Die Proportionalwahl finnischen Volksvertretung: Ihre Entstehung, Voraussetzungen und Anwendung [Reprint 2021 ed.] 9783112450888, 9783112450871

148 111 10MB

German Pages 46 [52] Year 1907

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD FILE

Polecaj historie

Die Proportionalwahl finnischen Volksvertretung: Ihre Entstehung, Voraussetzungen und Anwendung [Reprint 2021 ed.]
 9783112450888, 9783112450871

Citation preview

Verlag von VEIT & COMP, in Leipzig

NIETZSCHES PHILOSOPHIE VOM STANDPUNKTE DES MODERNEN RECHTS. Von

Dr. Adelbert Düringer, Iteiclisgerichtsrat.

8.

1906.

eleg. kart.

2 Jt.

Inhalt. Einleitung. — Nietzsches Philosophie und der Staat. — Nietzsches Philosophie und die Frau. — Der Ubermensch. — Nietzschcs Philosophie und das Verbrechen.

DIE PROPORTIONALWAHL ZUK

FINNISCHEN VOLKSVERTRETUNG IHRE ENTSTEHUNG VORAUSSETZUNGEN UND ANWENDUNG

VON

DR. GEOKG VON WENDT IN HELSINGFORS

LEIPZIG V E R L A G VON VEIT & COMP. 1906

Druck von Metzger & Wittig in Leipzig.

Einleitung. Die Idee der proportionalen Wahl ist wohl ursprünglich aus der Kränkung des Kechtsgefühles entsprungen, welche in der gewöhnlichen Majoritätswahl liegt. Das „Recht der Minoritäten" war das Schlagwort, um das sich die Proportionalisten aller Länder sammelten. Vielen Idealisten erschien das proportionale Wahlsystem schon wegen des Vorteils, welchen es dem Schwächeren einräumen sollte, als das Ideal, nach welchem der moderne Staat zu streben habe. Ein für allemal sei jedoch hervorgehoben, daß eine derartige Anschauungsweise sich auf phantastische Spekulationen gründet und durchaus nicht der Proportionalwahlidee entspricht. Man kann keineswegs behaupten, daß eine durch eine Proportional wähl gewählte Repräsentation eine typische M i n o r i t ä t s v e r t r e t u n g wäre — sie ist im Gegenteil gerade eine typische M a j o r i t ä t s v e r t r e t u n g — typisch, sage ich, weil nur durch eine proportionale WTahl die faktische Majorität des Landes zu ihrem Rechte gelangt, und nicht eine scheinbare Majorität, deren Sein oder Nichtsein oft auf einem Zufalle beruht, deren Zustandekommen vielleicht das Werk einer Wahlintrigue ist. Es ist wahrlich ein eigenartiger Federkrieg, dem man in der Presse und in der Literatur überhaupt begegnet, wenn es gilt, die Majoritätswahl über die Proportionalwahl zu stellen. Man macht sich einer Inkonsequenz nach der andren schuldig; vor allem fällt die eigentümliche Neigung in die Augen, die Proportionalwahl und die Majoritätswahl einander als Gegensätze gegenüberzustellen. l*



4



G e o r g Meyer sagt hierüber in seiner bekannten Arbeit „Das parlamentarische Wahlrecht": „Außerdem sind Proportionalwahl und Majoritätswahl keine absoluten Gegensätze. Der von den Anhängern der ersteren gerügte Ubelstand unserer jetzigen Einrichtungen besteht namentlich darin, daß innerhalb jedes örtlichen Wahlkreises die Majorität entscheidet. Diese Einrichtung kann, wie oben gezeigt worden ist, dazu führen, daß eine Partei, welche im Lande die Majorität besitzt, im Parlamente in der Minorität bleibt. Dem gegenüber kann ein Proportional Wahlsystem, welches das ganze Land als einen einzigen Wahlkreis behandelt, den Erfolg haben, die Majorität zur Herrschaft zu bringen, derjenigen Partei, welche die Mehrheit im Volke besitzt, dieselbe auch im Parlamente zu verschaffen." Die Majoritätswahl, wie sie sich heutigen Tages zeigt, in den meisten Staaten auf eine Wahl in Einmannskreisen beschränkt, ist eine Proportionalwahl in ihrer rudimentärsten und unvollkommensten Form — eine Wahl, bei welcher die Möglichkeit für die verschiedenen Parteien, sich gegeneinander geltend zu machen, auf ihrer relativen, in den verschiedenen Wahlkreisen sehr variierenden Zahl beruht, sowie auf der größeren oder geringeren agitatorischen Energie, welche entwickelt wird. Der jetzt in den meisten Staaten aufgegebenen Standesvertretung lag dieselbe Idee zugrunde, wie der proportionalen Wahl im gewöhnlichen Sinne — die Idee, daß bei der Entscheidung allgemeiner Fragen den verschiedenen Interessen gleiches Recht zuerkannt werden soll. In einer längstvergangenen Zeit, als diese Standesvertretungen eingerichtet wurden, kümmerte man sich nicht so genau um die Anzahl der Personen, welche jede Interessenrichtung vertraten; die einfache Gliederung in Adel, Priester, Bürger und Bauer repräsentierte eine den vier Hauptinteressenrichtungen, sowie den sozialen Verhältnissen der damaligen Zeit entsprechende Einteilung. Die einfache, meist indirekte Majoritätswahl in Einmannskreisen, wie sie in vielen Staaten bei der Wahl zum Bauernstande (oder zur zweiten Kammer) vorkam, muß als äußerst glücklich betrachtet werden, da sie in einem und demselben Allgemeininteresse die verschiedenen Gruppeninteressen zu ihrem Recht gelangen ließ, denn diese Gruppeninteressen beruhten in den meisten Fällen auf verschiedenen lokalen Verhältnissen.



5



Für die Zusammensetzung des ersten Standes der Standesvertretung — des Ritter- und des Adelstandes — bestanden j a in der Praxis nie Wahlgrenzen. — Kamen mitunter Wahlen vor, so umfaßten diese den Adel weiter Gebiete. Desgleichen wurden die Wahlen im Priesterstande bistumsweise, d. h. in so ausgedehnten Gebieten vorgenommen, daß bei den Wahlen aus diesem Stande kaum von Wahlgrenzen die Rede sein kann. Was den Bürgerstand betrifft, so bildete in den meisten Fällen jede Stadt einen Wahlkreis, obgleich der Einwohner einer Stadt in jeder andren wählbar war, und in den größeren Städten entstanden so Listenwahlen. Die beiden ersten Stände sind in den meisten Staaten zur ersten Kammer der Repräsentation früher oder später umgebildet worden und haben als solche im Laufe der Entwicklung immer mehr an Bedeutung verloren. Aus dem dritten und vierten Stande zusammen ging die zweite Kammer der Landesvertretung hervor, und das Wahlsystem, an das sich speziell die Landbevölkerung gewöhnt hatte, wurde für die vom Volke gewählte Kammer aptiert. So kam man dazu, ein Majoritätswahlsystem mit engen Wahlkreisen beizubehalten — ein Wahlsystem, das in einer vergangenen Zeit, wo die Interessenverschiedenheiten des Volkes hauptsächlich von der Ortlichkeit abhingen, wie gesagt, wohl geeignet war, das aber in seiner Anwendung für die Wahl einer modernen Volksvertretung nicht nur in einer großen Anzahl von Fällen vom staatlichen Opportunitätsgesichtspunkte aus unglücklich, sondern auch in sozialpolitischer, rechtlicher und moralischer Hinsicht mit Ubelständen verbunden ist, deren Größe man nicht unterschätzen darf. Als ein Moment, das viel dazu beigetragen hat, der gewöhnlichen Majoritätswahl zu der Hegemonie zu verhelfen, welche sie gegenwärtig besitzt, ist, abgesehen davon, daß die Idee der proportionalen Wahl so spät entwickelt worden ist, zweifellos deren mangelhafte Technik, speziell in früheren Perioden, zu bezeichnen. Gleichwohl sieht man nicht ohne Bitterkeit, mit wie dürftigen Waffen die Antiproportionalisten in den meisten Ländern den Kampf gegen die Proportionalität geführt haben und noch führen. Anstatt die Bedeutsamkeit der Proportionalitätsidee anzuerkennen und wenigstens nicht dem Bestreben des Proportionalismus entgegenzuarbeiten, die augenscheinlichen und schweren



6



Mängel zu entfernen, welche den bislang vorgeschlagenen Systemen anhaften, hat man diese Schwächen und Unvollkommenheiten benutzt, um die Proportionalitätsidee selbst zu bekämpfen. Fragt man sich, welche Motive in der Regel den Kampf gegen die proportionale Wahl diktiert haben, so ist ohne Zweifel die kurze Antwort: parteiopportunistische Berechnungen und politische Engherzigkeit. Man hält sich an die Majoritätswahl, blind für die geradezu traurige Ausartung, zu welcher gewöhnlich dieselbe, besonders in Ländern mit ausgedehntem Wahlrecht, nicht selten geführt hat, eine Ausartung, welche es mit sich brachte, daß der Repräsentation eine Menge Elemente zugeführt wurden, für welche Recht und Pflicht gegenüber den Parteiinteressen, welche sie vertreten, nur gering wiegen. Solange bei der politischen Wahl die Idee alleinherrschend ist, daß man vor allem die Gegenpartei zu unterdrücken habe — solange die Auffassung sich geltend macht, es gereiche zum Besten des Vaterlandes, wenn die Mitbürger bei der politischen Wahl einander zu Haß und Mißtrauen aufstacheln — solange Kompromisse nur dann vorkommen, wenn es gilt, einen gemeinsamen Gegner zu unterdrücken, solange wird sicherlich aus der politischen Wahl nur Bitterkeit und Haß entsprießen, solange wird für die große Mehrzahl der Volksvertreter in vielen Fällen das Parteiinteresse über die Forderungen des Rechtes gehen, und man wird nicht unterscheiden können, was die Machtstellung der Partei und was das Wohl des Vaterlandes erfordert. Was die theoretische Anschauung betrifft, welche einige Antiproportionalisten in die Bresche schoben, nach welcher die proportionale Wahl nicht imstande wäre, eine Majoritätspartei zu bilden, welche im Parlamente die feste Stütze der Regierung bilden könnte, so ist sie eine Spekulation, welche jeder durch die Erfahrung bestätigten reellen Grundlage entbehrt. Existiert im Lande eine wirkliche Majorität, so wird dieselbe, wenn nicht die proportionale Wahl in enge Wahlkreise gedrängt wird, in der Kammer die ihr gebührende Stellung einnehmen. Wie geneigt wird nicht die Majorität in einer durch Majoritätswahl gewählten Kammer sein, ihre faktische Stärke zu überschätzen, wenn man bedenkt, wie schwer es der Majorität ist, diese Stärke zu berechnen. Die Anzahl der Abgeordnetenmandate



7



ist ja nach der Anzahl der Wähler berechnet, derart, daß auf eine gewisse Anzahl Wähler ein Mandat entfällt. Das Majoritätsprinzip erkennt jedoch der stärkeren Sammlung Wähler den Anteil des Mandates der schwächeren zu, und welche Kombinationen in den einzelnen Wahlkreisen die stärkere Sammlung geschaffen haben, läßt sich, besonders wenn es sich um mehrere an der Wahl beteiligte Parteien handelt, meist nicht feststellen. Die alte Erfahrung, was mit Unrecht gewonnen, ist bald zerronnen, hat sich mehr als einmal in bezug auf die Stabilität der Parlamentsmaj oritäten bewahrheitet.

Georg Meyer („Das parlamentarische Wahlrecht") sagt über die proportionale Wahl im allgemeinen: „Je kleiner die Wahlkreise sind, und eine je geringere Zahl von Abgeordneten sie zu wählen haben, desto leichter ist das System der Proportionalwahl durchführbar, desto geringer aber auch die Aussicht auf einen durchschlagenden Erfolg. Je größer die Wahlkreise und je zahlreicher die in denselben zu wählenden Abgeordneten, desto eher wird es die Zwecke, welche damit verfolgt werden, zu verwirklichen imstande, desto schwieriger wird aber seine Ausführung sein." Es dürfte kaum einem Zweifel unterliegen, daß in den allermeisten Fällen in einem engen Wahlkreise überhaupt nicht von einer proportionalen Wahl die Rede sein kann, daß vielmehr die proportionale Wahl in Wahlkreisen, wo nur einige wenige Abgeordnete zur Wahl stehen, nichts weiter als eine verdeckte Majoritätswahl ist. Je nach der Parteiverteilung und den lokalen Verhältnissen kann ja die Größe der Wahlkreise verschieden bestimmt werden: es kann geradezu als Zwang erscheinen, das Ideal „das ganze Land ein Wahlkreis", einzuschränken. Wenn aber die Einschränkung unter eine Anzahl von 10 bis 20 Abgeordneten für den Wahlkreis sinkt, so wird auch in den meisten Fällen die Möglichkeit des Zustandekommens einer Proportionalität gefährdet werden. Wenn eine Repräsentation zum Zweck hat, nicht nur den Ausdruck der wirklichen Majorität des Landes darzustellen, sondern auch den der Minoritäten, welche im Verhältnis zu ihrer Stärke und



8



der Anzahl der Abgeordneten in Betracht kommen, so bildet eine richtig angewandte proportionale Wahl innerhalb weiter Wahldistrikte die einzig richtige Grundlage.

Da in den folgenden Kapiteln keine vergleichende technische Prüfung des vorliegenden Vorschlages mit andren Vorschlägen zur Proportionalwahl vorgenommen wird, damit die Klarheit und Übersichtlichkeit des Ganzen nicht leide, so möchte ich in diesem Zusammenhange denjenigen, welche näher mit der Technik der proportionalen Wahl bekannt sind, die Grundsätze darlegen, auf welchen der finnische Vorschlag ruht, und den Platz bestimmen, welchen er bezüglich seines Aufbaus unter andren Systemen einnimmt. Will man eine Repräsentation schaffen, welche auf eine gerechtere Weise, als die durch die Majoritätswahlen gewählte, den verschiedenen Meinungen des Landes Ausdruck verleiht, so kann man dem Problem — wie R o s i n (Minoritätsvertretung und Proportionalwahlen, Berlin 1892) hervorhebt — auf zwei verschiedenen Wegen zu Leibe rücken: dem „empirischen" und dem „rationellen". Diese zwei verschiedenen Arten werden von E o s in folgendermaßen erklärt: „Der Empiriker sieht der sieghaften Majorität eine unterdrückte Minorität gegenüber und geht darauf aus, von den Früchten des Kampfes einen Teil auch der Minorität vorzubehalten; der Rationalist stellt das P r i n z i p auf, daß die Gesamtzahl der Repräsentanten auf die einzelnen Parteien, ihrer Stärke entsprechend, zu verteilen sei, woraus sich die Vertretung der Minoritäten als Folgerung ableitet." Wenn ich noch hinzufüge, daß ein konsequenter Rationalist dem Individualismus Rechnung tragen muß, d. h. das Stimmrecht der sog. „Wilden" nicht beschränken darf, so ist wohl der Hauptpfad der Rationalisten angegeben. Der Empirismus, wie er von R o s i n angegeben wird, ist ein Palliativ; es hat als solches nur Bedeutung als eine übrigens nunmehr keineswegs so notwendige Entwicklungsphase auf dem Wege zu einem befriedigenden rationellen System. R o s i n teilt die empirischen Systeme in zwei verschiedene Gruppen:



9



1. Solche, welche eine künstliche Schwächung der Majorität bezwecken. 2. Solche, welche eine künstliche Verstärkung der Minorität bezwecken. Zur e r s t e r e n Gruppe gehört das System mit „eingeschränkter Stimmgebung", französisch „vote limité", d. h. das System, nach welchem jeder Wähler nur für einen Teil der Anzahl Repräsentanten stimmen darf, die der Wahlbezirk das Recht hat, zu wählen. Zur z w e i t e n g e h ö r e n alle kumulativen Systeme. Zu den empirischen Systemen rechnet- R o s i n schließlich das B u r n i t z - Y a r r e n t r a p p s c h e Rangordnungssystem. Dieses bezweckt nach R o s i n gleichzeitig eine Verstärkung der Minorität und eine Schwächung der Majorität. Das B u r n i t z - V a r r e n t r a p p s c h e System zu den empirischen zu rechnen, halte ich meinerseits für wenig glücklich. Ohne Zweifel schwebte B u r n i t z und V a r r e n t r a p p , als sie den Namen auf der Liste der Reihe nach die Stimmwerte 1, 1 j 2 , Vs» 7* u s w - erteilten, der mathematische Gedanke der fallenden Quotienten vor, welcher in der Verteilungsregel, die den Namen des Belgiers d ' H o n d t trägt, seinen besten Ausdruck gefunden hat. Ich möchte das B u r n i t z - V a r r e n t r a p p s c h e System ein individualistisch rationelles System nennen, dessen Fehler ist, daß es in der Praxis nicht mit den Parteien rechnet, welche durch selbstsüchtige Ausnutzung der außerordentlich großen Freiheit, die das System gewährt (speziell durch zyklische Permutationen), das proportionale Resultat gänzlich verdrehen können. Jedenfalls aber halte ich den B u r n i t z - V a r r e n t r a p p s c h e n Vorschlag in bezug auf die Technik der proportionalen Wahl für so bedeutungsvoll, daß ich mich nur über die geringe Aufmerksamkeit wundern kann, welche man demselben in Deutschland geschenkt hat. Gehen wir nun zu den rationellen Systemen über, so begegnen wir hier nach Rosin zwei Hauptformen: 1. der p r o p o r t i o n a l e n E i n z e l w a h l , 2. der p r o p o r t i o n a l e n L i s t e n w a h l . Die erste Hauptform geht vom Prinzip aus: „ein Mann — eine S t i m m e — ein K a n d i d a t " . Ihre ersten Vertreter waren der Däne A n d r ä und der Engländer T h o m a s Hare. Geschieht die Wahl nach diesem System öffentlich, und handelt es sich nur um eine geringe Anzahl Wähler und Ab-



10



geordnete, so läßt sich das System ohne allzu große Schwierigkeiten durchführen, wenngleich stets, um die Verteilung der Mandate zu erleichtern, eine Probewahl vorausgehen muß (wenn es sich nicht, wie in Dänemark, um die letzte Phase einer indirekten Wahl handelt). Doch macht die Notwendigkeit der Probewahl den H a r e sehen Vorschlag unpraktisch und viel weniger anwendbar als die meisten andren, so daß seine Bedeutung wohl hauptsächlich in dem außerordentlich großen Einflüsse liegt, den er auf die Erweckung des Interesses für die Proportionalwahl und deren Entwicklung gehabt hat. Die zweite H a u p t f o r m , die p r o p o r t i o n a l e L i s t e n w a h l oder die sog. Listenkonkurrenz geht primär von folgendem Prinzipe aus: „Die Wähler einigen sich über verschiedene Listen, von denen jede so viele Namen enthält, als der Wahlkreis berechtigt ist, Abgeordnete zu wählen; jeder Wähler stimmt für eine Liste; gewählt sind so viele der ersten Kandidaten der Listen, als der Anzahl der für jede Liste abgegebenen Stimmen entspricht." Die proportionale Listenwahl hat gleich dem H a r e sehen Systeme eine außerordentliche Bedeutung in der Geschichte der proportionalen Wahl gehabt. Vor allen Dingen hat sie einen Übergang von der Form eines Rechenexempels zur praktischen Anwendung bei einer allgemeinen Wahl ermöglicht. Der bedeutendste Beitrag wurde hierbei vom belgischen Rechtsgelehrten V i k t o r d ' H o n d t mit seiner grundlegenden Arbeit „Système pratique et raisonné de représentation proportionelle" geliefert. Wenngleich das H a r e sehe System und die Listenkonkurrenz beim ersten Anblick als Gegensätze erscheinen, so ist dieser Gegensatz gleichwohl nur scheinbar. Soll das heimliche Wahlrecht bei der Anwendung der Einzelwahl ungekränkt gewahrt werden, so muß der Wähler auf seinem Wahlzettel Reservenamen aufnehmen können, damit seine Stimme nicht verloren gehe, falls derjenige, für den er in erster Reihe stimmte, schon gewählt sein sollte, d. h. eine so große Anzahl Stimmen erhalten hätte, als durch die Verteilungszahl angegeben ist. J e größer die Partei ist, welcher der einzelne Wähler angehört, um. so größer muß die Anzahl der Namen sein, die er auf seinen Stimmzettel setzt (d. h. um so größer muß seine „Wahlliste" sein), denn in einer großen Partei sind die Wahrscheinlichkeiten für sog. Stimmenhäufung groß.



11



Die Listenwahl kann somit leicht als Einzelwahl gedeutet werden, indem man annimmt, daß jeder Listenstimmzettel einen Hauptnamen repräsentiert mit einer genügenden Menge Keservenamen; der eigentliche Unterschied liegt auch nicht so sehr in der Liste, als vielmehr im Verhältnis des einzelnen Wählers zur Liste. Auch ist es nur die extreme Form dieser beiden Haupttypen, welche deren, praktisch genommen, nahe Verwandtschaft durch einen scheinbaren Gegensatz verbirgt. Verläßt man das Prinzip, daß jede Liste so viele Namen enthalten muß, als sich Mandate finden, und gibt man dazu dem Wähler eine gewisse Freiheit hinsichtlich der Ordnungsfolge seiner Kandidaten, so ist damit auch eine Mischform zwischen der Einzelwahl und der reinen Listenwahl gegeben. Diese Mischform ist es eigentlich auch, welche sich auf eine für die Zukunft vielversprechende Art entwicklungsfähig erwiesen hat. Die größten Fortschritte auf diesem Gebiete knüpfen sich an die Namen S m e d t , de B o r m a n , P i r m e z (1887), H a g e n b a c h B i s c h o f f (1896), S i e g f r i e d (1897) und beziehen sich auf die Anwendung der sog. Listenverbindungen. Unter Listenverbindungen versteht man eine Institution, nach welcher verschiedene Gruppen ihre gegenseitigen Wahllisten genehmigen können insoweit, als die Stimmen, über welche eine Gruppe verfügt, und von denen aus irgendeiner Veranlassung nicht alle zugunsten der eigenen Liste gebraucht werden können, von den andren zum Verbände gehörenden Listen nach Bedürfnis benutzt werden können. Die Listenverbindung bezweckt, eine Dezentralisation zustandezubringen und der Zentralisation entgegenzuwirken, welche die reine konkurrierende Listenwahl auch bei jedem beliebigen System hervorzurufen große Neigung gezeigt hat. Die durch die Zentralisation entstandene lange Parteiliste, und die große Macht, welche hierdurch der zentralen Parteileitung zukommt, waren die Hauptgründe, weshalb man an der proportionalen Wahl in ihrer gegenwärtigen Form Anstoß nahm, j a auf hiermit in Zusammenhang stehende Umstände stützten die Antiproportionalisten einige ihrer schwerwiegendsten Argumente gegen die Proportionalität. Das am feinsten abgewogene Listenverbindungssystem ist bis auf weiteres das von S i e g f r i e d bei der Verfassungsreform in Württemberg 1897 vorgeschlagene. Sein größter Fehler besteht



12

-

darin, daß es, wie G e o r g Meyer hervorhebt, sehr verwickelt ist, wo es sich um seine praktische Anwendung bei einer allgemeinen Wahl handelt. Ich will auf keine Kritik des Siegfriedschen Vorschlages eingehen; es genügt, wenn ich sage, daß er einen großen Einfluß auf den finnischen Vorschlag gehabt hat, wenn auch dieser jetzt scheinbar bedeutend von ihm abweicht. Für den finnischen Vorschlag sind folgende Grundsätze maßgebend gewesen: 1. Die einzelne Wahlliste ist beschränkt und darf nur einige wenige Namen (im Wahlgesetze 3 Namen) enthalten, beispielsweise : / 5 bis 1/7 der Mandate, welche dem Wahlkreise zukommen. 2. Der Wähler bestimmt die Reihenfolge der Kandidaten der einzelnen Liste, indem er ihnen die Stimmzahlen 1, 1 / 2 , 1 / 3 usw. zuerteilt, je nach der Ordnung, in welcher er die Wahl der Vorgeschlagenen unterstützt. Die Summe der Stimmenzahl, die jeder Kandidat somit erhalten hat, bestimmt seinen schließlichen Platz auf der Liste. 3. Die Listen dürfen nach Ubereinkommen zwischen den Wählergruppen, welche sie aufgestellt haben, verbunden werden, was dann den einzelnen Gruppen die Vorteile zusichert, welche in der Listenverbindung enthalten sind. 4. Alle vorgeschlagenen Listen werden in den gemeinsamen Wahlzettel, den „offiziellen Stimmzettel", des Wahlkreises aufgenommen. 5. Die „Wilden" dürfen keine aparten Stimmzettel haben, sondern müssen an eine auf- dem offiziellen Stimmzettel befindliche offene Stelle die wenigen Namen einführen, welche sie das Recht haben zu schreiben, wobei gerechnet wird, daß der erste Kandidat 1 Stimme erhalten hat, der zweite 1 / 2 , der dritte 1/3 usw. Das System folgt, wie man sieht, dem Prinzip der obligatorisch beschränkten Listen und Listenverbindungen und die Dezentralisation ist somit zum Prinzip erhoben. Ein nach den Grundsätzen der 3 ersten Punkte ausgearbeiteter Vorschlag nebst einer den Verhältnissen angepaßten Angabe über eine geeignete Behandlung der gemeinsamen Kandidaten wurde von mir im Herbst 1905 dem finnischen Repräsentationsreformkomitee vor-



13



gelegt und bildet die Grundlage des Vorschlages, welcher am 20. Juli 1906 von Sr. Majestät dem Kaiser und Großfürsten gutgeheißen worden ist, nachdem es yom finnländischen Landtage angenommen worden war. Die Entwicklung und Vervollkommnung, die meinem ursprünglichen Vorschlage zuteil geworden, verdankt derselbe vor allem der großen Mühe und dem Interesse, welche das Repräsentationsreformkomitee ihm unter der Leitung von Herrn Prof. K. H e r m a n s o n widmete, und speziell der Arbeit der Herren Senator J . S e r l a c h i u s , Prof. Th. H o m e n und Prof. E. L i n d e l ö f , gleich mir Mitglieder des Subkomitees zur Abfassung der Wahlgesetze. Ich habe hier, wie man sieht, nur die allgemeinen Grundsätze des finnischen Systems angegeben, da der innere Bau mit völliger Deutlichkeit aus der nachfolgenden Darlegung hervorgeht. Ich glaubte mich in dieser Darstellung jeglicher Kritik andrer Systeme sowie aller Einzelheiten enthalten zu müssen, und habe nur so viel hervorgehoben, als nötig war, um dem Leser den genetischen Zusammenhang zwischen dem finnischen Systeme und den früher vorgeschlagenen Systemen völlig klarzulegen. Im Anschluß hieran wollte ich nicht auf die Frage der relativen Anwendbarkeit und Berechtigung verschiedener Wahlquoten eingehen. Allseitig ist ja das Gerechte in der d ' H o n d t sehen Verteilungsregel anerkannt, und die H a g e n b a c h - B i s c h off sehe Wahlquote ist ja nichts weiter als eine Umkleidung der d ' H o n d t schen Verteilungsregel. Solange man an einer bestimmten Zahl von Abgeordneten festhalten will, scheint eine andre Verteilung als die von d ' H o n d t und H a g e n b a c h - B i s c h o f f angegebene nicht in Betracht kommen zu können. Die Behandlung der gemeinsamen Kandidaten, wie auch die von mir vorgeschlagene eigenartige Anwendung, welche die d ' H o n d t sehe Verteilungsregel im Anschluß hieran erhalten hat, ergibt sich so deutlich aus dem unten Angeführten, daß kein Grund vorzuliegen scheint, hier näher darauf einzugehen.

Da die Größe der Wahlkreise von so außerordentlicher Bedeutung für das proportionale System und seine Anwendung ist,



14



glaubte ich diese Frage von einigen verschiedenen Gesichtspunkten aus, wenn auch in größter Kürze, berühren zu müssen, bevor ich auf das System selbst übergehe. Ich will hier ausdrücklich bemerken, daß das Wahlsystem, worüber ich hier berichte, auf große Wahlkreise (10 bis 30 und mehr Abgeordnete) basiert ist, und daher, wenn es in verhältnismäßig kleinen Wahldistrikten mit einer sehr beschränkten Wählerzahl zur Anwendung kommen soll, in vielen Punkten verändert werden muß.

Die Wahlkreise und ihre Grösse. Rechtsstandpunkt. Eine der Grundforderungen der bürgerlichen Gesellschaft ist, daß das Gesetz a l l e n g l e i c h e s R e c h t geben soll. Dieses gilt nicht nur vom Strafgesetz, sondern von jedem Gesetz, nach welchem sich die bürgerliche Gesellschaft zu richten hat, somit auch vom Wahlgesetz. Nehmen wir Beispiele dafür, wie Wahlgrenzen das Rechtsprinzip kränken. Die Parteien A, B und C usw. werden in einer Gegend des Landes schematisch folgendermaßen repräsentiert: . . . A 500, A 250, B 270, C 180, B 280, C 670 . . . Zieht man nun die Wahlgrenzen wie folgt: . . . | A 500, A 250, B 270 | C 180, B 280, C 670 | . . . so haben wir Einmanns- oder z. B. Dreimannswahlkreise mit proportioneller Wahl und B e r h ä l t k e i n e n R e p r ä s e n t a n t e n . Ziehen wir die Wahlgrenzen beispielsweise: . . . A 500, A 250 | B 270, C 180, B 280 | C 670 . . . so erhält allerdings B einen Repräsentanten, C hingegen wahrscheinlich keinen usw. Mit andren Worten: D i e W a h l g r e n z e k r ä n k t s t e t s j e m a n d e s R e c h t — und damit auch das Prinzip der absoluten Gerechtigkeit. Es kann nicht zu oft hervorgehoben werden:



16



Die M i n o r i t ä t e n h a b e n d a s s e l b e R e c h t wie die Maj o r i t ä t e n . Den Mitbürgern darf also die Möglichkeit zur Mitarbeit nicht auf künstliche Weise beschnitten werden. Der ganze bürgerliche Staat ruht ja auf dem Prinzip der gemeinsamen Arbeit. Wenn auch der Wille der Repräsentation schließlich in gewissem Grade mit dem ihrer Majorität identisch sein muß, so folgt hieraus keineswegs, daß man eine künstliche Kammermajorität schaffen soll, die eine wahre Karikatur des Volkswillens ist. Man kann durchaus nicht sagen, daß eine Partei deshalb repräsentiert ist, weil einige gleichnamige Fraktionen in einigen Wahlkreisen Vertreter erhalten haben; denn nur in dem Falle, daß alle Fraktionen der Partei ungezwungen ihren Ansichten in Bezug auf die Vertretung der Partei Ausdruck geben konnten — nur wenn der Wettbewerb der einzelnen Gruppen in der Partei die besten Elemente wenigstens relativ unabhängig vom Zwang der Parteileitung zu ihrem Rechte gelangen ließ, wird man sagen können, daß die Richtung, welche die Partei repräsentiert, so vertreten ist, wie es sich gehört. Hierzu ist aber ein Zusammenarbeiten der verschiedenen Fraktionen der Partei erforderlich — ein Zusammenarbeiten, das nicht von willkürlichen Grenzen bebindert wird —, ein Zusammenarbeiten, dessen Resultat nicht darauf beruht, wie gut es gelingt, andre Parteien zu unterdrücken, sondern mit welcher Kraft man es versteht, sich um die leitende Idee und ihre Träger in der eigenen Partei zu sammeln. Die Unmöglichkeit eines direkten Zusammenarbeitens über die Wahlgrenzen hinaus ist nicht allein eine Kränkung der individuellen Freiheit, sondern vielleicht auch eine der wichtigsten Ursachen, weshalb die politische Wahl das geworden ist, was sie oft ist, nämlich ein wahres Glücksspiel. Wie oft ist nicht der Kompromiß, der durch die Teilnahme der Minoritäten an der Wahl gegeben ist, entscheidend für den Ausgang derselben in einem „Einmannskreise". Die Rechtskränkung, welche eine Folge der geographischen Wahlgrenzen ist, hat alle die andren Rechtskränkungen im Gefolge, welche mit dem politischen Streite zusammenhängen — Zersplitterung anstatt Sammlung — ein Ausschreien und Pointieren der Gegensätze statt deren Ausgleich — eine hochgradige Erschwerung des Zusammenarbeitens, dessen möglichste Erleich-

-

17



terung doch von so außerordentlicher Bedeutung für eine gesunde und harmonische Entwicklung des Staates ist. Wie viele Volksvertreter haben sich nicht obenstehendes gesagt? Solange parteipolitische Opportunitätsbereclinungen mehr wiegen als die Forderungen des Rechts, solange wird die Wahlgeographie, welche die Majorität geboren, letzterer höher stehen als das Wohl des Vaterlandes, und in der Regel können Majoritätsparteien erst, wenn dieselbe Wahlgeographie die so liebgewordene Machtstellung bedroht, also nur mit dem Messer an der Kehle, gezwungen werden, auf Recht und Billigkeit zu hören. Sozialpolitische Gesichtspunkte. Die praktische Erfahrung hat gezeigt, daß in einem Lande mit allgemeinem Stimmrecht die Bevölkerung im großen und ganzen früher oder später in zwei Klassen zerfällt, die „besitzliche" und die „unbesitzliche" Klasse. Der Gegensatz der Interessen wird dadurch geschaffen, daß die unbesitzliche Bevölkerung, wenn sie erst einmal — wie dies bei allgemeinem Stimmrecht geschieht — Machtmittel in ihre Hand bekommt, Neigung hat, zu große ökonomische Anforderungen an die besitzliche Klasse zu stellen, teils aus mangelnder nationalökonomischer Einsicht, teils im Gedanken, derart der Kapitalanhäufung entgegenzuarbeiten. Der nationalökonomische Effekt der unvernünftig erhöhten Anforderungen an die besitzliche Bevölkerung ist keineswegs der, welchen die unbesitzliche Bevölkerung beabsichtigt — eine gerechtere Verteilung des Kapitals. Das Kapital ist im großen und ganzen internationaler Natur. Aus dem Lande, wo es hart besteuert ist, verzieht es sich und mit ihm der persönliche Unternehmungsgeist allmählich in die Länder, welche ihm und dem Unternehmungsgeiste die besten Konjunkturen bieten. Die Unbesitzlichen bewirken somit durch ihre Forderungen keineswegs ihre eigene Bereicherung, sondern eine Verarmung des Landes — eine Verarmung ihrer Arbeitgeber, was anstatt einer Verbesserung eine Verschlechterung ihrer eigenen Stellung mit sich führt. Die Gesetzgeber müssen daher im Interesse des Landes, soweit es die G e r e c h t i g k e i t gestattet, danach suchen, die besitzliche Bevölkerung zu schützen. v. W e n d t , Proportionalwabl.

2



18



Statistisch wissen wir, daß die „unbesitzliche" Bevölkerung in vielen Landesteilen weit zahlreicher ist, als die „besitzliche". Durch direktes Zählen der „Unbesitzlichen" und der „Besitzlichen" erhalten wir die Yerhältniszahlen dieser beiden Klassen. Haben wir einen Einmannsmajoritätswahlkreis, so zeigt uns die Berechnung, wenn beispielsweise das Verhältnis der „Besitzlichen" zu den „Unbesitzlichen" = 1,239:4,178 beträgt, daß die mathematische Wahrscheinlichkeit für die „Besitzlichen", einen Repräsentanten zu erhalten, = 0 ist. Erst wenn der Wahlkreis so groß geworden ist, daß er vier Mann umfaßt und wir proportionelle Wahlen haben, ist die mathematische Wahrscheinlichkeit für die „Besitzlichen" von 0 auf 1 gestiegen. Ist der Wahlkreis bedeutend größer, so kommen beispielsweise bei einer gewissen Größe des Wahlkreises 12 „Besitzliche" auf 41 „Unbesitzliche", also ein weiterer Zuschuß für die „Besitzlichen". Mit j e d e r E r h ö h u n g der G r ö ß e der W a h l k r e i s e e r h ö h e n wir die C h a n c e n der M i n o r i t ä t , bis wir bei e i n e m d a s g a n z e L a n d u m f a s s e n d e n W a h l k r e i s e die günstigste Situation erreicht haben. Jede Einschränkung der Größe der Wahlkreise unter diese Norm „das Land ein Wahlkreis" muß durch ganz besonders schwerwiegende Gründe bedingt sein, da wir im selben Augenblicke überhaupt jede Minorität unrechtmäßig schwächen und die jeglichen Majoritäten stärken. Dies ist eine sowohl aus nationalökonomischen wie aus vielen andren Hinsichten wichtige Basis, worauf der Gesetzgeber zu bauen hat. Kann er aus wahltechnischen Gründen nicht das ganze Land als Wahleinheit anwenden, so möge er im wahren Interesse des Landes zusehen, daß die Wahleinheiten so groß als möglich werden. W a h l t e c h n i s c h e G e s i c h t s p u n k t e im weiteren Sinne. In einem nicht allzu undicht, einigermaßen gleichmäßig bevölkerten Lande liegt in wahltechnischer Hinsicht kein Hindernis vor, das ganze Land als Wahleinheit zu betrachten. Anders verhält es sich mit einem Lande, das teilweise undicht, teilweise recht dicht bevölkert ist. Die undicht bevölkerten



19



Teile werden ungünstiger gestellt sein als die dichter bevölkerten, vor allem deshalb, weil die Beteiligung an den Wahlen weit größeren Schwierigkeiten begegnet. Ungünstige Naturverhältnisse am Wahltage (bezw. den Wahltagen) können für einen undicht bevölkerten Landesteil von verhängnisvoller Bedeutung sein, da sich ein nicht geringer Teil der Wähler außerstande sähe, sich an die Wahlorte zu begeben, und das Gebiet daher ohne Vertreter bliebe. Finnland und Schweden bilden Beispiele für Länder, wo aus technischen Gründen die geographischen Wahlgrenzen nicht ganz ausgeschlossen werden können. In verschiedenen Teilen des nördlichen Finnlands kann wegen der außerordentlich undichten Bevölkerung von proportionellen Wahlen überhaupt nicht die Rede sein. Die indirekte Majoritätswahl wäre wohl für diese Landesteile diejenige Wahlart, bei welcher die Wähler den geringsten Ungerechtigkeiten ausgesetzt wären. Aber auch die übrigen Teile des Landes können gerechterweise nicht zu einem Wahlkreis vereinigt werden. Dies ersieht man unmittelbar aus einer Karte der Bevölkerungsdichtigkeit. Eine reichliche Teilnahme an der Wahl in den südlichen und südwestlichen, dicht bevölkerten Teilen des Landes würde zweifellos zur Folge haben, daß die weniger dicht bevölkerten Teile im Innern des Landes verhältnismäßig wenig Vertreter erhielten. Wenngleich eine Wahlordnung keineswegs so beschaffen sein muß, daß sie, unabhängig davon, wie viele an der Wahl teilnehmen, nur die gebuchte Menge Wähler prämiiert, so darf deshalb die Wahlordnung doch nicht ins entgegengesetzte Extrem verfallen, und die Macht nur denjenigen zuerteilen, welche nicht nur wegen größeren Interesses an den Wahlen, sondern auch infolge der Leichtigkeit, womit sie ihr Wahlrecht benutzen können, an der Wahl teilnehmen. Die erstere würde nur Rücksicht auf das Recht der sog. l a t e n t e n oder p a s s i v e n I n t e r e s s e n nehmen, ein schwerer Fehler, dessen sich leider die Gesetzgeber fast überall schuldig gemacht haben. Die letztere wieder ließe den sog. a k t i v e n I n t e r e s s e n ausschließlich recht geben, welches in allen den Fällen ein Fehler ist, wo die Möglichkeit, an der Wahl teilzunehmen, für die verschiedenen Wähler sehr verschieden ist. 9*



20



In einem Lande wie Finnland muß der Gesetzgeber einen Mittelweg einschlagen, um so zur größtmöglichen Gerechtigkeit zu gelangen. Teilen wir das Land in eine Anzahl Wahlbezirke, beispielsweise jedem Gouvernement (län) entsprechend — einige Gouvernements könnten vielleicht mit Vorteil noch in zwei Wahlbezirke geteilt werden •— und verteilen wir, nach der Anzahl der gebuchten Stimmberechtigten in jedem dieser Wahlbezirke eine gewisse Anzahl, sagen wir die Hälfte (9—15 für jeden Kreis), der Gesamtzahl Vertretermandate, so wird jeder dieser Wahlkreise, unabhängig von einer größeren oder geringeren Teilnahme an der Wahl, sicher sein, so und so viele Vertreter in der Volksvertretung zu haben. Die übrigbleibende zweite Hälfte der Vertretermandate wird unmittelbar nach der Wahl unter die Wahlkreise im Verhältnis zur Anzahl der in jedem Kreise abgegebenen Stimmzettel verteilt.1 Mit einem derartigen Verfahren gewinnt man zwei außerordentlich große Vorteile. Fürs erste wird eine lebhafte Teilnahme an der Wahl in einem Wahlbezirke vor allem nicht von dem Bestreben einer Partei abhängen, die andre zu unterdrücken, sondern die Triebfeder einer lebhaften Teilnahme an der Wahl wird in erster Linie von dem Bewußtsein gebildet werden, daß es hierdurch dem Wahlkreise ermöglicht wird, eine verhältnismäßig große Anzahl Vertreter zu erhalten. Dieser Umstand wird in nicht geringem Grade die Parteileidenschaften neutralisieren und somit von großer politischer Bedeutung sein. Der zweite große Vorteil, der gewonnen wird, ist der, daß wir beim Vorhandensein dieser beweglichen Plätze einer berechtigten Forderung Gehör schenken können, indem wir gemeinsame Arbeit über die Wahlgrenzen hinaus gestatten. Diese gemeinsame Arbeit wird natürlich nur für Personen mit Fachinteressen von Bedeutung sein, welche in jedem einzelnen Wahlkreise so spärlich vertreten sind, daß sie nicht auf einen Repräsentanten rechnen können. 1 Ich habe diese Darlegung nicht unterdrücken wollen, obgleich der Vorschlag von der Regierung leider nicht angenommen ist und somit auch nicht zum Gesetz erhoben worden ist.



21



Solche Personen können dann beschließen, beispielsweise im ganzen Lande zusammenzuarbeiten. Sie kommen zu diesem Zweck überein, Wahlzettel eines gewissen gegebenen Wahlkreises zu benutzen. Die hierdurch vermehrte Anzahl abgegebener Wahlzettel in diesem Kreise bedingt eine Vermehrung von Vertretern des Wahlkreises, und darin liegt gerade, daß das betreffende Fachinteresse die Wahl (seines oder) seiner Vertreter in diesem Wahlkreise durchbringen wird. Von welcher Bedeutung dieses sein würde, um die Vertretung der Fachinteressen in der Volksvertretung zu ermöglichen, läßt sich leicht denken. Die Bedeutung derselben für die Künstler und Kunstenthusiasten des Landes, die Techniker, die Gönner und Freunde der Wissenschaften — und für die ganze sachliche Kompetenz der Volksvertretung ist gleichfalls nicht zu unterschätzen. Die Verteilung der Vertretermandate unter die verschiedenen Wahlkreise geschieht leicht und gerecht mit Hilfe der d ' H o n d t schen Verteilungsregel, und kann beispielsweise von einer von Regierung und Volksvertretung gemeinsam gewählten Verteilungskommission gehandhabt werden.

Die Wahlordnung. M o t t o : Gegen eine politisch richtige Lösung des proportioneilen Wahlproblems wiegen einige kleine mathematische Unzulänglichkeiten leicht. Kein System kann jede Möglichkeit der Unehrlichkeit ausschließen. Das System ist am annehmbarsten, welches, ohne die Wahlfreiheit zu beeinträchtigen, dem Wählerwillen den besten Ausdruck gibt und zugleich gegen unehrliche Stimmenoperationen möglichst gut schützt.

Kurzer Entwurf eines Wahlgesetzes, welches die Hauptgründe eines proportionellen Wahlsystems mit so abgepaßten Wahlkreisen enthält, daß die Ortsinteressen völlig gewahrt werden, ohne daß gleichwohl die Grundidee des proportioneilen Systems aufgeopfert wird.1 1. Die Wahlkreise werden durch die Gouvernements (län) des Landes gebildet. (In jedem Wahlkreis werden 20—30 Abgeordnete gewählt.)2 2.

Jeder Wahlkreis wählt so viele Abgeordnete, als von der ganzen gesetzlich bestimmten Anzahl auf ihn entfallen, derart, daß zunächst von den 200 Landtagsmandaten 100 auf die Wahlkreise verteilt werden, und zwar im Verhältnis zur Anzahl der in den Wahlregistern verzeichneten Personen, wonach die übrigen 1 Dieser Vorschlag enthält das Hauptsächliche des neuen finnischen Wahlgesetzes, doch mit gewissen Veränderungen, wobei die abweichenden Bestimmungen des Wahlgesetzes angegeben werden. 2 Im Wahlgesetze werden 15 Wahlkreise bestimmt, und 6 von den 8 Gouvernements in 2 resp. 3 Kreise eingeteilt.



23



100 Mandate nach der in jedem Wahlkreise bei der Wahl abgegebenen Anzahl Stimmen zur Verteilung gelangen. Letztere geschieht durch eine V e r t e i l u n g s k o m m i s s i o n , welche aus drei vom Landtage und drei von der Regierung ernannten Mitgliedern besteht. (Nach dem neuen Wahlgesetze werden die Mandate nach der Anzahl der gebuchten Bevölkerung eines jeden Kreises verteilt.) 3. Drei Monate vor dem Wahltage werden die Wähler eines jeden Wahlkreises aufgefordert, Wählervereine zu bilden. Dem Wählerverein steht zu: a) eine Wahlliste, die nicht mehr als drei Namen enthalten darf, aufzustellen; b) die Wahlliste, die von wenigstens (50) Wählern unterzeichnet sein soll, und welche als Kennzeichen außer dem Heimatsorte auch eine Losung enthalten darf, durch gewählte Bevollmächtigte der Wahlkreiskommission rechtzeitig zu besorgen; und c) nach Belieben einen Wahlaufruf der Wahlliste beizufügen und sich eventuell andren Wählervereinen anzuschließen und einen „ W a h l v e r b a n d " einzugehen. 4. Zwei Monate vor dem Wahltage wird in jedem Wahlkreise eine Wahlkommission ernannt. Der Wahlkommission steht zu: a) die Wahllisten der Wählervereine entgegenzunehmen, zu numerieren und nebst Angaben über Wählerbündnis, Heimatsort, Losung und Wahlaufruf in einer offiziellen Wahlpublikation zu veröffentlichen; b) das Drucken der offiziellen Wahlzettel des Kreises zu besorgen und die Wahlzettel den lokalen Wahlbehörden rechtzeitig zuzuschicken; und c) nach der Wahl die von den lokalen Wahlbehörden eingeschickten Wahlzettel entgegenzunehmen, das Wahlresultat für den Wahlkreis auszurechnen und der Zentralwahlkommission zuzustellen. (Im Gesetze ist das Besorgen zur Zentralkommission natürlich nicht vorhanden, da j a ein jeder Wahlkreis für sich steht.)



24



5. Der offizielle Wahlzettel enthält alle Wählervereinslisten des Wahlkreises. Eine jede Liste ist von Linien umgeben uud mit Nummer, Ortskennzeichen, und eventuell Losung versehen. Die Listen der Wahl verbände, die j e nach der Reihenfolge der Meldungen mit A, B usw. gekennzeichnet sind, werden, von Klammern umgeben, nebeneinander gedruckt. Jeder Wahlzettel soll einen unausgefüllten Raum enthalten. Vor jedem Namen Der offizielle Wahlzettel soll befindet sich ein leerer Raum. zusammenlegbar sein und durch Gummierung verschlossen werden können. 6.

Der Wähler darf für höchstens drei Personen stimmen. E r ist berechtigt, nach eigener Prüfung entweder für eine der Wählervereinslisten zu stimmen oder auch auf den unausgefüllten Raum höchstens drei Namen zu schreiben. Bei der Berechnung der so abgegebenen Stimmen wird dem oberst Befindlichen eine Stimme hinzugefügt, dem zweiten eine halbe und dem dritten eine drittel Stimme. 7. Will der Wähler für eine Wählervereinsliste stimmen, so tut er dieses durch Ziehen eines roten Striches in der entsprechenden Liste. Will er die Ordnung der Kandidaten ändern, so bezeichnet er durch die Ziffer 1 oder e i n e n Strich vor dem Namen, welchen Kandidaten er voransetzen will, durch die Ziffer 2 oder zwei Striche vor dem Namen, welchen er in die zweite Reihe stellt und durch die Ziffer 3 oder drei Striche vor dem Namen, welchen er zuletzt stellt. Es ist dem Wähler unbenommen, einen Wahlzettel aus einem andren Wahlkreise zu benutzen, doch hat er sich zu diesem Zwecke (wenn er will, durch Vermittlung der Post) selbst den gewöhnlichen Wahlzettel zu beschaffen, welcher alsdann als in dem Wahlbezirke abgegeben betrachtet wird, wo er zu Hause ist. (Die hier vorgeschlagene Freiheit ist im Gesetze nicht vorhanden.) 8. Abgegebene Stimmzettel, die als die Wahlliste eines und desselben Wählervereins markiert sind, gelten zusammen als ein-



25



heitliche Stimmgruppe. Enthalten Stimmzettel mit geschriebenen Namen alle drei Namen gemeinsam, so werden auch sie zusammen als einheitliche Stimmgruppe angesehen. (Dieses bezweckt, zyklischer Permutation zuvorzukommen; die Bestimmung ist aber in den meisten Fällen wohl überflüssig und macht dazu noch sehr viel Mühe; dieselbe ist auch auf Veranlassung der Volksvertretung im Wahlgesetz fortgelassen worden.) Stimmzettel, welche nicht alle drei Namen mit einem andren gemeinsam haben, bilden eine Gruppe für sich. 9. Sämtliche Stimmen, welche in einer S t i m m g r u p p e einer und derselben Person zugefallen sind, werden zusammengezählt. Die Größe der S t i m m e n s u m m e n , welche so in einer Stimmgruppe den verschiedenen Kandidaten zufällt, bestimmt ihre Ordnungsfolge in der Gruppe, so daß derjenige, dessen Stimmensumme am größten ist, den ersten Platz erhält, derjenige, welcher die nächstgrößte Stimmensumme hat, den zweiten, der nächste den dritten. Um im Verhältnis zwischen verschiedenen Stimmgruppen die Ordnungsfolge der Kandidaten festzustellen, wird den Kandidaten in jeder Gruppe eine Vergleichszahl zuerteilt, welche durch die ganze Stimmzettelanzahl der Gruppe bestimmt wird, und zwar so, daß der e r s t e in der R e i h e d i e s e g a n z e A n z a h l a l s V e r g l e i c h s z a h l erhält, der z w e i t e die H ä l f t e davon, der d r i t t e ein D r i t t e l . Stimmen, welche ein Kandidat auf geschriebenen Stimmzetteln erhält, werden zusammengezählt. Die Summe dieser Stimmen ist seine Vergleichszahl. Diese Vergleichszahlen werden bei der endgültigen Berechnung des Wahlresultates in Betracht gezogen, wobei jede als e i n e S t i m m g r u p p e f ü r sich betrachtet wird. Auf den unausgefüllten Stimmzetteln, welche auf Grund der gleichen Namen nach Punkt 8 zu einer Gruppe zusammengefaßt sind, werden den Kandidaten nach denselben Prinzipien wie für die Gruppen Vergleichszahlen zuerteilt, welche in allen Fällen auch als ihre Stimmenzahl gelten. (Um Versuche zu zyklischer Permutation mit gemeinsamen Kandidaten auf NichtSammelwahlzetteln zu begegnen. Die Größe der Wahlkreise hat es ermöglicht, im Gesetze auch diese letzte Bestimmung fortzulassen.)



26



10. Wenn zwei oder mehrere Wählervereine einen Wahlverband bilden, so werden alle Kandidaten der zum Verbände gehörenden Stimmgruppen nach der Größe ihrer Vergleichszahlen geordnet. Hat eine und dieselbe Person Vergleichszahlen in zwei oder mehreren dieser Stimmgruppen, so erhält man eine Vergleichszahl zur Konkurrenz i n n e r h a l b der Gruppe durch Summierung der verschiedenen Vergleichszahlen. Die derart zusammengesetzte Stimmgruppe wird hierauf als eine einfache Stimmgruppe betrachtet, in welcher die erstgenannten Gruppen aufgegangen sind; es wird daher dem ersten Kandidaten eine n e u e V e r g l e i c h s z a h l gleich der ganzen Stimmzettelanzahl der zusammengesetzten Stimmgruppe zuerteilt, dem zweiten eine Vergleichszahl gleich der Hälfte der Stimmzettelanzahl, dem dritten gleich 1 / 3 , dem vierten gleich der Stimmzettela.nzahl usw. 11.

Hat jemand in verschiedenen Stimmgruppen Vergleichszahlen erhalten, so wird seine schließliche Vergleichszahl derart bestimmt, daß die S u m m e s e i n e r S t i m m e n aus den übrigen Listen zur V e r g l e i c h s z a h l (im Gesetze werden die Vergleichszahlen des gemeinsamen Kandidaten addiert, um seine schließliche Vergleichszahl zu erhalten) derjenigen Liste addiert wird, bei der der Unterschied zwischen dieser und der Summe der Stimmen am größten ist (dies um Manövern vorzubeugen). Ein solcher Kandidat wird hierauf als selbständige Wahleinheit betrachtet. Doch darf seine neue Vergleichszahl nicht höher sein, als wenn die Listen in bezug auf ihn verbunden wären. (Diese Bestimmung, die auch im Wahlgesetze steht, ist gleichfalls dazu da, um Manövern vorzubeugen.) Bei gleichen Vergleichszahlen entscheidet das Los. 12.

Die Landtagskandidaten des Wahlkreises werden schließlich nach der G r ö ß e der V e r g l e i c h s z a h l e n auf eine W a h l k r e i s l i s t e gesetzt. Neben jedem Kandidaten steht eine Stimmenzahl, sowie, wenn er zu einem Wählerverein gehört, auch die Losung und der Heimatort des Vereins. Alle Daten werden hierauf der Verteilungskommission in der Hauptstadt mitgeteilt. (Nach dem Wahlgesetze steht ein jeder Wahlkreis für sich mit seiner Zentral-



27



kommission, die nach vollendeter Berechnung die Wahlresultate für den Kreis unmittelbar veröffentlicht.) 13. Ist jemand in zwei oder mehreren Wahlkreisen gewählt, so verfährt man, wie auf S. 45 angegeben ist. Er wird behufs Ersatzes in dem Wahlkreise als gewählt angesehen, wo er die höchste Vergleichszahl hat. 14. Beim Ausscheiden eines Abgeordneten wird die Lücke zunächst aus der einfachen Stimmgruppe gefüllt, in welcher der Abgehende gewählt worden war, und an seine Stelle tritt derjenige, welcher in derselben die höchste Vergleichszahl nach dem oder den Gewählten erhalten hatte. Findet sich kein solcher, so wird die Lücke nach denselben Prinzipien aus der zusammengesetzten Stimmgruppe gefüllt, in welcher die einfache Stimmgruppe aufgegangen war. Findet sich auch hier kein solcher, so tritt der ein, welcher im Wahlkreise die nach den Gewählten höchste Vergleichszahl hatte. Beim Ausscheiden eines Abgeordneten, dessen Vergleichszahl nach Punkt 11 bestimmt worden war, wird die Lücke zunächst aus der Stimmgruppe ergänzt, in welcher er die höchste Vergleichszahl hatte. 15. In der Kundgebung über das Wahlresultat werden die Namen einer hinreichenden Anzahl von Ersatzmännern (bestimmt wie in Punkt 14 angegeben ist) angeführt nebst Angabe, in welchem Falle diese Ersatzmänner in die Kammer eintreten sollen. Wählergesichtspunkte. Jedes proportioneile Wahlsystem fordert mathematische Voraussetzungen, weshalb es für viele Wähler in einem Lande mit allgemeinem Stimmrecht anfangs, soweit es den mathematischen Teil betrifft, mehr oder weniger einen axiomartigen Charakter haben muß. Ebensowenig wie ein Wähler das Recht hat, die Richtigkeit



28



der Stimmenzählung bei einer gewöhnlichen Majoritätswahl anzuzweifeln, ebensowenig hat er das Recht, die Unparteilichkeit des allgemein als zweckmäßig anerkannten Verfahrens anzuzweifeln, welches bezweckt, zu bestimmen, wieviele Repräsentanten in einem Wahlbezirke jeder Meinungsgruppe zufallen. Betreffs der Voraussetzungen, welche erforderlich sind, damit der Wähler sein Stimmrecht auf eine für seine Bestrebungen fruchtbringende Weise benutzen kann, ist die größte Einfachheit vonnöten. Das System, welches zur Anwendung kommt, darf also nicht größere mathematische Voraussetzungen fordern, damit ein Wähler mit gutem Willen und von mittlerer Intelligenz ohne größere Schwierigkeit lernen kann, es zu verstehen.

Die Wahlordnung hat zu beachten, daß, während Ideen und Bestrebungen zum Mittelpunkt derselben gemacht werden, gleichwohl reine Personeninteressen nicht beiseite gesetzt werden. Zugleich muß die Wahlordnung nach Möglichkeit dem Prinzip huldigen, daß die Stimme eines Wählers, soweit möglich, einem oder wenigen und nicht einer langen Liste zuzufallen bestimmt ist. Das Ideal wäre natürlich, wenn die Wähler des Landes in Gruppen vereint werden könnten, welche der Verteilungszahl (d. h. der Zahl, welche angibt, wie viele Stimmen eine Person erhalten muß, um gewählt zu werden = Wähler : Repräsentanten) entsprechen, aber ein so weitgehendes Zusammenwirken k a n n und darf eine Wahlordnung auch bei einer hochgebildeten Wählerschaft nie voraussetzen. Ohne die allerausgezeichnetste Leitung aller Meinungsgruppen im Lande ist eine Stimmenanhäufung auf einige Namen oder ein Minus an Stimmen für andre nicht zu vermeiden. Die Wahlordnung muß daher dem Wählenden gestatten, auf dem Wahlzettel außer dem, welchem er am liebsten seine Stimme geben möchte, auch Reservenamen aufzunehmen, für den Fall, daß sein erster Mann schon von andren Wählern eine genügende Anzahl Stimmen erhalten hat. Nach dem Wahlgesetze darf der Wähler nicht mehr als drei Namen auf seine Liste setzen. Ein freier Raum der I n n e n s e i t e des offiziellen Stimmzettels ist für die drei Personennamen des Wählers bestimmt. Der Wähler ist dabei keineswegs ge-



29



zwungen, drei Namen zu schreiben, sondern 3 ist das Maximum. Alle Namen, welche über diese 3 hinaus darauf geschrieben sind, werden von der Wahlkommission unbeachtet gelassen. (Das Wahlgesetz bestimmt, daß Wahlzettel mit mehr als 3 Namen einfach kassiert werden.) Auf den Wahllisten der Wählervereine, die auf dem offiziellen Wahlzettel gedruckt sind, dürfen höchstens drei Namen stehen; vor jedem Personennamen befindet sich ein freier Platz: Herr A, Herr B, Herr C. Der Wähler hat das Eecht, für die drei Kandidaten des Wählervereins durch einen roten Strich in der Liste zu stimmen und kann durch Striche oder Ziffern die Ordnung der Kandidaten nach Belieben ändern: 2 l 3

Herr A, Herr B, Herr C,

oder

H Herr A, I Herr B, _III_ Herr C.

Um den Forderungen des Wählers hinsichtlich der Rangordnung seiner Kandidaten Rechnung zu tragen, wird dem ersten 1 Stimme, dem zweiten 1/2 Stimme und dem dritten 1 / 3 Stimme zuerteilt. Der Wahlkommission würde also die obenstehende Liste sich präsentieren, als stünde da: Herr B 1 Stimme, Herr A 1/2 Stimme, Herr C J / 3 Stimme. Die mit 1, ] / 2 und 1/3 abgewogenen Stimmenzahlen schaffen dem Wähler in der Wählergruppe den Einfluß auf die Reihenfolge der Kandidaten, der ihm zukommt. Alle Wahlzettel mit geschriebenen Namen werden getrennt von den übrigen Zetteln behandelt. Kein gemeinsames Band findet sich hier. Jeder solcher Stimmzettel ist als eine „Personenbestrebung" bezeichnend anzusehen. Dadurch, daß jede Liste beschränkt ist und jede Person auf den verschiedenen Stimmzetteln ihre Stimmenzahl nach fallendem Stimmen werte erhalten hat, und diese Stimmen für die gemeinsamen Namen zusammen-



30



addiert werden, kommt in dieser „Masse der Personenbestrebungen" die einfachste proportioneile Metbode, die konkurrierende beschränkte Listenwahl mit fallendem Stimmenwerte, zur Anwendung, um zu entscheiden, welche der Kandidaten in Betracht kommen können.

Zu passender Zeit vor den Landtagswahlen werden die Wähler durch Bekanntmachungen aufgefordert, Wählervereine zu bilden. Die Wähler mit wacherem Interesse werden den Bekanntmachungen Folge leisten und sich mit einem gewissen Programm zusammenschließen. Das Programm kann entweder die Förderung gewisser Ideen anstreben, oder die Vereinigung kann in der Hauptsache den Zweck haben, die Wahl gewisser bestimmter Personen zu sichern. In beiden Fällen schickt der Wählerverein innerhalb der vorgeschriebenen Zeit seine mit einer bestimmten Anzahl Namen (50) unterschriebene Kandidatenliste der Landtagsabgeordneten an die KreisGouvernementswahlkommission ein. Im ersteren Falle wird ein kleiner Wahlaufruf und eine, wenn ich so sagen darf, „Konzentration des Kernes des Aufrufs", die sog. L o s u n g , beigefügt, welche nebst Heimatsort nach außen das Kennzeichen des Wählervereins bildet. Mehrere W'ählervereine können sich zu sog. verbundenen Gruppen oder Wahlverbänden vereinigen. Der erste Kandidat der verbundenen Gruppen wird alsdann über die gesamte Stimmenstärke der verbundenen Gruppen verfügen, der zweite über die Hälfte usf. (siehe unten). Rechtzeitig vor der Wahl besorgen die Kreiswahlkommissionen das Drucken dieser Kandidatenlisten, die verbundenen in irgendeiner Weise als solche bezeichnet, sowie jeden dazugehörenden Wahlaufruf in einer W a h l p u b l i k a t i o n , welche von einem in alphabetischer Ordnung aufgestellten Verzeichnis aller im Lande vorgeschlagenen Landtagskandidaten begleitet ist, mit einem Hinweis auf den Wählerverein oder die Wählervereine, von denen sie vorgeschlagen sind. Spätestens zwei Wochen vor der Wahl müssen auch die offiziellen Wahlzettel fertiggedruckt und zugänglich sein. (Nach dem neuen Wahlgesetze sind die offiziellen Wahlzettel nur im Wahllokale am Wahltage zugänglich.) Die offiziellen Wahlzettel sind von festgestelltem Typus



31



und tragen auf der Rückseite den Namen des (Gouvernements-) Wahlkreises, in welchem sie ausgefertigt sind. (Wahlzettel siehe Seite 32 u. 33. Die Reihe 7 im Verband A ist von dem Wähler markiert. Er hat die Ordnung der Kandidaten durch Ziffern geändert.) Für den Wähler ist bis zum Augenblick der Wahl W a h l f r e i h e i t gewahrt, hinsichtlich sowohl der Ideen, für die er kämpfen will, als der Kandidaten, der Personen, welche er gewählt sehen will. Die Mitglieder der Wählervereine werden allerdings wohl in den meisten Fällen mit der eigenen Liste stimmen, welche ja von ihnen in bezug auf die Reihenfolge der Kandidaten verändert werden kann, doch ist es einem Mitglied des Wählervereins selbstverständlich unbenommen, wenn für ihn besondere Gründe vorliegen, sich einer andren Liste zuzuwenden. Der Wähler muß sich nur klar darüber sein: 1. daß, sobald er eine vorgeschlagene Liste unterstützt, er außer den drei Personen der Liste auch den Wählerverein unterstützt, der denselben ausgefertigt hat, und, im Fall dieser im Verband mit andren Wählervereinen steht, auch die Idee des ganzen Verbandes, es möge letzterer nun die Wahl gewisser Personen oder die Betreibung gewisser Allgemeinbestrebungen bezwecken. 2. Der Wähler muß sich ferner klar darüber sein, daß er bei Nichtanwendung einer vorgeschlagenen Liste nur die Wahl einer der drei Personen unterstützt, je nach der Reihenfolge, in welcher er ihre Namen auf den Wahlzettel gesetzt hat. 3. Schließlich muß der Wähler wissen, daß es ihm unbenommen ist, jedes beliebige Streben in einem andren Wahlbezirke (Gouvernement) zu unterstützen. Er braucht nur auf der nächsten Postanstalt anzugeben, in welchem Wahlbezirke er stimmen will. Die Postanstalt wird ihm dann seinerzeit den entsprechenden Wahlzettel zustellen, welcher dann als in dem Wahlbezirke (Gouvernement) abgegeben gilt, wo er zu Hause ist. (Diese Freiheit ist den Wählern, wie gesagt, im neuen Wahlgesetze nicht gewährt.)



32



W a h l für

Wahlverband A 1.

Viborg. Freisinnige.

3.

Villmanstrand.

4.

Luumäki.

Freiheit und Ordnung. Kovero, L. H., Industrievorsteher, Viborg.

Järvinen, Eero, Pastor, Luumäki.

Kovero, L. H., Industrievorsteher, Viborg.

Andelin, Aina, Volksschullehrerin,Villmanstrand.

Veikkola, R., Dorfbesitzer, Sippola.

Strömborg, Olof, Amtmann, Viborg.

_ — Saarela, A., Gutsbesitzer, Lappvesi.

* Aalto, Kaarlo, Ingenieur, Helsingfors.

Viborg. Taugend-Männer.

6.

Fredrikshamn.

Sippola./ Das Wohl der Bodenkultur.

Hagborg, A., Bankdirektor, Viborg.

5.

7.

9.

Kotka.

o

Kontio, 0., Rat, Sippola.

Veikkola, R-, Dorfbesitzer, Sippola. i

Aalto, Kaarlo, Ingenieur, Helsingfors.

10.

Nykyrka. Landwirtschaftsschule in Nykyrka.

Moderat-liberal.

Bjelke, F., Obergerichtsrat, Viborg.

Granberg, F., Arzt, Fredrikshamn.

Stälarm, Viktor, Amtsrichter, Kotka.

Soini, K., Industrievorsteher, Lappvesi.

Vuori, Irma, Bankdirektorfrau, Helsingfors.

Repola, Juho, Kleingrundbesitzer, Nykyrka.

Kivi, S. H., Redakteur, Viborg.

Kivi, S. H., Redakteur, Viborg.

Stähle, A., Professor, Helsingfors.

K, Lyly, Bezirksarzt, Nykyrka.



33



z e t t e l . Wahlkreis

Wahlverlband

B •

11.

Bjorko. Das Wohl der Fischerei.

Kotka. Das Wohl der Arbeiter.

8.

13.

Viborg.

Lappvesi.

Sozialdemokrat

Sozialdemokrat

Berg, Edvard, Sägevorsteher, Kotka.

Anttila, V., Tischler, Viborg.

Lindfors, Heikki, Handelsvorsteher, Helsingfors.

Heikkild, J. A., Dorfbesitzer, Bjorko.

Kunnas, A., Werkmeister, Viborg.

Storm, J. E., Eisenarbeiter. Villmanstrand.

Koskinen, Heikki, Redakteur, Viborg.

Porkka, Otto, Fischer, Hogland.

Storm, J. E., Eisenarbeiter, Yillmanstrand.

Koskinen, Heikki, Redakteur, Viborg.

Storm, J. E., Eisenarbeiter, Villmanstrand.

- Nordqvist, 0., Professor, Helsingfors.

1

2.

12. Kuolemajärvi.

15.

14. JPyttitt.

Landwirtschaftsschule in Nykyrka. Hakala, Juho, Pfarrer, Kuolemajärvi.

Lönnrot, Helmi, Pfarrerin, Pyttis.

Stähle, A., Professor, Helsingfors.

Vaaranen, K., Dorfbesitzer, Miehikkälä.

Bepola, Juho, Kleingrund-' besitzer, Nykyrka.

Nordqvist, 0., Professor, Helsingfors.

v. W e n d t , Proportionalwahl.

Der Wähler, der keine der obenstehenden Listen genehmigen kann, schreibt hier die Namen seiner neuen drei Kandidaten in der Ordnung, wie er sie genehmigt. Name

Amt

3

Heimatsort



34



Wahlpolitisehe Gesichtspunkte. Ein Streben, eine Idee ist j a an und für sich rein ideell. Erst durch Verknüpfung derselben mit gewissen Personen wird das Streben oder die Idee, j e nach ihrer eigenen Beschaffenheit und dem Einfluß dieser Personen, zu einer stärkeren oder schwächeren bewußten Kraft in der Gesellschaft. Wenn also praktisch und daher auch wahltechnisch genommen Ideen, Streben und Personen mehr oder weniger miteinander verbunden sind, so bedeutet dies keineswegs, daß eine Person nur ein Streben, eine Idee zu vertreten imstande wäre. Der Parteifanatismus fordert allerdings nicht selten, daß alle Fragen nach dem Wohl und der Macht der Partei als einziger Richtschnur betrachtet und beurteilt werden sollen. E s gibt jedoch viele, die sich über dieses sozusagen niedrigere Kulturniveau erhoben haben, und die objektiv eine Menge von Bestrebungen und Ideen überschauen, die sich in der Gesellschaft geltend machen. J e nachdem die eine oder andre Idee, das eine oder andre Streben durch den Gang der Entwicklung in den Vordergrund tritt und an Bedeutung gewinnt, machen diese Personen sich zu deren Trägern. Dieser Umstand muß mit Naturnotwendigkeit zur Folge haben, daß derselbe N a m e auf mehreren verschiedenen Wahllisten auftauchen kann und wird. Im selben Augenblicke stehen wir vor dem schwersten Punkte des Wahlproblems, „den gemeinsamen Kandidaten". Wie ist es zu ermöglichen, daß Außenstehende, ohne in der einen oder der andren Hinsicht auf eine Partei störend einzuwirken, für einen oder mehrere Männer der Partei stimmen können, zu deren Urteil diese nicht zur Partei gehörenden Personen, unabhängig von ihrem Parteistandpunkt, Vertrauen hegen? Wie soll man ohne große Weitläufigkeiten Parteien daran hindern können, durch Segeln unter falscher Flagge, beispielsweise einem falschen Personenschild, sich Gewinn zu schaffen? Die deutschen Wahltechniker hatten eine geistreiche Idee, als sie die beschränkte Panachierung mit Trennung von Parteiund Personenstimmen einführten. Leider bietet die praktische



35



Entwicklung der Idee so große Schwierigkeiten, daß sie bei einer allgemeinen Wahl kaum benutzt werden kann. Der Umstand, daß das Problem der gemeinsamen Kandidaten nicht befriedigend gelöst worden ist, nötigte die Gesetzgeber, zu Zwang und Gewalt gegen die Wahlfreiheit zu greifen. Darin ist die Hauptursache des Verbots gegen gemeinsame Kandidaten zu suchen, darauf beruhen die Bestimmungen über die alleinigen offiziellen Wahllisten, die der Wähler nicht ändern darf, usw. Achtung für die Wahlfreiheit! Achtung für die Persönlichkeit! Niemand soll Sklave der Parteiliste sein! Die Wähler mögen selbst entscheiden, welcher Fraktion der Abgeordnete mit Eecht zugehört, und der Abgeordnete möge durch seine Tätigkeit zeigen, ob die Wähler das Richtige getroffen haben.

Beinahe alle Wahlgesetze, die bis auf den heutigen Tag angewandt werden, besitzen einen gemeinsamen schweren Fehler in wahlpolitischer Hinsicht, und zwar den, daß sie ein Unterstreichen, ein Zuspitzen der Parteigegensätze hervorzwingen. Alle die vielen Bestrebungen und Ideen, welche mehreren Parteien gemeinsam sind, verlieren durch die Wahlgesetze automatisch in hohem Grade an Kraft und Bedeutung. Vor allem ist den Mitgliedern der Partei, die sich in Hinsicht der Extreme zu Trägern der Parteigegensätze gemacht haben, durch die Wahlgesetze der Eintritt in die Kammer geebnet worden. Ist es da zu verwundern, daß manche Fragen nicht ausschließlich mit Rücksicht auf das wahre Wohl des Vaterlandes behandelt wurden, sondern daß das Wohl und die Machtstellung der einzelnen Parteien die größte Bedeutung erlangten — ist es zu verwundern, daß man es versucht hat, als Dogma aufzustellen, Parteiinteresse und Wohl des Vaterlandes seien identische Begriffe? In der innersten Natur der proportioneilen Wahlart liegt ein mächtiges Streben, die Parteigegensätze auszugleichen. Das Unglück hat es jedoch so gefügt, daß die Art und Weise, auf welcher 3*



36



die Parteigegensätze am besten ausgeglichen werden, die nämlich, daß verschiedene Parteien Vertrauen zu einer und derselben Person hegen, d. h. daß es Personen gibt, die über den Parteien stehen, nur schwer praktisch verwertet werden kann. Im belgischen Wahlgesetze, vielleicht einer der besten aller bei politischen Wahlen angewandten proportioneilen Wahlordnungen, war man wegen der Mängel des Systems gezwungen, gemeinsame Kandidaten zu verbieten. WTelche Reibungen und welches Unglück aus einem derartigen Verbote entstehen können, läßt sich j a denken, und die Erfahrungen sprechen davon in der einen oder andren Hinsicht leider allzu oft. Zwei Parteien setzen denselben hochverdienten Mann auf ihre Liste. Die Wahlkommission prüft diese Listen und hebt hervor, daß der Name von der einen Liste gestrichen werden muß. Von welcher? J a , dies wird gewöhnlich dem eigenen Ermessen der Personen anheimgestellt. Aber viele der hervorragendsten Persönlichkeiten der Gesellschaft können oder wollen nicht zu einer Partei Stellung nehmen, und eine Liste, sie möge nun eine Parteibezeichnung tragen oder nicht, repräsentiert fast stets eine Partei. Diese Personen stehen über den Parteien, sind daher nach dem Wahlgesetz nicht wählbar. Manche haben wohl aus diesem Grunde niemals Sitz und Stimme in der Volksvertretung erlangt. Und wenn eine solche Persönlichkeit sich Gewalt antut, und sich gegen ihr besseres Wissen zu einer Partei bekennt, um in der Volksvertretung ihrem Lande von Nutzen sein zu können, wer garantiert dafür, daß die Partei, für die sie sich entschieden hat, wirklich so stark ist, daß ihre Wahl durch die Partei allein sichergestellt ist? Wieviel Umwege hat beispielsweise nicht die Bildung besonderer Personenparteien verursacht, um die hervorragenden Männer zu gewinnen, wenn alle außerhalb der Partei stehenden, welche wohl ihnen, aber nicht der Partei ihre Stimme geben möchten, durch das Wahlgesetz daran verhindert sind, es zu tun? Eine solche Person darf nie durch ein technisch gut aufgebautes Wahlgesetz zwingend mit Parteistimmen allein in die Volksvertretung hineingebracht werden, denn in der Regel wollen ihr die Parteien aus selbstischen Gründen nie den Platz zugestehen, den sie verdient. Eine solche Person muß in die Kammer auf Grund des Vertrauens eintreten, das sich von vielen Seiten an ihre Person knüpft.



37



Die obige Idee ist eine der wichtigsten, denen das finnische Wahlgesetz Eechnung trägt, und die es praktisch zu verwerten sucht.

Wahltechnische und' mathematische Gesichtspunkte. (Anmerkung. F ü r eine wahltechnische Prüfung (d.h. um eine wahlpolitische und mathematische Wahrscheinlichkeitsberechnung auszuführen über die Möglichkeiten, das proportionelle Resultat einer Wahlordnung zu verdrehen) ist die Aufstellung eines systematischen Wahlschemas mit wenigstens 4 — 5 verbundenen Listen und am besten einer etwas größeren Anzahl einzelner Listen, welche zusammen eine Anzahl von 3 0 — 4 0 0 0 0 Wahlzetteln enthalten, unbedingt erforderlich. Hierzu müssen noch des Weiteren wenigstens 2000 freie Listen, d. h. „Wilde" kommen. Die Wahl soll wenigstens 15—20 Abgeordnete voraussehen. Viele der Unzulänglichkeiten, welche bei Operationen mit kleinen Zahlen vielleicht zutage treten könnten, zeigen sich beim Aufstellen eines wirklichen Wahlschemas praktisch als Unmöglichkeiten.) Gehen wir nun zum Effekt des Wahlgesetzes über, und werfen wir zuerst einen Blick auf die Wählervereinsliste nach der Wahl. Nachdem alle Wahlzettel eingelaufen sind, werden sie geöffnet und nach der Zusammengehörigkeit der markierten Listen in Gruppen geteilt. Derart werden die verschiedenen Wählervereinslisten je eine Gruppe bilden. Die Anzahl der Wahlzettel in jeder Gruppe wird festgestellt. Die Zahl der „Wilden" wird dann festgestellt und die Zettel werden für sich gelegt. Diese Zettel ziehen wir anfangs nicht in Betracht. Jeder Name der Wahlliste erhält je nach seinem Platz 1, 1 j 2 oder 1 f 3 Stimme. Die Summe aller Stimmen, die jeder Landtagskandidat erhalten hat, bedingt seinen Platz auf der durch die Wahl geschaffenen S a m m e l l i s t e . Gesetzt, daß eine Wählervereinsliste von 1200 Wählern umfaßt sei, so wird der erste Mann der Liste über die Summe 1200 verfügen. Dies ist seine V e r g l e i c h s z a h l , mit welcher er als erster Mann des Vereins in die Konkurrenz um die Mandate der Volksvertretung mit den Kandidaten andrer



38



Wählervereine eintritt. Außerdem hat er aber eine S t i m m e n s u m m e , welche einen r e l a t i v e n A u s d r u c k f ü r die S t ä r k e des P e r s o n e n i n t e r e s s e s b i l d e t , das sich in s e i n e r e i g e n e n G r u p p e an ihn h e f t e t . Die drei Kandidaten des Vereins verfügen über dessen Stimmenstärke derart, daß der erste, wie gesagt, die gesamte Stimmenstärke als V e r g l e i c h s z a h l besitzt, der zweite die Hälfte als Vergleichszahl und der dritte den dritten Teil. Nr. 1. T a u g e n d e M ä n n e r H e l s i n g f o r s , Wahlliste des Vereins (von 1200 Wählern umfaßt). Vergleichszahl der Kandidaten

Name der Kandidaten

Stimmensumme der Kandidaten

1200 600 400 2200

Herr E. L., Disponent Herr A. v. S., Professor Herr F. E., Vorsteher

1085 705 410 2200

Nr. 3. R e l i g i o n s f r e i h e i t H e l s i n g f o r s . (Von 1800 Wahlmännern umfaßt.) (Dieser Verein hatte sich mit dem vorigen als verbunden erklärt.) Wahlliste des Vereins Nr. 3. Religionsfreiheit Helsingfors. Vergleichszahl der

Name der Kandidaten

Kandidaten

1800 900 600

Stimmensumme der Kandidaten

Herr L. K , Oberlehrer Herr A. v. S.. Professor Herr K. N., Senator

1750 1035 515

Die Gruppen der verbundenen Listen werden hierauf in eine Gruppe zusammengestellt, wobei die Kandidaten mit ihren Vergleichszahlen um die Plätze auf der verbundenen Liste konkurrieren. Die gemeinsamen Kandidaten konkurrieren mit der Zahl, welche sie erhalten, wenn ihre Vergleichszahl der einen Liste zur Vergleichszahl der andren Liste addiert ist.



39



Die verbundene Liste der Vereine Nr. 1 und Nr. 3. Vergleichszahl der Kandidaten

3000 1500 1000 750 600

Name der Kandidaten

Herr „ „ „ „

L. A. E. R. F.

K., Oberlehrer v. S., Professor L., Disponent N., Senator E., Vorsteher

Stimmensumme der Kandidaten

1750 1740 1085 515 410

Wenn alle Sammelwahlzettel behandelt, die resultierenden Wahllisten fertig sind und die Stimmensummen und Vergleichszahlen der Kandidaten ausgerechnet sind, wird ein nach der Größe der Stimmensumme berechnetes Verzeichnis über die Kandidaten der „Wilden", d.h. die Kandidaten der geschriebenen Listen, gemacht. Ist diese Liste zusammengestellt, so hat man nur noch die Vergleichszahl für gemeinsame Kandidaten zu bestimmen und diejenigen, die gewählt sind, festzustellen.

Die Vergleichszahlen der gemeinsamen Kandidaten.1 Findet sich eine Person auf mehreren verschiedenen Wahllisten, so kann dies durch zwei verschiedene Ursachen bedingt sein. Entweder kann es darauf beruhen, daß sie keine ausprägte Parteifarbe hat, sondern im allgemeinen das Vertrauen einer Menge Wähler besitzt, oder aber, es kann der Name zur Ausführung von Wahlmanövern aufgenommen sein. Die konsequenteste und praktischste Entwicklung des Wahlgesetzes fordert, daß ein solcher Kandidat von allen Listen, auf denen er sich findet, ausgestrichen und als eine selbständige Wahleinheit aufgestellt wird, mit einer Vergleichszahl, die sich durch Addition seiner Stimmensummen von allen Listen ergibt, mit Ausnahme der Liste, wo der Unterschied zwischen der Ver1

Die Feststellung des StimmenwerteB der gemeinsamen Kandidaten, welche ich in meinem ersten Vorschlage zum Wahlgesetz angab, und welche in einer Addition der Vergleichszahlen bestand, ist im Gesetze beibehalten worden. Das hier vorgeschlagene Verfahren fand ich später aber zweckmäßiger und speziell von wahlpolitischen Gesichtspunkten aus richtiger.



40



gleichszahl und der Stimmensumme am größten ist; von dieser Liste wird n i c h t die S t i m m e n s u m m e , s o n d e r n die V e r g l e i c h s z a h l der Summe hinzugefügt, welche die neue Vergleichszahl bilden soll. Die Summe der Stimmen ist ja als ein praktisch verwertbarer Ausdruck des Vertrauens aufzufassen, das die Wähler zu einer Person hegen. Eine die Vergleichszahl überragende Stimmensumme ergibt sich als Resultat des Übereinkommens, das in dem Markieren einer Wählervereinsliste liegt. Praktisch genommen gewinnt also die Vereinigung diese Stärke für ihre ersten Kandidaten auf Kosten ihrer weiter unten auf der Liste stehenden. Damit keine Parteimanöver mit Aufnahme eines der ersten Männer der Gegenpartei ihn des an seine Person geknüpften Parteiinteresses berauben können, muß bei der Bildung seiner neuen Vergleichszahl an Stelle der Stimmensumme die Vergleichszahl von der Liste genommen werden, wo das relativ größte Parteiinteresse an seine Person gebunden ist (notabene: gerade von der Liste, wo die Vergleichszahl die Stimmensumme am meisten überragt). Die gemeinsamen Kandidaten erhalten eine Vergleichszahl, die sehr leicht festzustellen ist, und die Parteien haben keinerlei Nachteil davon, hervorragende, mehr oder weniger parteilose Personen in ihre Listen aufzunehmen. Praktisch genommen zeigt es sich, daß gemeinsame Kandidaten selten oder nie auf einer offiziellen Liste einen der allerersten Plätze einnehmen, und zwar deshalb, weil Gruppen- oder Parteiinteressen sich in der Regel stets fester an reine Parteikandidaten knüpfen. Vermöge dieses Umstandes wird die Stimmenzahl der gemeinsamen Kandidaten in den allermeisten Fällen nahezu mit ihrer Vergleichszahl übereinstimmen, weshalb die P a r t e i r e s t i t u t i o n , welche vom Gesetzgeber zweifellos beachtet werden müßte, wenn der gemeinsame Kandidat im allgemeinen einen Platz als erster Kandidat finden würde, so wie die Verhältnisse einmal sind und bleiben müssen, aus Gründen der Einfachheit gänzlich fortgelassen werden kann, ja muß. Eine solche Fortlassung ist von großer politischer Bedeutung, was derjenige, welcher den wahren Gehalt der angewandten Wahlmethode richtig aufgefaßt hat, sofort einsieht. — Die Wahllisten werden nämlich derart ein äußerst gesundes Aussehen erhalten — die Lokalinteressen werden ge-



41



bührend beachtet und hervorragende Männer des Landes werden nicht vergessen werden. Die Methode, die im Wahlgesetze angegeben ist, um das relative Interesse der Wähler an der Wahl eines gemeinsamen Kandidaten festzustellen, kann zu Manövern führen, hauptsächlich mit zwei verschiedenen Hauptzwecken, und zwar 1. behufs Dekapitierung und 2. in der Absicht, eine größere Anzahl Repräsentanten zu erhalten als streng gerecht ist. Die schematische Ausführung der Manöver geht aus den beiden nachstehenden Tabellen hervor: Fall 1: Dekapitierung. Partei A

Partei B

Ai 3000 Bn 1500 A r a 1000

Bj 2700 B n 2350 B m 900

Resultat

Ax An B1 An Bm

3000 2850 2700 1000 900

Fall 2: Partei A teilt sich auf 2 Listen. Liste 1

Ai 3000 A n 1500 A m 1000

Liste 2

Aiv 3000 A n 1500 A v 1000

Resultat

Ax An Aiv Am Av

3000 3000 3000 1000 1000

Wir ersehen aus dem obenstehenden Schema, daß diese Wahlmanöver, bei denen es sich um eine O p e r a t i o n mit den G r e n z w e r t e n der Y e r t e i l u n g s z a h l handelt, nicht allein mit einer außerordentlichen Gefahr für die Gruppen, die das Manöver ausführen, verknüpft sein müssen, sondern daß sie auch eine so genaue Kenntnis der Stärke, nicht allein der betreffenden Gruppen, sondern auch der Gesamtzahl der an der Wahl Teilnehmenden voraussetzen, daß die Ausführung derselben außerhalb des Bereichs der Möglichkeit bei einer allgemeinen Wahl in einem Wahlkreise liegt, der eine größere Zahl von Abgeordneten zu wählen hat und etwa 100 000 Wähler umfaßt. Bei 1, dem Kapitierungsversuche, ist es sehr viel wahrscheinlicher, daß der Versuch damit endet, daß die Gegenpartei, anstatt dekapitiert zu werden, einen weiteren Repräsentanten er-



42



hält (sowohl B I als B II) und vielleicht gerade auf Kosten der manöverierenden Partei (eine wirkliche Dekapitierung wird auch nur dann eintreten können, wenn die den Manövern ausgesetzte Partei nicht mit nötiger Festigkeit sich dem ersten Kandidaten anschließt); bei 2 hingegen ist die Wahrscheinlichkeit größer, daß die Partei, welche sich teilte, um mit Hilfe eines gemeinsamen Kandidaten einen weiteren Repräsentanten zu erhalten, gänzlich ohne Vertreter bleibt. (Wäre die Verteilungszahl z. B. 3200, so bekäme die Partei geteilt keinen Repräsentanten.) Ich will den Leser nicht durch Darlegung einer mathematischen Wahrscheinlichkeitsberechnung des Ausganges dergleichen Manöver ermüden. Unzweideutig geht daraus hervor, daß solche Manöver werden und bleiben müssen, was sie sind, d. h. Rechenexempel, unmöglich bei einer Wahlordnung, die so weite Wahldistrikte voraussetzt und so viele Wähler umfaßt, wie es die finnische Verfassung tut, ins praktische Leben zu übertragen. Die Wahrscheinlichkeitsrechnung gibt für die beiden Beispiele etwas ungleiche Resultate in bezug auf die Möglichkeit, überhaupt eine Änderung des proportionalen Resultates herbeizuführen; die mathematische Wahrscheinlichkeit für die Interessen, welche das Manöver diktierten, eine Änderung in positiver Richtung zu erzielen, ist gleichwohl in beiden Fällen außerordentlich viel geringer, als die Wahrscheinlichkeit, in negativer Richtung zu resultieren, d. h. zum Vorteil einer fremden Partei. Schließlich sei noch hervorgehoben, daß die Addition der Vergleichszahl mit den Stimmensummen der Listen, denen diese entnommen werden sollen, nicht mathematisch richtig ist, aber in den meisten Fällen ein Resultat gibt, das nahe übereinstimmt nicht nur mit der mathematischen Forderung, sondern vor allem mit dem Willen der Wähler; daß dieses Verfahren, wenngleich mathematisch fehlerhaft, doch als Gesetzbestimmung nicht als fehlerhaft betrachtet werden kann, da dasselbe einen wie gesagt zweckmäßigen Einfluß auf die Aufstellung der Wahllisten hat, einen Einfluß, der sich recht wirksam erweisen wird, wo es sich darum handelt, Parteifehden zu mildern, und die Selbständigkeit des Individuums und die Forderungen der Lokalinteressen in den Parteien zu wahren.



43



Die Landtagsabgeordnetenkandidaten des W a h l k r e i s e s werden schließlich nach der Größe der Vergleichszahlen auf eine W a h l k r e i s l i s t e gesetzt. Neben jedem Kandidaten steht seine Stimmenzahl, und, im Fall er zu einem Wählerverein gehört, auch die Losung und der Heimatort des Vereins. Alle Data werden sodann der Verteilungskommission in der Hauptstadt mitgeteilt. Die Verteilungskommission bestimmt, wie auf Seite 45 angegeben ist, wer im ersten Wahlgang gewählt worden ist. (Über die Feststellung der Resultate nach dem Wahlgesetz, s. S. 26.) Die Kandidaten, welche in mehreren Wahlkreisen Stimmen erhalten haben, werden behandelt, wie auf Seite 45 angegeben ist. Alle Korrekturen, welche von der Verteilungskommission gemacht worden sind (siehe Seite 45), werden alsdann den verschiedenen Kreiswahlkommissionen mitgeteilt, desgleichen wie viele Mandate auf jeden Wahlkreis entfallen. So viele Landtagsabgeordnete als jedem Wahlkreise zukommen, so viele der ersten Kandidaten der korrigierten Liste sind gewählt. Über die Ersatzmänner wird mitgeteilt, wie S. 27 näher angegeben ist. Wahltechnische Hilfsmittel. Wenn die Wahlkommissionen über gute wahltechnische Hilfsmittel verfügen, so bedarf es sogar kaum der Volksschulbildung, um mit Erfolg als Wahlvollstrecker fungieren zu können. Ist die Anzahl der Stimmzettel in einer Gruppe festgestellt, so haben wir zugleich die Vergleichszahl für den zukünftigen ersten Kandidaten der Gruppe bestimmt. Der Wahlvollstrecker muß eine Tabelle zur Verfügung haben, in welcher sich die verschiedenen Quoten aller Zahlen von 100 bis 1000 finden, dividiert durch 1, 2, 3, 4, 5 usw. bis 20 inkl. (jede Kolumne muß mit einer Interpolationstabelle versehen sein). Wenn die Anzahl Wahlzettel in einer Gruppe festgestellt ist, so haben wir, wie erwähnt, die Vergleichszahl des ersten Kandidaten; die der übrigen können dann direkt aus dem Buche abgeschrieben werden. Sodann gilt es, die Summe der Stimmen der einzelnen Kandidaten festzustellen. Um dieses schnell und sicher auszuführen, wäre es am einfachsten, den Namen jedes Kandidaten auf ein Stimmenzählungsblankett mit nachstehender Liniierung zu schreiben,



44



und seine Stimmen auszuzeichnen, wie unten schematisch angegeben ist, wobei das Resultat, sobald die Verlesung der Stimmzettel abgeschlossen, unmittelbar zu ersehen ist. Herr X. 1

xxxxx xxxxx xxxxx xxxxx xxxxx / / / / /



25

xxxxxx xxxxxx xxxxxx xxxxxx XXX///

30

/ / / / / /

5 10 15 20

Va 3 6

XXXXXX XXXXXX

2

10

4

20

6

30

12

XXXXXX xxxxxx

8

40

15

/ / / / / /

10

50

18

/ / / / / /

12

60

9

Im Stimmenzählungsblankett sind durch Ziehen eines Querstriches in der entsprechenden Kolumne 25 Stimmen in ganzen halben und 8 in 1 / 3 Stimmen markiert. Stimmen, 13 ^ Jedes Stimmenzählungsblankett enthält in der 1. Kolumne 100 Stimmen, in der 1/2 Kolumne 60, in der 1/3 Kolumne 40 Stimmen. Die Blankette sind oben mit einem 1/2 cm breiten gummierten Rande versehen. Sobald eine Kolumne gefüllt ist, nimmt man ein neues Blankett, befeuchtet den oberen gummierten Rand und befestigt das neue Blankett am oberen Rande des benutzten. Auf die Weise erhält jeder Kandidat einen Bund Stimmenzählungsblanke tte, von denen seine Stimmensumme mit größter Leichtigkeit zu erhalten ist. Die Vergleichszahlen können, wie erwähnt, direkt in einer Tabelle nachgeschlagen werden. Die Entscheidung darüber, welche Vergleichszahl jedem Kandidaten zukommt, ist, wenn die Stimmensummen erst einmal festgestellt sind, eine so einfache Operation, daß hierzu keine andren mathematischen Kenntnisse erforderlich sind, als einiger Begriff yom Größenverhältnis der Zahlen.



45



Weiteres hinzuzufügen dürfte nicht vonnöten sein, da alles übrige sich auf einfache Addition und etwas Nachdenken beschränkt.

Zusammensetzung der Kammer. (Im Wahlgesetze sind die Wahlkreise, wie gesagt, selbständig.) Die oben vorgeschlagene Wahlordnung bestimmt, daß 100 der 200 Mandate der Kammer feste Kepräsentantenplätze. darstellen, deren Anzahl in jedem Wahlkreise nach der Anzahl der Stimmberechtigten in demselben festgestellt ist. Wenn die Vergleichszahlen und die Stimmensummen der verschiedenen Kandidaten in den verschiedenen Wahlkreisen bekannt sind, wird dies der Z e n t r a l v e r t e i l u n g s k o m m i s s i o n mitgeteilt. Von dieser werden die Landtagskandidaten, welche durch Stimmen in verschiedenen Wahlkreisen bei der Summierung der verschiedenen Vergleichszahlen eine Vergleichszahl erhalten haben, die diejenige aller andren in einem der Wahlkreise, wo sie Stimmen erhalten haben, übersteigt, als auf einen der 100 sogenannten beweglichen Plätze gewählt angesehen. Wenn alle derartigen Kandidaten gewählt sind, werden die übrigen beweglichen Mandate, den Verteilungsprinzipien gemäß, unter die verschiedenen Wahlkreise nach der Anzahl abgegebener. Stimmen verteilt. Diese zuerst endgültig Gewählten werden, auf Vorschrift der Zentralteilungskommission, von den Listen der verschiedenen Wahlkreise gestrichen, wo sie als Kandidaten fungierten. Die betreffenden zuerst Gewählten werden gleichwohl, wie auch von der Verteilungskommission dem betreffenden Wahlkreise mitgeteilt wird, für den Fall, daß ein Ersatz für sie nötig werden sollte, als in dem Wahlkreise gewählt gerechnet, wo sie die größte Vergleichszahl erhalten hatten. Die mehreren Wahlkreisen gemeinsamen Kandidaten, deren summierte Vergleichszahl nicht genügend hoch ausfällt, um ihre Wahl auf einem der beweglichen Plätze zu ermöglichen, werden gleichfalls von allen andren Wahlkreislisten gestrichen, außer von der, wo sie relativ die ersten sind. (Die Ungerechtigkeit,



46



welche beim obigen Verfahren darin liegt, daß keine Korrektur für abgegebene Stimmen gemacht wird, wird in so hohem Grade durch die Keziprozität ausgeglichen, daß sie meiner Meinung nach sehr gut außer Acht gelassen werden kann.) Sind diese Berechnungen einmal ausgeführt, so ergibt sich darnach leicht, wieviele und welche Kandidaten einer jeden Wahlkreisliste als gewählt zu betrachten sind.

Verlag von VEIT & COMP, in Leipzig.

DAS HEUTIGE RUSSLAND. Kulturstudien von

Ernst von der Brüggen. gr. 8.

1903.

geh. 6 Jt.

In einer Reihe lebendig und packend geschriebener Essais liefert E m s t von der Brüggen auf Grund russischer Quellen ein treues. Bild der wirtschaftlichen und kulturlichen Verhältnisse des heutigen Rußlands. Staatsmänner und Wirtschaftspolitiker, Industrielle und Finanzmänner, die die Zustände in dem großen Nachbarreich verstehen lernen wollen, finden in diesem Werke aus der Feder eines der besten Kenner Rußlands, der mit Land und Leuten aus eigner Anschauung vertraut ist, Aufschluß.

DER SOUVERÄNETÄTSBEGRIFF BEI DEN FRANZÖSISCHEN THEORETIKERN, VON J E A N BODIN BIS A U F J E A N JACQUES ROUSSEAU. E i n Beitrag zur Entwickelungsgeschlchte des Souveränetätsbegriffes. Von

Dr. iur. Max Landmann. gr. 8.

1896.

geh. 4 Jt.

SUGGESTION UND HYPNOTISMUS IN DER VÖLKERPSYCHOLOGIE. Von

Dr. med. Otto Stoll, o. Professor der Geographie und Ethnologie an der Universität Zürich,

Zweite, umgearbeitete und vermehrte Auflage. Lex. 8. 1904. geh. 16 Jt, geb. in Halbfranz 18 Jt 50 9$. In diesem ausgezeichneten Werke werden zunächst die a b n o r m e n B e w u ß t s e i n s z u s t ä n d e , deren Vorhandensein sich über die ganze Erde verbreitet im religiösen Leben aller Völker wahrnehmen läßt: die E r s c h e i n u n g e n d e r E k s t a s e , der B e s e s s e n h e i t , d e r e i n f a c h e n V i s i o n e n (und G e l i ö r s t ä u s c h u n g e n ) , die A n a e s t h e s i e b e i M a r t e r n , die W a c h s u g g e s t i o n b e i d e n Z a u b e r m a n i p u l a t i o n e n und d i e s u g g e s t i v e n H e i l w i r k u n g e n , also das ganze Gebiet der Wundererscheinungen in der Religion und die Wunderleistungen der Priester bei den tiefer wie den höher stehenden Völkern, psychologisch erklärt. Sodann werden die n e u z e i t l i c h e n W a c h s u g g e s t i o n e n d e s p o l i t i schen u n d w i r t s c h a f t l i c h e n , des w i s s e n s c h a f t l i c h e n und des k ü n s t l e r i s c h e n L e b e n s b e i d e n w e s t e u r o p ä i s c h e n V ö l k e r n behandelt. An dem Beispiel der f r a n z ö s i s c h e n R e v o l u t i o n i m A u s g a n g d e s a c h t z e h n t e n J a h r h u n d e r t s wird ihr Einfluß bei einem weltgeschichtlichen Ereignis nachgewiesen.

Verlag von V E I T & COMP, in Leipzig.

BEITRAGE

ZUR ALTEREN DEUTSCHEN WIRTSCHAFTE- UND VERFASSUNGSGESCHICHTE. Gesammelte

Aufsätze

von

Dr. Georg Caro,

Privatdozent an der Universität Zürich.

gr. 8.

1905.

geh. 3

Jt

50

3}>.

DIE

WERTSCHÄTZUNG IN DER GESCHICHTE. Eine kritische Untersuchung von

Arvid Grotenfelt,

Dozent an der Universität Helsingfors.

gr. 8.

1903.

geh. 6 Jb.

JEAN JACQUES ROUSSEAU'S SOZIALPHILOSOPHIE. Von

Dr. Franz Haymann. gr. 8.

1898.

geh. 10 Jt.

WIRTSCHAFT UND RECHT NACH DER M A T E R I A L I S T I S C H E N

GESCHICHTSAUFFASSUNG.

Eine sozialphilosophische Untersuchung von

Dr. Rudolf Stammler,

o. ö. Professor an der Universität Halle a,. S.

Vitam impendere

vero

Zweite, verbesserte Auflage. Lex. 8. 1906. geh. 15 Jt, geb. in Halbfranz 17 Jt 50 3jf. . . . . „Niemand wird in Zukunft über sozialphilosophische Probleme mitreden dürfen, der nicht Professor R u d o l f S t a m m l e r s „Wirtschaft und Recht nach der materialistischen Geschichtsauffassung" wirklich kennt." Werner Sombart in „Die Zeit". 1896. Nr. 7.

DER MARXISMUS UND DAS

WESEN DER SOZIALEN FRAGE. Von

Paul Weisengrün. Lex. 8.

1900.

geh. 12 Jt.