann Joachim Christoph Bode, 75 – 76, hier 75.  MEYER’S BRITISH CHRONICLE, a UNIVERSAL REVIEW of British Literature, &c. VOL. I. GOTHA AND NEW-YORK: printed for the bibliographick institution. 1827. Die Liste der Subskribenten umfaßt vier zweispaltig bedruckte (unpaginierte) Seiten nach dem Titelblatt, als Herkunftsländer vertreten sind außer „Germany“ in alphabetischer Folge „Brazil“, „Denmarck“, „France“, „Great-Britain & Jreland“, „Jtalian States“, „Netherlands“, „Sicily“, „Sweden“, „Switzerland“, „Spain“ und „United States of Amerika“. Vgl. zum British Chronicle Sarkowski: Das Bibliographische Institut, 20, sowie das bibliographische Portrait ebd., 218.  Ebd., 218.  INTRODUCTION. the PERJODJCAL PRESS of GREAT-BRITAIN AND IRELAND, or a critical inquiry into the present state of the most distinguished british newspapers and journals. (by the editor.). In: MEYER’S BRITISH CHRONICLE, a UNJVERSAL REVJEW of BRITISH LITERATURE, &C. VOL. I, No. 1. 1827, Sp. 1– 6, hier Sp. 1.

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Abb. 2: Meyer’s British Chronicle, a Universal Review of British Literature des Bibliographischen Instituts, Band I (1827), Titelseite der ersten Nummer …

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Abb. 3: … und erste Seite des Subskribentenverzeichnisses.

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praktisch aus. Dabei wird in der den Passus beschließenden wegwerfenden Bemerkung „Weimar und Lieme gar nicht einmal zu erwähnen“ (abermals eine praeteritio) wahrnehmbar, daß die Verabschiedung in ihrer Stoßrichtung keineswegs bloß auf die „alten Unsterblichen“ zielt, sondern auch (womöglich gerade) auf einen bereits zu Lebzeiten als unsterblich gehandelten ‚Neueren‘ (Goethe), und damit einen gegenwartsliterarischen Skandal alludiert und ostentativ distanziert: hatte doch gerade erst die pseudoGoethesche Wilhelm-Meister-Fortsetzung Wilhelm Meisters Tagebuch, deren „Vf.“ „bekanntlich Hr. Prediger Pustkuchen in Lieme“ sei,³⁵ den Literaturbetrieb aufgewühlt. Unvermerkt ist im Zuge dieser Verschiebungen ein verlegerischer Akteur auf den Plan getreten, der transnational Literatur und deren Rezensionen an die Leser zu bringen verspricht: „the bibliographick institution“.³⁶ 713/1,22 – 40 Wer weiß, was aus der Cabinetsbibliothek deutscher Classiker geworden wäre, wenn die engherzige Zünftigkeit der berliner und leipziger Buchhändler im Stande gewesen wäre, den großartigen Plan des Bibliographischen Jnstituts in Gotha und Neuyork aufzufassen, welcher gewiß darauf ausging, Schiller’s, Göthe’s und Jean Paul’s Werke in die Hauptstädte der Birmanen, Kalifornier und Kaffern einzuführen. Wie wir hören, hat der Herausgeber dieses im kleinsten Formate dennoch kolossalen Nationalwerks nach den traurigen Erfahrungen der leipziger Jubilatemesse dieses Jahr sich nunmehr an den Vicekönig von Ägypten gewandt und von diesem ein Privilegium für den Druck der

 [Besprechung] Leipzig u. Sorau, b. Friedr. Fleischer: Wilhelm Meisters Tagebuch. Vom Verfasser der Wanderjahre. Zweyte verbesserte Auflage in zwey Bändchen. 1824. I Band. 188 S. II Band. 274 S. kl. 8. (2 Thlr. 8 gr.). In: JENAISCHE ALLGEMEINE LITERATUR-ZEITUNG NUM. 115. JUNY 1827, Sp. 433– 440, hier Sp. 433. Vgl. den Passus im Zusammenhang: „Unter den mancherley Aphorismen, in denen der Vf. seine ästhetischen und kritischen Ansichten über fast alle bedeutenden Dichter, insbesondere aber über Goethe, sowie über Kunst überhaupt, entwickelt, stellt er auch folgende Bemerkung (B. I. S. 156) auf: ‚Indem ein Volk der Blüthe seiner Kunst entgegengeht, erscheinen manche dichterische Werke, die Anfangs sehr geachtet, ja selbst bewundert, und im Voraus unsterblich gesprochen werden, die aber sich doch nicht halten können, und oft nach ein Paar Jahrzehenden schon wie verschwunden und vergessen sind. Dieses Loos hatten Linus und andere Männer unter den Griechen, Ennius unter den Römern, (?) unter anderen Völkern Andere. Welche Bewunderer fanden zu ihrer Zeit Uz, Gleim, Gellert, Hagedorn, Ramler, Gottsched, Bodmer, und mit ihnen so Viele! Könnten wohl Schiller, Herder oder Jean Paul ihrer Unsterblichkeit durch so viele fremde Versicherungen gewiß gemacht seyn, wie sie? Und war nicht jeder von der Unsterblichkeit seiner Werke überzeugt? […] Und wer liest jetzt ihre Dichtungen mehr? Wie Viele würden ihren Namen gar nicht mehr kennen, wenn nicht Klopstocks und Herders ehrende Anführungen sie den Kritikern und Aesthetikern empföhlen, und deren Berichte und Auszüge noch Manchen in den Stand setzten, etwas über sie zu sprechen?‘ | In diesen Worten hat, wie es dem Rec. scheint, der Vf. (bekanntlich Hr. Prediger Pustkuchen in Lieme) zwar nicht das künftige Schicksal eines Herder, Schiller und Jean Paul […], sehr wahrscheinlich aber sein eigenes richtig geweissagt, und es möchte darauf zu wetten seyn, daß vielleicht schon nach einem Jahrzehend nur ‚Kritiker und Aesthetiker‘ von seinen sämmtlichen Operibus noch Notiz nehmen, und zwar nicht eben, um sie absonderlich zu ‚empfehlen,‘ sondern bey Gelegenheit einer Kritik oder Charakteristik Goethe’s, dessen Name hoffentlich ebenfalls einige Jahrzehende überdauern wird, beyläufig als die Werke eines Anti-Goethisten oder Goethianers zu erwähnen […].“ Zum systematischen Stellenwert der Auseinandersetzung um Pustkuchens nichtautorisierte anonyme Wilhelm-Meister-Fortsetzungen vgl. Ramtke: Anonymität – Onymität.  Meyer’s British Chronicle (Anm. 32), Titelblatt des ersten Bandes.

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deutschen Classiker erhalten, jedoch mit der Bedingung, statt der Portraite der Autoren, welche bekanntlich nach den mohammedanischen Gesetzen unerlaubt sind, nur die Schädel derselben, oder auch ihre abgeschnittenen Ohren, Nasen oder Lefzen als Titelkupfer zu geben.] Angeführt wird ein weiteres Projekt, das das Bibliographische Institut (so nennt sich der 1826 von Joseph Meyer in Gotha begründete Verlag³⁷) im März 1827 unter den Vorzeichen von ‚Weltliteratur‘ ins Leben ruft: die Miniatur-Bibliothek der Deutschen Classiker. Die erste und die zweite Lieferung der Reihe füllen in jeweils einem unspezifiziert einheitlich eingebundenen, 96 Seiten broschiert im Sedezformat umfassenden Bändchen (Abb. 4 und 5)³⁸ Bürgers Gedichte, die dritte Hölty’s Gedichte, die vierte Klopstocks Oden, die fünfte Körners Gedichte, die sechste E. Chr. v. Kleist’s Gedichte. Die siebte bis neunte Lieferung enthält den ersten bis dritten Teil einer Anthologie aus Herder: aus den Jdeen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit, die zehnte und die elfte Lieferung bieten in zwei Teilen à 96 Seiten Lessings Nathan der Weise, die zwölfte Lessings Emilia Galotti, die dreizehnte und vierzehnte Minna von Barnhelm oder Das Soldatenglück. Mit der fünfzehnten Lieferung beginnt, immer noch 1827, eine vierteilige Anthologie aus Wieland: Oberon. Und so weiter.³⁹ Die Geschäftsidee der Miniatur-Bibliothek der Deutschen Classiker lautet: Erschließung neuer Publikumsschichten durch kostengünstige Bindung an eine nationalliterarische Best-of-Reihe,⁴⁰ wobei hinsichtlich der Ausstattung und des Preises binnendifferenziert wird zwischen einer „Miniaturausgabe“, einer „Cabinetsausgabe“ (auf sie bezieht sich die Rezension in den Blättern für literarische Unterhaltung) und einer „Prachtausgabe“.⁴¹

 Vgl. Sarkowski: Das Bibliographische Institut, 202 sowie 20 – 22. Für den Kontext, aus dem heraus die Verlagsgründung durch den „Projektenmacher[ ]“ Meyer erfolgt, vgl. die ausführliche biographische Darstellung der Jahre 1826 – 28 bei Hohlfeld: Das Bibliographische Institut, 1– 56, Zitat: 22.  Vgl. die Beschreibung bei Sarkowski: Das Bibliographische Institut, 202: „Die Bände bis zur Nr. 80 wurden mit einem reich geschmückten Papierumschlag ausgegeben. Auf dem Rücken des Bandes steht der Name des Autors auf einem grünen, aufgeklebten Schild. Die später erschienenen Bände haben einen einfacheren Papierumschlag und ebenfalls ein aufgeklebtes Schild. Zusätzlich ist im unteren Teil des Rückens die Bandnummer eingedruckt.“  Die Zusammenstellung der ersten Bändchen der Miniatur-Bibliothek der Deutschen Classiker beruht auf den Angaben des Gemeinsamen Verbundkatalogs (GVK) innerhalb des Karlsruher Virtuellen Katalogs (KVK) sowie einer Reihe eigener Bändchen. Die Geschichte der verschiedenen Classiker-Reihen des Bibliographischen Instituts ist unübersichtlich und müßte auf der Grundlage umfassender bibliographischer und antiquarischer Recherchen erst noch geschrieben werden. Das beginnt schon bei der Frage nach dem die Reihenfolge der Bändchen bestimmenden Ordnungsmuster. Vgl. hierzu nach wie vor die Bibliographie von Sarkowski: Das Bibliographische Institut, 199 – 207, zur Miniatur-Bibliothek der Deutschen Classiker 202– 203, sowie die Vorbemerkung zur Bibliographie 197– 198. Noch der Eintrag im Oxford Companion to the Book verweist 2010 allein auf Sarkowski, vgl. Schneider: Meyer/Bibliographisches Institut.  Vgl. Hohlfeld: Das Bibliographische Institut, 35 – 36.  Prospectus. Subscriptions-Eröffnung ohne Vorausbezahlung. Miniatur-Bibliothek der deutschen Classiker, eine Auswahl des Schönsten und Gediegensten aus ihren sämmtlichen Werken. Gotha, 1827. In: INTELLIGENZBLATT der JENAISCHEN ALLGEM. LITERATUR-ZEITUNG Num. 26. April 1827, Sp. 201– 207, hier Sp. 204. Miniaturformate haben nur die „Miniaturausgabe, in Sedez“ und die „Cabinetsausgabe, in gefälligem Duodez“, während die „Prachtausgabe in gross Imperial-Octav“ „heftweise“ offenbar als Lieferungswerk

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Abb. 4: Miniatur-Bibliothek der Deutschen Classiker des Bibliographischen Instituts (7,15 x 11,15 mm), achte Lieferung (von vorn) und neunte Lieferung (von hinten, mit alter handschriftlicher Notation der Lieferungsnummer) vom 19. und 26. Juni 1827 mit einer Anthologie aus Herder. Zweiter Theil. Aus den Jdeen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit und Dritter Theil. Aus den Jdeen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Nebst vermischten Gedichten.

Abb. 5: Miniatur-Bibliothek der Deutschen Classiker, Rückenansicht der einheitlich gestalteten Heftchen: achte und neunte Lieferung (Anthologie aus Herder II und III), zehnte und elfte Lieferung (Lessings Nathan), fünfzehnte, sechzehnte und achtzehnte Lieferung (Anthologie aus Wieland I, II und IV: Oberon I, II und IV), zwanzigste, zweiundzwanzigste und dreiundzwanzigste Lieferung (Anthologie aus Wieland VI, VIII und IX: Die Abderiten II, IV und V), 1827/28.

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Was hat das mit Weltliteratur zu tun? Das verrät der mehr als dreiseitige „Prospectus. Subscriptions-Eröffnung ohne Vorausbezahlung. Miniatur-Bibliothek der d e u t s c h e n C l a s s i k e r, eine Auswahl des Schönsten und Gediegensten aus ihren sämmtlichen Werken. Gotha, 1827“ im Intelligenzblatt der Jenaischen allgemeinen Literatur-Zeitung vom April 1827: Zwar wurden die Werke der reichsten Geister des vorigen Jahrhunderts und der Gegenwart […] bereits in vielfältigen Sammlungen dem Publicum dargeboten; zwar hat man früher schon unter den Titeln von Chrestomathieen, Anthologieen, Blumenlesen u. s. w. von vielen jener Schriftsteller Auszüge in die größere Lesewelt gebracht, aber ein Werk wie das unsrige, eine gute Auswahl des Schönsten und Gediegensten aller großen Dichter und Prosaiker der deutschen Nation aus und seit der Periode, die wir vorzugsweise die classische unserer Literatur nennen, nach einem umsichtigen, wohlgeordneten Plane, in schönen, ansprechenden, auch zum Vertrieb in das – was Bücherausstattung betrifft, ästhetischer denkende – Ausland geeigneten Formen, und zu einem Preise, der auch den Allerärmsten nicht von ihrem Besitz zurückweist, – eine solche Sammlung, wie sie die Britten, die Franzosen, die Italiäner von ihren Classikern längst besitzen, blieb in Deutschland bisher ein vergeblicher Wunsch. Und nie that seine Erfüllung mehr noth, als jetzt. Uebersetzungen von französischen, englischen, amerikanischen und welschen Geisteswerken überschwemmen zu Hunderttausenden die deutsche Lesewelt, und in Zweygroschen- und Neunkreuzer-Ausgaben drängen sie sich bis in die Gesindestuben, bis in die Hütten, und ihr wässeriges, aber wohlfeiles Undeutsch verdrängt die herrlichen Erzeugnisse der Schriftsteller des Volkes. Des Volkes Geschmack verdirbt bey der ausländischen, in unseren deutschen Uebersetzungsküchen oft so jämmerlich zugerichteten Kost, und seine angeborene Neigung zum Fremden, selbst in der Geistesnahrung gehätschelt, wird aufgezogen zum monströsen Auswuchs, der unseren Nationalcharakter entkräften und verunstalten muß bis zur Unkenntlichkeit. – Schon ist tiefgewurzelt das Uebel, und nur überlegene Waffen können es siegreich bekämpfen. Gleiche Wohlfeilheit muß den Verdrängten wieder Eingang verschaffen neben den begünstigten Fremdlingen, größere Eleganz diese in Schatten stellen – schlagen wird sie die innewohnende größere Kraft. Wem, der des deutschen Namens noch werth ist, behagt auf Schillers Wilhelm Tell eine Uebersetzung vom Cain Byron’s, oder nach einer Erzählung von Fr. Jacobs eine Uebertragung des verworfenen Casanova? Wer möchte ein Bändchen von Jean Paul auf seinem Bücherbrete missen um eines verdeutschten Romans der Genlis willen, oder wer eine Bürgersche Ballade um eine geradebrechte von Scott? Keiner – wenn ihm beides, das heimische Bessere wie das fremde Schlechtere, um einerley Preis zur Wahl geboten wird. Und dieß soll ihm unsere Bibliothek. Aber sie soll nicht allein der Masse des deutschen Volks die Schule der Vorbildung werden zur besseren und innigeren Bekanntschaft mit seinen großen Dichtern und Prosaikern; sie soll auch der, bey unseren nördlichen Nachbarn längst festgewurzelten, in Frankreich, in England und in den Verein. Staaten von Nordamerika rüstig emporwachsenden, im südlichen Europa eben keimenden Liebe für die deutsche Literatur neue Jünger, neue Verehrer gewinnen. Weit entfernt, daß unsere Sammlung der Verbreitung ihrer vollständigen Werke hinderlich seyn könne, wird sie solche vielmehr auf das kräftigste fördern, und, indem sie vermöge ihrer Form und ihres Preises die Saat des Wissens in alle Classen ausstreut, den Wunsch einer vollkommneren Bekanntschaft mit den Originalen in Tausenden erwecken, in denen er, ohne unsere Bibliothek, immer geschlummert haben würde.⁴²

erscheint. Die Preise sind entsprechend gestaffelt: die Miniaturausgabe kostet „zwey Groschen sächsisch oder 9 Kreuzer rheinl.“, die Cabinetsausgabe doppelt, die Prachtausgabe dreimal soviel. Ebd., Sp. 205.  Ebd., Sp. 202– 203.

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Kanonbildung, auf ein bildungshungriges Massenpublikum zielende Niedrigpreispolitik, internationale Konkurrenz und internationale Vermarktung (die Preistabelle am Ende der Annonce [Abb. 6] nennt außer den deutschen Ländern die Niederlande, Frankreich, Schweiz, England, Rußland, Dänemark und die Vereinigten Staaten⁴³), verbunden mit einer periodischen Distributionsform („Die Bibliothek ist auf 150 Bändchen berechnet, von denen, den 1 May 1827 anfangend, alle 8 Tage eins erscheint.“⁴⁴): dieses neue Geschäftsmodell mischt die deutsche Verlagsszene auf. „In mehreren öffentlichen Blättern, und unter anderen auch in der Frankfurter Oberpostamtszeitung vom 3 May“ erscheint „eine aus dem Berliner Intelligenzblatte entlehnte Anzeige, in welcher achtzehn von den Berliner Buchhandlungen erklären: sie nähmen keine Bestellungen auf die […] Bibliothek der deutschen Classiker an“.⁴⁵ Das Morgenblatt für gebildete Stände berichtet am 16. Juli über die Leipziger Jubilatemesse (diejenige, auf der sowohl Coopers Roman Die Prairie erscheint als auch Heft 6.1 von Ueber Kunst und Alterthum): „Gegen die von Gotha aus angekündigte Bibliothek der deutschen Klassiker erklärten sich alle.“⁴⁶ Insbesondere für Schiller, Jean Paul und eben Goethe berufen sich die rechtmäßigen Verleger auf ihre exklusiven (keineswegs weltliterarisch-inklusiven) Rechte und erkennen auf Nachdruck.⁴⁷ Dagegen schaltet wiederum „Das Bibliographische Institut“ eine „Gegenerklärung“, die „diese Anzeige für thöricht und vorlaut, für verläumderisch, lügenhaft und heuchlerisch, und, für mehrere Unterzeichner, für entehrend“ befindet, gegen den Vorwurf „unerlaubten Nachdruck[s]“ das „in allen deutschen Bundesstaaten gesetzlich erlaubt[e]“ Abdrucken von Auszügen,⁴⁸ den „Anthologie-Usus“,⁴⁹ geltend macht und den Gegenvorwurf kleingeistiger Behinderung nationaler und transnationaler Literaturverbreitung erhebt.⁵⁰ Am pointiertesten treffen das Problem naturgemäß satirische Texte. Die Erlanger-Zeitung kommentiert unter der Überschrift „Der Satyr“ in Gestalt eines „Kriegsbericht[s]“ die Auseinandersetzung, die durch „[f ]ast alle deutschen Zeitungen“ gehe, mit kaum verhohlener Sympathie für das Bibliographische Institut, das „in diesem Augenblick der Gegenstand fürchterlicher Angriffe“ werde, da „[f ]ünfzehn  Vgl. ebd., Sp. 205 – 206.  Ebd., Sp. 203.  Gegenerklärung auf eine Erklärung von achtzehn Berliner Buchhändlern, die Bibliothek der deutschen Classiker betreffend. In: INTELLIGENZBLATT der JENAISCHEN ALLGEM. LITERATUR-ZEITUNG Num. 32. Mai 1827, Sp. 255 – 256, hier Sp. 255.  Korrespondenz-Nachrichten. Leipzig, Anfangs Juni. (Beschluß.). In: Morgenblatt für gebildete Stände Nro. 169. Montag, 16. Juli 1827, 676.  Zum (Verbot des) unbefugten Nachdruck(s) und den daraus resultierenden, insbesondere im Bereich der Lexikographie zutagetretenden Aporien vgl. (ausgehend von Zedlers Universal-Lexicon 1731 ff. und den dadurch ausgelösten Grundsatzdebatten) die Einleitung in Kaminski/Kozlowski/Ontrup/Ramtke/ Wagner: Original-Plagiat, Bd. 1, 9 – 91.  Gegenerklärung (Mai 1827) (Anm. 45), Sp. 255 – 256.  Vgl. Sarkowski: Das Bibliographische Institut, 24: „Nun legte er [Joseph Meyer] den Anthologie-Usus entsprechend weitherzig aus: seine Klassikerbibliothek sei, so argumentierte er, eine Anthologie in Einzellieferungen, und die Veröffentlichung eines Bändchens mit einigen wenigen Stücken eines Autors verstoße nicht gegen die Rechte von Autor und Verleger.“  Vgl. zu dieser Auseinandersetzung ebd., 22– 24.

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Abb. 6: Internationale Preisliste für die Bibliothek der deutschen Classiker in unterschiedlichen Ausstattungen, dreiseitiger Werbe-„Prospectus“ des Bibliographischen Instituts im Intelligenzblatt der Jenaischen allgemeinen Literatur-Zeitung vom April 1827.

Berliner Buchhändler […] gegen dasselbe mit Schwerdt und Lanze ins Feld gezogen“ seien.⁵¹ Demgegenüber gibt sich Der Bayerische Volksfreund vier Wochen später in einer parodistischen „Subscriptions-Anzeige“ von „H a n s D r u c k e b r a v u. Comp.“ aus „Prellstadt“ sarkastisch:

 Der Satyr. (Kriegsbericht.). In: Erlanger-Zeitung. Mit Seiner Königlichen Majestät von Bayern allergnädigstem Privilegium. Nro. 60. Sonnabend 19. Mai 1827, 233 – 234, hier 233.

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Ueberzeugt […], daß alle bisherigen Taschen-Ausgaben noch bei weitem nicht das geleistet haben, was sie sollen, nämlich 1. Den Ruin aller soliden Unternehmungen in Quart, Oktav und Folio herbeizuführen, 2. ein ungeheuer aufflackerndes Nordlicht des Viel- ja Meistwissers und der Gelehrthümlichkeit über Europa auffahren zu machen, 3. das Licht der Cultur wie einen verheerend sich fortwälzenden Feuerstrom über alle Welttheile sich ergießen zu lassen – – haben w i r uns entschlossen, endlich rüstig ans Werk zu gehen und das Aeußerste (und, wenn auch nicht dieß, so doch das Unmögliche) zu leisten,

in Gestalt einer „Universalbibliothek alles Wissenswerthen“ für alle nämlich.⁵² Daß solche universalen Gesten durchaus ins Programm des Bibliographischen Instituts gehören, zeigt ein drittes Verlagsprojekt, das schon im Herbst 1826 annonciert wird unter dem Titel: „Allgemeine b i b l i o g r a p h i s c h e Z e i t u n g ; oder wöchentliches, vollständiges Verzeichniß aller in Deutschland, der Schweiz, England, Frankreich, den Niederlanden und Italien herauskommenden neuen Bücher, Musikalien, Charten und Kunstsachen“.⁵³ Als Fernziel wird am Ende der „Plan“ formuliert, „obiger Zeitschrift auch die Bibliographie des sämmtlichen übrigen Europas, aller americanischen Staaten und des Orients einzuverleiben, wodurch sie sich allmählich zu einem vollständigen Repertorium der neuesten Gesammt-Literatur unseres Erdballs gestalten würde“.⁵⁴ Als Erscheinungsbeginn wird der 1. Januar 1827 avisiert, ironischerweise läßt sie sich bibliographisch aber nicht nachweisen,⁵⁵ ebenso wenig wie die ebenfalls beworbenen französisch- und englischsprachigen Pendants⁵⁶ – was den systematischen Stellenwert des Projekts nicht mindert.Weltliteratur in der bibliographischen Praxis, ein extrem plurales Unterfangen mit Vollständigkeitsanspruch: Erfassung der „neuesten Gesammt-Literatur unseres Erdballs“! Unmittelbar bevor das Morgenblatt in seinen Messenotizen vom Unisono aller „[g]egen die von Gotha aus angekündigte Bibliothek der deutschen Klassiker“⁵⁷ berichtet, hält es als besonderes Ereignis der Saison jene Neuerscheinung für erwähnenswert, deren Besprechung in den Blättern für literarische Unterhaltung dann die „Cabinetsbibliothek deutscher Classiker“ (das gebundene Pendant in Duodez zur broschierten Miniatur-Bibliothek ⁵⁸) mit der auf Goethe zurückzubeziehenden „We l t l i t e r a t u r “ engführt:

 Subscriptions-Anzeige. In: Der Bayerische Volksfreund Nro. 72. Sonnabend. München, den 16. Juni 1827, 324– 325.  LITERARISCHE ANZEIGEN. I. Neue periodische Schriften. In: INTELLIGENZBLATT der JENAISCHEN ALLGEM. LITERATUR-ZEITUNG Num. 59. November 1826, Sp. 465 – 466, hier Sp. 465.  Ebd., Sp. 465 – 466.  Sarkowskis Bibliographie der vom Bibliographischen Institut veranstalteten Zeitschriften nennt sie nicht einmal, vgl. Sarkowski: Das Bibliographische Institut, 218.  Vgl. Literarische Anzeigen. I. Neue periodische Schriften (November 1826) (Anm. 53), Sp. 465: „Für Frankreich erscheint die bibliographische Zeitung unter dem besonderen Titel: Journal universel de la Bibliographie. Für England: Universal bibliographical Journal.“  Korrespondenz-Nachrichten. Leipzig, Anfangs Juni (16. Juli 1827) (Anm. 46), 676.  Vgl. oben Anm. 41 sowie Sarkowski: Das Bibliographische Institut, 203: „Die Sammlung wurde gleichzeitig mit der Miniatur-Bibliothek ausgegeben. Die Bändchen […] stimmen sowohl in der Nume-

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Ungeachtet eine namhafte Buchhandlung, welche dergleichen veranstaltet, die Romane der jezt beliebten englischen und nordamerikanischen Erzähler zu a l l e r e r s t zu liefern angekündigt hatte, so kam ihr doch die Dunker’sche Buchhandlung in Berlin mit drey Bänden einer trefflichen Uebersetzung des neusten Romans von Cooper, d i e P r a i r i e , in einer schönen Oktavausgabe zuvor.⁵⁹

Auch wenn es nicht ganz leicht ist, die „namhafte Buchhandlung“ zu identifizieren⁶⁰ (denn das Cooper-Fieber hat sie 1827 alle erfaßt⁶¹), so scheint doch einigermaßen sicher, daß das Morgenblatt einen Verlag von „dergleichen“ („Zwey-Groschenausgaben“ nämlich) im Auge hat, während der Coup der „Dunker’sche[n] Buchhandlung“ unter die „großen Unternehmungen“ (eine dreibändige „schöne[ ] Oktavausgabe“ immerhin) gerechnet wird.⁶² Worin die womöglich ‚weltliterarische‘ Sensation dieser Neuerscheinung besteht, setzt eine Anzeige von Duncker und Humblot im Intelligenzblatt der Zeitung für die elegante Welt Ende Juli, einmal mehr typographisch durch Sperrung, in Szene: „Diese Uebersetzung erscheint z u g l e i c h mit den Ausgaben des Originals, welche der Verfasser in London, in Paris und in New-York hat veranstalten lassen.“⁶³ Damit komme ich zu einem letzten Lemma aus dem weltliterarischen Präliminare der Cooper-Rezension in den Blättern für literarische Unterhaltung vom 4. August 1827, in deren Sicht im Verhältnis zum universalliterarischen Gestus des Bibliographischen Instituts diese „unmittelbare Gleichzeitigkeit“ nurmehr auf ein „mäßiges Weltpublicum“, eines im Miniaturformat gleichsam, hinzudeuten scheint.⁶⁴ 713/2,6 – 19 Die Aussichten, welche sich in dergleichen Unternehmungen für die Weltliteratur eröffnen, sind so groß und weit, daß man davon den Schwindel bekommen könnte. Wir ziehen uns daher von ihnen zurück und wenden uns zu dem neuesten Roman des

rierung als auch inhaltlich mit der Miniatur-Bibliothek überein. Die Texte sind in einem größeren Schriftgrad mit mehr Durchschuß gesetzt. […] Das Papier ist von besserer Qualität.“  Korrespondenz-Nachrichten. Leipzig, Anfangs Juni (16. Juli 1827) (Anm. 46), 676.  Gemeint ist vermutlich J. D. Sauerländer in Frankfurt am Main, der 1827 zumal im Morgenblatt bewirbt: „Cooper und Jrving’s s ä m m t l i c h e We r k e .Wohlfeile Taschenausgabe in 48 bis 50 Bändchen, zu deren Abnahme sich die resp. Subscribenten verbindlich machen. Pränumerationspreis: auf ordinärem Druckpapier 2 gr. oder 2½ Sgr. oder 9 kr., auf Druckvelin 4 gr. oder 5 Sgr. oder 15 kr. pr. Bändchen.“ Weiter heißt es in der Anzeige, es seien „bereits z w a n z i g B ä n d c h e n erschienen, und j e d e n M o n a t e r s c h e i n e n z w e y B ä n d c h e n , so daß das Ganze Anfang künftigen Jahres bestimmt vollendet“ werde, der „wohlfeile[ ] Preis“ werde „m i t d e m 1 . J u n i u n a b ä n d e r l i c h e r h ö h t “. Zitiert nach der Anzeige am Ende des Inhaltsverzeichnisses zum Februarheft des Morgenblattes für gebildete Stände 1827.  Vgl. beispielsweise, in symptomatischer Kopplung mit der buchhändlerischen Klage über die ruinösen „Groschenbibliotheken“: Die Bücher und die Lesewelt. (Fortsetzung.). In: Morgenblatt für gebildete Stände Nro. 88. Donnerstag, 12. April 1827, 351– 352, hier 351.  Korrespondenz-Nachrichten. Leipzig, Anfangs Juni (16. Juli 1827) (Anm. 46), 676.  [Anzeige] Berlin, bei Duncker und Humblot ist so eben erschienen: Die Prairie. Ein Roman, von Cooper; a. d. Engl. übersetzt. 3 Bände. Preis 3 Rthlr. 6 Gr. Auf feinem Papier, geheftet 3 Rthlr. 12 Gr. In: Jntelligenzblatt der Zeitung für die elegante Welt [Nr.] 21. Dienstags den 31. Julius 1827, unpag. [gez. 2].  Weltliteratur (4. August 1827) (Anm. 26), 713.

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nordamerikanischen Walter Scott, der kurzweg Cooper genannt wird und ein im Vergleich mit den Verlagsartikeln des Bibliographischen Jnstituts in Gotha und Neuyork nur mäßiges Weltpublicum hat. Denn jener Roman, „The Prairie“, deutsch „Die Prairie“ betitelt, ist, wie verlautet, höchstens in vier Ländern und drei Sprachen gleichzeitig erschienen, in der Originalsprache zu Neuyork und London, französisch zu Paris, und deutsch zu Berlin, bei Duncker und Humblot.] Synchrones trilinguales Erscheinen eines Romans versteht sich im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts keineswegs von selbst, und Coopers „Weltpublicum“ ist alles andere als mäßig – gegen die ‚Überschwemmung‘ des deutschen Markts mit solchen unter anderm auch „americanischen […] Geisteswerken“⁶⁵ bringt das Bibliographische Institut seine Reihe ja gerade in Stellung. Vermarktung nachgedruckter Klassiker gegen Vermarktung billiger Übersetzungen⁶⁶ (wobei die CooperAusgabe bei Duncker und Humblot mit „3 Thlr. 6 Gr.“⁶⁷ so billig nicht ist, hier wäre das Gegenstück einer „Zweygroschen- und Neunkreuzer-Ausgabe[ ]“⁶⁸ eher Sauerländers „[w]ohlfeile Taschenausgabe“⁶⁹). Wohin tendiert dieser komplexe, im Rezensionszweck sich jedenfalls nicht erschöpfende Artikel, von dem schwer zu entscheiden ist, ob die titelgebende „We l t l i t e r a t u r “ bloß Aufhänger und die Rezension das Eigentliche ist oder ob umgekehrt die Rezension als Supplement zum Vehikel grundsätzlicher Reflexion wird – oder ob drittens eigentlicher Gegenstand der Rezension Goethes „We l t l i t e r a t u r “-Wort ist? Handelt es sich um eine Kontrafaktur zur erwartbaren Besprechung von Ueber Kunst und Alterthum, die das „We l t l i t e r a t u r “-Wort in einem Präliminare so zentral setzt wie Eckermanns ‚Leitrezension‘, es aber mit Pluralität, geradezu mit universeller Inklusion konfrontiert, radikal-utopischer und ‚mäßig‘-realer? – Gewiß. Pro oder contra Goethe? – Schwer zu sagen, denn wenn auch die Parodie der hochfliegenden Projekte des Bibliographischen Instituts ziemlich unzweifelhaft ist, so folgt daraus doch nicht, daß sie nicht zur Problematisierung des Goetheschen „We l t l i t e r a t u r “-Entwurfs taugen. Für die Parallele ‚Goethe – Cooper‘ gilt ein Gleiches. Und wieder wäre zu fragen: spräche das für oder gegen das Konzept „We l t l i t e r a t u r “? Auch die ohnedies auf wackligen Füßen stehende Vermutung, der „We l t l i t e r a t u r “-Artikel könnte aus der Feder Wilhelm Müllers stammen,⁷⁰ vermag hier nichts zu sistieren. Wenn knapp drei

 Prospectus (April 1827) (Anm. 41), Sp. 202.  Vgl. hierzu Bachleitner: Übersetzungsfabriken, der einleitend Goethes „We l t l i t e r a t u r “-Projekt mit dem Übersetzungsfieber der 1820er Jahre engführt: „Wenn der Anbruch des Zeitalters der Weltliteratur auch noch auf sich warten ließ – was die deutschen Buchhändler und Übersetzer betrifft, so folgten sie Goethes Aufruf zur ‚Beschleunigung‘ dieser Epoche nur allzu eifrig“ (1).  Weltliteratur (4. August 1827) (Anm. 26), 713, Fußnote **).  Prospectus (April 1827) (Anm. 41), Sp. 203.  Vgl. oben Anm. 60.  Vgl. das „Verzeichnis der bekannten (dechiffrierten, oder sich in der Zeitschrift nennenden) Rezensenten und der von ihnen verfaßten Artikel“ bei Hauke: Literaturkritik in den Blättern für literarische Unterhaltung, 149 ff.; zu Wilhelm Müller, für dessen „Dechiffrierung“ Hauke sich auf Goedeke stützt, 162– 165, für 1827 (wo zweimal, wie auch am Ende des „We l t l i t e r a t u r “-Artikels [6. August 1827, Anm. 26, 719], die Chiffre 90 angegeben wird) 164.

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Nicola Kaminski

Wochen später das Morgenblatt mit den einleitenden Sätzen seiner Rezension der Prairie – „Ein geschäztes deutsches Blatt hat sich kürzlich etwas ungünstig über diesen Roman ausgesprochen. Wir indeß müssen bekennen, daß wir ihn mit großem Jnteresse gelesen und voll origineller Schönheiten gefunden haben.“⁷¹ – ‚Cooper‘ und ‚We l t l i t e r a t u r ‘ wieder entkoppelt, dann mag die Reduktion des Artikels auf Rezensionspragmatik wohl auch noch in grundsätzlicherer Hinsicht Dissens andeuten.

Literaturverzeichnis Bachleitner, Norbert: „Übersetzungsfabriken. Das deutsche Übersetzungswesen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts“. Internationales Archiv für Sozialgeschichte der deutschen Literatur 14 (1989), 1 – 49. Bohnenkamp, Anne: „Den Wechseltausch zu befördern. Goethes Entwurf einer Weltliteratur“. Johann Wolfgang Goethe: Sämtliche Werke. Briefe, Tagebücher und Gespräche. 40 Bde. Hg. v. Friedmar Apel u. a. I. Abteilung: Sämtliche Werke. Bd. 22: Ästhetische Schriften 1824 – 1832. Über Kunst und Altertum V–VI. Hg. v. Anne Bohnenkamp. Frankfurt a. M.: Deutscher Klassiker Verlag, 1999, 937 – 964. Goßens, Peter: Weltliteratur. Modelle transnationaler Literaturwahrnehmung im 19. Jahrhundert. Stuttgart und Weimar: Metzler, 2011. Hauke, Petra-Sybille: Literaturkritik in den Blättern für literarische Unterhaltung 1818 – 35 (vormals Literarisches Wochenblatt bzw. Literarisches Conversationsblatt). Stuttgart: Kohlhammer, 1972. Hohlfeld, Johannes: Das Bibliographische Institut. Festschrift zu seiner Jahrhundertfeier. Leipzig: Bibliographisches Institut, 1926. Kaminski, Nicola, Benjamin Kozlowski, Tim Ontrup, Nora Ramtke und Jennifer Wagner: Original-Plagiat. Peter Marteaus Unpartheyisches Bedenken über den unbefugten Nachdruck von 1742. Bd. 1: Quellenkritische Edition. Hannover: Wehrhahn, 2013. Lamping, Dieter: „Einleitung“. Vergleichende Weltliteraturen / Comparative World Literatures. Hg. v. Dieter Lamping und Galin Tihanov. Stuttgart: Metzler, 2019, 1 – 9. Mannweiler, Caroline: „Goethes ‚Weltliteratur‘: Begriff oder Diskurs?“ Seminar 54 (2018), 133 – 147. Sarkowski, Heinz: Das Bibliographische Institut. Verlagsgeschichte und Bibliographie. 1826 – 1976. Mannheim, Wien und Zürich: Bibliographisches Institut, 1976. Schneider, Ute: „Meyer / Bibliographisches Institut“. The Oxford Companion to the Book. Hg. v. Michael F. Suarez, S. J. und H. R. Woudhuysen. Bd. 2. Oxford: Oxford University Press, 2010, 929. Strich, Fritz: Goethe und die Weltliteratur. Zweite, verbesserte und ergänzte Auflage. Bern: Francke, 1957.

Abbildungsverzeichnis Abb. 1: Blätter für literarische Unterhaltung Nr. 179. Sonnabend, 4. August 1827, 713. Exemplar der Sächsischen Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden (Signatur: Eph. lit. 0227). Abb. 2: MEYER’S BRITISH CHRONICLE, a UNIVERSAL REVIEW of British Literature, &c. VOL. I. GOTHA AND NEW-YORK: printed for the bibliographick institution. 1827, Titelseite der ersten Nummer. Exemplar der Universitätsbibliothek Leipzig (Signatur: Dt. Zs. 255).

 [Besprechung] Roman. Die Prairie. Ein Roman von Cooper. Aus dem Englischen übersezt. Drey Bände. Berlin bey Duncker und Humblot, 1827. In: Literaturblatt [zum Morgenblatt für gebildete Stände] Nr. 68. Freitag, den 24. August 1827, 269 – 270, hier 269.

„W e l t l i t e r a t u r “

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Abb. 3: MEYER’S BRITISH CHRONICLE, a UNIVERSAL REVIEW of British Literature, &c. VOL. I. GOTHA AND NEW-YORK: printed for the bibliographick institution. 1827, erste Seite des Subskribentenverzeichnisses. Exemplar der Universitätsbibliothek Leipzig (Signatur: Dt. Zs. 255). Abb. 4: Miniatur-Bibliothek der Deutschen Classiker. Achte Lieferung. Anthologie aus Herder. Zweiter Theil. Aus den Jdeen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Gotha & Neu-York. Jm Verlag des Bibliographischen Jnstituts. 1827, Umschlag von vorn; Miniatur-Bibliothek der Deutschen Classiker. Neunte Lieferung. Anthologie aus Herder. Dritter Theil. Aus den Jdeen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Nebst vermischten Gedichten. Gotha & Neu-York. Jm Verlag des Bibliographischen Jnstituts. 1827, Umschlag von hinten mit alter handschriftlicher Notation der Lieferungsnummer. Exemplare in meinem Besitz. Abb. 5: Miniatur-Bibliothek der Deutschen Classiker. Achte Lieferung. Anthologie aus Herder. Zweiter Theil. Aus den Jdeen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Gotha & Neu-York. Jm Verlag des Bibliographischen Jnstituts. 1827; Miniatur-Bibliothek der Deutschen Classiker. Neunte Lieferung. Anthologie aus Herder. Dritter Theil. Aus den Jdeen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Nebst vermischten Gedichten. Gotha & Neu-York. Jm Verlag des Bibliographischen Jnstituts. 1827; Miniatur-Bibliothek der Deutschen Classiker. Zehnte Lieferung. Lessings Nathan der Weise. Erster Theil. Gotha & Neu-York. Jm Verlag des Bibliographischen Jnstituts. 1827; Miniatur-Bibliothek der Deutschen Classiker. Eilfte Lieferung. Lessings Nathan der Weise. Zweiter Theil. Gotha & NeuYork. Jm Verlag des Bibliographischen Jnstituts. 1827; Miniatur-Bibliothek der Deutschen Classiker. Fünfzehnte Lieferung. Anthologie aus Wieland. Erster Theil. Oberon. Erster Theil. Gotha & NeuYork. Jm Verlag des Bibliographischen Jnstituts. 1827; Miniatur-Bibliothek der Deutschen Classiker. Sechzehnte Lieferung. Anthologie aus Wieland. Zweiter Theil. Oberon. Zweiter Theil. Gotha & NeuYork. Jm Verlag des Bibliographischen Jnstituts. 1827; Miniatur-Bibliothek der Deutschen Classiker. Achtzehnte Lieferung. Anthologie aus Wieland. Vierter Theil. Oberon. Vierter Theil. Gotha & NeuYork. Jm Verlag des Bibliographischen Jnstituts. 1827; Miniatur-Bibliothek der Deutschen Classiker. Zwanzigste Lieferung. Anthologie aus Wieland. Sechster Theil. Die Abderiten. Zweiter Theil. Gotha & Neu-York. Jm Verlag des Bibliographischen Jnstituts. 1828; Miniatur-Bibliothek der Deutschen Classiker. Zwei und zwanzigste Lieferung. Anthologie aus Wieland. Achter Theil. Die Abderiten. Vierter Theil. Gotha & Neu-York. Jm Verlag des Bibliographischen Jnstituts. 1828; Miniatur-Bibliothek der Deutschen Classiker. Drei und zwanzigste Lieferung. Anthologie aus Wieland. Neunter Theil. Die Abderiten. Fünfter Theil. Gotha & Neu-York. Jm Verlag des Bibliographischen Jnstituts. 1828. Exemplare in meinem Besitz. Abb. 6: Prospectus. Subscriptions-Eröffnung ohne Vorausbezahlung. Miniatur-Bibliothek der deutschen Classiker, eine Auswahl des Schönsten und Gediegensten aus ihren sämmtlichen Werken. Gotha, 1827. In: INTELLIGENZBLATT der JENAISCHEN ALLGEM. LITERATUR-ZEITUNG Num. 26. April 1827, Sp. 201 – 207, hier Sp. 205/206, Preisliste. Exemplar der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena (Signatur: 4 Hist. lit. XV,16).

Federica La Manna

Tieck, il teatro e le recensioni nella Dresdner Abend-Zeitung 1 Tieck e la recensione Per essere tale, la recensione teatrale, a differenza di quella letteraria, non può tener conto solo del testo, ma deve indagare anche la messa in scena, l’esecuzione, l’interpretazione, l’eventuale traduzione, gli effetti sul pubblico e l’attitudine degli spettatori. Di solito, si riferisce a una specifica replica, a un evento circoscritto nello spazio e nel tempo. La sua portata può limitarsi quasi ad aspetti di cronaca. In alcuni casi, però, la recensione teatrale sa abbandonarsi alle suggestioni di altre messe in scena, ai confronti con drammaturgie analoghe o difformi, con stili di recitazione, con echi di autori lontanissimi nel tempo e nello spazio. Può, insomma, felicemente rischiare di proporre una didattica drammaturgica o una visione politica che vanno ben oltre la singola replica da cui è partita. E questo felice caso è esattamente quello di Ludwig Tieck. Per Tieck le recensioni sono il risultato di una profonda conoscenza e consapevolezza delle potenzialità del teatro e della tradizione drammaturgica tedesca, unite a una conoscenza amplissima della drammaturgia mondiale coeva e della sua tradizione. Le recensioni scritte per la Dresdner Abend-Zeitung riflettono tutti questi elementi, perché la capace penna di Tieck riesce a trovare, con estrema leggerezza, inattese connessioni fra il teatro a lui contemporaneo e un immenso campionario di testi e autori europei ed extraeuropei, sviluppando in tal modo anche un suo personalissimo canone che non tiene conto né delle epoche storiche né di quelle geografiche. La recensione teatrale consente di prendere in esame anche un approccio più generale legato alla cultura, alla storia, ad aspetti antropologici, alla tradizione di pubblici diversi perché tiene conto della lingua, delle abitudini, del gusto, della tradizione teatrale, delle regole locali di messa in scena, che in generale non sono aspetti strettamente connessi alla recensione di un testo squisitamente letterario. Nel caso di Tieck soprattutto la recensione teatrale travalica questa dimensione letteraria proprio perché spazia in territori, culture ed epoche differenti. La sua modalità segna un deciso superamento del concetto di alterità, rifiutando categorie temporali e geografiche e, nel solco della tradizione inaugurata da Lessing, propone una teoria estetica nuova attraverso la forma frammentaria della recensione. L’altro aspetto è che, pur riconoscendo la preminenza del classicismo nelle singole manifestazioni e tradizioni nazionali, l’accostamento delle varie nature produce un’estetica che non è più solo classicistica. Accostare Shakespeare, che fonda il canone classico del teatro occidentale, all’autore indiano, altrettanto importante e che svolge la stessa funzione nella sua cultura, moltiplica il punto di vista producendo un’analisi che nella sostanza è libera da vincoli. La riprova di questo superamento dei limiti e dei https://doi.org/10.1515/9783111180403-009

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confini sta nel fatto che la recensione teatrale tieckiana è fruibile di per sé, indipendentemente dal tempo e dal rapporto con lo specifico adattamento teatrale.

2 Ludwig Tieck, König der Romantik Ludwig Tieck, nato nel 1773 e morto nel 1853, fu tra gli autori della Romantik certamente il più longevo. Insieme a Wackenroder fu l’iniziatore della Frühromantik con quei gioielli letterari che furono le Herzensergiessungen eines kunstliebenden Klosterbruders e le Phantasien über die Kunst, für die Freunde der Kunst; attraversò le diverse fasi letterarie che caratterizzano il periodo a cavallo fra due secoli, dense di rivolgimenti, complesse e problematiche, mantenendo sempre una passione e un autentico desiderio di novità. In oltre ottant’anni attraversò il periodo rivoluzionario, la Restaurazione, ma anche il ’48 e le profonde trasformazioni sociali del tempo.¹ Dal punto di vista letterario assistette e partecipò attivamente a quel complesso fenomeno che portò dall’universalismo tipico della Frühromantik fino al forte pragmatismo legato alle identità nazionali cui si assistette nell’Ottocento. L’importanza di Tieck non è solo legata alla produzione di opere centrali nella saggistica, nella prosa, nella lirica, nel romanzo e nella drammaturgia, tanto da essere definito da Hebbel il re della Romantik,² – vale a dire in tutti gli ambiti letterari – ma anche nella personalità di un autore che seppe coinvolgere e orientare letterati differenti, diventando spesso il propulsore di novità e il centro di circoli letterari e artistici. Il suo valore, all’interno della letteratura, è indiscusso; come sottolinea Strobel,³ è indubitabile la “polifonia della sua produzione”, che muove appunto da ambiti e modalità differenti: dalla musica, insieme a Wackenroder, alle pregevoli edizioni delle opere di Novalis, Lenz, Kleist e Wackenroder stesso, fino alle traduzioni, come quelle di Cervantes e Shakespeare.

3 Tieck a Dresda – Abend-Zeitung Il periodo delle recensioni a firma di Ludwig Tieck cade in quell’intervallo di tempo che fatica a trovare una denominazione unitaria. Periodo di estreme contraddizioni

 La vita di Tieck e la sua opera sono esemplari per la temperie del periodo, rappresentano una lente eccezionale sul nascere, il diffondersi e anche il modificarsi della Romantik. Tieck, anche per la longevità del suo percorso artistico, rappresenta l’autore che maggiormente incarna le sensibilità del tempo, le sue contraddizione e il suo spirito. Per un’accurata analisi del suo percorso esistenziale e artistico si rinvia a Roger Paulin: Ludwig Tieck e al primo biografo dell’autore: Rudolph Köpke: Ludwig Tieck. Erinnerungen aus dem Leben des Dichters nach dessen mündlichen und schriftlichen Mitteilungen.  “Ludwig Tieck ist gestorben. Der König der Romantik hat das Scepter niedergelegt und ist in jene geheimnisvolle Welt zurückgekehrt, die er ein Menschenleben hindurch zu entschleiern suchte”. Hebbel: Sämtliche Werke, 22.  Strobel: Romantische Theaterkritik, 89.

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politiche, sociali e culturali, e in ambito letterario, caratterizzato, da un lato da forme di ripiegamento ed epigonalità, comunemente associate al termine Biedermeier,⁴ dall’altro invece traboccante di energie e suggestioni nuovissime nel cosiddetto Vormärz. Il teatro di questo periodo, la Restaurationszeit, risente quindi di forme e caratteristiche che partecipano a questo segno opposto. In un momento caratterizzato da più urgenti problemi legati alle vicende politiche e sociali, il teatro si ritagliò uno spazio per convivere con la censura che dal 1819 limitava la libertà degli autori. I testi drammatici, ma soprattutto le forme di intrattenimento furono privilegiati e all’interno di queste ultime il Volksstück, la Posse, il Vaudeville e la più classica commedia erano i più amati e i più seguiti. Nell’estate del 1819 Tieck si trasferì insieme alla famiglia a Dresda, dopo che vi aveva già soggiornato fra il 1801 e il 1802. Qui poté realizzarsi il sogno a lungo coltivato di diventare direttore di un teatro, ma la situazione politica e culturale era certamente molto diversa da quella progressista e universalista degli anni della sua gioventù. È già a partire dagli anni giovanili, da quel prezioso carteggio con Wackenroder, che Tieck dà prova della sua competenza e sensibilità nei confronti del teatro e della drammaturgia. Pur in ristrettezze economiche, Tieck cercava di frequentare il teatro ogni volta che gli era possibile, descrivendo testi e rappresentazioni nelle lettere con evidente sensibilità e acutezza. La sua visione aperta e weltliterarisch si mostra già a partire dal carteggio con Wackenroder, che descrive le origini della sua passione letteraria e drammaturgica. La sua capacità di visione sin dalla giovane età non risulta mai essere imbrigliata all’interno del recinto nazionale, come ad esempio in questo splendido passaggio del 1793, in cui si riferisce alle ricerche medievali di Wackenroder: Tra l’altro, cerca di non applicarti troppo alla poesia del Medioevo, giacché davanti a noi si dischiude un campo così splendidamente bello costituito dall’Europa intera e dall’Asia e in particolare dall’antica Grecia e dalla nuova Inghilterra, che potrei quasi disperare di potermi un giorno dedicare all’eco dei provenzali.⁵

A Dresda, oltre alla sua attività teatrale, Tieck proseguì anche quella della scrittura in prosa e divenne soprattutto con le sue novelle uno degli autori di punta della rivista Urania pubblicata dall’editore di Lipsia Brockhaus, a partire dal 1826. Dal 1825 e fino al 1836 fu poi nominato Hofrat e Dramaturg am Hoftheater⁶ con una buona rendita di 600 talleri iniziali che divennero poi 800. Al termine della sua attività teatrale a Dresda, entrò a far parte dell’Accademia Dantesca, fondata già nel 1832. Come Dramaturg⁷ Tieck introdusse a Dresda parecchie innovazioni, attirandosi anche feroci critiche: pretese lunghe pratiche di preparazione dei testi in scena e operò

 Cowen: Das deutsche Drama im 19. Jahrhundert, 21.  Cfr. Wackenroder: Il Carteggio Wackenroder-Tieck, 777.  Cfr. Strobel: Dresden, Berlin, Potsdam, 111.  Si utilizza il termine tedesco perché l’italiano “drammaturgo” ha un’accezione puramente artistica. Il Dramaturg, invece, a partire dal Novecento, è un incarico specifico che i teatri assegnano a uno scrittore

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soprattutto per dare regole nella costruzione di un percorso per il pubblico come dimostra il testo “Bemerkungen, Einfälle und Grillen über das Deutsche Theater, auf einer Reise in den Monaten Mai und Juni des Jahres 1825”,⁸ resoconto appunto di un viaggio compiuto insieme al Generalintendant von Lüttichau nella Germania meridionale e in Austria. All’interno dei vari saggi, prevalentemente recensioni di spettacoli, si trovano elementi di prassi drammaturgica, come il testo relativo alla velocità nella recitazione, “Ueber das Tempo, in welchem auf der Bühne gesprochen werden soll”,⁹ o quello legato al lungo dibattito relativo all’affettività sulla scena: “Soll der Schauspieler während der Darstellung empfinden? Soll er kalt bleiben?“¹⁰ che produce, nella forma del frammento, una riflessione teorica approfondita. L’esito più evidente dell’attività di Tieck è però nel cartellone del teatro. Ad esempio, limitò, e in alcuni casi eliminò definitivamente, i testi “sentimentali” e vuoti di Iffland e Kotzebue, per proporre di contro Shakespeare, Calderón, Lope de Vega e Moreto, promosse Kleist, del quale stava anche curando l’edizione, e diede adeguato spazio ai testi di Goethe e Schiller. Dal 1821 Tieck accettò di scrivere recensioni teatrali per la Dresdner Abend-Zeitung. ¹¹ Il giornale era stato rifondato nel 1817 da Karl Gottfried Theodor Winkler, più noto con lo pseudonimo di Theodor Hell, e da Friedrich Kind. Il primo era giornalista, traduttore e critico, il secondo era giurista e divenne famoso per aver scritto il libretto al Freyschütz di Carl Maria von Weber nel 1821. Il giornale stava cercando di distinguersi nel panorama della letteratura di consumo proprio in virtù delle informazioni, delle recensioni e degli articoli sul teatro e sull’ambiente culturale. Tieck approfittò dell’occasione, con una felice capacità di cogliere un’opportunità, e iniziò a scrivere articoli e recensioni per il giornale che si caratterizzavano per la sensibilità straordinaria nelle questioni teatrali, per l’eleganza dello stile, per la lucidità nel considerare il teatro all’interno di un panorama più ampio e per il Witz e l’ironia che caratterizzano la sua scrittura. I testi di Tieck furono poi ripubblicati autonomamente fra il 1825 con la funzione di raccogliere materiale, adattare testi di altri autori, comporre opere teatrali proprie in linea con la direzione artistica del teatro o della compagnia. Con competenze, quindi, che comprendono, oltre alla drammaturgia, anche nozioni pratiche di messa in scena e in alcuni casi di pubbliche relazioni e marketing.  Tieck: Dramaturgische Blätter, II, 205 – 342. Il lungo resoconto si riferisce appunto al viaggio compiuto da Tieck da maggio a fine giugno nei territori tedeschi e austriaci al fine di valutare la situazione teatrale per il suo nuovo incarico.  Tieck: Dramaturgische Blätter, II, 253 – 271. L’articolo, inserito all’interno del resoconto del 1825, è pregevole per vari aspetti: prima di tutto per la capacità dell’autore di inserire riflessioni di prassi drammaturgica, in parte anche molto tecniche, all’interno di un testo dal gusto estremamente lieve. Tieck prende in considerazione inoltre, all’interno del saggio, vari tipi di declamazione e di velocità di recitazione non solo in relazione al testo e al verso, ma anche rispetto alle varie lingue e ai vari tipi di esecuzione. Quello che risulta è un mosaico di descrizioni e di correlazioni che, cercando delle regole astratte generali, svincola la critica da elementi come il tempo, lo spazio e la lingua, che diventano non più essenziali, ma contingenti.  Tieck: Dramaturgische Blätter, II, 306 – 311.  Si utilizzerà qui l’edizione delle recensioni curata da Tieck nei Dramaturgische Blätter pubblicata a Breslau nel 1826 in due volumi.

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e il 1826 con il titolo Dramaturgische Blätter. Nel 1852 furono poi ulteriormente rieditati nel terzo e nel quarto volume dei Kritische Schriften. I testi che compongono la raccolta sono vere e proprie recensioni in senso moderno: partono dall’occasione della messa in scena di un testo e si aprono, con eccezionale eleganza stilistica, per definire sia il valore critico del testo, sia la realizzazione, così da descrivere un orizzonte ben più ampio, capace di coinvolgere il teatro e renderlo la forma artistica più interessante del tempo. L’introduzione ai Dramaturgische Blätter esplicita una presa di posizione decisa nei confronti del teatro del tempo, del gusto e delle mode, rivelando anche lo spirito che modella la redazione di questi testi: individuare, attraverso la recensione teatrale, una sorta di canone sovranazionale che sia di riferimento e rappresenti nel medesimo momento uno strumento necessario per la creazione teatrale e una indicazione per la formazione del gusto. Il Tieck recensore non può essere disgiunto dalla sua costante attività di autore teatrale, di adattatore e, durante la permanenza nella capitale sassone, anche di Dramaturg e direttore dello Hoftheater di Dresda. L’attività teatrale, iniziata già nel 1789, proseguì per tutto il corso della sua esistenza e Tieck realizzò numerosi testi, anche se il loro numero non è quantificabile perché l’utilizzo di caratteristiche miste nella produzione delle sue opere fa sì che molti testi, anche in prosa, siano in realtà drammatici nelle modalità di esposizione. Segno caratteristico della sua produzione, a partire dal periodo più acerbo legato alla lezione shakespeariana, è quello di allontanarsi con decisione dalle regole teatrali classiciste, forzando le regole drammaturgiche in un complesso gioco caratterizzato dalla commistione dei generi e dalla spontaneità.¹²

4 Dramaturgische Blätter Nella Vorrede, Tieck chiarisce i motivi e le ragioni per le quali ha deciso di dedicarsi alla recensione teatrale, palesando, in modo inequivocabile, la sua visione estremamente critica nei confronti del teatro a lui contemporaneo e la necessità, invece, di trovare dei saldi modelli di riferimento per la creazione di un teatro tedesco. Tieck si rivolge prevalentemente a due tipi di lettori: prima di tutto a chi fa teatro, ai drammaturghi, ma anche agli impresari, a tutti quelli che agiscono a livelli differenti nell’ambito del teatro – che definisce i Kenner – e, in secondo luogo, a un pubblico più vario e variegato, rappresentato da coloro che fruiscono in modo passivo del teatro – i Liebhaber –, cercando di mostrare quali siano le finalità più alte della rappresentazione teatrale al di là delle mode. Secondo Tieck il punto di partenza è quello sul quale tutti sono unanimi: quello secondo cui “unser Theater stehe seinem völligen Untergang

 Scherer: Dramen und dramatische Bearbeitungen, 460.

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ganz nahe”.¹³ Si tratta quindi di trovarne le cause e le possibili risoluzioni. Ma non è solo la prassi teatrale a essere peggiorata, è anche l’arte drammatica stessa ad aver subito un declino: Soll nun aber die Untersuchung eingeleitet werden, woher es komme, daß sich das Theater, sowohl die dramatische Kunst selbst, wie die des Schauspielers, so auffallend verschlechtert habe, und fortfahre, immer tiefer zu sinken, so entdeckt der Kenner so viele mannichfaltige Ursachen, daß er bei den vielverschlungenen Fäden in Versuchung geräth, im Ueberdruß zu ermüden, und lieber das verwirrte Gewebe sich selber zu überlassen.¹⁴

Dopo il momento aureo del teatro di Lessing e Goethe nel secolo precedente, il pubblico iniziò a rivolgersi, invece che ai grandiosi esempi di commedie o di tragedie, a un genere che si colloca a metà fra questi due, e che cerca di descrivere gli accadimenti dell’esistenza senza un senso né di sublime né di ironia, ma tentando soltanto di arrivare alla commozione dello spettatore. Da quel momento, secondo Tieck, fiorirono “eine Anzahl von Kleingemählden mit falscher Sentimentalität und schwächlichen Schilderungen menschlichen Elends”.¹⁵ Alla banalità dei testi si associa anche un pessimo utilizzo della tecnica drammatica. Certamente le critiche e il sarcasmo di Tieck, già a partire da questa introduzione, è diretto a opere come quelle di Iffland e Kotzebue, per altro mai risparmiati nei suoi scritti. La cattiva gestione teatrale, la produzione di testi modellati sulla richiesta del pubblico e sulla moda, la scadente ricerca hanno prodotto una sorta di intorpidimento intellettuale nel pubblico: Nach manchen Versuchen unserer besten Schriftsteller, das Publikum für Untersuchungen über die Kunst zu interessiren, nach einer vorübergehenden Anstrengung der Nation, sich für Philosophie und Wissenschaft zu begeistern, ist an die Stelle einer vielleicht einseitigen Energie eine fast allgemeine Schlaffheit eingetreten, eine träge Skepsis, die jeder Wahrheit wie Untersuchung scheu aus dem Wege tritt.¹⁶

A lungo, continua Tieck, ci si è lamentati della mancanza di teatri, ma ora che ogni città ne ha uno, sono diventati luoghi talmente sfarzosi e illuminati da annientare ogni spettacolo; ogni momento di silenzio è cancellato da equilibristi, balletti, da fuochi d’artificio e da tali decorazioni che creano soltanto una grande confusione e inibiscono lo spettacolo. A ciò si aggiunge la cattiva scrittura dei drammaturghi che contribuisce soltanto a incitare i sensi più bassi (Sinnenreiz), facendo invece tacere l’arte, la critica, la satira, lo scherzo e il Witz. Il progetto di riforma teatrale proposto da Tieck muove quindi prima di tutto da una critica, a tratti anche feroce, nei confronti di quella drammaturgia a lui contemporanea che inibisce l’uso dell’intelletto. Le critiche al declino del teatro e la diagnosi dello stato in cui versava era già stata espressa del resto, con modalità differenti,    

Tieck: “Vorrede”. Dramaturgische Blätter, I, V. Ibid., X. Ibid., VII. Ibid., XII–XIII.

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attraverso il testo Der gestiefelte Kater del 1797 che in modo originale, forse anche eccessivo per i tempi, aveva segnalato l’estrema vacuità delle convenzioni teatrali a lui contemporanee, introducendo la tecnica del “teatro nel teatro”, dello Spiel im Spiel, obbligando lo spettatore a una continua interruzione dell’illusione e a un sofisticato livello di fruizione drammatica. Ma ciò che interessa qui rilevare è l’intento propositivo che emerge dalle recensioni. Le recensioni contenute nei Dramaturgische Blätter sono, nello stile frühromantisch del frammento, una vera e propria esposizione del progetto di un teatro ideale. Motivata dalla recensione, nasce, all’interno di queste pagine, una vera poetica drammaturgica che propone, in una forma all’apparenza slegata e occasionale, la costruzione di un canone universale costituito da un lato da ciò che è necessario portare in scena, dall’altro da un modello intellettuale che non può prescindere dagli esempi europei. Per ogni singolo testo, sia che si parli di testi tradotti o di nuove produzioni tedesche, Tieck si allontana dalle questioni puramente tecniche per proporre uno strumentario che superi il singolo genere o l’autore specifico, per rivoluzionare un sistema di pensiero drammaturgico composto da materiale straniero, antico e contemporaneo, e lo fa con una semplicità tale da rendere questi esempi qualcosa di vicino e concreto, utilizzando le traduzioni più recenti e nello stesso tempo liberandosi dalle questioni linguistiche. Queste recensioni teatrali, che, a differenza di quelle letterarie intendono avere un effetto temporale generalmente più breve perché riferite a una specifica messa in scena, in realtà prendono spunto da un soggetto specifico e limitato per avere una ricaduta teorica e intellettuale più ampia e generale. La tecnica di Tieck è quella di partire da una rappresentazione singola e allargare l’analisi intrecciandola con suggestioni drammaturgiche e letterarie mutuate dalla sua competenza del teatro internazionale. Una volta riuniti i fili del discorso frammentario, si ottiene la costruzione di un ideale drammaturgico universale basato su modelli weltliterarisch. Infatti sono proprio le recensioni teatrali a rendere evidente l’entusiasmo per la letteratura europea, che attraversa tutta la produzione di Tieck. Anche se il fine delle recensioni è quello di sollecitare una rinascita del teatro tedesco nazionale, esse non sono per nulla in contraddizione con l’entusiasmo per autori e letterature stranieri, a partire da Shakespeare, coltivato fin dagli esordi. La letteratura europea, e certamente anche mondiale come attestano i volumi della sua biblioteca, rappresentano l’humus dal quale muove la critica tieckiana, intesa come forte sollecitazione, a partire dall’esempio straniero, a trovare una propria voce in grado di rappresentare al meglio un teatro nazionale. Come chiarisce nell’introduzione ai Dramaturgische Blätter: il teatro ha sempre rappresentato il centro dei suoi interessi, a partire proprio dagli esempi stranieri.¹⁷ Ed è proprio questa profonda conoscenza del teatro, non solo nazionale, a costituire il nucleo dell’osservazione critica presente nelle recensioni.

 “Ob es zu loben ist, daß ich so viele Stunden meines Lebens daran gewendet hatte, die Bühnen meines Vaterlandes, so wie fremder Gegenden, kennen zu lernen; ob ich nicht zu viel und zu oft die

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5 I riferimenti La formazione teatrale di Tieck avviene, fin dalla sua gioventù, principalmente attraverso la frequentazione con i grandi maestri del passato. Questa fitta rete di suggestioni è chiaramente visibile nella raccolta delle sue recensioni, che rimandano sempre a un canone personale sviluppato nel tempo. I suoi autori di riferimento, infatti, forniscono le regole e le prescrizioni estetiche alla base del suo lavoro di recensore e Dramaturg. Come noto, è Shakespeare a essere l’origine della passione teatrale di Tieck, che, insieme a Burgsdorff, viaggiò in Inghilterra nel 1817, ove poté assistere a varie messe in scena dell’opera di Shakespeare, che, proprio a causa della sua smisurata ammirazione per il bardo, trovò non all’altezza.¹⁸ L’opera del grande inglese è fondamentale su più livelli: come autore teatrale e grande anticipatore, come exemplum per il discorso legato alla fantasia – concetto cardine della Frühromantik che viene esposto nel fondamentale saggio “Über die Behandlung des Wunderbaren” del 1793 –, come autore di riferimento costante nella pratica teatrale per le soluzioni drammaturgiche e per la messa in scena. Nelle recensioni di Tieck Shakespeare è un riferimento pressoché costante che culmina nelle pagine dedicate alle rappresentazioni al teatro di Dresda, come ad esempio quella, anche se molto critica, di Romeo und Julia nella versione tradotta da Schlegel. “Ohne Zweifel macht Theater wie Publikum, auch wenn es sich dessen nicht bewußt ist, einen Vorschritt, beide lernen durch die Darstellung eines Werkes von Shakespeare: es ist also nichts Gleichgültiges, ob es gegeben werde oder nicht, ob es gelinge oder breche”.¹⁹ Se il teatro elisabettiano di Marlowe, Ben Jonson, Webster è il riferimento costante per Tieck, tanto per le opere drammaturgiche composte negli anni giovanili, quanto per i saggi come quello sul sublime, “Über das Erhabene” del 1792, Shakespeare rimane l’esempio principale, la pietra angolare che Tieck utilizza sempre nelle sue recensioni con un entusiasmo incontenibile. Questa importanza dei drammi shakespeariani ed elisabettiani è testimoniata anche dalle diverse traduzioni e miscellanee di cui Tieck si occupò. Nelle recensioni in cui deve occuparsi delle messe in scena dei testi shakespeariani, Tieck manifesta sempre, al di là dei risultati dei singoli allestimenti, un’ammirazione costante per la capacità del bardo di mescolare gioco e drammaticità, di rendere emozionante ogni singolo passaggio del testo:

Theaterschriften der Franzosen, Spanier, Engländer gelesen, ist schwer auszumachen. Wenigstens ist mir der Gegenstand, über welchen ich sprechen will, nicht unbekannt”. Tieck: “Vorrede”. Dramaturgische Blätter, 19 – 20.  Tieck: “Ueber das englische Theater. Zum Theile aus Briefen vom Jahre 1817”. Dramaturgische Blätter, II, 134– 203. Il testo descrive con accuratezza le messe in scena londinesi e descrive gli attori Kemble e Kean, che, in particolare il primo, gli sembrano troppo affettati. La declamazione lenta e pomposa di Kemble fa dimenticare, secondo Tieck, la vivacità e velocità del testo shakespeariano, stravolgendone il senso.  Tieck: Dramaturgische Blätter, I, 249.

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Erwägt man, was der Dichter alles in einem kurzen Zeitraum von drei Stunden in Thätigkeit setzt, welche Gefühle und Rührungen er anklingen läßt, welch große, fast unübersehbare Masse der verschiedenartigsten und tiefsten Gedanken er vorüberführt, wie viel Raum ihm noch zu Witz und Scherz übrig bleibt, welche Erschütterungen er selbst erlebt haben muß, um so innig vertraut von allen diesen Schrecknissen sprechen zu können, und wie er dennoch in diesem Wirbelwinde aller Leidenschaften in dieses scheinbare Chaos der Verzweiflung Licht und Ordnung mit so sicherer Hand wirft, mit welchem milden, lächelnden Blick er alle diese Geister und Gespenster beherrscht; so ist es wohl schwer, das Maß unserer Bewunderung eines solchen Genius nur irgend anzeigen oder gar beschränken zu wollen; denn dem Sinne, der ganz in dieser Schöpfung aufgeht, entschwindet alle übrige Größe, und das beseligende Gefühl, daß wir als Menschen im Verständniß der Herrlichkeit Teil an ihr haben, erfüllt, nach überstandenen Schmerzen, den ganzen Raum unseres Wesens mit beruhigender Kraft.²⁰

Il riferimento al teatro di Shakespeare, come nella recensione al Lear, diventa un costante richiamo anche per il teatro tedesco a lui contemporaneo: Es ist aber nicht nur Gewinn, es ist eine Notwendigkeit, die Gedichte des Briten von Zeit zu Zeit wieder in der Darstellung zu versuchen, weil sie den frühesten und sichersten Grund unseres neueren Theaters ausmachen, weil unsere neueste Zeit nur von ihnen, sowie die griechische vom Homer, anhebt.²¹

Nel cartellone ideale di Tieck che si compone attraverso le pagine delle recensioni, anche la produzione di Calderón, Lope, Moreto e di tutto il Siglo de Oro viene celebrata come riferimento costante. Agli autori della letteratura spagnola e inglese così lontani nel tempo, si affiancano, poi, quelli delle opere italiane più recenti. Del resto, la letteratura italiana è frequentata già nei testi giovanili e prende corpo con maggior vigore a partire dal viaggio in Italia fra il 1805 e il 1806 durante il quale, pur in cattive condizioni di salute, Tieck riuscì a frequentare qualche spettacolo. Nella recensione al Lügner di Goldoni, Il bugiardo, testo già datato, Tieck ipotizza addirittura, per evitare errori nella messa in scena e nella traduzione, di utilizzare, il testo anche in forma ridotta, perché fonte inesauribile per i caratteri della commedia. La profonda cultura drammaturgica di Tieck crea una rete fitta di riferimenti ai testi, come nella recensione al Tasso di Goethe che oltre all’apprezzamento dell’opera del Maestro, lascia affiorare anche la lezione di Ariosto e quella del Tasso. Nella medesima recensione si fa anche riferimento a un autore che viene spesso citato, Adam Oehlenschläger (1779 – 1850), poeta danese contemporaneo di Tieck, da lui molto apprezzato e con il quale stabilì un fitto scambio epistolare. Oehlenschläger appare il modello contemporaneo di letteratura transnazionale, in quanto creava le proprie opere in danese e le traduceva quasi contemporaneamente anche in tedesco. Nei Dramaturgische Blätter Oehlenschläger compare come autore del dramma Correggio. Applicando la sua tecnica, Tieck coglie l’occasione di questa recensione per

 Ibid., II, 36.  Ibid., II, 38.

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parlare ancora del declino tedesco e quindi anche della necessità di riferirsi a esempi europei: Und vielleicht wird es die Zeit und das Schicksal zu ordnen, daß die Deutschen in Zukunft, wenn sie immer mehr und mehr das Bessere vergessen und verkannt haben, von diesen Freunden und Nachbarn Hülfe und Rath zur Vergeltung holen können, indem diese indeß höher gestiegen, die Nachahmung weggeworfen, und zur ächten Originalität gereift sind, die immer, wenn sie die wahre ist, eben so sehr dem eigenthümlichen Volke, als der allgemeinen Dichtkunst angehört. Vor zwanzig oder dreißig Jahren konnte sich der Deutsche mit Stolz in Europa umsehen, weil er so mächtig und schnell in Kunst und Wissenschaft vorgeschritten war: Engländer, Italiener und Franzosen feierten, verkannten sich und ihre Werke und der Deutsche schaffte eigenthümliche, verstand und erklärte die fremden. Wie regt sich jetzt der Geist in Frankreich, welche große Erscheinungen hat England seitdem hervorgebracht, in Italien erwacht und meldet sich eine neue Kraft der Poesie, Dänemark und Schweden beeifern sich, eine neue Schule zu gründen und zu verbreitern, – und was können wir Deutschen in den neuesten Zeiten diesen Geistern entgegen stellen? Eine Art von Betäubung hat die Kräfte gelähmt, eine allgemeine Erstarrung dreht das Leben zu vernichten, und nur das Geschrei der Parteien soll Kritik, Poesie, Heiterkeit und Entwicklung vertreten und ersetzen, wie Kinder sich wohl überreizen, wenn sie nach fröhlichen Spielen zu sehr erschöpft sind und doch noch nicht schlafen wollen.²²

Il Correggio dell’autore danese offre inoltre al recensore Tieck la possibilità di riunire la passione dell’arte e della musica, che aveva caratterizzato il suo periodo frühromantisch, con quella del teatro. L’opera di Oehlenschläger, infatti, riflette la lezione vasariana che rilegge la morte dell’artista sulla scorta dell’esempio goethiano. Tieck apprezza profondamente la produzione drammaturgica scandinava a lui contemporanea e il caso più interessante è per lui rappresentato da Ludwig Holberg (1684– 1754) autore che compare spesso e che viene portato costantemente ad esempio per la leggerezza che si dovrebbe trovare nelle opere teatrali: “Ist Goldoni’s Witz leichter, und schwebt für das Auge der Meisten eine feinere Ironie über seinen Spielen, so ist Holberg dafür humoristischer, mannichfaltiger, und beherrscht das wahre, hohe Komische, welches man, dem neuern Sprachgebrauch zufolge, das Niedrige zu nennen pflegt”.²³ Nell’opera di Tieck si legge quindi il tentativo di dare vita a un progetto drammaturgico europeo di Spiel im Spiel, basato su esempi della letteratura internazionale.

6 Tieck traduttore: Tieck Vermittler della Weltliteratur Si può affermare che l’attività di Tieck come traduttore è parte integrante del suo concetto di Weltliteratur. Già da giovanissimo si dedicò alla traduzione di testi dram-

 Tieck: Kritische Schriften, IV 271.  Tieck: Dramaturgische Blätter, I, 135.

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matici. Nel volume del 1994 di Marek Zybura è indagato il percorso di Tieck nell’ambito della traduzione proprio in relazione al concetto di Weltliteratur. ²⁴ Tale concetto, come ben dimostrato dall’autore, trasferisce in un pensiero più ampio e più preciso quel cosmopolitismo e quell’universalismo di origine illuministica. Se anche Herder e Wieland avevano parlato di Weltliteratur, il concetto reso famoso da Goethe viene ora utilizzato in modo decisamente più concreto e dinamico.²⁵ La Weltliteratur che prende vita nel periodo della Frühromantik e poi con tutta l’opera e la produzione di Tieck è un susseguirsi di suggestioni e citazioni derivanti dall’esempio straniero uniti a un dialogo ininterrotto con le opere e gli autori provenienti da vari luoghi geografici e da epoche differenti. Mai come nella Romantik, in tutte le sue fasi, è osservabile questo continuo scambio che si manifesta in un dinamismo e in una spinta creativa eccezionali. Favorito ovviamente da una fase economico-sociale positiva e da un considerevole aumento di lettori mai registrato fino a quel momento, questo stadio è caratterizzato da un interesse eccezionale per ciò che accadeva anche e soprattutto al di fuori dell’area tedesca. La traduzione diventa, così, l’elemento privilegiato per la conoscenza di autori e testi provenienti da regioni differenti, prima di tutto dall’Europa e in secondo luogo anche da territori più distanti sia geograficamente che da un punto di vista culturale. Il piacere della traduzione, che pare caratterizzare un’intera epoca, diventa lo strumento immediato di conoscenza e di espansione spirituale. Per Ludwig Tieck la traduzione diventa il mezzo necessario per la comprensione e per la resa di un testo nel trasferimento linguistico. Il suo interesse per la traduzione, come è noto, si manifestò già durante gli anni di studio e di dialogo ininterrotto con Wackenroder. Dal carteggio risultano infatti i primi sforzi dettati dall’interesse mai sedato verso tutta l’opera di Shakespeare e quelli rivolti alla letteratura spagnola del Siglo de Oro, culminanti in entrambi i casi in mirabili versioni delle opere originali, come nel caso di Cervantes, traduzione apprezzata soprattutto da August Wilhelm Schlegel.

7 Canone tieckiano Gli autori apprezzati, letti, lodati e talvolta tradotti rimasero così nell’opera di Tieck rappresentando un suo personalissimo bagaglio. Determinano, cioè, il nucleo centrale del suo canone artistico e didattico. Nel testo teatrale Prinz Zerbino oder die Reise nach dem gutem Geschmack, gewissermassen eine Fortsetzung des gestiefelten Katers. Ein deutsches Lustspiel ²⁶ è, come evidenziato dal titolo, un testo satirico che a partire dal nome del protagonista, in Zybura: Ludwig Tieck als Übersetzer und Herausgeber, 23 – 34.  Ibid., 19.  Il testo, del 1799, fu pubblicato per la prima volta all’interno di Romantische Dichtungen, Jena, 1799. Nel 1800 e poi negli Schriften, editi fra il 1828 e il 1846 all’interno del decimo volume.

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troduce in un’ambientazione favolistica ariostesca. Il protagonista, affetto da una forma nervosa compatibile con la melanconia e associata a una forma estrema di Lesewut, è forzato a un viaggio terapeutico che ha come scopo la ricerca del buon gusto. Centrale nel testo risulta la lunga scena del giardino dei poeti, che, oltre a rappresentare una forte valenza didattica, celebra in modo evidente i grandi maestri di quel suo personalissimo canone in una forma che Hölter riconduce al catalogo di tradizione classico-omerica²⁷ e che è parte integrante di quella complessa costituzione letteraria alla quale Tieck dà forma e voce in ogni singolo testo. La missione riformatrice non si limitò al lavoro di recensore, ma diede vita a un’attività didattica che prendeva la forma di letture private. Al Tieck recensore si accompagna quindi un Tieck Vorleser, capace di rivelare in queste occasioni tutta la sua cultura, la sua sensibilità e la competenza drammaturgica. La passione per la lettura in pubblico, che a Dresda diventa un’occasione importante e fortemente didattica, era nata molto tempo prima. Nella lettera del 12 giugno 1792 Tieck racconta a Wackenroder di aver letto per un intero pomeriggio e poi fino a notte fonda Der Genius di Grosse a due amici, cadendo poi spossato e manifestando sintomi di affaticamento e melanconia.²⁸ A Dresda l’appuntamento con le letture a voce alta di Tieck diventano un evento importante. Riceveva amici, conoscenti e persone interessate nel salone della sua casa privata. Tutti quelli che passavano da Dresda non potevano fare a meno di ascoltare le sue lezioni, da Rückert, a Hegel, Thorvaldsen, Washington Irving. Dalla sua poltrona Tieck leggeva prevalentemente testi drammatici, ma anche prosa; testi di Goethe, Schiller, Calderón, Gozzi, Goldoni e naturalmente Shakespeare e gli elisabettiani. La particolarità di queste letture era quella di non forzare mai la voce in un’attitudine gonfia di pathos, ma di leggere in modo quasi monotono per mettere l’accento sul testo e sulle parole. Le serate a casa Tieck, descritte prima di tutto dal biografo Köpke, ma anche da invitati, come Carl Gustav Carus, dipingono le letture di Tieck come lezioni di poetica nel senso più ampio del termine, come “segno della sua sublime attitudine verso la letteratura e del suo gusto esoterico e poetico”.²⁹ Nel suo scritto sulle Vorlesungen di Tieck, Carl Gustav Carus, racconta di vere e proprie esperienze vive con la poesia, perché Tieck era in grado di comunicare il senso sublime di ogni cosa che leggeva, fino a ottenere una risonanza europea, proprio perché era riuscito a sviluppare come nessun altro un simile gusto classico per la letteratura.³⁰ Carus individua tre motivi per cui la lettura di Tieck era così potente: per prima cosa la personalità del lettore, con la sua smisurata erudizione letteraria, la sua formazione “attica”, la sua sensibilità che traspariva dalla voce e che permetteva di cogliere il vero senso del testo. Come secondo elemento vi era la solennità che accompagnava il rituale della lettura di queste serate. L’ultimo elemento che giocava un ruolo fondamentale era naturalmente quello della scelta dei testi, sempre diversi, ma scelti con rara efficacia e talvolta letti    

Hölter: Ludwig Tieck. Literaturgeschichte als Poesie, 200 – 203. Wackenroder: Opere e Lettere, 657– 673. Paulin: Ludwig Tieck, 209. Carus: Ludwig Tieck. Zur Geschichte seiner Vorlesungen in Dresden, 204.

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anche in originale. E ancora Carus gli attribuisce quel vero senso weltliterarisch delle parole goethiane: Wenn einmal die Periode von dem was Göthe ‚Weltliteratur‘ nannte, vollkommen erschlossen sein wird, muß notwendig auch im Dramatischen Große aller Zeiten bleibendes Eigentum der Bühne werden, und wenn es das geworden ist, wird sie selbst dadurch mächtig auf Bildung und Entwicklung höherer Menschheit wirken. Auch in dieser Hinsicht war das Lesen von Tieck, welcher das Vortreffliche aller Zeiten und aller Völker in seinem Salon vorführte, eine Vorahnung jener bezeichnete Höhe, und ganz entschieden sind die von ihm veranlaßten Aufführungen die ersten wirklichen Anstrebungen zu dieser Höhe.³¹

8 Tieck e la sua biblioteca Lo strumento che permette di esplorare il complesso bagaglio culturale che compone il canone tieckiano è certamente la sua ricca biblioteca. La biblioteca è sempre un luogo, fisico o virtuale, di rapporto profondo con l’autore, con i suoi desideri e interessi, è la sua autobiografia, profonda e intima, che si manifesta fisicamente e permette di registrare gli infiniti percorsi intellettuali del poeta. La collezione di volumi, che percorre un’intera esistenza, l’ordinato accostamento di storie e libri che si citano vicendevolmente e per contro l’intreccio di autori, luoghi ed epoche, sono la rappresentazione plastica del concetto stesso di cultura, in cui ogni elemento rimanda all’altro e ha un valore sia in sé sia in rapporto all’insieme. La complessa vicenda della biblioteca tieckiana, riassunta dal saggio di Achim Hölter,³² permette di prendere visione diretta dell’ampiezza delle conoscenze weltliterarisch di Ludwig Tieck. Il catalogo³³ offre al lettore l’eccezionale varietà e vastità di interessi di Tieck. Il percorso attraverso le stanze che compongono questo ricchissimo regesto permette di verificare quel tratto caratteristico della penna di Tieck volto all’interesse per tutta la letteratura, e certamente non solo a quella di lingua tedesca, e a un’estesa comprensione dei testi anche nelle lingue originali. Attraverso l’osservazione dei titoli conservati prende vita il complesso gioco di rimandi e profondità presenti prima di tutto nell’opera letteraria dell’autore e, per ciò che concerne la sua attività di recensore, la profonda consapevolezza della situazione artistica teatrale presente certamente in Europa, ma anche in luoghi decisamente più remoti. Se appare evidente la presenza di preziosissimi testi della letteratura inglese e spagnola, dato il suo interesse per questo ambito coltivato acribicamente per tutto il corso della sua esistenza, meno scontata è invece quella ad esempio della letteratura italiana e in particolare di testi contemporanei e poco famosi.  Ibid., 235.  Hölter: Tiecks Bibliothek, 314– 321. Da segnalare anche l’importante progetto di Hölter, Ludwig Tiecks Bibliothek. Anatomie einer romantisch-komparatistischen Büchersammlung, da parte della sezione di Letterature comparate dell’Università di Vienna.  Cohn: Catalogue de la Bibliothèque célèbre.

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Nella sua ricca biblioteca, Tieck colleziona, accanto a rarissime raccolte in più volumi di opere teatrali spagnole, italiane e francesi del Seicento, modeste edizioni contemporanee di tragedie italiane, in mezzo all’opera completa di Carlo Goldoni, Carlo Gozzi e Pietro Chiari, che rappresentano, nella drammaturgia di fine Settecento, gli esempi più rappresentativi dell’evoluzione del gusto teatrale italiano. Non mancano, all’interno di questo repertorio ricchissimo, raccolte poetiche e commedie in napoletano, veneto e “rustico”, il dialetto lombardo. Mondi diversi che si mescolano in una rassegna che dà corpo alle suggestioni contenute nei repertori teatrali come nel caso dell’italiana Bibliotheca Ebdomadaria Teatrale, o sia scelta raccolta delle più accreditate tragedie, commedie etc. del teatro Italiano Inglese, Francese o Tedesco o Spagnuolo del 1829, dell’anglosassone Biographia Dramatica or a company. to the playhouse, contain. histor. and critic. memoirs of British and Irish Dramatik Writers del 1812 o dei sedici volumi del Theaterkalender oder Taschenbuch für die Schaubühne pubblicati a partire dal 1776. Questa curiosità nei confronti di svariate tradizioni drammatiche è testimoniata anche e soprattutto dalla presenza di raccolte di teatro Hindu e dai capolavori dei grandi drammaturghi sanscriti Kalidasa e Bhavabhuti. In questi casi la tradizione drammaturgica aristotelica occidentale, che privilegia la peripezia, il conflitto e la catarsi, è sostituita dalle teorie del Natyasastra, che prescrive, nella costruzione degli intrecci, l’attenzione alla lingua e ai costumi degli spettatori, in virtù della vastità e varietà del loro possibile pubblico. Il tutto nel rispetto del principio estetico indiano che vuole il dramma costituito dall’accostamento organico di sensazioni, gusti ed emozioni.³⁴ I libri della biblioteca di Tieck sono i tasselli di un’opera ad incastro che è la sua stessa estetica drammaturgica; ne testimoniano la meticolosa formazione, i grumi di passione e innamoramento, la tentacolare curiosità, il costante approfondimento, la radicale ispirazione che identificano il suo metodo di recensore e di promotore di un moderno gusto teatrale.

Bibliografia Letteratura primaria Carus, Carl Gustav: “Ludwig Tieck. Zur Geschichte seiner Vorlesungen in Dresden”. Historisches Taschenbuch. A cura di Friedrich von Raumer. Leipzig: Brockhaus, 1845, 6. Jhg. 193 – 238. Cohn, Albert: Catalogue de la Bibliothèque célèbre de M. Ludwig Tieck qui sera vendue a Berlin le 10. décembre 1849 et jours suivants par MM. A. Asher & Comp. Berlin, 1849. Hebbel, Friedrich: Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe, vol. 12 [Vermischte Schriften, IV, 1852 – 1863: Kritische Arbeiten III]. A cura di Richard Maria Werner. Berlin: Behr’s Verlag, 1904, 22 – 24. Tieck, Ludwig: Dramaturgische Blätter. 2 vol. Breslau: Josef Max und Komp., 1825 – 1826. Tieck, Ludwig: Kritische Schriften. 4 vol. Leipzig: Brockhaus, 1848 – 1852.

 Per il raffronto tra la teoria aristotelica e quella indiana si rinvia a Rai: Theory of Drama, 1992.

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Wackenroder, Wilhelm Heinrich: Opere e Lettere. Scritti di arte, estetica e morale in collaborazione con Ludwig Tieck. A cura di Elena Agazzi. Milano: Bompiani, 2014.

Letteratura secondaria Barner, Wilfried (a cura di): Literaturkritik – Anspruch und Wirklichkeit. DFG-Symposion 1989. Stuttgart: Metzler, 1990. Cowen, Roy C.: Das deutsche Drama im 19. Jahrhundert. Stuttgart: Metzler, 1988. Hölter, Achim: “Tiecks Bibliothek”. Ludwig Tieck. Leben – Werk – Wirkung. A cura di Claudia Stockinger e Stefan Scherer. Berlin: de Gruyter, 2016, 314 – 321. Hölter, Achim: Ludwig Tieck. Literaturgeschichte als Poesie. Heidelberg: Winter, 1989. Köpke, Rudolph: Ludwig Tieck. Erinnerungen aus dem Leben des Dichters nach dessen mündlichen und schriftlichen Mitteilungen, 2 vol. Leipzig: F.A. Brockhaus, 1855. Paulin, Roger: Ludwig Tieck. Stuttgart: Metzler, 1987. Rai, Rama Rand: Theory of Drama: A Comparative Study of Aristotle and Bharata. Nuova Delhi: Classical Publishing Company, 1992. Scherer, Stefan: “Dramen und dramatische Bearbeitungen”. Ludwig Tieck. Leben – Werk – Wirkung. A cura di Claudia Stockinger e Stefan Scherer. Berlin: de Gruyter, 2016, 458 – 475. Strobel, Jochen: “Romantische Theaterkritik. Ludwig Tieck, der Dramatiker, Dramaturg, Publizist und Editor”. Beiträge zur Geschichte der Theaterkritik. A cura di Gunther Nickel. Tübingen: Francke, 2007, 89 – 116. Strobel, Jochen: “Dresden, Berlin, Potsdam”. Ludwig Tieck. Leben – Werk – Wirkung. A cura di Claudia Stockinger e Stefan Scherer. Berlin: de Gruyter, 2016, 108 – 119. Urban, Astrid: Kunst der Kritik. Die Gattungsgeschichte der Rezension von der Spätaufklärung bis zur Romantik. Heidelberg: Winter, 2004. Zybura, Marek: Ludwig Tieck als Übersetzer und Herausgeber. Zur frühromantischen Idee einer “deutschen Weltliteratur”. Heidelberg: Winter, 1994.

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“Popolarizzazione” e “varietà” nella rivista Europa di Friedrich Schlegel 1 Dall’Athenaeum come ‘laboratorio di idee’ a Europa come organo del ‘Kulturbetrieb’ Qualche anno fa Gerhard R. Kaiser, in un articolo dedicato alla ricezione di Lamartine e di Byron da parte di Friedrich Schlegel, ha scritto: Die großen Rezensionen und Essays, die ihm [Friedrich Schlegel] den Rang des bedeutendsten deutschen Literaturkritikers gesichert haben – über Jacobis Woldemar, über Forster, über Lessing, über die Lehrjahre, über die Goethesche Werkausgabe von 1806 – stammen aus der “Athenaeums Zeit” bzw. aus dem ersten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts. Schlegels Interesse verlagerte sich allmählich von der Einzelcharakteristik in Richtung literatur- bzw. kulturhistorischer Synthesen auf der Grundlage einer katholisch bestimmten Geschichtsphilosophie.¹

Ci si domanda, dunque, se Europa, la rivista pubblicata a cura di Friedrich Schlegel in quattro numeri tra il 1803 e il 1805, conservi ancora la natura di organo di discussione e di ‘osservatorio’ della letteratura nazionale e internazionale che aveva svolto Athenaeum tra il 1798 e il 1800. Può sembrare una domanda oziosa, se non fosse che i principali saggi critici dedicati a partire dal 1926 e fino al 2015 a quest’impresa schlegeliana si sono concentrati principalmente sulla portata progettuale europea della rivista nel suo approccio storicistico e politico, sulla natura dei rapporti culturali instaurati tra Francia e Germania con il trasferimento di Schlegel a Parigi. Hanno insistito in misura molto minore, invece, sul formato della comunicazione e sui tipi di scrittura con i quali si produce in essa la veicolazione delle idee, rilevabile grazie all’intervento di altri autori che affiancarono Schlegel nella sua impresa all’estero. Per il tema principale sviluppato in questa sede, che concerne la recensione come mezzo per pervenire a una dimensione ‘weltliterarisch’, è utile sottolineare prima di tutto che nessuno dei testi proposti dai quattro numeri di Europa viene definito ‘recensione’. Questa dissimulazione della recensione in quanto forma di analisi critica di opere recentemente pubblicate, siano esse di natura letteraria, storico-filologica, drammaturgica o scientifico-naturalistica, è stata studiata ad hoc da Schlegel per evitare ulteriori scontri con autori ed editori, dimostratisi già sufficientemente impegnativi in relazione alla recente pubblicazione dei contributi per Athenaeum. ² Consi-

 Kaiser: Komparatistik aus dem Geist apokalyptischer Theologie, 267.  Questo fatto è ben visibile anche nel camuffamento della recensione dedicata a Delphine di Mme de Staël scritta da Dorothea Schlegel, molto attiva in Europa, nella forma di “Gespräch über die neuesten https://doi.org/10.1515/9783111180403-010

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deriamo, peraltro, che questa tecnica ‘mimetica’ era stata sperimentata in un certo qual modo anche in Athenaeum, dal momento che le recensioni erano rubricate come Notizen ³ e si accorpavano in un modulo analitico-narrativo che integrava anche degli esperimenti originali, talora carichi di vis ironica, che avrebbero dovuto concretizzare il senso di approcci teorici alla materia poetica e letteraria troppo astratti o specialistici per il pubblico dei comuni lettori. Questo è il caso del Wettgesang che August Wilhelm Schlegel propone al culmine del suo commento sullo stile versificatorio di Matthisson, Schmidt e Voss nel V fascicolo di Athenaeum; si tratta di una gara poetica in cui il filologo si prende chiaramente gioco della ricerca di rime rare e difficili da parte dei tre autori, ma anche del contesto ‘agreste’ che scelgono come sfondo dei loro versi.⁴ Heinz Härtl ha ricostruito molto bene i termini di queste pungenti critiche dei fratelli Schlegel, che non hanno per nulla giovato al successo della rivista.⁵ Tuttavia, anche un diretto confronto tra l’identità nazionale della Germania, assai bisognosa di riscoprire le proprie radici culturali nel tormentato passaggio storico tra Sette- e Ottocento, e quella francese, sembra essere solo l’occasione, ma non l’intenzione fondamentale sottesa al progetto di Europa. Non sono mancati peraltro alcuni documentati commenti al fatto che Friedrich Schlegel abbia sempre serbato un atteggiamento sprezzante nei confronti dei vicini europei: questa frase ne è un eloquente concentrato: “der Charakter der Franzosen besteht aus lauter Negationen; keine Fantasie, keine Kunst, keine Liebe, keine Religion – das heißt also ziemlich null nach allen Seiten hin.”⁶ Se vogliamo però guardare all’aspetto più costruttivo del suo progetto, Schlegel si spoglia in Europa dei già vestiti panni di commentatore dei costumi culturali e politici contemporanei per indossare quelli dello storiografo intento a ricostruire nel presente il senso dell’umanesimo occidentale. Animato dal desiderio di individuare un nuovo scopo alla sua impresa, Schlegel sceglie di adottare la formula della Kunstrezeption, cioè di una “Wahrnehmung der Phänomene als Bild und Gestalt in situ”,⁷ come si è osservato a proposito degli ampi excursus sulle opere pittoriche esposte a Parigi e in relazione al suo commento critico su Raffaello. Questa scelta si collega al coinvolgimento indiretto nella dimensione culturale della Kunstreligion, espressa da Wackenroder e da Tieck con le Herzensergiessungen eines kunstliebenden Klosterbruders del 1796 (pubb. 1797) e individuata come un efficace strumento di riavvicinamento a un

Romane der Französinnen”; il dialogo consiste in un confronto tra diverse figure femminili sulla trama del libro della Staël in un salotto parigino; cfr. Schlegel: Gespräch über die neuesten Romane der Französinnen, 88 – 106.  Su questo aspetto e, in generale, sull’attività del recensire in Athenaeum rimando a Agazzi: Die Bibliothek der Brüder Schlegel, 253 – 267.  Athenaeum, Band 3, Stück 1 (1800), 161– 164.  Härtl: Athenaeum-Polemiken, 246 – 357.  Citato nel saggio di Oesterle: Friedrich Schlegel in Paris oder die romantische Gegenrevolution, 4.  Steiger: Eine ‘Große Karte’ Europas, 313.

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dialogo con Dio tramite la spiritualità che promana dalle opere d’arte; essa era stata colta come tale anche da Schleiermacher nella terza Rede del 1799.⁸ Allo scopo di rendere più agile e omogenea la lettura di questi testi di critica d’arte (che accompagnano lo sviluppo dei quattro fascicoli di Europa), fatta di suggestioni, ma non supportata da vera conoscenza storico-artistica dell’estensore, Hans Eichner e Norma Lelles hanno pubblicato nel 1984 in un unico volume i resoconti sulle collezioni del Louvre di Friedrich Schlegel, affermando nel Nachwort che “seine Bildbeschreibungen sind ‘Charakteristiken’, in denen, wie Schlegels Theorie der Kritik fordert, der Eindruck dargestellt wird, den die Bilder auf einen qualifizierten Beobachter machen, und die uns mit der Beschreibung zugleich auch die Interpretation und die ‘ästhetische Würdigung’ liefern.”⁹ Vediamo dunque come un altro genere sperimentato dagli Schlegel in Athenaeum nella forma di una biografia che si accompagna all’analisi critica dell’opera dell’autore (la Charakteristik) si trasformi camaleonticamente in Europa in una valutazione di quadri che ha lo scopo di liberare la dimensione spirituale del prodotto artistico dai suoi vincoli materiali. Trapela così l’avversione ormai maturata in Schlegel – dopo la sua attiva partecipazione alla riforma winckelmanniana dell’interpretazione del mondo antico – per quella sensualità ancora classicista che alcuni artisti di scuola italiana come Raffaello, Tiziano, Correggio, Giulio Romano e Michelangelo serbavano nel nocciolo della loro creazione. Per questo aspetto specifico Schlegel prende le distanze da Wackenroder, che ha comunque guidato la sua scelta di seguire questo sentiero piuttosto che quello della critica letteraria. Schlegel non manca tuttavia di omaggiare Winckelmann come uno dei tre uomini (gli altri due sono Klopstock e Lessing) che hanno maggiormente contribuito a fondare e riformare la letteratura tedesca tra XVIII e XIX secolo.¹⁰ Bisogna allora tentare di sciogliere il nodo di questa svolta culturale, che non può essere codificata come un semplice mutamento di casacca di Schlegel da ‘giacobino’ a ‘filo-cattolico’, o da critico letterario a Weltmensch, ma che trova piuttosto un proprio fondamento progettuale anche in una trasformazione del suo registro intellettuale e comunicativo.¹¹

 Agazzi: Le Effusioni di cuore, 85 – 93.  Eichner e Lelles: Nachwort, 152– 153.  Schlegel: Literatur, 43 – 44.  Non si può ignorare che nella “Reise nach Frankreich” Friedrich Schlegel mostri chiaramente il proprio auspicio che dalla fusione di una religiosità spagnola e tedesca possa venire il primo passo per la creazione di un’Europa culturalmente forte; cfr. Ziegler: Friedrich Schlegel als Zeitschriften-Herausgeber, 245.

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2 La ricerca di una ‘universalità dello spirito’ Al contrario di quanto era avvenuto nei Gemälde di August Wilhelm Schlegel nel terzo fascicolo di Athenaeum del 1799, in cui nelle parole di Louise si poteva già intuire il crescente interesse per la rappresentazione dell’‘ineffabile divino’ e per il suo mistero mistico legato alla Madonna Sistina di Raffaello e dove la valutazione dei quadri commentati era resa possibile in absentia, sulla scorta del ricordo delle tele ammirate nella galleria di Dresda e delle relative emozioni, Schlegel pone in Europa le fondamenta del suo rapporto con la pittura e commenta i quadri, “die er nicht nur als Ersatz für die Anschauung beschreibt, sondern in ihrem Gehalt und in ihren Absichten der Künstler nach interpretiert.”¹² Con il chiaro intento di accompagnare il lettore lungo il cammino che dalla Germania lo ha condotto in Francia, Friedrich Schlegel scandisce la tripartizione dell’introduttiva Reise nach Frankreich sulla base di 1. Erinnerungen, 2. Bemerkungen, 3. Betrachtungen. Le Bemerkungen, introducono a un’evocazione dell’ambiente tedesco medievale e si legano all’auspicio che anche l’Occidente, come l’Oriente,¹³ possa individuare un rapporto unitario con le proprie origini. Esse sono orientate a una riflessione sul rapporto tra cultura, società e individui che sembra esprimersi già nel segno di una ‘universalità dello spirito’, sebbene le note negative sul Paese ospite sembrano escludere la possibilità che in Francia possa attecchire anche solo parzialmente l’idea di un produttivo scambio tra le diverse culture europee.¹⁴ È opportuno rimandare dunque alle interessanti pagine di commento che Peter Goßens ha dedicato ai “Cosmopoliten der europäischen Cultur”, cioè ad August Wilhelm e a Friedrich Schlegel nelle pagine del suo denso studio Weltliteratur. Modelle transnationaler Literaturwahrnehmung im 19. Jahrhundert, dalle quali si evince che: Schlegel stellt in seiner Literaturgeschichte die Heterogenität der europäischen Kultur, die – wie er schon in seiner Reise nach Frankreich betonte – „moralisch und politisch genommen, schon völlig zerstört und untergegangenen“ – ist, synthetisch wieder dar. Damit machte er zumindest auf einer narrativen Ebene ein Bild von einer einheitlichen europäischen Kulturentwicklung zur konstitutiven Grundlage nationaler Kulturen.¹⁵

La traccia sembra fornita, nelle Bemerkungen, dal tentativo di giustificare il contenuto del noto frammento 216 di Athenaeum, in cui Schlegel aveva asserito che le più grandi tendenze dell’epoca erano da considerarsi la Rivoluzione Francese, la dottrina della scienza di Fichte e il Meister di Goethe. La prima si è ormai consumata in una “konvulsivistische Leidenschaft”,¹⁶ come scrive Schlegel, la seconda si è tradotta – complice

    

Eichner e Lelles: Nachwort, 161. Cfr. Nehring: Wie europäisch ist Friedrich Schlegels Europa?, 85 – 86. Oesterle: Friedrich Schlegel in Paris oder die romantische Gegenrevolution, 3 – 7. Goßens: Weltliteratur, 72. Schlegel: Reise nach Frankreich, 20 – 21.

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il valore della filosofia del Selbstdenken fichtiano, che ha dischiuso le porte ai “principi della libertà” nella filosofia¹⁷ – nel valore dell’opera dell’idealismo di Schelling, che sa fornire, come si legge nel successivo excursus sulla letteratura, “eine[n] gründlichere[n] Unterricht zu einer transcendentalen Ansicht […], die es Ihnen [den jungen Männern] nachgehends leicht macht, wenn sie die Schranken des Systems vergessen haben, alles Vortrefliche zu ergreifen.”¹⁸ Per quanto riguarda il concetto di Bildung in Goethe, esso viene certo posto ora su un gradino inferiore rispetto al modello orientale della formazione olistica, tant’è che del classicismo Schlegel biasima l’attitudine a essere Trennung delle energie culturali di un popolo, invece di costituire un Ganzes. Al contrario, non è esplicitata una polemica diretta all’indirizzo della rivista goethiana Propilei, allo scopo di evitare una contrapposizione nei confronti dei filo-classicisti Weimarer Kunstfreunde, mentre si coglie piuttosto una nota di rammarico per il fatto che, come nel caso di Athenaeum, la sua pubblicazione abbia avuto – dotata com’è di “spirito universale”, come osserva Schlegel – una durata molto breve.¹⁹ Misure sufficienti a contrastare il rischio di ricadere in sterili contrapposizioni di scuola o addirittura di farsi tentare dal giocare con troppo facili stereotipi culturali sono evidenziate nel registro comunicativo con il quale Friedrich Schlegel affronta il pubblico tedesco sul suolo francese e grazie a una ridefinizione dell’impianto della rivista, che assorbe diverse suggestioni, sia per formato, sia per contenuti, dagli organi del giornalismo di fine Settecento. Dal 1800 il termine ‘populär’ emerge in modo più potente in vari contesti: così Friedrich Schlegel nella premessa alla rivista annuncia una “mannigfaltigste Verschiedenheit der Gegenstände”,²⁰ che “[vogliono] essere il più possibile popolari” per interessare il grande pubblico. Come spiega Stefan Scherer: “[…] dieser Popularisierungsanspruch gilt nun auch für das wissenschaftliche Wissen. Populär wird seit 1800 synonym gefasst für leicht fasslich, gemeinverständlich, volkstümlich, nach 1850 generell für Volksmäßigkeit, Gemeinfasslichkeit, Gemeinverständlichkeit.”²¹ Vogliamo però ricordare soprattutto che il filosofo popolare Garve era stato apertamente criticato dagli Schlegel in Athenaeum fin dal frammento 317, che recita: “Wenn Nichts zuviel so viel bedeutet als Alles ein wenig: so ist Garve der größte

 Schlegel: Literatur, 46.  Ibid., 42.  “Daß die letzteren [Athenäum und die Propyläen] in der bisherigen Form nicht fortdauern, ist um so mehr zu beklagen, da eine ausführlichere Entwicklung der durchaus neuen Classifikation der Antiken, nach den Epochen (die in den Horen zuerst mitgeteilt worden) unter die Wünsche jedes Alterthumsfreundes gehörte; die vortrefliche und allgemeinfaßliche Darstellung so mancher sichrer und erprobter Kunstgrundsätze jeden Sachverständigen eben so sehr erfreuen, als die Kunstansichten eines so großen und kunsterfahrnen Dichters ihn schon historisch interessiren müssen”. Schlegel: Literatur, 51– 52.  Schlegel: Vorrede, 3.  Scherer: Kulturzeitschriften und ihre Textsorten, 189.

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deutsche Philosoph.”²² La sua figura e la sua opera erano state poi ulteriormente analizzate tra luci ed ombre da Schleiermacher nel quinto fascicolo di Athenaeum, ma con un riferimento a un suo particolare atteggiamento nei confronti delle arti figurative che Friedrich Schlegel avrebbe accolto proprio in Europa, commentando l’esposizione di tele al Louvre. Garve sottolinea, infatti, nelle sue opere teoriche, l’intenso valore dell’opera d’arte rispetto alla realtà delle cose materiali come espressione di un dono conferito da Dio all’uomo attraverso il potenziale immaginativo di questo stesso. Si riceve, dunque, l’impressione che, anche in vista di una ricerca di maggiore popolarità della nuova rivista rispetto all’insuccesso della pubblicazione di Athenaeum, Friedrich Schlegel avesse colto l’importante riflessione fatta da Garve in Einige Gedanken über das Interessierende ²³ a proposito del fatto che l’‘interessante’ è un oggetto la cui impressione non ha propria origine nel soggetto, ma che, non per questo, il valore di questa impressione sarebbe meno forte di quella che ci induce a conseguire un obiettivo o uno scopo specifico. Secondo Garve, ancora, i materialisti francesi erano orientati solo a ragionare secondo presupposti teleologici, assicurandosi mezzi precisi per specifici fini. Dunque, una vera e propria cornice etico-morale ed educativa è quella in cui si situa il progetto di Europa, che non punta all’esibizione di un nuovo formato epistemologico di natura critico-letteraria, né ad audaci sperimentazioni di genere per conferire spessore innovativo ai contributi della rivista, ma piuttosto ad assorbire alcuni assunti della Lebensphilosophie in forma ‘eterodiretta’, nel suo concetto, per quanto riguarda mezzi e scopi. Doris Bachmann-Medick ha evidenziato che per Garve le intenzioni del soggetto che presenta l’analisi di un oggetto passano assolutamente in secondo piano rispetto all’impressione che l’oggetto può produrre su chi lo recepisce attraverso la descrizione e ha sottolineato in modo illuminante che Bezugspunkt seiner [Garves] Argumentation sind vor allem solche Gegenstände, die bereits aufgrund ihrer eigenen Verknüpfung mit Tätigkeiten des Subjekts interessieren: Dies gilt besonders für kulturelle Artefakte wie Bücher, Schauspiele, Romane bzw. für dargestellte Wirklichkeit: “Dinge und ihre Schilderungen”, “Geschichte, Schilderungen, Reden”, aber auch für Lebenszusammenhänge: komplexe, gemischte “Situationen”, “Vorfälle”, “Begebenheiten”, “Charaktere”, “Schicksale”, schließlich auch für “Ideen” und “Gedanken”. In der Beziehung zwischen solchen “Gegenständen” und den Subjekten sowie zwischen Subjekten untereinander hat das “Interessierende” seinen Ort.²⁴

 Athenaeum, Band 1, Stück 2 (1798), 265.  Garve: Einige Gedanken über das Interessierende, Band 1, 161– 347.  Bachmann-Medick: Anziehungskraft und Selbstinteresse, 8. A proposito di Garve, non sembra superfluo rilevare che in uno dei Philosophische Fragmente, appuntati da Friedrich Schlegel sul tema della Moral, cioè il 298, Schlegel osservi: “Schillers Prosa hat viel Aehnlichkeit mit d[er] Garveschen. – Garve recensirt (in dies[er] gemeinen Bedeutung) die Objekte über die er philosophieren will”, con cui intenderebbe che il filosofo si ferma a livello di Bericht saggistico senza innalzarsi ad una dimensione teoricofilosofica; cfr. Schlegel: Kritische Ausgabe seiner Werke, vol. 18, 219. L’edizione critica delle opere di Friedrich Schlegel viene citata d’ora in poi come KFSA con relativo numero di volume.

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Naturalmente è bene sottolineare che in relazione alla popolarizzazione di Europa, l’influenza teorica di una Lebensphilosophie come quella di Garve resta sottotraccia, dal momento che fino alla conclusione di Athenaeum non gode certo di plauso, anche se alla fine della recensione che gli dedica Schleiermacher nella forma di Notiz, nel confronto con filosofi ai quali si allude come ‘supponenti’ – intesi sono Friedrich Heinrich Jacobi e Karl Leonhard Reinhold – Garve esce vittorioso per onestà di intenti e buona volontà. Può essere stimolante accostare il concetto dell’Interessierendes di Garve a quello di Interessantes di Friedrich Schlegel, che in Über das Studium der griechischen Poesie (1797) aveva sottolineato come lo sforzo umano di raggiungere la soddisfazione estetica possa essere compensato solo dall’universalità e immutabilità di ciò che è oggettivo e perciò dal bello come oggetto universale di un piacere disinteressato. Il discorso estetico non può che avere una ricaduta anche nella dimensione morale ed infatti Schlegel in Europa rileva come, anche a distanza di anni dal fiorire del materialismo francese, il carattere dei vicini europei sia ancora improntato a una limitatezza di vedute e all’opportunismo del momento.²⁵ Questa osservazione sull’egoismo dei francesi si colloca in quel bacino molto ampio di riflessioni che è intitolato Literatur ²⁶ e che tratta panoramicamente molti temi, ma dà certamente più rilievo alla filosofia piuttosto che alla letteratura, secondo il principio per cui “Der Idealismus ist der Mittelpunkt und die Grundlage der deutschen Literatur”, pur restando dedicato alla poesia un posto d’onore tra le altre arti.²⁷ Uno spazio viene concesso anche ad uno spot su Athenaeum, rispetto al quale rilevante è il fatto che lo stesso Schlegel sottolinei che “im Anfange derselben ist Kritik und Universalität der vorwaltende Zweck, in den spätern Theilen ist der Geist des Mystizismus das Wesentliche”,²⁸ alludendo al visibile transito ideologico, rispetto ai problemi contemporanei, dalla posizione laica percepibile nei Fragmente del II fascicolo del 1798, a una decisamente spirituale e di gusto ‘frühromantisch’, espressa dalle Ideen del V fascicolo del maggio 1800. Si noti come la Idee 146 possa essere considerata una premessa al successivo interesse di Friedrich Schlegel, in Europa, per le arti figurative. Per la prima volta gli artisti vengono dichiarati “Braminen” e “höhere Kaste”, con la precisazione che sono “nicht durch Geburt sondern durch freye Selbsteinweihung geadelt”.²⁹ Alla ricerca di un contrappeso spirituale alla Rivoluzione francese, Schlegel è ora convinto che solo chi cerca di cogliere in sé il centro dell’umanità, potrà intendere

 “Selbst den Egoismus, über den man so viele Klagen führt, möchte ich hierher rechnen; und er scheint mir allerdings sehr auffallend und sehr gründlich ausgebildet; nicht wohl wegen dessen, was man gewöhnlich so nennt, sondern wegen der allgemeinen herrschenden Absichtlichkeit auch in den kleinsten Dingen”. Schlegel: Reise nach Frankreich, 26.  Literatur è il titolo che Friedrich Schlegel dà al lungo excursus che viene dopo la Reise nach Frankreich, 41– 63.  Schlegel: Reise nach Frankreich, 45 e 48.  Ibid., 52.  Athenaeum, Band 3, Stück 1 (1800), 31.

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come l’educazione moderna si esprima nella convergenza di singole conoscenze in quel nucleo vitale che è l’uomo. Esaminando il citato saggio Literatur, contenuto in Europa, si trova un’osservazione che evidenzia come della letteratura facciano parte, oltre che le traduzioni, gli scritti polemici; questi ultimi non sono però intesi come parte di una critica letteraria che contempla la recensione come arma di offesa, ma come espressioni del canone letterario e drammaturgico tedesco, alto o triviale che sia, in cui la vis polemica e l’ironia sono improntati dalla matrice della tradizione antica della commedia aristofanea.³⁰ La letteratura tedesca non può comunque più darsi come esclusivo oggetto di analisi critica dal momento che, sempre in questo stesso excursus, Schlegel dichiara che essa è una commistione di “Philosophie” e “Physik”, “Poesie” e “Gelehrsamkeit”,³¹ legittimando conseguentemente uno studio transdisciplinare e comparato delle opere in auge al momento, alla luce degli aggiornamenti che giungono dalle accademie, dalle cerchie degli studiosi attivi e dai teatri. Si tratta di un esperimento in vitro di tipo teorico per quella ‘polymatische Schule’ che Schlegel aspirava a far fiorire nella dimensione pratico-didattica a Parigi, favorendo una collaborazione tra studiosi francesi e tedeschi, per la quale, nel suo auspicio, sarebbero stati messi a disposizione “mannifache Mittel zum Unterricht”.³² August Wilhelm Schlegel, le cui lezioni tenute a Berlino nel 1802 vengono integrate nella rivista, avrebbe fornito materiale sufficiente su cui riflettere nel presente in relazione a “Litteratur, Kunst und Geist des Zeitalters”.³³ Proprio ad August Wilhelm si deve però una preziosa considerazione sul rapporto tra recensione e Weltliteratur, che si sviluppa dalla prima lezione, che entra in diretta sintonia con l’idea di una triplice ricezione ermeneutica del testo che, fondata sull’esperienza interpretativa innovativa di Schleiermacher, Jauss proporrà con la sua teoria della ricezione;³⁴ essa consiste in una lettura diacronica, sincronica e immanente del testo che deve essere interpretato. August Wilhelm Schlegel usa pertanto una metafora di grande efficacia per commentare la frettolosità con cui, nel suo tempo, si crede di aver inteso il senso di un’opera, cercando di recensirla mentre è appena apparsa sul mercato negli organi a stampa preposti alle recensioni: “Was geschieht aber in der Literatur in so kurzen Zeiträumen? Es ist, als ob man das Gras wollte wachsen hören“.³⁵ Pertanto riflette sul fatto che,

 Schlegel: Literatur, 52.  Ibid., 47.  Schlegel: Polymatische Schule, 164. Cfr. sull’argomento Hundt: Geselligkeit im Kreise von Dorothea und Friedrich Schlegel, 128 – 129.  Schlegel: Ueber Litteratur, Kunst und Geist des Zeitalters, 3 – 95. Cfr. anche alcuni saggi sull’attività culturale di August Wilhelm Schlegel in questo periodo, contenuti in York-Gothart Mix e Jochen Strobel (a cura di): Der Europäer A.W. Schlegel. Romantischer Kulturtransfer – Romantische Wissenswelten.  Jauß: Literaturgeschichte als Provokation der Literaturwissenschaft, 144– 207 passim.  Schlegel: Ueber Litteratur, Kunst und Geist des Zeitalters, 17.

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[d]ie historische Betrachtung erfordert einen umfassenderen Zusammenhang: es muß erst von den Zeitgenossen in ihren Geist aufgenommen und assimilirt werden, auch sein Verhältnis zu dem bisher vorhandnen muß sich erst mehr offenbaren […]. Dazu würde aber bei den Verfassern nichts weniger erforderlich seyn, als vollkommene Universalität, d. h. nicht bloß Vielwisserei, Aufhäufung verschiedenartiger Kenntnisse neben einander; sondern wahre Durchdringung des Geistes der verschiednen Wissenschaften in dem ihrigen.³⁶

Quindi, da questo punto di vista, la visione di August Wilhelm Schlegel converge con quella del fratello e non è un caso, dunque, che anche i resoconti scientifici che danno conto delle scoperte più recenti nei campi della fisica e dell’anatomia (ad esempio Uebersicht der neuesten Fortschritte der Physik e Ueber den Zustand der Anatomie in Paris), dell’attività musicale a Parigi (Ueber den Zustand der Musik in Paris) insieme con i commenti di Dorothea Schlegel sul teatro francese e sulle recenti rappresentazioni nella capitale, movimentino il panorama degli aggiornamenti culturali che provengono dalla rivista Europa. Una vera e propria inversione di prospettiva progettuale e conoscitiva è quella che trasforma il ‘macrocosmo nel microcosmo’ dell’attività di Jena intorno ad Athenaeum – più simile a un laboratorio di idee – in un ‘microcosmo nel macrocosmo’ quale è, come rivista del prodesse e del delectare, la rivista Europa. Essa è strutturata sulla base di resoconti e di commenti, che coinvolgono anche le istituzioni e le accademie più prestigiose di Parigi in qualità di bacini informativi da cui attingere spunti di osservazione e di riflessione sul presente storico.

3 Prospettive In questi primi anni dell’Ottocento, Friedrich Schlegel persiste nell’elaborazione di un proprio progetto che riguarda la possibilità di valorizzare la Mischform in ogni nuovo tentativo di esporre il rapporto tra natura e pensiero critico. Questo progetto, già precedentemente sperimentato in Athenaeum soprattutto come individuazione del genere misto del romanzo quale eccellente espressione del Mischgedicht – costituito dalla forma drammatica, lirica ed epica e dotato di carattere fantastico, sentimentale e mimico, – viene ora applicato allo sforzo di individuare in alcuni interpreti della cultura tedesca a cavallo tra i due secoli (ad esempio Franz von Baader o August Ludwig Hülsen come rappresentanti della Naturphilosophie) l’inclinazione a celebrare nelle loro escursioni teoriche un incontro chimico con la poesia.³⁷ In parallelo Schlegel dimostra come, seguendo lo stesso metodo, si possa leggere nella prospettiva religiosa di Schleiermacher una dimensione filosofica che si fonde perfettamente con quella spirituale. Al di là di questo, l’operazione culturale di Friedrich Schlegel è volta a  Ibid., 18 – 19.  Negli anni immediatamente successivi, Schlegel sembra ricredersi sul successo di questa mescolanza, come emerge dal fr. 111 della raccolta di frammenti dedicati alla filosofia [1803 – 1807]: “Die wahre Verbindung ist Rel[igion] und ϕσ[Philosophie] – und π[Poesie] und Hist[orie]. Meine erste Formel π [Poesie] und ϕσ[Philosophie] kann nicht sehr viel Resultate geben“. KFSA 18, 572.

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valorizzare quanti abbiano tentato di elevare il sapere a una prospettiva universale come “Anschauung des Ganzen”, superando i limiti della raccolta e della elaborazione di dati empirici legati alla propria specifica materia di studio. Abbandonata, dunque, l’epoca delle ‘recensioni’/ Notizen come mezzo per aggiornare il pubblico tedesco sul già conseguito avanzamento degli studi umanistici e di quelli scientifico-naturalistici come Darstellung des Lebendigen, è giunto ora il tempo per Schlegel di promuovere una Bildung der Menschheit di più ampio respiro, guidata dalla curiositas ed espressa in ampie panoramiche di natura storiografica e storico-filosofica; essa è maturata nella lettura, come ricorda Behler, della Erziehung des Menschengeschlechts di Lessing, dei Briefe zur Beförderung der Humanität di Herder e della Idee zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht di Kant.³⁸ Dunque è evidente che il titolo volutamente generico di Literatur, scelto per il secondo saggio del primo fascicolo di Europa, basato su un ampio e ibrido repertorio di personaggi che hanno contribuito al progresso delle conoscenze, esprime il portato del manifesto programmatico della Weltliteratur schlegeliana. Libero da confini disciplinari e da una costrittiva comparazione con i modelli del passato, l’uomo moderno può constatare che [d]ie wichtigsten literarischen Erscheinungen sowohl im Fache der Wissenschaft als der Kunst, machen jetzt in Deutschland ein so vielfach ineinander eingreifendes, zusammenstimmendes, und zugleich so weit umfassendes Ganzes aus, daß man nicht nur in den modernen Zeiten, sondern selbst im Alterthume vergeblich sich nach einem Beispiele umsehen würde von einer ähnlichen rastlosen Thätigkeit und universellen Wechselwirkung aller Künste und Wissenschaften, deren einziges oder doch vorzügliches Augenmerk ist, den Menschen seiner göttlichen Natur und Bestimmung näher zu führen oder würdiger zu machen.³⁹

Per quanto possa risultare complesso ricostruire l’intreccio degli impulsi intellettuali che dettano a Schlegel la preparazione delle Philosophische Vorlesungen che tiene a Colonia, una volta lasciata Parigi, ma soprattutto le sue riflessioni sulla storia, che coincidono con il periodo cruciale per la pubblicazione della rivista Europa nel 1802– 1803, così come quelle sulla fisica, è proprio da queste che emergerebbe la decisa impronta storico-critica e filosofico-didattica che Schlegel impartisce al proprio progetto ‘francese’. Negli appunti dedicati al rapporto tra filosofia e fisica che supportano le lezioni di Colonia del periodo 1804– 1805 si evince che il formato della Charakteristik, che era stato modellato sulla letteratura ai tempi di Athenaeum, assume ora un significato molto più universale, legato a un metodo ‘genetico’ che unisce la natura alla storia, che permette la cooperazione della cultura umanistica e di quella scientifica e la commistione dell’una con l’altra grazie all’interrelazione delle varie conoscenze. Si affianchi quindi la stimolante relazione sugli ultimi progressi della fisica di Hans Christian Oersted (Uebersicht der neuesten Fortschritte der Physik),⁴⁰ – che si trova nel  Behler: “Einleitung” zu KFSA 20, XVI.  Schlegel: Literatur, 41. Questo pensiero trova un proprio riscontro diretto nella materia del quinto libro delle lezioni sullo sviluppo della filosofia, intitolato “Theorie del Natur”. KFSA 12, 422.  Oersted: Uebersicht der neuesten Fortschritte der Physik, 20 – 48.

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secondo fascicolo di Europa dell’agosto del 1803 e che dà conto dell’intreccio tra pensiero metafisico e scienze della natura affermatosi alla svolta tra il XVIII e il XIX secolo in Germania, – agli appunti che riguardano il rapporto tra filosofia e fisica nel quinto libro delle Philosophische Vorlesungen di Colonia, in cui Friedrich Schlegel esplicita il senso generale del nuovo approccio scientifico, applicabile anche agli studi umanistici, che ha scelto di perseguire: Das Wesentliche des Historischen besteht in der genetischen Methode, und diese läßt sich auf eine Gedankenreihe einwenden, die selbst auf den Namen der Geschichte noch nicht Anspruch machen kann, es ist dann eine Annäherung zur Geschichte; denn eine tiefe durchdringende Charakteristik ist nicht Darstellung des Lebendigen, sondern nur eine Untersuchung über das Entstehen und den Charakter des Lebendigen. Je mehr wahres Genie in einer solchen Charakteristik ist, desto mehr wird sie historischen Geist atmen, desto mehr wird in ihr die genetische Methode befolgt sein.⁴¹

La celebrazione del punto di contatto tra la fisica degli elementi e la cosmologia passa per la Naturansicht di Franz von Baader, menzionato con interesse da Friedrich Schlegel in Europa, che aveva cercato di fondare una “teoria della materia [Stofflehre] che tenesse nel dovuto conto quelle operazioni della natura di cui abbiamo percezione e notizia tramite il nostro sentire e in particolare grazie al ‘senso interno’ e che si attuano per l’intervento di forze chimiche e di forze organiche”.⁴² Friedrich Schlegel non aveva perciò intrapreso solo la via della conversione da ‘materialista’ a ‘spiritualista’ nel periodo tra la fine del vecchio e l’inizio del nuovo secolo, ma lavorava in quei primi anni dell’Ottocento a riformulare la propria visione del mondo, – complice la lettura dei trattati di fisica di Baader, Herschel, Ritter, Volta e delle opere storico-filosofiche di Herder. Da Experimentalphysiker der Literatur quale era stato in Athenaeum, si proponeva ora anche come uno studioso della Naturphilosophie, interessato a comprendere la dimensione psichica del mondo grazie all’attenzione per la chimica e per i fenomeni di affinità formulati dal chimico Claude Louis Berthollet, che hanno goduto anche dell’apprezzamento di Goethe per la stesura delle Wahlverwandtschaften (1809).⁴³

 Schlegel: “Vom Verhältnis der Philosophie zur Physik”. KFSA 12, 422.  Per conoscere più approfonditamente il panorama scientifico tedesco al quale ci si dedica in Uebersicht der neuesten Fortschritte der Physik cfr. in particolare il cap. V [“Fisica degli elementi e cosmologia: Baader”] dell’importante monografia di Poggi: Il genio e l’unità della natura, 183 – 209, da cui è tratta questa considerazione a p. 184.  Su Berthollet cfr. Oersted: Uebersicht der neuesten Fortschritte der Physik, 47– 48. Cfr. sul tema della staticità chimica e della regola della neutralità, su cui si concentra l’attenzione al termine della Uebersicht der neuesten Fortschritte der Physik, 48, quanto scrive Holland in Observing Neutrality, 45 – 47 e 49 – 52.

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Matteo Largaiolli

Letteratura italiana nella Edinburgh Review (1802 – 1810) 1 Nei primi anni della sua pubblicazione, sulla rivista scozzese Edinburgh Review appaiono alcune recensioni che prendono in esame traduzioni e antologie di testi italiani. In particolare, tra il 1802 e il 1810, sono pubblicate una recensione dedicata alla traduzione di Henry Boyd della Commedia dantesca, una a un’antologia di lirici italiani, una alla traduzione della Vita di Vittorio Alfieri. Tutte queste recensioni sono anonime, ma attribuibili ad alcuni dei protagonisti della prima stagione della rivista, come, rispettivamente, Robert Morehead, William Herbert e Francis Jeffrey: Morehead, Robert: “Rec. di Dante Alighieri”. The Divina Commedia of Dante Alighieri. Consisting of the Inferno – Purgatorio – and Paradiso. Translated into English verse, with preliminary essays, notes, and illustrations. By the Reverend Henry Boyd, A. M. Chaplain to the Right Honourable the Lord Viscount Charleville. 3 vol. 8vo. London: Caddell junior and Davies, 1802. Edinburgh Review 1/2 (January 1803), 307– 313;¹ Herbert, William: “Rec. di T. J. Mathias”. Componimenti lirici de più illustri Poeti d’Italia. Scelti da T. J. Mathias. 3 vol. Londra: T. Becket, 1803 [ma 1802]. Edinburgh Review 5/9 (October 1804), 45 – 63;² Jeffrey, Francis: “Rec. di Vittorio Alfieri”. Memoirs of the Life and Writing of Victor Alfieri. Written by Himself. 2 vol. London: Henry Colburn, 1810. Edinburgh Review 15/30 (January 1810), 274– 299.³

Nel leggere questi contributi, non guardo tanto agli apporti critici che effettivamente forniscono all’interpretazione della letteratura italiana, ma agli aspetti principali che i

 La recensione, che denuncia alcune oscurità del traduttore, è anonima, ma attribuita da quanti se ne sono occupati a Robert Morehead (1777– 1842): cfr. Friederich: Dante’s Fame, 237 e Braida: Dante, 86. Morehead sembra anche autore di un saggio dantesco, Observations on the Poetical Character of Dante, apparso sulla Edinburgh Magazine and the Literary Miscellany, 82 (September 1818): 223 – 229. Dati essenziali su Morehead in Waterston and Macmillan Shearer: Former Fellows, 666.  La recensione, qui anonima, compare anche in Herbert: Works, vol. II, 3 – 30. Herbert (1778 – 1847) era un botanico piuttosto noto. La sua attività letteraria fu per lo più giovanile. Una recensione al suo volume di traduzioni Miscellaneous Poetry compare sull’Edinburgh Review di ottobre 1806, anonima, ma di Walter Scott: si legge anche in Scott: The Prose Works, 102– 118. Il giudizio di Scott sulle traduzioni di Herbert oscilla; per quanto riguarda le traduzioni dallo spagnolo e dall’italiano è piuttosto severo: “In the translations from the Spanish and Italian, we are chiefly displeased with a want of pliabilty, as it were, in Mr Herbert’s language. It seems as if he had laboured among the rugged rhimes of the Scalds, until his style had become too rigid for transfusing the elegance and melody of the Southern poetry”. Scott: Rec. di Herbert, 222.  Attribuzione a Jeffrey in Griggs et al.: Early ‘Edinburgh’ Reviewers, 207. https://doi.org/10.1515/9783111180403-011

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recensori hanno messo in luce nei testi di cui si sono occupati e all’idea di ‘recensione’ che da questi saggi emerge, anche in relazione al concetto di Weltliteratur, o almeno in relazione a una prospettiva di letteratura interpretata in chiave transnazionale, o trans-locale.⁴ L’Edinburgh Review è importante, al di là dei suoi meriti specifici, perché assieme alla francese Globe e all’inglese Blackwood’s Magazine è alla base di una delle riflessioni di Goethe sulla Weltliteratur. ⁵ Sull’Edinburgh Review, inoltre, scrive Thomas Carlyle, che fu uno degli interlocutori privilegiati per Goethe nelle sue considerazioni teoriche sulla letteratura mondiale.⁶ È proprio in dialogo infatti con queste riviste culturali e letterarie europee che Goethe parla di Weltliteratur enunciandone alcuni principi: il riconoscimento delle differenze nazionali, l’incremento di conoscenze e quindi della comprensione reciproca, il progresso dell’umanità: Diese Zeitschriften, wie sie sich nach und nach ein größeres Publicum gewinnen, werden zu einer gehofften allgemeinen Weltliteratur auf das wirksamste beytragen; nur wiederholen wir, daß nicht die Rede seyn könne, die Nationen sollen übereindenken, sondern sie sollen nur einander gewahr werden, sich begreifen, und wenn sie sich wechselseitig nicht lieben mögen, sich einander wenigstens dulden lernen.⁷

Anche se non hanno corrispettivi diretti nella pubblicistica francese e inglese, le idee di Goethe trovano nel confronto con le esperienze internazionali un’occasione per consolidarsi. Il passo prende le mosse da un’osservazione concreta, legata alle possibilità di comunicazione offerte dalla stampa periodica: le riviste favoriscono la progressiva diffusione della letteratura internazionale nel pubblico nazionale. Secondo una lettura che dà particolare peso alla funzione delle riviste, come quella di Jameson, il concetto stesso di Weltliteratur in Goethe nasce e si esprime, più che sulla base di fonti primarie, nella forma di un concetto meta-letterario, che fa leva sulle fonti secondarie e riflessive, prime fra tutte le recensioni di riviste tra cui, per l’appunto, l’Edinburgh Review. ⁸ Anche se nell’Edinburgh Review, o almeno nelle sue recensioni di tema italiano, non si possono individuare riferimenti espliciti alla Weltliteratur, può essere utile riflettere su alcune modalità di approccio alla letteratura che vi emergono e che rivelano una consonanza di idee con Goethe, soprattutto nei termini di conoscenza e comprensione reciproca tra diverse tradizioni e culture. Il discorso sarebbe, natural-

 Cfr. de Vito: Verso una microstoria translocale, 821– 822.  Cfr. Schmitz-Emans: Richard Meyer, 50. Sul Globe si legge una recensione alla traduzione francese del Torquato Tasso. Goethe ne discute in Über Kunst und Altertum, 1827: cfr. Pizer: Goethe’s ‘World Literature’ Paradigm, 215.  Carlyle: State of German Literature. Sui rapporti tra Goethe e Carlyle cfr. Lamping: Die Idee der Weltliteratur, 36 e Ashton: Carlyle’s Apprenticeship.  Goethe: Edinburgh Reviews, 491 (Über Kunst und Altertum 6.2 [1828], 396); Birus: The Goethean Concept of World Literature, 4.  Jameson: New Literary History, 380.

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mente, molto ampio. In questo contesto mi occuperò soltanto di testi italiani e limitati ai primi anni di vita della rivista scozzese, ma significativi per capire le posizioni degli attori coinvolti nelle recensioni e le loro idee sui possibili rapporti tra le letterature di diversi Paesi (più che di una letteratura “universale”) e il ruolo che attribuivano a un genere critico-riflessivo come la recensione.

2 L’Edinburgh Review, che si propose come una voce liberal e whig in un contesto tory, nacque nel 1802, dalla volontà di un gruppo di giovani intellettuali, tra i venti e i trent’anni di età: Francis Horner, Henry Brougham e Sidney Smith, guidati da Francis Jeffrey.⁹ La rivista è quindi quasi contemporanea ai più importanti documenti del romanticismo inglese.¹⁰ Negli stessi anni anche altre riviste dedite alle recensioni avevano cominciato le loro pubblicazioni, ma l’Edinburgh Review si distinse subito per la sua cadenza quadrimestrale. I redattori avevano scelto queste uscite più distanziate rispetto ad altre riviste coeve, perché in tal modo potevano raccogliere in ogni fascicolo un maggior numero di libri meritevoli di recensione; loro obiettivo non era infatti la quantità, ma la qualità dei testi di cui rendere conto, cercando di spaziare su un ampio spettro di discipline: letteratura, scienza, arte, economia. La rivista ebbe presto un buon successo: nel 1815 arrivò a 13000 copie, diffuse soprattutto tra insegnanti, basso clero, commercianti, classe media.¹¹ Le recensioni appaiono spesso anonime, ma per lo più gli autori sono i quattro fondatori; le recensioni letterarie, in particolare, sono in gran parte scritte o coordinate da Jeffrey. Anche in questo contesto di anonimato, l’ispirazione teorica e metodologica era fortemente coesa, come è chiaro ad esempio per la letteratura di viaggio.¹² Sul piano dei contenuti, l’Edinburgh Review si contraddistingue per l’impostazione liberale e per l’eredità dell’illuminismo scozzese: due tratti che emergono in modo più evidente nelle recensioni dedicate a temi economici, filosofici, giuridici, politici, ma che hanno riflessi anche nelle recensioni letterarie. La tradizione illuminista scozzese

 Per i presupposti ideologici e la logica culturale alla base della rivista faccio riferimento a Demata e Wu: Introduction, che ne mettono in luce l’ispirazione post-illuminista, liberal, empirica, dedicata a temi di vasta portata, non solo letterari, in grado di aprire la discussione al contributo di altre nazioni.  Le Lyrical Ballads di William Wordsworth e Samuel Taylor Coleridge sono del 1798; il secondo volume con il Preface di Wordsworth è del 1802. Jeffrey pur non essendo antiromantico, era consapevole della tensione tra le sue radici illuministe e le nuove correnti letterarie, in particolare in ragione della diversa valutazione del rapporto tra uomo e natura (non-umano), sublime e bellezza: cfr. Demata e Wu: Introduction, 7, 10 e Fry: Jeffreyism.  Demata e Wu: Introduction, 2.  Demata: Prejudiced Knowledge, 87– 91.

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mantenne una posizione “liberale in politica”¹³ e “empirica” in filosofia e scienza, sulla scia di David Hume e Adam Smith,¹⁴ nominati anche nella recensione ad Alfieri.¹⁵ L’impostazione liberal, che supera il fondamento divino della morale e della politica, pone alla base del progresso sociale la tolleranza religiosa, il governo rappresentativo, la garanzia della proprietà privata e – con ripercussioni anche sul piano letterario – un senso di comunità internazionale.¹⁶ Sul piano del rapporto con le altre nazioni, gli autori dell’Edinburgh Review ribadiscono le loro radici scozzesi e si presentano come parte di una cultura internazionale, anche per affermare l’identità della Scozia in senso anti-centralista e alternativo all’egemonia letteraria londinese. L’Edinburgh Review si dimostra quindi da un lato aperta e libera; dall’altro fortemente legata alla dimensione nazionalistica scozzese, alla sua storia, al suo contesto geopolitico. La transnazionalità e la costruzione ideologica della nazione sono quindi due poli che interagiscono in un dialogo costante.¹⁷ La tradizione illuministica incide anche sulla concezione estetica e sul metodo critico, in quanto rigorosa, fondata sul common-sense, e con un costante riferimento al contesto politico.¹⁸ Questa posizione estetica matura sulla base dell’empirismo, in parallelo alla morale e alla psicologia morale: come insegnavano gli illuministi scozzesi “criticism is founded wholly on experience”.¹⁹ Per correggere una possibile deriva relativistica, i filosofi scozzesi affermarono l’esistenza di uno standard, di un senso della bellezza innato e condiviso, pur con alcuni correttivi e diversità di posizione tra

 Questa tradizione “provided Jeffrey and his reviewers with a ‘common-sense’ view on human nature, ethics and language on which the Edinburgh’s criticism was based”. Demata e Wu: Introduction, 6.  Fontana: Rethinking, 4: “its direct descent was from that group of 18th-century Scottish writers who held an essentially socio-economic interpretation of history, and who attributed to political economy a central role in the understanding of modern society: David Hume, Lord Kames (1696 – 1782), Adam Smith and, in the younger generation, John Miller (1735 – 1801) and Dugald Stewart (1753 – 1828)”. Particolarmente influente fu Stewart, professore di filosofia morale a Edimburgo.  Jeffrey: Memoirs, 275: “We look in vain through the whole narrative [the Vita of Alfieri] for one gleam of that magical eloquence by which Rousseau transports us into the scenes he describes […] Neither is it a mere unassuming outline of the author’s history and publications, like the short notices of Hume and Smith”.  Sul “sense of international community” cfr. Flynn: Francis Jeffrey, 27. Il sorgere dell’idea di Weltliteratur all’inizio del XIX secolo non è casuale: l’orizzonte internazionale di Goethe e Schiller era caratterizzato da traduzioni e rielaborazioni, anche se all’inizio, per quanto ampia, la circolazione di idee era limitata a un pubblico selezionato. Lamping: Die Idee der Weltliteratur, 12, 51.  Demata e Wu: Introduction, 9. Anche al di là della posizione politica, la nascente definizione discorsiva dell’identità scozzese manifesta un chiaro interesse per tutte le informazioni che provengono dall’estero. È una posizione significativa, nella prospettiva dell’apertura transnazionale dei testi recensiti anche sul piano letterario.  Demata e Wu: Introduction, 8, con rinvio a Flynn: Francis Jeffrey.  Hugh Blair, cit. in Flynn: Francis Jeffrey and the Scottish Critical Tradition, 22.

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filosofi.²⁰ La base empirica di osservazione permetterebbe di costruire, a partire dai testi, un sistema coerente di valutazione; la letteratura di viaggio, ad esempio, era concepita come una “scienza naturale”, che prevede la ripetizione di fatti individuali, e che poteva essere studiata nei suoi diversi risvolti culturali.²¹ Proprio in virtù di questa asserita empiria, l’Edinburgh Review dichiara programmaticamente di non avere pregiudizi.²² In realtà non mancano alcune posizioni chiaramente stabilite su un’idea preconcetta di “stile” connaturato a una nazione. Jeffrey, ad esempio, fonda il suo parere su Alfieri anche sulla base di una generalizzazione di uno “stile italiano”,²³ e si muove su una linea di giudizio che si manifesta anche nel ricorso a molte altre categorie connaturate, nello specifico della recensione ad Alfieri, all’indole e al carattere degli italiani, segnati da passionalità e decadenza.²⁴

3 Nei primi numeri dell’Edinburgh Review la letteratura europea non è presente in modo così pervasivo come la letteratura inglese, e la valutazione che ne viene data tende ad evitare entusiasmi eccessivi. Se un po’ più discussa è la letteratura francese, la presenza tedesca, spagnola e continentale in genere è decisamente sporadica: i recensori non ne avevano una conoscenza approfondita e spesso ne davano un giudizio severo.²⁵

 Flynn: Francis Jeffrey and the Scottish Critical Tradition, 23. Altrettanto attiva fu la prospettiva “sociologico-antropologica” di William Duff, Kames, Hugh Blair. Archibald Alison, ad esempio, definiva la risposta estetica come prodotto dell’associazione di idee, e come tale influenzata sia dal carattere individuale di ogni uomo, sia dalle sue esperienze (Flynn: Francis Jeffrey and the Scottish Critical Tradition, 23).  I recensori riflettono ad esempio sui metodi con cui i viaggiatori interpretano e descrivono i paesi che visitano: la letteratura di viaggio permette di conoscere luoghi e popoli altri e, nell’Europa napoleonica, si presenta come spazio di discussione sui rapporti politici, commerciali, culturali, storici, tra Impero britannico e resto del mondo. Nel giudizio sulla letteratura di viaggio, si censura il racconto fine a se stesso, senza risvolti scientifici o di utilità generale ed educativa; per tutti questi aspetti cfr. Demata: Prejudiced Knowledge, 90 – 93.  Demata e Wu: Introduction, 8.  Jeffrey: Rec. di Vittorio Alfieri, 276: “Though we have not been able to see the original of these Memoirs, we will venture to add, that they are by no means well written; and that they will form no exception to the general observation, that almost Italian prose is feeble and deficient in precision”.  Con formule come: “his degenerate countrymen”, “vehemence”, “uncontrouled dominion” (Jeffrey: Rec. di Vittorio Alfieri, 275), “tragic and Italian passion for music” (277; ma anche per i cavalli, i viaggi e la letteratura e, come si capisce tra le righe, per le donne), “all the licentiousness and presumption of a modern Italian noble” (294).  Alexander: Learning from Europe, 118 – 119. Jeffrey, ad esempio, non era un profondo conoscitore della letteratura tedesca e, in termini più generali, era cauto sul ruolo della letteratura nella creazione del carattere nazionale (in opposizione ad esempio a Mme de Staël). La letteratura tedesca è attaccata per i suoi caratteri di “absurdity, mysticism, immaturity, and infidelity”; la letteratura francese è contaminata dalla trivialità e dall’assenza di sublime tipiche dei francesi (Alexander: Learning from Europe, 119 – 120).

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Anche Herbert, recensore dell’antologia di Mathias, nell’introduzione alle sue traduzioni dichiara senza mezzi termini di non amare la letteratura tedesca.²⁶ La letteratura italiana, almeno nelle recensioni di Herbert, è interpretata alla luce dei teorici e degli storici italiani:²⁷ a proposito dell’antologia di Mathias, Herbert cita ad esempio Andrea Rubbi, il Parnaso italiano per i testi e quindi per il canone da antologizzare, Francesco Saverio Quadrio per la teoria metrica, Girolamo Tiraboschi per il giudizio storiografico, e soprattutto Saverio Bettinelli per la definizione del canone lirico dei sonetti. I recensori della Edinburgh Review non negavano i loro limiti nella conoscenza e quindi nella valutazione dei testi di altre tradizioni; si faceva però strada la consapevolezza ereditata dall’illuminismo scozzese di quanto fosse importante la comunità internazionale anche sul piano estetico e letterario. Una riflessione di Jeffrey è rivelatrice di alcuni concetti centrali, da questo punto di vista del contatto tra tradizioni: la naturalizzazione dei testi in aree diverse dalle aree di origine, la diffusione della cultura, la conoscenza e la capacità di interpretare un’opera grazie all’educazione del gusto e all’intelligenza critica, l’emulazione: By a series of such biographical sketches, interspersed with enlightened criticism, and illustrated by occasional comparison with performances more familiar to an English reader, foreign literature may be most effectually naturalized, and most extensively disseminated among the reading classes of the community; the taste and intelligence of the nation may be gradually improved; our notions of excellence may be enlarged and corrected; and the objects of liberal emulation and the sources of innocent enjoyment may be multiplied among us to a considerable extent.²⁸

L’idea di fondo è che il confronto con altre tradizioni permetta una migliore comprensione della propria letteratura e il miglioramento del giudizio critico che su di essa si può formulare, dall’interno della propria storia. Significativo, anche per l’affinità lessicale (korrigieren, corrected), il parallelo con Goethe quando afferma l’idea che le  Herbert: Works, VII –VIII: “For my own part I am no admirer of most German productions, which are repugnant to a taste, that has been formed from infancy on the great models of classical writing. When their extravagancies are injudiciously extolled, the vow […] of an excellent Italian writer presents itself to my recollection; a vow, which I wish our England would imitate, preferring the chaste apparel of her ancient poets to the meretricious garb of later wits”. L’eccellente scrittore italiano è Bettinelli, citato per un sonetto sul mausoleo di Dante a Ravenna: “Vo’ il patrio rivocar genio incostante, / O almen giurar su quelle sacre corde / Contro il Gallo e il German genio profano / Eterna fede al buon Petrarca e a Dante” (Bettinelli: Opere, 296). Herbert non nega che qualcosa di buono si possa ricavare anche dalla letteratura tedesca, una volta però che si sia riusciti a superare il rifiuto, dettato da ragioni morali e politiche: “But, although the prevalent taste of Germany be corrupt, and fraught with moral and political turpitude, beauty may be gathered from her writers, as honey from the flower, whose root is poisonous. The only extract from German literature […] is from Schiller’s Maid of Orleans, which he calls a romantic tragedy. Its style has considerable merit, and the whole is less exceptionable, than many of his pieces; but the subject is not flattering to an English reader” (Herbert: Works, VII –VIII).  Ma si tenga presente che ci poteva essere una forma di rivalità, di concorrenza con Mathias, nell’importazione in lingua inglese di testi continentali, e italiani nello specifico.  Jeffrey: Rec. di Henry Richard Holland, 241.

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relazioni con altre culture aiutino a correggere la visione che possiamo avere della nostra: “uns einander zu korrigieren”, dal momento che uno sguardo esterno può vedere tratti che sfuggono a uno sguardo interno.²⁹ Lo scambio tra letterature è reciproco: Herbert nota che Gray è “indebted to the Italian poets” e che ad esempio un poeta come Lorenzo “Pignotti has, however, since avenged the cause of Italy by retaliation, and has stolen as much from Gray, as Gray did from the Italians”.³⁰

4 In una dimensione sincronica e transnazionale, il rapporto tra letterature è concepito eminentemente in termini spaziali. Questa consapevolezza di un rapporto spaziale con le letterature altre non è scisso però dalla consapevolezza di una profondità diacronica. Nel giudizio dell’Edinburgh Review entra anche la valutazione della storia, dei cambiamenti dell’attività letteraria nel tempo, di solito verso forme sempre più sofisticate di letteratura e verso interpreti sempre più attrezzati e in grado di penetrarle, dalla tradizione classica greca e latina alle letterature nazionali, canonizzate in grandi nomi: per l’Italia, Dante, Petrarca, Ariosto, Tasso.³¹ Almeno per alcuni autori e per alcune tradizioni, quindi, la distanza non è soltanto geografica ma anche temporale. La letteratura italiana, in particolare, si segnala per la sua continuità nel tempo – una caratteristica che non è delle altre tradizioni: “The poets of Italy, numerous at all times, have continued to write in unvarying tongue for upwards of five centuries”.³² In questa prospettiva diacronica la storia della letteratura condivide con la storia tout court la presenza di momenti che sembrano eccedere la norma (miracles), e la cui individuazione funziona come occasione di contatto privilegiato con quelle forme ormai del passato e come occasione di confronto con altri momenti dislocati nel tempo: rude poetry of early ages possesses some high excellencies, which can never be attained to an equal degree in the more polished state of the art. […] great part of the beauty of such compositions perishes, no doubt, with the occasion which produced them […] But the early history of poetry abounds (like all other early histories) with miracles.³³

 Eckermann: Gespräche mit Goethe, 237 (5 luglio 1827). La prospettiva di Goethe era attuale e valeva per autori viventi e operanti, ma di riflesso si ripercuoteva sull’interpretazione del passato, o almeno sull’attività dei critici, dei traduttori, degli antologisti che si occupavano di testi del passato. Per Goethe il processo è in atto, non ancora compiuto: “Das ist der große Nutzen, der bei einer Weltliteratur herauskommt und der sich immer mehr zeigen wird” (Eckermann: Gespräche mit Goethe, 237).  Herbert: Rec. di T. J. Mathias, 52.  Jeffrey: Rec. di Vittorio Alfieri, 286.  Herbert: Rec. di T. J. Mathias, 45.  Morehead: Rec. di Dante Alighieri, 307– 8. Il passo è anche una critica ai poeti Augustans: cfr. Umarasinghe: Dryden and Pope, 86, che però riferisce il passo alla traduzione di Dante di Henry Francis Cary, e non di Boyd.

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Nella lettura dei testi italiani inoltre i recensori si premurano di prevedere gli interessi dei lettori inglesi.³⁴ La letteratura italiana viene infatti proposta al lettore inglese innanzitutto come fonte diretta per autori inglesi: nel caso specifico di Herbert, Celio Magno viene proposto come importante fonte per Thomas Gray;³⁵ e, di conseguenza, come riferimento utile al lettore per l’interpretazione del testo: il lettore può sapere che un passo deriva da un testo straniero. parallelo. È in questo doppio piano, di storicità e di interpretazione, che si spiega la richiesta, da parte ad esempio di Herbert, di dare indicazioni di contesto sui testi che vengono presentati al lettore straniero (titoli, didascalie, note), in modo da permettere di entrare in una dimensione storica o geografica che non può essere da tutti facilmente dominata: The custom of printing sonnets and canzoni without notes or titles has prevailed unfortunately too much in Italy, and renders it difficult for one, whose memory cannot command the history of Europe, and the biography of Germany and Italy, to seize readily their meaning, and taste all their beauties.³⁶

5 Come si accennava, nelle recensioni di testi italiani apparse sui primi numeri della Edinburgh Review, non si trova una formulazione esplicita di Weltliteratur, o un concetto affine, che possa essere affiancata o letta alla luce della definizione goethiana. Se si può riconoscere, sulla base di un’operazione di rielaborazione critica posteriore, una qualche idea di Weltliteratur, il suo contenuto resta relativamente generico e confinato al mondo europeo, in linea con l’uso di Weltliteratur prima di Goethe.³⁷ Il dibattito della Edinburgh Review sulla letteratura non prevede letterature “internazionali” o “transnazionali”: ogni tradizione resta fortemente incardinata nella sua identità locale. Le posizioni filosofiche, sociali, politiche ed economiche di ampio respiro di cui la Edinburgh Review si faceva portavoce, permettono però anche alla critica letteraria di aprire i suoi orizzonti: nel piano editoriale della rivista, la letteratura è uno dei campi di forze in gioco, in un sistema complesso di idee e di reti di scambi culturali. Questa rete complessa di relazioni può essere analizzata nelle recensioni osservando i principali attori che agiscono nella comunicazione, quelle figure che cioè sono richiamate in modo esplicito nei testi: i recensori, i lettori, gli autori e i traduttori.  Herbert: Rec. di T. J. Mathias, 46.  La canzone sull’appressamento della morte di Celio Magno (1536 – 1602), Me stesso io piango, e de la propria morte, e altre come Dunque rea morte ha spente, “would have been particularly interesting to English readers, as they would have discovered in that, and a few other passages by the same author, the source of some the most striking beauties in Gray’s celebrated elegy” (Herbert: Rec. di T. J. Mathias, 50 – 51).  Herbert: Rec. di T. J. Mathias, 61.  Mani: Recoding World Literature, 23.

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Il recensore, come si è visto, agisce per portare nel giudizio letterario idee di più vasta portata e si presenta come mediatore tra la propria tradizione e le altre letterature. Ogni recensore, che può essere a sua volta traduttore, propone una sua concezione di letteratura, di critica, di traduzione e cerca di presentarsi come il migliore interprete della letteratura straniera, e della “Letteratura” in sé. Nella recensione a Mathias, il recensore Herbert afferma chiaramente di voler esercitare una critica di giudizio e di voler trovare dati concreti per sostenere la sua opinione; ad esempio, accusa Mathias di non aver seguito un criterio razionale nella scelta dei testi antologizzati (“We regret that Mr Mathias adopted no regular system”),³⁸ e offre consigli, che spera potranno essere accettati in nome di un consenso razionale e “giudizioso” (“We hope […] our observations […] may be of some assistance to him; and if we shall have pointed out any poetry, concerning which his judgment may coincide with ours, we trust he will insert it”), che consistono nella presentazione di un canone alternativo (“A perfect selection would be extremely desireable; but one incompletely made is hurtful”).³⁹ Dalla prospettiva del recensore, un altro attore di primo piano è il lettore, inteso come destinatario sia della recensione, che dell’opera recensita. Nella recensione a Mathias, destinatario esplicito è il “lettore inglese”, che Herbert immagina non esperto della letteratura straniera: “The English reader, who is not deeply versed in the literature of Italy”, e interessato alla sua: “but partial to the poetry of his own country”.⁴⁰ Il lettore si avvicina a una recensione per capire, in modo funzionale e non disinteressato, la sua letteratura e scoprire relazioni, prestiti, derivazioni: leggere un poeta come Celio Magno, come già si diceva, avrebbe permesso agli “English readers” di “scoprire” le fonti di Gray.⁴¹ Altri attori sono gli autori del testo straniero, come è evidente nel caso di scrittori contemporanei. Ad esempio la recensione alla Vita di Alfieri è ampia e volta proprio a definire il carattere dell’autore, oltre che lo stile e i contenuti della biografia, secondo una prospettiva che unisce i due poli della vita e dell’opera, come è dichiarato fin dall’incipit: “This book contains the delineation of an extraordinary and not very engaging character”.⁴² Attore altrettanto fondamentale è naturalmente l’autore dell’opera di traduzione e divulgazione, pensato, al pari del recensore, come mediatore: proprio la capacità di mediare contenuti, di spiegare al lettore il testo e di comunicarlo in tutta la sua complessità, è uno dei metri di giudizio che intervengono nella recensione. La centralità del traduttore è evidente quando la critica, anche la critica stilistica, viene condotta non sugli originali, ma sulla traduzione; nel caso di Alfieri, ad esempio, lo stile viene discusso anche in termini retorici (“emphatic expressions, interrogatories, an    

Herbert: Rec. di T. J. Mathias, 46. Ibid., 63. Ibid., 46. Ibid., 50 – 51. Jeffrey: Rec. di Vittorio Alfieri, 274.

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tithesis, and short and inverted sentences”),⁴³ ma soltanto sulla base della traduzione (“Though we have not been able to see the original of these Memoirs, we will venture to add, that they are by no means well written”),⁴⁴ sottoposta a giudizio, e non pacificamente accettata: in alcuni passaggi, il testo risente dell’inadeguatezza del traduttore (“is indebted for part of its absurdity to the translator”).⁴⁵ Il recensore si rivela così consapevole dell’importanza, e dei limiti, della traduzione nella ricezione di un testo.⁴⁶

6 Anche dalla lettura di questi pochi esempi e limitati alla tradizione letteraria italiana, si può vedere come le recensioni dell’Edinburgh Review siano attente al dato empirico e alla ricerca concreta: un’attitudine collegata alla materialità della critica, del dato testuale e delle relazioni tra autori, traduttori, lettori. In linea di principio, queste recensioni si dichiarano prive di pregiudizi; nella prassi, in realtà, sono legate a idee preconcette sul valore e le caratteristiche intrinseche delle letterature straniere, verso le quali tuttavia si dimostrano disponibili e aperte. I recensori sono consapevoli di quanto sia difficile comprendere testi di un’altra tradizione: è inevitabile che un lettore straniero non conosca nei minimi particolari la storia di un’altra nazione, non ne padroneggi perfettamente la lingua, non ne domini in tutti i suoi aspetti la letteratura e la cultura (“It is a wide field, and difficult for any, but Italians, to traverse”),⁴⁷ anche perché spesso non riesce a superare il proprio modo di pensare: “The efforts which cost him, and the means he adopted to ensure his own adherence to his resolution, appear altogether wild and extravagant to our northern imagination”.⁴⁸ Dalla constatazione di queste oggettive difficoltà di comprensione, deriva l’importanza assegnata al ruolo del critico e del recensore, che diventano mediatori tra le diverse letterature, e che devono avere perciò chiara coscienza del loro impegno, perché le loro scelte sono quelle che permetteranno di fissare un canone di riferimento e l’interpretazione corrente tra i lettori: “The uninformed reader relies on the selector, and, thinking that he sees the flowers of Italian poetry, is contented to look no further”.⁴⁹ La chiara componente teorica e l’intreccio di attori coinvolti collocano la recensione in un processo di mediatizzazione esplicita del campo letterario. Questo processo

 Ibid., 294.  Ibid., 276.  Ibid., 294.  Ibid., 284. Sulla traduzione come parte dello sviluppo della Weltliteratur in Goethe cfr. Birus: The Goethean Concept of World Literature, 5 – 6.  Herbert: Rec. di T. J. Mathias, 68.  Jeffrey: Rec. di Vittorio Alfieri, 286.  Herbert: Rec. di T. J. Mathias, 68, a proposito delle antologie.

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si configura come intermediale, legato alla dimensione materiale della comunicazione, e trans-nazionale⁵⁰ o trans-locale: tutte caratteristiche tra loro fortemente connesse e interdipendenti. Da questo punto di vista, la recensione può essere innanzitutto pensata come parte di un sistema mediale, eminentemente scritto e a stampa, all’interno del quale agiscono diversi generi letterari e quindi diversi tipi di prodotto editoriale librario: dall’antologia alla traduzione, dal libro di viaggio alla memoria ecc.⁵¹ Poco evidente è la dimensione orale; mentre assodata è la comunicazione manoscritta per lettera, un medium che può in alcuni casi porsi al confine tra comunicazione privata e pubblicazione.⁵² La recensione partecipa inoltre della natura materiale dei media, della comunicazione, della letteratura: l’innovazione tecnologica e i nuovi canali di comunicazione accelerano e favoriscono lo scambio di beni ma anche di idee, che ha luogo come scriveva Goethe grazie a “Eisenbahnen, Schnellposten, Dampfschiffe und alle möglichen Fazilitäten der Kommunikation”.⁵³ Anche la transnazionalità, infine, non è una dimensione astratta, ma è un fattore concreto della recensione, creato dagli attori protagonisti della dinamica sociale e comunicativa. Lo scambio reciproco, di testi e di idee, avviene infatti attraverso rapporti epistolari, letture, traduzioni che oltrepassano i confini nazionali.⁵⁴ La dinamica transnazionale o translocale è cioè attivata dai rapporti, materialmente osservabili, tra letterati e letterati e tra letterati e testi: sono proprio questi rapporti interpersonali e di lettura che sono alla base della possibilità stessa di recensione.

 Il rapporto tra diversi ambiti nazionali è parallelo alla natura relazionale della letteratura, affine alla natura relazionale della creazione degli Stati nazione (Casanova: La république mondiale des lettres, 64– 65). La letteratura nella sua apertura mondiale segna un nuovo rapporto tra scrittori di diverse nazionalità che agiscono in una dimensione sociale (Lamping: Die Idee der Weltliteratur, 23 – 24).  Sul concetto di media ensemble cfr. Bellingradt: Annäherungen, 14 e Bellingradt e Rospocher: A History, 11.  Cfr. ad es. la lettera di Francesco Algarotti, a cui fa riferimento anche Herbert, a “Guglielmo Taylor How”, Pisa, 26 dicembre 1762, in Gray: The Poems, 89 (e Gray: Poesie liriche, 89): “Io non saprei quale Oda non dirò del celebre Rousseau, ma del Guidi, del Lazzarini, ed anche del Chiabrera, che scrissero in una lingua più poetica che la Francese non è, paragonar si potesse all’Oda sopra l’Armonia, o a quella contro ad Odoardo Primo, del loro novello Pindaro, ed Alceo”.  Goethe: Briefe 4, 146, cit. in Lamping: Die Idee der Weltliteratur, 25. L’idea originale di Goethe non prevedeva un significato economico e politico; tuttavia lo scambio è stato favorito anche da cambiamenti politici, economici e tecnologici (Lamping: Die Idee der Weltliteratur, 11, 46). La dimensione sociologica, il vocabolario economico (che ricorda anche gli interessi disciplinari della Edinburgh Review), il ruolo dei diversi mezzi di comunicazione, sono fattori messi in luce da: Pizer: Goethe’s ‘World Literature’ Paradigm, 225 e Eilittä: Goethe and his Followers, 225.  Lamping: Die Idee der Weltliteratur, 46.

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Matteo Largaiolli

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Teil 4 Perspektiven

Carolin Fischer

Goethes Werther und Shakespeares Dramen auf dem Prüfstand des „goût“ Es ist allgemein bekannt, dass mitunter eine erhebliche Diskrepanz zwischen der Wahrnehmung literarischer Werke durch die Leser:innen und derjenigen durch die Rezensent:innen besteht. Dies gilt vor allem für populäre Werke, aber eben nicht nur für diese. Bei dem hier primär untersuchten Beispiel, Goethes Werther und seine zeitgenössische Rezeption in Frankreich, handelt es sich bekanntlich um ein solches, und von daher stellt sich die Frage, ob sich diese Diskrepanz bereits in der zweiten Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts findet. Um dieses Phänomen des Auseinanderklaffens von Publikumsinteresse und kritischer Wahrnehmung besser fassbar zu machen und den Kontrast paradigmatisch zu dokumentieren, soll hier einleitend kurz auf zwei sehr unterschiedliche, aktuelle Beispiele verwiesen werden, wobei das erste durchaus als eine Form der ‚Weltliteratur‘ verstanden werden kann, wenngleich in ganz anderer Weise als der Werther. Zunächst also zu einem weltweiten Bestseller: Dan Browns Inferno. Bestseller sind per Definition Lieblinge der Leserschaft, hingegen in der Regel Stiefkinder des Feuilletons. Dies gilt, zumindest in Deutschland, exemplarisch für Inferno. Das Original wie auch die Übersetzungen in zahlreiche andere Sprachen wurden zeitgleich am 23. Mai 2013 veröffentlicht, und nur zwei Tage später waren in Deutschland bereits 150.000 Exemplare verkauft,¹ sogar mehr als eine Millionen innerhalb von fünf Tagen in Nordamerika.² Nicht überraschend stand das Buch auf Platz eins der Bestseller-Listen in Deutschland und verschiedenen europäischen Ländern.³ Ebenso wenig überraschend ist die meist negative Bewertung in den deutschsprachigen Rezensionen, die natürlich auf den Medienhype eingehen, ansonsten aber wenig Gefallen an dem Buch finden: Lucas Wiegelmann konstatiert in der Welt, dass „sich das altbekannte Katz- und MausSpiel bald tot[läuft…]. Und ermüdet mit der Zeit.“⁴ Julia Baer kommt in ihrer langen Besprechung nach einer ausführlichen Inhaltsangabe zu dem Schluss: „Und wer schon einen Dan Brown gelesen hat, sollte das mit der medikamentösen Amnesie mal in Erwägung ziehen: Das wird die Lektüre viel interessanter machen und verhindert ein Déjà-lu.“⁵ Geradezu vernichtend äußerst sich Lothar Müller in der Süddeutschen Zeitung zum Scheitern des „Geschäftsmodells ‚Kulturthriller‘“: „Dan Brown mogelt sich in Inferno an Dantes Göttlicher Komödie vorbei. Auf dem Weg zu Robert Langdons Fiasko dient der Klassiker als Steinbruch von Zitaten und

    

[O.V.]: Platz 1 für Dan Brown, Rekord für Jonasson und Neues vom Altkanzler. [O.V.]: ,Inferno‘ Has Huge Debut, But Below ,The Lost Symbol‘. https://www.gfk-entertainment.com/news/dan-brown-europaweit-die-nummer-eins.html. Wiegelmann: Browns ,Inferno‘ – Schnitzeljagd zum Übermenschen. Bähr: Inferno – In den Fängen von Dan Brown.

https://doi.org/10.1515/9783111180403-012

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Bildern. Das ist alles.“⁶ Inhaltlich ist dem voll zuzustimmen, nur war der Roman nichtsdestotrotz weltweit ein großer kommerzieller Erfolg, wie auch seine Verfilmung (2016) durch Ron Howard, mit Tom Hanks und Felicity Jones in den Hauptrollen, der mit über 220 Millionen Dollar fast das Dreifache seiner Produktionskosten eingespielt hat.⁷ Allerdings ist nicht zu erwarten, dass Inferno jemals zu den Klassikern der Weltliteratur gerechnet wird, ganz im Gegensatz zu Goethes Werther. Eine gänzlich andere Stellung als dem Thriller wird im literarischen Feld der Lyrik zugeordnet. Dennoch findet sich auch hier eine – wenngleich völlig anders geartete – Verwerfung zwischen der Popularität von Lyrik und der Beachtung, der ihr in Rezensionen zuteil wird: Für ein Kolloquium im Oktober 2018 an der Sorbonne zum Thema „Les valeurs de la poésie“ waren die Veranstalterinnen so mutig, den unkonventionellen Themenvorschlag anzunehmen, die Rezensionen jeweils eines Jahrgangs der Literarischen Welt und der Monde des Livres zu vergleichen, natürlich mit einem ganz besonderen Augenmerk auf der Bedeutung, die in diesen beiden Publikationsorganen der Lyrik zukommt. Das Ergebnis war niederschmetternd: Während Le Monde immerhin monatlich noch ungefähr zwei unterschiedliche Kolumnen dem widmet, was man im weitesten Sinne als Poesie bezeichnen könnte, findet sich in der Welt gerade noch ein Artikel pro Quartal.⁸ Aus dieser verschwindend geringen Anzahl an Rezensionen müsste man eigentlich schließen, dass Lyrik heute niemanden mehr interessiert und dass ihr in Deutschland ein wesentlich geringerer Wert beigemessen wird als in Frankreich – oder dass der Untersuchungsgegenstand falsch ausgewählt war. Letzteres ist sicher nicht ganz unzutreffend, ersteres hingegen wurde allein durch die Vergabe des Büchner-Preises 2017 an Jan Wagner widerlegt. Fest steht jedenfalls, dass Lyrik kaum noch rezensiert wird. Sollen wir daraus schließen, dass niemand mehr dichtet oder Dichtung liest? Keinesfalls. In Deutschland gibt es rund 700 auf Lyrik spezialisierte Verlage und in Frankreich allein 800 Zeitschriften, die dieser Gattung gewidmet sind. In einer Gesprächsrunde am Ende der genannten Tagung konnte man sogar erfahren, dass das Durchschnittseinkommen eines Lyrikers in Frankreich bei 1500 € liegt, also oberhalb des Smic, des gesetzlich festgelegten Mindesteinkommens, ohne literaturferne Nebenjobs zu berücksichtigen. Die Aufforderung der Zeitschrift Place de la Sorbonne im Frühjahr 2017 an jedermann, ein Gedicht einzuschicken, hatte zu nicht weniger als acht- bis neuntausend Einsendungen geführt. Es ist also offensichtlich, dass die Produktion von Gedichten in keiner Weise im Verhältnis zu ihrem Niederschlag im Feuilleton steht. Dies lässt sich natürlich auch ganz allgemein über viele der Bücher sagen, die heute oder auch in den vergangenen Jahrzehnten, wenn nicht Jahrhunderten eine große Anzahl von Lesern und Le-

 Süddeutsche Zeitung (16.05. 2013).  https://www.boxofficemojo.com/release/rl2203813377.  Ich beziehe mich hier auf die Ausgaben zwischen September 2017 und 2018, deren Analyse ich in einem unpublizierten Vortrag im Oktober 2018 auf der Tagung „Les valeurs de la poésie“ an der Sorbonne vorgestellt habe.

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serinnen gefunden haben, denn in der Regel ist die Schnittmenge zwischen Bestsellerlisten und dem Rezensionsteil der Zeitungen und Zeitschriften eher gering. Im Folgenden sollen, wie eingangs erwähnt, die zeitgenössischen französischen Rezensionen des Werthers untersucht werden, doch um diese besser in die ästhetische Debatte der Zeit einordnen zu können, erscheint es sinnvoll, zuvor kurz einige Etappen der gut erforschten Shakespeare-Rezeption in Frankreich nachzuzeichnen. Warum Shakespeare und Werther? Aus deutscher Perspektive ist diese Verbindung im Rahmen des Sturm und Drang einleuchtend, die in Frankreich so natürlich nicht existiert, doch gibt es eine sicher nicht zufällige zeitliche Koinzidenz: 1776 erschienen parallel zu den beiden ersten französischen Versionen der Leiden des jungen Werthers die ersten Bände des monumentalen Shakespeare von Pierre Le Tourneur.⁹ Für die französische Shakespeare-Rezeption war die kritische Auseinandersetzung mit dem Autor mindestens ebenso wichtig wie die Übersetzungen, zumal diese eben nicht für die Bühne bestimmt waren. Erstere soll hier kurz in ihren wesentlichen Elementen zusammengefasst werden, um anschließend auf dieser Folie die Aufnahme Werthers in Frankreich besser verstehen zu können. Die erste Rezension im weitesten Sinne, die dem Bard of Avon auf Französisch gewidmet wurde, stammt bekanntlich aus der Feder keines geringeren als Voltaires im 18. seiner Lettres anglaises oder philosophiques [1734], der die „tragédie“ zum Thema hat. Nach einer Kontroverse mit einem Adligen ins Exil gezwungen, lebte Voltaire von 1726 bis 1728 in England, wo er auch Aufführungen der Stücke des Dramatikers beiwohnte. Selbst Tragödiendichter, erkannte er die Kraft der Stücke Shakespeares, doch war er gleichzeitig der klassischen französischen Theaterästhetik verpflichtet, zu deren Fortwirken er durch seine Tragödien wesentlich beigetragen hat. Diesen Zwiespalt bringt er deutlich zum Ausdruck: „[Shakespeare] avait un génie plein de force et de fécondité, de naturel et de sublime, sans la moindre étincelle de bon goût et sans la moindre connaissance des règles“.¹⁰ Letzteres führte dazu, dass er diese Stücke nicht als Tragödien anerkennen konnte, obwohl er verschiedenen bühnenwirksamen Szenen höchste Bewunderung zollte: „il y a de si belles scènes, des morceaux si grands et si terribles répandus dans ses farces monstrueuses qu’on appelle tragédies“.¹¹ Er versuchte sogar, einige dieser Elemente auf die Bühne seines Heimatlandes zu bringen, beispielsweise den Auftritt des Geistes von Hamlets Vater,¹² den er in seiner Tragödie Sémiramis (1748)  Le Tourneur (Hg.): Shakespeare traduit de l’anglois, 1776 – 1782.  Voltaire: Lettres philosophiques, 121. „[Shakespeare] hatte ein Genie voller Kraft, fruchtbar, natürlich und erhaben, ohne den geringsten Funken guten Geschmacks und ohne die geringste Kenntnis der Regeln“. Die deutschen Übersetzungen der Zitate stammen von mir, C.F.  Ebd. „Es finden sich so schöne Szenen, so große und furchterregende Passagen in seinen monströsen Farcen, die als Tragödien bezeichnet werden“.  „Il faut avouer que, parmi les beautés qui étincellent au milieu de ces terribles extravagances, l’ombre du père d’Hamlet est un des coups de théâtre les plus frappants. Il fait toujours un grand effet sur les Anglais, je dis sur ceux qui sont le plus instruit, et qui sentent le mieux toute l’irrégularité de leur ancien théâtre.“ Voltaire: Théâtre, 502. „Man muss eingestehen, dass unter den Schönheiten, die inmitten dieser schrecklichen Extravaganzen funkeln, der Schatten von Hamlets Vater einer der markantesten Coups de

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in der Figur des ermordeten Gatten der Titelheldin aufnahm, allerdings ohne den gewünschten Erfolg. Insgesamt ist diese erste Besprechung der Werke Shakespeares durchaus positiv, denn dort gäbe es „de ces endroits frappants qui demandent grâce pour toutes ses fautes“.¹³ Noch 1800 findet sich diese Dichotomie uneingeschränkt bei Madame de Staël wieder, doch vor allem darf man nicht vergessen, dass Voltaire Wertungen aufgreift, die uns heute erstaunen: So beklagte John Dryden 1668 in An Essay of Dramatic Poesy: „He is many times flat, insipid; his comick wit degenerating into clenches, his serious swelling into bombast.“¹⁴ Alexander Pope, der mit seiner Werkausgabe wesentlich zu Shakespeares Status als Nationalautor beigetragen hat, schreibt in seiner Einleitung; „It must be own’d that with all these great excellencies, he has almost as great defects […]“.¹⁵ Diese beiden Urteile zeugen von der Dominanz der klassischen französischen Theaterästhetik auch in England nach der Restauration von 1660 unter Charles II, einem direkten Cousin des Sonnenkönigs. Es ist in diesem Kontext sicherlich nicht irrelevant, daran zu erinnern, dass Popes Edition von 1725 überhaupt erst die zweite nach der Quarto-Ausgabe von 1623 war und im Jahr vor Voltaires englischem Exil erschien, während dessen die beiden Autoren sich auch persönlich begegneten.¹⁶ In seiner grundlegenden Studie Shakespeare for the Age of Reason hält John Golder fest: „In the history of Shakespeare’s impact on the literary and theatrical life of eighteenth-century France four dates have a special significance.“¹⁷ Das erste dieser Daten ist 1734, das Publikationsjahr von Voltaires Lettres philosophiques. Als zweites nennt Golder Le Théâtre anglois von Pierre-Antoine de La Place (1746 – 1749), eine Anthologie englischer Theaterstücke in acht Bänden, deren erste vier Shakespeares Leben und zehn seiner Stücke gewidmet sind.¹⁸ In London gedruckt, sind diese Übersetzungen allein für die Lektüre bestimmt, zumal La Place viele Szenen nur resümiert und bei anderen in Prosa, Versen oder Mischformen übersetzt hat.¹⁹ So gilt für Hamlet: In all, out of a total of seventy scenes, no fewer than forty-eight are dealt with a summary. Very few characters are permitted to speak for themselves, as it were. Bernardo, Francisco, Cornelius and Voltimand become mute. Rosencrantz and Guildenstern, Polonius, Fortinbras, Marcellus and Osric are heard of for no more than a moment.²⁰

théâtre ist. Es hat immer eine große Wirkung auf die Engländer, sogar auf diejenigen, die am gebildetsten sind und die alle Unregelmäßigkeiten ihres früheren Theaters am besten spüren.“  Voltaire: Lettres philosophiques, 121.  Dryden: An Essay of Dramatic Poesy [1668], 67. Es sei an dieser Stelle hinzugefügt, dass die Bewertung Shakespeares durch Dryden ansonsten weitgehend positiv ist.  Pope: The Preface of the Editor, iv.  Eine ausführliche Darstellung, wie Shakespeare im Laufe des achtzehnten Jahrhunderts zum Nationalautor avancierte, nachdem er im siebzehnten Jahrhundert nahezu in Vergessenheit geraten war, findet sich bei Gary Taylor: Reinventing Shakespeare.  Golder: Shakespeare for the Age of Reason, 1.  26 weitere Stücke Shakespeares resümiert La Place. Vgl. Biet: Le Théâtre Anglois.  Zu den Übersetzungen von La Place vgl. Rand: The Translator and the Myth of the Public.  Golder: Shakespeare for the Age of Reason, 19.

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Natürlich wurden dabei primär jene Stellen verkürzt dargestellt, die der Regelästhetik der französischen Tragödie zuwiderliefen.²¹ Der indirekte Einfluss ist aber schon insofern beträchtlich, als sich Jean-François Ducis für seine Shakespeare-Adaptationen des Théâtre anglois bediente und bedienen musste, da er des Englischen gänzlich unkundig war.²² Sein Hamlet von 1769 ist das dritte Schlüsseldatum der französischen Shakespeare-Rezeption, das Golder anführt. Ducis versucht, die ‚Unregelmäßigkeiten‘ des Originals gänzlich auszumerzen, wobei er nicht einmal davor zurückschreckt, auf den durch den Auftritt eines Geistes verursachten Theatercoup zu verzichten. Er reduziert das Stück weitgehend auf eine klassische Tragödie, die er stark in die Nähe des Corneilleschen Cid rückt, indem er Ophelia zu Claudius’ Tochter macht.²³ Für die erste in Gänze von Shakespeare inspirierte Tragödie auf französischer Bühne²⁴ wählt der Autor ein Werk, das nicht zuletzt durch Voltaires Vermittlung einen erheblichen Bekanntheitsgrad erlangt hat, das er so weit zurechtstutzt, dass es in das starre Korsett der französischen Regelpoetik passt und die drei Einheiten respektiert werden. Doch begnügt er sich nicht damit, seinen Landsleuten eine Tragödie in der ihnen bekannten Form zu präsentieren; darüber hinaus modifiziert er den Plot dergestalt, dass sie sich an einen ihrer bedeutenden Klassiker erinnert fühlen. Selbstverständlich hat Ducis für Verse, genauer: für Alexandriner, optiert, wie es der Usus verlangte. Wieso er allerdings den berühmten Monolog Hamlets erst 1804 in sein Stück einfügt,²⁵ wird ein Rätsel bleiben. So kritisch man Ducis’ Adaptationen betrachten kann, sie haben wesentlich dazu beigetragen, zumindest einige der Stücke Shakespeares – wenngleich in stark alterierter Form – dem französischen Publikum nahezubringen, zumal sie bis 1851 im Repertoire der Comédie française blieben.²⁶ Den ästhetischen Paradigmenwechsel um 1770 belegt die 20-bändige ShakespeareAusgabe von Le Tourneur, die ab 1776 (für Golder das vierte Schlüsseldatum) erscheint, nicht mehr in London, sondern in Paris, und sogar dem König Louis XVI gewidmet ist. Die Subskribentenliste weist neben dem Widmungsträger rund achthundert Persönlichkeiten aus acht Ländern auf, unter ihnen die Zarin sowie der englische König und Kronprinz. Le Tourneurs Prosaübertragungen sind als reine Lesetexte intendiert; es geht ihm darum, die Werke des Engländers möglichst unverfälscht ins Französische zu

 Zur Ästhetik und der Übersetzung von La Place vgl. Biet: Le Théâtre Anglois.  Vgl. Golder: Shakespeare for the Age of Reason.  Eine ausführliche Analyse des Stücks einschließlich der Quellen, der Entstehungsgeschichte, der Aufführungspraxis sowie der kritischen Reaktionen liefert Golder: Shakespeare for the Age of Reason, 13 – 72.  Streng genommen kommt dieses Primat Voltaires La Mort de César zu, einem Dreiakter, der 1733 uraufgeführt wurde. Hierzu wie zu anderen Stücken vor 1769, die Elemente aus Shakespeares Werken aufnehmen, vgl. Monaco: Shakespeare on the French Stage, 13 – 31 sowie 41– 61.  Er berichtet in einem Brief vom 10. April 1804 an Talma: „Demain matin, vous aurez, très lisiblement copié de ma main, mon nouveau cinquième acte […]. J’ai ajouté un morceau du fameux monologue, mourir, dormir.“ Zitiert nach Golder: Shakespeare for the Age of Reason, 57.  Vgl. Golder: Shakespeare for the Age of Reason, 333.

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übertragen. „C’est une Traduction exacte & vraiment fidèle que nous donnons ici […]“,²⁷ schreibt er in seinem Avis sur cette Traduction. Zwar relativiert er diese Bemerkung noch im selben Satz – „elle n’est pas & ne doit pas être toujours rigoureusement littérale: ce seroit être infidèle à la vérité & trahir la gloire du Poëte.“²⁸ Doch er äußert abschließend die Überzeugung, „que jamais traduction n’a éte faite avec autant de soin & de fidélité“.²⁹ In den umfangreichen Vorreden seiner Ausgabe stellt Le Tourneur sich auf über sechzig Seiten zur Verteidigung des Dramatikers radikal gegen die vorherrschende Poetik: „Peu importe après cela qu’on dise, que les pièces de Shakespeare ne sont à la rigueur ni des Tragédies, ni des Comédies. Elles seront si l’on veut des compositions d’un genre à part […].“³⁰ Als zentrales Argument dient immer wieder die überlegene Kompetenz in der Darstellung der menschlichen ‚Natur‘: „Shakespeare plaît & plaira toujours parce qu’il l’emporte sur tous les Ecrivains, comme Peintre de la vérité & de la nature.“³¹ Seine ästhetische Auseinandersetzung mit dem Werk fasst er indes wie folgt zusammen: „On doit donc peu regretter que Shakespeare ait ignoré ces prétendues règles, ou que les connoissant, il les ait dédaignées“³² – eine deutliche Absage an die klassische Regelpoetik, auf die Voltaire in aller Schärfe reagiert.³³ Dessen in einer Lettre à l’Académie française (1776) formulierte, vehemente Opposition gegen die Mammutpublikation treibt er in folgendem Satz auf die Spitze: „Le traducteur [Le Tourneur] s’efforce d’immoler la France à l’Angleterre“.³⁴ Bereits Besterman hat detailliert nachgewiesen, wie die zwiespältige Position des Aufklärers im Laufe eines knappen halben Jahrhunderts ins Negative kippte, aber seine Argumente finden sich selbst bei einer so fortschrittlichen Literaturkritikerin wie Madame de Staël wieder. Noch 1800 schreibt sie in De la littérature: „Shakespear [sic] peut triompher de ses défauts en Angleterre: mais ils diminuent beaucoup de sa gloire parmi les autres nations.“³⁵ Diese extrem kondensierte Darstellung soll im Folgenden als Hintergrund dienen, um die französische Rezeption des Werthers in der zweiten Hälfte der 70er Jahre des

 Le Tourneur: Shakespeare, Bd. I, 1776, cxxxix. „Es ist eine exakte und wahrhaft getreue Übersetzung, die wir hier geben […]“.  Ebd. „Sie ist nicht immer streng wörtlich und darf es auch nicht sein: dies hieße, der Wahrheit untreu zu sein und den Ruhm des Dichters zu verraten“.  Ebd., cxlii. „Noch nie zuvor wurde eine Übersetzung mit solcher Sorgfalt und Treue angefertigt.“  Ebd., xcvi. „Ganz gleich, was man danach sagt, Shakespeares Stücke sind keineswegs Tragödien oder Komödien. Es sind, wenn man so will, Werke ganz eigener Art.“  Ebd., lxxxiv. „Shakespeare gefällt und wird immer gefallen, da er allen anderen Schriftstellern überlegen ist als Maler der Wahrheit und der Natur.“  Ebd., cx. „Es ist daher kaum zu bedauern, dass Shakespeare diese so genannten Regeln ignoriert, oder dass er sie missachtet hat.“  Vgl. Besterman: Voltaire on Shakespeare, 172– 227.  Voltaire: Lettre à l’Académie française, 358. „Der Übersetzer [Le Tourneur] ist entschlossen, Frankreich an England auszuliefern“.  Staël: De la littérature, 229. „Shakespeare mag über seine Fehler in England triumphieren, aber sie schmälern viel von seinem Ruhm unter den anderen Nationen.“

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achtzehnten Jahrhunderts besser einordnen zu können. Der Publikumserfolg des Romans in Frankreich wird wohl am prägnantesten durch die berühmte Anekdote belegt, laut derer Napoleon bei seiner Begegnung mit Goethe den Roman sogar im Detail kritisierte,³⁶ und bis heute ‚wirbt‘ die Bibliothèque nationale de France für das Buch mit dem Hinweis, dass der General Bonaparte es auf seinen Ägypten-Feldzug mitgenommen hatte.³⁷ Hier soll es nun vor allem um die Reaktionen auf die Leiden des jungen Werthers in den einschlägigen französischen Rezensionsorganen gehen. Bis heute werden Werke in fremden Sprachen in der Regel erst dann rezensiert, wenn sie übersetzt worden sind, was ebenfalls für Goethes ersten Roman gilt. Der relativ junge Autor war in Frankreich fast gänzlich unbekannt: Le nom de Goethe n’était encore tombé sous les yeux de lecteurs français que dans un article assez sévère consacré à Clavigo, en décembre 1774, par le Journal encyclopédique, quand parurent, en 1776 et 1777, les premières traductions de Werther. Il s’en faut que celle d’Aubry (ou, en réalité, du comte de Schmettau), Les Passions du jeune Werther, la plus répandue en France, trouvât dans la presse un accueil favorable.³⁸ Goethes Name war den französischen Lesern bislang nur in einem ziemlich kritischen Artikel über Clavigo im Dezember 1774 im Journal encyclopédique zur Kenntnis gelangt, als die ersten Übersetzungen des Werthers 1776 und 1777 erschienen. Von daher war es unwahrscheinlich, dass Les Passions du jeune Werther in der Übersetzung von Aubry (oder eigentlich des Grafen von Schmettau), die meistgelesene in Frankreich, in der Presse ein positives Echo hätte finden können.

Bevor diese wenig positive Aufnahme im Einzelnen analysiert wird, ist es zunächst sinnvoll, einen Blick auf die Fassungen zu werfen, die dem französischsprachigen Publikum in den Jahren nach dem Erscheinen des Briefromans vorgelegt wurden.³⁹ Allein die Tatsache, dass nahezu unmittelbar nach der Publikation des deutschen Originals drei Übersetzer sich unabhängig voneinander an die Arbeit gemacht haben, offenbart die evidenten Diskrepanzen zwischen Publikumsinteresse, der Arbeit der Kulturvermittler und Verlage auf der einen, und der Resonanz in der Literaturkritik auf der anderen Seite. Dabei fällt außerdem auf, dass keine der drei Übersetzungen in Frankreich gedruckt wurde, wodurch die Formalität, ein königliches Privileg zu beantragen, umgangen werden konnte. 1776 erschien bei W. Walter in Erlangen Les Souffrances du jeune Werther, en deux parties, traduit de l’original allemand par le B. S. d. S. (Initialen hinter denen sich Baron Karl Sigmund von Seckendorf verbirgt) und in Maestricht bei J. E. Dufour und P. Roux Werther, traduit de l’allemand, und zwar von Georges Deyverdun, mit Illustrationen Chodowieckis. Nur ein Jahr später kam Les passions du jeune Werther. Ouvrage traduit de l’allemand de M. Goethe. Par monsieur [Philippe-François]

 Vgl. Becker: Das Rätsel um Napoleons Kritik, 178.  „Madame de Staël ou Chateaubriand célèbrent cette œuvre avec émotion, Napoléon en emporte une édition lors de la Campagne d’Égypte.“ https://gallica.bnf.fr/essentiels/goethe/werther (28.05. 2022).  Baldensperger: Goethe en France, 9.  Zu den Übersetzungen des Romans im achtzehnten und neunzehnten Jahrhundert vgl. Helmreich: La traduction.

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Aubry ⁴⁰ in Paris bei Pissot in den Verkauf, mit der Angabe „Manheim“ als Publikationsort. Aubrys Fassung war fälschlich Friedrich Wilhelm Karl von Schmettau zugeschrieben worden, der aber die Arbeit lediglich mit Ratschlägen befördert hatte.⁴¹ Mehrere Kulturvermittler sind also davon ausgegangen, dass Goethes Roman auch bei einem französischen Publikum Anklang finden könnte, und die zahlreichen Neuauflagen der zwei letztgenannten Übersetzungen bezeugen, dass sie sich nicht geirrt hatten: Sie erschienen beide erneut 1784, und allein für den Zeitraum zwischen 1790 und 1797 führt Christian Helmbrecht „dix rééditions“ an, bevor 1800 eine weitere französische Übersetzung von L. C. Salse in Basel erschien. Diese zahlreichen Fassungen und Ausgaben belegen ohne jeden Zweifel das erhebliche Publikumsinteresse für den Briefroman, dem indes eine heftige Ablehnung seitens der Kritik gegenübersteht. Der Name des Autors war, wie bereits erwähnt, in Frankreich gänzlich unbekannt, und es darf nicht überraschen, dass nicht das Original, sondern erst die französischen Versionen rezensiert wurden. Im Kontext der allgemeinen ästhetischen Debatte, die noch immer weitgehend vom Klassizismus geprägt war – wie am Beispiel der Shakespeare-Rezeption aufgezeigt wurde –, konnten diese Besprechungen kaum positiv ausfallen. Um erneut Baldensperger zu zitieren: On pourrait, avec autant de vraisemblance, regretter que ce maître, aux heures où sa notoriété était le plus en jeu, n’ait point été signalé à la France par un critique qui, tel Carlyle en Angleterre ou Emerson aux États-Unis, fût d’humeur ou de taille à comprendre et à proclamer sa mesure absolue.⁴² Man könnte mit ebenso großer Plausibilität bedauern, dass dieser Meister in einer Zeit, in der sein Ruf am meisten auf dem Spiel stand, in Frankreich nicht von einem Kritiker präsentiert wurde, der wie Carlyle in England oder Emerson in den Vereinigten Staaten in der Lage war, seine absolute Größe zu verstehen und zu verständlich zu machen.

In der Tat lassen die Reaktionen in der Presse summa summarum auf ein zumindest ästhetisches ‚Unverständnis‘ schließen, denn sie waren, wie im Folgenden dargelegt wird, weitgehend negativ: „Il s’en faut que [la traduction d’Aubry] Les Passions du jeune Werther, la plus répandue en France, trouvât dans la presse un accueil favorable.“⁴³ Hier muss hinzugefügt werden, dass überhaupt erst diese dritte Übersetzung von der Kritik wahrgenommen wurde, während die beiden ersten in keiner Weise zur Kenntnis genommen worden sind. Baldensperger spricht sogar vom „Widerstand gegen Werther in der französischen Literatur“, dem er einen Artikel widmete,⁴⁴ doch soll es hier ausschließlich um die zeitgenössischen Rezensionen gehen. Es ist sicher kein Zufall, dass die erste französischsprachige Kritik in Deutschland erschien, 1777 in der Gazette universelle de littérature publiée aux Deux Ponts. Von daher ist es auch nicht verwunderlich,     

Sämtliche im Folgenden zitierte Rezensionen beziehen sich auf diese Übersetzung. Vgl. https://catalogue.bnf.fr/ark:/12148/cb30525420k. Mehr hierzu unten. Baldensperger: Goethe en France, 2. Ebd., 9. Baldensperger: La résistance à ‘Werther’ dans la littérature française.

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dass hier, anders als in den späteren, rein französischen Besprechungen, die deutsche Rezeption berücksichtigt wird, ja beinahe im Mittelpunkt steht, wenn es beispielsweise heißt: „Quand cessera-t-on de s’occuper de cette production singulière qui a causé la fermentation la plus générale? […] La manie du suicide n’est déjà que trop commune; l’accréditer, c’est répandre le plus meurtrier de tous les poisons“.⁴⁵ Wenn man in einer der vielleicht wichtigsten Quellen zu den ästhetischen Debatten im Frankreich jener Epoche, den Mémoires secrets pour servir à l’histoire de la République des Lettres en France depuis 1762 jusqu’à nos jours (die letzte Ausgabe stammt aus dem Jahr 1787), nach Goethe oder seinem ersten Roman sucht, so wird man enttäuscht. Allerdings darf man diese ‚Leerstelle‘ nicht überbewerten, da die Publikation weitestgehend der einheimischen Produktion gewidmet war. Die vermutlich erste, rein französische Rezension erschien am 10. Januar 1778 im Journal de Paris. Sie besteht zu großen Teilen aus einem stark vereinfachenden Resümee des Romans, dessen abwertender Tonfall gewissermaßen die Orientierung der späteren kritischen Bewertungen vorgibt. Es gipfelt in der Bemerkung: „Lolotte ne dit mot, & se marie.“⁴⁶ Es ist offensichtlich, dass in einem Briefroman einer Figur, die nicht als Briefschreiberin fungiert, nur wenig Möglichkeit zum sprachlichen Ausdruck gewährt wird, doch findet dieser Aspekt hier ebenso wenig Beachtung wie die Tatsache, dass Lotte bereits vor ihrer Begegnung mit Werther verlobt war und dass im drittletzten Satz – wie im Original – nach dem Selbstmord des Titelhelden um ihr Leben gebangt wird („Man fürchtete für Lottens Leben.“ „On craignoit pour la vie de Lolotte.“ ⁴⁷). Trotz dieser abfälligen Gesamtdarstellung konzediert die Rezension wenigstens einige berührende Passagen („Quelques endroits de cet Ouvrage sont touchans“⁴⁸), genauer: zwei, von denen eine sogar von Genie („trait de génie“⁴⁹) zeuge. Es ist dies der Abschied des Titelhelden von Lotte und ihrem Gatten im Mondenschein sowie die Szene, in der Albert seine Frau auffordert, Werthers Bedientem die Pistole zu überreichen. Es besteht hier also eine ganz deutliche Parallele zu den Beurteilungen der Werke Shakespeares, die im ersten Teil dieses Beitrags dargelegt wurden: Ein Werk, dessen Bedeutung in seinem Ursprungsland durchaus bekannt ist, scheitert auf dem Prüfstand des ‚goût‘, da es den zu jener Zeit in Frankreich herrschenden ästhetischen Kriterien nicht entspricht. Dennoch entgeht auch denjenigen, die es in seiner Gesamtheit ablehnen, nicht die publikumswirksame Intensität einzelner Szenen, hier nicht zufällig der besonders romantischen und emotionsgeladenen Passagen. Das Gesamturteil ist nichtsdestotrotz vernichtend:

 Gazette universelle de littérature (1777), 236: „Wann werden wir aufhören, uns mit diesem sonderbaren Produkt zu befassen, das die allgemeinste Aufregung verursacht hat? […] Der Selbstmordwahn ist bereits allzu verbreitet; ihm zuzusprechen bedeutet, das tödlichste aller Gifte zu versprühen.“  Journal de Paris (10. Januar 1788), 37.  Ebd., 38.  Ebd.  Ebd.

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Ces deux situations sont belles & bien rendues : mais en revanche presque tout le reste de l’ouvrage nous a paru excessivement fatiguant par le ton frénétique qui y règne d’un bout à l’autre. Ce Werther est dans des convulsions perpétuelles : ses lettres présentent moins le développement d’une passion tendre, que le délire d’un homme qui a le transport au cerveau ; il grince sans cesse des dents : au lieu d’intéresser, il fait peur.⁵⁰ Diese beiden Situationen sind schön und gut wiedergegeben: hingegen erschien uns fast der gesamte Rest des Buches wegen des frenetischen Tons, der von einem Ende zum anderen herrscht, übermäßig ermüdend. Dieser Werther befindet sich in fortwährenden Zuckungen: seine Briefe zeigen weniger die Entwicklung einer zärtlichen Leidenschaft, als das Delirium eines Mannes, der geistig verwirrt ist; er knirscht unaufhörlich mit den Zähnen: anstatt interessant zu sein, macht er Angst.

Interessant ist hier vor allem die Verwendung des Adjektivs „frénétique“, das gut ein halbes Jahrhundert später eine literarische Strömung, den „Romantisme frénétique“, bezeichnen wird, der stark der Gothic Novel und dem Sturm und Drang verpflichtet ist. Hier wird verständlich, warum eine theoretische Wertschätzung von Goethes Briefroman in Frankreich erst mit erheblicher Verzögerung erfolgen konnte. Im März 1778 fasst Grimms Correspondance littéraire die zeitgenössischen Reaktionen wie folgt zusammen : „On n’y a trouvé que des événements communs et préparés sans art, des mœurs sauvages, un ton bourgeois, et l’héroïne de l’histoire a paru d’une simplicité tout à fait grossière, tout à fait provinciale.“⁵¹ Diese „ungehobelte Schlichtheit“ und das „Provinzielle“ der Handlung finden bis zu einem gewissen Punkt Gnade vor den Augen des Rezensenten der Année littéraire, vermutlich Julien Louis Geoffroy.⁵² Er kann dem Text „le charme de la vie patriarcale“ abgewinnen und lobt „de grands tableaux; des élans d’imagination; une chaleur soutenue“.⁵³ Trotz dieser partiellen Offenheit gegenüber einer romantischen Ästhetik fällt die Gesamtbewertung negativ aus: point d’intrigue; point de plan; caractères manqués ou exagérés; détails minutieux et multipliés à l’excès; peu de philosophie; des pensées vagues et décousues; un ton de déclamation; des écarts fréquents; le but principal souvent perdu de vue, et un mauvais choix d’images, de métaphores et de tours.⁵⁴ keinerlei Handlung; keinerlei Plan; verfehlte oder übertriebene Charaktere; akribische und übermäßig gehäufte Details; wenig Philosophie; vage und unzusammenhängende Gedanken; ein Tonfall der Deklamation; häufige Ausschweifungen; das eigentliche Ziel gerät oft aus den Augen, und eine schlechte Wahl der Bildern, Metaphern und Wendungen.

 Ebd.  Correspondance littéraire. „Wir fanden dort [im Roman] nur gewöhnliche und kunstlos geschilderte Begebenheiten, wilde Sitten, einen bürgerlichen Ton, und die Heldin der Geschichte schien von einer völlig ungehobelten, völlig provinziellen Schlichtheit zu sein.“  Vgl. Baldensperger: La résistance à ,Werther‘, 378: „l’article est attribué à Geoffroy par M. Des Granges.“  L’Année littéraire (1778), 1, Brief 11.  Ebd.

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Dieser Verriss wird im Hinblick auf die Protagonisten noch verschärft. Zwar konzediert der Autor gnädig („j’en conviens“), dass Lotte ein liebes Mädel sei, doch von zu „gemeinem“ Esprit und „goût“ („fille et sœur vertueuse et bienfaisante, j’en conviens, mais douée d’un esprit et d’un goût fort communs.“).⁵⁵ Was den Titelhelden betrifft, so lässt der Rezensent an ihm kein einziges gutes Haar: Seine Neigungen und Leidenschaften degenerierten zu kindischen Exzessen und Raserei und erschienen überdies widersprüchlich („ses penchants le portent à des excès puérils, ses passions dégénèrent en frénésie, et paraissent impliquer contradiction.“).⁵⁶ Interessant an diesem letzten Zitat ist vor allem, dass hier erneut, diesmal in substantivischer Form, von „frénésie“ die Rede ist. Im Inhaltsverzeichnis des Journal des Sçavans, einer Zeitschrift, die regelmäßig ‚Weltliteratur‘ rezensiert, sucht man zunächst vergeblich nach einem Beitrag zu Werther, da dieser nicht in der Rubrik Literatur, sondern unter „Miscellanei“ abgedruckt ist. Der recht lange Artikel in dieser Zeitschrift vom April 1778 hält sich allerdings vor allem bei der Vorrede auf, einer umfänglichen Lettre préliminaire, aus der Feder von „M. le C. D. S.“ an „M. Aubry“. Im ersten Satz dieses Briefes erinnert der Autor an den Dank, den ihm der Übersetzer für seine Hilfe gezollt hat, was dazu führte, dass immer wieder Zweifel an der tatsächlichen Autorschaft Aubrys geäußert wurden.⁵⁷ Es folgen dreißig Seiten über den Werther, die französische und vor allem die deutsche Literatur, die in den Augen des Rezensenten des Journal des Sçavans zwar keine Gnade finden, die er aber ausführlich zitiert, resümiert und kommentiert. Auf die durchaus zutreffenden Überlegungen zu den Schwierigkeiten des literarischen Übersetzens folgt eine kurze, banalisierende Zusammenfassung der Handlung. Das Ganze schließt mit dem ironisch gefärbten Kommentar, dass der Rezensent starke Zweifel daran hege, ob dieser Roman – über den er kein weiteres Urteil abgibt – zur Wertschätzung der deutschen Literatur in Frankreich beitragen könne: „L’ouvrage en lui-même soutiendra-t-il la haute idée que l’Auteur veut donner du mérite littéraire des Ecrivains de sa Nations ? Nous osons en douter.“⁵⁸ Es stellt sich also die Frage, ob der Artikel nicht zu Recht als Miszelle eingeordnet wurde, denn man könnte zusammenfassend zu dem Schluss kommen, dass Goethes Werther nicht einmal einer ordentlichen Rezension für würdig befunden wurde. Nach diesen beinahe vernichtenden Befunden erscheint mir eine Passage außerordentlich erhellend, die zehn Jahre später, am 12. Januar 1788, im Mercure de France im

 Ebd.  Ebd.  Hinter den Initialen „M. le C. D. S.“ könnte sich in der Tat Monsieur le Comte de Schmettau verbergen (Woldemar Friedrich Graf von Schmettau), nach Christian Helmreich: La traduction des ‚Souffrances du jeune Werther‘.  Journal des Sçavans (April 1778), 207.

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Rahmen der Besprechung einer englischen Fortsetzung des Buches mit den Briefen Charlottens während ihrer Bekanntschaft mit Werther erschien.⁵⁹ Le Roman de Werther n’obtint pas, en paroissant parmi nous, le succès qu’il a eu depuis. On y trouvoit des tableaux à peine ébauchés, une sensibilité fougueuse & presque délirante, & enfin un but moral très-dangereux, car on crut d’abord que l’Auteur Allemand, M. Goethe, avoit voulu justifier le suicide. Cependant, comme on finit toujours par être juste, on s’aperçut bientôt que Werther avoit un attrait caché qui rappeloit souvent le Lecteur ; qu’il excitoit des larmes délicieuses ; que ses tableaux exprimoient, avec une fidélité rare, les scènes les plus touchantes de la nature & de la paix domestique.⁶⁰ Bei seinem Erscheinen hatte Werther nicht den Erfolg, den er seither bei uns hat. Man warf ihm flüchtig hingeworfene Bilder vor, eine hitzige und fast irrsinnige Empfindsamkeit, und schließlich ein sehr gefährliches moralisches Ziel, denn man glaubte zuerst, dass der deutsche Autor, Herr Goethe, den Selbstmord rechtfertigen wollte. Da man aber am Ende immer Gerechtigkeit walten lässt, wurde schnell klar, dass Werther einen verborgenen Reiz besitzt, der den Leser oft zurückruft; dass er köstliche Tränen erregt; dass seine Bilder mit einer seltenen Treue die berührendsten Szenen der Natur und des häuslichen Friedens zum Ausdruck bringen.

Der Autor macht hier gewissermaßen sein mea culpa für die Missachtung des Romans bei seinem Erscheinen in Frankreich und unterstreicht die Diskrepanz zum Erfolg bei Publikum. Er erinnert sowohl an die ästhetischen als auch an die moralischen Vorbehalte gegen das Werk, um nach einem Gedankenstrich, der gleichsam für das verflossene Jahrzehnt steht, die Qualitäten hervorzuheben, die aber eben versteckt „caché“ waren, vor allem die Rührung, die es verursachte, und das beinahe schon biedermeierliche Lob des häuslichen Friedens. Ob hier mit „nature“ das Lob der Schilderung von ‚romantischer‘ Naturschönheit gemeint ist oder die bereits von Le Tourneur an Shakespeare so geschätzte Darstellung der menschlichen Natur, kann nicht endgültig entschieden werden. Darf man diesen Abschnitt bereits als Zeugnis eines ästhetischen Paradigmenwechsels lesen? Vielleicht. Auf jeden Fall finden wir nochmal gut zehn Jahre später bei Germaine de Staël eine wahre Lobeshymne auf Goethes Roman, in genau dem Werk, in dem sie, wie oben zitiert, Shakespeare ob seiner ‚Verstöße‘ gegen die klassische französische Regelpoetik noch kritisch gegenübersteht. So schreibt sie in De la littérature considérée dans ses rapports avec les institutions sociales: „Quelle sublime réunion l’on  Lettres de Charlotte, pendant sa liaison avec Werther. Traduites de l’anglais, par M.D.D.S.G. London / Paris: Jean-François Royez, 1787. Nach dem Katalog der Bibliothèque nationale de France (http://ark.bnf.fr/ ark:/12148/cb303051173) ist David de Saint-Georges der Übersetzer, doch es war bereits im Vorjahr eine andere Übersetzung des Romans von William James erschienen, was einmal mehr das Publikumsinteresse in Frankreich belegt, s. Lettres de Charlotte à Caroline, son amie, pendant sa liaison avec Werther. Traduites de l’anglais par M. Arkwright. Paris: Hardouin et Gattey, 1786 (https://catalogue.bnf.fr/ark:/12148/ cb30525420k).  Le Mercure de France (12. Januar 1788), 72.

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trouve dans Werther, de pensées et de sentiments, d’entraînement et de philosophie! Il n’y a que Rousseau et Goethe qui aient su peindre la passion réfléchissante, la passion qui se juge elle-même, et se connaît sans pouvoir se dompter.“ ⁶¹ Wo zuvor das Frenetische, Ungebändigte an Werthers Leidenschaft heftig kritisiert worden war, findet Madame de Staël jetzt nicht zufällig Sublimes,⁶² und ebenso wenig zufällig stellt sie Goethe mit Rousseau auf eine Stufe,⁶³ lobt die „Philosophie“, die dem Werk gänzlich abgesprochen worden war, doch vor allem deutet sie die „kindischen Exzesse“ des Titelhelden in eine absolute Passion um, die trotz aller Analyse und Selbsterkenntnisse des Betroffenen nicht zu bändigen sei. Auf dieser Weise wird es ihr möglich, sogar den Vorwurf zu entkräften, dass Buch verführe zum Selbstmord; sie verkehrt ihn sogar in sein Gegenteil, indem sie den Nutzen des Romans unterstreicht und ihn zum Heilmittel gegen überbordende Gemütsregungen erklärt: „Werther est utile ; c’est un livre qui rappelle à la vertu la nécessité de la raison.“⁶⁴ Indem sie letztlich die „raison“ über alles stellt, zeigt sich diese frühe Fürsprecherin der Romantik als Tochter der Aufklärung. Dieser kurze Überblick macht deutlich, dass die französische Literaturkritik beim Erscheinen der ersten Übersetzungen des Werthers noch zu stark den ästhetischen Maßstäben des Grand siècle verhaftet war, um diese revolutionäre literarische Neuerung positiv bewerten zu können. Es waren hier also die Kulturvermittler und dann vor allem das Publikum, die dazu beigetragen haben, Goethes Erstling Anerkennung zu verschaffen. Noch drastischer gilt dies, wie Michele Sisto zeigt, für Italien: Trotz vier italienischer Übersetzungen allein zwischen 1782 und 1803 hätte man dort „in den Jahren 1774– 1830 vergeblich nach einer Besprechung des Werther suchen können“.⁶⁵ Wie problematisch das Unterfangen wäre, Zeitschriften als Quelle zu nutzen, um die literarische Produktion der Epoche rekonstruieren zu wollen, zeigen die Autor:innen einer Untersuchung der Darstellung ausländischer Literatur in der frankophonen Presse der zweiten Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts.⁶⁶ Dem entspricht das Ergebnis dieser Untersuchung zwar nur bedingt, aber es lässt sich feststellen, dass sich eine Kluft

 Staël: De la littérature, 347. „Was für eine erhabene Verbindung aus Gedanken und Gefühlen, Erregung und Philosophie ist in Werther zu finden! Nur Rousseau und Goethe wussten, wie man die reflektierende Leidenschaft malt, jene Leidenschaft, die sich selbst beurteilt und kennt, ohne sich zähmen zu können.“  Der Vollständigkeit halber sei hier hinzugefügt, dass schon früher im Mercure de France dem Roman einige sublime „Funken“ konzediert wurden: „qui étincelle de quelques traits sublimes“, Mercure de France, April 1778.  Gut zwanzig Jahre zuvor war dieser Vergleich explizit zu Ungunsten Goethes ausgegangen: „Ce roman, dont l’Allemagne se glorifie, doit être placé infiniment en-dessous de la Nouvelle Héloïse.“ L’Année littéraire, 1778.  Staël: De la littérature, 348.  Sisto: Goethe in Weimar-Paris-Mailand, 272.  „Les périodiques étudiés dans cet article montrent la difficulté qu’il y aurait à utiliser la presse comme source pour reconstituer la production littéraire effective.“ Havelange et al.: Les littératures étrangères, 86.

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auftut zwischen dem Interesse der zeitgenössischen Leserschaft, den Bewertungen der Rezensenten und demjenigen der Nachwelt.

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Guglielmo Gabbiadini

Sprachübungen, Pferdezucht und Reitkunst. Der Umgang mit weltliterarischer Alterität in frühen Rezensionen von Goethes Altersroman Wilhelm Meisters Wanderjahre in Büchern und Schriftexercitien ist immer nur der Schatten des Roßes sichtbar, nicht aber das Roß mit allen seinen Kräften. J. G. Herder¹

Der Beitrag setzt es sich zur Aufgabe, das Verhältnis von Goethes Wilhelm Meisters Wanderjahre zum Weltliteratur-Konzept, das Goethe vorschwebte, zu beleuchten und es im Kontext des damaligen Rezensionswesens zu untersuchen. In einem zweiten Schritt soll die im Roman thematisierte Trias von Sprachübungen, Pferdezucht und Reitkunst in den Vordergrund gerückt werden. Sie gilt, in der Terminologie Erich Auerbachs gefasst, als „Ansatzpunkt“ der Analyse² und führt zusammen, was zusammengehört. In unserem Fall: zwei frühe Rezensionen über die Wanderjahre (Fassung von 1829) – jeweils aus der Feder Theodor Mundts und Heinrich Gustav Hothos. Ausgehend von der „Ausstrahlungskraft“³ jener Trias und den Reaktionen, die sie hervorrief, werden Phänomene weltliterarischer Alterität untersucht, die abschließend zum Entwurf einer Gesamtinterpretation des Romans führen sollen.

1 Schwere Steine, Göthocoraxe und das Medium der ‚Recension‘ um 1830 Nüchtern und ernüchternd wirkt der Blick, mit dem Goethe die Erscheinungsformen der „deutsche[n] Poesie“ gegen Ende der 1820er Jahre mustert. Und dies gilt erst recht, wenn sein Urteil an Beispielen der Weltliteratur Maß nimmt. „[M]an darf nur die tagtäglichen Produktionen und die beiden neuesten Musenalmanache ansehen“, bemerkt er am 11. November 1829 in einem Brief an den Schriftsteller Julius Eduard Hitzig.⁴ Festzustellen seien „eigentlich nur Ausdrücke, Seufzer und Interjektionen wohldenkender Individuen“.⁵ Und dies im Unterschied zu dem, was man durch die Lektüre von „Zeitungen“ oder „kritischen und referierenden Journalen“ wie Le Globe, La Revue     

Herder: Ursachen des gesunknen Geschmacks, 649. Auerbach: Philologie der Weltliteratur, 48 Ebd. Goethe: Die letzten Jahre, 191– 194, hier 192. Ebd.

https://doi.org/10.1515/9783111180403-013

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Française, Le Temps oder auch die Edinburgher Foreign Quarterly Review sich sonst zu Gemüte führen konnte.⁶ Eine dilettierende Leichtfertigkeit, ja, Mangel an genügender téchne seien noch hinzuzurechnen: „Jeder Einzelne tritt auf nach seinem Naturell und seiner Bildung; kaum irgend etwas geht in’s Allgemeine, Höhere“⁷ – so lautet Goethes Diagnose einer „wachsenden und unaufhaltsamen Abstrahierung vom Realen“⁸, die bei der jüngeren Generation allenthalben zum Vorschein komme. Noch skeptischer mutet Goethes Analyse an, wenn sie sich im Bereich der Fiktion entfaltet. Ein Aphorismus aus „Makariens Archiv“ im dritten Buch von Wilhelm Meisters Wanderjahre (Fassung von 1829) bringt dies kurz und bündig auf den Punkt: „Jetzt, da sich eine Weltliteratur einleitet, hat, genau besehen, der Deutsche am meisten zu verlieren“.⁹ Dringend notwendig sei, wie man unlängst hervorgehoben hat, „Besinnung zur Realität und Welthaltigkeit, Zustimmung zur Welt“.¹⁰ Und der Deutsche, so die Coda (oder vielleicht eher die Cauda) des Aphorismus, werde daher„wohl tun dieser Warnung nachzudenken.“¹¹ Der (Ge‐)Wichtigkeit seiner eigenen Produktion war sich Goethe hingegen sehr bewusst. Im Repositorium mythischer Reminiszenzen konnte er Bilder finden, die sein Bewusstsein mit erschlagender Prägnanz zum Ausdruck brachten. Kurz vor der zweiten Drucklegung der Wanderjahre schrieb er am 17. Januar 1829 an Carl Wilhelm Göttling: Der Abschluß des Ganzen folgt nächstens, und ich werde erst wieder frei Atem holen, wenn dieser sisyphische Stein, der mir so oft wieder zurückrollte, endlich auf der andern Bergseite hinunter in’s Publikum springt.¹²

Goethe war guter Dinge und bat Göttling darum, „auch dem letzten Schub und Stoß beihülflich“ zu bleiben.¹³ Kaum verhohlene Selbstironie, verbunden mit Genugtuung und Zuversicht, finden in der verblüffenden Variation der Sisyphus-Referenz ihren Niederschlag. Aber das ist nicht alles. Bekanntlich hat Goethe mit Steinen stets Umgang gepflegt. Und er sah sich gern als Schwergewichtler, besonders wenn es darum ging, kreative Bemühungen oder lebensgeschichtliche Bilanzen zu veranschaulichen: Man hat mich immer als einen vom Glück besonders Begünstigten gepriesen; auch will ich mich nicht beklagen und den Gang meines Lebens nicht schelten. Allein im Grunde ist es nichts als Mühe

 Ebd. Zu Goethes ‚weltliterarischen‘ Lektüren Hamm: Goethe und die Zeitschrift ‚Le Globe‘, 13 – 42 u. 498 – 499; Graeber: Liberalismus und Internationalität, bes. 139 – 144; Goßens: Weltliteratur, bes. 100 u. 104.  Goethe: Die letzten Jahre, 191– 194, hier 192.  Agazzi: Darstellung des Sichtbaren, 169  Goethe: Wilhelm Meisters Wanderjahre, 770.  Schings: Vorbemerkung, 7.  Goethe: Wilhelm Meisters Wanderjahre, 770.  Ebd., 858.  Ebd.

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und Arbeit gewesen […]. Es war das ewige Wälzen eines Steines, der immer von neuem gehoben sein wollte.¹⁴

Im Bild des herunterrollenden Steins, von dem er im Brief an Göttling spricht, dürften sich nicht zuletzt auch die bitteren Erinnerungen an die außerordentlich langwierige Entstehungs- und Druckgeschichte der Wanderjahre verdichtet haben,¹⁵ ja, die Erinnerungen an die unangenehme Erfahrung der schweren Geburt sowie an die Missgunst, die manche Kritiker und Schriftsteller in einem wunderlichen Hin- und Hergeschrei der ersten Ausgabe von 1821 entgegengebracht hatten.¹⁶ Eine kleine Prise Schadenfreude, womöglich sogar die insgeheim zehrende Lust auf publizistische Vergeltung, mag daher aus der erwähnten Briefstelle ebenfalls herausgehört werden. Der Stein des Sisyphus wird dabei gewissermaßen umfunktioniert und kommt als naturnotwendige Brachialmaßnahme im Umgang mit dem Publikum zur Anwendung. Nichts Neues bei Goethe: Bereits sein Briefwechsel mit Schiller sei insgesamt als eine „‚hochgesinnte‘ Verschwörung gegen das Publikum“ zu verstehen.¹⁷ In Wilhelm Meisters Lehrjahre (1795/96) verdichtet sich die Vorstellung einer radikalen Umerziehung in einer Leitmaxime, die für jedwedes kulturelle Projekt gelten konnte (und sollte): „Es ist eine falsche Nachgiebigkeit gegen die Menge“, so heißt es in der Szene der Hamlet-Einstudierung, „wenn man ihnen die Empfindungen erregt, die sie haben wollen, und nicht die sie haben sollen.“¹⁸ Folgerung: Es sei Aufgabe großer Kunstwerke, Wahrheiten zu verkündigen, die man schwer aushalten möchte. Zweite Folgerung: Das Kulturpublikum der 1830er Jahre sollte nun den herunterrollenden Stein-Roman der vollendeten Wanderjahre „haben“. So vermochte Goethe, der neue Sisyphus, das Malum eines stets neu hinaufzuwälzenden Steins für sich selbst in ein Bonum zu verwandeln. Für sich selbst, heißt: eben nicht unbedingt für die Mitwelt der Rezipienten, will man doch die aus Obigem sich ergebenden Konsequenzen in ihrer vollen Tragweite ziehen. Während er nämlich mit großer Erleichterung wieder frei Atem holen durfte, musste das Publikum auf der anderen Bergseite möglichst zügig Strategien zur Handhabung des nun zum zweiten Mal plötzlich hinunterspringenden Romans entwickeln. Kritiken, Streitschriften, Miszellen, vor allem aber das polymorphe Medium der ‚Recensionen‘ boten für ein solches Unterfangen eine erste bewährte Zufluchtsstätte. Zur

 So im Gespräch mit Eckermann am 27. Januar 1824 (Eckermann 1999, 84). Dieser Passus galt Giuliano Baioni als Schlussstein seiner Goethe-Interpretation von 1996: „In questa consapevolezza c’è innanzi tutto la rassegnazione della Entsagung, sulla quale edifica il suo classicismo […] Il poeta dunque è felice solo nella scrittura, ma per il resto è solo con la sua fatica quotidiana“. Baioni: Il giovane Goethe, 352– 353.  Vgl. Gerhard Neumann und Hans-Georg Dewitz in ihrem einschlägigen Kommentar in Goethe: Wilhelm Meisters Wanderjahre, 777– 794.  Goethe: Wilhelm Meisters Wanderjahre, 888 – 915.  So das berühmte Notat in Brecht: Arbeitsjournal, 437. Dazu Brandt: Die hochgesinnte Verschwörung, bes. 25 – 27 und Wolf: Eine Verbindung zweier „Geistesantipoden“, 323 und 340 – 341.  Goethe: Wilhelm Meisters Lehrjahre, 682.

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Phänomenologie der unmittelbaren Rezeptionen der ersten Fassung von 1821 gehörten ganz unterschiedliche Erscheinungen: Von ungehemmtem, fast ins Dithyrambische sich erhebendem Lob – wie im Fall von Karl Ernst Schubarths Zur Beurtheilung Goethe’s, mit Beziehung auf verwandte Literatur und Kunst (Breslau 1820), Joseph Stanislaus Zaupers Gründzüge einer deutschen theoretisch-praktischen Poetik, aus Göthe’s Werken entwickelt (Wien 1821) oder Johann Peter Eckermanns Beyträge zur Poesie mit besonderer Hinweisung auf Goethe (Stuttgart 1824) – bis hin zu Ausprägungen einer Zanksucht, die zu giftigem Wortwechsel neigte, wie bei den ‚falschen‘ Wanderjahren vom Pastor Pustkuchen (1821 Teil I und II, 1822 Teil III, 1827 Teil IV und 1828 Teil V)¹⁹ – um nur ein Beispiel dessen zu nennen, was noch in der Luft lag, als Goethe zum Sisyphus-Mythos griff. Die ‚Recension‘ als flexible Textsorte konnte auch damals sowohl im Dienste übertriebenen Lobes wie auch vernichtender Kritik stehen. Und das Risiko der Inflation war daher nicht aus der Welt zu schaffen. Das „handwerksmäßige Kritisiren bringt denn jene ungeheure Menge von Recensionen hervor, die niemand übersehn kann“, moniert Wolfgang Menzel in seiner Deutschen Literatur von 1833. „Nichts ist so mißlich und schwierig“, so fährt er fort, als eine gute Recension, und doch hält man nichts für leichter als recensiren. […] Die meisten lobenden Recensionen gehen aber aus dem Interesse der Buchhändler und oft der Autoren selbst hervor. […] Die häufigsten Recensionen sind die schlechtesten, […] welche nur einzelne Stellen eines Werks aus dem Zusammenhang des Ganzen reißen und sofort mit einer witzigen Laune oder mit widerlegenden Citaten begießen.²⁰

Gerade die kommode Flexibilität des Mediums wurde außerdem zur Zielscheibe von Schriftstellern, die einige Anbeter Goethes nicht leiden mochten. Die ganze Textsorte ‚Recension‘ gerät dadurch ins Visier. Am 23. November 1821 erschienen beispielsweise im Literatur-Blatt (Nr. 94), einer Beilage zum berühmten Morgenblatt für gebildete Stände, folgende Vierzeiler aus der Feder, wie es im Paratext heißt, „von den Brüdern Treu- Bleyund Breymund Reimheim“:

Recension. Soll das Werk den Meister loben, Muß es in den Kritiker Fahren, wie ein Strahl von oben, Daß er’s mache köstlicher.

 Pustkuchens Schelte richtete sich im Kern seines Romans nicht zuletzt gegen die weltliterarische Ausrichtung von Goethes Werk: „Göthen eben […] beschuldige ich mehr als alle Andere, daß er das eigentlich deutsche Wesen verkennt, daß er nur Repräsentant der schlechten, formlosen, zügellosen neuern Zeit, nicht aber des deutschen ursprünglichen Sinnes sey.“ Vgl. [Pustkuchen]: Wilhelm Meisters Wanderjahre, Dritter Theil, 34. Dazu Wolf: Pustkuchen und Goethe, 175 – 177; Borchmeyer: Was ist deutsch?, 450 – 454. Ferner: Ramtke: Anonymität, 299 – 341.  Menzel: Die deutsche Literatur, 292 u. 297.

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Darum setzen wir uns her Mit geschwärzter Federspule, Um zu schreiben (ob’s gleich schwer), Wie die göthlich deutsche Schule.²¹

Die „göthlich deutsche Schule“? Das war eine Anspielung auf Goethe-Fanatiker, die besonders nach der Publikation der ersten Fassung der Wanderjahre massiv das Wort ergriffen und dafür Goethes öffentlichen Dank geerntet hatten.²² Was „göthlich“ heißen sollte, klärte Adolf Müllner, der Herausgeber des Literatur-Blatts, in einer „Nachschrift des Redacteurs“ zum Abschluss derselben Nummer: Zwey Schulen hangen Einem Meister an, Und folgen ihm in allem, was ästhetisch. Die ein’ ist brav, und werth des Titels: göthisch, Ihr Sinnbild ist ein silberweißer Schwan; Nicht alles zwar ist gut, was sie gethan, Doch ihr Bestreben dünkt uns nicht befehdlich. Allein die andre langeweilt uns tödtlich, Sie stolpert auf des Meisters ebner Bahn, Hängt an sein Schiff den Wasserlecken Kahn, Und diese, billig, nennt der Satyr götlich. Den Unterschied erklärt die Farbenlehre: Denn grünlich nennen wir, was grün gern wäre, Und was in’s Rothe spielt, das heißet röthlich. […]²³

Der Redakteur ist um begriffliche Präzision bemüht und führt eine erste Artikulation in die Typologie der Goethe-Verehrer ein: „göthisch“ vs „göthlich“. Der ironisch gebrochene Hinweis auf die Farbenlehre sorgt dann für weitere Erläuterung. Die Wut der Parodisten gelte nur den „göthlichen“ Epigonen. Zwei Jahre später wurde die Typologie weiter verfeinert. Subtilere Unterscheidungen wurden vorgenommen. Das bezeugt ein lustiger Kurztext von Ehrenfried Blochmann, der in Verbindung mit Müllner 1823 im Danziger Aehrenleser (Nr. 23) erschien und dessen Inhalt 1830, mitten im Sturm der Reaktionen auf Goethes Ausgabe „letzter Hand“ (1829), im Berliner Courier von Moritz Gottlieb Saphir aufgegriffen und

 [Anonym]: Recension, 373. Dazu vgl. Wolf: Pustkuchen und Goethe, 312.  Im Morgenblatt für gebildete Stände publizierte Goethe am 21. März 1822 seine Danksagung unter dem Titel „Geneigte Teilnahme an den Wanderjahren“. Darin hieß es unter anderem: „Nun darf ich mich aber zuletzt gar mannigfach besonders auch des Wohlwollens gegen die Wanderjahre dankbarlichst erfreuen, welches mir bis jetzt dreifältig zu Gesicht gekommen.“ Genannt werden dann die drei Rezensenten, denen sein Dank gilt: „Ein tiefsinnender und fühlender Mann Varnhagen von Ense […] ein Ungenannter […] Professor Kaysler [!] zu Breslau“. Zit. nach Goethe: Wilhelm Meisters Wanderjahre, 854– 855.  [Anonym]: Nachschrift des Redacteurs, 375.

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weiterentwickelt wurde. Beide, Müllner und Blochmann, hatten die „Göthlichen“ in zwei Untergattungen „naturgeschichtlich“ geteilt: Die Eine war ihnen ein Insekt aus der Ordnung der Hemipteren: mantis panegyrica, die Göthesanbeterin, oder das fliegende Blatt. Die andre, ein Vogel aus der Ordnung der Coracen: Göthocorax der Götheschreier, und hier unterschieden sie wieder sehr witzig den Göthocorax rector, den Göthocorax nobilis (der nur unter den Vornehmen gefunden wird), den Göthocorax stentor (Göthebrüller unter Soldaten und Studenten) den Göthocorax pipiens (Göthepfeiffer unter den Dilettanten), den Gäthocorax [!] ejulans (Göthewinseler, zahlreich im schönen Geschlechte) und endlich den Göthocorax echo, simia, den Götheaffen. – Streng genommen hat Müllner mit den Götlichen wohl nur den G. simia gemeint; aber das ganze Vogelgeschlecht sollte billig den tonmalerischen Namen behalten: Göthocorax!²⁴

Entomologie, Ornithologie und Primatologie liefern die Instrumente zur Beleuchtung und Klassifizierung einer um sich greifenden Goethe-Verehrung, die sich vorzüglich im Medium der Rezension entfaltete. Der Sinn der Ironie leuchtet ein: Goethe-Anhänger werden als kreischende Krähen präsentiert. Coraceae, so konnte man in Friedrich Hubers Handbuch der Naturgeschichte (1837) nachlesen, sind „rabenartige Vögel“, „von meist mäßiger Größe“; sie haben einen „starken, oben erhabenen Schnabel von mittelmäßiger Länge, kurze Füße […] und meistens ein wilderndes, unschmackhaftes Fleisch.“²⁵ Ein Spiel mit den Attributionen bot sich an: August Varnhagen von Ense (Göthocorax nobilis) oder Professor Kayßler, Direktor unter anderem des Königlichen Friedrichs-Gymnasium in Breslau (Göthocorax rector). Wie dem auch sei, das „Geschrei der Göthocoraxe“ galt es „mit satyrischen Waffen unermüdlich zu verfolgen.“²⁶ Mit Anbetern, Bewunderern und Verehrern verfuhr Goethe selbstverständlich ganz anders. Für sie hielt er süße Worte der Anerkennung parat. Keine Steine: Metaphorische Federgewichte waren ihm zur Not gleichermaßen sympathisch. So wusste er, besonders in privater Korrespondenz mit Gleichgesinnten, ausgerechnet die Leichtigkeit seines Werks hervorzuheben, indem er einfach von „Büchlein“ sprach. „Das Büchlein verleugnet seinen kollektiven Ursprung nicht, erlaubt und fordert mehr als jedes andere die Teilnahme an hervortretenden Einzelheiten“, heißt es in einem Brief an Johann Friedrich Rochlitz vom 23. November 1829.²⁷ Koketterie war dabei vermutlich im Spiel. Sie war immerhin Freunden zugedacht, von denen er hermeneutische Raffinesse erwarten konnte: „Wohin ich aber die Aufmerksamkeit meiner Freunde gerne lenke […], sind die verschiedenen, sich von einander absondernden Einzelnheiten [!], die doch, besonders im gegenwärtigen Falle, den Wert des Buches entscheiden.“²⁸  [Anonym]: Die Göthocoraxen, 3.  Huber: Handbuch, 58.  [Anonym]: Die Göthocoraxen, 3.  Zit. nach Goethe: Wilhelm Meisters Wanderjahre, 863 (darin: „Mit solchem Büchlein aber ist es wie mit dem Leben selbst“, zit. nach ebd., 862). Ebenso: Brief an Josef Stanislaus Zauper vom 7. September 1821: „Zusammenhang, Ziel und Zweck liegt innerhalb des Büchleins selbst“, zit. nach ebd., 890.  Goethes Brief vom 23. November 1829 an Johann Friedrich Rochlitz, zit. nach Goethe: Wilhelm Meisters Wanderjahre, 863.

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Aufmerksamkeit für einzelne Elemente, Detailansichten und Lokalfarben setzte Goethe als Erztugend²⁹ seiner „zart aufnehmenden“³⁰ Rezipienten voraus. Das waren auch frühe „Recensenten“ der Wanderjahre, die jedoch, wie Goethe selbst bemerkte, „sich als Menschen gegen den Autor, insofern er menschlich ist, verhalten“ hatten.³¹ – Von etwaigen Mitteilungen an Kritiker, die ihm einfach geraten hätten, eine Pause zwischen den „Schüben“ des schweren Steins einzulegen, sind hingegen (soweit ersichtlich) keine Belege erhalten geblieben.

2 Weltliteratur, ein Weltpferdemarkt und verdrossene Befunde Die Wanderjahre thematisieren die Herausforderung der Weltliteratur im deutschen Kontext mit der Präzision eines Aphorismus. Und wir erinnern uns, er hat folgenden Wortlaut: „Jetzt, da sich eine Weltliteratur einleitet, hat, genau besehen, der Deutsche am meisten zu verlieren; er wird wohl tun dieser Warnung nachzudenken.“³² Der warnende Spruch aus „Makariens Archiv“ ist im Kontext des vorliegenden Sammelbandes nicht zuletzt deshalb besonders wichtig, weil er den (soweit ersichtlich) einzigen Beleg des Wortes ‚Weltliteratur‘ in den Wanderjahren enthält – einem „enzyklopädischen“ Roman,³³ der mit ‚Welt‘-Komposita bekanntlich nicht gerade sparsam umgeht, ist darin doch wiederholt die Rede von Weltbund, Weltbürgern, Weltsinn, Weltumlauf, Weltgeschichte, Weltreligion, Weltfrömmigkeit und, wenngleich eben nur einmal, von Weltliteratur. ‚Welt‘ hat auch bei Goethe ein breites Bedeutungsspektrum.³⁴ In dem erwähnten Aphorismus deute sich laut Manfred Koch das Problem an, „wie angesichts des modernen ‚Weltumlaufs‘ der Texte […] die einzelnen Kulturen ihr besonderes Profil bewahren und einen fruchtbaren Austausch der jeweiligen Vorzüge initiieren können“.³⁵ Sieht man genau hin, so stellt sich außerdem der Eindruck ein, als nehme das Wort ‚Weltliteratur‘ in Goethes Altersroman eine noch spezifischere Bedeutung an als diejenige, die er beispielsweise im berühmten Gespräch mit Eckermann exponiert und die

 Der Begriff von „Aufmerksamkeit“ als Disposition gegenüber einem Text gilt für Goethe gleichsam als hermeneutisch-philologischer Sammelbegriff für alle „Tugenden […], die sich am bezeichnendsten durch Gerechtigkeit und Treue, Anerkennung und Zuneigung, Achtung und Liebe als sittliche Grundlage des Menschen beurkunden.“ Goethe: Ästhetische Schriften, 591. Über den Zusammenhang von Philologie und Aufmerksamkeit vgl. Reuß: Philologie als Aufmerksamkeit, bes. 136 – 138.  Goethes Brief vom 2. September 1829 an Johann Friedrich Rochlitz, zit. nach Goethe: Wilhelm Meisters Wanderjahre, 862.  Ebd.  Ebd., 770.  Adler: „die Epoche der Welt-Literatur ist an der Zeit“, 35.  Osterkamp: Begriff von Welt.  Koch: ‚Weltliteratur‘ in Goethes Altersroman, 142.

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bereits Gegenstand eingehender Analysen gewesen ist.³⁶ ‚Weltliteratur‘, so möchten wir sagen, weist in den Wanderjahren zunächst einmal auf Vorstellungen und Praktiken von Textzirkulation und -austausch hin, d. h. auf einen ausgeprägt dynamischen Umgang mit Fremdem im Medium der Sprache, wobei das ‚Fremde‘ eine in der Goethezeit präzis kodierte hermeneutische Kategorie darstellt, der nicht zuletzt durch Wilhelm von Humboldt und sein Nachdenken über den Sinn des Übersetzens eine wichtige Funktion zukommt.³⁷ Die Bereitschaft, mit literarisch Fremdem umzugehen, ja, sich Fremdes anzueignen, fordere die Leser heraus, ihre curiositas zu aktivieren und sie den Praktiken von kultureller Zirkulation und Austausch dienlich zu machen. „Wenn man in ekler Scheu vor dem Ungewöhnlichen […] das Fremde selbst vermeiden will, […] so zerstört man alles Uebersetzen, und allen Nutzen desselben für Sprache und Nation.“³⁸ In Zeiten der Weltliteratur lohne es sich also (will man nun Humboldts Fäden weiterspinnen), eine Reise durch die Gefilde weltliterarischer Befremdlichkeiten und Bedenklichkeiten anzutreten, und dies bedeutet zunächst einmal in Bezug auf die Wanderjahre und ihre Symbolkraft, sich an die besondere Prosa dieses Archiv-Romans mit all seinen „disparatesten Einzelheiten“³⁹ und „lakonisch behandelten Stellen“⁴⁰ mutig herantasten zu wollen. Selbstverständlich gehört zum beharrlichen Umgang mit weltliterarischen Befremdlichkeiten in erster Linie die Arbeit an Übertragungen aus fremden Sprachen, aber auch die Auseinandersetzung mit ‚endosemantischen‘ Schwierigkeiten, d. h. mit sogenannten ‚dunklen‘ Stellen in Kunstwerken, die in der je eigenen Sprache verfasst wurden. Freude am Ungewöhnlichen, an dessen Zirkulation und Austausch (gleich, wie schwer) erweist sich daher als eine der Haupttriebfeder jeder Beschäftigung mit Weltliteratur und ausgerechnet Wilhelm Meister, der neugierige Held auf Fußwanderung,⁴¹ avanciert zu ihrer modernen Ikone.

 Vgl. Birus: Goethes Idee der Weltliteratur; Lamping: Die Idee der Weltliteratur; Goßens: Weltliteratur.  Humboldt: Einleitung, XIX: „Mit dieser Ansicht ist freilich nothwendig verbunden, daß die Uebersetzung eine gewisse Farbe der Fremdheit an sich trägt, aber die Gränze, wo dies ein nicht abzuläugnender Fehler wird, ist hier sehr leicht zu ziehen. Solange nicht die Fremdheit, sondern das Fremde gefühlt wird, hat die Uebersetzung ihre höchsten Zwecke erreicht; wo aber die Fremdheit an sich erscheint, und vielleicht gar das Fremde verdunkelt, da verräth der Uebersetzer, daß er seinem Original nicht gewachsen ist.“ Dazu vgl. Jostes: Fremdheit und Trabant: Das tote Gerippe.  Humboldt: Einleitung, XIX–XX. Entsprechend hielt Goethe in seinem Aufsatz Einiges zur Geschichte des Uebersetzens fest: „Das Uebersetzen, soll es kein nothdürftiges Dolmetschen bleiben, sondern nächst dem Sinn auch den Character in Form und Farbe des Originals wiedergeben, erfordert nicht nur ein Wissen und Können, d. h. vollkommene Sprach- und Sachkunde mit technischer Gewandtheit; es verlangt auch moralisch-ästhetische Eigenschaften, die allem was Kunst werden soll, als wesentliche Bedingnisse zu Grunde liegen.“ Goethe: Ästhetische Schriften, 591.  Goethe an Rochlitz, 28. Juli 1829, zit. nach Goethe: Wilhelm Meisters Wanderjahre, 860 u. 890.  Goethe an Boisserée, 2. September 1829, zit. nach Goethe: Wilhelm Meisters Wanderjahre, 861. Zum Archiv vgl. Bez: Goethes „Wilhelm Meisters Wanderjahre“.  Perrone Capano: La scrittura e lo sguardo, 14.

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Noch einmal: Weltliteratur impliziert in den Wanderjahren Verhältnisse von Textzirkulation und -austausch. Sie ist also gewissermaßen die Erscheinungsform in aestheticis jenes allgemeinen Gebots der Beweglichkeit, das dem ganzen Roman zugrunde liegt.⁴² Zur Veranschaulichung dieses Sachverhaltes greift Goethe mehrfach und differenziert zur traditionellen Metapher des Marktes.⁴³ Man denke an das zweite Buch der Wanderjahre „letzter Hand“. Dort, in der „Pädagogischen Provinz“, wo alles auf „Fruchtbarkeit“ und „Mannigfaltigkeit“ hindeutet,⁴⁴ findet sich die großartige Szene des Pferdemarktes.⁴⁵ Es handelt sich dabei um einen Welt-Pferdemarkt, bei dem das kosmopolitische Format⁴⁶ von Goethes Altersroman mit wenigen Strichen, doch gründlich genug in Erscheinung tritt: Aus allen Landen treffen hier Kauflustige zusammen, um Geschöpfe edler Abkunft, sorgfältiger Zucht sich zuzueignen. Alle Sprachen der Welt glaubt man zu hören. Dazwischen tönt auch der lebhafte Schall wirksamster Blasinstrumente und alles deutet auf Bewegung, Kraft und Leben.⁴⁷

Eine hippologische Neigung kennzeichnet Goethes Œuvre seit den Anfängen. Hier müssen wenige Beispiele genügen. In den Leiden des jungen Werthers vergleicht sich der Protagonist mit jener „edlen Art Pferde“, „die, wenn sie schrecklich erhitzt und aufgejagt sind, sich selbst aus Instinct eine Ader aufbeissen um sich zum Athem zu helfen. So ist mir’s oft, ich möchte mir eine Ader öffnen, die mir die ewige Freyheit schaffte.“⁴⁸ In einem weiteren Brief wird das Pferd wiederum zum Sinnbild einer natürlichen Freiheit, die in der Gesellschaft verloren gehen kann.⁴⁹ In die Reihe gehört auch der (weniger tragische) Ritt Wilhelm Meisters zu Beginn des siebenten Buchs der Lehrjahre: „Der Frühling war in seiner völligen Herrlichkeit erschienen; […] und auf dem grauen Grunde erschien der herrliche Bogen. Wilhelm ritt ihm entgegen und sah ihn mit Wehmut an.“⁵⁰ In den Wanderjahren befindet sich die „Pädagogische Provinz“ in der

 Schings: Gedenke zu wandern, bes. 1029 – 1032.  Kaminski/Mergenthaler: Zur Einleitung: die Marktszene, 18 – 19.  Goethe: Wilhelm Meisters Wanderjahre, 414.  Ebd., 516– 519.  Allgemein dazu Fillafer/Osterhammel: Cosmopolitanism and the German Enlightenment.  Goethe: Wilhelm Meisters Wanderjahre, 517.  Goethe: Die Leiden des jungen Werthers, 147.  Ebd., 111: „Der Minister liebt mich seit langer Zeit, hatte lange mir angelegen, ich sollte mich irgend einem Geschäfte widmen; und eine Stunde ist mirs auch wohl drum zu thun. Hernach wenn ich wieder dran denke, und mir die Fabel vom Pferde einfällt, das seiner Freyheit ungeduldig sich Sattel und Zeug auflegen läßt, und zu schanden geritten wird; – ich weiß nicht was ich soll“. Die unmittelbare Quelle dieses Bildes ist höchstwahrscheinlich Phädrus. Das Motiv des eingeschirrten Pferdes, das sein Schicksal erblickt und zum „Inbild der geschundenen Kreatur und des sinnlos hingemordeten Lebens“ wird, sollte eine poetologisch und zeitkritisch zentrale Rolle auch in der Lyrik des Expressionismus spielen. Dazu vgl. die „hippologische[n] Exkursionen“ in Osterkamp: Die Pferde des Expressionismus, bes. 12, 23 und 58. Über das Thema ‚Pferde in der Literatur‘ vgl. allgemein Raulff: Das letzte Jahrhundert der Pferde.  Goethe: Wilhelm Meisters Lehrjahre, 797.

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„pferdenährenden Region“. Mit glänzender Sprachkraft wird das Herannahen der „edlen Tiere“ wie folgt dargestellt: Auf einmal aber bedeckt sich der Horizont mit einer furchtbaren Staubwolke die, eiligst näher und näher anschwellend, alle Breite des Raums völlig überdeckt, endlich aber durch frischen Seitenwind enthüllt, ihren Tumult zu offenbaren genötigt ist. In vollem Galopp stürzt eine große Masse solcher edlen Tiere heran, sie werden durch reitende Hüter gelenkt und zusammengehalten. An dem Wanderer [Wilhelm Meister] sprengt das ungeheure Gewimmel vorbei, ein schöner Knabe unter den begleitenden Hütern blickt ihn verwundert an, pariert, springt ab und umarmt den Vater.⁵¹

Der Knabe ist Felix und zu seiner Erziehung gehört in erster Linie die Reitkunst sowie das „Geschäft die Stuten und Fohlen zu hüten.“⁵² Mit der Pferdemarktszene im zweiten Buch der Wanderjahre wird den Pferden also erneut Tribut gezollt. Und es ist ein literaturgeschichtlich hochkarätiger Tribut. Die Gegend beherbergt weltliterarische Indizien, d. h. unscheinbare Details mit einer großen Ausstrahlungskraft weltliterarischer Qualität. Im scheinbar ungewöhnlichen Epitheton ‚pferdenährend‘⁵³ schimmert zum Beispiel eine Reihe intertextueller Hinweise auf altgriechische Epik durch, die sich in der Wortwahl verdichten. Die „pferdenährend[e] Region“ erinnert nämlich an die Beschreibungen der Stadt Argos in der Odyssee (III 263, IV 99, IV 562, XV 239),⁵⁴ wo sie mit dem Adjektiv „hippóbatos“ definiert wird, bedeutend: ‚von Rossen beweidet‘, ‚geschickt zur Rossweide‘, was im Lateinischen als ‚aptus equis‘ wiedergegeben wird.⁵⁵ Die altgriechische Reminiszenz verweist weiter auf Stücke des tragischen Repertoires, wie Oedipus in Colon, in der Übertragung von Georg Christoph Tobler, wo sich das „Lob“ von Antigones Vaterstadt unter anderem auf folgende Epitheta stützt: „Pferdenährend ist es und schiffahrtkundig“.⁵⁶ Oder auf geographische Beschreibungen Persiens in der Überlieferung Strabos: „So pferdenährend ist das Land […], so daß auch die nisaischen Pferde hier gefunden werden, deren sich die persischen Könige bedienten.“⁵⁷ Die Wanderjahre weisen somit nicht nur eine Offenheit gegenüber weltweiten Szenarien auf,⁵⁸ sondern sie evozieren auch versunkene Landschaften einer klassischen Vergangenheit. Mittels weltliterarischer Referenzen wird die „Welt“ im Roman nicht nur in ihrer synchronen Ausdehnung ermessen, sondern auch diachron erkundet durch die stillen Ressourcen der Intertextualität. Die Kategorien von Ferne, Weite und Fremde erhalten somit sowohl eine räumlich-geographische als auch eine zeitlich-kulturge-

 Ebd., 516.  Ebd.  Ebd., 516.  Homer: Odyssee, 714.  Siebelis: Kleines Griechisches Wörterbuch, 644.  Sophokles: Oedipus in Colon, 116.  Ueber die Geographie Persiens, 236  Man denke hierbei an die Amerika-Bezüge des Romans und deren Folgen. Dazu vgl. La Manna: Das Thema Amerika in „Wilhelm Meisters Wanderjahre“.

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schichtliche Qualität, die sich in der Referenzenpracht einzelner Wortwahldetails zusammenzieht. Aus diesem Humus erwächst die große Marktszene der Wanderjahre. Das schier Kommerzielle an dem Markt wird sogleich durch die Tatsache verklärt, dass es sich dabei um „das große Marktfest“ handelt, um ein Fest also, eine feierliche Ausnahmesituation,⁵⁹ die geradezu die Züge eines wundersamen Ereignisses trägt. Das Wunder besteht darin, dass die Begegnung mit Andersartigem – „Kauflustige aus allen Landen“ – nicht zu einer neu-Babelischen Verwirrung der Sprachen führt, sondern zu einer Form gegenseitiger Spiegelung, Verständigung und Mitteilung⁶⁰ zwischen den verschiedenen Stimmen. Es geht dabei um eine reibungslose Verständigung, die erst durch rastlose Sprachübungen seitens der Jünglinge, die in der „Pädagogischen Provinz“ leben, gewährleistet wird: „Am notwendigsten […] wird eine allgemeine Sprachübung, weil bei diesem Festmarkte jeder Fremde in seinen eigenen Tönen und Ausdrücken genugsame Unterhaltung, bei’m Feilschen und Markten aber alle Bequemlichkeit finden mag.“⁶¹ Gepflegte Mehrsprachigkeit erscheint dabei nicht nur als Luxus oder Privileg einer auf weltläufige Urbanität setzenden, kosmopolitisch ausgerichteten Geselligkeit von Auserwählten, sondern sie erweist sich vielmehr als unabdingbare Bedingung, um die Individualität der einzelnen Sprecher (und damit der einzelnen Sprachkulturen) zu bewahren, ohne dabei die Universalität eines gemeinsamen Ziels zu beeinträchtigen – in diesem Fall: die Verhandlungen um die besten Pferde. Den Zöglingen der„Pädagogischen Provinz“ bietet die Marktsituation die Möglichkeit, sich zu verlieren und dem nachzugehen, was sie begehren.⁶² Der Pferdemarkt erscheint in dieser Hinsicht als ein Ort der bewährten und bewahrten Individualität, der geförderten Mannigfaltigkeit sowie einer leibseelischen Total-Bildung. Auf die besondere Verbindung von Sprachübungen, Pferdezucht und Reitkunst macht eine Rezension von Theodor Mundt aufmerksam, die 1830 in den Leipziger Blätter für literarische Unterhaltung erschien.⁶³ Mundt bezeichnet seine Besprechung wiederholt als „Kritik“⁶⁴ und „Betrachtung“,⁶⁵ diese ist jedoch – wie es in der Literaturwissenschaft getan wurde⁶⁶ – mit Fug und Recht als ‚Rezension‘ einzuschätzen. Zusammen

 Wie dies immer häufiger im Laufe des 18. Jahrhunderts der Fall war: „La foire, au sens propre comme au figuré, est fête, rupture dans le ‚cercle trop étroit des échanges ordinaires‘ et dans le cycle monotone des travaux et des jours“. Margairaz: Foires et marchés, 467.  Vgl. Karnick: Wilhelm Meisters Wanderjahre, bes. 33 – 40.  Goethe: Wilhelm Meisters Wanderjahre, 518.  Greven Schalit: Pädagogische Provinzen, 252.  Zitiert wird nach der Materialiensammlung von Karl Robert Mandelkow in Mundt: Rezension über die ‚Wanderjahre‘. Mundts Text erschien in den Blättern für literarische Unterhaltung Nr. 264 (21. September 1830), 1053 – 1055; Nr. 265 (22. September 1830), 1057– 1059; Nr. 266 (23. September 1830), 1061– 1062. Wieder abgedruckt wurde die Besprechung in Mundts Kritische Wälder von 1833.  Mundt: Rezension über die ‚Wanderjahre‘, 453 – 455.  Ebd., 454.  Ebd., 452.

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mit den längeren Besprechungen Varnhagen von Enses, der Mundt förderte,⁶⁷ und Heinrich Gustav Hothos in den Jahrbüchern für wissenschaftliche Kritik zählt Mundts Rezension zu den frühesten öffentlichen Auseinandersetzungen mit der zweiten Fassung von Goethes Wanderjahren, und sie sei eine von „wohl nur drei umfassendere[n] zeitgenössische[n] Rezensionen, die der Erwähnung wert sind.“⁶⁸ Die Einschätzung des Romans ist dabei äußerst reserviert, das Befremden vor dem „wunderlichen Gebilde“ scheint kaum zu mildern. Verdrossene Befunde gegen den lakonischen Reichtum und die Klarsicht der Wanderjahre werden zum Ausdruck gebracht. Entgegen Goethes Idee vom „Ganzen“ bezeichnet Mundt die Wanderjahre als „unausgearbeitetes Fragment, das nur in einzelnen Partien mehr oder weniger ausgebildet und vollendet erscheint.“⁶⁹ Es sei „zusammengetragenes Material“, „mitunter treffliches Bauholz zu einem didaktischen Roman“ – Wanderjahre auf Holzwegen, könnte man sagen. Mundt kritisiert insbesondere die „abstrakt-didaktische Richtung“ des Werks, seine „verdrüßliche Wichtigtuerei mit lebensweisen Instituten zum Wohl der Menschheit, die doch einmal keine Wirklichkeit und Wahrheit haben“. Und das zeige sich besonders deutlich in den der „Pädagogischen Provinz“ gewidmeten Kapiteln, die nur gefräßigen Göthocoraxen bekömmlich sein könnten: Eine Hauptseite des didaktischen Theils der ‚Wanderjahre‘ ist noch die ideale und allegorische Erziehungsprovinz, in der wir von unserm Standpunkt aus ebenfalls nicht viel Weisheit auffinden können, und es gehört wohl ein krasser Goethocorax dazu, um diese Erziehungsparadoxen als ein pädagogisches Orakel zu bewundern.⁷⁰

Der Höhepunkt von Mundts Kritik an der „Erziehungsprovinz“ hat folgenden Wortlaut: Was die Sprachübungen mit der Pferdezucht und Reitkunst, welche in dieser Erziehungsprovinz beide gleichzeitig miteinander zu einer Lektion für die Knaben verbunden werden (s. T. II, S. 154), Verwandtes haben, vermögen wir auch beim besten Willen nicht einzusehen, und so würden wir manches andere ähnliche Problem dieser Erziehung ebenfalls nicht lösen können, weshalb wir das Ganze zu berühren vermeiden, um nicht etwas ins Absurde zu geraten.⁷¹

Mundts Rezension hebt hier die Unverständlichkeit der Trias Sprachübungen, Pferdezucht und Reitkunst hervor. Die gesamte Szene sei ein „Problem“, etwas Schleierhaftes, das „ins Absurde zu geraten“ droht. Mundt möchte daher das Ganze nicht „berühren“.⁷² Jacob Grimm war drastischer gewesen, und in einem Brief an Savigny vom 24. Juli 1821 schrieb er in Bezug auf die entsprechende Stelle in der ersten Fassung des Romans: „Die Pferde- und Mahlerprovinzen wünsche ich daraus weg und den ganzen unnatürlichen  Goßens: Weltliteratur, 211.  So Gerhard Neumann und Hans-Georg Dewitz in ihrem Kommentar in Goethe: Wilhelm Meisters Wanderjahre, 908.  Mundt: Rezension über die ‚Wanderjahre‘, 457.  Ebd., 458 – 459.  Ebd., 459.  Mundt: Rezension über die ‚Wanderjahre‘.

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Erziehungskram“; etwas „frostiges, steifes“ sei darin zu erkennen, was dem Werk insgesamt eher schade.⁷³ Literatursoziologisch gesehen, sind die Gründe von Mundts prinzipieller Ablehnung recht klar – und gut erforscht.⁷⁴ In der elaborierten Pferdemarktszene spreche Goethe eine seinem Rezensenten fremd anmutende Sprache, will heißen: eine altmodische Sprache, das Signum einer gesunkenen Epoche. Dabei geht es natürlich nicht um fremdsprachbedingte Unverständlichkeit, sondern um eine Form eigensprachlicher⁷⁵ Alterität des Geschmacks, die die Fassungskraft des Interpreten zu überfordern scheint – wenn auch in polemischer Absicht. Gerade darin erweist sich Mundts Rezension für uns als besonders aufschlussreich: Sie bezeichnet sehr genau einen Bezirk semantischer Alterität und isoliert damit eine diegetische Zone, die durch solche Hervorhebung ex negativo eine besondere Faszinationskraft gewinnt. Wie hängen Pferde und Sprachübungen miteinander zusammen? Das ist die Frage, die Mundts Rezension aufwirft. Und was kann das bedeuten? Die Rezension stigmatisiert eine schwierige Stelle und stimuliert gerade dadurch die hermeneutische Wissbegierde der Nachwelt. Sie lädt somit dazu ein, zum Roman zurückzukehren und sich auf seine konkrete Beschaffenheit einzulassen. Der Zusammenhang von Sprachübungen, Pferdezucht und Reitkunst wird im Roman ganz pragmatisch begründet und erhält eine beinah ‚sprachpolitische‘ Funktion: „Zu jenen Sprachübungen“, erklärt der Aufseher auf Wilhelms Frage hin, wurden wir dadurch bestimmt, daß aus allen Weltgegenden Jünglinge sich hier befinden. Um nun zu verhüten, daß sich nicht, wie in der Fremde zu geschehen pflegt, die Landsleute vereinigen und, von den übrigen Nationen abgesondert, Parteien bilden, so suchen wir durch freie Sprachmitteilung sie einander zu nähern.⁷⁶

Multiple Sprachkompetenz wird zum ersten Baustein eines praktikablen Kosmopolitismus. Unmittelbar darauf folgt die Beschreibung der konkreten Umsetzung einer solchen kosmopolitischen Gesinnung: Damit jedoch keine Babylonische Verwirrung, keine Verderbnis entstehe, so wird das Jahr über monatweise nur Eine Sprache im Allgemeinen gesprochen; nach dem Grundsatz, daß man nichts lerne außerhalb des Elements, welches bezwungen werden soll.⁷⁷

Das pädagogische Fundament dieser Praktik lautet:

    

Jacob Grimm an Savigny, 14. Juli 1821, zit. nach Goethe: Wilhelm Meisters Wanderjahre, 892. Goßens: Weltliteratur, 211– 229; Hartmann: Von Zukunft trunken. Zum Begriff der Eigensprachlichkeit vgl. Jostes: Fremdheit, 109. Goethe: Wilhelm Meisters Wanderjahre, 518. Ebd.

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Wir sehen unsere Schüler […] sämtlich als Schwimmer an, welche, mit Verwunderung, im Elemente das sie zu verschlingen droht, sich leichter fühlen, von ihm gehoben und getragen sind; und so ist es mit allem dessen sich der Mensch unterfängt.⁷⁸

Praktizierte Mehrsprachigkeit in der„Pädagogischen Provinz“ bildet den Nährboden für jegliche Begegnung mit Alterität, die fruchtbar sein soll. Stimuliert von Mundts Kritik scheint es daher weder abwegig noch absurd, aus dem Bild des Pferdemarktes eine Anspielung auf die Vision der Weltliteratur herauszulesen, wie sie Goethe während der langwierigen Arbeit am Roman vorschwebte. Die Pferde, welche die kosmopolitischen Käufer auf dem Festmarkt „sich zuzueignen“ trachten, werden als „Geschöpfe edler Abkunft“ und „sorgfältiger Zucht“ bezeichnet.⁷⁹ Will man die gesamte Szene als ausgedehnte Metapher interpretieren, so wären die Pferde das Bild jener Sprachgeschöpfe, die man als literarische Produkte kennt und als Spielarten einer edlen Abkunft, d. h. einer edlen Tradition würdigen kann: die Werke der Weltliteratur. Die „sorgfältige Zucht“ würde dann dem Stil der Werke, also dem labor limae der Dichter entsprechen. Und der Prozess des „Zueignens“ ließe sich als die Form der Aneignung oder Anverwandlung weltliterarischer Alterität auslegen, die durch direkte Lektüre des Originals oder indirekt durch Übersetzungen realisiert wird. Die Pferdemarktszene verbindet außerdem zwei Grundelemente des Goethe’schen Weltliteraturkonzepts: ein statisches und ein dynamisches. Denn Weltliteratur umfasst für Goethe nicht nur die schriftlichen Produkte, d. h. die Text-Geschöpfe, sondern auch die Praktiken ihrer „Züchtung“, d. h. Vorbereitung, Vermittlung, Übersetzung, Aneignung und Dissemination. Weltliteratur erscheint in dieser Hinsicht als ein philologisches und zugleich kommunikationswissenschaftliches Phänomen. Bezogen auf den Bereich der literarischen Produktion, impliziert die Großmetapher des Weltpferdemarktes ferner sowohl einen quantitativen Aspekt – den Zuwachs an erschienenen und zu rezipierenden Texten – als auch einen qualitativen Aspekt, d. h. die Notwendigkeit der Auslese, der Selektion, ja, der wertenden Auswahl und der unterscheidenden Kritik. Hierauf hatte Goethe seine Leserschaft bereits zur Zeit des WestÖstlichen Divans aufmerksam gemacht. In den Noten und Abhandlungen zu „Besserem Verständniss“ des West-Östlichen Divans moniert er angesichts der uferlosen Produktion lyrischer Dichtung im „orientalischen Bazar“ und in der„europäischen Messe“: „Wie auf einem Obst- und Gemüsemarkt sehen wir nicht allein Kräuter, Wurzeln und Früchte, sondern auch hier und dort allerley Arten Abwürflinge, Schalen, Strunke.“⁸⁰ Die Kunst der Unterscheidung steht in erster Linie dem Medium der Rezension und jeglicher wertenden Stellungnahme zu, immer vorausgesetzt, dass die Rezensenten willens sind,

 Ebd.  In diesen charakterisierenden Details schimmert die typisch frühneuzeitliche Darstellungsweise des Pferdes noch durch, die in vielen Gemälden bis ins 19. Jahrhundert hinein ihren visuellen Niederschlag fand. Dazu Edwards/Graham: Introduction: The Horse as Cultural Icon (für den freundlichen Hinweis auf dieses Werk danke ich Anita Traninger).  Goethe: Besserem Verständniss, 179.

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auf Phänomene der Unverständlichkeit im rezensierten Werk redlich einzugehen. Dann sind sie mit jenen alpinen „Wildheuern“ vergleichbar, von denen in den Wanderjahren die Rede ist: Man bezeichnet damit ärmere Bewohner der Hochgebirge, welche sich unterfangen auf Grasplätzen, die für das Vieh schlechterdings unzugänglich sind, Heu zu machen. Sie ersteigen deswegen, mit Steigehaken an den Füßen, die steilsten, gefährlichsten Klippen, oder lassen sich, wo es nötig ist, von hohen Felswänden an Stricken auf die besagten Grasplätze herab. Ist nun das Gras von ihnen geschlagen und zu Heu getrocknet, so werfen sie solches von den Höhen in tiefere Talgründe herab, wo dasselbe wieder gesammelt an Viehbesitzer verkauft wird, die es der vorzüglichen Beschaffenheit wegen gern erhandeln.⁸¹

Die „Geschöpfe edler Abkunft“ auf dem Weltpferdemarkt verdienen Heu von „vorzüglicher Beschaffenheit“ – wiederum entfaltet die Prosa des späten Goethe eine Symbollandschaft, die als isotopisch verteilte Metapher für textkritische Tätigkeit, verstanden als riskantes Ausleseverfahren im Dienste der Qualität, ausgelegt werden kann.

3 Das humane Forum der Weltliteratur In der Forschungsliteratur hat man in Bezug auf die Weltmarktszene der Wanderjahre von „allegorischer Darstellung“ gesprochen und sie dementsprechend als eine „Darstellung der modernen Kommunikationsgesellschaft“ ausgelegt.⁸² Andere Interpreten haben, in Anlehnung an Goethes eigene Terminologie, von „Symbol“ gesprochen. Durch das Marktfest habe Goethe den „Zusammenhang von weltausgreifender geistiger und materieller Produktion, Weltkultur durch Welthandel […] symbolisiert“.⁸³ Allegorie oder Symbol? Es ist an dieser Stelle vielleicht müßig, die vexata quaestio entscheiden zu wollen. Der Problematik sei nur folgendes hinzugefügt: In den Wanderjahren setzt Goethe dezidiert auf die Ressourcen der Anschauung, ja, auf gegenständliches Denken. Es schließt immer wieder komplexe Visionen an konkrete Bilder und Anschauungen an.⁸⁴ Just diese Eigenschaft, d. h. die visuelle Plastizität von Goethes Erzählstil, mithin die „Energie des Gegenständlichen“⁸⁵ wird in der bereits erwähnten Roman-Kritik des Hegelianers Heinrich G. Hotho herausgestellt. Er bemerkt 1830: […] diese Erziehungsprovinz, gleich dem großen Bunde im dritten Buche, erhält einen Anflug von Poesie, insofern wir die ihr zu Grunde liegenden Gedanken plastisch verwirklicht, und die lebendige Organisation des Ganzen auf Gesinnung und Einsicht der oberen Führer beruhend vor uns sehen.⁸⁶

     

Goethe: Wilhelm Meisters Wanderjahre, 507– 508. Koch: ‚Weltliteratur‘ in Goethes Altersroman, 143. Borchmeyer: Was ist deutsch? 47. Schings: Gedenke zu wandern, 1038. Auerbach: Philologie der Weltliteratur, 47. Hotho: Rez. v. Goethe: Wilhelm Meisters Wanderjahre, 122.

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Ausgehend von Hothos Beobachtung – eine Beobachtung, die Mundt gegen den Strich ging⁸⁷ – könnte man die Marktfestszene als Sinnbild eines dynamischen Austausches sehen, dessen praktische Umsetzung sich im Roman selbst verwirklicht. In der Marktfestszene verdichtet sich, mit anderen Worten, die Idee eines Commerciums im wörtlichen und übertragenen Sinne des Wortes, ein Commercium, das nicht von ungefähr bereits von Schiller zur Bezeichnung seines Briefverkehrs mit Goethe verwendet wurde, aus dem das Programm einer Literatur von Weltformat in deutscher Sprache erwachsen sollte.⁸⁸ In den Wanderjahren geht es um eine Form von Kommerz, der die ganze Welt, ja, die ganze Menschheit in Anspruch nehmen möchte und zugleich Austausch, Veredlung und Versöhnung bedeutet. Wohl kein Zufall daher, dass die Festmarktszene unmittelbar auf den berühmten Brief des Abbés an Wilhelm Meister folgt, in dem der „Begriff einer Weltfrömmigkeit“ anvisiert wird. Diese lädt bekanntlich dazu ein, „nicht nur unsre Nächsten [zu] fördern, sondern zugleich die ganze Menschheit mit[zu]nehmen.“⁸⁹ Das ist, bei genauem Hinsehen, auch das zutiefst humane, ethisch-politische Kernstück des Goetheschen Weltliteraturkonzepts. Formuliert wird dieses Prinzip in einem weiteren Aphorismus aus „Makariens Archiv“: Es gibt keine patriotische Kunst und keine patriotische Wissenschaft. Beide gehören, wie alles hohe Gute, der ganzen Welt an, und können nur durch allgemeine freie Wechselwirkung aller zugleich Lebenden, in steter Rücksicht auf das was uns vom Vergangenen übrig und bekannt ist, gefördert werden.⁹⁰

Und in Goethes Vorwort zu Thomas Carlyles Schiller-Biographie gewinnt das Weltliteratur-Konzept eine historisch-epochale Funktion: Es ist schon einige Zeit von einer allgemeinen Weltliteratur die Rede und zwar nicht mit Unrecht: denn die sämmtlichen Nationen, in den fürchterlichsten Kriegen durcheinander geschüttelt, sodann wieder auf sich selbst einzeln zurückgeführt, hatten zu bemerken, dass die manches Fremde gewahr worden, in sich aufgenommen, bisher unbekannte geistige Bedürfnisse hie und da empfunden. Daraus entstand das Gefühl nachbarlicher Verhältnisse, und anstatt dass man sich bisher zugeschlossen hatte, kam der Geist nach und nach zu dem Verlangen, auch in den mehr oder weniger freyen geistigen Handelsverkehr mit aufgenommen zu werden.⁹¹

Das Sinnbild des Weltpferdemarktes in den Wanderjahren lässt sich daher als prägnantes Sinnbild einer solchen „allgemeinen freien Wechselwirkung“ unter Menschen, d. h. unter Weltbürgern, interpretieren, ist er doch im Roman geradezu der geometrische Ort einer gegenseitigen anthropologischen Bereicherung und Befruchtung.

    

Mundt: Rezension über die ‚Wanderjahre‘, 455. Dazu Barner (Hg.): Unser Commercium sowie Catalano: Goethe, 271. Goethe: Wilhelm Meisters Wanderjahre, 514. Hierzu vgl. Henkel: Entsagung, bes. 62– 65. Goethe: Wilhelm Meisters Wanderjahre, 757. Carlyle: The Life of Friedrich Schiller, 336.

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Unter Rekurs auf antike Vorstellungen könnte man in Goethes Weltpferdemarkt geradezu ein Forum der Menschheit erblicken, zumal auch das Wort „Forum“ ursprünglich die doppelte Bedeutung von Markt und Marktplatz hatte (wie z. B. das „Forum Boarium“ in Rom). Wie Minister Turgot im „foire“-Eintrag der Encyclopédie schrieb: „Forum, place publique, a été dans son origine synonyme de celui de marché, et l’est encore à certains égards.“⁹² Das Forum der Weltliteratur beherbergt eine der höchsten und tragfähigsten Errungenschaften der spätaufklärerischen Moralkultur, d. h. jene Botschaft, die unter anderem die Freiheit der Künste und ihre Unabhängigkeit von patriotischer Instrumentalisierung verkündete.⁹³ „Die Poesie“, so Schiller 1801, „soll das Herz treffen, weil sie aus dem Herzen floß und nicht auf den Staatsbürger in de[m] Menschen, sondern auf den Menschen in dem Staatsbürger zielen. […] Ihr Wirkungskreis ist das Total der menschlichen Natur“.⁹⁴ Die Weltliteratur soll dazu beitragen, solche Totalität zu verwirklichen, sie trägt damit zur Konstituierung einer bereichernden Kommunikation bei.⁹⁵ „Nur alle Menschen machen die Menschheit aus, nur alle Kräfte zusammengenommen die Welt“ – so lautet eine der zentralen Maximen in den Lehrjahren. ⁹⁶ Die Wanderjahre stellen in dieser Hinsicht die weltliterarische Antwort auf Jarnos Maxime dar. Ihre „disparate“ Komposition, ja, die „Mischform“⁹⁷ dieses „Aggregats“ spiegelt eine Vielfalt von Stimmen, Schriftstücken, Quellen und Archiven wider, denen traditionelle Erzählweisen nicht gerecht werden könnten. Den Inbegriff dieser Form von Weltliteratur hat man unlängst zurecht als „Weltroman“ definiert, und seine Erben im 19. und 20. Jahrhundert wurden konsequent aneinandergereiht.⁹⁸ Nicht vergessen sollte man zugleich eine der bedeutendsten Quellen, die nicht nur inhaltlich, sondern vor allem in Sachen der Komposition und Strukturierung eine wichtige Rolle bei der Entstehung der Wanderjahre gespielt hat: die Bibel. Die heiße Spur hat Goethe selbst gelegt. Die Bücher dieser „treffliche[n] Sammlung“, so wie er sie im zweiten Buch definiert, „stehen so glücklich beisammen, daß aus den fremdesten Elementen ein täuschendes Ganze entgegentritt.“⁹⁹ In dieser Parallele mit der Bibel wird das strukturelle Grundprinzip von Goethes Altersroman sichtbar. Es vermag die irreduzible Alterität der „fremdesten Elemente“ zu einer empfundenen Ganzheit zusammenzufügen und ihnen dadurch weltliterarische Qualität und Fortleben zu verleihen. „Sie sind vollständig genug, um zu befriedigen, fragmentarisch genug, um

       

Zit. nach Margairaz: Foires et marchés, 465. Dazu Ferrone: Die Aufklärung, 228. Schiller: Über das Pathetische, 449. Dazu vgl. Fink: Weltbürgertum und Weltliteratur, 192– 194. Goethe: Wilhelm Meisters Lehrjahre, 932. Agazzi: Mischform, bes. 93 – 95. Adler: Die Epoche der Welt-Literatur ist an der Zeit, 38. Goethe: Wilhelm Meisters Wanderjahre, 426.

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anzureizen“.¹⁰⁰ – Nicht alle frühen Rezensenten sind jedoch bereit gewesen, diesem Reiz nachzugehen.

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 Ebd.

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Early Modern World. Hg. v. Peter Edwards, Karl A. E. Enenkel und Elspeth Graham. Leiden: Brill, 2011, 1 – 33. Ferrone, Vincenzo: Die Aufklärung – Philosophischer Anspruch und kulturgeschichtliche Wirkung. Göttingen: V&R unipress, 2013. Fillafer, Franz Leander und Jürgen Osterhammel: „Cosmopolitanism and the German Enlightenment“. The Oxford Handbook of Modern German History. Oxford: Oxford University Press, 2011, 119 – 143. Fink, Gonthier-Louis: „Weltbürgertum und Weltliteratur. Goethes Antwort auf den revolutionären Messianismus und die nationalen Eingrenzungstendenzen seiner Zeit“. Goethe und die Weltkultur. Hg. v. Klaus Manger. Heidelberg: Winter, 2003, 173 – 225. Goßens, Peter: Weltliteratur. Modelle transnationaler Literaturwahrnehmung im 19. Jahrhundert. Stuttgart und Weimar: Metzler, 2011. Graeber, Wilhelm: „Liberalismus und Internationalität. Der Beitrag des Globe zur ‚Weltliteratur‘“. Märkte, Medien, Vermittler. Fallstudien zur interkulturellen Vernetzung von Literatur und Film. Hg. v. Manfred Engelbert, Burkhard Pohl und Udo Schöning. Göttingen: Wallstein, 2002, 131 – 144. Greven Schalit, Mechthild: Pädagogische Provinzen. Johann Michael von Loens Der redliche Mann am Hofe und Johann Wolfgang Goethes Wilhelm Meisters Wanderjahre. Göttingen: V&R unipress, 2012. Hamm, Heinz: Goethe und die Zeitschrift ‚Le Globe‘. Eine Lektüre im Zeichen der „Weltliteratur“. Weimar u. a.: Böhlau, 1998. Hartmann, Petra: „Von Zukunft trunken und keiner Gegenwart voll“. Theodor Mundts literarische Entwicklung vom „Buch der Bewegung“ zum historischen Roman. Bielefeld: Aisthesis, 2003. Henkel, Arthur: Entsagung. Eine Studie zu Goethes Altersroman. Tübingen: Niemeyer, 21964. Jostes, Brigitte: Fremdheit. Historisch-anthropologische Erkundungen einer linguistischen Kategorie. Paderborn u. a.: Schöningh, 2004. Kaminski, Nikola und Volker Mergenthaler: „Zur Einleitung: die Marktszene. Literarisches, publizistisches, literaturwissenschaftliches Darstellungsmodell“. Optische Auftritte. Marktszenen in der medialen Konkurrenz von Journal-, Almanachs- und Bücherliteratur. Hg. v. Stephanie Gleißner u. a. Hannover: Wehrhahn, 2019, 3 – 24. Karnick, Manfred: Wilhelm Meisters Wanderjahre oder die Kunst des Mitteilbaren. Studien zum Problem der Verständigung in Goethes Altersepoche. München: Fink, 1968. Koch, Manfred: „‚Weltliteratur‘ in Goethes Altersroman ‚Wilhelm Meisters Wanderjahre‘“. Goethe-Jahrbuch 126 (2009), 138 – 148. La Manna, Federica: „Das Thema Amerika in ‚Wilhelm Meisters Wanderjahre‘ von Goethe. Eldorado oder botanische Utopie?“ Politisch-soziale Ordnungsvorstellungen in der Deutschen Klassik. Hg. v. Walter Pauly und Klaus Ries. Baden-Baden: Nomos, 2018, 205 – 221. Lamping, Dieter: Die Idee der Weltliteratur. Ein Konzept Goethes und seine Karriere. Stuttgart: Kröner, 2010. Margairaz, Dominique: „Foires et marchés“. Dictionnaire européen des Lumières. Hg. v. Michel Delon. Paris: Presses Universitaires de France, 1997, 465 – 468. Osterkamp, Ernst: Die Pferde des Expressionismus. Triumph und Tod einer Metapher. München: Carl Friedrich von Siemens Stiftung, 2010. Osterkamp, Ernst: „Begriff von Welt. Goethe und das Meer“. Cultura tedesca 53 (2017), 35 – 54. Perrone Capano, Lucia: „La scrittura e lo sguardo. Percorsi visivi nei Wanderjahre“. Ottocento tedesco. Da Goethe a Nietzsche. Per Luciano Zagari. Hg. v. Gabriella Catalano und Emilia Fiandra. Napoli: La Città del Sole, 1998, 13 – 31. Ramtke, Nora: Anonymität – Onymität. Autorname und Autorschaft in Wilhelm Meisters „doppelten Wanderjahren“. Heidelberg: Winter, 2016. Raulff, Ulrich: Das letzte Jahrhundert der Pferde. Geschichte einer Trennung. München: C.H. Beck, 2015. Reuß, Roland: „Philologie als Aufmerksamkeit“. Text. Kritische Beiträge 14 (2013), 137 – 145. Schings, Hans-Jürgen: „‚Gedenke zu wandern‘ – Wilhelm Meisters Lebensreise“. „Der Buchstab tödt – der Geist macht lebendig“. Festschrift zum 60. Geburtstag von Hans-Gert Roloff. Bd. 2. Hg. James Hardin und Jörg Jungmayr. Bern, Berlin u. a.: Peter Lang, 1992, 1029 – 1044.

Sprachübungen, Pferdezucht und Reitkunst

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Schings, Hans-Jürgen: „Vorbemerkung“. Zustimmung zur Welt. Goethe-Studien. Würzburg: Königshausen & Neumann, 2011, 7 – 8. Trabant, Jürgen: „Das tote Gerippe und die Arbeit des Geistes. Überlegungen im Anschluss an Humboldt“. Gibt es eine Sprache hinter dem Sprechen? Hg. v. Sibylle Krämer und Ekkehard König. Frankfurt a. M.: Suhrkamp, 2002, 76 – 96. Wolf, Norbert Christian: „Eine Verbindung zweier ‚Geistesantipoden‘. Das Goethe-Schiller-Bündnis aus kultursoziologischer und diskurshistorischer Perspektive“. Bündnisse. Politische, soziale und intellektuelle Allianzen im Jahrhundert der Aufklärung. Hg. v. Franz M. Eybl, Daniel Fulda und Johannes Süßmann. Wien: Böhlau, 2019, 321 – 345. Wolf, Thomas: Pustkuchen und Goethe. Die Streitschrift als produktives Verwirrspiel. Tübingen: Niemeyer, 1999.

Autorinnen und Autoren Elena Agazzi studierte Philosophie und Germanistik in Pavia und ist seit 1992 Professorin für Neuere deutsche Literatur an der Universität Bergamo. Präsidentin des italienischen Germanistenverbandes 2016 – 2019; Mitglied des IVG Vorstands 2015 – 2025; Mitglied des wissenschaftlichen Beirats von Comparatio, Monatshefte, Links, Arbitrium, Germanistik, L’Analisi Linguistico-Letteraria. Forschungsschwerpunkte: Deutsche Klassik und Romantik, europäische Aufklärung, literarische Avantgarde, Gedächtniskultur nach 1945. Publikationen: Elena Agazzi, Gesa Dane und Gaby Pailer (Hg.): The Queen’s Two Bodies, Jahrbuch für Internationale Germanistik (2021); „Dieter Forte: Das Haus auf meinen Schultern (1999)“. Der Generationenroman. Hg. v. Helmut Grugger und Johann Holzner. 2 Bde. Berlin: de Gruyter 2021, Bd. 2, 818 – 834; „Die besondere Vision der Antike in Antoine-Yves Goguets De l’origine des loix, des arts, et des sciences (1758) und Herders Rezeption“. Comparatio 11.2 (2019), 287 – 301; Elena Agazzi und Raul Calzoni (Hg.): Distorsioni percettive nella „Moderne“, Cultura Tedesca 55.2 (2018); Wilhelm Heinrich Wackenroder: Opere e lettere. Scritti di arte, estetica e morale in collaborazione con Ludwig Tieck. Hg. v. Elena Agazzi, Milano: Bompiani, 2014. Isabella Ferron studierte Germanistik, Anglistik und Linguistik an der Università Ca’ Foscari in Venedig und an der Eberhard Karls Universität Tübingen. Sie promovierte in Germanistik und Philosophie an der Ludwig Maximillians Universität München im Cotutelleverfahren mit der Università degli Studi di Padova. Verschiedene Stipendien in Deutschland und Europa sowie Lehrbeauftragte an verschiedenen italienischen Universitäten (Venedig, Padua, Siena, Mailand). Seit 2022 wissenschaftliche Mitarbeiterin (RTDB) an der Università degli Studi di Modena e Reggio Emilia. Publikationen: „Sprache ist Rede“. Ein Beitrag zur dynamischen und organizistischen Sprachauffassung Wilhelm von Humboldts. Würzburg: Königshausen & Neumann, 2009; L’officina dello scrivere. Il carteggio di Alexander von Humboldt. Roma: Aracne Editrice, 2018; „,Jüdisch, römisch, deutsch zugleich …‘. Karl Wolfskehl als mehrsprachiger Schriftsteller und Übersetzer“. Übersetzen. Theorien, Praktiken und Strategien der europäischen Germanistik. Hg. v. Elena Agazzi u. a. Frankfurt a.M. u. a.: Peter Lang, 2021, 237– 248; „Ein Nachdenken ü ber das Verhältnis zwischen kontrastiver Linguistik und Übersetzungswissenschaft anhand der Analyse von Wladimir Kaminers Ausgerechnet Deutschland. Einige Übersetzungsvorschläge“. Annali Università degli Studi di Napoli „L’Orientale“. Sezione Germanica (2020), 239 – 259; und „La politica non pop di Angela Merkel: un’analisi linguistica“. I linguaggi della communicazione politica. Tra globalizzazione e frontierre linguistiche. Hg. v. Mathilde Anquetil u. a. Padova: CLEUP, 2019, 497 – 517. Carolin Fischer ist Professorin für Littérature générale et comparée an der Université de Pau et des Pays de l’Adour. Langjährige Rezensentin für die Literarische Welt und Deutschlandradio Kultur. Zahlreiche Publikationen zur erotischen Literatur (z. B. Gärten der Lust. Eine Geschichte erregender Lektüren. Stuttgart und Weimar: Metzler, 1997), zur Rezeptionsforschung (mit Diego Saglia und Brunhilde Wehinger [Hg.]: Konzepte der Rezeption. 3 Bde. Tübingen: Stauffenburg, 2015, 2028, 2021), zur Lyrik (Der poetische Pakt. Rolle und Funktion des poetischen Ich in der Liebeslyrik bei Ovid, Petrarca, Ronsard, Shakespeare, Baudelaire. Heidelberg: Winter, 2007), zum literarischen Übersetzen (mit Beatrice Nickel [Hg.]: La Traduction de la poésie entre imitatio et transfert poétique: langues, espaces, médias. / Lyrik-Übersetzung zwischen imitatio und poetischem Transfer: Sprachen, Räume, Medien. Tübingen: Stauffenburg, 2012) und zur Intermedialitätsforschung (zuletzt mit Mattia Petricola [Hg.]: Intermedial Dante: Reception, Appropriation, Metamorphosis, Between 10.20 [2020]). Guglielmo Gabbiadini ist wissenschaftlicher Mitarbeiter (RTDB) für Neuere deutsche Literatur an der Universität Bologna. Er studierte von 2003 bis 2009 Germanistik und Anglistik an der Universität Bergamo und an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg. 2013 wurde er in Bergamo im Fach Neuere deutsche Literatur (L-LIN/13) promoviert. Seine Forschungsschwerpunkte liegen vor allem in der germanistischen Literaturwissenschaft und -geschichte vom 18. bis zum 21. Jahrhundert sowie im Denken Wilhelm von Humboldts. Darüber hinaus befasst er sich mit dem Spannungsfeld von Literatur, Anthropologie und https://doi.org/10.1515/9783111180403-014

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Moralphilosophie seit der Aufklärung; und dem Nachleben der Antike in der neueren und neuesten deutschsprachigen Literatur und Publizistik. Zuletzt erschienen: Tugend und Kraft. Zu einer Wechselbeziehung in Literatur, Moral und Geschichte der deutschen Spätaufklärung. Berlin: de Gruyter 2020. Rainer Godel leitet seit 2013 das Zentrum für Wissenschaftsforschung der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina – Nationale Akademie der Wissenschaften, seit 2012 ist er außerplanmäßiger Professur für Neuere deutsche Literaturwissenschaft an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Forschungsschwerpunkte: Wissens- und Wissenschaftsgeschichte vom 17. bis 20. Jahrhundert; (Popular‐) Philosophie, Anthropologie und Literatur der europäischen Aufklärung; Mediengeschichte der Kontroverse in der Frühen Neuzeit u. a. Ausgewählte Publikationen: seit 2012 Herausgeber des Herder Yearbook, zusammen mit Johannes Schmidt; „Metapher (als Metapher) des Nicht-Wissens: Zu Johann Gottfried Herders Theorie und Praxis der Metapher“. Metaphorologien der Exploration und Dynamik 1800/1900. Hg. v. Gunhild Berg, Martina King und Reto Rössler (= Archiv für Begriffsgeschichte 59 [2017]), 23 – 40; „L’esprit de controverse: comment Goethe et Schiller ont inventé la ,Weimarer Klassik‘“. Lumières et classicisme. Hg. v. Jean-Christophe Abramovici und Daniel Fulda (= Revue internationale d’étude du dix-huitième siècle [RIEDS] 3 [2017]), 169 – 183; Vorurteil – Anthropologie – Literatur. Der Vorurteilsdiskurs als Modus der Selbstaufklärung im 18. Jahrhundert. Tübingen: Niemeyer, 2007. Sabine Gruber studierte Deutsche Philologie, Geschichte und Publizistik an der Johannes GutenbergUniversität Mainz; 1999 – 2012 wissenschaftliche Mitarbeiterin u. a. am Freien Deutschen Hochstift – Frankfurter Goethe-Haus, am Deutschen Literaturarchiv Marbach und an der Universität Erfurt. Seit 2012 wissenschaftliche Angestellte am Lehrstuhl Braungart, Eberhard Karls Universität Tübingen. Forschungsschwerpunkte u. a.: Literatur und Religion; Editionsphilologie; Literatur und Reise. Publikationen/Editionen u. a.: Clemens Brentano und das geistliche Lied. Tübingen und Basel: Francke, 2002; Clemens Brentano. Sämtliche Werke und Briefe. Bd. 5,1: Gedichtbearbeitungen I. Bearbeitungen und Übersetzungen. Text, Lesarten und Erläuterungen. Stuttgart: Kohlhammer, 2011), Bd. 5,2: Gedichtbearbeitungen II. Trutz Nachtigal. Text, Lesarten und Erläuterungen. Stuttgart: Kohlhammer, 2009; „Einer der letzten Universalisten. Über August Wilhelm Schlegels Bonner Vorlesungen zur allgemeinen Weltgeschichte und zur alten Geschichte“. literaturkritik.de, Juli 2017. Nicola Kaminski ist seit 2005 Professorin für Neugermanistik an der Ruhr-Universität Bochum, seit Oktober 2016 Sprecherin der DFG-Forschergruppe 2288 „Journalliteratur: Formatbedingungen, visuelles Design, Rezeptionskulturen“. Forschungsschwerpunkte: Literatur und Medien von der Frühen Neuzeit bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts; Journalliteratur; Materialphilologie. Aktuelle Publikationen: mit Stephanie Gleißner, Mirela Husić, Volker Mergenthaler: Optische Auftritte. Marktszenen in der medialen Konkurrenz von Journal-, Almanachsund Bücherliteratur. Hannover: Wehrhahn, 2019; mit Julia Kunz, Sebastian Mittelberg, Julia Schmidt: „Zů schyff Zů schyff brůder: Eß gat / es gat“: zur Performanz des Exemplarischen im Narrenschiff. Hildesheim, Zürich und New York: Olms, 2021; mit David Brehm, Volker Mergenthaler, Nora Ramtke, Sven Schöpf: Zeit/Schrift 1813– 1815 oder Chronopoetik des ‚Unregelmäßigen‘. Hannover: Wehrhahn, 2022; Die journalliterarische Leseszene im Spiegel des Modebilds. Modellversuch zur Wiener Zeitschrift 1816 – 1849, Hannover: Wehrhahn, 2022. Federica La Manna ist seit 2004 Professorin für Neuere Deutsche Literatur an der Universität von Kalabrien. Schwerpunkte ihrer Forschung sind die Beziehungen zwischen Literatur, Anthropologie und Medizin im deutschen 18. Jahrhundert; die Verflechtungen zwischen Literatur, visueller Kultur und Musik im 20. Jahrhundert; die klassisch-romantische Epoche. Publikationen (Auswahl): Winckelmann. L’uomo che ha cambiato il modo di vedere l’arte antica. Milano: La Nave di Teseo, 2022; „Physiognomics“. Glossary of Morphology. Hg. v. Federico Vercellone und Salvatore Tedesco. Cham: Springer, 2020, 407 – 411; „Das Thema Amerika in Wilhelm Meisters Wanderjahre von Goethe. Eldorado oder Botanische Utopie?“. Politisch-soziale Ordnungsvorstellungen in der Deutschen Klassik. Hg. von Walter Pauly und Klaus Ries. Baden-Baden: Nomos, 2018, 205 – 221; „Il tormento dell’artista. Berglinger e gli scritti sulla musica“. Wilhelm Heinrich Wackenroder: Opere e lettere. Scritti di arte. estetica e morale in collaborazione con Ludwig Tieck. Hg. v. Elena

Autorinnen und Autoren

239

Agazzi. Milano: Bompiani, 2014, 331 – 357; Sineddoche dell’anima. Il volto nel dibattito tedesco del Settecento. Milano: Mimesis Edizioni, 2012; Gusto dell’Antico e cultura neoclassica in Italia e in Germania. Hg. v. Federica La Manna. Rende: Centro editoriale e librario, 2006. Matteo Largaiolli ist Forscher mit Zeitvertrag an der Freien Universität Bozen. Seine Schwerpunkte sind italienische Philologie, Linguistik und Didaktik, Digital Humanities. Er hat sich mit der italienischen Literatur des 15. und 16. Jahrhunderts (Parodie, Leon Battista Alberti, Antonio Tebaldi, Minturno) und der politischen Sprache des 20. Jahrhunderts im Rahmen eines Digitalisierungsprojekts am ISIG-FBK (Italienisch-Deutsches Historisches Institut in Trento) beschäftigt. Mitarbeit an der Website alcidedigitale.fbk.eu. Veröffentlichungen (Auswahl): La Predica d’Amore: indagine su un genere parodistico quattro-cinquecentesco con edizione critica dei testi (Trento, 2019); Alpinisti e media nella seconda metà dell’Ottocento, in La medialità della storia, in G. Bernardini e C. Cornelissen (eds.), Bologna 2019, 89 – 119; „Cattolico poeta e padre della nazione: riflessi danteschi nel pensiero politico di Alcide De Gasperi“. Deutsches Dante-Jahrbuch 93 (2018), 179 – 192. Riccardo Martinelli ist Professor der Geschichte der Philosophie an der Universität Triest. Alumnus der Alexander von Humboldt-Stiftung, wiederholt Gastforscher im europäischen Ausland (Konstanz, Mainz, Berlin, Amsterdam). Seine Forschungstätigkeiten widmen sich der deutschsprachigen Philosophie mit besonderer Berücksichtigung der Beziehungen zwischen Philosophie, Psychologie und Anthropologie; darüber hinaus interessiert er sich für die Philosophie der Musik. Veröffentlichungen (Auswahl): William James / Carl Stumpf: Correspondence (1882 – 1910). Hg. v. Riccardo Martinelli. Berlin: de Gruyter, 2020; Philosophy of Music. A History. Berlin: de Gruyter, 2019; „Hegel on Character in Encyclopedia, § 395“. HegelJahrbuch (2018); „Defining Human Sciences: Theodor Waitz’s Influence on Dilthey“. British Journal for the History of Philosophy (2017); Philosophy From An Empirical Standpoint. Essays on Carl Stumpf. Hg. v. Denis Fisette und Riccardo Martinelli. Leiden: Brill-Rodopi, 2015. Michael Multhammer ist Universitätsprofessor für Neuere deutsche Literaturwissenschaft: Poetik und Pragmatik literarischer Kommunikation an der Universität Siegen. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in der Literatur- und Kulturgeschichte der Frühen Neuzeit, insbesondere in den Bereichen der Poetik und Rhetorik sowie deren Hermeneutik. Weitere Schwerpunkte sind die Gelehrsamkeitsgeschichte und das Werk Gotthold Ephraim Lessings im Kontext. Veröffentlichungen: Lessings Rettungen. Geschichte und Genese eines Denkstils. Berlin und Boston: de Gruyter, 2013; mit Andrew McKenzie-McHarg (Hg.): Anonymity as Literary Strategy and Social Practice. Special Issue of the Publications of the English Goethe Society H. 3 (2019); mit Nacim Ghanbari (Hg.): Christlob Mylius. Ein kurzes Leben in den Schaltstellen der deutschen Aufklärung. Jahrbuch Aufklärung 31 (2020); mit Oliver Bach (Hg.): Historia Pragmatica. Der Roman zwischen Gelehrsamkeitsgeschichte und Autonomieästhetik. Heidelberg: Winter, 2020; Johann Charlotte Unzer: Versuch in Scherzgedichten. Kommentierte Edition, mit einem Nachwort hg. v. Michael Multhammer. Hannover: Wehrhahn 2021. Anita Traninger ist Professorin für Romanische Philologie und Co-Sprecherin des Exzellenzclusters 2020 „Temporal Communities: Doing Literature in a Global Perspective“ an der Freien Universität Berlin. Visting Fellowships am Netherlands Institute for Advanced Study (NIAS), der Harvard University und am All Souls College, Oxford. Sie forscht zu Geschichte, Theorie und Praxis der Rhetorik, zu transkulturellen Verflechtungen von Literatur und Wissensdiskursen vom Spätmittelalter bis zum 19. Jahrhundert sowie zur Buch-, Medien- und Gattungsgeschichte in Verbindung mit historischen Lektürepraktiken. Publikationen (Auswahl): Copia / Kopie: Echoeffekte in der Frühen Neuzeit. Hannover: Wehrhahn, 2020; mit Karl A.E. Enenkel (Hg.): The Figure of the Nymph in Early Modern Culture. Leiden und Boston: Brill, 2018; mit Eva Cancik-Kirschbaum (Hg.): Wissen in Bewegung. Institution – Iteration – Transfer. Wiesbaden: Harrassowitz, 2015; mit Kathryn Murphy (Hg.): The Emergence of Impartiality. Leiden und Boston: Brill, 2014; Disputation, Deklamation, Dialog: Medien und Gattungen europäischer Wissensverhandlungen zwischen Scholastik und Humanismus. Stuttgart: Steiner, 2012.

Namensregister Abel-Rémusat, Jean-Pierre 32 f., 36 f. Agazzi, Elena 11, 13 Alfieri, Vittorio 183, 186 f., 191 Algarotti, Francesco 193 Alison, Archibald 187 Apter, Emily 1 Aretino, Pietro 34 Ariosto, Ludovico 161, 189 Athenaios 20 f. Aubry, Philippe-François 205 f., 209 Auerbach, Erich 1 f., 215 Augustus 37 Baader, Benedict Franz Xaver von 177, 179 Bachmann-Medick, Doris 174 Baer, Julia 199 Baillet, Adrien 28 Baldensperger, Fernand 206 Barner, Wilfried 9, 25 Barthes, Roland 76, 90 Bartholin, Thomas 59 Baumgarten, Alexander Gottlieb 113 Bayle, Pierre 9, 25, 27–30, 32, 36, 39, 86 Behler, Ernst 178 Benjamin, Walter 2 Berg, Gunnar 54 Berthollet, Claude Louis 179 Besterman, Theodore 204 Bettinelli, Saverio 188 Bhavabhuti 166 Bican, Bianca 54 f. Blair, Hugh 187 Blochmann, Ehrenfried 219 f. Böcking, Eduard 99 Bohnenkamp, Anne 22, 40, 132 Bosse, Heinrich 22, 26 Boyd, Henry 183, 189 Braunbehrens, Adrian 132 Brockhaus, Friedrich 132, 155 Brougham, Henry 185 Brown, Dan 199 Bürger, Gottfried August 142, 144 Burgsdorff, Wilhelm Friedrich Theodor von 160 Byron, George Gordon 144, 169 Calderón de la Barca, Pedro

156, 161, 164

https://doi.org/10.1515/9783111180403-015

Carl August von Sachsen-Weimar-Eisenach, Herzog 23 Carlyle, Thomas 184, 206, 230 Carus, Carl Gustav 55, 164 f. Cary, Henry Francis 189 Casanova, Giacomo 144 Casanova, Pascale 24 f. Cervantes, Miguel de 94, 104, 154, 163 Cesi, Federico 57 Chamfort, Nicolas 102 f., 106 Charles II, König 202 Charleville, Lord 183 Chateaubriand, François René de 205 Chiari, Pietro 166 Chodowiecki, Daniel 205 Cicero 36 Coleridge, Samuel Taylor 185 Cooper, James Fenimore 11, 137 f., 145, 148–150 Corneille, Pierre 203 Correggio 161 f., 171 Cotta, Johann Friedrich 132, 134 Curtius, Ernst Robert 5 Damrosch, David 83, 94 Dante Alighieri 183, 188 f, 199 de Fillis, Anastasio 57 Décultot, Elisabeth 71, 89 Desbordes, Henry 27 Deyverdun, Georges 205 Diderot, Denis 92 Dilthey, Wilhelm 10, 111, 116 f., 124, 126 Dotzler, Bernhard J. 51 Dryden, John 202 Du Bos, Jean-Baptiste 89 Du Sauzet, Henri 29 Dubois, Paul François 30 f. Ducis, Jean-François 203 Duff, William 187 Dufour, J.E. 205 Duval, Alexandre 133 Ebert, Johann Arnold 75 f. Eckermann, Johann Peter 35 f., 50, 69, 131, 133, 137, 149, 217 f., 221 Eco, Umberto 2 Eichner, Hans 171

242

Namensregister

Eidous, Marc-Antoine 33 f., 38 Emerson, Ralph Waldo 206 Engels, Friedrich 48 Euler, Leonhard 60 Fehr, Johann Michael 57 Féraud, Jean-François 21 Ferron, Isabella 9 f. Feuerbach, Ludwig 126 Fichte, Johann Gottlieb 123, 172 Fischer, Carolin 12 Fleck, Ludwik 49 Forster, Johann Georg Adam 169 Foucault, Michel 53, 126 Fourmont, Étienne 33, 39 Furetière, Antoine 21 Gabbiadini, Guglielmo 1, 12 f. Garve, Christian 173–175 Gellius, Aulus 20 f. Genlis, Stéphanie-Félicité de 144 Geoffroy, Julien Louis 208 Giulio Romano 171 Glover, Richard 104 Godel, Rainer 5, 8 f., 21, 70 Goethe, Johann Wolfgang 1, 3–6, 8–10, 12 f., 19, 21–26, 30–36, 38–40, 47–56, 58–60, 69 f., 74 f., 84, 92, 98, 106 f., 125, 131–135, 137, 141, 145, 147, 149, 156, 158, 161, 163 f., 169, 172 f., 179, 184, 186, 188–190, 193, 199 f., 205–211, 215– 223, 226–231 Goldenbaum, Ursula 57 Golder, John 202 f. Goldoni, Carlo 161 f., 164, 166 Goßens, Peter 3, 51 f, 56, 98, 101, 172 Göttling, Carl Wilhelm 216 f. Gottsched, Johann Christoph 9, 77 f., 86 f., 90 f., 141 Gozzi, Carlo 164, 166 Gracián, Baltasar 30 Gray, Thomas 189–191 Grimm, Friedrich Melchior von 26, 208 Grimm, Jacob 34, 226 f. Grimm, Wilhelm 34 Grosse, Carl Friedrich August 164 Gruber, Sabine 10, 36 Guthke, Karl S. 71 Hagedorn, Friedrich von 75 f., 141 Haller, Albrecht von 9, 58, 69–80

Hanks, Tom 200 Härtl, Heinz 170 Hebbel, Friedrich 154 Hegel, Georg Wilhelm 164 Heidegger, Martin 126 Heider, Fritz 19 Heister, Lorenz 59 Hell, Theodor (s. Winkler, Karl Gottfried Theodor) Helmbrecht, Chrsistian 206 Hemmerling, Wiebke 29 Herbert, William 183, 188–191, 193 Herder, Johann Gottfried 47 f., 85, 119, 141–143, 163, 178 f., 215 Herschel, Frederick William 179 Hesse, Hermann 97 Hitzig, Julius Eduard 215 Holberg, Ludwig 162 Hölter, Achim 164 f. Hölty, Ludwig 142 Home, Henry (Lord Kames) 186 f. Homer 100–103, 138, 161 Horaz 23, 47, 75, 87 Horner, Francis 185 Hotho, Heinrich Gustav 13, 215, 226, 229 f. Howard, Ron 200 Huber, Friedrich 220 Hülsen, August Ludwig 177 Humboldt, Wilhelm von 222 Hume, David 186 Iffland, August Wilhelm 156, 158 Irving, Washington 164 Jacobi, Friedrich Heinrich 169, 175 James, William 210 Jameson, Fredric 184 Jaumann, Herbert 20 Jean Paul 119, 141, 144 f. Jeffrey, Francis 183, 185–188 Jones, Felicity 200 Jonson, Ben 160 Junius, Johann Friedrich 34 Jurt, Joseph 47, 52 Kaiser, Gerhard R. 169 Kalidasa 166 Kaminski, Nicola 6, 10 f., 223 Kant, Immanuel 10, 85, 92, 111–115, 117–126, 178 Kayßler, Adalbert Bartholomäus 220 Kean, Edmund 160

243

Namensregister

Kemble, John Philip 160 Kind, Johann Friedrich 156 Kleist, Ewald Christian von 142 Kleist, Heinrich von 154, 156 Klopstock, Friedrich Gottlieb 13, 100 f., 138, 141 f., 171 Knebel, Karl Ludwig von 34, 103 Knödler, Stefan 98 Koch, Manfred 36 Köpke, Rudolph 164 Körner, Theodor 142 Kotzebue, August von 132, 156, 158 Krämer, Sybille 20 Kristmannsson, Gauti 23 La Manna, Federica 11 La Place, Pierre-Antoine de 12, 202 Lamping, Dieter 107 Largaiolli, Matteo 12 Lassen, Christian 105 Lavater, Johann Caspar 119 Le Tourneur, Pierre 12, 201, 203 f., 210 Leibniz, Gottfried Wilhelm 87, 113 Lelles, Norma 171 Lenz, Jakob Michael Reinhold 154 Leroux, Pierre 30 Lessing, Gotthold Ephraim 9, 25, 78, 80, 83–94, 142 f, 153, 158, 169, 171, 178 Locke, John 113 Lodge, David 2 Lohenstein, Daniel Casper von 79 Lope de Vega, Felix 156, 161 Louis XIV 37, 103 Macrobius 20 f. Magno, Celio 190 f. Marlowe, Christopher 160 Martinelli, Riccardo 10 Martus, Steffen 28 Marx, Karl 48 Massuet, Pierre 86 Mathias, T. J. 183, 188, 191 Matthisson, Friedrich 69, 170 Maupertuis, Pierre Louis Moreau de Menzel, Wolfgang 53, 218 Meyer, Joseph 142, 145 Michelangelo Buonarroti 171 Milizia, Francesco 102 Miller, John 186 Molière 106

Montaigne, Michel de 124 Morehead, Robert 183 Moreto, Augustín 156, 161 Moretti, Franco 3 Müller, Lothar 199 Müller, Olaf L. 54 Müller, Wilhelm 149 Müllner, Adolf 219 f. Multhammer, Michael 9 Mundt, Theodor 13, 215, 225–228, 230 Murr, Christoph Gottlieb von 34, 39 Mylius, Christlob 77–79 Napoléon Bonaparte 205 Nees von Esenbeck, Christian Gottfried Daniel Neugebauer, Wilhelm Ehrenfried 94 Newton, Isaac 49, 54 Novalis 154 Oehlenschläger, Adam 161 f. Oersted, Hans Christian 178 Oken, Lorenz 48, 50 Oldenbourg, Henry 60 Pechlin, Johannes Nikolaus 30 Percy, Thomas 33 f. Perrault, Charles 37 Petrarca, Francesco 188 f. Pignotti, Lorenzo 189 Pope, Alexander 202 Profos Frick, Claudia 70 Properz 103 Pustkuchen, Johann Friedrich Wilhelm Quadrio, Francesco Saverio Quintilian 37

60

188

Raphael (s. Sanzio, Raffaello) Rebohm, Simon 58 Reinhold, Karl Leonhard 175 Renaudot, Théophraste 27 Ritter, Johann Wilhelm 54, 179 Rochlitz, Johann Friedrich 220–222 Rosenberg, Daniel 27 Rouget de Lisle, Claude Joseph 107 Rousseau, Jean-Jacques 186, 193, 211 Rubbi, Andrea 188 Rückert, Friedrich 164 Said, Edward

1

141, 218

55

244

Namensregister

Said, Maire 1 Saint-Georges, David de 210 Sanzio, Raffaello 170–172 Saphir, Moritz Gottlieb 219 Sauerländer, J.D. 148 f. Savigny, Friedrich Karl von 226 f. Schamoni, Wolfgang 23 Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph 116 f., 120, 173 Scherer, Stefan 173 Scheuchzer, Johann 59 Schiller, Friedrich 34, 119, 125, 141, 144 f., 156, 164, 174, 186, 188, 217, 230 f. Schlegel, August Wilhelm 10, 51, 97–107, 111, 160, 163, 170, 172, 176 f. Schlegel, Dorothea 169, 177 Schlegel, Friedrich 85, 169–179 Schleiermacher, Friedrich Daniel Ernst 10, 111–126, 171, 174–177 Schlözer, August Ludwig von 23, 47 Schmettau, Woldemar Friedrich von 205 f., 209 Schmidt, Friedrich Wilhelm August 170 Schönaich, Christoph Otto von 77 f., 86 Schubarth, Karl Ernst 218 Schwarze, Sabine 6 Scott, Walter 137, 144, 149, 183 Seckendorf, Karl Sigmund von 205 Seebeck, Thomas Johann 54 Shakespeare, William 12, 87, 105 f., 124, 153 f., 156, 159–161, 163 f., 199, 201–204, 206 f., 210 Sisto, Michele 211 Smith, Adam 186 Smith, Sidney 185 Sommadossi, Tomas 13 Souza, Adélaïde de 104 Spinoza, Baruch 120 Staël, Germaine de 169 f., 187, 202, 204 f., 210 f. Stelluti, Francesco 57 Sternberg, Kaspar Maria Graf von 48 f. Stewart, Dugald 186 Stichweh, Rudolf 56 Stieler, Kaspar von 26 Stockinger, Claudia 6 Strabo 224 Strich, Fritz 4, 22, 32, 131 Strobel, Jochen 154 Sulzer, Johann Georg 85

Talma, François-Joseph 203 Tasso, Torquato 132 f., 161, 189 Thomasius, Christian 24 Thoms, Peter Perring 35 f. Thorvaldsen, Bertel 164 Tieck, Ludwig 11, 99, 104, 153–166, 170 Tiraboschi, Girolamo 188 Tizian 171 Tobler, Georg Christoph 224 Traninger, Anita 4, 8, 14, 228 Turgot, Anne Robert Jacques 231 Unger, Johann Friedrich

34

van Heeck, Johannes 57 Varnhagen von Ense, August 219 f., 226 Vergil 80 Verheyen, Philip 59 Vollhardt, Friedrich 9, 85 Volta, Alessandro 179 Voltaire 12, 20 f., 80, 201–204 Voß (Voss), Johann Heinrich 100–103, 170 Wackenroder, Wilhelm Heinrich 11, 154 f., 163 f., 170 f. Wagner, Jan 200 Wagnière, Jean-Louis 21 Weber, Carl Maria von 156 Webster, John 160 Wellek, René 22 Wenzel, Manfred 54 f. Wiegelmann, Lucas 199 Wieland, Christoph Martin 2, 23 f., 47, 84, 106, 142 f., 163 Wilpert, Gero von 47 Winckelmann, Johann Joachim 13, 171 Winkler, Karl Gottfried Theodor (Theodor Hell) 156 Wolff, Christian 113, 124 Wordsworth, William 185 Zauper, Joseph Stanislaus 218, 220 Zelter, Carl Friedrich 40, 50 Zybura, Marek 163

Zeitschriftenregister Allgemeine Literatur-Zeitung 5, 99 Allgemeines Repertorium der neuesten in- und ausländischen Literatur 133 Athenaeum 10 f., 111, 169–175, 177–179

Journal de Paris 207 Journal des Savants 26, 57, 209 Journal encyclopédique 205 Journal für Literatur, Kunst und geselliges Leben

Der Bayerische Volksfreund 146 Bemühungen zur Beförderung der Critik und des guten Geschmacks 9, 77 Berliner Conversations-Blatt für Poesie, Literatur und Kritik 133 Berlinisches Archiv der Zeit und ihres Geschmacks 107 Berlinische privilegirte Zeitung 86 f. Bibliothèque des romans 34 Blackwood’s Magazine 184 Blätter für literarische Unterhaltung 10, 131 f., 134– 137, 142, 147–150, 225 Briefe, die neueste Literatur betreffend 87

Literarisches Conversationsblatt, s. Blätter für literarische Unterhaltung Literarisches Wochenblatt, s. Blätter für literarische Unterhaltung

Correspondance littéraire

26, 37, 208

Danziger Aehrenleser 219 Dramaturgische Blätter 157, 159, 161 Dresdner Abend-Zeitung 11, 153, 156 L’Eco. Giornale di Scienze, Lettere, Arti, Commercio e Teatri 25, 40 Edinburgh Review 4, 12, 51, 183–190, 192 f. Erlanger-Zeitung 145 Europa 11, 169–172, 174–179 Foreign Quarterly Review 216 Frankfurter gelehrte Anzeigen 5

Mémoires secrets pour servir à l’histoire de la République des Lettres en France depuis 1762 jusqu’à nos jours 207 Mercure de France 209, 211 Mercure savant 27 Meyer’s British Chronicle, a Universal Review of British Literature, &c. 138–140 Miscellanea curiosa 57, 59 Morgenblatt für gebildete Stände 134, 145, 147 f., 150, 218 f. Neue Zeitungen von gelehrten Sachen 29 Nouvelles de la république des lettres 19, 25–27, 29 Nouvelles littéraires contenant ce que se passe de plus considérable dans la république des lettres 21, 29 f. Parnaso italiano 188 Philosophical Transactions

Intelligenzblatt der Jenaischen allgemeinen LiteraturZeitung 144, 146

https://doi.org/10.1515/9783111180403-016

57 f.

La Revue Française 216 Roman-Journal 34 Le Temps

Gazette universelle de littérature publiée aux Deux Ponts 206 Le Globe 4, 6, 19, 26, 30–34, 36–39, 51, 132 f., 184, 216 Göttingische Zeitungen von Gelehrten Sachen 73 f., 77

133

216

Ueber Kunst und Alterthum 134–137, 145, 149

4, 10, 12, 36, 38, 131 f.,

Zeitung für die elegante Welt 148 Zur Naturwissenschaft überhaupt, besonders zur Morphologie 55