Die Preisbindung der zweiten Hand: Eine Neubewertung im Licht der ökonomischen Analyse und des US-amerikanischen, europäischen, deutschen und ... und internationalen Privatrecht, Band 386) 9783161553301

Preisvereinbarungen ermöglichen es Marktteilnehmern, den Wettbewerb zu beschränken. Das Verbot der Preisbindung der zwei

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Die Preisbindung der zweiten Hand: Eine Neubewertung im Licht der ökonomischen Analyse und des US-amerikanischen, europäischen, deutschen und ... und internationalen Privatrecht, Band 386)
 9783161553301

Table of contents :
Vorwort
Inhaltsübersicht
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Einführung
Ökonomische Analyse der Preisbindung zweiter Hand
Die Preisbindung der zweiten Hand – ein transatlantischer Rechtsvergleich
Zusammenfassung
Literaturverzeichnis
Entscheidungsverzeichnis
Sachverzeichnis

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Studien zum ausländischen und internationalen Privatrecht 386 Herausgegeben vom

Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht Direktoren:

Holger Fleischer und Reinhard Zimmermann

Mareike Walter

Die Preisbindung der zweiten Hand Eine Neubewertung im Licht der ökonomischen Analyse und des US-amerikanischen, europäischen, deutschen und schweizerischen Kartellrechts

Mohr Siebeck

Mareike Walter, geboren 1987; Studium der Rechtswissenschaft an der Universität Hamburg und der Universidad Autónoma de Madrid; Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht, Hamburg; ABA Section of Antitrust Law International Scholar in Residence, Forschungsaufenthalt an der Georgetown University, Washington, D.C.; 2016 Promotion; seit 2016 Rechtsreferendarin am Kammergericht Berlin.

ISBN 978-3-16-155330-1 ISSN 0720-1141 (Studien zum ausländischen und internationalen Privatrecht) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National­bibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http:// dnb.dnb.de abrufbar. © 2017  Mohr Siebeck, Tübingen. www.mohr.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwer­ tung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elek­ tronischen Systemen. Das Buch wurde von Gulde Druck in Tübingen auf alterungsbeständiges Werkdruck­ papier gedruckt und von der Buchbinderei Nädele in Nehren gebunden.

Vorwort Vorwort

Vorwort

Die vorliegende Arbeit ist ein Versuch der systematischen Darstellung einer lange andauernden Diskussion über Preisvereinbarungen auf beiden Seiten des Atlantiks. Ihre Aktualität ergibt sich vor allem aus Entwicklungen im Zusammenhang mit dem Internet und zeigt sich an einer Vielzahl an Entscheidungen in den letzten Jahren. Die Arbeit wurde von der Fakultät für Rechtswissenschaft der Universität Hamburg im Sommersemester 2016 als Dissertation angenommen. Die Disputation fand am 22. November 2016 statt. Literatur, Rechtsprechung und Behördenpraxis konnten für die Drucklegung im Wesentlichen noch bis März 2017 berücksichtigt werden. In erster Linie gilt mein Dank Herrn Professor Dr. Reinhard Ellger, LL.M. (University of Pennsylvania), der meine Arbeit anregte und fachlich betreute. Sein kompetenter Rat, seine Disskussionsfreude und die Gewährung größtmöglicher Freiheit prägten meine Zeit als Mitarbeiterin. Das mir entgegengebrachte Interesse und sein unerschütterliches Vertrauen („in spe“) verhalfen dieser Arbeit zum Gelingen. Sein Wirken als Doktorvater war für mich deshalb persönliche Bereicherung und ist es noch. Besonderes Anliegen dieser Arbeit war die Übersetzung ökonomischer Erkenntnisse für den juristischen Leser. Herrn Professor Dr. Stefan Voigt, Lehrstuhl für ökonomische Analyse des Rechts, danke ich für die rasche Erstellung des Zweitgutachtens und seine anerkennenden Worte. Frau Professorin Dr. Franziska Weber, LL.M. danke ich für ihre interessierte Mitwirkung in der Prüfungskommission. Entstanden ist diese Arbeit am Hamburger Max-Plank-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht, das mich als wissenschaftliche Mitarbeiterin in besonderem Maße gefördert hat. Professor Dr. Dr. h.c. mult. Jürgen Basedow und dem Institut danke ich für die Aufnahme in diese Schriftenreihe und die großzügige finanzielle Unterstützung der Veröffentlichung. Janina Jentz sei besonderer Dank ausgesprochen für ihr wachsames Auge und ihren herausragenden Einsatz bei der Finalisierung dieses Buches. Der American Bar Association, Section of Antitrust Law, danke ich für die finanzielle und ideelle Förderung als International Scholar-in-Residence im Frühjahr 2014. Der dreimonatige Forschungsaufenthalt an der Georgetown University, Law Center, in Washington, D.C. schaffte die wesentliche Grundlage für diese Arbeit. Persönlich danke ich Professor Andrew I. Gavil, der mir

VI

Vorwort

kostbare Einblicke in seine Arbeit bei der FTC gewährte und brilliante Hinweise gab. Er wurde nicht müde, mir unzählige Gesprächspartner zu vermitteln. Professor Harry First, Robert L. Hubbard und Professor William E. Kovacic danke ich für ihre gleichermaßen wertvollen und unterhaltsamen Kommentare. Professor Dr. Reinhard Ellger, Professor Dr. Dr. h.c. Ulrich Immenga und Professor Dr. Marian Paschke ermöglichten mein Forschungsvorhaben in den USA zudem durch ihre aktive Fürsprache. Für regen kollegialen und interdisziplinären Austausch, der meine Arbeit erheblich voranbrachte, danke ich Dr. Eckart Bueren und Professor Dr. Kai Hüschelrath sowie den Mitarbeitern des ZEW in Mannheim. Meinen Freunden und ehemaligen Kollegen am Max-Planck-Institut danke ich für ihre beeindruckende Diskussions- und Hilfsbereitschaft. Für Anmerkungen und absoluten Rückhalt in Zeiten großer Herausforderungen bin ich insbesondere Dr. Walter Doralt, Dr. Peter Leibküchler und Dr. Lena-Maria Möller freundschaftlich verbunden. Ebenso dankbar bin ich für die Kollegialität und Freundschaft, die ich in Zeiten wachsender Arbeitsbelastung durch Dr. Elke Heinrich, Samuel Fulli-Lemaire, Matthias Pendl, Alexander Ruckteschler, Alexander Sekunde und Dr. Torsten Spiegel erfuhr. Dem Zutun meiner Mutter Dorothea Lehmann und meiner Familie zu Studium und Promotion gilt ebenfalls großer Dank. Von Herzen danke ich schließlich Martin Schunke für liebevollen Beistand, unendliche Geduld und die vorbehaltlose Unterstützung, mit der ich diese Arbeit abschließen durfte. Ihm ist diese Arbeit gewidmet. Berlin, im Sommer 2017

Mareike Walter

Inhaltsübersicht Inhaltsübersicht

Inhaltsübersicht

Inhaltsverzeichnis ........................................................................................ IX Abkürzungsverzeichnis ........................................................................... XVII

Einführung ................................................................................................. 1 A. B. C. D.

Die Preisbindung der zweiten Hand und ihr Verbot in der neuen kartellrechtlichen Diskussion ................................................................. 1 Offene Fragen ........................................................................................ 2 Gang der Untersuchung ......................................................................... 5 Terminologie ......................................................................................... 8

1. Teil: Ökonomische Analyse der Preisbindung zweiter Hand ..............................................................................11 A. B. C. D. E. F. G.

Die Preisbindung und die moderne ökonomische Analyse des Kartellrechts ...................................................................... 11 Die positiven Wirkungen von Preisbindungen der zweiten Hand im markeninternen Wettbewerb ............................................................ 26 Die negativen Wirkungen von Preisbindungen der zweiten Hand im markenexternen Wettbewerb............................................................ 79 Verwandte Vereinbarungen ................................................................. 109 Vertikale Preisbindung und vertikale Integration ................................ 118 Vergleich mit anderen nichtpreislichen vertikalen Beschränkungen ................................................................. 119 Ergebnisse .......................................................................................... 122

VIII

Inhaltsübersicht

2. Teil: Die Preisbindung der zweiten Hand – ein transatlantischer Rechtsvergleich ................................. 131 A. B. C. D. E.

Rechtsvergleichung: Fragestellung und Gang der rechtlichen Untersuchung ...................................................................................... 131 Entwicklungslinien und Grundhaltung gegenüber vertikalen Beschränkungen in den USA und Europa............................................ 136 Rechtliche Erfassung von Mindest- und Festpreisbindungen............... 156 Reichweite und Abgrenzungen des Preisbindungsverbotes: Gegenüberstellung von verwandten preislichen und nichtpreislichen Alternativstrategien ................................................... 283 Einordnung ......................................................................................... 340

Zusammenfassung ................................................................................ 347 A. B. C.

Wettbewerbsrecht und Effizienz ......................................................... 347 Rechtsvergleichende Beobachtungen .................................................. 349 Schlussfolgerungen ............................................................................. 352

Literaturverzeichnis .................................................................................... 353 Entscheidungsverzeichnis ........................................................................... 373 Sachverzeichnis .......................................................................................... 389

Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis

Vorwort ......................................................................................................... V Inhaltsübersicht .......................................................................................... VII Abkürzungsverzeichnis ........................................................................... XVII

Einführung ................................................................................................. 1 A. B. C. D.

Die Preisbindung der zweiten Hand und ihr Verbot in der neuen kartellrechtlichen Diskussion ................................................................. 1 Offene Fragen ........................................................................................ 2 Gang der Untersuchung ......................................................................... 5 Terminologie.......................................................................................... 8

1. Teil: Ökonomische Analyse der Preisbindung zweiter Hand ..............................................................................11 A.

Die Preisbindung und die moderne ökonomische Analyse des Kartellrechts ......................................................................................... 11

I.

Die Preisbindung der zweiten Hand zwischen den ideologischen Strömungen ........................................................................................... 11 Der Preis und seine Bindung – der klassische Analyserahmen und erste Überlegungen zur ökonomischen Einordnung der Preisbindung ......................................................................................... 16 1. Das ökonomische Verhaltensmodell, Gleichgewichtstheorie und Preistheorie bei Konkurrenz und Monopol .................................16 2. Ökonomische Folgenbewertung: Ambivalenz von Preisbindungen ................................................................................. 20 3. Preisbindungen der zweiten Hand: warum wollen (und können) Private ihre Preise binden? ............................................................... 23

II.

X

Inhaltsverzeichnis

B.

Die positiven Wirkungen von Preisbindungen der zweiten Hand im markeninternen Wettbewerb ............................................................. 26

I.

Die Preisbindung zur Lösung des Trittbrettfahrerproblems: klassische Service-Argumente, Qualitätszertifizierung und die Auswirkungen des Internets .................................................................. 26 1. Hypothese: Preisbindung zur Verhinderung des Trittbrettfahrens auf Serviceleistungen .............................................26 2. Qualitätszertifizierung und erleichterter Markteintritt: Preisbindung zur Verhinderung des Trittbrettfahrens auf Prestige ............................................................................................. 31 3. Ökonomische Belastbarkeit der Free-Rider-Erklärungen: klassische Kritikpunkte und Berücksichtigung der Auswirkungen des Internets und des E-Commerce ...........................32 a) Auswirkungen des Internets auf Handel und Preise ......................32 aa) Transaktionskosten von Herstellern, Händlern und Konsumenten ......................................................................... 34 bb) Reichweite des Vertriebs: geografische Ausweitung des Wettbewerbs .......................................................................... 35 cc) Informationspool und Markttranzparenz: Erweiterung der Möglichkeiten, Wettbewerb zu beschränken ....................36 b) Relevanz des Trittbrettfahrerproblems ..........................................36 c) Relevanz der Qualitätszertifikation im Internet ............................39 d) Eignung der Preisbindung zur Serviceimplementierung und zur Verhinderung des Trittbrettfahrens .........................................41 e) Kritik an der Free-Rider-Theorie unter Berücksichtigung der Auswirkungen von Internet und E-Commerce ........................43 aa) Preisdispersion im Internet und Informationsgrad für Kaufentscheidungen ............................................................... 44 bb) Die Quantität der Free-Rider-Situationen im MultiChannel-Umfeld .................................................................... 47 cc) Die Vorbereitungsfunktion des Stationärhandels....................49 dd) Die Informations- und Vorbereitungsfunktion des Internethandels....................................................................... 50 ee) Bewertung ............................................................................. 51 f) Alternative Maßnahmen zur Lösung des Trittbrettfahrerproblems ............................................................... 53 4. Ergebnisse ........................................................................................ 55 Anreizprobleme – Preisbindung zur Koordination entlang der Vertriebskette ....................................................................................... 57 1. Preisbindung zur Verkaufsförderung durch mehr Service oder Wettbewerb um die Händlergunst .....................................................58 2. Preisbindung zur Kundengewinnung ................................................61

II.

Inhaltsverzeichnis

XI

3. Preisbindung zur Verhinderung doppelter Margenbildung ................65 4. Preisbindung zur Nachfragesteigerung durch mehr Verkaufsstellen ................................................................................. 66 5. Preisbindung zur Optimierung der Produktverfügbarkeit ..................68 6. Zusammenfassung ............................................................................ 71 III. Preisbindung, Marketing und Qualität ...................................................72 C.

Die negativen Wirkungen von Preisbindungen der zweiten Hand im markenexternen Wettbewerb ............................................................ 79

I.

Kartellargumente .................................................................................. 79 1. Preisbindungen und Kollusion auf der Händlerebene ........................79 2. Preisbindung und Kollusion zwischen Herstellern ............................83 3. Zusammenfassung ............................................................................ 86 II. Die Preisbindung und Abschottung .......................................................88 III. Langfristige Wirkung der Preisbindung auf die Preisentwicklung .........94 1. Preisbindung zur Sicherung von Gewinnmargen des Herstellers.......95 2. Die Einwände gegen Service-Argumente: Preisbindungen, Preiserhöhungen und die Qualität von Serviceangeboten ..................97 3. Die Auswirkungen der Preisbindung auf den InterbrandWettbewerb ...................................................................................... 99 a) Das Wechselspiel zwischen Intrabrand- und InterbrandWettbewerb .................................................................................. 99 b) Interlocking Relationships .......................................................... 101 IV. Preisbindung und innovative Handelskonzepte ................................... 103 V. Empirische Erfahrungen...................................................................... 105 D.

Verwandte Vereinbarungen................................................................. 109

I. II.

Höchstpreisbindungen aus ökonomischer Sicht ................................... 109 Meistbegünstigungsklauseln und Preisparitätsklauseln ....................... 110 1. Konstellation .................................................................................. 110 2. Positive Auswirkungen auf Wettbewerb und Konsumentenwohlfahrt ................................................................... 112 3. Negative Auswirkungen auf den Preiswettbewerb und Marktzutritt .................................................................................... 112 4. Fazit ............................................................................................... 115 III. Verwandte Preisvereinbarungen, insbesondere MAPs und IMAPs ................................................................................................ 116 IV. Unverbindliche Preisempfehlung ........................................................ 117 E. F.

Vertikale Preisbindung und vertikale Integration ................................ 118 Vergleich mit anderen nichtpreislichen vertikalen Beschränkungen.... 119

XII G.

Inhaltsverzeichnis

Ergebnisse .......................................................................................... 122

I.

Die Zusammenschau pro-kompetitiver Begründungen für Preisbindungen ................................................................................... 122 II. Die Wertung der anti-kompetitiven Wirkungen von Preisbindungen ................................................................................... 124 III. Die Motivationslage bei der Einführung der Preisbindung und die Implikationen der Verhaltensökonomie ......................................... 126 IV. Wettbewerbspolitische Implikationen ................................................. 128

2. Teil: Die Preisbindung der zweiten Hand – ein transatlantischer Rechtsvergleich ................................. 131 A.

Rechtsvergleichung: Fragestellung und Gang der rechtlichen Untersuchung...................................................................................... 131

I.

Die Suche nach einer rechtlich angemessenen Regelung der Preisbindung ....................................................................................... 131 II. Betrachtete Rechtsordnungen und offene Fragen ................................ 132 III. Gang und Schwerpunkte der Untersuchung......................................... 134 B.

Entwicklungslinien und Grundhaltung gegenüber vertikalen Beschränkungen in den USA und Europa ............................................ 136

I.

Das US-amerikanische Antitrustrecht: der wettbewerbliche Rahmen für die Erfassung vertikaler Abreden ..................................... 136 1. Der gesetzliche Rahmen des Antitrust Law in den USA ................. 136 2. Rechtsdurchsetzung gegenüber vertikalen Beschränkungen ............ 137 3. Vertikale Preisvereinbarungen in restraint of trade ........................ 138 4. Das common law-System, der Supreme Court und Präjudizien ....... 139 II. Das Europäische Wettbewerbsrecht und vertikale Beschränkungen .................................................................................. 141 III. Entwicklung des Vertikalkartellrechts im deutschen GWB ................. 143 IV. Die Schweiz und vertikale Beschränkungen ........................................ 147 1. Hochpreisinsel Schweiz – mittendrin und doch nur dabei ............... 147 2. Der Schutz des Wettbewerbs in der Schweiz, die Orientierung am EU-Recht und die Erfassung vertikaler Vereinbarungen ........... 149 V. Übergreifende Beobachtungen ............................................................ 155 C.

Rechtliche Erfassung von Mindest- und Festpreisbindungen............... 156

I.

Die vertikale Preisbindung in den USA ............................................... 156 1. Der Sherman Act und die Suche nach einem System für Sec. 1. ..... 157

Inhaltsverzeichnis

XIII

a) Die Geburt einer „problematischen“ rule of reason .................... 159 b) Siegeszug des per se-Verbotes bei der Beurteilung der Preisbindung .............................................................................. 160 c) Die ökonomische Analyse und die Wiederentdeckung der rule of reason ............................................................................. 161 d) Preise zwischen den Beurteilungsfronten: Entwicklung des quick look unter der rule of reason ............................................. 163 2. Fokus Resale Price Maintenance und price fixing zwischen Dr. Miles und Leegin ...................................................................... 166 a) Das kategorische Nein zur vertikalen Preisabsprache in Dr. Miles .................................................................................... 167 b) Wieviel Übereinkunft braucht eine Vereinbarung? Die Colgate-Doktrin und ihre Bedeutung heute .......................... 172 c) Lobbyarbeit und Legislative – gesetzliche Preisbindungsfreiheit 1937–1975 ............................................... 175 d) Supreme Court Rechtsprechung zwischen Colgate und Sylvania – Ablehnung der Preisbindungsfreiheit und Bemühung um ein kohärentes System ........................................ 177 e) Erosion von Dr. Miles: Ausweitung des Vereinbarungserfordernisses und Regelvermutung zugunsten der rule of reason?..................................................... 179 f) Das Leegin-Urteil: radikaler Umschwung in der Beurteilung von RPM oder konsequente Fortführung eines Rechtsprechungsprozesses? ........................................................ 182 aa) Ökonomische Rechtfertigung von RPM nach Leegin ........... 184 bb) Rechtliche Umsetzung der rule of reason-Beurteilung nach Leegin.......................................................................... 186 cc) Interpretation ....................................................................... 187 3. Die Preisbindung post Leegin: rule of reason revisited? ................. 189 a) Bundesebene .............................................................................. 191 aa) Gescheiterte Gesetzesinitiativen........................................... 191 bb) Bundesrechtliche Rechtsprechung ........................................ 192 cc) Behördliche Konkretisierungsbestrebungen ......................... 193 i) In re Nine West: RPM von Natur aus verdächtig?.......... 194 ii) Inherently suspect vs. quick look: Versuch einer Einordnung .................................................................... 197 iii) Bewertung ..................................................................... 199 b) Die Rolle der Einzelstaaten bei der Entwicklung eines PostLeegin-Approachs ...................................................................... 200 aa) Sherman Act und Hierarchieverhältnis zum Recht der Bundesstaaten ...................................................................... 200 bb) Das Schicksal von Leegin in den Bundesstaaten .................. 203 cc) Insbesondere: Post-Leegin-Gesetzgebung ............................ 204

XIV

Inhaltsverzeichnis

dd) Gerichtsverfahren auf Staatenebene: die wirtschaftliche und rechtliche Sonderstellung von New York und Kalifornien........................................................................... 205 i) New York ...................................................................... 205 ii) Kalifornien: per se-Verbot und Colgate-Doktrin ........... 209 ee) Bewertung ........................................................................... 212 4. Die aktuelle Rechtslage in der Gesamtbetrachtung ......................... 213 II. Die Preisbindung der zweiten Hand in der EU .................................... 217 1. Das umfassende Verständnis der vertikalen Preisbindung............... 217 2. Die Preisbindung in der Systematik des Art. 101 Abs. 1 und 3 AEUV ................................................................................... 219 a) Allgemeines Verhältnis der Abs. 1 und 3 und die Einordnung der vertikalen Preisbindung ..................................... 219 b) Preisbindung als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung ............. 223 aa) Allgemeines ......................................................................... 223 bb) Die (Nicht-) Berücksichtigung von Marktanteilen – Spürbarkeit und Bagatellfälle ............................................... 227 c) Die Möglichkeit der Freistellung – Art. 101 Abs. 3 AEUV ........ 231 aa) Die Preisbindung als Kernbeschränkung .............................. 231 bb) Das Schicksal der Einzelfreistellung .................................... 233 i) Die (Signal-)Wirkung der Vertikalleitlinien: Preisbindungen nach Leegin .......................................... 233 ii) Bedeutung für die Bewertung im Rahmen des Art. 101 Abs. 3 AEUV .................................................. 237 cc) Alternativen in der Beurteilung der Preisbindung ................ 240 i) Stellschrauben innerhalb des Art. 101 Abs. 1 AEUV ........................................................................... 240 ii) Stellschrauben des Art. 101 Abs. 3 AEUV .................... 241 (a) Aufgabe der Kernbeschränkungseinstufung ........... 241 (b) Nicht freigestellte Beschränkung nach Art. 5 VO 330/2010 ............................................... 243 iii) De lege ferenda: Besserstellung der Preisbindung gegenüber Kernbeschränkungen? .................................. 244 iv) Wettbewerbspolitische Priorisierung ............................. 245 dd) Die mitgliedstaatliche Durchsetzung des Preisbindungsverbotes ......................................................... 246 d) Zusammenfassung ...................................................................... 248 3. Preisbindungen im Rahmen des Art. 102 AEUV ............................ 249 III. Die Preisbindung der zweiten Hand in Deutschland ............................ 250 1. Fest- und Mindestpreisbindungen nach § 1 GWB: Spiegelbild der europäischen Regelung ............................................................. 251 2. Besonderheiten ............................................................................... 251 3. Verfahren in Deutschland ............................................................... 253

Inhaltsverzeichnis

XV

4. Das Druckverbot § 21 Abs. 2 GWB – ausgewählte Fälle ................ 256 5. Fazit ............................................................................................... 261 IV. Die Preisbindung der zweiten Hand in der Schweiz ............................ 263 1. Wettbewerbsbeschränkungen und ihre Rechtfertigung in der Schweiz .......................................................................................... 263 2. Die Preisbindung der zweiten Hand nach KG und Vertikalbekanntmachung 2010 ....................................................... 265 a) Vermutung der Wettbewerbsbeseitigung durch Preisbindung in Art. 5 Abs. 4 KG ............................................... 265 b) Auslegung und Anwendung in der Fallpraxis ............................. 267 c) Die (häufig erfolgreiche) Widerlegung der Vermutung durch Nachweis von Innen-oder Außenwettbewerb .................... 269 d) Die Erheblichkeit von Preisbindungen........................................ 271 e) Die Rechtfertigung von Preisbindungen in der Schweiz – Pendant zur EU-Einzelfreistellung? ............................................ 275 3. Die gescheiterte Revision des Kartellgesetzes ................................ 278 4. Zusammenfassung .......................................................................... 281 D.

Reichweite und Abgrenzungen des Preisbindungsverbotes: Gegenüberstellung von verwandten preislichen und nichtpreislichen Alternativstrategien .................................................. 283

I. Andere Geschäftsmodelle ................................................................... 283 II. Grenze zwischen vertikaler und horizontaler Vereinbarung ................ 285 III. Einseitiges Verhalten: Preisempfehlungen .......................................... 287 1. Die Preisempfehlung als Minus oder Aliud zur Preisbindung in EU und USA............................................................................... 287 2. Kunstgriff im GWB: Druckverbot .................................................. 295 3. Preisempfehlungen Schweiz ........................................................... 296 IV. Höchstpreisbindungen ......................................................................... 300 V. Relative Preisvereinbarungen .............................................................. 304 1. Einführung...................................................................................... 304 2. Meistbegünstigungsklauseln ........................................................... 305 3. Bestpreis- bzw. Preisparitätsklauseln .............................................. 308 a) Anwendbarkeit der Vertikal-GVO und Kernbeschränkungscharakter ...................................................... 310 b) Einzelfreistellung jenseits der Marktanteilsgrenze ...................... 314 c) Grundsätzliche Kategorisierung als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung? ....................................................... 316 d) Umgang mit Preisparitätsklauseln im Ausland ........................... 318 VI. Vorgeschriebene Preise in der Werbung ............................................. 320 VII. Ausnahmebereich Verlagserzeugnisse ................................................ 323

XVI

Inhaltsverzeichnis

1. Bücher als Kulturgut – Notwendigkeit der Preisbindung oder Lobbyarbeit?................................................................................... 324 a) Europarechtskonformität ............................................................ 327 b) Aspekte von E-Books und Internethandel ................................... 327 c) Fazit ........................................................................................... 330 2. Presseerzeugnisse ........................................................................... 333 3. Die abgeschaffte Buchpreisbindung in der Schweiz ........................ 338 E.

Einordnung ......................................................................................... 340

I. Die missverstandene Leegin-Entscheidung ......................................... 340 II. Die abstrakte Vorverurteilung von Preisbindungen ............................. 341 III. Das fortbestehende Preisbindungsverbot im Lichte der Anpassung wettbewerbsrechtlicher Ziele ............................................ 343

Zusammenfassung ................................................................................ 347 A. B. C.

Wettbewerbsrecht und Effizienz .......................................................... 347 Rechtsvergleichende Beobachtungen .................................................. 349 Schlussfolgerungen ............................................................................. 352

Literaturverzeichnis .................................................................................... 353 Entscheidungsverzeichnis ........................................................................... 373 Sachverzeichnis .......................................................................................... 389

Abkürzungsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis a. A. a. F. a. a. O. A.D. AAI ABA ABl. EG ABl. EU Abs. AdC AEI Journal AER AEUV AfP AG AJP AK AL Am. U. L. Rev. AMS Rev anh. Antitrust Antitrust Bull. Antitrust L. J. Antitrust Source APPA AR Ariz. L. Rev. Art., Artt. Aufl. ausf. AZ BEJEAP Bagatellbekanntmachung 2007 BB

Abkürzungsverzeichnis anderer Ansicht alte Fassung am angegebenen Ort American Decisions American Antitrust Institute American Bar Association Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaft Amtsblatt der Europäischen Union Absatz Autoridade da Concorrência American Enterprise Institute Journal American Economic Review Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union Zeitschrift für Medien- und Kommunikationsrecht Aktiengesellschaft Aktuelle Juristische Praxis Alaska Alabama American University Law Review Academy of Marketing Science Review anhängig Antitrust Magazine The Antritrust Bulletin Antritrust Law Journal The Antitrust Source Across Platform Parity Agreement Arkansas Arizona Law Review Artikel Auflage ausführlich Arizona The B.E. Journal of Economic Analysis & Policy Bekanntmachung Nr. 18/2007 des Bundeskartellamtes über die Nichtverfolgung von Kooperationsabreden mit geringer wettbewerbsbeschränkender Bedeutung („Bagatellbekanntmachung“) vom 13. März 2007 Betriebs-Berater

XVIII BBl. Bd. bearb. BeckRS begr. Bek. BGBl BGE BGer BGH BK Kartellgesetz BK BKartA BR BR-Drcks. BReg BT BT-Drcks. BV

Abkürzungsverzeichnis

bzw.

Bundesblatt (Schweiz) Band bearbeitet Beck Rechtssache begründet Bekanntmachung Bundesgesetzblatt Entscheidung des Bundesgerichts Schweizerisches Bundesgericht Bundesgerichtshof Basler Kommentar Kartellgesetz Basler Kommentar Bundeskartellamt Deutscher Bundesrat Bundesrats-Drucksache Bundesregierung Deutscher Bundestag Bundestags-Drucksache Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft v. 18. April 1999 (Stand am 1. Januar 2016) beziehungsweise

CA Cal. L. Rev. Cambridge Univ. Press Can. Bus. L. J. Cir. CMA CNN CO Colum. Bus. L. Rev. Cong. Cornell L. Rev. CPI CPI Antitrust Chronicle CT Ct. Econ. Rev. Cty.

Kalifornien California Law Review Cambridge University Press Canadian Business Law Journal Circuit Competition and Markets Authority Cable News Network Colorado Columbia Business Law Review Congress Cornell Law Review Competition Policy International Competition Policy International Antitrust Chronicle Connecticut Supreme Court Economic Review County

d. h. DC/D.C. DE Dec. De-minimis-Bekanntmachung 2001

das heißt District of Columbia Delaware December Komm. v. 22.12.2001, Bekanntmachung der Kommission über Vereinbarungen von geringer Bedeutung, die den Wettbewerb gem. Artikel 81 Absatz 1 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft nicht spürbar beschränken (de minimis), ABl. Nr. C 368/13

Abkürzungsverzeichnis De-minimis-Bekanntmachung 2014

XIX

ders. dies. Dist. Doc. DoJ Dok. DTI Duke L. J. DurchführungsVO

Komm. Mitteilung v. 30.8.2014, Bekanntmachung über Vereinbarungen von geringer Bedeutung, die im Sinne des Artikels 101 Abs. 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union den Wettbewerb nicht spürbar beschränken (De-minimis-Bekanntmachung), ABl. EU Nr. C 291/1 derselbe dieselbe / dieselben District Document Department of Justice Dokument Department of Trade and Industry Duke Law Journal s. VO 1/2003

EC ECJ E.C.L.R. ECN Econ. J. Ed. EG EGV endg. engl. Erw. erw. et al. et seq. etc. EU EuG EuGH Eur J Law Econ EuZW EVD EWS

European Commission European Court of Justice European Competition Law Review European Competition Network Economic Journal Edition Europäische Gemeinschaft Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft endgültig englisch Erwägung / Erwägungsgrund erweitert und andere folgende et cetera Europäische Union Gericht erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften Europäischer Gerichtshof European Journal of Law and Economics Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Eidgenössisches Volkswirtschaftsdepartement Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht

f. / ff. F. Supp. F.  F.R.D. FAZ FB FCO Febr. Fed.Appx. Fed. R. Serv. 2d Fed. R. Serv. 3d

folgende  Federal Supplement Federal Reporter Federal Rules Decisions Frankfurter Allgemeine Zeitung Fallbericht Federal Cartel Office February Federal Appendix Federal Rules Service, Second Series Federal Rules Service, Third Series

XX

Abkürzungsverzeichnis

Fed.Supp. FKVO FL Fordham Int’l L. J. Fordham L. Rev. FS FTC

Federal Supplement/Supplemental Fusionskontrollverordnung Florida Fordham International Law Journal Fordham Law Review Festschrift Federal Trade Commission

G.P.O. GA GA Geo. J. L. & Pub. Pol’y Geo. L. J. Geo. Mason L. Rev. GfK ggf. ggü. GRUR GRUR-Int. GRUR-Prax GRUR-RR GVH GVO GWB GWR

Government Printing Office Generalanwalt/Generalanwältin Georgia Georgetown Journal of Law & Public Policy Georgetown Law Journal George Mason Law Review Gesellschaft für Konsumforschung gegebenenfalls gegenüber Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht GRUR, Internationaler Teil GRUR, Praxis im Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht GRUR, Rechtsprechungs-Report Hungarian Competition Authority Gruppenfreistellungsverordung Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen Gesellschafts- und Wirtschaftsrecht

Harv. J. L. & Pub. Pol’y Harv. L. Rev. Harvard Univ. Press Hastings Const. L.Q. HCA Hervorh. durch d. Verf. Hg. Hg. v. HI h. M. Hofstra L. Rev. Hs.

Harvard Journal of Law & Public Policy Harvard Law Review Harvard University Press Hastings Constitutional Law Quarterly Hungarian Competition Authority Hervorhebung durch die Verfasserin Herausgeber Herausgegeben von Hawaii herrschende Meinung Hofstra Law Review Halbsatz

IA ibid. IBM ICF ID i. E. i. H. v. IJRDM

Iowa ebenda International Business Machines Corporation International Competition Law Forum Idaho im Ergebnis in Höhe von The International Journal of Retail & Distribution Management Illinois

IL

Abkürzungsverzeichnis IMAP IN Inc. insb. Int. J. Ind. Organ. Int’l J. Res. Marketing i.R.d. i. S. d. i. S. e. i. S. v.

Internet Minimum Advertised Price Indiana incorporated insbesondere International Journal of Industrial Organization International Journal of Research in Marketing im Rahmen der/des im Sinne der / des im Sinne einer / s im Sinne von

J. C.L. & E. J. Corp. L. JECLAP J. Econ. & Bus J. Econ. Perspect. J. Ind. Econ. J. Interact. Mark. J. L. & Econ. J. L. & Pol’y J. Marketing

Journal of Competition Law & Economics Journal of Corporation Law Journal of European Competition Law & Practice Journal of Economics & Business Journal of Economic Perspectives Journal of Industrial Economics Journal of Internactive Marketing Journal of Law & Economics Journal of Law & Policy Journal of Marketing

Kan. KG KG Komm. Komm. Komm. Entsch. krit. KS KSzW KY

Kansas Kammergericht Kartellgesetz Kommentierung Europäische Kommission Kommission Entscheidung kritisch, kritisierend Kansas Kölner Schrift zum Wirtschaftsrecht Kentucky

LA Leitlinien für vertikale Beschränkungen Leitlinien zur Anwendung von Art. 81 Abs. 3 EG

Louisiana s. Vertikalleitlinien

XXI

LL Loy. L. A. L. Rev.

Bekanntmachung der Kommission v. 27.4.2004, Leitlinien zur Anwendung von Art. 81 Abs. 3 EG-Vertrag, ABl. EG Nr. C 101/97. Leitlinien; Leitlinien / Vertikalleitlinien Loyola of Los Angeles Law Review

m. V. a. m. w. N. MA MAP Mass. MBK MD

mit Verweis auf mit weiteren Nachweisen Massachusetts Minimum Advertised Price Massachusetts Meistbegünstigungsvereinbarung/-klausel Maryland

XXII

Abkürzungsverzeichnis

ME MFCN MFN MI Mich. L.Rev. Minn. J. Law Sci. Tech. MIT Press mithrsg. MMR MMR MN MO MPRA MS MSRP MT

Maine Most Favoured Customer Clause Most Favoured Nation Clause Michigan Michigan Law Review Minnesota Journal of Law Science & Technology Massachusetts Institute of Technology Press mitherausgegeben MultiMedia und Recht MultiMedia und Recht Minnesota Missouri Munich Personal RePEc Archive Mississippi Minimum Suggested Retail (Resale) Price Montana

n. F. N. Ill. U. L. Rev. NARD NC ND NE NH NJ NJW NM No. Nr. NRW-RR NV NVwZ NY NZKart NZZ

neue Fassung Northern Illinois University Law Review National Association of Retail Druggists North Carolina North Dakota Nebraska New Hampshire New Jersey Neue Juristische Wochenschrift New Mexico Number Nummer NJW-Rechtsprechungs-Report Nevada Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht New York Neue Zeitschrift für Kartellrecht Neue Zürcher Zeitung

o. ä. Oct. OECD OFT o. g. OH OK OR

oder ähnliche/s/r October Organisation for Economic Co-Operation and Development Office of Fair Trading oben genannt Ohio Oklahoma Oregon

PA PAngG PM PNAS

Pennsylvania Preisangabengesetz Pressemitteilung Proceedings of the National Academy of Sciences

Abkürzungsverzeichnis Pub.

Publishing

Q. J. Econ. QME

Quarterly Journal of Economics Quantitative Marketing and Economics

RAND J. Econ rd. Rec. repr. Rev. Econ. Stat. Rev Ind Organ RGBl. RI Rn. RPM RPW Rspr.

The RAND Journal of Economics rund Record representative Review of Economics and Statistics Review of Industrial Organization Reichsgesetzblatt Rhode Island Randnummer / Randnummern Resale Price Maintenance Recht und Politik des Wettbewerbs Rechtsprechung

s. S. s. a. SC SD S.D.N.Y. Sec. SHK SJZ Slg. sog. SSRN St. John’s L. Rev. Stan. L. Rev. std.

siehe Satz (in Normen) siehe auch South Carolina South Dakota Southern District Court of New York Section Stämpflis Handkommentar Schweizerische Juristen-Zeitung Sammlung sogenannt Social Science Research Network St. John’s Law Review Stanford Law Review ständig/-e

taz TB TFEU TN Trade Cas. TX

Die Tageszeitung Tätigkeitsbericht Treaty on the Functioning of the European Union Tennessee Trade Cases Texas

u. a. überarb. Übers. d. Verf. U. Ill. L. Rev. Univ. U. Pa. L. Rev. UPE US

unter anderem, unter anderen / und andere überarbeitet Übersetzung der Verfasserin University of Illinois Law Review University University of Pennsylvania Law Review Unverbindliche Preisempfehlung United States

XXIII

XXIV

Abkürzungsverzeichnis

U.S. U.S.C. UT u. U. UVP

U.S. Supreme Court (in Urteilen) United States Code Utah unter Umständen Unverbindliche Preisempfehlung

v. v. v. a. VA Vand. J. Ent. & Tech. L. verb. Rs. VertBek 2007

versus (in Urteilen) vom, von (bei Datumsangaben) vor allem Virginia Vanderbilt Journal of Entertainment & Technology Law verbundene Rechtssachen Beschluss der Wettbewerbskommission vom 2. Juli 2007, Bekanntmachung über die wettbewerbsrechtliche Behandlung vertikaler Abreden, BBl. 2007 7597 ff. Beschluss der Wettbewerbskommission vom 28. Juni 2010, Bekanntmachung der Wettbewerbskommission über die wettbewerbsrechtliche Behandlung vertikaler Abreden (Vertikalbekanntmachung, VertBek), BBl. 2010 5078 ff. Vertikalbekanntmachung s. VO 330/2010 Komm., Mitteilung der Kommission v. 13.10.2000, Leitlinien für vertikale Beschränkungen (2000/C 291/01), ABl. EG 2000 Nr. C 291/1, (Rn. lit.) Komm., Mitteilung der Kommission v. 19.5.2010, Leitlinien für vertikale Beschränkungen (2010/C 130/01), ABl. EU 2010 Nr. C 130/1, (Rn. lit.) vergleiche Verordnung Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates v. 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 und 82 des Vertrages niedergelegten Wettbewerbsregeln, ABl. EG Nr. L 1 v. 4.1.2003, 1–25. Verordnung (EG) Nr. 1215/1999 des Rates v. 10. Juni 1999 zur Änderung der Verordnung Nr. 19/65/EWG über die Anwendung von Artikel 81 Absatz 3 des Vertrages auf Gruppen von Vereinbarungen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen v. 10.6.1999 ABl. 1999 Nr. L 148/1. Verordnung Nr. 19/65/EWG des Rates v. 2. März 1965 über die Anwendung von Artikel 85 Absatz (3) des Vertrages auf Gruppen von Vereinbarungen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen, ABl. Nr. L 36 v. 6.3.1965, 0533 ff. Verordnung (EG) Nr. 2790/1999 der Kommission v. 22.12.1999 über die Anwendung von Art. 81 Abs. 3 des Vertrages auf Gruppen von vertikalen Vereinbarungen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen, ABl. EG 1999 Nr. L 336/21.

VertBek 2010

VertBek Vertikal-GVO Vertikalleitlinien 2000 Vertikalleitlinien 2010 vgl. VO VO 1/2003

VO 1215/1999

VO 19/65

VO 2790/1999

Abkürzungsverzeichnis VO 330/2010

VPE VT

XXV

Verordnung (EU) Nr. 330/2010 der Kommission v. 20.4.2010 über die Anwendung von Artikel 101 Absatz 3 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf Gruppen von vertikalen Vereinbarungen und abgestimmten Verhaltensweisen, ABl. 2010 Nr. L 102/1. Verbraucherpreisempfehlung Vermont

WA Wash. Wash. Lee Law Rev. Wash. U. J. L. & Pol’y WEKO WI Wis. L. Rev. WL World Competition L. & Econ. Rev. WRP WSJ WuW WuW/E WuW/E KRInt WV WY

Washington Washington Washington and Lee Law Review Washington University Journal of Law & Policy Wettbewerbskommission Wisconsin Wisconsin Law Review Westlaw Transcripts World Competition Law and Economics Review Wettbewerb in Recht und Praxis Wall Street Journal Wirtschaft und Wettbewerb WuW/Entscheidungssammlung zum Kartellrecht WuW/E Kartellrecht International West Virginia Wyoming

YLJ

The Yale Law Journal

z. B. Ziff. zit. ZUM ZUM-RD ZVertriebsR ZWeR

zum Beispiel Ziffer zitierend, zitiert dabei Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht ZUM-Rechtsprechungsdienst Zeitschrift für Vertriebsrecht Zeitschrift für Wettbewerbsrecht

Einführung Einführung

A. Die Preisbindung der zweiten Hand und ihr Verbot in der neuen kartellrechtlichen Diskussion

A. Die Preisbindung der zweiten Hand und ihr Verbot

Die Preisbindung der zweiten Hand beschreibt einen Typus von vertikalen Vereinbarungen, bei dem ein Unternehmen auf Anbieterseite den Preis vorgibt, den der Abnehmer auf der nachgelagerten Handelsstufe als Wiederverkaufspreis veranschlagen kann.1 Die Konstellation betrifft typischerweise einen Hersteller, der den Händler auf der nächsten Vertriebsstufe hinsichtlich eines Preises für das Produkt oder die Dienstleistung des Herstellers im Einzelhandel binden will. Je nach inhaltlicher Vorgabe der Endpreise unterscheidet man Mindest-, Höchst- und Festpreisbindungen. Während Höchstpreisbindungen eine Preisobergrenze vorschreiben, definieren Mindestpreisbindungen eine Preisuntergrenze. Die konkrete Folge solcher Preisvorgaben ist die Ausschaltung des Preiswettbewerbs innerhalb derselben Marke (Intrabrand-Wettbewerb) auf der nachgelagerten Handelsstufe. Manche Wettbewerbsrechtsordnungen differenzieren nicht zwischen diesen verschiedenen Preisvorgaben, die weitaus meisten jedoch erachten zumindest Höchstpreisbindungen als wenig besorgniserregend. Im gleichen Kontext bewegt sich auch die – als solche abzugrenzende – unverbindliche Preisempfehlung, bei der ein Anbieter seinem Abnehmer einen möglichen Preis für den Weiter- oder Endverkauf vorschlägt. Solche nicht bindenden Preisvorgaben sind in der Regel so lange wettbewerbsrechtlich unbedenklich, wie das Herstellerunternehmen nicht aktiv versucht, sie durchzusetzen, indem es zum Beispiel damit droht, die Belieferung einzustellen. Die Preisbindung der zweiten Hand selbst stellt jedoch nach wie vor einen der kontroversesten Bereiche des Wettbewerbsrechts. Um sie und um verwandte Vereinbarungen dreht sich eine der ältesten Diskussionen, die regelmäßig wieder aufflammt und die ihre Spuren in der kartellrechtlichen Behandlung solcher Preisbindungsvereinbarungen hinterlassen hat.2 So offenkundig die zentrale Rolle des Preiswettbewerbs im Interbrand-Wettbewerb Immenga / Mestmäcker-Ellger, Art. 101 Abs. 3 AEUV, Rn. 44. Als Gegenstand monografischer Arbeiten z. B. Glasow, Vertikale Preisbindung, Wettbewerbstheorie und Wettbewerbsrecht in den USA, Deutschland und Europa (2000); Kasten, Höchstpreisbindungen (2005). 1 2

2

Einführung

ist, so wenig herrscht nämlich Einigkeit über die Motivation und die Auswirkungen preislicher Vereinbarungen im Vertikalverhältnis, also zwischen Nichtwettbewerbern. Ökonomen erkennen einerseits das Potenzial von Preisbindungen, Kartelle zu erleichtern. Gleichzeitig verweisen sie aber auf positive, d. h. pro-kompetitive Auswirkungen und drängen auf eine differenziertere rechtliche Beurteilung. Trotz umfangreicher Auseinandersetzung vieler Ökonomen mit den Auswirkungen von Preisbindungen, nehmen die meisten Wettbewerbsrechtsordnungen – historisch und aktuell – eine feindliche Haltung gegenüber Mindest- und Festpreisbindungen an. In der Europäischen Union ist die Preisbindung der zweiten Hand als sog. Kernbeschränkung verboten, d. h. sie ist grundsätzlich untersagt, kann aber unter Umständen gerechtfertigt werden.3 Freilich kommt letztere Rechtfertigung, die sog. Einzelfreistellung, praktisch nicht vor. In den USA war die Preisbindung, die sog. Resale Price Maintenance (RPM) hingegen aufgrund von Sherman Act und bundesrechtlicher Rechtsprechung in Dr. Miles Medical Co. v. John D. Park & Sons Co. (Dr. Miles)4 seit 1911 für fast einhundert Jahre per se, d. h. ausnahmslos, verboten. Im Jahr 2007 vollzog der Supreme Court jedoch in Sachen Leegin Creative Leather Products, Inc. v. PSKS, Inc. (Leegin)5 eine einschneidende Kehrtwende in der rechtlichen Beurteilung der vertikalen Preisbindung. Er verwarf die per se rule in Bezug auf RPM zugunsten einer sog. rule of reason-Bewertung, sodass nun im Rahmen einer Einzelfallbetrachtung mögliche wettbewerbsbeschränkende gegen wettbewerbsfördernde Effekte von Preisbindungen abgewogen werden müssen. Bereits hier sei auch auf die Entwicklungen im deutschen GWB hingewiesen: Nach § 16 GWB a. F. waren Markenwaren und Verlagserzeugnisse vom Verbot der Preisbindung nach § 15 GWB a. F. ausgenommen. Erst mit der zweiten GWB-Novelle 1973 wurde die Zulässigkeit der Preisbindung bei Markenwaren beseitigt, wodurch – abgesehen von Verlagserzeugnissen – ein allgemeines Verbot der Preisbindung der zweiten Hand im GWB erzielt wurde. Die erheblichen Umschwünge bei der Beurteilung vertikaler Preisbindungen in den verschiedenen Kartellrechtsordnungen wirft eine Reihe von Fragen auf, denen in dieser Arbeit nachgegangen werden soll.

B. Offene Fragen B. Offene Fragen

Das Ende des amerikanischen Preisbindungsverbotes hat in Europa zu einer erneuten Diskussion der Preisbindung der zweiten Hand und zu zahlreichen Veröffentlichungen geführt. Die nach wie vor große Relevanz von Vertikalab3 4 5

Mestmäcker / Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht, § 15, Rn. 35–55. Dr. Miles Medical Co. v. John D. Park & Sons Co., 220 U.S. 373 (1911). Leegin Creative Leather Products, Inc. v. PSKS, Inc., 551 U.S. 877 (2007).

B. Offene Fragen

3

reden im Allgemeinen und der Preisbindung im Besonderen zeigt sich nach dem Leegin-Urteil 2007 deutlich in der Praxis der europäischen Kartellbehörden. Gemeint ist damit nicht in erster Linie die Europäische Kommission, die seit dem Übergang zum Prinzip der Legalausnahme ihren Verfolgungsschwerpunkt eher auf Hardcore-Verstöße gegen Art. 101 AEUV legt, sodass es seit Inkrafttreten der VO 1/2003 kaum noch Vertikalfälle gibt.6 Größere Bedeutung hat die spürbar intensivierte Verfolgung von vertikalen Vereinbarungen durch die mitgliedstaatlichen Kartellbehörden in Frankreich, Deutschland und Großbritannien.7 Das Office of Fair Trading (OFT) war die erste Kartellbehörde, die eine groß angelegte Untersuchung im Supermarkteinzelhandel aufnahm, gefolgt von Untersuchungen des Bundeskartellamtes (BKartA) im Lebensmitteleinzelhandel in Deutschland 2010.8 2015 mündete letztere in Entscheidungen gegen zahlreiche Akteure in Industrie und Handel. Bereits in anderen Branchen wurden zwischenzeitlich Bußgeldentscheidungen für vertikale Preisvereinbarungen erlassen.9 Nicht nur die jüngsten Fallzahlen in diesem Bereich sind bemerkenswert, sondern es treten auch neue Formen der vertikalen Kooperation in den Fokus der Kartellbehörden. Neben ausgeweiteter Kooperation zwischen Herstellern und Händlern und Fragen zur Abstimmung „übers Eck“ (u. a. beim Category Management10), steht vor allem der Gebrauch der Preisbindung im Zusammenhang mit dem Internet als Informations- und Vertriebskanal im Fokus der Untersuchung. Die restriktiven Prinzipien, nach denen das deutsche BKartA und andere nationale Wettbewerbsbehörden unverändert gegen Preisbindungen vorgehen, beruhen sowohl auf europäischem Primär- und Sekundärrecht, insbesondere der VO 330/2010 und den Vertikalleitlinien, als auch auf mitgliedstaatlicher Rechtslage, hier § 1 GWB. Weißbuch zur Modernisierung des europäischen Kartellrechts, ABl. 1999 C 132/1, 4. OFT v. 15.4.2010 – CA98/01/2010, Case CE/2596-03 – Tobacco; v. 7.12.2007 – CA98/03/2011, Case CE/3094-03 – Dairy processors (frühe Einigung); v. 1.8.2003 – CA 98/06/2003, Case CP/0871/01 – Football shirts; im Überblick nur OECD Competition Committee, Policy Roundtables: Resale Price Maintenance 2008, DAF/COMP (2008)37, 52–55 (2009). Im Vereinigten Königreich sind Preisempfehlungen erlaubt, verknüpft mit finanziellen Anreize oder Sanktionen bei Nichtbefolgung gelten sie als Preisbindungen und somit als Kernbeschränkungen, vgl. OFT, Press Release v. 20.9.2013, OFT Issues Statement of Objections to Sports Bra Supplier and Three UK Department Stores; OFT, Press Release v. 24.9.2013, OFT Issues Statement of Objections in Mobility Scooters Sector. 8 BKartA, WuW 2010, 786–791. 9 BKartA v. 14.10.2009 – B3-69/08 – Phonak; v. 25.9.2009 – B3-123/08 – CibaVision; v. 25.4.2007 – B7-42/06 – Haushaltskleingeräte; Auflistung Verfahren Imgrund, BB 2012, 787, 788. 10 Bedenken bestehen gegen dieses Warengruppenmanagement vor allem dann, wenn die Praxis einem in der Regel marktführenden Hersteller (als sog. Category-Captain) die Aufgabe der Beratung zuweist. Der Category-Captain bezieht bei der Sortimentsplanung auch Wettbewerbsprodukte der ganzen der Warengruppe in seine strategische Empfehlung ein, was unter dem Gesichtspunkt der Hub & Spoke-Abstimmung als fragwürdig erscheint. 6 7

4

Einführung

Die derzeitige Anwendungspraxis wird häufig als zu rigide empfunden und vor allem seitens der Geschäftspraxis und betriebswirtschaftlicher Literatur offen attackiert.11 Auch in der rechtswissenschaftlichen Literatur findet sich aber Kritik an der Linie der Behörden und der Auslegung und Anwendung des europäischen und des deutschen Rechtsrahmens. 12 Dabei wird vor allem eine stärkere Beachtung ökonomischer Effizienzerwägungen gefordert, die im Rahmen des stärker wirtschaftlichen Ansatzes, des sog. more economic approach,13 zu erwarten gewesen sei. Gleichzeitig wird der formaljuristische Ansatz, der form based approach, in Bezug auf die Preisbindung beklagt, der faktisch einem per se-Verbot gleichkomme. Die Beurteilung der Preisbindung zweiter Hand stelle insofern auch eine Abkehr von dem Prozess der Liberalisierung bei der Beurteilung vertikaler Vereinbarungen in den Vereinigten Staaten dar, der im Leegin-Urteil gesehen wird. Nachdem in Bezug auf fast alle anderen Vertikalvereinbarungen der rule of reason-Maßstab galt, gab der U.S. Supreme Court in diesem Urteil auch die (vorerst) letzte Bastion der per se-Illegalität 2007 auf und unterstellte RPM einer Einzelfallbetrachtung mit der Möglichkeit der Rechtfertigung der Wettbewerbsbeschränkung. 14 Die europäischen Kartellrechtsordnungen seien in dieser Hinsicht weit entfernt von einer wirkungsbasierten Beurteilung von Wettbewerbsbeschränkungen und mit ihrem Festhalten an einem starren form based-Ansatz gewissermaßen rückständig.15 Trotz zahlreicher Einzelveröffentlichungen erfolgte in der Preisbindungsdiskussion bis zuletzt keine umfassende Neubewertung; stattdessen wurden überwiegend einzelne Teilaspekte aufgegriffen, um für ein striktes oder liberalisiertes Preisbindungsverbot zu streiten. Angesichts der komplexen und ambivalenten Auswirkungen preislicher Beschränkungen im Vertikalbereich ist eine selektive Betrachtung und induktive Argumentation jedoch nicht ausreichend. Diese Arbeit möchte deshalb eine möglichst umfassende Basis für eine kartellrechtliche Neubewertung schaffen. Die vorliegende Arbeit setzt sich deshalb zum Ziel, die Gemengelage von ökonomischer und rechtlicher Beurteilung von vertikalen Preisvereinbarungen systematisch aufzuarbeiten. Eine Neubewertung umfasst daher zwei Schritte: Um die Preisbindungsdiskussion und die Forderungen zu verstehen, die sich gegenüberstehen, nutzt diese Arbeit einerseits die deskriptiven Ansätze ökonomischer Theorien zur Preisbindung. Zum anderen wird die PreisAhlert et al., Vertikale Preis und Markenpflege (2012); Imgrund, BB 2012, 787, 792. Beispielhaft erwähnt sei Reindl, 33 Fordham Int’l L. J. 2010, 1300; Möschel, Vertikale Preisbindung, in: Kartellrecht in Theorie und Praxis 2012, 341 ff.; Lettl, WRP 2011, 710 ff.; monografisch zuletzt z. B. Epple, Die Wurzeln der vertikalen Preisbindung in Deutschland, 208; Schefer, Das Verbot der vertikalen Preisbindung (2013), 204 ff. 13 Dazu Immenga / Mestmäcker-Immenga  / Mestmäcker, Bd. 1/Teil 1 Einleitung, Rn. 8–11. 14 Leegin Creative Leather Products, Inc. v. PSKS, Inc., 551 U.S. 877 (2007); siehe z. B. Brinker, NZKart 2013, 2; ders., NZKart 2014, 162. 15 Brinker, NZKart 2014, 162. 11 12

C. Gang der Untersuchung

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bindungsdiskussion rückblickend im Bezug auf die vergangene und aktuelle rechtliche Handhabung aufgearbeitet. Um einen etwaigen Reformbedarf de lege lata oder de lege ferenda auf europäischer oder mitgliedstaatlicher Ebene ernsthaft diskutieren zu können, bedarf es vor allem einer Beantwortung der Frage, wie sich die Kartellrechtsordnungen in den USA und Europa in Hinblick auf die Preisbindung tatsächlich gegenüberstehen. Stärker als in der Europäischen Union, die mit dem Anwendungsvorrang des Unionsrechts ein rechtliches Hierarchieverhältnis absteckt, bestehen in den USA bundesstaatliche kartellrechtliche Regelungen weitgehend autonom von den Vorgaben des Sherman Act. Ein pauschaler Verweis auf die rechtliche Beurteilung vertikaler Preisbindungen in den USA als Mutterland des Kartellrechts greift deshalb zu kurz und ist in Bezug auf einen transatlantischen Vergleich kritisch zu hinterfragen. Dabei besteht der Klärungsbedarf nicht nur in Bezug auf Preisbindungen der zweiten Hand im engen juristischen Sinne, sondern auch und vor allem auf mögliche Ersatzstrategien und ihre rechtliche Zulässigkeit. Untersuchungsobjekt sind daher neben der Preisbindung der zweiten Hand auch Preisempfehlungen, Preisbindungen durch Nachfrager (Meistbegünstigungsklauseln) und – soweit vergleichend erforderlich – auch nichtpreisliche vertikale Wettbewerbsbeschränkungen. Zum anderen soll in dieser Arbeit in besonderem Maße das veränderte Marktumfeld besprochen werden, in dem sich das Preisbindungsverbot häufig bewegt. Der Einfluss des Internets als Informations- und Vertriebskanal wirft hinsichtlich der ökonomischen und rechtlichen Beurteilung vertikaler preislicher Vereinbarungen vielerlei Fragen auf.

C. Gang der Untersuchung C. Gang der Untersuchung

Die angerissenen Fragen um die Preisbindung der zweiten Hand werden in zwei Teilabschnitten bearbeitet. Im ersten Teil wird die Arbeit auf die ökonomische Analyse von Preisbindungsvereinbarungen im Vertikalverhältnis zurückgreifen, um den theoretischen Unterbau der Preisbindungsdiskussion im Wandel der Zeit darzustellen und für die Bearbeitung der rechtlichen Fragen im zweiten Teil aufzuarbeiten. Hinsichtlich der grundsätzlichen Notwendigkeit der Einbeziehung der Ökonomie und ihrer Erkenntnisse im kartellrechtlichen Kontext besteht mittlerweile Konsens.16 Nicht zufällig war das Kartellrecht mit der Regelungsmaterie Wettbewerb deshalb der Ausgangspunkt für das Fortschreiten der ökonomischen Analyse des Rechts schlechthin, denn der Aufgabe, den Wettbewerb vor Wettbewerbsbeschränkungen zu schützen, kann das Kartellrecht nicht 16

Gavil / Kovacic / Baker, Antitrust Law in Perspective, 63 f.; Wurmnest, Marktmacht, 8.

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Einführung

abstrakt von der zu regelnden Materie gerecht werden.17 Da es sich ausnahmslos auf wirtschaftliche Sachverhalte bezieht, ist ein Rückgriff auf ökonomische Konzepte und Erkenntnisse der Wirtschaftswissenschaft unverzichtbar. Das beginnt bei grundlegenden Definitionen wie dem Wettbewerbsbegriff, der Wettbewerbsbeschränkung und endet in der Beurteilung verschiedener Wohlfahrtsmaßstäbe. Auf der anderen Seite muss sich das Kartellrecht selbst als Steuerungsinstrument für wettbewerbspolitische Zielsetzungen an seinen ökonomischen Folgen in der Wirklichkeit messen lassen, womit die Folgenprognose i. S. d. Bewertung von Rechtsnormen und Gerichtsentscheidungen denklogisch inbegriffen ist.18 Im Hinblick auf die konkrete Regelungsausgestaltung ist jedoch die Grenze der Einigkeit oftmals erreicht. Inwieweit im Zuge einer ökonomisch fundierten Rechtsanwendung ökonomische Erkenntnisse im Kartellrecht den normativen Spielraum des Rechtsanwenders bestimmen, ist höchst umstritten und durch verschiedene ideologische Schulen beeinflusst, die in ihrer Akzentuierung auch und insbesondere anhand der Diskussion um die Preisbindung der zweiten Hand sichtbar werden. Es gilt daher nicht nur zu klären, ob und inwiefern eine Preisbindung ökonomisch effizient sein kann und dieser Erkenntnis ein rechtliches Ge- oder Verbot zuzuordnen. Dies allein ist bereits schwierig, weil zwar die Folgen von Rechtsregeln grundsätzlich einer Überprüfung zugänglich sind, das Programm der ökonomischen Analyse aber mit wenigen grundlegenden Konzepten auskommen muss. Systemtheoretisch gesprochen reduziert die Ökonomische Analyse die Komplexität der Einzelfälle über die Anwendung des positiven ökonomischen Verhaltensmodells. Deshalb krankt sie in einer hochkomplexen Wirklichkeit häufig am Modellhaften, was sich im Rahmen der theoretischen Erklärungen für den Gebrauch und die Wirkung von Preisbindungen deutlich veranschaulichen lässt.19 Es mangelt gerade im Bereich der Preisbindung häufig an belastbaren empirischen Studien, die die Ergebnisse der ökonomischen Analyse be- oder widerlegen würden. Am Rande dürften zudem verhaltensökonomische Besonderheiten eine Rolle spielen. Die Arbeit versucht hier den aktuellen Forschungsstand zusammenzutragen. Darüber hinaus ist die gewünschte Lösung eines einzelwirtschaftlichen Problems nicht immer auch effizient herbeizuführen. Die ökonomische Analyse des Rechts betrachtet es als notwendige und legitime Aufgabe der Rechtswissenschaft, die rechtliche Regelung selbst danach zu beurteilen, in welchem Maße sie die Verschwendung von Ressourcen verhindert und damit Die ökonomische Analyse des Rechts fand ihren Ursprung in den USA, Anfang der 1980er-Jahre; Standardwerk s. Posner, Economic Analysis of Law; zu deutschsprachigen Veröffentlichungen v. a. Schäfer / Ott, Ökonomische Analyse; Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip. 18 Vgl. zu Recht als Steuerungsinstrument Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, 2. 19 Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, 6. 17

C. Gang der Untersuchung

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die Effizienz erhöht.20 Konkret fragt sich, wie viele und welche ökonomischen Konzepte im Rahmen der Gesetzesanwendung berücksichtigt werden können, um im Wirtschaftsleben eine Preisbindungsvereinbarung zu bewerten. Spätestens wenn sich verschiedene ökonomische Effekte diametral gegenüberstehen, wird eine einseitige Konzentration auf die ökonomischen Gesetzmäßigkeiten zulasten der Rechtssicherheit gehen und damit ebenfalls Auswirkungen auf den Ressourceneinsatz haben. Jede wettbewerbsrechtliche Regelung – d. h. sowohl eine etwaige Erlaubnis als auch ein Verbot der Preisbindung der zweiten Hand – muss sich an ihrer Auswirkung auf die gesamtgesellschaftliche Wohlfahrt messen lassen und unterliegt dabei drei Beurteilungsdimensionen. Zunächst sollte eine Norm, die die Preisbindung regelt, einen Rahmen dafür bieten, die Wahrscheinlichkeit anti-kompetitiver Wirkungen von vertikalen Preisbindungsvereinbarungen zu berücksichtigen bzw. zu verringern. Zweitens muss die entsprechende rechtliche Regelung adäquat hinsichtlich ihrer Kosten sein, d. h. sie sollte voraussichtlich nicht zu viele Fehler, i. S. v. Fehlentscheidungen, provozieren. Sowohl eine Anfälligkeit für Fehler erster Ordnung, bei denen ein Verhalten untersagt wird, dass zulässig sein sollte,21 als auch für Fehler zweiter Ordnung, bei denen ein unzulässiges Verhalten nicht verfolgt wird,22 können zur Ineffizienz einer Regelung führen. Drittens muss die jeweilige Regelung der Preisbindung – verglichen mit Alternativregelungen – möglichst günstig ein- und / oder durchführbar sein. Auf grundsätzliche Fragen um die konkrete Gestalt des more economic approach im europäischen Wettbewerbsrecht kann im Rahmen dieser Arbeit nicht vertieft eingegangen werden, es bleibt aber vorauszuschicken, dass das Einzelproblem der Preisbindung zweiter Hand sich genau in diesem Spannungsfeld von Ökonomik und Recht bewegt. Im 1. Teil dieser Arbeit wird deshalb zunächst kurz die ökonomische Beurteilung von Preisbindungen innerhalb der historischen Strömungen dargestellt (A). Sodann werden die konkreten ökonomischen Argumente für (B) und gegen (C) die Preisbindung untersucht und bewertet, inwiefern sie legitimer Weise in die Erwägungen um eine wettbewerbsrechtliche Behandlung der Preisbindung einfließen sollten. Im 2. Teil werden die Regelungen zur vertikalen Preisbindung in den vier Kartellrechtsordnungen der USA, Europas, Deutschlands und der Schweiz untersucht. Die vergleichende Gegenüberstellung bezieht auch die historische Wechselwirkung zwischen der ökonomischen und rechtlichen Diskussion um die Preisbindung mit ein, um die in der aktuellen Preisbindungsdebatte oft Schäfer / Ott, Ökonomische Analyse, 1. Auch als Fehler Typ I, bzw. engl. false positive bezeichnet, resultieren Fehler erster Ordnung in diesem Kontext in einer exzessiven Rechtsdurchsetzung, dem sog. overenforcement. 22 Auch als Fehler Typ II, bzw. engl. false negative bezeichnet, resultiert spiegelbildlich in einer unzureichenden Durchsetzung, mithin im sog. underenforcement. 20 21

8

Einführung

pauschalen Aussagen zur Fortschrittlichkeit einer Preisbindungsverbotsgestaltung ggf. relativieren zu können. Insgesamt liegt der Schwerpunkt der Betrachtung auf den Entwicklungen im amerikanischen Antitrustrecht und der Gegenüberstellung mit dem kontinentaleuropäischen Umgang mit vertikalen Preisvereinbarungen. Die Begutachtung der deutschen und der schweizerischen Rechtsgestaltung und Rechtsdurchsetzung konzentriert sich vor allem auf die Suche nach abweichenden oder besonders bemerkenswerten Aspekten rund um das Preisbindungsverbot. Die primär auf mitgliedstaatlicher, bzw. nationalstaatlicher Ebene stattfindende behördliche Durchsetzung wirft besondere Fragen im Hinblick auf ihre mögliche Rückwirkung auf übergeordnete wettbewerbspolitische Tendenzen auf. Hier besteht letztlich erneut Raum für eine vergleichende Betrachtung mit der Rechtslage in den USA, die weniger durch eine abstrakte bundesrechtliche Regelung, als durch die Gesamtheit bundesstaatlicher Rechtsdurchsetzung geformt wird. Im Wege einer Gesamtbetrachtung sollen dann die theoretischen und empirischen Erkenntnisse aus Teil 1 zusammen mit den Feststellungen aus Teil 2 Aufschluss über eine zeitgemäße Beurteilung der Preisbindung der zweiten Hand geben.

D. Terminologie D. Terminologie

Als Preisbindung der zweiten Hand bezeichnet man die Preisbindung innerhalb von Vertriebssystemen, also die Vereinbarung zwischen dem Lieferant und seinem Abnehmer im Vertikalverhältnis. Inhaltlich betrifft diese Vereinbarung im Erstvertrag eine Verpflichtung des Abnehmers hinsichtlich der Einhaltung eines bestimmten Weiterverkaufspreises in zukünftigen Verträgen mit den weiteren Abnehmern im Zweitvertrag und bzw. oder hinsichtlich der Weitergabe dieser Preisbindungsklausel (durchlaufende Preisbindung).23 Gegenstand der Untersuchung sind damit ausschließlich private vertikale Preisbindungen.24 Die Begriffe Preisbindung, Preisbindung der zweiten Hand, Preisbindungsvereinbarung, Preisvereinbarung, Mindest- oder Festpreisbindung, vertikale Preisvereinbarung, Preisuntergrenze etc. werden im Fortgang der Arbeit synonym verwendet. Die sog. resale price maintenance (RPM) wird im rechtlichen Teil der Arbeit spezifischer i. S. d. amerikanischen Verständnisses verwendet. Immenga / Mestmäcker-Zimmer, Art. 101 Abs. 1 AEUV, Rn. 275; Bechtold / Bosch, GWB, § 1, Rn. 55 mit Hinweis auf Erst- bzw. Zweitvertrag. Die Unterscheidung ist in rechtlicher Hinsicht nicht weiter relevant, wird aber zur Verdeutlichung des Bezugsobjekts der Preisbindungsvereinbarung erläutert. 24 Sofern diese aber ggf. staatlich ermöglicht oder verordnet sind, erfolgt ein gesonderter Hinweis. 23

D. Terminologie

9

Davon abzugrenzen ist die sog. Preisempfehlung, die auch als unverbindlicher Verkaufspreis (UPE/UVP), die formell unverbindliche Empfehlung des Herstellers, Großhändlers oder Importeurs an den Händler hinsichtlich eines Weiterverkaufspreises beschreibt. Sie kann entweder direkt gegenüber dem Kunden (z. B. durch Verpackungs- oder Etikettenaufdruck, durch Preisangabe in der Medienwerbung oder in Katalogen mit deutlichem Zusatz der Unverbindlichkeit des Preises als sog. VPE: Verbraucherpreisempfehlung) oder im Rahmen des Handels gegenüber dem Abnehmer (z. B. im Rahmen von ausgegebenen Bruttopreislisten, Händlerkataloge als sog. Händlerpreisempfehlung/ Handelspreisempfehlung) erfolgen. Synonym aber spezifisch i. S. d. amerikanischen Regelung werden die Begriffe Manufacturer Recommended Resale Price, Manufacturer Suggested Retail (Resale) Price (MSRP) verwendet. An relevanten Stellen werden auch Höchstpreisbindungen explizit besprochen, die die Vorschrift einer Preisobergrenze betreffen, rechtlich und ökonomisch aber weit weniger problematisch sind als Mindest- und Festpreisbindungen und deshalb keinen Schwerpunkt der Arbeit bilden.25 Relativ gestaltete Preisvorgaben, die sich auf die Besserstellung eines Vertragspartners beziehen werden als Meistbegünstigungsklauseln (MBK, Most Favoured Nation Clauses [MFN] bzw. spezifischer: Most Favoured Customer Clauses [MFCN]) an gesonderter Stelle besprochen. Als echte Meistbegünstigungsklausel bezeichnet man dabei das Versprechen, dass Dritten in Bezug auf die Ware oder Dienstleistung keine günstigeren Konditionen gewährt werden. Eine unechte Meistbegünstigungsklausel beinhaltet die Vorgabe, an den Abnehmer immer mindestens genauso günstig zu vertreiben, wie an Dritte.26 Im Kontext dieser Ausgestaltung von Preisbindungen werden auch Preisparitätsklauseln (Across Platform Parity Agreement [APPA]) behandelt, die sich auf die preisliche Gleichbehandlung von verschiedenen Vertragspartnern beziehen.27 Zuletzt greift die Arbeit auch verwandte Vereinbarungen zum beworbenen Mindestpreis auf (sog. Minimum Advertised Price-Politik [MAP], bzw. spezifischer Internet Minimum Advertised Price [IMAP].

25 26 27

Umfassend hierzu Kasten, Höchstpreisbindungen. Seeliger, in: Wiedemann, Kartellrecht, § 11, Rn. 161; Bosch, GWB, § 1, Rn. 68. Mit weiteren Nachweisen Walter, ZWeR 2015, 157 ff.

1. Teil

Ökonomische Analyse der Preisbindung zweiter Hand 1. Teil: Ökonomische Analyse der Preisbindung zweiter Hand

A. Die Preisbindung und die moderne ökonomische Analyse des Kartellrechts

A. Die Preisbindung und die moderne ökonomische Analyse des Kartellrechts

I. Die Preisbindung der zweiten Hand zwischen den ideologischen Strömungen

Gerichtsurteile des ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts waren sowohl in den USA als auch in Europa durch klassische Freiheitsbilder geprägt, weshalb die als Vertragsfreiheit ausgestaltete Freiheit besonders im Vordergrund stand. Der Erlass des Sherman Act beruhte ebenfalls auf diesem Verständnis des Antitrustrechts als Mittel gegen wirtschaftliche Diktatur und Autokratie.1 Das Vertrauen der klassischen Ökonomie auf die unsichtbare Hand 2 und den freedom of contract beurteilte die Preisbindung klar negativ, weil sie die Preissetzungsfreiheit der Händler beschränke und damit ein Hindernis für den Markt darstelle, sich zu seinem natürlichen Equilibrium hin zu entwickeln.3

Gavil / Kovacic / Baker, Antitrust Law in Perspective, 64; „The trust dictates terms […]“ – „[…] if we will not endure a king as a political power, we should not endure a king over the production, transportation, and sale of any of the necessaries of life. If we would not submit to an emperor we should not submit to an autocrat of trade.“ 21 Cong. Rec. 2456–2457 Senator Sherman (1890); „The purpose of the Sherman Anti-Trust Act is to prevent undue restraints of interstate commerce, to maintain its appropriate freedom in the public interest, to afford protection from the subversive or coercive influences of monopolistic endeavor“, Appalachian Coals, Inc. v. United States, 288 U.S. 344, 359–360 (1933); auf der anderen Seite bedienten sich Gerichte in den USA wie auch in Deutschland vornehmlich vertragsrechtlicher Aspekte bei der Urteilsfindung. Zum Teil mit diametral unterschiedlichen Ergebnissen: während in den USA die Berufung auf den Sherman Act als Magna Charta der free enterprise gesehen wurde und in dieser Hinsicht die unterlegenen, kleinen Wirtschaftsteilnehmer in ihrer Freiheit (zum Beispiel Veräußerungsfreiheit, siehe unten zu Dr. Miles C.I.2.a), 167 ff.) geschützt wurden, führte dasselbe Argument der unter Berufung auf die Vertragsfreiheit und die Gewerbeordnung in Deutschland 1897 zu einer weitgehenden Freistellung von Kartellen, s. dazu RGZ 38, 155 ff. – Sächsisches Holzstoffkartell; Langen / Bunte-Bunte, Kartellrecht Bd. 1, Einl., Rn. 1. 2 Smith, The Wealth of Nations (1776). 3 Gundlach, AAI Working Paper No. 14-03, 5. 1

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1. Teil: Ökonomische Analyse der Preisbindung zweiter Hand

Eine systematische Einbeziehung der Methoden und Erkenntnisse der Wirtschaftswissenschaften rückte erst in der Mitte des 20. Jahrhunderts in den breiteren wissenschaftlichen Fokus. Das überwiegende Verdienst um unser Verständnis der Preisbindung kommt der Neoklassik zu, insbesondere preistheoretischen Arbeiten, wie sie später auch zur Basis der Industrieökonomik geworden sind. Letztere Strömung zeichnet sich durch ein Umdenken aus, das in den 1950er-Jahren einsetzte und Marktergebnisse vor allem im Zusammenhang mit Marktstrukturen und Marktverhalten untersuchte.4 Vorhersagen aus marktstrukturellen Annahmen wurden zunächst den als schwierig empfundenen Aussagen über wirtschaftliche Effizienz bei der Analyse von Marktsituationen vorgezogen.5 Unternehmer – so die Grundannahme – sollten demnach in Konstellationen mit perfektem Wettbewerb keinen besonderen Nutzen aus Preisbindungen ziehen; im Gegenteil, sie hätten nicht einmal ausreichenden wirtschaftlichen Spielraum für Preisbindungen. Deshalb konzentriert sich das neoklassische Verständnis der Preisbindung fast zwangsläufig auf Situationen mit nicht funktionierendem Wettbewerb, namentlich Marktversagen, besondere Marktmacht oder Externalitäten. Damit einhergehend wird die Preisbindung vor allem als Instrument marktmächtiger oder zusammenwirkender Unternehmen begriffen, um den Preis eines Gutes künstlich anzuheben und Gewinne auf Kosten der gesamtgesellschaftlichen Wohlfahrt zu maximieren. Seit den 1960er-Jahren wurde die ökonomische Analyse überwiegend durch die Strömung der Chicago School of Economics geprägt.6 In kartellrechtlicher Hinsicht wird die Chicago School of Economics vor allem mit der efficiency doctrine assoziiert, die insbesondere mit dem Vertrauen in die Selbstheilungskräfte des Marktes einhergeht. Sie impliziert, dass eine legitime staatliche Wettbewerbspolitik ausschließlich die Steigerung der allgemeinen Wohlfahrt bezwecke, die wiederum auf maximal effizient arbeitende Unternehmen zurückgehe. Normativ schlussfolgerten Vertreter der Chicago School deshalb häufig, dass die Marktstruktur weitaus weniger bedeutsam sei und der Staat sich lediglich auf die Verhinderung von Marktzutrittsbarrieren konzentrieren müsse. In dem Bestreben, über einzelunternehmerische Effizienz den consumer welfare zu fördern, steht die Chicago School insbesondere Gavil / Kovacic / Baker, Antitrust Law in Perspective, 65. Gavil / Kovacic / Baker, Antitrust Law in Perspective, 65. 6 Ausgehend vom wissenschaftlichen Betätigungsort ihrer Begründer, s. m. w. N. eingehend Posner, 127 U.Pa. L. Rev. 1979, 925; zu den Hauptvertretern zählen Robert Bork, Ward Bowen, Ronald Coase (s. insb. The Problem of Social Cost, 3 J. Law. & Econ. 1960), Frank Easterbrook, John McGee, Richard Posner, George Stigler und Lester Telser; s. auch Posner, Economic Analysis of Law, 23 m. w. N.; für weitergehende Hinweise auf frühere Ansätze bereits im 19. Jahrhundert ibid.; m. w. N. Hovenkamp, 42 Stan. L. Rev. 1990, 993 ff.; Bork, Easterbrook und Posner haben als spätere Bundesrichter einen nicht zu unterschätzenden Einfluss ausgeübt. 4 5

A. Die Preisbindung und die moderne ökonomische Analyse des Kartellrechts

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vertikalen Wettbewerbsbeschränkungen positiver gegenüber als ihre Vorgänger-Strömungen. Sie geht davon aus, dass Intrabrand-Beschränkungen auf Effizienzbestrebungen innerhalb einer Vertriebskette gründen und – solange keine Marktmacht vorhanden ist – in Effizienzgewinnen münden würden. Der Einfluss der Chicago School ist deshalb in der Preisbindungsdiskussion unübersehbar geworden, weil er zahlreiche pro-kompetitive Erklärungen für die Verwendung von Preisbindungen hervorgebracht hat. In ihrer Radikalität ist die Chicago School nicht frei von Kritik geblieben,7 prägt die anglo-amerikanische Wohlfahrtstheorie aber bis heute und beeinflusste auch das europäische Verständnis von Wettbewerbspolitik.8 Die Frage, inwiefern die Ausrichtung an Effizienzsteigerungen und möglichst günstigen (Verbraucher-)  Preisen sinnvoll ist, wird im Hinblick auf vertikale Preisbindungen besonders virulent und kontrovers diskutiert. Die Analyse der Preisbindung zweiter Hand bewegt sich deshalb oft unmittelbar an der Linie der Kritik gegenüber eigentlichen Chicago-Konzepten. Insgesamt brachte diese Schule jedoch einen Analyserahmen in das Kartellrecht ein, der auf den Faktoren Marktmacht, Marktzutrittschance und wirtschaftliche Effizienz beruht.9 Möglich wurde dies, weil wichtige Vertreter dieser Schule in den 1970er und 1980er-Jahren Schlüsselpositionen amerikanischer oberster Wettbewerbsbehörden und Gerichte einnahmen.10 Der Einfluss der Chicago School auf der Richterbank führte in den späten 1970erJahren dazu, dass der Intrabrand-Wettbewerb in den USA rechtlich gegenüber einem funktionierenden Interbrand-Wettbewerb abstrakt als zweitrangig eingestuft wurde. Konkret wirkte sich dies auch in der Einzelfallbeurteilung vertikaler Beschränkungen allgemein und der Preisbindung der zweiten Hand im Besonderen aus.11 Die Kritik an diesen Chicago-Erwägungen liegt nahe: In Vertriebssystemen mit komplexen Handelsverbindungen bestehen häufig viele Stufen mit potenziell preistreibenden Eigenschaften. Über lukrative Vertriebswege wächst zwar der Verdienst von (Zwischen-) Händlern, allerdings auch der Endkundenpreis. Gerade deshalb ist es schwer einzusehen, dass gerade dort, wo kaum mehr Wertsteigerung des gehandelten Produktes, aber vielschichtiEmmerich, Kartellrecht, 11; für einen tieferen Einblick in deutsche Literatur zur Chicago School Behrens (1986); in Rückschau Pitovski, How the Chicago School Overshot the Mark (2008). 8 So beruhe der Übergang zur Legalausnahme i.R.d. 101 AEUV / § 1 GWB auf derartigen wohlfahrtstheoretischen Vorstellungen, ebenso die FKVO von 2004, Emmerich, Kartellrecht, 11. 9 Gavil / Kovacic / Baker, Antitrust Law in Perspective, 67. 10 Mit weiteren Beispielen Gavil / Kovacic / Baker, Antitrust Law in Perspective, 66. 11 Continental TV, Inc. v. GTE Sylvania, Inc., 433 U.S. 36 (1977) über Business Electronics Corp. v. Sharp Electronics Corp., 485 U.S. 717 (1988) bis hin zu Leegin Creative Leather Products, Inc. v. PSKS, Inc., 551 U.S. 877 (2007). 7

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1. Teil: Ökonomische Analyse der Preisbindung zweiter Hand

ges Potenzial für Wettbewerb besteht, letzterer weniger wichtig sein soll als im Interbrand-Bereich. Chicago School-Vertreter verweisen in dieser Hinsicht auf die disziplinierende Wirkung des Außenwettbewerbs. Gegen diese Annahmen formierte sich in den 1980er-Jahren die späte Harvard School zunehmend kritisch,12 die die mikroökonomischen Basisannahmen der Chicago School zwar anerkennt, aber weitaus skeptischer gegenüber der globalen Chicago-Ideologie ist. Der Ansatz der Harvard School lässt sich insgesamt als pragmatischer und interventionalistischer beschreiben als der Chicago-Ansatz. Als solche hatte und hat auch die Harvard School einen substantiellen Einfluss auf die Entwicklung der modernen amerikanischen Kartellrechtsanalyse.13 Nicht umsonst wird die intellektuelle DNA der USamerikanischen Antitrust-Doktrin – Chicago School und Harvard School – verbildlicht.14 Dabei werden die sachlichen Theorien der Chicago School, ihre Überprüfung auf die Administrabilität rechtlicher Regelungen der Harvard School zugerechnet.15 Die Harvard School steht vertikalen Beschränkungen damit insgesamt deutlich kritischer gegenüber und geht davon aus, dass auch vertikale Abreden mit der Intention geschlossen werden, Marktzutrittsschranken zu errichten. Allerdings relativiert die Chicago School wiederum die Ideologie der Harvard School: bestimmte Wettbewerbsabreden werden nur als schädlich betrachtet, wenn sie von marktmächtigen Unternehmen ausgehen oder eine horizontale Abstimmung im Raum steht. Zuletzt wird der sog. Post Chicago Approach, der seit den 1980er-Jahren16 den Fokus auch auf strategisches Verhalten der Wirtschaftsteilnehmer lenkt, für die Preisbindung relevant.17 Zunehmend wird hier über mathematische Mittel der Spieltheorie und ergänzende Empirie versucht, Situationen zu identifizieren, in denen es für Unternehmen attraktiv wird, den Wettbewerb zu beschränken. Auf der einen Seite werden im Rahmen dieser Entwicklung Erklärungen angeboten, wie Unternehmen ihr Geschäft mit einer Preisbindung möglichst effizient zu organisieren versuchen und isoliert innerhalb einer Vertriebskette in der Folge Effizienzen bewirken. Andererseits richtet die Post Chicago-Bewegung den Fokus darauf, dass diese günstigen Intra12 Theoriegeschichtlich ist die Harvard School of Economics als Teil der industrieökonomischen Forschung ein Vorläufer der Chicago School, s. für wettbewerbspolitische Arbeiten z. B. Kaysen / Turner, Antitrust Policy (1971). 13 Gavil / Kovacic / Baker, Antitrust Law in Perspective, 68 14 Kovacic, 2007 Colum. Bus. L. Rev. 1, 1 ff. 15 Gavil / Kovacic / Baker, Antitrust Law in Perspective, 69. 16 Zwar beschäftigten sich auch Vertreter der Chicago School, allen voran Stigler und Coase auch mit strategischen Überlegungen, routinemäßig fand die Spieltheorie erst später Eingang in die Wirtschaftswissenschaft, siehe dazu m. w. N. Gavil / Kovacic / Baker, Antitrust Law in Perspective, 69. 17 Die Kategorisierung der Ansätze ist variabel, siehe z. B. Gundlach, AAI Working Paper No. 14-03, 11.

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brand-Ergebnisse gleichwohl gesamtgesellschaftlich schädlich sein können. Ausgang und Folge dieser Herangehensweise ist eine wachsende Skepsis gegenüber den Selbstheilungskräften des Marktes, der Betonung einer Offenhaltung der Märkte und der anti-interventionalistischen Chicago-Ideologie. Der größte Erfolg der Post Chicago-Bewegung ist die resultierende Akzeptanz gegenüber Theorien zu Verdrängungsstrategien in USA und Europa. Die wachsende Aufmerksamkeit gegenüber Verdrängungswirkungen ist im Rahmen der Beurteilung von vertikalen Preisbindungen geradezu beispielhaft. Relevant und begrüßenswert ist diese Sensibilisierung besonders in Anbetracht des wachsenden Internetumfeldes, das die Entwicklungen im Handel und die Auswirkungen von vertikalen Beschränkungen stark mitbestimmt. 18 Wenn auch die normativen Schlussfolgerungen der Post Chicago-Ansätze in der Preisbindungsdiskussion – insbesondere der europäischen – noch unterrepräsentiert sind, lässt sich doch eine wiedererwachende Skepsis gegenüber Preisbindungen erkennen. Das Denken in ideologischen Strömungen und die in ihnen vorherrschenden Meinungen zur Preisbindung ist für das Verständnis der wissenschaftlichen Debatte und der Rechtsprechungsentwicklung wertvoll, verdeutlicht aber vor allem, dass das jeweils vorherrschende kartellrechtliche Verständnis der Preisbindung und ihrer Bewertung stets mit der jeweils vorherrschenden ideologischen Schule korreliert und insofern mit leichten zeitlichen Verzögerungen stets dem vorherrschenden ökonomischen Mainstream folgte. Die USamerikanische Rechtslage zur Preisbindung verdeutlicht diese Sinuskurve. Zwar verwiesen in den frühen Anfängen der Preisbindungsdebatte auf beiden Seiten des Atlantiks Ökonomen auf positive Effekte von Preisbindungen. Allerdings war die deutliche Mehrheit der US-amerikanischen Ökonomen zu Beginn des 20. Jahrhunderts noch strikt gegen die generelle Freigabe der Preisbindung. Zunehmend beschäftigte sich die ökonomische Literatur dann mit möglichen Effizienzgewinnen durch vertikale Vereinbarungen – darunter auch der vertikalen Preisbindung mit dem Resultat, dass die Diskussion scheinbar eine graduelle Öffnung gegenüber vertikalen Beschränkungen im weiteren und zuletzt auch der Preisbindung im engeren Sinne erfährt. Interessanterweise ist diese auf den ersten Blick stetige Entwicklung hin zu einer Liberalisierung der Preisbindung in den Reihen der Ökonomen nicht so deutlich und unumstritten, wie die verkürzte Darstellung vermuten lässt. Tatsächlich kann in jüngster Vergangenheit erneut ein Trend zu interventionalistischen Haltungen gesehen werden. Modelltheoretisch untermauert wird wird dieser Trend in Bezug auf die Preisbindung auch durch konkrete antikompetitive Erklärungen für den Einsatz von Preisbindungen.

18 In ähnlicher Richtung die kritische Beurteilung bei Salop / Scott Morton, 27 Antitrust 2013, 15 ff.

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1. Teil: Ökonomische Analyse der Preisbindung zweiter Hand

II. Der Preis und seine Bindung – der klassische Analyserahmen und erste Überlegungen zur ökonomischen Einordnung der Preisbindung Ein Ziel des Kartellrechts ist es, wettbewerbsförderndes Marktverhalten von solchem Verhalten abzugrenzen, das ökonomischen Schaden anrichtet. Welches Instrumentarium steht in Bezug auf Preisbindungen dafür zur Verfügung? Seit dem Siegeszug der Chicago School ist die moderne Kartellrechtsanalyse von den Fragen nach Marktmacht und Marktanteilen, wettbewerbsbeschränkenden Effekten und wettbewerbsfördernden Rechtfertigungen geprägt.19 Für die grundlegende Identifizierung ökonomisch vorteilhafter Zustände bedient sich die moderne Kartellrechtsanalyse immer noch neoklassischer Instrumentarien. Mithilfe des neoklassischen Effizienzmodelles lassen sich die wohlfahrtstheoretischen Auswirkungen in ökonomisch effizient oder ineffizient unterscheiden. Dabei können unterschiedliche Effizienzbegriffe und –ziele für die normative Handlungsanweisungen zum Tragen kommen und müssen im Rahmen der kartellrechtlichen bzw. kartellrechtsvergleichenden Untersuchung auf ihre Vereinbarkeit mit den Schutzzielen des jeweiligen Kartellrechts überprüft werden.20 Im Folgenden werden überblicksartig die mikroökonomischen Konzepte erörtert, die für die Darstellung der Effekte von Preisbindungen relevant werden.21 1. Das ökonomische Verhaltensmodell, Gleichgewichtstheorie und Preistheorie bei Konkurrenz und Monopol Die ökonomische Analyse des Rechts stützt sich bei der Folgenermittlung methodisch auf das ökonomische Verhaltensmodell,22 also auf die Annahme, dass die einzelwirtschaftlichen Entscheidungen der Marktakteure (sowohl natürlicher Personen, als auch kollektiver Akteure wie Unternehmen und Staaten) rational und nutzenmaximierend gefällt werden.23 Die REM-Hypothese (Rational-Choice-Ansatz)24 geht dabei grundsätzlich25 von einer vernünftig handelnden Einzelperson aus, die nutzenmaximierende Auswahlentscheidun-

Diese werden wiederum als mikroökonomische Konzepte angesehen Gavil / Kovacic /  Baker, Antitrust Law in Perspective, 72. 20 Hovenkamp, 84 Mich. L. Rev. 1985, 213. 21 Weiterführende Literatur Schäfer / Ott, Ökonomische Analyse; Söllner, Die Geschichte des ökonomischen Denkens. 22 Wahlweise auch als Konsumenten- / Aktions- oder Handlungstheorie bezeichnet. 23 Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, 29. 24 Das Bild des homo oeconomicus ist immernoch vorherrschend, wird aber durch den Begriff des rational egoistischen Menschen ergänzt bzw. verdrängt. 25 S. aber zu den späteren Einwänden aus dem Bereich der Behavioural Economics G.III, 126. 19

A. Die Preisbindung und die moderne ökonomische Analyse des Kartellrechts

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gen trifft.26 Alle theoretischen Überlegungen zu rationalem Verhalten sind in ihren Grundannahmen vereinfacht und zwangsläufig beschränkt: Zum einen wird davon ausgegangen, dass die Marktteilnehmer über perfektes Wissen verfügen, sie also in der Situation von Markttransparenz agieren. Zum anderen werden auch mehrseitige Anreizsituationen zunächst ausgeklammert und nicht-monetäre Erwartungen von Individuen ignoriert.27 Darüber hinaus berücksichtigen Austauschmodelle auch die Kosten von Tauschszenarien, also Transaktionskosten nicht ausreichend. Trotz bestehender Kritik und verschiedener Ansichten der Falsifizierbarkeit und Prognoseleistung, der Forschung zu beschränkter Rationalität28 und Verhaltensanomalien sowie deren Auswirkungen auf die ökonomische Analyse des Rechts29 hält die Wirtschaftswissenschaft grundsätzlich am Verhaltensmodell des rational-egoistischen Handelns als Kernhypothese fest.30 Auch die vorliegende Arbeit erörtert mögliche Zweckverfolgungen durch die Preisbindung auf dieser Grundlage. Die ökonomischen Theorien zur Implementierung der Preisbindung der zweiten Hand beschäftigen sich ohnehin mit Phänomenen auf der Makroebene, auf die der Einfluss von Anomalien zunächst untergewichtet werden kann.31 Die Betrachtung der Preisbindung macht theoretische Überlegungen zum Untersuchungsobjekt „Preis“ erforderlich. Die Wettbewerbsökonomie stützt sich bei der Beurteilung von Preisen im Wesentlichen auf neoklassische Gleichgewichtsmodelle.32 Gegen Ende des 19. Jahrhunderts, fand mit der 26 Rationales Handeln ist in der Folge gekennzeichnet durch das Anstreben einer bestmöglichen Zweck-Mittel-Relation i. S. v. größtmöglicher Effizienz. Diese äußert sich dadurch, dass entweder der Grad der Zielerreichung bei gegebenem Mittelvorrat maximiert wird, oder aber bei einem gegebenen Zielerreichungsgrad der Einsatz der Mittel minimiert wird. Einführende Literatur zum nutzenmaximierenden Verhalten von Individuen, Knappheit und Budgetrestriktionen, bei Homann / Suchanek, Ökonomik, 59, 60; Schäfer / Ott, Ökonomische Analyse, 45 ff. 27 Gabler Wirtschaftslexikon, Stichwort: Homo oeconomicus, abrufbar . 28 Zur aufkommenden Kritik an der Rationalitätsannahme der Ökonomik, H. A. Simon, 49 AER 1959, 253–283; s. zum aktuellen Verständnis nur ders., rationality, bounded, in: Durlauf / Blume, The New Palgrave Dictionary of Economics Online (Stand 26.2.2017). 29 Schäfer / Ott, Ökonomische Analyse, 95 ff. 30 Schäfer / Ott, Ökonomische Analyse, 110, 141. 31 Zur Bedeutung von Anomalien s. Schäfer / Ott, Ökonomische Analyse, 110, 114 ff. 32 Hauptvertreter der Neoklassik: Cournot, Jevons, Edgeworth (Edgeworth-BoxModell), Pareto und Walras. Die Neoklassik bildete als erste mikroökonomische Lehre die Basis für die modernen Wettbewerbstheorien; der ökonomische Mainstream beruht noch immer auf neoklassischen Grundannahmen zu Wohlfahrtsauswirkungen von Austauschprozessen; begriffsprägende Vorarbeit der klassischen Nationalökonomie s. Smith, The Wealth of Nations (1776); zur dessen Werk s. Přibram, A History of Economic Reasoning, 125 ff.; die frühesten liberalen Ansätze der klassischen Wettbewerbstheorie richteten sich vorwiegend gegen die staatlichen Wettbewerbsbeschränkungen des Merkantilismus. Freier Wettbewerb wurde als Gesamtkonzept aus ökonomischen, rechtlichen und moralischen

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1. Teil: Ökonomische Analyse der Preisbindung zweiter Hand

Neoklassik die mathematische Analyse der Preisbildung Einzug.33 Die zentrale Erkenntnis ist, dass Güter oder Dienstleistungen dorthin verbracht, bzw. dort erbracht werden, wo sie den größten Nutzen erzielen, was so lange geschieht, bis ein Gleichgewichtszustand im Markt erreicht ist (Ressourcenallokation/Allokationseffizienz). Neben diese effiziente Verteilung von Gütern treten weitere Aspekte einer effizienten, d. h. ressourcenschonenden Produktion, Konsumtion und Produktionsstruktur die zusammen das Maß der ökonomischen Effizienz mitbestimmen.34 In einen Wettbewerbsmarkt (Konkurrenzmarkt bzw. polypolistischen Markt) für homogene Produkte folgen Nachfrage- und Angebotsverhalten35 der Wirtschaftssubjekte stets einem Muster. Nach dem neoklassischen Verhaltensmodell hat bei einer Marktstruktur mit vielen Anbietern bzw. Nachfragern kein Marktteilnehmer genügend Marktanteile, um Einfluss auf den Preis zu nehmen („vollkommener Wettbewerb“).36 Die Menge des durch die Konsumenten nachgefragten Gutes auf einem solchen Markt steht in der Regel in einem antagonistischen Verhältnis zur Veränderung des Preises, d. h. die Nachfragefunktion hat einen fallenden Verlauf.37 Dies spiegelt die marginale Zahlungsbereitschaft der Konsumenten als Zeichen ihres abnehmenden Grenznutzens wider. Bei der konkreten Entscheidung für oder gegen ein bestimmtes Marktverhalten sind nämlich weniger die abstrakten Nutzen-Kostenvergleiche einer einzelnen Bezugsentscheidung relevant als vielmehr der marginale Nutzen, d. h. der Nutzen der gerade eben noch die Kosten der gewählten Einheit überschreitet.38 Umgekehrt verhält sich die Angebotsfunktion als Darstellung Aspekten betrachtet. Vorliegend soll der Begriff der Effizienz im Rahmen der Erläuterung grundlegender Mechanismen zunächst ausschließlich im Sinne ökonomischer Effizienz verstanden werden. Wenngleich heute nicht nur ökonomische, sondern auch soziale Wohlfahrt zu den umfassenden Interessen einer modernen Gesellschaft gehört, wird auf Aspekte der Verteilungsgerechtigkeit in dieser Arbeit i.d.R. gesondert eingegangen, s. z. B. Sozialwahltheorie, Schäfer / Ott, Ökonomische Analyse, 11 ff.; Söllner, Die Geschichte des ökonomischen Denkens, 29 ff.; Pindyck / Rubinfeld, Mikroökonomie, 772. 33 Siehe ausf. m. w. N. Wurmnest, Marktmacht, 116. Unter Ökonomen herrscht die formale Betrachtungsweise anhand von mathematischen Modellen als Fachsprache vor, aus Gründen der Lesbarkeit gebietet sich hier eine verbalisierte Darstellung. 34 Schäfer / Ott, Ökonomische Analyse, 15. 35 Die folgenden Darstellungen beruhen auf Schäfer / Ott, Ökonomische Analyse, 45 ff.; Schwalbe / Zimmer, Kartellrecht und Ökonomie, 14 ff. 36 Der Begriff des vollkommenden Wettbewerbs (concurrence indéfinie) geht zurück auf Cournot, Recherches sur les principes mathématiques de la théorie des richesses (1938), 101 ff. 37 Schwalbe / Zimmer, Kartellrecht und Ökonomie, 4 ff.; siehe einführend zur Nachfragefunktion Streissler / Streissler, Grundzüge der Volkswirtschaftslehre, 32 ff. 38 Schwalbe / Zimmer, Kartellrecht und Ökonomie, 5; das Gesetz fallender Nachfrage ist empirisch unumstritten, wenngleich verschiedene Begründungen kursieren, Streissler /  Streissler, Grundzüge der Volkswirtschaftslehre, 141 ff.

A. Die Preisbindung und die moderne ökonomische Analyse des Kartellrechts

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des Angebotsverhaltens der Produzenten und nimmt einen positiven Verlauf.39 Die Nachfrage folgt also dem Grenznutzen, während sich das Angebot an den Grenzkosten orientiert.40 Der Punkt, in dem sich Angebotskurve und Nachfragekurve schneiden, also die angebotene der nachgefragten Menge der Güter entspricht, beschreibt ein Gleichgewicht – man spricht von Markträumung. 41 Dort befindet sich auch der Gleichgewichtspreis. Unter der Annahme, dass alle anderen Parameter gleich bleiben, ist dieser Gleichgewichtspreis unveränderlich und zudem der Zustand in dem sämtliche Tauschgewinne im Markt realisiert werden. Die Summe aus Konsumenten- und Produzentenrente wird maximiert und realisiert ein Optimum an gesamtgesellschaftlicher Wohlfahrt.42 Bei diesem Marktgleichgewicht entspricht der Preis eines Gutes den Grenzkosten.43 Wettbewerb ist also mehr als der Entdeckungsprozess hinsichtlich innovativer Technologien oder neuer Produkte. Primär ist der Wettbewerb ein konkreter Abstimmungsprozess hinsichtlich der Bewertung von Gütern durch einen Preis. Anders formuliert: der Wettbewerb führt zu einem Preis, der sich in der Nähe der Grenzkosten einpendelt und damit zu ökonomisch vorteilhaften, erwünschten Marktergebnissen. 44 Selbst im Monopol gestaltet sich die Situation grundsätzlich ähnlich. Zwar hat ein gewinnmaximierender Monopolist im Gegensatz zu Anbietern auf einem wettbewerblichen Markt die Möglichkeit, einen höheren Preis für sein angebotenes Gut zu fordern, weil seine Kunden nicht zu anderen Anbietern abwandern (können). Trotzdem wird auch er durch das Gesetz fallender Nachfrage eingeschränkt. Der Monopolist verliert bei steigenden Preisen zunehmend marginale Abnehmer, nämlich solche, die den höheren Preis nicht mehr bezahlen wollen oder können und ihren Bezug deshalb einstellen. Auch die Monopolmenge wird deshalb am Schnittpunkt von Grenzkosten- und Grenzerlöskurve festgelegt, allerdings wird aufgrund des Monopolpreises die Nachfrage und somit die Menge ausgebrachter Güter geringer.45 Dadurch verläuft die Grenzerlöskurve wesentlich steiler und führt zu einer im Vergleich mit einem wettbewerblich organisierten Markt beschnittenen Konsumentenrente. Das Gleichgewicht im Monopol zeichnet sich jedoch nicht nur durch eine verringerte Konsumentenrente aus, sondern führt, weil die im Vergleich zum Wettbewerbsgleichgewicht verringerte Konsumentenrente nicht durch eine erhöhte Produzentenrente aufgewogen wird, in der Bilanz zum dead weight loss, also zu gesamtgesellschaftlichen WohlfahrtsverlusSchwalbe / Zimmer, Kartellrecht und Ökonomie, 5. Schwalbe / Zimmer, Kartellrecht und Ökonomie, 5. 41 Streissler / Streissler, Grundzüge der Volkswirtschaftslehre, 34. 42 Wenn auf allen Märkten dieser Fall eintritt, liegt Pareto-Effizienz vor, Streissler /  Streissler, Grundzüge der Volkswirtschaftslehre, 35. 43 Schwalbe / Zimmer, Kartellrecht und Ökonomie, 8. 44 Wurmnest, Marktmacht, 121. 45 Schäfer / Ott, Ökonomische Analyse, 58 f. 39 40

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1. Teil: Ökonomische Analyse der Preisbindung zweiter Hand

ten.46 Im Hinblick auf Preisbindungen interessiert diese Nachteiligkeit monopolistischer Marktstrukturen nur in zweiter Linie. Zentraler ist die Erkenntnis, dass der Preis als solcher – d. h. auch in Gestalt eines künstlich beeinflussten Preises – grundsätzlich eben nicht seiner Korrelation mit Nachfrage und Angebot beraubt werden kann. 2. Ökonomische Folgenbewertung: Ambivalenz von Preisbindungen Zwei Ziele bestimmen die Diskussion der modernen Kartellrechtsökonomie: gesamtgesellschaftliche Wohlfahrt (total welfare standard) und Konsumentenwohlfahrt (consumer welfare standard).47 Während ersterer die Maximierung der Summe von Produzenten- und Konsumentenrente verfolgt, konzentriert sich der Konsumentenwohlfahrtstandard auf die Steigerung der Konsumentenrente. Fallende Preise bei gleich bleibender Leistung, Qualität oder Quantität sind das Paradebeispiel positiv beeinflusster Konsumentenrente. Anders als die zum Teil erhitzt geführte wissenschaftliche Debatte vermuten lässt, wird die Unterscheidung zwischen der Erhöhung der gesamtgesellschaftlichen Wohlfahrt und der Erhöhung der Konsumentenwohlfahrt in vielen Fällen wenig relevant, weil wettbewerbsschädliches Verhalten in der Regel beide reduziert.48 Aus der Perspektive einer ganzheitlichen Wettbewerbspolitik unterscheiden sich die beiden theoretischen Standards darin, wie Wohlstand verteilt wird. Die Umverteilung von Effizienzgewinnen auf Konsumenten wird durch praktische und verfahrensbezogene Argumente besonders damit gerechtfertigt, dass Schäden für Konsumenten häufig als Streuschäden auftreten und zu gering ausfallen, als dass sie eine rechtliche Geltendmachung durch Konsumenten wahrscheinlich machen.49 International betrachtet scheint bei den Wettbewerbsbehörden mithin eine Konvergenz hinsichtlich des Konsumentenwohlfahrtsstandards fortzuschreiten.50 Während die Wettbewerbsbehörden in den USA seit jeher stark auf consumer welfare abstellen, bekennt sich die Kommission seit ihrem more economic approach zum Konsumentenwohlfahrtsstandard.51 Für das Beispiel der Preisbindung bedeutet dies, dass Argumente Schäfer / Ott, Ökonomische Analyse, 60. Blair / Sokol, 81 Fordham L. Rev. 2497, 2498; Orbach, 7 J.C.L. & E. 2010, 133 ff. 48 Blair / Sokol, 81 Fordham L. Rev. 2497, 2498; darüber hinaus gibt es viele wissenschaftliche Beiträge, die die Erhöhung der Konsumentenwohlfahrt als Mittel zur Erreichung der Maximierung der gesamtgesellschaftlichen Wohlfahrt ansehen. Dieser Gesamtwohlfahrtstandard inkludiert den Konsumentenwohlfahrtsstandard, s. weiterführend Künzler, Effizienz oder Wettbewerbsfreiheit? 108. 49 Künzler, Effizienz oder Wettbewerbsfreiheit?, 109; Motta, Competition Policy 2004, 20 ff. 50 Blair / Sokol, 81 Fordham L. Rev. 2013, 2497 ff., 2502. 51 Künzler, Effizienz oder Wettbewerbsfreiheit?, 109; Behrens, Abschied vom more economic approach?, in: Bechtold et al., Recht, Ordnung und Wettbewerb (FS Möschel 46 47

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für eine Preisbindung immer daran gemessen werden müssten, ob sich die jeweilige Preisbindung vorteilhaft auf die Konsumentenrente auswirkt. Jede Rechtfertigung, die auf Effizienzgewinne im Sinne des Gesamtwohlfahrtstandards abzielt, wäre gegenüber den Behörden strukturell benachteiligt. Zunehmend52 etabliert sich in Europa sowohl bei behördlichen Entscheidungen als auch in der gerichtlichen Überprüfung ein weiterer Aspekt im Zusammenhang mit dem Konzept des Konsumentenwohlfahrtsstandard – Consumer Choice.53 In einigen Leitentscheiden haben Behörden gerichtlich gebilligt auch dann einen Schaden für Konsumenten festgestellt, wenn zwar letztlich die Konsumentenrente nicht geschmälert wurde, aber Auswahlmöglichkeiten für Konsumenten eliminiert wurden. Für die Preisbindung bedeutet dies, dass die generelle Bezugsentscheidung für oder gegen einen Händler bei unterschiedlichen Preisen als besonders schutzwürdig erachtet werden kann, auch wenn im konkreten Fall keine Schmälerung der Konsumentenrente durch gleichförmige Preise gegeben sein muss.54 Dieser Ansatz ist verständlicherweise besonders umstritten in Anbetracht der Tatsache, dass Behörden unter Effizienzerwägungen auch unter Anlegung des Konsumentenwohlfahrtsstandards jedenfalls dann nicht eingreifen sollten, wenn Kostenvorteile entstehen, die an Verbraucher weitergereicht werden könnten.55 Ökonomen favorisieren i. d. R. den Gesamtwohlfahrtsstandard. Das ist insofern einleuchtend, als die Erhöhung der Konsumentenrente nichts über globale Effizienzgewinne, also darüber aussagt, wie effizientere Produktionsoder Vertriebsgestaltungen die Unternehmensgewinne beeinflussen. Letztere fördern Investitionen und Innovation, bedienen somit die dynamische Produktionseffizienz und kommen so ebenfalls der gesamten Gesellschaft, mit2011), 6 m. V. a. Kommissarin Kroes 2005: „Consumer welfare is now well established as the standard the Commission applies when assessing mergers and infringements of the Treaty rules on cartels and monopolies“; s. a. Erläuterungen zu den Prioritäten der Kommission bei der Anwendung von Artikel 82 des EG-Vertrags auf Fälle von Behinderungsmissbrauch durch marktbeherrschende Unternehmen, OJ C 45, 24.2.2009, 7–20; mit Kritik Blair / Sokol, 81 Fordham L. Rev. 2013, 2497, 2413. 52 Wettbewerbsrechtsysteme können daneben eine Vielzahl weiterer Ziele verfolgen wie die Förderung ökonomischer Freiheit, Fairness und Chancengleichheit, Schutz wettbewerblichen Prozesses, allgemeinen Effizienzsteigerungen und dem Ziel die internationale Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen, Martprivatisierung und Marktliberalisierung. Besonders prägend treten daneben in Europa beispielsweise das der Marktintegration und in Deutschland ein akzentuierter Mittelstandsschutz. 53 Für eine detaillierte Besprechung insbesondere auch der Leitentscheidungen Nihoul, Freedom of Choice (2012). 54 Man denke den Fall, dass ein gebundener, relativ höherer Preis mit einem tatsächlich werthaltigeren Produkt oder Service einhergeht und in der Bilanz somit ein günstigeres Angebot darstellt. Bei Abstellung auf Consumer Choice, wären differenzierte Preise und Angebote diesem Ergebnis unter Umständen immernoch vorzuziehen. 55 Nihoul, Freedom of Choice (2012), 27.

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1. Teil: Ökonomische Analyse der Preisbindung zweiter Hand

hin auch Verbrauchern zugute.56 Auf dieser Linie bewegen sich moderne Theorien zu vertikalen Beschränkungen und der Preisbindung, die die Koordinationswirkung innerhalb einer Vertriebskette betonen. So kann beispielsweise eine die Nachfrage steigernde Preisbindung bei ansonsten unverändert verlaufender Nachfragekurve sowohl die Konsumentenrente, als auch die Produzentenrente erhöhen und damit auch die Gesamtwohlfahrt steigern. Eine solche Preisbindung ist maßstabsunabhängig ökonomisch vorteilhaft und wäre theoretisch – in welcher rechtlichen Form auch immer – freistellungs- bzw. rechtfertigungsfähig. Es sind aber durchaus Fälle denkbar, in denen eine gesteigerte Gesamtwohlfahrt mit einer verringerten Konsumentenrente einhergeht. In einem solchen Szenario mag eine Preisbindung bei Anlegung eines Konsumentenwohlfahrtsstandards schädlich, unter Gesamtwohlfahrtsmaßstab jedoch schädlich oder förderlich wirken.57 Je nach Standpunkt folgen aus der Bevorzugung des einen oder des anderen Wohlfahrtsstandards also nicht nur abstrakte ideologische Unterschiede, sondern konkret unterschiedliche Ergebnisse in der Beurteilung ein und derselben Preisbindung. Ein gesicherter Standard als Ausgangspunkt der ökonomischen Analyse von Preisbindungen wäre somit wünschenswert, aber eine Zielfestlegung auf den einen oder anderen Wohlfahrtsstandard ist für das Wettbewerbsrecht (noch) nicht gegeben.58 Mag man die nach wie vor unterstellte Zielpluralität innerhalb von Wettbewerbspolitiken kritisieren,59 auch die ökonomische Analyse selbst ist ungeachtet der Priorisierung eines bestimmten Wohlfahrtsstandards hinsichtlich höchst ambivalenter Auswirkungen von vertikalen preislichen Beschränkungen gespalten. Ökonomen ist es a priori kaum möglich, einen grundlegenden Konsens hinsichtlich der Auswirkungen von Preisbindung auf die Konsumentenwohlfahrt zu finden. Weil es unmöglich ist, modelltheoretisch sämtliche Konstellationen zu kontrollieren, bedarf es im höchsten Maße empirischer Erkenntnisse.60

Motta, Competition Policy, 21, 22. Blair / Sokol, 81 Fordham L. Rev. 2013, 2497, 2523. 58 Diskussion wettbewerbspolitischer Ausrichtungen: Bork, 9 J. L. & Econ. 1966, 7 ff.; Bork, 77 Y.L. J. 1967, 950 ff.; Lande, in: Drexl, More common ground for international Competition Law? (2011), 21–35; Vanberg, in: Drexl / Kerber / Podszun, Competition Policy and the Economic Approach (2011), 44–71; Werden, in: Drexl / Kerber / Podszun, Competition Policy and the Economic Approach (2011), 11–43. 59 Blair / Sokol, 81 Fordham L. Rev. 2013, 2497, 2541. 60 Blair / Sokol, 81 Fordham L. Rev. 2013, 2497, 2523; mit Überblick über die vorhandenen empirischen Arbeiten Kretschmer, How to deal with resale price maintenance: What can we learn from empirical results? (2011), Joint discussion paper series in economics, No. 16-2011, 7. 56 57

A. Die Preisbindung und die moderne ökonomische Analyse des Kartellrechts

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3. Preisbindungen der zweiten Hand: warum wollen (und können) Private ihre Preise binden? Vertraglich gebundene Preise im Endverkauf sind ein rechtliches Mittel, den Anbieter oder den Nachfrager besserzustellen, als er bei einem Gleichgewichtspreis stehen würde. Weil kein Marktteilnehmer in einem wettbewerblichen Markt Einfluss auf den Preis hat, ist dies durch ökonomische Maßnahmen grundsätzlich nämlich nicht möglich. Früher wurde dem Hersteller mit Interesse an der Festsetzung der Preise deshalb automatisch unterstellt, er habe eine gewisse Monopolmacht oder auf Händlerebene fehle Wettbewerb. Bereits in den 1960er-Jahren begannen Vertreter der Chicago School, den Hang zur Preisbindung auch in Märkten mit ausgeprägtem Wettbewerb zwischen Händlern nachzuweisen.61 Die Zusammenhänge müssen also komplexer sein, als zunächst angenommen. Ökonomisch ausgedrückt ist ein Vertrag zunächst eine Institution zur standardisierten Lösung von durch ein Dilemma bedingten Interaktionsschwierigkeiten.62 Das juristische Pendant zum vollkommenen Wettbewerb ist hier gewissermaßen das Konzept des klassischen Vertrages, in dem die Transaktionskosten allein über den Marktpreis, also durch die Festlegung von Preis und Menge berücksichtigt werden, weil ein Markt bzw. seine Akteure jederzeit umfassend informiert sind und nachträgliche Anpassungen nicht erwartet werden.63 In einem vollkommenen Wettbewerb auf Upstream-(Herstellungs-)  und Downstream-(Handels-) Ebene würde somit niemals auf vertikale Zusatzvereinbarungen, in unserem Fall eine Preisbindung zurückgegriffen werden.64 Die Transaktion wäre nämlich in sich abgeschlossen und ausschließlich am Marktpreis orientiert. Außerhalb des angenommenen Einzelvertrages gibt es keine unklaren, weil z. B. langfristigen Vertragsbeziehungen und keine zu berücksichtigenden, außervertraglichen Motive der Vertragspartner. Dieser einfache Standardvertrag wäre dann optimal, denn er fordert den Beteiligten weder Anstrengungen der Vertragsverhandlung und -Gestaltung, noch ein weiteres Monitoring der Einhaltung von Vertragsbedingungen ab.65 Die Modellhaftigkeit dieses Szenarios ist offensichtlich. In der Realität finden sich in fast allen – unter anderen auch extrem kompetitiven Branchen – überwiegend andere, komplexe Verträge66. Solche VerVgl. Rückschau bei Telser, 3 J. L. & Econ. 1960, 86–88. Homann / Suchanek, Ökonomik, 41. 63 Eingehend zur Vertragstheorie Richter / Furubotn, Neue Institutionenökonomik (2010), 290 ff.; s. zur hier verwendeten Begrifflichkeit nur Gabler Wirtschaftslexikon, Stichwort Vertrag, abrufbar . 64 Mathewson / Winter, 13 Rev. Ind. Organ. 1998, 57, 64. 65 Mathewson / Winter, 13 Rev. Ind. Organ. 1998, 57, 58. 66 Rey / Vergé, Economics of Vertical Restraints, in: Buccirossi, Handbook of Antitrust Economics 2008, 353 ff. 61 62

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1. Teil: Ökonomische Analyse der Preisbindung zweiter Hand

träge sind geradezu das rechtliche Symptom der tatsächlich herrschenden Ungewissheit über zukünftige Entwicklungen. In der Geschäftswirklichkeit sind Verträge deshalb durch eine solche Vielzahl von Parametern gekennzeichnet, dass der Preis der Ware oder Dienstleistung der einzelnen Transaktion oft hinter andere Regelungen zurücktritt. Stattdessen werden im Rahmen langfristig ausgehandelter Lieferverträge, die die kontinuierliche und reibungslose Lieferbeziehung gewährleisten sollen, Preise häufig erst im Laufe der Vertragsdurchführung anhand vorher festgelegter und oft komplizierter (Rabatt-)Bedingungen ermittelt. Es werden dazu nicht nur mengen- und preisbezogene Einkaufsbedingungen z. B. über Mindestabnahmemengen, Verkaufsvolumina oder nicht-lineare Preise im Einkauf (bzw. soweit möglich Preisrahmen für den Verkauf) abgesprochen. Im Umfeld von preislichen Vereinbarungen tummelt sich eine Vielzahl weiterer vertikal beschränkender Absprachen zwischen Herstellern und Händlern: genannt seien Vereinbarungen zu konkreten Zahlungszielen, Werbekostenzuschüssen, Mieten für spezielle Regalstandorte im Verkauf, Exklusivbeziehungen usw. 67 Zwar sind nur vertikale Preisbindungsvereinbarungen Gegenstand dieser Arbeit, auf den Kontext, in dem sie sich bewegen, sei gleichwohl verwiesen. Warum Verträge zwischen Handelspartnern in der Praxis so hochkomplex werden, ist letztlich also nicht universell begründbar. Das Privatrecht konkretisiert die Freiheit dazu jedoch mit dem Grundsatz der Privatautonomie in denkbar weiter Form. In Deutschland ist diese Freiheit in Art. 2 Abs. 1 und Art. 12 GG verbürgt. Anders als dies bei klar wettbewerbsfeindlichen Absprachen zwischen Wettbewerbern der Fall ist, bedürfen bei rechtlicher Wertung ordnungspolitische Eingriffe in Vertragsverhältnisse zwischen Handelspartnern entlang einer Vertriebskette also einer besonderen Begründung.68 Diese Eingreifgründe werden z. B. bei wettbewerbsfeindlicher Zielsetzung der Vertragspartner im Einsatz von vertikalen Vereinbarungen als gegeben angesehen.69 Tatsächlich können aber – ohne den rechtlichen Fairnisaspekt zu bemühen – auch ökonomische Gesetzmäßigkeiten dafür sprechen, vertikale Verträge, die sich insgesamt schädlich auswirken, zu verbieten, selbst wenn sie individuell durch ökonomische Effizienzerwägungen motiviert sind. Also was veranlasst Hersteller und Händler konkret zu Preisbindungen? Und sind diese Motive eventuell gleichlaufend mit denen anderer Marktakteure – zum Beispiel denen der Verbraucher? Decken sie sich gar letztlich mit dem oder den Motiven des Wettbewerbsrechts? In der Ökonomie sind zwei 67 Rey / Vergé, Economics of Vertical Restraints, in: Buccirossi, Handbook of Antitrust Economics 2008, 353 ff; Haucap / Klein, in: Ahlert et al., Vertikale Preis und Markenpflege (2012), 173. 68 Beispiele bei Mathewson / Winter, 13 Rev. Ind. Organ. 1998, 57, 58; Haucap / Klein, in: Ahlert et al., Vertikale Preis und Markenpflege (2012), 173. 69 Untechnisch gesprochen reicht im europäischen und deutschen Recht bereits die bezweckte Wettbewerbsbeschränkung.

A. Die Preisbindung und die moderne ökonomische Analyse des Kartellrechts

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Erklärungsstränge vorherrschend, die historisch gewachsen und deshalb nicht frei von wissenschaftlichen Trends sind. Das bereits angedeutete, konservative Verständnis führt verwobene Vertragsgestaltungen auf Marktmachtmotive zurück. Man binde den Vertragspartner durch eine Vielzahl von abhängigen Vereinbarungen an sich und schaffe damit de facto Exklusivverträge. Eine vertikale Abschottung einzelner Lieferketten sei Motiv und Folge, um den Wettbewerbsdruck zu mildern oder durch die Bildung und Koordination von (horizontalen) Kartellen ganz zu eliminieren. Die institutionen-ökonomisch geprägte Literatur konzentriert sich auf die Möglichkeit, mit vertikalen Vereinbarungen – insbesondere mit Preisbindungen – Koordinationsprobleme zwischen den Handelspartnern abzumildern oder zu überwinden. Über die Ersparnis von Transaktionskosten seien derlei Verträge eine Evolution in Richtung gesteigerter Effizienz.70 Ausgehend von diesem Motiv wird die Vorteilhaftigkeit preislicher Vereinbarungen betont. Entlang dieser zwei Deutungsfronten lassen sich praktisch alle einzelökonomischen Theorien zur Preisbindung ausrichten. Ausgehend von der angenommenen Motivation werden diese in der Folge nachgezeichnet und bewertet. In der wettbewerbsrechtlichen Literatur finden sich solche Ansichten stark im Vordringen, die positive Auswirkungen der Preisbindung herausheben. Mit den zunehmenden Bemühungen um den more economic approach im Wettbewerbsrecht haben effizienzerhöhende Wirkungen von vertikalen Vereinbarungen im Allgemeinen und der Preisbindung im Besonderen auch in Europa vermehrt Eingang in die wettbewerbsrechtliche Debatte gefunden. Dabei sind die verschiedenen Theorien und Konstellationen positiver Auswirkungen der Preisbindung sehr unüberschaubar geworden, sodass sie häufig nur undifferenziert oder selektiv herangezogen werden, um für oder gegen eine Liberalisierung der Preisbindung zu streiten. Die Arbeit bereitet deshalb zunächst alte und neue Theorien zu ökonomischen und wettbewerblichen Auswirkungen der Preisbindung der zweiten Hand auf. Um ein besseres Verständnis für die Eigendynamik der Preisbindungsdiskussion zu erzielen, werden sie in ihrem jeweiligen argumentativen Umfeld, d. h. anhand ihrer Genese dargestellt. Die Arbeit bemüht sich im Folgenden um eine möglichst ausführliche Darstellung der jüngeren pro-kompetitiven Erklärungen von Preisbindungen und deren Auswertung insbesondere in Bezug auf die parallele Entwicklung des Internets als Informations- und Vertriebsweg (Teil B), weshalb die Gegenüberstellung klassischer, anti-kompetitive Erklärungen zur Preisbindung (Teil C) nicht in einem ebenso großen Umfang erfolgen wird. Die Argumente werden danach in einer Ergebnisdiskussion (Teil D) abgewogen.

70

Haucap / Klein, in: Ahlert et al., Vertikale Preis und Markenpflege (2012), 170 ff.

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1. Teil: Ökonomische Analyse der Preisbindung zweiter Hand

B. Die positiven Wirkungen von Preisbindungen der zweiten Hand im markeninternen Wettbewerb B. Die positiven Wirkungen von Preisbindungen der zweiten Hand

Die pro-kompetitiven Erklärungen für Preisbindungen basieren hauptsächlich auf einer besseren Koordinierung innerhalb einer Vertriebskette, beziehen sich aus wettbewerblicher Sicht also auf Auswirkungen auf den markeninternen Wettbewerb (Intrabrand-Wettbewerb). Dabei lassen sich die Hypothesen zu den positiven Effekten der Preisbindung im Wesentlichen zwei argumentativen Ansätzen zuordnen. Zum einen soll die Preisbindung zur Verhinderung von Effizienzeinbußen durch das sog. free riding – also durch Trittbrettfahrer – dienen, zum anderen zur Überwindung von Interessenasymmetrien zwischen Herstellern und Händlern, also Anreizprobleme beheben. I. Die Preisbindung zur Lösung des Trittbrettfahrerproblems: klassische Service-Argumente, Qualitätszertifizierung und die Auswirkungen des Internets Im folgenden Abschnitt werden zunächst die verschiedenen Konstellationen des Trittbrettfahrens im Handel und die Preisbindung als Abhilfemaßnahme diskutiert, bevor Implikationen des wachsenden Internethandels und der Multi-Channel-Distribution für die kartellrechtliche Notwendigkeit der Preisbindung zur Bekämpfung des Trittbrettfahrens erörtert werden. 1. Hypothese: Preisbindung zur Verhinderung des Trittbrettfahrens auf Serviceleistungen Der primäre Rechtfertigungsansatz für Preisbindungen konzentriert sich auf das sog. Trittbrettfahrerproblem (free rider problem) und bildet nach wie vor eines der Kernargumente zur Rechtfertigung der Preisbindung zweiter Hand in der aktuellen kartellrechtlichen Debatte. Das Trittbrettfahrerproblem beschreibt Situationen, in denen ein Dritter von einem bereitgestellten Gut profitiert, von dessen Nutzung er aufgrund bestimmter Rahmenbedingungen nicht ausgeschlossen werden kann. Übertragen auf das Wettbewerbsrecht nimmt ein Marktteilnehmer die Vorzüge einer Investition eines anderen Marktteilnehmers in Anspruch, ohne dafür zu bezahlen.71 Die Bedenken gegen ein solches Trittbrettfahren konzentrieren sich auf positive horizontale Externalitäten72 im Bereich des Intrabrand-WettGundlach / Cannon / Manning, 55 Antitrust Bull. 2010, 385. Als externen Effekt/Externalität bezeichnet die Volkswirtschaftslehre die unkompensierte Auswirkung ökonomischer Entscheidungen auf unbeteiligte Marktteilnehmer, die daher nicht in den Entscheidungsprozess des Verursachers einbezogen wird. Es handelt sich dabei um eine Abweichung vom Normfall, dass einen Marktteilnehmer sowohl Nutzen als auch Kosten seiner Handlung treffen. Liegen externe Effekte vor, so führt dies zu einer 71 72

B. Die positiven Wirkungen von Preisbindungen der zweiten Hand

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bewerbs, d. h. auf das Trittbrettfahren zwischen Händlern ein- und desselben (Marken-) Produktes.73 Der Transfer von Nutzenvorteilen einer Investitionsanstrengung auf Dritte muss nicht dazu führen, dass der Investor selbst keinerlei Profit mehr aus ihr zieht. Sobald jedoch andere Marktteilnehmer in gesteigertem Maße von ihr profitieren, kommt es zu einem Marktversagen. Solche positiven externen Effekte, die sich als Wettbewerbsvorteile für Konkurrenten niederschlagen, veranlassen rationale Entscheider dazu, entsprechende Investitionen nur verhalten zu tätigen oder einzustellen. Im Handel mit Waren oder Dienstleistungen treten solche Trittbrettfahrerprobleme auf, wenn neben dem gehandelten Produkt weitere Leistungen erbracht werden, die jedoch nicht an den Verkauf des Produktes gebunden werden können. Dann können auch Dritte (der Käufer oder der Konkurrent) von ihnen profitieren. In Fällen eines solchen Marktversagens hinsichtlich überragend wichtiger Güter für die Allgemeinheit meist mit staatlichen Subventionen interveniert oder die konkrete Tätigkeit durch die öffentliche Hand übernommen. 74 Für ein Trittbrettfahren im Handel wird die Preisbindung als privatrechtliche Lösung diskutiert. Lester Telser hat die Überlegungen rund um Preisbindungen zur Verhinderung des Trittbrettfahrens 1960 unter dem Stichwort „Service-Argument“75 populär gemacht. Sog. Pre-Sales-Services, Dienstleistungen eines Händlers im Vorfeld der Kaufentscheidung des Konsumenten, sind besonders anfällig für ein Trittbrettfahren und bilden – zwischen Warenhäusern und Vollsortimentern auf der einen und Discounthändlern auf der anderen Seite – den archetypischen Fall der Rechtfertigung von Preisbindungen. Händlerdienstleistungen z. B. in Form von Produktberatung, Produktansicht und Produkttests verursachen im Handel hohe Bereitstellungskosten, weil sie die gezielte Aus- und Weiterbildung des Verkaufspersonals oder die Vorhaltung von zusätzlichen Ausstellungsstücken voraussetzen. Kunden nehmen diese Leistungen häufig zwar in Anspruch, können das Produkt aber günstiger bei anderen Händlern beziehen, Fehlallokation der Ressourcen im Marktsystem (Marktversagen). Negativ ist ein externer Effekt, der die Kosten einer Handlung auf die Allgemeinheit abwälzt (soziale Kosten) und nicht zu einer Vermeidungsstrategie beim Verursacher führt, mithin in der Regel zu einer exzessiven Nutzung. Prominentes Beispiel ist die Umweltverschmutzung, die die Allgemeinheit z. B. in Form der Luft- oder Wasserverschmutzung durch Treibstoffverbrennung oder Chemikalienentsorgung als Folge von Produktions- oder Konsumentscheidungen betrifft. In solchen Konstellationen gestörter Ressourcenallokation wird ein korrigierendes Eingreifen notwendig. Bei drohender Umweltbelastung geschieht dies z. B. durch die Internalisierung der Effekte über den Handel mit Umweltzertifikaten, über Umweltsteuern oder Umweltschutzabgaben. 73 Gundlach / Cannon / Manning, 55 Antitrust Bull. 2010, 386. 74 Bspw. Subventionen für Forschung und Entwicklung, Deichbau oder durch öffentliche Unternehmen. 75 Telser, 3 J. L. & Econ. 1960, 86 ff.; vorgehende Arbeiten insb. Bowman, 22 U. Chi. L. Rev. 1955, 825 ff.

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1. Teil: Ökonomische Analyse der Preisbindung zweiter Hand

die entsprechende Möglichkeiten der Ansicht und Beratung nicht anbieten. Der beratende Händler kann dann seine höheren Kosten nicht durch Umsatz im Verkauf decken und wird sie mittelfristig unterlassen. Aus Herstellersicht haben Service-, Promotions- und Ausstellungsleistungen zwei Effekte. Zum einen generieren diese Leistungen des Einzelhandels – als unerwünschte Nebenwirkung – höhere Einzelhandelspreise.76 Wichtiger jedoch ist die positive Stimulierung der Nachfrage nach einem bestimmten Gut, indem der Bekanntheitsgrad von Produkten erhöht und der Kunde zum Kauf angeregt wird. Der höhere Einzelumsatz und die insgesamt erhöhte Nachfrage kompensieren die gesteigerten Kosten des Handels aber und werden auf den Konsumenten abgewälzt. Solange der Kunde dafür auch besondere Leistungen, also ein werthaltigeres Produkt erwirbt, ist diese Umlage in der Gesamtbetrachtung zu rechtfertigen. Dieser durch den Hersteller gewünschte Effekt von Beratungsleistungen tritt jedoch nicht gleichmäßig ein, sobald einzelne Händler sich entscheiden, den genannten Service nicht mehr anzubieten und die Einsparungen für Preissenkungen nutzen. Dann positioniert sich der Händler mit Serviceangebot nachteilig im Preiswettbewerb gegenüber solchen Händlern desselben Produktes, die diese Point of Purchase-Kosten nicht haben. Der Absatz verlagert sich zugunsten letztgenannter Händler, die sich jedoch nicht daran beteiligen, die Nachfrage nach dem Herstellerprodukt zu erzeugen oder aufrecht zu erhalten.77 Beobachten lasse sich dieser Effekt laut den Verfechtern dieser Theorie nicht nur bei komplexen, beratungsintensiven Produkten, sondern auch bei einfachen Markenprodukten, die im Fachhandel mit zusätzlichen Reparaturangeboten und anderen After-Sales-Services ausgestellt und beworben werden, aber im einfachen Filialbetrieb günstiger vertrieben werden. Langfristig werden die service- und personalintensiven Wettbewerber zumindest mit dem konkreten Produktangebot aus dem Markt gedrängt, wenn sie nicht mittelfristig ihre Serviceleistungen einstellen. Beides sei weder im Interesse des jeweiligen Produktherstellers noch der Konsumenten.78 Durch eine Preisbindung kann der Hersteller hingegen den Preiswettbewerb im Handel unterbinden, wodurch Händler gezwungen seien, in nichtpreislichen Wettbewerb einzutreten und der Servicelevel verbessert werde.79 Die gesicherte Marge statte Händler hierfür hinreichend finanziell aus und schaffe überdies über die Pro-Stück-Kompensation einen Anreiz, möglichst viele Einheiten abzusetzen.80 Paldor, Rethinking RPM (2007), 145. Telser, 3 J. L. & Econ. 1960, 86, 91. 78 Möschel, Vertikale Preisbindung, in: Kartellrecht in Theorie und Praxis 2012, 341, 345. 79 Telser, 3 J. L. & Econ. 1960, 86, 92. 80 Telser liefert zwar Begründungen, warum die herstellerinduzierte Preisbindung Vorteile ggü. anderen Maßnahmen birgt, a. a. O. 92. Allerdings wird hier nicht ausreichend zwischen Pre- und After-Sales-Services unterschieden. 76 77

B. Die positiven Wirkungen von Preisbindungen der zweiten Hand

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Diese Mechanismen wirken nicht nur zwischen Händlern ein- und desselben Vertriebswegs, sondern auch zwischen verschiedenen Vertriebswegen; bei einem Dualen Vertrieb kommt es unter Umständen sogar zur Konkurrenz mit Herstellern, die zunehmend unterschiedlichste Vertriebswege bedienen. Neben den Betrieb von Flagship-Stores oder speziellen Outlet-Stores, die eigens produzierte Produkte, abgelaufene Saison- oder B-Ware anbieten, tritt zunehmend auch ein herstellereigener Internetvertrieb, der den früheren Katalogversandhandel praktisch ablöst. Hersteller und Händler greifen zunehmend auf mehrkanalige Angebote zurück, um Kunden auf möglichst vielen Vertriebswegen anzusprechen.81 Hersteller sind sich im Allgemeinen der Konflikte zwischen den Kanälen bewusst und vermeiden eine kannibalisierende Wirkung gegenüber ihren Fachhändlern. Deshalb ist ein Trittbrettfahren durch die Hersteller selbst zwar denkbar, aber eine kaum relevante Konstellation. Empirisch konnte im Rahmen früherer Untersuchungen nicht festgestellt werden, dass Hersteller eigene Vertriebswege dazu nutzen, Händler im Preis zu unterbieten.82 Die zeit- und ortsunabhängige Möglichkeit des Preis- und Produktvergleichs im Internet, erweitere jedoch die Möglichkeiten des Trittbrettfahrens enorm, sodass vor allem gefürchtet wird, dass der Stationärhandel durch das Angebot des Premiumvertriebs mit Kundenservice und Informationsdiensten dem Internetvertrieb als neuartigem Discounter unterlegen sei. Letzterer sei aufgrund anderer Kostenstrukturen ohne Filialunterbau und personalintensiven Betrieb konkurrenzlos günstig. Unterstellt, die Kaufentscheidung richte sich hauptsächlich nach dem Preis eines Produktes, wird das Trittbrettfahren in allen Spielarten signifikant verstärkt. Einr Preisbindung sei deshalb adäquat, um dem zunehmenden Trittbrettfahren entgegenzuwirken.83 Das Risiko des Trittbrettfahrens beschränkt sich jedoch nicht auf die Konkurrenz zwischen Online- und Offline-Vertriebswegen, sondern macht auch vor verschiedenen Geschäftsmodellen im Internetumfeld nicht Halt. Dies wird im Hinblick auf neuartige Plattformmärkte, Auktionsseiten und andere Beteiligte deutlich. Trittbrettfahren bedroht hier nicht klassische persöhnliche Beratungsleistungen, sondern internetspezifische Informations- und Filterfunktionsangebote, die insbesondere durch zweiseitige Internetplattformmärkte bereitgestellt werden. Online-Plattformen wie eBay.com, Amazon.com oder HRS.com generieren aufgrund eigener Filterfunktionen und ihrer Zusammenarbeit mit großen Suchmaschinen einerseits eine gewisse Sichtbarkeit im Internet. Zum anderen reichern sie die Informationen über das Produkt (z. B. Hotel) mit spezifischen Erfahrungsberichten anderer Nutzer an Siehe zur Multi-Channel-Distribution 1. Teil B.I.3.e), 43 ff. Carlton / Chevalier, 49 J. Ind. Econ. 2001, 441 ff., 461 anhand des Vertriebs von Parfums, DVD-Playern und Kühlschränken. 83 Möschel, WuW 2010, 345. 81 82

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1. Teil: Ökonomische Analyse der Preisbindung zweiter Hand

und kreieren so eine objektive, realistische oder zumindest individualisierte Beurteilung, auf die sich interressierte Kunden bei ihrer Entscheidung stützen können. Die Pflege und Bewerbung der gesamten Plattform, sowie die direkte oder indirekte Vermittlungsleistung wird in der Regel erst beim tatsächlichen Transaktionsabschluss über das Portal provisionsbasiert vergütet, hat also den Charakter einer Händlermarge. Somit entsteht die Gefahr, dass sich Kunden im Internetplattformgeschäft informieren, das Produkt oder die Dienstleistung aber im Internet-Direktvertrieb des Anbieters beziehen. Es droht also neben dem Trittbrettfahren durch andere Händler ein Trittbrettfahren durch den Anbieter selbst. Er kann sein Produkt oder seine Dienstleistung auf Plattformmärkten bekannt machen, die Provision oder Plattformgebühren jedoch in das dortige Angebot einpreisen. Mit modernen Suchmaschinene finden Internetnutzer, die man zusätzlich als besonders preissensible Kundschaft einstuft, die günstigste Bezugsquelle für das gewünschte Produkt bzw. die Dienstleistung in der Regel schnell. Plattformbetreiber sehen ihre provisionsbasierte Vergütung mittel- und langfristig gefährdet, solange die Plattform Nachfrage generiere, aber keinen direkten oder indirekten Einfluss auf Endpreise habe. Plattformmärkte sind dieser mutmaßlichen Gefahr in den letzten Jahren vielfach über sog. Bestpreis- oder Preisparitätsklauseln in ihre Geschäftsbedingungen begegnet. 84 Es handelt sich dabei um eine Art umgekehrte Preisbindung, die Plattformbetreibern konkurrenzfähige Preisangebote durch die anbietenden Geschäftspartner sichern sollte. Die Wettbewerbsbehörden einiger großer europäischer Mitgliedstaaten haben solche Variationen von Meistbegünstigungsklauseln in den letzten Jahren aufgegriffen und beanstandet.85 Ohne die genaue Untersuchung solcher Maßnahmen im Hinblick auf zweiseitige Märkte im Internet vorwegzunehmen, so lässt sich hier bereits festhalten, dass der Online-Handel durch die Vernetzung von Vertriebswegen die Konkurrenzsituation im Internet maßgeblich verändert hat. Herkömmliche Vertriebsketten weichen einem Geflecht aus Informations- und Vertriebswegen und das Verhältnis zwischen Marktbeteiligten ist oft nicht mehr zweifelsfrei als vertikal oder horizontal charakterisierbar.86 Diese Vielschichtigkeit muss für die Gesamtbewertung der Gefährlichkeit des Trittbrettfahrens und anderer Argumente rund um die Rechtfertigung von Preisbindungen unbedingt gesondert berücksichtigt werden. Birgt das Internet tatsächlich mehr Raum für Marktversagen, wie vielfach und von fast allen Handelsstufen kolportiert wird oder handelt es sich eher um ein neu eröffnetes Feld für die Wirkungen eines positiven Wettbewerbs, das rechtlich besonders schützenswert ist? 84 Executive Summary, OECD Vertical Restraints for Online Sales, DAF/COMP (2013)13, 5 ff. 85 Siehe unten 1. Teil D.II, 110 ff. und 2.Teil D.V, 304 ff. 86 Executive Summary, OECD Vertical Restraints for Online Sales, DAF/COMP (2013)13, 5, 6.

B. Die positiven Wirkungen von Preisbindungen der zweiten Hand

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2. Qualitätszertifizierung und erleichterter Markteintritt: Preisbindung zur Verhinderung des Trittbrettfahrens auf Prestige Weil die Signifikanz des Trittbrettfahrerproblems im Pre-Sales-ServiceBereich immer schon stark bezweifelt wurde, wurde nach weiteren Erklärungen für den Hang vieler Hersteller zu Preisbindungen in solchen Konstellationen gesucht, in denen das Service-Argument von Telser offensichtlich nicht der Grund sein konnte. Insbesondere Marvel und McCafferty befassten sich mit einem weiteren Aspekt des Trittbrettfahrens.87 Ein Free-Rider-Szenario wird demnach auch relevant, wenn ein etablierter Händler einem bestimmten (Marken-) Produkt erstmalig einen Markt eröffnet, indem er als Garant für besondere Qualität oder Eleganz fungiert.88 Spätere Vertreiber desselben Produkts (z. B. Discounter) profitieren jedoch auch ohne imagewirksame Ausstellung oder kostenintensive Filialbetreibung vom frühen Angebot des renommierten Händlers. Es handelt sich hier um ein Trittbrettfahren hinsichtlich guter Reputation. Das Qualitätssignal ist ersichtlich im Interesse des jeweiligen Produktherstellers. Letzterer nutzt daher die Preisbindung, um Handelsmargen bei Qualitätsartikeln zu garantieren und prestigeträchtige Händler zum Vertrieb zu motivieren. Im Mittelpunkt stehen nicht unmittelbare Produkteigenschaften, sondern die Qualitätssignale eines bestimmten Vertriebskanals, die auf das jeweilige Produkt ausstrahlen. Diese Signalwirkung muss nicht einmal eine bestimmte Qualität im engeren Sinne betreffen, sondern arbeitet – beispielsweise im Bekleidungssektor – mit Aspekten wie Mode und Trendsetting. Händler werden als Agenten für den Konsumenten tätig, indem sie ausstellen, was saison- und zielgruppenweit als besonders stylish oder prestigeträchtig empfunden wird. Solange eine Marke die konstante Qualität eines Produkts bei allen Händlern gewährleistet, ist es dem gehobenen Handel bei Preiswettbewerb nicht unbedingt möglich, seine Zertifizierung über Premiumpreise zu vergüten. Im exemplarischen Bekleidungssektor, der wie viele andere Branchen intensiv mit Marken arbeitet, ist der Bezug durch den Konsumenten aufgrund des Standardisierungsgrades nämlich nicht an Händler gebunden, die das besonders exklusive Produkt als Erste angeboten haben.89 Der wesentliche Unterschied zur oben bereits dargestellten Situation beim Service-Trittbrettfahren ist jedoch die materielle Werthaltigkeit der Leistung des Handels. Die Qualitätszertifizierung unterscheidet nicht zwischen speziellen Kundengruppen mit differenzierbarem Servicebedarf. Die Signalwirkung des Handels kommt allein durch die Entscheidung des Händlers zum Vertrieb zustande, erfordert seitens des Händlers keine zusätzlichen,

87 88 89

Marvel / McCafferty, 15 RAND J. Econ. 1984, 346. Marvel / McCafferty, 28 J. L. & Econ. 1985, 363, 369. Marvel / McCafferty, 15 RAND J. Econ. 1984, 348.

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1. Teil: Ökonomische Analyse der Preisbindung zweiter Hand

werthaltigen Investitionen.90 Häufig wird gleichwohl darauf verwiesen, dass der Händler ein immaterielles Risiko (z. B. Reputationsverluste bei dem Angebot minderwertiger Produkte) mit einer Produkteinführung trage, sich deshalb ein besonderes Vergütungsinteresse rechtfertige. Die Qualitätszertifizierung durch den Händler wird mit dem zunehmenden Bekanntheitsgrad und der Etablierung einer Marke für den Hersteller immer unwichtiger, der durch die Preisbindung ausgeschaltete Preiswettbewerb für den Händler mittelfristig aber immer lukrativer. Nichtsdestoweniger werten Kunden, die das Produkt nicht kennen, die Vertriebsentscheidung führender Fachhändler als Qualitätssignal, das Angriffsfläche für ein Trittbrettfahren bietet. Die Preisbindung kann jedoch dazu genutzt werden, Premiumhändlern gewisse Margen für entsprechende Premiumprodukte zu garantieren.91 Die gleiche Logik wird insofern auch für die Einführung unbekannter, innovativer Produkte als Vorzug der Preisbindung ins Feld geführt. 3. Ökonomische Belastbarkeit der Free-Rider-Erklärungen: klassische Kritikpunkte und Berücksichtigung der Auswirkungen des Internets und des E-Commerce a) Auswirkungen des Internets auf Handel und Preise Das Internet hat in den letzten Jahren einen entscheidenden Einfluss auf die Entwicklung von modernen Einzelhandelsstrategien ausgeübt. Demgegenüber hat es die kartellrechtliche Diskussion lange versäumt, diese Erwägungen ernsthaft in die lang bestehende Diskussion um die Preisbindung einzubringen und zu bewerten. 92 Erst 2010 bzw. im Herbst 2013 hat sich nunmehr in

90 Marvel / McCafferty, 15 RAND J. Econ. 1984, 349; diese Beobachtung gilt ungeachtet der bei Luxusgütern de facto oft bestehenden Vorgaben des Herstellers betreffend die Präsentation im Laden im Rahmen des Selektivvertriebs. Es handelt sich dort aber um eine grundsätzlich andere Konstellation. Ungeachtet der statistischen Relevanz der Konstellation, mag es tatsächlich Fälle geben, in denen es hoher Anstrengungen und unternehmerischer Risiken bedarf, ein neuartiges Produkt oder eine neuartige Leistung anzubieten und zu vertreiben. 91 Marvel / McCafferty, 28 J. L. & Econ. 1985, 363, 369. 92 Note, 121 Harv. L. Rev. 2007, 1600 f.; in deutschsprachiger Literatur wird überwiegend pauschal auf die US-amerikanische Literatur verwiesen, s. z. B. Möschel, Vertikale Preisbindung, in: Kartellrecht in Theorie und Praxis 2012, 341 ff., 345. Das kartellrechtlich insofern wichtige Leegin-Urteil stützt sich zwar bei der Aufgabe der Dr. MilesRechtsprechung hauptsächlich auf ökonomische Erwägungen, stützt sich aber hauptsächlich auf Publikationen aus den 1980er-Jahren. Der Fall bot zudem keinen unmittelbaren Internetbezug, nur im Minderheitsvotum erfolgt eine Auseinandersetzung mit möglichen Effekten des Internethandels, siehe Leegin Creative Leather Products, Inc. v. PSKS, Inc., 551 U.S. 877, 922 (2007), (Breyer, J. dissenting). In Europa war im Jahr 2010 mit der Novellierung der Gruppenfreistellungsverordnungen und den Leitlinien der Kommission

B. Die positiven Wirkungen von Preisbindungen der zweiten Hand

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verschiedenen Stellungnahmen eine vorsichtige Thematisierung durch Kommission und BKartA ergeben.93 Zwischenzeitlich hat sich auf institutioneller Ebene die OECD mit einem Roundtable ausgiebig mit vertikalen Beschränkungen im Licht der Internetökonomie befasst, nachdem nationale Behörden zunehmend mit Fällen in diesem Bereich konfrontiert wurden.94 Neben dem Einfluss des Internets auf die verschiedensten Lebensbereiche ausübt, ist auch der Modernisierungsschub in vielen Wirtschaftsbereichen und der dadurch bewirkte Wandel des Kommunikationsverhaltens und der Mediennutzung nicht zu unterschätzen. Die Auswirkungen auf den Handel lassen sich allenfalls in Einzelaspekten numerisch darstellen. Für 2015 wird in den USA ein Umsatz des E-Commerce Einzelhandels von 349,06 Milliarden US-Dollar erwartet, was einer Verdopplung ggü. 2010 und einem Anteil von fast 13 % am Gesamthandelsumsatz entspricht.95 In Europa divergieren die E-Commerce-Anteile in den Mitgliedstaaten stark, korrelieren jedoch mit dem Entwicklungsgrad der jeweiligen Binnenwirtschaft.96 Für 2013 entfiel auf den Gesamtumsatz im deutschen Einzelhandel von 428 Mrd. EUR ein Internetumsatz i.H.v 37,3 Mrd. EUR was einem Anteil von unter 10 %, entsprach, 2015 aber weiter auf ca. 11,6 % wächst.97 Wenngleich Studien – je nach Berechnungsgrundlage – im Detail unterschiedliche Ergebnisse ausweisen, handelt es sich um den am stärksten wachsenden Vertriebsweg im Eineine Auseinandersetzung möglich, ist jedoch nicht für die Preisbindung, sondern nur partiell für den selektiven Vertrieb erfolgt. 93 BKartA, Hintergrundpapier Vertikale Beschränkungen in der Internetökonomie (2013). 94 OECD Vertical Restraints for Online Sales, DAF/COMP(2013)13. 95 ; vgl. auch ähnliche Zahlen nach Schätzung des U.S. Department of Commerce, E-Stats vom 10.5.2012 zum E-Commerce 3. Hingegen betrug die Wachstumsrate im gesamten Einzelhandel nur 2,6 % im genannten Zeitraum; Quarterly Retail E-Commerce Sales, 3rd Quarter of 2012, beides abrufbar ; E-Commerce-Studie deals.com in Zusammenarbeit mit dem Centre for Retail Research, abrufbar , abgerufen 9.10.2015. 96 Quelle Statista.de , abgerufen am 9.10.2015; E-Commerce-Studie deals.com in Zusammenarbeit mit dem Centre for Retail Research, abrufbar . 97 HDE, Der deutsche Einzelhandel, Einzelhandelsumsatz ohne Kfz, Tankstellen, Brennstoffe, Apotheken, Quelle Statistisches Bundesamt, teilw. vorläufige Daten, s. nur BKartA, Hintergrundpapier Vertikale Beschränkungen in der Internetökonomie (2013), 17; E-Commerce-Studie deals.com in Zusammenarbeit mit dem Centre for Retail Research, abrufbar ; aktuelle Angaben gehen von einem Online-Anteil am Einzelhandelsumsatz von 15,3 % im Non-FoodBereich bzw. 8,5 % am Gesamteinzelhandelsumsatz aus; Doplbauer, GfK White Paper eCommerce 2015, 4.

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1. Teil: Ökonomische Analyse der Preisbindung zweiter Hand

zelhandel.98 Die Internetökonomie birgt jedoch eine Reihe von Besonderheiten, die sich auf konventionelle Vertriebsstrukturen auswirken und bei einer Neubewertung pro- und anti-kompetititver Theorien zur Preisbindung der zweiten Hand berücksichtigt werden müssen. aa) Transaktionskosten von Herstellern, Händlern und Konsumenten Zunächst senkt das Internet durch seine Informationsfunktion in vielerlei Hinsicht Transaktionskosten. Am offensichtlichsten ist die Verringerung von Suchkosten für Verbraucher. Deutlich schneller und somit günstiger als im Stationärhandel ist die ortsungebundene Auffindbarkeit von Produkten und Verkaufsstellen und die oft sehr detaillierte Produktpräsentation im Internet ermöglicht nicht zuletzt den direkten Produktvergleich. Produktvergleichsseiten, Produkttestseiten und Dritthändlerplattformen bauen Informationsdefizite bei Verbrauchern zur Produktverfügbarkeit, Qualität und weiteren Aspekten ab.99 Bemerkenswert ist auch der koordinierte Austausch von (privaten) Erfahrungen von Endverbrauchern per Bewertung und Kommentierung auf Internetforen und virtuellen Marktplätzen. Erfahrungsberichte anderer Verbraucher gelten häufig als aussagekräftiger als die Angaben des Verkäufers, dessen Interessenlage hinsichtlich der Profitabilität bestimmter Angebote intransparent ist. Allerdings laufen die Kosten beim Endverbraucher im Internet nicht, wie vielfach angenommen, gegen null. Vielmehr haben Quantität und Dichte von Informationen im Internet einen Bedarf für spezielle Dienstleistungen geschaffen, die das systematische Filtern von Angeboten über Preisvergleichssuchmaschinen (sog. ShopBots) ermöglichen. Sie reduzieren Transaktionskosten, indem sie Angebote verschiedener Online-Händler hinsichtlich desselben Produkts oder Services in lesbarer Weise aggregieren.100 Das Internet reduziert also Kosten, die typischerweise mit Hinblick auf den Stationärhandel bestehen, generiert aber zugleich empirisch messbare, internetspezifische Transaktionskosten.101 Diese wiederum sind variabel: mit der Gewöhnung an einzelne Internetangebote (mit einem bestimmten Seitenlayout, charakteristischen Bezahlvorgängen usw.) bei wiederholter Nutzung reduziert sich die aufgewandte Zeit und Mühe im Umgang mit bestimmten Inhalten.102 Der Lernprozess spielt also eine bedeutende Rolle auch für die Accenture / GfK, Non-Food Multichannel-Handel 2015 (2010). BKartA, Hintergrundpapier Vertikale Beschränkungen in der Internetökonomie (2013), 16. 100 Buccirossi, Background Note, OECD Vertical Restraints for Online Sales, DAF/ COMP(2013)13, 17. 101 Mit weiteren Nachweisen Buccirossi, Background Note, OECD Vertical Restraints for Online Sales, DAF/COMP(2013)13, 17. 102 Mit weiteren Nachweisen Buccirossi, Background Note, OECD Vertical Restraints for Online Sales, DAF/COMP(2013)13, 17. 98 99

B. Die positiven Wirkungen von Preisbindungen der zweiten Hand

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Kundenbindung im Internet. Deshalb entstehen auch und gerade im Internet teilweise stabile Kundenstämme (Single Homing). Die durch das Internet mögliche Vernetzung kann jedoch für alle Hersteller eine intensivierte Beziehung mit den Kunden schaffen und beschränkt sich nicht auf reine Internetgeschäfte. Zum einen ist es Herstellern und Händlern daher kostengünstig möglich, Kunden bspw. über Newsletter oder Rabattaktionen langfristig und regelmäßig anzusprechen. Andererseits führt die Einfachheit, mit der ein Direktvertrieb aufgebaut werden kann, in manchen Branchen zum Einbrechen klassischer Vermittlungsmärkte. Markantes Beispiel ist die Reisebranche, in der eine Vermittlungsebene – die Reisebüros – nur noch bei einer hohen Spezialisierung bestehen können.103 Auch für Händler bringt das Internet Möglichkeiten zur Kostensenkung. Händler, die einen Online-Vertrieb aufbauen, können ihre Fixkosten im Zusammenhang mit der Unterhaltung einer physischen Präsenz (Ladenlokal/ Personalkosten) minimieren. Die schnelle Informationsverarbeitung über das Internet und moderne Logistik fördern einen bedarfsgerechten Bezug auf der Händlerstufe, was zusätzliche Kosten für Lagerräume und Zwischentransporte reduziert. Solche Effizienzgewinne bewirken Wettbewerbsvorteile die in Form von Preisvorteilen an Verbraucher weitergereicht werden können. bb) Reichweite des Vertriebs: geografische Ausweitung des Wettbewerbs Das Zusammenspiel von Preiswettbewerb im Internet, ortsunabhängiger Informationsbeschaffung und der Optimierung des Fernabsatzgeschäftes unterwirft regionale Händler- bzw. Herstellermonopole stärker dem Wettbewerb,104 weshalb kleine Händler in abgelegenen Regionen Online-Preiskampf fürchten. Kunden, die aufgrund von Kostenvorteilen des Internethandels ihre Waren zunehmend online bestellen und sich liefern lassen, gehen dem vorwiegend lokal operierenden Einzelhandel oft verloren, der bei freier Preisbildung häufig mangels erreichbarer Größenvorteile nicht mehr konkurrenzfähig ist. Wenngleich es aus kulturellen und nostalgischen Motiven Gründe für den „kleinen Laden vor Ort“ gibt, so dürfen diese gerade nicht zu einem Schutz vor Wettbewerb führen. Monopolstellungen, seien sie auch noch so regional begrenzt, soll das Wettbewerbsrecht nicht schützen, sondern dazu führen, dass Räume für Effizienzgewinne neu erschlossen und genutzt werden.105 103 In der Schweiz wird ein Rückgang unabhängiger Reisebüros in den Jahren 2000– 2012 um ca. 40 % angegeben, s. Bandi, Das grosse Sterben der Einzelkämpfer, Handelszeitung v. 17.1.2011, abrufbar . 104 Note, 121 Harv. L. Rev. 2007, 1600, 1618. 105 Auch für kleine Betriebe wachsen gleichsam Möglichkeiten, sich überregional zu koordinieren, vgl. z. B. BKartA, Merkblatt über Kooperationsmöglichkeiten für KMU (2007).

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1. Teil: Ökonomische Analyse der Preisbindung zweiter Hand

Darüber hinaus wirkt das Internet auch in rechtlicher Hinsicht integrativ, indem der geografische Anwendungsbereich von kartellrechtlichen Regelungen potenziell eröffnet bzw. erweitert wird.106 Beschränkungen der Preisgestaltung müssen deshalb besonders kritisch daraufhin untersucht werden, ob sie sich gegen eine solche Marktintegration richten. cc) Informationspool und Markttranzparenz: Erweiterung der Möglichkeiten, Wettbewerb zu beschränken Soweit über Vergleichsportale und spezialisierte Suchmaschinen Suchkosten eliminiert und Informationspools geschaffen werden, die in Echtzeit über Produkte, verfügbare Mengen und Preise Auskunft gewähren, wächst die Markttransparenz für alle Beteiligten – mit ambivalenten Ergebnissen. Einerseits beschleunigen sich Allokationsprozesse, die Effizienzgewinne auf allen Seiten ermöglichen. Konsumenten können sich besser über Preise und Verfügbarkeit von Produkten informieren; die Organisation von Wissen in Bewertungsportalen oder Blogs baut die Informationsasymmetrie zwischen Anbietern bzw. Händlern und Verbrauchern ab. Das schafft Wirkräume für individuelle Kosten- oder Servicepräferenzen und kollektive Überwachung von Unternehmenstätigkeit. Nicht zu unterschätzen ist insofern auch die verstärkte Wirkung von Imageaspekten im Informationszeitalter. Ob dies im Einzelfall zu härterem Wettbewerb oder einer Einstellung des Preiskampfes führt, lässt sich pauschal nicht vorhersagen, muss jedoch innerhalb der Theorien zur Preisbindung im Auge behalten werden. Andererseits schaffen die frei zugänglichen Informationen auch besondere Möglichkeiten der Abstimmung zwischen Anbietern und Händlern. Verbraucherpreise werden überwachbar und auch der traditionell schwierige Rückschluss auf entsprechende Großhandelspreise rückt durch elektronische Datenverarbeitung und -Übermittlung in den Bereich des Möglichen. Diese Erkenntnis muss besonders im Rahmen der Theorien zur Preisbindung berücksichtigt werden, die sich mit Kollusion aufgrund der Erkennbarkeit des Verhaltens der Wettbewerber beschäftigen. b) Relevanz des Trittbrettfahrerproblems Trotz der Eingängigkeit der Free-Rider-Theorien und ihres Stellenwerts im Rahmen der Debatte um vertikale Preisbindung konnte bis heute nie zweifelsfrei geklärt werden, wie virulent das Trittbrettfahrerproblem gesamtwirtschaftlich überhaupt ist. So gibt es für weite Teile des Konsumgüterbereichs, insbesondere bei solchen mit hoher Umschlagszahl nur vergleichsweise weDer Handel über Staaten- bzw. Landesgrenzen eröffnet entsprechende Anwendungsbereiche von Sherman Act (interstate commerce clause) und europäischen Wettbewerbsrechts (Zwischenstaatlichkeitsklausel). 106

B. Die positiven Wirkungen von Preisbindungen der zweiten Hand

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nige Produkte, die einen erhöhten Pre-Sales-Service erfordern, der echtes Trittbrettfahren ermöglicht. Eine geringe Relevanz des Trittbrettfahrerproblems aufgrund einer geringen Anzahl von potenziell gefährdeten Produktgruppen stünde in keiner Relation zur Quantität der Produkte, für die Preisbindungen zur Verhinderung von Trittbrettfahren beobachtet bzw. angestrebt wurden.107 Aber welche Produkte bzw. Dienstleistungen bieten Angriffsfläche für Trittbrettfahrer? Das dargestellte Trittbrettfahrerproblem betrifft nur Produkte bzw. Produktgruppen mit bestimmten Eigenschaften im Handel, für die überhaupt ein gewisser Servicebedarf bestehen muss.108 Die assoziierten Serviceleistungen müssen darüber hinaus differenziert betrachtet werden: relevant sind für Freeriding nur sog. „produktspezifische“ Serviceleistungen.109 Oft werden für das Trittbrettfahren hingegen Leistungen des Einzelhandels angeführt, die aus Sicht des Produktherstellers keine anrechenbaren Leistungen darstellen, die er über eine Preisbindung vergüten wollen würde. Sortimentswarenhändler mit Mehr-Marken-Spektrum bieten im Stationärhandel greifbare Annehmlichkeiten wie Ladenöffnungszeiten, stilvolle Gestaltung des Ladenlokals, effiziente und freundliche Bedienung, Akzeptanz von Kreditkarten, besondere Kulanz und Umtauschmöglichkeiten, Geschenkverpackungsservice etc. und konkurrieren hierüber zweifellos um Kunden. 110 Derartige Leistungen sind aber nicht anfällig für ein Freeriding im Sinne der Service-Theorie, weil Kunden schlichtweg von diesen zwar fühlbaren, aber örtlich begrenzten Dienstleistungen nicht profitieren und zugleich Kundschaft eines anderen Händlers werden können.111 Die hier umschriebenen Services sind am ehesten als kundenspezifische Services zu beschreiben, weil sie sich nicht an den Produkten, sondern an unterschiedlichen Kundengruppen, mit charakteristischen, differenzierbaren Geschmäckern ausrichten.112 Die meisten Konsumgüter verlangen aber im Verkauf keinen speziellen Pre-Sales-Service, der eine Angriffsfläche für Freeriding böte.113 In den USA der 1980er-Jahre unterlagen u. a. abgepackte Süßwaren, Tierfutter, Jeans, Vitaminpräparate, Haarshampoo, 107 Lao, 55 Antitrust Bull. 2010, 473, 487; Telser war dahingehend krit., 3 J. L. & Econ. 1960, 86, 95. 108 Angesichts der Möglichkeit landesweiter herstellergetragener Werbung müsste eine Preisbindung für bekannte Produkte obsolet werden. Weil sich eine nachlassende Affinität allerdings nicht feststellen ließ, suchte Telser weitere Erklärungen für eine herstellerinduzierte Preisbindung, Telser, 3 J. L. & Econ. 1960, 86, 95. 109 Telser, 3 J. L. & Econ. 1960, 86, 89 ff. 110 Paldor, Rethinking RPM (2007), 148. 111 Lao, 55 Antitrust Bull. 2010, 487; zur Qualitätszertifizierung 1. Teil B.I.3.c). 112 Telser, 3 J. L. & Econ. 1960, 86, 89–90; Paldor, Rethinking RPM (2007), 148; beispielsweise ziehen sog. High-Touch-Händler, also solche mit Filialsystem Kunden mit besonderer Zahlungsbereitschaft für komfortable Einkaufserlebnisse an. 113 Lao, 55 Antitrust Bull. 2010, 487.

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1. Teil: Ökonomische Analyse der Preisbindung zweiter Hand

Strickpullover und Herrenunterwäsche der Preisbindung, mithin Produkte, die keinerlei ausgereiften produktspezifischen Service verlangen.114 Die Theorie ist ebenfalls nur begrenzt auf Falle einmalig serviceintensiver Produkte anwendbar.115 Die Bereitstellungskosten für Beratungsservices solcher Produkte sind auf den Einzelverkauf gerechnet oftmals verschwindend gering und amortisieren sich über Wiederholungskäufe. Verbunden mit Kundenbindungseffekten, die im Eigeninteresse des Händlers liegen, besteht bereits eine ausreichende Motivation für solch eine Anfangsberatung, weshalb auch diese Fälle keine preisbindungsgesicherten Margen für beratende Händler notwendig machen. Nicht anwendbar sind Free-Rider-Theorien auch auf sog. Post-SalesServices, weil diese keine horizontalen Externalitäten schaffen.116 Kostenlose Verpackung, komfortable Zahlungsmodalitäten, Lieferung, Garantien und großzügige Umtauschpolitik richten sich nur an tatsächliche Kunden, sind also nicht relevant für ein Trittbrettfahren.117 Solche wahrgenommenen Leistungen können unproblematisch dem Kunden berechnet werden, der sie in Anspruch nimmt und der Handel berechnet Serviceleistungen im After-SalesBereich zunehmend als separat buchbare Leistungen.118 Insgesamt stellt sich das Problem des Trittbrettfahrens also nur bei flüchtigen Dienstleistungen, die nicht an den Bezug des Produkts gekoppelt werden können. Dazu gehören in erster Linie neue Produkte (u. U. bereits bekannter Markenhersteller), die einen geringen Bekanntheitsgrad haben oder besonders aufwendige Features aufweisen, in verschiedensten Ausführungen erhältlich sind und bzw. oder besondere Bedienungs- und Kompatibilitätsanforderungen stellen. Es handelt sich also letztlich fast ausschließlich um die kaufvorbereitende Beratung bei technisch anspruchsvollen Produkten (z. B. Foto- und Videogeräte; Unterhaltungselektronik; hochwertige Spezialanfertigungen), die sporadisch gekauft werden und hohe Anschaffungs- und oder Betriebskosten verursachen. Auf dieser Argumentationsstufe eröffnet oder verengt das Internet den Anwendungsbereich der Service-Theorie im Übrigen nicht – die Existenz eines produktspezifischen Serviceangebots als Objekt für ökonomisch nachteilhaftes Trittbrettfahren bleibt nach wie vor GrundvoraussetPitofsky, 8 Regulation 1984, 27 ff.; ders., 21 Antitrust 2006–2007, 61, 63. Auch in Veröffentlichungen, die für eine Aufweichung des Preisbindungsverbotes streiten, z. B. Schwalbe, in: Ahlert et al., Vertikale Preis und Markenpflege (2012), 156, 161. 116 Paldor, Rethinking RPM (2007), 149; a. A. z. B. Möschel, Vertikale Preisbindung, in: Kartellrecht in Theorie und Praxis, 345. 117 Paldor, Rethinking RPM (2007), 149. 118 Der Elektroniksektor, insb. der Vertrieb von PCs, hält mit Angeboten wie erweiterter Garantieleistung über gesetzliche Mindestdauer hinaus oder User-Trainings, telefonischer Kundenservice, weltweiter Reparaturservice etc. gute Beispiele für differenzierte, kostenpflichtige After-Sales-Services bereit. 114 115

B. Die positiven Wirkungen von Preisbindungen der zweiten Hand

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zung. Die bereits als frühestes Argument gegen die Free-Rider-Hypothese bestehende Erkenntnis, dass in dieser Hinsicht überraschend wenig Produkte bzw. Serviceangebote betroffen sind, hat insofern nichts an Richtigkeit eingebüßt.119 Die Relevanz des Trittbrettfahrszenarios ist also deutlich beschränkter, als die Publikationsmenge zum Thema vermuten lässt. c) Relevanz der Qualitätszertifikation im Internet Die Relevanz der Qualitätszertifikation ist weitaus geringer. Freeriding auf Qualitätssignale ist ausschließlich bei innovativen Produkten unbekannter Marken mit signifikanten Stil- oder Qualitätsmerkmalen denkbar, die noch dazu sporadisch, aber nicht wiederholt gekauft werden.120 Sobald Kunden das Produkt aus vorherigen Käufen oder eigener Recherche kennen, bedarf es keiner weiteren Zertifizierung durch den Händler mehr.121 Dass der Hersteller ein Interesse daran hat, sein Produkt dauerhaft einem gewissen Qualitätssegment zuzuordnen, wird dabei nicht geleugnet, aber das Argument ist im Rahmen der Qualitätszertifizierung unstatthaft. Ein berechtigtes Anliegen der dauerhaften Qualitätssicherung kann nicht nur besser, sondern ausschließlich im Wege des selektiven Vertriebs erreicht werden. Die bereits angesprochenen Effekte des Internets lassen die Notwendigkeit preisbindungsgeförderter Qualitätszertifizierung weiter schwinden, denn es ist unzweifelhaft das Internet, das die Werthaltigkeit von unabhängig zusammengestellter Information über ein Produkt und die Eröffnung eines Vertriebsweges inkorporiert wie kein anderer Vertriebsweg zuvor.122 Das Internet ist mittlerweile erster Anlaufpunkt für Qualitätsbewertungen und -signale und es stützt sich nicht nur auf Kundenrezensionen und Erfahrungsberichte, deren Seriosität nicht immer zweifelsfrei erkennbar ist. Im Zusammenspiel mit professionellen Produkttests, Informationen aus Verbraucherportalen oder allgemeinen Informationen können sich Kunden oft ein objektiveres Bild zu ihrem persönlichen Bedarf machen als allein im Fachhandel. Noch deutlicher wird es für den Mode- und Bekleidungssektor im Luxusbereich. Trends und Prestigeprodukte identifiziert der Verbraucher schon immer stark – wenn nicht sogar primär – über Print- und Telemedien. Das Internet ergänzt dies mit einer Vielzahl von Sortiermechanismen: das Angebot reicht über Modeblogs, Online-Magazine bis hin zu herstellereigenen Websites. Daher identifizieren Kunden einen Qualitätshändler anhand seines Sortiments als solchen und nicht mehr ein Qualitätsprodukt anhand des vertreibenden Händlers. Damit dürfte für eine Preisbindung zur Qualitätszertifikation im Internetzeitalter kaum ein Anwendungsbereich (mehr) bleiben. 119 120 121 122

Paldor, Rethinking RPM (2007), 148; Telser, 3 J. L. & Econ. 1960, 86, 95. Marvel / McCafferty, 15 RAND J. Econ. 1984, 358. Schwalbe, WuW 2011, 1197, 1201. Lao, 55 Antitrust Bull. 2010, 476, 488.

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1. Teil: Ökonomische Analyse der Preisbindung zweiter Hand

Trotz der erodierenden Customer-Agent-Funktion des Handels argumentieren Preisbindungsbefürworter nach wie vor, dass die Interessenasymmetrie zwischen Hersteller und Händler eine Preisbindung notwendig mache, um die Mitwirkung des Handels zumindest bei der Einführung innovativer Produkte sicherzustellen. Dass bei der hier beschriebenen Qualitätszertifizierung vor allem aus der Sicht des Handels vielmehr die Gewinnmaximierung im Vordergrund steht, wird bei näherer Betrachtung der beschriebenen Interessenasymmetrie deutlich.123 Der beste Händler aus dem High-Quality-Segment generiert für den Hersteller mit seiner Entscheidung, das Produkt zu vertreiben zwar Verkaufszahlen, ihm selbst ist es aber häufig egal, welches Herstellerprodukt aus einem bestimmten Segment er verkauft. Somit ist der Handel mit der Drohung, ein Produkt des Herstellers nicht in das Sortiment aufzunehmen, besonders verhandlungsstark.124 Gleichzeitig möchte der Hersteller viele Produkte absetzen, weshalb moderate Handelsmargen für ihn wichtig sind. Höhere Handelsmargen ziehen jedoch mehr High-Touch-Händler mit größeren Verkaufsbemühungen an, die die Umsatzzahlen oft in ausreichendem Maße erhöhen können.125 Dieses Portfolio führt zu einer starken Attraktivität der Preisbindung auch für den Hersteller. Das Instrument des selektiven Vertriebs ist für den Hersteller aus Gesichtspunkten der Gewinnmaximierung nicht gleich geeignet. Zwar kann der Hersteller durch selektiven Vertrieb die Durchschnittsqualität der Händler verbessern, allerdings limitiert der Hersteller auch die Zahl der Verkaufsstellen des Produkts, beschränkt also potenziell den Absatz und erfordert ein komplizierteres Vertriebsmonitoring.126 Mit der Preisbindung „erkauft“ sich der Hersteller also zum günstigen Preis des leichten Nachfragerückgangs eine Produktzertifizierung, die es unter Umständen schafft, den Nachfragerückgang zu amortisieren, anstelle den potenziellen Absatzmarkt insgesamt zu beschneiden.127 In Anerkennung dieser Interessenlage ist eine Preisbindung gesamtwirtschaftlich trotzdem nicht zu rechtfertigen, weil die Argumentation die Tätigkeit des Handels verkennt. Marktteilnehmer sollen das Risiko ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit selbst tragen, damit sie bestrebt sind, möglichst effizient zu arbeiten. Zeitvorteile bei der Einführung eines Produktes sollten an sich genug Anreiz für den Handel darstellen. Die Zusicherung einer dauerhaften Lukrativität bewirkt eine Produktselektion anhand der für den Händler besten (preisbindungsgesicherten) Marge, nicht jedoch anhand der Qualität oder Innovativität. Sobald Hersteller von konkurrierenden Produkten im Vertrieb ebenfalls auf Preisbindungsvereinbarungen zurückgreifen und sich diese Praxis im Markt kumuMarvel / McCafferty, 15 RAND J. Econ. 1984, 346, 349. Marvel / McCafferty, 15 RAND J. Econ. 1984, 346, 351. 125 Marvel / McCafferty, 15 RAND J. Econ. 1984, 346 ff. 126 Davon abgesehen kommt ein selektiver Vertrieb für viele Produkte von vorneherein nicht infrage, weil es sich letztlich nicht um ausreichend luxuriöse Produkte handelt. 127 Marvel / McCafferty, 15 RAND J. Econ. 1984, 346, 354. 123 124

B. Die positiven Wirkungen von Preisbindungen der zweiten Hand

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liert, heben sich die Preisbindungsanreize der verschiedenen Anbieter gegenseitig auf. Die Folge ist ein Anstieg im Preisniveau, der jedoch ohne Vertriebsoptimierung nicht zu rechtfertigen ist. Die Preisbindung zur Qualitätszertifizierung ist daher aus Hersteller- und Händlersicht zwar ein nachvollziehbar attraktives, unter wettbewerblichen Gesichtspunkten aber kein notwendiges Instrument. Wie schon bei der Argumentation für die Preisbindung zur Verhinderung des Trittbrettfahrens, bestehen bei der Qualitätszertifizierung und bei der Sicherstellung eines einfachen Markteintritts Alternativen. Besteht für ein bestimmtes Produkt ein hinreichender Bedarf, so bleibt es dem Hersteller unbenommen die Qualität des Vertriebs im Rahmen eines selektiven Vertriebssystems zu überwachen. 128 In Fällen, in denen ein tatsächlicher Bedarf an bestimmbaren Service- und Beratungsniveaus besteht, kann und muss sich der Hersteller um den Aufbau eines selektiven Vertriebs bemühen, was bei hochtechnischen Produkten den selektiven Vertrieb oder die Eigenvermarktung erfordern mag. Zwar ist eine Beschneidung der Verkaufsstellen tatsächlich ebenfalls eine Wettbewerbsbeschränkung, die jedoch aufgrund ihrer nicht abwälzbaren Nachteiligkeit für den Hersteller disziplinierende Wirkung hinsichtlich ihrer Einführung entfaltet. d) Eignung der Preisbindung zur Serviceimplementierung und zur Verhinderung des Trittbrettfahrens Unterstellt wurde bislang die generelle Eignung der Preisbindung zur Verhinderung des Trittbrettfahrens und zur Verbesserung von Pre-Sales-Beratungsleistungen, die jedoch keineswegs klar besteht. Eine Preisbindung allein ändert allenfalls das Anreizumfeld, bewirkt aber selbst nicht, dass die gesicherte Marge auch tatsächlich in Serviceleistungen investiert wird. Vor diesem Trugschluss warnte bereits Telser selbst.129 Eine zugrunde liegende FreeRider-Situation wird durch die Ausschaltung des Intrabrand-Preiswettbewerbs nicht vollständig eliminiert, sondern es verbleiben weitere Möglichkeiten der Händler, sich nichtpreislichen Wettbewerb zu liefern. Die Preisbindung kann Händler in der Tat mit Mitteln versorgen, sie aber nicht dazu zwingen, diese in bessere Werbung oder besseren Pre-Sales-Service zu reinvestieren.130 Solange produktspezifische Beratung kein Wettbewerbsparameter ist, der in jedem Fall Kaufvoraussetzung ist, verschiebt sich unter spieltheoretischen Erwägungen der Anreiz des Händlers eher dahin, die Marge einzubehalten und bezüglich des preisgebundenen Produktes von den PromoStatt vieler nur Lao, 55 Antitrust Bull. 2010, 476, 488; Paldor, Rethinking RPM (2007), 148; Schwalbe, WuW 2011, 1197, 1201. 129 Telser, 3 J. L. & Econ. 1960, 86, 93. 130 Peeperkorn, 4 ECJ 2008, 201, 209; dass RPM sich hinsichtlich etwaigen Trittbrettfahrens zur Serviceimplementierung eigne, wurde früh als widerlegt angesehen, s. z. B. Klein / Murphy, 31 J. L. & Econ. 1988, 265, 266. 128

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1. Teil: Ökonomische Analyse der Preisbindung zweiter Hand

tionsbemühungen anderer Händler zu profitieren. Für Mehrmarkenhändler bietet es sich daher eher an, Margengewinne nicht auf eine Verbesserung der produktspezifischen Services zu verwenden, sondern in den Ausbau ihrer Alleinstellungsmerkmale gegenüber anderen Händlern, also kundenspezifisch zu investieren. Attraktiv wird es unter diesen Gesichtspunkten, das Angebot komplementärer Eigenmarken zu quersubventionieren, zusätzliche Werbegeschenke oder Zubehör für den Kunden, kostenlose Lieferung oder Verpackung zu finanzieren.131 Eine derlei praktizierte Form von nichtpreislichem Wettbewerb müsste nicht einmal besonders effizient sein, sondern aus Händlersicht lediglich einigermaßen ausreichend von Kunden wertgeschätzt werden, dass ihre Durchführung keine zusätzlichen Kosten verursacht, die über die Gewinne aus der erhöhten Händlermarge hinausgehen.132 So wurde in der Fair-Trade-Ära, während der die Preisbindung in den USA legal praktiziert werden konnte, die Konterkarierung von RPM-Strategien zur Unterbindung des Freeridings durch nichtpreislichen Wettbewerb tatsächlich virulent.133 Es ist deshalb unwahrscheinlich, dass Preisbindungen in isolierter Form, d. h. ohne die vertragliche Regelung der Margenreinvestition in nichtpreisliche, produktspezifische Wettbewerbsparameter, die gewünschten Dienstleistungen überhaupt sicherstellen könnten.134 Hersteller, die einen bestimmten (Mindest-)  Service sicherstellen wollen, müssten diesen daher ohnehin durch Vertriebsvereinbarungen vertraglich spezifizieren und überwachen, was einen kontinuierlichen, aufwändigeren Austausch mit dem Händler erfordert. Unterstellt, dass der Hersteller ohne eigenen Vertrieb gar nicht autonom das ökonomisch optimale Verhältnis von Preis und Service wird bestimmen können, ist diese Abstimmung aber sinnvoll. Die besondere Kompetenz des Handels liegt gerade darin, Nachfragetrends und Kundenbedürfnisse zu erkennen und einen Sortiermechanismus für Kunden und Produkte bereitzustellen. Aus volkswirtschaftlicher Perspektive können auch Serviceangebote effizient oder ineffizient sein – die jeweilige Entscheidung für ein bestimmtes Serviceniveau richtet sich jedoch größtenteils an der Fokussierung auf bestimmte Kundengruppen aus, die zwischen Herstellern und Händlern divergiert.135 Die Geeignetheit der Preisbindung zur Sicherstellung eines effizienten Serviceniveaus ist deshalb nicht nur in Anbetracht der nicht eliminierten Trittbrettfahrer-Problematik höchst fraglich, sondern krankt aufgrund der Tatsache, dass der optimale Servicebedarf – schwerlich vom Händler und erst recht nicht vom Hersteller – abstrakt vorausgesagt werden kann. Somit ist es Schwalbe, WuW 2011, 1197, 1200; Klein / Murphy, 31 J. L. & Econ. 1988, 265, 266. Paldor, Rethinking RPM (2007), 151. 133 Fallbeispiel Illinois Corporate Travel, Inc. v. American Airlines Inc. and IVI Travel, Inc., 889 F2d. 751, 752 (1989); statt vieler nur Paldor, Rethinking RPM (2007), 153. 134 Paldor, Rethinking RPM (2007), 153. 135 Siehe 1. Teil B.II.2, 61; s. z. B. Marvel / McCafferty, 28 J. L. & Econ. 1985, 363, 370; m. w. N. Peeperkorn, 4 ECJ 2008, 201, 209; Winter, 108 Q. J. Econ. 1993, 61 ff. 131 132

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zusätzlich unwahrscheinlich, dass Anbieter hinsichtlich einer effizienten Kosten-Nutzen-Relation ex-ante den optimalen Service, geschweige denn den optimalen Preis für eine Preisbindung schätzen können. Ein ungefährer Preisrahmen lässt sich selbstverständlich unter Rückgriff auf bekannte Kosten und Preise von Konkurrenzprodukten ermitteln, darüber hinaus jedoch erscheint die Beurteilungshoheit des Herstellers nicht als zweckmäßig. In Bezug auf Qualitätsmerkmale wird nicht ernsthaft bestritten, dass der Wettbewerb ein Entdeckungsprozess ist, deshalb erstaunt es, dass hinsichtlich der Trittbrettfahrer-Problematik davon ausgegangen wird, ein festgelegter Preis würde immer automatisch das Serviceniveau optimieren.136 e) Kritik an der Free-Rider-Theorie unter Berücksichtigung der Auswirkungen von Internet und E-Commerce Mit der Frage nach den Auswirkungen des Internets als Informationsinstrument und als Vertriebsweg auf das Freeriding haben sich bis zuletzt relativ wenige Arbeiten intensiv beschäftigt.137 Zweifellos beeinflusst das Internet und der Internethandel die Informationslage und damit auch das Verhalten eines Großteils der Konsumenten grundlegend. Dabei wird mit unterschiedlicher Intensität häufig angenommen, das Internet begünstige das Trittbrettfahren maßgeblich, sodass es – je nach argumentativem Ausgangspunkt – stärker bzw. erstmalig tatsächlich relevant wird, und eine wettbewerbsrechtliche Reaktion erfordere. Wie ideologisch aufgeladen dieses Thema diskutiert wird, äußert sich darin, dass dieser Aspekt der Preisbindungsdiskussion nicht nur in die wissenschaftliche, sondern über zahlreiche Artikel in Presse und Branchenveröffentlichungen stark Eingang auch in die gesellschaftliche Debatte gefunden hat.138 Überwiegend wird insofern der Niedergang des Fachhandels im Preiskampf mit dem Internet proklamiert, dabei stützt sich diese Vermutung im Rahmen der neueren Preisbindungsdebatte auf zwei Annahmen hinsichtlich des Einflusses des Internethandels auf Trittbrettfahrer. Erstens mache das Internet Preise für Güter vergleichbarer und transparenter und beflügele deshalb den Preisdruck. Zweitens würde deshalb das Trittbrettfahren begünstigt139 wodurch vor allem Händler mit konventionellen Ladenlokalen auf-

Schwalbe, in: Ahlert et al., Vertikale Preis und Markenpflege (2012), 156 ff. Mit weiteren Nachweisen s. Lao, 55 Antitrust Bull. 2010, 473, 475; Carlton /  Chevalier, 49 J. Ind. Econ. 2001, 441 ff.; Nixa, 11 Vand. J. Ent. & Tech. L. 2008, 461 ff; im Leegin-Urteil wird nur im Sondervotum Bezug auf Internetaspekte genommen, Leegin Creative Leather Products, Inc. v. PSKS, Inc., 551 U.S. 877 (2007), 908–929 (Breyer, J. dissenting); krit. Note, 121 Harv. L. Rev. 2007, 1600 f., 1612–18. 138 Siehe nur Tietz, Totengräber des Fachhandels, Der Spiegel 25/2014. 139 Zum Beispiel Möschel, WuW 2010, 345; a. A. Lao, 55 Antitrust Bull. 2010, 473. 136 137

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1. Teil: Ökonomische Analyse der Preisbindung zweiter Hand

grund ihrer Kostenstruktur besonders geschädigt würden.140 Weil OnlineHändler Niedrigpreisstrategien bis zur aggressiven Verfolgung von OnlineDiscount-Geschäftsstrategien perfektionierten, drohe Händlern mit konventionellem Filialsystem sowohl hinsichtlich Serviceangeboten als auch der Qualitätssignal- oder Marktzutrittsaspekten ein Trittbrettfahren durch den Internethandel. In Bezug auf Produkte mit sensorischen Merkmalen, die der Kunde in aller Regel vor dem Kauf testen will, würde der Stationärhandel einseitig Opfer dieser Online-Geschäftsstrategien, weil übergehend davon ausgegangen wird, dass Kunden ihre Informationen und sensorischen Proben typischerweise im Ladenlokal sammeln, den Einkauf aber im Internet zu einem günstigeren Preis tätigten. Ohne Filialunterbau und personalintensiven Betrieb sei die Kostenstruktur der Online-Händler trotz Versandhandel vielfach konkurrenzlos günstig. Unterstellt man, dass sich die Kaufentscheidung hauptsächlich nach dem Preis eines Produktes richtet, wird das Trittbrettfahren in allem seinen Spielarten signifikant verstärkt. Um dem deshalb zunehmenden Trittbrettfahren entgegenzuwirken und weil Online-DiscountStrategien in ihrem übergebührlichen Preiskampf vom Preisbindungsverbot abhängig seien, sei die Preisbindung notwendig und angemessen.141 Zur Überprüfung dieser Befürchtungen müssen drei Argumentationsebenen differenziert werden. Zum Ersten: Erhöht das Internet tatsächlich das Risiko für das Aufkommen wirtschaftlichen Trittbrettfahrens, indem es entweder die Quantität von Trittbrettfahrer-Konstellationen oder die wirtschaftliche Qualität des Trittbrettfahrens signifikant beeinflusst? Zum Zweiten: Findet das Trittbrettfahren tatsächlich einseitig zu Lasten einzelner Vertriebswege statt? Drittens: Droht deshalb eine Form von Marktversagen, dem regulatorisch oder privatrechtlich entgegenzuwirken ist? Zur Beantwortung dieser Fragen lohnt ein genauerer Blick auf den Internethandel. aa) Preisdispersion im Internet und Informationsgrad für Kaufentscheidungen Der Preis eines Produktes ist wie eingangs beschrieben in der Handelsrealität nur einer von mehreren Wettbewerbsparametern. Geschäftsstrategien konzentrieren sich daher auf die drei Kategorien Kosteneinsparung, Produktdifferenzierung und Konsumentenorientierung (z. B. durch Markenimage, Händlernetze und Kundenservice)142 unterteilt. Die meisten Kunden wählen ihr Produkt nicht nach dem absolut niedrigsten Preis, sondern suchen das Produkt mit dem für sie in der jeweiligen Situation optimalen Verhältnis zwiNote, 121 Harv. L. Rev. 2007, 1600 ff., 1615. Mit weiteren Nachweisen zu Vertretern dieser Meinung aber a. A. Lao, 55 Antitrust Bull. 2010, 473, 475, 482. 142 Note, 121 Harv. L. Rev. 2007, 1600, 1611 m. w. N. 140 141

B. Die positiven Wirkungen von Preisbindungen der zweiten Hand

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schen Preis und weiteren Eigenschaften aus.143 Wenn die Händler eines Produktes sich aber einen übergebührlichen Intrabrand-Preiswettbewerb liefern und die anderen Kriterien der Distribution vernachlässigen, muss der Hersteller nach dem traditionellen Verständnis dieser Marketingtheorien Verluste beim Absatz befürchten. Durch den Internethandel würde der Fokus der Kunden gerade auf den Bezugspreis von Produkten verlagert. Homogene bzw. aufgrund von Produktangaben im Internet als solche erscheinende Produkte würden daher ausschließlich über den Preis konkurrieren. Die Existenz einer besonderen Schnäppchenmentalität einer oder mehrerer Kundengruppen manifestiere sich zudem in einem großen Angebot spezieller Suchmaschinen für Internet-Preisvergleiche. Doch droht im Internet tatsächlich ein übermäßiger Preiswettbewerb und damit Preisverfall? Das Internet verändert tatsächlich das Wirkungsfeld des Preiswettbewerbs. Kunden können Preisinformationen verschiedener Anbieter gezielt und ohne nennenswerte Kosten vergleichen. Entstanden sind nicht nur diverse Internetseiten mit Diensten zum Produktvergleich – Vergleichsportale, Tarifrechner oder Aggregatoren genannt144 – sondern häufig wird auch die IntrabrandSuche angeboten, also ein Vergleich, der die günstigste Bezugsquelle für ein und dasselbe (Marken-) Produkt ermittelt. Die umfangreiche Übertragung solcher Dienste auf Smartphone/Tablet-Applikationen, macht solche Dienste auch mobil nutzbar und bedient sich der Nutzung von EAN-Strich- bzw. QRCodes. Die Entwicklung solcher Angebote revolutioniert tatsächlich die Möglichkeiten im Vorwege einer Kaufentscheidung, indem zuvor hohen Suchkosten reduziert wurden.145 Es verbietet sich aber daraus zu schließen, dass alle anderen Wettbewerbsparameter eliminiert würden.146 Empirisch konnte bisher nur belegt werden, dass im Internet bei verschiedenen, beispielhaft untersuchten Produkten weiterhin eine breite Preisstreuung besteht.147 Würde das 143 Eigenschaften seien hier weit verstanden als sämtliche Umstände, die für ein Trittbrettfahren relevant sind. 144 Fiebig, WuW 2013, 812, 813; populäre Produkt- und Dienstleistungsgruppen für Preisvergleiche sind Flüge, Mietwagen, Bankdienstleistungen, Versicherungen, Reiseleistungen, Elektronikartikel etc.; Preisvergleichsangebote finden sich u. a. unter billiger.de, ciao.de, check24.de, günstiger.de, idealo.de, preis24.de, preisvergleich.de etc. 145 Haucap / Klein, in: Ahlert et al., Vertikale Preis und Markenpflege (2012), 179 führten 2012 noch an, dass die Preisbindung insofern effizient sei, als sie einheitliche Endkundenpreise schaffe und somit die Suchkosten für Konsumenten eliminiere. 146 Note, 121 Harv. L. Rev. 2007, 1600, 1612 m. w. N. 147 Carlton / Chevalier, 49 J. Ind. Econ. 2001, 441 ff., 452; m. w. N. Note, 121 Harv. L. Rev. 2007, 1600, 1613; für eine Ergänzung der Ergebnisse stützen eigene Produktsuchen für diverse Konsum- und Elektronikartikel diesen Eindruck. So ergaben sich beispielsweise: DSLR-Kamera im mittleren Preissegment (Gehäuse) „Pentax K II“ = 27 Angebote EUR 784,00–EUR 999,00 auf guenstiger.de; Nagellack „OPI Classics Nail Lacquer Lincoln Park After Dark (15 ml)“ = 7 Angebote EUR 10,90–EUR 16,00 auf idealo.de; Kaf-

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1. Teil: Ökonomische Analyse der Preisbindung zweiter Hand

Internet tatsächlich vor allem einen übergroßen Preisdruck erzeugen, müsste eher eine Konvergenz der Angebotspreise zu beobachten sein. Dies ist jedoch auch im mittlerweile etablierten und weiter wachsenden Online-Sektor nicht zu erkennen und spricht dafür, dass die Mehrheit der Online-Kunden ihre Kaufentscheidung – entgegen der weit verbreiteten Annahme – nicht ausschließlich anhand des Preises vornimmt.148 Im Online-Handel treten vielmehr andere Kriterien neben den Kaufpreis die im Stationärhandel kaum relevant werden. Entscheidende Kriterien im Internet sind insbesondere das Vertrauen in die Seriosität des Händlers.149 Hinzu treten Modalitäten des Versandhandels (Versandart und Versicherung der bestellten Ware; Kosten für Versand und ggf. Rückversand), akzeptierter Zahlungsmittel (Lieferung auf Rechnung, Akzeptanz von Kreditkarten, Zahlung im Wege des PaymentProcessing150 oder das Angebot von Ratenzahlung, jeweils mit oder ohne Aufpreis für die verschiedenen Abwicklungsmethoden). Der Erfolg des elektronischen Handels hat in dieser Hinsicht eine Fülle von Entwicklungen hervorgerufen, die darauf hinauslaufen, Zahlungsabwicklungsprozesse zu optimieren. Daneben sind Umtauschmodalitäten des Händlers und Kulanz hinsichtlich der Minimalvoraussetzungen durch Verbraucherschutzregelungen harmonisiert. Darüber hinaus unterscheiden sich die Angebote verschiedener Online-Konzepte in Discount- oder Premium-Shops. Das Internet wird als radikaler Discounter also überschätzt. Nichtsdestoweniger werden Online-Kunden – soweit man diesbezüglich on einer eigenständigen Kundengruppe überhaupt sprechen kann – als besonders preissensibel eingestuft.151 Nicht von der Hand zu weisen ist auch, dass die Kostenstrukturen reiner Internethändler niedriger sind, als bei reinen Stationärhändlern oder Händlern, die neben anderen Vertriebswegen auch eine physische Präsenz unterhalten. Die Fixkosten von Online-Händlern schwanken aufgrund einer dünneren Personalstruktur und Unterhaltung von Ladenlokalen sowie dadurch verringertem Verwaltungsaufwand im Allgemeinen kaum.152 Solche Vorteile können reine Internethändler über Preisvorteile an ihre Kunden weitergeben. Die erhebliche Transaktionskostensenkung für Selbstinformation und Vergleiche der Verbraucher wurde bereits angesprochen, bezieht sich aber nicht nur auf den Preis sondern vor allem auch auf andere Produkteigenschaften, wie Anwendungsbereich, Material, Inhaltsstoffe, Größen und Mengenangaben, Qualität usw. Als Pendant zu Preisvergleichsangeboten sind online unfeemaschine (Kapseln) „Krups Nespresso Maestria XN 8006“ = 21 Angebote EUR 295,55–EUR 474,22 auf billiger.de; alle abgerufen am 3.10.2013. 148 Mit weiteren Nachweisen Note, 121 Harv. L. Rev. 2007, 1600, 1613. 149 Note, 121 Harv. L. Rev. 2007, 1600 ff. 150 Online-Bezahlsysteme wie PayPal, Amazon Payments, Skrill, ClickandBuy u. a. 151 Chevalier / Goolsbee, QME 2003, 203, 220. 152 Carlton / Chevalier, 49 J. Ind. Econ. 2001, 443.

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zählige Angebote entstanden, die den Erfahrungsaustausch im Internet moderieren und ausschließlich darauf ausgerichtet sind, Kundenrezensionen, also Erfahrungsberichte aufzunehmen und gefiltert zusammenzustellen.153 Auch elektronische Marktplätze wie Amazon.com oder eBay.com arbeiten stark mit Kundenrezensionen, an denen sich Verbraucher orientieren. Die Informationen in Produktbewertungen anderer Kunden, die im Einzelnen nicht korrekt sein müssen, schaffen gebündelt oft ein relativ realistisches Vorstellungsbild des Kunden zu einem Produkt, sodass Verbraucher weniger auf Pre-SalesProduktberatung im Ladenlokal angewiesen sind. Zwar werden Preise im Intrabrand- und Interbrandumfeld einerseits vergleichbar. Andererseits wächst im Vorfeld einer Bezugsentscheidung die Möglichkeit, subjektive Bedürfnislagen und dazu passende Angebote zu ermitteln. Händler und Hersteller sind mit besser informierten Kunden konfrontiert und im Falle schwankender Produktqualität oder schlechtem Kunden- und Reklamationsmanagement öffentlichem Druck im Netz auf Verbraucherportalen oder in sozialen Netzwerken ausgesetzt. Das Internet ist also maßgeblich daran beteiligt. Informationsasymmetrien zwischen Hersteller und Kunden abzubauen und ist Gegensatz zur Beratung im Direktvertrieb oder im Fachhandel weniger stark durch Händler und Hersteller beeinflussbar. Bei einem höheren Informationsgrad beim Kunden ist der Stationärhandel in seiner Beratungsfunktion andererseits weniger stark gefordert, profitiert also potentiell von der Informationsleistung des Internets. bb) Die Quantität der Free-Rider-Situationen im Multi-Channel-Umfeld Alle Free-Rider-Erklärungen für die Preisbindung, sowie die Service-Argumente, die sich auf Qualitätszertifizierung, Nachfragesteigerung durch Beratung erstrecken, spezifizieren Situationen, in denen Hersteller ihre Produkte – plan- oder unplanmäßig – über mehr als einen Vertriebskanal vertreiben (lassen). Grundvoraussetzung für Trittbrettfahren ist also, dass Konsumenten ihren Produktbezug über einen Vertriebsweg anbahnen, aber an einem anderen abschließen können.154 Anstelle für jeden konkurrierenden Vertriebskanal die Relevanz und Verhinderung des Trittbrettfahrerproblems zu diskutieren, sollte der Blick abstrakt auf zunehmend mehrkanaligen Vertriebsstruktur gerichtet werden, um Verhältnis zwischen Online-Handel und Stationärhandel besser zu beleuchten. In der Marketingliteratur wird die Auswirkung des Internets als aktuell am größten wachsenden Vertriebskanal auf Kunden und das vorherrschende Konsumentenverhalten unter dem Stichwort „Multi-Channel-Shopping“ besprochenen, um Strategien für eine optimale „Multi-Channel-Distribution“ zu erarbeiten. Unternehmen suchen seit Jahren nach Wegen, Kunden in einem 153 154

Bspw. ciao.de, qype.de, geoflag.de. Gundlach / Cannon / Manning, 55 Antitrust Bull. 2010, 381, 388.

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1. Teil: Ökonomische Analyse der Preisbindung zweiter Hand

sich verändernden Vertriebsumfeld besser zu binden. Zwar sind Studien aus diesem Arbeitsbereich anders motiviert, als die hier betriebene Untersuchung zur Preisbindung, trotzdem geben sie indirekt Aufschluss auch über die Preisbindung im Zusammenhang mit Free-Rider-Argumenten. Deshalb werden im Folgenden Ergebnisse aus der Konsumforschung mit den Theorien um pro-kompetitive Funktionen der Preisbindung abgeglichen. Das Nebeneinander verschiedener Vertriebswege ist kein neues Phänomen, das erstmalig den Raum für Trittbrettfahrer erweitern würde.155 Die Neuerung durch das Internet betrifft nur die extreme Senkung der Transaktionskosten für den Wechsel zwischen einzelnen Vertriebskanälen durch zeit- und ortsunabhängige Informations- und Kommunikationsmöglichkeiten, sodass sich ein Preisvergleich nicht nur für extrem teure Produkte lohnt.156 Viele Konsumenten bevorzugen weiterhin einen bestimmten Vertriebskanal, allerdings sind Konsumenten in ihrem Einkaufsverhalten zunehmend flexibel, weshalb sich der Begriff des Multi-Channel-Shoppers bzw. des Multi-Channel-Konsumenten etabliert.157 Der typische Multi-Channel-Shopper bildet sich eine Meinung zu seiner Produktpräferenz und dem besten Angebot durch den Vergleich verschiedener Bezugsquellen.158 Zur Quantifizierung dieses Research Shoppings finden sich durchaus unterschiedliche Angaben, die aber allesamt auf signifikante Konsumentenzahlen verweisen. Eine Studie in der holländischen Reisebranche kommt zu dem Ergebnis, dass sich ca. 30 % der Konsumenten als Research-Shopper betätigen; für differenzierte Produktkategorien fanden sich 2007 bei 56 % der Kunden im Verlauf einer Kaufentscheidung mindestens einen Wechsel zwischen den Vertriebskanälen.159 Dieser Entwicklungstrend zu mehr Flexibilität wird unabhängig von nationalen Märkten beobachtet.160 Wenngleich sich die grundsätzliche Anfälligkeit der Produkt- und Servicearten für das Trittbrettfahren nicht verändert, eröffnet das Internet mit der Katalog-Versandhandel und Teleshopping seien hier als Beispiele genannt. van Baal / Dach, 19 J. Interact. Mark. 2005; Zhang et al., Crafting Integrated Multichannel Retailing Strategies 2009, 22; Gundlach / Cannon / Manning, 55 Antitrust Bull. 2010, 381, 392 m. w. N. über Studien zum Phänomen des sog. Multi-Channel-Shoppers; Lao, 55 Antitrust Bull. 2010, 473, 488 mit einem Beispiel zu dekorativer Kosmetik. 157 Zhang et al., Crafting Integrated Multichannel Retailing Strategies 2009, 4, definiert multichannel-shoppers als Konsumenten, die mehrere Kanäle während ein und desselben Kaufprozesses nutzen und eben nicht Konsumenten, die lediglich verschiedene Käufe über verschiedene Kanäle betreiben; in diesem für das Freeriding einzig relevanten Sinne wird dieser Begriff hier ebenfalls verwendet. 158 Sog. research shopper phenomenon, s. Gundlach / Cannon / Manning, 55 Antitrust Bull. 2010, 381, 393. 159 Siehe m.w.N. zu niederländischer Studie Verhoef / Neslin / Vroomen, 24 Int’l J. Res. Marketing 2007, 129, 129 und Deloitte, Annual Holiday Survey, Online and Multichannel Shopping (2008), s. nur Gundlach / Cannon / Manning, 55 Antitrust Bull. 2010, 381, 394. 160 Gundlach / Manning / Cannon, 1 AMS Rev. 2011, 18 ff., 22 m. w. N. 155 156

B. Die positiven Wirkungen von Preisbindungen der zweiten Hand

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Ermöglichung des Vertriebskanalwechsels innerhalb einer einzigen Bezugsentscheidung tatsächlich mehr Raum für wirtschaftliches Trittbrettfahren. Allerdings ist auch hier der Erkenntnisgewinn begrenzt: es liegt nahe, dass das Trittbrettfahrerproblem ohne diesen Katalysator weitaus weniger relevant war, als ohnehin angenommen.161 Nichtsdestoweniger ist der signifikante Abgang von Konsumenten aus dem Stationärhandel zum Internethandel – wenngleich auch erstmalig – zunächst eine berechtigte Befürchtung, der im Folgenden nachgegangen wird. Konkret ist also gefragt, ob es im Rahmen des Multi-Channeling zu einem Marktversagen kommt, dass sich dadurch äußert, dass ein oder mehrere Vertriebswege, namentlich der Stationärhändel, hinsichtlich des Kundenabflusses strukturell benachteiligt wird. cc) Die Vorbereitungsfunktion des Stationärhandels Die entscheidende Frage ist also, ob Kunden ihre Flexibilität dahingehend ausüben, dass sie Beratungsservice im Stationärhandel nutzen, im Internethandel aber zu günstigeren Preisen einkaufen. Die Feststellung einer gewissen Einseitigkeit des Umsatzabflusses vorausgesetzt, ließe sich ein Einschreiten über die Preisbindung rechtfertigen. Nicht zu dieser isolierten Frage, wohl aber zum Channel-Shopping insgesamt sind seit den Jahren 2007/2008 mehrere USStudien publiziert worden, die das Einkaufsverhalten beleuchten.162 Exemplarisch wird auch eine deutsche Studie aus dem Jahr 2010 herangezogen, die das Thema des Multi-Channel-Handels in Deutschland für Non-Food-Produkte.163 Der Umsatz im E-Commerce hat sich in den Jahren 2003–2009 in diesem Bereich fast verdreifacht.164 Die festgestellte Steigerung der Verkaufszahlen im ECommerce wird wohl tatsächlich auch durch den konventionellen Stationärhandel als „Kaufvorbereiter“ stimuliert. Bereits 2009 wurde der Anteil der Onlineumsätze, bei denen sich der Käufer zuvor im Stationärhandel informiert hatte, auf 35 % des gesamten Non-Food-E-Commerce-Umsatzes geschätzt, was einem Wertbeitrag von 5,4 Mrd. EUR entsprochen habe. Dabei wird in der Studie zusätzlich davon ausgegangen, dass der Onlineumsatz nicht bei demselben Händler gemacht wurde, bei dem sich der Kunde im Stationärhandel informiert hat, es sich somit um einen echten Umsatzabfluss handele.165 Ähnliche Gundlach / Cannon / Manning, 55 Antitrust Bull. 2010, 381, 397. Zum Beispiel IBM, Understanding Consumer Patterns and Preferences in MultiChannel Retailing, IBM Global Business Services White Paper 2008, 6. 163 Die Auswertungen von Studien unterschiedlicher nationaler Märkte kommen zu ähnlichen Ergebnissen, s. deshalb nur Accenture / GfK, Non-Food Multichannel-Handel 2015 (2010). 164 Accenture / GfK, Non-Food Multichannel-Handel 2015 (2010), 3; die Studie nennt einen Umsatzanstieg im Onlinehandel für Non-Food-Produkte von 5,8 Mrd. auf 15,5 Mrd. EUR, was einer durchschnittlichen Wachstumsrate von 18 %/Jahr entsprochen hätte. 165 Accenture / GfK, Non-Food Multichannel-Handel 2015 (2010), 3. 161 162

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1. Teil: Ökonomische Analyse der Preisbindung zweiter Hand

Befunde ergaben sich auch im amerikanischen Markt.166 Die Vorbereitungsfunktion durch Pre-Sales-Beratung greift vor allem dort, wo ein großes Risiko für eine ungünstige Kaufentscheidung besteht, also z. B. wenn sich eine Kaufentscheidung allein auf den Vergleich technischer Daten stützt, für die der Kunde kaum eigene Erfahrungswerte anbringen kann. Anfällig für diesen PreSales-Bereich sind daher klassische E-Commerce-Sortimente der Unterhaltungselektronik, insbesondere Fotokameras, Videogeräte etc., beschränken sich aber hierauf keinesfalls, als zunehmend auch Bekleidung und andere Artikel online erworben werden.167 Hinsichtlich der weitreichenden Test- und Rückgabemöglichkeiten und europaweit umfassender Sonderregelungen168 für den Verbrauchsgüterkauf bzw. den Versandhandel, kann die Angst vor einem Fehlkauf jedoch nicht die einzige Motivation der Konsumenten sein, sich im Stationärhandel vor dem Bestellvorgang zu informieren. Stattdessen bestehen weitere Faktoren, die den Kunden den Stationärhandel aufsuchen lassen. Vor allem das Einkaufserlebnis spiele weiterhin eine große Rolle für die Vorlieben von Kunden. Insbesondere im Bekleidungssektor, so bestätigt die Studie, möchten Kunden auf das Einkaufserlebnis nicht verzichten und gehen zur Anprobe ins Geschäft, um sich über ihre Präferenzen bewusst zu werden, suchen die gewünschte Ware aber später zum Kauf im Internet. Somit wirken im MultiChannel-Umfeld grundsätzlich die Bedingungen für ein mengenmäßig hinreichend relevantes Trittbrettfahren. Zumindest für bestimmte Produkte dürfte das Trittbrettfahren des Internethandels auf den Beratungsleistungen des Stationärhandels wenn nicht befördert, so doch erstmals geschaffen worden sein. dd) Die Informations- und Vorbereitungsfunktion des Internethandels Weniger augenscheinlich als die Opferrolle des Stationärhandels und in der Free-Rider-Debatte kaum besprochen ist jedoch der umgekehrte Effekt. Research-Shopping findet auch dahingehend statt, dass ein Produkt- und Preisvergleich im Internet den späteren Bezug im Ladengeschäft vorbereitet.169 Dieser Aspekt wird jedoch seltener bewusst zur Kenntnis genommen.170 Sogar Konsumenten, die ihre Produkte nicht im Online-Handel beziehen, recherchieren vor einem Kauf im Ladenlokal häufig im Internet zu Produktvan Baal / Dach, 19 J. Interact. Mark. 2005, 75 ff., 75 (81 f.); Note, 121 Harv. L. Rev. 2007, 1616, demzufolge 26,4 % der Online-Käufer vorher den Stationärhandel aufgesucht hätten, wobei nur 1,8 % der Käufe im Online-Angebot desselben Stationärhändlers stattfanden, der vorher besucht worden war. 167 Accenture / GfK, Non-Food Multichannel-Handel 2015 (2010), 3. 168 So zum Beispiel die Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Mai 1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter ABl. EG Nr. L 171 v. 7.7.1999, 0012–0016; in Deutschland in den §§ 447, 474 ff. BGB. 169 Gundlach / Cannon / Manning, 55 Antitrust Bull. 2010, 381, 394. 170 Lao, 55 Antitrust Bull. 2010, 473, 475; Note, 121 Harv. L. Rev. 2007, 1600, 1615. 166

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qualitäten und -Preisen.171 Dabei bewegt sich die Vorbereitung des Internets durchaus in einem quantifizierbaren Rahmen.172 Mehr als zwei Drittel aller amerikanischen Konsumenten verschafften sich 2007 vor dem Erwerb im konventionellen Ladenlokal im Internet Klarheit über ihre Produktpräferenzen. Der Internethandel wird insgesamt eher als Komplementär des In-StoreShopping-Erlebnisses aufgefasst, als als Substitut.173 Studien im MultiChannel-Bereich bezifferten den nach vorausgehenden Recherchen im Online-Angebot erzielten Umsatz im Stationärhandel 2009 auf 8,5 Mrd. EUR. Somit lag der Free-Rider-relevante Prozess des Research-Shoppings in Ladenlokalen sogar deutlich unter dem oben genannten Umsatzabfluss in die andere Richtung i. H. v. 5,4 Mrd. EUR.174 Neuere Schätzungen ergeben, dass ca. 20 % der Online-Einkäufe offline, aber dagegen etwas weniger – nur ca. 17 % – der Offline-Einkäufe durch eine Internetrecherche vorbereitet werden. Allerdings generiert das Internet als Kaufvorbereiter aufgrund des überragenden Gesamtumsatzes des Stationärhandels nominal einen elfmal höheren Umsatz im Stationärhandel als in umgekehrter Richtung.175 Die Schlussfolgerung, dass Internethändler einseitig von Leistungen des Stationärhandels profitieren, ist somit nicht haltbar. Einige Stimmen schließen aus dem signifikanten Beitrag zur Kundeninformation zusätzlich, dass die In-Store-Verkaufsanstrengungen der Berater durch die besser informierten Konsumenten weniger notwendig und bzw. oder effizienter würden.176 Dies wiederum kann die Kosten des Stationärhandels deutlich reduzieren, wohingegen der Internethandel im Gegensatz zum Stationärhandel keine solche Möglichkeit hat, materielle Vorteile durch Einsparungen zu ziehen.177 Andererseits belastet ihn die Nutzung der durch ihn bereitgestellten Informationen in der Regel auch nicht zusätzlich. ee) Bewertung Aus Perspektive der Konsumforschung ist also nicht das Wachstum der Online-Vertriebswege entscheidend, sondern wie sich das Einkaufsverhalten dahingehend verändert, dass es sich zunehmend als ein Informations- und Bezugsprozess entlang mehrerer Vertriebswege darstellt. Kunden sind flexibler Note, 121 Harv. L. Rev. 2007, 1614. Accenture / GfK, Non-Food Multichannel-Handel 2015 (2010), 4. 173 zuletzt abgerufen 17.2.2017. 174 Accenture / GfK, Non-Food Multichannel-Handel 2015 (2010), 4; amerikanische Studien zum Multi-Channel-Shopping: Johnson et al., 34 IJRDM 2006, 453 ff. 175 Mit Verweis auf Roland Berger Strategy Consultants / ECE Studie, Dem Kunden auf der Spur (2013), 5; BKartA, Hintergrundpapier Vertikale Beschränkungen in der Internetökonomie (2013). 176 Lao, 55 Antitrust Bull. 2010, 473, 476. 177 Gundlach / Cannon / Manning, 55 Antitrust Bull. 2010, 381, 397 f. 171 172

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und, soweit ein situativ bevorzugter Informations- oder Vertriebsweg nicht optimal bedient wird, wenig händlertreu. Gleichwohl wird die Präsenz eines Händlers auf mehreren Vertriebswegen, die einen nahtlosen Wechsel ermöglicht, durchaus geschätzt.178 Hersteller und Händler engagieren sich deshalb ebenfalls auf mehreren Vertriebswegen um ihre Kunden gleichmäßig anzusprechen, zu begleiten und so die Chance zu erhöhen, Kunden beim Wechsel des Vertriebsweges nicht zu verlieren, was in einem deutlichen Kontrast zur traditionellen Trennung der Vertriebskanäle steht.179 Statt also Vertriebswege zu kannibalisieren, suchen Unternehmen die Chance, bisher defizitär ausgestaltete Kanäle mit neuen Lösungen zu versehen. Dies ist nicht nur ein Versuch, möglichst alle aktuellen und potenziellen Kundenbedürfnisse zu befriedigen, sondern schafft vielfach Synergien für den engagierten Händler: auf eigenen Internetseiten fördert man die Nachforschung und Selbstinformation der Verbraucher und bietet Kunden häufig besonders effiziente Abwicklungen des Einkaufs an, indem Vorteile des Ladenlokals und Internet-Shops miteinander kombiniert werden. So wird zum Beispiel nicht das volle Sortiment im Laden vorgehalten, insbesondere Produkte mit geringerer Stückzahl nur online, Top-Seller und erklärungsbedürftige Produkte hingegen offline mit intensiver Beratungsleistung angeboten. Die Einführung von Pick-upSystemen ermöglicht es Kunden, die Verfügbarkeit von Artikeln im Laden online zu erfragen, bzw. zur Probe oder zum Kauf in den Laden zu bestellen. Auch Rückgaben im Internet erworbener Ware lassen sich zunehmend gleichermaßen online oder offline tätigen. Mittlerweile sind Multi-Channel-Distributionsstrategien eher Regel als Ausnahme. Dieser sog. Intertype-Wettbewerb führt mithin stetig zu Innovationen im Handel, wobei Gewinner branchenübergreifend Anbieter sind, die mehrere Kontaktwege für den Kunden bereitstellen. Verlierer sind Reinformen, sowohl im Online- als auch im Stationärhandel, was jedoch nicht heißt, dass einzelne Vertriebswege verschwinden werden. Auch das Wachstum im Internethandel erreicht messbar einen gewissen Reifegrad, bringt aber vor allem leistungsfähigere Formen von Vertriebswegen hervor.180 Multi-Channel-Kunden sind eine – eine stark wachsende – abgrenzbare Kundengruppe, die ähnlich wie Convenience-Kunden, besonders wertvoll ist, weil sie insgesamt zwar höhere Ansprüche, aber auch ein ausgeprägteres Konsumverhalten als One-Channel-Shopper aufweisen.181 Daraus folgt zum einen, dass reine Online- oder Offline-Angebote sich stärker spezialisieren müssen, um Kunden an sich zu binden. Zum anderen rückt ein weiterer Asvan Baal / Dach, 19 J. Interact. Mark. 2005, 75 ff. Nunes / Cespedes, HBR 2003, 97; Gundlach / Cannon / Manning, 55 Antitrust Bull. 2010, 381, 392. 180 Doplbauer, GfK White Paper eCommerce 2015, 13, 17. 181 Mit Verweis auf Studien von Double Click (2003) und McKinsey (2000) s. nur van Baal / Dach, 19 J. Interact. Mark. 2005, 76. 178 179

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pekt des Multi-Channeling in den Fokus: Die verschiedenen Möglichkeiten des Kundenkontakts wirken im Zusammenspiel mit der Informationsfunktion des Internets als Sortiermechanismus, über den Kunden ihren Bezug entsprechend ihrer Produkt-, Service- und Preispräferenzen steuern können. Ein paralleler Vertrieb über verschiedene Kanäle bezieht nicht nur MultiChannel-Shopper, sondern auch konservative Kunden mit ein, die auf ihr Einkaufserlebnis zukünftig nicht verzichten müssen. In dem entstehenden Intertype-Wettbewerb kristallisieren sich somit gerade nicht verschiedene, mehr oder weniger effiziente Vertriebswege heraus, sondern die parallele, flexible Nutzbarkeit der Vertriebskanäle schafft individuell effiziente Bezugsvorgänge. Besser informierte Kunden treffen auf eine Vielzahl speziell zugeschnittener Angebote und wählen das für sie jeweils optimierte PreisService-Verhältnis.182 Dadurch sinken Such-, Lager- und Transportkosten auf Anbieter- und Konsumentenseite. In der Gesamtschau begünstigt die Sorge der Handelsunternehmen vor dem Verlust von Kunden an Online-Discounter flexible Vertriebsangebote, die die Vorteile verschiedener Vertriebswege auf sich vereinen. Diese stärkere Konsumentenorientierung über differenziertere Serviceangebote ist also eine konkrete Folge des Wettbewerbs durch das Internet, verdeutlicht zweierlei: zum einen ist die Angst vor dem Verlust von Kunden an andere Händler oder Vertriebswege ein Motor für Innovation. Zum anderen ist nach wie vor nicht der Preis der einzige Wettbewerbsparameter im Handel. Die Preisbindung, die grundsätzlich ein Mittel ist, Abwanderung von Kunden zu günstigeren Bezugsquellen, also den Wechsel des Vertriebsweges wirtschaftlich unattraktiv zu machen, steht damit im deutlichen Widerspruch zu modernen Vertriebsstrategien, die darauf abzielen, den Kunden gemäß dessen konkreter Präferenz durch die Bedienung mehrerer Vertriebswege ein umfassendes, nahtloses Einkaufserlebnis zu bieten. f)

Alternative Maßnahmen zur Lösung des Trittbrettfahrerproblems

Dort, wo ein Trittbrettfahren tatsächlich in schädlicher und einseitiger Weise auftaucht, stellt sich nicht zuletzt aufgrund der zweifelhaften Eignung der Preisbindung zur Abhilfe die Frage nach anderen Maßnahmen, die legitime Interessen des Herstellers und der Händler an ausreichend Serviceangeboten sicherstellen können. Hinsichtlich Nachfrage stimulierender Beratungsleistung wurde in der Preisbindungsdiskussion schon immer auf die Leistungserbringung durch die vorgelagerte Marktstufe verwiesen.183 Der Hersteller kann eigenständig Werbung schalten oder dem Fachhandel entsprechende physi-

182 183

Zum right-channeling, s. Gundlach / Cannon / Manning, 1 AMS Rev. 2011, 18, 23. Im Ergebnis ablehnend Carlton / Chevalier, 49 J. Ind. Econ. 2001, 441, 442.

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1. Teil: Ökonomische Analyse der Preisbindung zweiter Hand

sche Mittel (Produktaufsteller etc.) zur Verfügung stellen.184 Die aktive und passive Information des Verbrauchers über das Internet ist geradezu der entscheidende Aspekt für die geringere Angewiesenheit des Herstellers auf den Händler bei der Generierung der Nachfrage. Die zielgruppenspezifische ortsunabhängige Bewerbung von Produkten wird durch das Internet permanent erweitert und umfasst soziale Netzwerke sowie zahlreiche innovative Möglichkeiten für den Hersteller, sein Produkt zentral und gleichzeitig regional differenziert zu bewerben. Derartige Werbung und Verbraucherinformation kommt der nächsten Vertriebsstufe zudem diskriminierungsfrei zugute und ist einer Beauftragung des Händlers hinsichtlich Effektivität und Monitoring vorzuziehen. Nicht übertragbar ist die tatsächlich persönlich-individuelle Beratungsleistung, für die der Handel aufgrund seiner Kundennähe eine deutlich höhere Kompetenz hat, das Servicebedürfnis von Kunden einzuschätzen. Wenn dieser Aspekt für den Hersteller jedoch hinreichend wichtig ist, wie es beispielsweise bei hochtechnischen Produkten der Fall ist, bleibt ihm die Möglichkeit, im Rahmen eines selektiven Vertriebs einerseits Qualitätsansprüche an die Beratungs- und Serviceleistungen des Händlers zu stellen und durchzusetzen und andererseits den Preiswettbewerb durch Exklusivrechte, also die Zuweisung bestimmter Gebiete, zu lindern. Es kann insofern darauf abgestellt werden, dass mit der steigenden Notwendigkeit einer speziellen Pre-Sales- oder AfterSales-Betreuung in der Regel auch andere Faktoren zunehmen, die sich schrittweise auf die Machbarkeit und die Attraktivität von selektiven Vertriebssystemen, Exklusivvertrieb bis hin zum Direktvertrieb auswirken. An dieser Stelle wird vielfach eingewandt, dass die Wettbewerbsbeschränkung durch ein selektives Vertriebssystem oder durch einen Exklusivvertrieb weitaus einschneidender sei, als eine Preisbindung, weil sie den IntrabrandWettbewerb auf der Handelsstufe im Gegensatz zur bloßen Einschränkung des Intrabrand-Preiswettbewerbs gänzlich ausschalte.185 Dieser Wertungswiderspruch besteht aber tatsächlich nicht. Zunächst sind selektive Vertriebssysteme eben nur für bestimmte Produkte und unter bestimmten Umständen sinnvoll, durchführbar und auch rechtlich zulässig, weshalb es sich bei den Instrumentarien Preisbindung oder selektiver Vertrieb nicht um ein mehr oder weniger der Wettbewerbsbeschränkung handelt, sondern um eine qualitativ andere Gestaltung des Vertriebsweges, also ein Aliud. Aufgrund der Wirkunterschiede kann 184 Interessen des Herstellers sind überdies weniger auf kunden- als auf produktspezifische Beratung ausgelegt, was sich vor allem im Elektroniksektor darin äußert, dass Hersteller üblicherweise eigene Fachberater entsenden, die herstellerspezifische Promotion in den Räumlichkeiten großer Sortimentshändler betreiben, krit. hierzu Ruprecht / Fuchs /  Gohlke, Falsche Verkäufer in Warenhäusern, NDR v. 25.11.2014, abrufbar . 185 Siehe unten 1. Teil C.III, 94 und 1. Teil F, 119 ff.

B. Die positiven Wirkungen von Preisbindungen der zweiten Hand

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es sinnvoll sein, die komplette Ausschaltung des Intrabrand-Wettbewerbs gegenüber der Ausschaltung des Intrabrandpreiswettbewerbs vorzuziehen, um preistreibende Einflüsse auf die Produktkategorie zu verhindern. 4. Ergebnisse Seit der Einführung der Free-Rider-Theorie wurde und wird in verschiedensten Konstellationen und mit wechselnder Intensität behauptet, dass die Preisbindung ein adäquates Mittel sei, das Trittbrettfahrerproblem zu lösen. Aufgegriffen in Entscheidungen des U.S. Supreme Court186 haben sich die Argumente auch in der europäischen Preisbindungsdiskussion187 etabliert. Entgegen dieser Entwicklung muss hier jedoch festgestellt werden, dass die Verhinderung des Trittbrettfahrerproblems in der Regel keine taugliche Rechtfertigung für Preisbindungen liefern kann. Zu diesem Ergebnis führen folgende Erwägungen: Die Relevanz aller Trittbrettfahrszenarien ist nach wie vor begrenzt. Nur wenig Produktgruppen machen einen weitreichenden Pre-Sales-Service notwendig. Dies zeigt sich auch im Fehlen jeglicher Verfahrensempirie,188 zu der der häufige Verweis auf das Trittbrettfahren in der wissenschaftlichen Debatte außer Verhältnis gerät.189 Nicht zuletzt muss im Hinblick auf die Empirie erneut betont werden, dass tatsächlich nicht ein Fall vor den U.S. Supreme Court, europäische oder deutsche Gerichte kam, in dem sich Unternehmen auf die Verhinderung des Trittbrettfahrens zur Rechtfertigung einer Preisbindung berufen hätten. Das ist insbesondere auch niemals in den Jahren nach Leegin geschehen, also unter der tatsächlichen Möglichkeit nach rule of reason-Gesichtspunkten und einem stetig wachsenden Online-Geschäft.190 Continental TV, Inc. v. GTE Sylvania, Inc., 433 U.S. 36 (1977); bis zuletzt Leegin Creative Leather Products, Inc. v. PSKS, Inc., 551 U.S. 877 (2007). 187 Hier zuletzt durch die neuen Vertikalleitlinien der Kommission, ABl. EG 2000 C 291/1. 188 Kelly, 10 Geo. Mason U. L. Rev. 1987, 327, 340; Fälle, in denen vertikale Beschränkungen zur Bekämpfung des einseitigen Trittbrettfahrens auf Full-Service-Angeboten gerichtlich und behördlich akzeptiert wurden (insb. im Handel mit PCs) z. B. O. S. C. Corp. v. Apple Computer, Inc., 601 F. Supp. 1274 (C. D. Cal. 1985); interessanterweise werden solche Produkte heute zur Sicherstellung eines einheitlichen Vertriebsstandards ohnehin in selektiven Vertriebssystemen über autorisierte Händler vertrieben. 189 Gundlach / Cannon / Manning, 55 Antitrust Bull. 2010, 381 ff.; zu beobachten ist eine erneute Thematisierung, sobald konventionelle Vertriebssysteme durch Niedrigpreisstrategien unter Druck geraten. Historische Beispiele sind das Aufkommen großer Warenhäuser in den USA der 20er-Jahre ebenso wie das Vordringen von Lebensmitteldiscountern sowie die zweite Gründungswelle des Katalogversandhandels in Deutschland in den 1950er-Jahren. 190 Siehe unten 2. Teil C.I.3, 189. Mangelnde Beweisbarkeit und eine gewisse Signalwirkung von Behördenäußerungen, ein solches Vorbringen prakisch unberücksichtigt zu lassen, mögen ebenfalls Faktoren sein. 186

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1. Teil: Ökonomische Analyse der Preisbindung zweiter Hand

Dieser Befund steht im Einklang mit der Feststellung, dass die transaktionskostensenkende Wirkung des Internets die Free-Rider-Möglichkeiten nur in die Tiefe, nicht aber in die Breite – im Sinne einer Ausweitung auf neue Produktgruppen – erweitert. In Bereichen, in denen das Internet auch ein ausreichend guter Informations- und Vertriebsweg für die Mehrzahl der Konsumenten ist und den Stationärhandel verdrängt, ist diese Entwicklung aus ökonomischer Sicht normativ nicht zu hinterfragen. Insbesondere auch im Hinblick auf die Einführung neuer Produkte zeitigt die Handelswirklichkeit Beispiele, in denen Produkte ausschließlich über eine Online-Strategie erfolgreich auf den Markt gebracht wurden. 191 Die Behauptung, dass das Internet zugleich Katalysator und Profiteur des Trittbrettfahrens sei, kann nach einer genaueren Untersuchung nicht gestützt werden, sondern beruht überwiegend auf schlagwortartiger Meinungsmache in der Tagespresse, die die öffentliche Debatte bestimmt.192 Dort wo PreSales-Beratungsleistungen den Absatz eines Produktes besonders effektiv fördern, haben selbst günstig anbietende Händler einen Anreiz, diese anzubieten.193 Stattdessen fordert gerade das wachsende Online-Geschäft traditionelle Begründungen für Preisbindungen heraus, weil davon ausgegangen werden muss, dass Online-Händler sensibler auf Preisbindungen reagieren als traditionelle Einzelhändler. Der negative Einfluss der Preisbindung auf den festgestellten positiven Intertype-Wettbewerb muss berücksichtigt werden. Unter weitgehendem Preisbindungsverbot kam es in den letzten Jahren zu zahlreichen Innovationen im Mehrkanalvertrieb die ihrerseits Potenzial für Effizienzgewinne im Handel entfalten.194 Das lässt die grundsätzliche Notwendigkeit der Preisbindung entfallen. Darüber hinaus ist die Preisbindung auch kein geeignetes Mittel zur Verhinderung des Trittbrettfahrens auf Pre-Sales-Beratungsleistungen. Händler können nicht davon abgehalten werden, sich auf die Verkaufsanstrengungen anderer Händler zu verlassen, ohne selbst die zusätzliche Marge zu reinvestieren.195 Mit Verweis auf den Kindle eReader, der ausschließlich online eingeführt wurde, obwohl es sich dabei um einen Elektronikartikel handelt, Lao, 55 Antitrust Bull. 2010, 473, 489. 192 Zuletzt bspw. Tietz, Totengräber des Fachhandels, Der Spiegel 25/2014. 193 In re Business Electronics: der rabattierende Händler hatte sehr effektive Produktpräsentation und Promotion betrieben Business Electronics Corp. v. Sharp Electronics Corp., 485 U.S. 717 (1988); Grimes, Resale Price Maintenance: A Competitive Assessment (2009), 4; ders., The Sylvania Free Rider Justification for Downstream Power Vertical Restraints: Truth or Invitation to Pretext?, in: Pitofsky, How the Chicago School Overshot the Mark (2008), 181 ff; Lao, Free Riding: An Overstated, and Unconvincing, Explanation for Resale Price Maintenance, in: Pitofsky, How the Chicago School Overshot the Mark (2008), 196 ff. 194 Nixa, 11 Vand. J. Ent. & Tech. L. 2008, 461; zum Ganzen auch Blair / Haynes, 55 Antitrust Bull. 2010, 245 ff. 195 Klein / Murphy, 31 J. L. & Econ. 1988, 265, 266. 191

B. Die positiven Wirkungen von Preisbindungen der zweiten Hand

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Dem Hersteller stehen stattdessen geeignetere Mittel zur Verfügung, Services im Handel zu fördern. Zunächst entscheidend dürfte die vertragliche Vereinbarung von Werbekostenzuschüssen sein, die nur solchen Händlern zukommen, die die Pre-Sales-Beratungsdienstleistungen tatsächlich unterhalten.196 Daneben stehen für tatsächlich bestehende Trittbrettfahrerszenarien um serviceintensive Produkte andere, d. h. weniger wettbewerbsbeschränkende Wege, z. B. die Wahl eines bestimmten Absatzmittlungsverhältnisses (selektives Vertriebssystem, Exklusivvertrieb, Werbekostenzuschüsse o. ä.) zur Verfügung.197 Mit Blick auf den Einsatz der Preisbindung zur Lösung der TrittbrettfahrerProblematik ist aufgrund der wettbewerbsbeschränken Wirkung der Preisbindung und der wettbewerbspolitischen Erfahrungen eine wirkliche Einzelfallbetrachtung daher nicht sinnvoll. Vielmehr ist eine (widerlegbare) Vermutung der Illegalität angezeigt, die hinreichende Möglichkeit bietet, für Einzelfälle, in denen es nachweislich zu einem Marktversagen hinsichtlich sinnvoller Bereitstellungsleistungen und/oder der einseitigen Benachteiligung eines bestimmten Vertriebsweges kommt eine Preisbindung ausnahmsweise in Betracht. II. Anreizprobleme – Preisbindung zur Koordination entlang der Vertriebskette Die Kritik an Free-Rider-Theorien zur Preisbindung lenkt den Blick auf weitere Erklärungsansätze für die Herstelleraffinität zur Preisbindung. Der Hersteller nutze die vertikale Preisbindung auch jenseits möglichen Trittbrettfahrens, um Serviceleistungen zu begünstigen. Die im Folgenden besprochenen, pro-kompetitiven Erklärungen für Preisbindungen lassen sich einem Theorienkomplex zur Überbrückung sog. Anreizprobleme zuordnen. Wirtschaftsakteure entwickeln ihre Strategie nicht nur anhand ihrer eigenen Möglichkeiten sondern auch anhand des potenziellen Handelns anderer Wirtschaftsakteure in Reaktion auf ihr eigenes Verhalten.198 Hinsichtlich einer einzigen Marktstufe bestimmt ein Wirtschaftssubjekt den Erfolg seines Konkurrenten dadurch mit, dass es selbst Marktanteile gewinnt oder verliert, was im Horizontalverhältnis ein Nullsummenspiel bleibt.199 Auch innerhalb von Vertikalbeziehungen verlaufen die Interessen Grimes, Resale Price Maintenance: A Competitive Assessment (2009), 3. Lao, 55 Antitrust Bull. 2010, 473, 477; Überblick über die verschiedenen Absatzmittlungsverhältnisse unter dem GWB der 5. Novelle in Busche, Preisbindungsverbot und Markenwarenvertrieb; Schwalbe, WuW 2011, 1197 (1201); krit. auch Peeperkorn, 4 ECJ 2008, 201, 209. 198 Zur Interaktion: Homann / Suchanek, Ökonomik, 90 ff; Holler / Illing, Einführung in die Spieltheorie (2009). 199 Die erste Stufe sog. Konstantsummenspiele (Nullsummenspiele), Homann / Suchanek, Ökonomik, 97. 196 197

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1. Teil: Ökonomische Analyse der Preisbindung zweiter Hand

der Kooperationspartner unterschiedlicher Stufen nur teilweise parallel. So können Interessenkonflikte eine größtmögliche Verwirklichung gemeinsamer Interessen konterkarieren (Dilemma) und Möglichkeiten wirtschaftlicher Effizienzgewinne ungenutzt lassen. Die Preisbindung könne in vielen Fällen zu einer besseren Koordination innerhalb einer Vertriebskette führen. Solche Anreizüberlegungen sind – nach Trittbrettfahrer-Erwägungen – zur dominierenden Argumentationslinie in der wettbewerbsrechtlichen Besprechung der Preisbindung aufgestiegen. Sowohl im Leegin-Urteil als auch in den Leitlinien der Europäischen Kommission von 2010 wird die Sicherung von Händlerdienstleistungen aufgegriffen. 1. Preisbindung zur Verkaufsförderung durch mehr Service oder Wettbewerb um die Händlergunst Klein brachte in den 1970ern eine Erklärung für Preisbindungen zur Vertriebsförderung jenseits von Free-Rider-Konstellationen ein.200. Händler haben demnach häufig auch bei Produkten, die in einem engagierten Vertrieb hochprofitabel wären, eine unzureichende Verkaufsmotivation.201 Zwar kann die Preisbindung ohne eine entsprechende Spezifikation und ein Monitoring, wie schon unter Free-Rider-Gesichtspunkten festgestellt, Services selbst nicht sicherstellen.202 Der Hersteller kann aber mit der Preisbindung ein Erwartungsmilieu dahingehend aufbauen, dass ein Händler für gute Vertriebsleistung besonders entlohnt bzw. bei schlechten Umsatzzahlen mit Vertriebsabbruch bestraft wird. Die Kompensation der Händler für Point-of-SalePromotion läuft bei einer Preisbindung auf eine Pro-Stück-Kompensation hinaus, weil sie Händler mit überobligatorisch hoher, gesicherter Marge ausstatte. Gepaart mit drohendem Belieferungsabbruch bei mangelnder Verkaufsbemühung wäre eine solche vertragliche Absatzsteigerung über die Preisbindung selbstdurchsetzend.203 Hersteller könnten sich damit Vertriebsleistungen (z. B. prominente Platzierung im Ausstellungsraum oder bevorzugte Präsentation durch das Händlerpersonal) von Händlern, die nur ein untergeordnetes Interesse an Point-of-Sale-Service hätten, erkaufen. Weil optimale Vermarktung im Einzelnen schlecht vereinbar sei und der Händlerexpertise 2009 überarbeitet und aktualisiert, s. nur Klein, 76 Antitrust L. J. 2009, 431, 437; ders., in: Elhauge, Research Handbook on the Economics of Antitrust Law (2011), 174 ff.; Klein /  Murphy, 31 J. L. & Econ. 1988, 265 ff. Anreizargumente beziehen sich auf Händlerleistungen und Kundenservice, weshalb sie zuweilen unter dem Stichwort „Service Argument“ besprochen und daher begrifflich mit der Freeriding-Argumentation vermengt werden. 201 Klein / Murphy, 31 J. L. & Econ. 1988, 265 ff.; Klein, 76 Antitrust L. J. 2009, 431 ff.; früher ähnlich Easterbrook, 53 Antitrust L. J. 1984, 135, 156; a. A. heute Grimes, 55 Antitrust Bull. 2010, 101, 104; Peeperkorn, 4 ECJ 2008, 201–212. 202 Klein / Murphy, 31 J. L. & Econ. 1988, 265, 266; s. dazu bereits 1. Teil B.I.3.d), 41. 203 Klein, 76 Antitrust L. J. 2009, 431, 437; Klein / Murphy, 31 J. L. & Econ. 1988, 265 ff. 200

B. Die positiven Wirkungen von Preisbindungen der zweiten Hand

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bedürfe, erscheint die Klein’sche Analyse zunächst schlüssig. Im LeeginUrteil fand sie sich etwas verkürzt wieder, und ging dahin, dass der Produzent seinem Händler über eine Preisbindung Spielraum für Investitionsmaßnahmen zur Absatzsteigerung schaffe.204 Der Händler stünde dann unter einem gewissen Druck, um sich nicht der Sanktion auszusetzen, dass die Mindestpreisbindung aufgehoben oder das gesamte Distributionsverhältnis aufgekündigt würde. So geführt ist die Argumentation bereits fehlerbehaftet: Außerhalb einer Free-Rider-Konstellation kommen Investitionserfolge dem Händler unmittelbar zugute, d. h. es bedarf keines externen Anreizes.205 Die Drohung mit der Aufhebung der Preisbindung bzw. des ganzen Distributionsverhältnisses ist gegenüber einem Händler, der sich hartnäckig weigert, in Verkaufsanstrengungen zu investieren, sondern lieber eine Niedrigpreisstrategie verfolgt, zudem wenig sinnvoll. Die Preisbindung ist für den Händler ja nicht deshalb attraktiv, weil sie ihn, sondern, weil sie alle anderen Händler daran hindert, Preise zu senken.206 Die Drohung mit Vertriebsabbruch ist ebenfalls nur wirksam, solange dem Händler ein Eigeninteresse am Vertrieb unterstellt wird, auf dessen Abwesenheit fußt aber geradezu die Argumentation, so wie sie im Leegin-Urteil aufgegriffen wurde. Die Geeignetheit der Preisbindung ist hier bereits zweifelhaft. Das Anreizdilemma besteht nach der Kleins’schen Theorie aber tatsächlich in der notwendigen (nicht hinreichenden) Annahme, dass das Verkaufsinteresse hinsichtlich eines entsprechenden Produktes beim Hersteller größer ausfällt als beim Händler. Weil der Händler ebenfalls an der Marge pro verkaufter Einheit profitiert, wird diese Annahme allerdings nur dadurch schlüssig, Händler häufig mehrere (Marken-) Produkte einer Produktkategorie nebeneinander anbietet. Weil für den Einzelverkauf von Produkt A ein Verkauf von Produkt B entfällt, habe der Händler also theoretisch kein produktspezifisches Verkaufsinteresse, während es für den Hersteller essentiell wichtig ist, dass der Händler sein Produkt verkauft. Über die preisbindungsgesicherte Marge könne der Hersteller jedoch einen Anreiz geben, sein Produkt ggü. anderen Produkten des Sortiments zu bevorzugen.207 Im Gegensatz zur FreeRider-Theorie erklärt diese Hypothese auch, warum Preisbindungen in den USA selbst für Unterwäsche, Shampoo und abgepackte Süßwaren praktiziert wurden. Der Hersteller „erkauft“ sich also die Händlergunst, indem er einen Teil seines Profits mit dem Händler teilt. 204 Leegin Creative Leather Products., Inc. v. PSKS, Inc., 552 U.S. 877 (2007), 892; Mathewson / Winter, 13 Rev. Ind. Organ. 1998, 74–75; Klein, 76 Antitrust L. J. 2009, 431, 449. 205 Leegin Creative Leather Products, Inc. v. PSKS, Inc., 551 U.S. 877 (2007), 908–929 (J. Breyer, dissenting). 206 So z. B. auch Peeperkorn, 4 ECJ 2008, 201 (210). 207 Klein, 76 Antitrust L. J. 2009, 444 ff.

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1. Teil: Ökonomische Analyse der Preisbindung zweiter Hand

Trotzdem bleibt die Klein’sche These insofern bedenklich, als sie Profitabilität auf Seiten des Herstellers mit einem pro-kompetitiven Marktergebnis gleichsetzt – anti-kompetitive Effekte werden in der Klein’schen Untersuchung praktisch ausgeblendet.208 In der Grundannahme führt der Händler in der Regel verschiedene Herstellerprodukte (u. U. auch nur potenziell), in der Folge blendet die Theorie aber aus, dass die Geschäftsstrategie Preisbindung somit auch von mehreren Händlern aufgegriffen werden kann. Händlergerichtete Preisbindungsanreize konkurrierender Hersteller werden sich aber gegeneinander aufheben. Während der zuerst Preisbindende noch Wettbewerbsvorteile erlangen mag wird der Anreizeffekt eliminiert, sobald vergleichbare Margen bei anderen Produkten der Kategorie gegeben sind.209 Konkurrierende (Marken-) Preisbindungen zur Erkämpfung von Marktanteilen können in einem Wettrüsten der Hersteller enden, sind darüber hinaus aber ein Nullsummenspiel hinsichtlich der Hersteller-Marktanteile. Somit ist die Preisbindung hier zum einen ein schlecht geeignetes Instrument, darüber hinaus ist sie unter diesem Aspekt auch besonders schädlich. Selbst wenn man keinen Anstieg des Preisniveaus der gesamten Kategorie erwartet, indem man unterstellt, dass die im Einzelfall gebundenen Preise nahe an einem wettbewerblichen Preis angesiedelt würden und rivalisierende Hersteller die hier betrachtete Marge über Großhandelspreise finanzierten, so zementiert die Preisbindung nach wie vor die Marge von Händlern. Das beraubt aufstrebende effizientere Händler der Möglichkeit, Preisdruck auf etablierte Händler auszuüben, Preise also auf niedrigem Niveau zu halten. Auf sekundärer Linie droht auch so ein langfristig höheres Preisniveau.210 Damit ist auch diese Begründung der Preisbindung nicht im engeren Sinne pro-kompetitiv. Auch die zugrunde liegende Motivation des Herstellers, Wettbewerbsdruck auf Herstellerebene zu mindern, muss sensibilisieren. Händler sollen ein Produkt im Markt primär aufgrund der Qualität, nicht der gesicherten, übermäßigen Marge vertreiben. Mit anderen Worten werden Funktionen wie Produktselektion und preisdisziplinierende dynamische Verhandlung entlang der Vertriebskette zugunsten eines abschottungsmotivierten Margenkampfes ausgehebelt. Die Rechtfertigung der Preisbindung als Mittel der Distributionsförderung erscheint unter diesen Erwägungen unmöglich. Inzwischen ist auch der modelltheoretische Nachweis erbracht worden, dass diese Art der Produktpromotion kollektiv auch für Hersteller gewinn-

208 So hinsichtlich der Argumentation im Leegin-Urteil auch Grimes, 55 Antitrust Bull. 2010, 104. 209 Unter Gleichbehandlungsaspekten sind daher auch Marktanteilsschwellen für gleichartige, vertikale Preisbindungen kritisch zu sehen. 210 Siehe unten 1. Teil C.III, 94.

B. Die positiven Wirkungen von Preisbindungen der zweiten Hand

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mindernd sein kann.211 Der Zuschnitt des Modells ist dabei von besonderer Bedeutung: Es wird im Gegensatz zu herkömmlichen pro-kompetitiven Modellen von mehreren Herstellern ausgegangen, die ihre Produkte über gemeinsame Händler vertreiben. Hunold und Muthers stellten in diesem Rahmen fest, dass Produkte, die durch verschiedene Hersteller gleichmäßig mit einer Preisbindung belegt werden, zwar auch gleichmäßig mit verkaufsfördernden Maßnahmen ausgestattet werden. Zudem erhöhten sich Verbraucherpreise wie erwartet. Allerdings konnte darüber hinaus auch eine niedrigere Qualität der verkaufsfördernden Maßnahmen beobachtet werden gegenüber der Situation ohne Preisbindung. Dies lässt sich am ehesten durch effizienzsteigernde Effekte innerhalb der Vertriebskette erklären, die auf eine Verschiebung von Händlerleistungen zugunsten von Produkten mit hohen Margen zurückzuführen ist. Zudem ist mit dem Bestreben, das Produkt mit der höchsten Händlermarge häufiger zu vertreiben, auch ein hohes Maß an Fehlberatung zu erwarten. Die wettbewerbspolitische Implikation wird daher eindeutig dahingehend formuliert, dass Service-Argumente nicht überbewertet werden dürfen. Dieser modelltheoretische Nachweis untermauert also auch und insbesondere unter Effizienzgesichtspunkten die Kritik an allen Servicetheorien. 2. Preisbindung zur Kundengewinnung Hersteller und Händler haben zwar beide ein Interesse am Absatz eines bestimmten Produktes, eine Interessenasymmetrie besteht jedoch im Detail hinsichtlich der anzusprechenden Zielgruppe unter Konsumenten. Für den Hersteller ist entscheidend, wie viele Einheiten seines Produktes insgesamt im Markt abgesetzt werden, wobei es ihm egal ist, bei welchem Händler ein Kunde sein Produkt erwirbt. Zur Steigerung der Absatzmenge kommt es darauf an, dass zusätzliche Kunden zum Kauf bewegt werden, die sich an der Grenze zur Bezugsentscheidung befinden.212 Diese sog. marginalen Konsumenten sind aber in der Theorie Kunden, die eine höhere Sensibilität gegenüber Services aufweisen, weil sie wenig Zeit in ihre Bezugsentscheidung investieren wollen und bzw. oder ein tendenziell höheres Beratungsbedürfnis haben.213 Für eine wohlfahrtsmaximierende Mischung von Preis und Service ist es also wettbewerblich vorteilhaft, besondere Serviceanstrengungen zu unternehmen. Profitmaximierende Händler tendieren stattdessen häufig dazu, Nachfrage bloß auf sich umzulenken, indem sie Kunden (z. B. über reduzierte Hunold / Muthers, Resale Price Maintenance and Manufacturer Competition for Retail Services (April 20, 2012). ZEW – Centre for European Economic Research Discussion Paper No. 12-028. 212 Mathewson / Winter, 13 Rev. Ind. Organ. 1998, 57, 72; entwickelt bereits bei Klein /  Murphy, 31 J. L. & Econ. 1988, 265, 267. 213 Winter, 108 Quarterly J. of Econ. 1993, 61. 211

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1. Teil: Ökonomische Analyse der Preisbindung zweiter Hand

Preise) von anderen Händlern. Dies erhöht aber nicht die Gewinne der gesamten Vertriebskette.214 Um einem übermäßigen Preiswettbewerb auf der Händlerstufe entgegenzuwirken, sei deshalb die Preisbindung ein probates Mittel. Trotz der theoretischen Vorzüge ist auch diese Erklärung der Preisbindung in der Gesamtbetrachtung nicht notwendigerweise pro-kompetitiv. Branchenspezifische Verhandlungsmacht auf Händlerseite stellt zunächst überhaupt in Frage, ob Hersteller im Rahmen der Verhandlungen überhaupt entsprechend wirksame Preise über eine Preisbindung verwirklichen können, oder aufgrund der Händlerinteressen eine ineffiziente Bestimmung des gebundenen Preises erfolgt.215 Darüber hinaus bestehen auch Zweifel an den gesamtwirtschaftlichen Vorteilen dieses Vorgehens. Zwar ist es aus Herstellersicht sinnvoll, zusätzliche Kunden über ein angepasstes Service-Niveau zum Kauf zu motivieren. Andererseits wird praktisch nicht zwischen Servicebedürfnis und Preissensibilität verschiedener Kundengruppen differenziert, sondern der Vertrieb zugunsten servicesensiblerer Kunden auf ein bestimmtes – höheres – Niveau festgelegt.216 Durch einen höheren gebundenen Preis verringert sich der Grenznutzen für inframarginale Kunden, wodurch auch Nachfrage wegbricht. Der Hersteller vertraut darauf, dass dieser Nachfragerückgang durch den Weiterbezug und zusätzliche Verkäufe zu höheren Preisen aufgefangen, seine Rente und die des Händlers somit gesichert bzw. erhöht wird. In diesem Preisbindungsszenario drohen jedoch signifikante Netto-Wohlfahrtsverluste für eine große Anzahl von inframarginalen Konsumenten, die aufgrund des höheren Preises bzw. weil sie ihren Bezug einstellen unter diesem System schlechter gestellt werden.217 Neben dieser zweifelhaften Eignung der Preisbindung,218 ist aber auch die Notwendigkeit eines Einschreitens, um das vermeintliche Anreizproblem um die verschiedenen Kundengruppen zu lösen, keineswegs sicher. Zunächst muss davon ausgegangen werden, dass es sich bei dem hier dargestellten Dilemma um ein höchst theoretisches Problem handelt, für dessen praktische Relevanz keine gesicherten Daten vorliegen. Praktisch befinden sich auch marginale Kunden in der Zielgruppe des Händlers. Zwar ist das Interesse des Herstellers hinsichtlich marginaler Kunden spezieller, ein generelles Interesse hat aber auch der Händler an jeder mehrverkauften Einheit. Nicht verkaufte Einheiten und unerreichte Kunden sind auch für Händler ungenutzte Umsatzchancen, es spricht deshalb vieles dafür, dass Händler Motta, Competition Policy (2004), 302 ff. Motta, Competition Policy (2004), 302 ff. 216 Winter, 108 Q. J. Econ. 1993, 61, 64. 217 Mit ausführlichem Berechnungsbeispiel siehe nur Paldor, Rethinking RPM (2007), 160, 162 m.w.N. 218 Siehe zu sonstiger Kritik an der Eignung auch Perry / Porter, 8 Int. J. Ind. Organ. 1990, 115, 130, 139. 214 215

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entsprechende Mittel ergreifen, um potentielle Kunden zu erreichen und zu binden, die ein höheres Serviceniveau bevorzugen. Sobald dies nicht kostendeckend für alle Angebote praktikabel ist, spricht nichts dagegen, dass der Händler zwei oder mehr Varianten des Produktes oder Services zu differenzierten Preisen anbietet. Er kann also einerseits günstige Rohprodukte/services anbieten und andererseits eine teurere Convenience-Variante.219 Maßgebliche Schwäche der dargestellten Theorie ist die Annahme, dass ein nach Kundengruppen differenziertes Angebot nicht möglich sei.220 Dabei ist es nicht absolut ausgeschlossen, dass der Markt zeit- und suchkostenreduzierende Services für marginale Konsumenten nicht auch ohne Preisbindung bereitstellt. Im Gegenteil spricht die Realität im Handel eher gegen ein solches, zugrundeliegendes Dilemma. Faktisch besteht für viele Produkte ein breites Spektrum unterschiedlichster Handelskonzepte und Vertriebswege mit jeweils differenzierten Service- und Preisspezifikationen nebeneinander – sowohl hinsichtlich konkurrierender Händler als auch hinsichtlich verschiedener Angebotsausgestaltungen bei ein und demselben Händler.221 So stehen im Intrabrand-Wettbewerb Online-Discount-Händler und Discounthändler im Stationärhandel Händlern mit und ohne Internetvertrieb gegenüber. Sie alle arbeiten mit unterschiedlichen Konditionen und Kulanzregelungen und häufig stellt jeder Vertriebsweg selbst unterschiedliche Angebote bereit. Differenzierte Ticketpreise für Bahn- und Flugreisen sind nur ein Beispiel, bei dem verschiedene Zusatzoptionen oder Gepäcklimits, der Erwerb in onlineEigenregie, vor Ort am Automaten oder mit persönlichem Service am Schalter den Preis mitbestimmen; von First-, Business- und Economy-KlasseDifferenzierung ganz zu schweigen. In den USA und Kanada bestehen zahlungspflichtige Mautstraßen (Express Toll Routes) neben konventionellen Highways auch und insbesondere auf fast identischen Routen. Zeitersparnis entsprechend sensibler Kunden wird erst durch de Kostenpflichtigkeit generiert, weil durch Maut die Nutzerzahlen und somit Verkehrsstaus reduziert werden.222 Selbst Zahlungsmodalitäten werden nach Kosten und Ausfallrisiko häufig differenziert berechnet.223 In prestigeträchtigen Lebensmittelfachgeschäften finden sich Salatbar mit hochpreisigen, bereits zubereiteten Salaten direkt neben dem Regal für günstige Rohprodukte, Kunden können bei Bedarf die Zusammenstellung des Einkaufs nebst Lieferung gegen Entgelt verPaldor, Rethinking RPM (2007), 165, 166; m. w. N. Bork, Antitrust Paradox, 383. Winter, 108 Q. J. Econ. 1993, 61, 64. 221 Lao, in: Drexl, More common ground for international competition law?, 59 ff.; Paldor, Rethinking RPM (2007) und Motta, Competition Policy (2004). 222 Beispiel Paldor, Rethinking RPM (2007), 167. 223 So werden Kauf auf Rechnung oder per Kreditkarte, soweit sie höheres Risiko oder höhere Kosten des Verkäufers bedeuten, häufig gesondert berechnet; Online-Bezahlsysteme, die einen direkten Zugriff erlauben, werden eher von besonders preissensiblen Kunden genutzt. 219 220

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anlassen. Restaurants berechnen unterschiedliche Preise für Inhouse-Verzehr und Take-away. Elektronikfachhändler bieten PCs und Laptops mit oder ohne technischen Support an und rechnen Assistenz später gesondert ab. Es lassen sich weitere Beispiele finden, die im Alltag grundsätzlich verschieden anmuten, sodass sie kaum als an differenziertem Servicebedarf des Kunden ausgerichtete Angebote wahrgenommen werden. In diesem Prozess stellt das Internet erneut ein instruktives Beispiel. Auch hier lassen sich besonders günstige Preise für ein bestimmtes Produkt finden, allerdings mögen Kunden je nach Situation Mühen oder Zeitverluste durch Mehrfachbestellungen und Rücksendungen zwecks Anprobe scheuen und sind bereit für einen assistierten Bezug im Laden höhere Preise zu zahlen. Differenzierte Angebote mit und ohne Internetbeteiligung sind also ein Mechanismus zur Aussonderung von Kunden anhand ihres Servicebedarfs.224 Der Einwand, es handele sich häufig (insbesondere z. B. bei Preisen für Flugtickets) nicht um kostenorientierte Preisdifferenzierungen, sondern um Preisdiskriminierung, ist unschädlich. Kunden sind sich in der Regel eines exponentiellen Preisanstiegs für bestimmte Services oder flüchtige Mehrwerte durchaus bewusst und nehmen dies aus unterschiedlichsten Gründen hin – am offensichtlichsten im Luxusbereich. Aus empirischer und theoretischer Sicht muss daher bezweifelt werden, dass eine Angebotsdifferenzierung in einer übermäßigen Zahl der Fälle unmöglich oder zu kostspielig ist. Die besonders lukrative Preisdifferenzierung bis hin zur Preisdiskriminierung macht es für Anbieter vielfach besonders attraktiv, ihr Portfolio auszuweiten, denn sofern sie in der Lage sind, Kunden anhand unterschiedlicher Zeit- oder Preissensibilität zu erreichen, können sie den Umsatz durch Quersubventionierung des Verkaufs besonders günstiger No-Service-Angebote durch teurere Convenience-Angebote ankurbeln. Damit ist eine weitere Annahme der Hypothese angesprochen: Das Anreizproblem im Bereich Preisbindung zur Nachfragesteigerung unter marginalen Kunden beruht auf der Mutmaßung, dass jede Ausrichtung des Händlers auf verschiedene Kundengruppen für sich kostendeckend sein müsste.225 Dem ist aber nicht so, wie vor allem Niedrigpreiskontingente verdeutlichen: Tickets im Fernverkehr (Flug-Bahn- oder Busverkehr) werden in bestimmten Kontingenten zur Sicherstellung einer Grundauslastung zu nicht-kostendeckenden Preisen angeboten und so auch für Kunden mit geringem Budget erschwinglich, solange sie zeitlich flexibel sind oder lange im Voraus buchen können. Tickets zum Normalpreis tragen dieses Billigangebot Zum „sorting mechanism“, siehe Note, 121 Harv. L. Rev. 2007, 1600, 1616; zu inframarginalen Konsumenten siehe Comanor, 98 Harv. L. Rev. 1984, 983, 991. 225 Die Überlegung, die auf entweder preis- oder servicesensible Kunden abstellt, ist naturgemäß stark vereinfacht. Die Angebotsvielfalt belegt, dass die Verteilung von Kundeninteressen weniger zwei oder mehreren abgrenzbaren Kriterien zuzuordnen ist, als durch die individuelle Abstufung von Präferenzen wohl eher einer Gaußschen Kurve folgen dürfte. 224

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gewissermaßen mit. Gesamtökonomisch kann dies vorteilhaft sein, wenn damit ein Angebotszugang für finanzschwächere Konsumenten eröffnet wird. Abgesehen von diesem hier bemühten Extrembeispiel entsteht durch die Möglichkeit der Differenzierung von Preisen eine individuell226-wohlfahrtsmaximierende Mischung aus Preis und Service bei einer Vielzahl einzelner Bezugsentscheidungen. Dieses Ergebnis ist an dem oben angesprochenen Ziel, eine abstrakt-generelle wohlfahrtsmaximale Mischung von Preis und Service zu erlangen, überlegen. Unter diesem Aspekt ist die Preisbindung nicht nur nicht geeignet, sondern auch und nicht erforderlich und eher wettbewerbsschädlich.227 3. Preisbindung zur Verhinderung doppelter Margenbildung In einem bilateralen Monopol tendiere jedes der marktmächtigen Unternehmen dazu, Preise oberhalb seiner Grenzkosten zu veranschlagen, was zu exzessiven Preisen führt.228 Bei überhöhten Preisen auch des Händlers, schrumpft jedoch die Absatzmenge drastisch. Der Händler beziehe das als vertikale Externalität aber nicht so stark wie der Hersteller in seine Kalkulation ein. Die Preisbindung soll dann die gesamtwirtschaftlich besonders schädliche, doppelte Margenbildung verhindern.229 Sie führe zu moderaten Preisen, indem sie den Monopolprofit auf die beiden Wirtschaftsstufen aufteile, ähnlich der Situation bei vertikaler Integration des Vertriebsweges.230 Das Problem der doppelten Margenbildung ist dabei nicht auf Fälle eines Up-, bzw. Downstream-Monopols begrenzt, sondern kann schon bei einem geringeren Grad von Marktmacht auftreten.231 Je nach Verhältnis der Verhandlungsmacht bei Herstellern und Händlern und Maß an (Rest-) Inter- und IntrabrandUnter Verbraucherschutzaspekten sind individuelle Preisdifferenzierungen aber unter Umständen problematisch, wenn sie in zeitlich dynamische, individualisierte Preissetzung übergehen. Wenn E-Commerce-Anbieter Nutzerdaten und Nutzerverhalten gezielt dafür verwenden, die Zahlungsbereitschaft und Kaufkraft individualisierter Kunden besonders gut abzuschöpfen, muss u. U. über die Missbrauchsregelungen eingegriffen werden, s. BKartA, Hintergrundpapier Digitale Ökonomie – Internetplattformen zwischen Wettbewerbsrecht, Privatsphäre und Verbraucherschutz (2015), 31. 227 Iacobucci, 19 World Competition L. & Econ. Rev. 1995, 71 ff., 85. 228 Die Endverbraucherpreise liegen im Falle aufeinanderfolgender Monopole regelmäßig über einem fiktiven Monopolpreis eines vertikal integrierten Unternehmens, vgl. Motta, Competition Policy (2004), 307 f.; a. A. Friedman, 1986 Wis. L. Rev., 873 ff. 229 Vgl. Rey / Vergé, Economics of Vertical Restraints, in: Buccirossi, Handbook of Antitrust Economics 2008, 353–389; Motta, Competition Policy (2004), 302 ff.; Dobson /  Waterson, 25 Int. J. Ind. Organ. 2007, 935 ff. 230 Rey / Vergé, Economics of Vertical Restraints, in: Buccirossi, Handbook of Antitrust Economics 2008, 353, 361. 231 Für Modellberechnungen in diesem Themenkomplex zu abgestuften Verhältnissen hinsichtlich der überwiegenden Verhandlungsmacht bei Hersteller oder Händler siehe Dobson / Waterson, 25 Int. J. Ind. Organ. 2007, 935 ff. 226

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1. Teil: Ökonomische Analyse der Preisbindung zweiter Hand

Wettbewerb zeigen verschiedene Modelle tatsächlich, dass die Preisbindung verglichen mit der Situation unbeschränkten Wettbewerbs, für den Verbraucher weniger schädliche Marktergebnisse erzielt.232 Sie ist damit ein geeignetes Mittel, negative Effekte von unterentwickeltem Wettbewerb abzumildern, allerdings beziehen sich die Modellergebnisse bereits auf eine unerwünschte Ausgangssituation eines oligo- bzw. monopolistischen Marktes. Die Preisbindung, die in einem Setting mit drastischem Mangel an InterbrandWettbewerb zusätzlich den Intrabrand-Preiswettbewerb der Händler beschneidet, muss daher besonders kritisch auf Eignung und Erforderlichkeit hin untersucht werden. Und tatsächlich finden Dobson und Waterson unter bestimmten Konstellationen bilateraler Oligopole auch negative Effekte von Preisbindungen im Vergleich zu Marktergebnissen unter unbeschränktem Wettbewerb – Dreh- und Angelpunkt ist die jeweilige Verhandlungsmacht der Händler zu sein.233 Hieran anknüpfend drängen sich für Hersteller Handlungsalternativen auf, um einerseits eine exzessive Händlermargenbildung zu verhindern und damit ihr Absatzinteresse zu schützen, andererseits den Intrabrand-Preiswettbewerb auf Händlerebene zu erhalten. Der Produzent kann zum Beispiel auf nicht-lineare Preismodelle234 zurückgreifen oder Mindestabnahmemengen vorgeben, sodass der Händler ein größeres Eigeninteresse am Absatz hoher Stückzahlen entwickelt. Auch Franchisesysteme stimulieren über die Franchise-Gebühr das Händlerinteresse an hohen Umsatzmengen. Noch naheliegender ist jedoch aus wettbewerbsrechtlicher Sicht der Rückgriff auf unbedenkliche Höchstpreisbindungen.235 Aufgrund der speziellen Problemausgangslage sowie der mangelnden Erforderlichkeit einer Mindest-, bzw. Festpreisbindung ist das Problem der doppelten Margenbildung für die ökonomische Beurteilung der Nützlichkeit von Preisbindungen in der Gesamtbetrachtung also eher unterzugewichten. 4. Preisbindung zur Nachfragesteigerung durch mehr Verkaufsstellen Eine weitere Hypothese bemüht die Preisbindung zur Absatzsteigerung über die zusätzliche Schaffung von Verkaufsstellen.236 Sie beruht auf der Annahme, dass die Nachfrage nach einem Produkt nicht nur über Preis und Qualität, sondern auch über die Verfügbarkeit, also die Zahl der Verkaufsstellen stimuliert Dobson / Waterson, 25 Int. J. Ind. Organ. 2007, 935 ff. Dobson / Waterson, 25 Int. J. Ind. Organ. 2007, 935 ff. 234 Geeignet sind hier nicht-lineare Preismodelle, die einen Fixpreis gegenüber dem Händler plus einer variablen Komponente für jede abgenommene Einheit vorsehen. Das führt zu verringerten Einkaufspreisen bei größerem Absatz, also zusätzlichen Verkaufsanreizen. 235 Schwalbe, WUW 2011, 1197, 1202. 236 Gould / Preston, 32 Economica 1965, 302 ff. wobei das Modell von perfektem Wettbewerb ausgeht; siehe zusammenfassend nur Paldor, Rethinking RPM (2007), 177 ff. 232 233

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wird. So haben Hersteller zwar ein Interesse daran, dass ihr Produkt möglichst günstig vermarktet wird, aber bei einem zu geringen Preis schrumpft auch der Pro-Stück-Erlös für die Händler, sodass weniger effizient arbeitende Händler aus dem Markt gedrängt würden. Die verbleibende Anzahl der Verkaufsstellen kann dann aus sozialer Perspektive suboptimal sein, wobei sich der Markt mit der Tendenz zum Gleichgewichtspreis in solchen Fällen nachweislich nicht selbst korrigiert.237 Eine Preisbindung schaffe eine zusätzliche Marge, die die notwendigen Mittel für mehr Verkaufsstellen und damit die Nachfrage steigert. Insgesamt würden somit auch Verluste wettgemacht, die durch den höheren Preis und entsprechende Nachfrageeinbußen entstehen. Anschaulich wird diese Erklärung der Preisbindung durch das Beispiel von Zeitungskiosken. 238 Zeitungen werden vielfach nur gekauft, wenn sich ein entsprechender Kiosk „auf dem Weg“ befindet und der Bezug keine zusätzlichen Anstrengungen erfordert. Bei ggf. noch kostendeckenden, aber gleichwohl geringem Preis können durch zusätzliche Kioske angesprochenen Kunden die Fixkosten niedrigfrequentierter Verkaufsstellen aber nicht decken. Im Modell kann der Verleger über einen gebundenen Preis eingreifen die notwendige Marge für mehr Outlets bereitstellen, wodurch sich ein anderes Gleichgewicht einstellt. Jedoch ist auch diese Erklärung für die Vorteilhaftigkeit von Preisbindung defizitär. Zunächst bedarf es für dieses Szenario gewisser Marktumstände, die die Anwendbarkeit deutlich einschränken.239 Die Erklärung betrifft nur Produkte, deren Nachfrage stark von der Verfügbarkeit von Verkaufsstellen abhängt,240 also vor allem solche Produkte, deren Nützlichkeit im Verhältnis zum Preis zwar gegeben, aber dennoch so gering ausfällt, dass schon geringer Bezugsaufwand (Umwege, Anstehen) unverhältnismäßig hohe Transaktionskosten generiert. Deshalb dürften in der Praxis – wenn auch in der Theorie nicht notwendigerweise – nur Convenience-Produkte im Niedrigpreissegment, also Zeitschriften, Magazine, Kaugummis, Zigaretten usw. Anwendungsbeispiele bilden.241 Zudem muss ein bestimmtes Verhältnis zwischen den Fixkosten zusätzlicher Verkaufsstellen und marginalen Kosten bestehen, um einen Markteintritt allein durch die preisbindungsinduzierte Marge anzuregen. Letztere muss einerseits hoch genug sein, um die Fixkosten zu decken, andererseits müssen überhaupt solche Kosten in ausreichendem Umfang bestehen, weil ansonsten auch ohne Preisbindung die Nachfrage für zusätzliche Verkaufsstellen ausreichen würde. Das exakte Verhältnis ist – so haben es auch die Begründer der 237 238 239 240 241

Paldor, Rethinking RPM (2007), 177. Hovenkamp, Federal Antitrust Policy (2nd Ed.), 445. Zur Kritik siehe nur Paldor, Rethinking RPM (2007), 178. So bereits die Begründer der Theorie Gould / Preston, 32 Economica 1965, 302, 309. Iacobucci, 19 World Competition L. & Econ. Rev. 1995, 71, 83.

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1. Teil: Ökonomische Analyse der Preisbindung zweiter Hand

Hypothese schon gesehen – schwer vorherzusagen, aber dieses Zusammenspiel verkleinert den Anwendungsbereich der Hypothese enorm.242 Viel kritischer ist jedoch die Schlussfolgerung, dass eine Preisbindung hier das Mittel der Wahl sei. Stattdessen rechtfertigt die Theorie eher eine Preisdifferenzierung, weil sie mit der Bemühung der Preisbindung ja gerade unterstellt, dass Kunden einen höheren Preis für ihre Zeitung allein aufgrund der Tatsache akzeptieren, dass sie an einem für sie günstigeren Ort bezogen werden kann.243 Ein flächendeckend einheitlicher Preis ist hingegen gerade nicht erforderlich oder sinnvoll. Gerade weil bei dem gegebenen Verhältnis von Produktwert und Transaktionskosten in einem solchen Verhältnis stehen, dass der Bezug von der Verfügbarkeit abhängig ist, besteht mutmaßlich eben kein direkter Preiswettbewerb zwischen den verschiedenen Verkaufsstellen. Der Markt ist aus Kundensicht räumlich ein anderer. Eine Preisdifferenzierung ist somit vorteilhaft für den Hersteller, da er keine Nachfrageverluste unter den preissensibleren Kunden fürchten muss, die das Produkt zu günstigen Preisen an frequentierten Stellen beziehen können. Dadurch würde sowohl die Produzenten- als auch die Konsumentenrente positiv beeinflusst.244 Zusammenfassend ist diese Erklärung für Preisbindungen aufgrund der genannten Schwächen im Anwendungsbereich und der zweifelhaften Eignung sowie Erforderlichkeit der Preisbindung getrost unterzugewichten. 5. Preisbindung zur Optimierung der Produktverfügbarkeit Im Leegin-Urteil wurde auch die Begründung der Preisbindung als Anreiz für eine optimal effiziente Lagerhaltung diskutiert.245 Eine Preisbindung könne dazu beitragen, dass Händler weniger sensibel auf Nachfrageunsicherheiten reagieren. Es ist ein besonderes Interesse des Herstellers, aber auch im Sinne des Wettbewerbs, dass Produkte verfügbar sind, d. h., Lagerbestände gehalten werden. Um das Risiko des Preisverfalls nicht tragen zu müssen, tendieren Händler Die Ausblendung von nichtpreislichem Wettbewerb ist wie bei anderen bereits besprochenen Theorien eine Schwachstelle, siehe mit Verweis auf empirische Erfahrungen beim Handel mit Zigaretten Paldor, Rethinking RPM (2007), 181. 243 Paldor, Rethinking RPM (2007), 182, Hovenkamp, Federal Antitrust Policy (2nd Ed.), 454; Iacobucci, 19 World Competition L. & Econ. Rev. 1995, 71, 83–84; tatsächlich werden im Sonderfall Zeitungen und Zeitschriften Argumente für eine Preisuniformität vorgebracht und stützen in Deutschland nach wie vor ein Sondervertriebssystem, vgl. unten 2. Teil D.VII., 323. 244 Daneben bestehen weitere Erwägungen, die gegen eine Preisbindung sprechen, siehe mit ausführlichem Beispiel nur Paldor, Rethinking RPM (2007), 184. 245 Leegin Creative Leather Products, Inc. v. PSKS, Inc., 551 U.S. 877 (2007); es handelt sich hier um eine relativ junge Erklärung für die Preisbindung, die nun vor allem für langfristige Lieferbeziehungen bemüht wird. Sie geht zurück auf Deneckere / Marvel / Peck, 111 Q. J. Econ. 1996–1997, 885–913; dies., 87 AER 1997, 619 ff. 242

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jedoch in unsicheren oder schlechten Wirtschaftslagen dazu, möglichst kleine Vorräte zu halten. Da die (Mindest-) Preisbindung zeitliche Preisschwankungen aufgrund unsteter Nachfrage verhindere, könne sie zur ausreichenden Lagerhaltung beitragen.246 Durch die Einführung einer Preisbindung garantiert der Hersteller dem Händler nämlich auch bei zukünftig geringer Nachfrage genug Profit, um die Kosten des Kaufs exzessiver Stückzahlen auszugleichen. Das wäre ein Anreiz für Händler, sich mit ausreichend hohen Beständen einzudecken. Allerdings ist auch für dieses Modell nicht nachgewiesen, dass dieser Eingriff in das Anreizumfeld tatsächlich wohlfahrtssteigernd ist.247 Erstens kann auch eine Anpassung der Großhandelspreise an erwartete Nachfrageschwankungen durch den Hersteller die entsprechenden Anreize bei Händlern setzen. Diese Möglichkeit ist nur aus Herstellersicht nicht gleich attraktiv, weil sie ein größeres Monitoring der mittelfristigen Preisentwicklung notwendig und zeitweise geringere Großhandelspreise wahrscheinlich macht.248 Konsumentenrente und Gesamtwohlfahrt fallen jedoch in Modellen ohne Preisbindung höher aus und zwar sowohl bei Szenarien mit großen Nachfrageschwankungen als auch in Modellen mit kleinen Nachfrageschwankungen.249 Unter der Annahme, dass ein nachfrageabhängiger Großhandelspreis eine bessere Wirkung erzielt als die Preisbindung, die jedoch den Wettbewerb auf der Handelsebene ausschaltet, ist die letztere ökonomisch betrachtet weder erforderlich, noch besonders geeignet. Hinsichtlich zweifelhafter Eignung und Wirkung von Preisbindungen kommen zudem andere Maßnahmen in Betracht, um das Problem der unsicheren Nachfrageentwicklung zu lösen. Im Handel etablieren und bewähren sich Lösungen, bei denen überzählige Stückzahlen an den Hersteller zurückgegeben werden können (Kommissionskäufe oder Rückkäufe).250 Deshalb ist die Preisbindung als Anreiz zur besseren Lagerhaltung nur aus Perspektive des Herstellers eine pro-kompetitive Erklärung, jedoch nicht im weiteren Sinne. Zudem besteht auch schon ein generelles Glaubwürdigkeitsproblem hinsichtlich der Durchsetzung einer solchen Preisbindung. In der Theorie soll sie das Risiko eindämmen, bei einem Nachfrageeinbruch auf überschüssigen 246 Deneckere / Marvel / Peck, 111 Q. J. Econ. 1996–1997, 885 ff.; dies., 87 AER 1997, 619 ff.; Weiterentwicklungen dieser Theorie in Bezug auf Eigenmarken deren traditionelle Bedeutung („low-cost-low-quality-product“ / Substitute für Markenprodukte bei Lieferenpässen) einem Wandel unterliegt Carlton / Dana, 56 J. Ind. Econ 2008, 535 ff.; MacKay /  Smith, The Empirical Effects of Minimum Resale Price Maintenance (2014), 19. 247 Paldor, Rethinking RPM (2007), 211; den Einwand führen die Verfasser selbst an, Deneckere / Marvel / Peck, 111 Q. J. Econ. 1996–1997, 885–913; dies., 87 AER 1997, 623. 248 Paldor, Rethinking RPM (2007), 214. 249 Deneckere / Marvel / Peck, 87 AER 1997, 620; Paldor, Rethinking RPM (2007), 215. 250 Paldor, Rethinking RPM (2007), 218, 219; Deneckere / Marvel / Peck, 87 AER 1997, 622, sog. Buybacks, also Return-Politiken sind verwaltungsaufwendig und kostenintensiv, werden aber durchaus praktiziert.

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1. Teil: Ökonomische Analyse der Preisbindung zweiter Hand

Lagerbeständen „sitzenzubleiben“. Gesetzt die Annahme, die Ware habe keinerlei Restwert, steigt das Interesse der Händler, überschüssige Stückzahlen für irgendeinen Preis größer als 0 abzusetzen – ein Preiskampf ist unumgänglich. Ähnlich wie in der Hypothese zur Vertragsdurchsetzung bei Serviceleistungen kommt es aber zu einem Opportunitätsproblem, weil ein Hersteller, der seine Kosten bereits über den Großhandelspreis gedeckt hat, an der kostspieligen Durchsetzung einer Preisbindung kaum Interesse hat.251 Dass Händler tatsächlich auf gebundene Preise vertrauen können, ist damit zwar insbesondere bei langfristigen Lieferbeziehungen nicht ausgeschlossen, aber in Zeiten besonders stark einbrechender Nachfrage höchst fraglich.252 Bei langfristigen Beziehungen und Warten auf eine Erholung der Nachfrage generieren dieselben Lagerbestände über eine relativ lange Liegezeit entsprechende Lagerhaltungskosten – Kosten, die nicht ins Modell einbezogen wurden.253 Damit scheint eine Preisbindung in Bezug auf bessere Lagerhaltung allenfalls ein Nullsummenspiel zu sein: wird nämlich eine Mindestpreisbindung gebraucht, so wird in Zeiten wirtschaftlichen Abschwungs aber gleichbleibender – weil vorgeschriebener – Preise der Absatzrückgang deutlicher ausfallen. Das Ausgangsmodell kommt schon hier rechnerisch zu Effizienzverlusten hinsichtlich der Konsumentenrente. Mit abschließendem Blick auf das moderne Vertriebsumfeld hat der Hersteller auch kein unbedingt größeres Interesse an der Menge der vorgehaltenen Produkte als an der Menge der Vertriebsstätten.254 In Zeiten wachsenden Internethandels können Händler schnell auf Nachfrageschwankungen reagieren; viele Händler, insbesondere Internethändler steuern ihren Bezug vom 251 Die o.a. Erklärung für Preisbindungen beruht zudem auf der unrealistischen Annahme, überschüssige Bestände hätten keinerlei Schrott- oder Restwert. Allerdings haben Händler häufig ein Interesse, überschüssige Stücke für jeden möglichen Preis zu verkaufen, um ihre Verluste zu minimieren. Mit Preisbindung wird dies unmöglich, trotzdem verbleibt das Interesse, die Differenz von gebundenem Preis und (Rest-) Marktwert durch nichtpreislichen Wettbewerb, also Zusatzangebote aufzufangen. Paldor sieht die Hypothese insofern durch nichtpreislichen Wettbewerb widerlegt, siehe Rethinking RPM, 215, 216 im Vergleich mit Deneckere / Marvel / Peck, 111 Q. J. Econ. 1996–1997, 885 ff. Wenngleich diese Schlussfolgerung nicht ganz schlüssig wird, stimmt es im Prinzip, dass die Preisbindung Händlern eben auch die Möglichkeit nimmt, auf Nachfrageschwankungen durch Abstoßung zu Räumungspreisen zu reagieren. Die Antizipation dieser Situation könnte Händler gerade davon abhalten, große Lagerbestände anzulegen. 252 Mit Verweis auf das Glaubwürdigkeitsproblem, entwickelt bei Klein / Murphy, 31 J. L. & Econ. 1988, 270 s. Paldor, Rethinking RPM (2007), 218. Dies ist allerdings kein Problem, sobald es sich um eine langfristige Lieferbeziehung handelt, also im Sinne der Spieltheorie wiederholte Spiele stattfinden. Außerdem wäre auch eine vertragliche Verpflichtung des Herstellers zur Durchsetzung der Preisbindung im Gegenzug denkbar. Berechtigt ist die Kritik aber insofern, als das Modell diese Aspekte unberücksichtigt lässt. 253 Peeperkorn, 4 ECJ 2008, 201, 211; Schwalbe, WuW 2011, 1997, 1204. 254 Klein, 76 Antitrust L. J. 2009, 451.

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Hersteller ohnehin abhängig von konkreten Bestellungen und/oder unterhalten weniger permanent große Lagerbestände. Die hierdurch entstehenden Effizienzgewinne könnten bei gebundenen Preisen jedoch nicht an Kunden weitergegeben werden. Insgesamt ist dieses Argument für die Preisbindung deshalb auch im Sinne der modernen Vertriebsgeschwindigkeit nicht valide. Damit besteht kein Grund, warum der volkswirtschaftliche Verlust unter Preisbindung in nachfrageschwachen Zeiten hingenommen werden muss, wenn ansonsten andere Maßnahmen (angepasste Großhandelspreise, Rücknahmemodelle) zur Verfügung stehen, um legitimen Verfügbarkeitsinteressen des Herstellers zu genügen. Empirische Ergebnisse weisen in dieselbe Richtung: Eine Untersuchung aus dem Jahr 2013, die sich mit dem Verhältnis vorgehaltener Markenprodukte im Verhältnis zu traditionell als low-cost-low-qualitySubstitut vorgehaltenen Eigenmarken vor und nach der Leegin-Entscheidung beschäftigte, konnte keinen Hinweis darauf finden, dass Unternehmen tatsächlich auf RPM zurückgriffen, um Lagerbestände bei Händlern zu optimieren und Lieferengpässe zu vermeiden.255 Es ist also auch bei dieser Erklärung für Preisbindungen eher von einem Auseinanderfallen theoretischer Effizienzmotive und praktischer Nutzung von Preisbindungen auszugehen. Angesichts dieser Feststellungen ist auch diese Anreiztheorie für Preisbindungen so gering zu gewichten, dass keine rechtliche Erlaubnis angezeigt ist. 6. Zusammenfassung Alle dargestellten Nutzungen der Preisbindung zur Überbrückung von Anreizinkompatibilitäten haben somit zwar Effizienzgewinne im Fokus. Neben untergeordneter Relevanz kranken die Modelle in der Regel aber daran, dass es sich um Modelle mit nur einem Hersteller handelt, bei gleichzeitiger Betrachtung der Interbrand-Auswirkungen also zu befürchten ist, dass sich die Anreizstimulationen der einzelnen Vertriebsketten im Interbrand-Wettbewerb aufheben. Zudem findet sich bei allen diesen Theorien eine oder mehrere Alternativen, die – bei zudem zweifelhafter Eignung Preisbindung, solange sie nicht von anderen Maßnahmen flankiert wird – geeignetere und potenziell weniger schädliche Mittel darstellen, den jeweiligen Interessen des Herstellers angemessen zu dienen. In Vertikalbeziehungen, die auf eine langfristige Liefer- und Abnahmebeziehung angewiesen sind und eine glaubhafte Selbstbindung der Vertragspartner erfordern, um das Risiko opportunistischen Verhaltens, bzw. deren Auswirkungen einzudämmen, haben sich Vertragslösungen wie Rückkaufvereinbarungen (sog. Buybacks), Kommissionsmodelle und lineare Abnah-

255 Mit weiteren Nachweisen MacKay / Smith, The Empirical Effects of Minimum Resale Price Maintenance (2014), 19, 22.

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1. Teil: Ökonomische Analyse der Preisbindung zweiter Hand

mepreise durchgesetzt, die anerkanntermaßen auch Anreizprobleme lösen.256 Diese o. g. Wege sind aus ökonomischer Sicht einer Preisbindung, die häufig zwar wie festgestellt Anreizprobleme abmildern kann, diese aber nicht hinreichend eliminiert, oft überlegen. Bereits mit bilateralen Buyback-Verträgen ohne die Bindung von Preisen lassen sich nach jüngeren Modellen indessen (ggf. in Verbindung mit als grundsätzlich unproblematisch angesehenen Höchstpreisbindungen) Monopolgewinne perpetuieren.257 Gerade anhand des häufig festgestellten Zusammenspiels der Preisbindung mit anderen vertraglichen Maßnahmen wird das Gefährdungspotenzial deutlich: auch wenn eine Preisbindung ambivalente Auswirkungen hat und schädliche Folgen für den Wettbewerb auch mit anderen Mitteln erreicht werden können, spricht vieles dafür, genau dieses Instrument der Kontrolle nicht den Marktakteuren zur Disposition freizugeben. Die Betrachtung klassischer und fortentwickelter Anreiztheorien der Preisbindung spricht also vor allem mit Blick auf Konstellationen mit mehreren Herstellern für ein präventives Verbot. Eine Rechtfertigung bei – als solchen nachzuweisenden – überwiegenden Effizienzerwartungen ist deshalb ausreichend. III. Preisbindung, Marketing und Qualität Die bisher betrachteten Rechtfertigungen für eine Preisbindung konzentrieren sich vornehmlich auf den Werttransfer zwischen Verkäufer und Käufer und auf Wechselwirkungen zwischen Preis und abgesetzter Menge eines Produkts. Preise nahe den Grenzkosten werden als effizient und unter Wohlfahrtsaspekten als wünschenswert angesehen. Daneben erfüllt der Preis aber eine darüber hinausgehende Funktion im Handel. Der folgende Abschnitt lenkt den Blick auf marketingspezifische Effekte von Preisen und geht der Frage nach, ob und wenn ja wieweit diese im Sinne des Wettbewerbsrechts schützenswert sind und gegebenenfalls auch den Einsatz einer Preisbindung rechtfertigen können. Im Konsumalltag erfüllt nicht nur die Marke, sondern auch der Preis eine Signalfunktion.258 Er wird als Bestandteil des Produktes wahrgenommen und signalisiert eine bestimmte Qualität bis hin zur Exklusivität. Aufgrund von Marketinginteressen wird deshalb die Preisbindung als ein wertvolles WerkGenannt werden regelmäßig buybacks, consignment sales (Kommissionsgeschäfte), per unit royalties und Lizenzgebühren, s. zum hier nicht weiter vertieften Problem Motta, Competition Policy (2004); m. w. N. Montez, 46 RAND J. Econ. 2015, 650 ff., 663. 257 Montez, 46 RAND J. Econ. 2015, 650 ff., 651, weshalb gar die Vermutung aufgestellt wird, eine Liberalisierung des Preisbindungsverbotes lasse zumindest im Zusammenhang mit dem Ausschluss opportunistischen Verhaltens eines Produzenten keinen nennenswerten Effekt erwarten, wenn man bedenkt, dass bereits bilaterale vertragliche Lösungen in schädlicher Weise genutzt werden können. 258 Orbach, 55 Antitrust Bull. 2010, 277 ff.; Paldor, Rethinking RPM (2007), 231 f.; Marvel / McCafferty, 15 RAND J. Econ. 1984, 346 ff.; Motta, Competition Policy (2004); zuletzt Inderst / Maier-Rigaud, CPI Antitrust Chronicle 2015 (1), 1 ff. 256

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zeug zur Markenpflege des Herstellers angesehen. Unter einer Marke versteht man unter Marketinggesichtspunkten alle Vorstellungen, die ein Markenname oder ein Markenzeichen bei Kunden hervorruft und die Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denen anderer Unternehmen positiv unterscheidet.259 Aus Herstellerperspektive erwünschte Assoziationen entstehen beim Verbraucher zwar nicht in gänzlich steuerbarer Weise, trotzdem ist die Akzeptanz der Konsumenten über die vier Parameter Produkt, Platzierung, Werbung und Preis beeinflussbar.260 Neben die messbaren Werte hinsichtlich Produkteigenschaft, Preis, Verfügbarkeit, Nützlichkeit usw. tritt im Falle eines gut vermarkteten Produkts idealer Weise langfristig ein „Mythos“, auf den die Prominenz der Marke aufbaut.261 Weil dieser angestrebte starke Markenmythos in der Verbraucherpsyche aber mit einer stimmigen Vermarktung im Hinblick auf die oben genannten Parameter einhergehe, könne eine Marke durch inkonsistente Präsentation schnell an Glaubwürdigkeit verlieren.262 Eine gewisse Interdependenz wird auch durch die neurologische Forschung belegt.263 So induziert die Vorstellung über die preisliche Positionierung eines Produktes zusammen mit den Erwartungen hinsichtlich einer sensorischen Erfahrung bei Probanden das erwartete Wahrnehmungserlebnis in messbarer Weise.264 Kunden lassen sich also – auch durch Preisangaben – nicht nur kognitiv täuschen, indem sie zu Rückschlüssen auf Qualität verleitet werden. Vielmehr wird das passende sensorische Erlebnis – im Sinne einer selbsterfüllenden Prophezeiung oder eines Placebo-Effekts – tatsächlich generiert. Auch wenn insofern keine Täuschung im technischen Sinne vorliegt, ist diese Art des Marketings aus normativer Sicht nicht legitim, solange das Konsumerlebnis nicht von einer vorhandenen Qualität getragen ist. Deshalb wird aus wettbewerbspolitischer Sicht zu Recht grundsätzlich kein gesteigertes Gewicht auf Marketingargumente gelegt und damit kein legitimes Interesse Gabler Wirtschaftslexikon, Stichwort: Marke, abrufbar ; in Abgrenzung zur juristisch verstandenen, rechtlich geschützten Marke soll vorliegend von einer „Marke“ im vorgenannten Sinne ausgegangen werden. 260 Gabler Wirtschaftslexikon, Stichwort: Marketing, abrufbar . 261 Ahlert / Schefer, in: Ahlert et al., Vertikale Preis und Markenpflege (2012), 5 ff.,14. 262 Mit weiteren Nachweisen sowie Beispiel des Energy-Drinks „Red Bull“ nur Ahlert /  Schefer, in: Ahlert et al., Vertikale Preis und Markenpflege (2012), 5 ff., 14. 263 Ahlert / Schefer, in: Ahlert et al., Vertikale Preis und Markenpflege (2012), 5 ff., 64. 264 Im Rahmen einer Blindverkostung von Wein schlossen Probanden, die im Vorhinein die Information erhielten, es handle sich um einen teuren Wein, auf ein besseres sensorisches Erlebnis und bestätigten dieses in ihrem Votum. Die Erwartung wurde nicht nur kognitiv geweckt, sondern bestätigte sich im Geschmacksempfinden sensorisch, was mit bildgebenden Verfahren festgestellt werden konnte (Nachweis von Aktivität im medialen orbito-frontalen Kortex mittels Magnetresonanztherapie), Plassmann / O’Doherty / Shiv /  Rangel, 105 PNAS 2008, 1050 ff. 259

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1. Teil: Ökonomische Analyse der Preisbindung zweiter Hand

an einer Preispflege über eine Preisbindung angenommen. Ein aus Verbrauchersicht stimmiges Verhältnis von Produktqualität und Preis setzt das Vertrauen in einen wettbewerblichen Markt nämlich geradezu voraus. Bedenklich sind mithin ausschließlich Situationen, in denen der Wettbewerb verfälschend auf Preis- und Qualitätssignale von Produkten wirkt, weil er Produkte oder Leistungen unterbewertet. Theoretisch – so die Befürchtung – können ein zu intensiver Preiswettbewerb und Preise unter einem bestimmten Level ein Markenimage beschädigen oder vernichten.265 Da der Hersteller den Verkaufspreis seines Produktes über Großhandelspreise beeinflussen kann, müssten also Umstände denkbar sein, unter denen Händler geneigt sind, Produkte nicht kostendeckend oder mit Verlust zu handeln. Dies ist die Situation bei sog. Lockvogelangeboten266 (engl. loss leader strategy), einer Marketingstrategie, bei der der Händler das Herstellerprodukt zu einem besonders günstigen, teilweise nicht kostendeckenden Preis verkauft. Die dadurch gesteigerte produktspezifische Nachfrage267 ist üblicherweise nur ein Mittel, um zusätzliche Kunden in der Hoffnung in die Verkaufsstelle zu locken268, dass diese über den gleichzeitigen Einkauf auch anderer Produkte den Umsatz steigern.269 Beispiele so eingesetzter Produkte reichen von niedrigpreisigen und verderblichen Lebensmitteln, die periodisch gekauft werden (z. B. Milch,270 Butter, Zucker, Getreidemehl) zu bekannten Markenprodukten, die der Käufer im Sortiment erwartet und bei denen ein günstiger Preis ein besonderes Schnäppchengefühl erzeugt. Demgegenüber hätten Hersteller aber ein berechtigtes Interesse daran, dass ihre hochwertigen Produkte nicht „verramscht“ werden.271 Der Verkauf zu Schleuderpreisen erwecke – unabhängig von der tatsächlich vielleicht gerinOrbach, 55 Antitrust Bull. 2010, 277 ff. Für die prinzipielle Betrachtung ist es irrelevant, ob das Produkt unter Einkaufs- oder Einstandspreis oder anderweitig nicht kostendeckend vermarktet wird. 267 Tatsächlich negativ beeinflusst von günstigen Preisen sind direkt nur Produkte mit untypischer Nachfragefunktion, namentlich Fälle des Giffen-Paradoxons. Giffen-Güter zeichnen sich dadurch aus, dass die Nachfrage nach ihnen mit wachsendem Preis steigt. Die wenigsten Güter sind Giffen-Güter. Beispiele sind bestimmte Geschenkartikel, die weniger gekauft werden, wenn ihr Preisniveau zu stark sinkt. Vertieft m. w. N. Paldor, Rethinking RPM (2007), 227. 268 Lockangebote, bei denen Kunden zum Kauf eines Produkts angelockt werden, von dem der Händler keine ausreichende Stückzahl zu dem beworbenen Angebotspreis bereithält, damit Kunden bewogen werden, auf ein (Substitutions-) Produkt derselben Kategorie zurückzugreifen, ist als irreführende Werbung einzustufen und lauterkeitsrechtlich verboten, s. Anhang zu § 3 Abs. 3 UWG, Nr. 5. 269 Free-Rider-Problem aus Herstellersicht, Areeda / Hovenkamp, Antitrust Law, VIII, (3rd Ed.), ¶1619, 219 ff. 270 Milch und Micherzeugerpreise sind häufig Gegenstand in der Tagespresse, s. Grossarth, Milch ist nicht billiger als Wasser, FAZ v. 9.9.2015; Kottasova, Why milk is cheaper than water in Europe, CNN Money v. 8.9.2015. 265 266

B. Die positiven Wirkungen von Preisbindungen der zweiten Hand

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gen Gewinnmarge – den Eindruck, dass der Normalpreis nicht gerechtfertigt sei.272 Es handelt sich hier gewissermaßen um eine Parallelargumentation zur Qualitätszertifizierung.273 Im Ergebnis ist deshalb ein Einschreiten nicht notwendig. Darüber hinaus wäre die Preisbindung auch weder ein erforderliches noch geeignetes Mittel.274 Zunächst wird die Theorie durch die Funktionsweise der Lockvogelangebote nämlich selbst begrenzt. Lockvogelangebote bauen darauf, dass Kunden den geringen Preis eines Produktes gegenüber dessen qualitativen Mehrwert erkennen. Eine Lockvogelstrategie ist deshalb nur erfolgreich, wenn das jeweilige Produkt eine besonders starke Marke ist, bei der das Markenimage auf einer konstanten Qualitätserfahrung der Kunden beruht. Produkte starker Marken, die sich als Loss-Leader eignen, sind daher relativ immun gegen Preisverrisse und eben nicht, wie häufig konstatiert, besonders gefährdet.275 Dass die Absatzsteigerung über Sonderangebote ansonsten häufig im Interesse des Herstellers liegt, zeigt sich insbesondere darin, dass die Preisbindung zur Koordinierung von solchen zugelassen ist.276 Insbesondere zeitlich begrenzte Sonderaktionen entwickeln also zunächst kein Schädigungspotenzial für starke Marken. Die Praxis zeigt, dass Hersteller hier häufig ein Interesse haben, durch Händlersonderaktionen ihre Marke wieder in den Vordergrund des Verkaufs zu drängen und die hierfür zusätzlich benötigten Mengen mit dem Händler im Voraus abstimmen.277 Aus ökonomischer Sicht ist der Einsatz eines Loss-Leaders aber deshalb gerade kein dauerhaft rentables Vorgehen, weil der Händler das Verlustgeschäft – soweit nicht durch andere Verkäufe ausgeglichen – hinnehmen muss.278 Es handelt sich daher in aller Regel um kurzfristige Absatzstrategien. Die Eigeninvestition des Händlers begrenzt die Attraktivität solcher Strategien in zeitlicher und finanzieller Dimension. Insofern können Hersteller das Preisniveau ihrer Produkte im Handel in erster Linie über die Herstellerabgabepreise beeinflussen.279 271 So z. B. Möschel, Vertikale Preisbindung, in: Kartellrecht in Theorie und Praxis 2012, 341 ff., 345. 272 Ahlert / Schefer, in: Ahlert et al., Vertikale Preis und Markenpflege (2012), 5 ff, 14. 273 Vgl. zur Qualitätszertifizierung 1. Teil B.I.2, 31; Marvel / McCafferty, 15 RAND J. Econ. 1984, 346 ff; Motta, Competition Policy (2004); Haucap / Klein, in: Ahlert et al., Vertikale Preis und Markenpflege (2012), 179. 274 Haucap / Klein, in: Ahlert et al., Vertikale Preis und Markenpflege (2012), 179. 275 A. A. Ahlert / Schefer, in: Ahlert et al., Vertikale Preis und Markenpflege (2012), 5 ff, 14, 26, 27. 276 Komm., Vertikalleitlinien 2010, Rn. 225. 277 Die gemeinsame bedarfsgerechte Mengenplanung von Hersteller und Händler erfordert keine Abstimmung über Endverkaufspreise, wird daher vom Preisbindungsverbot nicht berührt. 278 Haucap / Klein, in: Ahlert et al., Vertikale Preis und Markenpflege (2012), 179. 279 Haucap / Klein, in: Ahlert et al., Vertikale Preis und Markenpflege (2012), 179.

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1. Teil: Ökonomische Analyse der Preisbindung zweiter Hand

Hersteller fürchten langfristige Auswirkungen dauerhafter und flächendeckender Niedrigpreisstrategien eher aufgrund der generell abnehmenden Zahlungsbereitschaft bei Kunden für diesen Artikel, die mittelfristig auch den Preisdruck im Großhandel steigert.280 Für bestimmte Branchen wird tatsächlich vermutet, dass die Steuerung über den Großhandelspreis aufgrund verschobener wirtschaftlicher Machtverhältnisse nicht möglich sei. Insbesondere der Lebensmittelsektor sei durch die strukturelle Überlegenheit des Einzelhandels hinsichtlich vieler Basisgüter gekennzeichnet.281 Allerdings ist in solchen Fällen, in denen Händler aufgrund ihrer Marktstärke Herstellermarken durch Auslistung bedrohen oder nicht kostendeckende Einkaufspreise aushandeln aufgrund der im Raume stehenden Missbrauchstatbestände ein regulatorisches Eingreifen denkbar. Durch Preisbindungen im Endverkauf werden bei entsprechender Marktmacht des Handels jedenfalls keine höheren Erzeugerpreise bewirkt.282 In einer Konstellation übermächtigen Handels, der dazu neigt, Herstellerprodukte zu „verramschen“, wäre eine Preisbindung zudem vom Hersteller ohnehin nicht im Wege der Verhandlung durchzusetzen. Händler, die wirtschaftlich in der Lage sind, Produktpreise signifikant und dauerhaft unter den Einstandspreis zu drücken, ohne sich selbst dadurch finanziell zu überfordern, dürften jedenfalls vom Verbot des Verkaufs unter Einstandspreis gem. § 20 GWB begrenzt werden,283 sodass die pauschale Heraufbeschwörung radikaler Preisverrisse wohl als überzogen angesehen werden muss. Wiederum wird sogar vertreten, dass Verkäufe unter Einstandspreis weit weniger schädlich sind als angenommen und daher selbst das Untereinstandspreisverbot problematisch sei.284 Außerhalb dieses Einsatzbereiches wurde in jüngster Vergangenheit anhand von Beobachtungen in Kategorien mit hoher Abverkaufsgeschwindigkeit (Fast Moving Consumer Goods/FMCG)285 wie dem Lebensmittelsektor, eine verwandte Argumentationslinie für die Preisbindung entwickelt, die versucht, eine vermutete direkte Wechselwirkung nicht nur zwischen Preis und wahrgenommener, sondern auch zwischen Preis und realisierter Qualität 280 Dass Markenerosion sogar bei kurzfristigen Sonderangeboten drohe, Ahlert /  Schefer, in: Ahlert et al., Vertikale Preis- und Markenpflege (2012), 5 ff., 14, 26, 27; dezidiert zur Preisbindung und deutschem Lebensmitteleinzelhandel s. nur Schefer, Das Verbot der vertikalen Preisbindung (2013). 281 Immer wieder genanntes Beispiel ist der Milchpreis, bzw. generell der günstige Preis bestimtmer Lebensmittel, der unter moralischen Aspekten kritisiert wird. 282 Haucap / Klein, in: Ahlert et al., Vertikale Preis- und Markenpflege (2012), 179. 283 Zu diesem Themengebiet z. B. Wackerbeck, WRP 2006, 991 ff. 284 Haucap / Klein, in: Ahlert et al., Vertikale Preis und Markenpflege (2012), 182. 285 Sog. schnelldrehende Produkte sind Waren, die im Verkaufsregal mit hoher Frequenz wechseln, weil sie häufig (z. B. wöchentlich), spontan und routiniert gekauft werden. Beispiele sind Konsumgüter des täglichen Bedarfs wie Nahrungsmittel, Körperpflegeprodukte, Reinigungsmittel etc.

B. Die positiven Wirkungen von Preisbindungen der zweiten Hand

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nachzuweisen.286 Die Autoren erklären den modelltheoretisch nachgewiesenen Zusammenhang über verschiedene Mechanismen.287 Die formale Darstellung bringt gleichwohl keinen zusätzlichen Erkenntnisgewinn, weil zunächst ein äußerst schmaler Anwendungsbereich besteht.288 Vor allem aber bedeutet ein auch im Modell nachgewiesener Zusammenhang zwischen höheren Preisen und resultierender Qualität keine Zulässigkeit des Umkehrschlusses dahingehend, dass günstige Preise – auch unter Einstandspreis – gegenläufige Qualitätswirkungen mit sich brächten, die ein Eingreifen über die Preisbindung rechtfertigten. Solange der Mehrwert für die Kunden nicht abnimmt, sind günstigere Preise also nicht schädlich, wie sie bloßes Symptom funktionierenden Wettbewerbs, einschließlich eines Verdrängungswettbewerbs, sind.289 Die speziell ausgestaltete Argumentation bei Luxusartikeln trifft unter dem Stichwort „Image Theory“ hingegen auf weitreichende Anerkennung.290 Luxusgüter verschaffen dem Kunden dadurch besondere Exklusivität und Statussymbolik, dass für sie ein Preis ausgerufen wird, der das Zahlungsvermögen oder die Zahlungsbereitschaft des durchschnittlichen Konsumenten übersteigt. Damit werde er zu einem eigenständigen Produktmerkmal.291 ImagePflege erfordere daher ein einheitliches Preisniveau zur Erhaltung der Exklusivität.292 In der Tat ist der Grundsatz, das günstige Preise immer auch einen besseren Absatz mit sich bringen, hier in gewisser Weise relativiert, weil ein besonders hoher Preis als Produktfeature angesehen wird und der Kunde ein Kaufinteresse hat, obwohl der Preis u. U. weit über den dem Produkt innewohnenden Wert hinausgeht.293 Es besteht also eine bestimmte Präferenz von 286 Inderst / Pfeil, An „Image Theory“ of RPM (2014) mit formaler Darstellung; sowie Inderst, WuW 2014, 456–466; Möschel, WuW 2010, 1229. 287 Unter der Annahme, dass Preise Qualitätsindikatoren sind, wird darauf abgestellt, dass der Hersteller mit dem Preisniveau auch eine Qualitätserwartung hervorrufe, die er bzgl. des Preis-Leistungsverhältnisses nicht nur einmalig, sondern auch weiterhin erfüllen muss. Im Lebensmittelbereich müssten beständig gleichwertige Ausgangsprodukte beschafft, Produktionsqualität und Hygienestandards eingehalten werden. Im Modell werden drei verschiedene Begründungen für die Korelation von Preis und Qualität aufgezeigt, Inderst, WuW 2014, 460–462. 288 Die Autoren weisen selbst auf den geringen Anwendungsbereich hin, Inderst, WuW 2014, 456–466; Inderst / Maier-Rigaud, CPI Antitrust Chronicle 2015(1), 1 ff. 289 Haucap / Klein, in: Ahlert et al., Vertikale Preis und Markenpflege (2012), 179. 290 Das Problem wurde bereits 1916 besprochen, Taussig, 6 Am. Econ. Rev. 170, 172, 178; in der Preisbindungsdebatte verstärkt als pro-kompetitive Erklärung wieder seit Mitte der 2000er-Jahre, siehe Orbach, 55 Antitrust Bull. 2010, 277 ff.; ders., 50 Ariz. L. Rev. (2008), 261; Motta, Competition Policy (2004), 334. 291 Orbach, 55 Antitrust Bull. 2010, 277, 286. 292 Orbach, 55 Antitrust Bull. 2010, 307. 293 Mit Verweis auf auf Taussig, 6 Am. Econ. Rev. 170 ff., s. nur Orbach, 55 Antitrust Bull. 2010, 277 ff.

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1. Teil: Ökonomische Analyse der Preisbindung zweiter Hand

Kunden, die auch als eine unter Umständen sozial unerwünschte Nachfrage im Sinne des Wettbewerbsrechts schützenswert ist. Trotz des speziellen Interesses an der Demonstration besonderer wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit ist der Mehrwert des Kunden nicht auf den tatsächlich zu zahlenden Preis, sondern auf den Besitz gerichtet, d. h. das Interesse, Luxusgüter günstiger zu erwerben, entfällt nicht grundsätzlich. Günstige Preise dürfen daher nur nicht so flächendeckend auftreten, dass Artikel allgemein erschwinglich werden und somit Exklusivität einbüßen.294 Selbst hochexklusive Designerstücke und Luxusartikel, die neben dem individuell nutzenstiftenden Komfort als Statussymbol gekauft werden, sind von gelegentlichen Sonderpreisen in ihrer Symbolik nicht negativ betroffen, weil Verbraucher nicht erkennen können, zu welchem Preis das jeweilige Produkt erworben wurde, das sie im Alltag an anderen Personen wahrnehmen. Um das nichtsdestoweniger vorausgesetzte Luxuspreissegment nicht zu verlassen, ist eine Preisbindung jedoch keinesfalls notwendig, weil die Kontrolle der Großhandelspreise bzw. der selektive Vertrieb ausreichende Instrumente darstellen, um den Prestigefaktor eines Produkts zu erhalten.295 Dies bestätigt die Handelswirklichkeit im Luxussektor. Luxusartikelhersteller vertreiben aufgrund besonderer Ansprüche an das Design des Ladenlokals oder die Bedienung meist ohnehin in geschlossenen Vertriebssystemen und nutzen Franchise-Modelle oder eigene Geschäfte. Exklusivitätsansprüche von finanzkräftigen Konsumenten werden vornehmlich in solchen Flagship Stores bedient. In diesem Rahmen ist die Steuerung über Großhandelspreise und vertragliche Vertriebsspezifikationen völlig ausreichend und eine Preisbindung ist nicht erforderlich. Daneben unterhalten Luxusartikelhersteller meist selbst unterschiedliche Outlet-Konzepte, in deren Rahmen reduzierte Ware in erheblichem Umfang angeboten wird.296 In der Regel sind auch hier Exklusivitätseinbußen kaum zu verzeichnen, weil jedenfalls relative Preisniveaus beibehalten werden. So werden in den USA und Europa mit Fabrikverkaufszentren (sog. Factory-Outlet-Center/FOC) regelrechte Outlet-Dörfer als Absatzkanäle für Luxushersteller betrieben, ohne dass Markenimages hierdurch zerstört würden. Marketingaspekte können daher Preisbindungen weder unter Gesichtspunkten der Markenpflege noch zur Sicherstellung realisierter Qualität rechtfertigen.

Orbach, 55 Antitrust Bull. 2010, 286. Orbach, 55 Antitrust Bull. 2010, 293; Haucap / Klein, in: Ahlert et al., Vertikale Preis und Markenpflege (2012), 179. 296 Auch als sog. Outlet-Store, Designer-Outlet-Center, Werksverkauf, Herstellerdirektverkaufszentren u. a. bezeichnet. 294 295

C. Die negativen Wirkungen von Preisbindungen der zweiten Hand

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C. Die negativen Wirkungen von Preisbindungen der zweiten Hand im markenexternen Wettbewerb C. Die negativen Wirkungen von Preisbindungen der zweiten Hand

Die Kernargumente gegen Preisbindungen beziehen sich auf die negativen Auswirkungen solcher Vereinbarungen auf den markenexternen Wettbewerb (Interbrand-Wettbewerb), also den Wettbewerb zwischen verschiedenen Wertschöpfungsketten. Die Bedenken werden an vier Ausgangspunkte geknüpft: Händlerkartelle, Herstellerkartelle, Ausschluss von Wettbewerbern und Verhinderung von Innovation. Während die ersten beiden klassische Theorien in dem Sinne sind, dass sie zu den ältesten ökonomischen Argumenten für Preisbindungen gehören, wandern letztere Aspekte erst langsam wieder in den Fokus der Preisbindungsdiskussion. I.

Kartellargumente

Nachdem die Schädlichkeit von Kartellen ökonomisch unstrittig ist, haben die Erklärungen gegen Preisbindungen seit dem Siegeszug der ökonomischen Analyse und der Fokussierung auf die modelltheoretische Untersuchung von Intrabrand-Effekten relativ wenig Beachtung erfahren. Das Vertrauen auf die disziplinierende Funktion von starkem Interbrand-Wettbewerb würde die Wahrscheinlichkeit von Kartellen bzw. negative Auswirkungen der Preisbindung eindämmen. Während in jüngerer Vergangenheit vermehrt individuelle Vorteile einzelner Hersteller in Bezug auf vertikale Koordination besprochen wurden, war und ist das zentrale Vorbringen gegen Preisbindungen, dass sie die Koordination von Kartellen auf Händler- und Herstellerebene ermöglichen und befördern. 1. Preisbindungen und Kollusion auf der Händlerebene Bereits in den 1950er-Jahren wurde die Preisbindung umfassend als Instrument eines Händlerkartells untersucht. Händler nutzen demnach Preisbindungen zur Durchführung eines Preiskartells, indem sie den Hersteller bzw. Lieferanten dazu bringen, mit einer Preisbindung eine horizontale, d. h. unter den Händlern abgestimmte Preisvereinbarung, durchzusetzen und somit Margen der Händler zusichern.297 Die vorgelagerte Wirtschaftsstufe (bspw. die Herstellerebene) fungiert dabei als Kartellwächter und macht ein gleichförmiges Verhalten im Handel dauerhaft und sogar ohne weitere Abstimmung der Händler untereinander möglich.298

297 Mit Verweis auf vorangehende Arbeiten und Fallstudien, insb. im Bereich Medizin und Drogerieprodukte s. Bowman, 22 U. Chi. L. Rev. 1954–1955, 825, 830. 298 Sogenannte Sternverträge/Hub & Spoke-Kartelle; BGH v. 19.6.1975 – KVR 2/74 = BGHZ 65, 30 = BGH NJW 1975, 1837 – Zementverkaufsstelle Niedersachsen; BGH v.

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1. Teil: Ökonomische Analyse der Preisbindung zweiter Hand

Der Zweck eines Kartells ist es, den (Preis-) Wettbewerb zwischen seinen Mitgliedern auszuschalten und den Kartellmitgliedern ähnlich der Situation im Monopol überhöhte Preise zu ermöglichen. Allerdings sind Kartelle von Natur aus instabil. Die verabredeten Kartellpreise sind zwar für alle Kartellmitglieder vorteilhaft, für jedes Kartellmitglied ist es jedoch individuell vorteilhaft, sich selbst nicht an die Vereinbarung zu halten sondern den vereinbarten Kartellpreis leicht zu unterbieten und damit zusätzliche Nachfrage auf Kosten der anderen Kartellanten auf sich selbst zu lenken.299 In einer solchen Anreizlage entsteht ein klassischer Preiswettbewerb, das Kartell würde also zerbrechen. Das Kartell benötigt folglich einen Kartellwächter, beispielsweise einen Hersteller, gemeinsamen Zulieferer oder Großhändler. Dieser kann betrügende Händler identifizieren und die Belieferung dieser Händler einstellen,300 womit er Abweichlern die Grundlage für ihr Handeln entzieht und das Kartell stabilisiert.301 Eine weitere Möglichkeit besteht für ein oder mehrere besonders markt- oder verhandlungsstarke Händler, einseitig eine Preisbindung beim Hersteller durchsetzen und damit ohne ein Händlerkartell im engeren Sinne den Effekt eines solchen herbeizuführen.302 Bisweilen wird die Erklärung der Preisbindung als Mittel eines Händlerkartells kritisiert, indem darauf verwiesen wird, dass der Hersteller oder Zulieferer ein Eigeninteresse an einem vitalen Wettbewerb auf der nächsten Marktstufe habe.303 Händlergetriebene Preisbindungen aus den hier dargestellten kollusiven Motiven sind in der Geschichte aber häufig und gut nachweisbar vorgekommen, sodass es sich hier im Gegenteil zu einigen prokompetitive Modellen der Preisbindung, um kein bloß theoretisches Konstrukt handelt.304 Historisch gesehen beruhten „organisierte“ Preisbindungen in der überwiegenden Zahl auf dem Engagement von Händlern. Das wird mit Blick sowohl auf die Preisbindungsgeschichte in den USA als auch in Europa sichtbar.305 Tatsächlich sind hierzu empirische Erfahrungen vorhanden, auf die kurz zu-

11.5.2004 – KZR 37/02 – Nachbauvergütung; BGH v. 12.11.2002 – KZR 11/01 = GRUR 2003, 633 = NVwZ 2003, 1012 – Ausrüstungsgegenstände für Feuerlöschzüge. 299 Es handelt sich dabei um ein Problem kollektiven Handelns. 300 Oder zumindest nicht deren erhöhten Bedarf decken, was eine Kartellpreisunterbietung bereits unprofitabel macht. 301 Easterbrook, 53 Antitrust L. J. 1984, 135, 141. 302 Pitofsky, 8 Regulation 1984, 27, 28; zu beiden Konstellationen m. w. N. Paldor, Rethinking RPM (2007), 59, 60. 303 Easterbrook, 53 Antitrust L. J. 1984, 135, 142. 304 Lao, in: Drexl, More common ground for international competition law?, 59, 71; selbst Befürworter der Preisbindung bestreiten dies nicht ernsthaft, siehe z. B. Marve l/  McCafferty, 15 RAND J. Econ. 1984, 346 ff. 305 Dazu siehe unten 2. Teil B, 136.

C. Die negativen Wirkungen von Preisbindungen der zweiten Hand

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rückgegriffen werden soll.306 So waren sowohl die erstmalige Einführung der Preisbindung als Geschäftspraxis im späten 19. Jahrhundert als auch die FairTrade-Bewegung in den USA durch Händlerinteressengemeinschaften angetrieben worden.307 Während für erstere verschiedene Beispiele aus der Lebensmittel- bzw. Drogeriebranche angeführt werden können, hat sich im Rahmen der Fair-Trade-Bewegung in den 1930er-Jahren vor allem die National Association of Retail Druggists hervorgetan und für die Preisbindung zur Verhinderung von Preiswettbewerb gestritten.308 Die Lobbyarbeit kulminierte in einer dammbruchartigen Freigabe der Preisbindung auf einzelstaatlicher Ebene.309 Auch in Europa und Deutschland finden sich Beispiele händlergetriebener Preisbindungen,310 darunter ist auch die Buchpreisbindung zu nennen. Zusammenfassend beruhten sowohl die mit entsprechender Lobbyarbeit verbundene Legalisierung der Preisbindung als auch die Implementierung in der Praxis häufig auf der Initiative von Händlern oder deren Interessenvereinigungen. Diese Feststellungen belegen aber noch keine absolut wettbewerbsfeindliche Motivationslage der Händler, schließlich mögen auch Hersteller die Preisbindung aus anderen als den genannten Gründen favorisieren. Trotzdem gibt es bemerkenswerte höchstrichterlich entschiedene Fälle horizontaler Händlerkartelle, die sich der Preisbindung zur Durchführung bedient haben und die eine grundlegende Wachsamkeit gegenüber händlergetriebenen Preisbindungen rechtfertigen. Es sei vor allem auf die US-amerikanischen Fälle in Sachen General Electric311, Pepsodent 312 verwiesen. Unter Vorbehalt kann in diesem Zusammenhang auch Leegin und Dr. Miles313 genannt werden – Sachverhalte bei denen unstrittig eine starke Händlermotivation vorlag.314 306 Ausführlich nur Bowman, 22 U. Chi. L. Rev. 1954–1955, 825, 826; statt vieler Paldor, Rethinking RPM (2007), 61 ff. 307 Bowman, 22 U. Chi. L. Rev. 1954–1955, 825, 826. 308 Yamey, 62 Econ. J. 1952, 522 ff. 309 Mit Beispielen Paldor, Rethinking RPM (2007), 75,76; Mathewson / Winter, 13 Rev. Ind. Organ. 1998; abgesehen von der National Licquor Stores Association protestierten Händlervereinigungen nicht gegen den durch Verbaucherschutzerwägungen getragenen Consumer Goods Pricing Act, weil die politische Stimmung in den 1970er-Jahren bereits überwiegend Fair-Trade-feindlich eingestellt war. Unterstützer des Preisbindungsverbotes waren aber Vereinigungen innovativer Versand- und Discounthändler, z. B. die National Association of Catalog/Showroom Merchandisers. 310 Mit weiteren Nachweisen zu Frankreich, Kanada und Skandinavien, Paldor, Rethinking RPM (2007), 84. 311 United States v. General Elec. Co., 82 F. Supp. 753, 765–766, 771–775 (D.N.J. 1949); United States v. General Elec. Co., 358 F. Supp. 731 (S.D.N.Y. 1973). 312 Pepsodent Co. v. Krauss Co., Ltd., 56 F. Supp. 922 (E.D. La. 1944). 313 Leegin Creative Leather Products, Inc. v. PSKS, Inc., 551 U.S. 877 (2007); Dr. Miles Medical Co. v. John D. Park & Sons Co., 220 U.S. 373 (1911). 314 Lao, in: Drexl, More common ground for international competition law?, 59, 71; Hovenkamp, The Antitrust Enterprise (2005), 86.

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1. Teil: Ökonomische Analyse der Preisbindung zweiter Hand

An der Händlerkartelltheorie wurde häufig kritisiert, dass sie weniger relevant werde, je mehr Discountstrategien im Handel etabliert seien.315 Besonders eindrucksvoll zeigt jedoch die Wandlung der Märkte insbesondere unter dem Einfluss des Internets, dass auch etablierte Discounthändler, die Mavericks der Vergangenheit, irgendwann Gefahr laufen, durch innovativere Handelskonzepte unter Wettbewerbsdruck zu geraten. Händler, auch große Vertriebsketten wurden und werden durch besonders effiziente Internethändler verdrängt, bevor sich diese wiederum gegen Internetplattformen, virtuelle Marktplätze oder Multi-Channel-Strategien behaupten müssen. Es verwundert also nicht, dass etablierte Händler und Handelsketten seit jeher versuchen, den Preiskampf über eine Einwirkung auf den Hersteller zu drosseln versuchen, indem sie ihn zum Beispiel dazu bewegen, Preisbindungen einzuführen bzw. durchzusetzen.316 Teilweise wird die Plausibilität der Theorie mit der Annahme bestritten, dass Hersteller kein hinreichendes Interesse daran hätten, dass der Wettbewerb auf der nächsten Stufe ausgeschaltet wird. Diese Annahme ist allerdings unzutreffend. Hersteller ersparen sich Verhandlungsdruck seitens der abnehmenden Marktstufe, wenn diese nicht sehr kompetitiv ist. Sie können somit auf höhere Großhandelspreise spekulieren. Gleichsam reduziert sich mit geschützten Margen die Gefahr, dass wichtige Händler Herstellerprodukte zugunsten konkurrierender Markenprodukte auslisten.317 Vereinzelt wurde sogar versucht, der Preisbindung einen anti-kollusiven Effekt nachzuweisen, soweit sie vom Hersteller gerade zur Bekämpfung von Händlerkartellen eingesetzt werde.318 Die große Attraktivität der Preisbindung als Mittel zur Durchführung eines Händlerkartells konnte jedoch bis heute durch keinen der theoretischen Einwände ernsthaft widerlegt werden. Stattdessen gibt es eine Zahl entsprechender Fälle händlergetriebener Preisbindung zur Eliminierung von Preiswettbewerb mit mehr oder weniger gut ausgeprägter bzw. nachweisbarer horizontaler Abstimmung.319 Deshalb ist die Einführung einer Preisbindung auf Initiative der Händler in aller Regel höchst problematisch.320 Siehe m.w.N. zu dieser Ansicht nur Paldor, Rethinking RPM (2007), 114. Derzeit vor allem mit Hinblick auf den Online-Vertrieb. Die Bemühungen der Händler richten sich zusätzlich häufig auf Eine Unterbindung des Online- und / oder Plattformvertriebs oder der Preiskommunikation im Internet, BKartA v. 25.9.2009 – B3-123/08 – Ciba Vision; BKartA v. 14.10.2009 – B3-69/08, Rn. 27 – Phonak. 317 Für Szenarien s. Paldor, Rethinking RPM (2007), 90–103; sowie m. w. N. Lao, in: Drexl, More common ground for international competition law?, 59, 72; siehe oben 1. Teil B.II.1., 58. 318 Overvest, 34 Eur. J. Law Econ. 2012, 235 ff., allerdings ohne empirische Belege. Zudem erscheint es normativ absurd, das Gebot wettbewerbrechtskonformen Verhaltens durch andere Marktteilnehmer unter Zuhilfenahme wettbewerbsbeschränkender Vertikalvereinbarungen sicherzustellen. 319 Siehe bereits oben Fn. 311, 312. 320 Vgl. früh bereits Bowman, 22 U. Chi. L. Rev. 1954–1955, 825 ff.; später Peeperkorn, 4 ECJ 2008, 201, 207. 315 316

C. Die negativen Wirkungen von Preisbindungen der zweiten Hand

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2. Preisbindung und Kollusion zwischen Herstellern Ein Herstellerinteresse an Preisbindungen zur Kartellierung wurde zunehmend seit den 1960er-Jahren untersucht.321 Hersteller, die ein Kartell322 gebildet haben, können Preisbindungen ebenso nutzen, um dieses zu koordinieren und zu stabilisieren. Dabei koordiniert die Preisbindung einerseits die Anreize der Kartellmitglieder und lenkt andererseits Informationen.323 Die Preisbindung diszipliniert alle Kartellmitglieder, ihre Großhandelspreise gleichförmig zu kalkulieren. Auch Kartellen unter Herstellern ist – ähnlich wie oben genannten Händlerkartellen – eine gewisse Instabilität inhärent: die Kartellmitglieder haben sich zwar hinsichtlich eines bestimmten Preises abgestimmt, trotzdem ist jedes Mitglied mit der Versuchung konfrontiert, die abgesetzte Menge durch einen Verstoß gegen den Kartellpreis zu steigern und damit seinen Marktanteil und seinen Profit zu maximieren. Eine Preisbindung führt jedoch dazu, dass der „kartellpreisbrechende“ Hersteller bezogen auf seine preisgebundenen Produkte lediglich die Händlermarge vergrößert. Da Preissenkungen gegenüber Abnehmern keine Auswirkungen auf Endkundenpreise haben und deshalb keinen höheren Absatz oder zusätzliche Marktanteile generieren, werden Preissenkungen für den Hersteller unattraktiv und der Anreiz, aus dem Kartell auszubrechen, verringert sich.324 321 Herstellerinduzierte Preisbindung zur Kartellstabilisierung Telser, 3 J. L. & Econ. 1960, 86, 96; zuletzt z. B. wieder Jullien / Rey, 38 RAND J. Econ. 2007, 983 ff. 322 Ähnliches gilt auch in Fällen, in denen zwar kein Kartell vorliegt, aber eine stillschweigende Abstimmung der Geschäftspraxis erfolgt. Insbesondere bei oligopolistischen Marktstruktrukturen kann eine Preisbindung, den ohnehin dünnen Anreiz für Preiswettbewerb weiter schmälern. 323 Mit weiteren Nachweisen Paldor, Rethinking RPM (2007), 94, 120. 324 Pitofsky, 71 Geo LJ (1983), 1487, 1490 ff.; Lao, in: Drexl, More common ground for international competition law?, 59, 72; gegen diese Herleitung gibt es einige theoretische Einwendungen. Zunächst würde ein preisbrechender Kartellant in einem transparenten Markt bei Senkung der Großhandelspreise seine im Großhandel abgesetzte Menge ggf. steigern können. Händler möchten weiterhin für den besten verfügbaren Preis einkaufen, selbst wenn eine Preisbindung die Weitergabe in Form günstiger Endverkaufspreise verhindert, weil die Händlermarge steigt. Der Herstellerwettbewerb konzentriert sich folglich nicht auf Marktanteile im Endkundenmarkt, sondern auf Handelsebene. Entweder dadurch, dass Händler aus Profitinteressen primär beim kartellbrechenden Hersteller kaufen oder aber die vergrößerte Marge in nichtpreislichen Wettbewerb im Endkundenmarkt reinvestieren, würde, laut Kritik, die Instabilität des Kartells nicht beseitigt, sondern wieder Wettbewerb entstehen. S. für eine ausführliche Diskussion der Gegeneinwände m. w. N. z. B. Paldor, Rethinking RPM (2007), 121, 122. Allerdings sind Großhandelspreise und sonstige Bedingungen häufig intransparent, weshalb in der Praxis kein perfekter Wettbewerb besteht. Auf der Großhandelsstufe herrschen oft langfristige Lieferbeziehungen, sodass Händler erstens nicht flexibel ihre Bezugsquelle ändern können. Zweitens gehen Hersteller nicht vollständig rational vor. Solange kein Risiko des Marktanteilsverlustes besteht, ist bei Branchen mit Neigung zur Kartellbildung und oligopolistischen Märkten die Gefahr des erneuten Wettbewerbs um Mengen und Preise nicht sehr groß. Die Einwände gegen

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1. Teil: Ökonomische Analyse der Preisbindung zweiter Hand

Zudem wird die Überwachung der Durchführung der Kartellabrede erleichtert. Lieferanten, die ihren Abnehmern Preisbindungen auferlegen, schaffen eine größtmögliche Markttransparenz, weil gebundene Preise im Endkundenmarkt besser zu überwachen sind als Preise und Mengen im Großhandel.325 Dieses sehr ursprüngliche Argument erhält durch die Entwicklung im Internet neuen Auftrieb, was jedoch nicht dazu geführt hat, dass die Preisbindung als Informationsinstrument innerhalb von Kartellen erneut besprochen worden wäre. Aber die Erleichterung der Koordination von Händlerund Herstellerkartellen durch das Internet326 erschöpft sich nicht mit dem bloßen Aufkommen kundenorientierter Preisvergleichsangebote. Preistreibende Händler können über eigens entwickelte Software aufgespürt werden. So überwachen Hersteller die im Wege der Preisempfehlung vorgegebenen Preisspannen ihrer Produkte am Markt aufmerksam. Auch wenn Information und Transparenz im Markt viele Vorteile – insbesondere für Verbraucher – mit sich bringen, führt eine Preisbindung jedenfalls dazu, dass es Herstellern bestimmter Branchen bei bekannter Kalkulationsgrundlage möglich wird, die Kosten- und Umsatzlage ihrer Konkurrenz besser zu analysieren und mit in ihr Handeln einzubeziehen. Unter der Prämisse, dass die Übergänge zwischen expliziter und impliziter Abstimmung fließend sein können, wird das Instrument Preisbindung deshalb umso bedenklicher. Dass Hersteller effizientere Konkurrenz fürchten müssen und sich selbst kritisch auf Effizienz und Innovationskraft überprüfen, ist jedoch die Kernvoraussetzung des Wettbewerbs als Entdeckungsprozess. Je mehr Daten für Hersteller jedoch direkt oder indirekt über ihre Konkurrenz verfügbar sind, desto einfacher bzw. weniger risikobehaftet wird es auch, überhaupt ein Kartell zu bilden. Nach diesen theoretischen Erwägungen muss aus fallempirischer Sicht jedoch eingestanden werden, dass es auf den ersten Blick relativ wenige klar in dieser Gemengelage positionierte Fälle des Gebrauchs der Preisbindung gibt.327 Der Fall General Electric 328 betrifft jedoch ein solches Kartell, das diese Preisbindungserklärung sind daher in der Praxis unterzugewichten. Der zweite Einwand bezieht sich auf die Abwerbung von Händlern in einem Mehrmarkenhandel. Die Preisbindung könne ihre kartellstabilisierende Wirkung nur entfalten, wenn sie von anderen Maßnahmen (Marktbeobachtung / exklusiver Vertrieb) flankiert wird, die jedoch Kosten verursachen. Die bloße Tatsache, dass die Kartelldurchführung Kosten verursacht, macht Kartelle jedoch weder theoretisch noch praktisch unprofitabel. 325 Paldor, Rethinking RPM (2007); ders., 55 Antitrust Bull. 2010, 309 ff. 326 Note, 121 Harv. L. Rev. 2007, 1600, 1612. 327 So Lao, in: Drexl, More common ground for international competition law?, 59, 72; in den USA nur eine handvoll Fälle, darunter United States v. General Electric Co., 82 F. Supp. 753, 765 (D.N.J. 1949); United States v. General Electric Co., 358 F. Supp. 731 (S.D.N.Y. 1973). 328 United States v. General Electric Co., 272 U.S. 476 (1926); United States v. General Electric Co., 82 F. Supp. 753, 765 (D.N.J. 1949); United States v. General Electric Co., 358 F. Supp. 731 (S.D.N.Y. 1973). Verfahrensgegenstand war stets ein Kartell zwi-

C. Die negativen Wirkungen von Preisbindungen der zweiten Hand

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über 75 Jahre konstant aufrechterhalten worden ist und deshalb früh als Fallstudie für die hier betrachtete Konstellation von Preisbindungen herangezogen wurde.329 Es gab jedoch eine ganze Reihe von Fällen, in deren Rahmen die Behörden im Wege eines Settlements ohne formelle Feststellung eines Herstellerkartells RPM-Verbote aussprachen.330 Allerdings wurden all diese Settlements während der Fair-Trade-Ära erwirkt, also zu einem Zeitpunkt, in dem Preise in den USA gebunden werden durften. Bereits das Aufgreifen durch die Behörden und das Einlenken der betroffenen Unternehmen sprechen in diesem Kontext stark für einen kritischen Hintergrund der Preisbindungsvereinbarungen. Die grundlegend andere Rechtslage der per se-Illegalität von Preisbindungen nach der Fair-Trade-Ära hatte nicht weniger ambivalente Auswirkungen: Zwei empirische Studien aus den Jahren 1890–1983 bzw. 1976–1982331 spalten deshalb die Meinungen zur Häufigkeit von Preisbindungen als Instrument eines Herstellerkartells. Die Studien schätzten die Zahl der RPM-Fälle, in denen Preisbindungen zur Stabilisierung von zugrundeliegenden stillschweigenden oder ausdrücklichen Kartellen332 genutzt worden waren in den untersuchten Zeiträumen auf 36 % bzw. 13 % und stuften das Kartellargument gegen Preisbindungen deshalb als wenig relevant ein. Davon abgesehen, dass Anteile von über einem Drittel der untersuchten Fälle signifikant sind, berücksichtigten beide Studien nur Fälle von Preisbindungen, die im Rahmen des Verfahrens tatsächlich als Herstellerkartell angegriffen oder nachweislich als solches identifiziert worden waren. Aufgrund der in den fraglichen Zeiträumen geltenden per se-Illegalität, war es aus prozessökonomischer Sicht aber weder notwendig noch vorteilhaft, den Hintergrund der entsprechenden Preisbindung überhaupt zum Prozessgegenstand zu machen. Vielmehr war allein das Bestehen der RPM-Vereinbarung alleiniger Gegenstand der Rüge bzw. des Nachweises durch den Kläger. Dass in 13 % bzw. 36 % der angegriffenen RPM-Fälle daneben zusätzlich eine zugrundeliegende horizontale schen den Leuchtmittelherstellern General Electric und Westinghouse. Dieses war zunächst über Preisbindungen koordiniert worden, nach der Untersagung jedoch über Agenturverträge praktiziert worden. Erst im Jahre 1973 gelang dem DoJ die Zerschlagung. 329 Siehe zum Ganzen Telser, 3 J. L. & Econ. 1960, 86, 96, 99–105. 330 Mit weiteren Nachweisen Paldor, Rethinking RPM (2007), 136. Für weitere Fälle, die zu einem Verbot von Preisbindungen im Rahmen eines consent decree durch das DoJ geführt haben und die in diesem Rahmen laut Paldor, Rethinking RPM, 130 ff. vorsichtig als Beispiel herangezogen werden können: United States v. Renault, Inc., 1962 Trade Cases (CCH) 70, 386 (p. 76,590) und U.S. v. Volkswagen of America, Inc., 1962 Trade Cases (CCG) 70,256 (p. 76,006). 331 Ornstein, Resale Price Maintenance and Cartels, 30 Antitrust Bull. 1985, 401; Ippolito, Resale Price Maintenance: Empirical Evidence from Litigation, 34 J. L. & Econ. 1991, 263. 332 Hovenkamp geht davon aus, dass sich ca. ein Drittel der Herstellerkartelle RPM bedient, Hovenkamp, Federal Antitrust Policy (5th Ed.), 610.

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1. Teil: Ökonomische Analyse der Preisbindung zweiter Hand

Abstimmung durch die Klageschrift aufgegriffen wurde, spricht für einen hinreichend offensichtlichen Kartellhintergrund, dass darüber hinaus von einer weitaus höheren Dunkelziffer ausgegangen werden sollte.333 Darüber hinaus erwiesen sich Fälle eines Herstellerkartells die über Preisbindungen koordiniert wurden, als besonders langlebig.334 Die kartellstabilisierende Wirkung der Preisbindung ist daher entsprechend ernst zu nehmen. 3. Zusammenfassung Entscheidender Faktor bei der Etablierung, Durchführung und Aufrechterhaltung eines Kartells ist die Koordination der Kartellmitglieder. Die Kartellbildung erfordert neben der gemeinsamen Willensbildung vor allem die Überwachung der Einhaltung von Kartellabsprachen, Sanktionsmöglichkeiten gegenüber Abweichlern und die Integration von Marktteilnehmern bzw. die Errichtung von Marktzutrittsbarrieren, sodass Außenwettbewerb verhindert wird.335 Die Preisbindung der zweiten Hand ist ein sehr wirksames Instrument, um diese Ergebnisse zu erreichen. Zwar stehen Händlerkartelle empirisch weitaus häufiger in Verbindung mit der Nutzung der Preisbindung als Kartelle zwischen Herstellern. Gleichwohl sind beide Szenarien praktisch sehr relevant, sodass der Raum, den die Kartellargumente in der aktuellen Preisbindungsdebatte einnehmen, nicht repräsentativ ist.336 Während im Zusammenhang mit pro-kompetitiven Erklärungen der Preisbindung zudem festgestellt wurde, dass der Einfluss des Internets diese Erklärungen eher entkräftet, besteht beim kollusiven Gebrauch der Preisbindung ein großes Potenzial des Internets, sowohl Händler-, als auch Herstellerkartellen eine vereinfachte Koordinierung zu ermöglichen.337 Als höchst anfällig für Kartellbildung gelten Märkte mit hoher Konzentration, hohen Marktanteilsschwellen, stabiler Nachfrage, stabilen Kosten und vor allem transparenter Preisgestaltung.338 Die internetweite Auszeichnung von Preisen bewirkt dies333 Ippolito, Resale Price Maintenance: Empirical Evidence from Litigation, 34 J. L. & Econ. 1991, 263, jedoch handelt es sich darüber hinaus nicht um bereinigte Stichproben, siehe zur Kritik nur Paldor, Rethinking RPM (2007), 140–142. 334 Paldor, Rethinking RPM (2007), 144. 335 Kaplow / Shapiro, in: Polinsky / Shavell, Handbook of Law and Economics, 1073, 1103. 336 Paldor, Rethinking RPM (2007), 144. Dieser Eindruck hat sich in den letzten Jahren eher verfestigt, als im Zuge des more economic approach zunehmend pro-kompetitive Theorien besprochen wurden und werden. 337 Note, 121 Harv. L. Rev. 2007, 1600, 1617 f.; a. A. aufgrund der Tatsache, dass das Internet weitgehende Preistransparenz schafft, Baye, Vertical Restraints in Relation to Online Sales: Some Causes, Effects, and Cautionary Notes, OECD Competition Division – Vertical Restraints for On-line Sales, DAF/COMP(2013)13, 173, 179. 338 Kaplow / Shapiro, in: Pollinsky / Shavell, Handbook of Law and Economics, 1073, 1121, 1127.

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bezüglich eine Signalwirkung, die sowohl positive Abstimmung mit minimaler Kommunikation ermöglicht als auch einen Weg eröffnet, Preistreiber auf Händlerebene leicht zu identifizieren und damit ein Kartell stabil zu halten. Bei entsprechend großer Preistransparenz wächst jedoch gleichzeitig die Schwierigkeit, auf ein Kartell zurückzuschließen, bzw. eine entsprechende Abstimmung nachzuweisen.339 In einem solchen Umfeld sind Preisbindungen und die damit geschaffene Preisuniformität im Endverkauf höchst problematisch. Abgesehen davon, dass branchenweit meist ohnehin ähnliche Margenschlüssel verwendet werden und damit auch auf Groß- und Zwischenhandelspreise zurückgeschlossen werden kann, erscheint die Freigabe der Preisbindung in einem solchen Umfeld als hochproblematisch. Somit stehen Internet und Preisbindung als Mittel eines Kartells zwar nicht in einem kausalen Verhältnis. Aber es besteht eine Wechselwirkung dergestalt, dass das Internet gerade den anti-kompetitiven Gebrauch von Preisbindungen erleichtern kann, bzw. letztere im Internetumfeld ein ergänzendes Mittel zum Ausschluss von Wettbewerb darstellt.340 Eine weitere internetspezifische Neuerung ist das Auftreten von Vereinbarungen im Rahmen von internetbasierten Vertriebsmodellen, die nicht notwendigerweise als Preisbindungen bezeichnet werden können, aber sogar ohne ein kollusives Zusammenwirken ähnliche Effekte zeitigen wie ein Hub & Spoke-Kartell. Im Rahmen von Internetvergleichsportalen wurden in jüngerer Vergangenheit solche Ergebnisse tatsächlich festgestellt, eine Abstimmung über Eck wird hier vielfach dadurch „geradezu heraufbeschworen“341, dass Plattformbetreiber als Intermediäre von Herstellern sowohl mit Informationen über die eigene Preisgestaltung als auch über die Preisgestaltung anderer Plattformen, also direkter Konkurrenten versorgt werden. Die entsprechenden Vertriebsvereinbarungen wurden zuletzt von zahlreichen Wettbewerbsbehörden in Europa und den USA aufgegriffen und endeten überwiegend mit Untersagungsentscheidungen.342 Zusammenfassend unterscheiden sich preisliche Beschränkungen, namentlich die Preisbindung der zweiten Hand, sofern sie die Preistransparenz im Markt durch Preisuniformität mit den dargestellten Folgen maximieren, von nichtpreislichen Beschränkungen.343 Ihre rechtliche Sonderbehandlung ist ökonomisch daher weiterhin geboten. 339 Sog. „paradox of proof“ Kaplow / Shapiro, in: Pollinsky / Shavell, Handbook of Law and Economics, 1073, 1127. 340 Note, 121 Harv. L. Rev. 2007, 1617. 341 Fiebig, WuW 2013, 812. 342 Secretariat, Summary of Discussion, OECD Vertical Restraints for Online Sales, DAF/COMP(2013)13, 183 ff., 186; zu Meistbegünstigungsklauseln / APPAs siehe unten 1. Teil D.II, 110. 343 Jullien / Rey, 38 RAND J. Econ. 2007, 997.

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1. Teil: Ökonomische Analyse der Preisbindung zweiter Hand

II. Die Preisbindung und Abschottung Erklärungen für Preisbindungen gehen davon aus, dass anti-kompetitiver Gebrauch auf das Vorliegen eines Kartells bzw. kollusiver Tendenzen auf Hersteller- oder Händlerebene zurückgeht, aber die individuell-herstellergetriebene Preisbindung mit der Verfolgung positiver, koordinativer Effekte und Einzeleffizienzen für den Hersteller bzw. seine Vertriebskette einhergeht. Im Folgenden wird der Blick auf individuell-herstellermotivierte Preisbindungen gerichtet und untersucht, inwieweit auch diese eine Intention zum Gegenstand haben können, die mit ausgewiesenen Motiven des Wettbewerbsschutzes konfligiert. Dieser Themenkomplex ist bisher nur relativ verhalten diskutiert worden, wenngleich die zugrundeliegenden Hypothesen nicht unbekannt oder neu sind.344 Stattdessen war die Diskussion um anti-kompetitive Effekte bisher meist von Koordinations- und Preiserwägungen gekennzeichnet.345 Einhergehend mit dem zunehmenden Interesse an Verdrängungspraktiken in der Wettbewerbsökonomie rückt auch die Frage nach dem Gebrauch vertikaler Vereinbarungen zur Marktabschottung modelltheoretisch langsam in den Fokus. 346 Die Motive, die einer Preisbindung in dieser Hinsicht zugrunde liegen, müssen dabei nicht bewusst auf die Ausgrenzung konkreter (potenzieller) Wettbewerber gerichtet sein, sondern sind im Ansatz in Versuchen von Herstellern zu erkennen, sich gegenüber anderen Wettbewerbern dadurch besser zu stellen, dass sie die Gruppe der Händler (bspw. durch die Errichtung eines Exklusivvertriebs) für mögliche Konkurrenten schlechter erreichbar machen. Im Folgenden wird der Frage nachgegangen, wie mit der Preisbindung Renten so zugeteilt werden können, dass sie – im Austausch für Exklusivität im Handel – den Wettbewerb auf der Herstellerebene abmildern. In einem zweiten Schritt wird dann geprüft, warum diese preisbindungsgenerierte Exklusivität im Handel als Abschottungsversuch und als wettbewerbsschädlich eingestuft werden könnte und – falls dies der Fall ist – damit auch im Gegen-

344 Im Bereich Medizin-/Drogerieprodukte haben Hersteller bspw. eine Preisbindung dafür angeboten, dass in der National Wholesale Druggists‘ Association organisierte Händler nicht mit weiteren Konkurrenten auf Herstellerebene kontrahierten; ähnliche Vorkommnisse wurden in der Glühbirnenindustrie 2008 beobachtet, s. m.w.N nur Orbach, 50 Ariz. L. Rev. 2011, 276. 345 So enthält z. B. OECD Roundtable Report von 2008 keinen Hinweis auf schädliches marktverschließendes Verhalten, s. OECD Roundtables on Resale Price Maintenance, DAF/COMP(2008)37, 23–59; weder die Background Note noch einzelne Eingaben wie die des OFT oder der FTC gehen auf solche Motive ein. 346 Die folgenden Darstellungen stützen sich größtenteils auf die Arbeiten Asker / BarIsaac, Vertical Practices Facilitating Exclusion (2012) und Asker / Bar-Isaac, Exclusionary Minimum Resale Price Maintenance (2011/2012); Paldor, Rethinking RPM (2007); ders., 55 Antitrust Bull. 2010, 309 ff.

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satz zu wettbewerbskonformen Exklusivitätsklauseln und geschlossenen Vertriebssystemen steht. Wie bereits im Abschnitt über die Überbrückung von Anreizproblem dargestellt, konkurrieren Hersteller häufig nicht direkt um Endkunden, sondern zunächst um die Händlergunst auf den verschiedenen Stufen des Vertriebs.347 Diese These wird mit Blick auf Interessenlage von Hersteller und Händler verdeutlicht: Im Vergleich zur Situation funktionierenden Wettbewerbs oder eines weiten Oligopols maximiert ein Monopol die Produzentenrente, weshalb Hersteller ein offensichtliches Interesse daran haben, zum einzigen Anbieter aufzusteigen oder ein solcher zu bleiben. Dadurch, dass er die Händler dazu bewegt, andere Herstellerprodukte gar nicht oder nur in untergeordneter Anzahl zu verkaufen, kann er seine Marktstellung schützen. Es greift der einfache Mechanismus, dass ein mehr oder weniger stark ausgeprägtes Exklusivitätsverhältnis den Markt abschottet. Für diese Kooperation beim Ausschluss von Wettbewerbern „entlohnt“ der Hersteller den Händler mit einem Anteil an seiner (Monopol-)348 Marge. Für den Hersteller ist dieses Vorgehen insoweit lukrativ, als sein verbleibender Gewinn den übersteigt, den er in einem Duopol bzw. bei wettbewerblichen Verhältnissen noch erwirtschaften würde.349 Preisbindungen (aber auch andere Mittel wie Regalmieten, Treuerabatte, periodische Rückvergütungen) können in diesem Zusammenhang von etablierten Herstellern dazu genutzt werden, Industriegewinne mit Händlern zu teilen.350 Zunehmender Wettbewerbsdruck aufgrund hinzutretender Hersteller würde diese Gewinne der übergeordneten Marktstufe jedoch schmälern. Wenn der Marktzutritt jedoch durch die Händler bestimmt wird, entstehen Gleichgewichte, in denen diese kein Interesse daran haben, Produkte neu hinzutretender Wettbewerber in ihren Vertrieb aufzunehmen, sondern den Marktzutritt zu erschweren.351 Die Preisbindung fungiert dann als eine „Zahlungsmethode“, als Quasi-Rente für den Händler, die dieser in der Regel sichern will. Wichtige Grundannahme der Modelle ist dabei, dass dieser Mechanismus keine explizite Abstimmung erfordert, wie dies zum Beispiel bei einer vertraglichen Einrichtung eines selektiven Vertriebssystems der Fall wäre.352 347 Vgl. Orbach, der bei Anreiztheorien zwischen contract enforcement-Theorien und demand uncertainty-Theorien differenziert, was allerdings keinen zusätzlichen Erkenntnisgewinn bringt. 348 Imperfekte Nachfrageelastizät ist bereits ausreichend, damit der Hersteller seine Renten mit dem Händler teilen kann bzw. ein Interesse besteht, den Wettbewerb zu behindern. Im Folgenden wird deshalb weiterhin nicht technisch von einem Monopolisten gesprochen, vgl. nur Paldor, Rethinking RPM (2007), 241. 349 S. nur Paldor, Rethinking RPM (2007), 241; ders., 55 Antitrust Bull. 2010, 309, 315. 350 Asker / Bar-Isaac, Vertical Practices Facilitating Exclusion (2012), 1; Paldor, RPM as an Exclusionary Practice, 55 Antitrust Bull. 2010, 309, 315. 351 Paldor, 55 Antitrust Bull. 2010, 309, 317. 352 Asker / Bar-Isaac, Vertical Practices Facilitating Exclusion (2012), 3.

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1. Teil: Ökonomische Analyse der Preisbindung zweiter Hand

Wie erklärt sich ohne ein zugrundeliegendes Kartell dann die Akzeptanz von Händlern gegenüber der Preisbindung? Grundsätzlich ist für sie der Wettbewerb auf der vorgelagerten Handelsstufe wichtig, da er den Hersteller in dessen Preissetzung diszipliniert und dem Händler günstigere Bezugspreise ermöglicht, als es bei einem Monopol der Fall wäre.353 Hier greift jedoch die Abneigung der Händler gegenüber starkem Intrabrand-Wettbewerb: Die Händlermarge wird nicht nur durch den Einkaufspreis, sondern zusätzlich durch den (potentiellen) Wettbewerb auf der Handelsebene beschnitten. In der Extremsituation mit perfektem Händlerwettbewerb wird der Endverkaufspreis auf Wettbewerbsniveau gedrückt. Hier können Händler ohnehin nur noch einen minimalen Gewinn erwirtschaften,354 während die Monopolgewinne beim Hersteller verbleiben. Das macht den Händler indifferent gegenüber dem Grad der Wettbewerbsintensität auf der vorgelagerten Wirtschaftsstufe. Überhöhte Monopolpreise zahlt er ohnehin nicht selbst, sondern wälzt sie auf den Endkonsumenten ab. In einem solchen Gefüge ist dem Händler andererseits jeder Teil der angebotenen Herstellermarge recht, um seinen Profit zu erhöhen und um sein Interesse daran zu fördern, ein Herstellermonopol zu stützen. Mit der Grundannahme, dass sich die Industrieerträge mit steigendem Wettbewerb verringern, ist ein Monopol mit exzessiven Renten, die unter Hersteller und Händler aufgeteilt werden, aus Sicht der Verhandlungspartner pareto-superior bzw. wenigstens nicht nachteilig gegenüber der Situation bei Wettbewerb. In Märkten, in denen Händlern für den Eintritt auf den Markt eine Schlüsselfunktion zukommt, also bei der überwiegenden Zahl der Konsumartikel, entwickeln Händler mithin ein Eigeninteresse, neue Wettbewerber auf Herstellerseite nicht in ihr Sortiment aufzunehmen.355 Lange war die Grundannahme, dass Vereinbarungen zur Erhaltung eines Upstream-Monopols nicht beiderseitig vorteilhaft sein könnten, weil die gesteigerte Produzentenrente regelmäßig auf Kosten des Abnehmers gehe. Der Unterschied zwischen Abnehmern im Allgemeinen und Händlern im Speziellen ist jedoch, dass Händler die Kosten des Monopolpreises nicht selbst tragen: Ob sich die Händlermarge aus Vorteilen im Einkauf oder aus zugestandenen Anteilen an der Herstellermarge speist, ist irrelevant für die wirtschaftlichen Ergebnisse beim Händler. Somit ergibt sich hier die Möglichkeit beidseitig vorteilhafter Ergebnisse für Hersteller und Händler auf Kosten der Verbraucher. Zwei weitere Aspekte machen es für den Händler attraktiv, eine Preisbindung zu akzeptieren und dem Hersteller im Gegenzug gewisse Exklusivität zuzugestehen: Zwar wächst die Verhandlungsmacht gegenüber HerPosner, Antitrust Law, 203–205. Gleichsam theoretisch ist die Annahme perfekten Wettbewerbs auf Handelsebene, für die Aufschlüsselung der realisierbaren Gewinne s. m. w. N. Paldor, 55 Antitrust Bull. 2010, 317. 355 Asker / Bar-Isaac, Vertical Practices Facilitating Exclusion (2012), 2. 353 354

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stellern in einem Duo- bzw. Polypol, sodass Händler eigentlich kein Interesse an der Aufrechterhaltung eines Monopols haben, sondern mit wachsender Verhandlungsmacht Anteile an Industriegewinnen über günstigere Einkaufspreise realisieren können sollten. Selbst wenn es für die Gesamtheit der Händler aber nicht vorteilhaft ist, ein Monopol zu stützen, sieht sich der einzelne Händler dem Problem kollektiven Handelns ausgesetzt: Er selbst kann von dem Geschäft Abstand nehmen, allerdings ist der Monopolist in der Regel nicht auf die individuelle Händlerkooperation angewiesen. Es reicht aus, dass genügend andere Händler das Geschäft tätigen. Der einzelne Händler kann mithin aus dem Handel mit dem entsprechenden Herstellerprodukt aussteigen, muss aber befürchten, dass seine Wettbewerber das Herstellerprodukt mit lukrativen Ergebnissen weiter vertreiben. Akzeptiert er hingegen überhöhte Preise, kann er davon ausgehen, dass er durch eine Preisbindung seinen Anteil „am Kuchen“ erhält.356 Zum zweiten zielt die Preisbindung auf das Interesse von Händlern ab, den mühsamen Intrabrand-Wettbewerb einzudämmen. Ein gut dokumentierter Gebrauch ist der durch den American Sugar Trust,357 in dessen Rahmen einem monopolistischen Anbieter von der Vereinigung der Zuckergroßhändler ein solches, den Profit teilendes Preisbindungsarrangement angetragen wurde, um einen rivalisierenden Anbieter vom Markt fernzuhalten.358 Das Modellszenario ist nicht auf ein tatsächliches Monopol beschränkt, allerdings stößt es mit einer steigenden Anzahl der Akteure an Grenzen. Außerhalb eines Oligopols sind zum einen Koordinationsprobleme zu erwarten, zum anderen schmälert bei einer großen Anzahl bereits aktiver Hersteller zusätzlicher Wettbewerb auf Herstellerebene die industrieweiten Gewinne weniger signifikant. 359 Deutlich wird nach diesen Modellberechnungen jedoch der fließende Übergang von einem preisbindungsgesteuerten Werben um Händler aus einem „Besserstellungs-Interesse“ des Herstellers in einem wettbewerblichen Markt,360 zu preisbindungsgesteuertem Werben um die Händlerexklusivität gepaart mit einem Abschottungsinteresse. Diese Verknüpfung wird modellFormal nachgewiesen bereits 1987, m. w. N. nur Paldor, 55 Antitrust Bull. 2010, 318. Detailliert besprochen wird der Gebrauch von RPM durch den Trust durch Zerbe, 12 J. L. & Econ. 1969, 339 ff.; s. zusammenfassend auch Marvel / McCafferty, 28 J. L. & Econ. 1985, 363, 366. 358 Asker / Bar-Isaac, Vertical Practices Facilitating Exclusion (2012); Preisbindungen sind auch in Situationen attraktiv, in denen eine externe Marktzutrittschranke wegfällt und deshalb neue Wettbewerber zu erwarten sind. Preisbindungsvereinbarungen finden sich z. B. unmittelbar nach dem Wegfall von Importhindernissen, Zöllen oder Steuern. Dieser Aspekt ist plausibel, aber kaum empirisch belegt, m. V. a. einen israelischen Fall, den sog. Svirski Case, CrimA 366/99 Israel v. Svirski § 41, [2002] IsrDC, 33(4) 650 s. nur Paldor, Rethinking RPM (2007), 294. 359 Paldor, 55 Antitrust Bull. 2010, 319. 360 Klein / Murphy, 31 J. L. & Econ. 1988, 265, 267. 356 357

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1. Teil: Ökonomische Analyse der Preisbindung zweiter Hand

theoretisch (noch) nicht analysiert, leuchtet aber praktisch ein: das Werben der Hersteller um die Händlergunst funktioniert über die zugesicherte Marge unabhängig vom Grad des tatsächlich herrschenden Wettbewerbs und scheint ein gängiges Bestreben zu sein.361 Grundsätzlich könnte man dieses Herstellerwerben um die Kooperation des Händlers in Form von Exklusivität ebenfalls als eine Form zu schützenden Wettbewerbs ansehen. Im Gegensatz jedoch zum herkömmlichen Herstellerwettbewerb ist diese Art des Wettbewerbs nicht wohlfahrtssteigernd. Soweit nur um die Anteile an der Herstellerrente konkurriert, aber kein Leistungs-, Preis- oder Mengenwettbewerb in Gang gesetzt wird, der einen Einfluss auf den Output der gesamten Branche oder auf die Produktqualität hätte, sind durch Preisbindungen unkompensierte Einschnitte bei der Konsumentenrente zu befürchten. Diese Feststellung wird auch empirisch belegt.362 Anknüpfend an diese Gegenüberstellung unterschiedlicher Arten des Wettbewerbs lohnt sich auch ein Blick auf unterschiedliche Arten bereitgestellter Exklusivität. Vertriebsexklusivität kann ebenfalls pro- und anti-kompetitiv wirken. Die hier dargestellte, durch die Preisbindung erkaufte „Exklusivität“ im Sinne von „Exklusion“ unterscheidet sich aber von bekannten und bewährten Formen der Exklusivität im Rahmen geschlossener Vertriebssysteme. Letztere bergen anerkannte Vorteile363 wie z. B. Kalkulierbarkeit abgenommener Die Vergleichbarkeit sieht auch Paldor, 55 Antitrust Bull. 2010, 309 ff., 327–332; anders als die dortige Darstellung geht diese Arbeit jedoch davon aus, dass es sich praktisch um einen fließenden Übergang der Herstellerinteressen von Bemühung um Exklusivität zur Bemühung um Händler-Services i. S. d. Vertragsdurchsetzung (Klein / Murphy, 31 J. L. & Econ. 1988, 265, 267) handelt. Die modelltheoretischen Erklärungen, die in sofern abgegrenzt betrachtete werden, klammern aus, dass Hersteller und Händler in der Praxis intuitiver handeln, als in Modellen darstellbar. Paldor (a. a. O.), sieht die beiden Hypothesen zwar als vergleichbar an, unterscheidet sie aber hinsichtlich ihrer Überzeugungskraft. Die Preisbindung als Abschottungsinstrument sei plausibler als die Nutzung zur Vertragsdurchsetzung, was nicht gänzlich zielführend ist, als die beiden Erklärungen grundlegend verschiedene Ausgangssituationen im Hinblick auf den vorgefundenen Wettbewerb bemühen. Trotz unterschiedlicher modelltheoretischer oder tatsächlicher Geeignetheit erklären beide Theorien die Herstelleraffinität zu Preisbindungen gleichwertig gut, weil die Geeignetheit eines wettbewerblichen Mittels im Verhältnis zur Beschränkung des Wettbewerbs eher kein Kriterium ist, dass Hersteller oder Händler primär in ihre Überlegungen mit einbeziehen. 362 Standard Fashion Co. v. Magrane-Houston Co., 258 U.S. 346 (1922); mit Verweis auf kanadische Fälle des Competition Tribunal Gal, 29 Can. Bus. L. J. 17, 27, 32, 37; m. V. a. israelische Fälle noch Paldor, Rethinking RPM (2007), 208 ff., 287 ff. In den beobachteten Rechtsordnungen bestehen aufgrund des vorherrschenden Preisbindungsverbotes wenig empirische Erfahrungen hinsichtlich der zugrunde liegenden Motivation. Die gerichtliche Einlassung im Rahmen angegriffener Vereinbarungen konzentriert sich überwiegend auf das Bestreiten ihrer Existenz. 363 Weshalb Alleinvertriebsvereinbarungen bis zu Marktanteilsschwellen von 30 % nach europäischem und deutschem Recht gruppenfreigestellt sind, vgl. Art. 101 AEUV i.V.m. VO 330/2010; § 2 GWB. 361

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Stückzahlen, was die Kosten der Herstellung deutlich drücken kann, zum anderen gibt sie Händlern im Fall bestehender signifikanter Einstiegsinvestitionen genug Sicherheit dafür, dass eine ausreichende Nachfrage auf Kundenseite besteht und der Hersteller zudem später nicht opportunistisch handelt.364 Die Qualität des geleisteten Kundenservices kann in Grenzfällen für den Vertrieb eines Produktes so entscheidend sein, dass ein Exklusivvertrieb unumgänglich wird.365 Allen diesen Aspekten ist aber gemein, dass sie Ausgestaltungen des Vertriebs optimieren und somit Unsicherheiten und Kosten reduzieren. Eingesparte Vertriebskosten schlagen sich am Ende der Vertriebskette in günstigeren Produktpreisen nieder, senken also die Kosten der gesamten Produktion und erhöhen potenziell die Konsumentenrente. Damit besteht ein wesentliches Charakteristikum der Einführung eines geschlossenen Vertriebssystems darin, dass es zusätzliche Renten generieren kann. Demgegenüber intendiert preisbindungsvermittelte Exklusivität eher den Schutz bereits bestehender Renten, die durch zunehmenden Wettbewerb unter Druck geraten würden. Sie teilt Industriegewinne zwischen Hersteller und Händler anders auf, sodass sie beim Händler verbleiben. Es werden also keine zusätzlichen Effizienzgewinne erwirtschaftet, vielmehr wird auf Kosten des Endverbrauchers der Preiswettbewerb ausgeschaltet. Hier schließt sich der Kreis: Exklusivität, wie sie durch geschlossene Vertriebssysteme vermittelt wird, bedarf für ihre Wirksamkeit bezeichnenderweise gar keiner Preisbindung.366 In Bezug auf marktverschließende Wirkungen hat die Preisbindung also ein großes Schädigungspotenzial in einem Umfeld, in dem herkömmliche Bewertungen der Preisbindung aufgrund der augenscheinlichen Herstellermotivation und weiterer Rahmenbedingungen üblicherweise auf einen prokompetitiven Gebrauch der Preisbindung schließen würden. Die juristische Debatte hat bereits beiderseits des Atlantiks diesen Aspekt der ökonomischen Diskussion inkorporiert und will darauf abstellen, von welcher Partei die Motivation für Preisbindungen ausgeht.367 Zusammenfassend ist also eine kritische Beurteilung der Preisbindung auch deshalb geboten, weil ein Rückschluss auf die wettbewerblichen Auswirkungen einer Preisbindung aufgrund des vordergründigen Hersteller- oder Händerinteresses an ihr, offensichtlich fehleranfällig ist. Nach den hier besprochenen Erkenntnissen kann sogar auf beiden Marktstufen ein genuines Interesse an der Preisbindung bestehen. Paldor, 55 Antitrust Bull. 2010, 309, 332. Bsp. drohendes Marktversagen durch Trittbrettfahrer, zur Nachverfolgbarkeit der Produktherkunft, für die Durchführung von Garantieleistungen etc. s. Paldor, 55 Antitrust Bull. 2010, 309 ff., 332, 333. 366 Auch Alleinvertriebsvereinbarungen sind nicht unproblematisch, vor allem wenn geschlossene Vertriebssysteme große Teile eines Marktes betreffen. 367 Vgl. Komm., Vertikalleitlinien 2010, Rn. 225; „[…] Preisbindungen […] ermöglichen […] doch auch und insbesondere dann, wenn sie vom Anbieter kommen, Effizienzgewinne, die nach Artikel 101 Absatz 3 AEUV zu würdigen sind.“ 364 365

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1. Teil: Ökonomische Analyse der Preisbindung zweiter Hand

Ausgehend von diesen Überlegungen gewinnt die Preisbindung auch in einer anderen Gestalt neue Relevanz. So sind im Internetumfeld und insbesondere auf zweiseitigen Märkten in jüngerer Vergangenheit zunehmend vertikale Preisvereinbarungen eingesetzt worden, die in ihrem äußeren Erscheinungsbild zwar sog. Meistbegünstigungsklauseln ähneln. Formal handelt es sich um Höchstpreisbindungen, die zudem im Rahmen komplexerer Vertriebsbeziehungen auftauchen. Aufgrund des im Internet wachsenden Gewichts von Online-Plattformen, sowie deren mehr oder weniger stark ausgeprägte Beteiligung als Händler, verschwimmen althergebrachte vertikale Vertriebsstrukturen über Groß- oder Einzelhandel. Mittelbare horizontale Auswirkungen von Preisabreden sind in diesem Umfeld nicht weniger stark.368 Hinzutretende Netzwerkeffekte erfordern deshalb besondere Sensibilität, wenn marktverschließende Effekte der Preisbindung zu befürchten sind. III. Langfristige Wirkung der Preisbindung auf die Preisentwicklung Die lange zurückreichende Abneigung gegenüber Preisbindungen gründet vor allem darauf, dass sie praktisch unbestritten und aller Erfahrung nach zu höheren Verbraucherpreisen führen.369 Dabei stützen sich empirische Studien in den USA vor allem auf natürliche Experimente und den Vergleich von Verbraucherpreisen in einzelnen Bundesstaaten während der Fair-Trade-Ära, also während der unterschiedlichen Handhabung von Preisbindungen zwischen 1931 und 1975 durch die Bundesstaaten. Ergebnisse sowohl der FTC als auch von wissenschaftlichen und unternehmensnahen Forschungen370 zu diesem Thema, zeigen regelmäßig deutlich höhere Preise für Endverbraucher in Bundesstaaten mit legalisierter Preisbindung als in Staaten mit Preisbindungsverbot, wobei durchschnittliche Preisabweichungen nach oben in Höhe von 19–27 % angegeben wurden.371 Ähnliche Ergebnisse zeigen aktuelle Studien sowohl in den USA als auch in Europa.372 In Europa wurde zuletzt in Frankreich mit der Loi Dazu sogleich 1.Teil C.III, 94. Lao, in: Drexl, More common ground for international competition law?, 59, 71; Overstreet, RPM: Economic Theories and Empirical Evidence (1983), 160; Brief for William S. Comanor and Frederic M. Scherer as Amici Curiae Supporting Neither Party, 4 Leegin Creative Leather Products, Inc. v. PSKS, Inc., 127 S Ct. 2705 (2007), 551 U.S. 877 (2007)2007 WL 173679; Hearings on HR 2384 before the Subcommittee on Monopolies and Commercial Law of the H. Comm. on the Judiciary, 94th Cong. 122 (1975) (Keith Clearwaters, Deputy Assistant Attorney General, Antitrust Division, Department of Justice). 370 Mit Verweis auf FTC-Reports von 1929, 1945 s. Overstreet, RPM: Economic Theories and Empirical Evidence (1983); s. Gundlach, AAI Working Paper No. 14-03, 12. 371 Grimes, 55 Antitrust Bull. 2010, 115, 116; Leegin Creative Leather Products, Inc. v. PSKS, Inc., 551 U.S. 877, 912 (2007), (Breyer, J. dissenting) m. V. a. Hearings on H.R. 2384 before the Subcommittee on Monopolies and Commercial Law, H. Comm. on the Judiciary, 94th Cong. 122 (1975) (Keith Clearwaters, Deputy Assistant Attorney General, Antitrust Division). 368 369

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Galland ein natürliches Experiment effektiver Preisbindung in Gang gesetzt: das Gesetz von 1997 verbietet den Verkauf unter Einkaufspreis, mithin auch die Weitergabe von Rabatten an Verbraucher. Beobachtbar waren in der Folge wiederum geringere Preisstreuung und höhere Verbraucherpreise.373 Das Faktum höherer Endverbraucherpreise wird in der Regel auch von solchen Kommentatoren nicht bestritten, die vertikale Wettbewerbsbeschränkungen als wettbewerbsfördernd ansehen,374 nur die Deutungen dieses Befundes divergieren drastisch. Pro-kompetitive Erklärungen für Preisbindungen unterstellen i. d. R. kompensatorische Effekte, d. h. höhere Endkundenpreise werden oft als Symptom einer höheren Produktwertigkeit oder eines besseren Kundendienstes (und ggf. positiv stimulierter Nachfrage) interpretiert.375 Solche theoretischen Erwägungen haben ihre Berechtigung, wo eine insgesamt größere Konsumentenwohlfahrt oder Gesamtwohlfahrt ökonomisch plausibel dargelegt werden kann. Häufig wird jedoch eher pauschal darauf abgestellt, dass Herstellerinteressen mit Konsumenteninteressen korrespondieren und – jedenfalls in Abwesenheit der oben dargestellten Kartellsituationen – bei höheren Preisen irgendeine pro-kompetitive Erklärung für die Preisbindung gegeben sein müsste, da diese ansonsten nicht vereinbart würde. Während man wettbewerbsschädliche Effekte nicht allein an höheren Preisen ablesen kann, muss jedoch nicht weniger kritisch hinterfragt werden, welcher Mehrwert insgesamt hoch genug ist, um Verteuerungen von ca. 20 % aufzuwiegen. Die Grenze der Vorstellungskraft dürfte angesichts wenig serviceintensiver Produkte unter den historisch preisgebundenen Produkten wie Musik-CDs, Glühbirnen, Männerunterwäsche, Tiernahrung und Shampoo deutlich überschritten sein.376 1. Preisbindung zur Sicherung von Gewinnmargen des Herstellers Im Folgenden wird das Augenmerk auf die Faktoren gelenkt, die im Zusammenspiel mit der Preisbindung die Preise von preisgebundenen und sogar nicht-preisgebundenen Produkten im Markt beeinflussen. Preisbindungen können von Herstellern auch mit der Intention eingeführt werden, den (wie372 Für Frankreich bezogen auf Untersuchungen im Zusammenhang mit dem Loi Galland Bonnet / Dubois, 41 RAND J. Econ. 2010, 139, 162; insb. zur Abwälzung von Kosten Bonnet / Dubois / Villas-Boas / Klapper, 95 Rev. Econ. Stat. 2013, 500–515; aufgrund erlaubter IMAP-Strategien ohne signifikantes Ergebnis die Untersuchung des Preisbindungsverbots Post-Leegin in Maryland zur Vermarktung von Video-Spielen, siehe Bailey /  Leonard, 10 BEJEAP 2010 (17), 5; MacKay / Smith, The Empirical Effects of Minimum Resale Price Maintenance (2014). 373 Biscourp / Boutin / Vergé, The Effects of Retail Regulations on Prices: Evidence from the Loi Galland (2008), 25, 26. 374 Easterbrook, 53 Antitrust L. J. 1984, 135, 156. 375 Lao, in: Drexl, More common ground for international competition law?, 59, 68. 376 Lao, in: Drexl, More common ground for international competition law?, 59, 68.

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1. Teil: Ökonomische Analyse der Preisbindung zweiter Hand

derkehrenden) Stress von Preisverhandlungen im Großhandel zu vermeiden. Händler, die unter einem großen Wettbewerbsdruck im Verkauf stehen, verhandeln im Einkauf häufiger und härter mit dem Hersteller,377 üben also Druck auf die Marge des Herstellers aus. Abgestellt wird hier im Rahmen verschiedener Modelle auf einen monopolistischen Anbieter, der gegenüber den im Mengenwettbewerb stehenden Händlern versucht, sich den Monopolgewinn zu sichern.378 Einerseits favorisieren Hersteller zwar niedrige Endverkaufspreise, begrüßen also Händlerwettbewerb, soweit dieser die Preise im Endkundenmarkt niedrig hält. Ein zu intensiver Intrabrand-Preiswettbewerb führt aber zu geringeren Händlermargen,379 mithin zu Kostendruck und härteren Verhandlungen um Einkaufspreise.380 Diesen Druck „von unten“ auf seine eigene Marge scheut der Hersteller wiederum.381 Insbesondere bei einem heterogenen Händlerfeld gewährt der Hersteller aufgrund unterschiedlicher Abnahmemengen und Verhandlungsmacht nicht jedem Händler die gleichen Konditionen, deshalb sieht sich der Hersteller individuellen und gegebenenfalls engen Großhandelspreiskalkulationen gegenüber. Mit der Preisbindung wird jedoch der Preisdruck im Einzelhandel abgemildert und mit dem größeren Spielraum von Händlern eine größere Akzeptanz für Einkaufspreise geschaffen. Dieses Interesse ist jedoch alles andere als gleichlaufend mit dem Interesse des Konsumenten. Die Erklärung der Preisbindung als Margensicherungsinstrument findet sich seit den frühen 90er-Jahren,382 wird aber – dem Trend entsprechend, sich eher auf pro-kompetitive Theorien zur Preisbindung zu konzentrieren, – aktuell kaum diskutiert. In der Leegin-Entscheidung wurde dieser Aspekt der Herstellermotivation für Preisbindungen gar nicht aufgegriffen und auch in den europäischen Leitlinien taucht er nicht auf, obwohl er so plausibel wie relevant ist. Zuletzt sind in Deutschland im Bereich Tafelschokolade und Süßwaren im Lebensmitteleinzelhandel Preisbindungsabsprachen mit Bußgeldsanktionen belegt worden, die offensichtlich der Abfederung bzw. der Akzeptanz der Erhöhung der Einkaufspreise dienen sollten.383 Unter dem Gesichtspunkt dieser Motivation des Herstellers deuten langfristige Preisentwicklungen nach oben jedoch nicht auf Effizienzen hin, die wettbewerbsSteiner, 65 Antitrust L. J. 1997, 407, 441. Shaffer, 22 RAND J. Econ. 1991, 120–135 m.w.N.; O’Brien / Shaffer, 23 RAND J. Econ. 1992, 299 ff.; zuletzt z. B. durch Rey / Vergé, 35 RAND J. Econ. 2004, 728 ff. 379 Steiner, 65 Antitrust L. J. 1997, 407, 441; Lao, in: Drexl, More Common Ground for International Competition Law?, 59 ff. 380 Mit weiteren Nachweisen Lao, in: Drexl, More Common Ground for International Competition Law?, 59 ff. 381 Peeperkorn, 4 ECJ 2008, 201, 207. 382 Shaffer, 22 RAND J. Econ. 1991, 120–135. 383 BKartA v. 19.12.2014 – B10-041/14 – Ritter Sport; BKartA v. 19.12.2014, 2.6.2015, 16.6.2015 – B 10-040/14 – Haribo. 377 378

C. Die negativen Wirkungen von Preisbindungen der zweiten Hand

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rechtlich beachtlich wären. Ein einseitiges Herstellerinteresse an weniger starkem Verhandlungsaufwand ist unter Wohlfahrtsaspekten nicht schützenswerter als eine ungehinderte Preisbildung im Wettbewerb. 2. Die Einwände gegen Service-Argumente: Preisbindungen, Preiserhöhungen und die Qualität von Serviceangeboten In der letzten Dekade bestimmten die pro-kompetitiven Auswirkungen der Preisbindung auf die bereitgestellten Händlerdienstleistungen die Preisbindungsdiskussion maßgeblich.384 Neuerdings wächst jedoch auch das ökonomische Interesse an der formalen Aufdeckung negativer Auswirkungen im Intrabrand-Bereich der Preisbindungen, die auf den Interbrand-Wettbewerb durchschlagen.385 Hervorzuheben ist insbesondere eine Analyse negativer Wirkung von Preisbindungen zur Anreizkoordinierung im Servicebereich durch Hunold und Muthers, die 2012 nachweisen konnten, dass Preisbindungen in einem Umfeld mit mehreren Herstellern Effizienzverluste verursachen.386 In diesem Modell resultieren durch mehrere Hersteller gleichförmig eingeführte Preisbindungen nicht nur in einem höheren Preisniveau, sondern auch in einem insgesamt niedrigeren Servicelevel. Dieses Ergebnis überrascht, suggerieren die zahlreichen pro-kompetitiven Theorien doch gerade verbesserte Serviceangebote und Effizienzgewinne durch Preisbindungen. Erklärbar sind die festgestellten Effizienzverluste auf der Handelsstufe dadurch, dass Händler zwar eine größere Marge erhalten, diese aber nicht in zwangsläufig in werthaltigen Service reinvestieren. Das können sie unter Umständen aus Händlerperspektive nicht sinnvoll tun, weil die Verkaufsberatung zu Herstellerprodukten im Sortimentswarenhandel ein Nullsummenspiel ist: für den Verkauf des Herstellerproduktes A entfällt ein Verkauf des Herstellerprodukts B, mithin verschieben sich Serviceanreize von Händlern gegebenenfalls in Richtung des Herstellerprodukts mit der höchsten Marge. Der Gesamtwert der bereitgestellten Services wird allerdings nicht positiv beeinflusst. Zweitens wirkt die vertikale Preisbindung dann auch für Hersteller kollektiv gewinnmindernd, weil die Hersteller im Wettbewerb um die Händler mit der Preisbindung zwar Industriegewinne zugunsten der Händler transferieren, das Gesamtangebot der Services allerdings nicht erhöht wird.387 384 Untechnisch sei hiermit sowohl auf den Einsatz der Preisbindung zur Lösung des Trittbrettfahrerproblems verwiesen als auch auf den Einsatz zur Inzentivierung der Händler, 1. Teil B.I, 26 und B.II, 57. 385 Zum Beispiel Rey / Vergé, 58 J. Ind. Econ. 2010, 928 ff. 386 Hunold / Muthers, Resale Price Maintenance and Manufacturer Competition for Retail Services (2012), 1. 387 Hunold / Muthers, Resale Price Maintenance and Manufacturer Competition for Retail Services (2012), 2.

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1. Teil: Ökonomische Analyse der Preisbindung zweiter Hand

Herkömmliche Service-Theorien gehen davon aus, dass Händler, die über eine Preisbindung mit zusätzlichen finanziellen Mitteln ausgestattet werden, diese automatisch in Beratung investieren, die dazu führt, dass Kunden das für sie individuell beste Produkt vorgestellt wird. Das Modell zeigt trotz gesteigerter Profitabilität der einzelnen Transaktionen und größerer Händlermargen im Gleichgewicht nicht nur in Relation zum höheren Preis, sondern absolut weniger Serviceleistungen.388 Dies erklärt sich dadurch, dass Händler nicht nur indifferent gegenüber der Frage werden, welches preisgebundene Produkt sie verkaufen, sondern darüber hinaus Anreize entwickeln, so wenig wie möglich über die jeweiligen Produktcharakteristika und dazu passende Kundenbedürfnisse zu wissen. Das macht das Produkt aus Händlersicht austauschbar mit konkurrierenden Herstellerprodukten was dazu führt, dass Hersteller versuchen, Händler mit besonders attraktiven Konditionen für den Verkauf ihres Produktes zu gewinnen.389 Kunden wird mithin erwartbar häufig geraten werden, das Produkt mit der (preisgebundenen) höchsten Händlermarge zu erwerben. Diese Anreizwirkung im Handel wird keineswegs bestritten, Preisbindungsbefürworter zählen Verbraucherschutzinteressen jedoch nicht primär zum Schutzbereich des Wettbewerbsrechts.390 Diese Anreizwirkung ist gleichwohl unabhängig vom rechtlichen Stellenwert des Verbraucherschutzes problematisch.391 Sobald sich der Handel auf preisbindungsgesicherte, erhöhte Margen konzentriert, verliert er seine Filterfunktion sowohl hinsichtlich hochwertiger, innovativer Produkte als auch bedürfnisgerechter Produktberatung.392 Unter wettbewerblichen Gesichtspunkten sind die mittel- und langfristige Produktentwicklung, d. h. insbesondere Technologiefortschritte, einer potenziellen, antizipierten Nachfrage geschuldet. Allerdings werden Konsumenteninteressen gerade durch die objektivierte, gebündelte Kommunikation mit dem Händler sichtbar. Auch wenn man die Verbraucherschutzperspektive in Bezug auf eine schlechte Beratungsqualität ausklammert, ist die Bedeutung des dynamischen Wettbewerbs nicht zu unterschätzen. Deshalb sollte die Wettbewerbspolitik gegenüber Service-Theorien als Hauptrechtfertigung für Mindestpreisbindungen sehr kritisch sein. Im Lichte des hier besprochenen Modells können Min-

Hunold / Muthers, Resale Price Maintenance and Manufacturer Competition for Retail Services (2012), 2. 389 Hunold / Muthers, Resale Price Maintenance and Manufacturer Competition for Retail Services (2012), 2. 390 Klein / Lerner, 74 Antitrust L. J. 2007, 473, 482; Grimes, 75 Antrust L. J. 2008, 467, 486. 391 Zusammenfassung der Ergebnisse Hunold / Muthers, Resale Price Maintenance and Manufacturer Competition for Retail Services (2012), 2, 3. 392 Grimes, Resale Price Maintenance: A Competitive Assessment (2009), 8. 388

C. Die negativen Wirkungen von Preisbindungen der zweiten Hand

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destpreisbindungen also sowohl schädlich für Verbraucher und Hersteller sein, wenn letztere über gemeinsame Händler vertreiben.393 Wie lassen sich diese negativen modelltheoretischen Ergebnisse mit den pro-kompetitiven Theorien, insbesondere mit den Service-Argumenten in Einklang bringen? Primär stellt sich bei so konträren Ergebnissen die Frage, welches Modell die Realität zutreffender abbildet. Zum zweiten fragt sich tatsächlich, warum ein genuines Herstellerinteresse an der Preisbindung bestehen sollte, wenn die Preisbindung de facto zu geringeren Herstellermargen und suboptimalem Servicelevel führt. Die Antworten zu beiden Fragen ergeben sich aus dem anderen Zuschnitt des Modells: während die herkömmlichen Service-Theorien zu effizienzfördernden Eigenschaften der Preisbindung allesamt auf ökonomischen Modellen mit nur einem Hersteller beruhen, schaffen die neueren Berechnungen hier Vorhersagen zu Szenarien mit konkurrierenden Herstellern.394 Letzteres entspricht wiederum bei vielen Konsumgütern der Handelsrealität.395 Die Existenz mehrerer Hersteller ist zugleich die Erklärung dafür, dass einzelne Hersteller die Einführung von Preisbindungen nicht als nachteilig wahrnehmen. Sie sehen sich Wettbewerbern und damit dem Problem der kollektiven Durchsetzung gegenüber: für die Gruppe der Hersteller hat die Preisbindung – kollektiv – ungünstige Folgen, denn Herstellergewinne werden ohne spürbare Gegenleistung an Händler abgegeben. Individuell wollen Hersteller aber nicht auf die Möglichkeit der Attraktivitätssteigerung ihres Produktes gegenüber Händlern verzichten und schätzen die Preisbindung hier als vorteilhaft ein. 3. Die Auswirkungen der Preisbindung auf den Interbrand-Wettbewerb a) Das Wechselspiel zwischen Intrabrand- und Interbrand-Wettbewerb Die amerikanische Rechtsprechung396 und zunehmend auch Teile der europäischen Preisbindungsdiskussion konzentrieren sich beim Wettbewerbsschutz in erster Linie auf die Betrachtung des Interbrand-Wettbewerbs. Es wird insofern vertreten, dass vertikale Beschränkungen solange kaum Schädigungspotenzial entfalten, wie ein reger Interbrand-Wettbewerb besteht. Das geht vor allem auf die Annahme zurück, dass ein hoher Preis zugleich neue WettbeHunold / Muthers, Resale Price Maintenance and Manufacturer Competition for Retail Services (2012), 19. 394 Hunold / Muthers, Resale Price Maintenance and Manufacturer Competition for Retail Services (2012), 2. 395 Grimes, 75 Antrust L. J. 2008, 467 ff.; Hunold / Muthers, Resale Price Maintenance and Manufacturer Competition for Retail Services (2012), 2; m. V. a. Elzinga / Mills, 55 Antitrust Bull. 2010, 349–379. 396 Continental TV, Inc. v. GTE Sylvania, Inc., 433 U.S. 36, 52 (1977): „Interbrand competition […] is the primary concern of antitrust law“. 393

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1. Teil: Ökonomische Analyse der Preisbindung zweiter Hand

werber, sog. Mavericks anlocke, die genügend Wettbewerbsdruck ausüben und deshalb disziplinierend auf Preise wirken würden. Die tatsächliche Rückkopplung eines verringerten Intrabrand- auf den Interbrand-Wettbewerb sollte jedoch nicht unterschätzt werden. Insbesondere im Sortimentswarenhandel können gegenteilige Effekte eintreten. In der Regel stellt sich ein Produkt am Markt ja nicht isoliert dar, sondern positioniert sich im Regal mit anderen Marken- und/oder einer Reihe von NoName-Produkten der gleichen Produktkategorie. Die preisliche Positionierung eines (Marken-) Produktes hat in der Regel auch einen Einfluss auf die Preisdynamik bei konkurrierenden Marken (z. B. Handelsmarken). Werden Schlüsselmarken preisgebunden und dadurch teurer, mindert sich auch der Preisdruck auf Substitutionsprodukte anderer Marken, unabhängig davon, ob diese einer Preisbindung unterliegen oder nicht.397 In Märkten mit substanzieller Markendifferenzierung können höhere Preise Ergebnis einer maximierten und zwischen Hersteller und Händler geteilten Marge sein – mit den dargelegten negativen Effekten für Verbraucher. Besonders starke Marken entkoppeln sich in der Handelsrealität jedoch teilweise vom InterbrandWettbewerb und ermöglichen einen gewissen Preisabweichungsspielraum nach oben.398 Damit entsteht zugleich ein Anreiz, auch die No-NameProdukte der gleichen Kategorie zwar günstiger als das Markenprodukt zu vertreiben, aber gleichwohl mit einem Preisaufschlag zu vertreiben. Diskutiert wurden diese Effekte des sog. umbrella pricing zuletzt auch für den deutschen Lebensmitteleinzelhandel. Eine Mehrzahl von Marken in einer Produktkategorie stellt hier allein noch nicht sicher, dass ein wettbewerbliches Preisniveau herrscht.399 Dass Preisbindungen, die über eine Produktkategorie gestreut werden, die Preise und den Output der gesamten Kategorie negativ beeinflussen können, bestreitet auch der ökonomische Mainstream nicht.400 Der lebhafte Intrabrand-Wettbewerb wird im Handel also umso wichtiger, je stärker der Markt durch Marken geprägt wird. Das erscheint auf den ersten Blick widersprüchlich, allerdings sind der Aufbau und der Vertrieb eines (starken) Markenprodukts aus Herstellersicht gerade ein Versuch, Produkte von denen anderer Hersteller abzugrenzen. Starke Marken können also in bestimmten Konstellationen gerade darauf hindeuten, dass der InterbrandWettbewerb abgemildert ist. Das bedeutet aber nicht zugleich, dass Märkte ohne herausragende Herstellermarken und mit starkem Interbrand-Wettbewerb übermäßige Margenbildung verhinderten. Das genaue Verhältnis von Intra- und Interbrand-WettLao, in: Drexl, More common ground for international competition law?, 59, 69. Lao, in: Drexl, More common ground for international competition law?, 59, 69. 399 Schwarz, „Umbrella Pricing“ So verteuern Supermärkte No-Name-Produkte, DIE WELT v. 19.10.2014, abrufbar . 400 Grimes, Resale Price Maintenance: A Competitive Assessment (2009), 6. 397 398

C. Die negativen Wirkungen von Preisbindungen der zweiten Hand

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bewerb wurde bereits Ende der 1970er-Jahre beleuchtet.401 Beim Vorliegen starker Marken werden die Herstellermargen sehr groß, während die Händlermargen schrumpfen, was sich dadurch erklärt, dass Kunden, die ihre Kaufentscheidung bereits auf eine bestimmte Marke gerichtet haben, nach der günstigsten Bezugsquelle suchen und Preisdruck bei Händlern entsteht. Auf Märkten mit vielen Produzenten zeigen sich wegen des vitalen InterbrandWettbewerbs demgegenüber deutlich schrumpfende Herstellermargen. Dies führt aber nicht automatisch auch zu einem Druck auf Handelsmargen. In solchen Märkten – üblicherweise wird hier auf die Bekleidungsindustrie abgestellt – machen die Handelsmargen unter Umständen 50 % oder mehr des Verkaufspreises aus.402 Dieses inverse Verhältnis wird aktuell auch bei anderen Branchen, zum Beispiel der Spielwarenindustrie beobachtet.403 Die in diesen Konstellationen hohen Margen sind jedoch in der Regel nicht mit einer besonders wertsteigernden Tätigkeit des Handels verknüpft, sondern resultieren allein aus der anders gelagerten Verhandlungsstärke zwischen Hersteller und Händler. Weil Mindestpreisbindungen gerade darauf abzielen, den IntrabrandWettbewerb im Markenwarenvertrieb zu beschneiden, also auch der Interbrand-Wettbewerb gemildert abläuft, führt die Preisbindung genau hier zu unerwünschten höheren Preisen.404 Andererseits wird durch sehr starken Wettbewerb auf Herstellerebene der Intrabrand-Wettbewerb keinesfalls weniger wichtig, denn aufgrund des inversen Verhältnisses von Inter- und Intrabrand-Wettbewerb auf vielen Märkten stehen hohe Handelsmargen im Raum. Eine Ausschaltung des Händlerwettbewerbes ist hier also ebenfalls nicht zu befürworten. Interbrand- und Intrabrand-Wettbewerb müssen vielmehr gleichmäßig geschützt werden. b) Interlocking Relationships Das neuerliche Interesse an der modelltheoretischen Erklärung klassischer Vorbehalte gegen Preisbindungen hinsichtlich ihres Eingreifens in das Verhältnis zwischen Inter- und Intrabrand-Wettbewerb hat zuletzt einen weiteren schädlichen Mechanismus nachgewiesen, der zu steigenden Verbraucherpreisen unter Preisbindungen führt. Während gängige Argumente um höhere Preisniveaus auf die Nutzung von Preisbindungen im Rahmen eines Kartells bzw. stillschweigender Koordina401

717 ff.

Steiner, 49 Antitrust Bull. 2004, 877 ff., 890–892; ders., 8 Rev. Ind. Organ. 1993,

402 Bereits 1978 untersuchte Steiner den Markt für Damenoberbekleidung mit mehreren Tausend Produzenten, s. Steiner, 42 J. Marketing 1978, 60 ff. 403 Grimes, Resale Price Maintenance: A Competitive Assessment (2009), 6; Steiner, 8 Rev. Ind. Organ. 1993, 717 ff. 404 Grimes, Resale Price Maintenance: A Competitive Assessment (2009), 7.

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1. Teil: Ökonomische Analyse der Preisbindung zweiter Hand

tion405 beziehen,406 können die schädlichen Auswirkungen der Preisbindung auch ohne eigentliches Kartell herbeigeführt werden. Bereits in den 1980erJahren erschienen Arbeiten, die kartellidentische Marktergebnisse für den Gebrauch sog. common agents nachweisen. Der Einsatz einer Preisbindung in der Beziehung zweier oder mehrerer Upstream-Unternehmen zu einem gemeinsamen Downstream-Unternehmen, bzw. zwei oder mehr DownstreamUnternehmen mit einem gemeinsamen Geschäftspartner auf der vorgelagerten Handelsstufe, führt zu einer Koordination „übers Eck“, die auch ohne explizite Abstimmung Effekte eines Hub & Spoke-Kartells herbeiführen kann.407 Die durch einen gemeinsamen Zulieferer oder Abnehmer über wechselseitige Liefer- und Abnahmebeziehungen vermittelte Beziehung zweier Konkurrenten auf Hersteller- oder Händlerebene kann die gesamten Wertschöpfungsketten vernetzen. 408 Im Unterschied zu Modellen mit einem gemeinsamen Händler beziehen hier mehrere Händler bei allen Herstellern. Für solche Szenarien wechselseitiger Liefer- und Abnahmebeziehungen konnte einer Preisbindung die Beschränkung von sowohl Intra- als auch InterbrandWettbewerb zugeschrieben werden. Verkürzt beruht dies vor allem darauf, dass die Preisbindung in Verbindung mit dieser Wechselseitigkeit die Marktanteile der Händler für verschiedene Produkte zementiert. Die Erklärung stützt sich weitgehend auf die Begründung, dass die Ausschaltung des Intrabrand-Wettbewerbs zu weniger harten Verhandlungen zwischen Händlern und Herstellern und zu verringertem Wettbewerb der Upstream-Konkurrenten führt. Die Preisbildung der Hersteller geriert sich dann ähnlich Monopolpreisen. Quintessenz dieser modelltheoretischen Arbeiten ist also, dass bei Vorliegen solcher wechselseitiger Beziehungen Mindestpreisbindungen monopolpreisähnliche Marktergebnisse provozieren, weil der Wettbewerb auf beiden Marktstufen ausgeschaltet wird.409 Diese Ergebnisse werden über andere Instrumente der Steuerung des Intrabrand-Wettbewerbs nicht ebenso effektiv herbeigeführt, wie über eine Preisbindung, womit Rey und Vergé die große Attraktivität der Preisbindung für Hersteller z. B. gegenüber linearen GroßDer Begriff der facilitating practice umschreibt insofern Unternehmenshandlungen in einem oligopolistischem Markt, die unterhalb der Schwelle einer Hardcore-Kartellvereinbarung bleiben, den Wettbewerbern aber helfen, strategische Unsicherheiten zu eliminieren und ihr Verhalten stillschweigend zu koordinieren (z. B. durch Informationsaustausch). Die Praktiken haben selbst meist ambivalente ökonomische Wirkungen, weshalb sie in den meisten Wettbewerbsrechtsordnungen nur erfasst werden können, wenn ihnen irgendeine Art von nachgewiesener Abstimmung zugrunde liegt. 406 Mathewson / Winter, 13 Rev. Ind. Organ. 1998, 57 ff.; formale Darstellung bei Jullien / Rey, 38 RAND J. Econ. 2007, 983 ff. 407 Bernheim / Whinston, 16 RAND J. Econ. 1985, 269 ff. 408 Diese Szenarien werden unter den Stichworten double common agency-Beziehung bzw. interlocking relationships untersucht und diskutiert, s. hierzu Dobson / Waterson, 25 Int. J. Ind. Organ. 2007, 935 ff.; Rey / Vergé, 58 J. Ind. Econ. 2010, 928 ff. 409 Rey / Vergé, 58 J. Ind. Econ. 2010, 928 ff. 405

C. Die negativen Wirkungen von Preisbindungen der zweiten Hand

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handelspreisen und geschlossenen Vertriebssystemen erklären.410 Auch empirische Daten stützten diese Erklärung des Vorgehens von Herstellern. Angeführt werden vor allem Fälle aus den Bereichen Elektronikartikel und Parfüms, in denen dieses Szenario vertikaler Kollusion mit entsprechenden Bußgeldern geahndet worden ist.411 Nach den Ergebnissen zu dem inversen Verhältnis von Intra- und Interbrand-Wettbewerb, sowie den Wirkungen der Preisbindung als Mittel der Margensicherung bzw. Monopolpreissetzung durch Hersteller, stellt insbesondere der Mehrmarkenvertrieb eine deutliche Kontraindikation für Preisbindungen dar. Die Effekte von Preisbindungen machen – wie vielfach kolportiert – eben nicht an der Grenze des Intrabrand-Wettbewerbs halt, sondern zeitigen Auswirkungen auf den gesamten Wettbewerb. Der Verweis auf steigende Preise ist somit eine realistische Einschätzung des Einsatzes der Preisbindung als Mittel zur Milderung des Wettbewerbsdrucks, selbst wenn dabei gelegentlich Effizienzgewinne auftreten. Es spielt dabei gerade keine Rolle, ob die zugrunde liegende Motivation als originär wettbewerbsfeindlich zu bezeichnen ist, oder Unternehmen Preisbindungen im guten Glauben an Effizienzgewinne einführen. Solange ökonomisch ein negativer Effekt für die gesamte Marktentwicklung wahrscheinlich ist, ist wettbewerbspolitisch höchste Skepsis geboten. IV. Preisbindung und innovative Handelskonzepte Vor allem im Bereich der Multi-Channel-Distribution lenken die Auswirkungen von Preisbindungen sowohl auf den Intrabrand- als auch auf den Interbrand-Wettbewerb lenken den Blick auf einen weiteren Aspekt von Wettbewerb, der bisher nur am Rande erwähnt wurde, nämlich den Innovationswettbewerb.412 Angefangen mit großen Warenhäusern Anfang des 20. Jahrhunderts (Karstadt, Macy’s etc.), Drogerien (z. B. Wallgreens, Rossmann) und Einzelhandelsketten über Selbstbedienungssupermärkte (Safeway in den USA, deutsche Discounter wie Lidl oder Aldi) haben über die Jahrzehnte regelmäßig neue Vertriebskonzepte den Weg auf den Markt gefunden. Der Versandhandel durchlebte gleich mehrere Blütezeiten durch Kataloggeschäft und TeleshopRey / Vergé, 58 J. Ind. Econ. 2010, 928 ff, 930. Mit Verweis auf die französischen Verfahren des Conseil de la Concurrence v. 5.12.2005 – 05-D-66 (Panasonic, Philips, Sony) und v. 13.4.2006 – 06-D-04 (L’Oreal, Chanel, Guerlain, Dior und Händler Nocibé, Marionnaud, Séphora u. a.) sowie v. 20.12.2007 – 07-D-50 (Spielwarenhersteller und -händler Chicco, Lego und Carrefour, JouéClub u. a.), s. nur Rey / Vergé, 58 J. Ind. Econ. 2010, 928, 931. 412 Die folgenden Überlegungen stützen sich v. a. auf MacKay / Smith, The Empirical Effects of Minimum Resale Price Maintenance (2014); zu Fallstudien bei Jeanshosen Steiner, 65 Antitrust L. J. 1997, 407, 441; s. auch Lao, in: Drexl, More common ground for international competition law?, 59 ff. 410 411

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1. Teil: Ökonomische Analyse der Preisbindung zweiter Hand

ping, bevor er sich aufgrund des Internets flächendeckend etablierte. Große Möbelhäuser (Ikea, Home Depot) und Ketten setzten sich überall durch, dazu kamen sog. Big-Box-Stores (auch weniger schmeichelhaft als Supercenter oder Category Killer bekannt) wie Best Buy, Toys ‘R’ Us und Costco in den USA. Im florierenden Online-Handel entstehen nun neue Schwergewichte: Plattformmärkte wie eBay oder Amazon stellen traditionelle Vertriebsmodelle in Frage. Glich die Organisation des Vertriebs vieler Produkte einer Leiter, muss man sie zunehmend und über verschiedenste Branchen hinweg als Klettergerüst begreifen, in dem sich eine Vielzahl von Handelskonzepten (manchmal markenspezifisch) etabliert und die Grenzen zwischen traditionellem Hersteller-Direktvertrieb und Händler verschwimmen lässt. Die Identifikation und Vorhersage horizontaler und vertikaler Auswirkungen wird hierdurch nicht leichter. Auch im Internetzeitalter sind Händler jedoch weder pauschal austauschbar noch gleich effizient. Fortdauernder Preiswettbewerb zwingt sie, ihr Vertriebssystem laufend zu modernisieren und innovative Handelskonzepte zu entwickeln, um mit der technischen und informationellen Entwicklung Schritt zu halten, Kosten zu minimieren, damit Preise zu senken sowie Umsätze zu vergrößern.413 Der durchschlagende Erfolg von Newcomern im Handel stützt sich meist auf innovative Vertriebskonzepte und bzw. oder das Angebot begehrter Konsumgüter zu Discountpreisen. Deshalb verwundert nicht, dass Costco und eBay in den USA zu den Verfechtern eines Leegin-Repealers zählten414 und Amazon hierzulande regelmäßig auch für Einzelfälle mit der deutschen Eigenheit der Buchpreisbindung in Konflikt gerät.415 Preisbindungsbestrebungen seitens des Handels treten daher regelmäßig in Zeiten wachsenden Drucks durch neue Marktteilnehmer auf. Ein eindrückliches Beispiel ist das Aufkommen des Internet-Musikgeschäftes, das binnen kürzester Zeit den traditionellen Vermarktungsweg untergraben hat. Auf halbem Weg durch die wettbewerbliche Tür nach draußen haben die traditionellen Händler ihre bis dato dominierende Stellung dazu genutzt, MAP-Strategien zu etablieren, also die Nennung bestimmter Mindestpreise bei der Werbung 413 Lao, in: Drexl, More common ground for international competition law?, 59, 70, ein anschauliches Beispiel bietet die Koordination von On- und Offline-Vertrieb im Bekleidungssektor. Große Ketten ermöglichen regelmäßig eine simultane Nutzung verschiedener Vertriebskanäle bei der Verfügbarkeitsprüfung, Bestellung, Reklamation und Umtausch hinsichtlich eines gewünschten Artikels. Ware kann bspw. online in den Shop oder an die Wohnadresse bestellt und wahlweise im Versandwege oder Stationärhandel umgetauscht werden. 414 Lao, in: Drexl, More common ground for international competition law?, 59, 71; Pereira, Discounters, Monitors Face Battle on Minimum Pricing, WSJ v. 4.12.2008. 415 Zuletzt LG Wiesbaden – 11 O 16/13 – Buchpreisbindung bei Amazon; nach Rücknahme der Berufung in der Sache nicht mehr entschieden, OLG Frankfurt v. 2.4.2014 – 11 U 3/14 – Verstoß gegen Buchpreisbindung.

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für ihre Produkte festzulegen.416 Die FTC hat den Schaden für die Verbraucher mit ca. 480 Millionen USD beziffert.417 Aus der Tatsache, dass über die Jahrzehnte etablierte Handelskonzepte immer wieder dazu übergegangen sind, im Kampf gegen neue Vertriebsformen für die Preisbindung einzutreten,418 lässt sich mit einiger Wahrscheinlichkeit schließen, dass auch neue Online-Riesen mit aktuellen Innovationsvorsprüngen ihre Kaufkraft dafür nutzen werden, Hersteller zu Preisbindungen zu drängen, um ihre Marktstellung abzusichern.419 Preisbezogene Wettbewerbsbeschränkungen zeigten sich in jüngster Zeit in Europa, den USA und Kanada gerade unter Beteiligung von Internetplattformen.420 Diesbezüglich zeitigen virtuelle, zweiseitige Marktplätze besondere Netzwerkeffekte, die dazu führen können, dass auch Höchstpreisbindungen oder Preisparitätsklauseln in zweifelhafter Weise herangezogen werden, um Marktmacht zu sichern, potentiellen Wettbewerb zu unterbinden und die Marktanteile dominanter Anbieter zu zementieren. V. Empirische Erfahrungen Die mittel- und langfristig preissteigernde Wirkung von Preisbindungen ist hinlänglich bekannt und aufgarbeitet.421 Dabei ist die pauschale Annahme, dass sich Hersteller- und Konsumenteninteressen deckten und höhere Preise die Kehrseite von Effizienzsteigerungen sein dürften, bereits aus theoretischer Sicht als unzutreffend dargestellt worden. Gleichwohl existieren insgesamt nicht ausreichend empirische Studien, um dieses Fazit zu be- oder widerlegen. Auf einige US-amerikanische Fallstudien insbesondere zur Rolle von Mindestpreisbindungen im Hinblick auf Händlerservices soll dennoch kurz eingegangen werden.

Sog. Minimum Advertised Price (MAP)-Strategien wurden hier genutzt. FTC press release, Record Companies Settle FTC Charges of Restraining Competition in the CD Music Market. All Five Major Distributors Agree to Abandon Advertising Pricing Policies (10.5.2000) abrufbar bei ; Grimes, 55 Antitrust Bull. 2010, 101, 123. 418 Lao, in: Drexl, More common ground for international competition law?, 59, 71. 419 Die Fair-Trade-Bewegung in den USA der 1920er-Jahre formierte sich als direkte Reaktion auf das Aufkommen von Warenhäusern; im Deutschland der 1970er-Jahre machte das Stationärgeschäft gegen den Versandhandel mobil; seit den 2000er-Jahren richtet sich die Sorge vor allem gegen den Preisdruck durch Online-Geschäfte. 420 BKartA v. 20.12.2013 – B9-66/10 – HRS-Bestpreisklausel; United States of America v. Apple Inc., et al., 12 Civ. 2862 (DLC). 421 In Frankreich Untersuchungen im Zusammenhang mit dem Loi Galland: Bonnet /  Dubois, 41 RAND J. Econ. 2010, 139, 162; insbesondere zur Abwälzung von Kosten: Bonnet / Dubois / Villas-Boas / Klapper, 95 Rev. Econ. Stat. 2013, 500–515; Bailey /  Leonard, 10 BEJEAP 2010 (17); MacKay / Smith, The Empirical Effects of Minimum Resale Price Maintenance (2014). 416 417

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1. Teil: Ökonomische Analyse der Preisbindung zweiter Hand

Die vorhandenen Fallstudien zeichnen insgesamt ein eher ambivalentes Bild und sind teilweise wenig aktuell.422 Der Gebrauch von Preisbindungen zu kollusiven Zwecken wurde bisher – wie aufgrund ökonomischer Analyse erwartet – nicht widerlegt.423 Unabhängig von empirischen Erfahrungen hinsichtlich Preisbindungen zugrundeliegender Motivationen bestehen zwei andere empirische Blickwinkel. Erstens: Schaffen Preisbindungen empirisch messbare, ökonomisch vorteilhafte Marktergebnisse? Zweitens: Ob und wie kann eine rule of reasonBeurteilung als Mittel dienen, diese vorteilhaften Ergebnisse herbeizuführen? Insgesamt gibt es noch immer kaum Orientierung für die konkrete Unterscheidung der zahlreichen konkurrierenden pro- und anti-kompetitiven Erklärungen für Preisbindungen.424 Bemerkenswert sind deshalb Forschungsergebnisse zu den Gesamtauswirkungen der Preisbindung unter einem rule of reason-Regime auf Preise und ausgebrachte Mengen. Eine 2013 veröffentlichte Arbeit untersucht – wenn auch indirekt über die rule of reasonRechtslage – genau diesen Zusammenhang in den USA.425 Durch die unterschiedlich starke Orientierung der Bundesstaaten an der bundesrechtlichen Leegin-Rechtsprechung und die unterschiedliche Ausgestaltung der einzelstaatlichen Antitrust-Regelungen besteht in den USA eine Situation, die in der Preisbindungsfrage einem rechtlichen Flickenteppich gleicht. MacKay und Smith nutzen dieses natürliche Experiment, um den Effekt von Leegin auf Preise und Quantität zu untersuchen. Sie identifizierten dazu zwei Gruppen von Bundesstaaten. Die erste Untersuchungsgruppe setzte sich aus 15 Staaten zusammen, die RPM-Vereinbarungen gemäß Leegin einer rule of reason-Bewertung unterwerfen.426 Die zweite Gruppe umfasste solche 9 BunVon 11 Fallstudien, die sich mit der Funktion der Preisbindung zur Förderung von Händlerservices durch die Hemmung des Trittbrettfahrens beschäftigen, fanden 8 Studien Hinweise auf das Zutreffen dieser Erklärung. In nur einem Fallbericht lag ein Hinweis auf die Wirksamkeit der Preisbindung zur Qualitätszertifizierung im Luxusbereich vor. Allerdings sind die Studien aus den frühen 1980er-Jahren und somit ist letzterer Aspekt mit dem wachsenden Interneteinfluss kaum mehr relevant, siehe m. w. N. Gundlach, AAI Working Paper No. 14-03, 13. 423 Siehe nur Gundlach, AAI Working Paper No. 14-03, 13 m. w. N. auf Studien von Bowman (1952), Telser (1960) McLaughlin (1979) zu Herstellerkartellen; Ippolito, 34 J. L. & Econ. 1991, 263 ff. und Ippolito / Overstreet, 39 J. L. & Econ. 1996, 285 ff. fanden keine Hinweise auf den kollusiven Gebrauch von Preisbindungen, allerdings sind diese Ergebnisse wenig belastbar. Unter geltendem per se-Verbot waren Motive einer Preisbindungsvereinbarung prozessual irrelevant und deshalb auch nicht zumVerfahrensgegenstand, s. auch Ippolito, 34 J. L. & Econ. 1991, 263 ff. 424 Siehe als Ausgangspunkt für Untersuchungsfragestellungen aufgelistet nach Forschungsgebieten Gundlach, AAI Working Paper No. 14-03, 14 ff. 425 MacKay / Smith, The Empirical Effects of Minimum Resale Price Maintenance (2014). 426 AL, DE, FL, ID, IA, MA, MO, NE, NM, OK, PA, RI, TX, VA und WI. Grundsätzlich wären 24 Staaten tauglich für die Untersuchungsgruppe, von ihnen haben aber nur 18 422

C. Die negativen Wirkungen von Preisbindungen der zweiten Hand

107

destaaten, die entweder aufgrund eigener Staatengesetzgebung und bzw. oder einer klaren behördlichen Haltung gegenüber RPM-Vereinbarungen weiterhin als Staaten angesehen werden können, in denen Preisbindungen faktisch per se als illegal gelten und die daher als Kontrollgruppe dient.427 Während aufgrund der starken Orientierung am Bundesrecht in der ersten Gruppe mit dem Leegin-Urteil ein deutlicher Umbruch in dem Verhalten der Unternehmen zu erwarten war, sollte in der Kontrollgruppe das Leegin-Urteil für das Unternehmensverhalten keine Rolle gespielt haben. Über Langzeit-Datensätze zu den Einkäufen von 40.000–60.000 USVerbraucherhaushalten in den Jahren 2004–2008428 ermittelte die Arbeit, dass seit Leegin in rule of reason-Staaten die Preise im Vergleich zu denen in per se-Staaten angestiegen sind.429 Bei 15 % der beobachteten Produktkategorien war ein statistisch signifikanter Preisanstieg in der Untersuchungsgruppe zu verzeichnen, der sich in den meisten Kategorien auf durchschnittlich 3–5 % belief. Außerdem wurden in wiederum 15 % der beobachteten Produktkategorien sinkende Output-Mengen festgestellt, sodass im Ergebnis Preisanstiege nach Leegin eher mit einem Rückgang der ausgebrachten Menge korrelierten.430 Das indiziert, dass jegliche potentiell generierte Nachfragesteigerung durch negative Effekte kompensiert wurde. Diese Beobachtung deckt sich mit den Vorhersagen anti-kompetitiver Theorien zur Preisbindung.431 Staaten keine staatenspezifischen Regelungen zur vertikalen Preisbindung, jedoch Gesetze, die sich mehr oder weniger stark an bundesrechtlichen Präzedenzfällen, mithin am LeeginUrteil orientieren. Ausgeschlossen wurden für die Untersuchung MI, weil sich dieser Staat zusammen mit IL und NY in einem Verfahren gegen MSRPs gg. Herman Miller engagiert hat und damit von den Behörden eine RPM-skeptische Haltung öffentlich gezeigt worden war, New York et.al. v. Herman Miller, Inc., No. 08-cv-2977 (S.D.N.Y. 2008), ferner AK und HI, weil zu diesen Staaten keine gesicherten Daten vorlagen, MacKay / Smith, The Empirical Effects of Minimum Resale Price Maintenance (2014), 10. 427 Solche Staaten waren zum Zeitpunkt und zum Zwecke der Datenerhebung CA, CT, MS, MT, NV, NH, OH, SC und WV, s. m. w. N. MacKay / Smith, The Empirical Effects of Minimum Resale Price Maintenance (2014), 11. 428 Die Untersuchung von MacKay / Smith stützt sich auf Daten des Kilts Nielsen Data Center, University of Chicago Booth School of Business. Es handelt sich dabei um Daten eines Marktforschungsanbieters, der im Interesse von Händlern und Herstellern Daten v. a. über Scanner-Erfassung an Supermarktkassen erhebt und zur Verfügung stellt. 429 Untersucht wurden Daten aus 2007 und 2009 um Reaktionszeiten für Unternehmen zu berücksichtigen. Viele Hersteller (bspw. Sony und Samsung) haben Preisbindungen mit teils erheblichen Verzögerungen (hier 5 Jahre nach Leegin) eingeführt, sodass davon ausgegangen wird, dass längst nicht alle Effekte einer rule of reason-Behandlung in den Daten erkennbar sind, siehe MacKay / Smith, The Empirical Effects of Minimum Resale Price Maintenance (2014), 14. 430 MacKay / Smith, The Empirical Effects of Minimum Resale Price Maintenance (2014), 3. 431 Der Schaden für die Konsumentenwohlfahrt wurde mit rd. 4 % beziffert, MacKay /  Smith, The Empirical Effects of Minimum Resale Price Maintenance (2014), 3, 4. Zwar ist

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1. Teil: Ökonomische Analyse der Preisbindung zweiter Hand

Die Auswirkungen von RPM auf die Konsumentenwohlfahrt werden staaten- und produktgruppenübergreifend als insgesamt wohlfahrtsmindernd eingestuft,432 wenngleich aufgrund der aggregierten Datensätze weder zweifelsfrei erkennbar wird, ob Minimum-RPM für einzelne Sachverhalte tatsächlich wohlfahrtssteigernd wirkt oder Preisbindungen an sich für negative Ergebnisse verantwortlich sind. Die Ergebnisse implizieren aber, dass ein preisbindungsfreundliches Rechtsumfeld in Preisanstiegen über eine signifikante Produktpalette resultiert, die von Output-Verringerungen begleitet werden.433 Schwachpunkt dieser Arbeit ist die nicht näher beurteilbare Auswirkung der Heterogenität der Rechtslage. Die negativen Ergebnisse in Staaten mit rule of reason-Beurteilung der Preisbindung könnten womöglich geringer ausfallen, wenn ein bundesweit einheitliches, auch in der Praxis berechenbar durchgeführtes rule of reason-Regime bestünde.434 Andererseits kann Rechtsunsicherheit auch in einer verhaltenen Einführung von RPM-Vereinbarungen resultiert haben. Die negativen Preis- und Output-Effekte wären bei einem bundesweit einheitlichen rule of reason-Maßstab dann mutmaßlich stärker ausgefallen. Obwohl die hier erarbeiteten Ergebnisse weitgehend hypothetisch bleiben, kann andererseits jedenfalls nicht beobachtet werden, dass das Unternehmensverhalten in rule of reason-Staaten ökonomisch effizientere Ergebnisse produziert, als eine per se-Illegalität. Aufgrund der nicht gegebenen per se-Legalität wird jedoch im Rahmen der Diskussion über prokompetitive Wirkungen der Preisbindung in der Regel angenommen, dass Unternehmen Preisbindungen nur dort anwenden würden, wo diese zu Effizienzen in der Vertriebskette führten. Deshalb werden unter einer rule of reason-Rechtslage zumindest bessere Marktergebnisse erwartet, als unter einer per se-Illegalität. Obgleich die empirischen Ergebnisse nicht erkennen lassen, ob sie auf unerkannt anti-kompetitiven Gebrauch oder auf pro-komnicht nachweisbar, wieviele Produkte tatsächlich einer Preisbindung bzw. einer ColgatePreispolitik unterliegen. Aufgrund der Erfahrungen aus den 1950er-Jahren, in denen die Preisbindung in den USA legal praktiziert wurde, kann bei hinreichend liberaler Rechtslage mit einer extensiven Nutzung gerechnet werden – in den USA waren schätzungsweise 10 % der Produkte preisgebunden, in Großbritannien sogar 44 %; Overstreet, RPM: Economic Theories and Empirical Evidence (1983), 152–156. 432 Einzige Ausnahme bildete der Sektor für Frischprodukte, der jedoch aufgrund der Verderblichkeit hohe Verlustrisiken birgt und damit besonderen Gesetzmäßigkeiten unterliegt, MacKay / Smith, The Empirical Effects of Minimum Resale Price Maintenance (2014), 22. 433 Hinsichtlich der Inzentivierung der Lagerhaltung konnten keine Hinweise auf die Nutzung von RPM zu diesem Zweck in der Warenwirtschaft gefunden werden, MacKay / Smith, The Empirical Effects of Minimum Resale Price Maintenance (2014), 22. 434 Aus einem gesteigerten Prozessrisiko und gesteigertem Verhandlungsaufwand für große Hersteller mit ihren bundesweit agierenden Händlern, erhöhen sich die Kosten für die Durchführung von RPM, MacKay / Smith, The Empirical Effects of Minimum Resale Price Maintenance (2014), 22.

D. Verwandte Vereinbarungen

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petitiven, aber erfolglosem Einsatz von RPM beruhen, zeigen sie, dass die Nachteile eines rule of reason-Maßstabs bei Preisbindungen für Verbraucher schwerwiegender ausfallen als die möglichen Vorteile.435

D. Verwandte Vereinbarungen D. Verwandte Vereinbarungen

I.

Höchstpreisbindungen aus ökonomischer Sicht

Höchstpreisbindungen sind bereits als ein milderes Mittel im Zusammenhang mit der Verhinderung von doppelter Margenbildung besprochen worden. Weil Vereinbarungen zwischen Hersteller und Händler, die den Höchstverkaufspreis einer Ware oder Dienstleistung zum Inhalt haben und Abweichungen nach unten erlauben, werden sie überwiegend als unproblematisch und positiv für Verbraucherpreise angesehen.436 Klassische Höchstpreisbindungen bergen in der Tat weniger Gefahren für den Wettbewerb. Relevant werden sie allerdings, wenn sie als Mindest- oder Festpreisbindung wirken, weil der Höchstpreis so niedrig gewählt wird, dass ein Abweichen nach unten nicht mehr möglich ist. Dann gilt das für Mindest- und Festpreisbindungen Gesagte entsprechend. Bei einer solchen Verwendung haftet Höchstpreisbindungen auch die wirtschaftliche Gefahr an, dass die gebundene Handelsstufe nicht mehr kostendeckend bzw. auskömmlich arbeiten kann. Insofern sind Höchstpreisbindungen auch als Instrument eines Monopsonisten oder eines marktmächtigen, vertikal integrierten Anbieterunternehmens im Rahmen einer Verdrängungsstrategie denkbar.437 Der Einsatz von Höchstpreisbindungen zu diesem Zwecke ist recht limitiert und allenfalls als flankierende Maßnahme zum Beispiel zu einer Kampfpreisstrategie denkbar. So kann die Anwendung einer herkömmlichen Kosten-Preis-Schere438 durch vertikal integrierte Unternehmen in ihrer Wirkung durch Höchstpreisbindung unterstützt werden, wenn kleine, abhänMacKay / Smith, The Empirical Effects of Minimum Resale Price Maintenance (2014), 22, 23, deren Ergebnisse teilweise kritisiert werden. Die Kritik bezieht sich allerdings auf den per se-Verbotsansatz, der deutlich restriktiver ist als der europäische Abwägungsrahmen des Art. 101 Abs. 1 und 3 AEUV. Die Studie sei überdies problematisch, weil sie sich nicht mit den modelltheoretisch erwarteten Ergebnissen decke, mit Kritik am Proxy, vgl. Wright, The Economics of Resale Price Maintenance & Implications for Competition Law and Policy, 2014, 20. 436 Zusammenfassend Kasten, Höchstpreisbindungen, 994 ff.; Haucap / Klein, in: Ahlert et al., Vertikale Preis und Markenpflege (2012), 170, 179. 437 Andeutungsweise hinsichtlich eines Monopsonisten Kasten, Höchstpreisbindungen, 994. 438 Siehe zu einer Kosten-Preis-Schere z. B. BKartA v. 9.8.2000 – B8-77/00 = WuW/E DE-V 289 – Freie Tankstellen; OLG Düsseldorf v. 13.2.2002 – Kart 16/00 (V) = WuW 2002, 375 = WuW/E DE-R 829 – Freie Tankstellen. 435

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1. Teil: Ökonomische Analyse der Preisbindung zweiter Hand

gige Abnehmer zwar erhöhten Kosten durch die Preisschere gegenüberstehen, aber aufgrund besonderer Umstände auch mit höheren Abgabepreisen noch wettbewerbsfähig bleiben würden. Insgesamt geht von Höchstpreisbindungen allein kaum eine Gefahr für den Wettbewerb aus. Allerdings können natürlich auch Angaben zu Höchstpreisen eine praktische Rolle im Hinblick auf Koordinierung spielen. Deshalb sind Höchstpreisbindungen skeptischer zu beurteilen, je transparenter und konzentrierter ein Markt ist. Dieser Befund wirkt sich vor allem im wachsenden Internetumfeld aus, das durch diese Charakteristika geprägt ist. In den letzten Jahren sind im Internethandel tatsächlich vermehrt Vereinbarungen aufgetaucht, die bei oberflächlicher Betrachtung ähnliche Funktionen wie eine Höchstpreisbindung erfüllen, hinsichtlich ihrer Wirkung aber zwischen Mindest-/Festpreisbindung und Höchstpreisbindung stehen.439 II. Meistbegünstigungsklauseln und Preisparitätsklauseln 1. Konstellation Meistbegünstigungsklauseln (MBK) sind Vertikalvereinbarungen, in denen sich das anbietende Unternehmen gegenüber seinem Vertragspartner und Abnehmer verpflichtet, dritten Nachfragern keine günstigeren Konditionen zu gewähren (echte Meistbegünstigungsklausel) oder Dritten zugestandene Konditionen automatisch auch dem Vertragspartner zu gewähren (unechte Meistbegünstigungsklausel).440 Aufgrund ihres frühen Gebrauchs in internationalen Handels- und Zollabkommen werden sie auch als Most Favoured Nation Clauses bzw. nun spezifischer als Most Favoured Customer Clauses (MFN) bezeichnet. Meistbegünstigungsklauseln sind auch in der entgegengesetzten Richtung möglich, indem sie den abnehmenden Vertragsteil binden (Meistbegünstigungsklausel zu Lasten des Käufers).441 Es handelt sich hierbei gewissermaßen um eine umgekehrt wirkende Preisbindung, die jedoch weit weniger im Fokus steht als herkömmliche Preisbindungen, weil sie normalerweise eher in langfristigen Lieferverträgen über die Bereitstellung von Zwischenprodukten oder Rohmaterialien zu finden war.442 Ein Grund hierfür mag es sein, dass diese spezielle Form der Selbstbindung besondere Eigeninteressen berührt, die nur unter bestimmten Marktbedingungen (und ggf. Marktmachtbedingungen) in flächendeckender Weise akzeptiert werden dürften. Im Internet scheinen diese Bedingungen tatsächlich gehäuft vorzukommen, weshalb Meistbegünstigungsklauseln in den letzten fünf Jahren eine Renaissance Siehe zu Meistbegünstigungsklauseln / APPAs 1. Teil D.II, 110. Bosch, GWB, § 1, Rn. 59; eingehend Walter, ZWeR 2015, 157 ff. 441 Seeliger, in: Wiedemann, Kartellrecht, § 11, Rn. 161. 442 Buccirossi, Background Note, OECD Vertical Restraints for Online Sales, DAF/ COMP(2013)13, 23. 439 440

D. Verwandte Vereinbarungen

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erlebt haben. Die wirtschaftlichen Folgen des wachsenden Internethandels als Vertriebs und Informationskanal, seine Auswirkungen auf Transaktions- und Suchkosten sowohl für Kunden- (über Preis- u. Produktvergleich) als auch für Händler- bzw. Hersteller (Einsparung von Ausstellungs- und Lagerfläche bzw. kostengünstiger Aufbau eines Direktvertriebes usw.) wurden bereits besprochen.443 Weniger augenscheinlich ist der Anstieg spezifischer Transaktionskosten aufgrund der Informationsdichte und der großen Anzahl von Internetpräsenzen: eigene Präsenz, Auffindbarkeit und Reputation im Netz werden zu eigenständigen Erfolgsfaktoren. Als Anker haben sich deshalb zahlreiche Online-Plattformen etabliert, die als Suchmaschine, Vermittler oder virtueller Marktplatz auftreten und eine Vielzahl von Transaktionsmöglichkeiten bündeln. Die in den letzten Jahren Online-Händlern am weitaus häufigsten auferlegten Vertikalvereinbarungen sind in diesem Umfeld Meistbegünstigungsklauseln in einer besonderen Konstellation, die sog. Across Platfom Parity Agreements (APPA), oder (Plattform-) Preisparitätsklauseln. Betreiber von virtuellen Handelsplattformen oder Vermittlungsportalen lassen sich dabei vertraglich zusichern, dass der jeweilige Anbieter (Hersteller oder Verkäufer einer Ware oder Dienstleistung) auf ihrer Plattform jeweils den günstigsten Angebotspreis bzw. günstigste Konditionen veranschlagt. Dabei wirkt sich das Preisversprechen jedoch im Verhältnis zum Endkunden aus. Zwischen herkömmlichen Meistbegünstigungsklauseln und Plattformparitätsklauseln bestehen einige Gemeinsamkeiten, aber auch einige signifikante Unterschiede, die vor allem auf das Internetumfeld zurückzuführen sind. Während es für Meistbegünstigungsklauseln noch durchaus zahlreiche Effizienzerwägungen444 gegeben hat, die empirisch nicht unumstritten geblieben sind,445 erfordern APPAs eine besondere Betrachtung. Die Konstellation der neuen Paritätsklausel betrifft, anders als bei herkömmlichen MBKs, nicht ausschließlich die Transaktion zwischen Anbieter und nächster Handelsstufe, sondern zusätzlich die Transaktion mit dem Endverbraucher. Insofern gleichen diese Klauseln eher einer herkömmlichen Preisbindung. Anders als eine Preisbindungskonstellation wird durch APPAs aber ein Preis gerade nicht festgelegt. Theoretisch kann der Anbieter den Abgabepreis für seine Produkte oder Dienstleistungen frei bestimmen, nur muss er (nachträglich) Gleichbehandlung seiner Vertragspartner gewährleisten. Aufgrund des oben beschriebenen Dreiecksverhältnisses sind Paritätsklauseln zudem durch ihre Relativität gekennzeichnet, während eine einfache (absolute) Höchstpreisbindung in der Regel kaum Einfluss auf eine theoretische Preisdispersion unterhalb des Höchstpreises hat.446 1. Teil B.I.3.a), 32. Siehe m. w. N. Buccirossi, Background Note, OECD Vertical Restraints for Online Sales, DAF/COMP(2013)13, 23; Winter, 108 Q. J. Econ. 1993, 61 ff. 445 Salop / Scott Morton, 27 Antitrust 2013, 15 ff. 443 444

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1. Teil: Ökonomische Analyse der Preisbindung zweiter Hand

2. Positive Auswirkungen auf Wettbewerb und Konsumentenwohlfahrt Klassische Meistbegünstigungsklauseln galten allgemein als Katalysator für günstige Bezugspreise, weil man davon ausging, dass ein gleichmäßiger Preisdruck nach unten entsteht. Im Innenverhältnis zwischen Anbieter und Händler werde nämlich trotz einmaliger Verhandlung dafür gesorgt, dass der Anbieter aus seiner vertraglichen Verpflichtung heraus zukünftig von Konkurrenten verhandelte Preise auch an den Bestandskunden weiterreicht. Kurz und mittelfristig führe dies zu niedrigen Endkundenpreisen und sei lediglich Ausdruck einer gewissen Verhandlungsmacht des Händlers. Zudem bleibe die Beschränkung mangels konkret vorgeschriebener Preise hinter den Wirkungen einer Preisbindung zurück. Wie hinsichtlich anderer preislicher Vereinbarungen werde die Meistbegünstigung durch die Verhinderung des Trittbrettfahrens und das Lösen von Hold-up-Problemen gerechtfertigt. Plattformen, die ihre Infrastruktur, Suchalgorithmen und Kundenrezensionen dauerhaft zur Verfügung stellen und pflegen müssen, wollen ihre Investition in Reputation und Kundenstammpflege schützen.447 Der Plattformbetreiber sei hinsichtlich seines wirtschaftlichen Erfolges im Endkundenmarkt auf den Anbieter angewiesen; der Aspekt, dass es sich dabei um einen zweiseitigen Markt handelt, verstärke diesen Effekt zusätzlich.448 3. Negative Auswirkungen auf den Preiswettbewerb und Marktzutritt Meistbegünstigungsklauseln und Preisparitätsklauseln greifen in die Dynamik der Preisbildung im Markt ein, weshalb in vielen Fällen Effizienzgewinne durch diese Klauseln nicht erwartet werden dürfen. Stattdessen stehen negative Auswirkungen auf mittel- und langfristigen Preiswettbewerb und Marktzutritt im Raum Die Annahme, dass durch MBKs allgemein und mithin auch durch APPAs ein Preisdruck nach unten erzeugt werde, ist allenfalls kurzfristig zutreffend. Soweit in den Klauseln ein Ausdruck gesteigerter Nachfragemacht großer 446 APPAs unterscheiden sich als relative Preisvereinbarungen insofern von einer einfachen „Preisgarantie“, bei der ein anbietendes Unternehmen zusichert, den Preis eines bestimmten Produkts bzw. Artikels an den Verkaufspreis eines Mitbewerbers anzupassen (auch Niedrigpreisgarantie oder Vergleichspreisübernahmegarantie genannt). 447 Siehe nur Walter, ZWeR 2015, 157, 162. 448 Preisparitätsklauseln hätten daneben als Bestpreisgarantie auch suchkostensenkende Eigenschaften. Wird die Existenz einer solchen Vereinbarung mit einer Bestpreisgarantie gegenüber dem Verbraucher kommuniziert, geschieht dies meist mit dem Versprechen, den Differenzbetrag zu erstatten, sollte ein günstigeres Angebot der Konkurrenz nachgewiesen werden. Die Erstattung erfolgt entweder über den Anbieter direkt oder übers Eck im Verhältnis mit der Plattform. Bei modernen APPAs wurde im Innenverhältnis der Anbieter selbst zur Kompensation verpflichtet, vgl. BKartA v. 20.12.2013 – B9-66/10 – HRS-Bestpreisklausel.

D. Verwandte Vereinbarungen

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Abnehmer oder Anbieter gesehen wird, ist ebenso die Vermutung, dass diese Verhandlungsmacht Preisvorteile für Verbraucher mit sich bringe, unberechtigt. Manchmal kann tatsächlich der größte Nachfrager günstigste Abnahmepreise aushandeln. Nicht notwendigerweise resultieren diese aber in günstigen Verbraucherpreisen. Stattdessen sind spezialisierte, kleine Rivalen häufig ebenfalls in der Lage, angepasste, wettbewerbsfähige Konditionen mit Anbietern zu vereinbaren, weil sie differenzierte Kundengruppen ansprechen. Deshalb sind MBKs eher ein Indiz dafür, dass große Nachfrager nicht automatisch und dauerhaft beste Konditionen erlangen, ansonsten müssten sie sich diese nämlich nicht vertraglich zusagen lassen.449 Das Vorliegen von MBKs deutet vielmehr auf den Versuch hin, einmalig verhandelte Preisvorteile zu zementieren. Bereits klassische MBKs können somit zu einer mittelbaren Festsetzung der Verkaufspreise quer durch den Markt führen. Für moderne APPAs gilt dieser Befund umso mehr, als Informationsgeschwindigkeit und Transparenz der Preise im Internet maximiert werden, womit ein bestimmtes, jedoch künstliches Preisniveau stabilisiert wird. Eine entsprechende Umfrage450 durch das BKartA legt ebenfalls nahe, dass langfristig keine neuen Preissetzungsanreize beim Hersteller/Anbieter der Ware entstehen, mithin auch keine Preissenkungsanreize. Ein Anbieter, der Preisanpassungen vornehmen will, ist im Falle auch nur kurzfristiger Preissenkung gezwungen, seine Preise auch bei anderen Abnehmern, bzw. auf anderen (allen) Plattformen anzupassen. Das ist ein unverhältnismäßiger Aufwand insbesondere für kleine Anbieter. Die Umlegung eines Sonderangebotes auf alle Angebote verändert zudem die Kalkulationsgrundlage, sodass kleine oder kurzfristige Preisabweichungen unmöglich werden, Unternehmen folglich mittel- und langfristig auf Niedrigpreisstrategien verzichten.451 Zu erwarten ist ein künstlich erhöhtes, relativ stabiles Preisniveau. Mithin drohen selbst ohne Kollusion kartellähnliche Marktergebnisse.452 Bereits für konventionelle MBKs wurde dieser Effekt verschiedentlich empirisch beobachtet, weshalb sie auch als Alternativmittel für Preisbindungen gelten, für die diese Effekte bereits angesprochen wurden. Einige Antitrustfälle in den USA betrafen darüber hinaus Kartellabreden, die im Kern durch Meistbegünstigungsklauseln koordiniert wurden, darunter zuletzt der eBooks-Fall, indem eine durch Apple

Raskovich, 51 J. Ind. Econ. 2003, 405 ff. Das BKartA startete am 20.2.2013 eine Befragung von 2.400 Amazon MarketplaceHändlern, MMR-Aktuell 2013, 343241. 451 Die kontraproduktive Wirkung von Meistbegünstigungsklauseln wurde in ähnlicher Konstellation schon in den frühen 1980er-Jahren festgestellt, aber weder für konventionelle Preisgarantien noch Meistbegünstigungsklauseln wurden negative Auswirkungen kaum weiter besprochen; Gerichte in den USA tendieren zur Vermtung positiver Effekte, Hay, 67 Cornell L. Rev. 1981, 439, 455; kritisch Salop / Scott Morton, 27 Antitrust 2013, 16. 452 Mit spieltheoretischen Erwägungen Heyers, GRUR-Int. 2013, 409. 449 450

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1. Teil: Ökonomische Analyse der Preisbindung zweiter Hand

vermittelte Hub & Spoke-Konstellation aufgedeckt wurde. Die Durchführung der Abrede erfolgte über eine Meistbegünstigungsklausel.453 Aufgrund von Besonderheiten der modernen APPAs gegenüber klassischen MBKs ist die komplette Ausschaltung des direkten Wettbewerbs auf dem Markt für Vermittlungsleistungen, also zwischen den Plattformen, zu befürchten. Plattformen betreiben überwiegend ein Provisionsgeschäft, d. h. sie verdienen bei Transaktionen prozentual am Preis der gehandelten Ware oder Leistung mit. Grundsätzlich ist die provisionsbasierte Leistungsvermittlung vorteilhaft, weil sowohl Anbieter als auch Plattformbetreiber ein Interesse an wettbewerbsfähigen Preisen haben, der Anbieter jedoch sein wirtschaftliches Risiko hinsichtlich der Vermittlungsleistung reduzieren kann. In vorliegenden Konstellationen wird das Angebot im Endkundenmarkt jedoch durch den ursprünglichen Anbieter selbst gemacht und von der Vermittlungsleistung des Plattformbetreibers hinsichtlich der Preisbildung entkoppelt. Damit führt eine Senkung oder Erhöhung der vereinbarten Provision durch die Plattform nicht zu einer Steigerung bzw. Einbuße der Attraktivität der Plattform im Endkundenmarkt. Die Plattform ist dadurch nicht angehalten, ihre Provision einzuschränken, bspw. ihren Service für 10 % anstatt für 15 % des Umsatzes anzubieten. Die Attraktivität gegenüber dem Endverbraucher generiert nämlich das anbietende Unternehmen aufgrund der vertraglich festgehaltenen Verpflichtung zur Erstellung des besten Angebotspreises selbst. Der Wettbewerb um Provisionen wird damit ausgeschaltet; vielmehr werden für Anbieter die Marktanteile von Plattformen zum determinierenden Faktor – sie sind gezwungen, auf Plattformen mit großem Marktanteil anzubieten.454 Hier liegt die Besonderheit von Preisparitätsklauseln im Bereich zweiseitiger Märkte insbesondere im Internet: APPAs haben erhöhte wettbewerbliche 453 Siehe Zusammenfassung und Auswertung im Hinblick auf MBKs bei Salop / ScottMorton, 27 Antitrust 2013, 16 ff.; United States v. Socony-Vacuum Oil Co., 310 U.S. 150 (1940); United States v. Gen. Elec. Co., No. 28228, 1977 WL 1474 (E.D. Pa. 1977); United States v. Delta Dental of R.I., 943 F. Supp. 172 (D.R.I. 1996); Ocean State Physicians Health Plan, Inc. v. Blue Cross & Blue Shield of R.I., 883 F.2d 1101 (1st Cir. 1989); United States v. American Express Co., No. 1:10-cv-4496 (E.D.N.Y. 2010), die verbundenen Verfahren gegen Visa und MasterCard wurden beigelegt, s. DoJ, Press Release v. 4.10.2010, 10-1115, Justice Department Sues American Express, MasterCard and Visa to Eliminate Rules Restricting Price Competition; Reaches Settlement with Visa and MasterCard, abrufbar ; auch im Bereich Reise-, Hotel- und Flugbuchung wurden in den USA MFNs virulent, siehe Complaint 64, Turik v. Expedia, Inc., No. 3:12-cv-04365 (N.D. Cal. Aug. 20, 2012); Amended Complaint 51, American Airlines, Inc. v. Sabre, Inc., No. 4:11-cv-00244 (N.D. Tex. June 1, 2011); auch der Fall Apple eBooks betraf im Kern die Benutzung einer Meistbegünstigungsklausel in einer Vermittlungskonstellation (agency contract): Complaint 21, United States v. Apple Inc., et al., 12 Civ. 2862 (DLC). 454 So nun auch BKartA v. 20.12.2013 – B9-66/10, Rn. 156 f. – HRS-Bestpreisklausel; a. A. Galle / Nauck, WuW 2014, 587, 589.

D. Verwandte Vereinbarungen

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Auswirkungen, weil der mit der Gruppe der Verkäufer vereinbarte Drittbezug, also die Bestpreiskondition, gleichzeitig den Angebotspreis darstellt und somit die Attraktivität der begünstigten Plattform gegenüber der Gruppe der Käufer erhöht. Eine durch den Anbieter erbrachte Preisgarantie gegenüber der jeweiligen Plattform wirkt sich direkt im Nachfragemarkt aus, ohne dass die vermittelnde Plattform eigene Wettbewerbsvorteile gegenüber anderen Plattformen erarbeiten müsste. Aufgrund dieser Hebelwirkung sind Bestpreisoder Preisparitätsklauseln so interessant für Plattformbetreiber. Gleichzeitig haben etablierte Plattformen mit hohen Nutzerzahlen auf Nachfragemärkten genügend Verhandlungsmacht, Preisparitätsklauseln gegenüber Anbietern durchzusetzen. Wer für Kunden im Internet sichtbar sein will, der ist auf einen Internetauftritt bei bestimmten Plattformen angewiesen. APPAs können darüber hinaus den Marktzutritt anderer (Online-)Anbieter und Plattformen beschränken. Stärker als sonst müssen Wettbewerber im Vermittlungsmarkt bei Konstellationen mit Netzwerkeffekten zunächst eine kritische Masse an Nachfragern mobilisieren. Typisch beim Auftreten eines neuen Players ist aber, dass er mit besonders günstigen Preisen in den Markt einsteigt, sei es aufgrund eines innovativen Angebots oder gesteigerter Effizienz.455 Diese Möglichkeit ist abgeschnitten, wenn Anbieter dazu verpflichtet werden, ihr günstigstes Angebot in ihrem Bestandsvertriebsnetz zu unterbreiten. Sind neue Player aufgrund ihrer Innovation456 noch so attraktiv, APPAs verbieten dem Anbieter Preisnachlässe auf diesem Wege. Mittel- und langfristig sind Marktabschottungseffekte zu erwarten. Erste ökonomische Modelle457 aus den letzten Jahren gehen ebenfalls davon aus, dass plattformbasierte Preisparitätsklauseln die Gebühren sowohl der Platform als auch die Preise der angebotenen Produkte negativ beeinflussen und dass diese Klauseln gewählt werden, um Wettbewerb zwischen konkurrierenden Plattformen, also bei einem tatsächlich ähnlichen Angebot, zu begegnen. Es wurden dabei auch Marktzutrittsbarrieren und allgemeine Wohlfahrtsverluste nachgewiesen. Die Modellberechnungen wurden dabei mit einem Augenmerk auf derzeitig durchgeführte Untersuchungen in den USA zu E-Book- und Kreditkarten-Konstellationen und Fällen im Gesundheitswesen angestellt, sind aber auf die in Europa vorherrschenden Fälle z. B. in der Reise- und Hotelbuchungsbranche übertragbar. 4. Fazit Aufgrund ihrer nur relativen Preisfestlegung haben Meistbegünstigungsklauseln im Vergleich zu Preisbindungen nur scheinbar weniger starke Wirkung. 455 Die bei Hotelportalen beobachteten Bestpreisklauseln hatten zusätzlich zum Preis andere Parameter wie Stornierungsbedingungen etc. zum Gegenstand. 456 Bspw. Vermittlung von Last-Minute-Angeboten, benutzerfreundliche Apps/ PushBenachrichtigungen. 457 Boik / Corts, The Effects of Platform MFNs on Competition and Entry (2013).

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1. Teil: Ökonomische Analyse der Preisbindung zweiter Hand

Bei eingehender Betrachtung können sie jedoch gerade aufgrund ihrer Relativität ähnliche Effekte wie Preisbindungen entfalten. Besonders deutlich zeigt sich dies nun an Konstellationen im Internet mit modernen Varianten klassischer MBKs, den sog. APPAs. MBKs und ihren neuen Varianten ist deshalb mit Blick auf eine zunehmend vernetzte Handelswirklichkeit und dem MultiChanneling in wettbewerbsrechtlicher Sichtähnliche Skepsis entgegenzubringen wie Preisbindungen der zweiten Hand. Aufgrund der Charakteristika des Internets wirkt auch indirekte Kommunikation betreffend Preisen vielfach nicht ausschließlich vertikal oder horizontal; auch in Sachverhalten ohne speziellen Schwerpunkt im Online-Handel eine kritische Betrachtung geboten. Auch klassische MBKs wurden und werden teilweise genutzt, um Abschottung oder Abstimmung zu ermöglichen.458 Das Hinzutreten von Konstellationen mit zweiseitigen Märkten kann jedoch Marktmachtaspekte in Beziehungen transferieren, die bisher wenig anfällig für MBKs gewesen sind. Die fortschreitende Innovation hinsichtlich ganzer Handelsstrategien gebietet es, weniger in Kategorien wie Offline- und Online-Wirkungen, horizontal oder vertikal zu denken, weil darüber hinausgehende Wirkrichtungen bestehen. Deshalb ist aus ökonomischer Betrachtung eine gewisse Gleichbehandlung bzw. gleich kritische Beurteilung von Meistbegünstigungsklauseln und ihren Varianten mit der konventionellen Preisbindung mit Hinblick auf kritische Analyse und rechtliche Handhabung geboten. III. Verwandte Preisvereinbarungen, insbesondere MAPs und IMAPs Im Umfeld der MBKs finden sich weitere Vereinbarungen, die jedoch nicht den Endverkaufspreis der gehandelten Produkte oder Dienstleistungen, sondern lediglich deren beworbenen Preis betreffen. Produkthersteller, die Händlern kooperationsbezogene Werbekostenzuschüsse gewähren, möchten häufig auch spezifizieren, wie solche Zahlungen verwendet werden, mithin die preisliche Positionierung des Produktes in der Werbung vorgeben. Vereinbarungen dieses Inhalts werden als Minimum Advertised Price Policy (MAP) oder – mit Zuschnitt auf online kommunizierte Preise – Internet Minimum Advertised Price (IMAP) bezeichnet. Vor allem im letzteren Fall wird diese Preisstrategie als Ersatz für Preisbindungen gebraucht, um die Preispolitik der Händler zu kontrollieren, wo eine Preisbindung nicht möglich ist. Dass damit horizontale Preisabsprachen sowohl auf Hersteller- als auch auf Handelsebene begünstigt werden können, ist offensichtlich. 459 Die Wettbewerbsbehörden in den USA halten sich bei der Beurteilung solcher Vereinbarungen jedoch eher zurück, weil sie sich zudem häufig im Bereich des einseitigen Handelns 458 Zusammenfassung zu den negativen Auswirkungen Marktabschottung, Ausschaltung des Leistunswettbewerbs und kollusivem Gebrauch von Preisbindungen s. Buccirossi, Background Note, OECD Vertical Restraints for Online Sales, DAF/COMP(2013)13, 24. 459 OECD Roundtables on Resale Price Maintenance, DAF/COMP(2008)37, 259, 264.

D. Verwandte Vereinbarungen

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bewegen.460 In Europa ist diese Geschäftspraktik nicht verbreitet.461 Eine Vorgabe, hinsichtlich der Preisangabe beim Verkauf eines Produktes erst nach der Einleitung des Zahlungsvorgangs vom empfohlenen Verkaufspreis abzuweichen, kommt insofern einer Preisbindung gleich, als dem Kunden die Rabattmöglichkeit nicht ersichtlich wird und er regelmäßig davon ausgehen muss, dass der primär kommunizierte Preis auch den tatsächlichen Verkaufspreis darstellt. Aus ökonomischer Sicht gilt hier das bisher über Preisbindungen und ihre Substitute Gesagte entsprechend, weil es praktisch kaum einen Unterschied macht, zu welchem Preis ein Händler im Internet das entsprechende Produkt handeln kann, wenn es ihm untersagt ist, diesen Preis zugleich transparent zu kommunizieren. IV. Unverbindliche Preisempfehlung Wie Höchstpreisbindungen erregen auch Preisempfehlungen grundsätzlich wenig wettbewerbliche Bedenken, weil sie die Händlerautonomie hinsichtlich der tatsächlichen Preispolitik nicht beeinflussen. Dieser Befund gilt grundsätzlich auch im Internetumfeld.462 Die ökonomischen Veröffentlichungen zu Preisempfehlungen betreffen hauptsächlich Marketingaspekte und Referenzpreiseffekte und kommen zu ambivalenten Ergebnissen, nicht jedoch zu einer generellen Schädlichkeit. Die Erkenntnisse hier sind vielfach vage und hinsichtlich wettbewerbspolitischer Implikationen noch weniger geklärt als zu Preisbindungen.463 Generalisierend lässt sich aus ökonomischer Sicht zum Forschungsstand feststellen: Preisempfehlungen entfalten Wirkung auf unterschiedlichen Wegen. Zum einen beeinflussen veröffentlichte Preisempfehlungen die Zahlungsbereitschaft von Konsumenten.464 Zum anderen dienen sie dem Informationsaustausch innerhalb einer Vertriebskette, d. h. der Hersteller kann überlegenes Marktwissen an Händler weitergeben. Hinzu kommt, dass Preisempfehlungen eine gewisse Tendenz zur Selbstdurchsetzung haben, weil das Abweichen von Händlern von einer (kommunizierten) Preisempfehlung nach oben Kunden vom Kauf abschreckt.465 Insofern wirken Preisempfehlungen wie Höchstpreisbindungen, weshalb es sich anbietet, beide gemeinsam zu betrachten. Teilweise lassen sich andererseits MondpreisempfehAlbert, 80 Fordham L. Rev. 2011, 1679. OECD Roundtables on Resale Price Maintenance, DAF/COMP(2008)37, 259, 264. 462 Buccirossi, Background Note, OECD Vertical Restraints for Online Sales, DAF/ COMP(2013)13, 24. 463 Vereinzelt finden sich Modelle zu Aspekten der Rentenverlagerung zwischen Herstellern und Händlern, z. B. Puppe / Rosenkranz, 78 Economica 2011, 317–329; Buehler /  Gärtner, Making Sense of Non-Binding Retail-Price Recommendations (2010). 464 Buehler / Gärtner, Making Sense of Non-Binding Retail-Price Recommendations (2010), 2. 465 Puppe / Rosenkranz, Why Suggest Non-Binding Retail Prices?, Economica 2011, 78, 318, 326. 460 461

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1. Teil: Ökonomische Analyse der Preisbindung zweiter Hand

lungen beobachten, bei denen der Hersteller einkalkuliert, dass Händler von ihnen nach unten abweichen wird, um die Nachfrage positiv zu beeinflussen. Naheliegend ist bei Preisempfehlungen immer auch der anti-kompetitive Gebrauch als Umgehung des Preisbindungsverbotes im Rahmen von Hersteller- und/oder Händlerkollusion.466 Im Rahmen dieser Untersuchung ist jedoch die Frage interessanter, ab wann Preisempfehlungen die Gefahr bergen, de facto bindend zu wirken, mithin auch die bereits festgestellten ökonomischen Funktionen der Preisbindung zeitigen. Unproblematisch ist das der Fall, wenn eine Abweichung von der Empfehlung Sanktionen erwarten lässt. Im Weiteren sei hierzu auf den rechtlichen Teil dieser Arbeit verwiesen.467

E. Vertikale Preisbindung und vertikale Integration E. Vertikale Preisbindung und vertikale Integration

Vertikale Vereinbarungen im Allgemeinen und die Preisbindung im Besonderen gelten wie dargelegt als Mittel der vertikalen Koordination. Die weitgehendste Koordination findet jedoch in einer vollständigen Integration statt, also der organisatorischen Zusammenfassung von Unternehmenstätigkeit. Aufgrund des einheitlichen Unternehmensbegriffes können vertikal integrierte Unternehmen bzw. Konzerne ihre Preise auf unterschiedlichen Produktionsstufen frei bis hin zum Endverbraucherpreis abstimmen.468 Im Vergleich zu Vertriebswegen über unabhängige Händler mit eigenem Filialsystem seien diese Unternehmen hinsichtlich ihrer Preisbildungsautonomie also besser gestellt, obwohl sie in wettbewerblich-struktureller Hinsicht die weniger wünschenswerte Konstellation darstellten. Gegenüber einer bloßen Ausschaltung des Intrabrand- Preiswettbewerbs durch eine Preisbindung bedeute vertikale Integration nämlich den vollständigen Wegfall von IntrabrandWettbewerb überhaupt.469 Unternehmen müssten sich demnach bloß vertikal zusammenschließen, um Preise völlig selbstbestimmt über alle Stufen hin festlegen zu können. Das Verbot der Preisbindung der zweiten Hand sei deshalb nicht zweckmäßig, jedenfalls aber unfair gegenüber nicht vertikal integrierten Unternehmen, mithin schaffe das Preisbindungsverbot selbst Anreize für vertikale Integration.470 Diese jüngere Kritik ist in Deutschland maßgeb466 Siehe m.w.N. auf Vorarbeiten von Mathewson / Winter (1998) und Jullien / Rey (2007) nur Buehler / Gärtner, Making Sense of Non-Binding Retail-Price Recommendations (2010), 2. 467 Siehe unten 2. Teil D.III, 287. 468 Tatsächlich handelt es sich dabei um ein bereits früh durch Bork thematisierten Aspekt, dass vertikale Preisbindung nur das vertragliche Pendant zu organisatorischer Integration sei, vgl. z. B. Bork, Part I, 74 Y.L. J. 775 ff. und Part II, 75 Y.L. J. 373 ff. 469 Olbrich / Grewe, in: Ahlert et al., Vertikale Preis und Markenpflege (2012), 96 ff.; Olbrich / Grewe, Marketing Review 2008, 32 ff. 470 Haucap / Klein, in: Ahlert et al., Vertikale Preis und Markenpflege (2012), 181.

F. Vergleich mit anderen nichtpreislichen vertikalen Beschränkungen

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lich Beobachtungen im Lebensmitteleinzelhandel geschuldet und wird seitens betriebswirtschaftlicher Praxis laut.471 Markenhersteller fühlen sich hier dem unverhältnismäßig starken Lebensmitteleinzelhandel ausgeliefert, der aufgrund starker Marktanteile von Handelsmarken472 Preispolitiken bezüglich ganzer Produktsortimente diktieren könne. Deshalb wird teilweise vorgeschlagen, dass die Beurteilung der Zulässigkeit vertikaler Preisbindung die Freigabemöglichkeit eines – hypothetischen – vertikalen Zusammenschlusses der Preisbindungsparteien berücksichtigen sollte.473 So differenziert dieser Ansatz erscheint, ist der zugrunde liegende Einwand höchst theoretischer Natur. Tatsächlich ist die vollständige vertikale Integration für die meisten Produkte bereits aus wirtschaftlichen Gründen völlig abwegig und nicht durchführbar, deshalb keine realistische Alternative für Unternehmen, die gerne über Preisbindungen operieren möchten. Dort jedoch, wo vertikale Integration in Branchen eine maßgebliche Rolle spielt, ist die Konsequenz, dass innerbetriebliche Preissetzungsfreiheit besteht, hinzunehmen. Bis zu dieser Grenze der Zweckmäßigkeit (i. S. v. Wettbewerbsfähigkeit) eines vertikalen Zusammenschlusses macht es jedoch keinen Sinn, eine hypothetische Zulässigkeit zu prüfen. Aus ökonomischer Sicht ist ein wettbewerbspolitisches Gleichbehandlungsgebot von vertikal integrierten Unternehmen zu vertikal nicht integrierten Vertriebsketten jedenfalls gerade nicht abzuleiten.474 Hingegen ist das Symptom vertikal weitgehend integrierter Händler unter Marktmissbrauchsaspekten zu betrachten und Sorge dafür zu tragen, dass marktstarke Händler nicht die Handlungsfreiheit und damit den Wettbewerb auf Seiten der Industrie beschränken. Ein Argument für die gleichsam freie Nutzung der Preisbindung auch für nicht vertikal-integrierte Hersteller aufgrund von Gleichbehandlungsgesichtspunkten ist ökonomisch und deshalb auch wettbewerbspolitisch gerade nicht gegeben.

F. Vergleich mit anderen nichtpreislichen vertikalen Beschränkungen F. Vergleich mit anderen nichtpreislichen vertikalen Beschränkungen

Auch unterhalb der Schwelle vertikaler Integration gibt es Einwände hinsichtlich wettbewerbsdogmatischer Widersprüche. Ökonomisch betrachtet seien preisliche und nichtpreisliche vertikale Beschränkungen so interdependent, 471 Olbrich / Grewe, in: Ahlert et al., Vertikale Preis und Markenpflege (2012), 96 ff.; Olbrich / Grewe, Marketing Review 2008, 32 ff. 472 Hier ist mittlerweile in bestimmten Produktsegmenten von Anteilen i. H. v. über 40 % auszugehen. 473 Haucap / Klein, in: Ahlert et al., Vertikale Preis und Markenpflege (2012), 181. 474 Weshalb auch aus juristischer Sicht für den Unternehmensbegriff an die Existenz von Wettbewerb zwischen Unternehmen angeknüpft wird.

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1. Teil: Ökonomische Analyse der Preisbindung zweiter Hand

dass sie hinsichtlich ihrer Wirkungen häufig substituierbar seien. Deshalb sei eine Ungleichbehandlung von preislichen Beschränkungen wie der Preisbindung ökonomisch nicht zu rechtfertigen. 475 Tatsächlich ist die Festlegung eines Mindest- oder Festpreises im Handel ökonomisch – antagonistisch – mit der vertraglichen Beeinflussung von Menge, Qualität, Verkaufsstellen, Serviceangeboten durch den Hersteller verknüpft. So kann der Hersteller ebenfalls Händler für bestimmte Verkaufsgebiete „rekrutieren“, ihnen vorschreiben nur an bestimmte Kunden zu vertreiben oder ihm qualitative Vorgaben für die Durchführung des Vertriebs und der Beratung vorschreiben, um überhaupt als Händler, in diesem Fall „Vertragshändler“ zugelassen zu werden. Dieses Vorgehen über ein selektives Vertriebssystem ist in verschiedenen Formen wie etwa einer einfachen oder qualifizierten, bzw. quantitativen Fachhandelsbindung denkbar.476 Bei letzterer weist der Hersteller durch die Auswahl nur bestimmter Händler pro Gebiet faktisch Gebietsmonopole für den Verkauf seiner Produkte zu, beschränkt also die möglichen Teilnehmer am Wettbewerb. Einerseits sind Preisbindung und nichtpreisliche vertikale Beschränkungen somit nur zwei Seiten derselben Medaille, müssten also auch ähnliche Resultate liefern. Aufgrund oben genannter Festlegung – wenn auch regional begrenzter – Monopole, seien die Händler im Fall der Beschränkung des Vertriebs aber in die Lage versetzt, als Monopolisten ausgebrachte Mengen und Preise festzulegen. Deshalb seien nichtpreisliche vertikale Wettbewerbsbeschränkungen potenziell weitaus schädlicher als Preisbindungen. Ähnlich der Argumentation zur vertikalen Integration werden vertikale nichtpreisliche Beschränkungen (wie selektiver Vertrieb), die alle Formen des Wettbewerbs für die betroffene Region bzw. das betroffene Produkt ausschalten, der Preisbindung der zweiten Hand gegenübergestellt, die bloß den Preiswettbewerb im Intrabrand-Wettbewerb eliminiere.477 Deshalb bestehe erstens kein Grund für eine unterschiedliche Behandlung von preislichen und nichtpreislichen vertikalen Beschränkungen und zweitens erst recht keine Rechtfertigung für das besonders strikte Preisbindungsverbot. Diese Bewertung veranschaulicht vor allem, wie die – relativ beliebige – Kategorisierung von Beschränkungen den Blick für wettbewerbspolitische Schlüsse in die Irre führen kann. Statt der Unterscheidung von Preisbindung und selektivem Vertrieb anhand des Objekts der Beschränkung – dem Preis – Zur Rechtsprechungsänderung in den USA s. Continental TV, Inc. v. GTE Sylvania, Inc., 433 U.S. 36 (1977); Leegin Creative Leather Products, Inc. v. PSKS, Inc., 551 U.S. 877 (2007). 476 Weitgehend rechtlich zulässig, s. auch zu Varianten des Exklusivvertriebs oder Alleinvertriebs nur Gabler Wirtschaftslexikon, Stichwort: selektives Vertriebssystem, abrufbar ; ibid., Stichwort: Alleinvertrieb, abrufbar . 477 Ippolito, 55 Antitrust Bull. 2010, 151, 161,162. 475

F. Vergleich mit anderen nichtpreislichen vertikalen Beschränkungen

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in vertikale preisliche bzw. nichtpreisliche Beschränkungen, kann und sollte subjektiv anhand des zugrunde liegenden Loyalitätsverhältnisses zwischen Hersteller und Händler abgegrenzt werden. Danach bedienen Preisbindung und selektiver Vertrieb zwei unterschiedliche Kategorien, nämlich des offenen und des geschlossenen Vertriebs. Für die Bewertung der Auswirkungen der oder anderen Vertriebsform ergeben sich dann zwei entscheidende Konsequenzen: Hinsichtlich des Kriteriums der Geeignetheit eines wettbewerblichen Instrumentes zur Erreichung des ökonomischen Ziels – hier: Sicherstellung von Händlerservices bei gegebener Anreizasymmetrie oder bei drohendem Marktversagen – ist der selektive Vertrieb für die Zielerreichung weitaus besser geeignet als die Preisbindung. Ein Händler hat im offenen Vertrieb (Bsp. Sortimentshandel) im Gegensatz zum Hersteller kein auf die Marke des verkauften Produktes konkretisiertes Absatzinteresse, jedenfalls nicht im Falle eines bereits zum Kauf entschlossenen Kunden. Eine diesbezüglich eingesetzte Preisbindung soll dem Händler im offenen Vertrieb einen Teil der Herstellermarge zuweisen, um dieses Absatzinteresse zu fördern, wobei die zweifelhafte Eignung dieses Instruments und die Nebenwirkungen bereits dargestellt wurden. 478 Ein selektives Vertriebssystem hingegen eliminiert dieses Anreizgefälle, indem es den Händler in ein engeres Loyalitätsverhältnis mit dem Hersteller einbindet. Die Anreizkoordination kann mit bis zu 100 % durch die Wahl eines Alleinvertriebsverhältnisses, oder abgestuft, über die Ausgestaltung des Vertrags-/Fachhändlerverhältnisses herbeigeführt werden. Gleiches ergibt sich für Trittbrettfahrszenarien. Während eine Preisbindung weder sicherstellen kann, dass Händler die zusätzliche Marge in Pre-Sales-Service investieren noch sich in anderen Formen nichtpreislichen Wettbewerbs engagieren, lässt der selektive Vertrieb zwei Stellschrauben der Steuerung des Vertriebs zu. Zum einen kann der Hersteller innerhalb eines selektiven Vertriebssystems die Sicherstellung eines bestimmten Services vertraglich spezifizieren und der Händler hat in diesem Loyalitätsverhältnis ein höheres Eigeninteresse an der Befolgung der vertraglichen Vereinbarung.479 Zum anderen macht der Hersteller ein Trittbrettfahren anderer Anbieter insofern unmöglich, als die Kosten für die Bereitstellung der spezifizierten Vertriebsleistung bei allen Händlern dieses geschlossenen Vertriebssystems ähnlich sind.480 Ein geschlossenes Vertriebssystem kann Anreiz- und Trittbrettfahrprobleme ursächlich bekämpfen und ist somit besser geeignet. 478 Gleichförmig eingeführte Preisbindungen verschiedener Hersteller heben sich gegeneinander auf, erhöhen aber das Preisniveau, siehe oben 1. Teil C.III.2, 97. 479 Die Vereinbarung ist insofern selbstdurchsetzend, als der Händler ansonsten seinen entscheidenden Zulieferer verliert. 480 Die Limitierung der Outlets für das Herstellerprodukt durch die Zuweisung räumlich abgegrenzter Gebiete macht ein Trittbrettfahren durch die Kunden wirtschaftlich unrentabel. Auch an den Internethandel kann der Hersteller Mindestanforderungen stellen, bzw. zusätzlich die Unterhaltung einer physischen Präsenz vertraglich sicherstellen.

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1. Teil: Ökonomische Analyse der Preisbindung zweiter Hand

Noch entscheidender ist das bessere Abschneiden geschlossener Vertriebssysteme im Hinblick auf die Erforderlichkeit des Einsatzes. Der Rückgriff auf eine Form des geschlossenen Vertriebs hat nämlich einen selbstdisziplinierenden Charakter. Weil die Beschränkung der Outlets für den Hersteller selbst einen Kompromiss darstellt, wird er ihn nur insoweit einrichten, als die angestrebten Ziele dies erfordern. Die Herausnahme des eigenen Produktes aus dem Sortimentshandel und Zurückschneidung der simultanen Verfügbarkeit an zentralen Verkaufsstellen stellt nämlich nur dann einen Mehrwert dar, wenn das Produkt aufgrund entscheidender Features oder überragender Qualität im Interbrand-Wettbewerb soweit überlegen oder andersartig ist, dass Kunden den Mehraufwand für den Produktbezug auch wertschätzen. Das zwingt den Hersteller seine Anforderungen an den Vertrieb im Vorhin zu konkretisieren. Zum zweiten ist auch die Limitierung der Wettbewerbsbeschränkung auf einen geschlossenen Vertrieb, also die Isolation der wettbewerblichen Wirkungen auf den Intrabrand-Wettbewerb sinnvoll. Sie stellt erstens eine Chancengleichheit unter den Mitgliedern innerhalb eines geschlossenen Vertriebssystems her. Zweitens werden etwaige, durch die qualitativen Anforderungen herbeigeführten Preiseffekte besser auf eine Marke beschränkt aufgrund der physischen Trennung des Vertriebs Übertragungseffekte besser vermieden, also Raum für echten Interbrand-Wettbewerb bewahrt.481 Gebundene Preise bei Produkten, die innerhalb einer Produktkategorie eine führende Stellung einnehmen, führen in einem Mehrmarkensortiment auch zu beeinflussten Preisstrukturen hinsichtlich konkurrierender Produkte, weil sie sich gegenüber dem Verbraucher typischerweise im Regal direkt nebeneinander präsentieren. Im selektiven Vertrieb wirkt jedoch auch der Interbrand-Wettbewerb deutlicher, weil Wettbewerbsparameter isoliert werden.

G. Ergebnisse G. Ergebnisse

I.

Die Zusammenschau pro-kompetitiver Begründungen für Preisbindungen

Aus der Analyse der verschiedenen Theorien ergibt sich folgendes Bild hinsichtlich der Service-Theorien482: Die ökonomische Analyse der Preisbindung Paldor, The Vertical Restraints’ Paradox: Justifying the Different Legal Treatment of Price and Non-Price Vertical Restraints (2007). 482 Ausgehend von der Service-Theorie (Telser 1960) seien darunter hier auch die verwandten Theorie zur Qualitätszertifizierung (quality certification, Marvel / McCafferty 1984), die Nutzung der Preisbindung zum Erhalt oder Aufbau von genügend Verkaufsstellen (outlet hypothesis, Gould / Preston 1965), die Anreizwirkung für Händlerservices bzgl. verschiedener Kundengruppen (externalities in service, Winter 1993) sowie die des Einsatzes der Preisbindung zur Distributionsförderung durch mehr Service im Sinne der Margenteilung durch Preisbindungen (RPM as contract enforcement mechanism, Klein / Murphy 1988). 481

G. Ergebnisse

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kommt anhand dieser Theorien zwar zu positiven Wirkungen in der Vertriebskoordination hinsichtlich der Servicebereitstellung. In der Gesamtschau werden jedoch bei allen Erklärungsansätzen Schwachstellen sichtbar. Mehr oder weniger stark gehen die Einzeltheorien dieses Themenkomplexes zunächst davon aus, dass die Preisbindung eigenständig notwendige Anreize zur Verbesserung des Kundendienstes setzt, was jedoch nicht der Fall ist. Bereits angesprochen wird diese Schwäche einzig bei Klein/Murphy (1988), die hinsichtlich ihrer Erklärung eingestehen, dass flankierende Maßnahmen des Herstellers wie umfassendes Monitoring notwendig werden, um ein unerwünschtes Ausweichverhalten der Händler zu unterbinden.483 Allesamt haben die Service-Theorien jedoch noch weitere Defizite: Ihre Relevanz beschränkt sich zunächst auf Sonderkonstellationen und Szenarien, deren Risikogehalt überschätzt wird. Die einzelnen Theorien haben entweder aufgrund der betroffenen Produkte oder des konkret vorausgesetzten Vertriebsumfeldes insofern zunächst unterschiedlich ausgestaltete, enge Anwendungsbereiche, die teilweise – aber nicht notwendigerweise – zusammenfallen. Pro-kompetitive Service-Theorien sind daher höchst einzelfallbezogen und dürfen somit – trotz ihres quantitativen Gewichts – nicht kumuliert für Aussagen darüber hinzugezogen werden, ob pro-kompetitive Auswirkungen von Preisbindungen wahrscheinlich sind. Zudem kranken alle hier beschriebenen Service-Theorien sowohl in Bezug auf das Trittbrettfahren als auch im Anreizbereich daran, dass sie lediglich die Nützlichkeit der Preisbindung nachweisen können, nicht jedoch ihre Notwendigkeit. Neben der vielfach bereits angesprochenen Eignung der Preisbindung, ohne gewisse Rahmenumstände und flankierende Maßnahmen gewünschte Effizienzziele zu erreichen, fanden sich im Hinblick auf alle diese Theorien geeignetere Alternativmittel, die zudem weniger wettbewerbsbeschränkend wirken. Die weitaus größte Skepsis ist jedoch gegenüber der Annahme geboten, dass Preisbindungen, die i. S. v. Service- und Anreiztheorien, automatisch auch pro-kompetitive Gesamtergebnisse produzierten. Im Gegensatz dazu legen neue Forschungsergebnisse dar, dass im Sortimentswarenhandel und Mehrmarkenvertrieb, also dort, wo mehrere Hersteller über gemeinsame Händler vertreiben, die Wahrscheinlichkeit von negativen Ergebnissen besonders hoch ist. Hier heben sich die einzelnen Anreize durch einzelne Hersteller nicht nur gegeneinander auf, sondern führen im Ergebnis auch zu einem absolut geringeren Umfang an bereitgestellten Dinstleistungen der Händler.484 483 Die Notwendigkeit einer glaubhaften Sanktion durch den Hersteller und die Erkenntnisse um die Preisbindung als Instrument zur Aufteilung von Margen ist das größte Verdienst dieser Theorie, Klein / Murphy, 31 J. L. & Econ. 1988, 265 ff. 484 Siehe oben 1. Teil B.II.1, 58; Hunold / Muthers, Resale Price Maintenance and Manufacturer Competition for Retail Services (2012).

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1. Teil: Ökonomische Analyse der Preisbindung zweiter Hand

Gegenüber den Theorien, die sich mit zu starkem Preiskampf beschäftigen, hat die ebenfalls besprochene Nutzung der Preisbindung zur Verhinderung doppelter Margenbildung (Bilateral Monopoly – Friedman 1986)485 ein Szenario mangelnden Wettbewerbs auf Hersteller- und Händlerebene im Blick, erfasst aber erneut keine regelmäßig vorgefundene Situation. Sie kann daher sowohl aus Gründen empirischer Evidenz als auch aufgrund der verfügbaren, weniger wettbewerbsbeschränkenden Alternativen (Höchstpreisbindungen) als Rechtfertigung für Preisbindungen nicht überzeugen. Die daneben vorgebrachten Argumente der preisbindungsgesteuerten Markenpflege sind im Rahmen einer ganzheitlichen Betrachtung für die Rechtfertigung von Preisbindungen ebenfalls nur bedingt aussagekräftig. Entweder erscheint wie bei anderen Szenarien der Bedrohungsgehalt freier Preisbildung nicht groß genug, oder aber der Einfluss des Herstellers über den Herstellerabgabepreis und Preisempfehlungen erscheint ausreichend. Theorien zum Einsatz der Preisbindung als Marketinginstrument sind somit zwar eine starke Erklärung für das Herstellerinteresse an der Preisbindung, aber für die Rechtfertigung derselben grundsätzlich unbeachtlich. Insgesamt zeichnen diese Ergebnisse in Anbetracht der so weitreichenden ökonomischen Diskussion pro-kompetitiver Funktionen der Preisbindung ein verhältnismäßig schwaches Argument für die Liberalisierung von Preisbindungsvereinbarungen. II. Die Wertung der anti-kompetitiven Wirkungen von Preisbindungen Ungeachtet der dargestellten Defizite pro-kompetitiver Erklärungen für Preisbindungen ist die nicht ausreichende Effizienzsteigerung durch Preisbindungen an sich in einer freiheitlich organisierten Marktwirtschaft keine ausreichende Verbotsbegründung. Solange die Preisbindung zwar keine hinreichend positiven Effekte hervorbringt, ist ein Verbot andererseits nur bei realistischer Weise anzunehmenden Wohlfahrtsverlusten adäquat.486 Es gibt jedoch deutliche Hinweise, dass Preisbindungen eine Rolle spielen für die langfristige Stabilisierung von Herstellerkartellen. So sind die ursprünglichen Bedenken gegenüber Preisbindungen als Instrument zur Durchführung und Stabilisierung von Kartellen nach wie vor uneingeschränkt berechtigt und werden unter dem Einfluss des Internets nicht weniger relevant.487

Friedman, 1986 Wis. L. Rev., 873 ff.; siehe oben 1. Teil B.II.3, 65. Ohne der rechtlichen Bewertung der Preisbindung durch den zweiten Teil dieser Arbeit vorzugreifen, lässt sich bereits hier anführen, dass eine Preisbindung die Vertragsfreiheit des Händlers und seiner Abnehmer einschränkt und in dieser Funktion auch als Vertrag zu Lasten Dritter angesehen werden kann. Um diesen zu legitimieren bedarf es normativ einer weitergehenden Begründung. 487 1. Teil C.I.3, 86. 485 486

G. Ergebnisse

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Zusätzlich zu den klassischen Kartellargumenten wachsen jüngst auch ökonomische Erkenntnisse zu der bewussten und unbewussten Nutzung der Preisbindung im Sinne einer Zutrittsversperrung des Handels gegenüber Konkurrenten, also zur Abschottung.488 Dieser Bereich der modelltheoretischen Untersuchung der Preisbindung lässt noch Raum für weitere Forschung, deutet aber an, wie wichtig die Beachtung realistischer Grundannahmen, hier das Nebeneinander von mehreren Herstellern für eine Gesamtbeurteilung der Aussagekraft von theoretischen Arbeiten ist. Die langfristig negativen Wirkungen auf die Preise konnten zudem auch mit weiteren ökonomisch nachteiligen Wirkungen assoziiert werden. Zum einen deuten aktuellste ökonomische Arbeiten auf die kontraproduktive Wirkung der Preisbindung hinsichtlich der Bereitstellung wichtiger Händlerservices hin und widerlegen damit die lange die Diskussion beherrschenden Service-Theorien.489 Zum anderen sind die Effekte der Preisbindung auf den Interbrand-Wettbewerb nicht zu unterschätzen. Insbesondere im Mehrmarkenvertrieb muss sowohl Intra- als auch Interbrand-Wettbewerb gleichmäßig wirken, damit Effizienzgewinne dem Verbraucher zugute kommen.490 Zum anderen legt die Forschung zu Interlocking Relationships nahe, dass auch ohne Kartellhintergrund kartellähnliche Marktergebnisse zu erwarten sind, wenn eine Preisbindung in einem Umfeld angewendet wird, in dem zwei oder mehrerer Unternehmen der vorgelagerten Handelsstufe einen gemeinsamen Handelspartner auf der nächsten Stufe haben, respektive umgekehrt.491 Zuletzt darf auch die Margensicherungsfunktion der Preisbindung nicht unterschätzt werden. Die Preisbindung wird auch empirisch sichtbar dazu genutzt, höhere Einkaufspreise für den Hersteller zu gewährleisten. Das theoretische Interesse des Herstellers an günstigen Verkaufspreisen und der entsprechende Interessengleichlauf in Bezug auf das Verbraucherwohl werden allgemein deutlich überschätzt.492 Ähnliche Befunde und starke Bedenken gegenüber ökonomischer Vorteilhaftigkeit ergaben sich auch für verwandte Preisstrategien wie die der Meistbegünstigungsklausel, Preisparitätsklauseln bzw. ließen sich teilweise auf Ausweichstrategien wie die Praxis von empfohlenen Endverkaufspreisen bzw. die Beschränkung preislicher Werbung übertragen. Zudem stützt die ökonomisch vergleichende Betrachtung der Preisbindung mit geschlossenen Vertriebssystemen und dem Szenario vertikaler Integration die konservativ skeptische Haltung gegenüber Preisbindungen.493 1. Teil C.II, 88. Siehe z. B. Hunold / Muthers, Resale Price Maintenance and Manufacturer Competition for Retail Services (2012) und 1. Teil B.II.1, 58 und C.III.2, 97. 490 1. Teil C.III.3.a), 99. 491 1. Teil C.III.3.b), 101. 492 1. Teil C.III.1, 95. 493 1. Teil D, 109. 488 489

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1. Teil: Ökonomische Analyse der Preisbindung zweiter Hand

III. Die Motivationslage bei der Einführung der Preisbindung und die Implikationen der Verhaltensökonomie Verschiedentlich wurden bereits auf die unterschiedlichen Interessenlagen von Händlern und Herstellern in Bezug auf die Preisbindung eingegangen. Die Ergebnisse sind wie folgt zusammenzufassen: Während die durch Händler angestrebten Preisbindungen eher Kartellinteressen oder marktverschließenden Zwecken dienen,494 behandeln die meisten pro-kompetitiven Theorien Szenarien herstellermotivierter Preisbindungen. Die ökonomischen Motive von Herstellern495 werden insofern als gleichlaufend mit dem Interesse der Verbraucher an hohen Produktionszahlen und moderaten Preisen betrachtet und deshalb positiv bewertet.496 Diese in der Auswertung pro- und antikompetitiver Erklärungen der Preisbindung gesehene Korrelation wird auch bei der Vermutung herangezogen, dass Hersteller in ihrem Streben nach profitmaximierenden Vereinbarungen Preisbindungen nur dort einsetzten, wo diese immer oder weit überwiegend zu betriebswirtschaftlichen und damit auch wettbewerblichen Vorteilen führten.497 Aus zwei Gründen bestehen Einwände: Zum ersten ist das Interesse des Herstellers selbst nach rein ökonomischer Betrachtung schon nicht mehr als wettbewerbsförderlich einzustufen, wenn es lediglich darauf abzielt, Wettbewerber zu verdrängen, um dem Hersteller eine Abschöpfung der Konsumentenrente zu ermöglichen.498 Zum zweiten musste diese Annahme bereits dadurch relativiert werden, dass einige der individuell für Unternehmen als effizienzfördernd angesehenen Preisbindungen negativ auf die gesamtgesellschaftliche Wohlfahrt wirken können. Man darf Herstellervorteile nicht mit Konsumentenvorteilen gleichsetzen.499 Der häufig durch den Hersteller angestrebte individuelle Vorteil bewirkt im Horizontalverhältnis zudem unter Um-

494 Während etablierte Händler häufig ein Interesse an Preisbindungen haben, stehen aufstrebende Wettbewerber im Handel ihnen häufiger ablehnend gegenüber, Comanor, 55 Antitrust Bull. 2010, 59, 63, 67; ders., 98 Harv. L. Rev. 1984, 983 ff.; Scherer, 52 Antitrust L. J. 1983, 687 ff. 495 „[…] enhanced distribution services and selling efforts to increase the manufacturers sales over what they would otherwise be“, Comanor, 55 Antitrust Bull. 2010, 59, 67. 496 „Retailer compensation for increased point-of-sale promotion“, Klein, 76 Antitrust L. J. 2009, 431 ff., 437, 441; Bork, Antitrust Paradox, 296; entschieden a. A. Grimes, 55 Antitrust Bull. 2010, 106. 497 Darunter fällt auch ein ein Handeln in der bloßen Hoffnung darauf, dass eine Preisbindung positive Wirkungen entfaltet, weil der Wettbewerb selbst als Entdeckungsprozess dient, weil unternehmerische Entscheidungen selbst einigermaßen Häufig dem Prinzip „Trial and Error“ unterworfen sind. 498 Grimes, 55 Antitrust Bull. 2010, 110. 499 Comanor, 55 Antitrust Bull. 2010, 59, 75; mit Zweifeln daran Grimes, 55 Antitrust Bull. 2010, 101, 104.

G. Ergebnisse

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ständen nur eine Verschiebung von Marktanteilen, ohne sich auf positiv auf Preise und ausgebrachte Mengen auszuwirken. Unabhängig von diesen Auswirkungen auf die Gesamtwohlfahrt haben Untersuchungen der letzten Jahre auch ergeben, dass durch eine Preisbindung angestrebte Effizienzgewinne innerhalb einer Vertriebskette im Modell mit konkurrierenden Herstellern nicht unbedingt eintreten, sondern zu höheren Preisen und niedrigerem Serviceniveau führen können.500 Die Preisbindung ist zwar ein wirksames Instrument der Margenteilung, hinsichtlich der bezweckten Anreizsetzung zur Kundendienstleistung ist die Preisbindung aber schlecht geeignet und für den Hersteller u. U. nachteilig. Auch empirische Untersuchungen der Effekte einer liberalen Behandlung von Preisbindungen in einigen Bundesstaaten der USA zeitigten negative Ergebnisse – sowohl hinsichtlich der Preisentwicklung als auch des Outputs. 501 Weshalb aber verspüren Hersteller einen so starken Drang, Preise zu binden? Diese Frage richtet den Blick auf die Verhaltensökonomie, die die vorwiegend theoretischen und neoklassisch geprägten pro- und anti-kompetitiven Theorien entscheidend erweitert. Allen einzelökonomischen Theorien zur Preisbindung liegt die Annahme zugrunde, dass Hersteller strikt rationale profitmaximierende Entscheidungen treffen. 502 Aus der Perspektive der Verhaltensökonomie wird diese Grundannahme skeptisch hinterfragt und konstruktiv untersucht, warum und inwiefern Akteure gemessen an ökonomischen Beurteilungsmaßstäben tatsächlich irrational handeln. Nach der Beobachtung durch Tor und Rinner 2011 verhalten sind Hersteller im Wirtschaftsleben nachweislich anfällig dafür negative Auswirkungen von „Preisdrückerei“ stark zu überschätzen.503 In der Konsequenz reagieren sie übermäßig avers auf solche Praktiken und entwickeln eine Vorliebe für die eigene Steuerung der Preise über Preisbindungen.504 Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass Hersteller daher häufig auch auf Preisbindungen zurückgreifen, wenn sie sich wirtschaftlich kontraproduktiv auswirkt. Bis solche Fehlentscheidungen revidiert würden, braucht es grundsätzlich eine gewisse Lerndauer. Allerdings werden Fehlentscheidungen nicht in jedem Fall als solche identifiziert. Vor allem dann, wenn Preisbindungen im Markt relativ verbreitet sind, werde der Hersteller in dieser Fehlentscheidung nicht deutlich genug

500 Hunold / Muthers, Resale Price Maintenance and Manufacturer Competition for Retail Services (2012), 2. 501 MacKay / Smith, The Empirical Effects of Minimum Resale Price Maintenance (2014). 502 Siehe m. w. N. und systematisierter Auflistung der Fragenkreise Gundlach, AAI Working Paper No. 14-03, 14. 503 Tor / Rinner, 2011 U. Ill. L. Rev., 808. 504 Tor / Rinner, 2011 U. Ill. L. Rev., 808.

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1. Teil: Ökonomische Analyse der Preisbindung zweiter Hand

durch Interbrand-Preisdruck korrigiert.505 Die Annahme der Korrelation von Hersteller- und Verbraucherinteressen ist somit stark überbewertet. Damit sind nicht nur händlergetriebene Preisbindungen bedenklich. Hersteller reagieren nämlich zum einen selbst übermäßig sensibel auf Informationen über Preistreiber durch ihre Händler. Zum anderen greifen Hersteller in vielen Fällen irrationaler Weise selbständig auf Preisbindungen zurück.506 Diese Feststellungen werfen auch neues Licht auf die These, dass der Gebrauch von Preisbindungen durch wenig marktstarke Hersteller unschädlich sei. Zwar stimmt es, dass Marktmacht die Möglichkeit des wettbewerbsbeschränkenden Einsatzes von Preisbindungen erweitert. Allerdings zeigt die historische Evidenz, dass ineffektive Preisbindungspraktiken auch in wenig konzentrierten Märkten nachhaltig eingeführt werden,507 wofür die verhaltensökonomischen Erkenntnisse zur Preisbindung eine gute Erklärung liefern. Nur aufgrund eines effizienzorientierten Motivs des Herstellers ist also mitnichten auch auf ein effizientes Marktergebnis zu schließen. IV. Wettbewerbspolitische Implikationen Die ökonomische Analyse kommt, gemessen an der vordergründig bestehenden ökonomischen Forderung der Liberalisierung der Preisbindung, in dieser Arbeit zu einem überraschenden Ergebnis: Zwar scheint eine pauschale wettbewerbspolitische Beurteilung aufgrund der ambivalenten Auswirkungen der Preisbindung in Intra- und Interbrand-Wettbewerb zunächst kaum möglich. Eine Gesamtbetrachtung neuester Forschung spricht dafür, die Preisbindung der zweiten Hand weiterhin einer restriktiven Beurteilung zu unterwerfen. In Bezug auf Mindest- und Festpreise sollte die wettbewerbspolitische Behandlung ein präventives Verbot der Preisbindung umfassen. Aufgrund des nicht auszuschließenden Vorteils einer Preisbindung im Einzelfall ist ein ausnahmesloses Verbot jedoch nicht adäquat, sondern ein Erlaubnisvorbehalt nach hier vertretener Auffassung angebracht. Für die Anerkennung rechtfertigender Sachverhalte für Mindest- und Festpreisbindungen ergibt sich folgendes Bild: – Die Quantität der als pro-kompetitiv eingestuften Funktionen von Preisbindungen vermittelt zwar zunächst den Eindruck überwiegend positiver Tor / Rinner, 2011 U. Ill. L. Rev., 856. Darüber hinaus gibt es weitere verhaltensökonomische Aspekte des Einsatzes von Preisbindungen, die zur Skepsis mahnen. So handeln Individuen selten vollständig rational bei der näheren Spezifizierung eines wirtschaftlich angemessenen Preises, (sog. endowment effect), s. Ellsberg, 75 QJE 1961, 643–669; Individuen präferieren ein Risiko gegenüber der Ungewissheit (sog. Ellsberg Paradoxon) und die Beibehaltung des status quo gegenüber der Veränderung der Situation, (sog. status-quo-bias), s. zu diesem Themenkomplex insgesamt z. B. Kahlemann / Knetsch / Thaler, 5 J. Econ. Perspect. 1991, 193–206. 507 Tor / Rinner, 2011 U. Ill. L. Rev., 857. 505 506

G. Ergebnisse

– – – –



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ökonomischer Wirkungen von vertikalen Beschränkungen im Allgemeinen und auch der vertikalen Preisbindung. Dieser Eindruck hat sich nicht bestätigt. Tatsächlich sind die meisten pro-kompetitiven Erklärungen zum Einsatz von Preisbindungen kritisch im Hinblick auf sekundäre Wirkungen zu bewerten. Dies beruht vor allem darauf, dass pro-kompetitive Erklärungen für die Preisbindung der zweiten Hand modelltheoretisch überwiegend mit der Annahme nur eines Herstellers operieren, die Einführung der Geschäftspraktik durch konkurrierende Hersteller jedoch ausklammern. Für den Sortimentswarenhandel dürften die meisten der hier besprochenen Rechtfertigungslinien für Preisbindungen daher kaum in Betracht kommen. Zur Einführung neuer Produkte kann eine Preisbindung im Einzelfall und temporär gerechtfertigt sein. Denkbar ist diese allerdings eher für hochkomplexe Produkte. Die kurzfristige Koordination von Sonderaktionen kann ebenfalls den Einsatz einer Preisbindung rechtfertigen. Hingegen nicht ökonomisch anzuerkennen sind Motive der Marken- oder Preispflege. Die Beurteilung von Preisbindungen sollte aus mehreren Gründen weitgehend unabhängig von Marktanteilen erfolgen: – Zum einen ergeben sich ökonomisch nachteilige Ergebnisse nicht nur aus dem klar wettbewerbsbeschränkend motivierten Gebrauch von Preisbindungen. – Auch Situationen mit geringen Marktanteilen, mithin hoher Wettbewerbsintensität, halten Hersteller nicht davon ab, ökonomisch u. U. nachteilige Preisbindungen einzuführen. Deshalb kann letzterer nicht als Garant für eine Unbedenklichkeit von Preisbindungen angesehen werden.508 – Im Marktumfeld des Internets sind auch zweiseitige Märkte und Netzwerkeffekte wichtige Parameter, die bei der bloßen Betrachtung einzelner Marktanteile leicht ausgeblendet werden. Die Beurteilung von Preisbindungen sollte zudem das Interesse an der jeweiligen Einführung nicht in den Mittelpunkt stellen. Zwar sind Herstellerinteressen eher pro-kompetitiv als Händlerinteressen, schließen aber aufgrund der hohen Wahrscheinlichkeit, mit der Hersteller Fehleinschät-

508 Abhängig vom Ausmaß des Interbrand-Wettbewerbs: ist der Interbrand-Wettbewerb sehr ausgeprägt, d. h. gibt es viele konkurrierende Anbieter, so ist das Interesse der Anbieter gering, den Intrabrand-Wettbewerb einzuschränken, wenn dies nicht zugleich Effizienzvorteile hat (vgl. Motta, 2004). Bei starkem Wettbewerb zwischen Herstellern profitieren diese ceteris paribus schließlich von geringeren Endverbraucherpreisen und höheren Absatzmengen. Bei intensivem Interbrand-Wettbewerb sind vertikale Beschränkungen weniger kritisch zu sehen als bei weniger intensivem Interbrand-Wettbewerb (vgl. Rey /  Vergé, 2008). Ist der Interbrand-Wettbewerb jedoch nur schwach ausgeprägt, so sind Mindest- und Festpreisbindungen kritischer zu sehen, Haucap / Klein, in: Ahlert et al., Vertikale Preis und Markenpflege (2012), 180.

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1. Teil: Ökonomische Analyse der Preisbindung zweiter Hand

zungen unterliegen, negative Effekte nicht aus. Auch Verdrängungsmotive von Herstellern und Händlern dürfen nicht unterschätzt werden. – Die Beurteilung der Preisbindung sollte die Prüfung alternativer Geschäftspraktiken wie Höchstpreisbindungen, Preisempfehlungen und geschlossenen Vertriebssystemen einbeziehen. Gebrauch von Preisbindungen sollte auf solche Fälle beschränkt bleiben, in denen Alternativen nicht hinreichend wirksam scheinen. – Höchstpreisbindungen sind als wenig problematisch anzusehen und sollten vom Verbot ausgenommen sein, so lange sie sich nicht wie Mindest- oder Festpreise auswirken. Das Gleiche gilt für Preisempfehlungen. Zur Beurteilung ist ein effektbasierter Maßstab geboten. – Neben der restriktiven Ausgestaltung der rechtfertigenden Tatbestände, sprechen die empirisch negativen Marktergebnisse einer rule of reasonBeurteilung, sowie die drohenden Beurteilungsfehler von Unternehmen dafür, auch die praktische Handhabung restriktiv zu gestalten. Deshalb ist in Bezug auf die Anerkennung von Rechtfertigungstatbeständen den betroffenen Unternehmen zuzumuten, dass sie die Beweislast für solche Effizienzvorteile tragen. Nur so besteht die Anreizlage, die Einführung von Preisbindungen auf eine vorangehende ökonomische Beurteilung zu stützen und die Wahrscheinlichkeit des Gebrauchs ökonomisch nachteiliger Preisbindungen einzudämmen.

2. Teil

Die Preisbindung der zweiten Hand – ein transatlantischer Rechtsvergleich 2. Teil: Die Preisbindung der zweiten Hand – ein Rechtsvergleich

A. Rechtsvergleichung: Fragestellung und Gang der rechtlichen Untersuchung

A. Rechtsvergleichung: Fragestellung und Gang der rechtlichen Untersuchung

I. Die Suche nach einer rechtlich angemessenen Regelung der Preisbindung

Auch rechtlich betrachtet ist die Preisbindung der zweiten Hand ein ambivalentes Phänomen. Einerseits kann die Preissetzung selbst als Ausdruck wirtschaftlicher Wahlfreiheit eines Herstellers verstanden werden, der sein Produkt weiterverkauft; gleichsam ist die Ausübung dieser Freiheit in Form der Preisbindung gegenüber der nächsten Handelsstufe eine weitgehende Beschneidung der Entscheidungsfreiheit des Händlers und damit auch der Konsumenten. 1 Freie unternehmerische Entscheidungen zu ermöglichen, ist jedoch in der Regel ein Hauptanliegen von Wettbewerbsordnungen. Wenn auch die Gewichtung dieser Entscheidungsfreiheit als Haupt- oder Zwischenziel im Verhältnis zur Verwirklichung größtmöglicher Effizienz zwischen Rechtsordnungen und Epochen variiert, bestand und besteht in zahlreichen Wettbewerbsrechtsordnungen in unterschiedlicher Ausgestaltung stets ein Verbot, Preise zu binden. Die Überprüfung der bestehenden Regelungen in Deutschland und Europa auf ihre Zweckmäßigkeit ist eine Kernfrage bei der Neubewertung der Preisbindung der zweiten Hand. Allerdings erschöpft sich – ungeachtet ihrer Machbarkeit – eine angemessene rechtliche Untersuchung nicht darin, die Preisbindung zu verbieten, wo sie ökonomisch schädlich ist und sie zu erlauben, soweit sie unschädlich oder nützlich ist. Wettbewerbsrecht ist nicht nur nicht dazu geeignet, sondern auch nicht dazu gedacht, die Ansichten von Ökonomen über die ökonomisch „richtige Lösung“ präzise abzubilden.2 Vielmehr kreiert Recht ein eigenes System, dessen Effekte sich im Zusammenspiel aus materiellen Regelungsinhalten und ihrer Anwendung durch die 1 Beschnitten wird die Freiheit beider, des Händlers aber auch des Konsumenten, Preise im Verhandlungswege nach oben oder unten zu bewegen. 2 Unterstellt es gäbe eine einzige, richtige Sichtweise; einordnend s. Mohr, ZWeR 2015, 1, 6.

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2. Teil: Die Preisbindung der zweiten Hand – ein Rechtsvergleich

Rechtspraxis, insbesondere durch die Rechtsprechung ergeben. Demnach umfasst die rechtliche Beurteilung des Preisbindungsverbotes auch eine normative Betrachtung. Grundlage dieser normativen Betrachtung können nur Rechtsnormen sein, aufgrund derer die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit der Preisbindung zu beurteilen ist. Im Unterschied zu ökonomischen Theorien kommt diesen Normen rechtliche Verbindlichkeit zu. Ökonomische Erwägungen können im Rahmen der Anwendung des geltenden Rechts nur insoweit herangezogen werden, als die rechtlichen Regelungen dies erlauben. Neben diese Berücksichtigung der Wahrscheinlichkeit von ökonomisch positiven oder negativen Ergebnissen tritt auch die Frage, was wettbewerbsrechtliche Maßstäbe wie Rechtssicherheit, justiziable Regelungsausgestaltung und letztlich auch Aspekte wie Fairness und Motivation im Hinblick auf Preisbindungen bzw. auf die Akzeptanz und Durchsetzung eines Preisbindungsverbotes vorgeben. II. Betrachtete Rechtsordnungen und offene Fragen Partikularitäten einer Rechtsordnung in Bezug auf die rechtliche Beurteilung eines Sachverhaltes treten erst durch den Vergleich mit anderen Rechtsordnungen in Erscheinung. Dieser Vergleich kann sowohl Anlass für eine kritische Auseinandersetzung mit der Heimatrechtsordnung sein als auch Aufschluss über alternative oder optimierte Lösungen bieten. Hier erfüllt eine Rechtsentwicklung in den USA beide Funktionen. 2007 verwarf der U.S. Supreme Court die fast hundert Jahre geltende Rechtsprechung zum ausnahmslosen Verbot der vertikalen Preisbindung in der Aufsehen erregenden Entscheidung Leegin Creative Leather Products v. PSKS (Leegin).3 Dieses Ereignis im Mutterland des Kartellrechts hat in Europa, als traditionellem Impulsnehmer, einen Welle wissenschaftlicher Forderungen nach einer Liberalisierung der Preisbindung ausgelöst.4 Im Jahr 2010 hat die Europäische Kommission die Gruppenfreistellungsverordnung für vertikale Beschränkungen novelliert und sich vor allem in den dazugehörigen Leitlinien erstmals ausführlicher zu ökonomischen Effizienzgewinnen durch die vertikale Preisbindung geäußert. Es fragt sich daher, was diese Reaktion für die Zukunft der vertikalen Preisbindung in Europa bedeutet. Aus deutscher Perspektive sind für eine rechtsvergleichende Untersuchung der Regelung der Preisbindung durch das deutsche GWB ohnehin auch zwingend die Maßgaben des europäischen Rechts hinzuzuziehen. Die Kritik am sog. form based-approach, dem formaljuristischen Ansatz bei der Beurteilung von Preisbindungen fiel in Deutschland, wo das Bundeskartellamt (BKartA) in den letzten Jahren besonders viele Fälle vertikaler Preisabsprachen aufgeLeegin Creative Leather Products, Inc. v. PSKS, Inc., 551 U.S. 877 (2007). Beispielsweise Reindl, 33 Fordham Int’l L. J. 2010, 1300 ff.; Möschel, Vertikale Preisbindung, in: Kartellrecht in Theorie und Praxis 2012, 341 ff. 3 4

A. Rechtsvergleichung: Fragestellung und Gang der rechtlichen Untersuchung 133

griffen hat, besonders hoch aus.5 Diese wiederum werden auch auf der anderen Seite des Atlantiks als besonders restriktive Ansätze gegenüber vertikaler Preisbindung registriert. Vereinzelt wird mithin mit erheblicher Kritik von einem noch existierenden per se-Verbot in einigen Mitgliedstaaten wie Deutschland und der Schweiz ausgegangen. Die auf beiden Seiten des Atlantiks kursierenden, terminologisch oft mehrdeutigen Stellungnahmen zur Behandlung vertikaler Preisbindungen geben Anlass, zunächst die Rechtslage in den USA und den dortigen Liberalisierungsprozess vertikaler preislicher Vereinbarungen post Leegin zu untersuchen und den status quo der rechtlichen Beurteilung in der Praxis sowohl auf Bundes- als auch auf Staatenebene zu ermitteln. Zusätzlich werden der Umgang mit der Preisbindung in der Schweiz sowie punktuell die Entwicklungen von Preisbindungsverboten und deren Durchsetzung in anderen inner- und außereuropäischen Ländern aufgegriffen. Die Auswahl der genannten Rechtsordnungen beruht auf folgenden Überlegungen. Zunächst kennen bzw. kannten alle genannten Rechtsordnungen ein – mehr oder weniger stark kodifiziertes – wettbewerbsrechtliches Preisbindungsverbot, das über die Dauer seiner Existenz aufgrund rechtsdogmatischer und praktischer Fragen in regelmäßigen Abständen Gegenstand der wettbewerbsrechtlichen Diskussion geworden ist.6 Zudem stehen die betrachteten Rechtsordnungen in Bezug auf ihr Wettbewerbsrechts in einem abgestuften Impulsverhältnis zueinander. Dieses Verhältnis manifestiert sich in den europäischen Wettbewerbsrechtsordnungen auch in besonders differenzierter rechtlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit. Innerhalb der Europäischen Union findet überdies eine fortschreitende Rechtsvereinheitlichung statt. Gleichzeitig besteht mit der Schweiz als einzigem Nicht-EUMitgliedstaat inmitten von Europa eine besondere Situation in geografischer, rechtlicher und preislicher Hinsicht: wie beeinflussen Aspekte wie Im- und Export aus bzw. in die EU, autonomer Nachvollzug und ein bemerkenswertes Niveau der Verbraucherpreise die Haltung gegenüber der Preisbindung der zweiten Hand in der Schweiz?

Möschel, WuW 2010, 1229, 1232; ähnlich Lettl, WRP 2011, 710 ff.; Freund, WuW 2011, 29 ff.; in Bandform: Ahlert, Vielfalt durch Gestaltungsfreiheit im Wettbewerb 2011; Ahlert et al., Vertikale Preis und Markenpflege (2012); mit ausf. Kritik, Martinek, ZVertriebsR 2013, 3 ff. 6 Siehe in Deutschland z. B. seit den 1950er-Jahren: Röper, Die vertikale Preisbindung bei Markenartikeln (1955); Huppert, Die Preisbindung von Markenwaren im GWB (1955); Völp, Preisbindung für Markenartikel (1961); Gehling, Die Zulässiskeit von Preisbindungen im Rahmen von Vertriebssystemen (1987); Busche, Preisbindungsverbot und Markenwarenvertrieb (1990); Glasow, Vertikale Preisbindung, Wettbewerbstheorie und Wettbewerbsrecht in den USA, Deutschland und Europa (2000); Kasten, Höchstpreisbindungen (2005). 5

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2. Teil: Die Preisbindung der zweiten Hand – ein Rechtsvergleich

III. Gang und Schwerpunkte der Untersuchung Zur Erarbeitung des status quo der Preisbindungsdiskussion ist es unumgänglich, zunächst die historische Entwicklung des Rechtsinstituts im Zusammenhang mit den jeweiligen wirtschaftlichen und gesellschaftspolitischen Rahmenbedingungen in der betrachteten Rechtsordnung nachzuvollziehen.7 Dazu sind auch Betrachtungen auf Makroebene betreffend den Rechtskreis und die verfassungsrechtlichen Grundlagen notwendig. Für diese Bestandsaufnahme zum jeweiligen Hintergrund der rechtlichen Erfassung vertikaler Wettbewerbsbeschränkungen beginnt das zweite Kapitel mit der am weitesten zurückreichenden Geschichte des Instituts im US-Antitrustrecht.8 Sodann werden das europäische Kartellrecht, das Kartellrecht Deutschlands und schließlich das der Schweiz überblicksartig im Hinblick auf vertikale Beschränkungen skizziert. Mit Blick auf die Rechtsvergleichung der Preisbindung der zweiten Hand bietet sich aufgrund des behandelten Einzelprinzips ein funktioneller Rechtsvergleich an. Das Preisbindungsverbot im US-amerikanischen, europäischen, deutschen sowie dem schweizerischen Wettbewerbsrecht wird deshalb anhand der erfassten Tatbestände möglichst direkt gegenübergestellt und auf seine Angemessenheit hinsichtlich der Ergebnisse aus Teil 1 dieser Arbeit überprüft. Ein Rechtsvergleich muss neben der materiellrechtlichen Regelung auch Aspekte des Verfahrensrechts, der praktischen Durchsetzung und des – soweit feststellbaren – common sense in den untersuchten Rechtsordnungen aufgreifen. Deshalb richtet sich der Fokus stark auf praktische Aspekte; Urteile (und Verwaltungsvorschriften), Stellungnahmen öffentlicher und privater Akteure und Lehrmeinungen sowie empirische Aspekte des tatsächlichen Gebrauchs vertikaler Vereinbarungen und damit einhergehender gerichtlicher Auseinandersetzungen sollen besondere Aufmerksamkeit erfahren. Aus fallempirischer Sicht ist die Preisbindung wohl die wichtigste vertikale Wettbewerbsbeschränkung sowohl hinsichtlich des starken unternehmerischen Interesses an vertikaler preislicher Koordinierung als auch der Konsequenz des Gebrauchs und der Generierung rechtlicher Fälle.9 Deshalb fragt sich insbesondere, ob und ggf. wie sich der Rechtsprechungswechsel in Leegin und die Die Arbeit beschränkt sich auf das Wesentliche, für eine rechtshistorische Betrachtung in Deutschland s. ausf. Epple, Die Wurzeln der vertikalen Preisbindung in Deutschland (2014). 8 Zwar bestehen im Antitrustrecht starke Bezüge zum common law, ein Kartellrecht im engeren Sinne ist in den USA erstmalig zielorientiert entwickelt worden. 9 Zur empirischen Relevanz z. B. Mathewson / Winter, 13 Rev. Ind. Organ. 1998, 57, 59; in den USA der 50er-Jahre wurden ca. 4–10 % der Waren unter Fair-Trade-Gesetzgebung preisgebunden. Im Vereinigten Königreich und Kanada unterlagen bis zur Einführung von Preisbindungsverboten 1951 bzw. 1960 ca. 25 % der Konsumartikel und Dienstleistungen einer Preisbindung, m. w. N. Overstreet, RPM: Economic Theories and Empirical Evidence (1983), 6,7, 153 ff. 7

A. Rechtsvergleichung: Fragestellung und Gang der rechtlichen Untersuchung 135

Novelle von GVO und Vertikalleitlinien10 auf das Aufkommen von gerichtlichen Verfahren um Preisbindungen auswirkt. Schließlich soll die Frage geklärt werden, ob nach dem amerikanischen Rechtsprechungswechsel und angesichts der beschriebenen Vorbildfunktion des amerikanischen Antitrustrechts eine Anpassung des europäischen oder deutschen Rechts sinnvoll oder gar notwendig ist. Beeinflussen also US-amerikanische Rechtsentwicklungen den europäischen Umgang mit der Preisbindung und wenn ja, zu Recht? Oder hat sich die Union vom US-amerikanischen Einfluss emanzipiert und verfolgt in Fragen vertikaler preislicher Wettbewerbsbeschränkungen nach 50 Jahren genuin europäischer Wettbewerbspolitik eigene Ansätze? Die Auslegung und Anwendung des europäischen Rechts durch die Kommission wird vor allem hinsichtlich ihres Einflusses auf das deutsche Recht untersucht. Daneben ist auch der Blick auf das schweizerische Wettbewerbsrecht interessant, weil letzteres zwar nicht im Rahmen der europarechtlichen Dependenz von den unionalen Regelungen beeinflusst wird, aber im Wege der Rechtsvergleichung und des autonomen Nachvollzuges eine besondere Symbiose mit der EU eingegangen ist. Bringen klassische Vorbildfunktionen auch im Hinblick auf die Preisbindung und unter Berücksichtigung ökonomischer und rechtlicher Erwägungen einen legitimen Anspruch auf Integration oder harmonisierte Auslegung mit sich? Oder zeigt sich am Beispiel der Preisbindung, wie die Rechtsdurchsetzung, die häufig auch durch Zweckmäßigkeitserwägungen zu intra- bzw. internationalen Handel gekennzeichnet ist, eine Rückwirkung auf die Ausgestaltung des Verbotes ausübt? Überhaupt verlaufen auch inneramerikanische und innereuropäische Rechtsentwicklungen anhand vertikaler Achsen nicht immer in Top-Down-Richtung der Hierarchien: Inwieweit implementieren oder behindern die verschiedenen Stufen der Rechtsdurchsetzung auf mitgliedstaatlicher oder bundesstaatlicher Ebene die Einführung neuer rechtlicher Beurteilungsstandards und wirken damit auch auf die vorgelagerte Hierarchieebene zurück? Diese vergleichende Gesamtbetrachtung soll auch Erkenntnisse dahingehend bringen, ob es in Bezug auf vertikale Preisbindung in Deutschland tatsächlich einen wie auch immer gearteten Sonderweg gibt und ihn ggf. beurteilen.11

VO 330/2010; Komm., Vertikalleitlinien 2010. Siehe zur historischen Betrachtung und zur Attestierung eines besonders rigiden Ansatzes des BKartA z. B. Epple, Die Wurzeln der vertikalen Preisbindung in Deutschland. 10 11

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2. Teil: Die Preisbindung der zweiten Hand – ein Rechtsvergleich

B. Entwicklungslinien und Grundhaltung gegenüber vertikalen Beschränkungen in den USA und Europa B. Entwicklungslinien und Grundhaltung in den USA und Europa

I. Das US-amerikanische Antitrustrecht: der wettbewerbliche Rahmen für die Erfassung vertikaler Abreden 1. Der gesetzliche Rahmen des Antitrust Law in den USA Den Kern des amerikanischen Antitrustrechts bilden fünf bundesgesetzliche Regelungswerke: Das älteste amerikanische Antitrustgesetz ist der Sherman Act von 1890, der mit dem Verbot von wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarungen und Preisdiskriminierungen den Kern des amerikanischen Antitrustrechts darstellt.12 Mit Sec. 1 stellt er die Grundnorm für die Beurteilung von allen Vereinbarungen zwischen Wettbewerbssubjekten bereit; neben Vereinbarungen unter Wettbewerbern im Horizontalverhältnis (z. B. price fixing, also Preisabsprachen oder Gebietsaufteilungen) werden auch Vertikalvereinbarungen, mithin Preisbindungen im Vertikalverhältnis, in erster Linie danach beurteilt.13 Flankiert wird der Sherman Act durch den Clayton Act14, der verbotenes Verhalten, Ausnahmen und die Durchsetzung des Antitrustrechts spezifiziert und zu dessen Durchsetzung die Federal Trade Commission (FTC) als Bundesbehörde berufen ist. Die FTC handelt in den meisten Fällen, in denen sie gegen Preisbindungen einschreitet, formell nicht auf Grundlage des Sherman Act, sondern übt ihre Kompetenzen aus Sec. 5 FTC Act aus, der in Sec. 5 sog. unfair methods of competition verbietet.15 Materielle Unterschiede ergeben sich aber nicht.16 15 U.S.C. § 1 et seq.; siehe zur Verbraucherschutzfunktion Bork, 9 J. L. & Econ. 1966, 7 ff. 13 Neben der Regelung von Vereinbarungen in restraint of trade in Sec. 1 Sherman Act verbietet Sec. 2 Sherman Act versuchte oder tatsächliche Monopolisierung, sowohl durch als auch in Abwesenheit von Vereinbarungen mit anderen Marktteilnehmern. Aktives Monopolisierungsverbot in Sherman Act § 2; Fusionskontrolle (mergers) Hart-ScottRodino Act von 1976, 15 U.S.C. § 18a. 14 15 U.S.C. § 12–27, 29. 15 Sec. 5 Federal Trade Commission Act (FTC Act), Ch. 311, § 5, 38 Stat. 719, 15 U.S.C. § 45 (1): „Unfair methods of competition in or affecting commerce, and unfair or deceptive acts or practices in or affecting commerce, are hereby declared unlawful. (2) The Commission is hereby empowered and directed to prevent persons, partnerships, or […] from using unfair methods of competition in or affecting commerce and unfair or deceptive acts or practices in or affecting commerce.“ 16 Für Verfahren unter Sec. 5 FTC Act gilt aber die Besonderheit, dass sie im Verwaltungsverfahren vor der FTC stattfinden und zur Klärung der Administrative Law Judge (ALJ) berufen ist. Der materielle Anwendungsbereich und die Kompetenzen der FTC werden durch Sec. 5 FTC Act nur vage begrenzt und sind aktuell Gegenstand von Reformdiskussionen. 12

B. Entwicklungslinien und Grundhaltung in den USA und Europa

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Der Clayton Act17 ist im Zusammenhang von Preisbindungen insofern erwähnenswert, als Sec. 3 allgemein den Handel mit Waren unter Bedingungen verbietet, die den Wettbewerb schwächen können.18 Ergänzend zum Clayton Act wurde 1936 der Robinson-Patman Act erlassen, der die Preisdiskriminierung von Abnehmern verbietet, sofern sie zu einer Wettbewerbsschädigung führt.19 Er verbietet den Verkauf identischer Güter an ähnliche Kunden zu unterschiedlichen Bedingungen u. a. hinsichtlich der Preise und Rabatte, trifft jedoch trotz thematischer Nähe zur Regelung von Vereinbarungen betreffend Endverkaufspreise keine Regelung in Bezug auf die Preisbindung der zweiten Hand. 2. Rechtsdurchsetzung gegenüber vertikalen Beschränkungen Die Durchsetzung des Bundeskartellrechts obliegt in den USA nebeneinander und mit überschneidenden Zuständigkeiten den Bundesbehörden, der FTC und dem Department of Justice (DoJ), daneben sind aber auch State Agencies und Local Agencies, sowie private Parteien zur Durchsetzung des Bundesrechts berufen.20 Bundesbehörden sind jedoch für die Durchsetzung des Antitrustrechts insgesamt prägend, indem sie Grundsatzentscheidungen forcieren und ihre Expertise entscheidungsgebend für Gerichte, öffentliche Rechtsdurchsetzung auf Staatenebene und letztlich auch für private Kläger und den Rechtsberatungssektor geworden ist. Die Maßnahmen gegen Vertikalverstöße umfassen zum einen zivilrechtliche21 Geldbußen (civil monetary penalties/fines), die auf Basis von Sec. 1 und 2 Sherman Act verhängt werden können. Daneben droht dreifacher Schadensersatz (treble damages) auf dem privaten Rechtsweg.22 Der Kreis der Klagebefugten ist mit Konsumenten als natürliche Personen, Unternehmen und staatlichen Institutionen denkbar weit; darüber hinaus besteht in den USA auch die Möglichkeit der Prozessstandschaft im Wege der class actions, also der Vertretung von Individuen oder Gruppen von Klägern sowohl durch 15 U.S.C. § 14. 15 U.S.C. § 14, Sec. 3; Broder, 18. 19 15 U.S.C. § 13, 13a, 13b, 21a (siehe Clayton Act § 2). 20 Auf Staatenebene State Agencies, d. h. der jeweilige State Attorney General bzw. Local Agencies; State Agencies und private Kläger können aufgrund von Bundes- und Staatenrecht klagen, Gavil / Kovacic / Baker, Antitrust Law in Perspective, 1019 ff.; Sullivan / Grimes, The Law of Antitrust, 930 f. 21 Verstöße sowohl gegen Sec. 1 als auch 2 Sherman Act sind teilweise als Straftaten ausgestaltet und können mit Geld und Gefängnisstrafen geahndet werden, die strafrechtliche Verfolgung von Kartellrechtsverstößen ist für die vertikale Preisbindung jedoch nicht relevant, 15 U.S.C. § 3; zu historischer Entwicklung (white collar crimes), vgl. nur Gavil /  Kovacic / Baker, Antitrust Law in Perspective, 61. 22 Neben der Kompensationsfunktion, die auch die Anwaltsgebühren und Kosten der obsiegenden Partei umfasst, besteht durch den Strafcharackter ( punitive damages, Strafschadenersatz) besonderer Klageanreiz für Private 15 U.S.C. § 15 (§ 4 Clayton Act). 17 18

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2. Teil: Die Preisbindung der zweiten Hand – ein Rechtsvergleich

Private, als auch durch staatliche Akteure.23 Daneben kennt auch das amerikanische Recht nach § 15 und 16 Clayton Act Unterlassungsansprüche (injunctive relief), die klageweise durch Behörden und Private geltend gemacht werden können.24 Das private enforcement durch private Schadensersatzklagen ist im Hinblick auf vertikale preisliche Vereinbarungen nicht in besonderem Maße relevant. Anders als Behörden, die bereits aufgrund einer Verletzung des Kartellrechts klagen können, müssen privatrechtliche Klagen mit dem sog. antitrust standing hohe Anforderungen an die Klagebefugnis erfüllen.25 Die Reichweite dieser Anforderungen ist derzeit Gegenstand von Diskussionen, vereitelt aber gerade in Vertikalkonstellationen nach wie vor die meisten privaten Klagen.26 3. Vertikale Preisvereinbarungen in restraint of trade Die Kernregelungen des amerikanischen Antitrustrechts finden sich in Sec. 1 und 2 Sherman Act. Während Sec. 1 sich spezifisch gegen wettbewerbsbeschränkende multilaterale Vereinbarungen (agreements in restraint of trade) richtet, verbietet Sec. 2 aktives Monopolisierungsverhalten.27 Dabei geht das US-Recht nach der Rechtsprechung des Supreme Courts in erster Linie gegen multilaterale Vereinbarungen und erst in zweiter Linie gegen unilaterales Handeln vor.28 Die meisten der 50 Bundesstaaten verfügen über eigene Antitruststatuten, die – trotz einiger Unterschiede im Detail – dem Sherman Act nachempfunden sind und analoge Regelungen zu Sec. 1 Sherman Act enthalten.29 Section 1 Sherman Act lautet wie folgt: „Sec. 1. Every contract, combination in the form of trust or otherwise, or conspiracy, in restraint of trade or commerce among the several States, or with foreign nations, is hereby declared to be illegal. Every person who shall make any contract or engage in any combination or conspiracy hereby declared to be illegal shall be deemed guilty of a felony […].“ 15 U.S.C. § 15c (§ 4 C – 4 H Clayton Act). 15 U.S.C. § 16 (§ 16 Clayton Act); Gavil / Kovacic / Baker, Antitrust Law in Perspective, 62. 25 Notwendig ist eine hinreichend konkretisierte Geschädigtenstellung, ein tatsächlicher, nicht unerheblicher Schaden (antitrust injury). Die Existenz eines direkt Geschädigten, der u. U. einen Nachteilsausgleich herbeiführt, schadet der Klagebefugnis ebenso wie ein fehlender konkreter Schutzzweckzusammenhang oder die mangelnde Schadensquantifizierung; auch Generalstaatsanwälte müssen, sofern sie auf Grundlage von Bundesrecht vorgehen diese Anforderungen erfüllen. 26 Bei der antitrust injury greifen Vermutungsregeln wie i.R.d. per se- oder inherently suspect-Ansatzes nicht, sie ist unabhängig vom Beurteilungsstandard darzulegen. Areeda /  Hovenkamp, Antitrust Law, IIA (3rd Ed.), ¶337, 82 ff. 27 Sullivan / Grimes, The Law of Antitrust, 6 ff. 28 Copperweld Corp. v. Independence Tube Corp., 467 U.S. 752, 768–769 (1984); Broder, 37. 29 Broder, 37. 23 24

B. Entwicklungslinien und Grundhaltung in den USA und Europa

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Sec. 1 unterscheidet zunächst nicht zwischen horizontalen und vertikalen preislichen oder nichtpreislichen Vereinbarungen, sondern verbietet Vereinbarungen, wenn sie – in restraint of trade – also beschränkend auf den Handel wirken. Im Gegensatz zu verwandten Rechtsordnungen in Großbritannien und Kanada hält das Wettbewerbsrecht der USA folglich keine spezielle Regelung für preisliche Vereinbarungen wie RPM vor.30 Methodisch wird bei der Anwendung von Sec. 1 traditionell auf zwei Beurteilungsmaßstäbe für wettbewerbliches Verhalten zurückgegriffen: das per se-Verbot und die rule of reason-Beurteilung. Per se-verbotenes Verhalten ist immer und ohne weitere Voraussetzungen – insbesondere ohne Rechtfertigungsmöglichkeit – eine Verletzung des Antitrustrechts. Ein Anspruch aus einer entsprechenden Vereinbarung ist niemals durchsetzbar. Im Rahmen des Verfahrens bedarf es für per se-verbotenes Verhalten deshalb lediglich eines Nachweises, dass ein solches Verhalten stattgefunden hat.31 Heute ist dieses Verbot in erster Linie Vereinbarungen zwischen Wettbewerbern vorbehalten, die dazu getroffen werden, den Wettbewerb auszuschalten und Preise anzuheben. Hierzu zählen insbesondere horizontale Preisabsprachen (naked restraints, naked price fixing) und Absprachen bei Ausschreibungen (bid rigging).32 Darüber hinaus sind auch Produktionseinschränkungen, Kunden- und Gebietsaufteilungen, Gruppenboykotte und bestimmte Kopplungsverträge (tying arrangements) per se-illegal. Alle anderen Verhaltensweisen werden als weniger eindeutig wettbewerbsschädlich angesehen und sind deshalb einer differenzierten Betrachtung nach der rule of reason zugänglich. Wenn entsprechende Vereinbarungen reasonable sind, d. h. die positiven wettbewerblichen Auswirkungen mögliche Schäden ausgleichen, können solche Beschränkungen gerechtfertigt werden.33 4. Das common law-System, der Supreme Court und Präjudizien Die Statuten bewegen sich als positivrechtlicher Ausgangspunkt des amerikanischen Wettbewerbsrechts innerhalb des common law-Systems, das Antitrustrecht ist damit in gewisser Weise ein gemischtes Rechtsgebiet. Gerade diese Partikularität und die erstmals eingeführte, aktive öffentliche Durchsetzung durch Behörden und Private werden nach wie vor als die herausragende Innovation des Sherman Act begriffen.34 In der vagen Formulierung von

Mathewson / Winter, 13 Rev. Ind. Organ. 1998, 57, 61. Bork, Antitrust Paradox, 18. 32 Nixa, 11 Vand. Ent. & Tech. L. 468; Sullivan / Grimes, The Law of Antitrust, 370 ff.; Gavil / Kovacic / Baker, Antitrust Law in Perspective, 95. 33 Broder, 18, 38. 34 Kontrastierend bis zur Einführung fast ausschließlich passive Haltung von common law-Courts, die sich in der Regel darauf beschränkten, die Durchsetzung wettbewerbsbe30 31

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2. Teil: Die Preisbindung der zweiten Hand – ein Rechtsvergleich

Sec. 1 und 2 Sherman Act und des flankierenden Clayton Act wird die Rechtstradition andererseits deutlich sichtbar. Es handelt sich um Regelungen mit Verfassungscharakter.35 Der Sherman Act war ein Ermächtigungsgesetz des Kongresses, der Gerichten den Interpretations- und Entwicklungsauftrag für das Wettbewerbsrecht im Wege der Rechtsfortbildung erteilte.36 Begrifflich stützte sich der Sherman Act zunächst auf althergebrachte Modelle. Insbesondere in der frühen Sherman Act-Rechtsprechung bei der Interpretation von Kernbegriffen wie der der restraint of trade sind die Wurzeln der amerikanischen Antitrustgesetze im englischen common law gut erkennbar.37 Kasuistisch geprägte Rechtsordnungen bzw. Rechtsgebiete ermitteln ihre Rechtsnormen und Doktrinen induktiv, weshalb dem Richter einerseits ein besonderes Ermessen und andererseits besondere Autorität zukommt.38 Die Gerichte haben sich im Antitrustrecht hinsichtlich vertikaler Beschränkungen angesichts fehlender gesetzlicher Detailvorgaben und wechselnder politischer Gesetzgebung auf Makroebene jedoch eher schwer damit getan, den Analyserahmen der rule of reason konsistent und kohärent zu entwickeln. Im Jahr 2007 hob der Supreme Court in Leegin 39 die bereits dargestellte per se-Illegalität für RPM nach 96 Jahren ununterbrochener Rechtsprechungslinie auf und unterstellte sie – als vorerst letzte vertikale Beschränkung – ebenfalls der rule of reason-Beurteilung.40 Die in Europa geführte Debatte konzentriert sich angesichts dieses markanten Rechtsprechungswechsels auf die Frage, ob die neue Einzelfallbetrachtung auch in Europa übernommen werden soll, wo die sichtbare Praxis im Bezug auf Preisvereinbarungen als eher rigide, mithin als per se-Verbotspraxis wahrgenommen wird. Im Gegensatz zu einer verbreiteten Auffassung handelt es sich bei der per se-Regel und dem rule of reason-Maßstab jedoch weniger um voneinander getrennt anzuwendende feststehende Subsumtionsmethoden, als um ein Beurteilungskontinuum.41 Aufgrund der genannten Schwierigkeiten bei der induktiven Erarbeitung dieses Analyserahmens sind unterinstanzliche Gerichte und auch der Supreme Court von Beginn der Sherman Act-Rechtsprechung an schränkender privatrechtlicher Vereinbarungen zurückzuweisen, Gavil / Kovacic / Baker, Antitrust Law in Perspective, 56. 35 Gavil / Kovacic / Baker, Antitrust Law in Perspective, 56. 36 21 Cong. Rec. 2456 (1890), Statements of Sen. Sherman, Gavil / Kovacic / Baker, Antitrust Law in Perspective, 56; Kelly, 28 N. Ill. U. L. Rev., 593, 595. 37 Broder, 2. 38 Gavil / Kovacic / Baker, Antitrust Law in Perspective, 57. 39 Leegin Creative Leather Products, Inc. v. PSKS, Inc., 551 U.S. 877, 881 (2007). 40 Abgesehen von tying arrangements. 41 California Dental Association v. FTC, 526 U.S. 756 (1999): „The Court observed that antitrust law is not constructed of a fixed number of analytical ‚boxes‘ into which all business practices must fit (that is, per-se-, quick look, rule of reason); rather, it consists of a flexible analytical continuum.“

B. Entwicklungslinien und Grundhaltung in den USA und Europa

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dazu übergegangen, Beschränkungen – ungeachtet des erwünschten Kontinuums – situativ bestimmten Kategorien zuzuordnen. Die per se-Illegalität bewegt sich als eine solche Kategorie insofern nur am äußeren Ende eines angestrebten flexiblen Rahmens (sliding scale). Deshalb verhält sie sich keineswegs antagonistisch zu einer rule of reason-Bewertung im Hinblick auf Preisbindungen. Übersehen wird bei der Betrachtung der Sherman Act-Rechtsprechung häufig auch der gesetzliche Kontext, in dem sich die per se-Illegalität von Preisbindungen stets bewegte. 42 Trotz formell seit 1911 bestehender per seRechtsprechung war es über viele Jahre teils staatengesetzlich, teils bundesgesetzlich in den USA legal möglich, Preise im Endverkauf zu binden.43 Wie eine rule of reason in Bezug auf RPM post Leegin jedoch ausgestaltet ist, ob sie sich signifikant von der traditionellen rule of reason-Bewertung in den USA unterscheidet und ob bzw. wieviel wettbewerbspolitischer Wandel von der Leegin-Entscheidung selbst ausgeht, wird im Folgenden mit einem vertieften Blick auf die Historie im Rahmen der Rechtsprechung zu RPM zu klären sein.44 II. Das Europäische Wettbewerbsrecht und vertikale Beschränkungen Im Gegensatz zum amerikanischen Antitrustrecht findet das Europäische Wettbewerbsrecht erst in der Mitte des 20. Jahrhunderts mit der zunächst gegründeten Montanunion bzw. der Ratifizierung der Römischen Verträge 1957 seinen Anfang, wobei dem US-Antitrustrecht eine maßgebende Vorbildfunktion zukam.45 Der Grundentscheidung der Mitgliedstaaten für eine offene Wirtschaftsordnung mit unverfälschtem Wettbewerb erwuchsen auch die Wettbewerbsregeln des Kapitel 1 des VII. Titels des AEUV, die sich im Kern auf das Verbot wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen (Art. 101 AEUV) und das Missbrauchsverbot (Art. 102 AEUV) stützen und insofern dem amerikanischen Vorbild folgen.46 Zusätzlich normierten die Verträge der EG bzw. der EU seit Anbeginn zudem den besonderen Schutz bzw. die Förderung des Binnenmarktes, verfolgen also im besonderen Maße marktintegrative Zielsetzungen bzw. wurden dahingehend interpretiert und oder instrumentalisiert.47 42 In deutschsprachigen Veröffentlichungen werden bei dem Verweis auf Leegin die gesetzlichen Rahmenbedingungen für Antitrustrechtsprechung in den USA regelmäßig ausgeblendet, aus rechtsvergleichender Perspektive entbehrt dies nicht einer gewissen Ironie. 43 Siehe dazu u. 2. Teil C.I.2.c), 175. 44 2. Teil C.I, 156. 45 Mit weiteren Nachweisen z. B. Böni, WuW 2012, 699. 46 Daneben Vorschriften für öfftl. Unternehmen (Art. 106 AEUV), das Beihilfenregime (Artt. 107–109 AEUV) sowie eine präventive Fusionskontrolle. Relevant wird im Bereich der möglichen mitgliedstaatlichen Ausnahmebereiche für Preisbindungen insb. Art. 106 AEUV, dazu 2. Teil D.VII, 323. 47 Art. 3 EUV, Art. 119 i.V.m. 120, 127 AEUV; EuGH v. 13.7.1966 – Rs. 56/64 und 58/64, Slg. 1966, 321, 390 – Consten und Grundig / Kommission.

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2. Teil: Die Preisbindung der zweiten Hand – ein Rechtsvergleich

Art. 101 AEUV erfasst horizontale und vertikale Vereinbarungen gleichermaßen, allerdings ist die ungleich geringere Auswirkung einzelner Vertikalvereinbarungen auf den Interbrand-Wettbewerb allgemein anerkannt. Zentraler Ausdruck dessen sind die sekundärrechtlichen Gruppenfreistellungsverordnungen,48 namentlich die VO 330/201049, die Ausnahmen vom Verbot für Gruppen von vertikalen Vereinbarungen aufstellt, sofern sie nicht bestimmte Negativkriterien erfüllen. Die GVO bedient sich beim Ausschluss der Freistellung einerseits bestimmter Marktanteilsschwellen bei Lieferanten und Abnehmern (jeweils 30 %) und andererseits der Definition sog. Kernbeschränkungen, allen voran die bezweckte Beschränkung der Möglichkeit des Abnehmers, seinen Verkaufspreis selbst festzusetzen, vgl. Art. 4 lit. a)GVO 330/2010. Die klassische Preisbindung der zweiten Hand ist somit explizit von der automatischen Freistellung ausgeschlossen, kann jedoch außerhalb des Anwendungsbereiches der GVO nach dem allgemeinen Regel-Ausnahme-Regime des Art. 101 Abs. 1 und Abs. 3 AEUV freigestellt werden.50 Der Kommission kommt mit ihrer rechtssetzenden Funktion im Bereich vertikaler Beschränkungen besondere Autorität bei der Auslegung und Fortentwicklung zu,51 darüber hinaus wird wie in den USA auch das europäische Vertikalkartellrecht hauptsächlich durch öffentliche Akteure bestimmt. Wenngleich auch das europäische Recht das private enforcement kennt, verhindern Streuschäden, Schadensquantifizierung, passing-on defence oder Verjährung die meisten Schadensersatzklagen. Die Perspektive der Rechtsverletzung leitet zu einer anderen bedeutenden Entwicklung über. Die europäische Wettbewerbspolitik unterliegt seit den frühen 2000er-Jahren einem grundlegenden Reformprozess, der mit dem Begriff des more economic approach charakterisiert wird.52 Dieser betrifft alle Säulen des Wettbewerbsrechts und beeinflusst damit auch die Preisbindungsdiskussion. In den Kommissionsleitlinien für vertikale Beschränkungen deklarierte die Kommission bereits im Jahr 2000 den Schutz des Wettbewerbs zum Wohle der Verbrau48 Vgl. Art. 288 Abs. 2 AEUV sowie die DurchführungsVO 1/2003 zu den Artt. 81, 82 EG, VO (EG) Nr. 1/2003 v. 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 und 82 des Vertrages niedergelegten Wettbewerbsregeln, ABl. EG 2003 Nr. L 1. 49 VO (EU) Nr. 330/2010 der Kommission v. 20.4.2010 über die Anwendung von Artikel 101 Absatz 3 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf Gruppen von vertikalen Vereinbarungen und abgestimmten Verhaltensweisen, ABl. EU 2010 Nr. L 102/1. (VO 330/2010). 50 Siehe unten 2. Teil C.II.2, 219. 51 Durch die Beteiligung am Erlass von Verordnungen und Richtlinien (Initiativrecht, Art. 17 Abs. 2 EUV i.V.m. 103, 109 AEUV) und ihre – durch den Rat vermittelten – Kompetenzen der Rechtsgestaltung im Bereich der Konkretisierung der Gruppenausnahmen, vgl. Ratsverordnungen VO 19/65, zuletzt geändert durch VO 1/2003 und VO 1215/1999. 52 Siehe grundlegend Budzinski (2007), Wettbewerbsfreiheit und More Economic Approach: wohin steuert die Europäische Wettbewerbspolitik?, Marburger volkswirtschaftliche Beiträge, No. 13-2007; Basedow, WuW 2007, 712.

B. Entwicklungslinien und Grundhaltung in den USA und Europa

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cher und zur effizienten Verteilung der Ressourcen als Hauptziel der EGWettbewerbspolitik.53 Demzufolge wird davon ausgegangen, dass die Kommission den Wettbewerb nicht um seiner selbst willen schützt, sondern als Mittel zum Zweck, womit sich das offizielle Leitbild der europäischen Wettbewerbspolitik (zunehmend) stärker in Richtung Konsumentenwohlfahrt, Effizienzorientierung und Auswirkungsanalyse bewegt.54 Die Rechtsverletzung bzw. die Rechtfertigung von tatbestandlichen Verstößen soll somit zunehmend aus ökonomischer Perspektive definiert werden. Damit geht auch ein Instrumentenkatalog einher, der sich stärker auf Einzelfallanalyse und kurzfristige Preis- bzw. Mengeneffekte konzentriert und damit den Vergleich von Auswirkungen auf die Konsumentenwohlfahrt der traditionellen Betrachtung bestimmter Verhaltenskategorien vorzieht. Das ist letztlich auch gemeint, wenn im Sinne der erstgenannten Vorgehensweise von einem wirkungsorientierten Ansatz (effect based approach) bzw. bei letztgenannter von einem formaljuristischen Ansatz (form based approach) die Rede ist. Innerhalb dieser Entwicklung entstehen aktuell dogmatische Fragen um das europäische Konzept bezweckter und bewirkter Wettbewerbsbeschränkungen gegenüber der Kategorie der sog. Kernbeschränkungen (hardcore restrictions), zu der auch die Preisbindung der zweiten Hand zählt. III. Entwicklung des Vertikalkartellrechts im deutschen GWB Ein Verbot der Preisbindung der zweiten Hand wurde in Deutschland im Rahmen einer kartellrechtlichen Betrachtung mit der insgesamt späten Kartellbekämpfung erst in den 1960er-Jahren diskutiert. Lange hatte in Deutschland auch für horizontale Kartelle nur ein Missbrauchsverbot bestanden; Kartelle waren erlaubt, vertikale Wettbewerbsbeschränkungen waren bis zur systematischen Erarbeitung des GWB entsprechend unproblematisch. 55 Trotzdem kam es aufgrund der Weltwirtschaftskrise erstmals 1930 mit der Kartellnotverordnung im Wege einer Ausnahmebestimmung zu einem Preisbindungsverbot. Behörden bekamen die Befugnis, Preisbindungen zu untersagen, „wenn die Wirtschaftlichkeit der Erzeugung oder des Verkehrs beeinträchtigt oder die wirtschaftliche Handlungsfreiheit in volkswirtschaftlich nicht gerechtfertigter Weise eingeschränkt“ wurde.56 1940 wurden Preisbindungen und Preisempfehlungen durch eine Verordnung über Preisbindungen 53 Komm., Vertikalleitlinien 2000, Rn. 7; Komm., Leitlinien zur Anwendung von Art. 81 Abs. 3 EGV. 54 Basedow, WuW 2007, 712. 55 Kartellverordnung von 1923 in Deutschland als erste spezielle Regelung der Materie, die zwar gewisse Formvorschriften für Gesellschaftsverträge i. S. d. heutigen Kartellierung vorschrieb, diese aber noch nicht grundsätzlich verbot s. RGBl. I, 1067; s. nur Epple, Die Wurzeln der vertikalen Preisbindung in Deutschland. 56 Mit weiteren Nachweisen Völp, Preisbindung für Markenartikel (1961), 28.

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2. Teil: Die Preisbindung der zweiten Hand – ein Rechtsvergleich

im Rahmen von Kriegswirtschaftsmaßnahmen einer Genehmigungspflicht unterstellt.57 Außerhalb dieser Gastspiele des Preisbindungsverbotes fielen Preisbindungen in Deutschland wie andere schuldrechtliche Vereinbarungen aber unter den Mantel der Vertragsfreiheit. Die rechtlich weitgehenden Möglichkeiten zur Preisbindung wurden jedoch schnell durch die Wirklichkeit eingeholt. In Deutschland zeigte sich ein praktisches Durchsetzungsproblem von Preisbindungen in der Masse der Händler.58 Die theoretische Bindung aller Händler durch den Hersteller kann nicht verhindern, dass Händler gleichwohl Wettbewerbschancen für sich ausloten. Preisbindungen, die als Verträge naturgemäß nur inter partes wirken, wurden nicht von allen tatsächlichen Händlern respektiert; Händler, die nicht direkt vom preisbindenden Hersteller bezogen, konnten weder zur Einhaltung vorgegebener Preise verpflichtet werden noch auf Unterlassung, Schadensersatz oder Zahlung einer Vertragsstrafe in Anspruch genommen werden. Das Reichsgericht entwickelte hier eine lauterkeitsrechtliche Lösung: Hatte der Hersteller nachweislich eine lückenlose Einführung der Preisbindung über entsprechende Weitergabeklauseln angestrebt und sein Preisbindungssystem tatsächlich regelmäßig gegen Preisschleuderer verteidigt, so war ein Anscheinsbeweis dafür erbracht, dass die Ware nur von preisbrechenden Händlern bezogen worden sein konnte und damit im Sinne des § 1 UWG zum Vertragsbruch verleitet, also sittenwidrig gehandelt worden war.59 Dieser Rechtsprechungslinie blieb der BGH später unter der fortdauernden Preisbindungsfreiheit gestützt auf §§ 1 UWG, 826 BGB treu.60 An den Hersteller stellte § 1 UWG nichtsdestoweniger hohe Anforderungen hinsichtlich seines Vorverhaltens und ihn traf eine erhebliche Beweislast für ein gerichtliches Obsiegen.61 Die Markenartikelhersteller waren aufgrund ihrer Marktstärke und der weitgehenden Akzeptanz gegenüber Preisbindungen trotzdem in der Lage, eine hinreichende Lückenlosigkeit bei der Einführung von Preisbindungen tatsächlich herzustellen. Gerichte interpretierten umfassenden Wettbewerbsschutz also vor allem im Sinne einer Sicherstellung der Herstellerinteressen in Bezug auf Preisbindungen.62 So wurden in Deutschland gerade die Gerichte Wegbereiter für die flächendeckende Etablierung von Preisbindungen bei Markenwaren. Preisbindungsverordnung v. 23.11.1940, RGBl. I 1573. Die praktische Durchsetzung war auch in den USA schwierig, vgl. Fair-Trade-Ära 2. Teil C.I.2.c), 175. 59 Mit weiteren Nachweisen Völp, Preisbindung für Markenartikel (1961); RGZ 133, 330 (336); RGZ 136, 65; RGZ 148, 364, RGZ 151 (243, 255); dieser Rechtsprechungslinie blieb der BGH später unter der fortdauernden Preisbindungsfreiheit treu. 60 BGH v. 10.1.1964 – Ib ZR 78/62 – Maggi, s. dazu sogleich zur Markenartikelpreisbindung unter dem GWB zwischen 1958 und 1974. 61 Bereits Völp, Preisbindung für Markenartikel (1961), 32. 62 Zur selben Zeit lehnte der Supreme Court eine Erstreckung der Preisbindung auf Außenseiter strikt ab. Im richterrechtlich geprägten Umfeld konnte sich die Preisbindung nur 57 58

B. Entwicklungslinien und Grundhaltung in den USA und Europa

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Erst nach dem zweiten Weltkrieg fand mit den Dekartellierungsgesetzen der alliierten Siegermächte ein Umdenken in Richtung eines umfassenden Wettbewerbsschutzes statt, das im ersten Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen vom 27.7.1957 mündete.63 Neben den zahlreichen Freistellungsmöglichkeiten und Ausnahmebereichen des Ursprungs-GWB für horizontale Kartellabsprachen, unterschied das GWB noch bis 2005 zwischen horizontalen und vertikalen wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarungen, die in den §§ 14–18 GWB a. F. gesondert geregelt waren. Vertikale Vereinbarungen unterstanden zunächst lediglich einer Missbrauchskontrolle nach § 18 GWB a. F. Die Preisbindung der zweiten Hand bildete hiervon zwar bereits im ersten GWB eine Ausnahme und war auch als Beschränkung der Freiheit der Gestaltung von Preisen oder Geschäftsbedingungen mit Dritten nach § 15 GWB a. F. verboten. Allerdings bestand mit § 16 Abs. 1 Nr. 1 GWB a. F. eine Gegenausnahme für Markenartikel, die tatsächlich zur Regel wurde.64 Wo sich das BKartA als Gegner dieser Entwicklung bemühte,65 gegen Fälle missbräuchlicher Preisbindungen vorzugehen, ebneten die Gerichte in den 1960er-Jahren der Preisbindung den Weg, indem sie Markenwaren besondere Geschäftsrisiken attestierten, die Preisaufschläge als in der Natur der Preisbindung liegend rechtfertigten.66 So wurde zunächst nur um die Grenzen der Missbrauchsaufsicht gerungen.67 Erst 1974 konnte sich mit der 2. GWB-Novelle ein Stimmungswechsel vollziehen und Preisbindungen wurden grundsätzlich unzulässig; lediglich die Ausnahme für Verlagserzeugnisse blieb bestehen.68 Angestoßen wurde dieses Umdenken durch das Bestreben, der Konzentration in der Industrie entgegenzuwirken und negative Folgen für die Verbraucher zu vermeiden.69 Bezeichnenderweise zeigte sich auch in Deutschland nach der Abschaffung der Preisdurch Lobbyarbeit und gesetzgeberische Intervention durchsetzen, siehe zur Fair-TradeÄra 2. Teil C.I.2.c), 175. 63 BGBl. I, 1957, 1081, BT-Drcks. 2/1158, BT-Drcks. 2/3644; derzeit zum 8. Mal novelliert, die 9. GWB-Novelle ist in Vorbereitung. 64 Daneben auch Ausnahme für Verlagserzeugnisse (Abs. 1 Nr. 2); zeitgenössische Ansichten Huppert, Die Preisbindung von Markenwaren im GWB (1955); krit. Röper, Die vertikale Preisbindung bei Markenartikeln (1955); Völp, Preisbindung für Markenartikel (1961). 65 Das BKartA sprach sich bereits in den 1960er-Jahren gegen Preisbindungen aus, weil er sie für unvereinbar mit der wettbewerblichen Ordnung hielt, BT-Drcks. IV/1220 (1963), 112. 66 BGH v. 5.5.1967 – KVR 1/65 = WuW/E BGH 852 – Großgebinde IV (Dixan); KG v. 1.6.1965 – WuW/E OLG, 735 – Trommelware; v. 1.6.1965 – WuW/E OLG, 737 – Großgebinde III. 67 Zur Fallanalyse s. nur Epple, Die Wurzeln der vertikalen Preisbindung in Deutschland, 168 ff. 68 Zweite GWB-Novelle (1973), BGBl. I 1974, 869, BT-Drcks. 7/76, BR-Drcks. 449/73; Nordemann, in: Loewenheim et al., KartR, § 1 GWB, Rn. 3, 16.

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2. Teil: Die Preisbindung der zweiten Hand – ein Rechtsvergleich

bindung für Markenwaren ein Absinken der Preise für Markenwaren um 20 bis 35 %.70 Das GWB wich jedoch in einigen, für die Preisbindung relevanten Punkten lange vom europäischen Kartellrecht ab. Seit den 1980er-Jahren wurde das deutsche Recht zwar gleichlaufend mit der zunehmenden Europäisierung der Wettbewerbspolitik schrittweise an das europäische Recht angeglichen, allerdings blieb die Differenzierung zwischen horizontalen und vertikalen Wettbewerbsbeschränkungen bis zur 7. GWB-Novelle erhalten. Noch unter diesem Regime der unterschiedlichen Rechtsfolgenbehandlung horizontaler und vertikaler Vereinbarungen war allerdings die Preisbindung nach Art. 16 bzw. später 14 a. F. gegenüber anderen Vertikalvereinbarungen benachteiligt, als sie nicht der für Letztere nur vorgesehenen Missbrauchsaufsicht unterlagen, sondern – wie horizontale Vereinbarungen – verboten war.71 Diese deutsche Sonderlösung war in der Literatur teilweise als überlegenes System bewertet worden, wobei die Notwendigkeit der Vereinheitlichung des GWB mit den Vorgaben des EG-Vertrags nicht ernsthaft in Frage gestellt wurde.72 Mit der 7. GWB-Novelle von 2005 ist die Unterscheidung zwischen vertikal und horizontal veranlassten Beschränkungen vollständig aufgegeben worden. Ziel war die primärrechtliche Harmonisierung mit den europäischen Wettbewerbsregeln. Art. 3 VO 1/2003 schreibt seit Mai 2004 den Vorrang von Art. 81 EG a. F. (Art. 101 AEUV n. F.) bei Sachverhalten mit grenzüberschreitendem Bezug vor. Da Art. 81 EG a. F. (101 AEUV n. F.) primärrechtlich keinerlei Differenzierung zwischen vertikalen und horizontalen Wettbewerbsbeschränkungen kennt, wurde das GWB entsprechend angeglichen und auch das Kriterium der miteinander im Wettbewerb stehenden Unternehmen wurde ersatzlos gestrichen.73 Seit der durch VO 1/2003 erfolgten Harmonisierung ergibt sich für die Beurteilung vertikaler Preisabsprachen nach deutschem und nach europäischem Recht folgendes Verhältnis: grundsätzlich ist auf wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen, die den zwischenstaatlichen Handel beeinträchtigen können, nicht mehr allein die Anwendung des GWB zulässig, vgl. Art. 3 Abs. 1 S. 1 VO 1/2003 und § 22 Abs. 1 S. 1 GWB, vielmehr ist grundsätzlich Art. 101 AEUV bzw. die gemeinsame Anwendung von AEUV und GWB angezeigt, vgl. Art. 3 Abs. 1 S. 1 VO 1/2003, § 22 Abs. 1 S. 1 GWB. Das bekannte Ergebnis besteht in dem Anwendungsvorrang des Unionsrechts. Das GWB kann also weder unionsrechtlich nach Art. 101 AEUV verbotene Vereinbarungen 69 Interessant ist dies vor allem unter dem Aspekt, dass ein Jahrzehnt zuvor noch mit der gleichen Begründung für Preisbindungen für Markenwaren argumentiert wurde, Huppert, Die Preisbindung von Markenwaren im GWB (1955). 70 Nordemann, in: Loewenheim et al., KartR, (2. Aufl. 2009), § 1 GWB, Rn. 16. 71 Nordemann, in: Loewenheim et al., KartR, § 1 GWB, Rn. 3. 72 Nordemann, in: Loewenheim et al., KartR, § 1 GWB, Rn. 13 m.w.N. 73 Nordemann, in: Loewenheim et al., KartR, § 1 GWB, Rn. 5.

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legalisieren noch umgekehrt nicht verbotene oder freigestellte Vereinbarungen verbieten, vgl. insofern Art. 3 Abs. 2 S. 1 VO 1/2003, § 22 Abs. 2 S. 1 GWB sowie die Klarstellung in § 22 Abs. 2 S. 3 GWB. Im Bereich des § 1 GWB verbleibt außer in Fällen ohne grenzüberschreitenden Sachverhalt kein ausschließlicher Anwendungsbereich mehr, überhaupt ergeben sich mit dem dynamischen Verweis auf die GVO formell kaum Unterschiede bei der Anwendung von §§ 1, 2 GWB. Aufgrund bleibender Abweichungen im Bereich des einseitigen Handelns und der Impulsgebung durch mitgliedstaatliche Behörden beim Vollzug des europäischen Rechts kommt der Anwendung des Preisbindungsverbotes nach GWB in Deutschland gleichwohl eine entscheidende Bedeutung zu. IV. Die Schweiz und vertikale Beschränkungen 1. Hochpreisinsel Schweiz – mittendrin und doch nur dabei Die Schweiz nimmt in der Mitte Europas in mehrfacher Hinsicht eine Inselposition ein. Gelegen im geografischen Zentrum grenzt sie sich völkerrechtlich, politisch und – in der Konsequenz – als Nicht-EU-Mitgliedstaat deutlich ab. Gleichzeitig sind die EU und ihre 28 Mitgliedstaaten die wichtigsten Handelspartner der Schweiz. 54 % der schweizerischen Exporte gingen 2016 in den EU-Raum; die aus der EU kommenden Güter machen 72 % des schweizerischen Imports aus. Statistisch gesehen verdient die Schweiz jeden dritten Franken im Austausch mit der EU. Für EU-Produkte stellt die Schweiz damit den drittgrößten Absatzmarkt dar und ist mit den USA und China einer der drei wichtigsten Handelspartner der EU.74 Die Schweiz ist weder Mitglied der Europäischen Union, noch Mitglied des Europäischen Wirtschaftsraumes EWR, sie begleitet die Entwicklung der Europäischen Union aber durch eine Vielzahl bilateraler Abkommen. Seit 1972 ist sie über das EFTA-EU Freihandelsabkommen mit der EU assoziiert, das elementar für die Handelsbeziehungen zwischen der Schweiz und der EU geworden ist. Demnach besteht zwischen der EU und der Schweiz eine Freihandelszone für industrielle Erzeugnisse, in der keine Zölle auf die Ein- bzw. Ausfuhr von Waren industrieller Herkunft erhoben werden und – vergleichbar mit den Regelungen über den freien Warenverkehr 28 ff. AEUV – auch mengenmäßige Beschränkungen und Maßnahmen gleicher Wirkungen verboten sind.75 74 Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten, Direktion für europäische Angelegenheiten DEA, Die Europapolitik der Schweiz: Informationsblatt (Stand März 2017), abrufbar . 75 Seit 2004 Abkommen über landwirtschaftliche Verarbeitungserzeugnisse zwischen der Schweiz und der EU, das verarbeiteten Landwirtschaftsprodukten (auch Produkte der Nahrungsmittelindustrie wie bspw. Schokolade, Kaffee, Getränke, Biskuits, Teigwaren etc.), die bis dato vom Freihandelsabkommen nicht erfasst wurden, ebenfalls eine zollfreie Ein-

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So umfassend die wirtschaftliche Integration der Schweiz in die EU ist, so fragmentarisch ist nach wie vor der rechtliche Rahmen. Um diesem Widerspruch zu begegnen, betreibt die Schweiz in ihrer Orientierung nach Außen eine Politik der Europakompatibilität, was sich im sog. autonomen Nachvollzug des EU-Rechts manifestiert.76 Das bedeutet, dass die Schweiz aus eigenem Antrieb zur Verhinderung von Standortnachteilen für schweizerische Unternehmen sektoriell beschränkt konvergente Regelungen erlässt. Faktisch wirkt sich das in einigen Bereichen wie im Wettbewerbsrecht in einer vollständigen Umsetzung von EU-Recht aus.77 Insgesamt hat sich aus den ersten noch rudimentären Kartellgesetzen von 1962 und 1985 mittlerweile ein weitgehend europakompatibles, modernes Wettbewerbsgesetz herausgebildet, das dem international üblichen Dreiklang bestehend aus Regeln über Wettbewerbsabreden, Missbrauch marktbeherrschender Stellungen und Fusionskontrolle anstimmt.78 Trotz einer auf den ersten Blick weitgehenden Angleichung an das europäische Wettbewerbsrecht bietet sich eine rechtsvergleichende Betrachtung des schweizerischen Preisbindungsverbotes aus mehreren Gründen an. Trotz des Ausmaßes wirtschaftlicher Harmonisierung liegt das Preisniveau für Verbrauchsgüter in der Schweiz um ca. 30–50 % über dem der umliegenden EU-Mitgliedstaaten.79 Gesamtwirtschaftlich betrachtet führt es für die Schweiz zu höheren Produktionskosten und Standortnachteilen. Das Problem ist in der Schweiz schon seit Langem bekannt, lässt sich gleichwohl aber bisher nicht lösen. Die Gründe sind denkbar komplex; Besonderheiten der Importwirtschaft, Wechselkursaspekte und Verbrauchereinkaufverhalten sind mitentscheidend. Die Rolle des Wettbewerbs ist im Hinblick auf Preisfestsetzungen als verstärkender Faktor umso interessanter, als eine Vermutung der Wettbewerbsbeseitigung in Art. 5 Abs. 4 KG für vertikale Preisbindungen80 im Rahmen der EU-konvergenten Verbotsregelung in einem Atemzug mit dem Kampf gegen die Hochpreisinsel Schweiz eingeführt wurde.81 Eine klar integrationspolitische Zielsetzung wie die des Wettbewerbsrechts der EU und des EWR82 fehlt der Schweiz zwar offiziell, tatsächlich verfolgt und Ausfuhr gewährt. Darüber hinaus ist auch der Handel mit Käse vollständig liberalisiert, Schweizer Bundesrat, PM. v. 7. 11.2012, EuZW 2012, 844. 76 Stoffel / Seitz, EuZW 2012, 841. 77 Stoffel / Seitz, EuZW 2012, 841. 78 Sturny, in: Cottier, Europakompatibilität, 107; Martenet / Heinemann, EuZW 2012, 867. 79 Bundesamt für Statistik v. 20.12.2016, Kaufkraftparitäten: vorläufige Ergebnisse 2015 (Preisniveauindizes, Quelle Eurostat Kaufkraftparitäten, Stand 13.12.2016), abrufbar . 80 Und absolute Gebietsschutzabreden. 81 Sturny, in: Cottier, Europakompatibilität, 120. 82 EuGH v. 13.7.1966 – verb. Rs. 56/64 und 58/66, Slg. 1966, 321 – Consten und Grundig / Kommission; EFTA-GH – Rs. E-3/97, 1998 EFTA Court Reports, 1 ff. – Opel Norge; Kaufmann, 26, 27.

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aber auch die Schweiz Motive der Binnenmarktintegration.83 Diese Zielsetzung hat direkten Bezug zur Frage vertikaler Wettbewerbsbeschränkungen, denn die Wirkung von preislichen Vertikalabreden ist auch mit der Größe des betreffenden Wirtschaftsraums assoziiert – vertikale Absprachen wirken auf kleine Volkswirtschaften in besonderem Maße. Die Schweiz hat deshalb, sowohl hinsichtlich der innerschweizerischen (sprach- und kantons-) regionalen Untergliederung als auch im Hinblick auf die innereuropäische Lage ein besonderes Augenmerk auf vertikale Wettbewerbsbeschränkungen gelegt. Das integrationspolitische Eigeninteresse der Schweiz gehört zum festen Repertoire wettbewerbspolitischer Zielerklärungen in Rechtsgrundlagen und Entscheidungen und wird von Gerichten und Behörden regelmäßig aufgegriffen. 84 Wie in Teil 1 dargestellt, findet der Umstand des Intrabrand-Wettbewerbs im Rahmen von Chicago School-Untersuchungen – wohl auch aufgrund des Hauptbezugsobjekts des schier unüberschaubar großen Wirtschaftsraums USA – traditionell weniger Beachtung, was im transatlantischen Dialog oft ausgeblendet wird. Preisbindungsabreden wirken sich dort, wo die Durchlässigkeit gegenüber anderen Wirtschaftsräumen, mithin der Wettbewerbsruck geringer ist, stärker aus. In kleinen Volkswirtschaften, in denen auch Rohstoffe und Investitionsgüter stärker von Importstrukturen und Lieferketten abhängen, gerät dieser Aspekt unweigerlich in den Fokus.85 Die Schweiz ist damit eine Allegorie auf die Diskussion um die Preisbindung der zweiten Hand am vorrangigen Schutz des Intra- oder Interbrand-Wettbewerbs. Der rechtsvergleichende Blick auf die Schweiz geht der Frage nach, ob aus der beschriebenen Sonderstellung des Landes auch ein akzentuiertes Preisbindungsverbot in Bezug auf die Regelung und die Durchsetzung folgt und ob, bzw. inwiefern sich diese vom Trend in den USA, der EU und insbesondere Deutschland unterscheidet. 2. Der Schutz des Wettbewerbs in der Schweiz, die Orientierung am EURecht und die Erfassung vertikaler Vereinbarungen Das schweizerische Wettbewerbsrecht ist ein vergleichsweise junges Rechtsgebiet. Zwar entschied das schweizerische Bundesgericht (BGer) bereits im Jahre 1896 einen Fall, in dem es zu einer Kombination von horizontalen und vertikalen Preisabsprachen gekommen war, zugunsten eines klagenden Bä-

83 Bundesgesetz über den Binnenmarkt (Binnenmarktgesetz, BGBM) v. 6.10.1995 (Stand 1.1.2007). 84 Siehe z. B. BBl. 2002, 2032; BVGer v. 19.12.2013 – B-506/2010, Rz. 11.1.8. – Gaba / WEKO; s. a. WEKO v. 28.6.2010, Bekanntmachung über die wettbewerbsrechtliche Behandlung vertikaler Abreden (Vertikalbekanntmachung, im Folgenden: VertBek 2010), Erwägungsgrund IV. 85 Kaufmann, 11.

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2. Teil: Die Preisbindung der zweiten Hand – ein Rechtsvergleich

ckers.86 Jedoch wurde das Recht auf freie wirtschaftliche Betätigung in der Schweiz praktisch auch als Freiheit zur Kartellbildung definiert und fand seine Schranken lediglich in einer Boykottrechtsprechung des BGer. Ausgelöst durch die Weltwirtschaftskrise der 1930er-Jahre wurde ein konzeptioneller Wandel 1947 durch Einfügung des Kartellartikels in die schweizerische Bundesverfassung begründet. Zwar ermächtigte dieser den Bund zum Einschreiten gegen schädliche Auswirkungen von Kartellen, blieb bis zur Verabschiedung der Kartellgesetze von 1962 und 1985 aber praktisch belanglos.87 Erst recht erfasste das frühere schweizerische Kartellgesetz (KG) Vertikalabreden, insbesondere die Preisbindung der zweiten Hand nur dann, wenn sie von Kartellen oder marktmächtigen Organisationen auferlegt worden waren.88 Nach zwei Revisionen89 wird der Wettbewerb in der Schweiz durch das dritte KG vom 6.10.1995 geregelt. Das Gesetz bildet mit weiteren Rechtsquellen in Form von Bundesgesetzen und Verordnungen90 den Rahmen des schweizerischen Kartellrechts. Das Kartellgesetz findet seine wirtschaftsverfassungsrechtliche Grundlage in Art. 27 der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft (BV) mit der Weichenstellung für eine marktwirtschaftlich organisierte Wirtschaftsordnung des freien Wettbewerbs91 und im „Kartellartikel“ 96 Abs. 1 BV: „Art. 96 Wettbewerbspolitik 1

Der Bund erlässt Vorschriften gegen volkswirtschaftlich oder sozial schädliche Auswirkungen von Kartellen und anderen Wettbewerbsbeschränkungen.

BGE 22, 175 ff., es ging vordergründig um zivilrechtlichen Persönlichkeitsschutz, m. w. N. Lehne, in: Amstutz / Reinert, BK Kartellgesetz, Art. 1 Rn. 9. 87 Bundesgesetz über Kartelle und ähnliche Organisationen vom 20. Dezember 1962, in Kraft getreten am 15. Februar 1964; vgl. dazu David / Jacobs, Schweizerisches Wettbewerbsrecht, 4. 88 Stoffel, in: SIWR V/2, 72. 89 Totalrevision BBl. 1981 III, 1293 in Kraft getreten am 20.12.1985 und Revision zur Anpassung an internationale Entwicklungen BBl. 1995 I, 468, in Kraft getreten am 1.7.1996; weitere Teilrevision in Kraft getreten am 1.4.2004. 90 Verordnung über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen v. 17.6.1996 (VKU); Verordnung über die Sanktion bei unzulässigen Wettbewerbsbeschränkungen (KG-Sanktionsverordnung, SVKG) v. 12.3.2004 (Stand 23.3.2004); VertBek 2010; Preisüberwachungsgesetz (PüG) v. 20.12.1985 (Stand 13.6.2006); Bundesgesetz über den Binnenmarkt (Binnenmarktgesetz, BGBM) v. 6.10.1995 (Stand 1.1.2007); Bundesgesetz über die technischen Handelshemmnisse (THG) v. 6.10.1995 (Stand 1.6.2010); Verordnung über das Inverkehrbringen von nach ausländischen technischen Vorschriften hergestellten Produkten und über deren Überwachung auf dem Markt (Verordnung über das Inverkehrbringen von Produkten nach ausländischen Vorschriften, VIPaV) v.19.5.2010 (Stand 1.11.2010); daneben wettbewerbsrechtliche Regelungen i.w.S. zum unlauteren Wettbewerb und öffentlichen Beschaffungswesen. 91 Siehe hierzu m. w. N. Rubin, in: Baker & McKenzie, SHK Kartellgesetz, Art. 1, Rn. 8. 86

B. Entwicklungslinien und Grundhaltung in den USA und Europa 2

151

Er trifft Massnahmen: a. zur Verhinderung von Missbräuchen in der Preisbildung durch marktmächtige Unternehmen und Organisationen des privaten und des öffentlichen Rechts; b. gegen den unlauteren Wettbewerb.“

Für Wettbewerbsbeschränkungen, die keine volkswirtschaftlich oder sozial schädlichen Auswirkungen haben, folgt also die Zulässigkeit von Verfassungs wegen.92 Die materiellrechtliche Umsetzung im KG definiert deshalb nicht nur ein objektiv tatbestandliches Verhalten, sondern bezieht auch die Schädlichkeit der Auswirkung als Tatbestandsvoraussetzung ein. Im Unterschied zu Art. 101 Abs. 1 AEUV erfasst Art. 5 Abs. 1 KG deshalb nicht schon nur die bezweckte oder bewirkte Wettbewerbsbeschränkung i. S. d. AEUV. Sie knüpft die Unzulässigkeit vielmehr an die hinreichende Bedingung, dass die Wettbewerbsbeschränkung nicht durch Effizienzen zu rechtfertigen und der Wettbewerb deshalb erheblich beeinträchtigt, respektive beseitigt wird. Aufgrund dieser verfassungsrechtlich zu beachtenden Auswirkungsbezogenheit wird gemeinhin konstatiert, das schweizerische Wettbewerbsrecht verfolge ein Missbrauchsprinzip. Mithin wäre ein generelles Kartellverbot mit Erlaubnisvorbehalt verfassungswidrig.93 Nach typischem Verständnis einer Missbrauchsgesetzgebung ist ein behördliches Eingreifen nur zulässig, wenn im konkreten Fall negative Wirkungen von einer Wettbewerbsabrede ausgingen. Ein Behördeneinschreiten würde also konstitutiv wirken. Funktionell betrachtet wäre es aber falsch, im Rahmen der vorliegenden Untersuchung zwischen Ländern bzw. Jurisdiktionen mit Verbotsgesetzgebung (insb. USA, EU, Deutschland) und solchen mit fortgeltender Missbrauchsgesetzgebung wie der Schweiz zu unterscheiden, da sich die Unterschiede allenfalls auf Verfassungsebene in pointierter Erlaubnis mit Legalverbot oder Verbotsgesetzgebung mit Legalausnahme (bzw. vor dem 1.5.2004 in der EU mit Erlaubnisvorbehalt) erschöpfen.94 Legt man die Wortbedeutung zugrunde, folgt auch das schweizerische Kartellgesetz dem Verbotsprinzip, als das schweizerische Missbrauchsprinzip nach Rechtsprechung und jüngerer Literatur partielle Verbote schädlicher Abreden erstens durchaus zulässt95 und zweitens kartellrechtswidrige Rechtsgeschäfte ex tunc nichtig, mithin die Entscheidungen der Rechtsdurchsetzungsbehörden tatsächlich nur deklaratorischer Natur sind.96 Die jetzt gültige Fassung des KG beruht auf der Revision vom 20.6.2003, mit der in erster Linie direkte Sanktionen für unzulässige, harte Wettbewerbsabreden (Art. 5 Abs. 3 und Abs. 4) und Marktmissbrauch (Art. 7) eingeführt Rubin, in: Baker & McKenzie, SHK Kartellgesetz, Art. 1, Rn. 3 f. Martenet / Heinemann, EuZW 2012, 868; Weber, in: SIWR V/2, 27. 94 Zäch, Schweizerisches Kartellrecht (2005), 57; ders., Erfahrungen mit dem neuen schweizerischen Wettbewerbsrecht in FIW Schriftenreihe, Heft 182, 2001, 75; Kaufmann, Wettbewerbsrechtliche Behandlung vertikaler Abreden, 27. 95 BGer v. 12.12.2008 – 2C_292/2008, BGE 135 II 60 (67) – Maestro Interchange Fee. 96 BGer v. 12.6.2008 – 4A_16/2008, BGE 134 III 438 (442) – Konsortialvertrag. 92 93

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2. Teil: Die Preisbindung der zweiten Hand – ein Rechtsvergleich

wurden. Hiermit wurde der bis dahin bestehende Hauptunterschied zur Rechtslage in den USA und in der EU also beseitigt.97 Ohnehin bestanden schon seit 1995 zwischen der Verbotsgesetzgebung der EU und der Missbrauchsgesetzgebung der Schweiz materiell und formell keine wesentlichen Unterschiede für harte Kartelle mehr (horizontale Preis-, Mengen- oder Gebietsabreden), weil der Gesetzgeber eine (widerlegbare) Vermutung der Unzulässigkeit eingeführt hatte. Somit ist das Schweizer Kartellrecht mit Inkrafttreten des KG-2003 und der Einführung direkter Sanktionen im Kreise moderner Kartellgesetzgebungen mit wirksamen Durchsetzungsregeln angelangt. Die KG-Revision von 2003 hat hinsichtlich der Preisbindung der zweiten Hand besondere Relevanz. Der Schutz von Interbrand- und IntrabrandWettbewerb wurde im KG-2003 insofern gleichgestellt, als die Unzulässigkeitsvermutung für harte Kartelle durch den neu eingefügten Art. 5 Abs. 4 KG auf die Preisbindung der zweiten Hand ausgeweitet wurde: „1. Abschnitt: Unzulässige Wettbewerbsbeschränkungen Art. 5 Unzulässige Wettbewerbsabreden 1

2

Abreden, die den Wettbewerb auf einem Markt für bestimmte Waren oder Leistungen erheblich beeinträchtigen und sich nicht durch Gründe der wirtschaftlichen Effizienz rechtfertigen lassen, sowie Abreden, die zur Beseitigung wirksamen Wettbewerbs führen, sind unzulässig. Wettbewerbsabreden sind durch Gründe der wirtschaftlichen Effizienz gerechtfertigt, wenn sie: (a.) notwendig sind, um die Herstellungs- oder Vertriebskosten zu senken, Produkte oder Produktionsverfahren zu verbessern, die Forschung oder die Verbreitung von technischem oder beruflichem Wissen zu fördern oder um Ressourcen rationeller zu nutzen; und (b.) den beteiligten Unternehmen in keinem Fall Möglichkeiten eröffnen, wirksamen Wettbewerb zu beseitigen.

97 In Kraft seit 1.4.2004, Anlass für die weitreichende Revision war die Aufdeckung des sog. Vitaminkartells. Dieses war in den USA aufgedeckt worden, zog aber im Ursprungsland Schweiz aufgrund des geltenden Missbrauchsprinzips des KG 1995 a. F. lediglich die Feststellung der Widerrechtlichkeit nach sich, siehe WEKO v. 19.4.2000 – RPW 2000/2, 186, 194 ff. – Hoffmann-La Roche; zur KG-Revision 2003 einführend Stoffel, in: Stoffel / Zäch, Kartellrechtsrevision 2003, 1 ff.; ders., in: Stoffel / Zäch, Kartellrechtsrevision 2003, 10, 11; zur Entwicklung noch Hoffet, in: Bechtold et al., Recht und Wettbewerb (FS Bechtold 2006), 191–208. Art. 1 KG wurde bereits in der zweiten KG-Revision als Paradigmenwechsel bezeichnet, weil er als sog. Zweckartikel den Wettbewerb im Interesse einer freiheitlichen marktwirtschaftlichen Ordnung als Normalfall darstellt. Ob das schweizerische Kartellgesetz nun als Missbrauchs- oder Verbotsgesetzgebung zu sehen ist, ist als dogmatischer Aspekt im Rahmen einer rechtsvergleichenden Betrachtung belanglos, wenn sich Verbot mit Ausnahmevorbehalt (Verbotsgesetzgebung) und Erlaubnis mit Verbotsvorbehalt (Missbrauchsgesetzgebung) so einander annähern, dass sie praktisch nicht zu unterschiedlichen Ergebnissen führen, vgl. so z. B. Zäch, Schweizerisches Kartellrecht (2005), 57, 128.

B. Entwicklungslinien und Grundhaltung in den USA und Europa 3

4

153

Die Beseitigung wirksamen Wettbewerbs wird bei folgenden Abreden vermutet, sofern sie zwischen Unternehmen getroffen werden, die tatsächlich oder der Möglichkeit nach miteinander im Wettbewerb stehen: (a.) Abreden über die direkte oder indirekte Festsetzung von Preisen; (b.) Abreden über die Einschränkung von Produktions-, Bezugs- oder Liefermengen; (c.) Abreden über die Aufteilung von Märkten nach Gebieten oder Geschäftspartnern. Die Beseitigung wirksamen Wettbewerbs wird auch vermutet bei Abreden zwischen Unternehmen verschiedener Marktstufen über Mindest- oder Festpreise sowie bei Abreden in Vertriebsverträgen über die Zuweisung von Gebieten, soweit Verkäufe in diese durch gebietsfremde Vertriebspartner ausgeschlossen werden.“

In diesem Zusammenhang kann auf das eingangs Gesagte zu hohen Inlandspreisen in der Schweiz verwiesen werden: Die Beschränkung des Warenverkehrs zwischen der EU und der Schweiz wird vor allem in Hinblick auf die potentielle Abschottung durch vertikale Vereinbarungen als gravierendste Gefahr für die Wohlstandsentwicklung angesehen. 98 Das Vertikalkartellrecht des KG a. F. galt vor allem im Hinblick auf Preis- und Gebietsabsprachen in Vertriebsverträgen als nicht griffig genug.99 Mit Art. 49a Abs. 1 KG 2003 wurden die entsprechenden Geldbußen deshalb mit dem neuen Art. 5 Abs. 4 KG 2003 insbesondere für vertikale Mindest- und Festpreisabsprachen eingeführt.100 Dadurch wurde die Bußgeldandrohung für – vermutungsweise – unzulässige harte Vertikalabreden i. S. v. Art. 5 Abs. 4 KG deutlich verschärft.101 Mit der Kursänderung in der Ausrichtung des Kartellgesetzes von traditionell eher lauterkeitsrechtlicher Anknüpfung hin zum Schutz des unverfälschten Wettbewerbs stellt sich, ähnlich wie in Europa und Deutschland, die Frage nach dem primären Schutzzweck102 des Kartellgesetzes. Dieser ist als solcher zwar nicht fundamental umstritten, bewegt sich aber nach wie vor in einem gewissen Zwielicht. Im Rahmen dieser Betrachtung zur Preisbindung Zäch, Schweizerisches Kartellrecht (2005), 111. Auslöser war das das Patentrecht / Parallelimporte betreffende Urteil des BGer v. 7.12.1999 – BGE 126 III 129 – Kodak. 100 Botschaft über die Änderung des Kartellgesetzes vom November 2001 (SR 01.071), BBl. 2001, 2022–2057. 101 Botschaft über die Änderung des Kartellgesetzes vom November 2001 (SR 01.071), BBl. 2001, 2037f; es wurde in der Schweiz übrigens erstmalig auch eine Kronzeugenregelung eingeführt Art. 49a Abs. 2 KG; die vorgesehene Höhe der Geldbußen von bis zu 10 % des in den letzten drei Jahren erzielten Umsatzes erinnert zwar an die entsprechende Regelung im europäischen Recht, ist aber in der Höhe deutlich moderater ausgestaltet, als sie sich stets nur auf den innerschweizerisch erzielten Umsatz bezieht und nicht etwa auf den weltweiten Umsatz abstellt. 102 Die Bezeichnung als Zweckartikel macht das Umschwenken in der Konzeption schweizerischen Wettbewerbsschutzes deutlich: lange wurde in der Schweiz der Zweck des Kartellgesetzes zum allgemeinen Schutzes des unverfälschten Wettbewerbs untergewichtet, als traditionell lauterkeitsrechtliche Aspekte in der Schweiz vorherrschten. So wurde auch lange nicht davon ausgegangen, dass Lauterkeitsrecht und Kartellrecht dasselbe Schutzgut beträfen. S. allgemein dazu David / Jacobs, Schweizerisches Wettbewerbsrecht, 6, 7. 98 99

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2. Teil: Die Preisbindung der zweiten Hand – ein Rechtsvergleich

kann die Diskussion nicht in Gänze aufgegriffen werden, jedoch sei hiermit auf die entsprechende Debatte zum schweizerischen Kartellgesetz verwiesen, die nach der KG-Revision 2003 verschärft wurde. Der Wettbewerbsschutz als Haupt- oder Zwischenziel auf dem Weg zu einem übergeordneten Ziel der Maximierung von Effizienzgewinnen und Konsumentenwohlfahrt sowie die Rolle von Individualschutz und integrationspolitischen Interessen wird im Zusammenhang mit vertikalen Abreden immer wieder diskutiert. Ob das KG neben der institutionellen Schutzdimension103 einen eigenständigen gleichbzw. höherwertigen Individualschutz verfolgt104 und ob diese Ziele zu widersprüchlichen Ergebnissen führen, kann hier nicht abschließend geklärt werden. Praktische Bedeutung erlangt diese Auseinandersetzung allerdings im Bereich der Preisbindungsdiskussion im Schweizer Recht dadurch, dass die Zulässigkeit vertikaler Wettbewerbsabreden i.R.d. Art. 5 Abs. 4 KG immer wieder an der Frage der Erheblichkeit der Wettbewerbsbeschränkung (Art. 5 Abs. 1) aufgehängt wird.105 Vertreter des reinen Institutionenschutzes haben allein die volkswirtschaftlichen Auswirkungen einer Wettbewerbsabrede im Blick und gehen von der Prämisse aus, dass bei funktionierendem Interbrand-Wettbewerb keine schädlichen volkswirtschaftlichen Auswirkungen zu erwarten sind. Deshalb wird die Beeinträchtigung von Wettbewerbern durch vertikale Abreden hingenommen. Währenddessen verweisen Anhänger des Individualschutzes auf den bereits tangierten Intrabrand-Wettbewerb und die insofern betroffene Wettbewerbsfreiheit. Die Schwelle der Erheblichkeit in Art. 5 Abs. 1 KG sei deshalb bei spürbaren Auswirkungen auf die wirtschaftliche Handlungsfreiheit nicht hoch anzusetzen. 106 Soweit dieser Streit überhaupt entschieden werden kann, ist wohl für das schweizerische Recht eine völlige Zurückdrängung und Aufgehen des Individualschutzes (nur) innerhalb des Institutionenschutzes nicht plausiFür den Schutz des Wetbewerbs als Institution und nur über diesen vermittelter Individualrechtsschutz: Amstutz / Reinert, in: Stoffel / Zäch, Kartellgesetzrevision 2003, 74, 78 ff. (v. a. mit Verweis auf die verfassungsrechtliche Formulierung). 104 Im Sinne eines Gleichklangs mit europäischem Konzept möchten einige Stimmen weiterhin von einem vorgehenden Schutz der individuellen Freiheit ausgehen. Die Gewährleistung der wirtschaftlichen Handlungsfreiheit des Einzelnen sei (noch immer) ein Hauptanliegen und die gesamtgesellschaftliche Wohlfahrt (nur ein) indirektes Ziel, was sich als massgebend für die Auslegung der Art. 5 Abs. 1, 7 oder Art. 10 Abs. 2 KG bzw. der Art. 101 Abs. 1, 102 AEUV darstelle, s. so z. B. Zäch, Wettbewerbsfreiheit oder Konsumentenwohlfahrt als Zweck des Kartellgesetzes?, in: Zäch, Schweizerisches Kartellrecht (2009), 3, 4 insb. mit Verweis auf den Wortlaut der Norm; ders., Schweizerisches Kartellrecht (2005), Rn. 142, 237, 397; so i. E. auch Borer, Art. 5 KG, Rn. 1. 105 Zuletzt BVGer v. 17.12.2015 – B-5685/2012 – Altimum SA; a. A. nun BGer v. 28.6.2016 – 2C_180/2014 – Gaba / WEKO; siehe hierzu unten C.IV.2.d), 271 ff. 106 Mit dieser richtigen Ansicht ist das Erheblichkeitskriterium des Art. 5 Abs. 1 KG im Sinne einer Bagatellklausel zu verstehen, nicht aber als materielle Prüfung, vgl. hierzu unten unter C.IV.2.d), 271 ff. 103

B. Entwicklungslinien und Grundhaltung in den USA und Europa

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bel, wenngleich der Schutz des einzelnen Wettbewerbers im Konfliktfall wohl hinter den Schutz des Wettbewerbs als Institution zurücktreten muss.107 Allerdings zeigt die ökonomische Beurteilung, dass Wirkungen der Preisbindung auf Intrabrand-Ebene meistens auch negativ auf die InterbrandEbene durchschlagen. Damit ist ein tatsächlicher Konfliktfall zwischen Institutionenschutz und Individualschutz in Bezug auf die Preisbindung eher theoretisch – auch und gerade aus ökonomischer Sicht ist eine weitreichende Vermutung der Wettbewerbsschädlichkeit der Preisbindung daher sinnvoll. Zu klären ist daher mit Blick auf die Preisbindung auch, wie sich die Absätze des Art. 5 KG zueinander verhalten.108 Zuzugeben ist in rechtsvergleichender Hinsicht jedoch zunächst, dass die Schweiz von allen hier betrachteten Rechtsordnungen die einzige ist, in deren Rahmen die ansonsten wettbewerbspolitische Frage um den wirkungsorientierten Ansatz bereits (wirtschafts-) verfassungsrechtlich anknüpft, weil sich Art. 96 Abs. 1 BV nur gegen volkswirtschaftlich oder sozial schädliche Wettbewerbsbeschränkungen richtet. Dass die Preisbindungsdiskussion in der Schweiz weniger ideologisch aufgeladen geführt wird, könnte hierauf zurückzuführen sein, verlagert die typischen Probleme bei Beurteilung vertikaler Preisvereinbarungen in der Diskussion jedoch nur an rechtsdogmatisch andere Stelle. V. Übergreifende Beobachtungen Die bislang festgestellten Entwicklungen zur rechtlichen Behandlung der Preisbindung der zweiten Hand in den USA, Europa, Deutschland und der Schweiz verliefen im Großen und Ganzen ähnlich; sie alle missbilligen die Abstimmung von Preisen auch im Vertikalverhältnis. Insofern bestehen im Ausgangspunkt der primären rechtlichen Regelung über Wettbewerbsbeschränkungen in Sec. 1 Sherman Act, Art. 101 AEUV, §§ 1, 2 GWB und Art. 5 KG wenig strukturelle Unterschiede. Zugleich fanden und finden sich aber innerhalb dieser ähnlichen Konzeption die markantesten Unterschiede der Grundentscheidungen der Rechtsordnungen und der Entwicklung im Bereich des Vertikalkartellrechts und am Beispiel der Preisbindung der zweiten Hand: Während US-amerikanische und unionsrechtliche Bestimmungen im Ausgang nicht zwischen horizontalen und vertikalen Bestimmungen unterscheiden, gingen bzw. gehen das deutsche und das schweizerisches Recht, wenn auch spät, differenziert gegen vertikale Preisbindungen vor. Die geschichtliche Behandlung der Preisbindung der zweiten Hand ist bei näherer Betrachtung zwar wechselvoll; in der Grundtendenz reichte die Haltung in allen Rechtsordnungen von einer anfänglichen Nichtbeachtung gefolgt von einem mehr oder weniger rasch (gesetzlich oder richterrechtlich) 107 108

Siehe m.w.N. Lehne, in: Amstutz / Reinert, BK Kartellgesetz, Art. 1 Rn. 41. Siehe hierzu sogleich C.IV.2.d), 271 ff.

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2. Teil: Die Preisbindung der zweiten Hand – ein Rechtsvergleich

eingeführten Preisbindungsverbot. Die junge ablehnende Grundhaltung gegenüber vertikalen Beschränkungen leitete sich jedoch zunächst aus den rechtlichen Prinzipien zu Veräußerungen von Sachen ab, die im Falle des Handels i. S. e. abgeschlossenen Verkaufs insgesamt, d. h. mit allen Befugnissen und Rechten auf den neuen Eigentümer übergehen. Dementsprechend lief eine Beschneidung der Preisbildungsfreiheit eines Unternehmers auf eine zentrale Beschränkung hinaus – sowohl im zivilrechtlichen Sinne seiner Vertragsfreiheit als auch im grundrechtlichen Verständnis seiner Berufsausübungsfreiheit. Auffällig ist, dass behördliche Akteure Preisbindungen stets besonders kritisch sahen und die Einführung von gesetzlichen Preisbindungsverboten entschieden forcierten. Vor allem in Europa sind Gerichte erst mit wachsender Sensibilisierung für wettbewerbliche Abläufe dazu übergegangen, Preisbindungen zu verbieten. Die wettbewerbsrechtliche Definition des Beschränkungscharakters selbst ist aber erst sekundär von ökonomischen Erwägungen geprägt worden. Gewissermaßen als Hintergrundrauschen trat die zunehmende Auseinandersetzung mit den Erkenntnissen der ökonomischen Analyse hinzu und lenkte die wettbewerbspolitische Diskussion um RPM vor allem in den USA ab den 1970er-Jahren vordergründig in Richtung einer Liberalisierung. Obwohl auch die europäische Diskussion mittlerweile von dem Bekenntnis zu einem wirkungsbasierten Ansatz durchdrungen ist, deutet insbesondere die gesetzliche Neuregelung im schweizerischen KG 2003 bereits an, dass ein historisch altes Preisbindungsverbot auch im Rahmen einer gesetzlichen oder richterrechtlichen Neubewertung Bestand haben kann.

C. Rechtliche Erfassung von Mindest- und Festpreisbindungen C. Rechtliche Erfassung von Mindest- und Festpreisbindungen

I.

Die vertikale Preisbindung in den USA

Nach einem Überblick über die geschichtlichen Begleitumstände des Sherman Act, wird der folgende Teil die Geburt der rule of reason im frühen 20. Jahrhundert, den Siegeszug von per se-Verboten in der Mitte des letzten Jahrhunderts und schließlich die Rückkehr der rule of reason und ihre Anwendung ab den 1970er-Jahren darstellen (1.) Verbunden hiermit ist zugleich eine Aufbereitung der rechtlichen Behandlung der Preisbindung. Diese wird im Anschluss bezogen auf die Grundsatzurteile Dr. Miles, Colgate und Leegin sodann vertieft (2.). Schließlich wird Leegin zusammen mit den Entwicklungen post Leegin daraufhin untersucht, welche Probleme sich im amerikanischen Antitrustrecht in Bezug auf die traditionelle rule of reason in der Rechtsanwendung ergeben. Insbesondere soll dargestellt werden, welche theoretischen Beurteilungsmaßstäbe, legislative und praktische Entwicklungen in Bezug auf die Preisbindung nach Leegin den größten Einfluss auf die gegenwärtige und zukünftige Beurteilung von Preisbindungen in den USA ausüben (3.).

C. Rechtliche Erfassung von Mindest- und Festpreisbindungen

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1. Der Sherman Act und die Suche nach einem System für Sec. 1. Dass sich trotz des Ursprungs im britischen tort law of unfair competition begrifflich in den USA anders als in Europa kein Competition Law herausgebildet hat, sondern sich die Bezeichnung Antitrust Law durchsetzte, liegt an den historischen Begleitumständen. In den USA des ausgehenden 19. Jahrhundert war anlässlich konzentrativer Entwicklungen auf den Rohstoffmärkten eine öffentliche Debatte um Großunternehmen und Organisationen, sog. Trusts, entbrannt, die ihre wirtschaftliche Macht in monopolistischer Weise ausübten.109 Die ersten politischen Reaktionen erfolgten auf Ebene der einzelnen Bundesstaaten.110 So besaßen 26 Staaten bis zur Verabschiedung des Sherman Act im Jahre 1890 bereits entweder eine gesetzliche oder verfassungsrechtliche Art der Antitrustgesetzgebung.111 Allerdings fehlte es an Regelungsuniformität und koordinierter Verfolgung, sodass Senator Sherman in Reaktion auf die Bedenken gegenüber staatenübergreifend agierender Trusts die Kodifikation von englischem common law vorschlug. Bezeichnender Weise geschah dies ausdrücklich, um Bürger vor Vereinbarungen zu schützen, die die Preise von Waren erhöhen und den Handel beeinträchtigen.112 Der Sherman Act stützt sich seither auf die verfassungsmäßige Kompetenz des Kongresses zur Regelung des interstaatlichen und internationalen Handels, deshalb sind nach dem Wortlaut zunächst keine rein einzelstaatlichen Sachverhalte erfasst.113 Als Anstrengung des Kongresses, die Allgemeinheit vor übermächtigen Trusts zu schützen, war der Sherman Act noch nicht von konkreten ökonomischen Erwägungen geschweige denn reichhaltiger Kartellrechtsdogmatik geprägt.114 Hatte das US-amerikanische Antitrustrecht zunächst den Individualschutz im Blick, inkorporiert der Sherman Act mittlerweile moderne Ziele Trust, rechtsterminologisch Treuhand / treuhänderisch, im 19. Jahrhundert üblicherweise als Umschreibung für das große Geschäft i. S. v. Unternehmenskonglomeraten gebraucht. Zum Ganzen nur Kelly, 28 N. Ill. U. L. Rev. 2008, 593, 595. Im Fokus standen zuerst vor allem kapitalstarke Eisenbahnunternehmungen (vgl. dazu sogl. Text zu Fn. 117 Trans-Missouri Freight Ass’n). Die zunehmende Bündelung wirtschaftlicher Macht über Stiftungen, Interessengemeinschaften, Beteiligungsgesellschaften und Kartelle erstreckte sich aber auf vielfältige Branchen, so hielt Standard Oil z. B. die Kontrolle über die Märkte für Schweröl, Blei und Whisky. 110 Korrespondierend wirkten öffentliche Meinung und Lobbyarbeit in Bezug auf die Preisbindung später vor allem auf Ebene der Bundesstaaten. Langfristige Entwicklungen wurden und werden im föderalen System der USA vor allem durch praktische Trends in den Einzelstaaten, gewissermaßen „von unten“ angestoßen. 111 ABA Sec. Antitrust L., State Antitrust Enforcement Handbook (2008), 4. 112 21 Con. Rec. 2462 (1890), Statement Senator John Sherman (Ohio) (1823–1900), Finanzminister unter President Hayes 1877–1881; siehe z. B. Hollander, in: Yamey, Resale Price Maintenance, 65 ff., 68. 113 Hollander, in: Yamey, Resale Price Maintenance, 65 ff., 68. 109

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2. Teil: Die Preisbindung der zweiten Hand – ein Rechtsvergleich

des Wettbewerbsschutzes, wie die der wirtschaftlichen Effizienz und der Förderung von Innovation.115 Trotz der über die verschiedenen Episoden schwankenden Intensität und Schwerpunktlegung bei der Durchsetzung sind die heute im Allgemeinen anerkannten Ziele des amerikanischen Antitrustrechts die Förderung des Wettbewerbs, die Förderung ökonomischer Effizienz und die Erhöhung der Konsumentenwohlfahrt (consumer welfare). Dabei bleibt der im Einzelall jeweils anzulegende Maßstab ungeklärt. Umstritten und immer wieder scharf diskutiert sind Inkongruenzen zwischen diesen Zielen sowie die Frage, ob zusätzlich der Schutz individueller Wettbewerber durch das Antitrust Law angestrebt werden soll. Das amerikanische Antitrustrecht ist diesbezüglich deutlich skeptischer als beispielweise das GWB in Deutschland.116 Der Wandel in den angenommenen Zielbestimmungen ist eng mit der versuchten Kategorisierung von Wettbewerbsbeschränkungen verwoben. Das hat zur Folge, dass die Frage nach der rechtlichen Beurteilung der Preisbindung der zweiten Hand in den USA bereits seit Beginn der Sherman Act-Rechtsprechung nicht nur mit Grundsatzfragen um die Abgrenzung vertikaler und horizontaler Beschränkungen, sondern auch mit der Entwicklung eines allgemeinen Beurteilungsregimes in Sec. 1 Sherman Act verknüpft ist. Zunächst legte der Supreme Court eine strikte, wörtliche Lesart zugrunde, als er 1897 in Trans-Missouri Freight Ass’n Preisvereinbarungen im Horizontalverhältnis zu beurteilen hatte.117 Insgesamt 18 Eisenbahnlinien hatten – unstreitig – Frachtraten abgestimmt, verteidigten sich aber damit, dass man einen zerstörerischen Preiskampf habe verhindern wollen. Die vereinbarten Frachtraten seien jedenfalls reasonable und müssten deshalb auch unter dem Sherman Act legal sein.118 Der Supreme Court nahm die Unternehmen jedoch grundsätzlich nicht von der Geltung des Sherman Act aus und bekräftigte stattdessen, dass Sec. 1 Sherman Act every restraint of trade erfasse.119 Wenn auch zu Preisvereinbarungen im Horizontalverhältnis, brachte der Supreme Court überdies das ökonomische Argument, dass Preise nur durch den Wettbewerb selbst ermittelMason, Monopoly Law and Economics, 25, 32 und Baumol / Ordover, Use of Antitrust to Subvert Competition, 263, 283, beide in: High / Gable, A Century of the Sherman Act. 115 Bork, Antitrust Paradox, 21; im Folgenden näher zu den Zielen des Sherman Act und zur Entwicklung durch die Rechtsprechung. 116 Z. B. das deutsche Recht, dass mit dem Schutz kleiner und mittlerer Unternehmen eine Zielgruppe explizit in den Schutzbereich des GWB mit aufgenommen hat. 117 United States v. Trans-Missouri Freight Ass’s, 166 U.S. 290 (1897). 118 Hilfsweise argumentiert, nachdem in erster Linie die Anwendbarkeit des Sherman Act bestritten wurde, weil der sog. Interstate Commerce Act Fuhrunternehmen regulatorisch von der Geltung ausnehme. 119 United States v. Trans-Missouri Freight Ass’n, 166 U.S. 290, 328 (1897); das Konzept der restraint of trade wurde damit originär US-amerikanisch entwickelt, als sich der Supreme Court hier expressis verbis gegen die Übernahme des britischen common lawStandards entschied. 114

C. Rechtliche Erfassung von Mindest- und Festpreisbindungen

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bar seien.120 Allerdings fand diese Erwägung zunächst keinen Nachhall in der Rechtsprechung.121 Die mit Trans-Missouri verfolgte extensive, wörtliche Lesart von Sec. 1 Sherman Act wurde trotz Kritik bis 1911 aufrechterhalten.122 a) Die Geburt einer „problematischen“ rule of reason In den Entscheidungen Standard Oil123 und American Tobacco124 entwickelte der Supreme Court 1911 das Konzept der rule of reason125 bei der Sherman 120 Vorangegangen war dem Urteil eine interne Debatte zwischen den Richtern Justice Rufus Wheeler Peckham und Chief Justice Edward Douglass White. Peckham hatte sich geweigert, dem Verständnis des Courts of Appeal zu folgen und sich auf die Prüfung der reasonabless, also der Angemessenheit der Beschränkung zu verlegen. Er wollte die Wettbewerbsbeschränkung methodisch nach ihrem Charakter, also der Qualität und nicht, wie White es tat, nach ihrer Intensität bemessen. Er argumentierte bestechend, dass die Frage, welcher Preisstandard angemessen ist, von Natur aus nur durch den Wettbewerb selbst zu klären sei. Letztlich setzte er sich im Urteil damit durch; s. ausf. m. w. N., Bork, 74 Yale L. J. 1965, 775, 789 ff.; ders., Antitrust Paradox, 23. 121 Insb. im ersten Leiturteil zur vertikalen Preisbindung in Dr. Miles Medical wurden solche Effizienzerwägungen nicht aufgegriffen. 122 Justice Peckham waren die Probleme eines strikten Wortlautverständnis von Sec. 1 bekannt, was sich in nachfolgenden Entscheidungen wie United States v. Joint Traffic Ass’n, 171 U.S. 505 (1898) und Anderson v. United States, 171 U.S. 604 (1898) zeigt; allgemein nur m.w. N., Bork, 74 Yale L. J. 1965, 775, 795. Peckham differenzierte zwischen solchen restraints of trade, deren Zweck oder Wirkung eine Unterdrückung des Wettbewerbs ist und solchen, deren wettbewerbsbeschränkende Wirkung eher ein Nebeneffekt bei einer ansonsten legitimen Zweckverfolgung darstellte, jedoch war in den frühen Entscheidungen hierzu keine umfassende Äußerung des Gerichts erfolgt. Später erfolgten mit Kritik an Trans-Missouri ähnliche Definitionsversuche durch andere Richter, s. z. B. Judge W. H. Taft zu ancillary restraints, in United States v. Addyston Pipe & Steel Co., 85 F. 271, 283–284 (6th Cir. 1898); mit der eigtl. differenzierenden Grundeinstellung wird Justice Peckham die Vaterschaft über die rule of reason-Doktrin zugeschrieben. Unglücklicherweise war Peckhams Herangehensweise in Trans-Missouri in Hinblick auf übliche Vertragsvereinbarungen nicht ausgereift, die nun allerorten als verboten angesehen werden mussten, s. m. w. N. nur Bork, 74 Yale L. J. 1965, 775, 785, 800. Trans-Missouri, wird jedoch in Hinblick auf die Verhinderung frühzeitiger Relativierung von Sec. 1 Sherman Act der Zulassung wettbewerbsfeindlicher Preiskartelle unter nur politischer Kontrolle heute als wichtig erachtet, s. Bork, Antitrust Paradox, 26; noch andere Bewertung in den 1940er-Jahren z. B. Peppin, 28 Cal. L. Rev. 1940, 297 ff. und 667 ff. 123 Standard Oil Co. of N.J. v. United States, 221 U.S. 1 (1911); bereits im Ansatz Judge White in Addyston Pipe & Steel Co. v. United States, 175 U.S. 211 (1899). 124 United States v. American Tobacco Co., 221 U.S. 106 (1911). 125 Teilweise in deutscher Literatur auch als „Vernunftsregel“ bezeichnet; zugeschrieben wird die Formulierung der rule of reason Justice White, der sich mit seiner dissenting opinion in Trans-Missouri noch distanziert hatte. Mittlerweile wird Whites Dissent als Missverständnis des grundsätzlich richtigen Mehrheitsvotums aufgefasst. Die heute zitierten rule of reason-Kriterien stammen jedoch von Justice Brandeis in Chicago Board of Trade v. United States, 246 U.S. 231 (1918), siehe sogleich.

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2. Teil: Die Preisbindung der zweiten Hand – ein Rechtsvergleich

Act-Interpretation. Er konkretisierte Sec. 1 dahingehend, dass mit ihr nur unreasonable restraints als schädigende Wettbewerbsbeschränkungen erfasst seien. Allerdings bestanden zunächst große Unsicherheiten für die gerichtliche Anwendung dieses Standards. Der Supreme Court machte ihn aber mit der Konkretisierung in der Leitentscheidung in Chicago Board of Trade126 1918 zum methodischen Ausgangspunkt der Sec. 1-Dogmatik. Hier ließ er eine Spezialregel zu Getreidepreisuntergrenzen zu, die einen Missbrauch der Börsenschlusszeiten unterbinden sollte. Der Supreme Court stellte vier Kriterien für die reasonableness, die Zulässigkeit einer Vereinbarung auf, die bis heute zitiert werden. Zu betrachten sind demnach 1.) die Umstände vor und nach der Einführung einer Vereinbarung, 2.) die Natur und die Effekte der Vereinbarung, 3.) die Geschichte und die voraussichtliche Schädlichkeit der Beschränkung und 4.) die Gründe der Vereinbarungsparteien für die Einführung bzw. der mit der Vereinbarung verfolgte Zweck. Die Sinnhaftigkeit der Entscheidung in Chicago Board of Trade sowie ihre regelmäßige Zitierung im Zusammenhang mit der rule of reason-Bewertung, darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass diese Faktoren so unbestimmt sind, dass sie bis heute kaum konkrete methodische Anleitung der Interpretation gegeben haben.127 b) Siegeszug des per se-Verbotes bei der Beurteilung der Preisbindung In der Folge tat sich die Rechtsprechung sehr schwer mit einer Anwendung der rule of reason. Das zeigt sich daran, dass Gerichte die Prüfung der Rechtfertigung letztlich dadurch vermieden, dass sie eine neue Kategorie eröffneten, um Vereinbarungen zu erfassen, die als so offensichtlich und grundsätzlich schädlich angesehen wurden, dass sie immer, also per se-illegal sind. 128 In diesen Fällen genügt der Nachweis durch den Kläger, dass das entsprechende Verhalten stattfand. Eine weitere zeit- oder kostenaufwändige ökonomische oder historische Untersuchung der betroffenen Branche und der tatsächlichen Auswirkungen konnte und kann so vermieden werden.129 In Dr. Miles wurde die Mindestpreisbindung, die der Hersteller dem Händler auferlegen wollte, als eine solche Art der Beschränkung identifiziert und sollte fortan 96 Jahre den Ausgangspunkt für die per se-Interpretation hinsichtlich aller vertikalen Formen von Preisbindungen bilden.130 Dabei ist die Chicago Board of Trade v. United States, 246 U.S. 231 (1918). Nach Standard Oil Co. of N.J. v. United States, 221 U.S. 1 (1911); nur Gavil /  Kovacic / Baker, Antitrust Law in Perspective, 161. 128 Broder, 38; Nixa, 11 Vand. Ent. & Tech. L. 468; ebenfalls so pointierte Ansichten m. w. N. auch zu Bork s. nur Moore, 36 Wash. U. J. L. & Pol’y (2011), 289, 296, 297. 129 Northern Pacific Railway Company v. United States, 356 U.S. 1, 5 (1958); Arizona v. Maricopa County Med. Soc’y, 457 U.S. 332, 351 (1982). 130 Dr. Miles Medical Co. v. John D. Park & Sons Co., 220 U.S. 373 (1911); Moore, 36 Wash. U. J. L. & Pol’y (2011), 289, 297. 126 127

C. Rechtliche Erfassung von Mindest- und Festpreisbindungen

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sog. per se rule oder Dr.-Miles-Doktrin weder in der Entscheidung selbst, noch in den sie zitierenden Entscheidungen der Folgejahre aufgetaucht. Erst 30 Jahre später referierte sie der Supreme Court in Socony-Vacuum131 ausdrücklich.132 Bereits 16 Jahre nach Dr. Miles erstreckte der Supreme Court diese per se-Illegalität auf horizontale Preisabsprachen, für die sie auch heute noch vorgesehen ist.133 Socony-Vacuum leitete eine wahre Blütezeit der per se-Illegalität in den 1940er bis 1960er-Jahren ein, nachdem in diesem Urteil zunächst auch Vereinbarungen mit indirekter Preisbeeinflussung134 und dann sogar vertikale nichtpreisliche Beschränkungen diesem strengen Ansatz unterstellt wurden.135 c) Die ökonomische Analyse und die Wiederentdeckung der rule of reason Nach der fast 30 Jahre andauernden Dominanz der per se-Verbotsrechtsprechung waren in den 1970er-Jahren praktisch alle Intrabrand-Beschränkungen nach der Rechtsprechung des Supreme Courts per se-illegal. Diese Linie geriet jedoch durch die Chicago School zunehmend unter Druck.136 Obwohl nämlich die weitreichende Geltung des per se-Verbotes für die Rechtsprechung vor allem deshalb so hilfreich war, weil fast alle vertikalen Beschränkungen (preisliche seit Dr. Miles und nichtpreisliche Beschränkungen seit Arnold, Schwinn & Co.) gleichermaßen und höchst einfach beurteilt werden konnten, wurde diese vermeintliche Effizienz der einfachen und konsistenten Beurteilung kritisiert. Dies zu Recht, weil die unterschiedslose Verfolgung vertikaler Vereinbarungen in Hinblick auf wenig schädliche Beschränkungen durch das private enforcement mutmaßlich eine Vielzahl falscher Positive produziert, also Verhalten erfasst und im Klagewege angreifbar macht, das wirtschaftlich unschädlich ist. Ab den 1970er-Jahren setzte sich darum die rule of reason durch und ist seither zum vorherrschenden Beurteilungsmaßstab geworden.137

United States v. Socony-Vacuum Oil Co., 310 U.S. 150, 218 (1940). Dies verdeutlich, dass dem Dr. Miles-Court Umfang und Folgen einer per se-Doktrin nicht bewusst war, Areeda / Hovenkamp, Antitrust Law, VIII (3rd Ed), ¶1620a, 222 ff. 133 United States v. Trenton Potteries Co., 273 U.S. 392 (1927). 134 United States v. Socony-Vacuum Oil Co., 310 U.S. 150, 218 (1940). 135 Kopplungsverträge: Northern Pacific Railway Company v. United States, 356 U.S. 1, 5 (1958); Gruppenboykotte: Klor’s, Inc. v. Broadway-Hale Stores, 359 U.S. 207 (1959); vertikale Kundenkreis- und Gebietsbeschränkungen United States v. Arnold, Schwinn & Co., 388 U.S. 365, 379 (1967); horizontale Kunde- und Gebietsaufteilungen: United States v. Sealy, Inc., 388 U.S. 350 (1967) und United States v. Topco Assocs., Inc., 405 U.S. 596 (1972); Höchstpreisbindungen: Albrecht v. Herald Co., 380 U.S. 145 (1968). 136 Bork, 75 Y.L. J. 1966, 373 ff. 137 Maßgeblich neben Sylvania auch National Soc’y of Prof. Engineers v. United States, 435 U.S. 679 (1978). 131 132

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2. Teil: Die Preisbindung der zweiten Hand – ein Rechtsvergleich

Die rule of reason aus Chicago Board of Trade wurde 1977 wieder aufgegriffen, als der Supreme Court im Urteil Continental TV Inc. v. Sylvania alle nichtpreislichen vertikalen Vereinbarungen (wieder) dem rule of reasonRegime unterstellte.138 Die Bedeutung von Sylvania ist nicht zu unterschätzen. Zum einen wurde mit Sylvania nachhaltig ein Effizienzmaßstab in die Supreme Court-Rechtsprechung eingeführt;139 zum anderen ist dieses Urteil der erste deutliche Rückzug von der Dr. Miles-Rechtsprechung im Hinblick auf den uneingeschränkten Gebrauch des per se-Verbotes.140 Anders als bei der per se Illegalität, in deren logischer Konsequenz einzig und allein das tatsächliche Vorliegen eines angegriffenen Verhaltens geklärt werden muss, bedarf es für die rule of reason-Beurteilung der weitergehenden Darlegung. Wie die Kriterien aus Chicago Board of Trade konkret geprüft werden sollten, blieb jedoch auch in Sylvania unbeantwortet und strukturlos. Trotz des dramatischen Anstieges der rule of reason-Fälle nach Sylvania hatten Gerichte weder eine Vorgabe, wie sie die rule of reasonAbwägung durchführen sollten, noch wie die nun notwendig werdende Unterscheidung zwischen nichtpreislichen Beschränkungen und Beschränkungen mit Auswirkungen auf Preise erfolgen sollte. Für das erste Problem der Abwägung hat sich im Fallrecht keine Gesamtabwägung auf Tatbestandsseite, sondern vielmehr ein Gefüge der Beweislastumkehr herausgebildet. Eine vollständige rule of reason-Beurteilung verläuft daher überwiegend im Dreischritt:141 – Zuerst muss der (private oder staatliche) Kläger nachweisen, dass das angegriffene Verhalten den Wettbewerb im relevanten Markt schädigt 138 „But we do make clear that departure from the rule of reason standard must be based upon demonstrable economic effect, rather than – as in Schwinn – upon formalistic line drawing.“ (in Aufhebung von Arnold, Schwinn & Co.) s. Continental TV v. GTE Sylvania, 433 U.S. 36, 58–59 (1977); vgl. Chicago Board of Trade v. United States, 246 U.S. 231, 238 (1918): „The true test of legality is whether the restraint imposed is such as merely regulates and perhaps thereby promotes competition or whether it is such as may suppress or even destroy competition“; Sylvania hatte seine Zahl der Franchisenehmer pro Verkaufsgebiet limitiert und den Händlern untersagt, eigenmächtig in anderen Gebieten einen Verkauf aufzubauen. Zwischen der Einführung dieser Vertriebsart im Jahr 1962 und 1965 war die Strategie so erfolgreich, dass Sylvania ca. 5 % Martanteil hatte gewinnen können. 139 Continental T.V., Inc. v. GTE Sylvania, Inc., 433 U.S. 36, 52–54 (1977); s. a. Bork, Antitrust Paradox, 287. Gerichte sollten von nun an „in das Dickicht der ökonomischen Theorien vordringen“, wohingegen es der Supreme Court in United States v. Topco Assocs., Inc., 405 U.S. 596, 609 (1972) mit der Formulierung „ramble through the wild of economic theory“ noch abgelehnt hatte, dass Gerichte überhaupt geeignet seien, ökonomische Probleme zu untersuchen. 140 Continental T.V., Inc. v. GTE Sylvania, Inc., 433 U.S. 36, 52 n. 18, 57–59 (1977). 141 Vgl. jüngst aufgezählt in United States v. Visa U.S.A., Inc., 344 F.3d 229, 238 (2nd Cir. 2003).

C. Rechtliche Erfassung von Mindest- und Festpreisbindungen

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(competitive harm), was in der Regel erfordert, dem Beklagten eine gewisse Marktmacht im relevanten Markt nachzuweisen.142 – Gelingt dies, kann der Beklagte demonstrieren, dass sein Verhalten durch pro-kompetitive Effekte ökonomisch gerechtfertigt ist (legitimate objects). – Genügt der Beklagte dieser Anforderung, geht die Last zurück auf den Kläger, zu beweisen, dass der Schaden den Nutzen überwiegt und/oder die Wettbewerbsbeschränkung nicht notwendig ist um die wettbewerbsförderlichen Resultate zu erreichen oder gleichfalls durch alternative Maßnahmen erreicht werden kann oder hätte können, die weniger wettbewerbsbeschränkende Wirkungen haben (less restrictive alternatives).143 Erst wenn der Kläger diese Anforderungen erfüllt hat wird eine abschließende Gesamtabwägung wettbewerbsschädigender und wettbewerbsfördernder Effekte angestellt.144 Deshalb gab und gibt es schon immer die Kritik, dass die rule of reason aufgrund ihrer Vagheit praktisch ein Freibrief und in der Praxis nichts weiter als ein Euphemismus für die Nichthaftung sei.145 In der Tat ist es für Kläger extrem zeitaufwändig und kostspielig, Verstöße gegen die rule of reason nachzuweisen. Die rule of reason hebt sich vor allem durch die erforderliche Marktanalyse vom per se-Verbotsmaßstab ab. Die meisten rule of reason-Verfahren enden zugunsten des Beklagten. Zusätzlich zu den ohnehin schon hohen Anforderungen, eine entsprechende Geschädigtenstellung plausibel zu machen, sind die hinreichenden Beweise einer entsprechenden Wettbewerbsschädigung, inklusive Marktanalysen, in den meisten Fällen schwer, zumal von privaten Klägern oft gar nicht, beibringbar.146 d) Preise zwischen den Beurteilungsfronten: Entwicklung des quick look unter der rule of reason In der Folge stellte sich heraus, dass selbst für konzertiertes Verhalten, das Einfluss auf Preise nimmt, eine Beurteilung als price fixing und ein dementsprechend hartes per se-Verbot in Einzelfällen unangemessen erscheinen 142 Areeda / Hovenkamp, Antitrust Law, VII (3rd Ed.) ¶1502, 387 ff.; Broder, 51. z. B. Copperweld Corp. v. Independence Tube Corp., 467 U.S. 752, 768 (1984): das mag überraschen, als es bei Sec. 1 Fälle keine Monopolisierung betreffen. Gerichte verlangen diesen Nachweis von Marktmacht jedoch in der Regel als indirekten Nachweis, um den Effekt der Wettbewerbsbeschränkung einschätzen zu können. 143 Zu less restrictive alternative, Virgin Atl. Airways Ltd. v. British Airways PLC, 257 F.3d 256, 264 (2d Cir. 2001); siehe auch Hairston v. Pac. 10 Conference, 101 F.3d 1315, 1319 (9th Cir. 1996). 144 Siehe Chicago Board of Trade v. United States, 246 U.S. 231, 238 (1918). 145 Bork, Antitrust Paradox, 14; Nixa, 11 Vand. J. Ent. & Tech. L., 467; Note, 121 Harv. L. Rev. 2007, 1600 ff. 146 Allgemeine Prozessvoraussetzungen, insb. zu antitrust injury, standing und damages s. im Überblick nur Broder, 61.

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2. Teil: Die Preisbindung der zweiten Hand – ein Rechtsvergleich

kann. Obwohl der Supreme Court in National Society of Professional Engineers den Ausschluss von Bieterwettbewerb in der Berufsgruppe der beteiligten Ingenieure noch missbilligte und Sicherheitserwägungen nicht als taugliche Rechtfertigung beurteilte, ließ sich bereits erahnen, dass selbst für klar horizontale Preisvereinbarungen im Einzelfall eine Rechtfertigung durch ökonomische Argumente angebracht sein könnte.147 Diesen weiteren Schritt vollzog der Supreme Court 1979 in Broadcast Music, als er die – glasklar horizontale – Preisvereinbarung zwischen potentiellen Konkurrenten hinsichtlich einer Lizenzvereinbarung aufrechterhielt, weil sie weniger dazu dienen sollte, den Wettbewerb auszuschalten, als Urheberrechtsverletzungen zu verhindern.148 Darin wird eine methodisch unsaubere, weil vorgezogene Analyse sichtbar: Als Konsequenz aus Sylvania und der plötzlichen Masse von potenziellen rule of reason-Fällen, war die Entscheidung, ob eine Beschränkung eine per se-Eliminierung erforderte, also eine preisliche Vereinbarung war, plötzlich immens wichtig. Andererseits klafften die jeweiligen Rechtsfolgen des per se-Verbotes bzw. der quasi-Legalität unter dem rule of reasonMaßstab weit auseinander.149 Deshalb begannen die Gerichte, darunter auch der Supreme Court selbst, anhand einer Wertung ökonomischer Effekte – gewissermaßen als Vorprüfung – zu definieren, ob ein price fixing und damit tatsächlich ein per se-Fall vorliegt.150 Der sog. quick look-Ansatz war geboren. Nach der Supreme Court Entscheidung in Sachen NCAA151 gestaltete er sich folgendermaßen: In NCAA war der Supreme Court zwar mit einer horizontalen Preisabrede und einer Beschränkung des Outputs konfrontiert. Streitgegenstand war die Kooperation von Sportteams verschiedener Colleges innerhalb ihrer Ligen und die Vertragsbeziehungen mit den interessierten Fernsehsendenetzwerken. 147 National Soc’y of Prof. Engineers v. United States, 435 U.S. 679 (1978): „competitive significance of the restraint“, es bleibt kein Raum für die Abwägung nichtökonomischer Faktoren sozialer oder politischer Interessen. 148 Broadcast Music, Inc. v. Columbia Broadcasting System (BMI), 441 U.S. 1, 19, 20 (1979). 149 Gegen vertikale Gebietsbeschränkungen konnten private Kläger post Sylvania praktisch nicht mehr mit Erfolgsaussichten vor Gericht gehen und auch die staatlichen Wettbewerbsbehörden griffen in der Folge nicht mehr ein. Nur zwei Fälle aus den frühen 1980erJahren beschäftigten sich mit einer Abwägung hoher Marktanteile und des Mangel wettbewerbsfördernder Effekte gegen Vorteile und zogen eine Bewertung der jeweiligen vertikalen (nichtpreislichen) Beschränkung als unreasonable nach sich. In den 1990er-Jahren waren vertikale Vereinbarungen so verbreitet und galten als so positiv für den InterbrandWettbewerb, dass sie kaum noch gerichtlich angegriffen wurden und deshalb ein Bild der faktischen per se-Legalität entstand, siehe m. w. N. Gavil / Kovacic / Baker, Antitrust Law in Perspective, 370. 150 Eingehend Sullivan / Harrison, Antitrust and its Economic Implications, 142. 151 Anlässlich eines Joint Ventures NCAA v. Board of Regents of the University of Oklahoma, 468 U.S. 85 (1984).

C. Rechtliche Erfassung von Mindest- und Festpreisbindungen

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Daber erforderte der vorgefundene Markt nach Ansicht des Gerichtshofes aufgrund der Interdependenz der Beteiligten eine gewisse Kooperation, um überhaupt Sportveranstaltungen und deren Übertragung zu ermöglichen. Der Supreme Court legte für die vorgefundene Preis- und Output-Beschränkung deshalb einen rule of reason-Maßstab an, der jedoch ausdrücklich und ausschließlich auf ökonomischen Gründen basieren sollte. Hieraus folgte später die prozessuale Möglichkeit, dass im Rahmen des ersten Schritts einer rule of reason-Beweisführung nachgewiesene Preis- oder Output-Beschränkungen bereits eine Vermutung der Illegalität erzeugen können.152 Für alle Sec. 1-Fälle muss damit im ersten Schritt ein wettbewerbsbeschränkender Effekt nachgewiesen werden. Aber dieser Nachweis sollte fortan auf zwei verschiedenen Wegen möglich sein, nämlich zum einen direkt (direct evidence) oder alternativ indirekt (indirect/circumstancial evidence). Reduzierter Output, höhere Preise oder Qualitätsverringerung sind direkte Nachweise, die sich unmittelbar auf die letztlich relevante Frage der reasonableness unter Sec. 1 Sherman Act beziehen und daher keiner weiteren Frage nach Marktmacht, wie sie indizweise über Marktanteile sichtbar wird, bedürfen.153 Alternativ kann der Kläger auch Marktmacht nachweisen (indirekte Beweisführung), woraufhin wettbewerbsschädliche Effekte durch die Beschränkung vermutet werden. In beiden Fällen geht die Beweislast dann auf den Beklagten über, dem es jedoch freisteht, Effizienzgewinne nachzuweisen, die die Beschränkung aufwiegen und somit rechtfertigen.154 Systematisch steht der quick look-Test also zwischen per se-Verbot und rule of reason-Beurteilung. Obwohl er deshalb bisweilen in Abgrenzung zur vollen (full-blown rule of reason) als sog. truncated, also verkürzte, rule of reason-Beurteilung bezeichnet wird, entspringt er sowohl in Bezug auf seine Genese anhand des Fallrechts zu horizontalen Preisvereinbarungen, als auch hinsichtlich der gerichtlichen Gesamtwürdigung eher dem per se-Verbot. Denn er knüpft daran an, dass es innerhalb der rule of reason-Betrachtung im amerikanischen Antitrustrecht auch stets Beschränkungen gab, die nach Ansicht der Gerichte einen deutlich skeptischen Beurteilungsmaßstab verlangten. Rechtshistorisch gesehen waren das neben RPM, erst in zweiter Linie NCAA v. Board of Regents of the University of Oklahoma, 468 U.S. 85, 99–100 (1984). 153 Das gründet sich auf die Annahme, dass oben genannte, wettbewerblich schädliche Praktiken ausschließlich beim Vorliegen von Marktmacht möglich werden. Eine weitergehende Untersuchung der konkreten Marktverhältnisse wird in einem solchen Fall der Beweisführung obsolet und deshalb auch nicht durch den Kläger zu leisten. Die direkte ist qualitativ höher einzustufen als die indirekte Beweisführung, vgl. Gavil / Kovacic / Baker, Antitrust Law in Perspective, 186. 154 NCAA v. Board of Regents of the University of Oklahoma, 468 U.S. 85, 109 (1986); Lie v. St. Joseph Hospital, 964 F.2d 567, 569 (6th Cir. 1992); Levine v. Central Fla. Med. Affiliates, Inc., 72 F.3d 1538, 1553, 1555 (11th Cir. 1996). 152

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2. Teil: Die Preisbindung der zweiten Hand – ein Rechtsvergleich

horizontale Preisvereinbarungen.155 Wenngleich der quick look bei horizontalen preislichen Vereinbarungen entwickelt wurde, wird er später – gewissermaßen erst recht – auch für RPM-Vereinbarungen wichtig.156 Trotz der Anwendung durch Gerichte und auch die FTC in weiteren Fällen,157 insbesondere auch der Billigung des FTC-Ansatzes durch den Supreme Court in Cal. Dental Ass’n v. FTC158 im Jahre 1999, hat sich gleichwohl zunächst kein umfassender Beurteilungsstandard aus diesen Ansätzen herausgebildet. Der Supreme Court hatte es den Gerichten nämlich freigestellt, wann sie einen quick look bei der Beurteilung von Beschränkungen walten lassen. 2. Fokus Resale Price Maintenance und price fixing zwischen Dr. Miles und Leegin Dass die vertikale Preisbindung in den USA eine Hauptrolle in der Entwicklung der rule of reason-Doktrin spielte, wurde bisher bereits sichtbar. Allerdings ist die gemeinhin als resale price maintenance bzw. RPM übersetzte Praxis, auf die sich die per se-Verbotsregel lange erstreckte, enger als der deutsche Begriff der Preisbindung der zweiten Hand, der auch durchlaufende Preisbindungen auf verschiedenen Stufen der Vertriebskette erfasst. Resale price maintenance159 bezeichnet lediglich die Bindung des Einzelhandelspreises, nicht jedoch vertikale Verträge, die andere Arten von Preisen festlegen. Diese Definition ist essentiell, denn mögen auch die ökonomischen Implikationen ähnlich sein, die per se-Regel wurde niemals auf andere Preisbindungen als die des Endverkaufs ausgeweitet. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass alle anderen Fälle von vertikal festgelegten Zwischenhandelspreisen oder Rabatten immer schon unter einem rule of reason-Maßstab beurteilt wurden.160

155 Vgl. insofern Dr. Miles Medical Co. v. John D. Park & Sons Co., 220 U.S. 373 (1911) mit United States v. Trenton Potteries Co., 273 U.S. 392 (1927). 156 Dazu unten 2. Teil C.I.3.a)cc)iii), 199. 157 FTC v. Ind. Fed’n of Dentists, 467 U.S. 447 (1986); Massachusetts Board Of Registration in Optometry, 110 F.T.C. 549 (1988). 158 California Dental Association v. FTC, 526 U.S. 756 (1999). 159 Der Begriff der resale price maintenance ist etabliert. Es besteht jedoch nicht selten Kritik an dieser Bezeichnung, als sie normativ impliziert, Preise müssten in einem anständigen Rahmen gehalten werden, also eine positive Konnotation hat. Deshalb gehen einige Stimmen dazu über, bewusst von vertical price fixing zu sprechen. Diese Bezeichnung ist insofern auch der deutschen Bezeichnung Preisbindung näher; für eine Übersicht über die Definition z. B. Givens, Antitrust, § 8.02. 160 Areeda / Hovenkamp, Antitrust Law, VIII (3rd Ed.), ¶1622, 258; das bedeutet auch, dass die Art des Vertriebs, also das Reselling, qualitativ anders beurteilt wird als die Tätigkeit anderer Intermediäre, wie Handelsvertreter, s. 49er Chevrolet, Inc. v. General Motors Corp., 803 F.2d 1463 (9th Cir. 1986); krit. Posner, Antitrust Law, 178–181.

C. Rechtliche Erfassung von Mindest- und Festpreisbindungen

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a) Das kategorische Nein zur vertikalen Preisabsprache in Dr. Miles Die Rechtsprechungsgeschichte zu RPM begann in den USA mit der Supreme Court-Entscheidung in Sachen Dr.-Miles 1911.161 Vor 1908 war die Preisbindung der zweiten Hand gewissermaßen legal, denn frühere Entscheidungen zum Sherman Act hatten RPM und vertikale Marktaufteilungen noch nicht differenziert behandelt.162 Das Konzept der Wettbewerbsbeschränkung, der restraint of trade, das der Supreme Court bis dato nur in horizontalen Konstellationen angewandt hatte, übertrug er in Dr. Miles ausdrücklich auf die vertikale Preisbindung.163 Hintergrund der Entscheidung war die Klage eines Herstellers von Pharmaprodukten, Dr. Miles Medical Company (im folgenden Dr. Miles) aus Indiana. Zum Zeitpunkt des Streits bestand bereits ein ausgedehntes Vertriebsnetzwerk über das Dr. Miles Medizinprodukte an Groß- und an Einzelhandelsdrogisten (wholesale druggists) verkaufte und sogar exportierte. Der Vertriebsvertrag von Dr. Miles sah nicht nur vor, dass die Abgabepreise der Heilmittel im jeweiligen Groß- und Einzelhandel festgelegt wurden. Zusätzlich wurde den Vertragspartnern von Dr. Miles vorgeschrieben, dass sie ihrerseits nur an designierte Groß- und Einzelhändler von Dr. Miles verkauften. Die Klage von Dr. Miles wandte sich gegen einen Großhändler für Heilmittel und Drogerieprodukte, John D. Park & Sons Co. in Cincinatti, Ohio. Dieser war zwar niemals in einen solchen Vertriebsvertrag mit Dr. Miles eingetreten, ihm war es dennoch gelungen, Produkte von Großhändlern des Vertriebsnetzes von Dr. Miles zu beziehen. Im Zusammenspiel mit einigen anderen Großund Einzelhändlern außerhalb des Vertragsnetzes bewarb und vertrieb John D. Park & Sons die Dr. Miles-Produkte dann zu Sonderpreisen gegenüber Endkunden. 164 John D. Park & Sons hätten auf betrügerische Art und Weise die Vertragspartner von Dr. Miles allein zu dem Zweck zum Verkauf bewogen, die Produkte später zu cutrates, also zu „Schleuderpreisen“ zu verkaufen. Genau betrachtet handelt es sich hier unter anderem also um die DarleDr. Miles Medical Co. v. John D. Park & Sons Co., 220 U.S. 373 (1911). Es waren lediglich Sonderfälle aus dem Bereich des geistigen Eigentums entschieden worden. Eine Preisbindung unter Sec. 1 Sherman Act sei nicht ungesetzlich, wenn sie durch einen Inhaber von IP-Rechten gegenüber seinen Händlern erfolgt, die ein Produkt, das diese IP-Rechte nutzt, vertreiben. Rechte aus geistigem Eigentum bezwecken, dem Inhaber ein Monopol für die Nutzung einzuräumen und würden insofern eine Ausnahme von den Wettbewerbsregeln begründen. Hier war im Umkehrschluss bereits die grundsätzliche Tendenz der Gerichte zu erahnen, s. dazu Edison Phonograph Co. v. Kaufmann, 105 F. 960 (C.C.W.D. Pa. 1901); Edison Phonograph Co. v. Pike, 116 F. 863 (C.C.D. Mass. 1902); Rupp & W. Co. v. Elliott, 131 F. 73 (6th Cir. 1904); John D. Park & Sons Co. v. Hartman, 153 F. 24 (6th Cir. 1907); eine Preisbindung durch den Inhaber eines Copyrights bereits als unwirksam erklärend s. Bobbs-Merrill Co. v. Straus, 210 U.S. 339 (1908). 163 Dr. Miles Medical Co. v. John D. Park & Sons Co., 220 U.S. 373 (1911). 164 Dr. Miles Medical Co. v. John D. Park & Sons Co., 220 U.S. 373, 381 (1911). 161 162

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2. Teil: Die Preisbindung der zweiten Hand – ein Rechtsvergleich

gung des Loss-Leader-Problems.165 Um den durch John D. Park & Sons forcierten Treuebruch der Vertragsbeziehungen und einen Verkauf unter dem vorgegebenen Preis zu stoppen, zog Dr. Miles gegen John D. Park & Sons vor Gericht.166 Dr. Miles berief sich darauf, dass der größte Teil des Endkundengeschäfts über die Einzelhändler und Einzelhandelsdrogisten erfolge und die Nachfrage nach den Heilmitteln hauptsächlich auf dem Vertrauen der Kunden in die Marke durch die Empfehlung des Einzelhandelsdrogisten aufbaue. Deshalb sei ein fairer Profit für die Einzelhändler für das Endkundengeschäft essentiell. Dass Einzelhandelsketten – gemeint waren die zunehmend aufkommenden großen Warenhäuser – die Dr. Miles-Produkte zu günstigeren Preisen anbieten, habe im Markt zu viel Verwirrung und Ärger geführt. Einzelhandelsdrogisten könnten bei solchen Preisen keine ausreichenden Gewinne mehr mit Dr. Miles-Produkten erzielen und hätten begonnen, die entsprechenden Produkte aus ihren Lagerbeständen auszulisten. Zusätzlich sei mit dem vermehrten Angebot zu „Schleuderpreisen“ in der Öffentlichkeit ein Reputationsverlust eingetreten, der einen Markenwertverlust und den Nachfragerückgang, mithin Schaden beim Kläger verursacht habe. Mindestpreise seien daher notwendig gewesen, um das Handelsgeschäft, den Markenwert und die Reputation zu schützen.167 Nach Erfolg der Klage in erster Instanz, hielt der Court of Appeals for the Sixth Circuit die Einwände von John D. Park & Sons aufrecht. Vor dem Supreme Court wurde die ursprüngliche Klage von Dr. Miles zurückgewiesen.168 Die Entscheidungsbegründung in Dr. Miles vollzog sich über drei Argumentationsschritte.169 Erstens folge aus der (insofern zugestandenen) Vertragsfreiheit eines Herstellers hinsichtlich des Verkaufs nicht, dass der Hersteller über die tatsächliche Veräußerung hinaus auch die Weiterveräußerung nach seinem Belieben bestimmen könne.170 Im Kontext des jungen Antitrustrechts berief sich der Supreme Court – in gewisser Weise verfehlt –auf common law-Rechtsprechung zu Veräußerungsbeschränkungen, demnach letztere 165 1. Teil B.III, 72; Dr. Miles Medical Co. v. John D. Park & Sons Co., 220 U.S. 373, 394 (1911) 166 Dr. Miles Medical Co. v. John D. Park & Sons Co., 220 U.S. 373 ff. (1911); s. zur Vorgehensweise und zulässigem Rechtsweg in dieser Konstellation 395 mit Verweis auf Angle v. Chicago, St. Paul, Minneapolis & Omaha Railway Co., 151 U.S. 1 (1894); Bitterman v. Louisville & Nashville Railroad Co., 207 U.S. 205 (1907). 167 Dr. Miles Medical Co. v. John D. Park & Sons Co., 220 U.S. 373 (1911), 374. 168 Feststellend, dass Einzelhandelsdrogisten weder formell noch materiell Handelsvertreter von Dr. Miles waren, Dr. Miles Medical Co. v. John D. Park & Sons Co., 220 U.S. 373, 394–395 (1911). 169 Weiter differenzierend Areeda / Hovenkamp, Antitrust Law, VIII (3rd Ed.), ¶1620b-c, 224 ff. 170 Dr. Miles Medical Co. v. John D. Park & Sons Co., 220 U.S. 373, 404 (1911).

C. Rechtliche Erfassung von Mindest- und Festpreisbindungen

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grundsätzlich gegen das öffentliche Interesse verstießen und daher nichtig seien.171 Sodann untersuchte er, ob das öffentliche Interesse durch eine Rechtfertigung der Beschränkung gewahrt wurde. Dazu hätte die Veräußerungsbeschränkung einerseits reasonable bzw. vernünftig und andererseits auf das absolut notwendige Maß beschränkt gewesen sein müssen.172 Allerdings sah der Supreme Court hier keine der Veräußerungsarten einschlägig, die einer solchen Rechtfertigung zugänglich gewesen wären.173 Die Zuwendung zu wettbewerblichen Fragestellungen erfolgte erst danach. Der Supreme Court widersprach der Behauptung, dass Dr. Miles durch die niedrigen Preise geschädigt worden sei. Entgegen der vorgebrachten Argumentation von Dr. Miles würden gebundene Einzelhandelspreise vor allem im Interesse der Händler liegen, weshalb auch nur diese von den an sie fließenden, aus Preisbindungen resultierenden Gewinnen profitieren würden.174 Diese ökonomischen Erwägungen und mögliche Vorteile für den Hersteller blieben in der Folge daher unberücksichtigt. Jedenfalls würden die Verträge, die Dr. Miles abgeschlossen hatte, in ihrer Funktion einem Händlerkartell gleichkommen. Weil Kartelle einzig und allein der Beschränkung des Wettbewerbs dienen würden, stehe ihnen das öffentliche Interesse entgegen und sie seien nichtig:175 (Syllabus) „A system of contracts between manufacturers and wholesale and retail merchants by which the manufacturers attempt to control not merely the prices at which its agents may sell its products, but the prices for all sales by all dealers at wholesale or retail, whether purchasers or subpurchasers, eliminating all competition and fixing the amount which the consumer shall pay, amounts to restraint of trade, and is invalid both at common law and, so far as it affects interstate commerce, under the Sherman Anti-Trust Act of July 2, 1890, and so held as to the contracts involved in this case.“

An dieser Gleichsetzung von vertikalen Vereinbarungen mit horizontalen Händlerkartellen als zentrale Feststellung im Syllabus (Ratio 1) hat sich in der Folge die Hauptkritik an Dr. Miles entzündet.176 Tatsächlich war das Urteil 171 „The right of alienation is one of the essential incidents of a right of general property in movables, and restraints upon alienation have been generally regarded as obnoxious to public policy, which is best subserved by great freedom of traffic in such things as pass from hand to hand. General restraint in the alienation of articles, things, chattels, except when a very special kind of property is involved, such as a slave or an heirloom, have been generally held void.“; krit. „misreading legal history and a perversion of antitrust analysis“ Bruckmann, Antitrust Source Feb. 2007, 2. 172 „[…] limited to what is fairly necessary, in the circumstances of the particular case, for the protection of the covenantee“, Dr. Miles Medical Co. v. John D. Park & Sons Co., 220 U.S. 373, 406 (1911). 173 Bruckmann, Antitrust Source Feb. 2007, 2. 174 Dr. Miles Medical Co. v. John D. Park & Sons Co., 220 U.S. 373, 407 (1911). 175 Dr. Miles Medical Co. v. John D. Park & Sons Co., 220 U.S. 373, 408 (1911). 176 Kritik durch Justice Holmes im Sondervotum (dissenting opinion); Dr. Miles Medical Co. v. John D. Park & Sons Co., 220 U.S. 373, 409 ff. (1911) folgte der Argumentation von Dr. Miles und dem Wortlaut des Vertrags („Consignment Contract –Wholesale“) und

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2. Teil: Die Preisbindung der zweiten Hand – ein Rechtsvergleich

bereits aus zeitgenössischer Sicht aufgrund der Reichweite der Vertragsfreiheit des Herstellers hinsichtlich der Beschränkung von Veräußerungsrechten schon nicht zwingend, schlimmstenfalls schon nicht überzeugend. Zum Zeitpunkt von Dr. Miles existierte die Diskussion um die reasonableness einer Beschränkung im Sinne des Sherman Act bereits in Ansätzen. Was genau eine Beschränkung der Veräußerungsfreiheit des Händlers ausmachte und warum eine Beschränkung der Preissetzungsfreiheit möglicherweise gravierender in die Freiheit der Händler hinsichtlich dieser zu schützenden Veräußerungsbefugnis eingriff, als andere denkbare Beschränkungen wie die des Gebietes oder Kundenkreises, der Öffnungszeiten und Werbemaßnahmen oder anderer Vorgaben, wurde mit keinem Wort erläutert.177 Das Dr. Miles-Urteil war insofern schon nicht valide begründet und daher methodisch schwach. Aus ökonomischer Sicht gravierender ist aber die schwache Argumentation des Supreme Courts im Folgenden.178 Die Feststellung des Supreme Courts (Ratio 2), dass vertikale Preisbindungen in erster Linie Händlerprofite schützen würden,179 kann auf unterschiedliche Arten interpretiert werden. Zum einen kann sie (1) dahingehend verstanden werden, dass der Supreme Court davon ausging, dass solche Profite Händlern eher zugute kommen, als Herstellern, was auch nach heutigen ökonomischen Maßstäben noch als zutreffend bezeichnet werden kann. Wenn man die Aussage des Supreme Courts aber (2) dahingehend versteht, dass diese Händlerprofite Herstellern niemals signifikant nutzen oder (3) der Nutzen für Hersteller, sofern er existiert, niemals den überwiegenden, wettbewerbsschädlichen Händlernutzen ausgleichen kann, so kann man dies an heutigen Erkenntnissen gemessen nur als falsch bzw. als höchst wahrscheinlich nicht richtig bezeichnen.180 Dr. Miles hatte entsprechende Punkte im Prozess angeführt, indem er zum Beispiel vorbrachte, dass einige Händler Dr. Miles-Produkte als Loss-Leader einsetzen und so andere Händler aufhören würden, Dr. Miles-Produkte zu vertreiben oder gegenüber den Kunden zu empfehlen. Zum anderen würden die Discountpreise das Markenimage schädigen. Aus heutiger Sicht ist es fatal, dass der Supreme Court diese Rechtfersah die Händler sehr wohl als Agenten an und anerkannte, dass der Kläger Eigentümer der gehandelten Waren geblieben sei. Vom Wortlaut des Vertrages her ist das korrekt. In der Entscheidung der Mehrheit wurde die Formulierung als Umgehung der gesetzlichen Regelung aufgefasst. 177 Areeda / Hovenkamp, Antitrust Law, VIII (3rd Ed.), ¶1612, 229 jedoch irreführend, als Dr. Miles die Beschränkung der Händlerfreiheit erstmalig adressierte und insofern mangels Präjudizien keine Abgrenzung zu anderen vertikalen Beschränkungen notwendig war. 178 Vgl. Areeda / Hovenkamp, Antitrust Law, VIII (3rd Ed.); ¶1620, 229. 179 „But the advantage of established retail prices primarily concerns the dealers“, Dr. Miles Medical Co. v. John D. Park & Sons Co., 220 U.S. 373, 407 (1911). 180 Areeda / Hovenkamp, Antitrust Law, VIII (3rd Ed.), ¶1620, 229; siehe oben 1.Teil G, 122.

C. Rechtliche Erfassung von Mindest- und Festpreisbindungen

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tigungen zwar aufgriff, sich der Würdigung aber enthielt, sofern dies dazu geführt hat, dass die Aussage des Dr. Miles-Court nicht in ersterer Lesart in die Preisbindungsdiskussion einging. Das Urteil in Sachen Dr. Miles hätte insofern nämlich Geltung behalten können. Die Aussage des Gerichts (Ratio 3), dass vertikale Preisbindungen einem Händlerkartell gleichzusetzen seien,181 kann ebenfalls unterschiedlich gedeutet werden. Zum einen als Behauptung, dass (1) Preisbindungen immer dieselben Effekte wie Händlerkartelle haben. Diese Behauptung ist nach heutigen Erkenntnissen als unzutreffend bezeichnen. Eine zweite Lesart (2) dahingehend, dass Händlerinteressen, die Herstellerinteressen zuwiderlaufen auf wettbewerbsschädliche Beschränkungen hindeuten, ist nach heutigen Erkenntnissen möglicherweise, aber nicht zwingend zutreffend, deckt sich aber nicht mit dem Ton der Entscheidung. Gleichwohl mag man diese Ratio 3 aus Dr. Miles noch als verfahrensbedingt betrachten. Vielleicht war Dr. Miles lediglich nicht hinreichend überzeugend gewesen, erstens seinen tatsächlichen individuellen Nutzen dieser Preisbindung darzulegen und zweitens zu beweisen, dass dieser den nachteiligen Effekt für das allgemeine Interesse aufwiegen würde. Damit hätten die Richter im konkreten Fall von dem Vorliegen einer händlergetriebenen Preisbindung ausgehen müssen.182 Schließlich hatte Dr. Miles während des Verfahrens offen angegeben, dass seine Händler mit den einbrechenden Preisen und ihrem Umsatzeinbruch unzufrieden waren. Zudem war die Entscheidung zu einer Zeit anhängig, in der die Händlervereinigung National Association of Retail Druggists Lobbyarbeit und Druck auf Hersteller ausübte. Der Gerichtshof mag insofern einfach zu der Überzeugung gelangt sein, dass es sich um eine ein Händlerkartell ersetzende vertikale Preisbindung handelte. Mit diesen Überlegungen wäre die Schlussfolgerung des Gerichtshofes, dass resale price maintenance nicht besser beurteilt werden sollte als horizontale Preisabsprachen, konkret nicht zu beanstanden.183 Allerdings deckt sich der allgemeine Ton der Entscheidung und die Negation der Abwägung der Parteiinteressen nicht mit dieser Auslegung des Urteilsspruchs. Die ausnahmslose Gleichsetzung von vertikalen mit horizontalen Beschränkungen und nicht nur übertragen auf die rechtliche Behandlung, verschließt sich ökonomischer Logik. An heutigen Maßstäben gemessen mag die Entscheidung im Ergebnis konkret richtig gewesen sein. Die verallgemeinernden Aussagen wie sie als 181 „[…] complainant can fare no better with its plan of identical contracts than could the dealers themselves if they formed a combination […] by agreement with each other“, Dr. Miles Medical Co. v. John D. Park & Sons Co., 220 U.S. 373, 408 (1911). 182 Areeda / Hovenkamp, Antitrust Law, VIII (3rd Ed.), ¶1620, 231. 183 Das DoJ hatte 1906 einige Einzel- und Großhandelsdrogisten (NARD, darunter auch Dr. Miles) aufgrund solcher, kollektiver Anstrengungen zur Etablierung vertikaler Preisbindung verklagt, Areeda / Hovenkamp, Antitrust Law, VIII (3rd Ed.), ¶1620, 231.

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2. Teil: Die Preisbindung der zweiten Hand – ein Rechtsvergleich

Präjudiz in der Preisbindungsbeurteilung prägend wurden, sind jedoch als fehlerhaft einzustufen. b) Wieviel Übereinkunft braucht eine Vereinbarung? Die Colgate-Doktrin und ihre Bedeutung heute Die scharfe per se-Illegalität für Preisbindungen aus Dr. Miles wurde acht Jahre später bereits in United States v. Colgate & Co. (Colgate) problematisch.184 In dem Verfahren warf der Staat dem Unternehmen Colgate & Co. – Hersteller von Seifen und Hygiene-Artikeln – vor, dass es ein Netz von faktischen Preisbindungen aufgebaut hätte. Colgate hatte seinen Vertriebspartnern nahegelegt, empfohlene Einzelhandelspreise einzuhalten und für den Fall der Nichtbeachtung schon im Voraus eine Einstellung der Belieferung angekündigt. In der Tatsachenfeststellung vermerkte das erstinstanzliche Gericht die Effektivität dieser Vorgehensweise durch Colgate: In Teilen von Virginia und überall in den Staaten hielten sich mit nur wenigen Ausnahmen alle Großhändler an einheitliche Preise, was uniforme Preise auch im Einzelhandel zur Folge hatte.185 Trotz dieses starken Effekts billigte der Supreme Court die Vorgehensweise, hütete sich aber davor, Dr. Miles anzutasten. Der Supreme Court suchte im Hinblick auf Dr. Miles als Präjudiz eher nach Abgrenzungskriterien im Sachverhalt als nach Gemeinsamkeiten bzgl. der angestrebten und erreichten Wirkung der Praxis und befand, dass zwischen Colgate und den Händlern keine zweiseitige Vereinbarung über Preise bestehe – auch nicht im Sinne einer gebilligten Vertragsbedingung.186 Mit einer bloß einseitigen Ankündigung könne der Sherman Act aber nicht verletzt werden.187 Colgate ist durch zwei Faktoren gekennzeichnet. Zum einen durch die frühe formelle Definition der Vereinbarung, zum anderen immer noch durch das in Dr. Miles wichtige Konzept der Vertragsfreiheit. Anknüpfend an Erwägungen der Veräußerungsfreiheit des Händlers, die acht Jahre zuvor in Dr. Miles den Ausschlag gegeben hatten, pointierte der Supreme Court in Colgate die Vertragsfreiheit des Herstellers.188 „The purpose of the Sherman Act is to prohibit monopolies, contracts […] which probably would interfere with the free exercise of their rights by those engaged […] in trade or commerce […]. In the absence of any purpose to create […] a monopoly, the act does not restrict the long recognized right of trader or manufacturer engaged in an entirely private business, freely to exercise his own independent discretion as to parties with whom he will deal; and, of course, he may announce in advance the circumstances under which he will refuse to sell.“189 United States v. Colgate & Co., 250 U.S. 300 (1919). Zur Vorentscheidung, s. 250 U.S. 300, 303 unten. 186 Paldor, Rethinking RPM (2007), 11; United States v. Colgate & Co., 250 U.S. 300 (1919). 187 United States v. Colgate & Co., 250 U.S. 300, 301 (1919). 188 Gavil / Kovacic / Baker, Antitrust Law in Perspective, 357 189 United States v. Colgate & Co., 250 U.S. 300, 307 (1919). 184 185

C. Rechtliche Erfassung von Mindest- und Festpreisbindungen

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Resale price maintenance war damit weiterhin verboten, aber ähnliche Effekte konnten Händler fortan erzielen, indem sie ankündigten, dass sie nicht an Händler verkaufen würden, die das angekündigte Preislevel nicht einhielten.190 Damit wurde in Colgate ein breites Einfallstor für Umgehungen geschaffen. Allerdings wurde die so exzerpierte Colgate-Doktrin im Handel als riskant empfunden und ist im direkten Nachgang des Urteils kaum praktiziert worden. Bis in die 1930er-Jahre war auch die Lesart des Sherman Act insgesamt und die Haltung gegenüber horizontalen Preisabsprachen durch den Supreme Court so streng, dass die Einführung von Colgate-Preispolitiken schwierig war.191 Die Grenze zur Vereinbarung konnte schnell dadurch überschritten werden, dass irgendeine weitere Diskussion über Preise durch den Hersteller stattfand oder eine – ggf. auch unerbetene – Zustimmung durch den Händler erfolgte. Auch die Wiederbelieferung eines zunächst ausgeschlossenen Händlers, hätte eine Vereinbarung konstituieren können.192 Dies ist bis heute ein Knackpunkt in der US-amerikanischen Praxis.193 Zusammengefasst entzog sich Colgate den Kernfragen. Der Supreme Court erhielt einerseits Dr. Miles als Präjudiz aufrecht, äußerte sich aber nicht zu dem faktischen Problem, inwieweit ein Händlerverhalten, dass der Ankündigung des Herstellers folge leistet, eine stillschweigende Vereinbarung darstellt.194 Neben der reasonableness einer Vereinbarung ist somit auch die das agreement element richterrechtlich anhand der Beurteilung der resale price maintenance bzw. der Preisempfehlung entwickelt worden, wirkt aber auf alle Tatbestände in Sec. 1 Sherman Act bzw. Clayton Act – sowohl in horizontaler als auch vertikaler Hinsicht – zurück.195 Die unterschiedlichen Formen des Zu190 Ein Jahr nach Colgate stellte der Supreme Court im Urteil A. Schrader’s Son klar, dass Dr. Miles durch Colgate nicht überholt sei und die Unterschiedslosigkeit horizontaler und vertikaler Preisvereinbarungen, U.S. v. A. Schrader’s Son, Inc., 252 U.S. 85 (1920), Gavil / Kovacic / Baker, Antitrust Law in Perspective, 357. 191 United States v. Trenton Potteries Co., 273 U.S. 392 (1927). 192 Bork, Antitrust Paradox, 280–281; Kelly, 28 N. Ill. U. L. Rev., 593 ff., 605. 193 Vgl. 2. Teil D.III.1, 287. 194 Die Frage, ob ein Festhalten an einem formellen Vereinbarungsbegriff im Sinne des Sherman Act ist, wurde erst in re United States v. Parke, Davis & Co., 362 U.S. 29 (1960) aufgegriffen. Jede flankierende Methode, um die Befolgung von Preisempfehlungen sicherzustellen und die so effektiv wie eine resale price maintenance-Vereinbarung ist, sei eine illegale Konspiration i. S. d. Sherman Act, selbst wenn keine implizite oder explizite Vereinbarung eines einzuhaltenden Preises getroffen wird. 195 Das absolute Erfordernis einer Vereinbarung als von „[…] every contract, combination […] or conspiracy in restraint of trade“ ausgegangen wird. Parallel dazu spricht auch Sec. 3 Clayton Act von „condition, agreement or understanding […]“15 U.S.C. § 14; auch der FTC Act basiert in § 5 auf einer conspiracy oder zumindest conspiracy-like behaviour, California Dental Association v. FTC, 526 U.S. 756 (1999) u. a., s. nur Areeda /  Hovenkamp, Fundamentals of Antitrust Law, § 14.01a, Supp. 2013; m. w. N. Sullivan /  Harrison, Antitrust and its Economic Implications, 184.

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2. Teil: Die Preisbindung der zweiten Hand – ein Rechtsvergleich

sammenwirkens i. S. v. contract, combination bzw. conspiracy werden in der Praxis nicht differenziert, sondern regelmäßig synonym verwendet. Das agreement ist lediglich als neutraler Oberbegriff regelmäßig als Mindestvoraussetzung zu werten, weshalb im Folgenden auf diesen Terminus abgestellt wird. Ein solches agreement i. S. v. Sec. 1 Sherman Act erfordert nach Colgate und weiteren Konkretisierungen heute einen multilateralen Charakter, ein Vereinbarungscharakter, eine Übereinkunft im Sinne eines meeting of the minds. Das als Konzept geht zwar ursprünglich auch auf das common law zurück, im Gegensatz zu einer Vereinbarung im vertragsrechtlichen Sinne sollen Sherman und Clayton Act unstrittig nur Minimalanforderungen an die Gemeinsamkeit bzw. Abgestimmtheit stellen, soweit ein wettbewerbsfeindlicher, konspirativer Charakter im Raum steht. 196 Das amerikanische Antitrustrecht sieht die gesteigerte Gefährlichkeit einer Kooperation für den Wettbewerb als ausreichende Begründung für eine solche Interpretation.197 In Bezug auf Vereinbarungen zwischen Nicht-Wettbewerbern wie Hersteller und Händler erkennt das amerikanische Antitrustrecht jedoch an, dass die bloße Tatsache, dass es sich nicht um Wettbewerber handelt, eine Konspiration nicht ausschließt.198 Dabei muss unstreitig nicht einmal komplette Freiwilligkeit eines Partners der Übereinkunft vorliegen. Trotzdem zeigt sich das amerikanische Wettbewerbsrecht skeptisch, wenn es zwischen solchen Partnern an einem eindeutigen Versprechen – einem quid pro quo – fehlt.199 Somit gelten für vertikale wie horizontale Wettbewerbsbeschränkungen unter Sec. 1 Sherman Act grundsätzlich die gleichen Anforderungen hinsichtlich der Vereinbarung, jedoch greifen die eben angesprochenen, strengeren Anforderungen bei vertikalen Preisbindungen (und anderen Beschränkungen) nicht, wenn formell ein nur einseitiges Handeln vorliegt. Aus heutiger Sicht ist das unglücklich, allerdings erklärt sich die Supreme Court-Rechtsprechung historisch nach Dr. Miles. Die starre per se-Verbotsrechtsprechung sollte gewissermaßen – in der Bilanz – durch die erhöhten Anforderungen an die Vereinbarung korrigiert werden. Begünstigt wurde diese Entwicklung zusätzlich durch die noch vorherrschende Methodik des Supreme Courts. Entsprechend der Vorgehensweise im case law suchte der Supreme Court im Hinblick auf Dr. Miles als Präjudiz eher nach Abgrenzungskriterien im Sachverhalt und wurde im Bezug auf die Zweiseitigkeit der Vereinbarung fündig. Nachdem aus heutiger Sicht ein wettbewerbsrechtliches Beurteilungskontinuum anhand bezweckter und erreichter Wirkungen von Geschäftspraktiken angestrebt wird, war diese frühe Weichenstellung systematisch unglücklich. 15 U.S.C. § 1, Sullivan / Harrison, Antitrust and its Economic Implications, 184. Siehe nur Areeda / Hoovenkamp, Fundamentals of Antitrust Law, § 14.02a, 14-8, Supp. 2012. 198 Areeda / Hoovenkamp, Fundamentals of Antitrust Law, § 14.02b, 14-11, Supp. 2012. 199 Areeda / Hovenkamp, Fundamentals of Antitrust Law, § 1402b, 14-11, Supp. 2012. 196 197

C. Rechtliche Erfassung von Mindest- und Festpreisbindungen

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c) Lobbyarbeit und Legislative – gesetzliche Preisbindungsfreiheit 1937– 1975 Die nichtsdestoweniger große Ablehnung des Supreme Courts gegenüber preisbezogenen Vereinbarungen rief im Gefolge der Dr. Miles-Entscheidung zahlreiche Interessengruppen für die Freigabe von Preisbindungen auf den Plan. Zunächst war es die Gruppe einzelner Markenartikelhersteller, die wie in Dr. Miles Schleuderpreise, allgemeines „Verramschen“ und ein schwindendes Verkaufsvolumen durch Händlerpreiswettbewerb fürchteten. Die Herstellerlobby zerfiel jedoch mit dem Auftreten großer Einzelhandelsketten, die die Preisbindungsversuche von Herstellern ohnehin nicht akzeptierten, sondern ihrerseits Druck auf die Großhandelspreise der Markenartikelhersteller ausübten.200 Ab den 1920er-Jahren formierten sich stattdessen kleine Einzelhändler (hauptsächlich Einzelhandelsdrogisten) in der National Association of Retail Druggists/NARD (später National Community Pharmacists Association) und setzten sich massiv für Einzelhandelsaufschläge ein. 201 Die NARD forderte die Aufrechterhaltung gewisser Handelsspannen zum Schutz ihrer Mitglieder vor ruinösem Preiswettbewerb.202 Die Interessenvertretung konnte sich zwar nicht auf Bundesebene, wohl aber in zahlreichen Bundesstaaten mit Gesetzesvorlagen durchsetzen. Rechtlich ist eine abweichende Regelung in den Bundesstaaten aufgrund der beschränkten Geltung des Sherman Act durch die interstate commerce clause möglich. Die Große Depression spielte der Fair-Trade-Bewegung ab 1929 in die Hände, weil die öffentliche Meinung gebundene Einzelhandelspreise als Mittel gegenüber der Deflation ansah. Im Jahr 1931 entstand so der erste Fair Trade Act in Kalifornien, der im innerstaatlichen Handel eine Preisbindung für Markenwaren erlaubte.203 Bis 1975 setzte sich die Entwicklung in vielen weiteren Staaten fort, sodass die Preisbindung im Intrastate-Handel legal praktizierbar wurde.204 Stark expandierende, große Einzelhändler wie Department Stores waren allerdings nach wie vor nicht bereit, Preisbindungsvereinbarungen zu akzeptieren. Deshalb wurde ein nennenswerter Effekt durch eine Ergänzung des Fair Trade Act, die sog. non signer clause erreicht. Diese Klausel bestimmte, dass eine einmal zwischen Hersteller und Händler geschlossene Preisbindungsvereinbarung automatisch auch alle anderen Händler an diesen 200 Report of the Federal Trade Commission on Resale Price Maintenance U.S. G.P.O., Wash. 1945. 201 Report of the Federal Trade Commission on Resale Price Maintenance U.S. G.P.O., Wash. 1945. 202 Im Sinne einer positiv besetzten Lobbyarbeit wurde der Name Fair-Trade-Bewegung geprägt und die flankierenden Gesetze zur Legalisierung der Preisbindung hießen folglich fair trade laws. 203 Völp, Preisbindung für Markenartikel (1961), 6; Cal. Stats. (1931) c. 278. 204 Fabricius, 9 N.C. J. L. & Tech. 2007–2008, 87, 93; Overstreet, RPM: Economic Theories and Empirical Evidence (1983), 4 f.

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2. Teil: Die Preisbindung der zweiten Hand – ein Rechtsvergleich

festgelegten Preis bindet.205 Dieser Dammbruch sowohl in der gesetzlichen Freigabe, als auch in der praktischen Implementierung ließ innerhalb der nächsten fünf Jahre zwölf weitere Staaten, dem kalifornischen Modell folgend, Fair-Trade-Gesetze erlassen.206 Bereits im Jahr 1937 erließen insgesamt 42 Bundesstaaten Fair-Trade-Gesetze mit entsprechenden non signer-Klauseln.207 Nur 4 Staaten hatten nie eine gesetzliche Preisbindungsfreigabe.208 Die Fair-Trade-Bewegung machte aber nicht an den Grenzen der Bundesstaaten halt und weil die öffentliche Meinung u. a. der Auffassung war, dass kleine Einzelhändler vor erfolgreichen Discounthändlern geschützt werden müssten,209 schritt 1937 der Kongress gegen die restriktive Rechtsprechung ein und erließ den Miller-Tydings Act.210 Dieser legalisierte die vertikale Preisbindung auch für Markenwaren im Interstate-Handel, wenn und insoweit die Ware in einem Staat letztverkauft wurde, der RPM zuließ. Damit durchbrach der Miller-Tydings Act sowohl die Wertung von Sec. 1 Sherman Act als auch die der Dr. Miles-Rechtsprechung. Die Fair-Trade-Gesetze wurden zwar immer wieder direkt angegriffen, aber sowohl bundesstaatliche Gerichte als auch der Supreme Court erklärten sie für verfassungsgemäß.211 Die Erweiterung durch die non signer-Klau-

205 Mit weiteren Nachweisen aus dieser Zeit Völp, Preisbindung für Markenartikel (1961), 6; Beispiel einer solchen Klausel, die man faktisch als Vertrag zu Lasten Dritter ansehen kann, § 56:4-6 des New Jersey Fair Trade Law, N.J. Stat. Ann. § 56:4-3 bis -6 (1964): „Willfully and knowingly advertising, offering for sale or selling any commodity at less than the price stipulated in any contract entered into pursuant to the provisions of section 56:4-5 of this Title [legalizing resale price maintenance contracts], whether the person so advertising, offering for sale or selling is or is not a party to such contract, is unfair competition and is actionable at the suit of the producer or distributor of such commodity or at the suit of any retailer selling such commodity at not less than the price stipulated in any contract entered into pursuant to the provisions of section 56:4-5 of this Title“. 206 Paldor, Rethinking RPM (2007), 13. 207 Mit Verweis auf Report of the Federal Trade Commission on Resale Price Maintenance U.S. G.P.O., Wash. 1945, 39–43 nur Overstreet, Resale Price Maintenance 1983, 4; m. w. N. Paldor, Rethinking RPM (2007), 13; zweimal entschied der Supreme Court 1936 über die Verfassungsmäßigkeit: Old Dearborn Distributing Co. v. Seagram-Distiller’s Corp., 299 U.S. 183 (1936); The Pep Boys, Manny, Moe and Jack of California, Inc. v. Pyroil Sales Co., Inc., 299 U.S. 198 (1936). 208 Ibid., derer MO, TX, VT und AK, sowie der District of Columbia, der nach wie vor der Bundesgesetzgebung des Sherman Act unterlag, Hollander, in: Yamey, Resale Price Maintenance, 65, 69. 209 Die Befürchtung von Herstellern, dass ihre Produkte als Loss-Leader eingesetzt werden könnten, war ebenfalls weitgehend anerkannt 210 Miller-Tydings Fair Trade Act, ch. 690, Title VIII, 50 Stat. 693 (1937). 211 Old Dearborn Distributing Co. v. Seagram-Distillers Corp., 299 U.S. 183 (1936); The Pep Boys, Manny, Moe and Jack of California, Inc. v. Pyroil Sales Co., Inc., 299 U.S. 198 (1936).

C. Rechtliche Erfassung von Mindest- und Festpreisbindungen

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seln212 jedoch, hielt der Überprüfung nicht stand. Dies zeigt, dass der Supreme Court nicht bereit war, die Fair-Trade-Bewegung über den Wortlaut der Miller-Tydings-Gesetzgebung hinaus mitzutragen.213 Der Supreme Court sah in Sachen Schwegmann die Grenze zur – eindeutig kartellrechtswidrigen – horizontalen Absprache als überschritten an.214 Der Kongress reagierte sofort auf die so enge Interpretation des Miller-Tydings Act und erweitere die Autorität der Bundesstaaten 1952 durch den Erlass des McGuire Act,215 der sowohl die resale price maintenance im Interstate-Verkehr zuließ, als auch die Staatengesetzgebung zu non signer-Klauseln. Bereits in dieser Zeit bestanden große Zweifel, ob die Gesetzgebung mit der Kompetenzverteilung aus der Verfassung in Einklang zu bringen war,216 die Fronten zwischen Rechtsprechung und Gesetzgebung waren jedoch diesbezüglich verhärtet. Faktisch wurde Sec. 1 Sherman Act und Dr. Miles gesetzgeberisch in Bezug auf Markenartikel bis in die 1970er-Jahre ausgehöhlt. Über die Zeit verloren die Fair-Trade-Gesetze wieder an Popularität und wurden nach und nach widerrufen, bis der Miller-Tydings Act letztlich durch den Consumer Goods Pricing Act von 1975 ausdrücklich aufgehoben wurde und so die Zeit der einzelstaatlich legalisierten Mindestpreisbindung beendete.217 d) Supreme Court Rechtsprechung zwischen Colgate und Sylvania – Ablehnung der Preisbindungsfreiheit und Bemühung um ein kohärentes System Die Entscheidung der Staatengesetzgeber bzw. des Kongresses, Preisbindungen in nennenswertem Umfang zu schützen, war von den Gerichten hinzunehmen. Der Supreme Court behielt in den Jahren 1940 bis 1972 dennoch eine strikte Haltung gegenüber der Preisbindung unter dem Sherman Act und nutzte seinen Beurteilungsspielraum zu einer Ausdehnung von per se-Verboten auch auf andere Wettbewerbsbeschränkungen. Höhepunkt war im Jahr 212 Rechtlich problematisch ist die Ausdehnung der vertraglichen Verbindlichkeit der Preisbindung auf Dritte, die die Ware später an anderer Stelle erwerben. Die Verfechter der Fair-Trade-Bewegung bedienten sich einer Fiktion des Einverständnisses des dritten Händlers beim Erwerb der Ware, was allerdings grundsätzlich auch common law-Prinzipien (privity of contract) widerspricht. 213 Schwegmann Bros. v. Calvert Distillers Corp., 341 U.S. 384 (1951): „When they [i.e., the advocates of fair trade] seek […] to impose price fixing on persons who have not contracted or agreed to the scheme [that is not price fixing by contract […] that is price fixing by compulsion. […]“. 214 Schwegmann Bros. v. Calvert Distillers Corp., 341 U.S. 384, 388–389 (1951): „But when retailers are forced to abandon price competition, they are driven into a compact in violation of the spirit of the proviso which forbids ‘horizontal’ price fixing.“ 215 66 STAT. 632, 15 U.S.C.A. § 45 (Supp. 1952); s. m. w. N. St. John’s Law Review, 27 St. John’s L. Rev. 1953, 379, 391. 216 St. John’s Law Review, 27 St. John’s L. Rev. 1953, 379, 397. 217 Fabricius, 9 N.C. J. L. & Tech. 2007, 87, 93.

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2. Teil: Die Preisbindung der zweiten Hand – ein Rechtsvergleich

1967 die Übertragung der Dr. Miles-Doktrin auf alle nichtpreislichen vertikalen Wettbewerbsbeschränkungen in Arnold, Schwinn & Co.218 Nachdem das DoJ im instanzgerichtlichen Verfahren zunächst auch Preisbindungen gerügt hatte, war im Verfahren vor dem Supreme Court nur noch eine vereinbarte Gebietsbeschränkung zu beurteilen.219 Vielleicht auch in Kenntnis dieses gerichtlichen Vorspiels urteilte der Supreme Court hier strikt auf Linie von Dr. Miles. Der Hersteller dürfe, sofern er sich seine Eigentümerposition nicht vorbehalte, auch keinerlei ausdrückliche oder stillschweigende Beschränkungen des Verkaufsgebietes oder des Kundenkreises vornehmen.220 Noch vier Jahre zuvor hatte er in White Motor noch das Gegenteil entschieden.221 Diese Sprunghaftigkeit scheint verwunderlich, allerdings wird die Zurückberufung auf Dr. Miles in Arnold, Schwinn & Co. dadurch plausibel, dass das Gericht im Gesamtkontext ein dogmatisches Spannungsverhältnis auflöste, das Gerichte bei der Beurteilung von vertikalen Beschränkungen seit den Anfängen umtrieb: Die rechtlich unterschiedliche Behandlung von vertikalen preislichen Beschränkungen und nichtpreislichen Beschränkungen wich hinsichtlich der Rechtsfolge des nicht für alle Beschränkungen geltenden per se-Verbotes zu stark von rule of reason-Fällen ab. Allein aufgrund einer oberflächlichen ökonomischen Betrachtung ist es aufgrund der Interdependenz von Preis und Menge schwer, preisliche und nichtpreisliche Beschränkungen sauber abzugrenzen. Deshalb ließ sich auch eine strikte, rechtliche Differenzierung anhand der Kategorie der Preisbezogenheit schlecht rechtfertigen. Noch 1968 218 Unter Aufhebung von White Motor Company v. United States, 372 U.S. 253, 255 (1963), s. United States v. Arnold, Schwinn & Co., 388 U.S. 365, 377–378 (1967). 219 Im Rahmen des Instanzenzuges hatte die Regierung die anfänglich ebenfalls geltend gemachte Klage hinsichtlich angegriffener Preisbindungsvereinbarungen nach der Zurückweisung durch den District Court nicht weiterverfolgt, United States v. Arnold, Schwinn & Co., 388 U.S. 365 (1967). 220 United States v. Arnold, Schwinn & Co., 388 U.S. 365, 380, 382 (1967). 221 Gänzlich unkommentiert ignoriert der Supreme Court ein Urteil, dass er vier Jahre früher in re White Motor Company v. United States, 372 U.S. 253, 255 (1963), in Berufung auf Northern Pacific Railway Company v. United States, 356 U.S. 1, 5 (1958) zu Gebietbeschränkungen erlassen hatte. White Motor hatte seinen Händlern exklusive Gebiete zugewiesen, das Gericht hatte jedoch ein per se-Verbot noch verneint, als diese nur bei Beschränkungen angebracht seien, bei denen sich ein schädlicher Effekt für den Wettbewerb gezeigt hätte, der mangels positiver Effekte nicht aufgewogen werden könne. Solche negativen Effekte wollte der Supreme Court bei nichtpreislichen, vertikalen Beschränkungen nicht erkennen. In White Motor relativierte der Supreme Court also noch die Methodik, die das Gericht ein halbes Jahrhundert zuvor bei Dr. Miles angewandt hatte: Analogie zwischen horizontaler Beschränkung und vertikaler Beschränkung sei nicht möglich, da die Effekte in vielen Fällen unterschiedlich seien. Diese bessere Differenzierung mag im Sinne der Berücksichtigung der ökonomischen Analyse durchaus positiv zu sehen sein und deutet auf eine kurzfristige Zurückhaltung ggü. per se-Verboten hin. Jedoch stand der Gerichtshof in White Motor zum ersten Mal Gebietsbeschränkungen gegenüber, sodass hier wohl (noch) keine grundlegende Entscheidung angestrebt wurde.

C. Rechtliche Erfassung von Mindest- und Festpreisbindungen

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bestätigte der Supreme Court den per se-Ansatz in Albrecht v. Herald222 und unterstellte auch Maximalpreisbindungen dem per se-Verbot. In dieser Hochphase der per se-Verbote für alle vertikalen Vereinbarungen war vor Gericht die alles entscheidende Frage, ob überhaupt eine Vereinbarung vorlag (Colgate-Doktrin). e) Erosion von Dr. Miles: Ausweitung des Vereinbarungserfordernisses und Regelvermutung zugunsten der rule of reason? Diese strikte aber zumindest gleichmäßige Ausrichtung sollte nur 10 Jahre bis Sylvania (erneut Gebietsbeschränkungen) Bestand haben. Der Supreme Court revidierte in Sylvania seine Rechtsprechung aus Arnold, Schwinn & Co223 und brachte gleich mehrere Grundsätze in das Antitrustrecht ein: – Der Gerichtshof erkennt die ökonomische Ambivalenz von vertikalen Beschränkungen aufgrund der Ausschaltung des Intrabrand-Wettbewerbs und der potentiellen Förderung des Interbrand-Wettbewerbs an. – Der Supreme Court erklärt den Interbrand-Wettbewerb zum Hauptanliegen des Wettbewerbsschutzes, denn sobald dieser vorliege, sei darüber auch der Intrabrand-Wettbewerb hinreichend sichergestellt.224 – Hersteller- und Verbraucherinteressen würden häufig miteinander korrespondieren.225 – Beschränkungen seien vor einer unberechtigten und zu formalistischen Beurteilung zu schützen.226 – Sylvania benennt konkrete Situationen, die vertikale Beschränkungen rechtfertigen können sollen:227 darunter die Anreizwirkung für Händler, inAlbrecht v. Herald Co., 390 U.S. 145 (1968); die rechtliche Gleichbehandlung von Mindest-, Fest- und Höchstpreisbindungen bestand 20 Jahre bis zur Aufhebung in State Oil Co. v. Khan, 522 U.S. 3, 18–19, 22 (1997). 223 Interressant sind bzgl. Sylvania auch die Urteile der Instanzgerichte, District Court und Court of Appeal for the 9th Circuit, GTE Sylvania, Inc., v. Continental T.V., Inc., 537 F.2d 980 (9th Cir. 1976). Während sich ersteres exakt an die Vorgaben aus Schwinn hielt, grenzte das Berufungsgericht in Sylvania anhand der Natur der Vereinbarung, der Intensität der wettbewerblichen Auswirkungen und der kleinen Marktanteile vom Sachverhalt in Schwinn ab – im Grunde genommen ein rule of reason-Ansatz. Obwohl der Supreme Court in Sylvania eingangs proklamierte, dass der traditionelle Analysemaßstab unter Sec. 1 Sherman Act bekannt sei, zeigt sich anhand desselben Falles schon innerhalb des Instanzuges wie vage und ungeklärt die Methodik der Anwendung von rule of reason und per seIllegalität war. 224 Paradoxerweise taucht diese grundsätzliche Wertung in Sylvania lediglich in einer Fußnote auf, Continental T.V., Inc. v. GTE Sylvania, Inc., 433 U.S. 36 (1977) s. Fn. 19; anders urteilte der Supreme Court noch in United States v. Topco Assocs., Inc., 405 U.S. 596 (1972). 225 Continental T.V., Inc. v. GTE Sylvania, Inc., 433 U.S. 36, 55 (1977) 226 Gavil / Kovacic / Baker, Antitrust Law in Perspective, 367. 222

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2. Teil: Die Preisbindung der zweiten Hand – ein Rechtsvergleich

novative Produkte in ihr Sortiment aufzunehmen; die Anreizwirkung für Händler, bestehende Produkte im Handel besser zu bewerben; das Marktversagen wie im Fall des Trittbrettfahrens; Schutz der Herstellerreputation durch den Schutz der Qualität im Produktvertrieb, sowohl im Verkauf als auch bei späteren Serviceleistungen (Instandhaltung/Reparatur etc.). Unter dem Einfluss der Chicago School228 gab der Supreme Court die strikte per se-Rechtsprechung also auf. Trotzdem hütet sich der Supreme Court davor, Dr. Miles hinsichtlich der Preisbindung (und anderer vertikaler Beschränkungen) anzutasten.229 Dadurch wird erneut das kritische Spannungsverhältnis zwischen den verschiedenen Rechtsfolgen von vertikalen preislichen und nichtpreislichen (Gebiets-) Beschränkungen geschaffen.230 Gerichte waren fortan gezwungen, wieder mit der unliebsamen Kategorisierung von vertikalen preislichen Beschränkungen zu operieren: Kam es vor Sylvania darauf an, eine Vereinbarung nachzuweisen, war es nun wieder notwendig, eine Vereinbarung nachzuweisen, die (auch) Preise betrifft. Ab Sylvania stand die Dr. Miles-Doktrin wieder unmittelbar im Fokus. In den 1980erJahren geriet sie zunehmend unter Druck. Zwar zögert der Supreme Court in zwei weiteren Entscheidungen Dr. Miles zu widerrufen, er schob aber die Pole, die den Anwendungsbereich von Dr. Miles bestimmten, in Monsanto231 (1984) und Business Electronics232 (1988) weiter zusammen.233 Zum einen wurde die Abgrenzung zwischen unilateralen Verhalten und der Vereinbarung (Colgate-Doktrin) weiter fortgeführt; zum anderen auch die Anforderungen an die prozessuale Beweislast erhöht, indem die Regelvermutung für die rule of reason-Beurteilung ausgeweitet wurde (Sylvania). In Monsanto stellte sich die Frage, ob ein vom Vertrieb ausgeschlossener Discounthändler eine Preisbindungsvereinbarung indirekt dadurch nachweisen kann, dass sein Lieferant die Vertriebsbeziehung auf Drängen anderer Händler hin beendete, die sich über den Discounter beschwert hatten. Obwohl Nicht abschließend, hier nur die für die Preisbindung relevanten Punkte aufgezählt Der Einfluss von Richard Posner auf die Mehrheitsentscheidung ist überwältigend, fünfmal beruft sich das Urteil auf einen seiner Artikel. 229 Der Supreme Court weißt darauf hin, dass seine Berufung der rule of reason als Standard, die per se-Illegalität für einzelne Beschränkungen unangetastet lässt, zit. Northern Pacific Railway Company v. United States, 356 U.S. 1, 5 (1958) s. Continental TV, Inc. v. GTE Sylvania, Inc., 433 U.S. 36, 50 (1977). 230 Im Sondervotum zu Sylvania sagte Justice White bereits voraus, dass diese Spannung langfristig auf Dr. Miles ausstrahlen würde, Continental T.V., Inc. v. GTE Sylvania, Inc., 433 U.S. 36, 69, 70 (1977); Gavil / Kovacic / Baker, Antitrust Law in Perspective, 367, 368. 231 Monsanto Co. v. Spray-Rite Service Corp., 465 U.S. 752 (1984); ausf. zu dogmatischen Problemen nach Monsanto Calvani / Berg, 33 Duke L. J. 1984, 1163 ff. 232 Business Electronics Corp. v. Sharp Electronics Corp., 485 U.S. 717 (1988). 233 Kelly, 28 N. Ill. U. L. Rev., 593 ff., 608. 227 228

C. Rechtliche Erfassung von Mindest- und Festpreisbindungen

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der Supreme Court dem Kläger in der Sache Recht gab, erhöhte er die Beweislast für zukünftige Kläger, indem er feststellte, dass mehr als nur Beschwerden anderer Händler vorgelegen haben müssen. Es sei vielmehr der Beweis notwendig, dass ein unabhängiges Handeln von Lieferant und nicht ausgeschlossenen Händlern unwahrscheinlich ist.234 Colgate war damit seit Monsanto zu einer Art „Selbständigkeitsfiktion“ aufgestiegen.235 Zudem schaffte der Supreme Court mit der Entscheidung in Business Electronics den Konflikt von Colgate und Sylvania mit Dr. Miles auf praktischem Wege beiseite, indem er die Anforderungen an die Beweislast erhöhte. Sogar beim Vorliegen einer expliziten Vereinbarung zwischen Hersteller und Händler, sollte keine Verletzung von Sec. 1 Sherman Act vorliegen, solange kein spezifischer Verkaufspreis vereinbart worden war.236 Beschwerden von konkurrierenden Händlern gefolgt von der Beendigung des Vertriebsverhältnisses durch den Lieferanten seien für sich (d. h. in Abwesenheit einer Preisbindungsvereinbarung des Lieferanten mit den verbleibenden Händlern) nicht für die Annahme einer vertikalen Preisbindung ausreichend. Zusätzlich – und hier geht Business Electronics über Monsanto hinaus – bestünde jedoch eine Regelvermutung für die rule of reason-Bewertung, die nur widerlegt sei, wenn es dem Kläger gelinge darzulegen, dass eine solch „nackte“ Vereinbarung zwischen Lieferant und Händler über den generellen Ausschluss von „Preisbrechern“ fast überwiegend einen ökonomisch nachteiligen Effekt habe – sprich: den Wettbewerb beschränke oder den Output verringere.237 In Verbindung mit der praktischen Unmöglichkeit der Konstatierung einer Vereinbarung an sich unter Colgate und Monsanto, war es für Kläger seither fast unmöglich, eine Vereinbarung über Mindestpreise nachzuweisen.238 In den 1980er-Jahren schwand der Rückhalt gegenüber Dr. Miles im Supreme Court deutlich. Doch anstatt Dr. Miles zu widerrufen, verlegte man sich darauf, den Anwendungsbereich der Doktrin zu beschneiden. Das mag daran gelegen haben, dass einerseits Parteivorträge die Entscheidung über Dr. Miles nicht hinreichend erzwangen und – wichtiger – die Stimmung im Kongress ein Kippen der per se-Illegalität von RPM andererseits ohnehin nicht zugelassen hätte.239 Die letzte Hürde vor der Neubeurteilung der Illegalität von Mindestpreisbindungen fiel erst 30 Jahre später, als der Supreme Court 1997 in Sachen Monsanto Co. v. Spray-Rite Service Corp., 465 U.S. 764 (1984). „Colgate’s fiction of ‘no agreement’“, Gavil / Kovacic / Baker, Antitrust Law in Perspective, 372. 236 Business Electronics Corp. v. Sharp Electronics Corp., 485 U.S. 717 (1988). 237 Business Electronics Corp. v. Sharp Electronics Corp., 485 U.S. 717, 726–728 (1988); aus Business Elctronics wird die sog. conspiracy doctrine abgeleitet (Voraussetzung ist eine Zusicherung mit Verhandlungscharakter, die sog. plus factors), Gavil /  Kovacic / Baker, Antitrust Law in Perspective, 335. 238 Gavil / Kovacic / Baker, Antitrust Law in Perspective, 373. 239 Gavil / Kovacic / Baker, Antitrust Law in Perspective, 374. 234 235

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2. Teil: Die Preisbindung der zweiten Hand – ein Rechtsvergleich

State Oil v. Khan (Khan)240 erstmals vertikale Höchstpreisbindungen von Dr. Miles ausnahm.241 Seither werden auch Maximalpreisbindungen nach der rule of reason beurteilt. Die langfristige Abkehr vom per se-Verbot äußerte sich in einer kontinuierlichen Verengung des Anwendungsbereichs von per se-Verboten und der gleichzeitigen Erhöhung der Beweislasterfordernisse für per se-Verstöße. Insofern war das per se-Verbot für Preisbindungen eher noch formell existent. Weniger lag dies jedoch an einer Andersbewertung der Schädlichkeit vertikaler Beschränkungen als an der unglücklichen Rolle des per seVerbotes zuvor: In Anbetracht der unstrukturierten, schlecht handhabbaren rule of reason waren per se-Verbote über Gebühr für die Beurteilung von verschiedenen Beschränkungen herangezogen worden und bereiteten zunehmend Probleme, weshalb ihre Aufgabe für die meisten Beschränkungen absehbar war. Aufgehalten wurde der Prozess nur durch den Mangel eines Beurteilungskontinuums, auf den Gerichte ansonsten hätten zurückgreifen wollen. Aufgrund der zentralen Wertungsfragen in Hinblick auf die vertikale Preisbindung überrascht es aber nicht, dass sich die nächste ernsthafte Reform des Beurteilungsmaßstabes erneut an einem Fall zur Preisbindung entzünden sollte. f) Das Leegin-Urteil: radikaler Umschwung in der Beurteilung von RPM oder konsequente Fortführung eines Rechtsprechungsprozesses? In Anbetracht der lange fortschreitenden Erosion von Dr. Miles ist es erstaunlich, dass das per se-Verbot der resale price maintenance den Supreme Court bis 2007 nicht wieder beschäftigen sollte. Noch überraschender dürfte jedoch das Votum sein, das angesichts der absehbaren Verwerfung von Dr. Miles erging: Eine nur knappe Mehrheit von 5 zu 4 Stimmen unterstellte RPM als letzte vertikale Wettbewerbsbeschränkung in Sachen Leegin Creative Leather Products v. PSKS (Leegin) der rule of reason-Beurteilung.242 Leegin, ein erfolgreicher Designer und Hersteller von Lederwaren und Accessoires, vertrieb bzw. vertreibt243 seit den 1980ern seine Waren hauptsächlich über unabhängige kleine Boutiquen und spezielle Fachhändler. Um ein exklusives Einkaufserlebnis außerhalb großer Einkaufsketten zu gewährleisten, führte Leegin ab 1997 eine Geschäftspolitik ein, die den Händlern die Einhaltung von Mindestpreisen beim Weiterverkauf auferlegte und Händler, die sich nicht an empfohlene Preise hielten, von der Belieferung ausschloss. Unter Aufhebung von Kiefer-Stewart Co. v. Joseph E. Seagram & Sons, Inc., 340 U.S. 211 (1951) und Albrecht v. Herald Co., 390 U.S. 145, 152–153 (1968) s. State Oil Co. v. Khan, 522 U.S. 3 (1997). 241 Albrecht v. Herald Co., 390 U.S. 145, 152–153 (1968). 242 Leegin Creative Leather Products, Inc. v. PSKS, Inc., 551 U.S. 877 (2007). 243 . 240

C. Rechtliche Erfassung von Mindest- und Festpreisbindungen

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Ein unter dem Namen Kay’s Kloset firmierender Händler für Damenbekleidung in Lewisville, Texas, vertrieb die streitgegenständliche Produktlinie Brighton unter erheblichem Investitionsaufwand aber mit einigem Erfolg und machte damit fast die Hälfte des Umsatzes des Eigners PSKS, Inc. aus. Die Beziehung zwischen Leegin und PSKS erstreckte sich über einige Jahre bis Leegin im Jahre 2002 feststellte, dass sich PSKS nicht an die Brighton Suggested Pricing Policy gehalten hatte244 und – nach einigen fruchtlosen Beschwerden – den Verkauf und die Belieferung an PSKS einstellte. Dieser reichte 2004 eine Sec. 1 Sherman Act-Schadensersatzklage beim zuständigen District Court for the Eastern District of Texas ein. PSKS rügte den Belieferungsstopp als Resultat einer illegalen resale price maintenance-Geschäftspraktik zwischen Leegin und dessen Einzelhändlern. Zwar hatte Leegin bereits hier um eine Berücksichtigung wettbewerbsfördernder Effekte dieser Geschäftspolitik ersucht, aber der District Court schloss jedwede Rechtfertigung mit Verweis auf die Dr. Miles-Doktrin kategorisch aus. Die Jury befand, dass es sich nicht um eine nur einseitige Handlung i. S. v. Colgate handelte und sprach PSKS – 2006 instanzgerichtlich bestätigt – einen Schadensersatz i. H. v. 1,2 Mio. USD zu.245 Vor dem Supreme Court bestritt Leegin nicht mehr die Vereinbarung (Colgate), sondern berief sich von zahlreichen Eingaben Dritter begleitet auf die ökonomischen Vorteile von RPM-Vereinbarungen.246 Der Supreme Court folgte dieser Argumentation und stellte fest, dass per se-Verbote nur angemessen und solchen Vereinbarungen vorbehalten sind, die nach einer rule of reason-Betrachtung immer oder fast immer wettbewerbsschädlich sind.247 Die moderne ökonomische Analyse habe ergeben, dass die vertikale Mindestpreisbindung einige wettbewerbsfördernde Effekte aufweisen könne und deswegen eine per se-Illegalität nicht weiter adäquat sei. Im Urteil folgt eine ausgiebig kritische Auseinandersetzung mit Dr. Miles als Präjudiz. Der Supreme Court findet deutliche Worte und rügt den einstmals formalistischen Zugang in Dr. Miles. Diesem Ansatz stehe die Zielvor244 245

2006).

Kay’s Kloset hatte Leegin-Artikel unbestritten ca. 20 Prozent günstiger vertrieben. PSKS, Inc. v. Leegin Creative Leather Products, Inc., 171 Fed.Appx. 464 (5th Cir.

246 Auf beiden Seiten des Meinungsgefälles, aber siehe insbesondere Pamela Jones Harbour, An Open Letter to the Supreme Court of the United States from Commissioner Pamela Jones Harbour, The Illegality of Vertical Minimum Price Fixing (26.2.2007) und – ohne Unterstützung einer Partei – für eine widerlegliche per se-Vermutung der Illegalität bei händlergetriebener und rule of reason-Beurteilung bei herstellergetriebener RPM Wiliam Brief for William Comanor and Frederic M. Scherer as Amici Curiae, Leegin Creative Leather Products, Inc. v. PSKS, Inc., 127 S Ct. 2705 (2007), 2007 WL 173679. 247 Leegin Creative Leather Products, Inc. v. PSKS, Inc., 551 U.S. 877, 886 (2007), unter Berufung auf Business Electronics Corp. v. Sharp Electronics Corp., 485 U.S. 717, 723 (1988).

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2. Teil: Die Preisbindung der zweiten Hand – ein Rechtsvergleich

gabe der modernen Antitrustdoktrin basierend auf nachweisbaren ökonomischen Auswirkungen gegenüber, wie sie seit Sylvania die Grundausrichtung des Antitrustrechts bestimme.248 aa) Ökonomische Rechtfertigung von RPM nach Leegin Die in Leegin aufgegriffenen ökonomischen Argumente zur Rechtfertigung von RPM sind: – RPM zur Ausschaltung des Trittbrettfahrens hinsichtlich Services,249 die den Interbrand-Wettbewerb fördern können, – RPM für Händleranreize für die Einführung innovativer Produkte.250 – RPM als Mittel zur Förderung von Serviceleistungen im Handel abseits des Marktversagens durch Trittbrettfahren.251 Das Urteil führt dann enumerativ die anti-kompetitiven, kollusiven Hintergründe von RPM auf, darunter die Möglichkeit der Etablierung und Stabilisierung eines Hersteller- bzw. Händlerkartells,252 sowie die Konstellation der Hub & Spoke-Kartelle, bei denen jedoch klargestellt wird, dass diese, weil originär horizontal begründet, nach wie vor eine per se-Illegalität begründen,253 Das Urteil betont zuletzt, dass RPM bei Mangel an InterbrandWettbewerb durchaus auch unter der rule of reason-Bewertung als unreasonable restraint gewertet werden kann.254 In Erwägung unterschiedlicher ökonomischer RPM-Szenarien sei das juristische Kriterium, dass für per se-Verbote negative Auswirkungen immer oder fast immer gegeben sein müssten, also nicht erfüllt. Den administrativen Effizienzeinwand, dass eine per se-Illegalität geringere Compliance-Kosten verursache, wies der Supreme Court im Ergebnis aber zurück. Rule of reason248 Leegin liest sich hier als Fortführung von Sylvania, erneut nennt Leegin den Interbrand-Wettbewerb als primäres Anliegen des Antitrustrechts und verweist auf ökonomische Effekte im Einzelfall: „The court in Dr. Miles relied on a treatise published in 1628, but failed to discuss in detail the business reasons that would motivate a manufacturer situated in 1911 to make use of vertical price restraints.“, Leegin Creative Leather Products, Inc. v. PSKS, Inc., 551 U.S. 877, 888 (2007). 249 Leegin Creative Leather Products, Inc. v. PSKS, Inc., 551 U.S. 877, 891 (2007), zit. Posner, Antitrust Law 172–173 (2nd Ed. 2001); Marvel / McCafferty, 15 RAND J. Econ. 1984, 346 ff., 347–349. 250 Mit Verweis auf Continental TV, Inc. v. GTE Sylvania, Inc., 433 U.S. 36, 55 (1977) und Marvel / McCafferty, 15 RAND J. Econ. 1984, 346 ff., 349, s. Leegin Creative Leather Products, Inc. v. PSKS, Inc., 551 U.S. 877, 892 (2007). 251 Leegin Creative Leather Products, Inc. v. PSKS, Inc., 551 U.S. 877, 892 (2007) m. V. a. Mathewson / Winter, 13 Rev. Ind. Organ. 1998, 74, 75; Klein / Murphy, 31 J. L. & Econ. 1988, 265 ff.; Deneckere / Marvel / Peck, 111 Q. J. Econ. 1996–1997, 885, 911. 252 Leegin Creative Leather Products, Inc. v. PSKS, Inc., 551 U.S. 877, 893 (2007). 253 Leegin Creative Leather Products, Inc. v. PSKS, Inc., 551 U.S. 877, 893 (2007). 254 Leegin Creative Leather Products, Inc. v. PSKS, Inc., 551 U.S. 877, 893 f. (2007).

C. Rechtliche Erfassung von Mindest- und Festpreisbindungen

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bedingte Administrationskosten würden wahrscheinlich geringer ausfallen, als die Wohlfahrtsverluste ökonomisch vorteilhafter, aber unterbliebener Preisbindungen. Das entsprach 2007 noch der herrschenden Meinung unter Ökonomen. Im Urteil muss diese Aussage allerdings als spekulativ und politisch motiviert bewertet werden, weil Leegin sich diesbezüglich ohne empirische Erkenntnisse auf eine bereits 23 Jahre alte Veröffentlichung beruft.255 Berechtigt ist die Feststellung, dass allein ein gewisser Mehraufwand die rechtlich differenzierte Beurteilung nicht disqualifiziert; nach den empirischen Erkenntnissen der letzten Jahre ist jedoch eher davon auszugehen, dass eine sehr restriktive Handhabung von RPM effizienter ist, als eine volle rule of reason-Bewertung.256 Der Klägereinwand des durch RPM wahrscheinlich erhöhten Preisniveaus wird in Leegin recht allgemein verworfen, ohne auf die etwaige (erweisliche) Kompensation von Wohlfahrtsverlusten durch Preissteigerungen einzugehen. Stattdessen wird aufgrund der Ratio aus Sylvania angeführt, dass Herstellerund Kundeninteressen häufig gleichliefen, weshalb höhere Preise durch den Hersteller nur toleriert würden, solange sie ökonomisch sinnvoll, weil gerechtfertigt seien.257 Diese Grundannahme beruht auf den zentralen ChicagoThesen, musste aber im Verlauf dieser Arbeit eher als unzutreffend eingestuft werden.258 Bei Preisbindungen ist vielmehr davon auszugehen, dass Hersteller häufig Fehleinschätzungen darüber erliegen, was für sie tatsächlich vorteilhaft ist. Dementsprechend greift nur der Dissent von Justice Breyer die generell wettbewerbsdämpfenden Eigenschaften der Preisbindung jenseits von Kollusion in konzentrierten Branchen und die historischen Erfahrungen während der Fair-Trade-Ära auf.259 Das Sondervotum verhält sich auch zum Thema Trittbrettfahren eher wie die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung. Abgesehen von der Schädlichkeit sei es auch weder notwendig noch gesetzlich intendiert, alle möglichen Fälle natürlichen Trittbrettfahrens zu verhindern. Wichtige Kritik erfolgt auch in Hinblick auf die Ökonomiehörigkeit, die in Bezug auf den Einfluss der Chicago School im Raum steht260 sowie die

255 Mit Verweis auf Easterbrook, 53 Antitrust L. J. 1984, 135, 158, Leegin Creative Leather Products, Inc. v. PSKS, Inc., 551 U.S. 877, 895 (2007). 256 1. Teil C.V. 257 Mit Verweis auf Sylvania, Leegin Creative Leather Products, Inc. v. PSKS, Inc., 551 U.S. 877, 896 (2007). 258 1. Teil G.III, 126. 259 Leegin Creative Leather Products, Inc. v. PSKS, Inc., 551 U.S. 877, 911, 913–914, (2007) (Breyer, J. dissenting). 260 Leegin Creative Leather Products, Inc. v. PSKS, Inc., 551 U.S. 877, 914–915 (2007) (Breyer, J. dissenting).

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2. Teil: Die Preisbindung der zweiten Hand – ein Rechtsvergleich

drohende Komplexität und Kostspieligkeit von rule of reason-Verfahren in Anbetracht des Aufwandes für Richter und Jurys.261 bb) Rechtliche Umsetzung der rule of reason-Beurteilung nach Leegin Auch in rechtlicher Hinsicht bleibt das Mehrheitsvotum erstaunlich knapp und vage in der Definition, wie die Gerichte in Zukunft die rule of reason auf Preisbindungsvereinbarungen anwenden sollen. Im Rahmen der rule of reason-Bewertung seien drei Kriterien von Bedeutung: – Die Anzahl der Hersteller, die RPM im Markt anwenden: Solange die Praxis von wenigen Herstellern betrieben werde, sei ein Herstellerkartell sehr unwahrscheinlich. Diese Annahme ist nicht falsch, allerdings folgert das Urteil weiterhin, dass auch ein Händlerkartell sehr unwahrscheinlich sei, wenn es nur einen Hersteller gebe, der Preisbindungen benutzt, wenn und insoweit auf dem Markt ein Interbrand-Wettbewerb bestehe.262 – Die Quelle der Preisbindung: Preisbindungen seien unbedenklich, solange sie durch den Hersteller intendiert seien; andererseits spreche eine händlerinduzierte Preisbindung eher für eine Kartellierungsmotivation. – Marktmacht: Ein Missbrauch von Preisbindungsvereinbarungen sei solange kein ernstzunehmendes Risiko, wie der betreffende Hersteller oder Händler keine ausreichende Marktmacht habe.263 Die drei Kriterien sind in der Preisbindungsdiskussion keine unbekannten. Nach heutigem Kenntnisstand sind sie aber als oberflächlich und vor allem als wenig hilfreich im Einzelfall zu bezeichnen. Zum Inhaltlichen kann auf die Besprechung in Teil 1 dieser Arbeit verwiesen werden. In rechtspraktischer Hinsicht macht das Leegin-Urteil leider keine Aussagen dazu, wie die Implementierung der Kriterien in den gerichtlichen Prozess vonstatten gehen soll, noch wie sich die Kriterien zueinander verhalten sollen. Das Mehrheitsvotum vermerkt dazu lapidar, dass eine Partei, die den Schaden aufgrund RPM behauptet, auch die Informationen und Mittel haben wird, die Existenz der Vereinbarung und ihren Anwendungsbereich zu beweisen.264 Diese Darstellung ignoriert die Colgate-Doktrin, die es Klägern erschwert, überhaupt eine entsprechende Vereinbarung nachzuweisen, sowie die allgemein hohen Anforderungen an ein antitrust standing. Irritierend ist Leegin außerdem, 261 Leegin Creative Leather Products, Inc. v. PSKS, Inc., 551 U.S. 877, 917 (2007) (Breyer, J. dissenting). 262 Mit Verweis auf Bork und Posner s. Leegin Creative Leather Products, Inc. v. PSKS, Inc., 551 U.S. 877, 897 (2007). 263 Auch hier ist die Formulierung wesentlich davon beeinflusst, dass auf die Selbstregulation auf den Markt vertraut wird, Leegin Creative Leather Products, Inc. v. PSKS, Inc., 551 U.S. 877, 898 (2007). 264 Leegin Creative Leather Products, Inc. v. PSKS, Inc., 551 U.S. 877, 898 (2007).

C. Rechtliche Erfassung von Mindest- und Festpreisbindungen

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soweit darauf abgestellt wird, dass Gerichte mit wachsender Erfahrung bei der Anwendung der rule of reason in Bezug auf RPM eine entsprechende Verfahrensstruktur aufbauen und den Unternehmen damit eine Orientierung geben könnten. Insbesondere genannt werden hier Beweis- und Vermutungsregeln, um die rule of reason-Bewertung als ein wirksames und faires Mittel auszugestalten.265 Die Aussagen zur rule of reason-Anwendung im Mehrheitsvotum sind damit widersprüchlich. Wenn der Bewertungsmaßstab etabliert und bekannt sei, warum wird dann die konkrete Ausgestaltung den Gerichten überlassen? Wie sollen Gerichte eine strukturierte rule of reason ohne Erfahrung entwickeln? Das Urteil selbst geht darauf nur unzureichend ein, stattdessen widmet es sich ausführlich dem dem anglo-amerikanischen Spruchsystem inhärenten Faktum der stare decisis, also der Bindungswirkung von Präjudizien.266 Breyer hatte im Dissent vor allem i. S. e. unbelasteten Methodik und mit dem Verweis auf stare decisis eine Regel der vermuteten Illegalität vorgeschlagen.267 Die üblichen Kriterien für eine Rechtsprechungsänderung seien seiner Ansicht nach nicht gegeben. Mit guten Argumenten schlug Breyer deshalb die Entwicklung einer neuen Kategorie für die Beurteilung von RPM-Vereinbarungen vor, anstatt eine fast 100 Jahre lang angewandte, bereits terminologisch vorbelastete Dr. Miles-Rechtsprechung bloß abzuändern. cc) Interpretation In rechtsvergleichender Hinsicht verdeutlichen die umfassenden Äußerungen der Mehrheit- und der Minderheitsvoten zur stare decisis und die knappen Äußerungen zur zukünftigen RPM-Beurteilung vor allem eines: Das LeeginUrteil ist weniger eine Liberalisierung von RPM als eine grundsätzliche Einführung eines anderen Beurteilungsstandards, nachdem der per se-Maßstab innerhalb des rule of reason-Regimes lange Zeit große Probleme verursacht hatte. In Fortführung der in Sylvania eingeführten Prinzipien entscheidet sich das Mehrheitsvotum in Leegin also nicht nur dazu, RPM einem neuen Regime zuzuführen. 268 Darüber hinaus setzt es mit der Verwerfung von Leegin Creative Leather Products, Inc. v. PSKS, Inc., 551 U.S. 877, 898 f. (2007). Ein starkes Argument des Minderheitsvotums gegen Leegin ist methodologischer Natur. Im common law entfalten mit der doctrine of precedent auch Fehlurteile Bindungwirkung. Auch deshalb wird die Kritik an Dr. Miles im Leegin-Mehrheitsvotum so umfassend ausgeführt. 267 Pitofsky, 71 Geo. L. J. 1983, 1487 ff. insofern nicht unähnlich der europäischen Kernbeschränkung, Leegin Creative Leather Products, Inc. v. PSKS, Inc., 551 U.S. 877, 917 f. (2007). 268 Ökonomische Effekte in Sylvania: 1.) Anreizwirkung für Händler, innovative Produkte in ihr Sortiment aufzunehmen, 2) die Anreizwirkung für Händler, Produkte im Handel besser zu bewerben, 3.) Marktversagen wie im Fall des Trittbrettfahrens 4.) Schutz der Herstellerreputation durch Schutz von Qualität im Produkthandling, sowohl im Verkauf als 265 266

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2. Teil: Die Preisbindung der zweiten Hand – ein Rechtsvergleich

Dr. Miles Präjudizien der vergangenen 100 Jahre außer Kraft. Entscheidungen aus der per se-Ära von RPM, die die Sec. 1-Dogmatik maßgeblich mitgestalteten, indem sie die per se-Beurteilung aufweichten und gleichzeitig rule of reason-Maßstab weiterentwickelten, stehen nach Leegin in einem geänderten Umfeld – nicht zusammenhangslos, aber unangeknüpft. Leegin ist damit keineswegs das Ende einer kohärenten Entwicklung. Das Urteil stellt einen Ausgangspunkt für eine Kurskorrektur in der Sec. 1 Sherman Act-Interpretation im Sinne einer Reform der rule of reason-Beurteilung zu einem einheitlichen und umfassenden Bewertungsmaßstab dar. Von diesem Standpunkt aus ist der Rechtsprechungswechsel tatsächlich bedeutend. Da Dr. Miles aber bereits lange vor Leegin relativiert war, ist die Entscheidung in Bezug auf die RPM-Beurteilung überbewertet. Schon lange herrschte ein Konsens über die Unangemessenheit von starren per se-Verboten. Die hauptsächlich mit der Chicago School assoziierte Konsequenz einer per se-Legalität lehnte der Supreme Court aber zugunsten einer moderaten, aber kritischen rule of reasonBewertung ab.269 Die Mehrheitsentscheidung in Leegin überzeugt vor allem aus einem Grund, den sie selbst gar nicht anführt und deshalb leicht übersehen wird. Die allerorten besprochene Gleichbehandlung von vertikalen Preisvereinbarungen mit nichtpreislichen Beschränkungen und Höchstpreisbindungen, die bereits der rule of reason unterstellt waren, kann man – mit guten Gründen wie die Minderheit in Leegin – als nicht zwingend ansehen. Die größte dogmatische Ungereimtheit, die eine Beibehaltung der per se-Regel gebracht hätte, wäre die Ungleichbehandlung mit horizontalen Preisvereinbarungen gewesen. Selbst diese können unter Umständen gerechtfertigt werden; RPM muss als vertikale Vereinbarung daher erst recht diesem Beurteilungsregime unterfallen. Auch wenn RPM problematischer als andere Vertikalvereinbarungen sein kann, so ist sie unzweifelhaft weit weniger schädlich als horizontales price fixing.270 Die Mehrheitsentscheidung in Leegin hat die Gelegenheit verpasst, die Kritik des Sondervotums vollends auszuräumen. So unglücklich das Mehrheitsvotum teilweise argumentiert, so richtig ist es im Ergebnis. Gelesen werden muss es jedoch als moderate Harvard School-Kritik an Dr. Miles, die für eine neue, keineswegs laxe rule of reason in Bezug auf RPM optiert.271 auch bei späteren Serviceleistungen (Instandhaltung / Reparatur etc.). 5.) Zudem erstmals der Verweis auf häufig korrespondierende Hersteller- und Verbraucherinteressen. 269 Elhauge, 3 CPI 2007 (2), 58, 60. 270 Siehe oben 2. Teil C.I.1.d), 163; Broadcast Music, Inc. v. Columbia Broadcasting System (BMI), 441 U.S. 1 (1979); Arizona v. Maricopa County Med. Soc’y, 457 U.S. 332, 351 (1982); NCAA v. Board of Regents of the University of Oklahoma, 468 U.S. 85 (1984); so interpretiert auch Elhauge, 3 CPI 2007 (2), 58, 62–63. 271 Darüber hinaus wird die Leegin-Mehrheitsentscheidung in Zusammenschau mit Credit Suisse v. Billing, 551 U.S. 264 (2007); Bell Atlantic Corp. v. Twombly, 550 U.S. 544 (2007) und Weyerhaeuser Company v. Ross-Simmons Hardwood Lumber Company,

C. Rechtliche Erfassung von Mindest- und Festpreisbindungen

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Festzuhalten bleiben offene Fragen zu RPM: Wie sollen Gerichte post Leegin RPM-Vereinbarungen beurteilen? Ausgehend von anderen rule of reason-Fällen wurden zwar bis 2007 zahlreiche strukturierte Ansätze erarbeitet, allesamt sind solche Ansätze aber unbestimmt geblieben und hatten der rule of reason an sich lediglich amorphe Gestalt verliehen.272 Leegin stellt eine Beurteilung im Sinne einer truncated rule of reason in Aussicht, macht aber keine Angaben zur konkreten Ausgestaltung.273 Nicht geklärt blieb die chronische Inkonsistenz274 der Interpretation von Sec. 1 Sherman Act im Wege der reasonableness. Als Abwendung des Antitrustrechts von per se-Regeln hin zu einem umfassenderen, konsistenteren Beurteilungskontinuum innerhalb der rule of reason ist das Leegin-Urteil überfällig gewesen. 275 Dass es in Bezug auf die Beurteilung von RPMVereinbarungen nach den hier vorliegenden Ergebnissen nicht mehr als ein ja … aber darstellt, wird aber auch durch die Entwicklung post Leegin sichtbar. Genau wie die per se-Rechtsprechung sich historisch anhand von RPM in Dr. Miles entwickelte wurde, orientiert sich die weitere Ausgestaltung des rule of reason-Beurteilungsrahmens in der Folge entscheidend an der RPMBeurteilung in Leegin. 3. Die Preisbindung post Leegin: rule of reason revisited? Bei einer oberflächlichen Betrachtung des Leegin-Urteils drängt sich Feststellung eines Entwicklungsauftrages der rule of reason angesichts der im Fall maßgeblichen vertikalen preislichen Vereinbarungen nicht sofort auf. Leegin stellt weniger ein abschließendes Urteil über die rechtliche Behandlung von RPM dar, als eine Grundentscheidung für ein noch zu entwickelndes Beurteilungskontinuum für vertikale Vereinbarungen.276 Seit den 1970er-Jahren hatte der Supreme Court bei schwindendem Rückhalt für die per se-Illegalität die Hürden für private Kläger schrittweise erhöht. Präjudizien wie Dr. Miles, Colgate, Sylvania, aber auch andere Urteile beeinflussten schon vor Leegin die RPM-Beurteilung. Zudem hatte der Supreme Court unmittelbar vor 549 U.S. 312 (2007) u. a. als konsequente Zuwendung zu Harvard School-Prinzipien interpretiert, Elhauge, 3 CPI 2007 (2), 58, 77. 272 Zum Beispeil Califonia Dental: „an enquiry, meet for the case, looking to the circumstances, details and logic of restraints“, California Dental Association v. FTC, 526 U.S. 756, 781 (1999). 273 Leegin Creative Leather Products, Inc. v. PSKS, Inc., 551 U.S. 877, 898 f. (2007). 274 Bereits Calvani / Berg, 33 Duke L. J. 1984, 1163 ff. 275 Für eine abstrakte Betrachtung der Vor- und Nachteile von Regeln gegenüber Beurteilungsstandards wie der rule of reason im anglo-amerikanischen Recht, s. nur Crane, 64 Wash. & Lee L. Rev. 2007, 49 ff. 276 Das 55 Antitrust Bull. 2010 widmete dem Thema RPM zwei Spezialausgaben, s. Gundlach, 55 Antitrust Bull. 2010, 1 ff., 19 (abstracts).

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2. Teil: Die Preisbindung der zweiten Hand – ein Rechtsvergleich

Leegin in Twombly 277 die Voraussetzungen für Klagen in prozessualer Hinsicht erhöht.278 Deshalb wurde für den Fall einer rule of reason-Beurteilung von RPM eine de facto per se-Legalität von RPM gefürchtet. Die unmittelbaren Reaktionen auf das Leegin-Urteil hätten nicht heterogener ausfallen können. Auf der einen Seite wurde ein Vollzugsdefizit (underenforcement) vertikaler Preisvereinbarungen und das Ende des Niedrigpreiseinzelhandels befürchtet. Daneben bestand breite Zustimmung für ein längst überfälliges Urteil.279 Die Fortführung der bereits im Vorfeld der Entscheidung erhitzten Diskussion war anhand der großen Beteiligung im Verfahren bereits abzusehen: im Verfahren selbst gab es eine große Anzahl an Stellungnahmen (amicus curiae briefs). Offizielle aus den Bundesstaaten hatten sich öffentlich gegen den rule of reason-Maßstab für RPM ausgesprochen. Die Justizminister von 33 Bundesstaaten formulierten im Verlauf des Leegin-Verfahrens die dringende Bitte der Beibehaltung der per se rule. Das mag der Hauptgrund dafür sein, dass post Leegin eine Welle von RPM-Verfahren in den Bundesstaaten erwartet wurde. Gleichwohl wurde durch das Ineinandergreifen von Rechtsunsicherheit und hohem prozessualen Einstiegslevel bis 2011 vermutet, dass die rule of reason-Bewertung im Hinblick auf Preisbindungen den Effekt einer faktischen per se-Legalität herbeiführen würde, so wie sie auch nach Sylvania für vertikale, nichtpreisbezogene Wettbewerbsbeschränkungen praktisch entstanden war.280 Tatsächlich war das Leegin Urteil eine deutliche Zäsur, jedoch in anderer Hinsicht als erwartet: Die Welle von Verfahren um Preisbindungen blieb aus. Im Nachgang der Entscheidung ebbte die Aufregung auch unter vielen bundesstaatlichen Gesetzeshütern ab und weitaus weniger Staaten positionierten sich post Leegin klar gegen die Bundesrechtsprechung oder strengten Verfahren in Bezug auf RPM an. Das lässt sich teilweise auf die unterschiedlich dazu berechtigenden Staatenverfassungen zurückführen, schafft jedoch ein sehr unübersichtliches Bild in Hinblick darauf, wie Staaten RPM voraussichtlich beurteilen. Auf nationaler Ebene zeichnen die im Folgenden dargestellten Reaktionen auf Leegin ebenfalls ein differenziertes Stimmungsbild. 277 Bell Atlantic Corp. v. Twombly, 550 U.S. 544 (2007); Gundlach, 55 Antitrust Bull. 2010, 7. 278 Bell Atlantic Corp. v. Twombly, 550 U.S. 544 (2007); Lao, in: Drexl, More common ground for international Competition Law?, 59, 65. 279 „With all due respect to the institution of the Supreme Court, did the Justices ever consider the fact that overturning Dr. Miles could drive half the retail industry out of business […]?“, Note, 121 Harv. L. Rev. 2007, 1600 ff.; andere Lesart siehe oben; „If anything was a topic of consensus among the Harvard and the Chicago Schools, it was the proposition that the Dr. Miles rule of per se illegality was misguided.“, Elhauge, 3 CPI 2007 (2), 58, 60. 280 Lao, in: Drexl, More common ground for international Competition Law?, 59, 65; Gundlach, 55 Antitrust Bull. 2010, 7; McGuire, 45 Loy. L. A. L. Rev. 2011, 1294.

C. Rechtliche Erfassung von Mindest- und Festpreisbindungen

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a) Bundesebene aa) Gescheiterte Gesetzesinitiativen Auf Bundesebene erfolgten drei Versuche, das Leegin-Urteil gesetzgeberisch auszuhebeln. Die vielversprechendste Anstrengung war der Discount Pricing Consumer Protection Act im Jahr 2008.281 Er sollte Sec. 1 Sherman Act erweitern und festlegen, dass Vereinbarungen zwischen Herstellern und Händlern (gleichermaßen Groß- und Einzelhändlern, also über die enge Interpretation von RPM hinaus) betreffend eines Mindestverkaufspreises den Sherman Act verletzen.282 Keiner der Senatsvorschläge bzw. der entsprechenden Entwürfe schaffte es aus dem Repräsentantenhaus bis zu einer Abstimmung.283 Während der Kongress in den 1980ern das DoJ und die FTC anwies, Wettbewerbsregeln in Bezug auf RPM hart durchzusetzen und keinerlei Bestreben zur Abschaffung des per se-Verbotes der Preisbindung zeigte,284 konnten post Leegin keine notwendigen Mehrheiten für eine Wiederherstellung des per se-Status gebildet werden; nichtsdestoweniger blieb auch die Ablehnung gegenüber Leegin im Kongress verbreitet.285 Auch auf gesellschaftlicher Ebene wurde durch Verbraucherverbände und Nichtregierungsorganisationen ein Leegin-Repealer gefordert.286 In rechtlicher Hinsicht hätte ein wie auch immer gearteter gesetzlicher Leegin-Repealer ebenfalls Unwägbarkeiten mit sich gebracht. Genau wie Leegin wäre mit unvorhersehbaren 281 Nach den Wahlen 2008 erhielt die Gesetzesinitiative des Discount Pricing Consumer Protection Act durch die demokratische Regierung Aufwind, die Vorgänger-Bills hatten keine hinreichende Unterstützung durch die Wettbewerbsbehörden und die BushAdministration erfahren, letztere hatte sich per amicus brief für eine Aufhebung von Dr. Miles ausgesprochen. 282 Discount Pricing Consumer Protection Act, S. 2261, 110th Cong. 2007; Discount Pricing Consumer Protection Act, S. 148, 111th Cong. (2009), Sec. 3 of S. 148 lautete: „Sec. 1 of the Sherman Act […] is amended by adding after the first sentence the following: ‘Any contract, combination, conspiracy or agreement setting a minimum price below which a product or service cannot be sold by a retailer, wholesaler, or distributor schall violate this Act.’“; Discount Pricing Consumer Protection Act, S. 75, 112th Cong. (2011); dazu im Repräsentantenhaus ähnliche Vorschläge mit dem Discount Pricing Consumer Protection Act of 2009, H.R. 3190, 111th Cong. (2009) und Discount Pricing Consumer Protection Act of 2011, H.R. 3406, 112th Cong. (2011). 283 Zwei Initiativen aus 2009 durch FTC Chairman bzw. Commissioner, R. Pitofsky und P. J. Harbour zeigen die gespaltene Haltung innerhalb der Bundesbehörde. 284 Rider of the Congress, Pub.L. No. 98-166, § 510, 97 Stat. 1071, 1102–1103 (1983); H.R. Rep. No. 478, 98th Cong., 1st Sess. 46 (1983) siehe z. B. Kelly, 10 Geo. Mason U. L. Rev. 1987, 327 ff. 285 Gavil, 6 CPI 2010 (1), 4. 286 Darunter das AAI u. a., siehe Joint Letter to Subcommittee on Courts and Competition Policy, Committee on the Judiciary, House of Representatives (18.5.2009), .

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Folgen in ein Rechtsprechungsgefüge seit Dr. Miles eingegriffen worden.287 Auf der einen Seite bestehen die Beweislasterschwernisse für den Nachweis eines agreement (Colgate, Parke Davis, Monsanto und Business Electronics), mit denen der Supreme Court den effektiven Anwendungsbereich der per seRegel ohnehin eingeschränkt hatte. Auf der anderen Seite hatten die Urteile Colgate, General Electric und Simpson Oil288 konkrete Ausnahmebereiche für als solches qualifiziertes einseitiges Verhalten geschaffen, auch wenn es die gleichen Effekte wie RPM hat. Hinzu kommt die Akzeptanz der Instanzgerichte und der Behörden gegenüber weiteren Ausnahmebereichen von MSRPund MAP-Vereinbarungen sowie über die Weitergabe von Rabatten für Sonderaktionen u. a. 289 Eine gesetzliche per se-Illegalität für RPM wäre in Bezug auf Rechtssicherheit und Prozesskosten darum nicht überlegen gewesen. bb) Bundesrechtliche Rechtsprechung Die vom Leegin-Court in den Raum gestellte, gerichtliche Konkretisierung trat nicht ein. Post Leegin war RPM nie wieder Gegenstand höhergerichtlicher Klärung. Zwischenzeitlich hat sich der Supreme Court das erste Mal in einem weiteren Fall nicht zur Preisbindung, aber zur rule of reason-Anwendung geäußert – ähnlich verklausuliert wie 2007.290 In FTC v. Actavis (Actavis), hatte die FTC einen Vergleich zwischen einem Pharmaproduzenten und einem Generikahersteller aufgegriffen, ein sog. reverse payment settlement (pay for delay). Der Supreme Court stufte die konkrete Kategorisierung der reverse payments durch die FTC als vermutungshalber illegal mit guten Gründen als unangemessen ein. Entscheidender ist jedoch die zugleich ausgedrückte generelle Billigung des quick look-Ansatzes. Der Supreme Court betonte nämlich, dass für andere Vereinbarungen keine komplette rule of reason-Prüfung notwendig sei, sondern ein sog. sliding scale, also ein fließender Maßstab angesetzt werden könne.291 Wie schon in Leegin überließ es der Supreme Court den Instanzgerichten, moderne rule of reason-Antitrustrechtsprechung zu formen.292 Diese Aussage wirkt 6 Jahre nach Leegin fast zynisch, wenn der Supreme Court in Leegin und Actavis dem klassischen Skeptisch Gavil, 6 CPI 2010 (1), 3. Vgl. auch zur Entwicklung nach Dr. Miles Simpson v. Union Oil Co. of California, 377 U.S. 13 (1964). 289 Gavil, 6 CPI 2010 (1), 3; Gavil / Kovacic / Baker, Antitrust Law in Perspective, 403– 406. 290 Voorhees, 28 Antitrust 2013, 58 ff.; Cotter, 15 Minn. J. L. Sci. & Technol. 2014, 41 ff. 291 Zwei der Richter, die später für den Ansatz der FTC stimmten, hatten den Counsel der FTC während der mündlichen Verhandlung gefragt, warum eine rule of reasonBewertung nicht ausgereicht hätte, also die FTC angesichts der Beweislage ohne Not einen verkürzten Beurteilungsstandard wählte, s. Hubbard, 29 Antitrust 2014, 96. 292 FTC v. Actavis, Inc., 570 U.S. ___, 133 S. Ct. 2223, 2238 (2013). 287 288

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rule of reason-Regime eine Absage erteilt, aber hinsichtlich eines analytischen Rahmens kaum konstruktiv Kritik übt und vage bleibt. Wenn überhaupt, gab es sowohl vor Leegin als auch danach bei Gerichten allenfalls die Tendenz, volle rule of reason-Bewertungen zu vermeiden und abgekürzte, vereinfachte Beurteilungen vorzunehmen. Komplexe Abwägungen fanden und finden post Sylvania in rule of reason-Fällen immer noch nicht statt.293 Zwei Fälle, die es bis 2011 vor Federal Apellate Courts, also in eine Berufungsinstanz geschafft haben, scheiterten – nicht überraschend – an der unzureichenden Marktabgrenzung und Darstellung hinreichender Marktmacht durch die Kläger294 bzw. einer validen theory of harm.295 Die prozessuale Einbettung296 und mangelnde Erfolgsaussichten scheinen aber nicht der einzige Grund für die geringe Zahl von RPM-Fällen unter dem Sherman Act zu sein. Die primäre Frage ist, wie häufig RPM im Markt angewandt werden, um überhaupt Streitfälle zu provozieren. Unternehmer können Effekte einer Preisbindung durch kombinierte Geschäftspraktiken herbeiführen, indem sie auf Minimum Advertised Price-Politiken (MAP) oder Colgate-Strategien zurückgreifen. Einzelberichte zeigen zwar, dass insbesondere große Unternehmen nach Leegin RPM-Geschäftspraktiken aufgenommen haben und die Einhaltung ihrer RPM und MAP-Strategien rigoros überwachen.297 Andererseits sind die Spekulationen, dass sich der Gebrauch von RPM selbst dammbruchartig durchsetzen würde nicht bestätigt worden.298 cc) Behördliche Konkretisierungsbestrebungen Gleichwohl aufgeworfen bleibt die methodische Frage der Anwendung des rule of reason-Maßstabs in der Praxis, für die in der Literatur zahlreiche Vorschläge erarbeitet wurden, aber keine Einigkeit erzielt wurde.299 Konsensfähig ist noch die generelle Forderung nach einer weniger strikt beklagtenfreundlichen rule of reason unter Zuhilfenahme von Vermutungsregelungen, während die konkrete Ausgestaltung zugunsten oder zu Lasten der Wettbe-

293 Carrier, 16 Geo. Mason L. Rev 2009, 827, 829; Voorhes, 28 Antitrust 2013, 58, 60: rd. 97 % der rule of reason-Verfahren kommen nicht zu einer gerichtlichen Abwägung von pro- oder anti-kompetitiven Effekten. 294 Jacobs v. Tempur-Pedic International, 626 F.3d 1327 (11th Cir. 2010), Lao, in: Drexl, More common ground for international competition law?, 59, 65. 295 PSKS, Inc. v. Leegin Creative Leather Products, Inc., 615 F.3d 412, 417, 419 (5th Cir. 2010). 296 Bell Atlantic Corp. v. Twombly, 550 U.S. 544 (2007). 297 Mit weiteren Nachweisen Lindsay, Antitrust Source Oct. 2009, 1; Gundlach, 55 Antitrust Bull. 2010, 11. 298 Gundlach, 55 Antitrust Bull. 2010, 10 o.w.N. 299 Beispielsweise Kirkwood, 55 Antitrust Bull. 2010, 423 ff. (Vermutung der Illegalität mit Safe Harbour-Lösung); m. w. N. Gundlach, 55 Antitrust Bull. 2010, 1, 4.

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werbsschädlichkeit von RPM ungeklärt ist.300 Sowohl innerhalb der FTC als auch zwischen den Bundesbehörden FTC und DoJ gab es bereits vor Leegin unterschiedliche Auffassungen.301 Im Nachgang der Leegin-Entscheidung legte das DoJ sogleich einen Entwurf, hinsichtlich einer structured rule of reason vor.302 Insgesamt kursieren seither zahlreiche, nicht nur im Detail unterschiedliche Ausgestaltungen eines solchen, strukturierten Ansatzes.303 Ausgeführt wird im Folgenden nur der Ansatz der FTC, der am ehesten geeignet ist, einerseits die Vorgaben in Leegin zu erfüllen, die strukturellen Defizite der traditionellen rule of reason-Beurteilung zu umgehen und andererseits auch die größten Aussichten auf gerichtliche Implementierung hat.304 i)

In re Nine West: RPM von Natur aus verdächtig?

Der von der FTC nach Leegin favorisierte Mittelweg greift auf einen eigenen vereinfachten rule of reason-Test zurück. Gelegenheit für eine Positionierung bot die Berufung eines Unternehmens auf die durch Leegin geänderte Rechtslage 2009. In Nine West wandte sich ein Hersteller von Damenschuhen, die Nine West Footwear Corporation, an die FTC und forderte die Aufhebung einer im Jahr 2000 an ihn gerichteten Entscheidung, die auf eine Unterlassung von durchgeführten Preisbindungen gerichtet gewesen war.305 Die Petition war teilweise erfolgreich; das Verfahren wurde wiedereröffnet und die damals ergangene Order im Sinne der neuen Rechtslage abgewandelt.306 Die Kurskorrektur der Behörde ist jedoch weniger auf den Nachweis oder gar die grundsätzliche Anerkennung tatsächlicher pro-kompetitiver Effekte gegründet gewesen, sondern lediglich auf das Eingeständnis, dass die wettbewerbsschädigende Wirkung von Preisbindungen aufgrund geringer Gundlach, 55 Antitrust Bull. 2010, 8. Unter Bush-Administration sowohl das DoJ als auch drei der fünf amtierenden FTCCommissoner (Chairwoman D. Platt Majores, Commissoner W. E. Kovacic, J. T. Rosch) für die Verwerfung von Dr. Miles gestimmt, s. Brief for the United States as Amicus Curiae Supporting Petitioner, Leegin Creative Leather Products. Inc. v. PSKS, Inc., 551 U.S. 877 (2007); a. A. Commissoner P.J. Harbour, J. Leibowitz, s. Roundtable Conference with Enforcement Officials, Antitrust Source Apr. 2009, 14–15. 302 Varney, Antitrust Federalism: Enhancing Federal/State Coperation, Remarks Prepared for the National Association of Attorneys General (2009), 8. 303 Varney, 24 Antitrust 2009–2010, 22 ff.; Werden, Antitrust’s Rule of Reason: Only Competition Matters (2013). 304 Eingehend zu Alternativvorschlägen s. Toncar, Die Rule of Reason-Analyse vertikaler Mindestpreisbindungen im US-Kartellrecht, 212 ff. 305 FTC v. 6.5.2008, Order Granting in Part Petition to Reopen and Modify Order Issued April 11, 2000, in re Nine West Group Inc., No. C-3937, 2008 WL 2061410 (F.T.C. May, 6, 2008). 306 FTC v. 6.5.2008, Order Granting in Part Petition to Reopen and Modify Order Issued April 11, 2000, in re Nine West Group Inc., No. C-3937, 2008 WL 2061410 (F.T.C. May, 6, 2008). 300 301

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Marktanteile von Nine West unwahrscheinlich gewesen sei. Zudem hatte Nine West glaubhaft machen können, als Hersteller selbst Initiator für die Preisbindungen gewesen zu sein. Die Freigabe erfolgte dann lediglich, weil keine der gängigen theories of harm als einschlägig angesehen wurde und nur unter der Auflage, dass regelmäßige Compliance-Berichte erstellt werden würden. Die FTC kündigte in diesem Rahmen an, sich für die Beurteilung von RPM-Praktiken künftig auf einen Ansatz zu konzentrieren, den sie als inherently suspect approach bezeichnet und der eine Art Ableger des quick look aus den 1980er-Jahren ist. Die FTC hatte ihn zuvor 2002 in Sachen Polygram Holdings (Polygram)307 wieder als eine truncated rule of reason aufgegriffen.308 In Nine West fasst die FTC Polygram folgendermaßen zusammen: inherently suspect practices, also von Natur aus verdächtige Verhaltensweisen seien nicht notwendigerweise an eine, dem entsprechenden Verhalten tatsächlich innewohnende Verdächtigkeit geknüpft. Die Skepsis könne auch auf der nahen Verwandtschaft zu einer bereits gerichtlich anerkannten Verbraucherschädlichkeit beruhen. Die FTC verlegt die Kategorisierung somit wieder ins Abstrakte. Es geht um typisierte Verhaltensformen, die potentiell, nicht konkret, suspekt sind. Die entscheidende Frage ist, ob RPM post Leegin ein solches fragwürdiges Verhalten ist, das den schärferen Maßstab rechtfertigt. Das Leegin-Urteil lässt sich dahingehend auslegen, weil der Supreme Court angemerkt hatte, dass potenziell wettbewerbsschädliche Auswirkungen von RPM nicht unterschätzt oder gar ignoriert werden dürfen.309 Die FTC überträgt deshalb die Maßgabe des D.C. Circuit für horizontale Preisabsprachen in Polygram und will auch RPM unter bestimmten Umständen dieser Kategorie zuordnen. Sie stellt dabei die Nähe zu horizontalen Preisabreden zur Erhaltung eines Marktpreises in Rechnung. Die Behörde stützt sich hierbei auch auf Passagen in Leegin, in denen RPM als nicht immer weniger gefährlich als horizontales price fixing beschrieben wurde: RPM sei immer Polygram Holdings, Inc. v. FTC, 416 F.3d 29, 34, 36 ff. (D.C. Cir. 2005). „In this and related passages, the Court has invited efforts by the lower courts, and this Commission, after Leegin to devise rules ‚for offering proof, or even presumptions where justified,‘ to assess the reasonableness of RPM. The elaboration of such evidentiary rules and substantive presumptions resembles the analytical approach that the D.C. Circuit endorsed in Polygram Holdings. Under Polygram Holdings, if a practice is ‚inherently suspect‘ a defendant using it must then ‚either identify some reason the restraint is unlikely to harm consumers, or identify some competitive benefit that plausibly offsets the apparent or anticipated harm.“, siehe in re Nine West Group Inc., No. C-3937, 2008 WL 2061410 (F.T.C. May, 6, 2008), 6, 12,13; im Rahmen der Petition von Nine West hatten sich die Attorney General von 27 Bundesstaaten ebenfalls zu einer Beurteilung der RPM durch Nine West als inherently suspect aufgerufen, weil RPM Konsumentenpreise erhöhe – im konkreten Fall um rd. 46 Mio. USD, s. nur Moore, 36 Wash. U. J. L. & Pol’y 2011, 289, 312 (Fn. 145). 309 Leegin Creative Leather Products, Inc. v. PSKS, Inc., 551 U.S. 877, 894 (2007). 307 308

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auch ein verführerisches Mittel, Gewinne einzustreichen und den Marktzutritt für kleinere Rivalen zu erschweren.310 Deshalb sei der inherently suspect approach grundsätzlich anwendbar. Konkret muss bei einem als inherently suspect kategorisierten Verhalten der Beklagte beweisen, dass es Effizienzen gibt, die das Verhalten im vorliegenden Fall rechtfertigen und die negativen Auswirkungen überwiegen. Gelingt diese Rechtfertigung, muss der Kläger, nachweisen, dass es eine sog. less restrictive alternative, also weniger beschränkende Alternativmaßnahmen gegeben hätte.311 Zwar übernimmt die FTC in Nine West auch die Leegin-Faktoren und lässt es im Ergebnis für die Vorprüfung ausreichen, dass Nine West geringe Marktanteile hielt und nachweisen konnte, dass die Initiative für RPM tatsächlich von ihm als Hersteller ausging. Damit nimmt sie eine tatsächliche Prüfung wie in Polygram nicht vor.312 Allerdings ist es nicht ausgeschlossen, dass der inherently suspect approach in Zukunft auch ohne diese Vorprüfung auskommt und dem Kläger die Initiativbeweislast dadurch erspart, dass mit dem Nachweis des Bestehens von RPM-Vereinbarungen auch die anerkannte preiserhöhende Wirkung von RPM assoziiert wird. Marktmacht ist nach ständiger Rechtsprechung nur ein indirektes Beweismittel, um zu einer Vermutung anti-kompetitiver Effekte zu kommen, somit müsste mit dem Nachweis von RPM, die an sich mit der intendierten und bewirkten Erhöhung von Preisen einhergeht, die Beweislast sofort auf den Beklagten übergehen. So interpretierte in Sachen Babies “R” Us. der District Court in Pennsylvania im Rahmen einer class action kurz nach dem Verfahren Nine West die rule of reason-Beurteilung.313 Dennoch bleiben die Konturen einer rule of reason Beurteilung der Preisbindung post Leegin weiterhin unscharf. Innerhalb der FTC existierten bis zuletzt sehr unterschiedliche Ansichten. Commissoner Wright hat sich in McWane – als Abweichler – näher mit theory of harm in rule of reason-Fällen geäußert. In diesem Fall, in dem es um exclusive dealing ging, hatte die FTC keine anti-kompetitiven Effekte nachgewiesen, sondern sich darauf berufen, dass McWane, als Hersteller von Verbindungsteilen von Wasserrohrleitungen marktbeherrschend gewesen sei.314 Wright vertrat die Ansicht, dass in Fällen eines direkten Nachweises von Wettbewerbsschädigung, dann nämlich wenn das Verhalten wie im Fall stattgefunIn re Nine West Group Inc., No. C-3937, 2008 WL 2061410, 14. So jedenfall die Interpretation der State Attorney General in re Nine West, s. Moore, 36 Wash. U. J. L. & Pol’y 2011, 289, 312 (Fn. 144, 150). 312 Sie bewegt sich im Bereich der Klägerbeweislast und der strengen Anforderungen der theory of harm, d. h. konzentriert sich auf den Nachweis von Marktmacht oder Outputbeschränkungen. 313 McDonough v. Toys ‘R’ Us, Inc., et al., Civ. No. 06-0242 17, 31 f. 34, 35, 45, 49 (E.D. Pa. July 15, 2009); am 21.1.2011 i.R.e. Vergleichs beendet. 314 In the Matter of McWane, Inc., and Star Pipe Products, Ltd., No. 9351. 310 311

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den habe, ein direkter Nachweis dem indirekten Nachweis vorgehe.315 Abgesehen davon, dass die Schlussfolgerungen von Wright in Bezug auf nicht stattgefundenen harm ohne tatsächlichen Vergleichsmarkt zweifelhaft sind, bleibt die FTC im Übrigen einstimmig bei der Proklamierung von Alternativität. Bestätigt wurde die FTC bei ihrer Einschätzung ausreichender Beweise (substancial evidence) vom Federal Court of Appeals.316 Für die rule of reason in Bezug auf Vertikalvereinbarungen bedeutet dies einerseits, dass die Ausformung der rule of reason eher in restriktiver Weise voranschreitet und längst nicht mehr als ein Garant für das Obsiegen des Beklagten ist. Zum zweiten verdeutlicht die FTC auch ihre besondere Sensibilität gegenüber marktverschließenden Wirkungen von Vertikalvereinbarungen, die ja auch in Bezug auf die ökonomische Analyse von Preisbindungen stärker in den Fokus rücken. Gleichwohl dürften Marktanteile in der Beurteilung durch Bundesbehörden aufgrund der theory of harm nach wie vor eine große Rolle für das Aufgreifen von RPM-Fällen spielen. ii) Inherently suspect vs. quick look: Versuch einer Einordnung Der althergebrachte Standard der Sec. 1 Sherman Act-Methodologie bestand aus per se- Verbot auf der einen und der rule of reason-Bewertung auf der anderen Seite. Mutmaßlich wettbewerbsschädigendes Verhalten sollte nach Ansicht von Ökonomen und Gerichten aber schon lange weder unter dem starren per se-Verbot noch unter der aufgeblähten rule of reason beurteilt werden müssen. 317 Deshalb weicht der dichotome Analyserahmen – nicht nur in Preisbindungsfragen – in jüngerer Vergangenheit sog. truncated, also abgekürzten rule of reason-Beurteilungen, namentlich dem quick look approach.318 Trotz zahlreicher gerichtlicher Äußerungen hierzu und terminologisch uneinheitlicher Verwendung der Begriffe (presumptively unlawful behaviour, inherently suspect behaviour u. a.) sowie der ungeklärten Frage, welcher Maßstab für welches Verhalten angelegt werden soll, kann in Bezug auf RPM zusammenfassend folgendes Fazit gezogen werden. Aus dem quick look, der hinsichtlich seiner Strenge gewissermaßen zwischen rule of reason-Bewertung und per seVerbot steht, hat die FTC eine weitere Beurteilungskategorie eröffnet und anhand der Beurteilung von RPM auf vertikale Konstellationen übertragen: Der inherently suspect approach. Auch dieser wurzelt mit Polygram einerseits in horizontalen Fallkonstellationen. Andererseits sieht die FTC RPM nach wie

Wright, Dissenting Statement of Commissioner Joshua D Wright, In the Matter of McWane, Inc et al., No. 9351, 2–6. 316 McWane, Inc. v. FTC, No. 14-11363 (11th Cir. Apr. 15, 2015). 317 Verschelden, 32 J. Corp. L. 2006–2007, 447, 448; California Dental Association v. FTC, 526 U.S. 756, 781 (1999). 318 Siehe einführend oben 2. Teil C.I.1.d), 163. 315

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vor als zwar nicht schädlicher als horizontale Preisvereinbarungen, aber doch als eine hinreichend gefährliche Beschränkung an. Prozessual betrachtet gibt der inherently suspect approach Klägern eine Vermutung wettbewerbsbeschränkender Effekte ohne den Nachweis von Marktmacht – ausschließlich gestützt auf die Natur des Verhaltens.319 Die Beweislast geht auf den Beklagten über, sobald der Kläger nachweist, dass das angegriffene Verhalten vorliegt und dieses nach ökonomischer Erfahrung auf Märkten ein Verhalten ist, das fast immer zu anti-kompetitiven Effekten führt. Der Beklagte kann diese Vermutungswirkung nur beseitigen, indem er eine legitime, pro-kompetitive Rechtfertigung für sein Verhalten vorbringt. Das Verhalten muss im Einzelfall plausibel, rechtlich anerkennenswert und vernünftigerweise notwendig erscheinen, um dem angestrebten wettbewerbsfördernden Zweck zu dienen.320 Damit steht der inherently suspect approach – ungeachtet insofern unzutreffender auch gerichtlich synonymer Verwendung der Begriffe – zwischen dem quick look-Beurteilungsrahmen und dem per se-Verbot. Er ist weniger strikt als ein per se-Verbot, weil er grundsätzlich eine Rechtfertigung zulässt; er ist jedoch weitgehender als der quick look, weil er bereits die Vermutung der wettbewerbsbeschränkenden Effekte für bestimmtes, typisiertes Verhalten (per se) aufstellt. Hingegen muss der Kläger im Rahmen des quick look nicht nur das Verhalten nachweisen, sondern auch wettbewerbsbeschränkende Effekte. Das ist gegenüber der klassischen rule of reason, die den Nachweis von Marktmacht erfordert, zwar eine deutliche Erleichterung, trotzdem ist ein inherently suspect approach innerhalb der rule of reason-Betrachtung ein kritischerer Maßstab für wettbewerbliches Verhalten, der die Wahrscheinlichkeit des Obsiegens des Beklagten bei rule of reason-Fällen in ein relativ wahrscheinliches Unterliegen umkehrt. Zwar muss der Verwender von Verhalten, das als inherently suspect gilt, innerhalb der Vorprüfung des wettbewerblichen Schadenseintritts, nicht sämtliche Effizienzen nachweisen. Zumindest muss er aber die Abwesenheit von Leegin Faktoren darlegen, also aufzeigen, dass er nicht über Marktmacht verfügt, bzw. kein aggregiert hoher Gebrauch von RPM im Markt besteht. Zweitens dürfte regelmäßig auch der Nachweis einseitigen Interesses des Herstellers an RPM gefordert sein. Das ist eine deutliche Verschärfung für den Beklagten, denn diese Nachweise sind unter Umständen schwer zu erbringen.321 Zudem ist das prozessuale Einstiegslevel deutlich gemindert,

Polygram Holdings, Inc. v. FTC, 416 F.3d 29, 35 (D.C. Cir. 2005). Polygram Holdings, Inc. v. FTC, 416 F.3d 29, 35, 36 (D.C. Cir. 2005); Lee, 11 U. C. Davis Bus. L. J. 2010/2011, 375, 377. 321 Winter, Resale Price Maintenance with and without free-riding, FTC hearings on RPM 17.2.2009. 319 320

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wenn RPM bereits als Aufgreifkriterium fungiert, wie nach der Entscheidung in Babies “R” Us322 möglich erscheint. iii) Bewertung Die FTC greift für die Beurteilung von RPM auf den strengsten innerhalb der rule of reason greifbaren Bewertungsansatz zurück bzw. entwickelt ihn anhand der Übertragung auf RPM weiter. Dieses Vorgehen ist nicht ohne Kritik geblieben, nachdem sich der Trend abzeichnet, Ansätze bei der Beurteilung horizontaler Wettbewerbsbeschränkungen auch auf vertikale Beschränkungen wie RPM und exclusionary conduct zu übertragen. Zwar wird nicht bestritten, dass ein moderner Beurteilungsrahmen mit vorhersehbaren Voraussetzungen und Kriterien, Vermutungen und Beweislastverteilungen notwendig ist. Klarheit und Konsistenz der Beurteilungsmaßstäbe seien aber gefährdet, wenn die FTC den inherently suspect approach auf andere Kategorien von Vereinbarungen ausdehnte.323 Nach hier vetretener Ansicht ist es jedoch zu begrüßen, dass ein Kontinuum an Beurteilungsmaßstäben angestrebt wird, an dem sämtliche Vereinbarungen gemessen werden können, unabhängig ihrer formellen Gestalt. Das thinking in boxes führt ansonsten gerade zu einem formalistischen Ansatz, deshalb mutet es ironisch an, dass dieser mit den in den USA teilweise überbetonten Präjudizien induktiv gerade herbeigeführt wurde. Hinsichtlich der Erkenntnisse der ökonomischen Analyse von vertikaler Preisbindung ist der inherently suspect approach in der Sache zu begrüßen. Zu erwarten ist Unterstützung für diese Linie letztlich auch durch das DoJ, dessen structured rule of reason-Ansätze bisher nicht nennenswert aufgegriffen wurden. Nicht unterschätzt werden sollte auch die inhaltliche Nähe zur europäischen Kernbeschränkung. Gerichte und Behörden verfolgen durchaus das Interesse, den Handel mit internationalen Partnern nicht dadurch zu behindern, dass Wettbewerbspolitiken auseinanderdriften.324 Insgesamt passt der inherently suspect approach nach Polygram auch in struktureller Hinsicht als quick look in die Vorgaben aus Leegin, und hat bereits einige gerichtliche Zustimmung erfahren, womit er als realistischster Ansatz gesehen werden kann.325

322 McDonough v. Toys ‘R’ Us, Inc., et al., Civ. No. 06-0242 (E.D. Pa. July 15, 2009), 34, 35. 323 Lee, 11 U.C. Davis Bus. L. J. 2010/2011, 375, 379; interessant ist insofern das ähnliche Vorgehen der Behörden im transatlantischen Vergleich mit der Haltung der Kommission zu bezweckten Wettbewerbsbeschränkungen. 324 Moore, 36 Wash. U. J. L. & Pol’y 2011, 289, 321; darüber hinaus besteht auch in Kanada eine RPM-feindliche Haltung, vgl. Sec. 61 Canadian Competition Act R.S.C: 1985 c. 34, § 61 (1) (Can.) 325 Anders eingeschätzt hat dies m. V. a. California Dental Association. v. FTC, 526 U.S. 756, 771 (1999) Fritzsche, GRUR Int 2008, 381, 387.

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b) Die Rolle der Einzelstaaten bei der Entwicklung eines Post-LeeginApproachs aa) Sherman Act und Hierarchieverhältnis zum Recht der Bundesstaaten Wie bereits an einigen Stellen angedeutet ist das amerikanische Antitrustrecht nicht homogen konzipiert. Ermächtigungsgrundlage für Sherman und Clayton Act ist die commerce clause der Verfassung, die den Kongress ermächtigt, den Handel mit anderen Nationen und zwischen den Bundesstaaten der USA zu regeln.326 Voraussetzung für die Eröffnung des Anwendungsbereichs des Sherman Act ist somit ein zwischenstaatlicher Bezug im jeweiligen Sachverhalt. Obgleich die Rechtsprechung von einem substantiellen Effekt auf den zwischenstaatlichen Handel als Voraussetzung ausgeht,327 sind die Anforderungen an das interstate commerce element im Einzelnen unklar, jedenfalls aber sind die Anforderungen für die Anwendbarkeit des Sherman Act nicht besonders hoch.328 Unternehmen stehen so nicht nur der restriktiven Lage nach Bundesrecht, sondern zugleich dem Recht der Einzelstaaten gegenüber. Die einzelstaatlichen Gesetzgeber und Behörden sind weitreichend unabhängig in ihrer Antitrustgesetzgebung und ihren Verfolgungsentscheidungen. Markantes Beispiel dieser Freiheit war die bereits seit 1993/1994 – also vor dem Leegin und entgegen bundesrechtlicher per se-Illegalität – bestehende gerichtliche rule of reason-Bewertung von RPM in Illinois.329 Das Verhältnis zwischen Sherman Act und den Antitruststatuten der Bundesstaaten ist keineswegs geklärt. Die Vermutung, dass Leegin als bundesrechtliche Entscheidung älteres Gesetzesrecht oder Präjudizien der Bundes326 U.S. Const. Art. I, § 8 clause 3; dasselbe bringt Sec. 1 Sherman Act zum Ausdruck. Die Formulierung „in restraint of trade or commerce among the several States, or with foreign nations“ ist nicht restriktiver als die verfassungsrechtliche Ermächtigung, s. United States v. South-Eastern Underwriters Ass’n, 322 U.S. 533, 558 (1944). 327 Mandeville Island Farms, Inc. v. American Chrystal Sugar Co., 334 U.S. 219, 234 (1948); McLain v. Real Estate Board of New Orleans, Inc., 444 U.S. 232, 242 (1980). 328 Summit Health, Ltd. v. Pinhas, 500 U.S. 322 (1991); Broder, 59, eine Behauptung der Beschränkung des zwischenstaatlichen Handels regelmäßig ausreichend, Hammes v. AAMCO Transmissions, Inc., 33 F.3d 774 (7th Cir. 1994); das gilt auch für Fälle, in denen lediglich eine Auswirkung auf US-Territorium intendiert oder verursacht wird (Auswirkungsprinzip / effects doctrine, siehe Foreign Trade Antitrust Improvements Act / FTAIA von 1982); das interstate commerce element hat damit Doppelfunktion: Abgrenzung der Anwendungsbereiche von Bundes- und Staatenrecht und kollisionsrechtliche Bedeutung. United States v. Nippon Paper Indus. Co., 109 F.3d 1,4 (1st Cir. 1997), (cert.denied) 522 U.S. 1044 (1998); Grenzen hinsichtlich etwaiger Schadensersatzansprüche aufgrund eines sich innerhalb und außerhalb der USA auswirkenden Preiskartells durch Supreme Court in re F. Hoffmann-LaRoche Ltd. v. Empagran S. A., 542 U.S. 155 (2004); 15 U.S.C. § 6a. 329 Lindsay, The Antitrust Source Jun. 2008; Gilbert’s Ethan Allen Gallery v. Ethan Allen, Inc., 251 Ill. App.3d 17, 620 N.E.2d 1349, 1356 (Ill. App. Ct. 1993); bestätigt Gilbert’s Ethan Allen Gallery v. Ethan Allen, Inc., 162 Ill 2d 99, 642 N.E.2d 470 (1994).

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staaten aushebeln würde, ist so naheliegend wie unzutreffend. Rechtsdurchsetzer haben sich bisher nicht in dieser Richtung verhalten, sondern auch entgegengesetztes Staatenrecht unvermindert strikt angewendet.330 In Bezug auf die Rechtssicherheit ist dies höchst unglücklich und wird verschiedentlich durch Vertreter der Bundesbehörden kritisiert. Bundesgerichtlich wurden Widersprüche zwischen Bundes- und Staatenrecht in Bezug auf die Preisbindung post Leegin bisher nicht geklärt, jedoch gibt es Rechtsprechung zum allgemeinen Verhältnis von Bundesrecht zu Donnelly Act, dem primären Wettbewerbsgesetz im Bundesstaat New York.331 Unter Bezugnahme auf eine Supreme Court Entscheidung aus dem Jahr 1989 in ARC America 332 befand der Supreme Court des Staates New York, dass Bundesrecht anderslautendem Staatenrecht jedenfalls nicht grundsätzlich entgegensteht, wenn und soweit neben Interstate-Auswirkungen (im vorliegenden Fall hatte es sogar internationale Bezüge gegeben) auch Intrastate-Auswirkungen relevant sind.333 Wettbewerbsrechtlichen Regelungen der Bundesstaaten wird nicht vorgegriffen, solange sie die mit Bundesrecht gleichlaufenden Ziele verfolgen, wettbewerbsfeindliches Verhalten zu unterdrücken und die Entschädigung von Geschädigten sicherzustellen.334 Konkreter äußerte sich der New Yorker Supreme Court nicht zu den inhaltlichen Spannungen zwischen Donnelly und Sherman Act, sodass bundesstaatliches Wettbewerbsrecht eine weitaus größere Autorität genießt, als dies im europäischen Rechtsraum durch den Anwendungsvorrang des Unionsrechts der Fall ist. Staatenrechtliche Praxis kann deshalb eine größere Rückwirkung auf die bundesstaatliche Rechtslage ausüben, als in Europa gemeinhin angenommen. Im Interesse der Ermittlung eines status quo in Bezug auf RPM muss zumindest der Umgang mit ihr in den wirtschaftlich bedeutendsten Bundesstaaten untersucht werden. Die Situation auf Ebene der Bundesstaaten gleicht der eines rechtlichen Flickenteppichs. Zur Illustration der heterogenen Lage in den Bundesstaaten sei festgestellt: 50 der 51 Einzeljurisdiktionen335 hatten im Jahr 2015 eigene kodifizierte wettbewerbsrechtliche Regelungen;336 29 Jurisdiktionen besitzen gesetzliche Kollisions- bzw. Harmonisierungsregelungen, die jedoch in unterschiedlicher Ausprägung eine Auslegung von Antitrustfällen anhand bundesrechtliBarr, State Challenges to Vertical Price Fixing in the post Leegin World, 31. Global Reinsurance Corp. v. Equitas Ltd., No. 600815-2007, 2008 WL 2676805 (N.Y. Sup. Ct., N.Y. Cty. July 3, 2008), Lindsay, Antitrust Source Oct. 2009, 5. 332 California v. ARC America Corp., 490 U.S. 93, 102 (1989). 333 Global Reinsurance Corp. v. Equitas Ltd., No. 600815-2007, 2008 WL 2676805 (N.Y. Sup. Ct., N.Y. Cty. July 3, 2008). 334 Global Reinsurance Corp. v. Equitas Ltd., No. 600815-2007, 2008 WL 2676805 (N.Y. Sup. Ct., N.Y. Cty. July 3, 2008); California v. ARC America Corp., 490 U.S. 93, 102. 335 District of Columbia mitgezählt, der formell kein Bundesstaat ist. 336 Keine eigenen Statuten haben nur MT, PA. 330 331

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cher Rechtsprechung vorschreiben.337 In fast allen Staaten existiert Rechtsprechung hinsichtlich der Beachtlichkeit bundesrechtlicher Gesetze und Judikatur. Nicht impliziert ist damit jedoch die Übernahme der Leegin-Entscheidung als Präjudiz: tatsächlich besitzen derzeit 19 Staaten ein oder mehrere spezielle gesetzliche Regelungen für horizontales und/oder vertikales price fixing;338 in 22 Staaten existieren ein oder mehrere Präjudizien zu RPM.339 Diese können jedoch unterschiedlich auf horizontale, vertikale oder beide Formen der Preisvereinbarung gemünzt sein. Beispielhaft seien Pole herausgegriffen: Kalifornien verfügt über eine sehr weit reichende gesetzliche Verbotsklausel, deren Wortlaut auf vertikale Preisbindungen ausgerichtet ist und regelmäßig gerichtlich so interpretiert wird.340 Hingegen existiert in Colorado eine gesetzliche Vorgabe der Beurteilung wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen anhand bundesrechtlicher Rechtsprechung.341 Connecticut besitzt eine Regelung, deren Wortlaut ein per se-Verbot der vertikalen Preisbindung vorsieht, zudem existiert dort eine lange per se-Tradition; nichtsdestoweniger erkannte die Rechtsprechung dieses Staates Leegin im Jahr 2011 an und legt die staatenrechtliche Regelung seither restriktiv – i. S. v. horizontalen Preisvereinbarungen – aus.342 Andererseits wird in Illinois sowohl statutenrechtlich Gesetzliche Harmonisierung in AZ, CT, DE, DC, FL, HI, ID, IL, IA, KS, MD, MA, MI, MO, NE, NV, NH, NJ, NM, OK, OR, RI, SD, TX, UT,VT, VA, WA, WV; nur Lindsay, Antitrust Source Oct. 2014. 338 CA, CO, CT, IL, IN, KS, MD, MN, MS, MT (Montana kennt keine allgemeine wettbewerbsrechtliche Grundnorm aber eine spezifische Regelung, die Preisvereinbarungen aller Art verbietet. Der Sherman Act soll modellgebend gewesen sein, die Regelung in MT aber weitergehen als Sec. 1 Sherman Act), HI, NV, NJ, NY, OH, SC, TN, VT,WV, s. für w. N. nur Lindsay, Overview of State RPM, Antitrust Source Oct. 2014. 339 CA, CT, ID, IN, KS, LA, MI, MN, NE, NH, NJ, NY, OH, PA, RI, SC, SD, TN, WI, WY nur Lindsay, Overview of State RPM, Antitrust Source Oct. 2014. Dieser Befund differenziert nicht, ob es sich jeweils um RPM i. S. v. Mindest- oder Höchtspreisbindungen bzw. vor oder nach Leegin handelt. 340 Cal. Bus. & Prof. Code § 16720(b) „[t]o limit or reduce the production, or increase the price of merchandise or any commodity“; Cal. Bus & Prof. Code § 16720(d) definiert „trust“ als Vereinbarung: [to] „fix at any standard or figure, whereby its price to the public or consumer shall be in any manner controlled or established, any article or commodity of merchandise, produce or commerce intended for sale, barter, use or consumption in this State“; Cal. Bus. & Prof. Code § 16720(e): [to] „agree in any manner to keep the price of such article, commodity or transportation at a fixed or graduated figure“ or „establish or settle the price of any article, commodity or transportation between them or themselves and others, so as directly or indirectly to preclude a free and unrestricted competition among themselves, or any purchasers or consumers in the sale or transportation of any such article or commodity“. 341 Colo. Rev. Stat. Ann. § 6-4-119: courts that they „shall“ use „comparable“ federal court decisions as guidance. 342 Conn. Gen. Stat. Ann. § 35-28(A) rechtswidrig sind „contracts, combinations or conspiracies that „fix […], control […] or maintain prices, rates, quotations or fees in any 337

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als auch gerichtlich ein verbotenes price fixing nur in horizontalen Preisabsprachen gesehen, was die Behörden und Gerichte aber nicht davon abgehalten hat, vertikale Preisbindungen post Leegin unter Staatenrecht teilweise erfolgreich anzugreifen.343 Hinzu kommen unterschiedliche bundesstaatliche Maßstäbe an die Klagebefugnis (antitrust standing): 25 Staaten haben sog. Illinois Brick Repealer, die es Klägern, insbesondere bundesstaatlichen Generalstaatsanwälten und Individualklägern (als nicht direkt Geschädigte) erleichtern, Klage zu erheben.344 bb) Das Schicksal von Leegin in den Bundesstaaten Anschaulich illustriert wird die Heterogenität auch durch das konkrete Schicksal von Follow-on-Klagen nach Leegin. Komplett ungewiss blieb die Sache in Texas – unter Staatenrecht wurde die Klage abgewiesen und gar nicht mehr final diskutiert.345 Akzeptiert wurde die Leegin-Ratio 2008 hingegen in Tennessee im Rahmen einer Follow-on-Klage sowohl unter Bundesals auch unter Staatenrecht. In Spahr v. Leegin Creative Leather Products346 hat der District Court die auf Bundesebene eingeführte rule of reasonBewertung der vertikalen Preisbindung übernommen und die Klage abgewiesen. Nach Ansicht des Gerichts war unter dem rule of reason-Standard schon keine hinreichende Darstellung des relevanten Marktes, noch eine entsprechende Darstellung wettbewerbsbeschränkender Effekte erfolgt.347 Ähnlich erging es zunächst dem Kläger in O’Brien v. Leegin Creative Leather Products348 in Kansas: immerhin wurde hier eine Berufung zum Supreme part of trade or commerce“; aber Navien America, Inc. v. Allen, 2011 WL 3925729 (Conn. Super. Ct. Aug. 1, 2011). 343 New York et al. v. Herman Miller, Inc., No. 08-2977 (S.D.N.Y. Mar. 21, 2008). 344 Illinois Brick Co. v. Illinois, 431 U.S. 720 (1977): laut der Illinois Brick doctrine können indirekte Käufer keinen Schaden gegenüber dem Verletzer wettbewerbsrechtlicher Normen geltend machen. Nur ca. die Hälfte der Bundesstaaten (AL, AK, AR, CA, CO, DC, HI, ID, IL, KS, ME, MD, MI, MN, NE, NV, NM, NY, ND, OR, RI, SD, VT, WA, WI) besitzt Illinois Brick Repealer Statutes, s. hierzu ABA Sec. Antitrust L., State Antitrust Enforcement Handbook (2008), 13. 345 PSKS, Inc. v. Leegin Creative Leather Products, Inc.498 F.3d 486 (5th Cir. 2007); PSKS, Inc. v. Leegin Creative Leather Products, Inc., No. 2:03-CV-107, 2009 WL 938561 (E.D. Tex. Apr. 6, 2009); Lindsay, Antitrust Source Oct. 2009, 1; PSKS, Inc. v. Leegin Creative Leather Products, Inc., No. 09-40506 (5th Cir. August 17, 2010). 346 Spahr v. Leegin Creative Leather Products, No. 07-CV-187, 2008 WL 3914461 (E.D. Tenn. Aug. 20, 2008), Berufung abgewiesen (6th Cir. Nov. 20, 2008); bemerkenswert, als Leegin mit dualem Vertriebssystem hier Anknüfungspunkte für einen per seAnsatz geboten hätte. 347 Lindsay, State Resale Price Maintenance Laws After Leegin, Antitrust Source Oct. 2009, 3. 348 O’Brien v. Leegin Creative Leather Products, Inc., No. 04-CV-1668 (8th Jud. Dist., Sedgwick Cty., Kan. July 9, 2008).

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2. Teil: Die Preisbindung der zweiten Hand – ein Rechtsvergleich

Court des Staates möglich, der dann – überraschend entgegen der U.S. Supreme Court Entscheidung in Leegin – RPM Vereinbarungen in Kansas für per se-illegal erklärte.349 Diese erste Entscheidung durch ein höheres Instanzgericht post Leegin 2010 blieb aber ohne Bedeutung. cc) Insbesondere: Post-Leegin-Gesetzgebung Das Leegin-Urteil in Kansas wurde nämlich im Wege eines LeeginReinstaters ausgehebelt. Im Jahr 2013 führte der Gesetzgeber eine rule of reason-Bewertung für RPM ein.350 Deutlich gegen die rule of reason-Beurteilung von RPM hat sich der Gesetzgeber in Maryland positioniert und als unmittelbare Antwort auf Leegin bereits 2009 ein per se-Verbot für vertikale Preisbindungen erlassen.351 Marylands Antitrust Code besitzt eine Sec. 1 Sherman Act ähnliche Regelung, die Gerichte in Maryland wohl in Übereinstimmung mit der LeeginRechtsprechung des Supreme Courts ausgelegt hätten.352 Marylands LeeginRepealer definiert nun aber ausdrücklich: „[A] contract, combination, or conspiracy that establishes a minimum price below which a retailer, wholesaler, or distributor may not sell a commodity or service is an unreasonable restraint of trade or commerce.“

Pennsylvania ist derzeit der einzige US-Bundestaat, der kein Antitrustgesetz besitzt, aktuell befindet sich der Entwurf einer Kartellverbotsnorm im Rechtsausschuss.353 Diese ist in Anlehnung an Sec. 1 Sherman Act formuliert und strebt grundsätzlich eine Harmonisierung mit Bundesrecht an. Bezeichnenderweise findet sich für RPM aber ein ausdrückliches Verbot ohne Ausnahmemöglichkeit.354 349 O’Brien v. Leegin Creative Leather Products, Inc., 294 Kan. 318 (Kan. 2012); Attorney General per amicus brief v. 12.8.2010 für die Beibehaltung einer per se-Illegalität für RPM, Brief for the State of Kansas as Amicus Curiae, O’Brien v. Leegin Creative Leather Products Inc., No. 08-101000-S. 350 S.B. 124, 58th Leg., 2013 Reg. Sess. (Kan. 2013); der Wortlaut der Grundnorm in Kan. Stat. Ann. § 50-163(c): „reasonable in view of all the facts and circumstances of the particular case and does not contravene public welfare“ wurde ergänzt durch eine Harmonisierungsklausel in Kan. Stat. Ann. § 50-163 (b): „[…] shall be construed in harmony with ruling judicial interpretations of federal antitrust law by the United States supreme court.“ 351 MD. Code Ann., Com. Law. § 11-204(b) (2009) in Kraft seit 1.10.2009. Spezialregelungen jedoch für Zigaretten und Treibstoff, für die laut Gesetz Minimum-Margen festgeschrieben werden und kein Untereinstandspreisverkauf erlaubt ist, siehe MD. Code Ann., Com. Law § 11-501; eingehend mit Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit, Brockmeyer, 67 Wash. & Lee L. Rev. 2010, 1113, 1149. 352 Gavil, 6 CPI 2010 (1), 7. 353 Senate Bill No. 578, Session of 2015. 354 Regular Session 2015–2016 Senate Bill 578: § 904. Prohibited acts. The following acts are prohibited: (1) To contract, combine or conspire in restraint of trade or commerce.

C. Rechtliche Erfassung von Mindest- und Festpreisbindungen

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dd) Gerichtsverfahren auf Staatenebene: die wirtschaftliche und rechtliche Sonderstellung von New York und Kalifornien Bemerkenswert ist die Haltung der bundesstaatlichen Behörden gegenüber RPM. Bereits im Leegin-Verfahren hatten Generalstaatsanwälte von 33 Bundesstaaten unter Federführung New Yorks die Beibehaltung des per seVerbots gefordert.355 In re Nine West wandten sich 2009 post Leegin noch 27 von ihnen gegen den Antrag von Nine West an die FTC.356 Zwar folgen einige Bundesstaaten gesetzlich oder gerichtlich festgelegt dem Bundesrecht und erkennen Leegin an, sodass Behörden in diesen Staaten den erhöhten Beweisanforderungen der rule of reason-Beurteilung gegenüberstehen.357 Die ablehnende Haltung der Generalstaatsanwälte einiger großer Bundestaaten gegenüber RPM ist jedoch ungebrochen und manifestiert sich – dort wo eine Grundlage für solches Handeln besteht – in unvermindert aggressiven Vorgehen gegen RPM.358 Vor allem New York und Kalifornien sind Vorreiter. i)

New York

Das New Yorker Büro des Attorney General ist fast berüchtigt für sein aktives Vorgehen gegen RPM-Vereinbarungen, was auch die im Behördenjargon gebräuchliche Bezeichnung des vertical price fixing illustriert.359 Unmittelbar nach der Leegin-Entscheidung ist man dort in re Herman Miller gegen den Hersteller hochpreisiger Bürostühle vorgegangen. Herman Miller führte eine MSRP-Politik ein, nachdem einige seiner Händler Produkte online und in Zeitungen zu stark reduzierten Preisen angeboten hatten, und beendete in der Folge auch Lieferbeziehungen zu Händlern, die seine Preispolitik nicht befolgten. Die Beschwerde hat dabei darauf verzichtet anzugeben, unter welchem Gesichtspunkt – per se oder rule of reason – die Geschäftspraktik angegriffen werden sollte, obwohl in den drei Bundesstaaten jeweils unterschiedliche (2) To contract, combine or conspire to establish aminimum price below which a retailer, wholesaler ordistributor may not sell a commodity or service; abrufbar: . 355 Brief of the States of New York, et al. as Amici Curiae on Behalf of Respondents, Leegin Creative Leather Products, Inc. v. PSKS, Inc., 551 U.S. 877 (2007). 356 Amended States’s Comments Urging Denial of Nine West’s Petition, No. C-3937 (Jan. 2008), . 357 Gavil, 6 CPI 2010 (1), 7. 358 Jones, 53 Antitrust Bull. 2008, 903, 928. 359 Die Behörden in NY und CA nutzen demonstrativ die in den USA sonst eher unübliche Bezeichnung price fixing oder discounting ban für RPM, vgl. nur ; Hubbard, 29 Antitrust 2014, 95.

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2. Teil: Die Preisbindung der zweiten Hand – ein Rechtsvergleich

Standards in Bezug auf RPM gelten.360 Trotzdem ist im Rahmen dieser Zusammenarbeit von New York, Illinois und Michigan im S.D.N.Y. ein consent decree erwirkt worden.361 Vermittels dessen ist eine Geldbuße verhängt worden und Herman Miller seither angehalten, keine Preisbindungen mit Händlern einzugehen, keine Preise zwischen Händlern zu kommunizieren und Händler auch nicht im Wege von Liefereinstellungen dazu zu bewegen, Mindestpreisempfehlungen zu befolgen. 362 Zwar gilt auch hier grundsätzlich die ratio aus Colgate, dass einseitige Preisempfehlungen möglich sind. Gleichwohl wurde Herman Miller umfassend instruiert inwiefern Preisempfehlungen kommuniziert werden dürfen, insbesondere wurde der Hersteller angewiesen, Preisempfehlungen stets als unverbindlich zu kennzeichnen 363 – für amerikanische Standards ein überraschend paternalistisches Eingreifen. In Sachen Tempur-Pedic364 mussten die Wettbewerbshüter in New York 2010 eine Niederlage hinnehmen. Das Gericht entschied auf Klageabweisung, weil eine Preisbindung aufgrund des New Yorker Donnelly Act dem Wortlaut nach zwar rechtlich nicht durchsetzbar ist, deshalb aber nicht zwangsläufig als illegal anzusehen sei.365 Gescheitert war die Behörde schon am Nachweis einer vereinbarten Klausel.366 Zudem entschied das Gericht, dass die Beschränkung der Bewerbung eines Produkts mit der Discountpreisangabe, also MAP-Strategien nicht tatbestandsmäßig seien. Die RPM-Vorschrift betrifft nämlich expressis verbis nur den Verkauf. Die Behörde lässt auch im Rahmen öffentlicher Äußerungen keinen Zweifel daran aufkommen, dass New York 360

recht.

NY erklärtermaßen per se-Verbot, siehe sogl.; IL: rule of reason; MI folgt Bundes-

361 New York et al. v. Herman Miller, Inc., No. 08-2977 (S.D.N.Y. Mar. 21, 2008) (complaint); New York v. Herman Miller, Inc., No. 08-2977 (S.D.N.Y. Mar. 25, 2008) (consent decree). 362 New York v. Herman Miller, Inc., No. 08-2977 (S.D.N.Y. Mar. 25, 2008), 5. 363 New York v. Herman Miller, Inc., No. 08-2977 (S.D.N.Y. Mar. 25, 2008), 6, 7. 364 People v. Tempur-Pedic International, Inc., 95 A.D.3d 539, 539 (N.Y. App. Div. 2012); People v. Tempur-Pedic International, Inc., No. 400837/10 (N.Y. Sup. Ct., N.Y. Cty., Jan. 14, 2011) (final order); People v. Tempur-Pedic International, Inc., No. 0400837 (N.Y. Sup. Ct., N.Y. Cty. Mar. 29, 2010) (verified petition). 365 Einschlägige Wettbewerbsregelungen in New York aus N.Y. Gen. Bus. Law § 340; rechtswidrig ist „every contract, agreement, arrangement or combination […] whereby competition or the free exercise of any activity in the conduct of any business, trade or commerce or in the furnishing of any service in this state is or may be restrained“; N.Y. Gen. Bus. Law § 369-a: „Any contract provision that purports to restrain a vendee of a commodity from reselling such commodity at less than the price stipulated by the vendor or producer shall not be enforceable or actionable at law“. 366 Die New Yorker Vorschift stellt hohe Anforderungen für die Annahme eines agreement und geht hinsichtlich der Zweiseitigkeit weiter, als die Colgate Voraussetzungen, siehe N.Y. Gen. Bus. Law § 369-a (2012): „Any contract provision that purports to restrain a vendee of a commodity from reselling such commodity at less than the price stipulated by the vendor or producer shall not be enforceable or actionable at law“.

C. Rechtliche Erfassung von Mindest- und Festpreisbindungen

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RPM ohne Ansehen der tatsächlichen Effekte im konkreten Fall strikt missbilligt und entsprechend hart auch gegen MSRPs bzw. MAPs einschreitet. Rechtfertigungen würden von der Behörde grundsätzlich zur Kenntnis genommen, aber seien in der Praxis nie ernsthaft vorgebracht worden.367 Bei privaten Klagen in Sachen Worldhomecenter.com tendierten die Gerichte in New York 2011 verschiedentlich eher dazu, hinsichtlich vertikaler Preisbindung Leegin als anwendbaren Beurteilungsstandard für den Donnelly Act zu übernehmen, wenngleich es bisher kein klares Bekenntnis gibt.368 Gekennzeichnet waren die Klagen durch ein Scheitern an vorgelagerten Voraussetzungen (failure to state a claim; demurrer), nicht aufgrund der Abwägung im Rahmen der rule of reason. Gegenstand waren in Worldhomecenter.com nämlich IMAPs, also Internet Minimum Advertised Prices, die tatsächlich bloß die Werbung mit Diskountpreisen ausschließen.369 Gerichte tun sich in solchen Fällen noch schwer mit einer analogen Anwendung, auch wenn man mit Recht einwenden kann, dass es – vor allem in Bezug auf den Internethandel – fragwürdig ist, zwischen beworbenem und tatsächlichen Preis zu unterscheiden. Kein Verbraucher geht eine Kaufentscheidung in der Hoffnung ein, der beworbene und der tatsächliche Preis könnten zu seinen Gunsten divergieren. Hier zeigt sich – auch im föderalen System – wie formalistisch US-amerikanische Gerichte bei der Klassifizierung von Vereinbarungen teilweise vorgehen. 367 Robert L. Hubbard, Assistant Attorney General, Antitrust Bureau, New York State Office of the Attorney General i.R. persönlicher Gespräche am 7.4.2014 in NYC und am 29.4.2014 in Washington D.C.; auch am 29.4.2014 i.R.e. Podiumsdiskussion, Antitrust Spring Meeting, ABA Section of Antitrust Law, Washington D.C; vgl. auch Hubbard, 29 Antitrust 2014, 95–99. 368 Worldhomecenter.com, Inc. v. KWC America, Inc., 2011 WL 4352390 (S.D.N.Y. Sept. 15, 2011): „While we see no reason to depart from the decisions in PLC Lighting, Franke, and Tempur-Pedic that the rule of reason is the standard applicable to a vertical RPM claim under the Donnelly Act, we are reluctant to reach the question of what standard a New York court would apply before we are satisfied that the complaint states a plausible claim under either standard. Because we conclude that the complaint does not sufficiently allege a Donnelly Act claim, we do not reach the issue of whether New York law will diverge from federal law post-Leegin. Railroad Comm’n of Tex. v. Pullman Co., 312 U.S. 496, 499–500 (1941): „[N]o matter how seasoned the judgment of the district court may be, it cannot escape being a forecast rather than a determination“ of unclear state law.”; Worldhomecenter.com, Inc. v. PLC Lighting, Inc., 851 F. Supp. 2nd 494, 501–502 (S.D.N.Y 2011); Worldhomecenter.com, Inc. v. Franke Consumer Products, Inc., 2011 WL 2565284 (S.D.N.Y. June 22, 2011); Lindsay, Antitrust Source Oct. 2014, 11. 369 Worldhomecenter.com, Inc. v. KWC America, Inc., 2011 WL 4352390 (S.D.N.Y. 2011): „At least one district court, in a case brought by the present plaintiff and decided prior to the Leegin decision, appears to have been persuaded by this reasoning. See Worldhomecenter.com, Inc. v. L.D. Kichler Co., 2007 WL 963206 (E.D.N.Y. 2007) (denying motion to dismiss Sherman Act claim that an internet minimum advertised price policy constitutes vertical price fixing). We, however, are not persuaded.“

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2. Teil: Die Preisbindung der zweiten Hand – ein Rechtsvergleich

In Actavis,370 ging der District Court des S.D.N.Y. in seiner Anwendung der rule of reason deutlich über Leegin hinaus. Bei der Entscheidung ob eine beschränkende Vereinbarung unter Sec. 1 Sherman Act tatsächlich unreasonable und damit verboten ist, seien alle Umstände eines Falles in Betracht ziehen.371 In Einklang mit einer weiteren Entscheidung aus 2013372 sollen Faktoren wie spezifische Geschäftsinhalte, die Geschichte der Beschränkung, Natur und Effekt und die Marktmacht des Unternehmens mit einbezogen werden. Auch wenn dies auf den ersten Blick wie die ratio aus Leegin wirkt, wird Actavis in New York behördlich dahingehend interpretiert, dass New Yorker Gerichte bei einer rule of reason-Bewertung einen strikten Maßstab an die Behauptung von resonableness bezüglich bestimmter Beschränkungen anlegen könnten. Für RPM wird in gewisser Weise die Möglichkeit eines inherently suspect approachs bzw. der presumptive illegality gesehen.373 Wichtigste Neuerung war nämlich, dass das Gericht die rule of reason hier klägerfreundlich auslegte. Ungeachtet der gemischten Ergebnisse streitiger RPM-Fälle in New York werden zwei Aspekte im Hinblick auf die RPM und den rule of reason-Maßstab deutlich: Zum einen existiert eine klare Linie der Behörden, die hochsensibel gegenüber RPM aber auch gegenüber Preisempfehlungen eingestellt sind. Dies ist deshalb entscheidend, weil private Schadensersatzklagen wegen RPM aufgrund der Komplexität der Klagevoraussetzungen nach wie vor die Ausnahme darstellen. Im Rahmen angestoßener kartellrechtlicher Verfahren kommt behördlichen Klägern zum anderen der flexible Maßstab einer rule of reason-Bewertung zugute. Gerichte könnten bei hochpreisigen oder wiederholt gekauften Produkten nämlich geneigt sein, aufgrund von Verbraucherschutzargumenten die Beweislast für echte Effizienzgewinne dem Beklagten aufzuerlegen.374 Die Anwendung der rule of reason durch Gerichte in zunehmend klägerfreundlicher Methodik ist mithin keineswegs unwahrscheinlich. Damit ist eine echte RPM-Strategie in New York weiterhin riskant.

The People of The State of New York v. Actavis PLC et al., No. 1:2014cv07473 – Doc. 80 (S.D.N.Y. 2014); State of New York v. Actavis PLC et al., No. 14-4624, Doc. 354 (2d. Cir. 2015); vgl. auch die Konstellation bei FTC v. Actavis, 133 S. Ct. 2223 (2013). 371 Mit Verweis auf Leegin Creative Leather Products, Inc. v. PSKS, Inc., 551 U.S. 877 (2007), 885. 372 Commc’ns, Inc. v. PMC Associates, L.L.C., 711 F.3d, 68, 75 (2nd Cir. 2013). 373 Robert L. Hubbard, Assistant Attorney General, Antitrust Bureau, New York State Office of the Attorney General i.R. persönlicher Gespräche am 7.4.2014 in NYC und am 29.4.2014 in Washington D.C., s. a. Hubbard, 29 Antitrust 2014, 95 ff. 374 Wettbewerbsbehörden in den USA sind in der Regel auch Institutionen des staatlichen Verbraucherschutzes und üben ihre Befugnisse insofern gebündelt aus. 370

C. Rechtliche Erfassung von Mindest- und Festpreisbindungen

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ii) Kalifornien: per se-Verbot und Colgate-Doktrin Kalifornien nimmt wirtschaftlich und rechtlich ebenfalls eine Sonderrolle ein. 2013 haben zwei Gerichte entschieden, dass RPM trotz Leegin in Kalifornien unter Staatenrecht weiter als per se-illegal gilt.375 Die kalifornischen Wettbewerbshüter hatten sich unmittelbar nach Leegin zur weiterhin scharfen Verfolgung von RPM-Vereinbarungen bekannt, was zunächst an zwei Fällen in der Kosmetikbranche – People v. DermaQuest 376 und People v. Bioelements377 deutlich wurde. In beiden Fällen führte das Büro des Attorney General Vergleiche (consent decrees) herbei, nachdem es recht eindeutige RPMVereinbarungen in den Vertriebsverträgen fand, die es unter dem Cartwright Act378 beanstandete. Im Fall DermaQuest bestimmten sowohl die Verträge im Großhandel als auch die Verträge mit den Einzelhändlern, dass die ultimative Preisgestaltung niemals den Minimum Suggested Resale Price unterschreiten dürfe.379 In Bioelements bestand ein klarer Bezug zum Online-Handel. Der Kosmetikhersteller hatte unverblümt die Preise für den Internetverkauf gebunden, um Discountverkäufe über das Internet zu verhindern. Für den Ver375 Zum Verhältnis von Sherman Act und Cartwright Act zur Beurteilung von RPM Mailand v. Burckle, 20 Cal 3d 367, 572 P.2nd 1142, 1147–1148 (Cal. 1978); Harris v. Capitol Records Distrib. Corp., 64 Cal.2d 454, 413 P.2d 139, 145 (Cal. 1966); Chavez v. Whirlpool Corp., 113 Cal. Rptr. 2d 175, 179–180 (Cal. Ct. App. 2001); a. A. Autorität des Sherman Act auch für Cartwright Act-Auslegung, s. Clayworth v. Pfizer, Inc., 49 Cal. 4th 758, 233 P.3d 1066, 111 Cal. Rptr. 3d 666 (Cal. 2010); zur Eigenständigkeit des Cartwright Act, s. z. B. State of California ex rel. Van de Kamp v. Texaco, Inc., 46 Cal. 3d 1147, 1165 (1988) und Asahi Kasei Pharma Corp. v. CoTherix, Inc., 138 Cal. Rptr. 3d 620, 626 (Cal. Ct. App. 2012), siehe für weitere Nachweise nur Lindsay, Overview of State RPM, Antitrust Source Oct. 2014. 376 People v. Dermaquest, Inc., Case No. RG 1049756 (Cal. Super. Ct. Alameda County Feb. 23, 2010). 377 People v. Bioelements, Inc., File No. 10011659 (Cal. Super. Ct. Riverside County, filed Dec. 30, 2010) (complaint); consent decree filed Jan. 11, 2011. 378 Cal. Bus. & Prof. Code § 16726: „every trust is unlawful, against public policy and void“; Cal. Bus. & Prof. Code § 16720 (A) definiert trust als Vereinbarung „to create or carry out restrictions in trade or commerce“; Cal. Bus § Prof. Code § 16720 (b), der den trust weiterhin definiert als Vereinbarung „to limit or reduce the production, or increase the price of merchandise or any commodity“; Cal. Bus. & Prof. Code §16720 (d): trust als Vereinbarung „to fix any standard or figure, whereby ist price to the public or consumer shall be in any manner controlled or established, any article or commodity of merhandise, produce or commerce intended for sale, barter, use or consumption in this State“; Cal. Bus &Prof. Code § 16720 (e): trust als Vereinbarung „to agree in any manner to keep the price of such article, commodity or transportation at a fixed or graduated figure“ oder „establish or settle the price of any article […] between them or themselves and others, so as directly or indirectly to preclude a free and unrestricted competition among themselves, or any purchasers or consumers in the sale or transportation of any such article or commodity“. 379 People v. DermaQuest, Inc., Case No. RG 10497526 (Cal. Super. Ct. Alameda County Feb. 23, 2010), siehe Abs. 11 und 12 der Beschwerde.

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2. Teil: Die Preisbindung der zweiten Hand – ein Rechtsvergleich

kauf im Laden wurde die absolute Beachtung der Minimum Suggested Resale Prices nicht thematisiert. Damit waren in Kalifornien gleich zweimal sog. Pharmaceuticals, also Kosmetika mit (angeblich fast) medizinischen Wirkungen betroffen. Charakteristisch sind das also Produkte, bei deren Auswahl der Nutzer wenig tatsächliche Möglichkeiten hat, ein Preis-Leistungsverhältnis objektiv zu beurteilen, mithin eine Informationsasymmetrie bei gleichzeitig hoher Zahlungsbereitschaft für – unbezahlbaren – gesundheitlichen Nutzen besteht. Trotz einiger Einwände bei Luxusartikeln, sind die Behörden in den Staaten sehr sensibel gegenüber dieser Konstellation von Übervorteilung von Konsumenten. 380 Gerichtlich wurde diese Haltung 2013 anlässlich eines weiteren Falls in der Kosmetikbranche bestätigt. In Sachen Darush v. Revision (Lovely Skin Inc.)381 klagte der Arzt Alan Darush gegen Revision LP, nachdem der Hersteller von Hautpflegeprodukten die Belieferung eingestellt hatte. Alan Darush hatte zuvor die Preisempfehlung des Herstellers auch nach einer wiederholten Kontaktaufnahme und Drohung mit Lieferstopp durch die Mitarbeiter von Revision ignoriert. Auf Grundlage des kalifornischen Business Codes, des Cartwright Act, wandte sich Darush klageweise gegen das vertikale price fixing zwischen Revision und dessen Händlern.382 Zwar stellte das Gericht fest, dass Colgate auch in Kalifornien Bestand habe, mithin eine Preisempfehlung auch in Verbindung mit dem einseitigen Belieferungsstopp unter Cartwright Act nicht angreifbar sei. Vertikale Preisbindungsvereinbarungen seien jedoch unter Staatenrecht nach wie vor per se-illegal, woran der Rechtsprechungswechsel auf Bundesebene nichts ändere.383 Im weiteren Verfah380 Der Vergleich führte zur Selbstverpflichtung, auf RPM zu verzichten; vgl. Parallelfälle aus dieser Branche z. B. in Deutschland, WALA Heilmittel. 381 Alan Darush MD APC v. Revision LP, No. 12-cv-10296, 2013 WL 1749539 (C.D. Cal. Apr. 10, 2013), Darush scheiterte zunächst an der Schlüssigkeit (failure to state a claim), konnte die Vereinbarung jedoch – nachdem ihm die Erweiterungsmöglichkeit belassen worden war – später belegen. Anträge auf Klageabweisung abgelehnt Juli 2013, siehe Alan Darush MD APC v. Revision LP, No. 12-cv-10296 (C.D. Cal. July 16, 2013); Alsheik v. Superior Court, No. B249822, 2013 WL 5530508 (Cal. App. 2 Dist. Oct. 7, 2013), review denied (Jan. 15, 2014), siehe für weitere Nachweise Lindsay, Overview of State RPM, Antitrust Source Oct. 2014. 382 Darush MD APC v. Revision LP, No. 12-cv-10296, 2013 WL 1749539 (C.D. Cal. Apr. 10, 2013), 4–5 383 Darush, 2013 WL 1749539, 6, insb. m. V. a. Chavez v. Whirlpool Corp., 113 Cal. Rptr. 2d 175, 180 (Cal. Dist. Ct. App. 2001) und die fortgeltende Rechtsprechung aus Mailand v. Burckle, 20 Cal 3d 367, 572, 572 P.2nd 1142, 1147–1148 (Cal. 1978); der Cartwright Act wurde zunächst in std. Rspr. parallel zum Sherman Act interpretiert, s. insofern frühe Rechtsprechung Chicago Title Ins. Co. v. Great Western Financial Corp., 69 Cal. 2d 305 (Cal. 1968): The Cartwright Act is „patterned upon the federal Sherman Act and both have their roots in the common law; hence federal cases interpreting the Sherman Act are applicable with respect to the Cartwright Act“; Mailand v. Burckle, 20 Cal 3d 367,

C. Rechtliche Erfassung von Mindest- und Festpreisbindungen

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rensgang befand das Gericht den Klägervortrag hinreichend plausibel, um auf eine Vereinbarung zwischen Revision und einem anderen Händler, Lovely Skin, Inc., die darauf abzielte, Preise zu binden und diskontierende Händler zu eliminieren, zu schließen. Mit anderen Worten: Das Gericht respektiert zwar die ratio aus Colgate, stufte die Kommunikation zwischen Revision und einem anderen Händler aber als eine entsprechende Vereinbarung ein.384 In einem etwas ungewöhnlich angelegten Sachverhalt in re Sara Lee,385 wurden Preisbindungen zuletzt von dem Los Angeles Superior Court beurteilt, der eine harmonisierte Auslegung des Cartwright Act andeutete. Allerdings entzog sich das Gericht einer grundsätzlichen Äußerung zum Thema per seIllegalität in Kalifornien und verlegte sich darauf, ein price fixing klägerseitig als nicht ausreichend dargestellt zu sehen. In der gleichen Sache hatte das Instanzgericht – ebenfalls ohne Feststellung zum konkreten Vorliegen einer Preisbindung – wenigstens hypothetisch geäußert, dass RPM sehr wohl eine Verletzung des Cartwright Act darstellen würde. 386 Nichtsdestoweniger müssen Unternehmen für die Risikobewertung von RPM-Praktiken bis auf weiteres die Äußerungen der Behörden ernst nehmen und damit rechnen, dass deren Einschätzung auch gerichtlich gestützt wird. Das Büro des kalifornischen Attorney General konzentriert sich nach wie vor auf vertikale Preisbindungen, was sich nicht nur an den aufgegriffenen Fällen zeigt, sondern auch durch öffentliche Äußerungen zur Wettbewerbspolitik dokumentiert wird.387 Die Bedeutung der Rechtslage in Kalifornien ist vor allem aufgrund seiner Wirtschaftsleistung nicht zu unterschätzen. In einer national ausgerichteten 572 P.2nd 1142 (Cal. 1978); G.H.I.I. v. MTS, Inc., 147 Cal. App. 3d 256, 265 (Cal. App. 1st Dist. 1983); hingegen seit den 1990er-Jahren für eine Auslegungshilfe des Sherman Act: Morrison v. Viacom, Inc., 66 Cal. App. 4th 534, 541 (1998) (Cal. App. 1st Dist 1998): „Federal Law interpreting the Sherman Antitrust Act section 1 […] is useful when addressing issues arising under the Cartwright Act“ (Hervorh. d. Verf.); zur abweichenden Auslegung von Sherman und Cartwright Act siehe Aryeh v. Canon Business Solutions, 55 Cal. 4th 1185, 1195 (Cal. 2013): „Interpretations of federal antitrust law are at most instructive, not conclusive, when construing the Cartwright Act, given that the Cartwright Act was modeled not on federal antitrust statutes but instead on statutes enacted by California’s sister states around the turn of the 20th century.“ 384 Darush MD APC v. Revision LP (Darush II), No. 12-cv-10296 (C.D. Cal. July 16, 2013), s. nur Lindsay, Repatching the Quilt: An Update on State RPM Laws, Antitrust Source Feb. 2014, 3. 385 Kaewsawang v. Sara Lee Fresh, Inc., No. BC360109 (Cal. Los Angeles Superior Ct. May 6, 2013). 386 Alsheikh v. Superior Court, B249822, 2013 WL 5530508 (Cal. App. 2 Dist. Oct. 7, 2013), rev. denied (Jan. 15, 2014); m. V. a. Kunert v. Mission Financial Services Corp., 110 Cal. App. 4th 242, 263 (2003). 387 Kathleen Foote, Senior Assistant, Cal. Dept. Justice am 29.4.2014 im Rahmen einer Podiumsdiskussion, Antitrust Spring Meeting, ABA Section of Antitrust Law, Washington D.C.

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2. Teil: Die Preisbindung der zweiten Hand – ein Rechtsvergleich

Produktsparte ist sowohl auf Produktionsseite als auch auf Vertriebsseite der kalifornische Markt nicht zu umgehen. Sobald Online-Handel eine Rolle spielt sind Interstate-Wirkungen kaum vermeidbar. Marktteilnehmer, die eine wirtschaftliche Auswirkung in Kalifornien nicht sicher ausschließen können, riskieren also eine Verletzung kalifornischen Rechts. In der Anwaltspraxis werden deshalb teilweise Preisbindungen mit auflösenden Bedingungen für Kalifornien formuliert. Insbesondere bei großen Unternehmen droht jedoch eine solche Komplexität von Sonderregelungen, dass diese auf echte Preisbindungen eher verzichten. ee) Bewertung Die Betrachtung der Rechtslage zur Preisbindung post Leegin Jahren gleicht der eines Flickenteppichs. Zwar ereigneten sich insbesondere in den Jahren 2013/2014 diverse Rechtsprechungswechsel und Gesetzesinitiativen in einigen Einzelstaaten, das Gesamtbild bleibt jedoch unverändert. Dieses Ergebnis kann man aus europäischer Perspektive, die vor allem die Supreme-CourtRechtsprechung in Sachen Leegin wahrgenommen hat, als einigermaßen überraschend bezeichnen. Trotz unterschiedlicher Ergebnisse der streitigen Fälle in New York und Kalifornien, sehen einige große Staaten RPM-Vereinbarungen weiter als per se-verbotenes price fixing an (CA, MD) und in vielen weiteren ist ein behördliches Aufgreifen und die Verfolgung von RPM zumindest nicht ausgeschlossen. Die Gefahr kartellrechtlich unangenehmer Konsequenzen in Form von privaten oder behördlichen Schadensersatzklagen bzw. Bußgeldern in außergerichtlichem Vergleich ist mithin auch post Leegin sehr real. Auch wenn die Gruppe von Jurisdiktionen mit einer klaren Ablehnung von RPM quantitativ unterlegen erscheint, stellen Kalifornien und New York nicht nur inneramerikanisch wichtige Märkte dar. Kalifornien ist die größte Volkswirtschaft der USA, gefolgt von New York auf Platz drei.388 Die Bruttoinlandsprodukte von New York und Kalifornien sind vergleichbar mit dem von Deutschland. Hersteller in den USA können diese Staaten bei der Planung ihres Vertriebes also nicht umgehen, weil sie Hauptabsatzmärkte darstellen. Die dortige gesetzliche Rechtslage389 für Vertriebsvereinbarungen 388 BIP von 2014: CA: 2.113.280 Mio. USD; aktualisierte Zahlen 2015 gehen von einem nominalen BIP von rd. 2300 Mrd. USD aus, womit auf Kalifornien 13,3 % des Gesamt-BIP der USA entfallen und der Staat die siebtgrösste Volkswirtschaft der Welt darstellt; NY 1.279.921 Mio. USD (8,1 %); 15.773.516 Texas rangiert auf Rang zwei (1.467.342 Mio. USD/9,5 %); statistische Daten US Department of Commerce, Bureau of Economic Analysis (Stand 2014), abrufbar . 389 Mit Kritik an der Verfassungsmäßigkeit von Inkonsistenzen des Antitrust-Föderalismus, Bruckmann, 39 Hastings Const. L. Q. 2011, 391, 392; verfassungsrechtlich angegriffen wurden Leegin-Repealer jedoch nicht.

C. Rechtliche Erfassung von Mindest- und Festpreisbindungen

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bzw. die behördliche Sensibilität bildet damit – insbesondere im Internetzeitalter – einen Flaschenhals; bundesweit uniforme Vertriebspraktiken können keine reine RPM-Vereinbarung umfassen, sondern sich allenfalls in den Grenzen von Colgate und MSRPs oder MAPs bewegen. Eine flächendeckende Einführung von reinen RPM-Strategien über Staatengrenzen hinweg ist deshalb nicht zu erwarten. Auch in diesen Fällen besteht jedoch ein Restrisiko des behördlichen Aufgreifens solcher Vereinbarungen und die Wertung als per se-verbotene oder selbst nach rule of reason-Bewertung rechtswidriger Vereinbarung. 390 4. Die aktuelle Rechtslage in der Gesamtbetrachtung Die Neubewertung der Preisbindung der zweiten Hand in den USA anhand des Leegin-Urteils kommt an der Einbeziehung des historischen Kontexts nicht vorbei. Die rechtliche Beurteilung von Vertriebsvereinbarungen – preislicher und nichtpreislicher – unterlag zum einen dem großen Umschwung der Stimmung gegenüber Unternehmen und der Chicago School im Supreme Court der 1970er und 1980er-Jahren, die die Hürden für Antitrust-Kläger nach und nach erhöhte. Mit den Meilensteinen Sylvania, der den InterbrandWettbewerb zum primären Schutzgut erklärte und die per se-Illegalität von vertikalen Beschränkungen abschaffte, Monsanto, der die Normalität von Preiskommunikation zwischen Hersteller und Händler betonte und damit die Herleitung einer RPM-Vereinbarung erschwerte und Business Electronics, der den Anwendungsbereich von Dr. Miles und der per se-Regel hinsichtlich der Preisbindungsvereinbarung weiter eingrenzte und letztlich Khan, der Höchstpreisbindungen der rule of reason unterstellte, war der Pfad von RPM und der per se-Illegalität bereits weitgehend vorgezeichnet. Konsequent weiter beschritten hat ihn der Supreme Court insofern in Leegin, als er die per seRegel 2007 auch für Mindestpreisbindungen verwarf. Auch Leegin stellt einen solchen Meilenstein dar, aber nicht in Bezug auf die abschließende Beurteilung von Preisbindungen. Die Mehrheitsentscheidung hat ausdrücklich davor gewarnt, potentielle anti-kompetitive Effekte der Preisbindung zu übersehen.391 Zwar ist eine Welle von Preisbindungsklagen ausgeblieben, der gerichtliche Konkretisierungsprozess ist jedoch auf anderer Ebene fortgeschritten. Markant ist nach Leegin die Änderung der Windrichtung: In rule of reason-Fällen gewinnen plötzlich auch Kläger. Neben der bereits angesprochenen 5 zu 4 Entscheidung Actavis aus 2013 erging die Entscheidung in Sachen American Needle 2010 einstimmig für den Kläger.392 390 So im Fazit auch, Lindsay, A Tale of Two Coasts: Recent RPM Enforcement in NewYork and California, Antitrust Source Apr. 2011. 391 Leegin Creative Leather Products, Inc. v. PSKS, Inc., 551 U.S. 877, 878 (2007). 392 American Needle, Inc. v. National Football League, 560 U.S. 183 (2010), dazu sogleich.

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2. Teil: Die Preisbindung der zweiten Hand – ein Rechtsvergleich

Actavis und American Needle führen den rule of reason-Prozess fort: Antitrustlitigation soll sich nach dem Dafürhalten des amerikanischen obersten Gerichts wieder an den Grundwerten eines flexiblen, für die jeweilige Beschränkungsart angemessenen Maßstabes orientieren. Dass dieser in Bezug auf die Preisbindung jedoch liberaler ausgestaltet wird als zuvor, ist vom heutigen Stand aus nicht ersichtlich. Selbst ohne dass sich die behördlichen Ansätze zum Beweislastgefüge unter truncated rule of reason-Ansätzen (namentlich der inherently suspect approach) methodisch durchsetzen, dreht sich auch eine rule of reason-Bewertung nach Actavis um bestimmte relevante, zweckdienliche und vor allem beweisbare Aspekte der ökonomischen Analyse von Preisbindungen. 393 Liest man Leegin zusammen mit Business Electronics bedeutete dies höchstwahrscheinlich den Nachweis gesteigerten Produktabsatzes trotz höherer Preise.394 Wie die ökonomische Analyse suggeriert, sind aber beispielsweise selbst erwiesen erhöhte Absatzzahlen des preisbindenden Herstellers unter Umständen kein ausreichender Beweis unter der rule of reason. Um Konsumenten einen Vorteil zu bringen, dürften die Absatzzahlen nicht nur das Ergebnis verlagerter Nachfrage zugunsten des preisbindenden Herstellers sein. Für die Annahme pro-kompetitiver Effekte müssten sich vielmehr die Absatzzahlen des gesamten Marktes vergrößern und diese müssten direkt kausal auf die Beschränkung zurückgehen, nicht aber auf bloße Margensteigerung.395 Sollten Gerichte ökonomische Erwägungen in dieser Richtung aufgreifen, bedeutet auch ein rule of reason-Maßstab eine schwer überwindbare Beweislasthürde für RPM. Obwohl die konkrete Ausgestaltung der rule of reason in Bezug auf Preisbindungen abzuwarten bleibt, werden bloß theoretische Effizienzgewinne in Zukunft kaum zur Rechtfertigung von RPM ausreichen. Der zweite wichtige Befund der Untersuchung ist die unwägbare Lage unter dem Recht der Einzelstaaten. Sie führt dazu, dass sich die staatenübergreifende Rückfallstrategie für das unternehmerische Bestreben der „Preispflege“ in unilateral conduct, also legitimen Colgate-Preisempfehlungen erschöpft.396 In 393 „Similarly, as we indicated in Continental T.V., Inc. v. GTE Sylvania Inc., a restraint in a limited aspect of a market may actually enhance marketwide competition“ NCAA v. Board of Regents of the University of Oklahoma, 468 U.S. 85, 103 (1984), zustimmend Hubbard, 29 Antitrust 2014, 95. 394 Mit Verweis auf Mathewson / Winter, 13 Rev. Ind. Organ. 1998, 57 und Business Electronics, Leegin Creative Leather Products, Inc. v. PSKS, Inc., 551 U.S. 877, 896 (2007): „A manufacturer has no incentive to overcompensate retailers with unjustified margins. […] As a general matter, therefore, a single manufacturer will desire to set minimum resale prices only if the ‚increase in demand resulting from enhanced service […] will more than offset a negative impact on demand of a higher retail price.“ 395 Normativ argumentiert auch Hubbard, 29 Antitrust 2014, 96. 396 So vorausgesagt von Fabricius, 9 N.C. J. L. & Tech. 2007, 87 ff; Romano, 55 Antitrust Bull. 2010, 513 ff, 537.

C. Rechtliche Erfassung von Mindest- und Festpreisbindungen

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den letzten Jahren zeigt sich das in Verbindung mit internetbezogenen Ausweichstrategien, sog. (Internet) Minimum Advertised Prices, also der Regelung und Einschränkung von verlautbarten Preisen im (Internet-) Handel. Diese (I)MAP-Strategien sind grundsätzlich legal: verknüpft mit einer einseitigen Ankündigung, die Geschäftsbeziehung mit Händlern einzustellen, die ihre Produkte unter dem empfohlenen Mindestpreis verkaufen oder bewerben, sogar scheinbar unangreifbar. Dieser Befund ist nach wie vor zentral, weil Colgate auch in Staaten, die RPM als per se-illegal begreifen, die primäre Verteidigung gegenüber privaten oder behördlichen Klagen darstellt. Ironischerweise führt gewissermaßen das rigide Staatenrecht dazu, dass – anders als in der Fair-Trade-Ära – keine echten RPM-Vereinbarungen in Verträge aufgenommen werden. Mithin stellt sich gar nicht erst die Situation, dass Hersteller bzw. Lieferanten (Mindest-) Preisempfehlungen gerichtlich geltend machen. Auch hier erweist sich Leegin jedoch als überraschend, ja fast ironisch. Der Leegin-Court selbst hatte Colgate kritisiert, weil die ökonomischen Effekte von einseitigen und konsensualen vertikalen Preisvorgaben grundsätzlich die gleichen sind.397 Einseitige, im Rahmen einer Colgate-Politik durchgesetzte Mindestpreise unter einem rule of reason-Maßstab anzugreifen, ist damit wohl die wirksamste Methode, sogar Preisempfehlungen auf ihre wettbewerbsbeschränkenden Wirkungen testen zu können. Gleiches gilt auch für die ebenfalls genannten Praktiken von (I)MAPs, also preislicher Werbung. Dies gilt sowohl vor Behörden, als auch in Bezug auf Verfahren, in denen eine Jury über Wohl und Wehe von Preisbindungen entscheidet.398 Leegin’s Kernaussage „substance over form“ strahlt somit nicht nur auf die per seIllegalität von Preisbindungen aus, sondern auch auf die aus der per seIllegalität entstandenen Doktrinen wie Colgate. Bester Beleg für diese Entwicklung ist die einstimmige Entscheidung in American Needle: „The key is whether the alleged ‘contract, combination […], or conspiracy’ is concerted action – that is, whether it joins together separate decisionmakers. The relevant inquiry, therefore, is whether there is a ‘contract, combination […] or conspiracy’ amongst ‘separate economic actors pursuing separate economic interests,’ such that the agreement ‘deprives the marketplace of independent centers of decisionmaking.’ “399

Die per se-Illegalität war – wie Colgate noch heute – formalistisch, nicht funktional und ist deshalb zu Recht in Leegin verworfen worden. Ohnehin war die per se-Regel an sich nur der Ausfluss einer orientierungslosen rule of reason-Rechtsprechung. Wichtigste Erkenntnis ist deshalb, dass RPMMit Verweis auf Monsanto Co. v. Spray-Rite Service Corp., 465 U.S. 752, 762–764 (1984), Leegin Creative Leather Products, Inc. v. PSKS, Inc., 551 U.S. 877, 903 (2007). 398 Colgate-Strategien waren schon immer besonders anfällig dafür, vor einer Jury zu scheitern, s. a. Lindsay, Resale Price Maintenance: Real Life Lessons from a Mock Trial, Antitrust Source Jun. 2008. 399 American Needle, Inc. v. National Football League, 560 U.S. 183, 195 (2010). 397

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2. Teil: Die Preisbindung der zweiten Hand – ein Rechtsvergleich

Vereinbarungen – und im Übrigen auch verwandte einseitige Maßnahmen – nicht liberaler oder gar als per se-legal beurteilt werden. Vielmehr entwickelt sich auch und gerade anhand der vertikalen Preisbindung ein differenziertes Beurteilungsregime, das vertikale Preisbindungen – unverändert – skeptischer beurteilt als andere vertikale Beschränkungen. Dieser Befund gilt tendenziell auch für Fragen der Marktanteilsgrenzen, wenngleich die Bewertung von Marktanteilen in den USA methodisch unregelmäßiger vorgenommen wird. Mithin kann man die rechtliche Entwicklung in den USA insgesamt als von einem formalistischen System zu einem auf ökonomischen Tatsachen basierenden Regime bezeichnen. Gleichwohl kommt es aufgrund der einer Rechtsordnung innewohnenden Maßgabe des Möglichen auch hier nicht zu einer Abwägung pro- und anti-kompetitiver Effekte der Preisbindung im Einzelfall, die gar anhand naturgesetzlicher Gegebenheiten vorgenommen werden könnte. Vielmehr bildet sich auch innerhalb einer funktionaleren Betrachtung ein Bewertungsmaßstab heraus, der auf Tendenzbeurteilungen beruht und – konkret – die Preisbindung aus der Gruppe der übrigen vertikalen Wettbewerbsbeschränkungen heraushebt. Sie stehen somit zwischen den verbliebenen hard core violations, also Kartellverstößen, die nach wie vor als per se-illegal gelten und nicht gerechtfertigt werden können, und weniger schädlichen vertikalen Vereinbarungen, die bereits früher einer Rechtfertigung zugänglich waren. Nicht jedoch bedeutet dies, dass Preisbindungen seither regelmäßig toleriert würden. Wo sie einer gerichtlichen Überprüfung standhielten, lag dies in der Regel an prozessualen Besonderheiten der Beweisbarkeit einer Vereinbarung oder anderen Aspekten. Jedenfalls ist kein Fall bekannt, in dem Preisbindungen hätten gerichtlich durchgesetzt werden können. Wenngleich Details in Bezug auf die Anwendung der rule of reason auf RPM noch ungeklärt bleiben, ist keine echte Liberalisierung erkennbar. Am sichtbarsten wird dies anhand der Haltung der Behörden und zwar sowohl auf Staaten- als auch auf Bundesebene, wenngleich eine gewisse natürliche Arbeitsteilung besteht. Während sich die Behörden auf Bundesebene bei vertikalen Wettbewerbsbeschränkungen eher zurückhalten, verfolgen die Staaten RPM nach wie vor aggressiv. Ausgehend von diesen Ergebnissen ist der Blick nach Europa interessant: Zum einen könnte – wie die Haltung der US-Bundesstaaten in den USA – im transatlantischen Wirken internationaler Unternehmen das restriktivste Beurteilungsregime maßgeblicher Standard für die Selbstbewertung und Planung von RPM-Geschäftspraktiken sein. Die rigide Regelung und Durchsetzung in Europa ist für US-Unternehmen alles andere als unbeachtlich, sondern hohe und kritisierte Schranke. Geklärt werden soll deshalb, ob und inwieweit der europäische Ansatz tatsächlich formbasiert und bzw. exklusiv für Preisbindungsstrategien ist. Zum anderen orientieren sich die Wettbewerbshüter in den USA durchaus an der europäischen Beurteilung vertikaler Preisvereinbarungen.400

C. Rechtliche Erfassung von Mindest- und Festpreisbindungen

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II. Die Preisbindung der zweiten Hand in der EU Die Aufgabe des per se-Verbotes der Preisbindung in den USA hat in Europa eine Debatte um die wettbewerbspolitische Vorbildfunktion der LeeginEntscheidung bei der Beurteilung der vertikalen Preisbindung angestoßen. Gemäß der traditionellen Leitbildfunktion des US-amerikanischen Kartellrechts für die europäische Kartellrechtsentwicklung könnten die in Leegin aufgestellten Grundsätze auch für Europa beachtlich sein. Die derzeitige rechtliche Beurteilung der Preisbindung als Kernbeschränkung, die der Freistellungswirkung der GVO entzogen ist, wird in Europa zuweilen als Pendant zum früheren amerikanischen per se-Verbot angesehen und entsprechend für ihre mangelnde Durchlässigkeit kritisiert. Nach der ökonomischen Analyse im ersten Teil, die eine kritische Beurteilung der Preisbindung nach wie vor nahelegt, ist nun in rechtlicher Hinsicht zu überprüfen, inwieweit der Vergleich tatsächlich standhält und ob und ggf. bei welchen Aspekten der amerikanische und der europäische Beurteilungsrahmen in Bezug auf Preisbindungen auseinanderfallen. Für den status quo des Preisbindungsverbots und dessen Anwendung im europäischen Recht bildet die systematische Betrachtung des Art. 101 Abs. 1 und 3 AEUV zusammen mit der im Jahr 2010 neu aufgelegten VertikalGVO 330/2010 und den begleitenden Leitlinien den Schwerpunkt. 1. Das umfassende Verständnis der vertikalen Preisbindung Die vertikale Preisbindung wird primärrechtlich von Art. 101 Abs. 1 AEUV erfasst. Sowohl die europäische Rechtsprechung als auch die Kommission teilen seit jeher die Auffassung, dass Preisbindungen in Vertriebssystemen schädliche Wettbewerbsbeschränkungen darstellen.401 Dabei unterscheiden Kommission und Gerichte nicht, ob die Preise im Wege einer Preisbindung der zweiten Hand im Wiederverkauf  402 oder auch und ausschließlich Preise im Einzelhandel vorgeschrieben werden (durchlaufende Preisbindung, Preisbindung im Endverkauf).403 Zum Beispiel Moore, 36 Wash. U. J. L. & Pol'y 2011, 289, 320. Vgl. schon EuGH v. 25.10.1977 – Rs. C-26/76, Slg. 1977, I-1875, Rn. 21 – Metro /  Kommission (SABA II); v. 25.10.1983 – Rs. C-107/82, Slg. 1983, I-3151, Rn. 43 – AEG / Kommission; Komm. v. 22.12.1976 – ABl. 1977 L 16/8, 11 – Gerofabriek. 402 Komm. v. 22.12.1976 – ABl. 1977 L 16/8, 11 – Gerofabriek; v. 11.12.1980, ABl. 1980 L 383/11 – Hennessy-Henkel; v. 5.7.2000 – ABl. 2001 L 54/12 – Nathan-Bricolux. 403 EuGH v. 3.7.1985 – Rs. C-243/83 – Slg. 1985, I-2034, 2046 – Binon / AMP; zur Kommissionspraxis z. B. Komm. v. 21.12.2000, ABl. 2002 L 69/1, 31, 48 – JCB, bestätigt durch EuG v. 13.1.2004 – Rs. T-67/01, Slg. 2004, II-49 – JCB Service / Kommission; bestätigt durch EuGH v. 21.9.2006 – Rs. C-167/04P, Slg. 2006, I-8935 – JCB Service /  Kommission. Auf primärrechtlicher Ebene sind unterschiedslos auch aufwärtsgerichtete, vertikale Preisvereinbarungen untersagt, s. zu Meistbegünstigungsklauseln 2. Teil D.V.2, 305. 400 401

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2. Teil: Die Preisbindung der zweiten Hand – ein Rechtsvergleich

Aufgrund des Binnenmarktprojektes verfolgen die Behörden insbesondere dort eine Nulltoleranzstrategie, wo mit Hilfe der Preisbindung versucht wird, einen Preiswettbewerb zu unterbinden, der über Arbitrage und Reimporte entsteht.404 Die formelle Gestalt der Vereinbarungen ist für die Kommission, die eine lebensnahe Beurteilung vornimmt, unbedeutend. Praktisch egal ist es, ob ein Hersteller Verkäufern Listenpreise auferlegt,405 seinen Großhändlern aufträgt, gegenüber seinen Einzelhändlern bestimmte Preisempfehlungen auszusprechen,406 oder Preise indirekt dadurch bindet, dass er die Gewinnspanne des Händlers vorschreibt.407 Das Verständnis des Preisbindungsverbotes ist also denkbar umfassend. Auch das Vertriebssystem spielt keine Rolle. Preisbindungen sind selbst dann verboten, wenn im Rahmen geschlossener Vertriebssysteme, z. B. Franchisemodellen, eine besonders enge Vertriebskooperation besteht.408 Das Verständnis des Preisbindungsverbotes ist also denkbar umfassend. Insbesondere und anders als in den USA, die das Verbot an formelle Preisvereinbarungen knüpfen, missbilligt die Kommission auch Maßnahmen, die Anreize zum Unterlassung von Preiswettbewerb setzen oder der Androhung von Nachteilen für die Betätigung im Preiswettbewerb gleichkommen. 409 Nach den Leitlinien reicht auch die Vorgabe von Margen oder Rabatten, die der Händler auf ein Preisniveau gewähren darf. Weiterhin indirekte Preisbindung ist auch die Bestimmung von Nachlässen oder sonstigen finanziellen Mechanismen bei Einhaltung bestimmter Preisniveaus, die als Anreiz oder Druckmittel eingesetzt werden (z. B. Werbekostenzuschüsse durch den Anbieter).410 In der Fallpraxis der Kommission ist auffallend, dass Preisbindungen, wo sie denn moniert wurden, eher flankierend mit anderen Maßnahmen der Unterbindung von Parallelimporten aufgegriffen wurden, sie also tatsächlich das Binnenmarktziel unmittelbar betrafen. Von den insgesamt wenigen EntscheiKomm. v. 5.10.1973 – ABl. 1973 L 293/41 – Deutsche Philips GmbH. Komm. v. 5.9.1979 – ABl. 1979 L 286/45 – BP / Kemi – DDSF; Komm. v. 29.6.2001, ABl. 2001 L 262/28 – Volkswagen; anders und durch EuGH bestätigt EuG v. 3.12.2003 – Rs. T-208/01, Slg. 2003, II-5141 – Volkswagen (VW I); EuGH 13.7.2006 – Rs. C-74/04P, Slg. 2006, I-6585 – Kommission / Volkswagen; nur Wägenbaur, in: Loewenheim et al., KartR (2. Aufl. 2009), Art. 81 Abs. 1 EG, Rn. 226. 406 Komm. v. 22.12.1987 – ABl. 1988 L 45/38 – ARG / Unipart. 407 Komm. v. 2.12.1977 – ABl. 1978 L 20/24 – Centraal Bureau voor de Rijwielhandel. 408 Komm. v. 24.7.1992 – ABl. 1992 L 236/11 f. – Givenchy; Komm. v. 17.12.1986 – ABl. 1987 L 13/41 – Pronuptia; zu Alleinbezug s. Komm. v. 4.12.1998 – ABl. 1999 L 47/18 – Novalliance / Systemform. 409 Komm. v. 6.1.1982 – ABl. 1982 L 117/26 – AEG-Telefunken; bestätigt EuGH v. 25.10.1983 – Rs. C-107/82, Slg. 1983, I-3151 – AEG / Kommission. 410 Vertikalleitlinien 2010, Rn. 48; Komm. v. 22.12.1972 – ABl. 1972 Nr. L 303/24 – CIMBEL; EuGH v. 29.10.1980 – Rs. C-209/78, Slg. 1980, I-3125 – Fedetab; siehe unten 2. Teil D.V, 304 und D.VI, 320. 404 405

C. Rechtliche Erfassung von Mindest- und Festpreisbindungen

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dungen, die die Kommission zu vertikalen Beschränkungen gefällt hat,411 sind in der Regel hardcore-Beschränkungen, also Gebiets- und vertikale Preisabsprachen Stein des Anstoßes gewesen. Preisbindungen sind also – verglichen mit anderen vertikalen Beschränkungen – tatsächlich einem gewissen Risiko der Verfolgung unterworfen. 412 Dieses Verfolgungsrisiko erstreckt sich auch auf Bagatellfälle, denn die umstrittene413 ungeschriebene Tatbestandsvoraussetzung der Spürbarkeit im Rahmen des Art. 101 Abs. 1 AEUV ist im Falle der als Kernbeschränkung eingestuften Preisbindung nicht anwendbar.414 Im Ergebnis ist es Unternehmen in der Praxis nach wie vor weder möglich, Vertriebspartner anzuweisen, zu einem Fest- oder Mindestpreis zu verkaufen, noch mittelbare oder relative Preisbindungen einzuführen. 2. Die Preisbindung in der Systematik des Art. 101 Abs. 1 und 3 AEUV a) Allgemeines Verhältnis der Abs. 1 und 3 und die Einordnung der vertikalen Preisbindung Das europäische Wettbewerbsrecht verbietet Preisvereinbarungen ausgehend von Art. 101 AEUV; Art. 101 Abs. 1 lit. a) AEUV lautet wie folgt: „(1) Mit dem Binnenmarkt unvereinbar und verboten sind alle Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, welche den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen geeignet sind und eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Binnenmarkts bezwecken oder bewirken, insbesondere (a) die unmittelbare oder mittelbare Festsetzung der An- oder Verkaufspreise oder sonstiger Geschäftsbedingungen; […]“

Demnach ist jede unmittelbare oder mittelbare Festsetzung von An- bzw. Verkaufspreisen grundsätzlich eine wettbewerbsbeschränkende Vereinbarung im Sinne der Vorschrift, wenn sie eine Beschränkung des Wettbewerbs bezweckt oder bewirkt. Laut der Leitentscheidung Consten / Grundig im Jahr 1966 (anlässlich von Alleinvertriebsvereinbarungen) und seither in ständiger Rechtsprechung erfasst Art. 101 AEUV zunächst unterschiedslos horizontale und vertikale Wettbewerbsbeschränkungen: „Verfälschungen im Sinne von Artikel 85 EWG-Vertrag werden nicht nur durch Vereinbarungen begründet, die den Wettbewerb zwischen den Beteiligten beschränken, sondern auch durch solche die den Wettbewerb verhindern oder begrenzen, der zwischen einem 411 Schon der Vorgänger-VO und den Leitlinien von 1999, aber auch auf mitgliedstaatlicher Ebene gab es relativ wenig Verfahren im Vertikalbereich, m. w. N. Dethmers / De Boer, E.C.L.R. 2009, 424 ff. 412 Dethmers / De Boer, E.C.L.R. 2009, 429. 413 Die Funktion des ungeschriebenen Tatbestandsmerkmals ist unklar und umstritten, siehe nur Immenga / Mestmäcker-Emmerich, Art. 101 Abs. 1 AEUV, Rn. 144. 414 Siehe nur Immenga / Mestmäcker-Emmerich, Art. 101 Abs. 1 AEUV, Rn. 151.

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2. Teil: Die Preisbindung der zweiten Hand – ein Rechtsvergleich

Beteiligten und dritten Personen stattfinden könnte. Hierbei ist es unerheblich, ob die Vertragsparteien nach ihrer wirtschaftlichen Stellung und Funktion auf gleicher Ebene stehen.“415

Am ersten der fünf Regelbeispiele des Art. 101 AEUV zeigt das Primärrecht zudem, dass das europäische Kartellrecht Preise als einen, wenn nicht sogar den wichtigsten wettbewerblichen Aktionsparameter auf vielen Märkten ansieht. Dabei ist es hinsichtlich des Abstimmungsobjekts folgerichtig unerheblich, ob Vereinbarungen (unmittelbar) Mindest-, Fest- oder Höchstpreise betreffen oder (mittelbar) Kalkulationsfaktoren, Handelsspannen, Rabatte oder Ähnliches bestimmen.416 Auch die Regelbeispiele betreffen – unterschiedslos – horizontale und vertikale (Preis-) Vereinbarungen. Vertikale Preisbindungen sind als wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen also unmittelbar und generell nach Art. 101 Abs. 1 lit. a) AEUV verboten. Gemäß der allgemeinen Systematik des Art. 101 AEUV unterstehen verbotene Beschränkungen, also auch Preisbindungen, einem Erlaubnisvorbehalt. Art. 101 Abs. 3 AEUV stellt wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen vom Kartellverbot frei, die „unter angemessener Beteiligung der Verbraucher an dem entstehenden Gewinn zur Verbesserung der Warenerzeugung oder -verteilung oder zur Förderung des technischen oder wirtschaftlichen Fortschritts, beitragen, ohne dass den beteiligten Unternehmen a) Beschränkungen auferlegt werden, die für die Verwirklichung dieser Ziele nicht unerlässlich sind, oder b) Möglichkeiten eröffnet werden, für einen wesentlichen Teil der betreffenden Waren den Wettbewerb auszuschalten.“

Art. 101 Abs. 1 AEUV verlangt also grundsätzlich, dass die Behörde im Fall der Beanstandung einer Vereinbarung zeigt, dass diese tatsächliche oder potenzielle negative Auswirkungen hat. Für die Beurteilung unter Abs. 3 obliegt dann dem Unternehmen die Darlegungs- und Beweislast für tatsächliche oder potenzielle positive Effekte. Diese müssen zudem die gegebenenfalls vorliegenden negativen Effekte überwiegen. Seit Inkrafttreten der Kartellverfahrensordnung VO (EG) 1/2003 im Jahr 2004 ist Art. 101 Abs. 3 AEUV zudem als Legalausnahme ausgestaltet und gilt daher bei Erfüllung aller positiven und negativen Tatbestandsvoraussetzungen unmittelbar und ohne Freistellungsentscheidung der Kommission. Die Frage, ob wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen im Allgemeinen und Preisbindungen im Besonderen unter die Ausnahmemöglichkeit des Art. 101 Abs. 3 AEUV fallen, obliegt seither also wie bei anderen Wettbewerbsbeschränkungen der unternehmerischen 415 EuGH v. 6.4.1962 – Rs. 13/61, Slg. 1962, I-105 – De Geus / Bosch; v. 13.7.1966 – Rs. 56/64 und 58/64, Slg. 1966, I-321, 390 – Consten und Grundig / Kommission (s. 4. Leitsatz); v. 6.10.2009 – verb. Rs. C-501/06 P, C-513/06P, C-515/06 P, C-519/06 P, Slg. 2009, I-9291 – GlaxoSmithKline u. a. / Kommission. 416 Immenga / Mestmäcker-Zimmer, Art. 101 Abs. 1 AEUV, Rn. 236.

C. Rechtliche Erfassung von Mindest- und Festpreisbindungen

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Selbsteinschätzung. Zusätzlich zu dieser konkret-individuellen Beurteilung, die eine Heerschar von Freistellungsanträgen produziert hatte, war die Kommission bereits vor dem Inkrafttreten der KartellverfahrensVO dazu übergegangen, typisierbare, vertikale Wettbewerbsbeschränkungen gesammelt und sektorübergreifend freizustellen. Hierzu bedient sie sich dem sekundärrechtlichen Instrument der Gruppenfreistellungsverordnung (GVO). Ein sicherer Weg der Selbsteinschätzung ist im Rahmen des Art. 101 Abs. 3 AEUV also, eine Vereinbarung im Rahmen der durch die GVO freigestellten Kriterien durchzuführen. Die GVOen und begleitenden Leitlinien konkretisieren das Normgefüge des Art. 101 AEUV und stellen damit ebenfalls die Analyse und Abwägung positiver und negativer ökonomischer Effekte von wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarungen auf den relevanten Markt in den Mittelpunkt der rechtlichen Beurteilung. Die Preisbindung der zweiten Hand fällt als vertikale Vereinbarung grundsätzlich in den Anwendungsbereich der Vertikal-GVO. In Kraft ist mit der Vertikal-GVO 330/2010 nunmehr eine dritte Auflage der GVO, zudem die zweite einer neuen Generation von GVOen und Leitlinien, die durch den more economic approach, also dem ausdrücklichen Bekenntnis zu einem wirkungsbasierten Ansatz im europäischen Kartellrecht, geprägt sind.417 Diese kreiert vor allem dadurch eine im Vergleich zu Art. 101 Abs. 3 erhöhte Rechtssicherheit, dass sie mit Marktanteilen operiert. Für Vereinbarungen zwischen Unternehmen mit geringen Marktanteilen, d. h. Marktanteilen unter 30 % auf Seiten des Anbieters und des Abnehmers, schafft sie einen safe harbour, indem sie die Vermutung aufstellt, dass vertikale Vereinbarungen entweder keine negativen Auswirkungen auf den Markt haben, oder aber positive Auswirkungen die negativen Auswirkungen überwiegen.418 Vertikale Preisbindungsvereinbarungen sind jedoch niemals durch die GVO freigestellt gewesen. Auch in der aktuell in Kraft befindlichen GVO wird die vertikale Preisbindung als erste der sog. Kernbeschränkungen419 in Art. 4 lit. a) GVO 330/2010 erfasst und als solche von der Freistellungswirkung ausgeschlossen. Demnach gilt die Freistellung für vertikale Vereinbarungen nach Art. 2 der GVO nicht für Beschränkungen der Möglichkeit des Abnehmers, seinen Verkaufspreis selbst festzusetzen. Auf die Konsequenzen

417 VO 2790/1999 der Kommission v. 22.12.1999 über die Anwendung von Art. 81 Abs. 3 des Vertrages auf Gruppen von vertikalen Vereinbarungen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen, ABl. 1999 L 336/21; s. a. Komm., Grünbuch zur EG-Wettbewerbspolitik gegenüber vertikalen Wettbewerbsbeschränkungen, Dok. Kom. (96) 721 endg. 418 Die Kommission kann den Vorteil der Gruppenfreistellung ex nunc für Vereinbarungen entziehen, deren negative Effekte überwiegen, allerdings wird von dieser Befugnis bisher kein nennenswerter Gebrauch gemacht, Immenga / Mestmäcker-Ritter, VO 1/2003 Art. 29 Rn. 1–8. 419 Früher auch als schwarze Klauseln bezeichnet.

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2. Teil: Die Preisbindung der zweiten Hand – ein Rechtsvergleich

dieser Einstufung der Preisbindung als bezweckte Beschränkung bzw. Kernbeschränkung wird im Folgenden näher eingegangen. Damit inkorporiert das Normgefüge des Art. 101 Abs. 1 und 3 AEUV bereits grundsätzlich einen effect based approach. Tatsächlich impliziert der Ansatz in groben Zügen sogar eine gewisse Vergleichbarkeit mit der (strukturierten) rule of reason-Betrachtung in den USA. Trotz dieser scheinbaren Ähnlichkeiten der Europäischen Regelung mit der rule of reason-Beurteilung, lässt sich die Begriffsführung wegen ihrer unbestimmten Bedeutung und der praktisch ungeklärten, variierenden Anwendung weder de lege lata, noch de lege ferenda sinnvoll oder hilfreich in die europäische Preisbindungsbeurteilung übernehmen. 420 Gleichwohl wird diskutiert, ob wirtschaftliche Belange (wie parallel auch anderweitige sozial-, kultur- oder energiepolitische Belange und Umweltschutzinteressen) im Rahmen des Art. 101 Abs. 1 AEUV als echte teleologische Reduktion des Tatbestandes, als weite Auslegung der Freistellung in Art. 101 Abs. 3 AEUV oder gar außerhalb des Freistellungstatbestandes im Wege einer Analogie berücksichtigt werden können.421 Der EuGH hatte in mehreren Entscheidungen seit den 1960er-Jahren auch innerhalb des Tatbestandes abgewogen, ob eine Vereinbarung in der Bilanz voroder nachteilig für das Binnenmarktprojekt ist. Kernbeschränkungen waren allerdings niemals Gegenstand solcher Erwägungen.422 Unabhängig von der Preisbindungsdiskussion wird deshalb eine „europäische rule of reason“ zu Recht abgelehnt.423 Die rule of reason-Bewertung hat sich im US-amerikanischen Kartellrecht als Maßstab in den letzten Jahren und Jahrzehnten gerade deshalb durchgesetzt, weil es keinerlei kodifizierte Ausnahmen von Sec. 1 Sherman Act gab. Diametral gegenläufig ist das europäische Recht ausgestaltet: Einzelfälle können dogmatisch sauber nur, aber insofern ausreichend über die Freistellungsmöglichkeiten in Art. 101 Abs. 3 AEUV bzw. über die Gruppenfreistellung berücksichtigt werden. Ein rule of reasonAnsatz im ursprünglichen Sinne, gleichbedeutend mit der grundsätzlichen Einbeziehung schlichtweg aller relevanten Faktoren, die für und gegen die 420 Vgl. in Bezug auf bezweckte Beschränkungen, EuGH v. 8.7.1999 – Rs. C-235/92 P, Slg. 1999, I-4539, Rn. 45, 133 – Montecatini; so hierzu ebenfalls Reindl, 33 Fordham Int’l L. J. 2010, 1314. 421 EuGH v. 8.7.1999– Rs. C-235/92 P, Slg. 1999, I-4539, 4575, 4618, Rn. 45, 133 – Montecatini, zum Ganzen nur Immenga / Mestmäcker-Emmerich, Art. 101 Abs. 1 AEUV, Rn. 126, 133 ff. 422 Mit Verweis auf EuGH v. 30.6.1996 – Rs. C-56/65, Slg. 1966, I-337, Rn. 281, 304 – LTM / Maschinenbau Ulm; EuGH v. 8.7.1999 – Rs. C-235/92, Slg. 1999, I-4539, 4575, 4618, Rn. 45, 133 – Montecatini, zum Ganzen nur Immenga / Mestmäcker-Emmerich, Art. 101 Abs. 1 AEUV, Rn. 126, 133 ff.; Emmerich, § 4 Rn. 64. 423 EuG v. 23.10.2003 – T-65/98, Slg. 2003, II-4653, 4662, 4701 Rn. 106 f. – van den Bergh Foods; v. 2.5.2006 – T-328/03, Slg. 2006, II-1231, 1234, Rn. 69 – O2 (Germany) /  Kommission.

C. Rechtliche Erfassung von Mindest- und Festpreisbindungen

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Rechtmäßigkeit von Beschränkungen sprechen, noch dazu ohne vorhersehbare Struktur, kann und sollte niemals angestrebter Maßstab im Rahmen des Art. 101 AEUV sein. Nur im engen Verständnis, als einen abwägungsbasierten analytischen Rahmen hinsichtlich pro- und anti-kompetitiver Elemente, inkorporiert das europäische Recht – und insofern bereits lange vor dem Antitrustrecht – einen rule of reason-Ansatz. Mit der Feststellung, dass eine rechtliche Regelung grundsätzlich ökonomische Rechtfertigungen zulässt, ist jedoch wenig über die konkrete Ausgestaltung durch die Nutzung rechtlicher Vermutungen oder Beweislastverteilungen gesagt. Bei der Klärung dieser Frage im Folgenden wird der Begriff der rule of reason für die Darstellung der Preisbindung im europäischen Kontext möglichst vermieden und stattdessen auf den konstruktiven Begriff des wirkungsbasierten Ansatzes (effect based approach) zurückgegriffen. b) Preisbindung als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung aa) Allgemeines Der Kern der europäischen Diskussion um die Preisbindung konzentriert sich auf die Qualifizierung der Vereinbarung, die nur in den Anwendungsbereich des Art. 101 Abs. 1 AEUV fällt, wenn sie eine Wettbewerbsbeschränkung bezweckt oder bewirkt (restriction by object/by effect). Darüber hinaus sind Vereinbarungen als Kernbeschränkungen (hardcore restrictions) anzusehen, wenn sie den Zweck haben, den Wettbewerb zu beschränken, wobei sich der durch die Kommission geprägte Begriff nicht gänzlich gleichlaufend zur bezweckten Wettbewerbsbeschränkung verhält.424 Der EuGH stuft die vertikale Mindestpreisbindung seit den 1980er-Jahren als eine bezweckte Beschränkung ein.425 Im Rahmen einer rechtlichen Beurteilung unter Art. 101 AEUV kommen die Eigenheiten des Fallrechts der europäischen Gerichte stark zum Tragen, die in der Zusammenschau mit Inkonsistenzen und teils abweichenden Äußerungen der Generalanwälte und der Kommissionspraxis – wie im amerikanischen Antitrustrecht – unzählige Anknüpfungspunkte unter Art. 101 AEUV bieten und zuletzt erneut die Diskussionen um die korrekte Abgrenzung anerkannter Beschränkungskategorien schüren.426 Allgemein gesprochen kennzeichnen sich bezweckte Beschränkungen zunächst – entgegen der Implikation des Begriffes – nicht durch die subjektive Intention der Parteien, sondern Zur Abgrenzungsproblematik bewirkter und bezweckter Beschränkungen Mohr, ZWeR 2015, 1 ff.; Kuhn, ZweR 2014, 143 ff. 425 EuGH v. 3.7.1985 – Rs. C-243/83, Slg. 1985, I-2034, 2046, Rn. 44 f. – Binon / AMP. 426 Nicht ganz zu Unrecht der kritische Vergleich des europäischen case law zur Systematik des Art. 101 AEUV mit einem Rorschach-Test, m. w. N. Reindl, 33 Fordham Int’l L. J. 2010, 1300, 1304; zur Dogmatik Mohr, ZWeR 2015, 1 ff.; Kuhn, ZweR 2014, 143 ff. 424

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2. Teil: Die Preisbindung der zweiten Hand – ein Rechtsvergleich

objektiv durch die Natur oder den Charakter der Vereinbarung.427 Ihnen wird eine so grundsätzliche Schädlichkeit für das Funktionieren des normalen Wettbewerbs zugeschrieben,428 dass allein aufgrund dieses Potenzials von negativen Auswirkungen auf den Wettbewerb ausgegangen wird, ohne dass diese tatsächlichen Auswirkungen näher untersucht werden müssten.429 Damit handelt es sich bei der bezweckten Beschränkung um einen abstrakten Gefährdungstatbestand430, weshalb auch die Absicht der beteiligten Unternehmen gerade keinen Einfluss auf die Beurteilung hat.431 Kritiker dieses Konzepts der bezweckten Wettbewerbsbeschränkung und der Einstufung der (Mindest-) Preisbindung als eine solche verweisen diesbezüglich auf die ambivalenten Wirkungen von vertikalen Beschränkungen. Im Rahmen pro-kompetitiver Erklärungen für Preisbindungen lasse sie sich schon gar nicht unter die Definition der bezweckten Wettbewerbsbeschränkung subsumieren, die ja gerade generalisierend vorgeht.432 427 Feststellung, dass es für die Einordnung einer Vereinbarung als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung nicht notwendig sei, dass Endverbrauchern die Vorteile eines wirksamen Wettbewerbs hinsichtlich Angebot oder Preis vorenthalten werden, siehe EuGH v. 6.10.2009 – verb. Rs. C-501/06P, C-513/06P, C-515/06P und C-519/06P, Slg. 2009, I9291, Rn. 63 – GlaxoSmithKline u. a. / Kommission, in Aufhebung von EuG v. 27.9.2006 – Rs. T-168/01, Slg. 2006, II-2969 – GlaxoSmithKline Services / Kommission; vgl. auch Leitlinien zur Anwendung von Artikel 81 Abs. 3, Rn. 7, 18, 23. 428 Leitlinien zur Anwendung von Artikel 81 Abs. 3, Rn. 21; EuGH v. 1.2.1978 – Rs. 19/77, Slg. 1978, I-131, Rn. 19 – Miller International Schallplatten / Kommission; EuGH v. 20.11.2008 – Rs. C-209/07, Slg. 2008, I-8637, Rn. 17 – Irish Beef. 429 Leitlinien zur Anwendung von Artikel 81 Abs. 3, Rn. 21; EuGH in std. Rspr. v. 13.7.1966 – Rs. 56/64 und 58/64, Slg. 1966, I-321, 390 – Consten und Grundig / Kommission; v. 11.1.1990 – Rs. C-277/87, Slg. 1990, I-45 – Sandoz prodotti farmaceutici / Kommission; v. 17.7.1997 – Rs. C-219/95 P, Slg. 1997, I-4411 – Ferriere Nord / Kommission; v. 8.7.1999 – Rs. C-49/92, Slg. 1999, I-4125 – Anic Partecipazioni; EuGH v. 16.12.1975 – verb. Rs. C-40–48, 50, 54–56, 111, 113, 114/73, Slg. 1975, I-1663 – Suiker Unie u. a. / Kommission; v. 4.6.2009 – Rs. C-8/08, Slg. 2009, I-4529, Rn. 28, 30 – T-Mobile Netherlands; zuletzt nur: „Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass eine Vereinbarung unter das Verbot des Artikel 101 Absatz 1 AEUV fällt, wenn sie eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezweckt oder bewirkt. Die alternative Verknüpfung zwischen dem Zweck und der Wirkung hat zur Folge, dass in erster Linie nach dem Vorliegen eines einzigen Kriteriums zu suchen ist, vorliegend nach dem Zweck der Vereinbarung. Erst wenn die Prüfung des Inhalts der Vereinbarung keine hinreichende Beeinträchtigung des Wettbewerbs erkennen lässt, sind ihre Auswirkungen zu untersuchen und es müssen, damit sie vom Verbot erfasst wird, Voraussetzungen vorliegen, aus denen sich insgesamt ergibt, dass der Wettbewerb tatsächlich spürbar verhindert, eingeschränkt oder verfälscht worden ist“, EuGH v. 4. 10.2011 – Rs. C-403/08, C-429/08, Slg. 2011 I-9083, Rn. 135 – Football Association Premier League Ltd. / QC Leisure u. a. 430 Vgl. im Unterschied dazu als konkreter Gefährdungstatbestand den der bewirkten Beschränkung. 431 Zum Ganzen Mohr, ZWeR 2015, 1, 13.

C. Rechtliche Erfassung von Mindest- und Festpreisbindungen

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Ungeachtet der Ergebnisse aus Teil 1433 verkennt diese Schlussfolgerung einen wesentlichen Aspekt der „negativen Auswirkungen auf den Wettbewerb“, den der Vertrag trotz eines wirkungsbezogenen Ansatzes und damit auch das Konzept der bezweckten Wettbewerbsbeschränkung inkorporiert. Hier kommt das betont juristische Verständnis des europäischen Wettbewerbsrechts und im Kern auch das Selbständigkeitspostulat des EuGH434 zum Tragen. Zwar rücken im Sinne eines modernen, privatrechtskonformen Wettbewerbsrechts hinsichtlich des Unwertgehaltes wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen negative Drittwirkungen, also schädliche Außenwirkungen auf die wirtschaftliche Handlungsfreiheit anderer Marktteilnehmer und damit auf den freien Wettbewerbsprozess, in den Fokus. 435 Indem sich die Parteien einer Vereinbarung ihrer Handlungsfreiheit begeben, wird der Inhalt ihrer Absprache auch für Dritte eine Beschränkung. Nach hier vertretener Ansicht dürfte diese im Übrigen bei Mindestpreisbindungen mit der IntrabrandPreisgestaltungsfreiheit mindestens für die Wahlfreiheit von Kunden regelmäßig gegeben sein. Aus diesem Grund untersagt das Wettbewerbsrecht derlei beschränkende Vereinbarungen, sofern nicht doch im Einzelfall nachweisbare, positive Effekte für die Wohlfahrt aller Verbraucher überwiegen. Dieses auswirkungsbasierte Verständnis des Vertrages umfasst jedoch weiterhin auch die tatbestandliche Betrachtung der privatautonomen Einschränkung der selbstständigen Preissetzung. Denn die Verpflichtung zum selbständigen Handeln besteht nicht im Interesse der gebundenen Unternehmen, sondern der negativ betroffenen Dritten. Das Konzept der bezweckten Wettbewerbsbeschränkung verhält sich analog zum ökonomischen Credo, dass Unternehmen bestimmte Handlungen nur vornehmen, wenn sie sich wirtschaftliche Vorteile erhoffen: Gibt ein Unternehmen seine Handlungsfreiheit bezüglich bestimmter Parameter auf, tut es dies in der Regel, weil es isolierte Vorteile für sich und/oder Nachteile für sonstige Marktbeteiligte erwartet. Vor diesem Hintergrund rechtfertigt sich nicht nur das juristische Konzept der bezweckten Wettbewerbsbeschränkung, sondern in Hinblick auf die drastische Auswirkung, die die vertikale Mindestpreisbindung mit der intendierten Ausschaltung des Händlerpreiswettbewerbs zeitigt, auch die Einstufung der Preisbindung als solche.436 Zuletzt m. V. a. auf die angebliche Widersprüchlichkeit der Kommissionsleitlinien Hübener, Vertikale Mindestpreisbindungen im US- und EU-Recht, 86. 433 Zusammenfassend wurde festgestellt, dass die Vielzahl pro-kompetitiver Theorien zum Gebrauch der Preisbindung nicht dahingehend fehlinterpretiert werden darf, dass Preisbindungen in der Realität überwiegend positive Wirkungen zeitigen würde. Ein tatsächlich pro-kompetitiver Gebrauch von Preisbindungen dürfte nach wie vor die absolute Ausnahme darstellen, vgl. hierzu nur Ergebnisse 1. Teil G. 434 Die Erhaltung der internen wirtschaftlichen Handlungsfreiheit, vgl. GA Trstenjak, Schlussanträge v. 4.9.2008 – Rs. C-209/07, Slg. 2008, I-8637, Rn. 42 – Irish Beef; vgl. zum Ganzen nur Mohr, ZWeR 2015, 1, 8. 435 Mohr, ZWeR 2015, 1, 8. 432

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2. Teil: Die Preisbindung der zweiten Hand – ein Rechtsvergleich

Die Qualifizierung entsprechender Beschränkungen anhand ihrer Schwere und anhand der bestehenden Erfahrungen mit ihren negativen Auswirkungen für die Gemeinschaft 437 fußt in europäischer Hinsicht also auf einem betont juristischen Verständnis des Wettbewerbsrechts. Diese generalisierte, abstrakte Einordnung der Preisbindung findet sich aus vergleichender Perspektive nun auch in dem kürzlich durch die FTC auch für RPM aufgegriffenen inherently suspect approach wieder. Insofern ist es bemerkenswert, dass auch das stark formale, Chicago School-geprägte Freiheitsverständnis in der USRechtspraxis innerhalb der rule of reason Konzepte hervorbringt, die der der bezweckten Wettbewerbsbeschränkung im Europäischen Recht ähneln. Anhand der Preisbindung lässt sich veranschaulichen, dass es zum einen aufgrund unterschiedlich nuancierter Zielbestimmungen des Sherman Act und des AEUV nicht zielführend ist, eine restriktive Interpretation des Konzeptes der bezweckten Wettbewerbsbestimmung unter Verweis auf das US-amerikanische Recht vorzuschlagen.438 Die Gleichsetzung der rule of reason mit dem Begriff der bewirkten Wettbewerbsbeschränkung verkennt also, dass sich die rule of reason im Hinblick auf quick look, bzw. inherently suspect approach eher dem Konzept der bezweckten Wettbewerbsbeschränkung annähert.439 Das funktionale Äquivalent – die abstrakte Schädlichkeitsvermutung für bestimmte Beschränkungen –, die in den USA vor Leegin ausschließlich in der per se-Regel verortet wurde, wird also in Bezug auf die Preisbindung auch beim Wechsel zum rule of reason-Beurteilungskontinuum beibehalten und lediglich innerhalb eines flexibleren Modells analytisch neu verortet. Damit wird der post-Leegin Ansatz auch systematisch dem Konzept der bezweckten Wettbewerbsbeschränkungen innerhalb des Art. 101 AEUV immer ähnlicher. Der EuGH sieht sich darüber hinaus befugt, zusätzlich zu den traditionell als bezweckte Beschränkungen anerkannten auch untypische Vereinbarungen anhand der Prüfung eines Vereinbarungsgehaltes als bezweckte Wettbewerbsbeschränkungen anzusehen.440 Das betont nicht-mechanische Vorgehen 436 Zur bezweckten Wettbewerbsbeschränkung und zum differenzierten Verständnis des EuGH der Schutzgutgefährdung, Mohr, ZWeR 2015, 1, 9, 13, 14. 437 Leitlinien zur Anwendung von Artikel 81 Abs. 3, Rn. 21. 438 Vgl. ähnlich mit der Konzeption des AEUV begründend Mohr, ZWeR 2015, 1, 7; a. A. Kuhn, ZWeR 2014, 143, 146. 439 Andere  Ansicht Kuhn, ZWeR 2014, 143, 146; zu per se-Verbot und bezweckter Beschränkung Hübener, Vertikale Mindestpreisbindungen im US- und EU-Recht, 196. 440 EuGH v. 14.3.2014 – Rs. C-32/11, EU:C:2013:160 = EuZW 2013, 716 – Allianz Hungária u. a.; Mohr, ZWeR 2015, 1, 14; mag man diese Haltung auch als ausufernd betrachten, so deckt sie sich aber mit der Haltung des U.S. Supreme Court, den Beurteilungsrahmen einzelfallabhängig nach prima facie Betrachtung festzulegen. Zudem tendiert auch die FTC dazu, ihre abstrakte Schädlichkeitsvermutung flexibel im Hinblick auf neue Vereinbarungsarten anzuwenden, siehe oben 2. Teil C.I.4, 213.

C. Rechtliche Erfassung von Mindest- und Festpreisbindungen

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bei der Kategorisierung von Vereinbarungen durch Kommission und EuGH suggeriere im Umkehrschluss, dass Preisbindungen nicht in jedem Fall als bezweckte Beschränkungen beurteilt werden müssten.441 Es stimmt, dass dieser Weg der Einzelfallbetrachtung theoretisch offensteht; allerdings liegt die Widerlegung der Vermutung der etablierten EuGH-Rechtsprechung bei der Preisbindung eher fern.442 Die maßgebliche Konsequenz der Qualifizierung der Preisbindung als bezweckte Beschränkung durch den EuGH liegt im Rahmen des Art. 101 Abs. 1 AEUV also darin, dass die konkreten Auswirkungen der Preisbindung nicht mehr zu prüfen sind, um einen Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV festzustellen.443 bb) Die (Nicht-) Berücksichtigung von Marktanteilen – Spürbarkeit und Bagatellfälle Zweite wichtige Folge ist die modifizierte Beurteilung im Rahmen von Bagatellfällen: Grundsätzlich gilt für alle (bewirkten) Beschränkungen, dass sie spürbar sein müssen, um in den Anwendungsbereich des Art. 101 Abs. 1 AEUV zu fallen.444 Das ungeschriebene Tatbestandsmerkmal erfordert, dass die Beschränkung Wettbewerb wegen der schwachen Stellung der Beteiligten auf dem Markt der fraglichen Erzeugnisse nicht nur geringfügig beeinträchtigt.445 Nach der De-Minimis-Bekanntmachung der Kommission fallen daher So fordert es Reindl, Fordham Int’l L. J. 2010, 1308 ff. Ob Preisbindungen auch als nicht bezweckte Wettbewerbsbeschränkungen angesehen und im Einzelfall aus Art. 101 Abs. 1 AEUV herausgenommen werden können, diskutiert mit Blick auf Allianz Húngaria i. E. zurecht ablehnend Hübener, Vertikale Mindestpreisbindungen im US- und EU-Recht, 196. 443 EuGH v. 4.6.2009 – Rs. C-8/08, Slg. 2009, I-4529, Rn. 29 ff. – T-Mobile Netherlands; EuGH v. 28.5.1998 – Rs. C-7/95 P, Slg. 1998, I-3111, Rn. 77 – John Deere; EuGH v. 20.11.2008 – Rs. C-209/07, Slg. 2008, I-8637, 8674, Rn. 15 ff. – Irish Beef; Komm. v. 12.10.2011 – COMP/39482, Rn. 224 – Exotic Fruit (Bananas); EuGH v. 30.6.1996 – Rs. C-56/65, Slg. 1966, I-337 – LTM / Maschinenbau Ulm; EuGH v. 13.7.1966 – verb. Rs. C-56/64 und C-58/64, Slg. 1966, I-321 – Consten und Grundig / Kommission. 444 EuGH v. 9.7.1969 – Rs. C-5/69, Slg. 1969, I-295 – Völk / Vervaecke; EuGH v. 6.5.1971 – Rs. C-1/71, Slg. 1971, I-351 – Cadillon / Höss; EuGH v. 25.11.1971 – Rs. C22/71, Slg. 1971, I-949, 960 – Béguelin Import / G.L. Import Export; EuGH v. 10.7.1980 – Rs. C-30/78, Slg. 1980, I-2229 – Distillers / Kommission; EuGH v. 28.4.1998 – verb. Rs. C215 und 216/96, Rs. C-306/96 – Slg. 1998, I-1983, 2005 – Javico / Yves Saint Laurent Parfums; EuGH v. 21.1.1999 – verb. Rs. C-215/96 und 216/96, Slg. 1999, I-135, Rn. 46 ff. – Bagnasco u. a.; EuGH v. 12.9.2000 – verb. Rs. C-180-184/98, Slg. 2000, I-6451, Rn 93 ff. – Pavlov u. a.; sowie EuG v. 2.7.1992 – Rs. T-61/89, Slg. 1992, II-1931, 1957, 1986 f. – Dansk Pelsdyravlerforening / Kommission. 445 EuGH v. 9.7.1969 – Rs. C-5/69, Slg. 1969, I-295, 302 – Völk / Vervaecke; Schröter /  Voet van Vomizeele, in: von der Groeben / Schwarze / Hatje, Europäisches Unionsrecht, Art. 101, Rn. 169–172. 441 442

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2. Teil: Die Preisbindung der zweiten Hand – ein Rechtsvergleich

(Vertikal-) Vereinbarungen zwischen Unternehmen, die nicht im Wettbewerb miteinander stehen und deren jeweiliger Anteil am relevanten Markt weniger als 15 % beträgt, schon grundsätzlich nicht unter das Verbot von Art. 101 Abs. 1 AEUV.446 Nach neuerer Rechtsprechung gilt das Spürbarkeitskriterium aber nicht für bezweckte Wettbewerbsbeschränkungen. Aus dem wettbewerbswidrigen Zweck wurde bereits gefolgert, dass dieser auf eine spürbare Beeinträchtigung des Wettbewerbs gerichtet war.447 Festgezurrt wurde dies zuletzt in Expedia,448 als der Gerichtshof äußerte, dass bezweckte Wettbewerbsbeschränkungen immer spürbar seien. Die Kommission justierte daher die Bagatellbekanntmachung dahingehend nach, dass in der Neuauflage 2014449 bezweckte Wettbewerbsbeschränkungen vom Anwendungsbereich der Bekanntmachung ausgenommen werden; bereits nach der alten De-MinimisBekanntmachung galt das Spürbarkeitskriterium insofern nicht, als die Kommission Kernbeschränkungen, explizit Preisbindungen, von der Bagatellfreigabe ausnahm.450 Das hat zu Folge, dass Unternehmen bei ihrer Selbstbeurteilung im Rahmen des Regel-Ausnahme-Regimes von Art. 101 Abs. 1 AEUV immer davon ausgehen müssen, dass Preisbindungen dem Verbot unterfallen. Was also innerhalb der europäischen Beurteilung von vertikalen Preisbindungen – zumindest theoretisch – nicht zum Tragen kommt, sind die Marktanteile der beteiligten Unternehmen. Dieses Ausblenden von Marktmacht wird in Bezug auf Kernbeschränkungen vertikaler Natur kritisiert.451 Vereinzelt wird unter Verweis auf die amerikanische Sichtweise, die innerhalb der theory of Komm. v. 30.8.2014, Bekanntmachung über Vereinbarungen von geringer Bedeutung, die im Sinne des Artikels 101 Abs. 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union den Wettbewerb nicht spürbar beschränken, ABl. C 291/1 (im Folgenden Komm., De-minimis-Bekanntmachung 2014), Rn. 8a; vgl. Rn. 8b mit der deutlich positiveren Haltung gegenüber vertikalen Beschränkungen in Art. 2 der GVO 330/2010: die Spürbarkeitsschwelle für Vereinbarungen zwischen Wettbewerbern wird bereits bei einem gemeinsamen Marktanteil der beteiligten Unternehmen von 10 % am relevanten Markt überschritten. 447 EuG v. 8.7.2004 – verb. Rs. T-67/00, T-68/00, T-71/00 und T-78/00, Slg. 2004, II2501, Rn. 385 – Nahtlose Stahlrohre; EuG v. 27.7.2005 – verb. Rs. T-49 bis 51/02, Slg. 2005, II-3033, Rn. 141 – Brasserie Battin / Kommission; Schröter / Voet van Vomizeele, in: von der Groeben / Schwarze / Hatje, Europäisches Unionsrecht, Art. 101, Rn. 167, 168. 448 EuGH v. 13.12.2012 – Rs. C-226/11, EU:C:2012:795, Rn. 37 – Expedia Inc. /  Autorité de la concurrence. 449 Komm., De-minimis-Bekanntmachung 2014, Rn. 2, 13. 450 Komm. v. 22.12.2001, Bekanntmachung der Kommission über Vereinbarungen von geringer Bedeutung, die den Wettbewerb gem. Artikel 81 Abs. 1 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft nicht spürbar beschränken (de minimis), ABl. C 368 (im Folgenden Komm., De-minimis-Bekanntmachung 2001), Rn. 11 Nr. 2 lit. b) für vertikale Preisbindungsvereinbarungen. 451 Zenger / Walker, Theories of Harm in European Competition Law 2012; zum Ganzen auch Jones, 55 Antitrust Bull. 2010, 783 ff. 446

C. Rechtliche Erfassung von Mindest- und Festpreisbindungen

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harm Marktanteilen eine entscheidende Bedeutung beimisst, eine stärkere Berücksichtigung von Marktanteilen auch innerhalb der europäischen Beurteilung gefordert.452 Tatsächlich impliziert ein stark an Chicago School und consumer welfare orientierter Maßstab, eine zentrale Rolle von Marktmacht einhergehend mit der Annahme, dass vertikale Vereinbarungen nur dann schädlich sein können, wenn sie die Ausnutzung von Marktmacht erleichtern und darüber zu einem marktweiten Preisanstieg oder der Reduzierung des Outputs führten. Diese Annahme ließe sich auch auf eine Linie mit Äußerungen europäischer Gerichte und der Kommission bringen. 453 Tatsächlich spielt auch vor den europäischen Gerichten und der Kommission diese Annahme eine Rolle und findet ihre Konkretisierung regelmäßig in Form von Entscheidungen und Bekanntmachungen. 454 Gerichte beurteilen die Spürbarkeit bewirkter Beschränkungen in erster Linie über eine quantitative Bewertung tatsächlicher oder potenzieller Auswirkungen der Vereinbarung anhand der Stellung der Unternehmen am Markt (primär Marktanteil und Marktstruktur, gelegentlich auch Unternehmensgröße oder Umsatzzahlen455). Wo die Spürbarkeit Voraussetzung ist, reichen in der Regel Marktanteile von mehr als 5 % aus, 456 allerdings kann auch unterhalb dieser Schwelle eine hinreichend starke Unternehmensstellung angenommen werden.457 Zusätzlich können auch Absprachen, die für sich genommen wirtschaftlich unbedeutend sind, aber kumulative Wirkungen entfalten, spürbar sein.458 Etwas weiter fasst es die Kommission in der Konkretisierung ihres Aufgreifermessens in ihrer Bagatellbekanntmachung, indem sie die Schwellen für Vereinbarungen zwischen Nicht-Wettbewerbern an Marktanteile von zusammengenommen 15 % koppelt.459 Die besondere Reindl, 33 Fordham Int’l L. J. 2010, 1300, 1306. Reindl, 33 Fordham Int’l L. J. 2010, 1300, 1306, m. V. a. EuG v. 15.7.1998 – Rs. T374/75, Slg. 1998, II-3141, Rn. 136 f. – European Night Services Ltd. (ENS) / Kommission und EuG v. 2.5.2006 – Rs. T-328/03, Rn. 79, Slg. 2006, II-1231 – O2 (Germany) /  Kommission. 454 Zum Ganzen nur Schröter / Voet van Vomizeele,in: von der Groeben / Schwarze /  Hatje, Europäisches Unionsrecht, Art. 101, Rn. 167 ff. 455 EuGH v. 10.7.1980 – Rs. C-30/78, Slg. 1980, I-2229, 2265 – Distillers / Kommission; v. 7.6.1983 – Rs. C-100–103/80, Slg. 1983, I-1825, 1899 – Musique Diffusion française. 456 EuGH v. 1.2.1978 – Rs. C-19/77, Slg. 1978, I-131, 148 ff. – Miller International Schallplatten / Kommission; EuGH v. 25.10.1983 – Rs. 107/82, Slg. 1983, I-3151, 3201 – AEG / Kommission. 457 EuGH v. 28.2.1991 – Rs. C-234/89 – Slg. 1991, I-935, 983 ff. – Delimitis / Henninger Bräu; EuGH v. 27.4.1994 – Rs. C-393/92, Slg. 1994, I-1477, 1519 – Almelo; EuGH v. 7.12.2000 – Rs. C-214/99, Slg. 2000, I-11121, Rn. 25 – Neste; EuG v. 5.7.2001 –Rs. T25/99, Slg. 2001, II-1881, 1909 – Roberts / Kommission; EuG v. 8.6.1995 – Rs. T-7/93, Slg 1995, II-1539 – Langnese-Iglo / Kommission. 458 EuGH v. 11.9.2008 – Rs. C-279/06,  Slg. 2008, I-6681, Rn. 43 = EuZW 2008, 668 – CEPSA. 459 Komm., De-minimis-Bekanntmachung 2014, vgl. Rn. 8a mit b. 452 453

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2. Teil: Die Preisbindung der zweiten Hand – ein Rechtsvergleich

Skepsis gegenüber Netzen von Vereinbarungen zeigt die Kommission in modifizierten Marktanteilen von 5 %.460 Die Kommission schafft also einen safe harbour, den Unternehmen regelmäßig auch für Preisbindungen reklamieren. Die geweckte Begehrlichkeit ist verständlich, lässt der Rückzug auf Marktanteile doch die lästige (Vorfeld-) Beurteilung der Auswirkungen von Preisbindungen obsolet werden. Ohne eingehende Prüfung könnten Unternehmen mit geringen Marktanteilen Preisbindungen einführen und sich (abgesehen von Branchen mit weit verbreiteten Preisbindungen) in einiger Sicherheit wiegen. Dass die Kommission in der Bagatellbekanntmachung von 2014 in Berufung auf EuGH Expedia die Nichtanwendbarkeit der Bagatellgrenzen für bezweckte Beschränkungen, namentlich die Preisbindung, erneut und deutlicher betont, wird als bedauerlich empfunden.461 Indessen weisen die Gerichte und die Kommission (lediglich) auf eine notwendige Gesamtbetrachtung hin, bei der Marktanteile als ein wichtiges Kriterium von mehreren genannt werden.462 Weder die Selbstbeschränkung der Kommission in der Bagatellbekanntmachung und noch weniger der EuGH oder der Vertrag legen den Umkehrschluss nahe, dass eine sinnvolle Ausklammerung von unbedeutenden Beschränkungen eine stärkere Berücksichtigung von Marktanteilen per se verlange, um eine Verletzung des Art. 101 Abs. 1 AEUV zu begründen.463 Mit den bereits dargestellten Wertungen ist aus dogmatischer Sicht jedenfalls eine solche für bezweckte Wettbewerbsbeschränkungen nicht herzuleiten. Dass darüber hinaus in Bezug auf Preisbindungen strikte Marktanteilsschwellen als Klagevoraussetzung im Sinne einer Aufgreifschwelle der Kommission unzweckmäßig sind, zeigen schon die im Rahmen des ersten Teils aufgestellten ökonomischen Betrachtungen. Gleichberechtigungsaspekte und kumulierte Wirkungen auch marktschwacher Preisbindungen erschweren eine Grenzziehung. Das festgestellte Risiko der unternehmerischen Fehleinschätzung in Bezug auf Preisbindungen und die besonderen Wirkungen vertikaler Preisvereinbarungen im Internetumfeld legen nahe, dass an die Komm., De-minimis-Bekanntmachung 2014, Rn. 10. Hübener, Vertikale Mindestpreisbindungen im US- und EU-Recht, 200. 462 Die Prüfung einer Vereinbarung anhand Art. 101 AEUV muss den wirtschaftlichen und rechtlichen Gesamtzusammenhang, in den sich die Vereinbarung einfügt, ihren Zweck, ihre Wirkungen sowie die Beeinträchtigung des innergemeinschaftlichen Handels in den Blick nehmen. Hat die Vereinbarung keinen wettbewerbswidrigen Zweck, so sind ihre Auswirkungen zu untersuchen; ein Verstoß gegen Art. 101 AEUV setzt voraus, dass der Wettbewerb, wie er ohne die Vereinbarung bestehen würde, tatsächlich spürbar verhindert, eingeschränkt oder verfälscht worden ist. Zur Feststellung solcher wettbewerbswidriger Auswirkungen genügt keine pauschale Bewertung, sondern es müssen die Tatsachen des Einzelfalles nachgewiesen werden, auf die sich die Beurteilung stützt, vgl. EuG v. 2.5.2006 – Rs. T-328/03, Slg. 2006, II-1231 – O2 (Germany) / Kommission. 463 So aber Reindl, 33 Fordham Int’l L. J. 2010, 1300, 1306 f. 460 461

C. Rechtliche Erfassung von Mindest- und Festpreisbindungen

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unternehmerische Eigenbeurteilung bei preislichen vertikalen Beschränkungen berechtigterweise erhöhte Sorgfaltsanforderungen gestellt werden dürfen. Dieses Ziel wird aber nur erreicht, wenn Unternehmen keinem safe harbour entgegensehen. Weitaus wichtiger ist in diesem Rahmen jedoch, dass eine solche Einführung einer theory of harm für das europäische Recht über die Bagatellbekanntmachung nur systemfremd, „durch die Hintertür“ und ohnehin rechtsunsicher hätte erfolgen können. Nichts gesagt wäre damit zu den Aussichten von Privatklägern vor den europäischen Gerichten, die an die Bagatellbekanntmachung der Kommission ohnehin nicht gebunden sind.464 Deshalb ist es im Sinne einer kohärenten Auslegung der bezweckten Wettbewerbsbeschränkung durch Gerichte und Kommission auch folgerichtig, dass die Kommission an der Unbeachtlichkeit von Bagatellschwellen für Preisbindungen festhält. c) Die Möglichkeit der Freistellung – Art. 101 Abs. 3 AEUV aa) Die Preisbindung als Kernbeschränkung Bekanntlich wird die vertikale Preisbindung durch Art. 4 lit. a) VO 330/2010 als Kernbeschränkung (hardcore restriction) eingestuft. Die Festlegung von Höchstverkaufspreisen und die Aussprache von Preisempfehlungen durch den Anbieter sind jedoch von dieser strengeren Behandlung ausgenommen, sofern sie sich nicht infolge der Ausübung von Druck oder der Gewährung von Anreizen durch eines der beteiligten Unternehmen tatsächlich wie Fest- oder Mindestverkaufspreise auswirken.465 Somit wird klar, dass es zwischen dem europäischen Kernbeschränkungsansatz und dem US-amerikanischen per se-Verbot bei der Beurteilung von Preisbindungen bestimmte, nicht unwichtige Unterschiede gibt. In der Tat entspricht der gesetzlich festgelegte auswirkungsbasierte Ansatz der GVO eher dem in den USA nun eingeführten rule of reason-approach. Das frühere per se-Verbot (gelesen in Verbindung mit Colgate) knüpft an die bloße Form der Vereinbarung an, weshalb bei Vorliegen von RPM niemals Auswirkungen einer Vereinbarung überhaupt geprüft hätten werden können, was die Instanzgerichte in Leegin demzufolge auch nicht taten. Ein solches Vorgehen ist unter Art. 101 Abs. 3 AEUV und dem Kernbeschränkungsregime immer schon undenkbar. Wie dargestellt, ist die Rechtfertigung im Rahmen des Art. 101 Abs. 3 AEUV niemals ausgeschlossen sondern unabhängig von der

So i. E. auch Hübener, Vertikale Mindestpreisbindungen im US- und EU-Recht, 200. Damit sind Preisempfehlungen und Höchstpreisbindungen folgerichtig bewirkte Wettbewerbsbeschränkungen und in Bezug auf die Freistellung milder beurteilt, s. u. 2.Teil D.III, 287 und D.IV, 300. 464 465

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2. Teil: Die Preisbindung der zweiten Hand – ein Rechtsvergleich

Freistellung durch eine Gruppenfreistellungsverordnung noch möglich.466 Vereinzelt wurde dies für Kernbeschränkungen, mithin für Preisbindungsvereinbarungen bezweifelt, allerdings war bereits unter dem alten Gruppenfreistellungsregime durchaus der Weg einer Einzelfreistellung für Kernbeschränkungen erläutert.467 Trotz Erläuterungen dieser Möglichkeit auch in den Vorgänger-Leitlinien suggerierten einige Äußerungen der Kommission468 das Gegenteil, nämlich, dass die Rechtfertigung über Effizienzen und die Einzelfreistellung bei Kernbeschränkungen so unwahrscheinlich ist, dass fortan von einer per se-Illegalität gesprochen wurde. Die Kategorisierung der Preisbindung als Kernbeschränkung begründet damit allein die starke Vermutung, dass eine Vereinbarung negative Effekte zeitigt und positive Auswirkungen entweder nicht zu erwarten, oder aber zu gering sind, um negative Effekte zu überwiegen oder jedenfalls für diese positiven Effekte andere, weniger einschneidende Mittel als Preisbindungen zur Verfügung stehen. Das bedeutet im Ergebnis eine Beweislastumkehr für Preisbindungen. Der, der sie benutzt, muss sich im Zweifel im Stande sehen, ökonomisch plausibel nicht nur ihren Nutzen entsprechend zu belegen, sondern auch darstellen, dass die Preisbindung ein unerlässliches Mittel zur Zielerreichung war. Wenn dieser Schritt erfolgreich vollzogen ist, liegt es an der Behörde, bzw. vor Gericht am Kläger, die potenziell oder tatsächlich überwiegenden negativen Auswirkungen der Preisbindung zu belegen. Eine letztliche Abwägung positiver und negativer Auswirkungen steht dann noch einmal aus. Diese Beweislastverteilung entspricht ziemlich genau dem, was der Supreme Court in Leegin als einen zukünftigen Rahmen eröffnet und die FTC mit ihrem inherently suspect approach in Nine West aufgegriffen hat. An dieser Systematik des Art. 101 Abs. 3 AEUV, die auch von der Kommission im Rahmen ihrer Kernbeschränkungsdefinition fortgeführt wird, besteht kein Zweifel. Allerdings ist dies auch nicht gemeint, wenn Kritiker von der per se-Illegalität von Preisbindungen in Europa sprechen. Vielmehr ist die Kritik am strengen Preisbindungsverbot in Europa daran geknüpft, dass die Regelvermutung zulasten der Preisbindungsvereinbarung in der GVO zwar nicht theoretisch, aber doch wettbewerbspolitisch und praktisch regelmäßig auch der Einzelfreistellung entgegensteht.469

466 Ständige Rspr. EuGH v. 13.7.1966 – verb. Rs. C-56/64 und 58/64, Slg. 1966, I-321, 390, 392 – Consten und Grundig / Kommission; EuG v. 15.7.1994 – Rs. T-17/93, Slg. 1994 II-595, Rn. 85 – Matra Hachette / Kommission; EuG v. 27.9.2006 – T-168/01, Slg. 2006 II2969, Rn. 233 – GlaxoSmithKline Services / Kommission. 467 Komm., Vertikalleitlinien 2000, Rn. 62. 468 Komm. v. 29.6.2001 – ABl. 2001 L 262/28 – Volkswagen; Komm. v. 26.5.2004 – ABl. 2006 L 353/5 – Souris-Topps. 469 Mit weiteren Nachweisen Sosnitza / Hoffmann, AG 2008, 107, 112.

C. Rechtliche Erfassung von Mindest- und Festpreisbindungen

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bb) Das Schicksal der Einzelfreistellung Dem primärrechtlichen Regel-Ausnahme-Regime des Art. 101 Abs. 1 und 3 AEUV und der Einzelfreistellung wird also nicht vorgegriffen. Vom EuGH früh470 proklamiert und seither gebetsmühlenartig – zuletzt explizit für Kernbeschränkungen471 – wiederholt, ist die Freistellung von der Kommission und den Gerichten auf Vortrag der Unternehmen hin zu prüfen. In den Vertikalleitlinien wird dies deklaratorisch festgehalten. Die Kategorie der Kernbeschränkungen der Kommission ist entgegen dem so liberalen Credo in den Leitlinien gleichwohl kaum zu unterschätzen. Es handelt sich dabei zwar um eine sekundärrechtliche Besonderheit, sie überstrahlt jedoch die primärrechtliche Kategorisierung, weshalb für die Abschätzung der Chance auf eine Einzelfreistellung der nähere Blick auf die Leitlinien der Kommission unabdingbar ist. i)

Die (Signal-)Wirkung der Vertikalleitlinien: Preisbindungen nach Leegin

Die Neuauflage der Leitlinien 2010 orientiert sich primär an der Neuauflage der VO 330/2010 und dementsprechend an der Beibehaltung des Status als Kernbeschränkung, die deshalb als das entscheidende Signal gesehen werden muss. Trotzdem äußert sich die Kommission in den Leitlinien 2010 umfangreicher als in der Vorgängerversion zur Preisbindung. Zunächst beschreibt sie – expliziter als zuvor und formell leicht zurückgenommen – die Vermutungswirkung von Kernbeschränkungen bzw. die Reichweite dieser Vermutung.472 Interessanter sind die neu aufgelisteten Erwägungen der Kommission am Ende der Leitlinien, wo sie sich detaillierter zu Beschränkungen des Weiterverkaufspreises äußert.473 Zunächst finden sich hier sechs Beispiele anhand derer die Kommission den wettbewerbseinschränkenden Gebrauch von Preisbindungen darstellt (bessere Überwachung und Stabilisierung von Herstellerkartellen; Erleichterung eines Händlerkartells; die wettbewerbsdämpfende Wirkung beim Vertrieb mehrerer Hersteller über die gleichen Händler/ Interlocking Relationships; preistreibende Wirkung der Preisbindung aufgrund der Ausschaltung des Preiswettbewerbs unter Händlern; Verringerung des Preisdrucks auf die Hersteller; Preisbindung zur Abschottung). Darüber hinaus EuGH v. 3.7.1985 – Rs. C-243/83, Slg. 1985, I-2034, 2046, Rn. 44 f. – Binon / AMP. EuGH v. 6.10.2009 – verb. Rs. C-501/06 P, C-513/06 P, C-515/06 P, C-519/06 P, Slg. 2009, I-9291, Rn. 62 – GlaxoSmithKline u. a. / Kommission; EuGH v. 13.10.2011 – Rs. C-439/09, EU:C:2011:649, Rn. 49 – Pierre Fabre Dermo-Cosmétique. 472 Vergleiche Vertikalleitlinien 2010, Rn. 47 mit Vertikalleitlinien 2000, Rn. 46 ff. welche an der entsprechenden Stelle unumwunden nur auf die Vermutungswirkung bei Kernbeschränkungen verweist, die eine individuelle Freistellung „unwahrscheinlich“ mache. Nun wird klargestellt, dass sich die Vermutung bei Kernbeschränkungen auf den Ausschluss der Freistellung im Rahmen der GVO und auf Art. 101 Abs. 1 AEUV bezieht und deutlicher auf die Beweismöglichkeit nach Art. 101 Abs. 3 AEUV hingewiesen. 473 Vertikalleitlinien 2010, Rn. 223–229. 470 471

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2. Teil: Die Preisbindung der zweiten Hand – ein Rechtsvergleich

stellt die Kommission die negativen Auswirkungen der Preisbindung auf dynamischen Wettbewerb, Innovation und den Zutritt neuer Geschäftsmodelle mit Niedrigpreisstrategien dar. Insgesamt deckt sich dies mit den Ergebnissen der ökonomischen Untersuchung in dieser Arbeit. Zu positiven Wirkungen führt die Kommission an, dass insbesondere solche Preisbindungen, die von Herstellern ausgehen, zu Einführung von neuen Produkten und zur Steigerung der Verkaufsbemühungen von Händlern führen können.474 In letzterem Kontext nennt die Kommission beispielhaft die kurzfristige Sonderangebotssteuerung (in der Regel 2–6 Wochen) im Rahmen von Franchise- oder anderen Vertriebssystemen mit einheitlichen Vertriebsmethoden. Sie stellt auch die theoretische Möglichkeit der Bekämpfung des Trittbrettfahrerproblems dar, betont aber, dass Unternehmen im Rahmen des Art. 101 Abs. 3 AEUV überzeugend darlegen müssen, dass die Preisbindung nicht lediglich ein Mittel zur Verhinderung des Trittbrettfahrens ist, sondern tatsächlich auch Anreize für die gewünschten Serviceleistungen schafft. Man kann hierin durchaus eine Reaktion auf Leegin sehen.475 Tatsächlich greift die Kommission aber nur zwei der drei ökonomischen Leegin-Rechtfertigungen auf, nämlich die Einführung innovativer Produkte und die Verhinderung des Trittbrettfahrens. Ausgeklammert lässt sie die in Leegin angesprochene Serviceinzentivierung abseits des Trittbrettfahrerproblems. Stattdessen führt sie detailliert vor Augen, dass im Rahmen dieser Rechtfertigung des Trittbrettfahrens eben nicht nur die Erforderlichkeit des Einschreitens, sondern auch die Geeignetheit der Preisbindung zur entsprechenden Sicherstellung der Services plausibel dargestellt werden müssen. Nach ökonomischen Maßstäben dürfte dies in den seltensten Fällen möglich sein. Zwar spricht die Kommission wie der Supreme Court in Leegin außerdem den Ursprung der Preisbindung (Hersteller oder Händler) als Kriterium bei der Beurteilung einer Preisbindung an, lässt darüber hinaus aber die zwei weiteren Faktoren des Leegin-Urteils außer Betracht. Weder Verbreitungsgrad von Preisbindungen im Markt durch verschiedene Hersteller, noch die Marktmacht preisbindender Akteure als Beurteilungskriterium sind für die Kommission relevant, was sich allerdings mit Blick auch auf ökonomische Ansichten hierzu vertreten lässt.476 Insgesamt aussagekräftiger ist also erneut, was die Kommission in ihren Leitlinien nicht sagt. Anders als der Supreme Court geht sie nicht davon aus, dass herstellergetriebene Preisbindungen grundsätzlich unproblematisch sind, sondern hebt nur hervor, dass insbesondere solche Preisbindungen vorteilhaft sein können. Sichtbar wird also in 474 Mit Einschränkung in der Fußnote zur Unmöglichkeit der vertraglichen Verpflichtung zu verkaufsfördernden Maßnahmen. 475 So zum Beispiel Hübener, Vertikale Mindestpreisbindungen im US- und EU-Recht, 201. 476 Andere Ansicht Reindl, 33 Fordham Int’l L. J. 2010, 1300, 1319.

C. Rechtliche Erfassung von Mindest- und Festpreisbindungen

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allen aufgegriffenen Punkten die durch die Kommission verfolgte Minimallinie, die gerade noch dazu taugt, zu signalisieren, dass sie die LeeginEntwicklung in den USA zur Kenntnis genommen hat. Auch die Verortung in den Leitlinien zeigt, dass eine Politikänderung nicht beabsichtigt war. Selbst wenn die Kommission eine solche hier artikuliert hätte, würden die Leitlinien ohnehin keine Rechtssicherheit verheißen. Die Selbsteinschätzung der Unternehmen ist durch die Leitlinien allenfalls dahingehend erleichtert, dass sie in Fällen entsprechender Sonderaktionen einen „grünen Bereich“ kurzfristiger Preisbindungen einschätzen können. Die Leitlinien sind damit zwar ein Bezugspunkt, erschöpfen sich jedoch schnell. Bereits über diese Äußerung zu Sonderangebotskampagnen hinaus dürfte es keinerlei Erfahrungswerte zur ausreichenden Darlegung im genannten Trittbrettfahrer-Kontext geben. Die Erkenntnisse aus dem ersten Teil dieser Arbeit suggerieren aber vor allem, dass die von der Kommission hier angesprochene Darlegung auch durch ökonomische Gutachten schwer beizubringen sein wird. Wie immer gilt: wer ökonomische Auswirkungen nachweisen soll, gerät ins Hintertreffen. Der eher halbherzige Verweis auf herstellermotivierte Preisbindungen, die „insbesondere“ positive Auswirkungen zeitigen könnten, hat ebenfalls kaum Gewicht: wer im Einzelfall mehr Interesse an einer Vereinbarung hatte, lässt sich wohl kaum rechtssicher nachvollziehen und ist allenfalls im Rahmen einer Indiziengesamtbetrachtung hilfreich. Der Kritik, dass die Leitlinien zu vage seien, bleibt entgegenzuhalten, dass eine weitere Konkretisierung weder möglich noch zielführend wäre. Erstens können weder negative noch positive Wirkungen von Vereinbarungen nicht erschöpfend für alle Konstellationen zusammengefasst werden, zweitens wären Leitlinien dafür nicht der angemessene Ort.477 Drittens äußert sich die Kommission sehr wohl an anderer Stelle in den Leitlinien detaillierter zur Rechtfertigung über pro-kompetitive Theorien (Qualitätszertifizierung u. a.).478 Sie referiert allerdings explizit nur auf vertikale Beschränkungen, die keine Kernbeschränkungen darstellen; im Umkehrschluss ist damit wohl eine bewusste Ablehnung einer derartigen Rechtfertigung für Preisbindungen gegeben.479 Abschließend äußert sich die Kommission allgemein dazu, dass verschiedene Arten vertikaler Beschränkungen häufig zwar ähnliche Effekte herbeiführen können und in hohem Maße austauschbar sind, ihre negativen Auswirkungen aber variieren können. Für ihre Unerlässlichkeit muss die gewählte vertikale Beschränkung – hinsichtlich negativer Auswirkungen – folglich das mildeste unter mehreren geeigneten Beschränkungen sein. Nach dieser Logik erscheint 477 Leitlinien zur Anwendung von Artikel 81 Abs. 3, Rn. 44; Reindl, 33 Fordham Int’l L. J. 2010, 1300, 1319. 478 Vertikalleitlinien 2010, Rn. 107. 479 Vertikalleitlinien 2010, Rn. 109; die Erkenntnisse aus dem ersten Teil dieser Arbeit implizieren aber, dass dies sachgerecht ist.

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2. Teil: Die Preisbindung der zweiten Hand – ein Rechtsvergleich

eine Kernbeschränkung im Rahmen des Art. 101 Abs. 3 AEUV nur als möglicherweise unerlässlich, wenn keine mildere, „bewirkte“ Vertikalbeschränkung in Betracht kommt, um ein ähnliches Ziel zu erreichen. Dass dieser Fall theoretisch schwer bis unmöglich nachweisbar ist, haben die ökonomischen Erwägungen im ersten Teil dieser Arbeit gezeigt. Praktisch ist es daher nach wie vor nicht vorstellbar, dass die Kommission jemals die Effizienzrechtfertigung für eine Preisbindung als ausreichend dargelegt betrachten könnte. Einigermaßen befremdlich wirkt allerdings, dass die in der GVO und den Leitlinien etablierte Kernbeschränkungssystematik, so sie denn nur die Nichterfüllung der Kriterien des Art. 101 Abs. 3 AEUV im Rahmen der Gruppenfreistellung feststellt, faktisch auch die Einzelfreistellung ausschließt. Konsequent erscheint diese Systematik aber, insofern sie die vertikale Preisbindung (bzw. Gebietsbeschränkung) aus der Gruppe der sonstigen vertikalen Beschränkungen heraushebt. Sie ist sowohl mit der Rechtsprechung des EuGH zu bezweckten Beschränkungen als auch mit der international beobachtbaren Abstufung der Schädlichkeitsannahmen für verschiedene vertikale Beschränkungen in Einklang zu bringen. Gleichwohl ist die systematische Kritik nicht von der Hand zu weisen, soweit bemängelt wird, dass die praktischen Ergebnisse von der Idee des Art. 101 Abs. 3 AEUV abweichen. Die Kritik rührt an das de jure und de facto unübersichtliche Verhältnis von Kernbeschränkungen und bezweckten Wettbewerbsbeschränkungen. Während diese Begriffe nicht deckungsgleich sind, sondern unterschiedliche Konzepte betreffen, greifen sie – auch durch die Formulierung in den Leitlinien – ineinander und wirken zusammen. Die Kernbeschränkung, die nur die Grenzen der (bevorzugten) Gruppenfreistellung abstecken soll, hat als „Nebenwirkung“ die Einstufung von Kernbeschränkungen als bezweckte Wettbewerbsbeschränkungen zur Folge. 480 Damit schlägt sie auch auf den vom Konzept der bezweckten Beschränkung bestimmten Beweislastumfang in Art. 101 Abs. 1 AEUV durch. Sie geht damit weiter als die bloße Nichtanwendbarkeit der GVO auf vertikale Beschränkungen, die z. B. die Marktanteilsgrenzen sprengen.481 Die Kritik hieran ist aus formalistischer Sicht durchaus berechtigt, weil die Beurteilung zwischen Art. 101 Abs. 1 und 3 AEUV nicht immer trennscharf vonstatten geht.482 Gleichwohl ist in Bezug auf Preisbindungen, abgesehen von in der Praxis wohl deckungsgleichen Ergebnissen bezweckter Beschränkungen bzw. Kernbeschränkungen unter Art. 101 Abs. 1 und 3 AEUV, im Ergebnis zu bemerken, dass der EuGH selbst und unabhängig von der Komission die Preisbindung als bezweckte Beschränkung charakterisiert. Vertikalleitlinien 2010, Rn. 23 („Kernbeschränkungen, d. h. bezweckte Beschränkungen“); nicht so deutlich noch in den Leitlinien zur Anwendung des Art. 81 Abs. 3, Rn. 23 („in der Regel“). 481 Vgl. VO 330/2010, Rn. 9. 482 Siehe m. w. N. Hübener, Vertikale Mindestpreisbindungen im US- und EU-Recht, 208. 480

C. Rechtliche Erfassung von Mindest- und Festpreisbindungen

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Damit hat er sowohl die Beweislastumkehr im Rahmen des Art. 101 Abs. 1 AEUV als auch den Ausschluss von Bagatellfällen entsprechend festgelegt. ii) Bedeutung für die Bewertung im Rahmen des Art. 101 Abs. 3 AEUV Im Ergebnis ist eine Freistellung von Preisbindungen nach wie vor extrem unwahrscheinlich. Ansonsten besteht nämlich auch mit Blick auf vergangene Fälle der – empirisch ernüchternde – Befund, dass kaum Fälle bekannt sind, in denen eine Kartellbehörde oder ein Gericht die Erfüllung der Voraussetzungen für eine Einzelfreistellung i. S. d. Art. 101 Abs. 3 AEUV für eine klassische Kernbeschränkung bejaht hätte.483 Zur vertikalen Preisbindung hatte sich die Kommission beispielsweise im Fall PO/Yamaha 2003 deutlich geäußert, wo sie allgemein verlauten ließ: „Verträge zur Verkaufsbindung sind Kernbeschränkungen, die nicht die kumulativen Bedingungen des Artikels 101 Abs. 3 AEUV erfüllen (ex. 81 Abs. 3 geändert Verf.)“484 Die 2004 erlassenen Leitlinien zur Anwendung des Art. 81 Abs. 3 AEUV sind ebenso wie die Vertikalleitlinien 2010 diplomatischer formuliert. Hier wiederholt die Kommission, dass unter Art. 101 Abs. 3 AEUV a priori keine Vereinbarungen von einer Einzelfreistellung ausgeschlossen werden.485 Sie erklärt jedoch im Folgenden wie sie bei der Berücksichtigung von Effizienzgewinnen vorgehen möchte.486 Sie fordert insofern nicht nur die Darlegung im Sinne einer gewissen Plausibilität, sondern die konkrete Darstellung der erwarteten Effizienzgewinne, die Kausalität der Vereinbarung für dieselben, die Wahrscheinlichkeit und das Ausmaß sowie die zeitliche Dimension der Effizienzgewinnerreichung. Darüber hinaus will sie auch die dynamische Effizienz beachtet wissen.487 Damit aber abgeschätzt werden kann, ob die positiven Wirkungen die negativen Wirkungen einer Vereinbarung überwiegen, müsste eine unternehmerische Selbsteinschätzung auch letztere, negative Auswirkungen einbeziehen und diese gegebenenfalls quantifizieren. Hinsichtlich der Darlegungslast der Kommission werden nachteilige Wirkungen bei Kernbeschränkungen nämlich zunächst vermutet. 488 Zudem wird die Kommission im Falle einer wider Erwarten entsprechend substantiierten Darlegung gemäß ihrer Ausführung in den Leitlinien die konkret negativen Auswirkungen tatsächlich nachprüfen.489 483 Auch allgemein für bezweckte Wettbewerbsbeschränkungen erscheint dies praktisch unmöglich. 484 Komm. v. 16.7. 2003 – COMP 37.975, Rn. 175 – PO / Yamaha. 485 Komm., Leitlinien zur Anwendung von Art. 81 Abs. 3 EGV, Rn. 46. 486 Komm., Leitlinien zur Anwendung von Art. 81 Abs. 3 EGV, Rn. 50 ff. 487 Komm., Leitlinien zur Anwendung von Art. 81 Abs. 3 EGV, Rn. 51 ff. 488 Hieran knüpft die Kritik von Reindl, 33 Fordham Int’l L. J. 2010, 1300 ff. 489 Die Kommission macht damit deutlich, dass sie erhebliche Ressourcen aufwenden will, auch wenn Effizienzgewinne im Raum stehen, krit. Hübener, Vertikale Mindestpreisbindungen im US- und EU-Recht, 205; vgl. Vertikalleitlinien 2010, Rn. 223.

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2. Teil: Die Preisbindung der zweiten Hand – ein Rechtsvergleich

Das bereits angesprochene Kriterium der Unerlässlichkeit wurde – soweit ersichtlich – nur 1999 einmal bezüglich des Verkaufs ausländischer Zeitungen in Sachen Belgische Presse AMP zugestanden; es handelte sich dabei aber um ein Grosso-System, mithin um einen Sonderfall aufgrund der speziellen Risikoverteilung im Zeitungsmarkt.490 Allgemein erscheint die Einzelfreistellung für bezweckte Wettbewerbsbeschränkungen praktisch unmöglich, wenngleich die Kommission im Fall Star-Alliance teilweise eine Einzelfreistellung anerkannte.491 Nötig waren aber hierfür bereits zusätzliche Zusagen der Beteiligten nach Art. 9 VO Nr. 1/2003. Im Gegensatz zu anderen bezweckten Beschränkungen würde die Preisbezogenheit der vertikalen Preisbindung vor der Kommission aber besonders negativ in Gewicht fallen. Das wird mit Verweis auf die abweichende Einschätzung des EuGH kritisiert.492 Soweit die Kommission preislichem Wettbewerb eine gewisse Sonderrolle zugesteht und diese darauf beruht, dass sie weniger stark auf den funktionierenden Interbrand-Wettbewerb als Korrektiv vertraut, lässt sich diese Auffassung sehr wohl mit dem gleichrangigen Schutz von Inter- und InterbrandWettbewerb im europäischen Kartellrecht und im Übrigen auch mit der Äußerung des EuGH in Sachen SABA II (Metro/Kommission) vereinbaren. Der Gerichtshof hatte dort lediglich erklärt, dass das streitgegenständliche, von der Kommission freigestellte selektive Vertriebssystem nicht gegen Art. 85 Abs. 3 EWG-Vertrag verstoße, weil dem – durch dieses bereits eingeschränktem – Preiswettbewerb nicht unter allen Umständen absoluter Vorrang eingeräumt werden müsse. Im gleichen Atemzug betonte der EuGH hier jedoch andererseits die besondere Rolle des Preiswettbewerbs und dass dieser niemals ganz beseitigt werden darf.493 Die Fälle, in denen die Kommission vor dem EuGH mit ihrer Rüge von Preisvereinbarungen in Vertikalfällen scheiterte, waren jedenfalls nicht durch unterschiedliche Meinung von EuGH und Kommission zur Reichweite des Preisbindungsverbotes gekennzeichnet, sondern durch mangelnde Beweisfüh490 Komm., XXIX, Bericht der Europäischen Kommission über die Wettbewerbspolitik 1999, Dok. SEK (2000) 720 endg., 181–183 (IV/C-2/31.609 und 37.306, Vertriebsverträge der belgischen Presse – AMP). 491 Komm. v. 23.5.2013 – COMP/AT 39595 – Continental / United / Lufthansa / Air Canada; hier hat die Kommission bei einer bezweckten Wettbewerbsbeschränkung zwar aufgrund von Effizienzen den Ausschluss von Preis- und Kapazitätswettbewerb auf bestimmten Strecken i.R.e Joint Ventures letztlich freigestellt. Nötig waren aber zusätzliche Zusagen der Beteiligten nach Art. 9 VO Nr. 1/2003; s. auch Komm., PM v. 23.5.2013, IP/13/456, Antitrust: Commission renders legally binding commitments from Star alliance members Air Canada, United and Lufthansa on transatlantic air transport passenger market. 492 Mit Verweis auf Dethmers / De Boer, E.C.L.R. 2009, 424, 438 f. und EuGH v. 25.10.1977 – Rs. 26/76, Slg. 1977, I-1875, Rn. 21 – Metro / Kommission (SABA II), s. a. Hübener, Vertikale Mindestpreisbindungen im US- und EU-Recht, 204. 493 EuGH 25.10.1977 – Rs. 26/76, Slg. 1977, I-1875, Rn. 21, 22 – Metro / Kommission (SABA II).

C. Rechtliche Erfassung von Mindest- und Festpreisbindungen

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rung der Kommission in Bezug auf andere Umstände, namentlich den unzureichenden Nachweis einer Vereinbarung.494 Echte Preisbindungen sind in den letzten Jahren gleichwohl nicht häufig Gegenstand der Praxis gewesen. In Sachen Nathan Bricolux (2000) und Yamaha (2003) fanden sich die Vereinbarungen bzgl. der Bindung der Händler an Listenpreise des Herstellers bzw. prozentuale Rabattuntergrenzen in verschiedenen Mitgliedstaaten zusammen mit anderen Klauseln zur Unterbindung von Querlieferungen zwischen Händlern verschiedener Absatzgebiete (absolute Gebietsbeschränkungen). In Nathan Bricolux äußerte sich die Kommission eher pauschal zur ausgeschlossen Einzelfreistellung.495 Interessant ist, dass die nicht systematische Durchführung noch einen minder schweren Fall bei der Bußgeldbemessung bewirkte.496 2003 hat die Kommission in Sachen Yamaha eine ganze Reihe von Vereinbarungen in Vertriebsverträgen des Musikalienherstellers mit einem Bußgeld belegt.497 Auch hier äußerte sich die Kommission eher pauschal formuliert zur Möglichkeit der Einzelfreistellung von hardcore restrictions: die Umstände für eine Einzelfreistellung seien nicht gegeben, weil es sich bei den Gebietsbeschränkungen und Preisbindungen um Kernbeschränkungen handle, die die kumulativen Voraussetzungen des Art. 81 Abs. 3 (a. F.) nicht erfüllen würden. Sie würden weder zur Verbesserung des Vertriebs beitragen, noch Vorteile für die Verbraucher zeitigen. Gleichwohl diskutierte die Entscheidung einige potenzielle Effizienzgewinne, befand sie hier aber für nicht gegeben.498 Dass einige der Vereinbarungen trotz langfristiger Existenz kaum durchgeführt worden waren und die Kommission keine Hinweise auf substanzielle negative Auswirkungen auf den Markt hatte finden können, berücksichtigte sie lediglich in der Bußgeldzumessung im Rahmen der Kalkulationsgrundlage – also weder erschwerend noch mindernd. Dabei bleibt die Kommission in der einheitlichen Entscheidung so vage bzgl. der vorgefundenen Kernbeschränkungsarten, dass weder von der Bedeutung tatsächlicher Auswirkungen im Rahmen der (wohlwollenden) Bußgeldbemessung, noch (a minore ad maius) bei der Beurteilung etwaiger Effizienzgewinne im Rahmen des Art. 101 Abs. 3 AEUV ernsthaft ausgegangen werden kann. Bedauerlicherweise besteht mit Blick auf Rechtssicherheit damit aber bis heute keine Entscheidungspraxis unter der Vertikal-GVO und den Leitlinien 2010.

EuGH v. 21.9.2006 – Rs. C-167/04P, Slg. 2006, I-8935 – JCB Service / Kommission; EuG v. 15.9.2005 – Rs. T-325/01, Slg. 2005, II-3319 – DaimlerChrysler / Kommission. 495 Komm. v. 5.7.2000 – ABl. 2001 L 54/1 – Nathan-Bricolux. 496 Komm. v. 5.7.2000 – ABl. 2001 L 54/1 – Nathan-Bricolux 497 Komm. v. 16.7.2003 – COMP/37.975 – PO / Yamaha. 498 Komm. v. 16.7.2003 – COMP/37.975, Rn. 175 – PO / Yamaha. 494

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2. Teil: Die Preisbindung der zweiten Hand – ein Rechtsvergleich

cc) Alternativen in der Beurteilung der Preisbindung Die Kritik bezieht sich meist auf den Kernbeschränkungsansatz der Kommission und den damit bewirkten Ausschluss der Rechtfertigung unter Art. 101 Abs. 3 AEUV. Aber lässt sich dieser Ansatz in der Gesamtbetrachtung rechtfertigen und/oder bestehen Alternativen bei der Beurteilung der Preisbindung, die sich kohärent in die Beurteilungspraxis vertikaler Vereinbarungen einfügen würden? i)

Stellschrauben innerhalb des Art. 101 Abs. 1 AEUV

Zunächst könnte bereits der Anwendungsbereich des Art. 101 Abs. 1 AEUV in Bezug auf Preisbindungen etwas entschärft werden. So stellen einzelne Stimmen eine weniger (vor-) schnelle Annahme von Vereinbarungen i.R.d. Abs. 1 in den Raum, um einen nuancierten Ansatz herbeizuführen.499 Dass aber die Errungenschaft des insgesamt geprägten Vereinbarungsbegriffs zugunsten einer formalistischen Betrachtung von Vereinbarungen aufgegeben würde, um eine Daumenpeilung zu ermöglichen, scheint so rückständig wie undenkbar. Schon eher kann man unter Art. 101 Abs. 1 AEUV die Frage nach dem Schädlichkeitspotenzial und damit auch nach Marktanteilen diskutieren. Angelehnt an die amerikanische theory of harm werden für Angriffe auf Preisbindungen sowohl Marktanteilsschwellen als auch die Differenzierung nach dem jeweiligen Initiator von Preisbindungen vorgeschlagen. 500 Bereits aus praktischen Erwägungen verwundert es jedoch nicht, dass die Kommission sich hier sperrt: Wer letztlich mehr Interesse an Preisbindung hatte, dürfte häufig nicht zweifelsfrei nachweisbar sein. Nachdem Hersteller aber wohl dazu neigen, ihren (notwendigen) Einfluss auf Preise überzubewerten und deshalb keinesfalls immer rational entscheiden, sind im Fall der Preisbindung auch die Hersteller als Initiatoren kein Garant für einen pro-kompetitiven Gebrauch von Preisbindungen – vor allem dann nicht, wenn sie mangels Beweislast nicht im Vorhinein die Folgen einer Geschäftspraktik eingehend beurteilen müssen. Aufgrund der rechtlichen Bewertung des Preiswettbewerbs durch den EuGH sind die Marktanteile bei Preisbindungen weniger bedeutsam als bei anderen vertikalen Beschränkungen, die mit der GVO zu Recht einer solchen höheren Aufgreifschwelle unterliegen. Weil Preisbindungen kollusionsähnliche Ergebnisse herbeiführen können, ist der Umstand, ob die betrachtete Branche traditionell zu Kollusion neigt, mäßig aussagekräftig. Die Mehrzahl der Faktoren, die mit Verweis auf Leegin ins Feld geführt werden, sind in hohem Maße den dogmatischen Schwierigkeiten der rule of 499 Mit weiteren Nachweisen Hübener, Vertikale Mindestpreisbindungen im US- und EU-Recht, 213, der i. E. aber m. V. a. die Colgate-Doktrin zur Bedenklichkeit eines solchen Ansatzes kommt. 500 Reindl, 33 Fordham Int’l L. J. 2010, 1300, 1322 ff.

C. Rechtliche Erfassung von Mindest- und Festpreisbindungen

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reason-Rechtsprechung geschuldet und suggerieren eine Korrelation der amerikanischen Rechtswirklichkeit mit dem ökonomischen Mainstream, die so tatsächlich nicht besteht. Deshalb sollten sie nicht – erst recht nicht verschleiert – in den Prüfungsrahmen des Art. 101 Abs. 1 AEUV gepresst werden. Aus der Rechtsprechung des EuGH und der Negativliste der GVO durch die Kommission darf nicht der Umkehrschluss gezogen werden, dass Marktanteile bei allen Beschränkungsarten ein inhärenter Aspekt des Art. 101 Abs. 1 AEUV wären. So beurteilte es im Übrigen der EuGH in Hinblick auf die Spürbarkeit bezweckter Beschränkungen in Expedia. ii) Stellschrauben des Art. 101 Abs. 3 AEUV (a) Aufgabe der Kernbeschränkungseinstufung Die Generalkritik bleibt: die Einstufung der Preisbindung als Kernbeschränkung lasse sich nicht mit den Anforderungen an ein ökonomisch fundiertes Beurteilungsregime vereinbaren. Die positiven Effekte der Preisbindung würden nach wie vor zu wenig quantifiziert, daher nicht in eine Abwägung einfließen, während der Nachweis negativer Auswirkungen durch Behörden geflissentlich dahinstehen könne und daher nicht geprüft werde. Hauptsächlich sei die Annahme, dass Preisbindungen zu höheren Preisen führten und deshalb vermutungsweise rechtswidrig wären, nicht korrekt.501 Nicht in jedem Fall würden höhere Preise bewirkt, noch würden diese einen negativen Effekt für Verbraucher bedeuten.502 Zum einen steht diese Argumentation nicht im Einklang mit den hier vertretenen Ansichten zu negativen Auswirkungen der Preisbindung auch im Interbrand- und nichtpreislichen Wettbewerb aus dem ersten Teil dieser Arbeit. Zum anderen übersehen derlei Vorwürfe, dass die Rechtswidrigkeit bzw. Rechtskonformität im Rahmen des Art. 101 AEUV eben nicht mit betriebswirtschaftlicher Nachteilhaftigkeit bzw. Vorteilhaftigkeit gleichzusetzen ist. Ein solches Verständnis verkennt das Schutzziel des Art. 101 AEUV. Geschützt wird die Selbständigkeit nach innen wie nach außen.503 Während Außenwirkungen zu Recht zusätzlich in den Fokus rücken, darf die Selbständigkeit nach innen nicht unterbewertet werden. Spiegelbildlich dazu verläuft das Konzept der bezweckten Wettbewerbsbeschränkung und der Kernbeschränkung auch an der Linie der WahlReindl, 33 Fordham Int’l L. J. 2010, 1300, 1319. Komm., Leitlinien zur Anwendung von Art. 81 Abs. 3 EGV, Rn. 44; Reindl, 33 Fordham Int’l L. J. 2010, 1300, 1319. 503 Zum Selbstständigkeitspostulat vgl. EuGH v. 16.12.1975 – verb. Rs. C-40–48, 50, 54–56, 111, 113, 114/73, Slg. 1975, I-1663, Rn. 173 f. – Suiker Unie u. a. / Kommission; EuGH v. 14.7.1981 – Rs. C-172/80, Slg. 1981, I-2021, Rn. 13 – Züchner / Bayerische Vereinsbank; EuGH – verb. Rs. C-89/85, C-104/85, C-114/85, C-116/85, C-117/85 und C125/85 bis C-129/85, Slg. 1993, I-1307, Rn. 63 – Alstroem Osakeyhtioe u. a. / Kommission; EuGH v. 28.5.1998 – Rs. C-7/95 P, Slg. 1998, I-3111, Rn. 86 – John Deere / Kommission. 501 502

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2. Teil: Die Preisbindung der zweiten Hand – ein Rechtsvergleich

möglichkeit von Verbrauchern. Es geht nicht ausschließlich darum, dass einzelne Vorteile von einzelnen Konsumenten geschätzt werden, sondern eben auch darum, Wahlmöglichkeiten vorzuhalten. Durch einen fixen Preis fallen diese aber gerade an der für den Verbraucher in erster Linie sichtbaren Stelle weg. Die Priorisierung der Kommission in Bezug auf preisliche Parameter steht dem Verständnis des EuGH oder gar übergeordneten Prinzipien des AEUV nicht entgegen.504 Zwar beansprucht Preiswettbewerb nicht unter allen Umständen Vorrang vor anderen Wettbewerbsformen,505 weshalb der EuGH (und eben auch die Kommission selbst) in SABA II (Metro/Kommission) eingeschränkten Preiswettbewerb als Nebenwirkung innerhalb eines selektiven Vertriebssystems billigte. Allerdings konstatierte der EuGH hier ebenfalls, dass Preiswettbewerb aufgrund seiner Wichtigkeit niemals ganz beseitigt werden darf. Dass die komplette Ausschaltung des Preiswettbewerbs im Intrabrand-Wettbewerb also ausreicht, um eine starke Vermutung der Wettbewerbswidrigkeit auszulösen, ergibt sich dann folgerichtig aus dem erklärtermaßen gleichmäßigem Ziel des Schutzes sowohl des Intra- als auch des Interbrand-Wettbewerbs. Aus der Warte des integrationspolitischen Gedankens lässt sich eine gewisse Priorisierung von Preis- und Gebietswettbewerb und die daraus resultierende simultane Missbilligung von Kundenkreis- und Preisbeschränkungen im Rahmen von Art. 101 Abs. 3 AEUV rechtfertigen. Daher verbietet es sich zum einen, die vertikale Mindest- und Festpreisbindung aus dem Kernbeschränkungskatalog zu nehmen.506 Bei allem Verständnis für Kontroversen um die Schädlichkeit vertikaler Preisbindung, so steht sie nach aller Erfahrung jedenfalls im Widerspruch zu der wettbewerblichen Unbedenklichkeitsvermutung der VO 330/2010 und den dort veranschlagten Marktanteilen von 30 % bzw. 50 % bei Netzen von Preisbindungen. Der auch bei konservativster Erwartung zu befürchtende anti-kompetitive Gebrauch würde die Möglichkeiten der Kommission sprengen und Verhältnisse schaffen, die zunächst einer Erlaubnis gleichkämen.507 Zudem muss ein weiterer Aspekt innerhalb der Systematik der Gruppenfreistellung beachtet werden: Die GVO stellt zwar eine Konkretisierung des Art. 101 Abs. 3 dar, sie stellt aber gemäß ihres Ziels, Rechtssicherheit zu schaffen, im Einzelfall auch Vereinbarungen frei, die die Voraussetzungen des Art. 101 Abs. 3 AEUV nicht erfüllen, geht also deutlich weiter als eine Einzelfreistellung. So aber Reindl, 33 Fordham Int’l L. J. 2010, 1300, 1320. EuGH v. 25.10.1977 – Rs. C-26/76, Slg. 1977, I-1875, Rn. 21 – Metro / Kommission (SABA II). 506 Ausführlich bereits Hübener, Vertikale Mindestpreisbindungen im US- und EURecht, 214. 507 Art. 29 Abs. 1 VO 1/2003 ist als enge Ausnahmevorschrift zu lesen, andernfalls würde der Zweck der VO 1/2003 vereitelt. Deshalb ist eine grds. Gleichbehandlung mit vertikalen Beschränkungen abzulehnen. 504 505

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Technisch ginge eine Aufnahme der Preisbindung in die GVO somit – auch rechtsvergleichend – viel zu weit.508 (b) Nicht freigestellte Beschränkung nach Art. 5 VO 330/2010 Um Preisbindungen innerhalb des Gruppenfreistellungsregimes von der Kernbeschränkungsbürde zu befreien, sie aber systemkonform dem Vorteil der Gruppenfreistellung zu entziehen, steht ein weiterer Vorschlag im Raum. Mindestpreisbindungen hätten in der Neuauflage der Vertikal-GVO als nicht freigestellte Beschränkung nach Art. 5 VO 330/2010 eingestuft werden können.509 Mit Wegfall der Kategorisierung als Kernbeschränkung ließen sich – ohne Vorverurteilung durch die GVO – einerseits das Fallaufkommen und damit andererseits echte Einzelfallbeurteilungen anregen. Die Entwicklung zu einem konsumentenwohlfahrtsorientierten Standard über die weitere Ausformung des analytischen Rahmens von Art. 101 AEUV wäre dann eher auf Linie mit einem ökonomischen Ansatz zu bringen. Andererseits wären Preisbindungen als Beschränkungen i. S. d. Art. 5 VO 330/2010 nicht immun gegen Verfolgung, sondern könnten im Rahmen von Einzelfallbeurteilungen den Vorteil der dezentralen europäischen Kartellrechtsdurchsetzung ausspielen. Das Aufgreifen in nationalen Fällen würde relativ schnell zur Entwicklung einer umfassenden Analysebasis beitragen.510 Dieser Ansatz ist jedoch nur geeignet, wenn man wie dargestellt davon ausgeht, dass Preisbindungen keine bezweckten Wettbewerbsbeschränkungen sind.511 Dies ist jedoch aus mehreren Gründen nicht anzustreben: Erstens hat die ökonomische Analyse gezeigt, dass Preisbindungen relativ problematischer sind und größeres Schädigungspotenzial bergen als viele andere vertikale Beschränkungen. Wenn im Hinblick auf die Ziele des europäischen Kartellrechts Beschränkungsarten differenziert werden, von denen überhaupt welche als Kernbeschränkungen gelten können, dann ist es die Preisbindung der zweiten Hand. Preisbindungen sind jedenfalls nicht „neutral“ und eine wie auch immer geartete Vermutung ihrer Schädlichkeit ist auch ökonomisch zu rechtfertigen. Das zeigt auch der rechtsvergleichende Blick auf die USA, die Preisbindungen mit dem sich abzeichnenden inherently suspect approach innerhalb der rule of reason als abstrakt schädlicher ansehen als andere vertikale Beschränkungen. Die Wertung des Art. 5 VO 330/2010 würde in rechtsvergleichender Hinsicht zu lax geraten. Mit Blick auf die USA, die in anderem Umfang Marktanteile i.R.d. theory of harm berücksichtigen, kann auch die mit einer Art. 5-Einstufung verbundene Geltung von Bagatellgrenzen die Vgl. Ermächtigung in Art. 29 VO 1/2003 im Umkehrschluss. Reindl, 33 Fordham Int’l L. J. 2010, 1300, 1332. 510 Reindl, 33 Fordham Int’l L. J. 2010, 1300, 1332. 511 So i. E. Reindl 33 Fordham Int’l L. J. 2010, 1300, 1332; Hübener, Vertikale Mindestpreisbindungen im US- und EU-Recht, 217. 508 509

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2. Teil: Die Preisbindung der zweiten Hand – ein Rechtsvergleich

angeregte Entscheidungspraxis nur als Wunschvorstellung enthüllen. Selbst dort ist die Konkretisierung durch die Rechtsprechung ausgeblieben (aus welchen Gründen auch immer, ob Rechtsunsicherheit oder Ausweichen in andere Strategien). Für Europa, dessen Rechtsprechung in Bezug auf bewirkte und bezweckte Beschränkungen derzeit viele Fragen noch offen lässt, aber einen Riegel vorschiebt, ist daher eine Konkretisierung der Preisbindung als Beschränkung i. S. d. Art. 5 VO 330/2010 nicht zielführend. Dass (Gerichts-) Verfahren angeregt und damit Rechtssicherheit entwickelt würden, drängt sich zweitens nicht unbedingt auf. So ist es zwar eine legitime Erwägung, dass Behörden keine Erfahrung mit der Einzelfallbegutachtung der Effekte von Preisbindungen entwickeln würden, weil sie unter der Vermutungswirkung der Kernbeschränkung nicht gezwungen seien, ökonomische Effekte zu prüfen.512 Jedoch führt auch ein solches theoretisches Prüfgebot nicht zwangsläufig zu einem Anstieg von Verfahrenszahlen. So ist es auch in den USA letztlich nicht zu einer solchen Konkretisierung gekommen, obwohl im Anschluss an das Leegin-Urteil eine traditionelle rule of reason-Bewertung im Raum stand, die das Tor für eine Vielzahl von Verfahren im Sinne einer Einzelfallprüfung geöffnet hätte. Gleichlaufend spielt sich auch in Europa die Durchsetzung im Bereich des Vertikalkartellrechts vorwiegend auf dem Level der NCAs ab, die die Preisbindung weiterhin mit einer gewissen Durchsetzungspriorität betrachten dürften, solange sie als bezweckte Beschränkung gilt. iii) De lege ferenda: Besserstellung der Preisbindung gegenüber Kernbeschränkungen? Aus gleichem Grund wird auch eine Einführung anderer Marktanteilsschwellen für die Preisbindung abgelehnt, die kürzlich über eine vermittelnde Lösung vorgeschlagen wurde.513 Mit Blick auf die Marktanteilsschwellen der Bagatellbekanntmachung könne eine Schwelle von unbedenklichen 15 % (bzw. 5 % bei Netzen gleichartiger Vereinbarungen) für die Preisbindung in die GVO eingeführt werden. Dadurch droht jedoch eine Zersplitterung und zusätzliche Kosten durch Rechtsunsicherheit in Bezug auf die Determinierung von Marktanteilen und in Bezug auf die Qualifizierung einer Vereinbarung: Eine Besserstellung der Preisbindung gegenüber Beschränkungen im Horizontalverhältnis erscheint bei relativer Betrachtung514 vertretbar. Eine Besserstellung im Vergleich zu anderen Kernbeschränkungen erscheint jedoch nicht angezeigt. Sollte innerhalb dieses Vorschlags eine Neuausrichtung des Kernbeschränkungskonzepts impliziert sein, so müsste die Behandlung Reindl, 33 Fordham Int’l L. J. 2010, 1300, 1322. Siehe auch Hübener, Vertikale Mindestpreisbindungen im US- und EU-Recht, 215 ff. 514 Angesichts fortlebender per se-Verbote in den USA bei rechtsvergleichender Betrachtung. 512 513

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gleichermaßen auch die anderen Kernbeschränkungen betreffen. Abgesehen von der normativen Ungeeignetheit515 der Vertikal-GVO als Regelungsort für Kernbeschränkungen, ist auch schon aus systematischen Erwägungen eine zweite Marktanteilsschwelle innerhalb der GVO nicht zielführend. Unter der gefestigten Rechtsprechung des EuGH in Bezug auf Preisbindungen und bezweckte Beschränkungen verträgt sich ein safe harbour für Preisbindungen bis 15 % Marktanteil nicht mit der gleichzeitigen Erklärung derselben als jedenfalls spürbar. Von der Bagatellbekanntmachung ausgenommene Beschränkungsarten müssen erst recht aus der Gruppenfreistellung fallen. iv) Wettbewerbspolitische Priorisierung Für die wahrgenommene Akzeptanz einer Rechtsordnung gegenüber Preisbindungen spielt auch die Priorisierung bei der Durchsetzung des Kartellrechts eine Rolle. Insofern kursieren vereinzelt Vorschläge zu einer behördlich formulierten Selbstbeschränkung beim Aufgreifen in Bezug auf geringe Marktanteile und mutmaßlich unschädliche Preisbindungen. 516 Dass dies keine erstrebenswerte Lösung darstellt, liegt auf der Hand. Ein rechtliches Beurteilungskonzept muss der kritischen Überprüfung gerade in Bezug auf seine konsequente Durchsetzung standhalten. Praktische Prioritäten zu setzen, die sich nicht mit der zugrunde liegenden rechtlichen Beurteilung decken, gleich ob primär-, sekundärrechtlich oder in Verwaltungsanweisungen aufgestellt, ist absurd. Konkret steht eine behördliche Selbstbeschränkung auch im Konflikt mit der proklamierten Förderung privater Rechtsdurchsetzung, die im Kartellrecht eine besondere Rolle spielen soll, gleichwohl kaum unangeknüpft an behördliches Aufgreifen stattfindet. Dabei kann in der Gesamtbetrachtung nicht einmal eine überzogene Priorisierung der Kommission festgestellt werden. Fallstudien zeigen in den frühen 2000ern kein überbordendes Aufgreifen – weder allgemein in Bezug auf vertikale Wettbewerbsbeschränkungen noch konkret auf Preisbindungen.517 Erst seitdem lässt sich überhaupt mit Blick auf die Mitgliedstaaten das Erwachen des öffentlichen Enforcement in diesem Bereich beobachten.518 Insofern lässt sich eher eine natürliche Arbeitsteilung mit den nationalen Wettbewerbsbehörden beobachten, die dahin geht, dass die Kommission sich vor allem auf Kartellabsprachen, Marktmissbrauch und Fusionen konzentriert. Das geringe Fallaufkommen auf europäischer Ebene wird im Übrigen und paradoxerweise häufig deswegen gescholten, weil es keine Rechtssicherheit produziere.519 Nach der in dieser Arbeit Die GVO ist eine wettbewerbliche Unbedenklichkeitserklärung. OECD Roundtables on Resale Price Maintenance, DAF/COMP(2008)37, 23–30; m. w. N. Reindl, 33 Fordham Int’l L. J. 2010, 1300, 1330. 517 Dethmers / De Boer, E.C.L.R. 2009, 429, 430. 518 Dethmers / De Boer, E.C.L.R. 2009, 429, 430. 519 Reindl, 33 Fordham Int’l L. J. 2010, 1300, 1330. 515 516

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2. Teil: Die Preisbindung der zweiten Hand – ein Rechtsvergleich

vertretenen Ansicht besteht bereits keine Not für eine schwächere Verfolgung von Preisbindungen. dd) Die mitgliedstaatliche Durchsetzung des Preisbindungsverbotes Der indirekte Vollzug des Unionsrechts (vgl. Artt. 3, 5 und 6 VO 1/2003) führt in diesem Zusammenhang dazu, dass nationale Behörden und Gerichte neben der Kommission das Klima der Anwendung des Unionskartellrechts und damit auch bei der Durchsetzung des dargestellten Preisbindungsverbotes bzw. der Beurteilung der ausnahmsweisen Zulässigkeit von Preisbindungen maßgeblich mitbestimmen. Dabei ist die Linie gegenüber Preisbindungen im Detail nicht unbedingt einheitlich ablehnend ausgeprägt. Aufgegriffen wurden in den letzten Jahren faktische Preisbindungen, die sich aus der extensiven Überwachung der Einhaltung von Preisempfehlungen und der Sanktionierung von Geschäftspartnern ergaben, wenn diese empfohlene Preise nicht eingehalten hatten. In Ungarn betraf dies Preisabsprachen bei Zahnersatz, gegen deren beteiligte Unternehmen die ungarische Wettbewerbsbehörde Bußgelder verhängte und sich dabei schlicht darauf berief, dass die Preisbindung als Kernbeschränkung eingeordnet werde.520 Damit bewegt sie sich auf ähnlicher Linie wie das BKartA.521 Ebenso zahlreich waren Verfahren in Großbritannien: Hub & Spoke-Konstellationen bebußte die britische Behörde mit über 40 Mio. GBP Buße für insgesamt 9 Unternehmen im Lebensmitteleinzelhandel und auf Seiten beteiligter Molkereien.522 Daneben gab es mehrere Bußgeldverfahren im Bereich Sportartikel;523 in re Sports Bra wurden die Untersuchungen eingestellt, allerdings betont die britische Behörde ihre skeptische Haltung gegenüber Preisbindungen mit der gebrauchten Terminologie des vertical price fixing.524 Auch in Portugal,525 Frankreich526 und Italien527 gab es seit 2010 einige Verfahren, die überwiegend mit akzeptierten GVH v. 23.1.2014 – Vj-115/2010/260 (Dental Handpieces), s. GVH, Press Release v. 23.1.2014, Restrictive agreements on the market of dental handpieces. 521 Siehe unten 2. Teil C.III, 250. 522 CMA, Competition Law Risk Guide 2014, 15. 523 CMA, Competition Law Risk Guide 2014, 15. 524 Ebenfalls in der Spielwarenbranche CMA, Competition Law Risk Guide 2014, 15. 525 AdC v. 15.6.2012 – PRC/2010/04 – Lactogal Produtos Alimentares S.A.: 341.098 EUR Geldbuße gg. Portugals größten Hersteller v. Milchprodukten; bestätigt im streitigen Verfahren durch Tribunal da Relação de Lisboa v. 29.1.2014 – 18/12.0YUSTR.E1.L1 – Lactogal c. AdC. 526 Autorité de la concurrence v. 20.3.2012 – 12-D-10 (Nestlé Purina Petcare France, Royal Canin SAS, Hill's Pet Nutrition SNC): 35,3 Mio. EUR Geldbuße gg. TierfutterHersteller. 527 Autorità Garante della Concorrenca e del Mercato, PM I701 v. 15.12.2010, Cosmetics: 15 firms fined for competition-restricting behaviour. Es ergingen Geldbußen v. insgesamt 81 Mio EUR gegen Kosmetikunternehmen, insb. L'Oreal Italia S.p.A. und Unilever Italia Holdings S.r.l. 520

C. Rechtliche Erfassung von Mindest- und Festpreisbindungen

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behördlichen Bußgeldentscheidungen bzw. Settlements endeten. Zahlreiche Verfahren gab es im Bereich vertikaler Preisbindung zuletzt auch in Österreich.528 Vor allem der Lebensmittelsektor machte hier Schlagzeilen; im Fall Spar erging eine gerichtliche Entscheidung, die die behördliche Bußgeldentscheidung überraschend deutlich von 3 auf 30 Mio. EUR anhob.529 Dabei ist die Wettbewerbspolitik großer Staaten stärker gegen Preisbindungen gerichtet, während – auch aus Gründen der Ressourcenschonung – insbesondere kleinere Wettbewerbsbehörden (z. B. in Skandinavien) eher zu einer Priorisierung schwerer Horizontalverstöße tendieren. Gleichwohl kommt es auch hier regelmäßig zu Geldbußen; Dänemark bebußte Preisbindungen zuletzt bspw. bei Weißware.530 Europaweite Zusammenarbeit und eine Untersuchung zu Online-Buchungsplattformen hatten die diversen Untersuchungen zu Hotelplattformen wegen des Gebrauchs von sog. Bestpreisklauseln in Deutschland und England angestoßen.531 Die Behörden schritten hier einheitlich ein. Zwar handelte es sich nicht um klassische Fest- bzw. Mindestpreisbindungen, aufgrund der Konstellation im Online-Geschäft und teilweise großer Marktanteile der beteiligten Unternehmen wurden aber ähnliche Auswirkungen, insbesondere Abschottungseffekte befürchtet. Die anekdotisch rigide wirkende und als solche kritisierte Behördenpraxis wirkt aber in der Gesamtbetrachtlung keineswegs ausschließlich für Versuche vertikaler Preisvereinbarungen. Preisbindungen bzw. nachdrückliche Preisempfehlungen werden von Unternehmen mit einiger Häufigkeit in europaweit ähnlichen Branchen – teilweise sogar flächendeckend – angewendet bzw. befolgt.532 528 Allein 7 Entscheidungen in 2015 bspw. nur OLG Wien als Kartellgericht v. 9.9.2015 –24 Kt 35/15 – Samsung Electronics (BWB/K-396); v. 9.9.2015 –24 Kt 7/15 – Nikon GmbH (BWB/K-392); v. 23.4.2014 – 26 Kt 19/14 – Media-Saturn BeteiligungsgmbH; vor allem fand die BWB branchenweit Preisbindungen im Lebensmittelhandel s. z. B. BWB v. 14.5.2013 – BWB/K-252 – REWE Geldbuße i. H. v. 20,8 Mio. EUR; Kartellgericht v. 3.3.2016 – 26 Kt 2/16 – Rauch Fruchtsäfte GmbH; Kartellgericht v. 19.12.2014 – 24 Kt 62/14 – Brauerei Jos. Baumgartner GmbH (BWB/K-355); v. 3.3.2015 – 25 Kt 76/14 – Vöslauer Mineralwasser AG (BWB/K-397); v. 2.7.2015 – 25 Kt 9/15-6 – Pfeiffer HandelsgmbH und Zielpunkt GmbH (BWB/K-386); zum Ermittlungsschwerpunkt der BWB im Bereich der vertikalen Preisabsprachen, BWB-Leitfaden, Standpunkt zu vertikalen Preisbindungen (Stand Juli 2014). 529 OGH v. 8.10.2015 – 16Ok2/15b, 16Ok8/15k – SPAR, vorgehend Kartellgericht v. 26.11.2014 – Kt 154/13-74 –– SPAR und BWB – BWB/K-304 – SPAR. Siehe auch weitere Geldbußenentscheidungen, Kartellgericht v. 30.6.2016 – 29 Kt 10/16m – SPAR. 530 Siehe m. w. N. ECN Brief 04/2014, 7, ECN Brief archive abrufbar . 531 Siehe m. w. N. ECN Brief 01/2014, abrufbar . 532 Obgleich verbieten sich generalisierende Schlüsse. Mit den aufgegriffenen Fällen handelt es sich nicht um bereinigte Stichproben: eingestellte Verfahren tauchen in Berich-

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2. Teil: Die Preisbindung der zweiten Hand – ein Rechtsvergleich

d) Zusammenfassung Die europäische Rechtslage ist in Bezug auf Preisbindungen unverändert restriktiv und eine europäische Liberalisierung nach Leegin und der Novellierung der GVO nicht feststellbar. Eine solche ist innerhalb des derzeitigen Systems, soweit in diesem eine übergreifende Dogmatik für bezweckte Wettbewerbsbeschränkungen überhaupt identifiziert werden kann, auch schwer ohne Brüche zu integrieren. Die Kommission ist nach wie vor skeptisch gegenüber der Rechtfertigung bezweckter Beschränkungen über ökonomische Effizienzen allgemein und vertikalen preislichen Beschränkungen im Besonderen. Sie sieht sie nicht lediglich als Kehrseite anderer vertikaler Beschränkungen und präferiert – insbesondere im Internetzeitalter – preisliche Wettbewerbsmaßnahmen. Diese Präferenz für preislichen Wettbewerb nährt sich insofern auch aus dem geringeren Vertrauen in Interbrand-Wettbewerb als Korrektiv. Sie deckt sich aber insbesondere auch mit der Rechtsprechung des EuGH, nach der der Schutz von Inter- und Intrabrand-Wettbewerb gleichermaßen angestrebt wird. Die angelegten Erfahrungswerte in Bezug auf Preisbindungen sind auch nach den ökonomischen Erkenntnissen des ersten Teils vertretbar und zweckmäßig. Es bleibt aufgrund der dargestellten Gegebenheiten unter dem Kernbeschränkungsregime schwierig, Preisbindungsvereinbarungen legal zu praktizieren. Zwar gibt es unter der Rechtslage seit 2010 kein nennenswertes Fallaufkommen, jedoch gebieten die Äußerungen der Kommission in ständiger Praxis, sowie die ständige Rechtsprechung des EuGH zu bezweckten Beschränkungen große Vorsicht. Einen Flaschenhalseffekt dürfte aber vor allem die mitgliedstaatliche Durchsetzung des Preisbindungsverbotes haben. Der vordergründige Befund der praktischen (Nicht-)Anwendung der Einzelfreistellung, lässt sich aber nicht pauschal als Abweichen von den Vorgaben des Vertrages erklären. Auf europäischer Ebene gab es bisher nicht genug Verfahren um Preisbindungen und auch in den Mitgliedstaaten sind kaum ernsthafte Versuche der Berufung auf Effizienzen bekannt geworden, was eine entsprechende Aussage zur potenziellen Berücksichtigung unmöglich macht.533 Aus statistischer Sicht mag dies kein eindeutiger Beleg für oder gegen den (vor allem) wettbewerbsfeindlichen Gebrauch sein,534 gleichwohl wird hier nicht davon ausgegangen, dass Experimente mit einer Liberalisierung der Preisbindung angezeigt sind.535 Bestenfalls würden diese nicht zu ten selten auf; zudem sind unter einer entsprechenden Verbotsgesetzgebung gerade antikompetitive Verwendungen zu erwarten. 533 van Doorn, Resale Price Maintenance in EC Competition Law, 1, 24. 534 Wie es auch die Betrachtung ausschließlich aufgegriffener Fälle missbräuchlicher Preisbindungen nicht ist. 535 Anderer Ansicht Hübener, Vertikale Mindestpreisbindungen im US- und EU-Recht, 210, 218.

C. Rechtliche Erfassung von Mindest- und Festpreisbindungen

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weiterem Erkenntnisgewinn in Bezug auf sicher rechtmäßigen Gebrauch beitragen, wie die Ergebnisse in den USA verdeutlichen. Im schlechtesten Fall lässt eine größere Durchlässigkeit für Preisbindungen aus verschiedenen Gründen negative Marktergebnisse erwarten. Über eine als unglücklich empfundene faktische Verwehrung der Einzelfreistellung in Bezug auf Preisbindungen sollte dies in einer Gesamtbetrachtung hinwegtrösten. Die Kritik an der Nichtbeachtung von Marktanteilsaspekten, der praktischen Beweislast und anderen Aspekten bei Beurteilung der Preisbindung richtet sich damit gegen das Konzept der Kernbeschränkung bzw. das der bezweckten Beschränkung selbst. Das bedeutet aber nicht, dass die Preisbindung in diesem Bewertungsgefüge in Relation zu anderen Beschränkungen falsch verortet wäre. Bei allen Unzulänglichkeiten, die man in der Abweichung der theoretischen Einzelfreistellung von der Rechtswirklichkeit identifizieren kann, ist die Einstufung der Preisbindung in der aktuell vorgefundenen Systematik im Vergleich zu anderen vertikalen Beschränkungen durchaus angemessen und auch in rechtsvergleichender Hinsicht keine Eigenheit europäischen Rechts. In Bezug auf die vertikale Mindest- und Festpreisbindung scheint im derzeitigen Gefüge ohnehin keine Alternative gegeben. Im Gegenteil suggerieren auch die Ergebnisse des ersten Teils, dass die zentralen Charakteristika im Umgang mit Mindest- und Festpreisbindungen, nämlich die weitgehend marktanteilsunabhängige Vermutung anti-kompetitiver Auswirkungen und die Beweislast für das Vorliegen von Effizienzen beim Verwender, im Kern richtig und angemessen umgesetzt sind. 3. Preisbindungen im Rahmen des Art. 102 AEUV Nachdem die nach wie vor strikte Haltung der Behörden von Art. 101 AEUV im Fall von Mindest- und Festpreisbindungen keinen wachsenden Gebrauch von Preisbindungen durch Unternehmen zulässt, der eine offizielle Beurteilung im Rahmen des Art. 102 AEUV provoziert hätte, ist ein Blick auf das Missbrauchsregime für Mindest- und Festpreisbindungen nicht besonders relevant.536 Ohnehin endet bei Preisbindungen in Verbindung mit Marktmacht auch die Fürsprache für Preisbindungen. Konkret fallen Mindest- und Festpreisbindungen mit den Abnehmern sowohl unter die Generalklausel des Art. 102 S. 1 AEUV, als auch unter die Regelungen in Art. 102 S. 2 lit. a), lit. b) und lit. c).537 Richtigerweise greift das EU-Recht hier mit der zu Recht weiten Interpretation des Preisbindungsbegriffes auch im Sinne von relativen Aufgrund der Idealkonkurrenz und parallelen Anwendbarkeit von Artt. 101 und 102 stellt sich die Frage nach der Preisbindung als Missbrauch nur bei einer etwaigen Freistellung gem. Art. 101 Abs. 3 AEUV, vgl. Komm. v. 2.1.1973 – ABl. 1973 L 140/17, 34 ff., 38 f. – Europäische Zuckerindustrie; darüber hinaus in Fällen, die von Art. 101 Abs. 1 AEUV ausgenommen sind und keine Nichtigkeitsfolge ex lege eintritt, besteht nur die Missbrauchskontrolle, s. Immenga / Mestmäcker-Fuchs / Möschel, Art. 102 AEUV, Rn. 229. 536

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2. Teil: Die Preisbindung der zweiten Hand – ein Rechtsvergleich

Vorgaben gegen marktabschottendes Verhalten rigide ein. Außerhalb der strengen Erfassung von Kernbeschränkungen bzw. bezweckten Beschränkungen, gewinnt das Missbrauchsregime aber in anderen Fällen im Internetumfeld neue Bedeutung, in denen – mutmaßlich freigestellte – vertikale preisliche Vereinbarungen zuletzt vermehrt Gegenstand behördlicher Prüfung waren.538 III. Die Preisbindung der zweiten Hand in Deutschland Die Rechtslage zur Preisbindung der zweiten Hand kann sich in Deutschland schon aufgrund der europarechtlichen Vorgaben für Fälle, die in den Anwendungsbereich der europäischen Wettbewerbsregeln fallen, nicht gänzlich anders darstellen. Tatsächlich gilt nach der Harmonisierung des deutschen Kartellrechts mit dem europäischen Recht Ähnliches auch für alle anderen Anwendungsfälle. Gleichwohl sind die Beurteilung der Preisbindung nach deutschem Recht und die deutsche Behördenpraxis nicht irrelevant. Zum einen besteht eine eigenständige Entwicklung der Rechtsprechung zur Preisbindung in Deutschland, die vor allem vor, aber auch nach dem Einsetzen der Europäisierung noch stattfand. Zum anderen wirkt die Beurteilung der Preisbindung in Deutschland über die mitgliedstaatliche Durchsetzung des europäischen Preisbindungsverbotes und im Rahmen der Abstimmung der mitgliedstaatlichen Wettbewerbsbehörden untereinander auf Europa zurück. Die deutsche Preisbindungbeurteilung wirkt sich also einerseits im Rahmen der europäischen Meinungsbildung als auch in einer Konzertierung des mitgliedstaatlichen und europäischen Behördenhandelns bzw. der Rechtsprechung aus. Die Preisbindung der zweiten Hand wird seit der 7. GWB Novelle mit einem, der europäischen Regelung in Art. 101 Abs. 1 lit. a) AEUV fast identischen Wortlaut als vertikale wettbewerbsbeschränkende Vereinbarung vom Kartellverbot in § 1 GWB erfasst. Die Einordnung als Kernbeschränkung und die damit verwehrte Gruppen- bzw. unwahrscheinliche Einzelfreistellung führt sich im Wege der dynamischen Verweisung in §§ 1, 2 Abs. 2 GWB fort.539 Bis heute sind in Deutschland noch Ausnahmebereiche, insbesondere die gesondert geregelte Buchpreisbindung und die Preisbindung für Zeitungen und Zeitschriften verblieben.540

537 Komm. v. 10.12.1982 – ABl. 1982 L 360/36, 40, Rn. 30 – British Telecommunications; zum Ganzen nur Immenga / Mestmäcker-Fuchs / Möschel, Art. 102 AEUV, Rn. 229 f. 538 Siehe D.V, 304. 539 Seit der 7. GWB-Novelle 2005; obwohl die Marktpreisbildung seit den ersten Beratungen zum GWB Teil der wissenschaftlichen Diskussion war, waren Preisbindungen für Markenwaren in Deutschland zur 2. GWB-Novelle 1.1.1974 kartellrechtlich zulässig und in der Praxis die Regel. 540 Siehe unten 2. Teil D.VII, 323.

C. Rechtliche Erfassung von Mindest- und Festpreisbindungen

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1. Fest- und Mindestpreisbindungen nach § 1 GWB: Spiegelbild der europäischen Regelung Die Verbotsregelung in Deutschland umfasst auf Grundlage des § 1 GWB gleichermaßen die direkte Preisvereinbarung per Vertrag wie auch indirekte Formen der Preisbindung. Die inhaltliche Ausgestaltung der Reichweite dieses Verbotes ergibt sich nicht nur originär aus § 1 GWB und der dazu ergangenen Rechtsprechung. Mit der 7. GWB-Novelle ist vielmehr bereits in der Regierungsbegründung festgelegt worden, dass § 1 GWB im Lichte der zu Art. 101 Abs. 1 AEUV ergangenen Rechtsprechung und Rechtsanwendungspraxis auszulegen und anzuwenden ist.541 Auch § 2 Abs. 1 GWB wird entsprechend den in Art. 101 Abs. 3 AEUV normierten Freistellungsvoraussetzungen gelesen. Mit der 8. und der 9. GWB-Novelle haben sich in diesem Bereich keine Änderungen ergeben. Die deutsche Systematik deckt sich also mit der des Art. 101 AEUV. Zwar wird auch in Deutschland unter dem Stichwort der deutschen rule of reason bzw. der Immanenztheorie eine Tatbestandsreduktion des § 1 GWB für bestimmte Beschränkungen erwogen, wenn sie sich als Nebenabreden aus ansonsten kartellrechtsfesten Vereinbarungen ergeben. Allerdings bestehen – wie im europäischen Recht – geschriebene Ausnahmen und es wäre systemwidrig, den Tatbestand im Sinne einer wie auch immer gearteten rule of reason weiter zu beschränken. Preisbindungen sind hier, zumal nach der 7. GWB-Novelle 2005, keinesfalls subsumierbar.542 2. Besonderheiten Ein entscheidender Unterschied zur europäischen Rechtslage besteht in Deutschland jedoch darin, dass im GWB abweichende Regelungen im Bereich des einseitigen Verhaltens zugelassen und auch getroffen sind. Im Gegensatz zum europäischen Kartellrecht dürfen Unternehmen aufgrund des § 21 Abs. 2 GWB schon qua Gesetz keine Nachteile androhen oder zufügen, bzw. keine Vorteile versprechen oder gewähren, um andere Unternehmen zu einem Verhalten zu veranlassen, das nach dem GWB nicht Gegenstand einer vertraglichen Vereinbarung werden darf. Diese Norm hat der behördlichen Praxis der letzten Jahre maßgeblich zugespielt.543 Damit deutet sich eine anders akzentuierte Abgrenzung von einseitigem und zweiseitigem Verhalten bereits an. Entwurf eines Siebten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen v. 12.8.2004, BT-Drcks. Nr. 15/3640, 44. 542 Siehe zum Ganzen m. w. N. nur Nordemann, in: Loewenheim et al., KartR (2. Aufl. 2009), § 1 GWB, Rn. 147 ff.; nun nur zum europäischen Recht, Art. 101 Abs. 1, Rn. 307, 314 ff., Grave / Nyberg, in: Loewenheim et al., KartR, § 1 GWB, Rn. 41. 543 Siehe dazu sogleich C.III.4, 256. 541

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2. Teil: Die Preisbindung der zweiten Hand – ein Rechtsvergleich

Mit Blick auf die Einstufung der Preisbindung als Kernbeschränkung ist wie dargestellt auch die GVO 330/2010 maßgeblich; hinsichtlich der Berücksichtigung von Bagatellfällen hat das BKartA mit 15 % ebenfalls den gängigen Schwellenwert der Kommission bei vertikalen Vereinbarungen übernommen. Allerdings hat das BKartA sein Verständnis einer Kernbeschränkung weiter formuliert als die Kommission. Es versteht unter Kernbeschränkungen Vereinbarungen, die unmittelbar oder mittelbar, für sich allein oder in Verbindung mit anderen Umständen im Hinblick auf Dritte die Festsetzung von Preisen oder Preisbestandteilen beim Einkauf oder Verkauf von Erzeugnissen bzw. beim Bezug oder der Erbringung von Dienstleistungen bezwecken oder bewirken.544 Damit bezieht es – anders als die Kommission – grundsätzlich auch Höchstpreis- und Meistbegünstigungsklauseln in ihre Spürbarkeitserwägungen mit ein. Eine einheitliche Dogmatik im Hinblick auf die Spürbarkeit von Preisbindungen ist nun allerdings durch ein überraschendes Urteil des OLG Celle weiter infrage gestellt worden.545 Hier wurden Preisvorgaben des Herstellers eines Abnehmproduktes kürzlich als kartellrechtlich zulässig bewertet, weil das Gericht sie als nicht spürbar ansah. Hintergrund war ein Aktionsangebot des Herstellers, das einen Barrabatt für den Bezug des Produktes durch den Händler – unter anderem – an die Einhaltung vorgeschriebener Preise im Einzelhandel knüpfte. Das LG Hannover sah hier eine unzulässige Preisbindung. Während das OLG Celle die Würdigung als Preisbindung unbeanstandet ließ, verneinte es die Spürbarkeit der Wettbewerbsbeschränkung als weitere Voraussetzung für einen Kartellverstoß. Problematisch hieran ist, dass sich das Urteil weder in die Entscheidungspraxis noch die Dogmatik in der EU und Deutschland einfügt. Bereits systematisch verkennt das OLG den nach EuGH Expedia 546 bestehenden Unterschied zwischen bezweckten und bewirkten Beschränkungen, bei denen allein noch die konkreten Auswirkungen auf den Markt überprüft werden müssen.547 Nicht nur aus europäischer Sicht ist diese Beurteilung indiziert. Auch an der deutschen Rechtsprechung, lässt sich ablesen, dass eine Unterscheidung von Wettbewerbsbeschränkun544 BKartA v. 13.3.2007, Bekanntmachung Nr. 18/2007 des Bundeskartellamtes über die Nichtverfolgung von Kooperationsabreden mit geringer wettbewerbsbeschränkender Bedeutung (im Folgenden Bagatellbekanntmachung 2007), Rn. 13, 14. 545 OLG Celle v. 7.4.2016 – 13 U 124/15 (Kart) = BeckRS 2016, 08239 = NZKart 2016, 288 – A.-Vitalkost; anders noch die Vorinstanz LG Hannover v. 25.8.15 – 18 O 91/15 = WRP 2015, 1546 – Almased; anhängig beim BGH – KZR 59/16. 546 EuGH v. 13.12.2012 – Rs. C-226/11, EU:C:2012:795 – Expedia Inc. / Autorité de la concurrence. 547 Zusätzlich hätte hier wenn schon nicht in direkter Anwendung wenigstens der argumentative Unterbau der europäischen De-minimis-Bekanntmachung der Kommission diskutiert werden müssen, vgl. Komm., De-minimis-Bekanntmachung 2014. Das Gericht setzte sich mit Verweis auf die mangelnde Bindungswirkung nicht weiter mit ihr auseinander.

C. Rechtliche Erfassung von Mindest- und Festpreisbindungen

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gen anhand ihrer Qualität üblich ist. Bei schwerwiegenden Beschränkungen, namentlich Preisvereinbarungen und Kernbeschränkungen, ging man auch vor EuGH Expedia 2012 davon aus, dass diese ihrer Natur nach spürbare Beschränkungen darstellen können, ohne dass im Einzelfall konkrete Marktanteilserwägungen notwendig sind.548 Die Preisbindung der zweiten Hand wird man hierunter zu subsumieren haben.549 Die bevorstehende Klärung durch den BGH bleibt deshalb abzuwarten.550 3. Verfahren in Deutschland Während sich die Kommission seit 2010 im Bereich des Vertikalen und der Preisbindung zurückhält, erregt das BKartA in Deutschland Aufsehen, weil sowohl die Quantität der angestrengten Verfahren als auch die verhängten Bußgelder für deutsche Verhältnisse keinen Zweifel daran lassen, dass das BKartA die Verfolgung von vertikalen Preisbindungen sehr ernst nimmt. Zu nennen sind für 2009 Microsoft 551 (9 Mio. Euro), Ciba Vision 552 (Kontaktlinsen, 11,5 Mio. Euro) und Phonak 553 (Hörgeräte, 4,2 Mio. Euro). Eine weitere Bußgeldentscheidung 2010 in Sachen Brillenglashersteller 554 (115 Mio. Euro) sticht insofern heraus, als hier tatsächlich Kartellabsprachen zugrunde lagen, die über vertikale preisliche Vereinbarungen, bzw. die im Optikergeschäft praktisch lückenlos befolgte unverbindliche Preisempfehlung, koordiniert worden waren. Etwas komplizierter ging der Hersteller von Navigationsgeräten Garmin vor: nach seinem sog. Kickback-Programm hatte er Herstellerabgabepreise gegenüber Händlern erhöht, die zu besonders niedrigen Preisen im Internet angeboten hatten, jedoch Händler rückwirkend entschädigt, wenn sie 548 OLG Düsseldorf v. 25.10.2006 – VI-Kart 14/06 (V) = WuW 2007, 1129 – Kalksandsteinwerk; BGH v. 13.1.1998 – KVR 40/98, BGHZ 152, 347 – Carpartner. 549 Ob im vorliegenden Fall eine möglicherweise zu rechtfertigende Sonderangebotskampagne vorliegt, beträfe dann eine Klärung im Rahmen des § 2 GWB, nicht jedoch das Kriterium der Spürbarkeit, vgl. auch Komm., Vertikalleitlinien 2010, Rn. 225; soweit der BGH, auf den sich das OLG Celle bezieht, in seiner 1 Riegel extra-Entscheidung von der Spürbarkeit spricht, ist darauf hinzuweisen, dass der BGH diesen Begriff dort anders verwendete, nämlich in tatsächlicher Hinsicht bei der Frage, ob eine spürbare Preisbeeinflussung stattgefunden hatte. Darüber hinaus handelte es sich faktisch um den gegenteiligen Fall der Beanreizung von Höchstpreisen, die keine Kernbeschränkungen darstellen, und zum anderen die Entscheidung ebenfalls zeitlich vor EuGH Expedia erging, vgl. BGH v. 8.4.2003 – KZR 3/02 = GRUR 2003, 637– 1 Riegel extra. 550 Anhängig beim BGH – KZR 59/16. 551 BKartA, PM v. 8.4.2009, Einflussnahme auf den Wiederverkaufspreis des Softwarepakets „Office Home & Student 2007“, allerdings stellt lt. Darstellung des Amtes nicht jede Kontaktaufnahme zwischen Lieferant und Händler betreffend den Wiederverkaufspreis eine verbotenen Verhaltensabstimmung i. S. d. § 1 GWB dar. 552 BKartA v. 25.9.2009 – B3-123/08 – Ciba Vision. 553 BKartA v. 14.10.2009 – B3-69/08, Rn. 27 – Phonak. 554 BKartA v. 28.5.2010 – B12-11/08 – Brillenglashersteller.

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2. Teil: Die Preisbindung der zweiten Hand – ein Rechtsvergleich

das Preislevel im Internet anhoben. Das BKartA verhängte hierfür eine Geldbuße i. H. v. 2.5 Mio. Euro.555 Aufsehen erregten 2010 aber allen voran Untersuchungen des Lebensmitteleinzelhandels, des Drogeriewarenhandels, des Tierbedarfshandels sowie des Konsumgüterhandels. Sie resultierten in zahlreichen Verfahren, von denen einige 2014 und 2015 mit hohen Geldbußen abgeschlossen wurden:556 In Sachen Haribo und Röstkaffee 557 sind neben den Herstellern vor allem die Handelsunternehmen des Lebensmitteleinzelhandels mit 48,5 Mio. Euro bzw. 44,7 Mio. Euro zur Kasse gebeten worden. Die Preisbindungen waren laut den entsprechenden Fallberichten vorwiegend händlergetrieben gewesen. Im Fall Röstkaffee wurde der beteiligte Hersteller aufgrund seiner Kooperation sogar gänzlich bußgeldfrei. Hier hatte es zum Teil echte Verkaufspreisbindungen gegeben, zudem lag das sog. Kaffeerösterkartell im letzteren Verfahren zugrunde, dem vier große deutsche Markenkaffeeröster angehört hatten. Vorläufiger Höhepunkt im Zuge dieses Rundumschlags im Lebensmitteleinzelhandel war die weitere Verhängung von Bußgeldern i. H. v. insgesamt 34, 3 Mio. Euro wegen vertikaler Preisabsprachen bei Schokoladenprodukten in Sachen Ritter Sport,558 die sowohl den Hersteller, als auch – erneut die bereits aus den eben genannten Fällen bekannten – Vertreter des Lebensmitteleinzelhandels traf. Die umfassende Durchführung führte gleichwohl nicht zu der behördlichen Feststellung eines Hub & Spoke-Kartells. Die Branche war nicht ganz unbescholten, denn bereits 2013 hat das BKartA Bußgelder gegen Süßwarenhersteller von über 60 Mio. Euro verhängt, nachdem horizontale Preisabsprachen vor allem bei Tafelschokolade aufgedeckt worden waren.559 Geldbußen für Preisbindungen verhängte das BKartA 2014 und 2015 auch in zwei Verfahren gegen Matratzenhersteller, die ihren Händlern rundheraus Verkaufspreise vorgeschrieben hatten.560 Nicht ganz so offensichtlich, sondern im Wege der Preisempfehlung und „flankierenden“ Maßnahmen, ging in derselben Branche auch der Matratzenhersteller Tempur vor und musste 15,5 Mio. Euro Bußgeld entrichten.561 Auffallend war bei allen Fällen im Markt für Matratzen aber auch in anderen Bereichen die vorangegangene Besorgnis 555 BKartA v. 18.6.2010 – B5-100/09 – Garmin; s. a. BGH v. 27.1.1981 – KVR 4/80, BGHZ 80, 43, 49 = GRUR 1981, 605 ff. – Garant-Lieferprogramm; BGH v. 8.5.1990 – KZR 23/88 = NJW-RR 1990, 1190 – Nora-Kundenrückvergütung. 556 Die bundesweite Aktion erstreckte sich auf insgesamt 15 Unternehmen, davon 11 Handelsunternehmen. 557 BKartA v. 19.12.2014/2.6.2015/16.6.2015 – B 10-040/14 – Haribo. 558 BKartA v. 19.12.2014 – B10-041/14 – Ritter Sport. 559 BKartA, PM v. 31.1.2013 – B11-11/08, TB 2013/2014, 247 – Süßwaren. 560 BKartA, PM v. 22.8.2014 – Recticel (Matratzen I), Bußgeld i. H. v. 8,2 Mio. EUR, s. a. BKartA, PM v. 22.8.2014 und v. 6.2.2015 – Metzeler Schaum (Matratzen II), Bußgeld i. H. v. 3,38 Mio. EUR. 561 BKartA, PM v. 22.10.2015 – Tempur.

C. Rechtliche Erfassung von Mindest- und Festpreisbindungen

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der jeweiligen Branche um den seit 2005 stark wachsenden Online-Handel, der Druck auf die Preise ausgeübt hatte.562 Um einen stabilen Verkaufspreis bei strategischen Produktlinien zu gewährleisten, wurden die Preisbindungen im Zusammenspiel mit anderen Maßnahmen eingeführt, um den OnlineHandel zu steuern. Erwirkt wurden teilweise Händlersperren auf bestimmten Plattformen, es wurde mit Liefersperren und ähnlichem gedroht. In allen Verfahren gab es letztlich weitreichende Kooperation durch zumindest eine der Parteien (mit entsprechenden Bußgeldverringerungen), eine einvernehmliche Lösung mit dem Amt und – soweit ersichtlich – nicht mal eine halbherzige Berufung auf etwaige Effizienzen. Empfindlich sanktionierte das BKartA zuletzt noch Preisbindungen beim Vertrieb von Möbeln. Auch hier waren die durch die UVP und Rabattkorridore als Bezugspunkte vermittelten Mindestpreise überwacht und teilweise über Liefersperren durchgesetzt worden.563 Trotzdem hatten vor allem die Verfahren im Lebensmitteleinzelhandel einen lauten Aufschrei aus der absatzwirtschaftlichen Praxis hervorgerufen. Nach verbreiteter Ansicht stellen die Leitlinien der Kommission kaum Rechtssicherheit her. Dem mag mit Blick auf die Ausführungen im europarechtlichen Teil zuzustimmen sein, gleichwohl sei vorweggeschickt: die in Deutschland bebußten Fälle sind, soweit aus den veröffentlichten Entscheidungen ersichtlich, keineswegs in dem so oft beschworenen „Graubereich“564 ergangen. Die Problematik dreht sich erneut um die Abgrenzung von einseitigem Verhalten im Bereich von Preisempfehlungen und dem Übergang zu einer – u. U. auch konkludenten – Vereinbarung. Mit einiger Nachsicht ist die Besorgnis insofern anzuerkennen, als die turnusmäßige Kommunikation über Preise und Mengen im Rahmen langfristig laufender Geschäfts- und Lieferbeziehungen in Märkten mit hoher Abverkaufsgeschwindigkeit wie dem Lebensmittel- und Drogeriebereich (sog. schnelldrehende Güter/Fast Moving Consumer Goods, FMCG) ständig Gefahr läuft, das zulässige Maß zu überschreiten. Deshalb hatte das BKartA mit Rücksicht auf die laufenden Untersuchungen 2010 eine „Handreichung“ zur vorläufigen Bewertung von Verhaltensweisen in Verhandlungen zwischen Herstellern von Markenartikeln, Großhändlern und Einzelhandelsunternehmen zur Konkretisierung der Kooperationspflichten“ Ebenfalls in anderen Konstellationen z. B. Naturkosmetik: BKartA v. 6.5.2014 – B252/14 – WALA Heilmittel Bußgeld gegen WALA Heilmittel GmbH wegen vertikaler Preisbindung bei Dr. Hauschka Kosmetik, Navigationsgeräte: BKartA v. 18.6.2010 – B5-100/09 – Garmin Navigationsgeräte Garmin, Scout Schulranzen: BGH v. 6.11.2012 – KZR 13/12 = GRUR-RR 2013, 182 – UVP für Rucksäcke; Hörgeräte: BKartA v. 14.10.2009 – B369/08 – Phonak; Kontaktlinsen: BKartA v. 25.9.2009 – B3-123/08 – Ciba Vision. 563 Bußgelder i. H. v. EUR 4,43 Mio., BKartA v. 3.8.2016, 4.11.2016, 30.11.2016, 15.12.2016 – B1-164/13, B1-167/13, B1-87/14, B1-47/15 – Vertrieb von Möbeln; s. a. PM v. 12.1.2017, Bundeskartellamt verhängt Bußgelder wegen vertikaler Preisbindung bei Möbeln. 564 Zum Beispiel Imgrund, BB 2012, 787, 790. 562

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2. Teil: Die Preisbindung der zweiten Hand – ein Rechtsvergleich

herausgegeben.565 Die deutlich an einen geschlossenen Adressatenkreis gerichtete Verlautbarung wurde in der Folge vielfach aufgegriffen, kritisiert, überinterpretiert und hat in der Absatzwirtschaft zahlreiche Unmutsäußerungen hervorgebracht.566 Einem amerikanischen und auch europäischem Trend zu einer differenzierten Betrachtung von Preisbindungen anhand ihrer positiven Wirkungen verschließe sich das BKartA, weshalb Unternehmen nach wie vor nicht nur auf Preisbindungen, sondern – so teilweise vorgebracht – aufgrund der Unsicherheit hinsichtlich ihrer Unverbindlichkeit auch auf Preisempfehlungen, verzichten müssten. Deutlich wird regelmäßig, dass die deutsche Absatzwirtschaft sich insofern ungerecht behandelt fühlt, als sie der Meinung ist, das BKartA enthalte ihr wichtige und ihr zustehende Handlungsoptionen vor. Aber auch in der Wissenschaft wurde diese Haltung teilweise aufgegriffen und weitergetragen.567 Bezüglich der zahlreichen öffentlichen Äußerungen sei zusammengefasst: der Ansatz des BKartA wird als streng, exzessiv und extremer form based approach wahrgenommen. Kritisiert wird insofern der angeblich „isolierte Ansatz“ bzw. der „Sonderweg“ des Amtes.568 Nach den bis hier gewonnenen Erkenntnissen ist diese Kritik weder in ihren Annahmen noch in ihren Schlussfolgerungen berechtigt. Weder stellen europäisches oder deutsches Wettbewerbsrecht entsprechende Möglichkeiten der Preisbindung in den Raum noch ignoriert das deutsche Amt einen – paradoxerweise herbeizitierten – liberalen Ansatz der Kommission. 4. Das Druckverbot § 21 Abs. 2 GWB – ausgewählte Fälle Zur Diskussion um den angeblich bestehenden Graubereich und die aus Sicht der Verwender zu Unrecht verdächtigten Preisempfehlungen trägt eine rechtliche Besonderheit im GWB bei. Eine signifikante Anzahl der in Deutschland vom BKartA aufgegriffenen Fälle stand im Zusammenhang mit der Kommunikation von unverbindlichen Preisempfehlungen (UVP), d. h. Preisvorgaben wurden entweder bewusst in einer solchen Preisempfehlung „versteckt“ oder erwuchsen aus dieser und die Behörde hatte ein Überschreiten der kritischen Grenze zur Preisbindung im Sachverhalt erblickt.569 Damit bewegte sie sich BKartA, WuW 2010, 786–791. Sanktjohanser, in: Ahlert et al., Vertikale Preis und Markenpflege (2012), 205 ff. 567 Möschel, WuW 2010, 1229, 1232; ähnlich Lettl, WRP 2011, 710 ff.; Freund, WuW 2011, 29 ff.; in Form ganzer Bände: Ahlert, Vielfalt durch Gestaltungsfreiheit im Wettbewerb 2011; Ahlert et al., Vertikale Preis und Markenpflege (2012); mit ausführlicher Kritik Martinek, ZVertriebsR 2013, 3 ff. 568 Lettl, WRP 2011, 710; im Fazit zuletzt Epple, Die Wurzeln der vertikalen Preisbindung in Deutschland (2014). 569 Schon früh z. B. BKartA v. 2.9.2003 – B7-69/03 – ebay (Swissphone/Ansmann Energy), s. hierzu a. BKartA, PM v. 23.9.2003; BKartA v. 25.4.2007 – B7-42/06 – Haushaltskleingeräte; aufsehenerregend BKartA v. 25.9.2009 – B3-123/08 – Ciba Vision; bereits eingeschritten infolge bloßer Ankündigung eines Herstellers, bei „Nichteinhaltung 565 566

C. Rechtliche Erfassung von Mindest- und Festpreisbindungen

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im Anwendungsbereich einer Sondernorm des GWB, die dazu führt, dass bereits Preisempfehlungen sanktioniert werden können. Der fließende Übergang von einseitigen, nicht bindenden Preisempfehlungen zu zweiseitigen (entweder abgenötigten oder einvernehmlichen) Preisbindungen, wurde bereits im Hinblick auf das amerikanische (ColgateDoktrin) und das europäische Recht dargestellt.570 Während sich in den USA die Lösung auf ein formelles Verständnis des agreement stützt, bleibt sie in Europa am dogmatisch Einwandfreien orientiert und damit letztlich ein Beweisproblem. Das deutsche Recht hat etwas weniger Vertrauen in die Standhaftigkeit seiner Wettbewerbsteilnehmer, weshalb über einen Hebel im GWB unter Umständen auch einseitiges Verhalten erfasst wird. Für die Problematik der faktischen und rechtlichen Abgrenzung zwischen einseitigen Preisempfehlungen und beidseitig akzeptierten Preisen oder Preisniveaus i. S. e. einer Vereinbarung, sei auf die weiteren Ausführungen zum europäischen und deutschen Regime für Preisempfehlungen verwiesen. 571 Wo Preisempfehlungen nicht automatisch befolgt werden, aber der Hersteller genug Autorität besitzt, Händlerbestrebungen zum Abweichen von Preisempfehlungen zu unterbinden, findet sich in Deutschland in § 21 Abs. 2 GWB eine Besonderheit gegenüber dem AEUV: Das Verbot der Anwendung von Druck- und Lockmitteln (Druckverbot) spezifiziert, dass Unternehmen anderen Unternehmen keine Nachteile androhen oder zufügen bzw. spiegelbildlich Vorteile versprechen oder gewähren dürfen, um ein Verhalten zu veranlassen, das nach den Wettbewerbsregeln nicht zum Gegenstand eines Vertrages gemacht werden darf. Es bezieht sich damit denklogisch immer auf das Einwilligen des Händlers in eine bestimmte Preispolitik, also auf das Primärverbot der Preisbindung.572 Die praktische Bedeutung des § 21 Abs. 2 GWB als Umgehungsverbot darf nicht unterschätzt werden; bis Ende 2010 sind über 1100 kartellbehördliche Verfahren in diesem Bereich gezählt worden. In erster Linie betrafen die Verfahren Fälle der Druckausübung durch Lieferanten im Zusammenhang mit bezweckten Wirkungen einer vertikalen Preisbindung.573 der unverbindlichen Preisempfehlung“ bzw. „Preisverhau“ gegen Händler vorzugehen in Sachen ALLStar, siehe BKartA,TB 2009/2010, BT-Drcks. 17/6640, 81; BKartA v. 20.8.2012 – B5-20/10 – TTS Tooltechnik; BGH v. 6.11.2012 – KZR 13/12 = GRUR-RR 2013, 182 – UVP für Rucksäcke (Scout Schulranzen); BKartA v. 14.10.2009 – B3-69/08 – Phonak; nicht gänzlich ersichtlich aus den Fallberichten geht bei folgenden Fällen die Beurteilungsgrundlage für die allesamt ergangenen Bußen hervor: BKartA, PM v. 31.7.2013 – WALA Heilmittel wegen vertikaler Preisbindung bei Dr. Hauschka Kosmetik; BKartA, PM v. 22.8.2014 – Recticel (Matratzen I); BKartA, PM v. 22.10.2015 – Tempur. 570 Siehe oben 2. Teil C.I.2.b), 172 bzw. 2. Teil C.II.2.c)aa), 231. 571 Siehe unten D.III, 287. 572 Zum Ganzen Immenga / Mestmäcker-Markert, § 21 GWB, Rn. 52 ff., 74. 573 Immenga / Mestmäcker-Markert, § 21 GWB, Rn. 52.

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2. Teil: Die Preisbindung der zweiten Hand – ein Rechtsvergleich

Damit hat das BKartA in Deutschland einen deutlich vorverlagerten Anknüpfungspunkt für ein Vorgehen gegen über Preisempfehlungen versuchte Preispolitik. Hier erklärt sich auch, weshalb es in Deutschland in den letzten Jahren verhältnismäßig viele Verfahren im Bereich beeinflusster Einzelhandelspreise gegeben hat – sie liefen überwiegend über die Feststellung, dass vordergründige Preisempfehlungen mit hinreichend Nachdruck implementiert wurden. Aber auch unterhalb der Erfolgsschwelle kann das Amt allein auf den Versuch der Einflussnahme eingehen und tut dies auch. Denn die Differenzierung zwischen Verhalten als „Preisempfehlung“ mit oder ohne Ausübung von Druck und Preisbindungen ist nach Meinung der Kritiker in der Praxis kaum anzutreffen. Die Behörde geht bei der Feststellung von Druckausübung grundsätzlich dazu über, eine Preisbindung im klassischen Sinne anzunehmen, spricht in diesem Zusammenhang gerne von einem „kartellrechtlich nicht zulässigen vertikalen Preisbindungssystem mit Druckausübung“. Hatte sich das Amt in Ciba Vision noch zurückhaltend geäußert und „abgestimmten Verhaltensweisen“, „Maßnahmen der Preispflege“ und „Druckausübung“ gerügt, so geht das Amt 2012 im ähnlich gelagerten Fall TTS Tooltechnik ohne Umschweife davon aus, dass eine kommunizierte und rigide durchgesetzte UVP eine Preisbindung ist.574 Ein entscheidender Faktor mag gewesen sein, dass sich das Unternehmen der Rechtswidrigkeit seines Vorgehens wohl bewusst gewesen war. Die Absicht, auf ein Unterschreiten der UVP mit einer Konditionenverschlechterung oder gar der Vertragskündigung zu reagieren, hatte es daher ausschließlich mündlich kommuniziert. Seit 2012 kann sich das BKartA auf die gerichtliche Bestätigung seiner Haltung stützen. In der Entscheidung zu UVP für Rucksäcke575 billigte zuletzt auch der BGH im Ergebnis die Entscheidungspraxis des Amtes. Die Beurteilung geht demnach noch erheblich weiter: Im Fall eines privaten Klägers hatten die Gerichte dahingehend entschieden, dass es für die Annahme unzulässigen Drucks i. S. d. § 21 Abs. 2 GWB bereits ausreichend sein kann, dass der Lieferant über die Mitteilung seiner unverbindlichen Richtpreise hinaus erneut Kontakt mit dem Abnehmer aufnimmt, um dessen Preisgestaltung zu thematisieren.576 Vorliegend reichte bereits ein einziges Telefonat aus, das der Abnehmer und spätere Kläger nur dahingehend habe verstehen können, dass der Kontakt aufgrund der erheblichen Preisabweichung hin gesucht wurde. In diesem Rahmen wurde wohl auf Nachfrage des Abnehmers, ob dies bedeute, dass die 574 BKartA v. 25.9.2009 – B3-123/08 – CibaVision; BKartA v. 14.10.2009 – B3-69/08 – Phonak; BKartA v. 20.8.2012 – B5-20/10 – TTS Tooltechnik (8,2 Mio. EUR Geldbuße), s. a. BKartA, PM v. 20.8.2012. 575 BGH v. 6.11.2012 – KZR 13/12 = GRUR-RR 2013, 182 – UVP für Rucksäcke. 576 BGH v. 6.11.2012 – KZR 13/12 = GRUR-RR 2013, 182 – UVP für Rucksäcke; der BGH ließ letztlich dahinstehen, ob nach Übersendung einer UVP-Liste bereits jedes Gespräch mit Händlern über deren Preisgestaltung als unzulässige Einflussnahme angesehen werden kann.

C. Rechtliche Erfassung von Mindest- und Festpreisbindungen

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Beklagte einen Belieferungsstopp erwäge, lediglich wiederholt geäußert, dass die Kalkulation des Händlers betriebswirtschaftlich nicht nachvollziehbar sei. Es war also nicht mal zu der Frage zukünftiger Lieferbeziehung Stellung genommen worden. Das Berufungsgericht hatte dies jedoch entsprechend gewürdigt und an der – negativen – subjektiven Wirkung beim Abnehmer festgehalten.577 Es kommt also maßgeblich auf den Empfängerhorizont an, wobei auch Unwägbarkeiten, also das ausdrückliche Offenlassen der Intention des Lieferanten (zum Beispiel hinsichtlich weiterer Konsequenzen) als ausreichende Einflussnahme auf die Preisgestaltung angesehen werden kann. Aus Praxissicht ist zuzugeben, dass das BKartA bei sachlich konsequenter Würdigung dogmatische Fragen zuweilen übergeht.578 So ist von einer Preisbindung und somit auch von einem Preisbindungssystem nur bei tatsächlich zweiseitigen Vereinbarungen auszugehen, die bei einer UVP, mit oder ohne einseitige Ausübung von Druck, nicht unbedingt besteht. Aufgrund der Regelung des § 21 Abs. 2 GWB, in dessen Rahmen es also nicht darauf ankommt, dass eine Vorgabe tatsächlich akzeptiert wird, macht dies für das rechtliche Ergebnis freilich keinen Unterschied. Allerdings bewegt sich das BKartA bereits terminologisch schnell im Bereich der Preisbindung, was dazu beigetragen haben mag, dass in der Praxis ein großer Aufschrei folgte.579 Wo objektiv Druck beginnt, ist in der Tat schwer für den Einzelfall festzulegen. Die Ciba Vision-Entscheidung des Amtes 2009, die in diesem Abgrenzungsbereich erging, wurde stark kritisiert, weil sie pauschal formulierte:580 „(44) Jede Kontaktaufnahme, die über die reine Übermittlung von UVP hinausgeht und diesen durch nachträgliche und erneute Thematisierung – insbesondere mit Blick auf das bisherige Preissetzungsverhalten des Händlers – Nachdruck verleiht, stellt deren Unverbindlichkeit in Frage und ist als Druckausübung in diesem Sinne zu werten. (45) Eine Kontaktaufnahme zwischen Lieferant und Händler betreffend den Wiederverkaufspreis stellt dann eine verbotene Vereinbarung oder Verhaltensabstimmung im Vertikalverhältnis im Sinne von § 1 GWB dar, wenn es dabei zu einer Abstimmung in der Weise kommt, dass sich der Lieferant konkret um die Koordinierung der Preisgestaltung des Händlers bemüht und sich Händler und Lieferant auf diese Weise über das künftige Vorgehen des Händlers verständigen. […]“

Diese Stellungnahme ist tatsächlich weitreichend und in der Folge legt das Amt selbst differenziertere Maßstäbe an. Was bleibt: Mit der Nähe zum Druckverbot ist die Durchführung von Preisempfehlungen in Deutschland mit BGH v. 6.11.2012 –KZR 13/12 = GRUR-RR 2013, 182 – UVP für Rucksäcke. Vgl. Phonak differenziert sauber zwischen Druckausübung i. S. d. § 21 Abs. 2 und vereinbarter, nach § 1 GWB nicht zulässiger Preisbindung; TTS Tooltechnik spricht im Fallbericht von einem „Preisbindungssystem mit Druckausübung“, siehe BKartA – B5-20/ 10, FB v. 20.8.2012 – TTS Tooltechnik was in der Praxis zwangsläufig zu Verwirrung führt. 579 Eine nuancierte Kommunikation fordert, Freund, WUW 2011, 37. 580 BKartA v. 25.9.2009 – B3-123/08, Rn. 44, 45 – Ciba Vision. 577 578

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2. Teil: Die Preisbindung der zweiten Hand – ein Rechtsvergleich

mehr Risiken behaftet als nach europäischer Maßgabe. So sieht das BKartA z. B. die Thematisierung des Wiederverkaufspreises oder einer maximal möglichen Unterschreitung einer UVP, die Beteiligung oder Mitwirkung von Handelsunternehmen an der systematischen Beobachtung der Wiederverkaufspreise durch Lieferanten oder an Maßnahmen, die als Überwachung verstanden werden könnten, sowie den Aufdruck von Preisen auf Produkten oder Verpackungen bereits als problematisch an.581 Soweit es darum geht, dass der – im Übrigen auch in den Leitlinien beschriebene – Preissenkungsanreiz beim Händler unterdrückt wird, deckt sich diese Einschätzung der deutschen Behörde und der Gerichte aber noch mit dem europäischen Grundsatz.582 Aufgrund dieser Haltung dürfte im Ergebnis auch die Bezeichnung der Preisempfehlung als unverbindlich bei Preisaufdrucken der Standard sein.583 Weder die von der Behörde gelegentlich abgesteckten Orientierungspunkte584 noch das Urteil in der Sache Ciba Vision stellen aber zwingend fest, dass die „nochmalige Thematisierung“ allein eine Preisbindung bewirkt. Denkbar sind sehr wohl Umstände, die es aus unternehmerischer Sicht rechtfertigen lassen, dass der Hersteller seine Preisempfehlung auch außerhalb turnusmäßiger Gespräche nocheinmal konkretisiert. Denkbar sind Situationen, in denen sich Marktpreise oder ähnliche Faktoren in besonderem Maße ändern und er seine Empfehlung deshalb anpassen oder korrigieren will. Die entsprechende Gestaltung seiner Kommunikation (insbesondere eine Artikulation der Unverbindlichkeit) ist ihm in diesem Rahmen aber möglich und zumutbar. Freilich birgt die konkretisierte Ansprache, die es dem Händler gegenüber deutlich macht, dass man dessen Preisgestaltung individualisiert beobachtet, erhebliche Risiken. Der Ansatz scheint gleichwohl berechtigt und zweckmäßig. Keinesfalls ist er, wie so oft beschworen, das Ende der Preisempfehlung oder gar eine Neuerung in der Durchsetzung des deutschen Preisbindungsverbotes. Vereinbarungen müssen sich immer einer wertenden Gesamtbetrachtung ihres gesamten Inhaltes und der Umstände stellen, in denen sie ergangen sind. Das ist nach Ansicht des BGH auch und insbesondere für Umgehungstrategien der Fall.585 Gerichtlich wurde hinsichtlich eines Unterlassungsanspruches bisweilen die Grenze des § 1 GWB als überschritten angesehen, vgl. LG Düsseldorf v. 18.4.2010 – 14c O 234/09 = WRP 2010, 801 – Preisangaben auf Verpackungen; siehe auch BKartA, WuW 2010, 786, 790. 582 Komm., Vertikalleitlinien 2010, Rn. 48. 583 Imgrund, BB 2012, 789; Langen / Bunte-Bahr, Nach § 2 GWB, Rn. 323; m. V. a. BGH v. 20.5.2003 – KZR 27/02 = WuW/E DE-R 1170, 1174 = GRUR 2003, 1062 – Preisbindung durch Franchisegeber II; m. w. N. nur Immenga / Mestmäcker-Zimmer, § 1 GWB, Rn. 366. 584 In diesem Zusammenhang darf die „Handreichung“ nicht überinterpretiert werden, vgl. BKartA, WuW 2010, 786–791. 585 BGH v. 2.2.1999 – KZR 11-97, BGHZ 140, 342 – Sixt; im Übrigen zur Einzelfallbezogenheit bei Umgehungstatbeständen schon BGH v. 8.10.1958 – KZR 1/58, BGHZ 28, 208 – Kölnisch Wasser. 581

C. Rechtliche Erfassung von Mindest- und Festpreisbindungen

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Der Hersteller hat ansonsten alle Möglichkeiten, seine Preisempfehlung als unverbindlich zu kennzeichnen und seine Kommunikation druckfrei zu gestalten. Keiner der aufgegriffenen und sanktionierten Fälle erweckte bei individueller Betrachtung den Eindruck übergebührlich scharfer Verfolgung durch die Behörde. Im Gegenteil dürfte die tatsächlich etablierte UVP im Markt die Behauptung einer ausschließlich wirkenden Behördenpraxis wohl widerlegen. 5. Fazit Ungeachtet des hinlänglich bekannten Preisbindungsverbotes versuchen Hersteller regelmäßig, Preise zu beeinflussen. Zuletzt ging auch die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs im Wege einer privaten Unterlassungsklage gegen die Almased Wellness GmbH vor, um die Herstellerin eines Diät-Shakes davon abzuhalten, Apotheken Preisvorteile für die Einhaltung von Preisuntergrenzen anzukündigen oder zu gewähren.586 Insgesamt werden in Deutschland ebenso wie in den anderen betrachteten Jurisdiktionen aber hauptsächlich Preisbindungen aufgegriffen, die hinsichtlich der erkennbaren Motive und der betroffenen Produktgruppen – hier beispielsweise bei Pharmaceuticals – nicht mit den ökonomisch vielzitierten Effizienzerwägungen assoziiert zu sein scheinen. Demgegenüber gerät die öffentliche Forderung nach der zuzulassenden Rechtfertigung von Preisbindungen aufgrund ihrer Effizienzwirkungen insgesamt eher unverhältnismäßig. Bemerkenswert ist in Deutschland tatsächlich die stark ausgeprägte Machtposition des Einzelhandels, die die Preisbindungsdiskussion in Deutschland in den letzten Jahren beeinflusst. Insbesondere die Hersteller von Markenwaren klagen über ihre strukturelle Unterlegenheit in Verhandlungen mit großen Handelsketten. Sie beruhe insbesondere darauf, dass die wenigen großen Handelsunternehmen durch den wachsenden Anteil von Eigenmarken praktisch unabhängig von Markenwarenanbietern seien. Auch in der Preispolitik seien diese den Markenartikelherstellern überlegen, weil sie als vertikal integrierte Akteure nicht vom Preisbindungsverbot limitiert würden und stattdessen die gesamte Wertschöpfungskette beeinflussen dürfen. Eigenmarken, die mittlerweile einen Löwenanteil des Warenportfolios im Einzelhandel ausmachten, trügen zu einem „Preisverfall“ bei. Die Vorwürfe reichen von Kampfpreisunterbietungen über Preisverrisse und die Feststellung, eine wie auch immer verstandene „Markenführung“ sei nicht mögDas Gericht stellte laut Pressemitteilung überzeugend fest, dass etwaige Rechtfertigungen, insb. ein innovatives oder beratungsintensives Produkt, im Fall nicht vorlagen, LG Hannover v. 25.8.15 – 18 O 91/15 = WRP 2015, 1546 – Almased; anders nachgehend OLG Celle v. 7.4.2016 – 13 U 124/15 (Kart) = NZKart 2016, 288–291 – A.-Vitalkost, das hier nur das Spürbarkeitskriterium als nicht erfüllt ansah, noch anhängig BGH – KZR 59/16, vgl. zur Spürbarkeit bereits oben C.III.2, 251. 586

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2. Teil: Die Preisbindung der zweiten Hand – ein Rechtsvergleich

lich.587 Was in diesem Zusammenhang deutlich sichtbar hervortritt, ist die Verunsicherung in der Branche. Neben dem bisher im ökonomischen Teil zur unternehmerischen Überbewertung von Risiken Gesagten sind Beschwerden der Markenwarenhersteller durchaus ernst zu nehmen, sofern sie Ausdruck eines wachsenden Machtungleichgewichtes zugunsten von Händlern und Handelsketten sind. Hier zeigen sich tatsächlich teilweise zweifelhafte Dynamiken: Händler und Handelsketten fordern beispielsweise „Margenneutralität“, bestimmte Einkaufspreis- oder Margengarantien u. a. Allerdings ist Symptomen der Konzentration nicht damit beizukommen, dass ein wettbewerbsbeschränkendes Instrument – hier die Preisbindung – für andere Akteure zugänglich gemacht wird. Marktstarke Akteure müssen unter Umständen davon abgehalten werden, ihre Verhandlungsmacht im Handel auch auf der Produktionsseite auszuspielen. Dies kann insbesondere dadurch geschehen, dass entsprechende Händler ihre Informationen aus der Verhandlung mit Herstellern in die Konzeption von Eigenmarkenprodukten einfließen lassen. In Fällen von Marktmachtungleichgewichten fragt sich ohnehin, wie die verhandlungsschwachen Markenhersteller eine Preisbindung durchsetzen wollen, die nicht auch dem Handel nutzt. Deshalb ist es richtig, dass das BKartA unbeeindruckt von der teilweise scharfen Kritik vorgeht. Es gibt für Hersteller über Höchstpreisbindungen und Großhandelspreis auch in Deutschland genug Stellschrauben für die preisliche Positionierung ihrer Produkte. Der bereits angesprochene „Graubereich“ scheint in den in Deutschland nun abgeschlossenen Verfahren im Lebensmittelhandel auch kein praktisches Problem gewesen zu sein: bebußte Fälle hatten sämtlich eindeutige Züge wettbewerbswidriger Motive. Darüber hinaus setzt das BKartA schon aus Gründen der Ressourcenplanung offensichtlich Schwerpunkte in Bezug auf flächendeckende Preisbindungen, Branchenkonzentration und den Ursprung der Preisbindung. Bis heute hat das Amt keine natürlichen Personen bebußt und sich auf wirtschaftlich relevante Fälle beschränkt. Nach eigenen Angaben des Amtes seien deshalb auch Verfahren eingestellt worden.588 Der Ansatz des BKartA ist somit auch vor dem Hintergrund ähnlicher Bußgeldverfahren in Österreich, Belgien und Frankreich kein Sonderweg, sondern fügt sich in die europäische Praxis ein. Die angebliche Rechtsunsicherheit ist insofern weniger der materiellen Rechtslage oder gar einer unberechenbaren Durchsetzung durch die Behörde als der Tatsachenunsicherheit geschuldet, die aber im Kartellrecht keine Besonderheit ist. Abgesehen von dem im Einzelfall schwer 587 Deutlich geworden ist der Unmut in der Branche z. B. am 5.11.2015 im Rahmen des 2. Markenverband Wettbewerbstag „Preisbindung quo vadis“, Berlin, für einen Tagungsbericht s. Sekunde, NZKart 2016, 168 ff., 170. 588 So z. B. im Bereich Babynahrung, Aussage des Präsidenten des BKartA Andreas Mundt am 5.11.2015 im Rahmen einer Podiumsdiskussion, 2. Markenverband Wettbewerbstag „Preisbindung quo vadis“, Berlin; vgl. Tagungsbericht Sekunde, NZKart 2016, 168 ff., 170.

C. Rechtliche Erfassung von Mindest- und Festpreisbindungen

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Nachweisbaren sind die Kooperation und der Austausch zwischen Hersteller und Händler also so lange kartellrechtskonform, wie die Preissetzungshoheit beim Händler nicht angetastet wird. Dass diese bei vorgefundenen Praktiken wie eingeforderter „Margenneutralität“ o. ä. überschritten ist, wird deutlich. Schon eher kompliziert ist die Bewertung von kooperativer Mengen- und Preisplanung zu Sonderangebotskampagnen. Gleichzeitig gibt es keine Anhaltspunkte, dass das BKartA hier überzogen einschreiten würde. Das Amt kann sich insofern auf den Standpunkt des Gesetzes zurückziehen, dass es Marktteilnehmern freistehe, entsprechende Effizienzen zu beweisen.589 Das BKartA ist als Teil der Exekutive an das geltende Recht und die Rechtsprechung gebunden. In der akademischen Debatte wie auch in der Praxis wird dies von Ökonomen bei der Kritik an Wettbewerbsbehörde und Gerichten gerade in Deutschland oft übersehen. Das GWB setzt der Orientierung an ökonomischer Effizienz, wie sie Betriebswirtschaftler für sinnvoll halten, gewisse Grenzen. Es ist nicht nur effizienzorientiert, sondern beinhaltet auch verteilungspolitische Zielsetzungen und den Schutz des Wettbewerbs als Prozess durch freie Entscheidungen.590 Das BKartA stellt hier zu Recht auf die unterschiedliche Ausgangslage und mangelnde Vergleichbarkeit des GWB mit dem Antitrustrecht ab, die eine insofern rigidere Haltung gegenüber Preisbindungen nach sich zieht. IV. Die Preisbindung der zweiten Hand in der Schweiz 1. Wettbewerbsbeschränkungen und ihre Rechtfertigung in der Schweiz Das KG orientiert sich im Umgang mit Wettbewerbsbeschränkungen terminologisch und interpretatorisch stark an der Rechtslage in der EU. Im Hinblick auf grundsätzliche Begrifflichkeiten zur im schweizerischen KG gebräuchlichen Wettbewerbsabrede ergeben sich daher seit der Vertikal-GVO EG Nr. 2790/1999 keine wesentlichen Unterschiede zum europäischen und deutschen Vereinbarungsbegriff oder dessen Auslegung. Erforderlich ist im schweizerischen Recht eine „Abrede, die eine Wettbewerbsbeschränkung bezweckt oder bewirkt“. Auch hier wird von der Autonomiebeschränkung im Einvernehmen ausgegangen, ohne besondere Voraussetzung an dessen Manifestation oder Zweckbestimmung zu stellen.591 Die mit der Abrede beschränkte Handlungsfreiheit des Abredepartners muss jedoch notwendigerweise auch eine Beeinflussung, d. h. eine Beschränkung des Wettbewerbs – alternativ – bezwecken oder bewirken.592 Damit braucht es weder ein subjektives BezweMundt, Competition Law in the Retail Trade, 2011. So i. E. auch Haucap / Klein, in: Ahlert et al., Vertikale Preis und Markenpflege (2012), 174. 591 Borer, Art. 4 KG, Rn. 3. 592 Zäch, Schweizerisches Kartellrecht (2005), Rn. 351, zwischen der Beschränkung der Handlungsfreiheit und der des Wettbewerbs wird nicht immer differenziert, es über589 590

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2. Teil: Die Preisbindung der zweiten Hand – ein Rechtsvergleich

cken, sobald ein Bewirken gegeben ist, noch eine tatsächliche Auswirkung auf den Wettbewerb, wenn eine solche bereits bezweckt wird.593 Im Wortlaut des Art. 5 KG nicht explizit aufgegriffen, ergibt sich hierzu Wesentliches aus den allgemeinen Voraussetzungen und deren Interpretation in Art. 2 Abs. 1 und Art. 4 KG.594 Im Übrigen wird in Art. 5 KG terminologisch anders als in Art. 4 nicht von einer Wettbewerbsbeschränkung, sondern von einer Wettbewerbsbeeinträchtigung gesprochen. Damit ist nach allg. Ansicht keine inhaltliche Unterscheidung bezweckt, weshalb im Rahmen dieser Arbeit einheitlich von dem Bergiff der „Wettbewerbsbeschränkung“ ausgegangen wird. Mit der Formulierung „Unternehmen gleicher oder verschiedener Marktstufen“ wird zudem in Art. 4 KG klargestellt, dass horizontale und vertikale Abreden grundsätzlich gleichermaßen erfasst werden.595 Demnach ergibt sich im Überblick folgendes Bild: Das KG unterscheidet drei Arten von Wettbewerbsbeschränkungen: Erstens unerhebliche Wettbewerbsbeschränkungen, die nach Art. 5 KG zulässig sind. Zweitens erhebliche Wettbewerbsbeschränkungen, die grundsätzlich unzulässig sind, aber durch Gründe wirtschaftlicher Effizienz gerechtfertigt sein können und drittens die Beseitigung wirksamen Wettbewerbs, die immer unzulässig ist. Dementsprechend unzulässig sind also Abreden, die den Wettbewerb erheblich beschränken und nicht gerechtfertigt werden können, sowie Abreden, die den wirksamen Wettbewerb beseitigen und grundsätzlich nicht der Rechtfertigung zugänglich sind.596 Für erhebliche Wettbewerbsbeschränkungen i. S. d. Art. 5 Abs. 1 KG erfolgt die Rechtfertigung nach Art. 5 Abs. 2 KG ausschließlich über die Beibringung von Gründen der wirtschaftlichen Effizienz, wobei kumulativ drei Voraussetzungen erfüllt sein müssen. Erforderlich ist, dass die Abrede einen anerkannten Vorteil mit sich bringt (abschließend sind dies die Senkung der Produktions- oder Vertriebskosten; Verbesserung der Produktqualität; Förderung von Forschung und Entwicklung; oder rationellere Ressourcennutzung); Sodann muss die Abrede notwendig sein, d. h. sie muss zur Erreichung des angestrebten Vorteils geeignet sein, es dürfen keine milderen Mittel zur Verfügung stehen und sie muss angemessen, wiegt aber ein formelles Verständnis, sodass die Beschränkung der Handlungsfreiheit des Abredepartners wohl bereits von Art. 5 Abs. 1 KG erfasst wird; für die parallel zur europäischen und deutschen Auslegung geführte Diskussion m. w. N., Zäch, a. a. O., Rn. 354. 593 Borer, Art. 4 KG, Rn. 4. 594 Wettbewerbsbeschränkende Abreden sind gem. Art. 4 Abs. 1 KG definiert als „rechtlich erzwingbare oder nicht erzwingbare Vereinbarungen sowie aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen von Unternehmen gleicher oder verschiedener Marktstufen, die eine Wettbewerbsbeschränkung bezwecken oder bewirken.“ Die sonstigen Voraussetzungen sind weitgehend gleichlaufend mit denen der europäischen und deutschen Regelungen, Vgl. Stoffel, in: SIWR V/2, 60; Borer, Art. 4 KG, Rn. 3. 595 Noch anders gem. Art. 2 I a. F. KG 1985. 596 Zäch, Schweizerisches Kartellrecht (2005), 173 ff.

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also im engeren Sinne verhältnismäßig sein. Zuletzt darf die Abrede keine Ausschaltung des Wettbewerbs ermöglichen. Damit entsprechen die Voraussetzungen weitgehend denen im Rahmen der Einzelfreistellung des Art. 101 Abs. 3 AEUV.597 Im Rahmen der europarechtsfreundlichen Auslegung fließt auch die europäische Beurteilung über die EuGH-Rechtsprechung in die schweizerische Bewertung von Vereinbarungen ein. Abreden, die unter die Beurteilung nach Art. 5 Abs. 1 und 2 KG fallen und nicht zu rechtfertigen sind oder den wirksamen Wettbewerb beseitigen, ziehen die rechtliche Unzulässigkeit und zivilrechtliche Ansprüche (Artt. 12–17 KG) respektive verwaltungsrechtliche Untersuchungen (Artt. 26–31 KG) nach sich. Allerdings sind sie nicht direkt sanktionsbedroht i. S. d. Art. 49a Abs. 1 KG. 2. Die Preisbindung der zweiten Hand nach KG und Vertikalbekanntmachung 2010 a) Vermutung der Wettbewerbsbeseitigung durch Preisbindung in Art. 5 Abs. 4 KG Die Preisbindung der zweiten Hand unterfällt dem soeben besprochenen Beurteilungsregime nicht ohne Einschränkung. Der Gesetzgeber hat sie in Art. 5 Abs. 4 KG der gesetzlichen Vermutung unterstellt, dass sie wirksamen Wettbewerb beseitige.598 Anders als der Tatbestand der Beseitigung des wirksamen Wettbewerbs nach Art. 5 Abs. 1 KG 599 sind die Vermutungstatbestände der Absätze 3 und 4 zusätzlich direkt sanktionsbedroht. Sie sind damit gesetzlich deutlich negativer bewertet als der Grundtatbestand der erheblichen, aber rechtfertigungsfähigen Wettbewerbsbeschränkung.600 Das Begriffsverständnis der Preisbindung zweiter Hand ist in der Schweiz grundsätzlich identisch mit dem in der EU und in Deutschland. Nur terminologisch abweichend bezieht sich die Vermutungsbasis des Art. 5 Abs. 4 KG daher auf vertikale Wettbewerbsabreden zwischen Unternehmen verschiedener Marktstufen, nach denen der Wiederverkauf oder die Dienstleistungser597 Es fehlt die Voraussetzung der Vorteile für Verbraucher, weshalb mit Verweis auf betriebswirtschaftliche Effizienzen ein anderer Beurteilungsmaßstab als in der EU herausgelesen wird, wo auch „die angemessene Beteiligung der Verbraucher am entstehenden Gewinn“ nachgewiesen werden muss, vgl. Zäch, Was bezweckt das schweizerische Kartellgesetz, in: Möschel, 50 Jahre Wettbewerbsgesetz in Deutschland und in Europa, 37–60. 598 Art. 5 Abs. 3 a) KG statuiert diese Vermutung für Abreden über direkte oder indirekte Festsetzung von Preisen zwischen Wettbewerbern dergleichen Marktstufe, bevor Art. 5 Abs. 4 KG diese Wertung auf vertikale Preisabreden, also die Preisbindung zweiter Hand, überträgt. Der Begriff der Abrede sollte für horizontale und vertikale Vereinbarungen gelten, sodass Art 5 Abs. 4 KG teilweise nur Klarstellungsfunktion attestiert wird. 599 Kein eigenständiger Anwendungsbereich mehr, Zäch, Schweizerisches Kartellrecht (2005), 210. 600 Krauskopf / Schaller, in: Amstutz / Reinert, BK Kartellgesetz, Art. 5 KG, Rn. 8.

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2. Teil: Die Preisbindung der zweiten Hand – ein Rechtsvergleich

bringung auf der nachfolgenden Wirtschaftsstufe an bestimmte Geschäftsbedingungen geknüpft wird (i. S. d. Art. 4 Abs. 1 KG/Art. 5 Abs. 4).601 Im Fall der Preisbindung besteht der qualifizierte Inhalt der Abrede in der Vereinbarung eines Mindest- oder Festpreises im Zweitvertrag (Art. 5 Abs. 4, 1. Hs.).602 Genauso umfassend wie in Europa und Deutschland wird inhaltlich auf alle Vertriebsstufen (Groß- und Zwischen- bzw. Einzelhandel) Bezug genommen, wobei grundsätzlich jegliche Art der Fixierung von Preisen erfasst wird, gleich ob es sich um Preise oder Preisbestandteile handelt, oder sich die Preisvereinbarung ihrerseits auf ein Gesamtprodukt (bzw. eine vollständige Dienstleistung) oder nur auf ein Teilprodukt (bzw. Teile von Dienstleistungen) bezieht.603 Ob sowohl die unmittelbare als auch die mittelbare Bindung, z. B. über Rabatt- und Bonussysteme zur Erfüllung des Tatbestands ausreicht, wurde gerichtlich noch nicht geklärt, weshalb – insofern abweichend von der europäischen Gleichsetzung mittelbarer und direkter Preisbindungen – die Geltung des Vermutungstatbestandes teilweise abgelehnt wird.604 Diese Beurteilung überzeugt jedoch nicht605 und es gibt keine Anhaltspunkte, dass die Behörden sich gegenüber nur mittelbaren Preisbindungen toleranter zeigen würden als gegenüber direkten Abreden. Vereinbarungen können sich daher unter Umständen schon aus dem Zusammenhang von Vertriebsvertrag und einzelnen Absprachen z. B. per Fax oder E-Mail ergeben.606 Bekanntlich muss jedoch in Abgrenzung zur unilateralen Preisempfehlung – auch nach dem KG, das ebenjene in Art. 5 Abs. 4 KG nicht nennt – ein Mindestmaß an Willensübereinstimmung vorliegen. Konkreter als im europäArt. 3 Abs. 1, 2 a. F. KG 1985; Zäch, Schweizerisches Kartellrecht (2005), 35; Schluep, in: Schürmann / Schluep, 236–242; Krauskopf / Schaller, in: Amstutz / Reinert, BK Kartellgesetz, Art. 5 KG, Rn. 368, 481. 602 Krauskopf / Schaller, in: Amstutz / Reinert, BK Kartellgesetz, Art. 5 KG, Rn. 494. 603 Bei letzterer Konstellation also der Preisbindung hinsichtlich eines vernachlässigbar kleinen Teils des Produkts oder der Dienstleistung kann es unter Umständen aber an der erforderlichen Auswirkung iSv. Erheblichkeit fehlen, siehe Krauskopf / Schaller, in: Amstutz / Reinert, BK Kartellgesetz, Art. 5 KG, Rn. 499. 604 So Reinert, in: Geiser / Krauskopf / Münch, Schweizerisches und europäisches Wettbewerbsrecht, Rn. 487 und Amstutz / Reinert, in: Stoffel / Zäch, Kartellgesetzrevision 2003, m. w. N. zur Gesetzesentstehung 94, 96; so wohl auch Borer, Art. 5 KG, Rn. 41; in Art. 5 Abs. 3 wird mit der Formulierung „direkt oder indirekt“ auch auf Abreden über Handelsspannen und Rahmenpreise Bezug genommen; weil dieser Passus in Abs. 4 fehlt, findet sich bisweilen die Ansicht, mittelbare Preisbindungen seien nicht erfasst. 605 Obwohl hinsichtlich der Gesetzesentstehung plausible Argumente für eine solche Auslegung bestehen, würden Art. 5 Abs. 3 und Art. 4 von unterschiedlichen Begriffen der Abrede ausgehen, was terminologisch nicht einleuchtet und dogmatisch zu einem Formalismus führen würde, der dem Kartellrecht fremd ist und mit Blick auf die europarechtsfreundliche Auslegung nicht überzeugt, s. nur Krauskopf / Schaller, in: Amstutz / Reinert, BK Kartellgesetz, Art. 5 KG, Rn. 521; Zäch, in Stoffel / Zäch, Kartellgesetzrevision 2003, 40, s. a. vorherige Fn. 606 Krauskopf / Schaller, in: Amstutz / Reinert, BK Kartellgesetz, Art. 5 KG, Rn. 506–510. 601

C. Rechtliche Erfassung von Mindest- und Festpreisbindungen

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ischen und deutschen Regelwerk spricht der Gesetzestext in der Schweiz zwar nur von Mindest- oder Festpreisen, gleichwohl können Höchstpreise nach der herrschenden Ansicht ebenfalls unter die Norm subsumiert werden, wenn sie wie ein Festpreis befolgt und umgesetzt werden.607 b) Auslegung und Anwendung in der Fallpraxis Unter diesem Regime des KG-2003 verhängte die WEKO erstmals im Jahr 2009 anlässlich der Festsetzung von Wiederverkaufspreisen im Fall Felco/ Landi Sanktionen gegen einen Hersteller von Gartenscheren und seinen Vertriebspartner. Die festgestellte unzulässige Preisbindung habe zu Preiserhöhungen beim Endkunden geführt. Symptomatisch: Nach einer Selbstanzeige kam es zu einer Einigung mit der WEKO, es gab also einen behördlichen, nicht aber einen gerichtlichen Leitentscheid.608 Die Anzahl der Fälle hielt sich in der Folge durchaus in Grenzen: in einem Fall einer über Preisempfehlungen vermittelten Preisbindung untersagte und sanktionierte die WEKO die weitere Verwendung von Empfehlungen für Publikumspreise für Medikamente im Jahr 2010, weil die herausgegebenen Preisempfehlungen von den Apothekern und selbstdispensierenden Ärzten befolgt worden waren (HorsListe).609 Die WEKO stellt für die Qualifikation als Preisbindung zweiter Hand darüber hinaus insgesamt auf die Wirkung der Preisfestsetzung ab und nicht auf das dafür eingesetzte Mittel, wie sie anlässlich der Beurteilung von Behinderungen des Online-Handels vorsorglich erläutert hat.610 Mit diesen und anderen Leitentscheiden zu vertikalen Wettbewerbsabreden will die WEKO nach eigenen Aussagen zu mehr Rechtssicherheit für Unternehmen beitragen und verweist – wie auch im Rahmen des Einschreiten gegen Beschränkungen des Online-Handels oder Gebietsabschottungen611 – hinsichtlich der (Mindest-) Preisbindung immer wieder ausdrücklich auf ihre Bemühungen zur Bekämpfung der schweizerischen „Hochpreisinsel“. Erkennbar ist 607 Krauskopf / Schaller, in: Amstutz / Reinert, BK Kartellgesetz, Art. 5 KG, Rn. 505; Zäch, Schweizerisches Kartellrecht (2005), 224; Reinert, in: Geiser / Krauskopf / Münch, Schweizerisches und europäisches Wettbewerbsrecht, Rn. 4.87; Amstutz / Reinert, in: Stoffel / Zäch, Kartellgesetzrevision 2003, 96 f., siehe unten D.III, 287. 608 Gleichwohl wurden die Felco SA und die Landi AG mit Bußen i. H. v. 50 000 CHF bzw. i. H. v. 5000 CHF belegt; WEKO v. 25.5.2009 – RPW 2009/2, 143 – Sécateurs et cisailles (Felco/Landi). 609 Die Entscheidung richtete sich gegen die Pfizer AG, Eli Lilly (Suisse) SA Bayer (Schweiz) AG, WEKO v. 2.11.2009 – RPW 2010/4, 649 – Hors-Liste Medikamente. 610 WEKO v. 11.7.2011 – RPW 2011/3, 372 ff., 381 – Behinderung des Online-Handels. 611 Das Verfahren Verfahren gegen die Electrolux AG und V-Zug AG wurde einvernehmlich abgeschlossen. Es ging dabei nicht um Preisbindungen, aber um die Beschränkung des Online-Handels. Hier bekräftigte die WEKO jedoch ihre Sensibilität gegenüber Preisbindungen und Gebietsschutz erneut, s. WEKO v. 11.7.2011 – RPW 2011/3, 372 ff., 381 f. – Behinderung des Online-Handels, s. a. RPW 2012/1, 4.

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2. Teil: Die Preisbindung der zweiten Hand – ein Rechtsvergleich

das – nachvollziehbare – Ansinnen, die Vermutung des Art. 5 Abs. 4 KG ggf. auch auf indirekte Preisfestsetzungen wie mit Drohungen durchgesetzte Preisempfehlungen auszudehnen. In den Fokus der Ermittler rücken dann auch generelle Bemühungen, besonders preiskompetitive Verkaufskanäle auzuschalten.612 Dies ist nicht ganz unproblematisch. Zwar räumt die WEKO ein, dass ein Verbot von Internetverkäufen ohne erschwerende Faktoren für sich genommen keine Preisbindung darstellt. Trotzdem verwässert hier eine mögliche Definition der Preisbindungsabrede. Dass diese undifferenzierte Auslegung im Einzelfall zu unsauberen Begründungen für Behördenentscheidungen und damit zu rechtsdogmatischen Problemen führen kann, zeigt der Fortgang des Verfahrens in Sachen Bergsportprodukte – Altimum SA. Die Altimum SA (ehemals Roger Guenat SA), Generalimporteurin für Bergsportprodukte, hatte ihren Einzelhändlern zwischen 2006 und 2010 Preise für Bergsportprodukte empfohlen. Dabei sah die WEKO es als erwiesen an, dass einem der 333 Händler mit Lieferstopp gedroht wurde und 39, also nur ca. 12 % der Händler sich infolge der Druckausübung an die empfohlenen Preise gehalten hatten. Während sie letztere Befolgungsrate im Hinblick auf den verbleibenden Wettbewerb als nicht gravierend einstufte,613 sei die Androhung des Lieferstopps als indirekte Preisbindung zu verstehen.614 Die Altimum SA ist deshalb im Dezember 2012 für die Anwendung einer Preisbindung mit einer Geldbuße belegt worden.615 Dies überrascht zwar nicht insoweit, als der Sachverhalt in Gesamtbetrachtung mit Gebietsaufteilungen nahelegt, dass die Altimum SA Preiswettbewerb hatte ausschließen wollen. Trotzdem fällt auf, wie wenig Begründungsaufwand hier betrieben wurde, um von – an sich zulässigen – Preisempfehlungen zur Annahme einer Preisbindung zu kommen, obwohl die Bemühungen um die Einhaltung der Preisempfehlung nicht von Erfolg gekrönt waren. Nur wenige Händler hatten sich beeinflussen lassen. Rechtsvergleichend wurde auf die Beurteilung indirekter Preisbindungen und Druckausübung in der EU Bezug genommen; inwieweit dort ein Indizienbeweis zur Feststellung einer Vereinbarung taugt, ist jedoch nicht ganz unproblematisch.616 Soweit sich der Vorwurf auf nachgewiesene 612 WEKO v. 11.7.2011 – RPW 2011/3, 372 ff., 381 – Behinderung des OnlineHandels. 613 Zur Widerlegung der Vermutung der Wettbewerbsbeseitigung siehe sogleich, C.IV.2.c), 269; WEKO v. 20.8., 2012 – 22-0399, RPW 2016/2, 384 – Altimum SA (auparavant Roger Guenat SA). 614 WEKO v. 20.8., 2012 – 22-0399, EG 141, RPW 2016/2, 384 – Altimum SA (auparavant Roger Guenat SA). 615 In Höhe von 470.000 CHF, WEKO v. 20.8.2012 – 22-0399, RPW 2016/2, 384 – Altimum SA (auparavant Roger Guenat SA), s. a. Medienmitteilung v. 2.10.2012, WEKO büsst Altimum SA wegen Preisbindung zweiter Hand. 616 Vgl. zum Vereinbarungsverständnis in der EU oben C.II.1, 217 und rechtsvergleichend zu Preisempfehlungen unten D.III, 287 ff.

C. Rechtliche Erfassung von Mindest- und Festpreisbindungen

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Einzelfälle der Androhung von Lieferstopps stützt, erinnert der Fall eher an das Einschreiten des BKartA in Deutschland in Sachen CibaVision.617 Einziger Unterschied: die Schweiz kennt keine Regelung wie die des § 21 GWB. Grundsätzlich müssen Preisempfehlungen in der Schweiz deshalb entweder Merkmale einer Abrede oder einer abgestimmten Verhaltensweise aufweisen, um die Grenze zur Preisabrede zu überschreiten. Zuletzt wurde der Entscheid der WEKO vom BVGer aus anderen Gründen aufgehoben.618 2015 kam die WEKO mit einem Generalimporteur – der Musik Olar AG – wegen der Durchführung einer Preisbindung für Saiteninstrumente zu einer einvernehmlichen Verfahrensbeendigung. Eine ökonomische Rechtfertigung hatte nicht bestanden.619 c) Die (häufig erfolgreiche) Widerlegung der Vermutung durch Nachweis von Innen-oder Außenwettbewerb Die Fallpraxis darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Art. 5 Abs. 4 KG für Preisbindungen aufgestellte Vermutung widerlegbar ist, wenn im konkreten Fall wirksamer Wettbewerb besteht.620 Notwendig zur Widerlegung ist deshalb zunächst „nur“ der Nachweis von bestehendem „Innenwettbewerb“ oder „Außenwettbewerb“. Hierfür reicht grundsätzlich (sogar bei harten Abreden) der Nachweis eines gewissen, unter Umständen auch erheblich beeinträchtigten Teil- oder Restwettbewerbs aus.621 Im Einzelnen ist diese Möglichkeit des Nachweises von Innenwettbewerb – zu Recht – nicht frei von Kritik geblieben. Sie knüpft vor allem an folgende Argumente: Erstens ist im Bereich der Vertikalabreden und der Preisbindung bereits der Begriff des Innenwettbewerbs problematisch, weil es bei der vertikalen Preisbindung praktisch der Intrabrand-Preiswettbewerb ist, der ausgeschaltet wird. Interpretiert man den Begriff des Innenwettbewerbs daher eng, als Innenpreiswettbewerb, so könnte dieser also nur festgestellt werden, wenn sich die tatsächlich Beteiligten einer betreffenden Preisabrede ungenügend an sie halten, also weiterhin miteinander im Preiswettbewerb stehen. 622 Stellt man hinsichtlich der Vermutungswiderlegung hingegen auch auf nichtpreislichen Innenwettbewerb ab, so muss auf dem konkreten Markt nachweislich nicht der Siehe zu CibaVision schon C.III.4, 256. BVGer v. 17.12.2015 – B-5685/2012 – Altimum SA; das Gericht diskutierte die Feststellung einer Abrede nach Art. 5 Abs. 4 KG leider nicht mehr, sondern sah die Erheblichkeit der Abrede als nicht gegeben an, vgl. hierzu mit Kritik unter C.IV.2.d), 271 ff. 619 WEKO v. 29.7.2015 – 22-0441, RPW 2016/3, 722 ff. – Saiteninstrumente (Gitarren und Bässe) und Zubehör; Medienmitteilung v. 13.8.2015, WEKO büsst Musik Olar AG wegen Preisbindung zweiter Hand. 620 Zäch, in: Stoffel / Zäch, Kartellgesetzrevision 2003, 26. 621 BGer v. 14.8.2002 – BGE 129 II 18, 37 f., Erw. 8.3.2 ff. – Buchpreisbindung; Zäch, in: Stoffel / Zäch, Kartellgesetzrevision 2003, 28f, 45 f. 622 Zäch, in: Stoffel / Zäch, Kartellgesetzrevision 2003, 28, 45. 617 618

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2. Teil: Die Preisbindung der zweiten Hand – ein Rechtsvergleich

Preis der allentscheidende Wettbewerbsparameter sein und ein bestehender Qualitäts-, Beratungs- oder anderweitiger Servicewettbewerb – zumindest in beschränkter Form – noch bestehen. Zuletzt wird auch vertreten, dass schon bestehender Außenwettbewerb alleine, also Interbrand-Wettbewerb, zur Vermutungswiderlegung tauge.623 Dass die Feststellung von Preisdruck durch am Markt teilnehmende Dritte bzw. deren Konkurrenzprodukte zur Vermutungswiderlegung ausreichen soll, wird hingegen auch in der Wissenschaft kritisiert. Da Art. 5 Abs. 4 KG nur an die Beseitigung von Wettbewerb, nicht aber konkret auf Beseitigung von Preiswettbewerb abstelle,624 werde dem ausgeschalteten Intrabrand-Wettbewerb bei soeben beschriebenem Verständnis nicht genug Beachtung geschenkt. Preisbindungen betreffen im Vertikalverhältnis oft gleichartige Vertragsprodukte bzw. Markenprodukte. Deshalb ist Preiswettbewerb von vornherein oft der einzig mögliche Wettbewerbsparameter. Zum anderen gehen auch schweizerische Beobachtungen dahin, dass Preisbindungen wie auch Gebietsabreden häufig als Bestandteil selektiver Vertriebssysteme eingeführt werden, sodass die – grundsätzlich denkbaren alternativen Wettbewerbsparameter – nur theoretisch, nicht aber praktisch bestehen oder/und insbesondere für die Mehrzahl der Konsumgüter ohnehin keine Beratungsleistungen im Vorfeld der Kaufentscheidung (bzw. überhaupt bei Wiederholungskäufen) anfallen.625 Diese Argumente decken sich mit den in dieser Arbeit gezogenen Schlüssen aus der ökonomischen Analyse. Dass überhaupt irgendwelche Konkurrenzangebote auf einem Markt bestehen, dürfte bei den meisten Konsumgütern wohl die Regel sein. Die Vermutungswirkung des Art. 5 Abs. 4 KG würde ad absurdum geführt, wenn jeglicher bestehender Außenwettbewerb allein die Vermutung widerlegen würde.626 Eine solche Auslegung fußt zweifelsfrei auf der in den 2000ern aufstrebenden Ansicht, dass vertikale Vereinbarungen in Abwesenheit von Marktbeherrschung überwiegend wohlfahrtsförderlich seien. Sie steht aber im Spannungsverhältnis sowohl zu den hier besprochenen ökonomischen Wirkungen von Preisbindungen als auch zu rechtlichen Erwägungen des schweizerischen Gesetzgebers. Zudem dürfte aus rechtsvergleichender Perspektive eine europarechtsfreundliche Auslegung Probleme mit der Vermutungswiderlegung aufwerfen. Im Fall Consten / Grundig wurde betreffend Gebietsschutzvereinbarungen der Interbrand-Wettbewerb als Beurteilungskriterium im Rahmen 623 BGer v. 14.8.2002 – BGE 129 II 37, Erw. 8.2.3 – Buchpreisbindung; Zäch, in: Stoffel / Zäch, Kartellgesetzrevision 2003, 28 f., 45 f.; Borer, Art. 5 KG, Rn. 31. 624 Zäch, in: Stoffel / Zäch, Kartellgesetzrevision 2003, 28, 45 mit entsprechender Kritik an der Interpretation und Verweis auf ebendiese Gesamtinterpretation der Rekurskommission RPW 2001, 381, 409, 5.4.2. Rekurskommission Beschwerdeentscheid Buchpreisbindung. 625 Kritik in der Schweiz v. a. durch Zäch, Schweizerisches Kartellrecht (2005), 237. 626 Zäch, in: Stoffel / Zäch, Kartellgesetzrevision 2003, 47 ff. auch mit weiteren Ausführungen zur Normentstehung.

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des alten Art. 85 Abs. 1 EWG a. F. unberücksichtigt gelassen.627 Mit Verweis auf das schweizerische Angleichungsinteresse bei der Schaffung des Art. 5 Abs. 4 KG ist also festzustellen, dass eine (einfache) Widerlegbarkeit der Vermutung durch Außenwettbewerb auffällig bis systemfremd wäre. Die WEKO hat sich in ihrer Vertikalbekanntmachung 2010 für eine vermittelnde Lösung entschieden, indem sie die Gesamtbetrachtung des Marktes unter Berücksichtigung von Intra- und Interbrand-Wettbewerb veranschlagte. Funktionierender nichtpreislicher Intrabrand-Wettbewerb oder InterbrandWettbewerb kann demnach jedoch niemals die Vermutung der Beseitigung von Wettbewerb entkräften, wenn durch Preisbindungen Marktabschottungen bewirkt werden.628 In der Praxis kann die Vermutung des Art. 5 Abs. 4 KG in allen übrigen Fällen in der Regel widerlegt werden,629 weshalb der Effizienzrechtfertigung innerhalb des Art. 5 Abs. 2 der Schwerpunkt der Prüfung zukommt.630 Hier findet sich also ein systematischer Unterschied zur europäischen und deutschen Rechtslage, die mit der Einstufung als Kernbeschränkung in der GVO die Kartellrechtswidrigkeit von Preisbindungen nachhaltiger mit der wettbewerbsrechtlichen Unzulässigkeitsvermutung verknüpft. Sowohl für harte Kartelle als auch für Kernbeschränkungen wie die Preisbindung wird in der Schweiz eine umfassende wettbewerbliche Wirkungsanalyse erforderlich; die europäische Kategorie bezweckter Wettbewerbsbeschränkungen, bei denen die negativen Wirkungen auf Konsumenten nicht zwingend nachzuweisen ist, existiert in der Schweiz so nicht.631 Die Vermutung des Art. 5 Abs. 4 KG bezieht sich also „nur“ auf die Beseitigung des Wettbewerbs, nicht jedoch auf die Rechtsfolge der Unzulässigkeit. d) Die Erheblichkeit von Preisbindungen Die Vermutungswiderlegung führt jedoch nicht automatisch dazu, dass eine vertikale Preisabrede zulässig wäre. Vielmehr darf sie wie andere Abreden im Rahmen des Art. 5 Abs. 1 KG keine erhebliche Einschränkung des Wettbewerbs bewirken. Ob dies der Fall ist prüft die WEKO nach den Vertikalbe627 EuGH v. 13.7.1966 – verb. Rs. C-56/64 und 58/64, Slg. 1966, I-321 – Consten und Grundig / Kommission; Komm. v. 23.9.1964 – ABl. 1964 P 161/2545 – Grundig-Consten. 628 BGer v. 14.8.2002 – BGE 129 II 18, 43, Erw. 9.5.5. – Buchpreisbindung; Zäch, in: Stoffel / Zäch, Kartellgesetzrevision 2003, 51 f. 629 Vgl. z. B. teilweise in WEKO v. 20.8.2012 – 22-0399, RPW 2016/2, 384 – Altimum SA (auparavant Roger Guenat SA); WEKO v. 29.7.2015 – 22-0441, RPW 2016/3, 722 – Saiteninstrumente (Gitarren und Bässe) und Zubehör; Martenet / Heinemann, EuZW 2012, 869; Heinemann, SJZ 2013, 373. 630 Siehe unten C.IV.2.e), 275. 631 Vgl. EuGH v. 6.10.2009 – verb. Rs. C-501/06 P, C-513/06 P, C-515/06 P, C-519/06 P, Slg. 2009, I-9291, Rn. 55 ff. – GlaxoSmithKline u. a. / Kommission; vgl. für die daran anknüpfende Spürbarkeit bezweckter Wettbewerbsbeschränkungen EuGH v. 13.12.2012 – Rs. C-226/11, EU:C:2012:795 – Expedia Inc. / Autorité de la concurrence.

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2. Teil: Die Preisbindung der zweiten Hand – ein Rechtsvergleich

kanntmachungen 2007632 und 2010633 grundsätzlich bei allen Fällen unzulässiger Wettbewerbsbeschränkungen im Rahmen einer Einzelfallbetrachtung anhand qualitativer und quantitativer Kriterien. Generell wird die Erheblichkeitsschwelle nicht besonders hoch angesetzt: der Nachweis, dass es Auswirkungen auf dem relevanten Markt gegeben hat, reicht aus Sicht der WEKO insofern aus; 634 konkretisiert hat die WEKO in ihrer VertBek ohnehin die in Europa üblichen Schwellenwerte von 15 % Marktanteil, bzw. 5 % Marktanteil bei Netzen gleichartiger vertikaler Vereinbarungen.635 Anlässlich der VertBek 2007 war zwar nicht grundsätzlich kritisiert worden, dass die WEKO bei den Vermutungstatbeständen des Art. 5 Abs. 4 KG die Erheblichkeit auch qualitativ aufgrund des Gegenstandes der Abrede beurteilte, jedoch müsse darüber hinaus – anders als in der EU – auch die quantitative Auswirkung aufgrund entsprechender Marktanteile festgestellt werden.636 Die WEKO stellte in der revidierten VertBek 2010 dann eine konkretisierte Handhabung vor, in der zwar an der qualitativen Erheblichkeit von Preisbindungen festgehalten, jedoch mit dem Verweis auf die im Einzelfall zu erfolgende Abwägung von qualitativer und quantitativer Erheblichkeit ein wenig Schärfe aus dem Wortlaut genommen wurde. Anders jedenfalls, als die lautstarke Befürchtung von zu harten Bandagen im Kampf gegen Preisbindungen suggeriert, entschied die WEKO in einigen Fällen, in denen ihr eine Erheblichkeit aufgrund der Marktanteile und des regen Interbrand-Wettbewerbs nicht ersichtlich war, Preisbindungen bzw. so mutmaßlicher Weise wirkende Preisempfehlungen nicht weiter zu prüfen bzw. zu sanktionieren.637 Diese Feststellungen sollen nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Natur des Erheblichkeitskriteriums zwischenzeitlich stark umstritten war. Das BVGer entschied Anfang 2014 in Gaba/WEKO638, dass Preisbindungen und Gebietsabreden schon aufgrund der Natur der Beschränkung erheblich seien. Aufgrund der vermutungsweisen Beseitigung des wirksamen Wettbewerbs durch Vertikalabreden über Preise und Gebiete in Art. 5 Abs. 4 KG sei die qualitative Erheblichkeit a maiore ad minus unabhängig von allfälligen quantitativen Kriterien zu bejahen. Zum einen entspreche dies der Rechtslage in 632 WEKO v. 2.7.2007, Bekanntmachung über die wettbewerbsrechtliche Behandlung vertikaler Abreden (Vertikalbekanntmachung, im Folgenden VertBek 2007) 633 WEKO v. 28.6.2010, Bekanntmachung über die wettbewerbsrechtliche Behandlung vertikaler Abreden (Vertikalbekanntmachung, im Folgenden VertBek 2010), Ziff. 13. 634 Martenet / Heinemann, EuZW 2012, 869; m.N. zu WEKO v. 18.10.2010 – 22-0358, RPW 2010, 717 (752), Rn. 319 – Baubeschläge. 635 VertBek 2010, Ziff. 13. 636 Neff, in: Amstutz / Reinert, BK Kartellgesetz, Art. 6, Rn. 7. 637 WEKO v. 21.10.2013 – 22-0417, RPW 2014/1, 184 – Kosmetikprodukte (Dermalogica). 638 Mit fünf Richtern: BVGer v. 19.12.2013 – B-506/2010 – Gaba / WEKO; zwischenzeitlich bestätigt durch BGer v. 28.6.2016 – 2C_180/2014 – Gaba / WEKO.

C. Rechtliche Erfassung von Mindest- und Festpreisbindungen

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der EU639 und dem Zweck des Kartellgesetzes (Verweis auf ebenfalls bestehende integrative Zielsetzungen).640 Zudem sei mit der Möglichkeit der Rechtfertigung im Einzelfall der etwaigen wirtschaftlichen Effizienz auch qualitativ erheblicher Abreden Genüge getan. Hier wurde also auch rechtsvergleichend zur Handhabung in der EU argumentiert, obwohl in diesem Bereich dogmatische Unterschiede zwischen Kernbeschränkungen im EUWettbewerbsrecht und Vermutungstatbeständen im schweizerischen KG bestehen. In der schweizerischen Literatur werden diese auch regelmäßig betont, weshalb die Entscheidung überraschte.641 Preisbindungen sollten nach Gaba/WEKO also auch nach der Vermutungswiderlegung grundsätzlich unzulässige Wettbewerbsbeschränkungen (mit Rechtfertigungsmöglichkeit im Einzelfall) sein, selbst wenn sie Produkte mit wenigen Prozenten Marktanteilen betreffen und nachweislich Interbrand-Wettbewerb besteht.642 Damit interpretiert die schweizerische Rechtsprechung zum einen das Erheblichkeitskriterium nun entsprechend der europäischen Betrachtung als Spürbarkeits-, d. h. als Bagatellklausel. Zum anderen schlägt sie hinsichtlich dieser Erheblichkeit den kurz zuvor von der europäischen Rechtsprechung in Expedia 643 eingeschlagenen Weg ein und die Auswirkungen qualitativ schwerwiegender Abreden sind nicht (mehr) quantitativ nachweispflichtig. Dieses Verständnis hat zur Folge, dass die Vermutungen bezüglich Abreden nach Art. 5 Abs. 3 und 4 KG auf der Ebene des Art. 5 Abs. 1 KG fortwirken und – wichtiger – vertieft materiellrechtlich auf ihre Effizienz hin untersucht werden müssen.644 Unbenommen bleibt (theoretisch) die Rechtfertigung aus wirtschaftlichen Gründen nach Art. 5 Abs. 2 KG. Dieses Verständnis ist zwischenzeitlich erneut in Zweifel gezogen worden, als das BVGer ein halbes Jahr nach Gaba/WEKO in Sachen Baubeschläge (anlässlich horizontaler Preisabreden) feststellte, dass damit andererseits keine quantitative per se-Erheblichkeit geschaffen worden sei, sondern in jedem Fall eine Marktanalyse erforderlich sei.645 Damit war die Frage, ob das 639 Dies stimmt in Bezug auf Kernbeschränkungen als bezweckte Wettbewerbsbeschränkungen, übersieht aber das Problem der nicht widerspruchsfreien Klassifizierung von bezweckten Wettbewerbsbeschränkungen im Hinblick auf neue Meistbegünstigungsklauseln im Internet, vgl. Walter, ZWeR 2015, 157. 640 BVGer v. 19.12.2013 – B-506/2010, Erw. 11.1.8 – Gaba / WEKO. 641 Neff, in: Amstutz / Reinert, BK Kartellgesetz, Art. 6 Rn. 6. 642 Damit griff das Grundsatzurteil einem vom Bundesrat vorgeschlagenen aber im Parlament gescheiterten Verbot von Vertikalabreden im Rahmen der Kartellgesetzrevision vor, siehe unten 2. Teil C.IV.3, 278. 643 EuGH v. 13.12.2012 – Rs. C-226/11, EU:C:2012:795 – Expedia Inc. / Autorité de la concurrence. 644 Siehe ausführlich zum ganzen Baldi, AJP 2016, 315 ff. 645 Sog. Baubeschläge-Urteile unter Besetzung mit 3 Richtern: BVGer v. 23.9.2014 – B-8430/2010, Erw. 7.1.3. – Paul Koch AG / WEKO; BVGer v. 23.9.2014 – B-8399/2010, Erw. 6.1.3. – Siegenia-Aubi AG / WEKO; BVGer v. 23.9.2014 – B-8404/2010 – SFS

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2. Teil: Die Preisbindung der zweiten Hand – ein Rechtsvergleich

Erheblichkeitskriterium funktional der materiellrechtlichen Kernprüfung zuzuordnen sei, wieder offen. Mehr als ein Jahr später stützte das BVGer in Sachen BMW 646 widerum eine Geldbußenentscheidung der WEKO und das Gaba-Urteil, um nur einen Monat später die Geldbußenentscheidung der WEKO in Sachen Altimum SA aufzuheben und das Erheblichkeitskonzept aus den Baubeschläge-Urteilen zu bestätigen.647 Das Gericht kam in Altimum SA im Wesentlichen zum Schluss, dass die vorliegende Abrede hinsichtlich eines Mindestpreises nur bei wenigen der Handelsunternehmen nachweislich durchgeführt worden sei. Die Abrede zwischen dem Generalimporteur und den Handelsunternehmen sei damit zwar qualitativ, nicht jedoch quantitativ erheblich. Angesichts der geringen Zahl der Händler, die sich an die gegenständlichen Preisempfehlungen hielten, sei schlichtweg genügend Inter- und IntrabrandWettbewerb vorhanden und die Erheblichkeit zu verneinen gewesen. Die WEKO hat das Altimum-Urteil vor dem BGer angefochten. Dieser hat die Bedeutung des Kriteriums der Erheblichkeit nun aber anlässlich des Falles Gaba/WEKO grundsätzlich geklärt.648 Im Interesse einer modernen Wettbewerbspolitik hat er die Funktion als Aufgreifkriterium bestätigt.649 Festzuhalten bleibt, dass eine aus den Baubeschläge-Urteilen und Altimum SA abgeleitete Doktrin rechtsdogmatisch fatale Konsequenzen gehabt hätte: Erstens fügt sich eine Erheblichkeit i. S. e. Kernprüfung nicht in die Systematik des Artikels 5 KG ein, der in Abs. 1 als Grundtatbestand offensichtlich nur eine Vorprüfung anstrebt und für eine – möglichst justiziable – materiellrechtliche Prüfung der Rechtfertigung einer Abrede Abs. 2 vorhält. Zweitens vertrüge sich eine volle Prüfung von Marktanteilen und Marktauswirkungen nicht mit Sinn und Zweck der Spezialregelungen des Art. 5 in Abs. 3 und 4 KG. Eine Vermutung der Beseitigung des Wettbewerbs soll gerade zu einer Beweislastumkehr auf der ersten Beurteilungsstufe führen. Diese wäre konterkariert, müsste sogleich – verortet in einer Erheblichkeitsprüfung – eine verkappte Untersuchung der Auswirkungen einer vermutungsweise wettbewerbsbeseitigenden Abrede vorgenommen werden. Die Erheblichkeit würde dann zu einer Art Vorvoraussetzung für ein Aufgreifen der WEKO werden. unimarket AG / WEKO; vgl. BVGer v. 19.12.2013 – B-506/2010, Erw. 11.1.8., 11.3.4 – Gaba / WEKO. 646 Erneut durch 5 Richter: BVGer v. 13.11.2015 – B-3332/2012, Erw. 9.1.5. – BMW /  WEKO. 647 BVGer v. 17.12.2015 – B-5685/2012 – Altimum SA. 648 Anzumerken ist, dass sich auch deutsche Gerichte bisweilen bei der Einordnung und Anwendung von Spürbarkeitserwägungen schwer tun, vgl. hierzu OLG Celle v. 7.4.2016 – 13 U 124/15 (Kart) = BeckRS 2016, 08239 = NZKart 2016, 288 – A.-Vitalkost, die derzeit beim BGH anhängig ist, siehe oben unter C.III.2, 251 f. 649 Eben dieser Ansicht und m. w. N. zu Vertretern dieser Meinung nur Baldi, AJP 2016, 315, 319 (Fn. 15); a. A. Jacobs, SJZ 2016, 230 ff.; nun bestätigt BGer v. 28.6.2016 – 2C_180/2014 – Gaba / WEKO.

C. Rechtliche Erfassung von Mindest- und Festpreisbindungen

275

Drittens spricht aus rechtsvergleichender Perspektive nicht nur viel für eine Interpretation als Bagatellklausel analog der Spürbarkeit in der EU. Rechtshistorisch ist besonders mit Blick auf die Entwicklungen in den USA festzustellen, dass eine quantitative Erheblichkeitsprüfung auf der ersten Beurteilungsstufe einer rule of reason-Beurteilung nach Chicago Board of Trade geähnelt hätte, die eine konsistente Rechtsprechung zu vertikalen Beschränkungen lange abgeschnitten hat. Sie war schlichtweg nicht justiziabel und führte zu dogmatischen Ungereimtheiten, die bis Leegin fortwirkten und derzeit Bemühungen der Einführung von Vermutungen im Sinne einer structured rule of reason nach sich ziehen.650 e) Die Rechtfertigung von Preisbindungen in der Schweiz – Pendant zur EU-Einzelfreistellung? Die Vermutungswiderlegung des Art. 5 Abs. 4 KG hat zur Folge, dass auch erhebliche unzulässige vertikale Preisbindungen der Rechtfertigung nach Art. 5 Abs. 2 KG zugänglich sind. Kumulativ müssen dafür drei Voraussetzungen gegeben sein: Erstens bedarf es eines Rechtfertigungsgrundes, wobei Art. 5 Abs. 2 lit. a KG eine abschließende Liste bereithält. Zweitens muss eine Preisbindungsabrede notwendig sein (Art. 5 Abs. 2 lit. a KG). Drittens darf die Preisbindungsabrede den wirksamen Wettbewerb nicht gänzlich beseitigen (Art. 5 Abs. 2 lit. b KG). Das allgemeine Kriterium der Notwendigkeit einer Abrede erfolgt im bekannten Dreischritt einer Verhältnismäßigkeitsprüfung: die Abrede muss geeignet sein, eines der genannten Effizienzziele (Senkung von Herstellungs- oder Vertriebskosten; Verbesserung von Produkten oder Produktionsverfahren; Förderung der Verbreitung von technischem oder beruflichem Wissen; rationellere Nutzung von Ressourcen) zu erreichen, sie muss erforderlich zur Zielerreichung sein (also das mildeste Mittel) und zudem einer Verhältnismäßigkeitsprüfung im engeren Sinne standhalten. Nicht genannt ist lediglich die aus der EU bekannte Weitergabe von Vorteilen an die Verbraucher – eine höchst theoretische Beweiserleichterung. Art. 6 KG nennt in Anlehnung an die Vertikal-GVO Voraussetzungen, nach denen einzelne Arten von Wettbewerbsabreden wie die Preisbindung aus Gründen der wirtschaftlichen Effizienz gerechtfertigt werden können. Außerdem ermöglicht er die Konkretisierung im Wege der Verordnung oder der allgemeinen Bekanntmachung. Letztere Bekanntmachungen651 sind auf dieser Grundlage erlassen, sodass Ziffer 16 der VertBek 2010 nun einzelne Rechtfertigungsgründe für Preisbindungen spezifiziert. Auffällig konkret finden sich hier die ökonomischen Effizienzerwägungen, die im Rahmen der Vgl. oben C.I.1.a), 159 ff. und C.I.3.a)cc), 193 ff. Vertikal-, KFZ- und KMU-Bekanntmachung, während Verordnungen des Bundesrates allgemein rechtsverbindlich sind, binden allgemeine Bekanntmachungen die rechtsanwendenden Behörden, ausgenommen die WEKO selbst, grds. nicht 650 651

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2. Teil: Die Preisbindung der zweiten Hand – ein Rechtsvergleich

Preisbindungsdiskussion eine Rolle spielen und in der vorangegangenen Analyse (Teil 1) besprochen wurden. Ein für die Preisbindung relevanter Rechtfertigungsgrund aus dem Bereich der Senkung von (Herstellungs-)  und Vertriebskosten ist demnach bedingt die Vermeidung des Hold-up-Problems, d. h. der Einsatz einer Preisbindung zur Sicherung vertragsspezifischer Investitionen (Ziffer 16 Abs. 4 lit. a VertBek 2010). Eher in Betracht kommt aber die Verbesserung von Produkten i. S. d. Art. 5 Abs. 2 lit. a 2. Alt. KG, die weit ausgelegt wird und auch die Verbesserung des Vertriebs umfasst.652 Erwägbar sind der zeitlich begrenzte Schutz von Investitionen für die Erschließung neuer sachlicher oder räumlicher Märkte (Ziffer 16 Abs. 4 lit. a VertBek), die Vermeidung von unzureichenden Verkaufsförderungsmaßnahmen (insb. Beratung, Ziffer 16 Abs. 4 lit. d VertBek 2010) und die Verhinderung doppelter Margenbildung (Ziff. 16 Abs. 4 lit. e VertBek 2010). Damit finden sich – schulbuchartig – die pro-kompetitiven Theorien für vertikale Beschränkungen aus dem Service- und Anreizbereich aufgelistet. Denkbar sind Preisbindungen also auch zur Qualitätszertifizierung und zum erleichterten Markteintritt. Der Einsatz zur Verhinderung des Trittbrettfahrens653 auf Serviceleistungen (bedingt auch hinsichtlich der bloßen Distributionsförderung durch mehr Service), im Rahmen der Outlet-Hypothese, zur Verhinderung doppelter Margenbildung und bedingt auch für Optimierung von Lagerbeständen und Verfügbarkeit stehen im Raum.654 Nicht genannt sind – nicht überraschend und zu Recht – Markenpflegeaspekte. Verglichen mit der amerikanischen Rechtslage nach Leegin und dem in den europäischen Leitlinien Aufgegriffenen ist die VertBek also überraschend explizit und auf den ersten Blick sehr aufgeschlossen. Genau betrachtet zählt die VertBek aber nicht wie durch Art. 6 Abs. 1 KG intendiert gerechtfertigte Abreden auf, sondern nur mögliche Effizienzgründe im Sinne des Art. 5 Abs. 2 KG. Der Unterschied im Detail versinnbildlicht das Dilemma: so konkret wie die Aufzählung in der VertBek 2010 daherkommt, so abstrakt und wenig umsetz- geschweige denn vorhersehbar ist sie für die Praxis.655 Im Fall Hors-Liste nutzte die WEKO bereits die Möglichkeit, sich basierend auf der neuen VertBek 2010 zu einigen dieser Aspekte in Bezug auf Trittbrettfahren i. S. d. Service-Theorie, Qualitätszertifizierung, Lagerhaltung, Verkaufsstellenzahl und doppelte Margenbildung explizit zu äußern.656 Weber / Volz, Wettbewerbsrecht, 146 m. w. N. Befasst hatte sich die WEKO ausführlich mit dieser Thematik WEKO V. 21.3.2005 – RPW 2005/2, 269, 285 – Sammelrevers. 654 Weber / Volz, Wettbewerbsrecht, 146 Letzteres nur theoretisch, da die Preisbindung hier gegenüber einer konkreten Vereinbarung nie das erforderliche Mittel sein wird. 655 So auch Borer, Art. 6 KG, Rn. 27. 656 RPW 2010/4, 649 ff., 685–688, für Kurzzusammenfassung der Fälle, Weber / Volz, Wettbewerbsrecht, 148, 150, insbes. auch zur Diskussion der besseren Ressourcennutzung als Rechtfertigungsgrund für die Buchpreisbindung siehe BGer v. 14.8.2002 – BGE 129 II 652 653

C. Rechtliche Erfassung von Mindest- und Festpreisbindungen

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Symptomatisch fand sich eine breite Darstellung theoretisch akzeptierter Rechtfertigungsgründe, letztlich aber die Ablehnung im konkreten Fall. Viele der vorgebrachten und behördlich aufgegriffenen Rechtfertigungsgründe dürften auch recht offensichtlich keine ex ante-Motivation für die Preisbindung, bzw. im Falle Hors-Liste die Preisempfehlungen gewesen sein. Interessant ist insofern auch der Fall Felco/Landi Gartenscheren, in dem das Vorliegen der Preisbindungen aufgrund einer Selbstanzeige durch Felco im Rahmen des Kronzeugenprogramms nicht weiter streitig war. Auf die theoretisch denkbare Rechtfertigung über Effizienzgründe nach Art. 5 Abs. 2 i.V.m Ziff. 15 VertBek 2007 (a. F.), die bei Betrachtung des Sachverhaltes naheliegt, beriefen sich die Beteiligten aber nicht einmal selbst.657 Die WEKO prüfte diese trotzdem kursorisch, lehnte sie im Ergebnis aber ab. Dabei ist die Ablehnung etwaiger Effizienzrechtfertigungen nicht einmal die letzte Hürde. Im Ergebnis dürfte jedenfalls das Notwendigkeitskriterium die Rechtfertigung der Preisbindung auch in der Schweiz regelmäßig scheitern lassen, wenn nicht schon – ökonomisch betrachtet – bei vielerlei Effizienzmodellen die pro-kompetitive Wirkung zweifelhaft ist. So stehen in der Praxis, soweit überhaupt anerkannte Ziele sichtbar sind, neben einer Preisempfehlung bzw. Preisbindung meist andere Möglichkeiten zur Verfügung, um diese Ziele zu erreichen.658 Allerorten ist – nach eingehender Diskussion mannigfaltiger, theoretischer Rechtfertigungsgründe – die Rechtfertigung von Preisbindungen im Ergebnis schnell abgelehnt. Bis zum heutigen Tag ist kein Fall ersichtlich, in dem die WEKO eine echte Preisbindung zugelassen hätte. Darüber hinaus umfasst diese Beurteilung auch Bagatellfälle. Zwar sieht die VertBek 2010 in Anlehnung an die Vertikal-GVO 330/2010 Bagatellfälle vor, nach Ziffer 12 Abs. 2 und 16 Abs. 2 VertBek 2010 sind Preisbindungen von allfälligen Marktanteilserwägungen jedoch von vorneherein explizit ausgeschlossen (vgl. Ziffer 12 Abs. 2). Nach Gaba/WEKO wären Preisbindungen als qualitativ grundsätzlich erhebliche Wettbewerbsbeschränkungen gleichlaufend mit der EuGH-Rechtsprechung zur Spürbarkeit von bezweckten Wettbewerbsbeschränkungen auch ohnehin schwer als Bagatellfälle anzusehen.659 Überdies geht mit Ziffer 10 Abs. 2 VertBek 2010 – sachlich zweckmäßig aber rechtlich fragwürdig – auch eine Ausdehnung des Tatbestandes von Art. 5 Abs. 4 KG einher, weil hier auch Abreden behandelt werden, die 18 ff., Erw. 10.3.3 – Buchpreisbindung; WEKO V. 21.3.2005 – RPW 2005/2, 269, 308 – Sammelrevers; Weber / Volz, Wettbewerbsrecht, 152. 657 Markenpflegeaspekte sind nach der hier vertretenen Ansicht zurecht kein Kriterium, vorliegend prüfte die WEKO gemäß Untersuchungsgrundsatz aber die mögliche Einführung eines neuen Produkts und eine Trittbrettfahrerproblematik, Ziff. 15 Abs. 4 lit. a und d VertBek 2007 (a. F.). 658 WEKO v. 30.11.2009 – 22-0349, RPW 2010/1, 65, 69 – Gaba. 659 BVGer v. 19.12.2013 – B-506/2010 – Gaba / WEKO.

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2. Teil: Die Preisbindung der zweiten Hand – ein Rechtsvergleich

indirekt zu Mindest- oder Festpreisen führen.660 Die WEKO nutzt ihren Beurteilungsspielraum aus und sieht auch Preisempfehlungen entsprechend kritisch. Selbst wenn sie diese in Folge von Druck- oder Anreizausübung nicht unter die Vermutung des Art. 5 Abs. 4 subsumiert, charakterisiert sie sie in der VertBek 2010 als qualitativ schwerwiegend, sodass eine Einzelfallprüfung hinsichtlich ihrer Erheblichkeit und ihrer Effizienzen notwendig wird. Der Effizienztest dürfte nur in Ausnahmefällen positiv verlaufen.661 Die Skepsis der Behörde äußert sich in der Formulierung von speziellen Kriterien für die Beurteilung von Preisempfehlungen.662 Mit Blick auf die Rechtsfolge, bleibt auch nach Vermutungswiderlegung für nicht zu rechtfertigende Preisbindungen das Sanktionsregime des Art. 5 Abs. 4 KG erhalten, wie die WEKO in Sachen Gaba demonstrierte. Anlässlich einer vertikalen Gebietsabsprache, also der Schwesterbeschränkung der Preisbindung, sanktionierte die WEKO die Unternehmen Gaba/Gebro für die Verhinderung von Parallelimporten und erklärte, dass die erfolgreiche Vermutungswiderlegung nicht dazu führe, dass das Regime des Art. 5 Abs. 1 KG gelte. Zwar könne bei einem Nachweis von Wettbewerb die Beseitigung des Wettbewerbs vermutungsweise nicht mehr greifen, gleichwohl bleibe die Sanktion notwendig und werde auch verhängt. Insgesamt gleicht das Bild in der Schweiz also dem bisher Bekannten: trotz detailreicher theoretischer Ausführungen und Aufnahme ökonomischer Rechtfertigungen in den Kanon der gesetzlich oder behördlich konkretisierten Ausnahmefälle, gibt es in der Praxis keine gelebte Einzelfreistellung. Zwar ist die Preisbindung nicht wie in der EU als Kernbeschränkung eingestuft und die Vermutung im Rahmen des Art. 5 Abs. 4 KG hat eine anders nuancierte Funktion, als die Kategorie der bezweckten Beschränkung des EuGH. Damit ist die Widerlegung in der Schweiz ungleich wahrscheinlicher ist als die Überwindung der Kernbeschränkungskategorie in der EU. In der Schweiz bleibt gleichwohl die Einzelfallrechtfertigung für die Preisbindung auch ohne diese Hürde unverändert restriktiv und trägt im Ergebnis dieselben Züge wie die Beurteilung in Deutschland und Europa. 3. Die gescheiterte Revision des Kartellgesetzes Die Wettbewerbssituation wurde in der Folge verschiedentlich hinsichtlich des Art. 5 Abs. 4 KG und den verbundenen Regelungen der Vertikalbekannt660 Borer, Art. 6 KG, Rn. 19; methodisch fragwürdig, weil Ausnahmetatbestände wie der des Art. 5 Abs. 4 KG auch angesichts der Sanktion restriktiv ausgelegt werden müssen und eine allg. Bekanntmachung nicht weiter gehen darf als die Ermächtigungsnorm. Siehe ebenfalls anlässlich der Beurteilung durch die WEKO in Altimum SA mit Kritik auch Baldi, SJZ 2016, 315, 318, 320. 661 Borer, Art. 6 KG, Rn. 20. 662 Ziff. 15 Abs. 3 VertBek 2010, siehe unten auch 2. Teil D.III.3, 296.

C. Rechtliche Erfassung von Mindest- und Festpreisbindungen

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machung und der Kfz-Bekanntmachung evaluiert.663 Das KG-2003 gilt seither als grundsätzlich bewährt, allerdings gab es Handlungsempfehlungen hinsichtlich der differenzierten Behandlung vertikaler Abreden: die direkte Sanktionierbarkeit von unzulässigen Mindest- und Festpreisen sowie Gebietsbeschränkungen sei beizubehalten.664 Letztlich täuscht die umfangreiche Rückschau auf das KG-2003 jedoch leicht darüber hinweg, dass auch in der Schweiz kaum Rechtspraxis zur Preisbindung erarbeitet wurde, die griffige Kriterien für die Effizienzrechtfertigung bereitstellen würde. Die WEKO bewegt sich damit durchaus im für Preisbindungen auch in den anderen Rechtsordnungen Typischen – nicht nur in Deutschland, auch in den USA findet die Rechtsanwendung im Fall der Preisbindung außerhalb der Effizienzprüfung statt. Wenn möglich, einigt man sich auf anderer Ebene auf eine hinreichende Schädlichkeit. Allerdings gab es auf Seiten des schweizerischen Gesetzgebers zwischenzeitlich die Bestrebung, handhabbarere Regeln für die Vermutungstatbestände des Art. 5 KG, mithin auch für die Preisbindung zu erlassen. Die gesetzliche Vermutung der Wettbewerbsbeseitigung sollte durch ein (Teil-)Kartellverbot ersetzt werden, d. h. die vertikale Preisbindung per Gesetz verboten, aber Rechtfertigungsmöglichkeiten zugelassen werden.665 Konkret war die folgende Fassung vorgesehen: „Art. 5 KG-Entwurf 1

2

3

Abreden die den Wettbewerb auf einem Markt für bestimmte Waren oder Leistungen erheblich beeinträchtigen und sich nicht durch Gründe der wirtschaftlichen Effizienz rechtfertigen lassen, sind unzulässig. Folgende Abreden sind vorbehaltlich einer Rechtfertigung aus Gründen der wirtschaftlichen Effizienz unzulässig: a. […] b. Abreden zwischen Unternehmen verschiedener Marktstufen über: 1. Mindest- oder Festpreise 2. die Zuweisung von Gebieten […] Eine Wettbewerbsabrede ist durch Gründe der wirtschaftlichen Effizienz gerechtfertigt, wenn sie:

Mit weiteren Nachweisen Krauskopf / Schaller in: Amstutz / Reinert, BK Kartellgesetz, Art. 5 KG, Rn. 487 ff. 664 EVD / Evaluationsgruppe Kartellgesetz, Synthesebericht der KG-Evaluation 2008. 665 Dabei wurde zunächst noch eine differenziertere aber mildere Beurteilung von vertikalen Abreden gefordert: Sachgerecht sei eine Einzelfallanalyse, die wettbewerbshindernde und wettbewerbsfördernde Wirkungen solcher Abreden gegenüberstelle und gesamtwirtschaftliche Effizienzgewinne aufgrund einer besseren Koordination der Handelsstufen berücksichtige, Vernehmlassung I v. 30.6.2010; Vernehmlassung II v. 30.3.2011 ; Amstutz / Reinert, Zickzackkurs des Bundesrates im Bereich der Vertikalabreden, NZZ v. 5.7.2012. 663

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2. Teil: Die Preisbindung der zweiten Hand – ein Rechtsvergleich

a. Notwendig ist, um die Herstellungs- oder Vertriebskosten zu senken, Produkte oder Produktionsverfahren zu verbessern, die Forschung oder die Verbreitung von technischem oder beruflichem Wissen zu fördern oder um Ressourcen rationeller zu nutzen, wobei hierfür die Unternehmen die Beweislast tragen; und b. Den beteiligten Unternehmen in keinem Fall Möglichkeiten eröffnet, wirksamen Wettbewerb zu beseitigen.“666

Nicht geändert hätte sich dadurch die Gruppierung von einerseits untersagbaren gewöhnlichen Wettbewerbsabreden und harten, horizontalen sanktionsbedrohten Abreden sowie der Preisbindung und Gebietsabreden andererseits. Der grundlegende Unterschied zum geltenden Recht unter KG-2003 hätte darin bestanden, dass die Unzulässigkeit der als besonders schädlich erklärten Abreden wie im Art. 101 AEUV und der GVO schon an die Art der Abrede angeknüpft hätte und nicht an ihre ökonomischen Wirkungen, nämlich dem Kriterium der Erheblichkeit (das aber auch nach geltender Rechtslage kaum eingreift). Intendiert wurde damit eine höhere Rechtssicherheit.667 Hinsichtlich der Rechtfertigungsgründe auffallend ist auch die klare Beweislastregelung in Absatz 3 des Entwurfes, die wenn auch im Rahmen des grundsätzlich weiter geltenden Untersuchungsgrundsatzes nur Auswirkungen auf den Fall der Beweislosigkeit gehabt hätte.668 Materiell ergibt sich für ihre Heranziehung im Wege der Einzelfallbetrachtung jedoch keine Änderung im Entwurf. Nachdem der Bundesrat gemäß der Evaluation für die vertikalen Abreden zunächst eine Lockerung angestrebt hatte, führte die wachsende Frankenstärke ab Mitte 2010 bzw. die ungenügende Weitergabe von Währungsvorteilen plötzlich zur letztlich vorgeschlagenen Entwurfsfassung.669 In den Parlamentarischen Beratungen im Herbst 2014 scheiterte die 2008 mit der KGEvaluation eingeleitete Revision insgesamt. Die Revision, wäre sie denn politisch mehrheitsfähig gewesen, wäre aber ein Gegenentwurf zur auf europäischer, deutscher und schweizerischer Ebene vielfach geforderten Liberalisierung der Preisbindung gewesen. Mit Blick auf den Auswirkungsgedanken des Art. 5 KG und das Kriterium der Erheblichkeit ist ein Teilkartellverbot im schweizerischen System auf den ersten Blick ein Schritt in Richtung Europäisierung, der mehrheitlich auf Zustimmung stieß.670 Allerdings wäre in Bezug auf die Preisbindung, hinsichtlich derer in Europa nach wie vor eine weitergehende Öffnung gegenüber wirkungsbasierten Argumenten gefordert wird, in der Schweiz ein Verbot geschaffen worden, dass in Anbetracht der fehlen666 Bundesgesetz über Kartelle und andere Wettbewerbsbeschränkungen (Kartellgesetz) (Entwurf), BBl. 2012, 3989. 667 Weber / Volz, Wettbewerbsrecht, 172. 668 Heinemann, SJZ 2013, 374; im Übrigen anerkannt BGer v. 6.2.2007 – 2A.430/2006, Erw.10.3 – Buchpreisbindung. 669 Vernehmlassung III am 17.8.2011. 670 Weber / Volz, Wettbewerbsrecht, 173; Hilty / Früh, in: Zäch / Weber / Heinemann, Revision des Kartellgesetzes (2012), 81 ff., 96; a. A. Baldi, AJP 2012, 1183 ff.

C. Rechtliche Erfassung von Mindest- und Festpreisbindungen

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den gesetzlichen Freistellung (die Rechtfertigungstatbestände sind derzeit in Form der Bekanntmachung der WEKO, also als unverbindliche Verwaltungsrichtlinie konkretisiert) sogar weitreichender gewesen wäre als das in der EU.671 Ungeachtet des Streits, ob ein Teilkartellverbot verfassungsrechtlich praktikabel oder prüfungsmethodisch vorteilhaft wäre, zeigt sich für vertikale Abreden der Preisbindung und der Gebietsabreden in aktuellen Reformvorhaben also gerade kein Trend, sie strukturell besserzustellen als horizontale, harte Beschränkungen.672 Das Scheitern der Revision und die faktische Beibehaltung des schweizerischen wirkungsbasierten Ansatzes führen aber letztlich nicht zu einer im Ergebnis anderen Behandlung der Preisbindung in der Praxis. Auch in der Schweiz findet sich faktisch eine Vermutung der Unzulässigkeit der Preisbindung der zweiten Hand, gekoppelt an die (spätestens am Kriterium der Notwendigkeit) zum Scheitern verurteilte Rechtfertigung. 4. Zusammenfassung Während das schweizerische Kartellrecht der vertikalen Preisbindung auch unter dem KG-1995 weniger streng gegenüberstand als das europäische Recht, das diese seit jeher als Kernbeschränkung sieht, als es keinen Vermutungstatbestand hinsichtlich der schädlichen Wirkungen von Preisbindungen (und Gebietsschutzvereinbarungen) einführte, 673 werden Preisbindungen seit Einführung der Vermutung mit dem KG-2003 zunehmend streng verfolgt.674 Eine skeptischere Behandlung kündigte sich behördlich bereits 2002 an, als die WEKO in ihrer VertBek erklärte, dass sie die direkte und indirekte Fixierung von Fest- oder Mindestverkaufspreisen in vertikalen Abreden aufgrund ihres Inhaltes als erheblich im Sinne des Art. 5 Abs. 1 KG ansehe. Damit nahm sie auf praktischer Ebene zweierlei vorweg, bevor in der KG-Revision 2003 diese Behandlung auch gesetzlich festgeschrieben wurde: eine Vermutungsregel mit der Möglichkeit der Widerlegung durch Rechtfertigung über Effizienzeinwände und die faktische Differenzierung zwischen solchen „harten“ vertikalen Wettbewerbsbeschränkungen in Art. 5 Abs. 4 KG (Preisbindung der zweiten Hand und Gebietsbeschränkungen) auf der einen und sonstigen vertikalen Wettbewerbsbeschränkungen auf der anderen Seite, die als Bagatellfälle weiBaldi, AJP 2012, 1185. Kritisch zum Gesetzesentwurf, s. nur Amstutz / Reinert, Zickzackkurs des Bundesrates im Bereich der Vertikalabreden, NZZ v. 5.7.2012. 673 Sturny, in: Cottier, Europakompatibilität, 120. 674 Während der parlamentarischen Beratung ist die Rechtfertigung von Vertikalabreden aus Effizienzgründen zwar thematisiert, aber bewusst auf die Einführung der Vermutung verzichtet worden, Botschaft zum KG v. 23.11.1994 BBl. 1195 I, 06, Nr. 94.100, 468–657 (517 f.), Sturny, in: Cottier, Europakompatibilität, 120; WAK Protokoll NR Sitzung vom 9./10.Januar 1995, 38; WAK Protokoll NR, Sitzung v. 20./21./22. Februar 1995, 51 f. 671 672

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2. Teil: Die Preisbindung der zweiten Hand – ein Rechtsvergleich

terhin nicht automatisch als erhebliche Beeinträchtigung gelten.675 In Zusammenschau mit der seither bestehenden scharfen Verfolgung von Preisbindungen, gleich ob aus Empfehlungen oder Vorgaben erwachsen, zeigt sich auch und insbesondere in der Schweiz das Bild einer rigorosen Haltung der Wettbewerbshüter in der Praxis, die sich – konkretisiert durch behördliche Leitlinien – eher am oberen Limit der gesetzlichen Möglichkeit bewegen. Von der wirkungsbasierten Analyse von Wettbewerbsbeschränkungen, wie sie das KG vorsieht, bleibt in der Praxisabwägung für Preisbindungen wenig übrig, jedenfalls keine erkennbaren Ausnahmen vom Verbot. Überhaupt ist auch von der Erheblichkeitsschwelle in Sachen Preisbindung spätestens nach Gaba/WEKO keine Rede mehr. Diese Entwicklung ist in Anbetracht der allgemeinen Anpassungstendenzen im schweizerischen Kartellrecht und der gerichtlich und behördlich angestrebten Europarechtskonformität – ob im Wege der Rechtsvergleichung oder des autonomen Nachvollzuges – nicht überraschend. Gemessen an dem anders akzentuierten System des KG ist diese Entwicklung gleichwohl bemerkenswert überobligatorisch. Die Sensibilität der Behörden gegenüber Preisbindungen übertrifft die europäische Prioritätensetzung deutlich. Tatsächlich wollen kritische Stimmen hier einen Widerspruch gegen den internationalen Trend sehen, im Zuge des more economic approach im Bereich der Vertikalabreden auf den Einzelfall abzustellen und kritisieren die harte Haltung der WEKO, wie sie vor allem auch in der VertBek 2007 gesehen wurde.676 Andererseits erscheint die Preisbindung der zweiten Hand bei Betrachtung der bisher entschiedenen Fälle, in denen sie häufig zusammen mit den vermutungsweise schädlichen Gebietsschutzabreden aufgegriffen wurde, nicht zu Unrecht in den Kontext der Abschottung des schweizerischen Marktes gerückt.677 Die entschiedenen Fälle erweckten, wie auch international beobachtbar, nicht den Eindruck, dass die vorgefundenen Preisbindungen durch Effizienzerwägungen motiviert gewesen wären. Aufgrund der ökonomischen Konnotation der Preisbindung mit marktabschottendem Verhalten und entsprechenden Befürchtungen, dass die schweizerische Hochpreisinsel hierdurch negativ beeinflusst würde, verfolgt die Schweiz auch und gerade bei Geltung des Auswirkungsprinzips eine streng ablehnende Haltung gegenüber WEKO, Bekanntmachung über die wettbewerbliche Behandlung vertikaler Abreden, RPW 2002/2, 404; gleichwohl wurde die WEKO dahingehend kritisiert, dass sie ihre Mittel gegen vertikale Beschränkungen unter KG 1995 nicht ausschöpfe. Deshalb wurden Vertikalbeschränkungen entgegen der ursprünglichen Motivation doch zum Gegenstand der KG-Revision 2003 gemacht, Baudenbacher, Strukturberichterstattung Evaluation Kartellgesetz 2009, 60. 676 Neff, in: Amstutz / Reinert, BK Kartellgesetz, Art. 6 Rn. 5 ff.; Sturny, in: Cottier, Europakompatibilität, 121. 677 Anderer Ansicht Amstutz / Reinert, Das Kartellgesetz ist kein Mittel gegen den starken Franken, NZZ v. 19.10.2011; krit. Hilty / Früh, in: Zäch / Weber / Heinemann, Revision des Kartellgesetzes (2012), 100; Hoffet, Anwaltsrevue 2011, 418 f. 675

D. Reichweite und Abgrenzungen des Preisbindungsverbotes

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Preisbindungen. Dabei lässt eine isolierte Betrachtung der Normierung des Preisbindungsverbotes in der Schweiz zunächst ein relativ durchlässigeres System erwarten als es auf EU-Ebene durch die Kernbeschränkungssystematik besteht. Bezeichnender Weise hält sich das im transatlantischen Diskurs ohnehin bestehende Mißverständnis des de lege lata bestehenden per seVerbotes für Preisbindungen in Europa auch in Bezug auf die Schweiz hartnäckig. Insgesamt steht keine der schweizerischen Möglichkeiten der Rechtfertigung von Preisbindungen im Ergebnis offen. Die praktische Entwicklung bei vertikalen Preisbindungen verläuft in der Schweiz also deckungsgleich zu denen der anderen betrachteten Rechtsordnungen: Die Preisbindung wird hinsichtlich der rechtlichen Bewertung deutlich aus der Gruppe der vertikalen Beschränkungen herausgehoben und ist in der Schweiz – sowohl hinsichtlich der Untersuchungsmethode, als auch der relativ härteren Rechtsfolge der direkten Sanktionierung – mit harten horizontalen Beschränkungen gleichgestellt. Die Anknüpfung erfolgt, wenn in der Schweiz auch nicht in besonderem Maße über Art. 5 Abs. 4 KG auch gerichtlich bestätigt über eine abstrakt höhere Schädlichkeitsvermutung bei Preisbindungen qua ihrer Natur. Prozessual spiegelt auch die Beweisführungspflicht bzw. die Risikotragung der Nichterweislichkeit von Effizienzvorteilen das wider. Auch in der Schweiz verläuft die Untersuchung der Preisbindung an etwaigen Marktanteilsaspekten vorbei und schließt Bagatellfälle aus. In den aufgegriffenen Fällen werden zudem praktisch immer einvernehmliche Lösungen herbeigeführt.

D. Reichweite und Abgrenzungen des Preisbindungsverbotes: Gegenüberstellung von verwandten preislichen und nichtpreislichen Alternativstrategien D. Reichweite und Abgrenzungen des Preisbindungsverbotes

I.

Andere Geschäftsmodelle

In der Geschichte vertikaler Preisvereinbarungen entstand in den Vereinigten Staaten schon in der ersten Stunde bei Herstellern der Habitus, über den Einsatz von Handelsvertretermodellen (consignment contracts/agency agreements) ihren Titel an verkauften Waren oder Dienstleistungen direkt an den Endkunden vermitteln und sich somit ihren Einfluss auf Preise zu bewahren.678 Solche Vereinbarungen, bei denen Hersteller ihren Agenten – arbeitsvertraglich oder auf ähnliche Weise – an Preisvorgaben binden, unterfallen nach wie vor Leegin nicht dem Anwendungsbereich von Sec. 1 Sherman Act, weil keine

678

258 ff.

Areeda / Hovenkamp, Antitrust Law, VIII (3rd Ed.), ¶1621, 250 ff., ¶¶1622–1627,

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2. Teil: Die Preisbindung der zweiten Hand – ein Rechtsvergleich

Vereinbarung zwischen Wettbewerbern vorliegt.679 Allerdings bedeutet dies gleichwohl keinen Freibrief, sondern hinsichtlich der Preisbindung schließt eine gerichtliche Beurteilung die Frage ein, ob der betreffende sales agent tatsächlich dem Geschäft des Prinzipals zugerechnet werden kann.680 Wenn der Vertreter bei wertender Betrachtung ein unabhängiges Unternehmen ist, muss also das Vorliegen von RPM angenommen werden. Die Etablierung der rule of reason macht eine wertende Gesamtbetrachtung also erst recht möglich und kann Umgehungsversuche unterbinden. Lediglich die Bedeutung dieses Befundes ist im Ergebnis gering: Beide Arten von Vereinbarungen, also RPM wie auch Preisvereinbarungen mit Handelsvertretern unterliegen einer rule of reason-Bewertung, sollten damit also einer Einzelfallbetrachtung zugänglich sein. Nur ein Fall beschäftige sich post Leegin mit dieser Frage, nahm aber zur Vereinheitlichung keine Stellung und erging auch noch vor den weiteren Entwicklungen im Rahmen der Strukturierung des quick look. Der Kläger in Valuepest 681 war ein Schädlingsbekämpfungsunternehmen, das seine Pestizide von Großhändlern bezog. Der Hersteller der Pestizide, Bayer, stellte später seinen Vertrieb auf ein Handelsvertretermodell um, wobei er de facto auf seine bisherigen Großhändler zurückgriff. Der Kläger beanstandete, dass Bayer Preise widerrechtlich gegenüber seinen Händlern festgelegt hätte. Das Gericht ging in Valuepest formalistisch der Frage nach, ob die Großhändler als Handelsvertreter angesehen werden konnten, obwohl es sich bereits augenscheinlich um selbstständige Unternehmer handelte, die keine Angestellten des Herstellers gewesen wären oder als Unternehmen teilweise oder ganz dem Herstellerunternehmen angehörten. Angenommen, es fehlte tatsächlich an einer Vereinbarung über den erforderlichen resale, so ist noch eine entsprechende Handelsvertretervereinbarung zwischen den Beteiligten, die einen Preis festlegte, also eine bereits dokumentierte Vereinbarung feststellbar gewesen. Sie wäre der Beurteilung, ob es sich bei ihr um eine reasonable restraint handelte, durchaus zugänglich gewesen. 682 Zwar besteht auch in den USA die grundsätzliche Annahme, dass Unternehmen mit ihren – als solchen anerkannten Agenten – das Pluralitätserfordernis für eine Vereinbarung zwischen zwei unabhängigen Marktteilnehmern i. S. d. Sec. 1 nicht erfüllen, allerdings schließt dies unter bestimmten Bedingungen die Annahme eines agreement nicht aus. 683 Unter der Herauskristallisierung des inherently suspect apUnited States v. General Electric Co., 272 U.S. 476 (1926) und in std. Rspr. (post Leegin:) s. Valuepest.com of Charlotte, Inc. v. Bayer Corp., 561 F.3d 282 (4th Cir. 2009). 680 Simpson v. Union Oil Co., 377 U.S. 13 (1964); Harrison, Dr. Miles Orphans: Vertical Conspiracy and Consignment in the Wake of Leegin (2010). 681 Valuepest.com of Charlotte, Inc. v. Bayer Corp., 561 F.3d 282 (4th Cir. 2009). 682 Harrison, Dr. Miles Orphans: Vertical Conspiracy and Consignment in the Wake of Leegin (2010). 683 Mit weiteren Nachweisen zur Rspr. Sullivan / Harrison, Antitrust and its Economic Implications, 206. 679

D. Reichweite und Abgrenzungen des Preisbindungsverbotes

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proach bleibt es mit Blick auf die rule of reason-Bewertung von Preisvereinbarungen deshalb weiter spannend, wie sich die Unterscheidung in der Praxis entwickelt und zukünftig Fälle entschieden werden. Im Fall von Patenten oder Urheberrechten, findet sich das parallele Bestreben, Lizenzen über Vermittler rechtlich im direkten Verhältnis mit den Lizenznehmern abzuwickeln. In diesem besonderen Anwendungsbereich haben sich entsprechende Versuche der Lizenzgeber, Preisabweichungen nach unten als Verletzungen des Copyright Law hinzustellen und zu unterbinden, vor Gerichten überwiegend nicht halten lassen. 684 Bereits 1908 hatte der Supreme Court in Bobbs-Merryl solchen Versuchen bei Büchern eine Absage erteilt.685 Nennenswert ist in diesem Zusammenhang auch die Konstellation im Fall Apple eBooks, die traditionell – insoweit man bei internetbasierten Gütern mittlerweile diesen Terminus benutzen darf – nicht über Lizenz- oder Handelsvertretervereinbarungen vertrieben wurden.686 Die Umstellung im Apple eBooks-Fall, diente erwiesenermaßen vor allem dazu, Preise langfristig anzuheben. Allerdings war nicht nur aufgrund der offensichtlichen Umgehung des Preisbindungsverbotes, sondern vor allem aufgrund der Hub & Spoke-Konstellation eine Wettbewerbswidrigkeit klar erkennbar. In Europa sind Handelsvertretermodelle aufgrund der flexibleren Beurteilung von Umgehungsversuchen bei der Einflussnahme auf Preise deshalb sanktionsgefährdeter. Zwar sind Gerichte und Kommission teilweise abweichend bei der Beurteilung vorgegangen. Der Problemkreis des Handelsvertreterprivilegs erlaubt Preisvorgaben unproblematisch aber nur bei echten Handelsvertretern.687 Das Kartellverbot, mithin das Verbot für eine Bindung des Handelsvertreters an Preise und damit auch für ein Verbot der Provisionsweitergabe für unechte Handelsvertreter gilt also ohne Einschränkung, soweit eine Umstellung auf ein Handelsvertretermodell Umgehungscharakter oder Züge kollusiven Verhaltens trägt.688 Die Ansicht wird auch durch den EuGH getragen, sodass sich Preisbindungen auch in einem solchen Kontext verbieten. II. Grenze zwischen vertikaler und horizontaler Vereinbarung Die Beantwortung der Frage, wann eine vertikale Vereinbarung, bzw. ein Bündel von vertikalen Vereinbarungen unter Umständen in eine horizontale Siehe m. w. N. Areeda / Hovenkamp, Antitrust Law, VIII (3rd Ed.), ¶1621b, 252, 256; Hovenkamp, Post-Sale Restraints and Competitive Harms (2010). 685 Bobbs-Merryl Co. v. Straus, 2010 U.S. 339 (1908). 686 United States v. Apple Inc., No.13-3741 (2nd Cir. June 30, 2015); United States v. Apple Inc., et al., 12 Civ. 2826 (DLC) (S.D.N.Y. 2013). 687 Siehe m. w. N. nur Immenga / Mestmäcker-Emmerich, Art. 101 Abs. 1 AEUV, Rn. 188, 189, 190–193; Vertikalleitlinien 2010, Rn. 12 ff. 688 Vertikalleitlinien 2010, Rn. 20, 21; EuGH v. 11.9.2008 – Rs. C-279/06,  Slg. 2008, I-6681, Rn. 42 = EuZW 2008, 668, 670 – CEPSA. 684

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2. Teil: Die Preisbindung der zweiten Hand – ein Rechtsvergleich

Abstimmung „umschlägt“, ist bereits lange Gegenstand wettbewerbsrechtlicher Diskussion gewesen. Die zunehmende informationelle Vernetzung der Märkte durch moderne Datenverfügbarkeit über das Internet, aber auch die Vertriebsstrukturen im Internethandel selbst, erleichtern die ohnehin schwierige Qualifizierung der Beziehungen von Marktteilnehmern als „vertikal“ oder „horizontal“ nicht. Unter den Stichworten „Hub & Spoke-Theorie“, „Sternverträge“ und ähnlichen werden Fragestellungen um die Abgrenzung von vertikalen Vereinbarungen und horizontalen Wirkungen im amerikanischen und europäischen Raum untersucht. Dabei ist es hinlänglich bekannt und unbestritten, dass vertikale Vereinbarungen unter bestimmten Umständen rechtlich wie horizontale Vereinbarungen bewertet werden können. Am deutlichsten wird dies, wenn vertikale Vereinbarungen klar mit der Motivation hinsichtlich ihrer horizontalen Auswirkungen geschlossen werden; anschauliches Beispiel ist die Eliminierung eines Wettbewerbers durch einen Gruppenboykott. Außerhalb eines so drastischen Falls tut sich die US-amerikanische Rechtsprechung jedoch vergleichsweise schwer, eine solche wettbewerbsrechtliche Grenzüberschreitung festzustellen, und stellt an den Nachweis eines Hub & Spoke-Kartells hohe Anforderungen. Eine Gruppe vertikaler Vereinbarungen kann allein ein Hub & Spoke-Kartell nicht begründen, ein Rückschluss von vertikalen Vereinbarungen auf eine zugrundeliegende horizontale Verständigung ist eindeutig nicht die Regel, sondern es muss ein horizontales agreement vorliegen.689 Eine bloße Schlüssigkeit, die das Vorliegen der vertikalen Vereinbarungen aufgrund horizontaler, gemeinsamer Motivation erklärt, ist nicht ausreichend. Etwas anders gestaltet sich die rechtliche Bewertung in Europa. Ungeachtet der Minimalvoraussetzungen bei Nachweis einer Vereinbarung sind die Behörden und Gerichte wesentlich sensibler gegenüber dem, was in den USA nur als tatsächlich nachgewiesenes Hub & Spoke-Kartell verfolgt werden kann. Aufgrund der bereits dargestellten Kategorien der bewirkten und bezweckten Wettbewerbsbeschränkung, reicht die horizontale Auswirkung unter Umständen bereits aus, um den Verbotstatbestand des Art. 101 AEUV greifen zu lassen, selbst wenn im Einzelfall keine vertikalen Preisvereinbarungen vorliegen, die in die Kategorie der Kernbeschränkung fallen sollten. Insgesamt ist mit der ähnlich scharfen Verfolgung vertikaler preislicher Vereinbarungen in Europa die Schwelle zum horizontalen Verhalten also ungleich weniger relevant als in den USA, die für letzteres mit dem per se-Verbot nach wie vor auch einen schärferen prozessualen Standard anlegt.

Total Benefits Planning Agency, Inc. v. Anthem Blue Cross & Blue Shield, 07-4115 (6th Cir. 2008); Business Electronics Corp. v. Sharp Electronics Corp., 485 U.S. 717 (1988). 689

D. Reichweite und Abgrenzungen des Preisbindungsverbotes

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III. Einseitiges Verhalten: Preisempfehlungen 1. Die Preisempfehlung als Minus oder Aliud zur Preisbindung in EU und USA Die Praxis der empfohlenen Einzelhandelspreise ist in der Einzelhandelswirklichkeit aller hier betrachteten Jurisdiktionen weit verbreitet. Egal ob in den USA ein Manufacturer Suggested Retail (Resale) Price (MSRP) oder im deutschsprachigen Raum die sprichwörtliche UVP, im Food- oder Non- Food Bereich mittel- oder übergroße Preisangaben auf Plakaten ziert – bei einer Vielzahl erhältlicher Konsumprodukte würde der Verbraucher nicht erwarten, dass der gerade beworbene Artikel – sei es Handy oder Hamburger – an irgendeiner Verkaufsstelle mehr oder weniger als 699 EUR bzw. 3,89 EUR kosten könnte. Skurrilerweise erzeugen UVPs bei Konsumenten zuweilen eine solche Erwartungshaltung der Preiseinheitlichkeit, dass sich ein bekannter Franchisegeber einer Fast-Food-Kette nach Einzelfällen abweichender Preise bei Franchisenehmern genötigt sah, die Empörungswelle im Internet dadurch zu besanftigen, dass er seinen Kunden im sozialen Netzwerk die Funktionsweise von unverbindlichen Preisempfehlungen erklärte.690 Die Aussprache von Preisempfehlungen der Hersteller stellt östlich und westlich des Atlantiks die wettbewerbsrechtliche Verbotsnorm gleichermaßen auf die Probe. Wann aus einer einseitigen unverbindlichen Empfehlung eine abgestimmte Verhaltensweise wird, ist alles andere unproblematisch. In tatsächlicher Hinsicht aufklärbar sind nur die beiden Extremfälle, die entweder die Grenze zur (beweisbaren) Vereinbarung überschreiten oder aber gar nicht regelungsbedürftig sind: eine zur Kenntnis genommene Preisangabe für den Einzelhandel wird mit ausdrücklicher Zustimmung vom Händler Folge geleistet oder aber sie wird stillschweigend bzw. ausdrücklich missbilligt und nicht nur nicht umgesetzt, sondern das Preisverhalten weicht auch tatsächlich von der Empfehlung ab. Immer haben Preisempfehlungen aber objektiv eine Reaktion zur Folge – Befolgung oder Nichtbefolgung. Die kartellrechtlich missbilligte Abstimmung ist somit einzig durch die innere Tatsache der (vorherigen oder nachträglichen) Zustimmung und Zueignung der fremden unternehmerischen Entscheidung beim Händler gekennzeichnet. Solange diese unkommuniziert bleibt, ist sie tatsächlich nicht feststellbar. Von der äußerlichen Befolgung von Preisempfehlungen kann logisch nicht auf eine oktroyierte Preisentscheidung geschlossen werden, allerdings ist auch das Gegenteil, der Nachweis einer autonomen Preisentscheidung des Händlers unmöglich. Es gibt mehrere Möglichkeiten, die verbleibende Unsicherheit691 rechtlich zuzuweisen. Entweder trägt sie das System, indem es formell ausschließ. Tatsächliche Nachweisprobleme bereiten alle anderen denkbaren Fälle: stillschweigende Billigung und Umsetzung; Missbilligung (kommuniziert oder unkommuniziert) aber eigene Preissetzung, die mit dem empfohlenen Preis übereinstimmt. 690 691

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2. Teil: Die Preisbindung der zweiten Hand – ein Rechtsvergleich

lich an das Vorliegen einer nachweisbaren Vereinbarung knüpft und damit eine echte Umgehungsmöglichkeit für das Preisbindungsverbot schafft. Eine vermittelnde Lösung, die das Risiko zwischen Verwender und System aufteilt, wird an das tatsächliche Problem der Beweisbarkeit eines Verstoßes gegen das Gebot der Selbständigkeit im Wettbewerb anknüpfen. Weil dieses naturgemäß jedoch den Nachweispflichtigen trifft, bieten sich – gleichwohl – Beweiserleichterungen wie ein Indizienbeweis hinsichtlich der Vereinbarung oder sogar die Inkriminierung von bestimmten flankierenden Handlungen an. Der andere extreme Weg geht ins Verbot einseitiger Preisempfehlungen. Es überrascht nicht, dass das europäische Recht sich grundsätzlich durchaus schwer tut, Kriterien zu entwickeln, die einseitige Maßnahmen von Herstellern gegenüber Händlern von abgestimmten Verhaltensweisen sicher abgrenzen können. Die Preisempfehlung ist nur ein Paradebeispiel der Empfehlungsproblematik. In der EU werden Preisempfehlungen, also Erklärungen des Herstellers hinsichtlich eines bestimmten Preisverhaltens im Weiterverkauf, primärrechtlich im Tatbestand des Art. 101 AEUV anhand der notwendigen zweioder mehrseitigen Vereinbarung von Preisbindungen unterschieden.692 Der Vereinbarungsbegriffs in Art. 101 Abs. 1 AEUV selbst ist nach Rechtsprechung der Unionsgerichte denkbar weit: jede ausdrückliche oder konkludente, schriftliche oder formlose Willensübereinstimmung hinsichtlich eines gewissen Marktverhaltens zwischen zwei Parteien ist ausreichend.693 Insbesondere bedarf es für die Annahme einer Vereinbarung keiner rechtlichen oder faktischen, nicht mal einer moralischen oder wirtschaftlichen Bindungswirkung. 694 Konstitutive Minimalvoraussetzung bleibt die Willensübereinstimmung. Bloße Empfehlungen sind demnach generell nicht von Art. 101 AEUV umfasst, EuGH v. 28.1.1986 – Rs. C-161/84, Slg. 1986, I-353 – Pronuptia; Komm. v. 5.12.1983, ABl. 1983 L 348/20 – Murat; v. 16.12.1985 – ABl. 1985 L 376/15 – Villeroy & Boch. 693 EuGH v. 15.7.1970 – Rs. C-41/69, Slg. 1970, I-661 696, Rn. 112 – Chemiefarma / Kommission; zuletzt z. B. EuGH v. 6.1.2004 – Rs. C-2/01 P und C-3/01 P, Slg. 2004, I23, 64, Rn. 88 f., 97 ff. = EuZW 2004, 309 – BAI und Kommission / Bayer; std. auch EuG und Kommission z. B. EuG v. 8.7.2008 – T-53/03, Slg. 2008, II-1333, 1379 f., Rn. 79 ff. – BPB / Kommission; Komm. v. 8.7.2009 – COMP/39.401, ABl. 2009 C 248/04 = WuW/E EU-V 1457, Rn. 168 f. – E.ON / GDF. 694 Ausdrücklich EuG v. 26.10.2000 – Rs. T-41/96, Slg. 2000, II-3387, 3409, Rn. 86 – Bayer / Kommission; EuG v. 8.7.2008 – Rs. T-53/03, Slg. 2008, II-1333, Rn. 82 – BPB / Kommission; Komm. v. 23.4.1986 – ABl. 1986 L 230/1, 26, Rn. 81 – Polypropylen und v. 8.7.2009 – COMP/39.401, ABl. 2009 C 248/04 = WuW/E EU-R 1457, Rn. 169 – E.ON / GDF; in der Literatur wird mit einiger Berechtigung darauf hingewiesen, dass die Formulierung der daneben bestehenden „Verhaltensabstimmung“ in Art. 101 AEUV belangslos wird. Im Ergebnis ist es irrelevant, ob von einer Unterform der „Vereinbarung“ oder „Verhaltensabstimmung“. Deshalb werden diese im Folgenden nicht differenziert dargestellt, sondern unter dem Aspekt der „Vereinbarung“ Maximal- und – wichtiger – Minimalvoraussetzungen i. S. d. Art. 101 AEUV diskutiert. 692

D. Reichweite und Abgrenzungen des Preisbindungsverbotes

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wenn und soweit keine vertikale Koordination oder horizontale Koordination (z. B. durch Beschluss i. S. v. Verbandsempfehlungen695 vorliegt. Bis zur Grenze des Art. 102 AEUV, d. h. bis ein gewisser Befolgungszwang durch die Marktmacht des Empfehlenden selbst im Raum steht, bleiben sie legitim.696 Diesen Grundsatz konkretisiert die Kommission für Preisempfehlungen in Art. 4 lit. a) 2. Hs. der Vertikal-GVO, demnach der Lieferant dem Abnehmer gegenüber Preisempfehlungen für dessen Verkaufspreise aussprechen darf, soweit sich die Empfehlung nicht infolge der Ausübung von Druck oder der Gewährung von Anreizen tatsächlich wie die Festsetzung von Fest-oder Mindestpreisen auswirkt. Preisempfehlungen sind also aus der Gruppe der Kernbeschränkungen herausgehoben. Man könnte daraus eine Freistellung ableiten, nach richtiger Ansicht ist die Wirkung der GVO aber lediglich deklaratorisch. Bei Preisempfehlungen liegt per definitionem keine vertikale Vereinbarung vor, die den Anwendungsbereich der Vertikal-GVO eröffnen würde, weshalb es für das Vorliegen einer Preisempfehlung grundsätzlich auch keinen Unterschied macht, ob sie als „unverbindlich“ gekennzeichnet ist oder nicht.697 Mit der Wertung der GVO wird aber klargestellt, dass die Frage, ob der Lieferant mit sonstigen Maßnahmen einen gewissen Druck auf den Absatzmittler ausübt, einer Gesamtbetrachtung unterliegt. Da die Beweislast für das Vorliegen zweiseitiger Vereinbarungen bei der Kommission als Durchsetzungsbehörde liegt, verwundert nicht ihr Interesse sowohl an der weiten Auslegung des Merkmals der Vereinbarung als auch an einer möglichst weitgehenden Indizwirkung. Bereits in den 1980er-Jahren hatte die Kommission anlässlich eines geschlossenen Vertriebssystems, in dessen Rahmen die Teilnehmer durch Kontrollen, Anreize und Sanktionen zur Befolgung einer Preisempfehlung bewegt wurden, eine Koordinationswirkung angenommen. 698 Sie hatte dann jedoch in den 2000er-Jahren auch begonnen, sehr weitgehend von Preisempfehlungen auf Vereinbarungen zu schließen.699 Am deutlichsten wurde dies in den Fällen Bayer700und VW II sichtbar, in denen der EuGH die 695 EuGH v. 29.10.1980 – Rs. C-209/78, Slg. 1980, I-3125, Rn. 87 f. – van Landewyck /  Kommission; EuGH v. 27.1.1987 – Rs. C-45/85, Slg. 1987, I-405, 447, 455, Rn. 30 – Verband der Sachversicherer / Kommission; EuGH v. 11.9.2008 – Rs. C-279/06,  Slg. 2008, I6681, Rn. 70 = EuZW 2008, 668 – CEPSA; EuGH v. 2.4.2009 – Rs. C-260/07, Slg. 2009, I2347, 2464 – Pedro IV Servicios; Komm. v. 13.7.1983 – ABl. 1983 L 200/44, Rn. 25–27, 29, 40 – Vimpolu; v. 26.10.1999 – ABl. 2000 L 39/1 – FEG / TU; Emmerich, Kartellrecht, 65. 696 Hirsbrunner / Schwarz, in: Bechtold et al., Recht und Wettbewerb (FS Bechtold 2006), 171 ff. 697 Vgl. Langen / Bunte-Nolte, Kartellrecht, Bd. 2, Nach Art. 101 AEUV, Rn. 442. 698 Komm. v. 17.12.1986 – ABl. 1987 L 8/49 – Ives Rocher. 699 EuG v. 27.9.2006 – verb. Rs. T-44/02 OP, T-54/02 OP, T-56/02 OP, T-60/02 OP, T61/02 OP, Slg. 2006 II-3567 = WuW/E EuR 1141, 1145 ff., Rn. 62 ff – Dresdner Bank /  Kommission. 700 EuGH v. 6.1.2004 – Rs. C-2/01 P und C-3/01 P, Slg. 2004, I-23, 64 – BAI und Kommission / Bayer.

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2. Teil: Die Preisbindung der zweiten Hand – ein Rechtsvergleich

Ansicht der Kommission letztich nicht teilte. VW hatte seinen Vertragshändlern gegenüber Preisempfehlungen ausgesprochen und per Rundschreiben später bekräftigt, sowie preistreibende Händler mit Verweis auf das dem selektiven Vertriebssystem zugrunde liegende Vertragswerk „abgemahnt“ bzw. mit Kündigung gedroht. Laut Vertragswerk waren die Händler auf die Wahrnehmung der Interessen von VW verpflichtet worden, zusätzlich war in einer anderen Vertragsklausel auch die Politik von Preisempfehlungen angesprochen.701 Der EuGH stimmte zwar im Grundsatz zu, dass eine entsprechende Willensübereinstimmung angenommen werden kann, wenn sich aus dem Vertrag zwischen Hersteller und Händler (konkludent) die Befugnis ergibt, nachträglich „einseitig“ die Konditionen des Vertrages zu spezifizieren. Gleichwohl sei die Kommission nicht von vornherein davon entbunden, nachzuweisen, dass eine Willensübereinstimmung zwischen den Parteien tatsächlich vorlag – den Händlervertrag erachtete er im vorliegenden Fall nicht als ausreichende (antizipierte) Zustimmung und missbilligte die weitgehende Herleitung der Vereinbarung.702 Damit lässt der EuGH wieder alles offen – es kommt auf die Umstände im Einzelfall an. Welche das sind, bleibt nebulös. Im Fall VW II jedenfalls lagen eine vertraglich festgehaltene Preisempfehlungspolitik, eine generelle „Wohlverhaltenspflicht“, sowie ein tatsächlich versandtes Aufforderungsschreiben zur Einhaltung dieser Preispolitik vor. Damit lag der Schluss der Kommission auf eine gewisse Druckausübung nah. Andererseits ist es systematisch korrekt, dass der EuGH hier einschritt: nachgewiesen werden muss die tatsächliche Vereinbarung bzw. Auswirkung. Nach den Kriterien aus dem EuG-Urteil Dresdner Bank703, wird dies wieder aufgegriffen, aber – ausdrücklich – auch die Möglichkeit des Indizienbeweises gebilligt. Dieser Nachweis dürfte jedoch bei nachträglicher Befolgung kompliziert sein. Gleichwohl wird eine besonders flächendeckende, tatsächliche Befolgung der Preisempfehlung Argwohn erwecken, d. h. wird eine Empfehlung besonders gleichförmig befolgt, können Unternehmen nicht sicher sein, dass ihre Empfehlungspolitik nicht doch einmal aufgegriffen wird. Nicht nur als Preisempfehlung „getarnte“ Preisbindungen, sondern auch Preisempfehlungen, die wirtschaftlich besonders fundiert und deshalb unter den Händlern gut angenommen werden, können so zur riskanten Geschäftspraxis werden. Und die Anforderungen an die Beweislast für das Vorliegen einer Willensüberein701 EuGH v. 13.7.2006 – Rs. C-74/04 P, Slg. 2006, I-6585, 6602, Rn. 4 – Kommission /  Volkswagen (VW II). 702 EuGH v. 13.7.2006 – Rs. C-74/04 P, Slg. 2006, I-6585, 6602, Rn. 35 ff. – Kommission / Volkswagen (VW II); m. Anm. Emmerich, JuS 2007, 474; krit. Lange, EWS 2006, 365. 703 EuG v. 27.9.2006 – verb. Rs. T-44/02 OP, T-54/02 OP, T-56/02 OP, T-60/02 OP, T61/02 OP, Slg. 2006 II-3567 = WuW/E EuR 1141, 1145 ff., Rn. 62 ff. – Dresdner Bank /  Kommission.

D. Reichweite und Abgrenzungen des Preisbindungsverbotes

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stimmung sind grundsätzlich auch nach Ansicht des EuGH nicht hoch: Faktische Zustimmung und Indizwirkung reichen aus – VW II bringt hier keine Sicherheit.704 Dabei ist es genauso wenig nötig wie hilfreich, eine Preisempfehlung ausdrücklich als unverbindlich zu bezeichnen. So weit und so unklar die gerichtliche Haltung im Einzelfall. Es bleibt der Blick auf das möglicherweise konkretisierte Aufgreifermessen der Kommission in der GVO. Bezieht sich die Äußerung der Leitlinien, dass Preisempfehlungen nach der Vertikal-GVO bis zu einer Marktanteilsschwelle von 30 % vom Kartellverbot freigestellt sein sollen,705 demnach auf einen bewirkten Befolgungsgrad?706 Zunächst dürfte dieser ohnehin höchst variabel und schwer ermittel- geschweige denn sicher beeinflussbar sein. Daneben bleibt der Befund, dass die Koppelung mit Höchstpreisbindungen in Art. 4 lit. a) VO 330/2010 systematisch unschön ist. Die Kommission gibt darüber hinaus auch in ihren Leitlinien einige Anhaltspunkte für Preisempfehlungen. Zum einen beschreibt sie hier die indirekte Bewirkung von Preisbindungen über Preisempfehlungen, stellt aber klar, dass die bloße Aushändigung von Listen mit Preisempfehlungen für sich kein Tatbestand der vertikalen Preisbindung ist – hierunter werden auch Preisvordrucke auf Preisschildern noch zu fassen sein.707 Die (konkrete) Gefahr für den Wettbewerb bestehe darin, dass der angegebene Preis als Orientierungspreis dient, an den sich die meisten oder alle Wiederverkäufer halten und/oder dass diese Preise den Wettbewerb aufweichen oder eine Kollusion zwischen Anbietern begünstigen. Als wichtigen Faktor für die Einschätzung, ob solche negativen Wirkungen drohen, nennt die Kommission dann (ausschließlich)708 die Marktstellung des Anbieters: je stärker dieser sei, desto größer sei die Gefahr, dass seine Angaben ein entsprechendes einheitliches Preisniveau unter den Wiederverkäufern bedingt, weil diese den Preis als Orientierungspreis verwenden können. Sie nennt – wie auch in den Vorgänger-Leitlinien – klar die per se- autoritative Wirkung 704 EuGH v. 8.2.1990, Slg. 1990, I-261 – Tip-Ex GmbH & Co. KG / Kommission; zur faktischen Zustimmung EuG v. 3.12.2003 – Rs. T-208/01, Slg. 2003, II-5141 – Volkswagen / Kommission (VW I); Hirsbrunner / Schwarz, in: Bechtold et al., Recht und Wettbewerb (FS Bechtold 2006), 180. 705 Komm. Vertikalleitlinien 2010, Rn. 226–228; fast identische Äußerung auch in den Vorgänger-LL, ABl. 2000 C 291/1, Rn. 225 ff. 706 Da sich in der Literatur hartnäckig Äußerungen zu „freigestellten Preisempfehlungen“ halten, ist dies zumindest zu erwägen, vgl. z. B. S. Simon, in: Ahlert et al., Vertikale Preis und Markenpflege (2012), 249 ff. 707 Komm. Vertikalleitlinien 2010, Rn. 48; dieser Ansicht auch Spenner / Kiani, ZVertriebsR 2013, 335. 708 In der Vorgänger Version der LL hatte die Kommission auch die Funktion der horizontalen Wirkungen von Preisempfehlungen als facilitating practice aufgegriffen und dementsprechend die Marktstellung von Wettbewerbern des Anbieters mitberücksichtigt, siehe LL 2000, ABl. 2000 C 291/01, Rn. 228. Die Kommission nimmt sich hier diesbezüglich, weil solch kollusive Wirkungen ohnehin nicht von der Legalisierung der GVO umfasst sind.

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2. Teil: Die Preisbindung der zweiten Hand – ein Rechtsvergleich

von Preisempfehlungen durch entsprechend schwergewichtige Anbieter, von denen Abnehmer unter Umständen nur selten abweichen. Mit dieser Aufzählung ist nichts Neues gesagt. Unzulässig ist auch die kollektive Empfehlung eines Verbandes, der qua Stellung zugleich eine abgestimmte Verhaltensweise oder einen Beschluss begründet – auf den Erfolg der Empfehlung kommt es hier seit jeher nicht mehr an.709 Interessanter und z. B. im Lebensmitteleinzelhandel höchst praxisrelevant dürften Preisempfehlungen im Rahmen des Produktgruppenmanagements sein, also dort, wo sich Hersteller und Händler nicht klar im Vertikalverhältnis gegenüberstehen (z. B. wenn Händler im Endverkauf über Eigenmarken mit dem Hersteller konkurrieren oder ein Hersteller als Category Captain fungiert und damit auch Preisempfehlungen für Konkurrenzprodukte ausspricht710). Dogmatisch betrachtet sind Preisempfehlungen hier fragwürdig – die Marktanteilsgrenze scheint deshalb besonders wichtig. Wie weit aber herkömmliche Preisempfehlungen von Händlern sanktionslos umgesetzt werden dürfen, ohne dass die Grenze einer „tatsächlichen Auswirkung“ überschritten wird, bleibt unklar. Vor allem auf mitgliedstaatlicher Ebene werden noch Fälle aufgegriffen – europäische Praxis ist nicht gegeben. Zwischenzeitlich war der EuGH bei der Beurteilung der Zustimmung zu Wettbewerbsbeschränkungen auch wieder großzügiger. In Nintendo711 fand er die Prüfung des Vorliegens eines Systems nachträglicher Kontrollen und Sanktionen für die Annahme einer Vereinbarung nicht notwendig. Das bedeutet, dass der Indizienbeweis einer konkret eintretenden Gefährdung des Preiswettbewerbs auch ohne Nachweis von Druck ausreichend war. In der zugrunde liegenden Entscheidung hatte sich die Partei u. a. darauf berufen, dass sie selbst die Vereinbarung (in diesem Fall hinsichtlich der Verhinderung von Exporten in andere Absatzgebiete) aktiv unterlaufen hatte, ihre Zustimmung also unter einem inneren Vorbehalt stand und tatsächlich gar nicht befolgt wurde. Der Gerichtshof war jedoch der Ansicht, dass dies gleichsam nicht die Zustimmung zur Vereinbarung hindert, sondern ebenfalls ein Ausdruck dafür sein kann, die Vereinbarung für eigene Wettbewerbsvorteile zu nutzen. Auch wenn diese Entscheidung nicht die Preisempfehlung betraf, so ist jedenfalls nicht davon auszugehen, dass die europäischen Gerichte nach den Urteilen Bayer und VW II grundsätzlich skeptisch gegenüber von der Kommission festgestellten Vereinbarungen sind. Hinsichtlich der Haltung der Kommission entsteht jedenfalls der Eindruck, dass die schon tatsächlichen Unsicherheiten bei der Bewertung von Verhalten Wägenbaur, in: Loewenheim et al., KartR (2. Aufl. 2009), Art. 81 Abs. 1, Rn. 216. Vgl. zu diesen Sonderfällen LL, Rn. 212, im Ganzen nur Besen / Jorias, BB 2013, 1099 ff., 1100. 711 EuGH v. 10.2.2011 – Rs. C-260/09, Slg. 2011, I-419, Rn. 77 = GRUR-Int 2011, 320 = WuW 2011, 419 – Nintendo. 709 710

D. Reichweite und Abgrenzungen des Preisbindungsverbotes

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sekundärrechtlich nicht sicher geklärt werden sollen. Das ist angemessen. Rechtssicherheit in Bezug auf eine „formell erklärte Einseitigkeit“ würde dem Missbrauch Tür und Tor öffnen. Wo eine Rechtsordnung dies nicht tut, sind in der Regel auch wettbewerbswidrige Motive leichter erkenn- und nachweisbar – eine gewisse Waffengleichheit scheint gewahrt, wenn der Verwender nicht nur den Nutzen der tatsächlichen Wirkung und Beweisbarkeit, sondern auch die Lasten trägt. Hinsichtlich der Einseitigkeit wird ein subjektiver Maßstab aus Sicht des Empfehlungsadressaten angewandt: Eine (mit oder ohne Druck) abgenötigte Befolgung von Preisempfehlungen lässt die Einseitigkeit entfallen.712 Allerdings muss ausgehend vom Wortlaut („sofern sie sich auswirken“) und vergleichbar einem konkreten Gefährdungsdelikt ein gewisser Koordinationserfolg sichtbar sein. Nachgewiesen werden muss – direkt oder indirekt – die Befolgung, also eine oktroyierte Preisbildung durch eine gewisse Mehrzahl der Händler, hinsichtlich dieser Umstände reicht jedoch auch ein Indizienbeweis aus.713 Das tatsächliche Dilemma wurde in den USA durch die ColgateEntscheidung zunächst zugunsten der Rechtssicherheit gelöst: die Einseitigkeit einer Maßnahme bestimmt sich objektiv und formalistisch nach der Art der Kommunikation – damit zugunsten der Verwender. Solange keine individualisierte Kommunikation stattfindet, blendet der Supreme Court innere Tatbestände aus. Nach Colgate sind Preisempfehlungen auch dann noch als einseitig zu betrachten, wenn der Hersteller – generell – ankündigt, dass er keine Geschäftsbeziehungen mit solchen Händlern eingehen bzw. aufrechterhalten wird, die aus seiner Preispolitik ausscheren. Erklärlich wird dies durch das Gewicht, das in den USA der Herstellerautonomie zukam. Diese wurde in ständiger Rechtsprechung aufrechterhalten, sogar wenn die Begleitumstände bezeichnend waren: in Monsanto hatte ein von der Belieferung ausgeschlossener Händler nachgewiesen, dass sein Lieferant die Vertriebsbeziehung nach dem Drängen anderer Händler beendete, die sich über den Discounter beschwert hatten. Obwohl der Supreme Court dem Kläger in der Sache Recht gab, war der Beweis in Bezug auf eine Preisbindung nicht ausreichend. Ein unabhängiges Handeln von Lieferant und Händlern hätte hierdurch nicht ausgeschlossen werden können.714 Colgate muss im Rahmen einseitiger Handlungen schlechterdings als RPM-Erlaubnis gesehen werden insofern sie eine echte Umgehungsmöglichkeit geschaffen hat. Nichtsdestoweniger trug der Hersteller – vor allem in den frühen Jahren nach Colgate bis zur Fair-Trade-Ära – ein erhebliches Risiko, Immenga / Mestmäcker-Emmerich, Art. 101 AEUV, Rn. 55. Hingegen reicht in Deuschland bereits ein Indizienbeweis hinsichtlich der Ausübung von Druck gleichsam einem abstrakten Gefährdungsdelikt aus. 714 Monsanto Co. v. Spray-Rite Service Corp., 465 U.S. 752, 763, 764 (1984): „Complaints about price cutters are natural – and from the manufacturers perspective unavoidable reactions by distributors to the activities of their rivals.“ 712 713

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2. Teil: Die Preisbindung der zweiten Hand – ein Rechtsvergleich

dass unter Umständen auch ungewollt Zustimmung von Händlern kommuniziert wurde und aufgrund dessen oder aber aufgrund der Rahmenumstände ein Indizienschluss zu bilateralem Verhalten erfolgte. Parallel zu Dr. Miles waren auch Colgate-Fälle stets überaus eng interpretiert worden und entsprechende Geschäftspolitiken galten als sehr riskant, weil die indirekte Beweisführung drohte.715 Danach waren Colgate-Fälle bis Sylvania aber praktisch kaum noch zu gewinnen. Nach der Einführung des rule of reason-Maßstabs für Preisbindungen in Leegin wird die Colgate-Geschäftspolitik theoretisch weniger relevant, oder anders ausgedrückt: sie sollte nur noch dort von entscheidender Bedeutung sein, wo Unternehmen davon ausgehen müssen, dass ihre Preisbindung unter rule of reason-Maßstäben nicht standhält. Trotzdem spricht die praktisch weit verbreitete Nutzung von Colgate-Ankündigungen in Verbindung mit (Internet) Minimum Advertised Prices oder MSRPs in den USA nicht für sich, sondern ist paradoxerweise nach wie vor die Rückfallstrategie für die unwägbare Lage unter Bundes- und vor allem Staatenrecht.716 Ironischerweise führt das rigide Staatenrecht dazu, dass sich RPM-Vereinbarungen nicht flächendeckend etablieren und die Frage um Preisempfehlungen weiter gerichtlich geklärt würde. Trotzdem brachte das Leegin-Urteil mit der Kernaussage „substance over form“ auch Kritik an Colgate mit sich. Auch in den Staaten würde niemand die ähnlichen Effekte von einseitigen bzw. abgenötigten und konsensualen vertikalen Preisvorgaben leugnen. Unter Colgate-Politik durchgesetzte Mindestpreise mit dem rule of reason-Maßstab anzugreifen ist damit der aussichtsreichste Weg, zukünftig Preisempfehlungen auf ihre wettbewerbsbeschränkenden Wirkungen testen zu lassen. Gleiches gilt für die verwandten Praktiken von (I)MAPs, also preislicher Werbung. Dies gilt sowohl vor Behörden, als auch in Bezug auf Verfahren, in denen eine Jury717 über Wohl und Wehe von Preisbindungen entscheidet. In diese Richtung weist auch die einstimmige Entscheidung in American Needle aus 2010: „The relevant inquiry is therefore one of substance, not form, […] The inquiry is whether the agreement in question joins together ‘separate economic actors pursuing separate economic interests,’ […]. If it does, then there is concerted action covered by §1, and the court must decide whether the restraint of trade is unreasonable and therefore illegal.“718

715 Frey & Sons, Inc. v. Cudahy Packing Co., 256 U.S. 208 (1921); United States v. Parke, Davis & Co., 362 U.S. 29 (1960). 716 Siehe oben 2. Teil C.I.2.b), 172; vgl. auch Hubbard, 22 Antitrust 2007, 41, 43. 717 Jury-Verfahren wurden in Bezug auf Colgate-Praktiken schon immer für riskant gehalten, weil diese anfällig für lebensnahe Erwägungen sind, s. a. Lindsay, Resale Price Maintenance: Real Life Lessons from a Mock Trial, Antitrust Source Jun. 2008. 718 Zit. Copperweld Corp. v. Independence Tube Corp., 467 U.S. 752, 768, 769 (1984); American Needle, Inc. v. National Football League, 560 U.S. 183 (2010).

D. Reichweite und Abgrenzungen des Preisbindungsverbotes

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Ausgehend von der übergeordneten Entwicklung zur standarmäßigen Nutzung von Beurteilungsmaßstäben anstelle von starren (per se-)Regeln, lässt sich also ein Trend erkennen auch insgesamt flexiblere Beurteilungen – hier hinsichtlich der Vereinbarung – zu ermöglichen. Mit der Aufgabe des per seVerbotes könnte also auch in Bezug auf Preisempfehlungen in den USA, mithin die Colgate-Doktrin, gefährdet sein.719 Das amerikanische Kartellrecht bewegt sich also auch in Bezug auf andere Parameter in Sec. 1 Sherman Act – hier der Auslegung des Vereinbarungsbegriffes – in Richtung der aus Europa bekannten Kriterien: weniger wird auf die Form abgestellt als auf eine Gesamtbetrachtung, ob die selbständige Entscheidung der Wirtschaftsteilnehmer beeinträchtigt wird. Ein dem Selbstständigkeitspostulat des EuGH nicht unähnlicher Aspekt wird damit zuletzt wieder neu betont. 2. Kunstgriff im GWB: Druckverbot Die fragwürdige Selbstständigkeit unternehmerischer Entscheidungen unter Drohungen oder Anreizen ist hinlänglich bekannt und wird in EU und USA für die rechtliche Beurteilung, ob eine Vereinbarung besteht, in unterschiedlichem Maße berücksichtigt. Dass jedoch unabhängig von der (schwer zu beurteilenden) Reaktion eines Adressaten mit einem eigenen Tatbestand auf die Aktion des (Preis-)Empfehlungsgebers abgestellt wird, ist eine Besonderheit im deutschen GWB. Zunächst ein Blick auf das Grundsätzliche: das GWB hatte nach der späten Entscheidung gegen Preisbindungen zunächst „Nägel mit Köpfen“ machen wollen und für die Preisempfehlung keine besondere Sympathie. Das Institut der unverbindlichen Preisempfehlung ist gerade ein Kind der Abschaffung der Preisbindung für Markenartikel, weil die Möglichkeit der Preisempfehlung in § 38 a GWB a. F. nur und lediglich für eine Übergangsfrist eingeführt wurde, um den Verbrauchern nach Beseitigung der Markenwarenpreisbindung eine preisliche Orientierungshilfe zu geben. Das dann folgende generelle Preisempfehlungsverbot (§ 22 GWB a. F.) und die erlaubte unverbindliche Preisempfehlung für Markenwaren (§ 23 GWB a. F.) sind mit der 7. GWBNovelle 2005 in Angleichung an das europäische Recht vollständig entfallen. Seither sind Empfehlungen kein eigener wettbewerbsrechtlicher Tatbestand mehr. In Deutschland hat sich der Gesetzgeber mit dem in § 21 Abs. 2 GWB verankerten Druckverbot eines etwas weiter gehenden Kunstgriffes bedient, um das Tatsachenproblem zu lösen: praktisch droht nicht nur der Indizienschluss auf eine Vereinbarung i. S. d. § 1 GWB, sondern bereits ein Indizienschluss hinsichtlich des ausgeübten Drucks. Tatsächlich fungiert das Tatbestandsmerkmal des Druck- oder Lockmittels als Hebel, sodass Preisempfehlungen im deutschen Recht auch im Bereich der klaren Einseitigkeit problematisch sind. Somit kommt es bei rein deutscher Betrachtung auf eine Abgren719

Hubbard, 29 Antitrust 2014, 98.

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2. Teil: Die Preisbindung der zweiten Hand – ein Rechtsvergleich

zung zwischen einer Vereinbarung und einer einseitigen Empfehlung nicht mehr an. Im Ergebnis kann gleichsam von einer Versuchsstrafbarkeit, bzw. einem abstrakten Gefährdungsdelikt gesprochen werden. Zwar schlagen die Wertungen des Art. 4 lit. a) VO 330/2010 auch auf die deutsche Rechtslage durch, sodass ein Gleichlauf von europäischer und deutscher Regelung in § 21 GWB zu vermuten wäre. Jedoch ist es dem deutschen Recht im Bereich einseitiger Handlungen ausdrücklich erlaubt, strengere Regelungen zu erlassen – zu einem Konflikt kommt es daher nicht.720 Dem BKartA steht damit ein vorverlagerter Anknüpfungspunkt zur Verfügung, auf den es in den letzten Jahren gerne zurückgegriffen hat.721 Hier erklärt sich auch, weshalb es in Deutschland verhältnismäßig viele behördlich aufgegriffene Preisbindungsfälle gegeben hat – sie betrafen überwiegend Sachverhalte, in denen vordergründigen Preisempfehlungen Nachdruck verliehen worden war. Zu einem Aufschrei in der Literatur722 führte es, als das BKartA dies im Fall CibaVision723 demonstriert, als es „jegliches erneutes Thematisieren“ der Preissetzungspolitik zwischen Lieferant und Händler ausreichen ließ. Hierzu sollen alle Verhaltensweisen zählen, die über das bloße Überreichen einer Preisliste hinausgehen oder ein Preismonitoring des Herstellers andeuten. Der Kritik ist auch hier entgegenzuhalten, dass das BKartA zu Recht die Grenzen der Norm ausnutzt und anhand der tatsächlich gelebten Praxis der „UVP“ dies offensichtlich nicht zu einer Verhinderung dieser im Handel laut verteidigten Geschäftspraktik kommt. Diese Meinung teilt offensichtlich auch der BGH.724 3. Preisempfehlungen Schweiz Mit dem isolierten Blick auf vertikale Koordination725 steht auch die schweizerische Regelung dem sachlichen Abgrenzungsproblem von einseitigen Vgl. Art. 3 Abs. 2 S. 2 VO 1/2003; § 22 GWB. Unter § 22 a. F. GWB war bis 2005 noch ein weitreichendes Preisempfehlungsverbot gesetzlich festgelegt, das die Behörde strikt durchsetzte, siehe z. B. BKartA v. 8.8.2001 – B9-52612-P-120/00 – Detlev Louis Motorradbekleidung. 722 Krit. Lettl, WRP 2013, 1272; Imgrund BB 2012, 789; Möschel, WuW 2010, 1229; BGH v. 6.11.2012 – KZR 13/12 = GRUR-RR 2013, 182 – UVP für Rucksäcke. 723 BKartA v. 25.9.2009 – B3-123/08 – Ciba Vision. 724 BGH v. 6.11.2012 – KZR 13/12 = GRUR-RR 2013, 182 – UVP für Rucksäcke; siehe oben 2. Teil C.III.4, 256. 725 Die Abgrenzung von einseitigen Preisempfehlungen zu nach Art. 4 Abs. 1, Art. 5 Abs. 3 lit. a) KG verbotenen konsensualen Preisabreden zwischen Wettbewerbern bzw. zwischen Vertriebspartnern ist bei kollektiven Preisempfehlungen auch in der Schweiz nicht problematisch. Wenn Preisempfehlungen hier befolgt werden und zu einer gleichförmigen Preisfestsetzung auf Ebene der Händlerkonkurrenz führen, überschreitet bereits eine minimale Willensübereinstimmung (Art. 4 Abs. 1 KG), die in einer einheitlichen Preisfront resultiert, die Grenze zum Parallelverhalten und ist eine Preisfestsetzung i. S. v. Art. 5 Abs. 3 lit. a) KG in Form einer abgestimmten Verhaltensweise; allgemein zur hori720 721

D. Reichweite und Abgrenzungen des Preisbindungsverbotes

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Preisempfehlungen und durch (stillschweigende) Zustimmung tatsächlich erwirkter Preisbindung gegenüber. Die rechtliche Zulässigkeit von Preisempfehlungen ist unbestritten. Wenn Hersteller gegenüber ihren Händlern Preisempfehlungen aussprechen, verfolgt die WEKO gleichwohl eine besonders kritische Linie. Die behördliche Beurteilung von Preisempfehlungen war einer der Kernstreitpunkte der VertBek 2007. Dort hatte die WEKO Kriterien aufgezählt, die für die Einzelfallprüfung von Preisempfehlungen besonders relevant seien und die sich – vorausgeschickt – auch in der aktuellen VertBek 2010 noch finden. Neben dem aus der EU bekannten Kriterium der Ausübung von Druck und der Gewährung von Anreizen726, wollte die WEKO insbesondere berücksichtigen, dass – Preisempfehlungen nicht in allgemein zugänglicher Weise, sondern nur an Weiterverkäufer oder Händler abgegeben werden; – Preisempfehlungen, die auf Produkten bzw. Verpackungen abgedruckt werden, nicht als unverbindlich gekennzeichnet werden; – das Preisniveau der von den Preisempfehlungen betroffenen Produkte deutlich höher ist, als im benachbarten Umland.727 Mit diesen unterschiedlichen aber durchaus umfassend angelegten Maßstäben in der VertBek 2007 hatte die WEKO erhebliche Kritik und Verunsicherung hervorgerufen, weil die VertBek 2007 keinerlei methodische oder systematische Erläuterungen lieferte. Tatsächlich ist es, ausgenommen das Kriterium der Ausübung von Druck oder Gewährung von Anreizen, im Hinblick auf den Nachweis einer Abrede bei den hier genannten Tatsachen allenfalls legitim, von Indizien zu sprechen. Die Kriterien des Befolgungsgrades und des Preishöhenvergleichs sind zweifellos problematisch. Der Befolgungsgrad einer Preisempfehlung selbst kann bei objektiver Anschauung wohl niemals Aufschluss darüber geben, inwiefern der Händler selbständig kalkuliert und seinen Verkaufspreis daraufhin festgelegt hat oder eine Abstimmung mit Hersteller und/oder anderen Händlern Ursache ist. Gerade Empfehlungen, die wirtschaftlich gut prognostizierte Preise beinhalten und deshalb besonders gut angenommen werden, würden dann rechtlich schnell als Abrede eingestuft werden. Zudem wäre der Hersteller gezwungen, den Befolgungsgrad seiner Preisempfehlung fortlaufend zu überwachen und ab einer kritischen Masse ggf. anzupassen oder zurückzunehmen. Davon abgesehen, dass Letzteres schwer möglich sein dürfte, sind schon Preisüberwachungssysteme kartellrechtlich riskant.728 zontalen Wirkung, Krauskopf / Schaller in: Amstutz / Reinert, BK Kartellgesetz, Art. 5 KG, Rn. 392; Zäch, Schweizerisches Kartellrecht (2005), 180; Borer, Art. 4 KG, Rn. 11. 726 In Anlehnung an die GVO, Ziff. 11 Abs. 2 lit. b) VertBek 2007. 727 Ziff. 11 Abs. 2 lit. a), c), d) und e) VertBek 2007. 728 Eine Empfehlung wurde in der Praxis zwischen 2001 und 2004 bereits als abgestimmte Verhaltensweise qualifiziert, nachdem 74 % der Adressaten einer Empfehlung die

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2. Teil: Die Preisbindung der zweiten Hand – ein Rechtsvergleich

Das angesprochene Preisniveaukriterium ist eindeutig politisch begründet und folgt der Intention der WEKO und des Gesetzgebers des KG-2003, die Hochpreisinsel Schweiz zu bekämpfen. So tauglich sie als Absichtserklärung sein mag, so unzweckmäßig ist sie als kartellrechtliches Kriterium, weil eine Preishöhenkontrolle auch jegliche, kartellrechtlich legitime Abschöpfung einer größeren Zahlungsbereitschaft der schweizerischen Kundschaft und Kaufkraftausnutzung verhindert und Herstellern und Händlern eine Preisorientierung an Auslandspreisen vorschreibt. So hat sich die WEKO in ihrer bisher umfassendsten Behandlung von Preisempfehlungen im Fall Hors-Liste 2009729 zu diesem Kriterium auch nicht weiter geäußert, sondern hat an den in der VertBek 2007 selbst aufgestellten Kriterien letztlich vorbeierläutert. Im aufgegriffenen Sachverhalt war es um die Veröffentlichung von empfohlenen Verkaufspreisen für Viagraprodukte in branchenspezifischen Informationssystemen gegangen, die den Ärzten und Apothekern gegenüber auch in Lieferscheinen angezeigt wurden. Die WEKO stützte die Annahme einer Abrede auf den hohen Befolgungsgrad von 89,3 % (Apotheken) bzw. 81,7 % (Ärzte).730 Darüber hinaus zog sie aber auch die Tatsachen heran, dass es in der Branche bereits früher ein kollusives Verhalten gegeben hatte731 und die Preisempfehlungen aufgrund der Ausrichtung auf hohe Margen im Interesse aller Beteiligten an erleichterten Großhandelspreisverhandlungen gewesen seien.732 Die Tatsache, dass die Preisempfehlungen auch öffentlich im Internet abgegeben wurde733 und ausdrücklich als unverbindlich gekennzeichnet worden war,734 spielte für die Einstufung dann keine Rolle mehr.735 Die Kriterien wie sie in der VertBek 2007 und in der Entscheidung Hors-Liste angewandt gehen also weit über die der europäischen Leitlinien und Praxis hinaus.736 Die VertBek 2010 wurde dann deutlicher an das EU Recht angepasst. Ziff. 15 Abs. 2 stellt klar, dass Preisempfehlungen nur dann als schwerwieEmpfehlung befolgt hatten, s. Köchli / Reich, in: Baker & McKenzie, SHK Kartellgesetz, Art. 4, Rn. 17; WEKO v. 3.9.2001 – RPW 2001/3, 515, Rn. 23 – SUMRA / Distribution de montres; WEKO v. 16.2.2004 – RPW 2004/2, 331, 340, 343 – ASTAG Preisempfehlungen /  Kalkulationshilfen; Frick / Leibenath, Jüngere Entwicklungen im Bereich der Vertikalabreden in der Schweiz, in: Kartellrecht in Theorie und Praxis (FS Canenbley 2012), 201 f. 729 WEKO v. 2.11.2009 – RPW 2010/4, 649, 660 Rn. 112 – Hors-Liste Medikamente; 2008 hakte die WEKO auch anlässlich Preisempfehlungen bei Fahrrädern frühzeitig nach, s. v. 4.7.2008 – RPW 2008/3, 383, Rn. 13 – Scott Bikes. 730 WEKO, RPW 2010/4, 649, 660, Rn. 112 ff. – Hors-Liste Medikamente. 731 WEKO, RPW 2010/4, 649, 660, Rn. 123 ff. – Hors-Liste Medikamente. 732 WEKO, RPW 2010/4, 649, 660, Rn. 134 ff. – Hors-Liste Medikamente. 733 WEKO, RPW 2010/4, 649, 660, Rn. 144 f. – Hors-Liste Medikamente. 734 WEKO, RPW 2010/4, 649, 660, Rn. 146. – Hors-Liste Medikamente. 735 Krit. hierzu ausf. Frick / Leibenath, Jüngere Entwicklungen im Bereich der Vertikalabreden in der Schweiz, in: Kartellrecht in Theorie und Praxis (FS Canenbley 2012), 201 f. 736 Eingehend krit. Reinert, in: Amstutz / Stoffel / Hochreuthener, Die Praxis des Kartellgesetzes im Spannungsfeld von Recht und Ökonomie 2011, 21 ff.

D. Reichweite und Abgrenzungen des Preisbindungsverbotes

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gend gelten, wenn sie infolge der Ausübung von Druck oder Gewährung von Anreizen tatsächlich wie Mindest- oder Festpreise wirken. Dieses Kriterium allein ist also im Sinne eines Eingreifkriteriums zu sehen, während die übrigen wie auch der Befolgungsgrad nun deutlich als Aufgreifkriterien gekennzeichnet sind.737 Die Neufassung ist also deutlicher, nichtsdestoweniger blieb die besondere Strenge gegenüber dem Instrument Preisempfehlung in der Schweiz sichtbar, was zu erheblicher Unsicherheit führte. Gegen die niedrige Aufgreifschwelle und insbesondere gegen das Kriterium des Befolgungsgrades mag man einbringen, dass sie über den Willen des Gesetzgebers, eine mit dem EU-Kartellrecht kompatible Rechtslage zu schaffen, deutlich hinausgeht. Die Ausgestaltung durch die WEKO, insbesondere wie sie im Fall Hors-Liste erfolgte, ist jedoch gerichtlich noch nicht geklärt: Zunächst hatte das BVGer den WEKO-Entscheid mit der Begründung aufgehoben, dass das Kartellgesetz auf den vorliegenden Fall gar nicht anwendbar sei, weil der Preiswettbewerb für diese Medikamente aufgrund der heilmittelgesetzlichen Werbebeschränkungen ausgeschlossen sei.738 Das Bundesgericht hob die Entscheide des Bundesverwaltungsgerichts nun jedoch auf und wies die Fälle zur Neubeurteilung und Berücksichtigung auch des KG an die Vorinstanz zurück.739 Mit Spannung und Sorge im Hinblick auf ein angemessenes Verhältnis zur grundsätzlichen Zulässigkeit von Preisempfehlungen wurde deshalb beobachtet, ob die WEKO sich auf Grundlage der VertBek 2010 in Zukunft bei der Beurteilung von Preisempfehlungen ähnlich extensiv verhalten würde wie das BKartA in CibaVision.740 Schon aufgrund der unterschiedlichen gesetzlichen Grundlage lässt sich dies in Bezug auf die WEKO jedoch nicht beobachten. Preisempfehlungen wurden in den Fällen Hors-Liste Medikamente,741 Festool742 und Elektrovelos Flyer743 zum Gegenstand von Preisbindungsuntersuchungen der WEKO. Die Behörde begründete schon ihr Aufgreifen dabei nie nur mit dem Befolgungsgrad, sondern suchte qualifizierende Elemente. Zum Befolgungsgrad bei Preisempfehlungen, der wie häufig zu erwarten erst im Rahmen der Untersuchung durch die Behörde ermittelt wird, äußerte sie sich 2011 in Sachen Festool (TTS Tooltechnik) anknüpfend an die Praxis in HorsListe erneut.744 Ausgewogen gibt sie zu: Der Befolgungsgrad könne auch bei hohem Anteil im Markt kein alleiniges Kriterium sein, will man nicht die gesetzliche Legalität der Preisempfehlung in der Praxis dem Zufall überlasZiff. 15 Abs. 3 VertBek 2010. BVGer v. 3.12.2013 – B-320/2010 – Hors-Liste Medikamente. 739 BGer v. 28.1.2015 – 2C_80/2014 – Hors-Liste Medikamente. 740 Frick / Leibenath, Jüngere Entwicklungen im Bereich der Vertikalabreden in der Schweiz, in: Kartellrecht in Theorie und Praxis (FS Canenbley 2012), 203. 741 WEKO v. 2.11.2009 – RPW 2010/4, 649, 660 ff. – Hors-Liste Medikamente. 742 WEKO, RPW 2011/3, 364, 366, Rn. 16 – Festool vgl. auch das deutsche Parallelverfahren gg. TTS Tooltechnik). 743 WEKO v. 15.8.2012 – RPW 2012/3, 476, Rn. 22 – Electrovelos Flyer. 737 738

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2. Teil: Die Preisbindung der zweiten Hand – ein Rechtsvergleich

sen.745 Maßgeblich sei eher der übergeordnete Punkt der Ausübung von Druck oder Gewährung von Anreizen, wobei die Behörde in Sachen Electrovelos Flyer und Festool trotz einiger Anzeichen für subjektiv empfundenem Druck bei mehreren Händlern (bzw. objektiv glaubhaft ausgeübtem Druck bei einem Einzelhändler) hinsichtlich der Einhaltung von Richtpreisen immer noch von Einzelfällen ausging. Diese seien nicht hinreichend erheblich gewesen, um eine Preisbindung festzustellen. Im Fall Festool ging die Behörde sogar soweit, angenommen eine Abrede hätte bestanden, zu bescheinigen, dass diese bei einer vollumfänglichen Befolgungsrate nicht ausgereicht hätte, um Wettbewerb wirksam zu beseitigen oder erheblich zu beeinträchtigen (aufgrund der geringen Marktanteile von Festool, 15–25 %). Innerhalb der – streng formulierten – Herangehensweise scheint die Behörde mitnichten einseitig voreingenommen zu entscheiden, sondern ließ bei Preisempfehlungen, die nur im Einzelfall die Grenze zur Druckausübung überschritten hatten, sogar Raum für Erheblichkeitsargumente.746 Ob dies nach Gaba/WEKO noch der Fall sein wird, lässt sich jedoch damit nicht sagen. Interessant ist insofern die direkte Gegenüberstellung mit dem vom BKartA anders entschiedenen Verfahren gegen TTS Tooltechnik 2 Jahre später (Bußgeld i. H. v. 8,2 Mio. Euro). Zwar betreffen die beiden Verfahren insofern unterschiedliche Sachverhalte, trotzdem zeigt sich deutlich die durch die kriminalisierte Druckausübung vorverlagerte Eingreifschwelle nach deutschem Recht. IV. Höchstpreisbindungen Preisbindungen waren zunächst auf beiden Seiten des Atlantiks unterschiedslos verboten, hingegen sind Höchstpreisbindungen747 im Gegensatz zu Mindest- und Festpreisbindungen heute rehabilitiert. Im Kontrast zu vertikalen Mindest- und Festpreisbindungen sind sie in der EU – wenngleich nur als bewirkte – aber dennoch als Wettbewerbsbeschränkungen i. S. d. Art. 101 Abs. 1 AEUV anzusehen.748 Sie sind damit aber von der Kernbeschränkungsdefinition der Kommission ausgenommen und nach der Rechtsprechung und 744 WEKO, RPW 2011/3, 364, 365, Rn. 16 – Festool; WEKO v. 2.11.2009 – 22-0326, RPW 2010/4, 649, 660, Rn. 11 – Hors-Liste Medikamente; v. 16.2.2004 – RPW 2004/2, 331, Rn. 13 – ASTAG Preisempfehlungen / Kalkulationshilfen. 745 WEKO, RPW 2011/3, 364, 367, Rn. 34 – Festool, m. Verweis auf Amstutz / Reinert, in: Stoffel / Zäch, Kartellgesetzrevision 2003, 86. 746 WEKO, RPW 2011/3, 364, 365, Rn. 66 – Festool: die WEKO schien im Übrigen davon auszugehen, dass die 30 %-Freistellungsgrenze der Kommission für Preisempfehlungen gelte. Preisempfehlungen sind, sobald sie sich wie Mindest-oder Festpreise auswirken als Kernbeschränkungen anzusehen und unabhängig von Marktanteilen nicht freigestellt. 747 Umfangreich Kasten, Höchstpreisbindungen. 748 Andere Ansicht Kasten, Höchstpreisbindungen, 838.

D. Reichweite und Abgrenzungen des Preisbindungsverbotes

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der Kommissionspraxis keine immer spürbaren Beschränkungen.749 Bereits seit der GVO 2790/1999 sind sie damit freigestellt, wenn die Marktanteile der beteiligten Unternehmen nicht mehr als 30 % betragen. Wettbewerbsbeschränkungen sind sie trotzdem und in der GVO und den Leitlinien stets zusammen mit Preisempfehlungen genannt. Aus ökonomischen Erwägungen ist dies absolut sinnvoll, weil beide insofern ähnlich wirken, als sie – zumindest bei Aufdruck – als faktische Höchstpreisgrenze wirken können, weil sie aus Signalgründen kaum ein Händler überschreiten möchte. Im Gegensatz zu Preisempfehlungen gilt die Marktanteilsschwelle bei Höchstpreisbindungen somit nicht nur in deklaratorischer Hinsicht. Sie der Überprüfbarkeit nicht gänzlich zu entziehen, kann aufgrund der möglichen Verwendung zusammen mit anderen Maßnahmen und der theoretischen Festlegung von Preisen und Preisspannen durch Höchstpreisbindungen gerechtfertigt sein, um auch etwaige Umgehungen des Preisbindungsverbotes zu erfassen. Die Restriktionen im Bereich der Beweisführung sind hier mangels Qualität als bezweckte Beschränkung auch nicht gegeben. Damit sollte die Rechtfertigung über Effizienzen in den Fällen vorteilhafter Maximalpreisbindungen überwiegend unproblematisch gelingen. Zwar gibt es nach wie vor keine europäische Rechtsprechung zu Höchstpreisbindungen,750 die Kommissionspraxis ging aber trotz europäischer Betonung der wirtschaftlichen Handlungsfreiheit und Einordnung als Wettbewerbsbeschränkung ebenfalls nicht dazu über, Höchstpreisbindungen aufzugreifen und zu sanktionieren. In Nathan Bricolux waren Höchstpreisbindungen zwar tatsächlich ebenfalls Gegenstand der bebußten Vereinbarungen, allerdings sah die Kommission die Vereinbarung deshalb wohl zu recht als preiserhöhend an, weil sie in Verbindung mit der gleichzeitigen Vereinbarung von Mindestpreisen und Gebietsbeschränkungen eindeutig als Preisfestsetzung zur Beseitigung des Wettbewerbs dienen sollte.751 Wo Preisbindungen dazu genutzt werden können, im Rahmen einer Niedrigpreisstrategie auch die Preise im Endkundenmarkt zu drücken, was den Restwettbewerb beeinträchtigen und wirtschaftlich unterlegene Wettbewerber 749 Verordnung (EU) Nr. 330/2010 der Kommission v. 20.4.2010 über die Anwendung von Art. 101 Abs. 3 AEUV auf Gruppen von vertikalen Vereinbarungen, ABl. EU 2010 L 102/1. 750 EuGH v. 6.11.1979 – Rs. C-16/79, Slg. 1979, I-3327 – Danis, spricht Maximalpreisbindungen zwar an, betraf aber staatliche Preisregulierung. 751 Komm. v. 5.7.2000 – ABl. 2001 L 54/1, 12, Rn. 87 – Nathan-Bricolux; Komm., Mitteilung über die Anwendung der EG-Wettbewerbsregeln auf vertikale Beschränkungen, ABl. 1998 C 365/3, 10, 21: die frühere Äußerung der Kommission, dass die Verpflichtung, einen Höchstwiederverkaufspreis einzuhalten […] als solche wettbewerbsbeschränkend ist ist jedoch nicht (mehr) dahin zu interpretieren, dass eine Wettbewerbsbeschränkung i. S. d. Abs. 1 grds. verneint wird, sondern muss in Bezug auf die flankierenden Umstände im Einzelfall verstanden sein, s. nur Immenga / Mestmäcker-Ellger, Art. 4 VO 330/2010, Rn. 19; a. A. Kasten, Höchstpreisbindungen, 838.

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2. Teil: Die Preisbindung der zweiten Hand – ein Rechtsvergleich

aus dem Markt drängen kann, greift gleichwohl die Missbrauchskontrolle aus Art. 102 AEUV. Besser bekannt ist diese Konstellation schon ohne die flankierende Anwendung einer Preisbindung unter dem Stichwort der Kampfpreisunterbietung (predatory pricing) im Horizontalverhältnis. In einem solchen Umfeld kann die Preisbindung der zweiten Hand also eine Form des Verdrängungsmissbrauchs gegenüber direkten Wettbewerbern darstellen.752. Eine Orientierung geben dann die zum Themenkomplex der Preismissbrauchskontrolle entwickelten Kriterien.753 In den USA sind Höchstpreisbindungen seit dem Urteil State Oil v. Khan 1997 der rule of reason unterstellt.754 Khan knüpfte – wenn auch mit 20 Jahren Verspätung – an die Entwicklung nach Sylvania an und stellte auch den früheren Gleichklang mit vertikalen Wettbewerbsbeschränkungen für Maximalpreisbindungen unter rule of reason her.755 Das frühere Verbot von Höchstpreisbindungen beruhte wie für Minimum-RPM zunächst auf Dr. Miles, war aber im Wandel der Zeit und der Politik durch den Supreme Court in Kiefer Steward (1951), Albrecht v. Herald Co. (1968) auch ausdrücklich auf Preisobergrenzen übertragen worden.756 Die Konstellation in Khan war insofern bemerkenswert, als die streitgegenständliche Vereinbarung gar keine Höchstpreisbindung im engen Sinne war, sondern eine nur bewirkte Höchstpreisbindung. Der Betreiber einer Tankstelle und Letztverkäufer von Mineralölprodukten – Barkat U. Khan – war im Rahmen seines Alleinbezugsverhältnisses mit dem Mineralölgroßhändler und Verpächter der Tankstelle – State Oil – nur wirtschaftlich auf Höchstpreise verpflichtet worden. Vertragstechnisch lag eine Berechtigung des Treibstofflieferanten zur Aussprache von Preisempfehlungen und gleichzeitiger vertraglicher Vereinbarung einer festen Gewinnspanne des Tankstellenbetreibers vor. Khan war in der Wahl seiner Abgabepreise an Kunden gänzlich frei, bloß musste er die durch höhere Preise ggf. zusätzlich erwirtschaftete Marge pro Gallone an State Oil abgeben. Durch Anhebung seiner Verkaufspreise hätte Khan damit nicht nur nicht mehr Gewinn erwirtschaftet, sondern angesichts fallender Nachfrage auch weniger 752 Immenga / Mestmäcker-Fuchs / Möschel, Art. 102, Rn. 193, 229; EuGH v. 11.4.1989 – Rs. C- 66/86, Slg. 1989, I-808, 838, 850, Rn. 42 f. – Ahmed Saeed Flugreisen u. a. /  Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs; Komm. v. 10.12.1982 – ABl. 1982 L 360/36, 40, Rn. 30 – British Telecommunications; Komm. v. 7.12.1988 – ABl. 1989 L 33/44, 66, Rn. 81 – Flachglas. 753 Immenga / Mestmäcker-Fuchs / Möschel, Art. 102 AEUV, Rn. 225–230, 176 ff. 754 State Oil Co. v. Khan, 522 U.S. 3 (1997); s. für eine deutschsprachige Aufarbeitung nur Kasten, Höchstpreisbindungen, 632 ff. 755 Sullivan / Harrison, Antitrust and its Economic Implications, 229/230. 756 Kiefer-Stewart Co. v. Joseph E. Seagram & Sons, Inc., 340 U.S. 211 (1951); Albrecht v. Herald Co., 390 U.S. 145 (1968); darüber hinaus waren am Rande vertikale Höchstpreisbindungen Gegenstand in Atlantic Richfield Co. v. USA Petroleum Co., 495 U.S. 328 (1990).

D. Reichweite und Abgrenzungen des Preisbindungsverbotes

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Umsatz bei gleicher Marge pro Gallone. Die Kreativität bei vertikalen preislichen Vereinbarungen ist also von jeher groß gewesen. Ungeachtet der komplizierten prozessualen Kriegsschauplätze im Verfahren hatte der Supreme Court hier allerdings nur über die Frage nach dem per se-Verbot von State Oils Höchstpreisbindung, also die Fortgeltung von Albrecht, zu entscheiden. Auch wenn die Konstellation hier abenteuerlich anmutet, so wäre wohl die Höchstpreisbindung auch nach heutigen Maßstäben an sich zu rechtfertigen. Es handelte sich um eine besondere Konstellation: die im Fall von Kraftstoffen immer naheliegende doppelte Margenbildung stand im Raum, die sich zwar nicht auf den ersten Blick, aber doch aus dem angestrebten Verhältnis der Umsätze aus dem Vertrieb verschiedener Kraftstoffsorten und Konsumgütern in der Tankstelle bzgl. Superbenzins ergab und das Interesse des Zulieferers bei der Anreizsteuerung des Tankstellenbetreibers erklärte.757 Seit 1997 gilt mit der rule of reason für Höchstpreisbindungen also eine Zulässigkeitsvermutung, die der ökonomischen Einschätzung folgt. Auch unter rule of reason-Gesichtspunkten kann aber die Vermutung der Zulässigkeit von Vereinbarungen widerlegt werden. Bis 2005 waren soweit zwar keine erfolgreichen Angriffe auf Maximalpreisbindungen zu verzeichnen,758 die Entwicklungen post Leegin schließen aber nicht aus, dass Höchstpreisbindungen, die tatsächlich wie Mindest- oder Festpreisbindungen wirken, ebenfalls kritischer, also ggf. im Wege eines inherently suspect approach beurteilt werden. Weiterhin problematisch ist auch im US-Recht die Verwendung au Kampfpreisniveau, im Wege des predatory pricing, wobei sich hier das Verbot direkt aus Sec. 2 Sherman Act ergibt. Insgesamt ist die Rechtslage in den USA und Europa zu Höchstpreisbindungen also vergleichbar. In rechtsvergleichender Hinsicht ist die Entwicklung hier zeitlich so parallel zu europäischen wie in keinem anderen Aspekt um vertikale Preisvereinbarungen. Die Rehabilitierung der Höchstpreisbindungen in Deutschland erfolgte hingegen verzögert und wurde erst mit der Angleichung an die EURechtslage durch die 7. GWB-Novelle herbeigeführt. Bis dahin waren Höchstpreisbindungen nach § 14 GWB a. F. verboten.759 Ob sie im Rahmen des § 1 GWB aktueller Fassung außerhalb der Freistellungsgrenzen des § 2 GWB i. V. m. GVO 330/2010 damit als wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen zu gelten haben, ist damit nicht letztverbindlich geklärt, aber eine solche Auslegung ist naheliegend und sinnvoll.760 Damit ergibt sich für Höchstpreisbindungen im deutschen Recht keine materielle Abweichung, wie 757 Zusammenfassend Kasten, Höchstpreisbindungen, 648 ff.; zur ökonomischen Analyse Klein, 7 S. Ct. Econ. Rev. 1999, 1 ff. 758 Kasten, Höchstpreisbindungen, 715. 759 Die 6. GWB-Novelle erging, als noch kein Anpassungsbedarf ersichtlich war, vgl. nur Kasten, Höchstpreisbindungen, 844. 760 So auch Immenga / Mestmäcker-Zimmer, § 1 GWB, Rn. 356 und Langen / BunteBahr, Anhang zu §§ 1 und 2 GWB, Rn. 298.

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2. Teil: Die Preisbindung der zweiten Hand – ein Rechtsvergleich

auch für die Rechtslage in der Schweiz im Wesentlichen keine Besonderheiten in der Beurteilung von Höchstpreisbindungen gelten. Ausgenommen sind auch hier vom Preisbindungsverbot – gemäß europäischem Vorbild – Höchstverkaufspreise.761 Sie fallen nach herrschender Ansicht grundsätzlich nicht unter den Vermutungstatbestand von Art. 5 Abs. 4 KG, was sich zwar nicht aus dem Wortlaut, aber aus der Entstehung ergibt.762 Begründet wird dies mit der allgemeinen Annahme der Unschädlichkeit von Höchstpreisen im Hinblick auf die Begrenzungsfunktion und das Interesse aller Endverbraucher, die Rückfallposition für im Einzelfall schädliche Höchstpreisvorgaben verbleibt in Art. 5 Abs. 1 und 2 KG auch hier.763 V. Relative Preisvereinbarungen 1. Einführung Neben den bisher behandelten Preisvereinbarungen im Vertikalverhältnis bestehen auch Möglichkeiten der relativen Vereinbarung von Preisen im (Weiter-) Verkauf zwischen Hersteller und Händler. Ein durchaus legitimes Mittel im Preiswettbewerb und daher nicht Gegenstand der folgenden Betrachtung sind relative Preisgarantien (Vergleichspreisübernahmegarantie, Niedrigpreisgarantie /Across Sellers PRAs). In solchen Konstellationen verspricht ein Lieferant seinen Abnehmern (werblich, vertraglich oder auch in langfristigen Rahmenvertrag) lediglich, dass er sein Preisangebot anpasst für den Fall, dass der Endkunde oder Abnehmer ein vergleichbares Konkurrenzprodukt zu einem niedrigeren Preis findet und/oder den Abnehmer den Differenzbetrag vom Kaufpreis zurückerstattet.764 Die relative Kopplung einer Preisvorgabe, z. B. an den Preis von Konkurrenzprodukten (Price Relationship Agreement/PRA), in deren Rahmen der Hersteller dem Händler vorschreibt, dass das Produkt in Referenz zu einem herstellerfremden Konkurrenzprodukt ein bestimmtes Preisniveau im Endverkauf haben muss, ist hingegen eine mittelbare Preisbindung. Sie ist in unproblematisch vom Preisbindungsverbot erfasst, weil der Händler in der Preissetzungsfreiheit beschränkt und zudem eine Horizontalwirkung bewirkt wird. In letzter Zeit standen vermehrt weitere Konstellationen vertikaler Preisvereinbarungen im Fokus der Behörden. Die Vereinbarungen zwischen einem Borer, Art. 5 KG, Rn. 41 unter Bezugnahme auf die VO 2790/1990 der Komm., ABl. EG 1999, L 336/23 und die Leitlinien für vertikale Beschränkungen; Amstutz /  Reinert, in: Stoffel / Zäch, Kartellgesetzrevision 2003, 87 ff., 95 f. 762 Andere Ansicht Zäch, Die sanktionsbedrohten Verhaltensweisen nach Art. 49a Abs. 1 KG insbesondere der neue Vermutungstatbestand für Vertikalabreden, in: Stoffel /  Zäch, Kartellgesetzrevision 2003, 40; zur h. M. Amstutz / Reinert, in: Stoffel / Zäch, Kartellgesetzrevision 2003, 87, 95; m. w. N. Borer, Art. 5 KG, Rn. 41. 763 Amstutz / Reinert, in: Stoffel / Zäch, Kartellgesetzrevision 2003, 95. 764 Siehe z. B. Immenga / Mestmäcker-Zimmer, § 1 GWB, Rn. 369. 761

D. Reichweite und Abgrenzungen des Preisbindungsverbotes

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Waren- oder Dienstleistungsanbieter mit einem oder mehreren seiner Vertriebspartner auf der nächsten Marktstufe bezog sich dabei ebenfalls auf einzuhaltende Preisniveaus oder garantierte Niedrigpreise im Weiterverkauf. Allerdings handelt es sich bei den im Folgenden besprochenen Klauseln vor allem um Dreiecksbeziehungen.765 In aktuell diskutierten Fällen hatten sich Betreiber von virtuellen Marktplätzen und Vermittlungsportalen vertraglich zusichern lassen, dass der jeweilige Anbieter sie im Hinblick auf Angebotspreise und Konditionen bevorzugt behandelt, wobei sich das Preisversprechen als sog. Bestpreisgarantie im direkten Verhältnis zum Endkunden auswirkte. Diese Variationen beruhen auf sog. Meistbegünstigungsklauseln, die im Folgenden näher behandelt werden. 2. Meistbegünstigungsklauseln Meistbegünstigungsklauseln sind „spiegelverkehrte“ Preisbindungen. In solchen Vereinbarungen verpflichtet sich ein anbietendes Unternehmen gegenüber seinem Abnehmer, dass es dritten Nachfragern keine günstigeren Konditionen gewähren wird (echte Meistbegünstigungsklausel) oder Dritten zugestandene Konditionen automatisch auch dem Vertragspartner gewährt (unechte MBK).766 MBKs sind zu Lasten des Anbieters oder des Käufers möglich.767 Weil MBKs die unternehmerische Freiheit, verschiedene Vertragspartner im Geschäftsverkehr unterschiedlich zu behandeln – konkret die Preisentscheidungsfreiheit des begünstigenden Vertragsteils – beschränken, bilden sie grundsätzlich den Tatbestand einer wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarung bzw. können einen Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung darstellen (Artt. 101, 102 AEUV; §§ 1, 2, 18, 19 GWB).768 Hiervon wird durch § 2 GWB – vollharmonisiert – im Anwendungsbereich der Vertikal-GVO bei Marktanteilen unter 30 % insofern eine Ausnahme Überblick OECD Vertical Restraints for Online Sales, DAF/COMP(2013)13. Bosch, GWB, § 1 Rn. 68; Kurth, WuW 2003, 28 ff. 767 Seeliger, in: Wiedemann, Kartellrecht, § 11, Rn. 161. 768 Bosch, GWB, § 1. Rn. 59; Seeliger, in: Wiedemann, Kartellrecht, § 11, Rn. 161; zur Terminologie und alten Rechtslage unter VO 2790/1999 s. Kurth, WuW 2003, 28; in Deutschland waren sie sowohl zulasten des Lieferanten als auch des Abnehmers von Waren bzw. Dienstleistungen nach § 14 GWB a. F. untersagt, nichtig und auch nicht im Einzelfall freistellungsfähig, BKartA v. 26.2.1999 – WuW/ DE-V 94 – MetroMGE EinkaufsGmbH; BGH v. 27.1.1981 – KVR 4/80, BGHZ 80, 43, 47 = GRUR 1981, 605 – GarantLieferprogramm. Seit der 7. GWB-Novelle harmonisiert werden sie von §§ 1, 2 GWB bzw. von §§ 18, 19 GWB erfasst; für die Beurteilung von Meistbegünstigungsklauseln (und Konstellationen auf Online-Plattformen wie Amazon, eBay, Rakuten und Hotelportalen wie HRS, booking.com, Expedia u. a. ist grundsätzlich europäisches und deutsches Recht einschlägig, weil Händler aus anderen Mitgliedstaaten Angebote einstellen können und dies auch tun, weshalb der Handel zwischen den Mitgliedstaaten i. S. d. Artt. 101, 102 AEUV beeinträchtigt werden kann. Im Folgenden sei – soweit nicht gesondert auf Unterschiede eingegangen – europäische und deutsche Regelung gemeinsam besprochen. 765 766

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2. Teil: Die Preisbindung der zweiten Hand – ein Rechtsvergleich

gemacht, als zu Kernbeschränkungen i. S. d. Art. 4 lit. a) VO 330/2010 nur die Beschränkung des Abnehmers hinsichtlich der unabhängigen Festlegung seiner Verkaufspreise zählt. Die Vorgabe von Höchstverkaufspreisen durch den Anbieter sowie die Aussprache von Preisempfehlungen ist ausdrücklich nicht erfasst, solange sich diese nicht […] tatsächlich wie Fest- oder Mindestverkaufspreise auswirken. Per definitionem sind MBKs damit unstreitig769 markstufenaufwärts, also solange sie den Lieferanten binden, nicht von der Kernbeschränkungsdefinition erfasst. Damit sind sie nach dem Prinzip der Vertikal-GVO bis zu einer Marktanteilsgrenze von 30 % automatisch gruppenfreigestellt.770 Mit der Freistellung von MBKs zu Lasten des Lieferanten durch die VO 330/2010 existiert überdies keine Vermutung für die Wettbewerbsschädlichkeit; aus der Bagatellbekanntmachung der Kommission folgt vielmehr, dass die Behörden bei Marktanteilen von höchstens 10 % (Wettbewerber) bzw. 15 % (Nichtwettbewerber) auf den betroffenen Märkten weder auf Antrag noch von Amts wegen ein Verfahren eröffnen. 771 Das deutsche BKartA weicht dahingehend in seiner Bagatellbekanntmachung von der Kernbeschränkungsdefinition in europäischer Vertikal-GVO und De-minimisBekanntmachung ab, indem es sämtliche Vereinbarungen von der Geringfügigkeitsvermutung ausnimmt, die mittelbar oder unmittelbar die Festsetzung von Preisen oder Preisbestandteilen beim Einkauf oder Verkauf von Erzeugnissen bzw. beim Bezug oder der Erbringung von Dienstleistungen bezwecken oder bewirken.772 Bei rein innerdeutschen Sachverhalten ohne grenzüberschreitendes Element können MBKs mit geringen Marktanteilen also nicht automatisch von der Gruppenfreistellung profitieren. Solche Fälle dürften aber im wachsenden Online-Handel – trotz teils unsicherer Marktabgrenzung – eher die Ausnahme darstellen. Theoretisch bleibt einer Kartellbehörde der Entzug der Freistellung (Art. 29 VO 1/2003; § 32d GWB) bzw. die Bestimmung der Nichtanwendbarkeit der Vertikal-GVO durch Verordnung.773 In frühen Stellungnahmen zu Bestpreis-/Preisparitätsklauseln wurde teilweise angenommen, dass die VO 330/2010 nicht anwendbar sei, weil es sich bei Plattformen nicht um ein Lieferanten-Abnehmer-Verhältnis, sondern um ein Vermittlungsgeschäft handele, vgl. aber Art. 1 h) VO 330/2010. 770 Anders beurteilt sich die MBK zu Lasten des Käufers, die von der Kommission explizit als Beispiel für eine mittelbare Festsetzung von Preisen in Verbindung mit Maßnahmen beschrieben wird, die dem Käufer weniger Anreiz zur Senkung des Wiederverkaufspreises geben, s. Vertikalleitlinien 2010, Rn. 48. Es ist also davon auszugehen, dass die Kommission MBKs zulasten des Käufers als Kernbeschränkung im Sinne des Art. 4 lit. a) 1. Hs. VO 330/2010 ansieht. 771 Komm., De-minimis-Bekanntmachung 2014, Rn. 8a. 772 BKartA, Bagatellbekanntmachung 2007. 773 Bei Bündeln von Vereinbarungen, die mehr als 50 % des Marktes betreffen, Art. 6 VO 330/2010, Art. 1a VO 19/65. 769

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In der Schweiz wurde mit Einführung des Art. 5 Abs. 4 KG zwar eine grundsätzliche Anlehnung an das europäische Recht angestrebt. Verhaltensweisen, die nach EU-Recht zulässig sind, sollten deshalb ebenfalls nicht vom eingeführten schweizerischen Vermutungstatbestand erfasst werden. Deshalb ist der Wortlaut von Art. 5 Abs. 4 KG im Hinblick auf Meistbegünstigungsklauseln eigentlich zu weit gefasst und wird im Fall einer Abweichung vom EU-Recht entsprechend restriktiv interpretiert.774 Meistbegünstigung ist auch im Antitrustlaw bekannt, allerdings verstecken sich die entsprechenden Klauseln nicht nur unter den unterschiedlich spezifischen Begriffen most favored nation clause, most favored customer bzw. most favored buyer clause (MFN). Sie werden häufig auch als sog. antidiscrimination oder price protection agreements besprochen. Als vertikale Vereinbarungen unterliegen sie grundsätzlich der rule of reason-Beurteilung.775 Die Maßgabe der gesetzlichen Regelung zur Preisdiskriminierung 776 und das anders akzentuierte Verständnis im Zuge der theory of harm führen aber dazu, dass der behördliche und gerichtliche Umgang mit MFNs sich an den Grundsätzen des einseitigen Handelns orientiert. Insofern wird die Second Circuit Entscheidung in Sachen Du Pont (Ethyl) gemeinhin als gerichtlicher Riegel vor einen Angriff solcher Klauseln als unilateral facilitating practice unter § 5 FTC Act verstanden.777 Einseitiges Verhalten fällt nicht unter Sec. 1 Sherman Act; Sec. 2 greift hingegen auch erst ab gewisser Marktdominanz ein.778 Soweit die Vereinbarungen unter der rule of reasonbeurteilt wurden, haben sich Gerichte in den Staaten allerdings eher schwer damit getan, sich auf horizontale Effekte zu konzentrieren. Stattdessen sind sie häufig oberflächlich davon ausgegangen, dass vertikal vereinbarte MFNs zu sinkenden Preisen führen. Zwar wächst auch bei amerikanischen Gerichten das Bewusstsein für anti-kompetitive Effekte stetig. Bis zur Grenze des Mit weiteren Nachweisen zur Gesetzesentstehung Amstutz / Reinert, in: Stoffel /  Zäch, Kartellgesetzrevision 2003, 86; Borer, Art. 5 KG, Rn. 32. 775 Vgl. Broder, 59; vorgeschlagen hat dies auch Simons, 17 Hofstra L. Rev. 1989, 599. 776 Das Verhältnis des amerikanischen Rechts zur preislichen Diskriminierung wird in letzter Zeit vermehrt kritisiert. Aus der gesetzlichen Vorgabe des Robinson-Patman Act folgt ein Verbot der preislichen Diskriminierung und damit auch der Preisdifferenzierung. Dementsprechend sind MFNs legal. Der Robinson-Patman Act stellt im Kontext moderner Wettbewerbstheorie aber einen Fremdkörper dar, weil freie Preisbildung und in gewissem Umfang damit auch Preisdiskriminierung abhängig von den ökonomischen Gesamtumständen eher zu sinkenden Endkundenpreisen und größerem Output führen. Der Supreme Court hält in Fällen privater Durchsetzung den Einfluss der Regelung in Grenzen, wie auch DoJ und FTC geringes Interesse an der Durchsetzung zeigen, vgl. 15 U.S.C. § 13; Brooke Group Ltd. v. Brown &Williamson Tobacco, 509 U.S. 209 (1993); Sullivan / Harrison, Antitrust and its Economic Implications, 413, 416. 777 E.I. Du Pont De Nemours & Co. v. Federal Trade Commission (Ethyl), 729 F.2d 128 (2d Cir. 1984). 778 Mit weiteren Nachweisen Gavil / Kovacic / Baker, 344. 774

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2. Teil: Die Preisbindung der zweiten Hand – ein Rechtsvergleich

Nachweises horizontaler Abstimmung ist es jenseits des Atlantiks aber (noch) relativ schwer, MFNs gerichtlich anzugreifen.779 3. Bestpreis- bzw. Preisparitätsklauseln Seit Ende 2013 sind vermehrt MBKs in Gestalt sog. Bestpreis- bzw. Preisparitätsklauseln Gegenstand der kartellrechtlichen Diskussion in Deutschland geworden.780 Im Rahmen von Internetgeschäften erlebten diese Klauseln in Deutschland und Großbritannien zunächst unbemerkt eine wahre Renaissance – teils branchenweit. Betreiber von virtuellen Marktplätzen oder Vermittlungsportalen hatten sich darin vertraglich zusichern lassen, dass der jeweilige Anbieter sie im Hinblick auf Angebotspreise und Konditionen bevorzugt behandelt. Das Preisversprechen wirkte sich dabei im direkten Verhältnis zum Endkunden aus. Dieser Drittbezug ist zugleich die Besonderheit gegenüber konventionellen Meistbegünstigungsklauseln, die die Wettbewerbsparameter der Provisionen und Gebühren auf zweiseitigen Internetplattformen eliminieren kann.781 Ein erster Fall drehte sich um den Internetriesen Amazon: Hier hatte das LG München I782 frühzeitig eine wettbewerbsbeschränkende Klausel i. S. d. § 1 GWB für damals streitgegenständliche antiquarische Bücher festgestellt, bevor sich das BKartA selbst 2013 dem allgemeinen Gebaren um die „Preisparität“ beim Versandhändler annahm. Nach den Untersuchungen des Amtes verzichtet Amazon seit November 2014 endgültig auch für andere Produkte auf diese Klausel.783 Größere Aufmerksamkeit erfuhren diese Vereinbarungen aber nach Beschwerden von einzelnen Hotels784 und der Abstellungsverfügung des BKartA gegen einen Anbieter von Hotelvermittlungsleistungen HRS785 im Winter 2013. Das BKartA wurde in seiner Einschätzung im Januar 2015 vom OLG Düsseldorf gerichtlich bestätigt.786 Auch gegen den Wettbewerber Booking erging mittlerweile eine UntersaGavil / Kovacic / Baker, 347, 48; vgl. Salop / Scott Morton, 27 Antitrust 2013, 15 ff. Meistbegünstigungsklauseln (MBK/MFN) seien im Folgenden im engen Sinne ohne den plattformtypischen Drittbezug verstanden. Als Preisparitätsklausel bezeichnet wird die (Plattform-) Konstellation mit entsprechendem Drittbezug (APPA), ggf. auch im Sinne einer maximalen Besserstellung, womit auf die entsprechenden Beispielsfälle aus der Verwendung bei Amazon bzw. HRS verwiesen sein kann, aber nicht sein muss. Der Begriff der Bestpreisgarantie umfasst die zusätzliche Kundenkommunikation nach außen, die mit einer Art „Geld-zurück-Garantie“ verknüpft wird. 781 Siehe oben 1. Teil D.II, 110. 782 LG München I v. 31.3.2010 – 37 O 7636/10 = MMR-Aktuell 2010, 303085 – Mediantis / Amazon. 783 BKartA v. 26.11.2013 – B6-46/12, FB v. 9.12.2013 – Amazon. 784 In Rede stand auch ein privater Hotelaufenthalt des Präsidenten des BKartA. 785 HRS-Hotel Reservation Service Robert Ragge GmbH. 786 OLG Düsseldorf v. 9.1.2015 – VI-Kart. 1/14 (V) – Bestpreisklausel; ausf. Walter, ZWeR 2015, 157. 779 780

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gungsverfügung bezüglich sog. „enger“ Bestpreisklauseln.787 Gegen einen weiteren Wettbewerber – Expedia – läuft ebenfalls ein Verfahren. Die ungewöhnliche Preispolitik hatte Folgendes zum Gegenstand: Hotelbetreiber verpflichteten sich regelmäßig gegenüber dem Plattformbetreiber als Vermittler der Hoteldienstleistungen, auf dessen Internetseite immer den jeweils günstigsten Zimmerpreis anzubieten. Die im Fall von HRS getroffenen Vereinbarungen waren denkbar umfassend und betrafen über den Preis hinaus auch Stornierungs- und Verfügbarkeitsregelungen. Als „Bestpreisklauseln“ sind sie deshalb in die Diskussion gekommen, weil HRS im Außenverhältnis damit warb, dass ebenjene Bestkonditionen stets bei HRS zu finden seien. Das kuriose Ergebnis war, dass nicht nur niedrigere Preise auf anderen Vermittlungsportalen so ausgeschlossen wurden, sondern selbst die an der Hotelrezeption gebuchten Zimmer – also die mit dem kürzesten Vermittlungswege – teurer waren, als entsprechende Plattformkontingente. Das Amt sah eine spürbare Wettbewerbsbeschränkung darin, dass Hotelportalen der wirtschaftliche Anreiz genommen werde, Hotels niedrigere Provisionen für die Vermittlungsleistungen anzubieten bzw. sich durch neue Absatzstrategien dem Wettbewerb zu stellen. Zudem werde der Markteintritt erschwert.788 Das BKartA befindet sich hier nicht auf einem Sonderweg. Der Gebrauch von Paritäts- oder Bestpreisklauseln in Bezug auf Wettbewerber (weite Bestpreisklausel) wurde auch in anderen Mitgliedstaaten aufgegriffen und mündete zum Teil in Verpflichtungszusagenentscheidungen. Mit der Abstellungsverfügung gegen Booking äußert das BKartA nun als erste mitgliedstaatliche Behörde auch Bedenken gegenüber sog. „engen“ Bestpreisklauseln. Das sind solche, die dem Hotelier zwar Preisdifferenzierungen zwischen den Angeboten auf Hotelportalseiten erlauben, ihm aber nach wie vor einen niedrigeren Zimmerpreis auf hoteleigenen und anderen online-Vertriebskanälen als beim Hotelportalbetreiber verbieten. Diese Klauseln beschränken nach Ansicht des Amtes sowohl den Wettbewerb auf dem Hotelportalmarkt als auch auf dem Hotelmarkt selbst. 789 Zwar stimmt es, dass eine solche, „enge“ Paritätsverpflichtung bezogen auf den eigenen online-Preis prima facie nicht den (Provisions-) Wettbewerb zwischen Portalen zu betreffen scheint.790 Trotzdem bleibt im Kern eine Aufgabe der Preissetzungshoheit durch den Anbieter. Die wettbewerbsbeschränkenden Wirkungen sah das Amt weiterhin dadurch als gegeben an, dass zumindest der Direktvertrieb als unmittelbarer Konkurrent und preiskontrollierender Faktor ausgeschaltet wird. Dies schlage sich in 787 Booking.com Deutschland GmbH, Berlin, und Booking.com B.V., Amsterdam, vgl. BKartA, PM v. 23.12.2015, Auch „enge“ Bestpreisklauseln von Booking sind kartellrechtswidrig. 788 BKartA v. 20.12.2013 – B9-66/10, Rn. 137 – HRS-Bestpreisklausel. 789 BKartA v. 22.12.2015 – B9-121/13, Rn. 8–10 – Meistbegünstigstenklauseln bei Booking.com. 790 1.Teil D.II.3, 112.

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verminderten Anreizen der Hotelbetreiber zur Preisdifferenzierung im Portalmarkt nieder und äußere sich auch in einem abgemilderten Konditionenwettbewerb der Portale. Zuletzt würde auch die „enge“ Bestpreisklausel unverändert marktabschottende Effekte zeitigen.791 Die Erwägungen des Amtes sind nicht von der Hand zu weisen. Die gerichtliche Klärung in Sachen HRS, die seinerzeit noch zu weiten Preisparitätsklauseln erging, bezog sich zugleich auch auf diesen Aspekt der Wettbewerbsbeschränkung auf dem Markt für Hotelzimmer, also den Preiswettbewerb des Direktvertriebs. Damit kann sich das BKartA hier weitgehend auch auf die Ausführungen des OLG Düsseldorf stützen.792 Die Wettbewerbsbeschränkung ist ohnehin kaum zu leugnen. Fraglich ist aber die Freistellungsfähigkeit solcher Beschränkungen. a) Anwendbarkeit der Vertikal-GVO und Kernbeschränkungscharakter In Sachen HRS und Booking konnte aufgrund hoher Marktanteile von über 30 % (Art. 3 GVO) dahinstehen, ob Art. 2 Abs. 1 Vertikal-GVO evtl. greift und es sich um eine freistellbare vertikale Vereinbarung handelt. Ob Preisparitätsklauseln wie hier eine Kernbeschränkung nach Art. 4 VO 330/2010 darstellen, bleibt deshalb vorerst ungeklärt.793 Klassische Meistbegünstigungsklauseln werden marktstufenaufwärts nicht vom Wortlaut („Beschränkung des Abnehmers“) erfasst.794 Deshalb liegt es nahe, diese Interpretation auch in Bezug auf Preisparitätsklauseln auf Plattformmärkten vorzunehmen. Auch hier wird der Anbieter der Ware in seiner Preissetzungsfreiheit auf anderen Portalen, bzw. im Online- oder Offline-Vertrieb außerhalb des begünstigten Portals beschränkt. Insbesondere kann dem Wortlaut von Art. 4 VO 330/2010 auch nicht dadurch entsprochen werden, dass man den Anbieter der Ware bei modernen Preisparitätsklauseln als Abnehmer der Vermittlungsdienstleistung der Plattform ansieht. Die Vorschrift des Art. 4 lit. a) VO 330/2010 bezieht sich eindeutig auf eine andere, nämlich die gehandelte Ware oder Dienstleistung. Eine andere Interpretation stünde dem Willen des Verordnungsgebers entgegen. Dabei spricht nach dem Zweck des Kernbeschränkungskatalogs in Art. 4 lit. a) bis e) einiges dafür, Preisparitätsklauseln ebenso kritisch zu sehen wie klassische Preisbindungen. Die Kernbeschränkungsregelung hat die VerhinFlankiert werde die Wettbewerbsbeschränkung im Fall Booking nach Ansicht des Amtes auch durch die hier getroffenen Vereinbarungen zur Mindestverfügbarkeit, vgl. detailliert BKartA v. 22.12.2015 – B9-121/13, Rn. 189 ff. – Meistbegünstigstenklauseln bei Booking.com. 792 Vgl. insofern OLG Düsseldorf v. 9.1.2015 – VI-Kart. 1/14 (V), Rn. 125 – Bestpreisklausel. 793 BKartA v. 20.12.2013 – B9-66/10, Rn. 1, 8 – HRS-Bestpreisklausel. 794 Kernbeschränkungen sind Beschränkungen, bei denen man eine negative Wirkung auf den Wettbewerb deswegen vermutet, weil sie sich hinreichend stark auch auf den Interbrand-Wettbewerb auswirken Vertikalleitlinien 2010, Rn. 48, m. w. N. Immenga /  Mestmäcker-Ellger, Art. 4 VO 330/2010, Rn. 1, 13. 791

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derung von Fest- und Mindestpreisbindungen des Abnehmers zum Ziel, die insbesondere im Einzelhandel als schwerwiegende Beschränkungen angesehen werden.795 Auch ist insofern wohl konsensfähig, dass sämtliche im Katalog aufgeführten Beschränkungen nicht notwendig den unmittelbaren Inhalt der Vereinbarung bilden müssen, um als Kernbeschränkung angesehen zu werden.796 Stattdessen ist der Zusammenhang zwischen vertikaler Vereinbarung und jeweiliger Beschränkung umfassend formuliert, womit es ausreichen kann, dass die vertikale Vereinbarung unmittelbar oder mittelbar, für sich allein oder in Verbindung mit anderen Umständen unter der Kontrolle der Vertragsparteien die betreffenden Beschränkungen bezweckt. Die hier betrachteten Preisparitätsklauseln und die durch sie ermöglichten horizontal (im Handelsmarkt) bewirkten faktischen Mindestpreise sind eindeutig die Natur dieser Klausel bestimmt, sodass man bei der zugrunde liegenden Zielsetzung der Preisparitätsklausel wird eine Konstellation feststellen müssen, die dieser Kernbeschränkungsidee entspricht. Schließlich erläutern auch die Vertikalleitlinien mit Beispielen, dass sämtliche Umstände unter der Kontrolle der Parteien, denen sich eine derartige Tendenz entnehmen lässt, heranzuziehen sind. Die Leitlinien benennen ausdrücklich die direkte oder indirekte Preisbindung, deren Effektivität durch Maßnahmen, die die Anreize für den Käufer zu Preisermäßigungen verringern, flankiert wird.797 Die in den letzten Jahren vorgefundenen Preisparitätsklauseln beschränken unzweifelhaft den Wettbewerb im Vermittlungsmarkt. Unabhängig davon, ob im Fall „weite“ oder „enge“ Bestpreis- oder Preisparitätsklauseln gegeben sind – immer intendieren sie den Ausschluss von preislicher Konkurrenz entweder auf dem Markt der Plattformangebote oder durch den Direktvertrieb. Insbesondere auch Wettbewerbsvorstöße von neuen Anbietern werden durch die relativen Mindestpreise verhindert. Darüber hinaus wird auch spürbar der Wettbewerb zwischen Anbieterunternehmen beschränkt, soweit sich ihre Preissenkungsanreize verringern. Das BKartA äußert sich hier nicht abschließend, trotzdem spricht einiges dafür, dass diese Ergebnisse im HRS-Fall durch die Klauseln auch bezweckte Beschränkungen sind.798 Dass Preisparitätsklauseln auf Plattformen sich nach richtiger Ansicht799 von nach Art. 4 lit. a) VO 330/2010 freistellfähigen Höchstpreisbindungen 795 Komm., Vertikalleitlinien 2010, Rn. 47; Immenga / Mestmäcker-Ellger, Art. 4 VO 330/2010, Rn. 4. 796 Komm., Vertikalleitlinien 2010, Rn. 47; Mestmäcker / Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht, § 14, Rn. 31; Immenga / Mestmäcker-Ellger, Art. 4 VO 330/2010, Rn. 4, 6, 8. 797 Komm., Vertikalleitlinien 2010, Rn. 48; Immenga / Mestmäcker-Ellger, Art. 4 VO 330/2010, Rn. 13; Schultze / Pautke / Wagener, Vertikal-GVO, Rn. 401. 798 Mit weiteren Nachweisen BKartA v. 20.12.2013 – B9-66/10, Rn. 152, 153 – HRSBestpreisklausel. 799 So in der Literatur z. B. Bodenstein, GRUR-Prax 2010, 262.

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2. Teil: Die Preisbindung der zweiten Hand – ein Rechtsvergleich

unterscheiden, kann dahinstehen. Für die teleologische Betrachtung des Art. 4 lit. a) VO 330/2010 spricht aber auch die Abgrenzung der modernen Preisparitätsklauseln als besondere Form der Meistbegünstigungsklausel von Höchstpreisbindungen. Letztere kennzeichnen sich dadurch, dass sie eine Obergrenze für Preise festlegen, den Preiswettbewerb aber nach unten nicht beschneiden und sich deshalb nicht tatsächlich wie Mindest- oder Festpreise auswirken.800 Jedoch sind Bestpreisklauseln wie bei HRS und Booking oder Preisparitätsklauseln wie bei Amazon durch eine relative Vorgabe im Hinblick auch auf Preise auf konkurrierenden Plattformen oder Online-Angebote (bzw. Offline-Angebote) gekennzeichnet (gewesen). Andere Angebote müssen somit immer mindestens so hoch sein wie auf der Plattform, weshalb die Klauseln sich eindeutig wie Mindestpreise auswirken. Dass gerade dieser Fall, der von Art. 4 lit. a) VO 330/2010 erfasst sein soll, hier aufgrund des „Abnehmer“-Wortlautes herausfällt, erscheint als eine planwidrige Regelungslücke in der Vertikal-GVO. Im Gegensatz zu einfachen Meistbegünstigungsklauseln ist der Abnehmer in diesem Fall noch dazu gar kein Abnehmer im herkömmlichen Sinne, der noch irgendein ein Risiko der Weiterveräußerung tragen müsste. Der Verordnungsgeber hat den Fall, dass ein vertragliches Verhältnis, das den Vermittlungsdienstleister aus dem späteren Abschlussvertrag heraushält, den Anbieter jedoch mit einer faktischen Preisbindung belegt, schlichtweg nicht bedacht. Ohne die Besonderheit von Internet und Internetvermittlungsmärkten im Auge zu haben, liegt eine solche Konstellation auch nicht nahe. Die praktischen Umstände, die die Einschaltung eines Vermittlers attraktiv machen, dürften in einer analogen Welt typischerweise ebenfalls dafür sorgen, dass der Vermittler auch stärker dabei beteiligt ist, den Vertragsschluss herbeizuführen. In diesem Sinne operieren Reisevermittler, auch im Internet und unter Portalen auch teilweise noch. Durch die vereinfachte Internetkommunikation wird aber regelmäßig eine Dreiecksbeziehung bei Vermittlungsmärkten hinsichtlich der vermittelten und der gehandelten Leistung erwirkt, die im Hinblick auf die Motivation des Verordnungsgebers und die rechtliche Konsequenz als zufällig erscheint. Die Ausnahme von Meistbegünstigungsklauseln zulasten des Abnehmers setzt nämlich gedanklich gerade voraus, dass der Abnehmer am Anfang einer Lieferkette steht, also nicht in Berührung mit dem Endkunden kommt, weswegen MBKs zu Lasten des Käufers schon immer anders bewertet werden.801 Unter Zugrundelegung des Zwecks der Kernbeschränkungsregelung, dass festgelegte Preise im Einzelhandel als besonders schwerwiegende Beschränkungen gelten müssen, verhindert die Formulierung „Abnehmer“802 die wohl EuGH v.18.10.1979 – C-Rs. 5/79, Slg. 1979, I-3203 = NJW 1980, 1210 – Buys. Vgl. Komm., Vertikalleitlinien 2010, Rn. 48. 802 Immenga / Mestmäcker-Ellger, Art. 4 VO 330/2010, Rn. 13 m. w. N. zur allgemeinen Anerkennung; Mestmäcker / Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht, § 14, Rn. 33; zu 800 801

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intendierte und sinnvolle Interpretation: Gemeint ist der Schutz der Preisbildungsfreiheit des im Endkundenmarkt (z. B. dem Einzelhandel) Anbietenden. Im gegebenen Fall eines nicht existierenden Zwischenhandels kann dies gleichsam der Anbieter der Ware oder Dienstleistung803 selbst sein. In Anbetracht der besonderen Auswirkungen solcher Preisparitätsklauseln auf OnlinePlattformen ist eine Beurteilung als Kernbeschränkung im Unterschied zu herkömmlichen Meistbegünstigungsklauseln unter Wertungsgesichtspunkten also gerechtfertigt. Problematisch ist bei allen diesen Punkten jedoch die Grenze des entgegenstehenden Wortlauts804 und somit auch im Hinblick auf eine deutsche Beurteilung nicht im Wege des Analogieschlusses überwunden werden kann. Deshalb bleibt es abzuwarten, inwiefern sich Behörden zukünftig berufen sehen, eine Kernbeschränkung festzustellen bzw. die Wirkung der Gruppenfreistellung zu entziehen. Möglich ist Letzteres nach Art. 29 VO 1/2003 bzw. § 32d GWB. Die einzige gerichtliche Äußerung zu Bestpreisklauseln deutete jedoch eine weitere mögliche Beurteilung an. So ließ das OLG Düsseldorf offen, ob es in ähnlich gelagerten Fällen überhaupt den Anwendungsbereich der Vertikal-GVO als eröffnet betrachten würde.805 Das Gericht stützte sich dabei auf die Feststellung der besonderen Dreieckskonstellation, in der sich die im Fall HRS als Vermittler tätigen Hotelplattformen und Hotels beim Vertrieb von Hoteldienstleistungen in keiner vertikalen Beziehung gegenüber stünden.806 In frühen Stellungnahmen zu Bestpreisbzw. Preisparitätsklauseln war vereinzelt diese Auffassung vertreten worden, dass Preisparitätsklauseln von der VO 330/2010 generell nicht erfasst seien, weil es sich bei Plattformen um ein Vermittlungs- und nicht um ein Lieferanten-Abnehmer-Verhältnis handele. Mittlerweile war die Einschlägigkeit der VO 330/2010 jedoch nicht mehr ernsthaft bezweifelt worden, was sich auch an der Kartellamtsentscheidung zeigte. Das OLG verweist dahingehend überraschend – entgegen dem vorherrschenden, umfassenden Verständnis der Vertikal-GVO – auf einen inneren Zusammenhang zwischen der Vereinbarung und der Austauschbeziehung im Vertikalverhältnis. 807 Zwar konnte das Baisseklauseln vgl. BKartA v. 7.12.1965 – B5-38 31 11-QX-75/*, GRUR 1966, 517 – Ofenpreisbindung; krit. auch für klassische MBK Bechtold, EWS 2001, 49 ff. 803 Im Hotelportalmarkt der Hotelunternehmer selbst. 804 Analogieverbot als allg. Rechtsgrundsatz des europäischen Kartellrechts; Auslegung nur innerhalb des Wortsinns der einschlägigen Rechtsnormen zulässig, vgl. Art. 23 VO 1/2003; Immenga / Mestmäcker-Dannecker / Biermann, Art. 23 VO 1/2003, Rn. 56. 805 OLG Düsseldorf v. 9.1.2015 – VI-Kart 1/14 (V), Rn. 164 – Bestpreisklausel. 806 OLG Düsseldorf v. 9.1.2015 – VI-Kart 1/14 (V), Rn. 164 – Bestpreisklausel. 807 OLG Düsseldorf v. 9.1.2015 – VI-Kart. 1/14 (V), Rn. 103, 164, 265 – Bestpreisklausel; in der Literatur zwischenzeitlich diskutiert, vgl. Immenga / Mestmäcker-Veelken, 4. Aufl. 2007, Art. 2 VO 2790/1999, Rn. 78 (Vorauflage); Bechtold / Bosch / Brinker /  Hirsbrunner, EG Kartellrecht (2. Aufl.), Art. 2 VO 2790/1999, Rn. 10; nun erneut Fiebig, WUW 2013, 812, 825; aktuell Immenga / Mestmäcker-Ellger (5. Aufl. 2012), Art. 2 VO 330/2010, Rn. 17; Baron, in: Loewenheim et al., KartR, Art. 2 Vertikal-GVO, Rn. 99.

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2. Teil: Die Preisbindung der zweiten Hand – ein Rechtsvergleich

Gericht eine Entscheidung im Fall HRS offenlassen, stellt damit aber die Anwendung der Vertikal-GVO durch Gerichte erneut in Frage.808 b) Einzelfreistellung jenseits der Marktanteilsgrenze Ungeachtet der Wirkung der GVO bei Marktanteilen unter 30 % ist darüber nach der unproblematischen Feststellung einer wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarung, die Einzelfreistellung nur theoretisch, d. h. in absoluten Ausnahmefällen denkbar.809 Zwar wird gerne der Vorteil von Preisparitätsklauseln und nach außen kommunizierten Bestpreisgarantien angeführt, der dadurch entstünde, dass für Verbraucher die Kosten für die Suche nach dem besten Angebot entfielen. Allerdings funktioniert dieser Mechanismus nur, wenn Verbraucher ein besseres Vergleichsangebot suchen, finden und die Garantieleistung einfordern. Eine Bestpreisgarantie dürfte Verbraucher aber eher von der Suche abhalten, weshalb sie sich gerade nicht selbst durchsetzt. Auch wird durch die Bestpreisgarantie der Eindruck erweckt, Angebote seien immer objektiv vergleichbar, was in Hinblick auf unzählige Kombinationsmöglichkeiten von Leistungsmerkmalen und Preisen mitnichten der Fall ist. Dass Kunden das individuell für sie am besten zugeschnittene Angebot suchen, mag zwar Suchkosten bedeuten, ist aber nicht zwingend effizienzverringernd. Zu einem gewissen Anteil ist die eigenverantwortliche Suche konstituierend für eine differenzierte Nachfrage gegenüber Suchmodalitäten in Plattformangeboten und der damit verbundenen Weiterentwicklung ihrer Filterfunktionen. Auch in Bezug auf die „enge“ Bestpreisklausel erscheint hier keine mildere Beurteilung angebracht; sie müssen sich unterschiedslos auch dem Qualitätswettbewerb des Direktvertriebs stellen. Soweit dieser über generische Suchen direkt mit Plattformen konkurriert, scheinen Plattformen hier jedoch den Preiswettbewerb als ungebührlich anzusehen.810 Dass der Direktvertrieb in vielen Branchen auch preislichen Wettbewerb mit sich bringt, ist aber nicht außergewöhnlich. Er wirkt auch nicht zwangsläufig kannibalisierend, weshalb das bisher zum Trittbrettfahrerproblem Gesagte gilt. Ein hinreichender Nachweis der Voraussetzungen für eine Einzelfreistellung dürfte bei „engen“ wie bei „weiten“ Bestpreisklauseln deshalb regelmäßig nicht möglich sein.811 Dies wäre nach hier vertretener Auffassung auch deshalb nicht i. S. e. konsequenten Auslegung der VO 330/2010, weil selbst Vereinbarungen im Rahmen der (unechten) Handelsvertretung regelmäßig dem Art. 101 AEUV und der VO 330/2010 unterfallen, vgl. Komm. Vertikalleitlinien, Rn. 16. 809 BKartA v. 20.12.2013 – B9-66/10, D5 – HRS-Bestpreisklausel. 810 Vgl. die ausf. Darstellung in BKartA v. 22.12.2015 – B9-121/13, Rn. 259 ff. – Meistbegünstigstenklauseln bei Booking.com; interessant ist, dass Plattformen teilweise durch sog. name grabbing nachhelfen. 811 Siehe oben B.II., D.II.2.; im Fall HRS umfassend diskutiert und verworfen BKartA v. 20.12.2013 – B9-66/10 – HRS-Bestpreisklausel, Rn. 198 ff.; BKartA v. 22.12.2015 – B9-121/13, Rn. 266, 268 ff. – Meistbegünstigstenklauseln bei Booking.com. 808

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Ob und in welcher Richtung ein wirtschaftlich signifikanter Umsatzabfluss durch Trittbrettfahrer überhaupt stattfindet, kann jedoch dahinstehen: Die Unerlässlichkeit der Maßnahme dürfte in diesem Zusammenhang schon deshalb entfallen, weil für im Internet langfristig bereitgestellte Werbe- und Vermittlungsleistungen der Plattform auch Entgelte erhoben werden können, die die wettbewerbliche Abkopplung des Provisionsgeschäfts verhindern würden.812 Dies war im Fall HRS nach der Untersagung des BKartA im Frühjahr 2014 auch tatsächlich und ohne erkennbare Umsatzrückgänge durchgeführt worden.813 Dass Bestpreisklauseln und -garantien Effizienzen schaffen, die die mittelfristigen Beschränkungen des Preiswettbewerbs und ein erhöhtes Preisniveau aufwiegen können, erscheint zweifelhaft.814 Vor allem die Ausschaltung des Wettbewerbs auf dem Markt für die jeweilige Vermittlungsleistung ist hinreichend problematisch und macht die Einzelfreistellung unwahrscheinlich. Zweiseitige Märkte sind im Internet aufgrund ihrer Netzwerkeffekte einem sensiblen Gleichgewicht unterworfen und bedürfen des besonderen Schutzes. Kommt es aufgrund der Überlegenheit eines bestimmten Vermittlungsangebotes zu einem Kippen des Marktes, so ist dies aus wettbewerblicher Sicht hinzunehmen. Preisparitätsklauseln sind hier jedoch prekär, da sie von eben diesem Qualitätswettbewerb ablenken. Eine Einzelfreistellung nach Art. 101 Abs. 3 AEUV/ § 2 Abs. 1 GWB kommt deshalb für keine der genannten Wettbewerbsbeschränkungen, weder im Vermittlungs- noch im Produktmarkt, in Betracht.815 So sah es auch das OLG Düsseldorf, das die Einzelfreistellung im Fall HRS ablehnte und auf das sich das BKartA nun erneut im Fall Booking stützen kann.816

Zutreffend BKartA v. 20.12.2013 – B9-66/10, Rn. 219 – HRS-Bestpreisklausel. OLG Düsseldorf v. 9.1.2015 – VI-Kart 1/14 (V), Rn. 180 – Bestpreisklausel; BKartA v. 20.12.2013 – B9-66/10, Rn. 198 ff. – HRS-Bestpreisklausel; auch Booking konnte dergleichen nicht nachweisen, BKartA v. 22.12.2015 – B9-121/13, Rn. 266, 268 ff. – Meistbegünstigstenklauseln bei Booking.com. 814 Der Endkunde werde durch Preiswettbewerb nicht überfordert OLG Düsseldorf v. 9.1.2015 – VI-Kart 1/14 (V), Rn. 184 – Bestpreisklausel; eine „Scheintransparenz“ befürchtend, BKartA v. 20.12.2013 – B9-66/10, Rn. 226 – HRS-Bestpreisklausel; Letzterem kann kritisch entgegengehalten werden, dass sich eine Bestpreisklausel nicht daran messen lassen muss, inwiefern sie das beste Preis-Leistungs-Verhältnis herausfiltert, sofern sich dieses vom preisgünstigsten unterscheidet. Auch eine etwaige Präferenz für einen absoluten Niedrigstpreis ist unter Wettbewerbsgesichtspunkten eine schützenswerte Nachfrage. 815 Allenfalls bei Newcomern zieht dies i. E. auch Fiebig, WuW 2013, 812 in Betracht. 816 Bereits an der ersten der vier Voraussetzungen des Art. 101 Abs. 3 AEUV bzw. § 2 GWB lässt es das OLG scheitern; HRS habe der Beweislast i. S. d. Art. 2 S. 2 VO 1/2003 nicht ausreichend entsprochen, s. OLG Düsseldorf v. 9.1.2015 – VI-Kart 1/14 (V), Rn. 175, 179 – Bestpreisklausel. 812 813

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2. Teil: Die Preisbindung der zweiten Hand – ein Rechtsvergleich

c) Grundsätzliche Kategorisierung als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung? Aufgrund der unverändert kritischen Haltung der Behörden zu vertikalen Vereinbarungen droht also keine Verfolgungslücke bei neuartigen Klauseln. Im Hinblick auf Dogmatik und Rechtssicherheit ist dieser Befund gleichwohl unbefriedigend, weil er – durch den Einzelverfügungscharakter stets ungleiche Marktbedingungen schafft, solange Wettbewerber entsprechende Klauseln noch verwenden. Ungeklärt ist in Europa nach wie vor die Frage der Natur von APPAs als bewirkte oder bezweckte Beschränkungen und mit ihr theoretisch auch die Möglichkeit von Bagatellfällen. Das BKartA hatte eine endgültige Positionierung zu Bestpreisklauseln ohne großen Aufhebens vermieden, indem es die Voraussetzungen für bezweckte Wettbewerbsbeschränkungen nach EuGH Allianz Hungária817 zwar nennt und den Sachverhalt dementsprechend einordnet, im Ergebnis aber dahinstehen lässt, ob im vorliegenden Fall eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung gegeben ist. Jedenfalls liege eine bewirkte Wettbewerbsbeschränkung vor.818 Das Amt und das OLG verneinen in der Folge durchaus konsistent aber strikt ein Vorliegen der Voraussetzungen für eine Einzelfreistellung nach § 2 Abs. 1 GWB/Art. 101 Abs. 3 AEUV. Die Deutlichkeit dieses Befundes im Rahmen des Art. 101 Abs. 3 und § 2 GWB zeigt einen dogmatischen Bruch, den die enge Formulierung in der Kernbeschränkungsklausel der Gruppenfreistellungsverordnung für vorliegende Klauseln unglücklicherweise auslöst: Als nur bewirkte Wettbewerbsbeschränkungen wären sie bis zu einem Marktanteil von 30 % gruppenfreigestellt, darüber hinaus aber recht eindeutig eine nicht freistellbare Beschränkung. Das allein ist noch nicht ungewöhnlich, weil vertikale Vereinbarungen – im Gegensatz zu horizontalen Beschränkungen – immer erst ab bestimmten Marktanteilen problematisch werden. Im Kern ist dies die Grundaussage der Vertikal-GVO. Für bezweckte Wettbewerbsbeschränkungen mag man diese Aussage wohl nicht übernehmen. Die Vertikal-GVO bestimmt für Kernbeschränkungen jedenfalls das Gegenteil – sie sind unabhängig vom Marktanteil problematisch. Hingegen ist eine Gruppenfreistellung für bezweckte Wettbewerbsbeschränkungen, die keine Kernbeschränkungen sind, zumindest theoretisch denkbar.819 In letztere Gruppe wären nach hier vertretener Ansicht formell auch APPAs einzuordnen.

817 EuGH v. 14.3.2014 – Rs. C-32/11, EU:C:2013:160, Rn. 36 – Allianz Hungária u. a.; siehe BKartA v. 20.12.2013 – B9-66/10, Rn. 152 ff. – HRS-Bestpreisklausel. 818 Siehe zur Frage der bezweckten oder bewirkten Wettbewerbsbeschränkung BKartA v. 20.12.2013 – B9-66/10, Rn. 152, 153 – HRS-Bestpreisklausel. 819 EuG v. 27.9.2006 – Rs. T-168/01, Slg. 2006, II-2969 – GlaxoSmithKline Services /  Kommission; EuG v. 15.7.1994 – T-17/93, Slg. 1994, II-595, Rn. 85 – Matra Hachette /  Kommission.

D. Reichweite und Abgrenzungen des Preisbindungsverbotes

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Dieses Fazit ist aber gleichwohl problematisch, weil mit der Bagatellbekanntmachung der Kommission eine weitere Wertung im Raum steht, die die Grenze zwischen bezweckten Beschränkungen und Kernbeschränkungen zusätzlich verwischt. Kernbeschränkungen galten hier – wie in der GVO – als besonders einschneidende, bezweckte Wettbewerbsbeschränkungen, was sich darin äußerte, dass sie unabhängig von den Marktanteilen ihrer Akteure stets spürbar waren.820 Nach dem Urteil in Sachen Expedia und der Neuauflage der Bagatellbekanntmachung der Kommission muss bei bezweckten Wettbewerbsbeschränkungen eine Spürbarkeit nie nachgewiesen werden.821 Das bedeutete jedoch, dass bezweckte Beschränkungen, die unabhängig von den Marktanteilen ihrer Akteure spürbare Wettbewerbsbeschränkungen sind, durchaus gruppenfreigestellt sein könnten. Für APPAs liegt eine Einstufung als bezweckte Beschränkungen aufgrund ihrer Wirkweise ähnlich klassischen Preisbindungen in der hier betrachteten Konstellation nahe. Damit wären sie der Paradefall, mit dem man hadern kann. Der EuGH konstatiert in Expedia, dass eine Vereinbarung, die geeignet ist, den zwischenstaatlichen Handel zu beeinträchtigen und einen wettbewerbswidrigen Zweck hat, ihrer Natur nach und unabhängig von konkreten Auswirkungen eine spürbare Wettbewerbsbeschränkung darstellt. Das folge daraus, dass solche Vereinbarungen schon ihrem Wesen nach als schädlich für das gute Funktionieren des Wettbewerbs gelten, ohne dass ihre tatsächlichen Auswirkungen zu prüfen sind.822 Das erzeugt Dissonanz mit der wettbewerbsrechtlichen Unbedenklichkeitsvermutung der Gruppenfreistellung für die theoretische Zwischenkategorie der „sonstigen“ bezweckten Wettbewerbsbeschränkungen bis zu Marktanteilen i. H. v. 30 %. Eine Abstellung auf die unterschiedlichen Regelungsaspekte und Verbindlichkeitsstufen von Bagatellbekanntmachung und GVO erscheint insofern künstlich. Für rein deutsche Sachverhalte definiert das BKartA übrigens die „Kernbeschränkung“ in seiner Bagatellbekanntmachung anders: Hier überschreiten Beschränkungen die Bagatellgrenze, sobald sie im Hinblick auf Dritte die Festsetzung von Preisen Komm., De-minimis-Bekanntmachung 2001. EuGH v. 13.12.2012 – Rs. C-226/11, EU:C:2012:795, Rn. 37 – Expedia Inc. /  Autorité de la concurrence: „Sodann ist zu beachten, dass nach ständiger Rechtsprechung bei der Anwendung von Art. 101 Abs. 1 AEUV die tatsächlichen Auswirkungen einer Vereinbarung nicht berücksichtigt zu werden brauchen, wenn sich ergibt, dass diese eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezweckt“ m. V. a. EuGH v. 13.7.1966 – verb. Rs. C-56/64 und C-58/64, Slg. 1966, I-321, 429 – Consten und Grundig / Kommission; sowie v. 8.12.2011 – Rs. C-272/09 P, Slg. 2011, I-12789, Rn. 65 – KME Germany u. a./Kommission; v. 8.12.2011 – Rs. C-389/10 P, Slg. 2011, I-13125, Rn. 75 – KME Germany u. a./Kommission; siehe nun Komm., De-minimis-Bekanntmachung 2014. 822 EuGH v. 13.12.2012 – Rs. C-226/11, EU:C:2012:795, Rn. 35–37 – Expedia Inc. /  Autorité de la concurrence; vgl. Mestmäcker / Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht, § 11, Rn. 71. 820 821

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2. Teil: Die Preisbindung der zweiten Hand – ein Rechtsvergleich

oder Preisbestandteilen beim Einkauf oder Verkauf von Erzeugnissen bzw. beim Bezug oder der Erbringung von Dienstleistungen bezwecken oder bewirken.823 Im Fall HRS nahm das OLG Düsseldorf jedoch nur auf die Bagatellbekanntmachung der Kommission Bezug.824 d) Umgang mit Preisparitätsklauseln im Ausland Nach wie vor ungeklärt ist damit der europäische Beurteilungsrahmen für Preisparitätsklauseln. Die Fragen aus den Verfahren HRS und Booking stellen sich nicht nur Deutschland, noch beschränken sie sich auf die Hotelbranche – kritisch eingeschritten sind die Behörden überall in Europa. In Großbritannien war es neben dem Hotelvermittlungsgeschäft825 auch die Versicherungsbranche, die nach Ansicht der Behörden durch entsprechende Klauseln im Wettbewerb beschränkt wurde.826 Der Apple eBooks-Fall drehte sich ebenfalls um MFNs/Preisparitätsklauseln.827 In den USA und Kanada erregten zudem Kreditkartenverträge Aufsehen.828 Gleichwohl sind die Mitgliedstaaten in Europa hinsichtlich der Preisparitätsklauseln in der Hotelvermittlungsbranche BKartA, Bagatellbekanntmachung 2007, Rn. 14. Mit weiteren Nachweisen zur Rspr. des BGH zur Spürbarkeit OLG Düsseldorf v. 9.1.2015 – VI-Kart 1/14 (V), Rn. 139 – Bestpreisklausel. 825 Zur entsprechenden Verpflichtungszusagenentscheidung OFT v. 31.1.2014, Case CE/9320/10, Decision to accept commitments to remove certain discounting restrictions for Online Travel Agents, OFT1514dec – Hotel online booking; s. auch OFT, Press Release 06/14 v. 31.1.2014, OFT clears way for discounts on hotel rooms, Dokumente zum Verfahren abrufbar . 826 CMA, Final Report v. 24.9.2014, Private motor insurance market investigation, abrufbar . 827 United States of America v. Apple Inc., et al., 12 Civ. 2862 (DLC), Gegenstand des Verfahrens war eine Preisparitätsklausel / MFN, die Apple garantierte, dass das Unternehmen bei den Angeboten immer den bei anderen E-Book-Stores gelisteten Preis mithalten könne. Darüber hinaus waren aber auch Vertragsstrafen festgelegt für den Fall, dass es den Verlegern nicht gelänge, auch die Beziehungen zu anderen Anbietern (insb. zum AppleHauptkonkurrenten Amazon) auf ein Agency-Geschäftsmodell umzustellen. Mit den Verlegern und Apple wurden Settlements erreicht, allerdings hatte sich Apple den Weg zum Instanzgericht ausbedungen, der Court of Appeals for the Second Circuit erhielt jedoch das Urteil hinsichtlich des per se-Verstoßes aufrecht, s. United States v. Apple Inc., No.133741 (2d Cir. June 30, 2015); ähnlich führten die entsprechenden Untersuchungen in Canada im Februar 2014 zu Settlements mit den beteiligten Verlagen, s. Competition Tribunal v. 7.2.2014 – No. CT-2014-001 – Hachette Book Group Canada Ltd. et al.; in derselben Sache s. auch Komm. v. 12.12.2012 – COMP/AT.39847 – E-Books und Komm. v. 25.7.2013 – COMP/AT.39847 – E-Books. 828 DoJ, Press Release v. 4.10.2010, 10-1115, Justice Department sues American Express, MasterCard and Visa to eliminate rules restricting price competition; Reaches Settlement with Visa and MasterCard, abrufbar . 823 824

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beispiellos konzertiert vorgegangen. Die Wettbewerbsbehörden in Frankreich, Italien und Schweden hatten im Dezember 2014 – koordiniert durch die Kommission – simultan Marktuntersuchungen im Hotelbuchungssektor eingeleitet und im April 2015 mit international abgestimmten Zusagen abgeschlossen.829 Gegenstand dieser Zusagen war jedoch noch die Beschränkung auf enge Bestpreisklauseln, die das BKartA nun als erste Behörde ebenfalls untersagt hat. Die Maßgabe der Zusagenentscheidungen in den anderen Mitgliedstaaten besteht derweil trotzdem nicht fort: in Frankreich erging mit der Loi Macron eine gesetzliche Verbotsentscheidung gegenüber jeglicher Beschränkung des Preiswettbewerbs durch Hotels.830 In Italien wurde es ebenfalls gesetzlich verboten, den Preiswettbewerb durch Hotels hier auszuschalten.831 In Großbritannien hat die CMA das Verfahren zwar eingestellt, behält sich aber die Marktbeobachtung vor.832 Die WEKO kam in Sachen HRS, Booking und Expedia im November 2015 ebenfalls zu einer Verbotsverfügung bzgl. weiter Bestpreisklauseln. Sie sah sie aber offensichtlich nicht als Klauseln i. S. d. Art. 5 Abs. 4 KG an und sprach deshalb keine Bußgeldentscheidung aus. Zu den nun angepassten Klauseln wollte sich die WEKO – anders als das BKartA in Booking – bisher nicht abschließend äußern.833 In diesem Zusammenhang besteht übrigens eine weitere Besonderheit im deutschen GWB bei der definitiven Beurteilung des BKartA. Es untersuchte die engen Bestpreisklauseln in Booking zusätzlich unter dem Verbot unbilliger Behinderung durch relativ marktstarke Unternehmen gem. § 20 Abs. 1 i. V. m. § 19 Abs. 1, 2 Nr. 1 GWB.834 Einzelfragen in Bezug auf die etwaige Verwirklichung der Missbrauchstatbestände bleiben bisher ungeklärt, allerdings lässt die zu Preisparitätsklauseln bisher sichtbar gewordene Haltung des Amtes und des OLG wie auch die der Behörden und Gerichte in anderen Mitgliedstaaten, ohnehin nicht vermuten, dass ähnlich gelagerte Fälle im Bereich der Die Zusagen wurden zum 1.7.2015 in Schweden, Italien und Frankreich umgesetzt und Hotels geben unter anderem die Möglichkeit der Senkung ihrer Preise bei Zimmerangeboten auf anderen Hotelbuchungswebseiten, Komm., PM v. 21.4.2015, MEX/15/4819; Volltext der Zusagen in Schweden abrufbar . 830 Nach dem gerichtlichen Verbot von Mai 2015 der Verwendung der Bestpreisklausel durch Expedia folgte die gesetzliche Regelung in Artikel L. 311-5-1 to L. 311-5-4 des Code du Tourisme, in Kraft seit dem 8.8.2015. 831 . 832 Siehe m. w. N. auch zu den Verfahren in Dänemark, Irland, Großbritannien und Griechenland nur BKartA v. 22.12.2015 – B9-121/13, Rn. 74 – Meistbegünstigstenklauseln bei Booking.com. 833 WEKO, v. 19.10.2015, Medienmitteilung v. 6.11.2015. 834 Offen gelassen OLG Düsseldorf v. 9.1.2015 – VI-Kart. 1/14 (V), Rn. 193 – Bestpreisklausel; BKartA v. 20.12.2013 – B9-66/10, Rn. 236 ff. – HRS-Bestpreisklausel; vgl. auch BKartA v. 22.12.2015 – B9-121/13, Rn. 306 ff. – Meistbegünstigstenklauseln bei Booking.com. 829

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2. Teil: Die Preisbindung der zweiten Hand – ein Rechtsvergleich

Missbrauchskontrolle entschieden werden würden. Die weitere Entwicklung bleibt in Sachen APPAs also abzuwarten, es steht aber fest, dass der OnlineHandel und insbesondere preisliche Beschränkungen überall in Europa momentan eine Top-Priorität bei der Rechtsdurchsetzung haben. VI. Vorgeschriebene Preise in der Werbung Eine weitere durch Leegin aufgeworfene Frage betrifft die kartellrechtliche Behandlung von Werbekooperationen in vertikalen Beziehungen, insbesondere im Online-Umfeld. Weil die amerikanische Sichtweise unter RPM lediglich die Praktik einer puren Einzelhandelspreisbindung, nicht aber verwandte Strategien, wie die einseitige Kommunikation von Preisempfehlungen versteht, stellen Beschränkungen der Werbung keine RPM dar. Unter einem cooperative advertising program kann der Hersteller daher allgemein die Werbungskosten eines Händlers oder aber konkrete Werbemittel bezuschussen und im Gegenzug verlangen, dass die Werbemaßnahmen keine Preise unterhalb des vom Hersteller gesetzten MSRP nennen, also Produkte nicht unter einem bestimmten Preis beworben werden. Umschrieben werden solche Vorgehensweisen als sog. (Internet) Minimum Advertised Price Policies, kurz MAP bzw. IMAP-Policies.835 Schon vor dem Leegin-Urteil legten Bundesgerichte an derlei Vereinbarungen den rule of reason-Beurteilungsstandard an.836 Darüber hinaus liegt auch unabhängig von etwaigen Werbekostenvereinbarungen Rechtsprechung vor, die die Verpflichtung zur Werbung entIn der Praxis häufig in Kombination mit einer Colgate-Klausel durchgeführt. Der Hersteller kündigt dabei einseitig an, langfristig nur mit solchen Händlern zusammenzuarbeiten, die sich an empfohlene Werbepreise halten. Technisch wird dies im Internet in der Regel so bewerkstelligt, dass Interessenten, deren Zahlungsbereitschaft bei dem vom Hersteller ausgerufenen Preis überschritten wird, (im Internet) zwar auf Suchanfragen andere Anbieter des Produktes auffinden, allerdings das entsprechende Produkt auf deren Homepage entweder ohne, oder mit einem Preis entsprechend dem MSRP ausgezeichnet wird. Der potenzielle Kunde wird über zusätzliche Angaben wie „see price in cart, „to view price, add to your Shopping cart“ oder „price unavailable – click to see more“ dazu angehalten, den Artikel in den „Einkaufswagen“ zu legen, also den Zahlungsprozess einzuleiten, an dessen Ende ggf. ein anderer Preis steht; Albert, 80 Fordham L. Rev. 2011, 1679 ff.; Rosch, Current Issues in Competition and Consumer Protection Enforcement in the Retail Sector (2010), 22–23. 836 Siehe z. B. Lake Hill Motors, Inc. v. Jim Bennett Yacht Sales, Inc., 246 F.3d 752, 754, 757 (5th Cir. 2001); in re Nissan Antitrust Litig., 577 F.2d 910, 915–517 (5th Cir. 1978); Blind Doctor, Inc. v. Hunter Douglas, Inc., 59 Fed. R. Serv. 3d (Callaghan) 635, 645 (N.D. Cal. 2004); in re Compact Disc Minimum Advertised Price Antitrust Litigation, 216 F.R.D. 197, 212 (D. Me. 2003): „[P]laintiffs have no direct precedent for their argument that the case can proceed on a theory of per se illegality […] [B]y their terms the MAP policies at best were agreements on what prices could be advertised, not what prices could be charged.“; Rosch, Current Issues in Competition and Consumer Protection Enforcement in the Retail Sector (2010), 21. 835

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sprechend der Mindestpreisempfehlung, mithin die Beschränkungen der preislichen Werbung, ausdrücklich der rule of reason unterstellt.837 Leegin hatte insofern nur klarstellenden Charakter. Auch hier gilt im Übrigen das zur Colgate-Doktrin Gesagte: werden entsprechende Werbestrategien mit einer einseitigen Ankündigung verknüpft, bleibt die Geschäftspraktik – die formell einwandfreie Durchführung vorausgesetzt – unter Bundesrecht erlaubt. Dass die Verwischung von Werbung und Angebotspreisen durch IMAP-Policies ein höchst unglücklicher Zustand ist, liegt auf der Hand.838 Die Nutzung von (I)MAP-Strategien bestand bereits vor dem Leegin-Urteil, die Praxis ist aber seither deutlich ausgedehnt worden, was auch das breite professionelle Angebot von Überwachungsdienstleistungen verdeutlicht.839 Aber auch in diesem Themenbereich wird die Durchlässigkeit von Bundesrecht und Leegin-Rechtsprechung gegenüber MAPs uneingeschränkt hingenommen und auch wenn Fälle und Durchsetzungsmaßnahmen in Bezug auf MAPs selten sind, so war die FTC erfolgreich gegen fünf große CD-Händler vorgegangen, die jedoch ihre MAP-Strategien nach Beschwerden über preistreibende Händler zeitgleich eingeführt hatten, weshalb starke Indizien für eine per se-illegale Horizontalabrede im Raum standen. 840 Auf bundesstaatlicher Ebene gab es hingegen auch post Leegin Angriffe auf MAP-Policies. Insbesondere die in New York und Kalifornien geführten Verfahren in Sachen Herman Miller u. a. verdeutlichen – trotz gemischten Ergebnissen – einen ungebrochenen Pragmatismus der Behörden. Sie greifen unter Umständen auch bei geringen Aussichten auf ein gerichtliches Obsiegen entsprechende Geschäftspraktiken an. Vor allem die Verfahren in Sachen Worldhomecenter.com haben in

837 Blind Doctor, Inc. v. Hunter Douglas, Inc., 59 Fed. R. Serv. 3d, 643, 637–638, 645– 646 (N.D. Cal. 2004); Cranfill v. Scott & Fetzer Co., 773 F. Supp. 943, 950–953 (E.D. Tex. 1991); anders war dies nur vereinzelt in frühen Urteilen beurteilt worden, insofern zutreffend, Illinois Corporate Travel, Inc. v. American Airlines, Inc. and IVI Travel, Inc., 889 F.2d 751, 752 (7th Cir. 1989) (Easterbrook): „a ban on price advertising is a form of resale price maintenance“. 838 Campbell v. Austin Air Systems, Ltd., 423 F. Supp. 2d 61 (W.D.N.Y. 2005); Albert, 80 Fordham L. Rev. 2011, 1679, 1683. 839 So existieren in den USA Anbieter wie NetEnforcers, MAPtrackers Inc., Cyveillance Inc., Brand Protection Agency u. a., die sich darauf spezialisiert haben, Abweichungen von MAPs zu ermitteln. Der Händler wird dann in der Regel mit dem Vorwurf eines „unautorisierten“ Gebrauchs von Produktnamen und / oder -Bildern, also einer möglichen Marken- oder Urheberrechtsverletzung konfrontiert, um ein Einlenken in die georderte Preispolitik zu erwirken, s. Pereira, Discounters, Monitors Face Battle on Minimum Pricing, WSJ v. 4.12.2008. 840 In re Sony Music Entertainment, Inc., No. C-3971, 2000 WL 1257796 (F.T.C. Aug. 30, 2000) zudem waren die MAPs unabhängig von Werbekostenzuschüssen umfassend formuliert.

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2. Teil: Die Preisbindung der zweiten Hand – ein Rechtsvergleich

New York großes Aufsehen erregt.841 Letztlich bleibt abzuwarten, ob der rule of reason-Standard zukünftig entsprechend dem zur Colgate-Rechtsprechung Gesagten genau solchen Maßnahmen des Herstellers unterbindet. Das umfassende Preisbindungsverbot gilt auf dem Kontinent auch in Bezug auf die Werbung. Zwar wurden in Europa wenig Anstrengungen sichtbar, die auf die Beschränkung des beworbenen Preises abzielten. Wo sie jedoch unternommen wurden, haben Behörden und Gerichten sie kritisch gesehen. Solche Werbepreisbeschränkungen drängen sich – anders als im Umfeld der amerikanischen Colgate-Doktrin – im Hinblick auf die europäische Rechtsprechungslinie zu mittelbaren Preisbindungen also nicht auf. Während der Nachweis einer Vereinbarung in Europa ebenfalls eine zentrale Voraussetzung darstellt, die nachgewiesen werden muss, sind in Einzelfällen versuchte Werbepreisbeeinflussungen soweit ersichtlich schon auf vorprozessualem Wege Erledigt worden. Der Druck durch die umfangreichen Untersuchungen der Kommission im Markt für Musik-CDs, wo es tatsächlich Beschwerden über minimum advertised prices (MAPs) gegeben hatte, war offensichtlich groß genug, um entsprechende Vereinbarungen sofort zu unterbinden.842 In Deutschland steht die entsprechende Tabuzone expliziter im Raum: Fast beiläufig nahm das BKartA in Sachen Phonak auch Stellung zu der nach deutschem Recht schon erwartbaren Einschätzung verwandter Strategien im Umfeld von § 1 GWB. „Ebenso wenig könnte die Untersagung der Preiskommunikation im Internet zum Gegenstand der vertraglichen Bindung gemacht werden. Auch darin läge eine unzulässige mittelbare Preisbindung. Die von § 1 GWB geschützte Freiheit umfasst auch die Freiheit eines Unternehmens, sein Warenangebot in wettbewerbsrechtlich zulässiger Weise zu bewerben.“843

841 Vgl. noch Campbell v. Austin Air Systems, Ltd., 423 F. Supp. 2d 61, 68 (W.D.N.Y. 2005): „By its plain language, Austin’s Internet MAP policy restricts only the minimum price for which a dealer could advertise on the Internet. With respect to actual sales pricing, the agreement explicitly states that a dealer may sell Austin Air Cleaners for any price.“ mit Worldhomecenter.com, Inc. v. L.D. Kichler Co., 2007 WL 963206 (E.D.N.Y. 2007): „essentially, the advertised price is the retail price for an internet shopper. Thus although facially the IMAP restricts only advertising prices, construing Plaintiff’s allegations as true, it has the concomitant effect of restricting retail prices for internet retailers as well.“; ähnlich auch Worldhomecenter.com, Inc. v. Thermasol, Ltd., 2006 WL 1896344, 1– 2 (E.D.N.Y. 2006); andere Ansicht der US District Court for the Southern District of New York in WorldHomeCenter.com, Inc. v. Franke Consumer Products, Inc., 2011 WL 2565284 (S.D.N.Y. 2011) und WorldHomeCenter.com, Inc. v. KWC America, Inc., 2011 WL 4352390 (S.D.N.Y. 2011). 842 Komm., PM v. 13.4.2001, IP/01/1212, Commission closes inquiry into CD prices after changes to business practice. 843 Mit Verweis auf BGH v. 19.3.1991 – KVR 4/89 WuW/E 2688, 2690 = GRUR 1991, 622 – Warenproben in Apotheken; BKartA v.14.10.2009 – B3-69/08, Rn. 27 – Phonak (Hervorh. durch d. Verf.).

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Damit bewertet das Amt die Maxime des § 1 GWB lebensnah: Es gibt in der Einzelhandelswirklichkeit keinerlei Trennung von beworbenem und tatsächlichen Preis, die nicht künstlich erscheinen würde. Ein Verbot, Preise unterhalb einer Preisempfehlung (on- oder offline) zu bewerben, wird auch den tatsächlichen Preiswettbewerb unterdrücken.844 Bereits 2003 verhängte das Amt in Sachen Swissphone und eBay Geldbußen für unzulässige Preisbindungen, die über Rabattmodelle oder Lieferstoppdrohungen zur Einhaltung von empfohlenen Mindestverkaufspreisen u. a. im Rahmen von Internetauktionen erwirkt wurden. In diesem Rahmen äußerte sich das BKartA ausdrücklich auch zu Werbekostenzuschüssen, die das Amt unterschiedslos wie Boni und Rabatte, die zur Einhaltung von Preisempfehlungen gewährt werden, als mittelbare Art der Preisbindung ansieht.845 Diese Auslegung ist sachgerecht. Dass in Europa und Deutschland, anders als in den USA, überhaupt nicht zur Debatte steht, dass beworbene Preise einen anderen Sachverhalt als tatsächliche Preise darstellen können, wird auch die Regelung aus einem anderen Bereich illustriert: Die Preisangabenverordnung (PAngV), die auf eine größtmögliche Preistransparenz und Preiswahrheit abzielt und ihrerseits auf europäischem Richtlinienrecht beruht, kann vernünftigerweise nur dahingehend ausgelegt werden, dass hinsichtlich ausgezeichneter Verbraucherpreise die (systematische) Bewerbung eines Produktes unter einem anderem als dem tatsächlichen Endpreis an sich schon unzulässig ist und deshalb auch nicht vereinbart werden darf.846 VII. Ausnahmebereich Verlagserzeugnisse Das Verbot der Preisbindung der zweiten Hand kennt in Deutschland eine Reihe von Ausnahmen für bestimmte Güter und Leistungen, die einer gesetzlichen Preisbindung unterworfen sind, so besteht beispielsweise die Preisbindung für Tabakwaren (steuertechnische Gründe, TabStG), für Beförderungs-

Ausdrücklich BKartA v.14.10.2009 – B3-69/08, Rn. 27 – Phonak. BKartA v. 2.9.2003 – B7-69/03 – ebay (Swissphone/Ansmann Energy); BKartA, PM v. 23.9.2003: „Preise müssen sich im Wettbewerb bilden und Händler ihre Verkaufspreise frei festlegen können. Das gilt selbstverständlich in gleichem Maße für die Startpreise bei Internetauktionen. Wenn ein Hersteller diese freie Preisgestaltung beschränkt, sei es durch wirtschaftlichen Druck in Form von Rabatten oder Androhung von Lieferstopps, macht er sich eines Verstoßes gegen das Kartellgesetz schuldig. Nicht nur die unmittelbare Bindung der Händler an Verkaufspreise, sondern ebenso Boni, Rabatte oder Werbekostenzuschüsse, die unter der Bedingung der Einhaltung der empfohlenen Preise gezahlt werden, sind verboten.“ 846 Richtlinie 98/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.2.1998 über den Schutz der Verbraucher bei der Angabe der Preise der ihnen angebotenen Erzeugnisse ABl. L 80/27, 27–31; zur PAngV s. Helm, in: Gloy / Loschelder / Erdmann, Hdb. des Wettbewerbsrechts, § 75, Rn. 1 ff. 844 845

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2. Teil: Die Preisbindung der zweiten Hand – ein Rechtsvergleich

entgelte (PBefG)847 und rezeptpflichtige Arzneimittel848. Sonderbereiche sollten gleichwohl regelmäßig kritisch darauf geprüft werden, ob die jeweils staatlich verordnete oder ermöglichte Preisbindung sinnvoll und mit europäischem Recht vereinbar ist. In Deutschland fällt dahingehend der Ausnahmebereich für Verlagserzeugnisse ins Auge, der sich nun auch gesetzlich auf moderne Buchsubstitute wie E-Books erstreckt. Nach der europarechtlichen, generellen Unzulässigkeit der Preisbindung sind die deutschen Sonderbereichsregelungen für Druckerzeugnisse, namentlich die Preisbindung für Zeitschriften und Zeitungen nach § 30 GWB und die gesetzlich geregelte Buchpreisbindung (BuchPrG), schon auf den ersten Blick problematisch. Der Markt für deutschsprachige Literatur erstreckt sich über mehrere Mitgliedstaaten und hat offensichtlich Auswirkungen auf den zwischenstaatlichen Handel. Trotzdem haben sich die traditionellen Sonderregeln dem europäischen Deregulierungsdruck widersetzt. Im Land der Dichter und Denker sind Verlagserzeugnisse seit jeher nicht nur als Wirtschaftsgüter, sondern auch als Kulturgüter begriffen worden. Mit dem Verbot der Preisbindung für Markenwaren im Rahmen der 2. GWB-Novelle 1973 entschied sich der Gesetzgeber – aus kulturpolitischen Gründen849 – ein einheitliches Recht der Preisbindung für Verlagserzeugnisse beizubehalten.850 2002 wurde der Anwendungsbereich des § 15 GWB a. F. durch das Gesetz zur Regelung der Preisbindung bei Verlagserzeugnissen auf Zeitungen und Zeitschriften beschränkt. Gleichzeitig wurde die Buchpreisbindung im parallel eingeführten Buchpreisbindungsgesetz (BuchPrG)851 gesondert gesetzlich verankert. 1. Bücher als Kulturgut – Notwendigkeit der Preisbindung oder Lobbyarbeit? Anders als die Legalausnahme in § 30 GWB für Presseerzeugnisse handelt es sich bei der deutschen Preisbindung für Bücher, Musiknoten und kartografische Werke nicht um eine bloße Möglichkeit der Preisbindung, sondern um eine Preisbindungspflicht. Die Buchpreisbindung kann auf eine lange Geschichte zurückblicken: bereits 1887 wurde sie vom Börsenverein des deut847 Siehe auch LG Hamburg v. 15.9.201 – 312 O 225/15 – Rabattaktion für Beförderungsdienstleistungen; OLG Stuttgart v. 19.11.2015 – 2 U 88/15 – Rabattaktion für Taxidienstleistungen; a. A. LG Stuttgart v. 16.6.2015 – 44 O 23/15 – KfH; LG Frankfurt 19.1.2016 – 3-06 O 72/15 – Taxivermittler. 848 Seit 1.1.2004 sind nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel nicht mehr preisbindungsfähig. 849 Immenga / Mestmäcker-Emmerich, § 30 GWB, Rn. 7; s. Bericht v. 1973, 4; die Begründung v. 1998, 35 sowie die Begründung zum Buchpreisbindungsgesetz, BT-Drcks. 14(2002)/9196; dazu krit. Emmerich, WuW 2003, 225; Möschel, WRP 2004, 857. 850 Verankert zunächst in § 16 GWB a. F., seit der 6. GWB-Novelle 1999 in § 15 GWB a. F. 851 Gesetz über die Preisbindung für Bücher (Buchpreisbindungsgesetz – BuchPrG) i.d. Fassung v. 14.7.2006, Gesetzesbegründung BT-Drcks. 14/9196, 14. Wahlperiode 3.6.2002.

D. Reichweite und Abgrenzungen des Preisbindungsverbotes

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schen Buchhandels durchgesetzt, um dem aufkommenden Versandbuchhandel entgegenzutreten.852 Deutlich fällt hier die Parallele zu vielen anderen Fällen der Befürwortung und Einführung von Preisbindungen durch etablierte Händler auf. Sobald ein neues, leistungsstarkes Handelskonzept auf den Markt drängt und eingesessene Unternehmen unter Druck geraten, versuchen sie, diesen Wettbewerbsdruck durch die Einführung einer branchenweiten Preisbindung zu verhindern. Nach § 5 I BuchPrG setzen Verlage einen Preis für die Ausgabe eines Buches fest, der für alle Händler – auch Importeure – verbindlich ist. Der Buchhandel ist unabhängig vom Vertriebsweg oder der Organisationsform des Handels an den Verlagspreis für Endkunden i. S. e. einer Festpreisbindung gebunden. Ausnahmen gelten nach §§ 3, 7 BuchPrG lediglich für gebrauchte Bücher und wenige weitere Sonderfälle wie den Verkauf von Mängelexemplaren und die Veräußerung zu Lehrzwecken oder an Bibliotheksbestände. Die bereits angesprochene, kulturpolitische Begründung ist seit langem stark umstritten. Sie geht dahin, dass eine auskömmliche Gewinnmarge beim Buchhandel notwendig sei, um eine ausreichende Zahl von Buchhandlungen zu erhalten, die Versorgung der Bevölkerung mit Büchern sicherzustellen und – nicht zuletzt – die Herausgabe literarisch hochwertiger Literatur (z. B. Klassiker oder Lyrikbände) gegenüber der Bestsellerflut im Wege der Quersubvention zu erhalten. Dabei ist stark zu bezweifeln, dass der Wegfall der Buchpreisbindung tatsächlich zu Marktversagen führt – im Grunde greifen die gleichen ökonomischen Effekte wie bei jeder anderen Ware, bei der Preiswettbewerb sinnvoll und möglich ist.853 Trotzdem soll hier kurz darauf eingegangen werden, wie sich die bereits angesprochenen Effekte, insbesondere die Theorien zum Trittbrettfahren im Bereich des Buchhandels auswirken (können). So wird vor allem angeführt, dass der Buchhandel hinsichtlich der Beratungsleistung zu Literatur besonders durch das Trittbrettfahren gefährdet würde. Diese Annahme ist jedoch nicht haltbar: Erstens sind die Kosten des Bucheinzelhandels im Hinblick auf die buchbezogene Beratungsleistung gering und zweitens sind Buchkäufe nachweislich impulsgesteuert, d. h. „entdeckte“ Bücher werden in der Regel sofort gekauft. Ausschlaggebend ist eher die Präsentationsfläche, während Beratung nur in geringem Umfang genutzt wird.854 Ein Marktversagen ist daher (noch) am ehesten bei der vorgelagerten Buchverlegung in dem Sinne denkbar, dass Fixkosten der Titelverlegung (Autorenhonorar, Verwertungsrechtekosten, Herstellungs- und Druckkosten, Bewerbung) für mutmaßlich unrentable Titel die Herausgabe verhinSog. Kröner-Reform; s. m. w. N. Elsenbast, Wirtschaftsdienst 2000, 558 ff.; die Buchpreisbindung beruhte bis zum Erlass des BuchPrG 2002 auf dem sog. (vertraglichen) Sammelrevers, in dem Preisbindungen mehrerer Verlage in einer einzigen Urkunde zur Unterzeichnung durch Abnehmer zusammengefasst wurden. 853 Immenga / Mestmäcker-Emmerich, § 30 GWB, Rn. 12. 854 Elsenbast, Wirtschaftsdienst 2000, 559. 852

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dern. Unternehmerinvestitionen bergen immer ein gewisses Risiko, das jedoch gerade im Fall von Büchern durch die Print-on-Demand-Möglichkeiten geschmälert wird. Bereits vor dem Erlass des BuchPrG war die Monopolkommission in einem umfangreichen Gutachten zum Ergebnis gekommen, dass das Quersubventionierungsargument hinsichtlich der Herausgabe nicht besonders ertragreicher Titel schon theoretisch nicht taugt. Für den Buchmarkt ergibt sich nämlich das Bild einer tatsächlich nur bestehenden ex postQuersubventionierung: Verleger stellen zwar eine Mischkalkulation im Geschäftsergebnis fest. Allerdings lassen sich die Erträge einzelner Titel – bis auf wenige Ausnahmen – kaum voraussagen, weshalb jeder Titel unter der grundsätzlichen Annahme der Kosteneinspielung verlegt wird.855 Empirisch belegbar sind die angeführte Angst vor Risiko und eine Auswirkung auf die Herausgabe ganzer Genres jedenfalls nicht. Ein durch sinkende Preise positiv beeinflusstes Käuferbudget kann überdies ebenfalls zu einer differenzierteren Erstnachfrage des Buchhandels und somit positiv auf die Titelvielfalt wirken.856 Was hingegen nach Wegfallen von Buchpreisbindungssystemen in Großbritannien und der Schweiz sichtbar wurde, war eine größere Preisstreuung, jedoch weder in Großbritannien noch in der Schweiz eine Reduzierung der Neuerscheinungen.857 Stattdessen stieg nicht nur die Zahl der Neuerscheinungen kontinuierlich weiter, sondern auch das Interesse von Verlegern an neuen Autoren – eine Beobachtung auch in Schweden und Frankreich.858 Bibliotheken konnten im signifikanten Umfang Rabatte aushandeln.859 Zwar sanken die durchschnittlichen Renditen bei Verlagen und Händlern, allerdings wurde nirgends ein ruinöser Preiskampf beobachtet, der „qualifizierte“ Buchläden verdrängt hätte – im Gegenteil die Präsentationsfläche für Bücher wurde ausgeweitet. Auch die Lage der Autoren war unverändert geblieben. 855 Monopolkommission, Wettbewerbspolitik in Netzstrukturen, Hauptgutachten 1998/ 99 (2000), Rn. 703. 856 Elsenbast, Wirtschaftsdienst 2000, 560. 857 Kurzbericht v. 11.7.2008, Erste Auswirkungen der Abschaffung der Buchpreisbindung Fachhochschule Nordwestschweiz; siehe ausführlich WEKO v. 21.3.2005 = WuW/E KRInt 89, Rn. 32, 46 ff., 50, 102 ff.; Rekurskommission, 11.7.2006 = WuW/E KRInt 137 ff.; im Prinzip auch Schweizerisches BGer v. 14.8.2002 – BGE 129 II 18, 36 ff.– Buchpreisbindung, 36 ff.; BGer v. 6.2.2007 – 2A.430/2006 = WuW/E KRInt 147, 148 f. = WuW 2007, 429, 430 f. – Schweizer Buchpreisbindung; bzgl. Großbritannien Elsenbast, Wirtschaftsdienst 2000, 559; Monopolkommission, Wettbewerbspolitik in Netzstrukturen, Hauptgutachten 1998/99 (2000), Rn. 726, 731; 11. Hauptgutachten 1994/95, Rn. 970 (404 f.); Wissenschaftlicher Beirat, BT-Drcks. IV/617, Anh. 93; KG v. 20.10.1976 – Kart 4/76 = WuW/E OLG 1805, 1811 f. = NJW 1977, 392 – Unwirksamerklärung für Preisbindungen im Buchhandel; Emmerich, WuW 2003, 225; a. A. BGH v. 13.3.1979 – KZR 4/77 = GRUR 1979, 493 – Bücherbeschaffung. 858 Elsenbast, Wirtschaftsdienst 2000, 563; wissenschaftliche Titel sind ausgenommen. 859 Monopolkommission, Wettbewerbspolitik in Netzstrukturen, Hauptgutachten 1998/ 99 (2000), Rn. 726, 731.

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Zusammenfassend lassen sich ökonomisch keine Argumente vorbringen, die die Notwendigkeit der Preisbindung geschweige denn ihre Eignung im Rahmen von kulturpolitischen Zielsetzungen belegen könnten. a) Europarechtskonformität Das in Deutschland fest etablierte Institut der Buchpreisbindung erstaunt angesichts der zweifelhaften Vereinbarkeit der Regelung mit der praktischen Wirksamkeit des Unionsrechts (effet utile). Auch die über Artt. 106 und 167 AEUV eröffneten Ausnahmebereiche, sind nur sehr restriktiv als Rechtfertigungen zu interpretieren.860 Zur Frage bei grenzüberschreitenden Auswirkungen hat sich der EuGH mittlerweile im Urteil Libro861 kritisch gezeigt, indem er Regelungen des deutschen bzw. österreichischen Buchpreisbindungsgesetzes verworfen hat, die die Bindungswirkung der festgesetzten Preise im Verlagsstaat auch auf den Importstaat übertrugen. Das sprengte offensichtlich die Grenze der Toleranz beim EuGH. Gleichwohl ist ein Kippen der Buchpreisbindung in Deutschland bisher nicht in Sicht. b) Aspekte von E-Books und Internethandel Dabei beschränkt sich die Buchpreisbindung nicht mehr auf Verlagserzeugnisse: Auch das Buch ist von den Entwicklungen im Internet und der fortschreitenden Digitalisierung betroffen. E-Books, also Digitalausgaben von Büchern, können mittlerweile hinreichend komfortabel auf Computern, Tablet-PCs oder E-Book-Readern gelesen werden. Im Jahr 2013 wurden laut GfK Entertainment insgesamt 21,5 Millionen E-Books im deutschen Markt abgesetzt – rd. acht Millionen mehr als im Vorjahr. Der Umsatzanteil von E-Books steigt kontinuierlich und die Anzahl der Käufer von E-Books hat sich seit 2010 fast verfünffacht: 2013 waren es rund 3,4 Millionen, Tendenz weiter steigend.862 Das BuchPrG wurde jedoch für gedruckte Bücher erlassen, noch ohne die Entwicklungen im digitalen Buchmarkt im Auge zu haben. Deshalb wirkt die entsprechende Anwendung des Gesetzes auf E-Books und digitalen Vertrieb –insbesondere mit dem Blick auf die Regelungen für physische Mängelexemplare – offensichtlich unpassend weil altertümlich. Die Rechtslage blieb für E-Books deshalb zunächst ungeklärt. Selbst der Börsenverein des Deutschen Buchhandels nahm erst 2008 Stellung, nachdem das deutlich werdende wirtschaftliche Abwanderungspotenzial die Angst vor der Erosion der Preisbindung offensichtlich schürte. Gleichwohl ist es nicht von der Hand zu weisen, dass sich auch E-Books nach Wortlaut, Sinn und Zweck Von „Zwangskartell“ spricht Immenga / Mestmäcker-Emmerich, § 30 GWB, Rn. 13. EuGH v. 30.4.2009 – Rs. C-531/07, Slg. 2009, I-3717 – Fachverband der Buch- und Medienwirtschaft. 862 Quelle Statista.de abrufbar . 860 861

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des BuchPrG unter die Norm subsumieren lassen. So sah es im Prinzip schon im Jahr 1997 der BGH.863 § 2 Abs. 1 Nr. 3 BuchPrG gilt für „Produkte, die Bücher, […] reproduzieren oder substituieren und bei Würdigung der Gesamtumstände als überwiegend verlags- oder buchhandelstypisch anzusehen sind sowie kombinierte Objekte, bei denen eines der genannten Erzeugnisse die Hauptsache bildet“.

Ein Produkt substituiert dann ein Buch, wenn es dieses ersetzen kann. Neben der Ähnlichkeit zur gedruckten Version, also der Übernahme des Buchinhalts, ist auch eine entsprechende Ausstattung, wie Seitenangaben, Titel, Inhaltsverzeichnis etc., erforderlich. Das E-Book solle gerade das klassisch gedruckte Buch ersetzen und nicht nur als zusätzliches Arbeitsmedium zur Printausgabe dienen. Dabei komme es nicht darauf an, wie das Produkt hergestellt oder technisch ausgestattet ist.864 Andererseits sind E-Books gerade nicht verlags- oder buchhandelstypisch, weil sie auf einen ortsübergreifenden Internetvertrieb ausgerichtet sind.865 Bei E-Books ist das Verhältnis zwischen Verleger und Händler anders ausgestaltet als bei Büchern, weil keine physischen Produkte den Besitzer wechseln. Es handelt sich vielmehr um ein Geschäft mit Services, die in Form der Lizenzvergabe abgewickelt werden. Damit entfällt zum einen das Händlerrisiko, zum anderen werden andere Aspekte der Lizenzausgestaltungen in sachlicher und geografischer Hinsicht determinierend für Wettbewerbsbeschränkungen.866 Auch wenn der Inhalt von Büchern und E-Books weitgehend identisch sein kann, ist die Nachfragesubstituierbarkeit nicht gegeben. Die unmittelbare Verfügbarkeit, die Portabilität von E-Books und die Notwendigkeit von entsprechender Hard- und Software führen dazu, dass nur eine geringe Kreuzpreiselastizität gegeben sein dürfte.867 Tatsächlich sprechen die besseren Gründe gegen die Annahme einer Substituierbarkeit im wettbewerblichen Sinne, wie sie auch die Kommission im Bereich des Musikvertriebs überzeugend darlegt.868 Der EuGH hat die rechtliche Vergleichbarkeit von E-Books zuletzt hinsichtlich steuerrechtlicher Fragestellung aufgegriffen und einen ermäßigten Mehrwertsteuersatz, der in Frankreich und Luxemburg aufgrund des kulturellen Wertes auch für elektronische Bücher praktiziert wurde, mit Verweis auf die europäische MehrwertZu § 16 GWB a. F. BGH v. 11.3.1997 – KVR 39/95, BGHZ 135, 74 = NJW auf CDROM: „Der Begriff des Verlagserzeugnisses i. S. d. § 16 GWB ist für neue technische Entwicklungen offen und erfasst grundsätzlich auch neuartige Produkte, wenn und soweit durch sie herkömmliche Verlagserzeugnisse substituiert werden.“ 864 Preisbindung bei E-Books befürwortend z. B. Schulz / Ayar, MMR 2012, 652, 654; Russ / Wallenfels, WRP 2013, 24, 26 (einer der Autoren ist Preisbindungstreuhänder). 865 Preisbindung bei E-Books ablehnend Hess, AfP 2011, 223. 866 Linklater, A European Perspective on Agency Agreements for the Sale of eBooks, 5. 867 Linklater, A European Perspective on Agency Agreements for the Sale of eBooks, 7, 8. 868 Deshalb eigenständiger Markt, vgl. Komm. v. 11.10.2000 – ABl. 2001 L 268/28 Rn. 21 – AOL / Time Warner. 863

D. Reichweite und Abgrenzungen des Preisbindungsverbotes

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steuerrichtlinie869 abgelehnt. Allerdings spricht die Richtlinie im Wortlaut von Büchern und „physischen Trägern“ – zur kulturpolitischen Begründung musste sich der EuGH nicht äußern, weshalb sich die Frage, ob der EuGH auf Umwegen auch die Buchpreisbindung für E-Books in Deutschland mit diesem Urteil berühre, eigentlich nicht unmittelbar stellte.870 Während in Europa und Deutschland die fortschreitende Digitalisierung bei E-Books und Lizenzvereinbarungen weitere Fragen aufwirft, bietet sich erneut der Blick in die USA an. Der Supreme Court hatte früh – noch vor Dr. Miles – in BobbsMerryl (1908) den Bestrebungen von Verlegern eine Absage erteilt, Preise auf urheberrechtlichem Wege als Teil einer Lizenzvereinbarung zu binden. Diese Absage besteht, wenngleich unter rule of reason-Gesichtspunkten, grundsätzlich weiter.871 Gleichwohl gibt es auch hier Stimmen, die den ruinösen Wettbewerb im Internet gerade in Bezug auf Amazons Marktstellung und das sich anschließende Verfahren United States v. Apple beklagen. Diesen blieben bisher aber höchst vereinzelt und beziehen sich auf allgemeine Erwägungen der Rechtfertigung – die Forderung von Branchenbereichsausnahmen ist den USA eher fremd.872 Weil das weitaus günstigere Angebot von E-Books das althergebrachte Modell bedroht und aus Sicht der Buchbranche in Deutschland nicht sein kann, was nicht sein darf, setzte der Börsenverein die Preisbindungspflicht zwischenzeitlich auch bei E-Books durch. Wohlgemerkt – trotz rechtlicher Unsicherheiten, die vor allem hinsichtlich der Frage bestehen, was für Preis-, Gutschein- oder Bundle-Aktionen im E-Book-Handel zulässig sind und welche gegen die Buchpreisbindung verstoßen. Im Sinne einer gleichmäßigen Anwendung der Buchpreisbindung ist dies unglücklich, weil finanziell besser gestellte Händler und Verlage die Grenzen des Zulässigen in der Regel weiter austesten, als sich das wirtschaftlich schwächere Händler erlauben. OnlineGrößen wie Google, Apple und Amazon haben den Buchmarkt schon länger im Auge und der Börsenverein war erfolgreich gegen Rabattmodelle von Amazon vorgegangen.873 Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem, ABl. 2006 L 347/1, berichtigt ABl. 2007 L 335/60. 870 EuGH v. 5.3.2015 – Rs. C-479/13, EU:C:2015:141 – Kommission / Frankreich und v. 5.3.2015 – Rs. C-502/13, EU:C:2015:143 – Kommission / Luxemburg; Sundermeier, EuGH zu E-Books, Ein E-Book ist kein Buch, „Eine verringerte Mehrwertsteuer kommt nicht in Frage, ein Buch sei schließlich aus Papier. Mit diesem Argument kann auch die Preisbindung fallen.“, taz v. 5.3.2015. 871 Bobbs-Merrill Co. v. Straus, 210 U.S. 339 (1908). 872 Killeen, 22 J. L. & Pol’y 2013, 341, 390: „The book publishers in United States v. Apple, Inc. acted efficiently (and legally) by correcting the market failure caused by Amazon's predatory pricing of e-books.“ 873 LG Berlin v. 7.7.2014 – 101 O 55/13 = GRUR-RR 2014, 461 – Provision für Schulförderverein beim Vertrieb von Schulbüchern – Schulförderverein; BGH v. 23.7.2015 – I ZR 83/14 = MMR 2016, 236 – Gutscheinaktion beim Buchankauf. 869

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2. Teil: Die Preisbindung der zweiten Hand – ein Rechtsvergleich

c) Fazit Fasst man die Argumente für die Buchpreisbindung zusammen, so ist in der Bilanz kein überzeugender Grund für eine Bereichsausnahme zu sehen. Eher die politische Unattraktivität einer Abschaffung und die Dynamik der Lobbydiskussion sind Gründe für die nach wie vor bestehende Buchpreisbindung. Profitieren würden von einer Abschaffung am ehesten öffentliche Bibliotheken, größere Händler, Buchhandelsketten und Internet-Buchhändler. Dabei zeichnen sich größere Händler heute ohnehin dadurch aus, dass sie große Filialnetze und eben auch Internetangebote unterhalten, die Größenvorteile auch im Service nutzbar machen. Profitieren würden auch die vergleichenden, preissensiblen Konsumenten. Nachteilig wäre ein Wegfall wohl vor allem für kleinere und mittlere Buchhändler und für Verlage mit bisher nicht wettbewerblich bedingten Renditen sowie für Klein- und Kleinstverlage (z. B. Schulbuchbereich). Deshalb verwundert auch die stabile Lobby für die Buchpreisbindung nicht. Kleine und mittlere Händler haben berechtigte Angst vor aufkommenden Wettbewerb, allerdings ist es gerade nicht die Aufgabe des Wettbewerbs, einzelne Wettbewerber zu schützen. Die Assoziation des Schutzes literarisch interessierter Händler und der Verteidigung der Intellektualität im Land der Dichter und Denker gegen die kapitalistische Heuschrecke Internet schürten aber auch unter Kunden – und potenziellen Wählern – Verständnis für eine Preisbindung. Deshalb erklärt sich, weshalb die vor einem Jahrzehnt europarechtlich unter Druck geratene Preisbindung so schnell in ein Gesetz gegossen worden war. Dies ist nun erneut geschehen, um die Preisbindung gesetzlich auch bei E-Books abzusichern. Am 3.2.2016 hat Bundeskabinett den Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Buchpreisbindungsgesetzes beschlossen, durch den die Buchpreisbindung nun ausdrücklich auch für elektronische Bücher gilt.874 Dabei verkennt die Diskussion zwei wichtige Aspekte: Zum einen zeigen die ökonomischen Erkenntnisse und die strukturellen Entwicklungen im Zeitalter der Digitalisierung und des Internets, dass das Preisbindungsgesetz für die Buchbranche auf Dauer keine „Insel der Glückseligen“875 wird bewahren können. Die Herausforderungen an den Buchhandel dürften anderweitig durchschlagen, wenngleich zeitverzögert und leicht verfälscht. Zum anderen verlangen nicht marktkonforme Gesetze wie ein Preisbindungsgesetz immer wieder Nachbesserung durch die Judikative, was sich zuletzt in der Frage um die Auslegung hinsichtlich der Erfassung von E874 BReg, PM v. 3.2.2016, 34/2016, Staatsministerin Grütters: Buchpreisbindung auch digital!, abrufbar . 875 von Gottberg, Wirkungsanalyse der gesetzlichen Buchpreisbindung in Deutschland, 266 ff.

D. Reichweite und Abgrenzungen des Preisbindungsverbotes

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Books von der Preisbindung und Affiliate-Programmen876 zeigte. Zwar besteht für die Buchpreisbindung in Deutschland in der öffentlichen Diskussion und bei Gerichten genug Rückhalt, allerdings gelingt dieser Schutz teilweise nur mit einem interpretatorischen Spagat und schafft Folgefragen, wie die steuerliche Ungleichbehandlung von E-Books und Büchern. Wenn nämlich eine Preisbindung besteht, sollte sie auch diskriminierungsfrei wirken. Das gilt auch für das Ausweichen auf nichtpreislichen Wettbewerb und dadurch geschaffene versteckte Rabatte. Die Probleme um die Grenzen der Buchpreisbindung werden durch das rechtliche Spiegelbild der ökonomischen Interdependenz von Service- und Preiswettbewerb aufgezeigt: Wo hören erlaubte Kundenservice- und Kundenbindungsprogramme auf und beginnt geldwerter Rabatt, der mit der gesetzlichen Festpreisbindung bei Büchern konfligiert? Mit dieser Frage beschäftigen sich Gerichte bereits seit mehr als 10 Jahren, von einer übersichtlichen Lage kann aber schon wegen der fortschreitenden Entwicklung von Internet-Werbeformen keine Rede sein.877 Preisabweichungen nach oben oder unten sind gemäß § 5 BuchPrG offensichtlich unzulässig, so auch Rabatte oder Zugaben. Die Frage nach der Gegenwertbemessung von Gutscheinen ist aber weniger übersichtlich, insbesondere wenn – wie zunehmend im Internetversandhandel – gebundene und ungebundene Produkte gemeinsam vertrieben werden.878 Noch vertrackter wird die Lage bei Kundenbindungsprogrammen über Prämienpunkte. Hier soll es nämlich aufgrund der Ausnahmeregelung in § 7 IV Nr. 1 BuchPrG zulässig sein, dass Prämienpunkte für den Umsatz beim Kauf von preisgebundenen Büchern vergeben und später gegen Sachprämien eingetauscht werden können (solange bestimmte Prozentsätze hinsichtlich des Umsatzes nicht überschritten werden).879 Hingegen soll es eben nicht gestattet sein, (Waren-) Gutscheine in Höhe dieses erlaubten Umsatzanteils beim Kauf von preisgebundenen Büchern auszugeben, selbst wenn deren Barwert nicht ausgezahlt werden kann. Sinn macht 876 Im Handel besteht durchaus Spielraum für Wettbewerb, der durch neue Arten von Effizienzgewinnen über Internet-Netzwerkeffekte refinanziert wird; LG Berlin v. 7.7.2014 – 101 O 55/13 = GRUR-RR 2014, 461– Provision für Schulförderverein beim Vertrieb von Schulbüchern – Schulförderverein. 877 Möller, GRUR-Prax 2010, 308. 878 OLG Frankfurt a.M. v. 20.7.2004 – 11 U (Kart) 15/04 = NJW 2004, 3122 – Startgutscheine für Bücher, demnach ist eine bloße Registrierung auf einer Internetseite keine hinreichende Gegenleistung, wenn dafür Gutscheine ausgegeben werden, die später (auch) auf gebundene Bücher angerechnet werden; bei kombiniertem Vertrieb von gebundenen und ungebundenen Produkten darf der Rabatt auf ungebundene Produkte nicht die Handelsmarge dieser Produkte übersteigen, LG Wuppertal v. 17.11. 2009 – 14 O 13/09 = GRUR-RR 2010, 224 – Sonderrabatte auf Lehrerprüfstücke, ähnlich BGH v. 21.11.1989 – KZR 17/88 = GRUR 1990, 387, 388 f. – Schulbuch-Koppelungsgeschäft; OLG Hamburg v. 26.9.2005 – 5 W 109/05 = GRUR-RR 2006, 200 – Preisgebundene Abonnementzugabe. 879 Börsenverein des Deutschen Buchhandels, Merkblatt Kundenbindungssysteme (29.10.2012).

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2. Teil: Die Preisbindung der zweiten Hand – ein Rechtsvergleich

diese Differenzierung nicht.880 Auch sollen Gutscheine, die vom Händler selbst für den Kauf preisungebundener Waren ausgegeben wurden, später nicht beim Kauf preisgebundener Bücher angerechnet werden können.881 Anders entschied das OLG Stuttgart, das einen solchen Gutschein für den Zweiteinkauf eines preisgebundenen Buches als zulässig wertet.882 Angesichts der gegenteiligen Auffassung von Literatur und Börsenverein ist jedoch noch weniger verständlich, warum Letztere dann wiederum die Abgabe preisgebundener Bücher gegen Einlösung von Bonuspunkten so liberal bewerten. Das sei nämlich immer dann zulässig, wenn ein Dritter die Punkte gewährt und dem Buchhändler der volle Gegenwert erstattet wird – zumindest solange der Buchhändler selbst nicht bei der Gutschrift der Punkte beteiligt gewesen ist.883 Bei Gutscheinen sieht die heile Welt der Dreiecksbeziehung hingegen wieder anders aus: Wenn Dritte, also zum Beispiel Betreiber von Einkaufszentren Warengutscheine ausgeben, so soll die Abgabe preisgebundener Bücher an Kunden gegen Gutschein gegen die Preisbindung verstoßen. Hier sind Kooperationen – anders als bei unternehmensübergreifenden Prämienpunktprogrammen – vom Börsenverein des deutschen Buchhandels abgelehnt worden.884 Dabei sind es gerade die Dreieckskonstellationen, die in letzter Zeit durch das Internet besonders virulent wurden. Problempunkte sind vor allem die Möglichkeiten der Fremdfinanzierung bzw. förderung, die allesamt als unstatthaft beurteilt wurden, weil bei Kunden der Eindruck erweckt würde, er könne bei dem entsprechenden Anbieter „günstiger“ einkaufen als bei einem anderen.885 Ohne im Weiteren auf die noch weniger geklärte Lage bei Gewinnspielen und ähnlichen Verkaufsförderungsmaßnahmen886 einzugehen, sticht jedenfalls ins Auge, dass die im Fall der Buchpreisbindung so erfolgreiche Lobbyarbeit skurrile Früchte trägt und mehr Unsicherheiten schafft, als ausräumt. So schon Möller, GRUR-Prax 2010, 309. Wallenfels / Russ, BuchPrG, § 3, Rn. 37 ff.; Börsenverein des deutschen Buchhandels, Merkblatt Kundenbindungssysteme (29.1.2012). 882 OLG Stuttgart v. 11.11.2010 – 2 U 31/10 = ZUM-RD 2011, 225 – Verstoß gegen Buchpreisbindung durch Preisnachlass-Coupon, Leitsatz: Wird ein Preisnachlass-Coupon beim Kauf von Artikeln ausgegeben, die nicht unter die Buchpreisbindung fallen, dann liegt eine Verletzung des Buchpreisbindungsgesetzes auch dann nicht vor, wenn dieser Coupon beim späteren Kauf eines preisgebundenen Buches preismindernd eingesetzt wird. 883 Mit Verweis auf LG Ulm v. 5.3.2010 – 11 O 60/09 = ZUM-RD 2010, 446 – Ersteinkauf, s. Möller, GRUR-Prax 2010, 309. 884 Mit weiteren Nachweisen Möller, GRUR-Prax 2010, 310. 885 LG Hamburg v. 8.6.2011 – 315 O 182/11 = MMR 2012, 172 – studibooks.de; hierzu auch Weitner, GRUR-RR 2012, 1 ff.; OLG Hamburg v. 24.10.2012 – 5 U 164/11 = MMR 2013, 660 – studibooks.de; OLG Frankfurt a.M. v. 17.7.2012 – 11 U 20/12 = MMR 2012, 681 – Gutscheinaktion eines Internetbuchhändlers. 886 BGH v. 19.4.2007 – I ZR 57/05 = GRUR 2007, 981 – 150 % Zinsbonus; BGH v. 22.1.2009 – I ZR 31/06 = GRUR 2009, 875 – Jeder 100. Einkauf gratis. 880 881

D. Reichweite und Abgrenzungen des Preisbindungsverbotes

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2. Presseerzeugnisse Seit der 7. GWB-Novelle 2005 ist das Preisbindungsrecht für Zeitungen und Zeitschriften systematisch nicht mehr bei den Regelungen zum Preisbindungsverbot nach § 15 GWB a. F. bzw. § 14 GWB a. F., sondern als „Sonderregel für bestimmte Wirtschaftsbereiche“ in § 30 GWB n. F. verortet.887 Der Anwendungsbereich wurde damit nicht angetastet. Diese Ausnahme vom Preisbindungsverbot für Zeitungen und Zeitschriften wurde lange wenig kontrovers hingenommen, das änderte sich ab 2011, als im Zuge der 8. GWB-Novelle 2013 – zusätzlich zur Preisbindungsfreiheit – (über Art. 106 Abs. 2 AEUV) eine Freistellung vom Kartellverbot des § 1 sowie von Art. 101 AEUV für Branchenvereinbarungen zwischen Vereinigungen von Presseverlagen und von Presse-Großhändlern, in § 30 Abs. 2 a) GWB eingefügt wurde. Vor allem die erwähnte Freistellung für Branchenvereinbarungen deutet bereits Besonderheiten im deutschen Zeitungs- bzw. Zeitschriftenhandel an, für den faktisch nicht bloß eine Preisbindung auf der letzten Handelsstufe besteht, sondern eine breite wettbewerbliche Bereichsausnahme. Dabei handelt es sich um zwei differenzierbare Marktsituationen: um Zeitschriften herrscht grundsätzlich ein reger Wettbewerb, während der Zeitungsmarkt bestenfalls stillsteht. Ungeachtet der Fülle an lokalen oder regionalen Tageszeitungen, bei denen es sich meist nicht um eigenständige Zeitungen, sondern Lokalausgaben handelt, besteht nämlich nur eine kleine Zahl unabhängiger Zeitungsverlage und überregionaler Tageszeitungen.888 Zeitungen und Zeitschriften werden über den spezialisierten Großhandel (sog. Grossisten) vertrieben, die jeweils unterschiedliche Absatzgebiete bedienen, also regionale Monopole bewirtschaften.889 Daneben besteht der Vertrieb über Abonnement und den Bahnhofsbuchhandel, ein Direktvertrieb vom Verlag – mit oder ohne Preisbindung. Hier unterscheiden sich die Strukturen deutlich: Bei Tageszeitungen sind Abonnement mit rund 60 % und Bahnhofsbuchhandel mit weiteren 10 % am Anteil der abgesetzten regionalen und lokalen Zeitungen Hauptvertriebskanal. Nur die restlichen 30 % werden über den Großhandel abgesetzt. Bei Zeitschriften wird ebenfalls ein Großteil (rund 45 %) Die Anpassungen im Gesetz waren notwendig geworden, nachdem der zweite Abschnitt des ersten Teils zu Vertikalvereinbarungen vollständig wegfiel und in der allgemeinen Verbotsnorm des § 1 GWB aufging. § 30 Abs. 1 GWB enthält deshalb die klarstellende Tatbestandsvoraussetzung „vertikale Preisbindung“ und einen Verweis auf das aus § 1 GWB folgende Preisbindungsverbot. 888 Mit weiteren Nachweisen und Daten zu Neuerscheinungen und Anzahl von Teilnehmern im Markt für Zeitungen s. nur Immenga / Mestmäcker-Emmerich, § 30 GWB, Rn. 15. 889 In vier Gebieten besteht ein sog. Doppel-Grosso zweier Großhändler, die jedoch hinsichtlich der verschieden Verlagsprodukte spezialisiert sind, Immenga / MestmäckerEmmerich, § 30 GWB, Rn. 16. 887

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2. Teil: Die Preisbindung der zweiten Hand – ein Rechtsvergleich

im Abonnement, also direkt vertrieben.890 Ansonsten handeln auch hier die Grossisten, allerdings werden viele Zeitschriften seit jeher ohne Preisbindung vertrieben.891 Wo sie denn besteht, beruht sie bei den Zeitschriften entweder auf dem (modifizierten) Sammelrevers oder Individualverträgen zwischen Zeitschriftenverlag und Händler. Seine Hauptbedeutung hat der PresseGrosso damit bei Zeitungen. Die Preisbindung erfolgt also nur auf dem Vertriebsweg zwischen den Zeitungsverlagen und den Monopolgrossisten. Dafür haben die Verlage und Großhändler ein Dispositionsrecht, das mit dem Remissionsrecht der Händler und Großhändler korrespondiert. Letztere können nicht verkaufte Zeitungen oder Zeitschriften auf Verlagskosten gegen Erstattung des Kaufpreises zurückgeben, der Handel trägt mithin kein Absatzrisiko für Zeitungen. Die Konditionen handeln die Verlage oder deren Verbände mit den Verbänden der Grossisten zudem für mehrere Jahre in einheitlichen Branchenvereinbarungen (§ 30 Abs. 2 lit. a) GWB) aus. Dieses Vertriebssystem für Zeitungen und Zeitschriften soll geeignet und dazu bestimmt sein, die allgegenwärtige Verfügbarkeit der Zeitungen zu gewährleisten.892 In digitalen Zeiten, in denen sich nicht nur Vertriebswege verändern, sondern auch das ganze Konzept „Zeitung“ einem Wandel unterworfen wird, mutet das absonderlich analog an. Zwar ist das Sammelreverssystem technisch bloß eine äußerliche Zusammenfassung mehrerer selbstständiger Verträge,893 allerdings liegt die Nähe zur Kartellabsprache bei der zur Durchführung notwendigen Absprachen spätestens bei den geschilderten Branchenvereinbarungen auf der Hand und wird zu Recht kritisch gesehen.894 Das System bezweckt und bewirkt den Ausschluss des Preiswettbewerbs auf der Handelsstufe und verstößt jedenfalls deshalb gegen § 1 und Art. 101 Abs. 1 AEUV.895 Wettbewerbsrechtlich mehr als bedenklich ist die praktische Durchführung über Monopol-Grossisten, die jeglichen Wettbewerb ausschalImmenga / Mestmäcker-Emmerich, § 30 GWB, Rn. 16a. Wallenfels / Russ, BuchPrG, § 1 Rn. 29 ff.; Immenga / Mestmäcker-Emmerich, § 30 GWB, Rn. 1 ff.; Waldenberger, NJW 2002, 2914 ff. 892 Begr. zum RegE, BT-Drucks 14(2002)/9196, 14; BGH v. 1.12.1981 – KZR 37/80, BGHZ 82, 238, 240 ff. = NJW 1982 – Dispositionsrecht; BGH v. 22.9.2005 – I ZR 28/03 = GRUR 2006, 644 – Zeitschrift mit Sonnenbrille; Kühling, ZUM 2013, 18; Schwarze, NZKart 2013, 270 ff. 893 So insb. auch BGH v. 9.7.1985 – KZR 7/84= NJW-RR 1986, 259 – Preisbindungstreuhänder-Empfehlung; BGH v. 21.11.1989 – KZR 17/88 = GRUR 1990, 387 – Schulbuch-Koppelungsgeschäft. 894 Immenga / Mestmäcker-Emmerich, § 30 GWB, Rn.44. 895 Immenga / Mestmäcker-Emmerich, § 30 GWB, Rn. 45; vgl. LG Düsseldorf v. 16.2.1987 – 38 O (Kart.) 123/85 = WuW 1987, 933 – Rabattstaffeln; BKartA, TB 1958, 51 ff.; 1964, 44; 1965, 54; BGer v. 14.8.2002 – BGE 129 II 18, 29 ff. – Buchpreisbindung; WEKO v. 21.3.2005 – 22-0203 = WuW KRInt 89, 90 f., Rn. 31 ff. = WuW 2005, 683–696 – Schweizer Buchpreisbindung. 890 891

D. Reichweite und Abgrenzungen des Preisbindungsverbotes

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tet, weil die Verhandlungen über Konditionen und Spannen mit den Verlagen vom Bundesverband Deutscher Buch-, Zeitungs- und Zeitschriften-Grossisten (BVPG) einheitlich geführt werden. An diese Branchenvereinbarungen halten sich im Ergebnis auch die verlagsabhängigen Großhändler. Zusammen mit der das jeweilige Gebietsmonopol definierenden Ausschließlichkeitsbindung der Verlage geht dies weit über die ursprünglich allein freigestellte Preisbindung in § 30 Abs. 1 GWB hinaus. Dieses umfassende System war 2011 vom BGH zurecht als unvereinbar mit § 1 GWB angesehen worden,896 sodann machten sich das OLG Düsseldorf und das LG Köln diese Ansicht hinsichtlich Art. 101 AEUV mit der Begründung zu eigen, dass das ganze System zumindest auf einer abgestimmten Verhaltensweise mit einem wettbewerbsbeschränkendem Zweck beruhe.897 Das LG Köln lehnte auch eine Freistellung nach Art. 101 Abs. 3 AEUV aufgrund der Nachteile für die Verbraucher ab. Gerichtlich wäre die Preisbindung damit unhaltbar gewesen, woraufhin 2013 der rettende § 30 Abs. 2 a) ins GWB eingefügt wurde. Damit stellt sich zugleich die Frage nach der Europarechtskonformität dieser Regelung, denn soweit bei Zeitungen und Zeitschriften eine Preisbindung praktiziert wird, gilt sie auch für den grenzüberschreitenden Handel, insbesondere im Verhältnis zwischen Deutschland und Österreich und dem sonstigen deutschsprachigem Raum. Dass hier keine weiteren Verwerfungen entstanden, liegt daran, dass die Kommission – anders als bei Büchern – der Wettbewerbsbeschränkung beim innergemeinschaftlichen Handel mit Zeitungen und Zeitschriften vergleichsweise tolerant gegenübersteht, bzw. von der geringen Bedeutung für den Wettbewerb ausgeht und zudem die besondere Risikoverteilung beim Zeitschriftenabsatz anerkennt.898 Trotz besonderer Gegebenheiten im Zeitschriftenhandel ist dies ein eklatanter Prinzipienverstoß, zumal § 30 bei Zeitungen und Zeitschriften im Widerspruch zu Art. 101 AEUV auch eine grenzüberschreitende Preisbindung gestattet.899 Diesen Defekt unterstreicht auch die eingefügte Freistellung der BranchenvereinbaBGH v. 24.10.2011 – KZR 7/10 = WuW/E DE-R 3446, Rn. 25 f. = NJW 2012, 773 = GRUR 2012, 84 –Grossistenkündigung; Alexander, ZWeR 2012, 215, 220 ff.; Anm. Podszun, GWR 2011, 575. 897 OLG Düsseldorf v. 15.9.2012 – Kart 5/10 (V), BeckRS 2011, 08189 – Freigabeentscheidung Pressegrosso; LG Köln v. 14.2.2012 – 88 O (Kart) 17/11 = WuW/E DE-R 3532, 3540 ff. – Presse-Grosso; offengelassen OLG Celle v. 11.2.2010 – 13 U 92/09 (Kart) = GRUR-RR 2010, 219 – Presse-Grosso-Vertrieb. 898 Komm., XXIX. Bericht über die Wettbewerbspolitik 1999, 181 f., Rn. 36, 107; BReg, Begr. zum RegE des Buchpreisbindungsgesetzes, BT-Drcks. 14(2002)/9196, 14; Waldenberger, NJW 2002, 2914, 2916 f.; Wallenfels / Russ, BuchPrG, § 30 GWB, Rn. 1 f.; Alexander, GRUR-Int 2010, 803, 807 ff.; s. auch EuGH v. 3.7.1985 – Rs. C-243/83, Slg. 1985, I-2015 – Binon / AMP. 899 Zum Ganzen krit. nur Paschke, AfP 2012, 431 ff.; Immenga / MestmäckerEmmerich, § 30 GWB, Rn. 18a m. w. N. zu den Beratungen der 8. GWB-Novelle. 896

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2. Teil: Die Preisbindung der zweiten Hand – ein Rechtsvergleich

rungen vom Kartellverbot in § 30 Abs. 2 a) noch. Diese Nonkonformität führt sich konsequent in der Kernbeschränkungsklausel Art. 4 lit. a) VO 330/2010 fort. Technisch betrachtet sind Preisbindungen hier eo ipso kartellrechtswidrig, woran § 30 GWB nichts zu ändern vermag – Artt. 2 und 3 VO 330/2010 sind nicht anwendbar.900 Ausgehend von der Gruppenfreistellungsverordnung wäre als letzter Ausweg noch das Handelsvertreterprivileg geblieben, dass in Bezug auf das Presse-Grosso auch ins Feld geführt wurde.901 Die Einzelhändler, ggf. auch die Monopolgrossisten, seien als echte Handelsvertreter in das Vertriebssystem der Verlage eingegliedert, was aber nach den Vertikalleitlinien (weder in ihrer alten, noch in der aktuellen Fassung) und der ständigen Praxis der Gemeinschaftsorgane nicht haltbar ist.902 Als Vertreter dürften Einzelhändler und Monopolgrossisten praktisch keinerlei wirtschaftliche Risiken tragen, was weder bei Großhändlern noch bei den Einzelhändlern nach Ansicht der Kommission der Fall ist. Dahingehend hat 2010 bereits der österreichische OGH entschieden, sodass jedenfalls im Verhältnis zwischen Deutschland und Österreich die Nonkonformität von § 30 GWB mit Art. 101 AEUV „von außen“ bereits festgestellt wurde.903 Ebenso wie die Buchpreisbindung ist die Preisbindung für Zeitungen und Zeitschriften weder notwendig noch geeignet für die Bewahrung kultureller Werte. Die Einordnung des Zeitungsvertriebs in das „Sammelbecken Daseinsvorsorge“ ist damit ein zweifelhafter Kunstgriff. Eine Preisbindung in Gestalt des § 30 GWB war bereits vor der 8. GWB Novelle systemwidrig904 ausgestaltet. In Gegenüberstellung des § 30 Abs. 1 der ursprünglich eng formulierten Erlaubnis für bloß vertikale Preisbindungen mit Abs. 2 a), der weit formulierVgl. Art. 3 Abs. 2 S. 1 VO Nr. 1/2003; § 22 Abs. 2 GWB. So vor der Einfügung von § 30 Abs. 2 a) GWB trotz entgegenstehender Beurteilung durch die Komm. für den vergleichbaren belgischen Pressevertrieb s. Nordemann, in: Loewenheim et al., KartR (2. Aufl. 2009), § 30 GWB, Rn. 5; Komm., XXIX. Bericht über die Wettbewerbspolitik 1999, 181 ff. 902 Vgl. EU-Komm., Vertikalleitlinien 2010, Rn. 16 c) und d). 903 OGH v. 15.7.2009 – 16 Ok 6/09 = GRUR-Int 2010, 885 – Pressegrosso I; 1.12.2009 – 16 Ok 10/09 = GRUR-Int 2010, 888, 890 f. – Pressegosso II; Alexander, GRUR-Int 2010, 803, 807 f. 904 Unterstellt eine Vereinbarkeit des § 30 GWB mit Art. 101 AEUV, fällt auf, dass der nach Kontinuität strebende deutsche Gesetzgeber bei der 7. GWB-Novelle 2005 möglicherweise nicht bemerkt hat, dass das Schriftformgebot des § 30 Abs. 2 GWB und die Missbrauchsaufsicht des § 30 Abs. 3 GWB aufgrund von § 22 GWB im zwischenstaatlichen Bereich keine Rechtswirkungen entfalten, weil das EU-Recht abweichende Regelungen hierzu enthält und die striktere deutsche Formvorschrift aushebelt. Angesichts der angestrebten Harmonisierung ist diese unbeabsichtigte Diskriminierung von Inländerfällen unglücklich, vgl. Nordemann, in: Loewenheim et al., KartR (2. Aufl. 2009), § 20 GWB, Rn. 1, 36; zum belgischen Pressevertrieb Komm., XXIX. Bericht über die Wettbewerbspolitik 1999, 181 ff. 900 901

D. Reichweite und Abgrenzungen des Preisbindungsverbotes

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ten Freistellung für Branchenvereinbarungen, ergeben sich erhebliche Abgrenzungsprobleme.905 Rechtlich wie ökonomisch unstrittige Grundvoraussetzung für die wie auch immer geartete positive Beurteilung von Preisbindungen ist nämlich ihre autonome Nutzung. Das gebietet schon das Selbständigkeitspostulat, dem die gesamte Systematik von europäischen und deutschen Wettbewerbsrecht, namentlich auch der § 30 Abs. 1 GWB mit der (deklaratorischen) Beschränkung auf „vertikale Preisbindungen“ folgt. Daran dürfte auch die 8. GWB-Novelle nichts geändert haben. Dieses Konzept führt § 30 Abs. 2 a) S. 1 für Branchenvereinbarungen ad absurdum. Diese sehen eine Verpflichtung des Großhandels zur Weiterleitung der Preisbindung an die Einzelhändler vor und binden zum anderen eben nicht nur „bestimmte Preise“ i. S. d. Abs. 1, sondern legen auch die Konditionen des Vertriebs fest.906 Die Ernennung der Verlage und Grossisten sowie ihrer Verbände zu Dienstleistungsunternehmen im Sinne des Art. 106 Abs. 2 AEUV im § 30 Abs. 2 a) GWB ist bei allem Verständnis für Medienvielfalt und Kulturgüter das Letzte, was man zur Rettung der Preisbindung tun konnte.907 Ohne im Weiteren auf die umstrittenen Einzelheiten zu Art. 106 Abs. 2 AEUV einzugehen, rechtfertigt Art. 106 Abs. 2 S. 1 AEUV nur eine punktuelle Durchbrechung des – grundsätzlich auch für Daseinsvorsorgeunternehmen geltenden – Kartellverbots. Die hier praktizierte Ausnahme sprengt nach dieser Ansicht also den Rahmen der Rechtsfolge. Zudem setzt die Vorschrift im Tatbestand eine Betrauung der fraglichen Unternehmen mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse durch Hoheitsakt, zum anderen die Verhinderung der Aufgabenerfüllung durch die Anwendung des Kartellverbots im Einzelfall voraus. Nach hier vertretener Auffassung bestehen aber erhebliche Zweifel am Vorliegen beider Voraussetzungen. Dementsprechend ordneten auch das LG Köln und das OLG Düsseldorf das zentrale Verhandlungsmandat als unzulässige Kartellabsprache ein und gaben einer Klage des Bauer-Verlages, gestützt auf das unionsrechtliche Kartellverbot aus Art. 101 Abs. 1 AEUV statt.908 Dem schließt sich der BGH nun jedoch im Ergebnis nicht an, sondern bestätigt das zentrale Verhandlungsmandat des PresseGrosso.909 Der Kartellsenat war der Ansicht, dass die Anwendung der EUWettbewerbsregeln die Erfüllung der den Presse-Grossisten übertragenen Aufgaben im Sinne von Art. 106 Abs. 2 AEUV verhindern würde, wobei eine Immenga / Mestmäcker-Emmerich, § 30 GWB, Rn. 159. Immenga / Mestmäcker-Emmerich, § 30 GWB, Rn. 37. 907 Kritisch Paschke, AfP 2012, 501, 503–505; a. A. positiv ggü. § 30 Abs. 2a) GWB Kühling, ZUM 2013, 18; Schwarze, NZKart 2013, 270, 278. 908 OLG Frankfurt a. M. v. 28.1.2014 – 11 U 93/13 = GRUR 2014, 890 – Unzulässige Umgehung der Buchpreisbindung / Trade-In-Gutschein; sowie OLG Düsseldorf v. 26.2.2014 – VI-U (Kart) 7/12 = GRUR-RR 2014, 353 = NZKart 2014, 154 – Presse-Grosso; LG Köln v. 14.2.2012 – 88 O (Kart) 17/11 = GRUR-RR 2012, 171 – Presse-Grosso. 909 BGH v. 6.10.2015 – KZR 17/14 = GRUR 2016, 304 – Zentrales Verhandlungsmandat. 905 906

338

2. Teil: Die Preisbindung der zweiten Hand – ein Rechtsvergleich

Gefährdung hier ausreiche. Aufgrund der unsicheren Prognoselage und in Abwesenheit einer Gemeinschaftsregelung sei der Einschätzungsspielraum des Gesetzgebers weit, der gerichtliche Prüfungsumfang mithin beschränkt. Ob die die formelle Flucht in Art. 106 Abs. 2 AEUV tatsächlich mit den europäischen Grundsätzen vereinbar ist, kann somit nur der EuGH klären. Aufgrund der in der 8. GWB-Novelle erfolgten, gesetzgeberischen Entscheidung ist es jedoch nicht verwunderlich und deshalb kaum erwähnenswert, dass die Missbrauchsaufsichtsbefugnisse des BKartA aufgrund des § 30 Abs. 3 S. 1 und S. 2 GWB keine Rolle spielen. Preisbindungen für Verlagserzeugnisse sind damit zwar europarechtlich problematisch, aber politisch in Deutschland nicht gefährdet. Tatsächlich erfolgt jedoch eine Erosion aufgrund des technischen Fortschritts.910 Die Entwicklung, die bei E-Books noch durch die gesetzliche Preisbindung aufgehalten wird, ist bei Zeitungen längst sichtbar: die elektronisch vermarkteten Produkte sind weitaus günstiger erhältlich und stellen die gesamte Vertriebsorganisation in Frage. Damit wird auch der rechtliche Druck auf die Preisbindung weiter zunehmen; Vernetzung und Digitalisierung lassen die Überallverfügbarkeit wohl gerade anders als durch den althergebrachten Pressevertrieb besser gewährleisten. Tatsächlich wird der verfehlte, kartellrechtliche Strukturschutz durch die technische Entwicklung eingeholt werden. 3. Die abgeschaffte Buchpreisbindung in der Schweiz Auch in der Schweiz hat früher teilweise911 – ab 1993 einheitlich mit Deutschland, Österreich und der Deutschschweiz – eine privatrechtlich per Sammelrevers organisierte Preisbindung bei Druckerzeugnissen existiert. Unter KG1995 hatte dies jedoch eine Untersuchung durch die WEKO und ein Verbot ab 2007 nach sich gezogen.912 Dabei kennt auch das KG-1995 in seiner revidierten Fassung von 2003 Ausnahmemöglichkeiten für nach Art. 5 KG unzulässige Wettbewerbsabreden: nach Art. 8 KG kann der Bundesrat auf Antrag der Beteiligten ausnahmsweise Wettbewerbsabreden zulassen, wenn dies aufgrund überwiegender Interessen notwendig ist. 913 Die im Nachgang des Sammelreversverbots tatsächlich beantragte Zulassung der Preisbindung von Büchern wurde jedoch negativ beschieden.914 Zwar wären die für die Buchpreis910 Alexander, AfP 2009, 335 ff.; ders., GRUR-Int 2010, 809, 810; Immenga /  Mestmäcker-Emmerich, § 30 GWB, Rn. 12. 911 In der italienischsprachigen Schweiz war der Buchpreis immer frei, in der französischsprachigen Schweiz seit Anfang der 90er-Jahre frei, in der Deutschschweiz waren Buchhändler seit 1976 an den Verlagspreis gebunden. 912 WEKO v. 21.3.2005 – RPW 2005/2, 269 ff. – Sammelrevers. 913 Vgl. insb. zur restriktiven Anwendung Meinhardt / Prümmer, in: Amstutz / Reinert, BK Kartellgesetz, Art. 8 Rn. 1, 5. 914 WEKO v. 2.5.2007 – RPW 2007/2, 341 – Schweizerischer Buchhändler- und Verlegerverband und Börsenverein des Deutschen Buchhandels e.V.; bereits 1998 zu Musikalien

D. Reichweite und Abgrenzungen des Preisbindungsverbotes

339

bindung vorgebrachten Argumente (kultur- und bildungspolitische, strukturpolitische wie Schutz kleiner und mittlerer Buchhändler) zwar grundsätzlich geeignet, ein solches öffentliches Interesse zu begründen. Der Bundesrat sah aber weder die Geeignetheit der Buchpreisbindung zur Erreichung dieser Ziele noch eine Förderung des Vertriebs durch sie als gegeben. Die Preisbindung würde stattdessen neue Vertriebswege behindern.915 Dieses Bild wird auch empirisch gestützt. Studien zur Buchpreisbindung zeigen zwar ambivalente (Preis-) Auswirkungen nach Aufhebung der Buchpreisbindung in der Schweiz, sprechen deshalb aber nicht für eine Wiedereinführung. Festgestellt wurde zunächst kein Abfall des Preisniveaus, was aber auch auf komplexe Rahmenbedingungen wie Wechselkurse, Konjunktur usw. zurückgeführt werden konnte. Vor allem aber die befürchteten der Qualitätseinbrüche im Handel oder andere negative Konsequenzen wurden nicht festgestellt. Einzig beobachtbar war eine leicht erhöhte Preisstreuung. Die diskutierte Wiedereinführung der Buchpreisbindung garantierte überdies nicht, die Förderung von Vielfalt und Qualität des Kulturgutes Buch. Der grenzüberschreitende Internethandel könne ohnehin nicht erfasst werden und der technische Fortschritt (E-Books, Books on Demand, Hörbücher) würden das traditionelle Produkt „Buch“ zudem teilweise ablösen, weshalb die Wirksamkeit eines entsprechendes Gesetzes schon gar nicht sicher sei. 916 Das gleichwohl nach erfolgreicher Lobbyarbeit ab 2008 auf den Weg gebrachte Bundesgesetz über die Preisbindung für Bücher917 wurde Anfang 2012 durch Volksentscheid abgelehnt.918 Die Initiative für die erneute Einführung kam – nach dem bisher auch zur deutschen Buchpreisbindung gesagtem – nicht überraschend von Seite der Buchhändler, Verleger und Autoren, zuletzt auch befürwortet vom Parlament. Das Scheitern dieses Vorhabens zeigt, dass die Auswirkungen der (kürzlichen) Abschaffung der Buchpreisbindung in der Masse der Deutschschweizer offensichtlich nicht als nachteilig empfunden wurden. Insgesamt kann hier also nur gestützt werden, was bereits angesprochen wurde und insbesondere für die deutsche – ebenfalls abgelehnt, Bundesrat – RPW 1198/3, 478 f. – Gesuch des Schweizer Verbands der Musikalienhändler und –Verleger (SVMHV). 915 WEKO v. 2.5.2007 – RPW 2007/2, 341, Erw. 16 ff. – Schweizerischer Buchhändler- und Verlegerverband und Börsenverein des Deutschen Buchhandels e.V. 916 Hulliger / Binswanger / Lussmann / Perret / Steiner, Erste Auswirkungen der Abschaffung der Buchpreisbindung, Strukturberichterstattung Nr. 45, Studie im Auftrag des Staatssekretariats für Wirtschaft, 2009, 9 ff., 87–89. 917 Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrates, Vorentwurf und erläuternder Bericht v. 13.10.2008, 04.430 Parlamentarische Initiative Regulierung der Bücherpreise. 918 Das Schweizer Stimmvolk aus den deutsch- und italienischsprachigen Kantonen (Mehrheit gegen Wiedereinführung der Buchpreisbindung) überstimmte das der Romandie (Buchpreisbindung dort seit den 1990ern verboten, Mehrheit für die Wiedereinführung), s. Abstimmungsergebnisse abrufbar .

340

2. Teil: Die Preisbindung der zweiten Hand – ein Rechtsvergleich

Rechtslage zur Buchpreisbindung gilt: Ein Ausnahmebereich vom Preisbindungsverbot ist weder ökonomisch noch kulturpolitisch sinnvoll. Dass sich diese Erkenntnis auch politisch durchsetzen lässt, wenn sie ohne lobbyistische Verklärung in die öffentliche Debatte transportiert wird, verdeutlicht das Abstimmungsergebnis in der Schweiz.

E. Einordnung E. Einordnung

I.

Die missverstandene Leegin-Entscheidung

Wie sich US-amerikanisches und europäisches Recht nach Leegin gegenüberstehen, war Kernfrage des rechtsvergleichenden Teils. Dabei war kritisch zu untersuchen ob und inwiefern die amerikanische Beurteilung der Preisbindung der zweiten Hand ggf. Reformbedarf in Europa aufzeigt. Die Bedeutung des Leegin-Urteils ist aber anders akzentuiert, als in Europa gemeinhin gelesen.919 In erster Linie schaffte das Leegin-Urteil überfällige Abhilfe hinsichtlich des in der Sherman Act-Auslegung bestehenden Spannungsverhältnisses, das sich im Rechtsfolgengefälle zwischen per se-Verbot und rule of reasonBewertung bei der Beurteilung von preislichen und nichtpreislichen Vertikalvereinbarungen manifestierte. Die Harmonisierung des Vertikalkartellrechts war somit der entscheidende Beitrag von Leegin.920 Die Eröffnung eines einheitlichen Regimes für vertikale Wettbewerbsbeschränkungen auf der primären Beurteilungsebene ist in den USA also deutlich später als in Europa und in Deutschland erfolgt. Zudem ist dieser Prozess nicht abgeschlossen, nachdem per se-Verbote für andere Beschränkungsarten weiter gelten. Die Begründung richterlicher Entscheidungen hatte im Antitrustlaw921 dazu tendiert, Wettbewerbsbeschränkungen anhand präjudizieller Kategorien zu beurteilen, damit aber den Weg zu einem kohärenten System abgeschnitten.922 Das thinking in boxes brachte – unter Anderem – die Qualität einer Vereinbarung als preisliche in Konflikt mit der Frage nach ihrer Wirkung auf den Preis und konnte deshalb zu unbefriedigenden Ergebnisse führen.923 Der deutlichste transatlantische Unterschied in der rechtlichen Bewertung der Preisbindung wurde durch Leegin also eliminiert, soweit nun auch RPM theoretisch einer Rechtfertigung zugänglich ist. Für die nicht zu rechtfertigenden Beschränkungen gibt es in Europa nach wie vor kein Pendant. Leegin gibt Herstellern und Lieferanten nun theoretisch die Möglichkeit, unter verschieDeshalb zu Recht von dem Sturm im europäischen Wasserglas spricht Bejcek, in: Drexl, More common ground for international Competition Law? (2011), 87 ff. 920 Gavil, 6 CPI 2010 (1), 2. 921 Vgl. 2. Teil B.I.4, 139. 922 Vgl. 2. Teil C.I.2, 166. 923 Vgl. 2. Teil C.I.1.b), 160 ff. 919

E. Einordnung

341

denen vertikalen Maßnahmen zu wählen. Insbesondere vor dem Hintergrund untypischer oder innovativer Geschäftsmodelle, wie sie aktuell durch das Internet hervorgebracht werden, trat und tritt die Wichtigkeit eines wirkungsbasierten Beurteilungsrahmen erneut deutlich hervor. Deshalb ist der mit Leegin angestoßene Prozess in seiner Bedeutung nicht zu unterschätzen. Das anhand von RPM sichtbar gewordene und gelöste Spannungsverhältnis und das Bekenntnis zu einem wirkungsbasierten Ansatzes bedeutet jedoch nicht, dass Mindest- und Festpreisbindungen selbst zugleich einem Beurteilungsrahmen zugeführt worden wären, der die konkreten ökonomischen Wirkungen von Preisbindungen in jedem Einzelfall im Rahmen der primären Beurteilung berücksichtigen würde. Das tatsächliche Bild der amerikanischen Rechtslage zur Preisbindung stellt sich indessen weitaus komplexer dar. Auch heute noch besteht mit dem Mangel an weiterführender Rechtsprechung der Bundes- und Staatengerichte acht Jahre nach Leegin der Streit um die konkrete Ausgestaltung des rule of reason-Beurteilungsrahmens bei RPM fort,924 und wird auf Ebene der Bundesstaaten weiter ausgetragen.925 Ohnehin bleibt das heterogene Recht der Bundesstaaten praktisch ein Flaschenhals bei der Einführung von RPM: Ein grenzüberschreitender Bezug zu einem Einzelstaat, dessen Gesetzgebung RPM weiterhin verbietet bzw. dessen Behörde sie scharf verfolgt, macht in der Regel auch die Einführung einer echten Preisbindung unmöglich. Die tatsächlich eher genutzten Möglichkeiten einseitiger Preisempfehlungspolitiken unter Colgate belegen dies. II. Die abstrakte Vorverurteilung von Preisbindungen Mit der ambivalenten Supreme Court-Rechtsprechung der letzten Jahre bleibt weiter offen, wohin sich die rule of reason-Bewertung insgesamt entwickeln wird. Das im Rahmen der konventionellen rule of reason-Beurteilung etablierte Gefüge der Beweislastverteilung funktioniert im Prinzip ähnlich wie das Vorgehen im Rahmen des europäischen Art. 101 Abs. 1 und 3 AEUV bei bewirkten Beschränkungen: nach der Identifizierung der restraint geht die Beweislast auf den Beklagten über darzulegen, dass sein Verhalten gerechtfertigt ist.926 Hauptunterschied zwischen amerikanischer und europäischer Grundbeurteilung ist allerdings die in den USA konzeptionell stärkere Berücksichtigung von Marktanteilen bei einer rule of reason-Betrachtung. Zunächst ist der Nachweis einer hinreichenden Wettbewerbsschädigung eine hohe Hürde, zum anderen ist auch im Rahmen der Auswirkungen auf den Wettbewerb vom Kläger nachzuweisen, dass negative Effekte die etwaigen positiven Auswirkungen einer Vereinbarung überwiegen, was der Lage unter Art. 101 Abs. 1 zu bezweckten Beschränkungen ähnelt, über europäische An924 925 926

Vgl. 2. Teil C.I.3.a), 191 ff. insb. C.I.3.a)cc) i)–iii), 194–199. Vgl. 2. Teil C.I.3.b), 200. Vgl. 2. Teil C.I.3.a)cc)ii)–iii), 197–199 und C.I.4, 213.

342

2. Teil: Die Preisbindung der zweiten Hand – ein Rechtsvergleich

forderungen aber hinausgeht.927 Der konventionelle rule of reason-Ansatz führt deshalb in den meisten Fällen zu einem Obsiegen des Beklagten.928 Auch post Leegin arbeitet der flexible Maßstab929 jedoch überwiegend mit Vermutungen und eben nicht mit einzelfallbezogenen Effizienztests, ändert jedoch seine Wirkrichtung: plötzlich gewinnen in rule of reason-Fällen auch Kläger.930 Zudem kristallisiert sich in Bezug auf RPM ein strengerer Maßstab innerhalb der rule of reason heraus, der in Anlehnung an die Beurteilung horizontaler Vereinbarungen auf die abstrakte Vorverurteilung anhand der Natur der Vereinbarung zurückgreift. Es handelt sich dabei um den strengsten innerhalb der rule of reason greifbaren Bewertungsansatz, den die FTC wiederbelebt und anhand der Übertragung auf RPM weiterentwickelt. Die Beurteilung in Nine West war zwar zurückhaltend im Sinne eines Negativattests vorgenommen worden. Die gerichtliche Modifizierung der Beweislast in quick look bzw. inherently suspect-Fällen geht jedoch, dahin, dass anhand der Erfahrungswerte mit RPM ihre typischerweise (negativen weil) preiserhöhenden Auswirkungen im Rahmen der Anfangsbeweislast in Rechnung gestellt werden. Zwar kann der Beklagte sein Verhalten über pro-kompetitive Gründe rechtfertigen. Der dann aber (nur) geforderte Nachweis des Klägers, dass die pro-kompetitiven Effekte auch durch weniger einschneidende Maßnahmen (hätten) erreicht werden können, dürfte nach den Erkenntnissen des 1. Teils relativ leichter zu erbringen sein. 931 Sofern sich dieser Standard etabliert, ist er angesichts der Erkenntnisse aus dem 1. Teil dieser Arbeit nicht weniger restriktiv gegenüber RPM als die Beweislastzuweisung für vertikale Preisbindungen in Europa.932 Zudem erwachsen aus der rule of reason-Perspektive vermehrt Forderungen, verwandte Praktiken wie Preisempfehlungspolitiken skeptischer zu prüfen, also die Colgate-Doktrin kritisch zu hinterfragen.933 Somit könnten demnächst auch mittelbare Preisbindungen bzw. Umgehungsstrategien unter Sec. 1 Sherman Act angefriffen werden.

Vgl. 2. Teil C.I.1.c), 161. Vgl. 2. Teil C.I.3.a)bb), 192 ff. 929 Je nach Einschätzung der Schwere der Beschränkung American Needle, Inc. v. National Football League, 560 U.S. 183 (2010). 930 Siehe insb. American Needle, Inc. v. National Football League, 560 U.S. 183 (2010). 931 Vgl. auch Hübener, Vertikale Mindestpreisbindungen im US- und EU-Recht, 180 ff. 932 Kritisch gegenüber diesem restriktiven Ansatz Hübener, ibid., 185. 933 Vgl. exemplarisch das AAI Open Letter to FTC v. 24.10.2014, Action Needed to Address Resale Price Maintenance in Contact Lenses and Countless Other Markets. 927 928

E. Einordnung

343

III. Das fortbestehende Preisbindungsverbot im Lichte der Anpassung wettbewerbsrechtlicher Ziele Insgesamt bestand und besteht in Europa seit der Einführung des europäischen Wettbewerbsregimes mithin ein weniger volatiler Umgang mit der Preisbindung als in den USA, wo die tatsächliche Geschichte der Preisbindung wechselhaft war.934 Gedreht hat sich auch die Rechtslage für Preisbindungen in Deutschland und der Schweiz. Nachdem die als umfassend verstandene wirtschaftliche Betätigungsfreiheit erst spät durch einen modernen Wettbewerbsschutz abgelöst wurde, wurde die Preisbindung nach Einführung des GWB bzw. des KG rasch verboten und wird seither nach wie vor streng i. S. e. de facto-Verbotes gehandhabt.935 Unabhängig von der hier vertretenen Ansicht, dass eine Rechtfertigung von Mindest- und Festpreisbindungen auch ökonomisch in den meisten Fällen nicht möglich ist, ist die rechtliche Sperre auch Konsequenz einer anderen Ausrichtung der Wettbewerbsrechtsordnungen. Ein Bewusstsein dafür, welche Aspekte einer Regelung der Preisbindung der dargestellten Grundeinstellung einer Rechtsordnung und welche dem spezifischen Interesse in Bezug auf Preisbindungen geschuldet sind, ist entscheidend. Während das US-amerikanische Recht unter nachhaltigem Einfluss der Chicago School den Interbrand-Wettbewerb als vorrangiges Schutzobjekt des Antitrustrechts sieht, hat das europäische Recht den gleichzeitigen Schutz von Intra- und Interbrand-Wettbewerb und die Interdependenz beider Wettbewerbswirkrichtungen im Fokus. Zugrunde liegen diesem Verständnis, neben der hinzutretenden Erreichung allokativer Effizienz, ein stark freiheitsbasiertes Konzept der Wettbewerbsbeschränkung und das verfolgte Ziel des europäischen Binnenmarktes. 936 Vertikale Preisbindungen sind auch ein beliebtes Mittel, Gebietsaufteilungen vorzunehmen und nationale bzw. regionale Märkte abzusichern.937 Teilweise wird mit dem Fortschritt des Binnenmarktprojekts angenommen, dieses Integrationsziel würde relativiert.938 Dieser Schluss ist jedoch nicht zwingend. Gerade neuere Modelle der ökonomischen Analyse von vertikalen Preisvereinbarungen stellen auf das marktabschottende Potential solcher Beschränkungen ab. Zudem verfolgt das europä-

934 935 936

710.

Jones, 53 Antitrust Bull. 2008, 906. Vgl. 2. Teil B.III, 143 und B.IV.2B.IV, 149. Theoretisch ist dieses Motiv dem amerikanischen Recht fremd, Böni, WuW 2012,

937 Vgl. hierzu nur EuGH v. 13.7.1966 – verb. Rs. C-56/64 und 58/64, Slg. 1966, I-321, 391 ff. – Consten und Grundig / Kommission. 938 Komm., Grünbuch zur EG-Wettbewerbspolitik gegenüber vertikalen Wettbewerbsbeschränkungen, Dok. Kom. (96) 721 endg.; vgl. Immenga / Mestmäcker-Veelken, 4. Aufl. 2007, Art. 2 VO 2790/1999, Rn. 1.

344

2. Teil: Die Preisbindung der zweiten Hand – ein Rechtsvergleich

ische Recht mit der geforderten Beteiligung der Verbraucher in Art. 101 Abs. 3 AEUV auch einen verteilungspolitischen Ansatz.939 Ohne aber zu pluralistischen Vorgaben des europäischen Rechts abschließend Stellung nehmen zu müssen, überrascht das Ergebnis des rechtsvergleichenden Teils. Die erhöhte Beweislast, die sich in Bezug auf die Mehrung des Verbraucherwohls ergibt und die Rechtfertigung von Preisbindungen in Europa zusätzlich erschwert, ist systemimmanent. Generell bestand und besteht in kleinen Staaten aber – auch losgelöst von der wettbewerbsrechtlichen Grundkonzeption – nach Einführung eines umfassenden Wettbewerbsschutzes ersichtlich ein besonderes Interesse, Preisbindungen und Gebietsaufteilungen signifikant strenger zu unterbinden als sonstige vertikale Beschränkungen. Nachdem dem GWB schon immer ein stark ordoliberales Grundverständnis zugrunde lag, überrascht der Befund des faktischen Preisbindungsverbots in Deutschland nicht. Hinsichtlich der engeren Rechtfertigung in Bezug auf Verbraucherbeteiligung besteht in der Schweiz aber im Gegensatz zur EU, deren Recht zwar autonom nachgezeichnet wird, de lege lata keine dem Art. 101 Abs. 3 AEUV vergleichbare Forderung, nur Effizienzen zu berücksichtigen, die auch (direkt) dem Verbraucher zugute kommen. Trotzdem ist die gesetzgeberische und behördliche Praxis vergleichbar restriktiv und eine Rechtfertigung über ökonomische Effizienzen weitestgehend ausgeschlossen. Trotz anders akzentuierter schweizerischer Wirtschaftsverfassung verfolgt auch die Schweiz aus wirtschaftlichen und realpolitischen Motiven integrationspolitische Ziele mit der direkten Sanktionierbarkeit der Preisbindung. Im Ergebnis trifft dies auch für die US-Bundesstaaten zu. Ungeachtet der Sherman Act-Rechtsprechung und bundesrechtlicher Rechtslage, für die integrationspolitische Zielsetzungen verneint werden,940 muss das US-Antitrustrecht auch als Summe der einzelstaatlichen Wettbewerbspolitiken verstanden werden. Auf Ebene der Bundesstaaten wird die Preisbindung aber zumindest durch solche Staaten, die aufgrund ihrer wirtschaftlichen Interessen auch eine eigene ausgeprägte Wettbewerbspolitik betreiben, praktisch auch aus Motiven der Verhinderung der Gebietsabschottung und aufgrund von Verbraucherschutzerwägungen stark unterbunden.941 Gewichtet man den Intrabrand-Wettbewerb also stark genug, kommt eine Rechtsordnung nicht umhin, die Preisbindung als schädlich anzusehen und zu 939 Zwar dürfte diesem Konsumentenwohl häufig mit der Mehrung der gesamtgesellschaftlichen Wohlfahrt gedient sein, sodass in vielerlei Hinsicht ohnehin nicht näher auf die umstrittene Vor- oder Nachteilhaftigkeit unterschiedlicher ökonomischer Ausrichtungen eines Wettbewerbsrechts eingegangen zu werden braucht, s. 1. Teil, 11 ff. und 2. Teil C.I.3, 189 ff. und 4, 213 ff. 940 „Antitrust law pure and simple“ als Charakteristikum weiter fortentwickelten Wettbewerbsrechts, s. Bork, Antitrust Paradox, 56, 57. 941 2. Teil C.I.3.b)dd), 205.

E. Einordnung

345

unterbinden. Dementsprechend überrascht es nicht, dass das europäische Recht mit Art. 101 Abs. 1 Preisbindungen entsprechend ablehnend und restriktiv gegenübersteht und auch erst in der sekundären Beurteilung Effizienzerwägungen im Rahmen der Rechtfertigung des Abs. 3 akzeptiert. Ob dieser unterschiedlichen Grundausrichtung ist erstaunlich, dass im Bezug auf Preisbindungen die Priorisierung des Interbrand-Wettbewerbs durch das bundesrechtliche Antitrustrecht der USA weniger stark durchschlägt und eine besondere Skepsis gegenüber Preisbindungen im Vergleich zu anderen vertikalen Beschränkungen fortbesteht.942 Zwar scheiterten die Leegin-Anschlussklagen in den Einzelstaaten nicht an einer tatsächlichen Untersuchung der Preisbindung sondern der klassischen Hürde der Marktanalyse. Die höheren Anforderungen im Rahmen der theory of harm, die in der rule of reasonBetrachtung angelegt sind, sind jedoch systemimmanent und nicht preisbindungsspezifisch. In den letzten Jahren scheint sich zudem eine rule of reasonStruktur herauszubilden, die die Anfangsbeweislast in RPM-Fällen über eine Vermutung zugunsten des Klägers aufweicht.943 Der Siegeszug der ökonomischen Analyse hat damit auch in den USA über die grundsätzliche Einführung einer Rechtfertigungsmöglichkeit hinaus die rechtliche Bewertung der Preisbindung nicht substanziell verändert. Der abschließende Befund im Hinblick auf die Beurteilung der Preisbindung zweiter Hand zeigt also eher eine konvergente Entwicklung: Bereinigt um die andere Gewichtung von Marktanteilen bei der primären Betrachtung von Wettbewerbsbeschränkungen in der Konzeption von Sec. 1 Sherman Act und Art. 101 AEUV stehen sich US-amerikanisches Antitrustrecht und europäisches Recht bei der Beurteilung der Preisbindung ähnlicher denn je gegenüber. Allerdings wurde diese Annäherung in Bezug auf die Preisbindung nicht dadurch erreicht, dass sich die europäische Haltung aufgrund eines stärker wirtschaftlichen Ansatzes verändert hätte, sondern weil sich das Antitrustrecht mit Leegin zu einer differenzierenden rechtlichen Beurteilung auch für RPM durchgerungen hat, dabei aber gleichzeitig eine abstrakte Schädlichkeitsvermutung in diese Beurteilung importiert und die Beweislastverteilung dementsprechend verschiebt.944 Die Gegenprobe verdeutlich die Widersinnigkeit der Forderung nach einem liberalisierten Preisbindungsverbot in Europa: Würde oder hätte die Kommission die Preisbindung aus ihrer Kernbeschränkungsdefinition in Art. 4 lit. a) VO 330/2010 herausgenommen, so wäre diese Freistellung bereits weit über die derzeitige theoretische und praktische Liberalisierung in den USA hinausgegangen. 942 Dieser Befund deckt sich mit der im 1. Teil dieser Arbeit vertretenen Ansicht, dass Preisbindungen häufig negativ auf den Interbrand-Wettbewerb durchschlagen, vgl. 1. Teil C.III.3.a), 99. 943 Siehe oben 2. Teil C.I.3.a)cc), 193. 944 Siehe oben 2. Teil C.I.4, 213.

346

2. Teil: Die Preisbindung der zweiten Hand – ein Rechtsvergleich

Alle betrachteten Rechtsordnungen haben also in unterschiedlichem Ausmaß eine Wandlung bei der Betonung des ihrem Wettbewerbsrecht zugrunde liegenden Schutzzwecks erfahren. Mit der Anerkennung von Effizienzkriterien und ihrer wachsenden Bedeutung hat in allen Rechtsordnungen auch eine kritische Diskussion um die Notwendigkeit und Legitimität eines Preisbindungsverbotes Einzug gehalten. Gleichwohl ist in keinem der betrachteten Staaten die rechtliche Unzulässigkeit von Preisbindungen im Ergebnis ernsthaft aufgeweicht worden. Vielmehr sehen auch die USA und die Schweiz, denen eine Abwägungsentscheidung aufgrund der rule of reason bzw. des Kartellartikels (Art. 96 BV)945 bereits auf der primären Beurteilungsebene abverlangt wird, in Bezug auf Preisbindungen regelmäßig Schädlichkeitsvermutungen vor, die teilweise auch unter einigen Schwierigkeiten in die gesetzliche oder richterrechtliche Dogmatik inkorporiert werden konnten. Im Ergebnis war es deshalb angesichts der ausufernden Debatte in Europa angebracht aber auch ausreichend, dass die Kommission ihre Haltung zu den übergreifenden Fragen hinsichtlich der prominentesten Effizienzerwägungen in den Leitlinien aufgegriffen hat. Die Rechtsentwicklung in den USA hat aber zu Recht nicht dazu geführt, dass die vertikale Preisbindung auf dieser Seite des Atlantiks im Ergebnis liberaler bewertet würde.

945

Vgl. 2. Teil B.IV.2, 149.

Zusammenfassung Zusammenfassung

A. Wettbewerbsrecht und Effizienz

A. Wettbewerbsrecht und Effizienz

Es ist hinreichend deutlich geworden, dass Preisbindungen aus ökonomischer Perspektive sowohl vor- als auch nachteilig sein können, wobei es jeweils auf die konkreten Umstände des Einzelfalles ankommt. Daraus lässt sich jedoch nicht pauschal auf die Notwendigkeit einer stark differenzierenden rechtlichen Regelung schließen. Das Aufgreifen der ökonomischen Ambivalenz auf juristisch-normativer Ebene muss nicht zwangsläufig auch zu einer geeigneten, effizienten oder überhaupt handhabbaren Regelung führen. Zunächst muss klar zwischen differenzierender Regelung und differenzierender Regelungsinterpretation unterschieden werden. Konsensfähiger Ausgangspunkt der Diskussion – nicht nur in Preisbindungsfragen – ist, dass eine wettbewerbsrechtliche Regelung stets differenzierend hinsichtlich des zu beurteilenden Verhaltens vorgehen sollte. Aufgrund der Vielgestaltigkeit der Auswirkungen wettbewerblichen Verhaltens verbieten sich formbasierte Regeln. Deshalb haben sich für Geschäftspraktiken mit ambivalenten Ergebnissen generell und damit auch für die Preisbindung starre per se-Verbote nicht bewährt; gleichfalls sind aber auch per seFreistellungen nicht angezeigt. Darum ist es keine Überraschung, dass die per se-Regel im US-amerikanischen Antitrustrecht seit dem Siegeszug der Chicago School immer weiter aus dem Antitrustrecht zurückgedrängt wurde. Dasselbe gilt auch für per se-Erlaubnisse – auch diese werden von Befürwortern der Preisbindung nicht als eine ernsthafte Option der Preisbindungsbeurteilung vorgebracht.1 Angesichts dessen ist es bemerkenswert, dass das Konzept starrer per se-Kategorien einzig in den USA überhaupt fortbesteht. Demgegenüber ist das europäische Beurteilungsregime unter Art. 101 Abs. 1 und 3 AEUV schon immer als Beurteilungskontinuum begriffen worden. Dieser Befund hat wenig Aussagekraft in Bezug auf die etwaige Ausgestaltung und Anwendung einer differenzierenden Regelung von Preisbindungsvereinbarungen. Nach den Ergebnissen des ersten Teils dieser Arbeit müssen die theoretisch ambivalenten Wirkungen der Preisbindung gewichtet betrachtet werden, sodass sich für einen Beurteilungsmaßstab folgende Kriterien ergeben: 1 Eine Ausnahmeansicht vertritt diesbezüglich Diab, 7 Geo. J. L. & Pub. Pol’y 2009, 597 ff.

348

Zusammenfassung

– Zweckmäßig ist eine widerlegliche Vermutung der Illegalität; insofern ist die europäische Regelung mit Beibehaltung der Einordnung der Preisbindung als Kernbeschränkung richtig. Die amerikanischen Beurteilungen gehen – bei unterschiedlichen Ausprägungen im Detail – auch unter der rule of reason-Betrachtung in diese Richtung.2 Eine tatsächlich durchzuführende Einzelfallbetrachtung oder fallgruppenbasierte Betrachtung erscheint sowohl hinsichtlich der Berechnung der konkreten Effizienzgewinne als auch der Schäden für den Wettbewerb als unmöglich, jedenfalls aber als zu kostenaufwändig und mit hoher Rechtsunsicherheit verbunden. Eine Beweislastregelung ist zwar immer ein mäßig geeignetes Mittel in Konstellationen, für die bereits ex ante feststeht, dass Sachverhalte tatsächlich nicht sicher aufgeklärt werden können, wie es in Bezug auf Preisbindungen anhand ihrer theoretisch ambivalenten Wirkungen der Fall sein wird. Nachdem die ökonomische Analyse ergeben hat, dass bei der Preisbindung die Wahrscheinlichkeit der unternehmerischen Fehleinschätzung besonders hoch ist und Preisbindungen aller Erfahrung nach häufig nicht aus prokompetitiven Motiven eingeführt werden, hätte die risikolose Beweislosigkeit eine falsche Anreizwirkung zur Folge. Deshalb erscheint es in Hinblick auf die Preisbindung legitim und notwendig die Beweislast dem Verwender aufzubürden. – Eine starke Vermutung der Illegalität ist insbesondere im Hinblick auf transformative Möglichkeiten des Internethandels weiterhin erforderlich; internetbasierter Handel ist zusammen mit den einhergehenden Innovationen ein Katalysator für effiziente Lösungen im Vertrieb; Preisbindungen können diese Entwicklungen unterdrücken oder verlangsamen und verhindern, dass Kostenvorteile an Verbraucher weitergereicht werden. – Alle Wettbewerbsbeschränkungen müssen auf Grundlage ihrer Wirkung bewertet werden – nicht anhand formaler, oberflächlicher oder künstlich unterschiedener Umstände. Die Vermutungswirkung sollte sich damit auch auf faktische Preisbindungen sowie preisliche Werbung (IMAP/MAPStrategien) erstrecken. Deshalb ist für vertikale preisliche Beschränkungen eine flexible Regelung bzw. eine Regelungsinterpretation angezeigt, die auch Entwicklungen innovativer online-basierter Geschäftspraktiken anhand ihrer Wirkungen erfasst.3 Eine Preisbindungsbeurteilung sollte Umgehungsstrategien, insbesondere die Berufung auf einseitiges Verhalten skeptisch prüfen können. Wo eine vereinbarungsäquivalente Wirkung durch eine Empfehlungspolitik in Verbindung mit einer Bedingung besonders leicht herbeigeführt wird, sollte die Beurteilung für Preisbindungen greifen. Hier zeigt sich mit der Colgate-Doktrin in den USA ein Reformbedarf.4 Jones Harbour / Price, 55 Antitrust Bull. 2010, 225, 244; Grimes, Resale Price Maintenance: A Competitive Assessment (2009), 10. 3 Siehe oben 1. Teil D.II, 110. 2

B. Rechtsvergleichende Beobachtungen

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– Eine Preisbindungsbeurteilung sollte die Wichtigkeit von Intrabrand-Wettbewerb auch in Kategorien anerkennen, die von starken Markenwarenvertrieb gekennzeichnet sind.5 Dahingehend weicht das US-Antitrustrecht konzeptionell von den neueren Erkenntnissen der ökonomischen Analyse von Preisbindungen ab. – Der selektive Vertrieb sollte hinsichtlich der anerkannten wettbewerblichen Zielsetzungen, die sowohl durch ihn als auch durch Preisbindungen verfolgt werden können, wegen seiner Wirkweise als ein weniger wettbewerbsbeschränkendes Mittel angesehen werden. Eine direkte Einschränkung des Preiswettbewerbs im offenen Vertrieb sollte nur sekundär rechtfertigbar sein, der selektive Vertrieb bei einer rechtlichen Preisbindungsbeurteilung mithin als ein weniger einschneidendes Mittel unbedingt Berücksichtigung finden.6 – Die Trittbrettfahrer-Rechtfertigung sollte bei der Beurteilung einer Preisbindungsvereinbarung nicht zugelassen werden; andere Mittel sind diesbezüglich besser geeignet und weniger wettbewerbsschädlich.7 – Eine Preisbindungsbeurteilung sollte nicht anhand der Frage differenzieren, ob Preisbindungen im Markt bereits weit verbreitet sind oder nicht. Eine solche Betrachtung stellt eine Bevorzugung solcher Wettbewerber dar, die Preisbindungen in der jeweiligen Produktkategorie als Erste verwendet haben.8 – Marktanteile sollten im Rahmen der Preisbindungsbeurteilung ebenfalls keine Berücksichtigung finden.9

B. Rechtsvergleichende Beobachtungen B. Rechtsvergleichende Beobachtungen

Die wichtigsten Beobachtungen des Rechtsvergleichs können wie folgt zusammengefasst werden: – Das in allen untersuchten Rechtsordnungen bestehende Verbot, Preise im Endverkauf zu binden, schwankt historisch betrachtet im Umfang und der tatsächlichen Wirkung. Gegenüber Mindest- und Festpreisbindungen besteht jedoch eine weitgehend konstante Ablehnung, die in den USA durch Leegin nicht etwa aufgeweicht wurde.

4 Grimes, Resale Price Maintenance: A Competitive Assessment (2009), der ColgateRechtfertigung deshalb eliminieren will. 5 Siehe oben 1. Teil C.III.3, 99. 6 Siehe oben 1. Teil F, 119. 7 Siehe oben 1. Teil B.I, 26. 8 So auch Grimes, Resale Price Maintenance: A Competitive Assessment (2009), 11. 9 Siehe oben 1. Teil B.II, 57, 1. Teil D.II, 110, sowie 1. Teil G.IV, 128.

350

Zusammenfassung

– In allen betrachteten Wettbewerbsrechtsordnungen wird die Preisbindung als fast ebenso schädlich beurteilt wie die Gruppe der horizontalen Kartellvereinbarungen. Sie bildet (in Europa zusammen mit vertikalen Gebietsabschottungsklauseln) faktisch eine eigene Kategorie von vertikalen Beschränkungen, die sich von der Gruppe anderer vertikaler Vereinbarungen abhebt. – Gemessen an dem vom jeweiligen System bereitgestellten Beurteilungsregime sind vertikale Mindestpreisbindungen jeweils hinsichtlich eines oder mehrerer Beurteilungsaspekte gegenüber anderen Beschränkungen benachteiligt, weil sie entweder einem abgekürzten Beweisverfahren hinsichtlich negativer Wirkungen unterliegen und/oder Vermutungs- oder Beweislastregelungen zu Lasten der Verwendung von Mindestpreisbindungen bestehen. Dort, wo unterschiedliche Sanktionsrahmen bestehen, werden Preisbindungen relativ härter geahndet. – In der EU besteht mit der Kategorie der bezweckten Beschränkung und der Kernbeschränkungseinordnung jeweils eine besondere Schädlichkeitsvermutung im Rahmen der primären Beurteilungsebene, die zugleich die Spürbarkeit bzw. die qualitative Erheblichkeit bei schwerwiegenden Beschränkungen umfasst und damit die Beweislast für eine etwaige Rechtfertigung sofort dem Verwender auferlegt.10 – In den USA, wo ein abgestuftes Regime innerhalb der rule of reason nicht vorhanden war, bildet sich im Rahmen der Bemühungen um eine strukturierte Beurteilung ein solches auch und gerade für RPM heraus. Schon im Ansatz erkennbar ist ein Sonderregime bzw. eine abgekürzte Betrachtung, die insbesondere das Charakteristikum der abstrakten Schädlichkeitsvermutung der per se-Regel übernimmt. Selbst in den von der Chicago School geprägten USA besteht damit eine abstrakte Einschätzung qua natur der Beschränkung fort. – In allen betrachteten Rechtsordnungen bildet sich ein Gefüge der Beweislastverteilung heraus, das dem Verwender der Preisbindung jedenfalls die Beweislast für eine Rechtfertigung der Preisbindung auferlegt. – Wichtiger systembedingter Unterschied ist die Gewichtung von Marktanteilen im Rahmen der ersten Beurteilungsebene.11 – Hauptunterschiede der betrachteten Rechtsordnungen ergeben sich bei der Systemdurchlässigkeit für Umgehungsstrategien z. B. aufgrund der mehr oder weniger formalen Betrachtungsweise von bestimmten Verhaltensweisen, namentlich in Bezug auf Preisempfehlungen und preisliche Werbung.12 Das deutsche GWB ist das einzige Regime, unter dem mit der Er10 11 12

Vgl. Art. 2 VO 1/2003. 2. Teil C.II.2.c)bb)i), 233 und E.III, 343. 2. Teil D, 283.

B. Rechtsvergleichende Beobachtungen

351

fassung einseitiger Handlungen im Bereich der Druckausübung auch Preisempfehlungen direkt sanktioniert werden können.13 – In Deutschland besteht im Übrigen die Auffälligkeit einer nach wie vor weiten Ausnahmeregelung für Verlagserzeugnisse, die sich auch auf neue Medien wie E-Books erstreckt und keine Entsprechung in anderen Rechtsordnungen (mehr) hat. Zur praktischen Durchsetzung ließen sich zudem folgende Beobachtungen machen: – Mit Blick auf das besondere wettbewerbspolitische Ansinnen, Marktabschottungen zu vermeiden, werden Preisbindungen in Jurisdiktionen kleinerer Wirtschaftsräume in der Regel strenger unterbunden. Das gilt nicht nur in Bezug auf die europäischen Mitgliedstaaten, sondern auch in den USA. Wirtschaftlich bedeutsame Einzelstaaten halten nach wie vor an der großen Feindseligkeit ggü. RPM fest. Die gewisse Heterogenität in der Staatengesetzgebung und der behördlichen Verfolgung von Preisbindungsstrategien birgt ein gesteigertes Risiko, aufgrund von entsprechenden Geschäftspraktiken belangt zu werden und treibt deshalb auch die Kosten für die Implementierung und Durchführung von ggf. rechtmäßiger RPM in die Höhe. – Faktisch entsteht sowohl in den USA als auch in der EU eine gewisse Arbeitsteilung bei der Verfolgung von Vertikalabreden. In den USA sind die (geäußerten) Prioritäten der Bundesbehörden bzw. in Europa die Haltung der Kommission weniger auf vertikale Beschränkungen ausgerichtet, als die der Behörden der einzelnen Bundesstaaten bzw. Mitgliedstaaten. Die einzel- bzw. mitgliedstaatlichen Bewertungen fallen in der Regel strenger gegenüber vertikalen Preisabsprachen aus. Preisbindungen werden teilweise auch entgegen liberalisiertem Bundesrecht bzw. erklärt liberalerer europäischer Wettbewerbspolitik aufgegriffen und bebußt.14 – Das Fallrecht zu vertikalen Mindest- und Festpreisbindungen ist nichtsdestoweniger unterentwickelt. In der Regel werden aufgegriffene Fälle im Rahmen von Settlements beigelegt. – In Anbetracht der kartellbehördlichen Praxis scheint der wirtschaftliche Nutzen der vertikalen Preisbindung in allgemeinen Debatten oft behauptet, im konkreten Fall aber sehr selten anwaltlich vorgetragen zu werden, obwohl in den meisten beobachteten Verfahren im vorgeschalteten behördlichen oder verwaltungsrechtlichen Verfahren durchaus die Möglichkeit besteht, Rechtfertigungen ohne ausgeprägtes Prozessrisiko zumindest vorzutragen.15 Wo Preisbindungen oder Preisempfehlungen in europäischen Mitgliedstaaten gerichtlich untersucht wurden, stützten Gerichte in Europa

13 14

2. Teil C.III.4, 256 und D.III.2, 295. 2. Teil C.I.3.b)dd), 205 ff. und C.II.2.c)dd), 246, sowie C.III.3, 253 ff.

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Zusammenfassung

bislang ein hartes Behördeneinschreiten, während in den USA gemischte Urteile zu verzeichnen waren. Zwar ist anhand der Gruppe der behördlich aufgegriffenen Fälle aufgrund der bereits erfolgten behördlichen Erstbewertung des Sachverhaltes keine Fallstudie möglich, die sich auf eine bereinigte Stichprobe stützen ließe. Trotzdem liegt der Schluss nahe, dass die pro-kompetitive Motivation für Preisbindungen häufig nicht glaubhaft ist. – Aufgegriffene Preisbindungen betrafen in den USA und Europa häufig ähnliche Wettbewerbssituationen und Produktgruppen. Preisbindungsversuche ergaben sich überraschend oft bei Kosmetikartikeln (insbesondere sog. Pharmaceuticals), Matratzen, Baby- und Kinderprodukten, Brillen und Kontaktlinsen. In vielen Fällen fanden sich also Produkte, deren Wert für Verbraucher schwer einzuschätzen ist (Informationsasymmetrie), deren Nutzen bei tatsächlicher Hochwertigkeit vom Verbraucher aber in besonderem Umfang erhofft wird. Hingegen wurden bei den aufgegriffenen Fällen in der Regel kaum Anzeichen für eine tatsächliche Notwendigkeit von Preisbindungen identifiziert. In Anbetracht des behördlichen Aufgreifermessens kann damit zumindest kein übergebührliches oder irrationales Behördenhandeln erkannt werden. Hinsichtlich der Problematik von einseitigen Preisempfehlungen bewegten sich aufgegriffene und bebußte Fälle in der Regel gleichfalls nicht in einem Graubereich.

C. Schlussfolgerungen C. Schlussfolgerungen

Die Preisbindung der zweiten Hand ist eine ernst zu nehmende Wettbewerbsbeschränkung und wird deshalb zu Recht strikt untersagt. Die ökonomische Analyse im 1. Teil dieser Arbeit kommt zu dem Ergebnis, dass dies dem Bekenntnis der Kommission zum more economic approach nicht widerspricht. Sowohl die wettbewerbstheoretischen als auch die empirischen Erfahrungen sprechen dafür, die überaus kritische Grundhaltung gegenüber vertikalen Preisbindungen beizubehalten. Nach der eingehenden Betrachtung der US-amerikanischen und der europäischen Rechtslage zu Preisbindungen besteht im Hinbick auf eine Liberalisierung der Preisbindung in Europa weder die Möglichkeit der Übertragung amerikanischer Grundsätze noch ist eine grundsätzliche Neubewertung der Preisbindung der zweiten Hand in Europa überhaupt angezeigt. Die rechtliche Beurteilung vertikaler Mindest- und Festpreisbindungen in den USA hat sich der europäischen angenähert. Somit sind Forderungen nach einer Liberalisierung der Preisbindung, soweit sie auf der Annahme beruhen, dass die Preisbindung in den USA post Leegin milder beurteilt würde, aus europäischer Perspektive unberechtigt. 15 Der Eindruck wird z. B. auch seitens amerikanischer Büros der Generalstaatsanwälte in NY und CA geteilt und regelmäßig geäußert.

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374

Entscheidungsverzeichnis

BGH v. 24.10.2011 – KZR 7/10 = WuW/E DE-R 3446 = NJW 2012, 773 = GRUR 2012, 84 –Grossistenkündigung ........................................................... 335 BGH v. 6.11.2012 – KZR 13/12 = GRUR-RR 2013, 182 – UVP für Rucksäcke ................................................................................ 255, 257 f., 296 BGH v. 23.7.2015 – I ZR 83/14 = MMR 2016, 236 – Gutscheinaktion beim Buchankauf ...................................................................................................... 329 BGH v. 6.10.2015 – KZR 17/14 = GRUR 2016, 304 – Zentrales Verhandlungsmandat ................................................................................ 337 BGH – KZR 59/16 (anhängig) ............................................................................ 252 f., 261 Reichsgericht RG v. 4.2.1897 – Rep. VI 307/96, RGZ 38, 155 – Sächsisches Holzstoffkartell ........................................................................................ 11 RG v. 6.10.1931 – II 76/31, RGZ 133, 330 ................................................................... 144 RG v. 5.4.1932 – II 192/31, RGZ 136, 65 ...................................................................... 144 RG v. 11.10.1935 – II 198/35, RGZ 148, 364................................................................. 144 RG v. 15.5.1936 – II 196/35, RGZ 151, 239 .................................................................. 144 Bundeskartellamt BKartA v. 30.11.1965 – B5-38 31 11, QX - 75/*, GRUR 1966, 517 – Ofenpreisbindung ..................................................................................................... 313 BKartA v. 26.2.1999 – WuW/ DE-V 94 – MetroMGE Einkaufs-GmbH .......................... 305 BKartA v. 9.8.2000 – B8-77/00 = WuW/E DE-V 289 – Freie Tankstellen ............................................................................................................................ 109 BKartA v. 8.8.2001 – B9-52612-P-120/00 – Detlev Louis Motorradbekleidung ............................................................................. 296 BKartA v. 2.9.2003 – B7-69/03 – ebay .................................................................. 256, 323 BKartA v. 25.4.2007 – B7-42/06 – Haushaltskleingeräte ............................................... 256 BKartA v. 25.9.2009 – B3-123/08 – Ciba Vision ........................................ 256, 258 f., 296 BKartA v. 14.10.2009 – B3-69/08 – Phonak ...................................... 3, 82, 253, 255, 257 f. BKartA v. 28.5.2010 – B12-11/08 – Brillenglashersteller .............................................. 253 BKartA v. 18.6.2010 – B5-100/09 – Garmin .............................................................. 254 f. BKartA v. 20.8.2012 – B5-20/10 – TTS Tooltechnik ................................... 257–259, 299 f. BKartA v. 20.12.2013 – B9-66/10 – HRS-Bestpreisklausel ................................................. 105, 112, 114, 309–311, 314–319 BKartA v. 6.5.2014 – B2-52/14, FB v. 27.5.2014 – WALA Heilmittel ............................ 255 BKartA v. 19.12.2014 – B10-041/14 – Ritter Sport .................................................. 96, 254 BKartA v. 19.12.2014/2.6.2015/16.6.2015 – B10-040/14 – Haribo .......................... 96, 254 BKartA v. 19.12.2014, 10. u. 16.6.2015 – B10-050/14 – Röstkaffee ............................... 254 BKartA v. 22.12.2015 – B9-121/13 – Meistbegünstigstenklauseln bei Booking.com ............................. 309, 310, 314, 315, 319 Oberlandesgerichte KG v. 1.6.1965 – WuW/E OLG 735 – Trommelware ..................................................... 145 KG v. 1.6.1965 – WuW/E OLG 737 – Großgebinde III ................................................ 145 KG v. 20.10.1976 – Kart 4/76 = WuW/E OLG 1805, 1811 f. = NJW 1977, 392 – Unwirksamerklärung für Preisbindungen im Buchhandel ...................... 326

Entscheidungsverzeichnis

375

OLG Düsseldorf v. 13.2.2002 – Kart 16/00 (V) = WuW 2002, 375 = WuW/E DE-R 829 – Freie Tankstellen ..................................................................... 109 OLG Frankfurt a.M. v. 20.7.2004 – 11 U (Kart) 15/04 = NJW 2004, 3122 – Startgutscheine für Bücher ............................................................................ 331 OLG Hamburg v. 26.9.2005 – 5 W 109/05 = GRUR-RR 2006, 200 – Preisgebundene Abonnementzugabe ......................................................................... 331 OLG Düsseldorf v. 25.10.2006 – VI-Kart 14/06 (V) = WuW 2007, 1129 – Kalksandsteinwerk ........................................................................................ 253 OLG Celle v. 11.2.2010 – 13 U 92/09 (Kart) = GRUR-RR 2010, 219 = WuW/E DE-R 2853 – Presse-Grosso-Vertrieb.......................................................... 335 OLG Stuttgart v. 11.11.2010 – 2 U 31/10 = ZUM-RD 2011, 225 – Verstoß gegen Buchpreisbindung durch Preisnachlass-Coupon ................................ 332 OLG Frankfurt a.M. v. 17.7.2012 - 11 U 20/12 = MMR 2012, 681 – Gutscheinaktion eines Internetbuchhändlers ............................................................. 332 OLG Düsseldorf v. 15.9.2012 – Kart 5/10 (V) = BeckRS 2011, 08189 – Freigabeentscheidung Pressegrosso ...................................................................... 335 OLG Hamburg v. 24.10.2012 – 5 U 164/11 = MMR 2013, 660 – studibooks.de ................................................................................................................... 332 OLG Frankfurt a. M. v. 28.1.2014 – 11 U 93/13 = GRUR 2014, 890 – Unzulässige Umgehung der Buchpreisbindung/Trade-In-Gutschein ......................... 337 OLG Düsseldorf v. 26.2.2014 – VI-U (Kart) 7/12 = GRUR-RR 2014, 353 = NZKart 2014, 154 – Presse-Grosso ................................................................ 337 OLG Frankfurt a.M. v. 2.4.2014 – 11 U 3/14 – Verstoß gegen Buchpreisbindung ............................................................................................. 104, 332 OLG Düsseldorf v. 9.1.2015 –VI-Kart 1/14 (V) – Bestpreisklausel ...................................................................... 308, 310, 313, 315, 318 f. OLG Stuttgart v. 19.11.2015 – 2 U 88/15 – Rabattaktion für Taxidienstleistungen ........................................................................................................ 324 OLG Celle v. 7.4.2016 – 13 U 124/15 (Kart) = BeckRS 2016, 08239 = NZKart 2016, 288 – A.-Vitalkost ................................................................ 252, 261, 274 Landgerichte LG Düsseldorf v. 16.2.1987 – 38 O (Kart.) 123/85 = WuW 1987, 933 – Rabattstaffeln ........................................................................................................ 334 LG Wuppertal v. 17.11. 2009 – 14 O 13/09 = GRUR-RR 2010, 224 – Sonderrabatte auf Lehrerprüfstücke .......................................................................... 331 LG Ulm v. 5.3.2010 – 11 O 60/09 = ZUM-RD 2010, 446 – Ersteinkauf ......................... 332 LG München I v. 31.3.2010 – 37 O 7636/10 = MMR-Aktuell 2010, 303085 – Mediantis/Amazon ..................................................................................... 308 LG Düsseldorf v. 18.4.2010 – 14c O 234/09 = WRP 2010, 801 – Preisangaben auf Verpackungen ............................................................................... 260 LG Hamburg v. 8.6.2011 – 315 O 182/11 = MMR 2012, 172 – studibooks.de .................................................................................................................. 332 LG Köln v. 14.2.2012 – 88 O (Kart) 17/11 = WuW/E DE-R 3532 = GRUR-RR 2012, 171 – Presse-Grosso ............................................................. 335, 337 LG Wiesbaden v. 11.12.2013 – 11 O 16/13 – Buchpreisbindung bei Amazon..................................................................................................................... 104

376

Entscheidungsverzeichnis

LG Berlin v. 7.7.2014 – 101 O 55/13 = GRUR-RR 2014, 461– Provision für Schulförderverein beim Vertrieb von Schulbüchern – Schulförderverein ............................................................................................. 329, 331 LG Stuttgart v. 16.6.2015 – 44 O 23/15 – KfH ............................................................... 324 LG Hamburg v. 15.9.2015 – 312 O 225/15 – Rabattaktion für Beförderungsdienstleistungen ............................................................................................... 324 LG Frankfurt a.M. v. 19.1.2016 – 3-06 O 72/15 – Taxivermittler ................................... 324 LG Hannover v. 25.8.15 – 18 O 91/15 = WRP 2015, 1546 – Almased ................... 252, 261

Europäische Union Europäischer Gerichtshof EuGH v. 6.4.1962 – Rs. C-13/61, Slg. 1962, I-105 – De Geus/Bosch ............................. 220 EuGH v. 13.7.1966 – verb. Rs. C-56/64 und 58/64, Slg. 1966, I-321 – Consten und Grundig/Kommission ...................... 141, 148, 220, 227, 232, 271, 317, 343 EuGH v. 9.7.1969 – Rs. C-5/69, Slg. 1969, I-295 – Völk/Vervaecke ......................................................................................................... 227 EuGH v. 15.7.1970 – Rs. C-41/69, Slg. 1970, I-661 – Chemiefarma/Kommission ........................................................................................ 288 EuGH v. 6.5.1971 – Rs. C-1/71, Slg. 1971, I-351 – Cadillon/Höss ................................. 227 EuGH v. 25.11.1971 – Rs. C-22/71, Slg. 1971, I-949 – Béguelin Import/G.L. Import Export ......................................................................... 227 EuGH v. 16.12.1975 – verb. Rs. C-40–48, 50, 54–56, 111, 113, 114/73, Slg. 1975, I-1663 – Suiker Unie u. a./Kommission ................................ 224, 241 EuGH v. 25.10.1977 – Rs. C-26/76, Slg. 1977, I-1875 – Metro/Kommission (SABA II)..................................................................... 217, 238, 242 EuGH v. 1.2.1978 – Rs. C-19/77, Slg. 1978, I-131 – Miller International Schallplatten/Kommission ................................................. 224, 229 EuGH v. 18.10.1979 – Rs. C-5/79, Slg. 1979, I-3203 = NJW 1980, 1210 – Buys .............................................................................................................. 312 EuGH v. 6.11.1979 – Rs. C-16/79, Slg. 1979, I-3327 – Danis ........................................ 301 EuGH v. 10.7.1980 – Rs. C-30/78, Slg. 1980, I-2229 – Distillers/Kommission....................................................................................... 227, 229 EuGH v. 29.10.1980 – Rs. C-209/78, Slg. 1980, I-3125 – Fedetab ................................. 218 EuGH v. 29.10.1980 – Rs. C-209/78, Slg. 1980, I-3125 – van Landewyck/Kommission ..................................................................................... 289 EuGH v. 14.7.1981 – Rs. C-172/80, Slg. 1981, I-2021 – Züchner/Bayerische Vereinsbank .............................................................................. 241 EuGH v. 7.6.1983 – Rs. C-100–103/80, Slg. 1983, I-1825 – Musique Diffusion française ..................................................................................... 229 EuGH v. 25.10.1983 – Rs. C-107/82, Slg. 1983, I-3151 – AEG/Kommission.............................................................................................. 218, 229 EuGH v. 3.7.1985 – Rs. C-243/83, Slg. 1985, I-2015 – Binon/AMP ........ 217, 223, 233, 335 EuGH v. 28.1.1986 – Rs. C-161/84, Slg. 1986, I-353 – Pronuptia ................................. 288 EuGH v. 27.1.1987 – Rs. C-45/85, Slg. 1987, I-405 – Verband der Sachversicherer/Kommission ................................................................ 289 EuGH v. 11.4.1989 – Rs. C- 66/86, Slg. 1989, I-808 – Ahmed Saeed Flugreisen u.a./Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs ........................... 302

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EuGH v. 11.1.1990 – Rs. C-277/87, Slg. 1990, I-45 – Sandoz prodotti farmaceutici/Kommission ................................................................ 224 EuGH v. 28.2.1991 – Rs. C-234/89 – Slg. 1991, I-935 – Delimitis/Henninger Bräu ......................................................................................... 229 EuGH v. 31.3.1993 – verb. Rs. C-89/85, C-104/85, C-114/85, C116/85, C-117/85 und C-125/85 bis C-129/85, Slg. 1993, I-1307 – Alstroem Osakeyhtioe u. a./Kommission ................................................................... 241 EuGH v. 27.4.1994 – Rs. C-393/92, Slg. 1994, I-1477 – Almelo..................................... 229 EuGH v. 30.6.1996 – Rs C-56/65, Slg. 1966, I-337 – LTM/Maschinenbau Ulm .................................................................................. 222, 227 EuGH v. 17.7.1997 – Rs. C-219/95 P, Slg. 1997, I-4411 – Ferriere Nord/Kommission ....................................................................................... 224 EuGH v. 28.4.1998 – verb. Rs. C-215 und 216/96, C-306/96 – Slg 1998, I-1983 – Javico/Yves Saint Laurent Parfums ............................................. 227 EuGH v. 28.5.1998 – Rs. C-7/95 P, Slg. 1998, I-3111 – John Deere/Kommission ................................................................................... 227, 241 EuGH v. 21.1.1999 – verb. Rs. C-215/96 und 216/96, Slg. 1999, I-135 – Bagnasco u.a. ........................................................................................................... 225 EuGH v. 8.7.1999 – Rs. C-235/92 P, Slg. 1999, I-4539 – Montecatini ........................... 222 EuGH v. 8.7.1999 – Rs. C-49/92, Slg. 1999, I-4125 – Anic Partecipazioni .................................................................................................. 224 EuGH v. 12.9.2000 – verb. Rs. C-180-184/98, Slg. 2000, I-6451 – Pavlov u.a. ............................................................................................................... 227 EuGH v. 7.12.2000 – Rs. C-214/99, Slg. 2000, I-11121 – Neste ..................................... 229 EuGH v. 6.1.2004 – Rs. C-2/01 P und C-3/01 P, Slg. 2004, I-23 – BAI und Kommission/Bayer ................................................................................... 288 f. EuGH v. 13.7.2006 – Rs. C-74/04 P, Slg. 2006, I-6585 – Kommission/Volkswagen (VW II) .............................................................................. 290 EuGH v. 21.9.2006 – Rs. C-167/04 P, Slg. 2006, I-8935 – JCB Service/Kommission .................................................................................. 217, 239 EuGH v. 11.9.2008 – Rs. C-279/06,  Slg. 2008, I-6681= EuZW 2008, 668 – CEPSA .............................................................................................229, 285, 289 EuGH v. 20.11.2008 – Rs. C-209/07, Slg. 2008, I-8637 – Irish Beef ...................... 224, 227 EuGH v. 2.4.2009 – Rs. C-260/07, Slg. 2009, I-2347 – Pedro IV Servicios .................................................................................................... 289 EuGH v. 30.4.2009 – Rs. C-531/07, Slg. 2009, I-3717 – Fachverband der Buch- und Medienwirtschaft .......................................................... 327 EuGH v. 4.6.2009 – Rs. C-8/08, Slg. 2009, I-4529 – T-Mobile Netherlands .............................................................................................. 227 EuGH v. 6.10.2009 – verb. Rs. C-501/06 P, C-513/06 P, C-515/06 P, C-519/06 P, Slg. 2009, I-9291 – GlaxoSmithKline u.a./Kommission........... 224, 233, 271 EuGH v. 10.2.2011 – Rs. C-260/09, Slg. 2011, I-419 = GRUR-Int 2011, 320 = WuW 2011, 419 – Nintendo ................................................................ 292 EuGH v. 4.10.2011 – Rs. C-403/08, C-429/08, Slg. 2011, I-9083 = EuZW 2012, 466, Rn. 135 – Football Association Premier League Ltd./QC Leisure u.a. ................................................................................................. 224 EuGH v. 13.10.2011 – Rs. C-439/09, EU:C:2011:649 – Pierre Fabre Dermo-Cosmétique .............................................................................. 233

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EuGH v. 8.12.2011 – Rs. C-272/09 P, Slg. 2011, I-12789 – KME Germany u. a./Kommission .............................................................................. 317 EuGH v. 13.12.2012 – Rs. C-226/11, EU:C:2012:795 – Expedia Inc./Autorité de la concurrence .................................... 228, 252, 271, 273, 317 EuGH v. 14.3.2014 – Rs. C-32/11, EU:C:2013:160 = EuZW 2013, 716 – Allianz Hungária u.a...................................................................................... 226, 316 EuGH v. 5.3.2015 – Rs. C-502/13, EU:C:2015:143 – Kommission/Luxemburg............................................................................................ 329 EuGH v. 5.3.2015 – Rs. C-479/13, EU:C:2015:141 – Kommission/Frankreich ............................................................................................ 329 Europäisches Gericht EuG v. 2.7.1992 – Rs. T-61/89, Slg. 1992, II-1931 – Dansk Pelsdyravlerforening/Kommission .................................................................. 227 EuG v. 15.7.1994 – Rs. T-17/93, Slg. 1994, II-595 – Matra Hachette/Kommission............................................................................. 232, 316 EuG v. 8.6.1995 – Rs. T-7/93, Slg 1995, II-1539 – Langnese-Iglo/Kommission ....................................................................................... 229 EuG v. 15.7.1998 – Rs. T-374/75, Slg. 1998, II-3141 – European Night Services Ltd. (ENS)/Kommission ..................................................... 229 EuG v. 26.10.2000 – Rs. T-41/96, Slg. 2000, II-3383 – Bayer/Kommission .................................................................................................... 288 EuG v. 5.7.2001 – Rs. T-25/99, Slg. 2001, II-1881 – Roberts/Kommission (Bierlieferungsverträge) ........................................................... 229 EuG v. 23.10.2003 – Rs. T-65/98, Slg. 2003, II-4653 – van den Bergh Foods ................................................................................................ 222 EuG v. 3.12.2003 – Rs. T-208/01, Slg. 2003, II-5141 – Volkswagen/Kommission (VW I) ....................................................................... 218, 291 EuG v. 13.1.2004 – Rs. T-67/01, Slg. 2004, II-49 – JCB Service/Kommission .......................................................................................... 217 EuG v. 8.7.2004 – verb. Rs. T-67/00, T-68/00, T-71/00 und T-78/00, Slg. 2004, II-2501 – Nahtlose Stahlrohre .................................................................. 228 EuG v. 27.7.2005 – verb. Rs. T-49 bis 51/02, Slg. 2005, II-3033 – Brasserie Battin/Kommission .................................................................................... 228 EuG v. 15.9.2005 – Rs. T-325/01, Slg. 2005, II-3319 – DaimlerChrysler/Kommission ................................................................................... 239 EuG v. 2.5.2006 – Rs. T-328/03, Slg. 2006, II-1231 – O2 (Germany)/Komission ...................................................................................... 229 f. EuG v. 27.9.2006 – Rs. T-168/01, Slg. 2006, II-2969 – GlaxoSmithKline Services/Kommission ...................................................... 224, 232, 316 EuG v. 27.9.2006 – verb. Rs. T-44/02 OP, T-54/02 OP, T-56/02 OP, T-60/02 OP, T-61/02 OP, Slg. 2006 II-3567 = WuW/E EuR 1141 – Dresdner Bank/Kommission................................................................................... 289 f. EuG v. 8.7.2008 – Rs. T-53/03, Slg. 2008, II-1333 – BPB/Kommission ...................................................................................................... 288 Europäische Kommission Komm. v. 23.9.1964 – ABl. 1964 P 161/2545 – Grundig-Consten ................................. 271

Entscheidungsverzeichnis

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Komm. v. 22.12.1972 – ABl. 1972 L 303/24 – CIMBEL ................................................ 218 Komm. v. 2.1.1973 – ABl. 1973 L 140/17 – Europäische Zuckerindustrie .................................................................................... 249 Komm. v. 5.10.1973 – ABl. 1973 L 293/41 – Deutsche Philips GmbH .......................... 218 Komm. v. 22.12.1976 – ABl. 1977 L 16/8– Gerofabriek ............................................... 217 Komm. v. 2.12.1977 – ABl. 1978 L 20/24 – Centraal Bureau voor de Rijwielhandel .................................................................... 218 Komm. v. 5.9.1979 – ABl. 1979 L 286/45 – BP/Kemi - DDSF ....................................... 218 Komm. v. 11.12.1980 – ABl. 1980 L 383/11 – Hennessy-Henkel ................................... 217 Komm. v. 6.1.1982 – ABl. 1982 L 117/26 – AEG-Telefunken ........................................ 218 Komm. v. 10.12.1982 – ABl. 1982 L 360/36 – British Telecommunications .............................................................................. 250, 302 Komm. v. 13.7.1983 – ABl. 1983 L 200/44 – Vimpolu ................................................... 289 Komm. v. 5.12.1983 – ABl. 1983 L 348/20 – Murat ..................................................... 288 Komm. v. 16.12.1985 – ABl. 1985 L 376/15 – Villeroy & Boch ..................................... 288 Komm. v. 23.4.1986 – ABl. 1986 L 230/1 – Polypropylen ............................................ 288 Komm. v. 17.12.1986 – ABl. 1987 L 13/41 – Pronuptia ................................................ 218 Komm. v. 17.12.1986 – ABl. 1987 L 8/49 – Ives Rocher ............................................... 289 Komm. v. 22.12.1987 – ABl. 1988 L 45/38 – ARG/Unipart ........................................... 218 Komm. v. 7.12.1988 – ABl. 1989 L 33/44 – Flachglas .................................................. 302 Komm. v. 24.7.1992 – ABl. 1992 L 236/11 – Givenchy ................................................. 218 Komm. v. 4.12.1998 – ABl. 1999 L 47/18 – Novalliance/Systemform ............................ 218 Komm. v. 26.10.1999 – ABl. 2000 L 39/1 – FEG/TU .................................................... 289 Komm. v. 5.7.2000 – ABl. 2001 L 54/1 – Nathan-Bricolux .................................... 239, 301 Komm. v. 11.10.2000 – ABl. 2001 L 268/28 – AOL/Time Warner ................................. 328 Komm. v. 21.12.2000 – ABl. 2002 L 69/1 – JCB ........................................................... 217 Komm. v. 29.6.2001 – ABl. 2001 L 262/28 – Volkswagen ............................................. 232 Komm. v. 16.7. 2003 – COMP 37.975 – PO/Yamaha .................................................... 237 Komm. v. 26.5.2004 – ABl. 2006 L 353/5 – Souris-Topps ............................................. 232 Komm. v. 8.7.2009 – COMP/39.401, ABl. 2009 C 248/04 (Zusammenfassung) = WuW/E EU-V 1457 – E.ON/GDF ..................................................... 288 Komm. v. 12.10.2011 – COMP/39482 – Exotic Fruit (Bananas) .................................... 227 Komm. v. 23.5.2013 – COMP/AT 39595 – Continental/United/Lufthansa/Air Canada ................................................................ 238

Frankreich Conseil de la Concurrence v. 5.12.2005 – 05-D-66 (Panasonic, Philips, Sony) ........................................................................................................................ 103 Conseil de la Concurrence v. 13.3.2006 – 06-D-04 (L’Oreal, Chanel, Guerlain, Dior, Händler Nocibé, Marionnaud, Séphora u.a.) .................................... 103 Conseil de la Concurrence v. 20.12.2007 – 07-D-50 (Spielwarenhersteller und -Händler Chicco, Lego, Carrefour, JouéClub u.a.) ..................................... 103 Autorité de la Concurrence v. 20.3.2012 – 12-D-10 (Nestlé Purina Petcare France, Royal Canin SAS, Hill's Pet Nutrition SNC) .................................... 246

380

Entscheidungsverzeichnis

Israel Svirski Case, CrimA 366/99 Israel v. Svirski § 41, [2002] IsrDC, 33(4) 650 .................................................................................................................... 91

Kanada Competition Tribunal v. 7.2.2014 – No. CT-2014-001 – Hachette Book Group Canada Ltd. et. al. ......................................................................................... 318

Österreich Oberster Gerichtshof OGH v. 15.7.2009 – 16 Ok 6/09 = GRUR-Int 2010, 885 – Pressegrosso I .......................................................................................................... 336 OGH v. 1.12.2009 – 16 Ok 10/09 = GRUR-Int 2010, 888, 890 f. – Pressegosso II .......................................................................................................... 336 OGH v. 08.10.2015 – 16Ok2/15b, 16Ok8/15k – SPAR ................................................... 247 Oberlandesgerichte OLG Wien als Kartellgericht v. 23.4.2014 – 26 Kt 19/14 – Media-Saturn BeteiligungsgmbH (BWB/K-302) ....................................................... 247 OLG Wien als Kartellgericht v. 26.11.2014 – 26 Kt 154/13-74 – SPAR (BWB/K-304) ................................................................................................. 247 OLG Wien als Kartellgericht v. 19.12.2014 – 24 Kt 62/14 – Brauerei Jos. Baumgartner GmbH ........................................................................... 247 OLG Wien als Kartellgericht v. 3.3.2015 – 25 Kt 76/14 – Vöslauer Mineralwasser AG (BWB/K-397) ............................................................. 247 OLG Wien als Kartellgericht v. 2.7.2015 – 25 Kt 9/15-6 – Pfeiffer HandelsgmbH und Zielpunkt GmbH (BWB/K-386) ...................................... 247 OLG Wien als Kartellgericht v. 9.9.2015 –24 Kt 35/15 – Samsung Electronics (BWB/K-396) .......................................................................... 247 OLG Wien als Kartellgericht v. 9.9.2015 –24 Kt 7/15 – Nikon GmbH (BWB/K-392) ...................................................................................... 247 OLG Wien als Kartellgericht v. 3.3.2016 – 26 Kt 2/16 – Rauch Fruchtsäfte GmbH (BWB/K-361) .................................................................. 247 OLG Wien als Kartellgericht v. 30.6.2016 – 29 Kt 10/16m – SPAR (BWB/K-304) ................................................................................................. 247 Bundeswettbewerbsbehörde BWB v. 14.5.2013 – BWB/K-252 – REWE .................................................................... 247

Portugal AdC v. 15.6.2012 – PRC/2010/04 – Lactogal Produtos Alimentares S.A. ....................... 246 Tribunal da Relação de Lisboa v. 29.1.2014 – 18/12.0YUSTR.E1.L1 – Lactogal c. AdC ........................................................................................................ 246

Entscheidungsverzeichnis

381

Schweiz Bundesgericht BGer v. 7.12.1999 – BGE 126 III 129 – Kodak .............................................................. 153 BGer v. 14.8.2002 – BGE 129 II 18 – Buchpreisbindung ........................................... 276 f. BGer v. 6.2.2007 – 2A.430/2006 = WuW/E KRInt 147 = WuW 2007, 429 – Schweizer Buchpreisbindung ................................................................... 280, 326 BGer v. 12.6.2008 – 4A_16/2008, BGE 134 III 438 (442) – Konsortialvertrag ..................................................................................................... 151 BGer v. 12.12.2008 – 2C_292/2008, BGE 135 II 60 (67) – Maestro Interchange Fee .......................................................................................... 151 BGer v. 28.1.2015 – 2C_80/2014 – Hors-Liste Medikamente ......................................... 299 BGer v. 28.6.2016 – 2C_180/2014 – Gaba/WEKO .......................................... 154, 272, 274 Bundesverwaltungsgericht BVGer v. 3.12.2013 – B-320/2010 – Hors-Liste Medikamente ....................................... 299 BVGer v. 19.12.2013 – B-506/2010 – Gaba/WEKO................................ 149, 272–274, 277 BVGer v. 23.9.2014 – B-8399/2010 – Baubeschläge ..................................................... 273 BVGer v. 13.11.2015 – B-333272012 – BMW ............................................................... 274 BVGer v. 17.12.2015 – B-5685/2012 – Altimum SA ........................................ 154, 269, 274 Wettbewerbskommission WEKO v. 19.4.2000 – RPW 2000/2, 186 – Hoffman-La Roche ...................................... 152 WEKO v. 3.9.2001 – RPW 2001/3, 515 – SUMRA/Distribution de montres .............................................................................. 298 WEKO v. 16.2.2004 – RPW 2004/2, 331 – ASTAG Preisempfehlungen/Kalkulationshilfen ......................................................... 298 WEKO v. 21.3.2005 – 22-0203 = WuW KRInt 89 = WuW 2005, 683 – Schweizer Buchpreisbindung .................................................................................... 334 WEKO v. 21.3.2005 – RPW 2005/2, 269 – Sammelrevers .................................. 276 f., 338 WEKO v. 2.5.2007 – RPW 2007/2, 341 – Schweizerischer Buchhändlerund Verlegerverband und Börsenverein des Deutschen Buchhandels e.V. .............. 338 f. WEKO v. 4.7.2008 – RPW 2008/3, 382 – Scott Bikes .................................................... 298 WEKO v. 25.5.2009 – RPW 2009/2, 143 – Sécateurs et cisailles (Felco/Landi)........................................................................... 267 WEKO v. 2.11.2009 – 22-0326, RPW 2010/4, 649 – Hors-Liste Medikamente ............................................................................267, 298–300 WEKO v. 30.11.2009 – 22-0349, RPW 2010/1, 65 – Gaba ............................................ 277 WEKO v. 18.10.2010 – 22-0358, RPW 2010, 717 – Baubeschläge ............................... 272 WEKO, RPW 2011/3, 364 – Festool ................................................................... 267, 299 f. WEKO v. 11.7.2011 – RPW 2011/3, 372 – Behinderung des Online-Handels (Electrolux AG) ................................................. 267 f. WEKO v. 15.8.2012 – RPW 2012/3, 476 – Electrovelos Flyer ...................................... 299 WEKO v. 20.8.2012 – 22-0399, RPW 2013/1, 3 – Altimum SA (ehem. Roger Guenat SA) .............................................................. 268, 271 WEKO v. 21.10.2013 – 22-0417, RPW 2014/1, 184 – Kosmetikprodukte (Dermalogica) ............................................................................. 272

382

Entscheidungsverzeichnis

Ungarn GVH v. 23.1.2014 – Vj-115/2010/260 (Dental Handpieces) ........................................... 246

Vereinigte Staaten von Amerika Supreme Court Addyston Pipe & Steel Co. v. United States, 175 U.S. 211 (1899) .................................. 159 Albrecht v. Herald Co., 390 U.S. 145 (1968) .......................................... 161, 179, 182, 302 American Needle, Inc. v. National Football League, 560 U.S. 183 (2010) ................................................................................................ 213, 215, 294, 342 Anderson v. United States, 171 U.S. 604 (1898) ............................................................. 159 Angle v. Chicago, St. Paul, Minneapolis & Omaha Railway Co., 151 U.S. 1 (1894) .................................................................................................... 168 Appalachian Coals, Inc. v. United States, 288 U.S. 344 (1933) ........................................ 11 Arizona v. Maricopa County Med. Soc’y, 457 U.S. 332 (1982)............................... 160, 188 Atlantic Richfield Co. v. USA Petroleum Co., 495 U.S. 328 (1990) ................................ 302 Bell Atlantic Corp. v. Twombly, 550 U.S. 544 (2007) ...................................... 188, 190, 193 Bitterman v. Louisville & Nashville Railroad Co., 207 U.S. 205 (1907) ......................... 168 Bobbs-Merrill Co. v. Straus, 210 U.S. 339 (1908) ........................................... 167, 285, 329 Broadcast Music, Inc. v. Columbia Broadcasting System (BMI), 441 U.S. 1 (1979) ............................................................................................. 164, 188 Brooke Group Ltd. v. Brown &Williamson Tobacco, 509 U.S. 209 (1993) ................................................................................................. 307 Business Electronics Corp. v. Sharp Electronics Corp., 485 U.S. 717 (1988) ................................................................... 13, 56, 180 f., 183, 286 California Dental Association v. FTC, 526 U.S. 756 (1999) ............ 140, 166, 173, 189, 197 California v. ARC America Corp., 490 U.S. 93, 102 (1989) ........................................... 201 Chicago Board of Trade v. United States, 246 U.S. 231 (1918) ................... 159, 160, 162 f. Continental TV, Inc. v. GTE Sylvania, Inc., 433 U.S. 36 (1977) ...............................................................................13, 55, 99, 120, 162, 180, 184 Copperweld Corp. v. Independence Tube Corp., 467 U.S. 752 (1984) ............. 138, 163, 294 Credit Suisse v. Billing, 551 U.S. 264 (2007) ................................................................. 188 Dr. Miles Medical Co. v. John D. Park & Sons Co., 220 U.S. 373 (1911) ........................................................................ 2, 81, 160, 166–171 F. Hoffmann-LaRoche Ltd. v. Empagran S. A., 542 U.S. 155 (2004) .............................. 200 Frey & Sons, Inc. v. Cudahy Packing Co., 256 U.S. 208 (1921) ..................................... 294 FTC v. Actavis, Inc., 570 U.S. ___, 133 S. Ct. 2223 (2013) ............................................ 192 FTC v. Ind. Fed’n of Dentists, 467 U.S. 447 (1986) ....................................................... 166 Kiefer-Stewart Co. v. Joseph E. Seagram & Sons, Inc., 340 U.S. 211 (1951) ......................................................................................... 182, 302 Klor’s, Inc. v. Broadway-Hale Stores, 359 U.S. 207 (1959) ........................................... 161 Leegin Creative Leather Products, Inc. v. PSKS, Inc., 551 U.S. 877 (2007) ............2, 4, 13, 32, 43, 55, 59, 68, 81, 94, 120, 132, 140, 182–185, 186 f., 189, 195, 205, 208, 213–215 Mandeville Island Farms, Inc. v. American Chrystal Sugar Co., 334 U.S. 219 (1948) ................................................................................................. 200 Massachusetts Board of Registration in Optometry, 110 F.T.C. 549 (1988) ....................................................................................................................... 166

Entscheidungsverzeichnis

383

McLain v. Real Estate Board of New Orleans, Inc., 444 U.S. 232 (1980) ................................................................................................. 200 Monsanto Co. v. Spray-Rite Service Corp., 465 U.S. 752 (1984) ................. 180 f., 215, 293 National Society of Professional Engineers v. United States, 435 U.S. 679 (1978) ........................................................................................................ 161, 164 NCAA v. Board of Regents, 468 U.S. 85 (1984)........................................... 164 f., 188, 214 Northern Pacific Railway Company v. United States, 356 U.S. 1, 5 (1958) .................................................................................................... 160 f., 178, 180 Old Dearborn Distributing Co. v. Seagram-Distillers Corp., 299 U.S. 183 (1936) ................................................................................................................ 176 Railroad Comm’n of Tex. v. Pullman Co., 312 U.S. 496 (1941) ..................................... 207 Schwegmann Bros. v. Calvert Distillers Corp., 341 U.S. 384 (1951) .............................. 177 Simpson v. Union Oil Co. of California, 377 U.S. 13 (1964) .......................................... 192 Standard Fashion Co. v. Magrane-Houston Co., 258 U.S. 346 (1922) ............................. 92 Standard Oil Co. of N.J. v. United States, 221 U.S. 1 (1911) ....................................... 159 f. State Oil Co. v. Khan, 522 U.S. 3 (1997)......................................................... 179, 182, 302 Summit Health, Ltd. v. Pinhas, 500 U.S. 322 (1991) ...................................................... 200 The Pep Boys, Manny, Moe and Jack of California, Inc. v. Pyroil Sales Co., Inc., 299 U.S. 198 (1936) .................................................................................. 176 U.S. v. Renault, Inc., 1962 Trade Cases (CCH) 70, 386 (p. 76, 590) ................................. 85 U.S. v. Volkswagen of America, Inc., 1962 Trade Cases (CCG) 70, 256 (p. 76, 006) ................................................................................................................. 85 United States v. A. Schrader’s Son, Inc., 252 U.S. 85 (1920) .......................................... 173 United States v. American Tobacco Co., 221 U.S. 106 (1911) ........................................ 159 United States v. Arnold, Schwinn & Co., 388 U.S. 365 (1967) ............................... 161, 178 United States v. Colgate & Co., 250 U.S. 300 (1919). .................................................... 172 United States v. General Electric Co., 272 U.S. 476 (1926) ..................................... 84, 284 United States v. Joint Traffic Ass’n, 171 U.S. 505 (1898) ............................................... 159 United States v. Parke, Davis & Co., 362 U.S. 29 (1960) ....................................... 173, 294 United States v. Sealy, Inc., 388 U.S. 350 (1967) ........................................................... 161 United States v. Socony-Vacuum Oil Co., 310 U.S. 150 (1940) .............................. 114, 161 United States v. South-Eastern Underwriters Ass’n, 322 U.S. 533 (1944) ....................................................................................................................... 200 United States v. Topco Assocs., Inc., 405 U.S. 596 (1972) ................................... 161 f., 179 United States v. Trans-Missouri Freight Ass’n, 166 U.S. 290 (1897).............................. 158 United States v. Trenton Potteries Co., 273 U.S. 392 (1927) ........................... 161, 166, 173 Weyerhaeuser Company v. Ross-Simmons Hardwood Lumber Company, 549 U.S. 312 (2007) ............................................................................................ 188 White Motor Company v. United States, 372 U.S. 253 (1963) ........................................ 178 United States Courts of Appeals 49er Chevrolet, Inc. v. General Motors Corp., 803 F.2d 1463 (9th Cir. 1986), U.S. Court of Appeals for the Ninth Circuit ................................................... 166 E.I. Du Pont De Nemours & Co. v. FTC (Ethyl), 729 F.2d 128 (2d Cir. 1984), U.S. Court of Appeals for the Second Circuit ................................................. 307 Edison Phonograph Co. v. Kaufmann, 105 F. 960 (C.C.W.D. Pa. 1901), U.S. Circuit Court for the Western District of Pennsylvania ........................... 167

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Entscheidungsverzeichnis

Edison Phonograph Co. v. Pike, 116 F. 863 (C.C.D. Mass. 1902), U.S. Circuit Court for the District of Massachusetts .................................................. 167 Gatt Commc’ns, Inc., v PMC Associates, L.L.C., 711 F.3d, 68, 75 (2nd Cir. 2013), U.S. Court of Appeals for the Second Circuit .......................................... 208 GTE Sylvania, Inc., v. Continental T.V., Inc., 537 F.2d 980 (9th Cir. 1976), U.S. Court of Appeals for the Ninth Circuit ................................................... 179 Hairston v. Pac. 10 Conference, 101 F.3d 1315, 1319 (9th Cir. 1996), U.S. Court of Appeals for the Ninth Circuit .............................................................. 163 Hammes v. AAMCO Transmissions, Inc., 33 F.3d 774 (7th Cir. 1994), U.S. Court of Appeals for the Seventh Circuit ........................................................... 200 Illinois Corporate Travel, Inc. v. American Airlines Inc. and IVI Travel, Inc., 889 F.2d. 751 (7th Cir. 1989), U.S. Court of Appeals for the Seventh Circuit ..................................................................................................... 42 Jacobs v. Tempur-Pedic Int’l., 626 F.3d 1327 (11th Cir. 2010), U.S. Court of Appeals for the Eleventh Circuit ......................................................... 193 John D. Park & Sons Co. v. Hartman, 153 F. 24 (6th Cir. 1907), U.S. Court of Appeals for the Sixth Circuit ............................................................... 167 Lake Hill Motors, Inc. v. Jim Bennett Yacht Sales, Inc., 246 F.3d 752 (5th Cir. 2001), U.S. Court of Appeals for the Fifth Circuit....................................... 320 Levine v. Central Fla. Med. Affiliates, Inc., 72 F.3d 1538, 1553, 1555 (11th Cir. 1996), U.S. Court of Appeals for the Eleventh Circuit............................... 165 Lie v. St. Joseph Hospital, 964 F.2d 567, 569 (6th Cir. 1992), U.S. Court of Appeals for the Sixth Circuit ............................................................... 165 McWane, Inc. v. FTC, No. 14-11363 (11th Cir. Apr. 15, 2015), U.S. Court of Appeals for the Eleventh Circuit ................................................................. 197 Nissan Antitrust Litig., 577 F.2d 910, 915-17 (5th Cir. 1978), U.S. Court of Appeals for the Fifth Circuit ....................................................................... 320 Ocean State Physicians Health Plan, Inc. v. Blue Cross & Blue Shield of R.I., 883 F.2d 1101 (1st Cir. 1989), U.S. Court of Appeals for the First Circuit .............................................................................................................. 114 Polygram Holdings, Inc. v. FTC, 416 F.3d 29 (D.C. Cir. 2005), U.S. Court of Appeals for the District of Columbia Circuit ............................... 195, 198 PSKS, Inc. v. Leegin Creative Leather Products, Inc., 171 Fed.Appx. 464 (5th Cir. 2006), U.S. Court of Appeals for the Fifth Circuit ................................ 183 PSKS, Inc. v. Leegin Creative Leather Products, Inc., No. 09-40506 (5th Cir. August 17, 2010), U.S. Court of Appeals for the Fifth Circuit ........................................................................................................................... 203 PSKS, Inc. v. Leegin Creative Leather Products,Inc., 498 F.3d 486 (5th Cir. 2007), U.S. Court of Appeals for the Fifth Circuit ....................................... 203 Rupp & W. Co. v. Elliott, 131 F. 73 (6th Cir. 1904), U.S. Court of Appeals for the Sixth Circuit .................................................................................... 167 State of New York v. Actavis PLC et. al., Case 14-4624, No. 354 (2d. Cir. 2015), U.S. Court of Appeals for the Second Circuit .......................................... 208 Total Benefits Planning Agency, Inc. v. Anthem Blue Cross & Blue Shield, No. 07-4115 (6th Cir. 2008), U.S. Court of Appeals for the Sixth Circuit ............................................................................................................. 286 United States v. Addyston Pipe & Steel Co., 85 F. 271 (6th Cir. 1898), U.S. Court of Appeals for the Sixth Circuit ............................................................... 159

Entscheidungsverzeichnis

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United States v. Apple Inc., No.13-3741 (2d Cir. June 30, 2015), U.S. Court of Appeals for the Second Circuit ........................................................... 285, 318 United States v. Nippon Paper Indus. Co., 109 F.3d 1 (1st Cir. 1997), U.S. Court of Appeals for the First Circuit ................................................................ 200 United States v. Visa U.S.A., Inc., 344 F.3d 229 (2nd Cir. 2003), U.S. Court of Appeals for the Second Circuit ................................................................... 162 Valuepest.com of Charlotte, Inc. v. Bayer Corp., 561 F.3d 282 (4th Cir. 2009), U.S. Court of Appeals for the Fourth Circuit ........................................... 284 Virgin Atl. Airways Ltd. v. British Airways PLC, 257 F.3d 256, 264 (2d Cir. 2001), U.S. Court of Appeals for the Second Circuit .......................................... 163 United States District Courts Alan Darush MD APC v. Revision LP, No. 12-cv-10296, 2013 WL 1749539 (C.D. Cal. Apr. 10, 2013), U.S. District Court for the Central District of California .......................................................................................... 210 Alan Darush MD APC v. Revision LP, No. 12-cv-10296 (C.D. Cal. July 16, 2013), U.S. District Court for the Central District of California ........................................................................................................................ 210 American Airlines, Inc. v. Sabre, Inc., No. 4:11-cv-00244 (N.D. Tex. June 1, 2011), U.S. District Court for the Northern District of Texas ........................ 114 Blind Doctor, Inc. v. Hunter Douglas, Inc., 59 Fed. R. Serv. 3d (Callaghan) 635, 645 (N.D. Cal. 2004), U.S. District Court for the Northern District of California ........................................................................................ 320 f. Campbell v. Austin Air Systems, Ltd., 423 F. Supp. 2d 61 (W.D.N.Y. 2005), U.S. District Court for the Western District of New York............................ 321 f. Cranfill v. Scott & Fetzer Co., 773 F. Supp. 943 (E.D. Tex. 1991), U.S. District Court for the Eastern District of Texas ................................................. 321 In re Compact Disc Minimum Advertised Price Antitrust Litigation, 216 F.R.D. 197 (D. Me. 2003), U.S. District Court for the District of Maine ................................................................................................................... 320 McDonough v. Toys „R“ Us, Inc., et. al., Civ. No. 06-0242 (E.D. Pa. July 15, 2009), U.S. District Court for the Eastern District of Pennsylvania ............................................................................................................ 196, 199 New York et al. v. Herman Miller, Inc., No. 08-2977 (S.D.N.Y. Mar. 21, 2008), U.S. District Court for the Southern District of New York ......................................................................................................................... 203 New York et al. v. Herman Miller, Inc., No. 08-cv-2977 (S.D.N.Y. Mar. 21, 2008) (complaint), U.S. District Court for the Southern District of New York ................................................................................................ 206 New York v. Herman Miller, Inc., No. 08-cv-2977 (S.D.N.Y. Mar. 25, 2008) (consent decree), U.S. District Court for the Southern District of New York ..................................................................................................... 206 O. S. C. Corp. v. Apple Computer, Inc., 601 F. Supp. 1274 (C. D. Cal. 1985), U.S. District Court for the Central District of California .................................. 55 Pepsodent Co. v. Krauss Co., 56 F. Supp. 922 (E.D. La. 1944), U.S. District Court for the Eastern District of Louisiana ..................................................... 81

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Entscheidungsverzeichnis

PSKS, Inc. v. Leegin Creative Leather Products, Inc., No. 2:03-CV107, 2009 WL 938561 (E.D. Tex., April 6, 2009), U.S. District Court for the Eastern District of Texas ...................................................................... 203 Spahr v. Leegin Creative Leather Products, No. 07-CV-187, 2008 WL 3914461 (E.D. Tenn. Aug. 20, 2008), U.S. District Court for the Eastern District of Tennessee .................................................................................... 203 The People of The State of New York v. Actavis PLC et al, No. 1:2014cv07473 - Document 80 (S.D.N.Y. 2014), U.S. District Court for the Southern District of New York............................................................. 208 Turik v. Expedia, Inc., No. 3:12-cv-04365 (N.D. Cal. Aug. 20, 2012), U.S. District Court for the Northern District of California ......................................... 114 United States v. American Express Co., No. 1:10-cv-4496 (E.D.N.Y. Dec. 21, 2010), U.S. District Court for the Eastern District of New York ......................................................................................................................... 114 United States v. Apple Inc., et al., 12 Civ. 2862 (DLC) (S.D.N.Y. 2013), U.S. District Court for the Southern District of New York ...... 105, 114, 285, 318 United States v. Delta Dental of R.I., 943 F. Supp. 172 (D.R.I. 1996), U.S. District Court for the District of Rhode Island ................................................... 114 United States v. Gen. Elec. Co., No. 28228, 1977 WL 1474 (E.D. Pa. Sept., 16 1977), U.S. District Court for the Eastern District of Pennsylvania ............................................................................................................ 114 United States v. General Electric Co., 358 F. Supp. 731 (S.D.N.Y. 1973), U.S. District Court for the Southern District of New York ............................... 84 United States v. General Electric Co., 82 F. Supp. 753 (D.N.J. 1949), U.S. District Court for the District of New Jersey ....................................................... 84 WorldHomeCenter.com, Inc. v. Franke Consumer Products, Inc., 2011 WL 2565284 (S.D.N.Y. 2011), U.S. District Court for the Southern District of New York ........................................................................................ 207, 322 Worldhomecenter.com, Inc. v. KWC America, Inc., 2011 WL 4352390 (S.D.N.Y. 2011), U.S. District Court for the Southern District of New York ......................................................................................................... 207, 322 Worldhomecenter.com, Inc. v. L.D. Kichler Co., 2007 WL 963206 (E.D.N.Y. 2007), U.S. District Court for the Eastern District of New York ......................................................................................................... 207, 322 Worldhomecenter.com, Inc. v. PLC Lighting, Inc., 851 F. Supp. 2nd 494 (S.D.N.Y. 2011), U.S. District Court for the Southern District of New York ............................................................................................................. 207 WorldHomeCenter.com, Inc. v. Thermasol, Ltd., 2006 WL 1896344 (E.D.N.Y. 2006), U.S. District Court for the Eastern District of New York ................................................................................................................. 322 State Courts of California Alsheik v. Superior Court, No. B249822, 2013 WL 5530508 (Cal. App. 2 Dist. Oct. 7, 2013), California Court of Appeal for the Second District ............................................................................................................... 210 Aryeh v. Canon Business Solutions, 55 Cal. 4th 1185, 1195 (Cal. 2013), Supreme Court of the State of California........................................................ 211

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Asahi Kasei Pharma Corp. v. CoTherix, Inc., 138 Cal. Rptr. 3d 620, 626 (Cal. Ct. App. 2012), California Court of Appeal ............................................... 209 Chavez v. Whirlpool Corp., 113 Cal. Rptr. 2d 175, 179-80 (Cal. Ct. App. 2001), California Court of Appeal ................................................................. 209 f. Chicago Title Ins. Co. v. Great Western Financial Corp., 69 Cal. 2d 305 (Cal. 1968), Supreme Court of the State of California ........................................ 210 Clayworth v. Pfizer, Inc., 49 Cal. 4th 758, 233, P.3d 1066, 111 Cal. Rptr. 3d 666 (Cal. 2010), Supreme Court of the State of California ........................... 209 G.H.I.I. v. MTS, Inc., 147 Cal. App. 3d 256, 265 (Cal. App. 1st Dist. 1983), California Court of Appeal for the First District ............................................. 211 Harris v. Capitol Records Distrib. Corp., 64 Cal.2d 454, 413 P.2d 139, 145 (Cal. 1966), Supreme Court of the State of California ........................................ 209 Kaewsawang v. Sara Lee Fresh, Inc., No. BC360109 (Cal. Los Angeles Superior Ct. May 6, 2013), Superior Court of California, County of Los Angeles ............................................................................................. 211 Kunert v. Mission Financial Services Corp., 110 Cal. App. 4th 242 (2003), California Court of Appeal ........................................................................... 211 Mailand v. Burckle, 20 Cal 3d 367, 572 P.2nd 1142 (Cal. 1978), Supreme Court of the State of California ................................................................... 209 f. Morrison v. Viacom, Inc., 66 Cal. App. 4th 534, 541 (1998) (Cal. App. 1st Dist 1998), California Court of Appeal for the First District ................................ 211 People v. Bioelements Inc., File No. 10011659 (Cal. Super. Ct. Riverside County, Dec. 30, 2010), Superior Court of California, County of Riverside .............................................................................................................. 209 People v. Dermaquest, Inc., Case No. RG 1049756 (Cal. Super. Ct. Alameda County Feb. 23, 2010), Superior Court of California, County of Alameda ................. 209 State of California ex rel. Van de Kamp v. Texaco, Inc., 46 Cal. 3d 1147, 1165 (1988), Supreme Court of the State of California .................................... 209 State Courts of Connecticut Navien America, Inc. v. Allen, 2011 WL 3925729 (Conn. Super. Ct. Aug. 1 2011), Superior Court of Connecticut ............................................................ 203 State Courts of Illinois Gilbert’s Ethan Allen Gallery v. Ethan Allen, Inc., 162 Ill 2d 99, 642 N.E.2d 470 (1994), Supreme Court of Illinois ........................................................... 200 Gilbert’s Ethan Allen Gallery v. Ethan Allen, Inc., 251 Ill. App.3d 17, 620 N.E.2d 1349, 1356 (Ill. App. Ct. 1993), Appellate Court of Illinois ........................... 200 State Courts of Kansas O’Brien v. Leegin Creative Leather Products, Inc., 294 Kan. 318 (Kan. Sup. Ct. 2012), Supreme Court of the State of Kansas ..................................... 204 O’Brien v. Leegin Creative Leather Products, Inc., No 04-CV-1668 (8th Jud. Dist., Sedgwick Cty., Kan. July 9, 2008), Sedgwick County District Court ........................................................................................................ 203

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State Courts of New York Global Reinsurance Corp. v. Equitas Ltd., No 600815-2007, 2008 WL 2676805 (N.Y. Sup. Ct., N.Y. Cty. July 3, 2008), Supreme Court of the State of New York .............................................................................................. 201 People v. Tempur-Pedic International, Inc., No. 0400837 (N.Y. Sup. Ct., N.Y. Cty. Mar. 29, 2010), Supreme Court of the State of New York ......................... 206 People v. Tempur-Pedic International, Inc., No. 400837/10 (N.Y. Sup. Ct., N.Y. Cty., Jan. 14, 2011), Supreme Court of the State of New York ......................... 206 People v. Tempur-Pedic International, Inc., 95 A.D. 3d 539 (N.Y. App. Div. 2012), Supreme Court of the State of New York Appellate Division ............................................................................................................. 206 Federal Trade Commission In re Nine West Group Inc., No. C-3937, 2008 WL 2061410 (F.T.C. May, 6, 2008), FTC Decision ........................................................................... 194–196 In re Sony Music Entertainment, Inc., No. C-3971, 2000 WL 1257796 (F.T.C. Aug. 30, 2000), FTC Decision ...................................................................... 321 In the Matter of McWane, Inc., and Star Pipe Products, Ltd., No. 9351, FTC Decision .................................................................................................. 196

Vereinigtes Königreich OFT v. 1.8.2003 – CA 98/06/2003, Case CP/0871/01 – Football shirts .............................. 3 OFT v. 7.12.2007 – CA98/03/2011, Case CE/3094-03 – Dairy processors .......................................................................................................... 3 OFT v. 15.4.2010 – CA98/01/2010, Case CE/2596-03 – Tobacco ...................................... 3 OFT v. 31.1.2014 – Case CE/9320/10, OFT1514dec – Hotel online booking ................................................................................................ 318

Sachverzeichnis

Sachverzeichnis Sachverzeichnis Abrede (Schweiz) s. Vereinbarung Abschottung s. Marktabschottung Across Platform Parity Agreement (APPA) s. Preisparitätsklausel Actavis-Entscheidung 192–199, 213–214 agreement element s. Vereinbarung Aggregator 45, s.a. Internet, Vergleichsportal Alan Darush/Lovely Skin Inc.-Entscheidung 210–211 Almased-Entscheidung 252 (in der Fußnote), 261 Alternativstrategie 163, 196, 283–285 – Geschäftsmodell 283–285 – less restrictive alternative 163, 196 Altimum SA-Entscheidung 154, 268–271, 274, s.a. Erheblichkeit Amazon.com 104, 308, 312, 329 American Needle-Entscheidung 213–215, 294, 342 Anreizproblem 26, 40–41, 57–72 anti-kompetitive Wirkung 79–86, 88–97, 101–109, 124–125, 145–146, 185 – Empirie 106–109 – Innovation 103–105 – Interlocking Relationships 101–103 – Kartell 79–86 – Marktabschottung 88–94 – Preissteigerung 94–97, 102, 105, 107, 145–146, 185, 267 Antitrust Law 157, s. Antitrustrecht Antitrustrecht 136–141, 156–166, 173– 175, 200–216, 257, 283–286, 286–287, 293–295, 307–308, 320–322, 342, 350 – agreement element 173, 174, 257, 283– 286, 294 – Bundesrecht 138–143, 156–166, 200– 205 – Bundesstaatenrecht 200–216

– Kalifornien 209–212 – New York 205–208, 212–213 – Handelsvertretung 283–285 – Hierarchieverhältnis 200 – Höchstpreisbindung 302–303 – horizontale Vereinbarung 285–286 – Most Favoured Nation Clause 307–308, s. Meistbegünstigungsklausel – Preisempfehlung 173–175, 293–295, 342, 350 – Werbepreise 320–322 antitrust standing 138, 186, 203 Anwendungsvorrang 5, 146, 201 Apple eBooks-Entscheidung 113, 285, 318, 329 ARC-America-Entscheidung 201 Arnold, Schwinn & Co.-Entscheidung 161, 178, 179 Aufgreifschwelle 230, 240–241, 299, s.a. Bagatellfall Außenwettbewerb 14, 86, 269–271 – ökonomische Sicht 14, 86 – Vermutungswiderlegung (Schweiz) 269–271 autonomer Nachvollzug 133, 135, 148, 282 Bagatellfall 219, 227–231, s.a. Erheblichkeit, s.a. Spürbarkeit Bagatellbekanntmachung 228–231, 252– 253, 272, 306, 317–318 – Bundeskartellamt 252–253, 306, 323 – Kommission 228–231, 306, 317–318 – Vertikalbekanntmachung Wettbewerbskommission 272 Baubeschläge-Entscheidungen 272, 273– 274 Befolgungsgrad von Preisempfehlungen 272, 291, 297–299 Belgische Presse/AMP-Entscheidung 238

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Beratung 27–29, 41–57, 97–99, 120, 270, 325, s.a. Service-Argument – Buchhandel 325 – Innenwettbewerb (Schweiz) 269 – -squalität 61, 97–99 – Selektiver Vertrieb 120 – Service-Argument 97–99 – Trittbrettfahren 27–29, 41–57 Beseitigung wirksamen Wettbewerbs s. Wettbewerbsbeseitigung Beschränkung des Wettbewerbs s. Wettbewerbsbeschränkung Bestpreisgarantie 305, 314 Bestpreisklausel 247, 308–320 Beurteilungskontinuum 140–141, 182, 189, 192, 226, 347 Beweislast 130, 165, 182, 186, 195, 197, 198, 214, 220, 223,232, 236–237, 240, 249, 274, 280–281, 341–343, 345, 348, 350, s.a. Vermutung – bezweckte Wettbewerbsbeschränkung 220, 223, 249 – Kernbeschränkung 232, 236–237, 240, 249, 274, 280–281 – per se-Verstoß 182 – Rechtsvergleich 345, 350 – rule of reason 165, 186, 341–343 – inherently suspect approach 195, 197, 198, 214 – für den Verwender 348 bewirkte Wettbewerbsbeschränkung s. Wettbewerbsbeschränkung, bewirkte bezweckte Wettbewerbsbeschränkung s. Wettbewerbsbeschränkung, bezweckte Binnenmarkt 141, 149, 218–219, 242, 343 Bioelements-Entscheidung 209 Bobbs-Merryl-Entscheidung 285, 329 Bonus 267, 332, s.a. Buchpreisbindung Booking.com-Entscheidung 308–310, 312, 315, 318–319 Börsenverein des deutschen Buchhandels 324–325, 329, 332 Börsenverein-Entscheidung (Schweiz) 338–339 brick-and-mortar store s. Stationärhandel Buch s. Buchpreisbindung Buchpreisbindung 81, 104, 324–333, 337, 338–340, 342–345

– Deutschland Buchpreisbindungsgesetz 324–332 – E-Books 327–330 – Frankreich 326, 328 – Großbritannien 326 – Gutschein 329, 331–332, – Kulturgut 325, 337 – Libro-Entscheidung 327 – Sammelrevers 334, 338 – Sammelrevers-Entscheidung 276, 325, 338–340 – Schweden 326 – Schweiz 338–340 – USA 329 Bundeskartellamt (BKartA) 252–256, 258–260, 262–263, 269 Bundesstaaten 106, 127, 175–177, 190, 200–216, 341 Business Electronics-Entscheidung 180– 181, 192 Cartwright Act 209–212 Ciba Vision-Entscheidung 253, 258–260, 296 Chicago Board of Trade-Entscheidung, 160–163, 275 Chicago School of Economics 12–14 class action 137, 196 Colgate-Entscheidung 159, 172–174, 177, 179, 181, 189, 206, 209–211, 213–215, 231, 257, 293–295, 321, 322, 341–342, 350 – Berücksichtigung in New York 206 – Berücksichtigung in Kalifornien 209– 211 Colgate-Politik 215, 294 common law 139–140, 157, 168–169, 174 Consten und Grundig-Entscheidung 219, 270 consumer choice 21 consumer welfare s. Konsumentenwohlfahrt Convenience 52, 63, 64, 67 – -kunde 52 – -produkt 63, 64, 67 dead weight loss s. Wohlfahrtsverlust Dekartellierungsgesetz 145 Department of Justice (DoJ) 137

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DermaQuest-Entscheidung 209 Dienstleistung von allg. wirtschaftl. Interesse 337–338 Donnelly Act 201, 206, 207 doppelter Preisaufschlag s. Marge, doppelte Margenbildung double marginalization s. Marge, doppelte Margenbildung Dr. Miles-Entscheidung 2, 81, 156, 160– 162, 167–174, 177–182, 188–189, 192, 213, 294, 302 – Ratio 168–170 – Relativierung durch spätere Rechtsprechung 179–182, 188 – Sachverhalt 167–168 Drohung 40, 59, 210, 268, 295 Druckmittel 218 Druckverbot 256–261, 295–296 Durchsetzung des Preisbindungsverbotes s. Preisbindungsverbot, Rechtsdurchsetzung

– Mitgliedstaat 30, 33, 133, 135, 141, 147–148, 239, 245, 246–248, 292, 309, 318–319, 351 – offene Wirtschaftsordnung 141 – Preisbindungsbeurteilung 2, 5, 217–250 – wirtschaftliche Integration der Schweiz 147–149 EU-Mitgliedstaat s. EU Europakompatibilität 148, 272–275, 281– 282 – Erheblichkeit Schweiz 272–275 Europarechtskonformität 251–253, 282, 327, 335 – Buchpreisbindung 324, 327 – Druckverbot 251–252 – Preisbindung Presseerzeugnisse 335 – Spürbarkeit Deutschland 252–253 Exklusivität 72, 77–78, 88–94, s. Marktabschottung Expedia-Entscheidung 228, 230, 241, 252–253, 271–273, 317

E-Book 324, 327–332, s.a. Buchpreisbindung E-Commerce 32–33, 43–53 effect based approach 143, 222–223 Effizienz 4, 16–22, 123, 27, 128, 263, 265, 277–279, 281–283, 347 einseitiges Verhalten 192, 210, 251–252, 255, 257–259, 268–269, 323 – Lieferstopp 210, 268–269, 323 Einzelfreistellung 232–239, 314–316, s.a. Rechtfertigung der Preisbindung Elektronikartikel 103 empfohlener Preis s. Preisempfehlung Empirie 105–109 Enforcement, s. Preisbindungsverbot, Rechtsdurchsetzung Erheblichkeit 154, 271–275, 280, 282, 300, 350 – Preisempfehlung in der Schweiz 300 – Rechtsnatur 154, 271–275, s.a. Bagatellfall Erlaubnisvorbehalt 128, 151, 220 s.a. Rechtfertigung der Preisbindung EU 2, 5, 30, 33, 133, 135, 141–143, 147– 149, 217–250, 292, 309, 318–319, 351

Fair-Trade-Ära 42, 81, 85, 94, 175–177, 185, 215, 293 false positive s. Fehlertyp false negative s. Fehlertyp Fast Moving Consumer Good s. Schnelldreher Fehleinschätzung 185, 230, 348, s.a. Fehlentscheidung, unternehmerische Fehlentscheidung, unternehmerische 7, 127, 132, 185, 230, 348, s. Fehleinschätzung Fehlertyp 7 Festpreisbindung 8, 109, 128, 156, 249 form based approach 4, 132, 143, 256 formaljuristischer Ansatz s. form based approach Frankreich 3, 94–95, 246, 262, 319, 326, 328 Free-Rider-Erklärung 31, s. Trittbrettfahren Freistellung s. Einzelfreistellung funktionales Äquivalent 226 Gaba/WEKO-Entscheidung 272, 273, 274, 277, 282, 286, 300 Gebietsabrede s. Gebietsbeschränkung

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Sachverzeichnis

Gebietsaufteilung s. Gebietsbeschränkung Gebietsbeschränkung 120, 152, 164, 178– 180, 219, 239, 272, 278–282, 343–344, 350 General Electric-Entscheidungen 81, 84, 192 geografischer Markt 35–36 Gesamtwohlfahrtsstandard 20–22, s.a. Konsumentenwohlfahrt Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) 74, 144 Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) 143, 251–253, 256–259, 269, 296, 324, 333–338 – § 1 GWB 251 – § 21 GWB 251–253, 256–259, 269, 296, s.a. Druckverbot – § 30 GWB 324, 333–338 Gewinnmarge 95–97, s. Marge Gleichgewichtstheorie 16, 18–20 – Konkurrenzmarkt 18–19 – Monopolmarkt 19-20 Grossist s. Presse-Grosso Gruppenfreistellung s. Gruppenfreistellungsverordnung Gruppenfreistellungverordnung 221–223, 232, 236, 242, 243, 245, 306, 313, 316– 317, 336 Gutschein 329, 331–332, s.a. Buchpreisbindung Handelsvertreter 87, 166, 283–285, 336 – Intermediär 87, 166 – -privileg 336 Händler 58–62, 89–94 – -dienstleistung, Sicherung von 58–62 – -gunst 59, 89–94 Händlermarge s. Marge Handreichung 255 Harmonisierung 146–147, 201, 204, 340 – Bundesstaatenrecht USA 201, 204 – deutsches GWB 146–147 – Vertikalkartellrecht USA 340 Harvard School of Economics 14 Herstellermarge 99, 101, s. Marge Hierarchieverhältnis 5, 146, 200–203 – Antitrustrecht USA 200–203 – Kalifornien u.a. 202 – New York 201

– Anwendungsvorrang (EU) 5, 146 Hochpreisinsel 147–149 Höchstpreisbindung 1, 9, 105, 109–110, 111, 130, 182, 213, 300–304 – Deutschland 303 – Grundsätzliches 1, 9 – Khan-Entscheidung 182, 213, 302 – Missbrauch 301–302 – ökonomische Sicht 109–111, 130 – Schweiz 303–304 – USA 302–303 Hoffmann-La Roche-Fall 152, 200 Hors-Liste-Entscheidung 267, 277, 298– 300 Hotelplattform 247, 313, s.a. Internet, Plattform HRS-Bestpreisklausel-Entscheidung 308– 320 Hub & Spoke-Kartell 114, 246, 285–286 hardcore restriction 143, 223, 231, s. Kernbeschränkung Ideologie, wettbewerbsrechtliche 11, 14 Image Theory 77 IMAP s. Internet Minimum Advertised Price Immanenztheorie 251 Indizienbeweis 268, 288, 290, 292, 293 Industrieökonomik 12 Informationsasymmetrie 36, 47, 210, 352 inframarginale Konsumenten 62 inherently suspect approach 195–199, 208, 214, 226, 232, 243, 284, 303, 342 – abstrakte Schädlichkeitsvermutung 208, 226, 342 – Beweislastverteilung 195, 197, 198, 214 injunctive relief s. Unterlassungsanspruch Innenwettbewerb 269 Innovation 103–104, 116, 234, 348 Integration, rechts- und wettbewerbspolitische 141, 148, 149, 154, 200, 221–222, 242, 328, 343, 344 – Binnenmarkt EU 141, 149, 218–219, 242, 343 – Priorisierung Preis-/Gebietswettbewerb 242, 343 – geografische Marktintegration 35–36, 328

Sachverzeichnis – Integrationsziel Schweiz 135, 148, 149, 154, 344 – Integrationsziel USA 200, 344 – interstate commerce 200, s.a. zwischenstaatlicher Handel integriertes Unternehmen s. vertikale Integration Interbrand-Wettbewerb s. markenexterner Wettbewerb Interessenasymmetrie 26, 40, 61, s.a. Anreizproblem Interlocking Relationship 101–103, 125, 233 Intermediär 87, s.a. Handelsvertreter Internet 34, 35–36, 43, 45–46, 47, 49–51, 53, 86–87, 94, 95, 103–105, 111–116, 129, 315, 319, 324, 328 – -handel 43 – -Informationsfunktion 34, 53 – Kaufvorbereitung 49–51 – Marktintegration 35–36, 328 – Netzwerkeffekt 94, 105, 115, 129, 315 – -Plattform 29, 87, 95, 103-105, 111116, 315, 319 – Booking.com-Entscheidung 319 – HRS-Bespreisklausel-Entscheidung 319 – -Preisgestaltung 86–87 – -Preisparitätsklauseln 105 – -Transaktionskosten 34–35, 46 – -Vertriebsgebiet 35 – -Vertriebsmodell 87,103–105 – -Vergleichsportal 36, 45–46, 47, 87 Internet Minimum Advertised Price (IMAP) 116, 215, 320, s.a. Werbepreis Intertype-Wettbewerb 52, 56 Intrabrand-Wettbewerb s. markeninterner Wettbewerb Italien 246–247, 319 Justiziabilität 132, 274 Kanada 63, 105, 199, 318 Kartellgesetz (KG, Schweiz) 150–155, 265–283 – Art. 5 Abs. 1 KG 265–267 – Art. 5 Abs. 4 KG 265–272, 275, 278 – Art. 6 KG 275, 276 – Art. 49a KG 265

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– Revision 270–281 Kartellstabilisierung 83, 85, 124, 184 Kaufentscheidung 27, 29, 44–45, 48 Kernbeschränkung 2, 142–143, 221, 231– 233, 236, 237, 241–246, 248–249, 310– 314 – alternative Beurteilung der Preisbindung 240 – Definition 142–143, 231–233 – Kritik 236, 241–246 – Subsumtion Preisparitätsklausel 310– 314 Khan-Entscheidung 182, 213, 302 Kollusion 79–87 – Händler 79–82 – Hersteller 83–86 Konkurrenz s. vollkommener Wettbewerb Konsument s. Kunde Konsumentenwohlfahrt 20–22, 95, 108– 109, 112, 143, 154 – Leitbild europäischer Wettbewerbspolitik 143 – Leitbild schweizerischer Wettbewerbspolitik 154 – negative Auswirkungen der Preisbindung 95, 108–109 – positive Auswirkungen der Preisbindung 112 – -sstandard 20–22 Kontaktlinsen s. Ciba Vision-Entscheidung Koordination 22, 23–25, 57–72, 80, 84, 86 – Kartellargument 79 – Kartells 84, 86 – vertragliche 23–25 – in der Vertriebskette 57–72 Koordinierung s. Koordination Kopplung s. relative Preisvereinbarung Kopplungsvertrag 139, 161 Kosten-Preis-Schere 109 Kulturgut 325, 337 s. Buchpreisbindung Kunde 31, 52, 61–64 – Convenience-Kunde 52 – Kundengewinnung 61–65 – Kundengruppe 31, 61–64 – inframarginal 62 – marginal 61–62, 64 – Multi-Channel-Kunde 52 Lagerhaltung 68–71

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Sachverzeichnis

Lebensmitteleinzelhandel 246, 254, 255– 256 Leegin s. Leegin-Entscheidung Leegin-Entscheidung 104, 106–107, 182– 184, 187–189, 203, 204, 212–216, 235– 237, 340–342 – empirische Erfahrungen 106–107 – Interpretation 187–189, 340–342 – Lieferstopp 182 – Mehrheitsentscheidung 188, 189 – Ratio 186–188 – -Repealer 104, 191, 204 – Sachverhalt 182–184 – Verfahren in den Bundesstaaten 203– 204 – Vergleich mit Vertikalleitlinien 235– 237 Leitlinien 217, 233–237, 272, 275–278, 291 – Vertikalbekanntmachung Schweiz 272, 275–278 – für vertikale Beschränkungen EU 233– 237 – Effizienzrechtfertigung Kernbeschränkung 233–235 – Preisempfehlung 291 – Vergleich mit Leegin-Entscheidung 235–237 less restrictive alternative 163, 196 Lieferant 8, 84, 142, 181, 257–259, 304, 306 – Druckausübung 142, 257–259 – Marktanteilsschwelle EU 142 – Meistbegünstigung zu Lasten des Lieferanten 304, 306 Lieferstopp 182, 268, s.a. einseitiges Verhalten Lobbyismus 82, 171, 175, 324, 330, 332, 339, 340 Lockvogelangebot 74–76 Loss-Leader-Strategy s. Lockvogelangebot Luxusprodukte 64, 77–78, 210 Manufacturer Suggested Retail (Resale) Price (MSRP) 9, 287, s. Preisempfehlung Marge 65–66, 83, 90. 95–99, 100–101, 124, 276, 303

– doppelte Margenbildung 65–66 124, 276, 303 – Händlermarge 30, 66, 83, 90, 98, 101 – Herstellermarge 90, 95–97, 99 101 – Margenbildung im Intra-/Interbrandwettbewerb 100–101 marginaler Konsument 61–62, 64 markenexterner Wettbewerb 79 markeninterner Wettbewerb 26 Markenpflege 73–78 Markenware 143–146, 175, 176, 261–262 Marketing 72–79 Marktabschottung 88–94, 115, 153, 351 Marktanteil 227–231, 240 – Schädlichkeitspotenzial 240, s.a. Spürbarkeit, Erheblichkeit, theory of harm Marktanteilsgrenze 314 Markteintritt, erleichterter 31, 41, 276 Markttranzparenz 36, 84 Marktverschließung s. Marktabschottung Marktzutritt 89, 91, 112, 115 Matratze 206–27, 254, 261, 352 – Metzeler Schaum-Entscheidung 254 – Recticel-Entscheidung 254, 257 – Tempur-Entscheidungen 206–207, 254 Maverick 82, 100 Maximalpreisbindung s. Höchstpreisbindung Mehrkanalhandel s. Multi-Channeling Meistbegünstigungsklausel (MBK) 9, 110–116, 305, 307–308, 310–313 – Definition 9, 110–111, 305 – ökonomische Sicht 112–116 – Schweiz 307 – USA 307–308 Menge, ausgebrachte 106, 107, 120 Miller-Tydings Act 176–177 Mindestpreisbindung 1, 8, 70, 98, 160 Minimum Advertised Price Policy (MAP) 9, 117, 207, s.a. Werbepreis Missbrauchsaufsicht 145, 146 Missbrauchsverbot 141, 143, 249–250, 301–302, 305 – Höchstpreisbindung 301–302 – Meistbegünstigung 305 Mitgliedstaat s. EU Monopol 19–20, 23, 65, 89–92 Monsanto-Entscheidung 180, 192, 213, 293

Sachverzeichnis more economic approach 4, 142–143, 352 Most Favoured Nation Clause s. Meistbegünstigungsklausel Motivation 126, s.a. Verhaltensökonomie Multi-Channelling (Mehrkanalhandel) 47– 53 Nachfrage 64, 66, 69, 70 – -schwankung 69 – -steigerung 64, 66 naked restraint 139 Nathan-Bricolux-Entscheidung 217, 239, 301 National Association of Retail Druggists (NARD) 81, 175 neoklassische Preistheorie 12, 16–18, 127 Netzwerkeffekt 94, 105, 115, 129, 315 New York 201, 205–208, 212–213, 321– 322 – Preisbindungsverbot 205–208, 212–213 – Umgehungsstrategien 321–322 – Verhältnis zu Bundesrecht 201 nichtpreisliche vertikale Beschränkung s. Wettbewerbsbeschränkung, vertikale Nine West-Entscheidung 194–196, 232 ökonomische Analyse 11 ökonomische Folgenbewertung 20–22 ökonomisches Verhaltensmodell s. Verhaltensmodell Online-Plattform s. Internetplattform Österreich 247, 262, 335, 336, 338 Outlet 67, 78, 122 Outlet-Hypothese 276 Output 107–109, 127, 164–165 overenforcement 7, s.a. Rechtsdurchsetzung passing-on defence 142 pay for delay 192 per se-Verbot 139–140, 340, 348 Pharmaceutical 209, 210–211, 252, 255, 261, 352 – Alan Darush/Lovely Skin Inc.-Entscheidung 210–211 – Almased-Entscheidung 252, 261 – Bioelements-Entscheidung 209 – DermaQuest-Entscheidung 209 – Sara Lee-Entscheidung 211

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– WALA Heilmittel-Entscheidung 210, 255 Plattformmarkt s. Internetplattform Portugal 246 Post Chicago School 14–15 Post-Leegin-Gesetzgebung 204 Preisabrede s. Preisbindung Preisabsprache s. Preisbindung Preisbindung 1, 9, 23, 25, 41, 79, 126, 145–146, 161, 186, 218, 246–247, 245, 252, 253–256, 268, 308, 311, 318, 319, 352 – durchlaufende 9 – Fallstudie 79, 245, 352 – gesetzliche s. Buchpreisbindung – indirekte 161, 218, 268, 311 – Kernbeschränkung 252 – Markenware 145–146 – Motivation 23, 25, 126 – Preisbindung zur Serviceimplementierung 41 – Rechtfertigung s. Rechtfertigung der Preisbindung – Verfahren 186, 246–247, 246, 247, 253–256, 308, 318, 319, 352 – Deutschland 253–256 – Frankreich 246 – Großbritannien 246, 308, 318, 319 – Italien 246–247, 319 – Kanada 318 – Österreich 247 – Portugal 246 Preisbindungsfreiheit 144, 175–177, 185, 215, 293, 333 – Fair-Trade-Ära 42, 81, 85, 94, 175–177, 185, 215, 293 – Zeitungen und Zeitschriften 333 Preisbindungspflicht 324, 329, s.a. Buchpreisbindung Preisbindungsverbot 5, 8, 70, 124, 128, 135, 137–138, 142, 161, 188, 201–202, 205–212, 215–216, 237–239, 245, 246– 249, 281, 309, 320, 340, 341, 345, 348, 349, 351, 352 – Liberalisierung 124, 128, 188, 215–216, 248–249, 281, 345, 352 – EU 248–249, 345, 352 – Leegin-Entscheidung 188 – Schweiz 281

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Sachverzeichnis

– USA Gesamtbetrachtung 215–216 – wettbewerbspolitische Implikation 124, 128 – Rechtsdurchsetzung 5, 8, 70, 135, 137– 138, 142, 161, 201–202, 205–212, 237– 239, 245, 246–247, 309, 320, 341, 349, 351 – EU 237–239, 320 – EU-Mitgliedsstaaten 3, 30, 245, 246– 247, 309, 320, 351 – private enforcement 138, 142, 161 – private Rechtsdurchsetzung 245 – US-Bundesstaaten 205–212 – USA 137–138, 201–202, 341 – Reformbedarf 5, 340, 348 – Umgehung s. Umgehungsstrategie; s.a. verwandte Vereinbarung Preisbrecher 83, 144, 181 Preisdifferenzierung 44, 64, 65, 68, 309– 310 Preisdiskriminierung 64, 136–137, 307 Preisdispersion 44, 111, s. Preisdifferenzierung Preisdisziplinierung 60 Preisempfehlung 9, 117–118, 287–300 – Abgrenzung einseitiges Verhalten 287– 288 – ökonomische Auswirkungen 117–118 – rechtliche Beurteilung 9, 268–269, 287–300 – Druckverbot 295–296 – europäische Rechtsprechung 288–293 – Manufacturer Suggested Resale Price 9, 287 – Schweiz 268–269, 296–300 – USA 293–295 Preisentwicklung, langfristige 94–96 Preiserhöhung 94–97, 102, 105, 107, 145– 146, 185, 267, 301, 342 Preisgarantie 115, 304–305, 314 Preisobergrenze s. Höchstpreisbindung Preisparitätsklausel 110–115, 308–320 – Kernbeschränkungscharakter 310–314 Preissenkung 28, 83, 113, 145–146, 260, 326 Preisschleuderer 144 Preissteigerung 94–97, 102, 105, 107, 145–146, 185, 267, 301, 342 Preistheorie 16–20 Preistreiber 87

Preisuntergrenze s. Mindestpreisbindung Preisvereinbarung s. Preisbindung Preisvergleich 34, 45–47, 84, 86–87 Preisverriss 75–76, 261 Preisvorgabe 1, s. Preisbindung Preiswerbung s. Werbepreis Presse-Grosso 238, 333–338 Presseerzeugnisse 333–338 Prestige 31, 39, 63, 78 price fixing 188, 202–203, 205, 210–211, 246 Price Relationship Agreement s. relative Preisvereinbarung private enforcement 138, 142, 161, s.a. Rechtsdurchsetzung private Preisbindung 23 pro-kompetitiv 26, 122–124 Produktberatung s. Beratung Produktverfügbarkeit 34, 68, 70–71 Provision 30, 114, 285, 308–309, 315, 329, 331 Qualität 31–32, 39–41, 47, 51, 60, 61, 74–77, 92, 93, 97–99 – Produktqualität 47, 51, 60, 74–77, 92 – Servicequalität 61, 93, 97–99 – -ssignal s. Qualitätszertifikation – -szertifikation 31–32, 39–41 quick look approach 163–166, 197–199 Rabatt 35, 95, 117, 137, 166, 192, 218– 220, 239, 266, 323, 326, 329, 331 – ökonomische Aspekte 35, 95, 117 – rechtliche Beurteilung 137, 166, 192, 218–220, 239, 266, 323, 326, 329, 331 – Antitrustrecht 137, 166, 192 – Buchpreisbindung 326, 329, 331 – Deutschland 323 – Europäisches Recht 218–220, 239 – Kartellrecht (Schweiz) 266 Rechtfertigung der Preisbindung 128–130, 151, 218, 220, 232–239, 314–316 – Erlaubnisvorbehalt 128, 151, 220 – Deutschland s. Einzelfreistellung – EU s. Einzelfreistellung – ökonomische 128–130 – rechtliche 232–239, 314–316 – Schweiz s. Vermutungswiderlegung – USA s. rule of reason

Sachverzeichnis Rechtsdurchsetzung 7, 30, 70, 137–138, 142, 161, 190, 204–205, 208–216, 237– 239, 245–247, 309, 320, 357 – EU 237–239, 320 – EU-Mitgliedsstaaten 30, 245, 246–247, 309, 320, 351 – overenforcement 7 – private 138, 142, 161, 245 – staatliche 245 – underenforcement 7, 190 – Unterlassungsanspruch 138 – US-Bundesstaaten 205–212 – USA 137–138, 201–202, 341 Recticel-Entscheidung s. Matratze Reform 5, 142, 182, 188, 281, 325, 340, 352 – der rule of reason 182, 188 – Kröner-Reform 325, s.a. Buchpreisbindung – Reformbedarf EU 340, 352 – USA 348 Regelbeispiel 220 Regelvermutung 179, 180, 181, 232 relative Preisvereinbarung 9, 110–116, 304–320, s.a. verwandte Vereinbarung Resale Price Maintenance (RPM) 2, 8–9 restraint of trade 138–140, 158, 204, 294 restriction by effect s. Wettbewerbsbeschränkung, bewirkte restriction by object s. Wettbewerbsbeschränkung, bezweckte reverse payment settlement 192 rule of reason 105–109, 141–142, 162– 166, 189, 194, 197–199, 214–215, 222, 251 – empirische Erfahrungen 105–109 – Preissteigerung 106 – ausgebrachte Menge 106, 107 – europäische rule of reason 222 – Fallstudie 105, 106 – Immanenztheorie (Deutschland) 251 – inherently suspect approach 197, 198, 199, 214 – Methodik 162–163 – Preisbindungsrechtfertigung 214–215 – quick look approach 163–166, 197–199 – structured rule of reason 194, 199 – truncated rule of reason 165, 189, 195, 197, 214

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SABA II-Entscheidung (Metro/Kommission) 238, 242 Sachprämie 331, s.a. Buchpreisbindung safe harbour 221, 230, 231, 245 sales agent 284, s.a. Handelsvertreter Sammelrevers s. Buchpreisbindung Sanktion, direkte (Schweiz) 265, 278, 283, 344 Sara Lee-Entscheidung 211 Schädlichkeitspotenzial 193, 196–197, 231, 230, 240, 243, 307, 345 – Marktanteil 230, 240, 243 – theory of harm 193, 196–197, 231, 307, 345 Schädlichkeitsvermutung, abstrakte 226, 283, 345, 346, 350, s.a. inherently suspect approach; s. Kernbeschränkung; s. bezweckte Beschränkung; s. Vermutung der Wettbewerbsbeseitigung – funktionales Äquivalent 226 Schnelldreher 76, 255 Schulbuch 330, 331, 334, s.a. Buchpreisbindung Schulförderverein-Entscheidung 329, 331, s.a. Buchpreisbindung Schweden 319, 326 selektiver Vertrieb 39, 54, 120–122, 349 Service 26–31, 42–48, 60, 61, 94, 97–99, s.a. Beratung – -qualität 61, 93, 97–99 – Service-Argument 26, 31, 47, 61, 97– 99 – Serviceimplementierung s. ServiceArgument – Service-Theorie s. Service-Argument – Trittbrettfahren 26–32, 41–57 Sherman Act 138, 157, 158–159 sliding scale 141, 192; s.a. Beurteilungskontinuum Sonderrabatt Schulbuch 331, s. Buchpreisbindung sorting mechanism s. Kundengruppe Spürbarkeit 227–229, 241, 252–253, s.a. Bagatellfall Stationärhandel 29, 34, 49–51, 63 – Kaufvorbereitung 49–51 – Umsatz 51 Sternvertrag 286 studibooks-Entscheidung 332

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Sachverzeichnis

Sylvania-Entscheidung 13, 99, 120, 162– 164, 179–181, 193–194, 196

UWG-Verstoß s. Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb

Tatbestandsreduktion s. Immanenztheorie, s. rule of reason Tempur-Entscheidungen s. Matratze Terminologie 1, 8 theory of harm 193, 196–197, 231, 307, 345, s.a. Schädlichkeitspotenzial total welfare standard s. Gesamtwohlfahrtsstandard Transaktionskosten 17, 34–35, 46–48, 56, 67–68, 111 treble damage 137 Trittbrettfahren 26–39, 41–57, 355 – Free-Rider-Erklärung 31, 32 – Internet 43–53 – Intertype-Wettbewerb 52–53 – Kritik 32–39 – Lösung 53–57 – Prestige s. Qualitätszertifikation – -Problem 26–30 – rechtliche Berücksichtigung 184–186, 234–235, 276, 315, 325, 349 – Leegin-Urteil 184–186 – Leitlinien der Kommission 234–235 – Relevanz 36–39, 47–49 truncated rule of reason 165, 189, 195, 197, 214 Trust 157 tying arrangement 139–140

Veräußerungsfreiheit 11, 156, 168–170, 172 Verbraucherpreis 61, 94–95, 113, 323 Verbraucherschutz 46, 98, 136, 208, 344 – USA 136, 208, 344 Vereinbarung 172–173, 239, 257, 263, 284, 286, 289, 294–295 – Abrede (Schweiz) 263 – agreement element (USA) 172–173, 257, 284, 286, 294–295 – Vereinbarung (EU) 239, 289 Verhaltensmodell 16–20 Verhaltensökonomie 6, 126–128 Verkaufsberatung s. Beratung Verkaufsförderung 58, 276, 332 Verkaufsstelle 66–68, 120–122 Verlagserzeugnis 145, 323–324, 338, 351 Vermittlungsgeschäft – s. Handelsvertreter – s. Internetplattform Vermittlungsportal s. Internetplattform Vermutung 148, 155, 198, 265, 269–271, 275, 304, 348, 350 – der Illegalität 348, 350 – -sregelung s. inherently suspect approach, s. Kernbeschränkung – der Wettbewerbsbeschränkung 155, 198 – der Wettbewerbsbeseitigung (Schweiz) 148, 265, 269–271, 304 – -swiderlegung (Schweiz) 269–271, 275 vertikale Beschränkung s. Wettbewerbsbeschränkung, vertikale Vertikal-GVO 217, 221, 243, 245, 306, 310–314, 316 Vertikalbekanntmachung (VertBek, Schweiz) 265, 271, 272, 276, 278 vertikale Integration 118–119, 120, 125, 135 vertikale Preisbindung s. Preisbindung Vertikalkartellrecht 143 Vertikalleitlinien 233–237 vertragliche Koordination s. Koordination Vertragstheorie 23 Vertrieb 8, 13, 35, 57, 78, 87, 92 104, 108, 121, 122, 349 – Vertriebssgebiet 35

Übereinkunft s. Vereinbarung umbrella pricing 100 Umgehung 118, 173, 257, 260, 284–286, 288, 301, 342, 348, 350 – -sstrategie 118, 173, 260, 342, 348, 350 – -sverbot 257 – -sversuch 284–286 underenforcement 7, 190; s.a. Rechtsdurchsetzung Unerlässlichkeit 220, 232, 235, 238, 315 unlauterer Wettbewerb 74, 144, 149–151, 153, 261 – Schweiz 149–151, 153, 261 Unterlassungsanspruch 138, 260, 261 unverbindliche Preisempfehlung (UPE/ UVP) s. Preisempfehlung

Sachverzeichnis – Vertriebskette 57, 108 – Vertriebsmodell 87, 104 – Vertriebssystem 8, 13, 57, 78, 92, 104, 122 – geschlossener Vertrieb 78, 92, 122, s.a. selektiver Vertrieb – offener Vertrieb 121, 349 verwandte Vereinbarungen 9, 109–118, 125, 283–323 – Bestpreisklausel s. Preisparitätsklausel – Höchstpreisbindung 109–110 – (Internet) Minimum Advertised Price s. Werbepreis – Meistbegünstigungsklausel 110–116 – Preisempfehlung 9, 117–118, 287–300 – Preisparitätsklausel 110–116, 125, 308, 310 – Werbepreis 116-117, 320–323 virtueller Marktplatz 111, 305, s.a. Internetplattform Vitaminkartell s. Hoffmann-La Roche-Fall vollkommener Wettbewerb 18 Vorbereitungsfunktion 49, 50 Vorbildfunktion 135, 141, 217 Vorrangregelung 5, 146, 191, 200–203, 204 – Anwendungsvorrang (EU) 5, 146 – Hierarchieverhältnis (USA) 200–203, s.a. Antitrustrecht – ARC-America-Entscheidung 201 – Leegin-Repealer 104, 191, 204 Warengutschein s. Gutschein Werbepreis 9, 104, 116, 117, 207, 320– 323, 348

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– Internet Minimum Advertised Price (IMAP) 116 – Minimum Advertised Price (MAP) 9, 117, 207 Wettbewerbsbeschränkung 119–122, 141– 143, 151, 223–227, 232, 264, 316 – Alleinvertrieb 121 – bewirkte 143, 151 – bezweckte 143, 151, 223–227, 316 – erhebliche (Schweiz) 264 – selektiver Vertrieb 121–122 – spürbare s. Spürbarkeit – unerhebliche (Schweiz) 264 – Vermutung (EU) 232 – vertikale 119–122, 141–143 – nichtpreisliche 119–122 Wettbewerbsbeseitigung 265, 268, – EU 238, 242 – Schweiz 265, 268, 270–271, 272 – Vermutung 268, 270–271, 272 Wettbewerbskommission (WEKO) 267 Wettbewerbspolitik 128 wirkungsorientierter Ansatz s. effect based approach Wohlfahrt 20–23 Ziel, wettbewerbsrechtliches 11–15, 343– 346 zwischenstaatlicher Handel 36, 146, 175, 176, 177, 200, 201, 212, 317, 324 – EU-Binnenmarkt 146, 317, 324 – Interstate-Auswirkungen 175, 176, 177, 200, 201, 212 – interstate commerce clause 175