Die Photographie, ihre Geschichte und Entwicklung. Vortrag, gehalten im Verein für Kunst und Wiſſenſchaft zu Hildesheim

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Die Photographie, ihre Geschichte und Entwicklung. Vortrag, gehalten im Verein für Kunst und Wiſſenſchaft zu Hildesheim

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Die

ihre

Photographie ,

Geschichte und

Entwicklung.

Vortrag, gehalten im Verein für Kunst und Wiſſenſchaft zu Hildesheim

von

Wilhelm Schmidt, Apotheker.

CH

Berlin SW., 1886.

Verlag von

Carl Habel.

(C. G. Lüderitz'sche Berlagsbuchhandlung.) 33. Wilhelm-Straße 33.

Das Recht der Ueberseßung in fremde Sprachen wird vorbehalten.

Wenn Senn man vor einem Menschenalter einem sogenannten aufgeklärten Manne gesagt hätte, es sei vielleicht möglich einen Spiegel so einzurichten , daß er das Bild des Hineinblickenden auf immer festhalte , so würde dieſer wahrscheinlich eine solche Behauptung für eine Lächerlichkeit erklärt haben ; hätte man die Unterhaltung aber ein paar Jahrhunderte früher gehalten , so würde der Zuhörer vielleicht ein Kreuz geschlagen haben und höchstens hätte er zugegeben ,

daß nur mit Hülfe des bösen -- Diese Worte fand ich

Feindes so etwas möglich sein könne.

vor einiger Zeit an der Spitze einer Besprechung der Photographie.

Ich kann mir keine paſſendere , zutreffendere denken ,

und habe mir deßhalb nicht versagen können , meinen Vortrag hiermit einzuleiten . Unser Jahrhundert ist, -

wer wüßte

dieſes

nicht ,

-

namentlich in seiner zweiten Hälfte, eine Zeit der Gährung, der Umwälzungen und des Ueberganges. Auf den meisten Gebieten menschlicher Thätigkeiten stehen wir Neuerscheinungen gegenüber, deren Tragweite wir noch nicht ermessen können.

Die Hauptsache dieser Erscheinungen ist der

Riesenfortschritt, den die Naturwissenschaften gemacht haben und der Fortschritt , den wir von ihnen noch gewärtigen.

Dieser

Fortschritt in der Erkenntniß der Natur beeinflußt nicht nur direkt alle Schaffensgebiete ―― die Künste ebenso wie das Ge= werbe, das Staatsleben, das Haus, die Familie u. s. w., nein , sein indirekter Einfluß ist auf alles dieses ein viel größerer, indem er unser ganzes Leben umgestaltet. Von den großen Er(243) 1* Neue Folge I. 7.

4

findungen, den Eisenbahnen , dem Telegraphen , der Dampfkraft anfangend , bis zu den zahllosen kleinen Erfindungen ,

die uns

auf Schritt und Tritt begegnen, es iſt einfach eine ganz andere Welt, wenn wir fie mit dem Anfange unseres Jahrhunderts vergleichen. Zu den Kindern

dieses

Jahrhunderts

gehört

auch

die

Photographie und gar manche unter uns haben die EntDenken wir wickelung derselben mit erlebt und bewundert.

-

zurück, wie vollkommen die Zeit dieses Kind gestaltet hat! Wie sicher arbeitet ein Photograph der heutigen Zeit und wie hülflos war derselbe noch in den vierziger Jahren.

Der Unter-

schied läßt sich am besten kennzeichnen durch die Produkte der damaligen Zeit, verglichen mit den vollendeten Bildern der Jettzeit.

Damals zog der Photograph als wandernder Künstler von

Ort zu Ort, heute empfängt er im Atelier. Die wissenschaftlichen Kenntnisse, oder doch wenigstens die sichere Empirie fehlte diesen Künſtlern damals sehr häufig, und da in kleinen Orten zu jener Zeit der Apotheker gemeiniglich der Rathgeber für Alles , was mit den Naturwissenschaften zusammenhing , abgab, so war es ganz erklärlich, daß, wenn irgend etwas an der ganzen Maſchinerie stockte, der Gang in die Apotheke die erste Selbsthülfe war. Bekanntlich ist im Leben nichts unheimlicher, als wenn man Ursache und Wirkung irgend einer Sache nicht kennt und so waren diese Leute sehr übel daran , wenn sie längere Zeit erträgliche Bilder producirt hatten , und auf einmal lieferte derſelbe Apparat ganz unleidige.

Gemeiniglich wußten ſie ſich dann

in ihrer Art zu helfen und so erinnere ich , daß bei der Beanstandung solcher schlechten Fabrikate der Photograph den guten Rath ertheilt hatte, die Bilder müſſen, um kräftig hervorzutreten, noch einige Tage in den Rauch gehängt werden, leider habe er selbst keine Zeit mehr dieses Erperiment vorzunehmen, da er aus irgend einem Grunde abreisen müsse. (244)

Wenn wir nun weiter

5

hören ,

daß dieser Rath treu befolgt wurde (nebenbei bemerkt

war derjenige, welcher ihn ausführte, keineswegs ein Simpler), so haben wir wohl das Recht heute darüber zu lachen , jedoch in Erinnerung

der gänzlichen Unkenntnisse

der Vorgänge das

maliger Zeit, können wir uns kaum darüber wundern, daß auf diese Weise eine ganze Familie verurtheilt war acht Tage im Rauch zu hängen. Von

dieser

schwarzen Kunst

Einleitung der

nun zu

den

Photographie

Anfängen

unserer

übergehend ,

ist

solche keineswegs fertig aus des Jupiters Haupte, wie Minerva , entsprungen, sondern dieselbe ist, wie so manches , ein Kind des Zufalls , und frappirt von dem ersten Eindrucke bei dem richtigen Manne, der sich für die Sache interessirte, ist sie nach und nach zu einer Kunst von einer ganzen Anzahl Ammen und Erziehern großgezogen. Wie bekannt, beruht die Photographie auf der Einwirkung des Lichtes, diese Einwirkung hat man gewissermaßen in großen Zügen schon recht lange gekannt. Diejenige Ur- oder Ahnfrau, welche zuerst ein gelbes Stück Leinen auf die Bleiche legte ,

und nach einer gewiſſen Zeit

dasselbe weiß gebleicht wieder wegnahm , hat bereits die wohlthätigen Einwirkungen des Lichtes erfahren, entgegengesetzt ihren Enkelinnen, welche heute mit Bedauern wahrnehmen , wie wenig stichhaltig sich die Farbentöne , namentlich die der Anilinfarben, ihrer Kleiderstoffe den Sonnenstrahlen gegenüber zeigen. Beide Erscheinungen sind Einwirkungen des Lichtes und stehen mit der Photographie im direkten Zusammenhange. Ganz im Anfange dieses Jahrhunderts finden wir, daß sich große Gelehrte in England, wie Davy und Wedgewood , namentlich aber ein reicher Privatmann „ Talbot“ schon damit abgaben, in ihrer Weise Lichtbilder zu erzeugen. Ihre chemischen Kenntnisse hatten sie gelehrt, daß Auflösungen von Silbersalzen durch das Sonnen(245)

6

licht zersetzt, reducirt , resp . geschwärzt würden. fahrung fußend ,

Auf dieser Er-

tränkten sie Papier und Leder mit Silber-

lösung, ließen solches im Dunklen trocknen, belegten dasselbe mit irgend einem Gegenstande , welcher Licht und Schatten zeigte, 3. B. ein Epheublatt ,

Moos , dann aber auch ein Bild, und

sezten nun das Ganze der Einwirkung des Sonnenlichtes aus . Das Licht zersette nun die unbedeckten Stellen und die Herren bekamen ,

wie ganz natürlich , weiße Profile,

Schattenriſſe in

einer schwarzen Umrahmung. Da man nun nicht verstand , den noch nicht zersetzten Theil des Papieres , also das eigentliche Bild , vor der weiteren Zersehung des Lichtes zu schützen, (dasjenige Verfahren , welches wir heute firiren nennen , ) so konnten diese Bilder auch nur beim Lampenlichte

besehen

werden.

Genug ,

fie führten

ein sehr

ephemeres Dasein , sie wurden selbstverständlich mit der Zeit gänzlich schwarz und damit war das Bild unrettbar verloren. Obgleich die Franzosen wenig geneigt sind die Erfindungen anderer Völker anzuerkennen , im Gegentheil gar zu gern dieſelben übersehen oder verkleinern , so wollen wir doch hier der Wahrheit die Ehre geben und bekennen ,

daß , wenn immerhin

die Idee auch schon verhanden war, der Haupttheil der ganzen Erfindung , also die Ausführung , unstreitig französisch ist und bleibt. Zwei Leute waren es , welche, ohne sich zu kennen, mehrere Jahre gleiche Bestrebungen verfolgten , ohne gerade

nennens-

werthes bis zu ihrer Vereinigung erzielt zu haben.

Der eine, weniger bekannte, hieß Nièrce, der andere Daguerre ; - seinen

Namen hat

das nach ihm benannte

typie" unvergeßlich gemacht.

Verfahren „ Daguerreo-

Der erste, „ Nièpce ", experimen-

tirte mit allerlei Harzen und so wird uns erzählt ,

daß er mit

einer Lösung von Asphalt in Lavendelöl eine Kupferplatte überstrichen habe und diese draußen zum Trocknen in die Sonne ge(246)

7

legt hätte.

Der Zufall habe es nun gewollt , daß ein Kupfer-

stich dieser Platte. gegenüber gestanden und so die Platte von jenen Sonnenstrahlen

getrocknet sei ,

welche

von

dem Bilde

reflectirt , oder bei einer anderen Lage, das fragliche Bild durchgelassen habe. Niépce ſei nun nicht wenig erstaunt geweſen, auf der getrockneten Asphaltplatte das Bild zu sehen , welches , zufälliger Weise in der Nähe ſtehend, dieses hervorgerufen. Niépce wollte nun mit Terpenthinöl den Asphaltlack wieder entfernen ,

und

fiehe, er erlebte eine Ueberraschung , denn wohl löste fich der welche vor dem Lichte, ― also in

Lack an jenen Stellen auf,

dieſem Falle durch das Bild geschüßt waren, aber nicht an jenen Stellen, welche belichtet, also von den Sonnenstrahlen getroffen waren ; - es war hiermit also eine indirecte Firirung gefunden . Die Geschichte erzählt, daß Daguerre mit verfilberten Kupferplatten experimentirte , die vorher zur größeren Empfindlichkeit über Joddämpfe gehalten wären.

Diese Platten habe er in

einer Camera obscura dem Lichte ausgesetzt, bei welcher, anstatt der heutigen Linse, eine einfache Oeffnung zum Lichtdurchlaffen vorhanden gewesen wäre.

Da

aber nun Daguerre nicht im

Stande war die erhaltenen Bilder gegen weitere Einwirkung des Lichtes zu schüßen , so war deren Eristenz , wie wir vorher bei den Bestrebungen der englischen Gelehrten schon gehört haben, eine absolut hinfällige.

Bei jedem Besehen dieses Bildes beim

Tageslichte wurde es dunkler, bis es zuleht ein schwarzes Blatt geworden war und damit aufhörte ein Bild zu ſein. Außerdem war die Hauptunannehmlichkeit dieses Verfahrens , daß

jenes Bild ,

welches

als Vorlage

diente ,

mindestens

20 Minuten und drüber als vis-à-vis der präparirten Platte auszuhalten hatte ,

mithin

dieses Verfahren nur für leblose

Gegenstände zu gebrauchen war. So standen die Sachen , als im Jahre 1829 diese beiden (247)

8

Männer Niépce und Daguerre fich kennen lernten und in gemeinsamem Streben weiter erfahren

wir ,

daß

ihr Ziel verfolgten.

Niépce

im

Mit Betrübniß

Jahre 1833

voll Kummer

darüber, daß ſeine 20jährigen Bemühungen ihn dennoch nicht zu einem anständigen Bilde verholfen hätten, gestorben ſei. So wurde nun Daguerre der alleinige Erbe der Ideen und Erfahrungen seines Compagnons und wenige Jahre später ist es wiederum der Zufall gewesen , welcher die Ausdauer und das Bestreben dieses Mannes endlich zum Ziele führte. Es wird uns erzählt , daß Daguerre einen alten Küchenschrank gehabt, in welchem alles Mögliche und Unmögliche seinen Platz

gefunden

habe ,

so

namentlich Platten ,

Chemikalien ,

Apparate und dergl. In diesen Schrank legte er nun eines Tages eine Anzahl Platten , welche zu kurze Zeit belichtet waren und deßhalb noch kein Bild zeigten. Nach einigen Tagen wollte er , da inzwiſchen wiederum Sonnenschein eingetreten war , dieses Belichten nachholen und fand zu seinem freudigen Erstaunen, daß diese Platten in dem - Wie ganz alten Schranke sichtbare Bilder erhalten hatten. natürlich , sagte er sich nun , dieselben müßten

nothwendiger

Weise hervorgerufen sein durch irgend einen Gegenstand, der im Schranke enthalten sei , und um nun festzustellen durch welchen, mußte er nach einander sämmtliche Chemikalien herausnehmen und immer von neuem hatte er die Freude, daß der Schrank Bilder hervorrief, ja man höre , als er schließlich anscheinend ganz leer war, gelang dieses Experiment noch immer weiter. Der arme Mann war vor Verzweiflung außer sich und fing nun an dieses Möbel als einen Wunderschrank zu betrachten. Da entdeckte er zu seiner großen Freude, daß die meisten Risse und Fugen Quecksilber enthielten , herrührend von einem zerbrochenen Gefäße , welches Quecksilber enthalten hatte. - Der (248)

9

Gedanke, daß nur diesem Metalle die Wohlthat zuzuschreiben, war der richtige und Daguerre war im Stande , sich sofort hiervon zu überzeugen, indem er jodirte Silberplatten, welche er nur kurze Zeit dem Lichte erponirte, so daß noch kein Bild darauf sichtbar, über Quecksilberdämpfe hielt. Daguerre hatte die Freude mit das

Bild hervorzurufen

der

technische

Name

diesem Verfahren sofort

oder zu entwickeln, wie noch heute

ist

und

mit

Augenblicke

diesem

be-

ginnt der eigentliche Geburtstag der Photographie oder Daguerreotypie , und

alle Verfahren bis auf den heutigen

Tag , so verschieden und abweichend sie immerhin sein mögen , haben ihr eigentliches Fundament in dieser Entdeckung . Dasselbe beruhte bei Daguerre auf der Erscheinung, wonach Quecksilber sich in außerordentlich kleinen Kügelchen auf jene Theile der Platte ansetzt, welche vorher durch das Licht von Jodsilber zu metallischem Silber reducirt find. Rechnen wir nun noch hinzu , John Herschel, dessen

das

Beschädigung

daß ein Engländer ,

Sir

jenes wichtige Mittel später fand , mit Hülfe

nicht

vom

des

Bildes

die höchst unangenehme

Lichte

getroffene

entfernt

werden

Nachschwärzung ,

Silbersalz konnte , wovon

ohne

so ich

daß schon

einige Male gesprochen habe, nun auch wegfiel , so war damit ein bedeutender wicklung

gemacht.

Schritt

weiter auf dem Wege der Ent-

Dieses Salz,

welches

noch heute in der

Photographie dieselben treuen Dienste leistet ,

heißt

„unter-

schwefligsaures Natron “ .

Daguerre zeigte nun diese vervollkommneten Bilder den größten Naturforschern der damaligen Zeit Gay - Luissac u. A.

Humboldt, Arago,

Auf Antrag derselben kaufte die französische

Regierung das Geheimniß der Herstellung für eine Rente von 6000 Frs. für Daguerre und 2000 Frs . lebenslänglicher Rente für den Sohn des verstorbenen Niépce. (249)

10

In einer vereinigten Sizung der Akademie der Wissenschaften und der Künste am 19. August 1837 theilte der berühmte Physiker Arago dieses Verfahren den staunenden Parisern mit , als ein Geschenk für die ganze Welt.

Und die Welt be-

grüßte dies unerwartete schöne Geschenk mit Erstaunen und freudigem Jubel. Wir haben kaum eine Ahnung von der Erwartung und berechtigten Neugierde der Pariser ! Das Gebäude, in welchem die Sizung stattfand , konnte nur einen kleinen Theil der Zuhörer fassen, aber große Menschenmengen harrten draußen auf der Straße, um von den herauskommenden Zuhörern die Neuigkeit zu erfahren. Diese hatten von dem Gange der Entwicklung namentlich das Asphaltverfahren des Niépce behalten und beantworteten daher die ungestümen Fragen mit dem Stichworte:

„Das Geheimniß bestehe in Judenpech, be-

kanntlich ein anderer Name für Asphalt. " Da das Publikum dieses aber nicht glauben wollte, sondern im Gegentheil meinte, man wolle es damit foppen, so entſtand eine große Aufregung, die anfing in eine solenne Prügelei überzugehen , bis dann andere Zuhörer ,

die mehr davon behalten

hatten, im Stande waren, die dürftigen Notizen der ersteren zu berichtigen. Soviel von der Geschichte der Photographie.

Wir finden

nun, daß von dieſer Zeit ab bis zum heutigen Tage eine Verbesserung und Neuerung die andere jagt.

Selbstredend kann es

nicht in den Rahmen eines einstündigen Vortrages gehören, diese hier eingehend durchzunehmen , ich werde mich meistens darauf beschränken müſſen , ſie nur zu erwähnen . graphie ist nachgerade zu

einer Wissenschaft

Die Photo-

geworden

und

dickleibige Lehrbücher derselben lassen uns erkennen, welchen Umfang dieselbe angenommen hat. Daguerres Bilder der damaligen Zeit waren, troß des mit(250)

11

getheilten Fortschrittes, zum portraitiren noch immer so gut wie ungeeignet. Man seßte damals Den, welcher sich photographiren laſſen wollte , in die Sonne,

wo er mindestens 10 Minuten

exponirt bleiben mußte, und diese zehn Minuten hörten ganz gewiß nicht zu den Annehmlichkeiten des Lebens .

Den direkten

Sonnenstrahlen ausgesetzt, mit der Aufgabe den Blick auf einen beſtimmten Punkt zu richten ,

mußte nothwendiger Weise eine

Erschlaffung eintreten , welche unmöglich dazu beitragen konnte, das resultirende Bild zu verschönern.

Die Augen wurden feucht,

ſie fingen an zu blinzeln, und nicht selten sah der aufnehmende Photograph den Delinquenten im Kampfe gegen dieſe Unbilden unfreiwillige Thränen vergießen. Außerdem hat das Quecksilber die Eigenschaft flüchtig zu sein, wie wir wissen, - und deßhalb waren die Bilder, wenn auch beſtändiger als früher, doch immerhin noch vergänglicher Natur. Es hat genug Bilder aus früherer Zeit gegeben, bei denen wir mit stiller Betrübniß die auf solche Weise dargestellten uns theuren Perſonen immer schattenhafter werden und zuletzt ganz verschwinden sahen, ohne daß wir im Stande gewesen wären irgend etwas zu thun, um ihr Dasein zu friſten. Zweierlei fehlte dem Verfahren noch, erstens ein Mittel um die Platten lichtempfindlicher zu machen, und zweitens ein beſſeres Firirmittel, um die fertigen Bilder beständiger zu erhalten. Beiden Uebeln wurde etwa gleichzeitig abgeholfen . - Im

Jahre 1840 entdeckte Claudet , daß Brom, ein dem Jod nahe verwandter Körper, die Platten ganz bedeutend lichtempfindlicher mache und damit war der eine Uebelstand beseitigt. Dieses Verfahren besteht bis auf den heutigen Tag. Etwa gleichzeitig entdeckte ein anderer Franzose, der Chemiker Fizeau, daß eine wunderbare Wirkung auf das fertige Bild durch Chlorgold, ein in Wasser lösliches Salz, ausgeübt wurde. Einmal wurden dadurch die Bilder wesentlich besser fixirt, ſodann verloren (251)

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dieselben einen großen Theil ihres unangenehmen Spiegelglanzes. Man erhielt also jetzt vergoldete Bilder, und diese, seiner Zeit gut gemacht, find noch bis auf den heutigen Tag mit Wohlgefallen zu betrachten. Inzwischen wurde nun durch Schönbein und Böttcher im Jahre 1847 die Schießbaumwolle entdeckt.

Diese Schießbaum-

wolle löst sich in einer Mischung von Aether und Spiritus und führt dann den Namen Collodium ; anstatt Wunden zu schlagen, sehen wir in letterer Form durch dieses Mittel solche heilen . 25 Jahre lang spielte dieses Collodium eine große Rolle in der Photographie.

Das ganze Verfahren hieß nach ihm

Collodiumverfahren, und erst kürzlich mußte dieses dem Gelatineverfahren weichen.

Einen ungemeinen Impuls erhielt ersteres

durch Einführung der Visitenkartenphotographien.

Dieses kleine

Bildformat, welches darauf berechnet ist, verschenkt, daher also in einer Mehrzahl hergestellt zu

werden , wurde 1853 von

Disderi in Paris , dem Hofphotographen des Kaiser Napoleon, erfunden und erfreute sich so ungemeinen Beifalls, daß es sofort in alle Kreise eingeführt und bald zu einem nothwendigen Object für jeden civilisirten Menschen wurde. Durch die photographische

Visitenkarte wurde

das

alte

Stammbuch, das beliebte Souvenir jugendlicher Seelen , fast ganz verdrängt, an Stelle der geschriebenen Worte des Freundes oder der Freundin traten dafür durch das Licht geschriebene Bilder.

In jedem Bauernhause eriſtirt jetzt ein photographisches

Album, und wie viele Fabriken sind in Thätigkeit, um dieſen Bedarfsartikel anzufertigen . Nachdem so

zu

damit

sagen

wir

nun

aus

dem Rohen herausgearbeitet

die

der Gegenwart ziemlich

Entwicklung

nahe

versuchen, darüber ein flares Bild zu

der

Photographie haben

gerückt sind , geben ,

was

und

will ich in den

photographischen Ateliers noch heute alles geschieht , von jenem (252)

13

Augenblicke an ,

wo wir uns dem bekannten Kasten

gegen-

über sehen , bis dahin , daß wir das fertige Bild entgegen nehmen. - Die Proceffe, welche hierbei vorgehen, find theils physikalischer, meistens aber chemischer Natur und zerfallen etwa in 5 möglichst rasch auf einander folgende Theile : 1.

Die Erzeugung der lichtempfindlichen Schicht.

2.

Die Wirkung des Lichtes auf diese Schicht.

3.

Das Hervorrufen des Bildes .

4.

Das Befestigen oder Firiren desselben .

5.

Das Copiren des negativen Bildes.

Zuerst überzieht der Photograph in einem dunklen Zimmer (oder dieser Raum hat gelbe oder röthliche ,

also möglichst

wenig lichtempfindliche Scheiben) , eine ganz absolut rein gepußte, ebene Glasplatte mit einer Schicht von Collodium , in welchem zu ganz geringer Menge

Jod und Bromfalze

aufgelöst find .

Das Collodium selbst spielt hierbei weiter keine Rolle, als die des Anhaftens dunstung.

bei richtiger Dickflüssigkeit durch schnelle Ver-

Nachdem diese Collodiumschicht ganz gleichmäßig

vertheilt ist, trocken werde.

achtet

der Photograph

darauf, daß sie nicht zu

Der Moment ist getroffen, wenn an einer Ecke

das Collodium sich zu Fäden ausziehen läßt.

Nun kommt die

Tafel in ein Silberbad, d . h . in eine Auflösung von salpetersaurem Silber oder Höllenstein in Waſſer. ― Hier findet eine Umsetzung in das so höchſt lichtempfindliche Jod- und Bromfilber statt.

Die vorher klare Collodiumhaut wird hierdurch gelblich ,

rahmartig und undurchsichtig .

Noch feucht , wird

nun

diese

Platte in einen Rahmen gelegt und jenem Kasten mit dem Guckloch eingeschoben ,

welchen wir alle

Camera obscura kennen.

Wir wissen, daß

unter dieses

dem

Namen

ein dunkler

Kasten ist, welcher vorn ein Linsensystem trägt und durch die Optik auf mannigfache Weise geändert und gebessert wurde. Auch will ich hier gleich hinzufügen, daß -- je nachdem Linsen von (253)

14

großer oder kleiner Brennweite

angewandt werden

-

dem

entsprechend große oder kleine Bilder natürlich hieraus reſultiren müſſen. Nun sehen wir uns , und unser Kopf wird jenem Halter eingeklemmt, gegen dessen Anwendung wir uns gemeiniglich mit Hand und Fuß wehren.

Dennoch ist derselbe durchaus noth-

wendig, denn einmal würde ſonſt die ſichere Einstellung des Photographen verloren gehen, und außerdem machen wir mit unſerem Kopfe weit mehr unfreiwillige Bewegungen, als wir wissen und glauben wollen.

Jeht erschallt der uns allen wohlbekannte Ruf:

"1 Nun ein recht freundliches Gesicht machen “ , die Kapsel des Kastens, aus welchem, wie dem Kinde stets gesagt wird , der Vogel herausfliegt, wird abgezogen und unser werthes Ich macht nun seinen Eindruck auf die wohlpräparirte Platte. Nach etwa 10 Sekunden ist dieser Eindruck hinreichend gewesen , um mit dem Worte:

Fertig ,

ich

Messingkapsel wieder aufzusetzen.

danke ! "

die

wohlbekannte

Der Photograph nimmt den

Holzrahmen, worin die präparirte Glasplatte enthalten, heraus und gestattet uns ausnahmsweise mit ihm die dunkle Kammer zu betreten.

Auf der Platte, die wir recht neugierig betrachten,

sehen wir zunächst gar keine Veränderung, von einem Bilde ist feine Spur zu entdecken .

Der Photograph

weiß es

aber

hervorzuzaubern, er legt die Platte einfach in die HervorrufungsFlüssigkeit, welche in diesem Falle genau dieselbe Wirkung ausübt,

wie beim System Daguerre die Quecksilberdämpfe und

welche aus einer Auflösung von Eiſenvitriol in Waſſer, mit ein wenig Essigsäure angesäuert, besteht.

Kaum ist die Platte von

dieser Flüssigkeit beneßt, so sehen wir schon hier und da die am meisten vom Licht getroffenen Stellen des Bildes hervortreten und kaum einige Minuten find vergangen, so ist das ganze Bild klar und deutlich zu sehen.

Mit Recht fragen wir: Wie geht das zu, was geht hier vor?

(254)

15

-Zunächst hat die Belichtung der Platte eine theilweise Reduction, wo fie vom Lichte betroffen natürlich am meisten, an den Schattenſeiten weniger, — erfahren. Hierauf wirkt nun eine Eiſenſalzlösung, welche die Eigenthümlichkeit hat, aus Silbersalzen das Silber auszufällen, und in unserem Falle haben die vom Lichte besonders getroffenen Stellen

die weitere Eigenthümlichkeit , dieſes

prä-

cipitirte Silber auf sich haften zu laſſen. Die Uebung lehrt nun den Photographen , die Platten nicht zu lange sonst

würde

erstrecken und resultat.

in

sich

Tritt

dem die

eine

Eisenbade

Reduction

gleichmäßige

liegen auf

zu lassen ,

die gesammte

Schwärze

das Bild genügend

und

wäre

denn Platte

das

kräftig

End-

hervor, so

nimmt es der Photograph aus der Flüssigkeit heraus und ſpült es mit deſtillirtem Wasser ab, um die anhängende Eisenflüssigentfernen. Damit hätten wir den Prozeß des Her-

feit zu

vorrufens beendigt. Jetzt wird Salzes gelegt,

die Platte zum Firiren in die Lösung jenes dessen Namen auch schon bei den Daguerreodes schwefligsauren Natron.

typen von mir genannt ist

Dieses Salz hat die Eigenschaft , mit Silberlösungen lösliche Doppelsalze zu bilden ,

d.

h.

also

hier

in

unserem

Falle,

all jenes Silber aufzunehmen, welches bei der Lichteinwirkung nicht betheiligt war.

Es leuchtet ein , wie nothwendig dieses

ist, würde es nicht geschehen , so wäre die natürliche Folge eine später fortschreitende Nachschwärzung des Bildes , welches einem

Verderben

schließlich

Nachdem die Lösung

gleich

bedeutend

sein

würde .

dieses Salzes seine Wirkung gethan und

hernach die Platte abermals

mit Wasser reichlich

abgespült

wurde, pflegt sie der Photograph beim durchscheinenden Tageslichte als Kritiker zu besehen, sich gleichzeitig äußernd , ob das Werk gelungen ist, oder nicht. Was

sehen

wir

nun?

Wie

wir

alle

wissen ,

ein (255)

16

Negativ. geſetzt

Wir dem

sehen

späteren

das Weiße schwarz

ein

Bild ,

Positiv,

bei das

welchem , Schwarze

entgegenweiß

und

erscheint, wie das bei einigem Nachdenken

ja auch nicht anders sein kann.

Also

unser schwarzer Rock

muß auf dem Bilde weiß erscheinen , denn von ihm gingen ja keine Lichtstrahlen aus,

um

das weiße Silbersalz zu einem

schwarzen zu reduciren, umgekehrt muß unser Gesicht schwarz sein, in umgekehrter Wirkung des Rockes. Dieses sind wenigstens die Hauptzüge des Verfahrens , die Hauptproceſſe ,

die jedes Bild durchmachen muß;

fast jeder

Photograph hat dann noch seine besonderen Kunstgriffe , um dem Bilde die richtige Färbung u . s. w. zu

ertheilen.

Es giebt nun wohl wenige Negative, die als abſolut tadelfrei gelten können und die sofort poſitive Copien zu liefern im Stande find.

Ein aufgefallenes Stäubchen veranlaßt nicht selten einen

weißen oder schwarzen Fleck. Genug, das Negativ muß mit der Lupe vom Photographen genau besichtigt werden, und mit dem Pinſel in der Hand allerlei kleine Verbesserungen, Entfernungen, resp . Aufmunterungen erfahren.

Dieses Verfahren, wie wir wissen, führt

den Namen des Retouchirens und wir dürfen den Retoucheur wohl als den besten betrachten , welcher hierbei am ſelbſtloſeſten verfährt. Nichts Positiv

zu

ist

nun leichter ,

erhalten.

Wir

als

von

diesem Negativ

ein

präpariren lichtempfindliches

Papier ohne Collodium, bedecken solches nach dem Trocknen mit dem Negativ und überlassen es der Sonne, hiervon zu nehmen.

einen Abdruck

Wie sich von selbst versteht, kommt jezt

der schwarze Rock, resp . das weiße Gesicht wieder zu Ehren, denn jezt muß ja umgekehrt schwarz und weiß wechſeln aus dem einfachen Grunde, weil das Licht auf dem Untergrunde schwarz zeichnet, wo oben eine weiße Fläche solches durchläßt.

Hinter-

her wird dieses Bild aus demselben Grunde, wie vorhin an(256)

17

gegeben, mit unterſchwefligſaurem Natron gewaschen, dann getrocknet, gepreßt und zum Schluſſe des ganzen Verfahrens mit einem schützenden Lacke überzogen .

So

wäre

das liebe

Conterfei

nun fertig. Da wir unter dem Namen „ Photographie " jedwede Zeichnung des Lichtes verstehen, so möchte es sich wohl ziemen, der eben durchgenommenen Manier, welche wohl unstreitig von den meisten Leuten als die alleinige gekannt wird, die Abweichungen folgen zu lassen,

vielfacher Weise

in so

welche

diese

interessante

Kunst zeigt. Es giebt noch eine große Anzahl von Menschen, welche glauben, daß, wenn man eine rothe Weste anzöge, einen blauen Shlips trüge, oder sonstige farbige Kleidungsstücke , diese Farben im

photographischen Bilde einfach übertragen werden könnten.

Dieses beruht auf einem Irrthum. Bildern solche Farben sehen ,

Wo wir bei photographischen

sind

sie hintermalt,

welches

natürlich immer mit mehr oder weniger Geschick geschehen kann. Nichts destoweniger ist Fachmänner

und Laien ,

es der sehnlichste Wunsch

daß

diese

Aufgabe

einer

aller

directen

farbigen Photographie gelöst werde, eine Menge Experimente legen von dem Bestreben Zeugniß ab, dieses Ziel zu erreichen . Schon

vor

dreißig

Jahren benutte

ein

amerikanischer

Geistlicher, Namens Hill , dieſe Sehnsucht zu einer nichtswürdigen Ausbeutung.

In einem Fachblatte kündigte er an das Räthsel

gelöst zu haben und versprach jedem, der ihm fünf Dollar einsende, diese neue Erfindung in Form einer Brochüre mitzutheilen . Die Zusendungen sollen massenhaft gewesen sein.

Nachdem sie

aufhörten, verschwand auch der dunkle Ehrenmann , Roß und Reiter jah niemand wieder. In einem ganz anderen Lichte müſſen uns die Bestrebungen zweier Fachmänner , Paris, erscheinen. Neue Folge I. 7.

Niépce des

jüngeren

und

Poitevin zu

Diese haben mit redlichem Bemühen sich an (257) 2

18

die Erfüllung der Aufgabe gemacht und mit den erzielten Erfolgen weder hinter den Bergen gehalten, noch Humbug getrieben. Schon bei der vorletzten Pariser Ausstellung im Jahre 1867 hatten die genannten Herren in einem halbverſchloſſenen Kaſten, bei gedämpftem Tageslichte farbige Photographien ausgestellt, welche ohne Retouche ,

als

natürliche

Farbenwiedergabe be-

trachtet werden mußten. Blumen, Kirchenfenster und sogar eine Pfauenfeder zeigte ihre natürlich schillernden Farben.

Diese Bilder waren auf

folgende Weise erhalten. Zunächst wird der Weise, daß

das Papier imprägnirt mit Chlorsilber in

man zuerst eine Kochsalzlösung und nach dem

Trocknen eine solche von salpetersaurem Silber anwendet.

Nach

reichlichem Auswaschen erhält das Papier ein abermaliges Bad von Zinnchlorür, wodurch eine Reduction des weißen Chlorsilbers zu dem violetten Silberchlorür stattfindet.

Endlich zieht man

das Papier durch eine Lösung von doppelt chromsaurem Kali und Kupfervitriol und erponirt in noch nicht völlig getrocknetem Zustande. Diese so erhaltenen farbigen Photographien erreichen nicht die natürlich lebhaften Farbentöne und -- wie schon aus der Art und Weise der Aufbewahrung hervorgeht -- können sie das Sonnenlicht nicht vertragen, denn leider fehlt dieser ganzen Errungenschaft noch das geeignete Firirmittel. sich hier der sonst üblichen bedienen , würde

Wollte man

die sofortige Zer-

störung des ganzen Bildes die nächste Folge sein.

Hoffen wir,

daß der Zufall oder eine glückliche Combination dem Forscher dieses Mittel recht bald zuführt. Höchst interessant sind

die neueren

Mittheilungen

des

Professors Vogel in Berlin und Dr. Albert in München, um bei Aufnahme farbiger Gegenstände , indifferente, actinische Farben (258)

actionsfähiger zu machen.

oder wenig

19

Der Photograph weiß, daß roth und gelb so gut wie gar feinen, grün nur einen schwachen Eindruck auf die Platte macht. Um diesem zu begegnen haben die Herren entweder eine gelbe Glasscheibe vor das Object der Camera geschoben, oder sie haben gleich der Gelatine der Aufnahmeplatte einen besonderen gelben Farbstoff beigemengt und hierdurch die Platte isochromatisch also gleich empfänglich für alle Farben gemacht.

Die Erfolge

dieses neuen Verfahrens in Wiedergabe der Abtönung sind eben so erstaunlich wie erfreulich.

Aus dem vorhin Angeführten geht zur Genüge hervor, daß es nicht gleichgültig, in welchen Farben wir uns zum Photographen begeben.

Bei

den

einfachen

Anzügen ; welche wir

Männer tragen, bedarf es hierzu gemeiniglich keines großen Nachdenkens.

Ganz anders bei unseren Damen, diese wissen

gar wohl, daß sie bei einer Aufnahme die photographisch richtigen