Die Nutzung von Musik im politischen Wahlkampf: Indirekte Beeinträchtigungen von Urheber- und Künstlerpersönlichkeitsrechten [1 ed.] 9783737011747, 9783847111740

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Die Nutzung von Musik im politischen Wahlkampf: Indirekte Beeinträchtigungen von Urheber- und Künstlerpersönlichkeitsrechten [1 ed.]
 9783737011747, 9783847111740

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Schriften zum deutschen und internationalen Persönlichkeits- und Immaterialgüterrecht

Band 50

Herausgegeben von Professor Dr. Haimo Schack, Kiel, Pensionierter Direktor des Instituts für Europäisches und Internationales Privat- und Verfahrensrecht

Christian Kube

Die Nutzung von Musik im politischen Wahlkampf Indirekte Beeinträchtigungen von Urheberund Künstlerpersönlichkeitsrechten

V& R unipress

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet þber https://dnb.de abrufbar. Gedruckt mit freundlicher Unterstþtzung der Studienstiftung ius vivum.  2020, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Theaterstraße 13, D-37073 Gçttingen Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich gesch þtzt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen FÐllen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Vandenhoeck & Ruprecht Verlage j www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com ISSN 2198-6398 ISBN 978-3-7370-1174-7

Inhalt

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Problemaufriss und Eingrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Gang der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Kapitel 1: Nutzungsrechtliche Einordnung der Werkwiedergabe im Wahlkampf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Urheberrechtliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Schutzvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Der Urheber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Verhältnis von Urheberpersönlichkeits- und Verwertungsrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Betroffene Verwertungsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Schranken des Urheberrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Rechtewahrnehmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. GEMA-Berechtigungsvertrag bis 2010 . . . . . . . . . . . II. GEMA-Berechtigungsvertrag seit 2010 . . . . . . . . . . . III. GVL-Berechtigungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Wahrnehmung von Persönlichkeitsrechten . . . . . . . . . E. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Kapitel 2: Urheber- und Künstlerpersönlichkeitsrecht – ein Überblick A. Geschichte des Urheberpersönlichkeitsrechts . . . . . . . . . . . . B. Verfassungsrechtliche und internationale Grundlagen des Urheberpersönlichkeitsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Grundrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Europäische Union . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Staatsverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Urheberpersönlichkeitsrecht und kleine Münze . . . . . . . . . .

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6

Inhalt

D. Postmortales Urheberpersönlichkeitsrecht . . . . . . . . . E. Ewiges Urheberpersönlichkeitsrecht? . . . . . . . . . . . . F. Urheber- und allgemeines Persönlichkeitsrecht . . . . . . . I. Verhältnis der Rechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Auffangfunktion des allgemeinen Persönlichkeitsrechts G. Künstlerpersönlichkeitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . H. Urheber- und künstlerpersönlichkeitsrechtliche Befugnisse I. Veröffentlichungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Anerkennung der Urheberschaft und Bestimmung der Urheberbezeichnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Integritätsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Rückrufsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Kapitel 3: § 14 UrhG – Entstellung des Werkes . . . . . . . . . . . . . A. Entstellung oder andere Beeinträchtigung des Werkes . . . . . . . B. Indirekte Beeinträchtigungen durch veränderten Kontext . . . . . I. Fallgruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Anstößiger Kontext . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Präsentation neben anderen Werken . . . . . . . . . . . . . 3. Verbindung mit anderen Werken . . . . . . . . . . . . . . . 4. Hängung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Ausstellungskonzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Ortsspezifische Kunst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Nutzung als Klingelton . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Sonstige Einzelfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Indirekte Beeinträchtigung durch Nutzung in der Werbung . III. Indirekte Beeinträchtigung durch Nutzung im Wahlkampf . . C. Interessengefährdung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Grundsätzliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ideelle Interessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Wirtschaftliche Interessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Eignung zur Interessengefährdung . . . . . . . . . . . . . . 4. Intensität der Interessengefährdung . . . . . . . . . . . . . 5. Interessengefährdung nur bei Öffentlichkeitsbezug? . . . . 6. Keine Interessengefährdung bei Einwilligung des Urhebers II. Interessengefährdung bei Werknutzung im Wahlkampf . . . . 1. Eindruck der Unterstützung einer politischen Partei . . . . 2. Stärkere Interessengefährdung bei abgelehnten politischen Zielen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Konkrete politische Partei nicht entscheidend . . . . . . . . 4. Kritik der Literatur am OLG Jena und LG Erfurt . . . . . .

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7

Inhalt

5. Eindruck der Unterstützung als entscheidendes Kriterium . . 6. Unwillkürliche Gedankenverbindung ausreichend . . . . . . 7. Keine Beschränkung auf den Wahlkampf politischer Parteien 8. Intensität der Interessengefährdung im Wahlkampf . . . . . . D. Interessenabwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Grundsätzliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Im Wahlkampf zu berücksichtigende Interessen politischer Parteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Art. 21 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Art. 5 I GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Kapitel 4: § 75 UrhG – Beeinträchtigung der Darbietung . . . . . A. Entstellung oder andere Beeinträchtigung . . . . . . . . . . . B. Gefährdung von Ansehen oder Ruf als ausübender Künstler C. Interessenabwägung und Rücksichtnahmegebot bei Ensembleleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Kapitel 5: Rechtsfolgen . . . . A. Unterlassung . . . . . . . B. Schadensersatz . . . . . . I. Materieller Schaden . II. Immaterieller Schaden C. Weitere Rechtsfolgen . . .

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Endergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Vorwort

Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2019/2020 als Dissertation von der Rechtswissenschaftlichen Fakulta¨ t der Christian-Albrechts-Universita¨ t zu Kiel angenommen. Mein Dank gilt im Besonderen Herrn Prof. Dr. Haimo Schack für die hervorragende Betreuung. Weiter danke ich Herrn Prof. Dr. Joachim Jickeli fu¨ r die zu¨ gige Erstellung des Zweitgutachtens. Der Studienstiftung ius vivum danke ich fu¨ r den großzu¨ gigen Druckkostenzuschuss. Zuletzt bedanke ich mich bei meinen Eltern, die mir mein Studium ermo¨ glicht und mich immer ermutigt haben, meinen eigenen Weg zu gehen.

Einleitung

A.

Problemaufriss und Eingrenzung

Bei Wahlkampfveranstaltungen wird häufig die Wartezeit bis zur Ankunft der Politiker von einer Coverband auf der Bühne überbrückt. Dabei geht es aber nicht nur um die Überbrückung von Zeit. Musik wird bei Wahlkampf- und anderen Veranstaltungen auch bewusst dazu benutzt, eine bestimmte Stimmung zu erzeugen, von der der Werbende glaubt, dass sie seinen Zwecken förderlich sei.1 Ein Beispiel ist das Lied »Angie« der Rolling Stones, das sich in Anspielung auf Angela Merkel zu einer inoffiziellen Wahlkampfhymne der CDU/CSU entwickelte, wovon die Rolling Stones wenig begeistert waren.2 Ein Sprecher der CDU bezeichnete den Gebrauch als rechtmäßig, da man hierfür die Nutzungsrechte bei der GEMA erworben habe.3 Mediale Aufmerksamkeit erregte auch der folgende Fall: Im Bundestagswahlkampf 2013 wurde das Lied »An Tagen wie diesen« der Band Die Toten Hosen vor allem von SPD und CDU auf Wahlkampfveranstaltungen wiedergegeben, wovon sich die Band in einer Stellungnahme auf ihrer Facebook-Seite distanzierte.4 Die Bandmitglieder fanden dies »unanständig und unkorrekt« und sprachen von einem klaren Missbrauch ihrer Musik durch Leute, die ihnen in keiner Weise nahe stünden. Die Gefahr, dass manche auf die Idee kommen, es bestünde eine Verbindung zwischen der Band und den beworbenen politischen Inhalten, mache sie wütend. Die Rechtslage sei aber so, dass sie dagegen nichts machen könnten. Vergleichbar, aber noch brisanter war die Situation im Landtagswahlkampf 2014 in Thüringen. Die NPD spielte auf ihren Wahlkampfveranstaltungen Musik ab, wogegen sich eine ganze Reihe Urheber und ausübender Künstler rechtlich 1 2 3 4

Renner GRUR 2017, 772, 774. Wahlkampf-Hymne: Stones sauer wegen »Angie«. Paterson ›Angie‹ Merkel in row with Rolling Stones over song. »Tage wie diese«: Tote Hosen wollen nicht bei Wahlkampfauftritt gespielt werden; Die Toten Hosen: Wir distanzieren uns von der Verwendung unserer Musik im Wahlkampf.

12

Einleitung

zur Wehr setzte, da sie auf keinen Fall mit der rechtsradikalen NPD in Verbindung gebracht werden wollten.5 Das LG Erfurt hielt eine Verbotsmöglichkeit aus dem Urheberpersönlichkeitsrecht für gegeben.6 Dies wurde im Wesentlichen vom OLG Jena7 und dem BGH8 bestätigt. Im Hinblick auf das Künstlerpersönlichkeitsrecht aber war das LG Erfurt nicht so großzügig.9 Die Berufungsinstanz OLG Jena ging hingegen davon aus, dass auch aus dem Künstlerpersönlichkeitsrecht eine Verbotsmöglichkeit folge.10 In einem Fall wurde die Nutzung schlicht deshalb verboten, weil die NPD die erforderliche Nutzungslizenz bei der GEMA nicht hatte erwerben können.11 Die vorliegende Arbeit will klären, wann Urheber und ausübende Künstler gegen eine Nutzung ihrer Musik im Wahlkampf vorgehen können, insbesondere ob und unter welchen Voraussetzungen sich eine Verbotsmöglichkeit aus den Persönlichkeitsrechten der §§ 14, 75 UrhG ergibt. Dafür wird vor allem zu klären sein, ob in der Nutzung von Musik im Wahlkampf eine indirekte Beeinträchtigung von Urheber- und Künstlerpersönlichkeitsrechten liegt.

5 LG Erfurt Urt. vom 5. 9. 2014 – 3 O 1076/14 – Atemlos (einstweilige Verfügung); LG Erfurt Beschl. vom 29. 9. 2014 – 3 O 1241/14 – Du schreibst Geschichte (einstweilige Verfügung); LG Erfurt Urt. vom 13. 10. 2014 – 3 O 1139/14 – Die Höhner (Widerspruch gegen einstweilige Verfügung); LG Erfurt Teilurt. vom 25. 9. 2015 – 3 O 102/15, BeckRS 2015, 118185 – Die Höhner (Hauptsache); LG Erfurt Urt. vom 13. 10. 2014 – 3 O 1087/14 (Widerspruch gegen einstweilige Verfügung); LG Erfurt Urt. vom 13. 10. 2014 – 3 O 1181/14 – Deine Schuld (einstweilige Verfügung); LG Erfurt Urt. vom 13. 10. 2014 – 3 O 1190/14 (einstweilige Verfügung). Die soweit ersichtlich unveröffentlichten Entscheidungen liegen dem Verfasser vor. 6 LG Erfurt Teilurt. vom 25. 9. 2015 – 3 O 102/15, BeckRS 2015, 118185 – Die Höhner ; LG Erfurt Urt. vom 13. 10. 2014 – 3 O 1087/14, S. 5; LG Erfurt Urt. vom 13. 10. 2014 – 3 O 1139/14, S. 4f. – Die Höhner ; LG Erfurt Urt. vom 13. 10. 2014 – 3 O 1181/14 – Deine Schuld, S. 5; LG Erfurt Urt. vom 13. 10. 2014 – 3 O 1190/14, S. 4. 7 OLG Jena Urt. vom 22. 4. 2015 – 2 U 738/14, ZUM-RD 2015, 670 – Die Höhner ; OLG Jena Urt. vom 22. 6. 2016 – 2 U 868/15, GRUR 2017, 622 – Die Höhner II. 8 BGH Beschl. vom 11. 5. 2017 – I ZR 147/16, GRUR-RR 2018, 61 – Die Höhner (Nichtannahmebeschluss). 9 LG Erfurt Urt. v. 5. 9. 2014 – 3 O 1076/14, S. 4f. – Atemlos; LG Erfurt Urt. v. 13. 10. 2014 – 3 O 1087/14, S. 6; LG Erfurt Urt. v. 13. 10. 2014 – 3 O 1181/14 – Deine Schuld, S. 6. 10 OLG Jena, Urt. v. 18. 3. 2015 – 2 U674/14 – Helene Fischer, abrufbar unter : https://www.tele medicus.info/urteile/Allgemeines-Persoenlichkeitsrecht/1548-OLG-Jena-Az-2-U-67414Schlagersaengerin-kann-Abspielen-eines-bekannten-Hits-auf-Partei-Wahlkampfveran staltung-untersagen-Atemlos.html – Zugriff am 17. 12. 2019. 11 LG Erfurt Beschl. vom 29. 9. 2014 – 3 O 1241/14 – Du schreibst Geschichte, S. 2.

Einleitung

B.

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Gang der Arbeit

Im ersten Kapitel wird untersucht, ob der Urheber die Werkwiedergabe im Wahlkampf bereits aufgrund seiner Verwertungsrechte verbieten kann. Das zweite Kapitel gibt eine Einführung in das Urheber- und das Künstlerpersönlichkeitsrecht und die daraus fließenden Befugnisse. Das dritte Kapitel geht der Frage nach, ob in der Werkwiedergabe im Wahlkampf eine Verletzung von § 14 UrhG liegt. Im vierten Kapitel wird untersucht, ob sich für das Persönlichkeitsrecht der ausübenden Künstler in § 75 UrhG Abweichungen ergeben. Im fünften Kapitel schließlich werden die Rechtsfolgen dargestellt.

Kapitel 1: Nutzungsrechtliche Einordnung der Werkwiedergabe im Wahlkampf

Bevor auf die Persönlichkeitsrechte eingegangen wird, soll untersucht werden, ob der Urheber die Nutzung seines Werkes zu Zwecken der politischen Werbung bereits über seine Verwertungsrechte verbieten kann, also unabhängig vom Urheberpersönlichkeitsrecht. Das Urheberrecht gewährt dem Urheber ein Ausschließlichkeitsrecht, das es ihm ermöglicht, seine ideellen sowie materiellen Interessen durchzusetzen.12 Grundsätzlich kann der Urheber seine ideellen Interessen auch über seine Verwertungsrechte verfolgen.13 Deshalb kommt es auf die Verletzung des Urheberpersönlichkeitsrechts und die dabei vorzunehmenden Abwägungen im Ergebnis nur an, wenn die Nutzung des Werkes grundsätzlich erlaubt ist, der Urheber sie also nicht schon über seine Verwertungsrechte verbieten kann. Die Gerichte in Thüringen haben in den eingangs erwähnten Fällen beide Wege, den über die Verwertungsrechte wie den über Persönlichkeitsrechte, für möglich gehalten. So untersagte das LG Erfurt in einem Fall die Werkwiedergabe, weil es sich um Werbung handle, für die die GEMA keine Lizenz habe einräumen können.14 Das OLG Jena ließ es in einem parallel gelagerten Fall ausdrücklich dahinstehen, ob Verwertungsrechte überhaupt verletzt seien.15 Bevor auf die betroffenen Verwertungsrechte eingegangen wird, sollen kurz die urheberrechtlichen Grundlagen – insbesondere das Verhältnis von Verwertungs- und Persönlichkeitsrechten – dargestellt werden.

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§ 11 Satz 1 UrhG; Schack UrhR, Rn 12. SL–v. Ungern-Sternberg, § 15 UrhG Rn 209. LG Erfurt Beschl. v. 29. 9. 2014 – 3 O 1241/14 – Du schreibst Geschichte, S. 2. OLG Jena ZUM-RD 2015, 670 – Die Höhner.

16

A.

Nutzungsrechtliche Einordnung der Werkwiedergabe im Wahlkampf

Urheberrechtliche Grundlagen

Das Urheberrecht hat zwei integrale Bestandteile: einen vermögensrechtlichen und einen persönlichkeitsrechtlichen.16 Das Urheberpersönlichkeitsrecht steht also nicht neben dem Urheberrecht, sondern ist Teil desselben.17 Dabei soll das Urheberrecht primär die immateriellen Interessen des Urhebers schützen.18 Es ist insoweit ein Herrschaftsrecht über das Werk als Persönlichkeitsbestandteil.19 Dass die Persönlichkeit des Urhebers im Vordergrund steht, zeigt sich außer in § 11 Satz 1 UrhG auch daran, dass die persönlichkeitsrechtlichen Befugnisse in §§ 12–14 UrhG den Verwertungsrechten vorangestellt wurden.20 Zwischen dem Urheber und einem von ihm geschaffenen Werk besteht ein geistiges Band, da der Urheber in jedem Werk Spuren seiner Persönlichkeit hinterlässt.21 Das Urheberpersönlichkeitsrecht soll dieses geistige Band schützen, Schutzgegenstand ist also weder der Urheber noch das Werk als solches.22 Im Vordergrund steht die Beziehung des Urhebers zu seinem Werk und nicht das Werk.23 Das Urheberrecht muss also mindestens so weit reichen, wie das Werk noch von der Persönlichkeit des Urhebers beeinflusst ist.24 Das Werk erlaubt aufgrund dieser Verbindung mit dem Urheber Rückschlüsse auf dessen künstlerische Auffassung oder politische Einstellung sowie sein handwerkliches Können.25 Für den Urheber besteht deshalb die Gefahr, dass sich – etwa weil das Werk im Nachhinein verändert wurde – ein falsches Persönlichkeitsbild ergibt.26 Vom Urheberrecht nicht erfasst werden die persönliche Ehre des Urhebers und dessen Gesamtwerk (Œuvre). Diese Interessen können jedoch über das allgemeine Persönlichkeitsrecht geschützt sein.27 Auch eine Kunstkritik an

16 Peifer Individualität, 57; Schack UrhR, Rn 22. Zum monistischen Verständnis der beiden Komponenten siehe unten S. 19. 17 A. A. wohl Federle, 29, der das Urheberpersönlichkeitsrecht als ein Mischrecht aus Immaterialgüterrecht und allgemeinem Persönlichkeitsrecht ansieht. 18 Schack UrhR, Rn 32. 19 Schlingloff GRUR 2017, 572, 573. 20 Schack UrhR, Rn 353. 21 FN–Dustmann, vor § 12 UrhG Rn 2. 22 MöNic–Kroitzsch/Götting, § 11 UrhG Rn 5; Schack UrhR, Rn 353; Ulmer, 111; Wallner, 37. 23 BTDr IV/270, S. 37. 24 Vgl. Gierke, 764. 25 KG GRUR-RR 2008, 188, 190 – Abdruck privater Briefe mit politisch-historischem Inhalt; MöNic– Kroitzsch/Götting, § 12 UrhG Rn 1; Federle, 30; Gantz, 48; Schack KuR, Rn 256; Wallner, 37. 26 Federle, 30; Kellerhals Urheberpersönlichkeitsrechte im Arbeitsverhältnis, 91f. 27 Schack UrhR, Rn 44.

Urheberrechtliche Grundlagen

17

einzelnen Werken lässt sich über das Urheberpersönlichkeitsrecht nicht untersagen.28

I.

Schutzvoraussetzungen

Auch wenn das Urheberrecht nicht das Werk als solches schützt, ist ein konkretes Werk doch stets Voraussetzung für das Entstehen eines Urheberrechts.29 Eine bloße Idee, eine bestimmte Technik oder ein Stil sind noch nicht schutzfähig.30 Erforderlich ist vielmehr eine Formgebung durch den Urheber.31 Auf eine körperliche Fixierung des Werkes hingegen kommt es für das Urheberrecht nicht an.32 Schutzfähig ist die freie Rede genauso wie eine Live-Darbietung.33 Das Urheberrecht besteht unabhängig von der Existenz oder Fortexistenz eines Werkstücks.34 Es erlischt auch nicht mit der Zerstörung des letzten Werkexemplars. Das Urheberrecht am Geisteswerk ist strikt vom dem Sacheigentum am Werkexemplar zu trennen.35 Weil das Urheberrecht das geistige Band zwischen dem Urheber und seinem Werk schützen soll, kommt ein Urheberrecht auch nur in Frage, wenn ein geistiger Gehalt des Werkes vorhanden ist, in dem sich die dahinter stehende Persönlichkeit des Schöpfers widerspiegelt.36 Ein solcher Ausdruck der Persönlichkeit setzt voraus, dass ein Gestaltungsspielraum genutzt worden ist; man spricht hier von Individualität als Schutzvoraussetzung in § 2 II UrhG.37 Wo dieser Spielraum fehlt, weil die Gestaltung natürlich vorgegeben ist, kann kein Urheberrecht entstehen.38 Das Monopolrecht ist nur gerechtfertigt, weil und soweit das Urheberrecht – im Gegensatz zum Vorgefundenen (objet trouv8) – etwas von der Person des Schöpfers enthält.39 Die persönliche Prägung des Werkes muss jedoch nicht so stark sein, dass jeder den Urheber im Werk wiedererkennt und es ihm auf Anhieb zuordnen kann.40 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40

Siehe unten S. 51. Wallner, 64. DS–Schulze, § 2 UrhG Rn 37ff. Schack UrhR, Rn 187. Schack UrhR, Rn 253. Schack UrhR, Rn 187. Schack UrhR, Rn 34. BGHZ 44, 288, 295 – Apfel-Madonna; DS–Dreier, Einl. Rn 7; Eggert UFITA 138 (1999), 183, 192f.; Schack UrhR, Rn 34; vgl. § 44 UrhG. Schack UrhR, Rn 185. Peifer Individualität, 82; Schack UrhR, Rn 189ff. (Vgl. schon Gierke, 766, der allerdings noch den Begriff der Originalität verwendete). Peifer Individualität, 82. Haberstumpf Handbuch UrhR, Rn 95. Peifer Individualität, 82.

18

Nutzungsrechtliche Einordnung der Werkwiedergabe im Wahlkampf

Ästhetisch im klassischen Sinne muss ein Werk nicht sein,41 ebenso unerheblich sind die Qualität und der Umfang des Werkes, der Herstellungsaufwand und die wirtschaftliche Verwertbarkeit.42

II.

Der Urheber

Im Mittelpunkt des Urheberrechts steht der Urheber.43 In seiner Person entsteht das Urheberrecht mit dem Realakt der Schöpfung.44 Für die Erlangung des Urheberrechts muss der Urheber nichts weiter – wie etwa eine Registereintragung – tun, er kann dessen Entstehung aber auch nicht verhindern.45 Das Urheberrecht wird nämlich von der Rechtsordnung nur anerkannt und nicht verliehen, da es naturrechtlich vorgegeben ist, soweit es der Person des Schöpfers entspringt.46 Ein auf die Erlangung des Urheberrechts gerichteter Wille, Geschäftsfähigkeit oder volles Bewusstsein sind daher nicht erforderlich, Stellvertretung ist ausgeschlossen.47 Anders als beim Herstellerbegriff des § 950 BGB kann auch nicht vertraglich vereinbart werden, wer Urheber sein soll.48 Das Urheberrecht entsteht zwingend in der natürlichen Person, die das Werk geschaffen hat.49 Juristische Personen können nach deutschem Urheberrecht immer nur Inhaber abgeleiteter Nutzungsrechte, niemals selbst Urheber sein.50 Dieser Unterschied zu gewerblichen Schutzrechten beruht auf dem persönlichkeitsrechtlichen Fundament des Urheberrechts.51 Wenn mehrere ein Werk gemeinsam schaffen, werden sie zu Miturhebern, § 8 I UrhG. Es besteht nur ein Urheberrecht an dem geschaffenen Werk.52 Kraft Gesetzes entsteht eine modifizierte Gesamthandgemeinschaft.53 Der einzelne Miturheber ist allerdings frei in Bezug auf diejenigen persönlichkeitsrechtlichen Befugnisse, die nur ihn betreffen.54 Wenn die Miturheber darüber hinaus eine Miturhebergesellschaft begründen, ist zu beachten, dass der einzelne Miturhe41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54

Schack UrhR, Rn 186. Haberstumpf Handbuch UrhR, Rn 99. Ulmer, 7. Schack UrhR, Rn 252. FN–Axel Nordemann, UrhG Einl. Rn 17, 21. Peifer Individualität, 76. Schack UrhR, Rn 302, 305, 307; Wallner, 66. Ahrens GRUR 2013, 21. Schack UrhR, Rn 183f., 300. Schack UrhR, Rn 301. FN–Dustmann, vor § 12 UrhG Rn 2. Schack UrhR, Rn 319. Vgl. Ulmer, 191; Schack FS Schmidt, 315, 322. Schack UrhR, Rn 320.

Urheberrechtliche Grundlagen

19

ber durch die vertragliche Ausgestaltung nicht daran gehindert werden kann, seine persönlichkeitsrechtlichen Interessen wahrzunehmen.55

III.

Verhältnis von Urheberpersönlichkeits- und Verwertungsrechten

Das Urheberrecht hat eine vermögensrechtliche Seite, die zur Einordnung als Immaterialgüterrecht führt, und eine ideelle persönlichkeitsrechtliche Seite.56 Die Beziehung der beiden Aspekte wird heute ganz herrschend im Sinne der auf Allfeld57 zurückgehenden monistischen Auffassung verstanden, wonach beide eine untrennbare Einheit bilden.58 Denn auch die Verwertungsrechte enthalten persönlichkeitsrechtliche Aspekte, jede wirtschaftliche Nutzung kann zugleich persönliche Interessen des Urhebers berühren.59 Umgekehrt würde eine rein persönlichkeitsrechtliche Einordnung übersehen, dass spätestens mit der Veröffentlichung des Werkes eine gewisse Verselbstständigung eintritt, das Werk sich von der Person seines Schöpfers löst.60 Die monistische Auffassung hat der deutsche Gesetzgeber dem UrhG von 1965 in § 11 Satz 1 zugrunde gelegt.61 Durch die monistische Theorie wird das Urheberrecht als einheitliches Ganzes bewahrt und damit in seiner Verkehrsfähigkeit gesichert.62 Besonders deutlich wird dies daran, dass das Urheberrecht gemäß §§ 28 I, 30 UrhG als Ganzes auf die Erben übergeht. Aus demselben Grund ist das gesamte Urheberrecht wegen seiner persönlichkeitsrechtlichen Komponente unübertragbar, § 29 I UrhG.63 Würde man hingegen Verwertungsrechte und Urheberpersönlichkeitsrechte getrennte Wege gehen lassen, d. h. dualistisch auffassen – etwa im Erbfall zwischen Erben und nächsten Angehörigen aufteilen – so könnten beide Rechtsinhaber sich wechselseitig blockieren, wodurch das Urheberrecht letztlich für beide an Wert verlöre.64 Das Urheberrecht gewährt dem Urheber ein Ausschließlichkeitsrecht, das es ihm ermöglicht, seine ideellen wie materiellen Interessen durchzusetzen. Der Urheber kann deshalb sein Urheberpersönlichkeitsrecht nutzen, um materielle Interessen zu verfolgen.65 Umgekehrt kann er seine ideellen Interessen grund55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65

Sontag, 78. SL–Loewenheim, Einl. Rn 28; Ulmer, 12. Allfeld, 2f. Statt vieler SL–Loewenheim, Einl. Rn 28; Fromlowitz, 41; Kellerhals UFITA 2000-III, 617, 620. Peifer Individualität, 128; Samson, 6; Ulmer, 4. Ulmer, 110f. BTDr IV/270, S. 43, 44. Schack UrhR, Rn 344. Sattler, 37. Schack GRUR 1985, 352, 355. FN–Dustmann, vor § 12 UrhG Rn 8; Dreier besonderer Persönlichkeitsschutz, 9, 11.

20

Nutzungsrechtliche Einordnung der Werkwiedergabe im Wahlkampf

sätzlich auch über seine Verwertungsrechte durchsetzen.66 Dies ändert sich, sobald er die ausschließlichen Nutzungsrechte einer Verwertungsgesellschaft wie der GEMA eingeräumt hat.67 Dann kann der Urheber grundsätzlich nur noch über das ihm verbliebene Urheberpersönlichkeitsrecht vorgehen.68 Es wurde zwar kritisiert, dass ein Urheber aus seinen persönlichkeitsrechtlichen Befugnissen vorgehen kann, wenn er in Wahrheit vermögensrechtliche Interessen verfolgt.69 So kann etwa ein Architekt sein Urheberpersönlichkeitsrechts als Druckmittel einsetzen, um den Auftrag für spätere Umbauten eines Bauwerks zu erhalten.70 Dies beruht jedoch darauf, dass zwischen beiden nicht trennscharf unterschieden werden kann, und ist daher hinzunehmen.

B.

Betroffene Verwertungsrechte

Gemäß § 15 I UrhG hat der Urheber das ausschließliche Recht, sein Werk in körperlicher Form zu verwerten. Gleiches gilt nach Absatz 2 für die Verwertung in unkörperlicher Form (öffentliche Wiedergabe). Die genannten Befugnisse sind – wie sich aus dem Wort »insbesondere« ergibt – nur beispielhaft aufgezählt. Im Zusammenhang mit politischer Werbung kommen je nach Art der Nutzung verschiedene Rechte in Betracht: Das Aufführungsrecht aus § 19 II Alt. 1 UrhG ist betroffen, wenn ein Werk der Musik durch persönliche Darbietung zu Gehör gebracht wird. Das wäre der Fall, wenn die Musik bei einer Wahlkampfveranstaltung von einer Live-Band gespielt wird. Diese sogenannten »kleinen Rechte« zur konzertmäßigen Aufführung werden von der GEMA wahrgenommen.71 Wenn das Werk nicht persönlich dargeboten, sondern mittels eines Tonträgers wiedergegeben wird, ist § 21 UrhG einschlägig. Auch dieses Recht wird von der GEMA wahrgenommen.72 § 22 UrhG wäre betroffen, wenn etwa ein Radio laufen gelassen würde; auch dies ist zustimmungsbedürftig.73 Im Zusammenhang mit Werbung dürfte diese Nutzungsform jedoch zu vernachlässigen sein, da der Werbende keinen Einfluss auf die Auswahl der wiedergegebenen Werke hat und das sonstige Programm des Radiosenders von der Werbebotschaft ablenkt. SL–v. Ungern-Sternberg, § 15 UrhG Rn 209; Dreier besonderer Persönlichkeitsschutz, 9, 11. v. Welser, 118f. Vgl. dazu unten S. 24. Ernst jurisPR-WettbR 2016, Anm. 4. Vgl. Goldmann GRUR 2005, 639. § 1 a) GEMA-Berechtigungsvertrag idF vom 16./17. Mai 2018, abgedruckt im GEMA Jahrbuch 2018/2019, S. 213. Zur Rolle der GEMA siehe unten S. 24. 72 § 1 g) GEMA-Berechtigungsvertrag vom 16./17. 5. 2018. 73 Schack UrhR, Rn 466.

66 67 68 69 70 71

Betroffene Verwertungsrechte

21

Die Verwertungsrechte der ausübenden Künstler sind deutlich schwächer als die der Urheber in §§ 15ff. UrhG. Verbotsrechte bestehen nur für die Fixierung der Darbietung auf einen Bild- oder Tonträger (§ 77 I UrhG), die Vervielfältigung und Verbreitung dieses Bild- oder Tonträgers (§ 77 II UrhG), die öffentliche Zugänglichmachung der Darbietung (§ 78 I Nr. 1 UrhG), deren Funksendung vor dem Erscheinen oder der erlaubten öffentlichen Zugänglichmachung von Tonträgern (§ 78 I Nr. 2 UrhG) und die Übertragung der Darbietung in einen anderen Raum (§ 78 I Nr. 3 UrhG). Ansonsten haben ausübende Künstler nur die Vergütungsansprüche des § 78 II UrhG, vor allem bei der erlaubten Funksendung eines Bild- oder Tonträgers (§ 78 II Nr. 1 UrhG) oder bei der öffentlichen Wahrnehmbarmachung mittels eines Bild- oder Tonträgers (Nr. 2) und bei der öffentlichen Wahrnehmbarmachung einer Funksendung oder öffentlichen Zugänglichmachung (Nr. 3). Insbesondere die öffentliche Wahrnehmbarmachung mittels eines Tonträgers auf einer Wahlkampfveranstaltung können ausübende Künstler also wegen § 78 II Nr. 2 UrhG nicht aufgrund von Verwertungsrechten verbieten. Sie sind dafür auf ihr Künstlerpersönlichkeitsrecht angewiesen.74 Die Vergütungsansprüche aus § 78 II Nr. 2 und Nr. 3 UrhG werden von der GVL wahrgenommen.75 In diesem Zusammenhang nimmt die GVL auch die Ausschließlichkeitsrechte der §§ 77 I, II und § 78 I Nr. 1 UrhG wahr.76 Das Inkasso für die Ansprüche aus § 78 II Nr. 2 und Nr. 3 hat für die GVL die GEMA übernommen.77 Noch schwächer ist die Position der Tonträgerhersteller. Sie haben gemäß § 85 I 1 UrhG »das ausschließliche Recht, den Tonträger zu vervielfältigen, zu verbreiten und öffentlich zugänglich zu machen«. Die öffentliche Wiedergabe eines erschienenen Tonträgers können sie also ebenfalls nicht verhindern.78 Nach dessen Erscheinen haben sie nur noch den Anspruch auf Beteiligung an der Vergütung aus § 86 UrhG. Auch gegen eine Entstellung können Tonträgerhersteller nicht vorgehen, da ihre Verbotsrechte des § 85 I 1 UrhG abschließend sind.79

74 Vgl. unten S. 43, 81. 75 § 1 I Nr. 1 GVL-Berechtigungsvertrag idF vom 20. Juni 2018, abrufbar unter : https://www. gvl.de/gvl/dokumente-und-formulare – Zugriff am 17. 12. 2019. 76 § 1 I Nr. 2 a) GVL-Berechtigungsvertrag vom 20. 6. 2018. 77 Vgl. § 44 VGG; SL–Grünberger, § 78 UrhG Rn 62. 78 FN–Boddien, § 85 UrhG Rn 51. 79 FN–Boddien, § 85 UrhG Rn 50; Schack UrhR, Rn 699.

22

C.

Nutzungsrechtliche Einordnung der Werkwiedergabe im Wahlkampf

Schranken des Urheberrechts

Die Schranken begrenzen das Urheberrecht im Interesse der Allgemeinheit.80 Dabei ist die Regelungstechnik der Gewährung und Einschränkung von Ausschließlichkeitsrechten so zu verstehen, dass die Rechte von Anfang an nur in den gesetzlichen Grenzen gewährt werden, so dass keine Enteignung vorliegt.81 Im Zusammenhang mit politischem Wahlkampf kommt allenfalls die Schranke der öffentlichen Wiedergabe in § 52 I UrhG in Betracht. Gemäß § 52 I 2 UrhG wäre hierfür zwar eine Vergütung zu zahlen, die Wiedergabe auf den privilegierten Veranstaltungen wäre aber erlaubnisfrei. Man spricht hier von einer gesetzlichen Lizenz.82 Trotz dieser Bezeichnung wird dem Nutzer hiermit jedoch kein Nutzungsrecht eingeräumt, das mit einer vertraglichen Lizenz vergleichbar wäre.83 Vielmehr entsteht durch den Realakt der Nutzungshandlung ein gesetzliches Schuldverhältnis zwischen dem Verwerter und dem Berechtigten mit dem Inhalt eines gesetzlichen Vergütungsanspruchs.84 Die NPD scheint nicht davon ausgegangen zu sein, dass ihre Werknutzung durch eine Schranke erlaubt wäre. Sie berief sich nämlich darauf, die entsprechenden Nutzungsrechte bei der GEMA erworben zu haben.85 Das LG Erfurt indes hielt ein Eingreifen von § 52 UrhG anscheinend für denkbar, da es darauf hingewiesen hat, dass Urheberpersönlichkeitsrechte hierdurch nicht berührt würden.86 Damit die Schranke des § 52 UrhG greift, müssen kumulativ drei Bedingungen vorliegen: Die Wiedergabe darf keinem Erwerbszweck des Veranstalters dienen, die Teilnehmer müssen ohne Entgelt zugelassen werden und ausübende Künstler dürfen keine besondere Vergütung erhalten.87 Mit der Annahme des Erwerbszwecks ist man schnell bei der Hand. Eine Gewinnerzielungsabsicht ist nicht erforderlich.88 So wurde ein Erwerbszweck für Betriebsfeiern bejaht, da sie die Zufriedenheit der Arbeitnehmer förderten, wovon mittelbar auch der Betrieb profitiere.89 Für den Erwerbszweck kommt es 80 81 82 83 84 85 86 87 88 89

SL–Melichar/Stieper, vor §§ 44a ff. UrhG Rn 1. BVerfGE 49, 382, 393 – Kirchenmusik; Schack UrhR, Rn 512; Stieper, 129f. SL–Melichar/Stieper, vor §§ 44a ff. UrhG Rn 10; Schack UrhR, Rn 475f. SL–Melichar/Stieper, vor §§ 44a ff. UrhG Rn 10. DS–Dreier, vor § 44a UrhG Rn 16; SL–Melichar/Stieper, vor §§ 44a ff. UrhG Rn 42f. LG Erfurt Urt. v. 13. 10. 2014 – 3 O 1139/14, S. 3 – Die Höhner ; LG Erfurt Urt. v. 13. 10. 2014 – 3 O 1087/14, S. 3; LG Erfurt Urt. v. 13. 10. 2014 – 3 O 1181/14 – Deine Schuld, S. 4; LG Erfurt Urt. v. 13. 10. 2014 – 3 O 1190/14, S. 3. Vgl. LG Erfurt Teilurt. v. 25. 9. 2015 – 3 O 102/15, BeckRS 2015, 118185 – Die Höhner. DS–Dreier, § 52 UrhG Rn 5; SL–Melichar, § 52 UrhG Rn 11. BGH GRUR 1961, 97, 99 – Sportheim. BGHZ 17, 376, 382 – Betriebsfeiern.

Schranken des Urheberrechts

23

auch nicht darauf an, welche Rechtsform der Veranstalter hat.90 Veranstalter ist, wer organisatorisch und finanziell für die Aufführung verantwortlich ist.91 Es soll aber auch ausreichen, das gewerbliche Interesse eines Dritten zu fördern. Das kann der Gastwirt sein, in dessen Räumlichkeiten die Veranstaltung stattfindet, wenn dadurch dessen Umsatz an Speisen und Getränken gefördert wird.92 Demnach wären Wahlkampfveranstaltungen jedenfalls dann nicht von der Vorschrift privilegiert, wenn sie in Räumlichkeiten stattfinden, in denen Speisen und Getränke verkauft werden. Aber auch für die klassischen Wahlkampfveranstaltungen auf Marktplätzen wird man zumindest einen mittelbaren Erwerbszweck annehmen müssen. Unmittelbar wird zwar meist um die Stimmen bei einer bevorstehenden Wahl geworben. Mittelbar wird aber auch das Ziel verfolgt, Spenden einzuwerben. Die Veranstaltung ist nur privilegiert, wenn kein Entgelt von den Teilnehmern erhoben wird. Der Begriff des Entgelts wird hier weit verstanden.93 Werden Eintrittsgebühren erhoben, so liegt hierin nicht nur ein Entgelt, sondern es kann auch zur Annahme eines Erwerbszwecks führen.94 Damit das Erfordernis der Entgeltfreiheit daneben eine eigenständige Bedeutung behält, werden auch die Erstattung von Kosten und vergleichbare Beiträge erfasst.95 Spenden und Mitgliedsbeiträge sind jedenfalls dann kein Entgelt, wenn die Teilnahme an der Veranstaltung hiervon unabhängig ist.96 Eine besondere Vergütung wird weit verstanden und liegt bei jedem geldwerten Vorteil vor, den der ausübende Künstler erhält, jedoch noch nicht bei einer bloßen Kostenerstattung.97 Erfasst werden hier nur die ausübenden Künstler und nicht etwa Techniker oder andere Mitwirkende, deren Bezahlung unschädlich ist.98 Professionelle Live-Musiker werden in der Regel nicht auf Wahlkampfveranstaltungen spielen, ohne dafür eine Gage zu fordern. Im Ergebnis fallen Wahlkampfveranstaltungen daher nicht unter § 52 UrhG.99 Das deckt sich mit dem Zweck der Vorschrift. § 52 UrhG dient dem Interesse der Allgemeinheit am Zugang zu urheberrechtlich geschützten Werken.100 Hierbei

90 91 92 93 94 95 96 97 98 99

SL–Melichar, § 52 UrhG Rn 13. BGH GRUR 1956, 515, 516 – Tanzkurse. BGHZ 17, 376, 382 – Betriebsfeiern. SL–Melichar, § 52 UrhG Rn 17. SL–Melichar, § 52 UrhG Rn 17 mit Fn 92. FN–Dustmann, § 52 UrhG Rn 15. FN–Dustmann, § 52 UrhG Rn 15. FN–Dustmann, § 52 UrhG Rn 16; SL–Melichar, § 52 UrhG Rn 18f. FN–Dustmann, § 52 UrhG Rn 16. So auch Berger jurisPR-ITR 2016, Anm. 3; a. A. ohne nähere Begründung Schlingloff GRUR 2017, 572, 579. 100 SL–Melichar, § 52 UrhG Rn 1; Haberstumpf Handbuch UrhR, Rn 363.

24

Nutzungsrechtliche Einordnung der Werkwiedergabe im Wahlkampf

spielen auch soziale Erwägungen eine Rolle.101 Bei der Wiedergabe eines Werkes auf einer Wahlkampfveranstaltung geht es aber ausschließlich um das Interesse des Werbenden, das Werk für seine Zwecke zu nutzen. Dass dabei auch Dritten der Werkgenuss ermöglicht wird, ist lediglich Mittel zum Zweck. Sollte man entgegen der hier vertretenen Ansicht § 52 UrhG für einschlägig halten, bleibt zu beachten, dass das Urheberpersönlichkeitsrecht von den Schranken des Urheberrechts grundsätzlich nicht berührt wird.102 Eine Entstellung bleibt auch dann verboten, wenn sie im Rahmen einer gesetzlich erlaubten Nutzung erfolgt.103

D.

Rechtewahrnehmung

Eine unmittelbare Einräumung von Nutzungsrechten durch den Urheber an den Werknutzer ist eher selten. Kommt sie ausnahmsweise vor, dann reicht sie nur so weit, wie es für den Vertragszweck, die übliche Verwertung des Werkes erforderlich ist, § 31 V UrhG.104 Die Verwendung zu Werbezwecken zählt nicht zur üblichen Verwertung eines Werkes und ist daher regelmäßig nicht erfasst.105 Der Urheber müsste also ausdrücklich in die Verwendung seines Werkes zu Wahlkampfzwecken einwilligen, damit diese von einer individuellen Nutzungsrechtseinräumung erfasst wäre. Ein gutgläubiger Erwerb der Nutzungsrechte kommt im Urheberrecht mangels eines Rechtsscheinträgers nicht in Betracht.106 Praktisch entscheidend ist daher, ob die politischen Parteien die Nutzungsrechte zur Wahlkampfwerbung von der GEMA erwerben können. In den eingangs erwähnten Fällen ging die NPD davon aus, dass die Wiedergabe der Musik auf ihren Wahlkampfveranstaltungen in Ordnung gewesen sei, weil ihr die GEMA die Lizenzen hierfür eingeräumt habe.107 Die Verwertungsgesellschaft ist kraft des Kontrahierungszwangs in § 34 I 1 VGG verpflichtet, jedermann auf Verlangen zu angemessenen Bedingungen 101 FN–Dustmann, § 52 UrhG Rn 1. 102 OLG Jena ZUM-RD 2015, 670, 672 – Die Höhner ; OLG Jena GRUR 2017, 622, 625 – Die Höhner II; LG Erfurt Teilurt. v. 25. 9. 2015 – 3 O 102/15, BeckRS 2015, 118185 – Die Höhner ; FN–Dustmann, vor §§ 44a ff. UrhG Rn 7, § 52 UrhG Rn 35; SL–Melichar/Stieper, vor §§ 44a ff. UrhG Rn 19; Haberstumpf Handbuch UrhR, Rn 315; Schack UrhR, Rn 513. 103 FN–Dustmann, § 52 UrhG Rn 35; Schack UrhR, Rn 513. 104 BGHZ 9, 262, 265 – Lied der Wildbahn. 105 BGH GRUR 1979, 637, 639 – White Christmas. 106 SL–Ohly, § 31 UrhG Rn 25; Schack UrhR, Rn 601. 107 LG Erfurt Urt. v. 13. 10. 2014 – 3 O 1139/14, S. 3 – Die Höhner ; LG Erfurt Urt. v. 13. 10. 2014 – 3 O 1087/14, S. 3; LG Erfurt Urt. v. 13. 10. 2014 – 3 O 1181/14 – Deine Schuld, S. 4, LG Erfurt Urt. v. 13. 10. 2014 – 3 O 1190/14, S. 3. Vgl. auch Paterson ›Angie‹ Merkel in row with Rolling Stones over song.

Rechtewahrnehmung

25

Nutzungsrechte einzuräumen. Sobald der Urheber einen Wahrnehmungsvertrag mit einer Verwertungsgesellschaft abgeschlossen und ihr seine ausschließlichen Nutzungsrechte eingeräumt hat, hat er deshalb grundsätzlich keinen Einfluss mehr darauf, wem die Verwertungsgesellschaft später (einfache) Nutzungsrechte einräumt. Eine Ausnahme vom Abschlusszwang kommt im Einzelfall nur aufgrund vorrangiger Interessen des Urhebers in Betracht.108 Es wäre widersinnig, wenn Verwertungsgesellschaften sehenden Auges Lizenzen vergeben müssten, obwohl die geplante Nutzung Urheberpersönlichkeitsrechte verletzen würde und somit trotz der Lizenz verboten werden könnte.109 Da Verletzungen des Urheberpersönlichkeitsrechts häufig irreparabel sind, muss in solchen Fällen nicht auf die Rechtsverletzung gewartet werden, sondern es kann bereits die Lizenz verweigert werden.110 Das Verlangen nach einer Lizenz ist in diesen Fällen rechtsmissbräuchlich und ein Verstoß gegen § 242 BGB.111 Selbstverständlich können von der GEMA Lizenzen aber nur für solche Nutzungsarten erworben werden können, für die die GEMA ihrerseits die Nutzungsrechte von den Urhebern erworben hat.

I.

GEMA-Berechtigungsvertrag bis 2010

Seitens der GEMA ging man davon aus, dass eine kollektive Wahrnehmung mit ihrem Abschlusszwang gegenüber den Nutzern im Bereich der Werbung aufgrund der persönlichkeitsrechtlichen Interessen der Urheber nicht in Betracht komme.112 Die Befugnis, in derartige Nutzungen einzuwilligen, sollte daher dem Berechtigten vorbehalten werden. Die entsprechende Regelung im Berechtigungsvertrag lautete: § 1 Der Berechtigte überträgt hiermit der GEMA […] k) Unberührt bleibt die Befugnis des Berechtigten, die Einwilligung zur Benutzung eines Werks (mit oder ohne Text) zur Herstellung von Werbespots der Werbung betreibenden Wirtschaft, z. B. im Rundfunk (Hörfunk und Fernsehen) zu erteilen.

108 109 110 111 112

BGHZ 181, 1, 4f. – Seeing is Believing. Banck, 110, 136. Banck, 136. Banck, 110. Kreile/Becker/Riesenhuber–Staudt, 341 Rn 282.

26

Nutzungsrechtliche Einordnung der Werkwiedergabe im Wahlkampf

Die GEMA ging aber davon aus, dass, sobald der Berechtigte seine Einwilligung erteilt habe, die GEMA die Rechte für die weitere Verwertung wahrnehme.113 Der BGH sah allerdings in der Nutzung zu Werbezwecken eine eigenständige Nutzungsart, für die die Rechte nicht auf die GEMA übertragen worden seien.114 Nach dem Übertragungszweckgedanken des § 31 V UrhG könne nicht davon ausgegangen werden, dass der GEMA das Recht eingeräumt worden sei, Musikwerke zu Werbezwecken zu nutzen, da dies keine übliche und voraussehbare Form der Werknutzung sei.115 Eine Rechtewahrnehmung komme demnach auch dann nicht in Betracht, wenn der Urheber die Nutzung im Einzelfall erlaubt hätte.116

II.

GEMA-Berechtigungsvertrag seit 2010

Die GEMA reagierte auf die Entscheidung des BGH mit einer Änderung des Berechtigungsvertrages auf einer außerordentlichen Mitgliederversammlung im März 2010.117 Seitdem ist im Berechtigungsvertrag vorgesehen, dass auch die Nutzung zu Werbezwecken von der Rechtseinräumung erfasst ist, jedoch unter der auflösenden Bedingung, dass der Urheber die Nutzung im Einzelfall verbietet.118 § 1 lit. K des Berechtigungsvertrags von 2010 lautet: § 1 Der Berechtigte überträgt hiermit der GEMA […] k) Hinsichtlich der Nutzung von Werken der Tonkunst (mit oder ohne Text) zu Werbezwecken wird im Sinne einer separaten Rechtewahrnehmung durch den Berechtigten einerseits und die GEMA andererseits wie folgt unterschieden: Die Befugnis, im jeweiligen Einzelfall Dritten die Zustimmung zur Benutzung eines Werkes der Tonkunst (mit oder ohne Text) zu Werbezwecken zu erteilen oder eine solche Benutzung zu verbieten, verbleibt beim Berechtigten. Die Zustimmung kann räumlich, zeitlich und/oder inhaltlich beschränkt werden. Der Berechtigte überträgt der GEMA die in den Absätzen a) bis h) und l) genannten Rechte unter einer auflösenden Bedingung jeweils auch zu Werbezwecken. Die Bedingung tritt ein, wenn der Berechtigte von seiner Befugnis Gebrauch macht und die Benutzung gemäß Absatz (1) im Einzelfall gegenüber einem Dritten verbietet und der Berechtigte dies der GEMA schriftlich mitteilt. 113 GEMA BGH-Urteil bezüglich Verwendung von Musik in Werbung: GEMA prüft Konsequenzen für die Rechtewahrnehmung – Pressemitteilung vom 14. 12. 2009. 114 BGH GRUR 2010, 62, 63 – Nutzung von Musik für Werbezwecke. 115 BGH GRUR 2010, 62, 63 – Nutzung von Musik für Werbezwecke; BGH GRUR-RR 2018, 61, 62 – Die Höhner. 116 BGH GRUR 2010, 62, 63 – Nutzung von Musik für Werbezwecke. 117 Heker/Riesenhuber–Staudt/Welpe, 296 Rn 239. 118 § 1 k) II GEMA-Berechtigungsvertrag idF vom 16./17. Mai 2018.

Rechtewahrnehmung

27

Zum Schutz der persönlichkeitsrechtlichen Interessen der Urheber erfolgt die Lizenzierung also zweistufig: Zunächst entscheidet der Urheber individuell über das Ob der Nutzung seiner Werke zu Werbezwecken.119 Anschließend werden die hierfür erforderlichen Rechte von der GEMA lizenziert.120 Die Urheber räumen der GEMA diese Rechte allerdings nur unter der auflösenden Bedingung ein, dass sie dem Dritten die Nutzung zu Werbezwecken verbieten und dies der GEMA schriftlich mitteilen.121 Daneben wurde auch die Formulierung der Nutzung »zu Werbezwecken« weiter gefasst. Hierunter ist jede Nutzung zu verstehen, bei der ein innerer Zusammenhang zwischen einer Werbeaussage und der genutzten Musik hergestellt wird.122

III.

GVL-Berechtigungsvertrag

Der GVL-Berechtigungsvertrag hingegen klammert die Nutzung zu Werbezwecken ausdrücklich aus.123 Insoweit müssen die ausübenden Künstler ihre wenigen Rechte also selbst wahrnehmen. Auch zu Künstlerpersönlichkeitsrechten schweigt der GVL-Berechtigungsvertrag. Die GVL spielt damit im Zusammenhang mit der Nutzung von Musik zu Wahlkampfzwecken keine nennenswerte Rolle.

IV.

Wahrnehmung von Persönlichkeitsrechten

Von den Berechtigungsverträgen unberührt bleibt die Befugnis des Urhebers, entstellende Werknutzungen gestützt auf sein Urheberpersönlichkeitsrecht zu verbieten. Zu dessen Ausübung ist die GEMA durch den Berechtigungsvertrag jedoch nicht ermächtigt.124 Das gleiche gilt für den GVL-Berechtigungsvertrag. Anerkannt ist, dass Persönlichkeitsrechtsinhaber ihre Persönlichkeitsrechte durch Dritte wahrnehmen lassen können.125 Da eine Übertragung des Rechts ausscheidet, lässt sich dies dogmatisch nur als aus § 185 BGB abgeleitete Ermächtigung zu verfügungsähnlichen Handlungen einordnen.126 Der Urheber 119 120 121 122 123 124 125 126

Heker/Riesenhuber–Staudt/Welpe, 295 Rn 237. Heker/Riesenhuber–Staudt/Welpe, 295 Rn 238. Heker/Riesenhuber–Staudt/Welpe, 295 Rn 238. Heker/Riesenhuber–Staudt/Welpe, 298 Rn 244. § 1 III GVL-Berechtigungsvertrag idF vom 20. Juni 2018. LG Hamburg GRUR-RR 2015, 140, 142 – Forever Young. BGHZ 50, 133, 137 – Mephisto. Schack UrhR, Rn 638.

28

Nutzungsrechtliche Einordnung der Werkwiedergabe im Wahlkampf

bleibt damit stets aktivlegitimiert, kann seine Interessen also auch selbst verfolgen.127 Der Dritte kann die Ansprüche, die sich aus der Verletzung ergeben,128 im Wege der gewillkürten Prozessstandschaft gerichtlich geltend machen.129

E.

Zwischenergebnis

Auf dem eben geschilderten Weg des GEMA-Berechtigungsvertrags kann ein Urheber die Nutzung seines Musikwerkes in der politischen Werbung in der Regel bereits aufgrund seiner Verwertungsrechte verbieten. Auf das Urheberpersönlichkeitsrecht kommt es daher im Ergebnis nur noch dann an, wenn der Urheber die Nutzungsrechte für diese Nutzungsart direkt oder der Verwertungsgesellschaft eingeräumt (und später nicht widersprochen) hat. Trotzdem kann es für den Urheber eine Überlegung wert sein, zusätzlich über sein Urheberpersönlichkeitsrecht vorzugehen, um sich vom Gericht bestätigen zu lassen, dass er eine Vereinnahmung seines Werkes zu politischen oder anderen Werbezwecken nicht dulden muss. Auf diesem Weg dürfte auch eine Geldentschädigung gemäß § 97 II 4 UrhG leichter zu erreichen sein. Für ausübende Künstler hingegen, denen § 78 UrhG außerhalb von LiveDarbietungen keine Verbotsrechte, sondern nur Vergütungsansprüche zugestanden hat, kommt es entscheidend auf ihr Künstlerpersönlichkeitsrecht an.

127 Schack UrhR, Rn 639. 128 S. unten S. 87. 129 Kritisch Schack UrhR, Rn 820f.; v. Welser, 114f.

Kapitel 2: Urheber- und Künstlerpersönlichkeitsrecht – ein Überblick

A.

Geschichte des Urheberpersönlichkeitsrechts

Im Altertum gab es kein Urheberrecht, woran sich bis zum Mittelalter nichts änderte.130 Der Anerkennung eines Urheberrechts stand entgegen, dass man noch nicht zwischen dem Geisteswerk und dessen Verkörperung im Werkstück unterscheiden konnte.131 Ein Bewusstsein dafür, dass der Urheber ein ideelles Interesse an seinen Werken hat, findet sich hingegen schon in der Antike. Ruhm und Ansehen des Urhebers sowie die Anerkennung der Urheberschaft waren schon damals ein starker Antrieb für die Künstler.132 Es lässt sich auch eine moralische Missbilligung bei Verletzung dieser Interessen erkennen.133 Auch im Mittelalter gab es schon ein Bewusstsein für Probleme, die heute dem Urheberpersönlichkeitsrecht zuzuordnen wären. Die Autoren sorgten sich um die Veränderung ihrer Werke, zu der es bei der damaligen Vervielfältigung durch Handabschriften zwangsläufig kommen musste.134 Ein Mittel hiergegen war der Bücherfluch, der die Bücher zuvor bereits gegen Raub und Beschädigung schützen sollte.135 So fürchtete Eike von Repgow im Sachsenspiegel (um 1230), dass es zu Verfälschungen kommen werde, die ihm als Autor zugeschrieben würden.136 Auch Martin Luther beklagte später nicht nur den Nachdruck seiner Bücher, sondern auch, dass hierbei so schlecht gearbeitet werde, dass er seine Bücher nicht mehr wiedererkenne.137 Bei der Erteilung von Privilegien ab Ende des 15. Jahrhunderts ging es nicht um die Anerkennung der Urheberschaft, wie wir sie heute kennen, sondern 130 131 132 133 134 135 136 137

Ulmer, 50. Eggert UFITA 138 (1999), 183, 192f. Bappert, 38; Schack UrhR, Rn 103. Ulmer, 208. Bappert, 76; Schack UrhR, Rn 104. Bappert, 86f. Sein Bücherfluch ist abgedruckt bei Bappert, 87. Text bei Gieseke, 22f.

30

Urheber- und Künstlerpersönlichkeitsrecht – ein Überblick

primär um den Schutz der Investitionen der Drucker.138 Doch lassen sich bereits erste Bezüge zum heutigen Urheberpersönlichkeitsrecht finden, wenn etwa die Zustimmung des Urhebers zur Veröffentlichung erforderlich war.139 Ende des 19. Jahrhunderts entwickelte sich die Lehre vom Persönlichkeitsrecht, deren Hauptvertreter Otto von Gierke war.140 Er erkannte, dass das Urheberrecht nicht nur materielle, sondern auch ideelle Interessen erfassen musste.141 Wegen der geistigen Schöpfung konstruierte er das Urheberrecht als Persönlichkeitsrecht.142 Dabei ging er davon aus, dass sich die vermögensrechtlichen Bestandteile niemals ganz von den ideellen Komponenten abtrennen ließen und es sich daher um ein einheitliches, nicht aufspaltbares Recht handele.143 Demgegenüber verstand die Lehre vom Immaterialgüterrecht das Urheberrecht als »Recht an einem außerhalb des Menschen stehenden, nicht fass- und greifbaren Rechtsgute«, ging also von einer gewissen Verselbständigung aus.144 Auch wenn Josef Kohler seine Lehre vom Immaterialgüterrecht dualistisch aufbaute, indem er ein Persönlichkeitsrecht einerseits und ein davon losgelöstes Immaterialgüterrecht als Vermögensrecht andererseits konstruierte,145 konnte sich später Gierkes Auffassung durchsetzen, dass sich ideelle und materielle Aspekte des Urheberrechts nicht trennen lassen.146 Vorangetrieben wurde die Entwicklung des Urheberpersönlichkeitsrechts Anfang des 20. Jahrhunderts von der Rechtsprechung, die im Urheberrecht nicht nur Vermögens-, sondern auch geistige Interessen als geschützt ansah.147 Ein echtes Urheberpersönlichkeitsrecht wurde schließlich 1912 in der wegweisenden Entscheidung »Felseneiland mit Sirenen« anerkannt.148 Das Reichsgericht sah eine Verletzung des Urheberpersönlichkeitsrechts darin, dass der Eigentümer eines Freskos im Treppenaufgang eines größeren Berliner Wohnhauses, die nackten Sirenen züchtig übermalen ließ. Dabei hielt das Reichsgericht es für unerheblich, dass das Fresko in einem Privathaus nur einem kleinen Rezipientenkreis zugänglich war.149

138 139 140 141 142 143 144 145 146 147 148 149

Ulmer, 51ff.; Gierke, 752; Schack UrhR, Rn 106; Schlingloff GRUR 2017, 572, 573. Schack UrhR, Rn 110. Schack UrhR, Rn 120; Vogel GRUR 1994, 587, 589. Gierke, 759. Gierke, 764. Gierke, 706, 763. Kohler, 1f. Kohler, 13. Siehe oben S. 19. RGZ 69, 242, 243f. – Lesezirkel. RGZ 79, 397, 401 – Felseneiland mit Sirenen. RGZ 79, 397, 402 – Felseneiland mit Sirenen.

Geschichte des Urheberpersönlichkeitsrechts

31

Im Jahre 1928 wurde das Urheberpersönlichkeitsrecht auf der Revisionskonferenz von Rom mit Art. 6bis RBÜ international anerkannt. Die Entwicklung des Urheberrechts nahm erst in der Nachkriegszeit wieder Fahrt auf, angestoßen durch die RBÜ-Revisions-Konferenz in Brüssel 1948. Die Diskussion über den Referentenentwurf von 1954, den Ministerialentwurf von 1959 und den Regierungsentwurf von 1962 führte schließlich zum Gesetz vom 9. 9. 1965 über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (UrhG). Schon der Referentenentwurf von 1954 hatte vorgesehen, die persönlichen Interessen des Urhebers am Werk als Bestandteil eines einheitlichen Urheberrechts umfassend zu schützen.150 Das Verwertungsrecht war dem Urheberpersönlichkeitsrecht noch vorangestellt, da es sich hierbei um den »Hauptinhalt« des Urheberrechts handle.151 § 9 des Entwurfes, der das Urheberrecht allgemein beschreibt, nennt zuerst die Nutzung des Werkes und dann die geistigen und persönlichen Beziehungen des Urhebers zu seinem Werk. Einzelne persönlichkeitsrechtliche Befugnisse wurden im Unterabschnitt »Sonstige Rechte des Urhebers« in §§ 17–19 des Entwurfes geregelt. Dies sorgte für Kritik, da hier eindeutig Urheberpersönlichkeitsrechte geregelt werden sollten.152 Der Entstellungsschutz des § 19 sprach in Übereinstimmung mit Art. 6bis RBÜ noch von Ansehens- oder Rufgefährdung. Den Begriff des Urheberpersönlichkeitsrechts vermied der Referentenentwurf, da dieser den Eindruck vermittele, es handle sich um einen Schutz der Person des Urhebers und nicht seiner Beziehung zum Werk.153 Der Ministerialentwurf von 1959 zog zwar das Veröffentlichungsrecht aufgrund seiner Doppelnatur vor die Verwertungsrechte, beließ es aber ansonsten dabei, diese vor den Urheberpersönlichkeitsrechten zu regeln, da das Nutzungsrecht für den Urheber von größerer Bedeutung sei.154 § 9 des Referentenentwurfes von 1954 wurde wortgleich als § 10 des Ministerialentwurfes von 1959 übernommen. Die Anerkennung der Urheberschaft in § 21 und der Entstellungsschutz in § 22 des Entwurfes bekamen jetzt die Überschrift »Urheberpersönlichkeitsrecht«. Die geänderte Wortwahl wurde damit begründet, dass diese Befugnisse unlöslich mit der Person des Urhebers verbunden sind.155 Die §§ 21, 22 des Ministerialentwurfes hatten bereits den Wortlaut der heutigen §§ 13, 14 UrhG. Die Abweichung von Art. 6bis RBÜ im Wortlaut von § 22 des Ministerialentwurfes sollte klarstellen, dass es nicht um einen allgemeinen Schutz der Per150 151 152 153 154 155

Begründung RefE, S. 92. Begründung RefE, S. 93. Schramm UFITA 19 (1955), 82, 90. Begründung RefE, S. 92. Begründung MinE, S. 32f. Begründung MinE, S. 37.

32

Urheber- und Künstlerpersönlichkeitsrecht – ein Überblick

sönlichkeit des Urhebers geht, sondern allein um den Schutz von dessen Beziehung zum Werk.156 Der Regierungsentwurf von 1962 sah die Urheberpersönlichkeitsrechte der §§ 12–14 UrhG bereits in ihrer heutigen Form – ebenfalls unter der Überschrift »Urheberpersönlichkeitsrechte« – vor.157 § 11 des Entwurfes entspricht dem heutigen § 11 Satz 1 UrhG. Der Gesetzgeber erkannte damit das Urheberpersönlichkeitsrecht an, indem er nicht das Werk als solches, sondern die Beziehungen des Urhebers zu seinem Werk in den Mittelpunkt stellte.158 Auch wenn die Anerkennung von Urheberpersönlichkeitsrechten lange Zeit brauchte, um aus dem Schatten der Verwerterinteressen herauszutreten, zeigt sich doch, dass ein Bewusstsein für die Schutzwürdigkeit von Urheberpersönlichkeitsinteressen mindestens so alt ist wie das für die Schutzwürdigkeit von Verwertungsrechten.

B.

Verfassungsrechtliche und internationale Grundlagen des Urheberpersönlichkeitsrechts

I.

Grundrechte

Ausdrücklich wird das Urheberrecht in den Grundrechten nicht erwähnt. Der Parlamentarische Rat hielt den Schutz von geistigem Eigentum wohl für derart selbstverständlich, dass er eine explizite Erwähnung für überflüssig hielt.159 Die vermögenswerte Seite des Urheberrechts ist Eigentum iSv Art. 14 I GG.160 Erfasst ist die grundsätzliche Zuordnung der vermögenswerten Ergebnisse seiner schöpferischen Leistung an den Urheber und die Verfügungsfreiheit hierüber, nicht jedoch jede denkbare Verwertungsmöglichkeit.161 Mit der Gewährung des Urheberrechts erweist die Rechtsordnung aber auch dem schöpferisch tätigen Individuum ihren Respekt, weswegen es ebenso stark in Art. 1 I, 2 I GG wurzelt.162 Diese persönlichkeitsrechtliche Komponente des Urheberrechts ist aufgrund des Ursprungs in der Person des Urhebers naturrechtlich vorgegeben.163

156 157 158 159 160 161 162 163

Begründung MinE, S. 38. BTDr IV/270, S. 6. BTDr IV/270, S. 37. Fechner, 60. BVerfGE 31, 229, 238f. – Kirchen- und Schulgebrauch. BVerfGE 31, 229, 240f. – Kirchen- und Schulgebrauch. Schack UrhR, Rn 7, 90; Ulmer, 65. Peifer Individualität, 57, 74.

Verfassungsrechtliche und internationale Grundlagen

33

Auch auf der Grundrechtsebene lassen sich die persönlichkeits-und die vermögensrechtlichen Interessen des Urhebers nicht scharf voneinander trennen, so dass auch hier – dem monistischen Ansatz folgend – von einem einheitlichen Schutzgedanken ausgegangen werden sollte.164 Eine Aufspaltung, wonach die Vermögensinteressen des Urhebers auf Art. 14 GG und die persönlichen Interessen auf Art. 1 I, 2 I GG zurückzuführen sind, erscheint daher wenig sinnvoll.165 Auch die Kunst- und Wissenschaftsfreiheit (Art. 5 III GG) sowie die Kommunikationsgrundrechte des Art. 5 I GG können im Einzelfall einschlägig sein.166 Doch bleibt zu beachten, dass aus der grundrechtlichen Fundierung nicht folgt, dass sämtliche einfachgesetzlich ausgestalteten Befugnisse des Urheberpersönlichkeitsrechts von der Verfassung garantiert werden.167

II.

Europäische Union

Im harmonisierten Bereich gelten vorrangig die Grundrechte der EU-Grundrechtecharta. Einschlägig ist hier Art. 17 II. Die Vorschrift stellt denkbar knapp fest: »Geistiges Eigentum wird geschützt«. Leider hat die EU es bei der Harmonisierung des Urheberrechts bisher peinlich vermieden, sich mit den Grundfragen des Urheberrechts wie dem Schöpferprinzip und dem Urheberpersönlichkeitsrecht auseinanderzusetzen. So wurde in den beiden Querschnittsrichtlinien, der Harmonisierungs- und der Schutzdauerrichtlinie, das Urheberpersönlichkeitsrecht ausdrücklich ausgeklammert.168 Die Europäische Kommission ging in ihrem Grünbuch von 1988 »Urheberrecht und die technologische Herausforderung« davon aus, dass eine Vereinheitlichung des UPR unnötig sei, da bereits alle Mitgliedstaaten der Revidierten Berner Übereinkunft angehörten.169 Dem Grünbuch wurde daher vorgeworfen, es handele sich um ein »Urheberrecht ohne den Urheber«.170 Das Urheberpersönlichkeitsrecht spielt damit bei der Harmonisierung des Urheberrechts in der EU, wie Metzger treffend feststellt, »nicht einmal eine Nebenrolle«171. Fechner, 51; Peifer Individualität, 74. So aber Metzger Rechtsgeschäfte, 78f., 81f. Fechner, 257; Metzger Rechtsgeschäfte, 82ff.; Schack UrhR, Rn 96. Schack GRUR 1985, 352, 353. Erwgr. 19 der Harmonisierungsrichtlinie 2001/29/EG; Erwgr. 20 der Schutzdauerrichtlinie 2006/116/EG. 169 Grünbuch Urheberrecht und die technologische Herausforderung, KOM(88) 172 endg., Nr. 1.4.9. 170 Quack/Vieregge GRUR 1989, 183. 171 Metzger FS Schricker, 455, 457.

164 165 166 167 168

34

Urheber- und Künstlerpersönlichkeitsrecht – ein Überblick

Doch können die unterschiedlichen urheberpersönlichkeitsrechtlichen Befugnisse in den verschiedenen Mitgliedstaaten erheblichen Einfluss auf den Binnenmarkt haben, indem sie die Verkehrsfähigkeit urheberrechtlich geschützter Waren und Dienstleistungen beeinträchtigen.172 Das kann soweit gehen, dass in den verschiedenen Ländern unterschiedliche Personen als Urheber – und damit auch als mögliche Inhaber von Urheberpersönlichkeitsrechten – angesehen werden.173 So konnten in Frankreich die Erben des Regisseurs John Huston eine Ausstrahlung des nachkolorierten Filmes »Asphalt Jungle« untersagen, weil die Cour de cassation in Bezug auf das Urheberpersönlichkeitsrecht das französische Recht für anwendbar erklärte.174 Nach deutschem IPR hätte man die Frage, wer Inhaber von Urheberpersönlichkeitsrechten ist, nach dem Recht des Ursprungslandes beurteilen müssen.175 Nach US-amerikanischen Filmurheberrecht, war aber nicht John Huston sondern der Filmhersteller Urheber, so dass die Erben hier nicht aus dem Urheberpersönlichkeitsrecht sondern allenfalls aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht hätten vorgehen können.176 Dass das Urheberpersönlichkeitsrecht bislang immer noch nicht harmonisiert worden ist, ist angesichts seiner offenkundig auch wirtschaftlichen Bedeutung erstaunlich.177 Das Unterbleiben einer Harmonisierung des Urheberpersönlichkeitsrechts bei gleichzeitiger Harmonisierung wirtschaftlicher Aspekte vermittelt den falschen Eindruck, das Urheberpersönlichkeitsrecht sei im Vergleich weniger wichtig.178 Dies widerspricht diametral der deutschen Auffassung vom Vorrang oder zumindest Gleichrang des Urheberpersönlichkeitsrechts. Dieser Schlagseite muss die EU dringend entgegenwirken und auch das Urheberpersönlichkeitsrecht durch eine EU-weite Harmonisierung stärken.179

172 FN–Dustmann, vor § 12 UrhG Rn 4; Asmus, 57; Jahn, 164; Schack ZEuP 2000, 799, 818; Schack ZGE 2009, 275, 280f.; a. A. Schardt ZUM 1993, 318, 323f., der die Auswirkungen auf den Binnenmarkt für vernachlässigbar hält. 173 Vgl. Schack IPRax 1993, 46, 48. 174 Cass.civ. RIDA 149 (1991), 197 = GRUR Int 1992, 304. 175 So Schack UrhR, Rn 1036, umstritten. 176 Schack IPRax 1993, 46, 49ff. 177 Metzger FS Schricker, 455, 465. 178 Metzger FS Schricker, 455, 461. 179 So auch Dietz GRUR FS II, 1445, 1481; Schack ZEuP 2000, 799, 815f. und in ZGE 1 (2009), 275, 286.

Verfassungsrechtliche und internationale Grundlagen

III.

35

Staatsverträge

Auf internationaler Ebene ist das Urheberpersönlichkeitsrecht seit 1928 in Art. 6bis RBÜ verankert. Absatz 1 lautet: Unabhängig von seinen vermögensrechtlichen Befugnissen und selbst nach deren Abtretung behält der Urheber während seines ganzen Lebens das Recht, die Urheberschaft am Werk für sich in Anspruch zu nehmen und sich jeder Entstellung, Verstümmelung oder sonstigen Änderung dieses Werkes oder jeder anderen Beeinträchtigung des Werkes zu widersetzen, welche seiner Ehre oder seinem Ruf nachteilig sein könnten.

Mit dem von Art. 6bis RBÜ etwas abweichenden Wortlaut des § 14 UrhG sollte klargestellt werden, dass es um den Schutz der Beziehung zwischen Urheber und Werk geht und nicht um einen Schutz allein des Urhebers, was in Richtung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gehen würde.180 Damit geht § 14 UrhG über Art. 6bis RBÜ insofern hinaus, als die geistigen Interessen des Urhebers an seinem Werk auch dann verletzt sein können, wenn der Ruf oder die Ehre des Urhebers nicht beeinträchtigt werden.181 Das TRIPs-Abkommen verpflichtet zwar in Art. 9 I 1 die WTO-Vertragsstaaten die RBÜ zu beachten, doch wird Art. 6bis RBÜ in Art. 9 I 2 von dieser Verpflichtung ausdrücklich ausgenommen. Auch der WCT-Vertrag schweigt zu Urheberpersönlichkeitsrechten. Im Unterschied dazu enthalten Art. 5 WPPT und Art. 5 I WAPT einen Mindestschutz des Künstlerpersönlichkeitsrechts, das auf internationaler Ebene damit (systemfremd) stärker geschützt ist als das Urheberpersönlichkeitsrecht. Im Rom-Abkommen von 1961 werden keine persönlichkeitsrechtlichen Befugnisse geregelt, Art. 21 lässt aber einzelstaatliche Regelungen unberührt. Gemäß Art. 5 I des WIPO-Vertrages über Darbietungen und Tonträger (WPPT) haben ausübende Künstler die Mindestrechte auf Namensnennung und darauf, gegen »jede Entstellung, Verstümmelung oder sonstige Änderung ihrer Darbietungen, die ihrem Ruf abträglich wäre«, Einspruch erheben zu können. Eine entsprechende Regelung ist in Art. 5 I WAPT für den Bereich der vom WPPT-Vertrag nicht erfassten audiovisuellen Leistungen vorgesehen.182

180 BTDr IV/270, S. 45. 181 Dietz Droit Moral, 91f.; Samson, 22. 182 Dieser Vertrag ist allerdings noch nicht in Kraft getreten. Gemäß Art. 26 WAPTsind hierfür 30 Ratifikationen erforderlich.

36

C.

Urheber- und Künstlerpersönlichkeitsrecht – ein Überblick

Urheberpersönlichkeitsrecht und kleine Münze

Als »kleine Münze« bezeichnet man solche Werke, die gerade das Minimum der erforderlichen Individualität erreichen.183 Das Reichsgericht ließ hierfür bereits ausreichen, dass das »rein Schablonenmäßige« überschritten wird.184 Auch Werke der kleinen Münze sollen nach der Gesetzesbegründung vom Urheberrecht profitieren.185 Problematisch daran ist, dass es hier nicht um urheberpersönlichkeitsrechtliche, sondern allein um vermögensrechtliche Interessen der Verwerter geht.186 Die maßgebliche schöpferische Tätigkeit ist bei solchen Werken kaum zu finden.187 Der Schutz der kleinen Münze über das volle Urheberrecht ist deswegen kaum plausibel und schwächt damit die Akzeptanz des Urheberrechts insgesamt.188 Bei Werken, die so gut wie keinen persönlichen Gehalt aufweisen, wird vor allem die Schutzfrist von 70 Jahren post mortem auctoris als viel zu lang empfunden.189 Auch eine Entstellung (§ 14 UrhG) ist wegen der geringen Gestaltungshöhe bei Werken der kleinen Münze kaum denkbar, denn nach objektiven Kriterien wird man hier kaum jemals eine Interessengefährdung annehmen können.190 Es wurde sogar infrage gestellt, ob das Urheberpersönlichkeitsrecht als solches überhaupt noch zeitgemäß ist, wenn man auch Computersoftware und Datenbanken, die häufig keinerlei persönliche Prägung enthalten, über das Urheberrecht schützt.191 Das geltende deutsche Urheberrecht geht indes vom Urheberpersönlichkeitsrecht aus. Es ist ausnahmslos bei allen Werkarten zu beachten.192 Dort wo es nicht passt, sollte man konsequenterweise den Urheberschutz ablehnen.193 Es ist daher überzeugender, die Schutzschwelle der persönlichen geistigen Schöpfung in § 2 II UrhG anzuheben und die kleine Münze, wenn nötig, über ein neu zu schaffendes zeitlich und inhaltlich deutlich begrenzteres Leistungsschutzrecht zu schützen.194

183 184 185 186 187 188 189 190 191 192 193 194

SL–Ohly, Einl. Rn 55; Schack UrhR, Rn 293. RGZ 81, 120, 123 – Kochrezepte. BTDr IV/270, S. 38. Grohmann, 47; Schack FS Wandtke, 9, 12. Schack FS Wandtke, 9, 12. Schack FS Wandtke, 9, 11; Schack ZUM 1990, 59, 61f. Schack FS Wandtke, 9, 12; Schack UrhR, Rn 518; Schulze GRUR 1987, 769, 777. MöNic–Kroitzsch/Götting, § 14 UrhG Rn 21; Dietz, 47; Schack UrhR, Rn 387. Metzger FS Schricker, 455, 458; vgl. auch Schlingloff GRUR 2017, 572, 576. DS–Schulze, vor § 12 UrhG Rn 4. Schulze GRUR 1987, 769, 777. Schack UrhR, Rn 298 und schon in ZUM 1990, 59, 61f.; Schulze GRUR 1987, 769, 778.

Postmortales Urheberpersönlichkeitsrecht

D.

37

Postmortales Urheberpersönlichkeitsrecht

Mit dem Tod des Urhebers geht das Urheberrecht gemäß §§ 28 I, 30 UrhG auf seine Erben über. Das gilt auch für das Urheberpersönlichkeitsrecht als integraler Bestandteil des Urheberrechts.195 Insofern unterscheidet sich das Urheber- vom allgemeinen Persönlichkeitsrecht. Dessen vermögenswerte Bestandteile gehen auf die Erben des Rechtsträgers über.196 Seine ideellen Bestandteile werden hingegen von einer zu Lebzeiten dazu bestimmten Person oder durch seine nächsten Angehörigen wahrgenommen.197 Für das monistische Urheberrecht kommt eine solche Zweiteilung nicht in Betracht.198 Die Rechtsnachfolger haben grundsätzlich dieselbe Rechtsstellung wie vorher der Urheber.199 Jedoch sind weiterhin die ideellen Interessen des Urhebers maßgeblich und nicht etwa die der Erben.200 Deshalb können die Erben nichts verbieten, was der Urheber zu Lebzeiten gebilligt hatte.201 Problematisch ist, dass sich dessen Interessen nach dem Tod oft nicht mehr sicher feststellen lassen.202 Zwischen den Erben und dem Werk besteht aber nicht das vom Urheberrecht geschützte geistige Band, weswegen eigene Interessen der Erben nicht mehr dem Urheberpersönlichkeitsrecht, sondern dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht zuzuordnen wären.203 Deshalb sind allein die Interessen des verstorbenen Urhebers und nicht die seiner Rechtsnachfolger maßgeblich, wenn diese sich auf den Entstellungsschutz des § 14 UrhG berufen.204 Der Urheber wird von § 14 UrhG theoretisch sogar vor einer Verletzung des Urheberpersönlichkeitsrechts durch die Erben geschützt.205 Freilich bleiben derartige Eingriffe rechtlich folgenlos, solange sich die allein klagebefugten Erben einig sind.206 Die Erben sind zur Wahrnehmung des Urheberpersönlichkeitsrechts nicht verpflichtet.207 Die in § 14 UrhG vorzunehmende Interessenabwägung kann aber bereits innerhalb der postmortalen Schutzfrist anders ausfallen als zu Lebzeiten des 195 196 197 198 199 200 201 202 203 204 205 206 207

Sattler, 46; Schack UrhR, Rn 649. BGHZ 143, 214, 226 – Marlene Dietrich. BGHZ 50, 133, 139f. – Mephisto; Schack JZ 2019, 864, 867, 870f. Schack GRUR 1985, 352, 354; vgl. oben S. 19. SL–Ohly, § 30 Rn 4. BGHZ 15, 249, 261 – Cosima Wagners Tagebücher ; BGH GRUR 1988, 106, 107 – Oberammergauer Passionsspiele II; FN–Dustmann, § 14 UrhG Rn 6; Pierer GRUR 2019, 476, 479f.; Schack UrhR, Rn 651. Baum GRUR Int. 1965, 418, 420. Fromlowitz, 127. Sattler, 58f.; Schilcher, 43f. Sattler, 58f.; Schack UrhR, Rn 651; a. A. Dietz, 26; Fromlowitz, 126; Haberstumpf Handbuch UrhR, Rn 381. Ludyga ZUM 2014, 374, 376. Schack KuR, Rn 248; Schack GRUR 1985, 352, 357; Sattler, 59, 68. Schack GRUR 1985, 352, 357.

38

Urheber- und Künstlerpersönlichkeitsrecht – ein Überblick

Urhebers.208 Seine Interessen können nämlich bereits innerhalb der Schutzfrist verblassen.209 Bei der Abwägung muss auch berücksichtigt werden, dass sich das kulturelle Umfeld weiterentwickelt.210 Insbesondere bei Bauwerken kann ein Urheber nicht davon ausgehen, dass diese bis 70 Jahre nach seinem Tod nicht an einen geänderten Nutzungszweck angepasst werden dürfen.211 Hier hängt alles vom Einzelfall ab. Schwerwiegende Entstellungen jedenfalls sind auch noch Jahrzehnte nach dem Tod des Urhebers unzulässig.212 Eine Bearbeitung nach dem Tod des Urhebers ist nicht schon deshalb eine Entstellung, weil der Urheber sie nicht durch letztwillige Verfügung gestattet hat.213 Auch in diesem Fall muss die Entstellung also positiv festgestellt werden. Selbst wenn der Urheber eine Bearbeitung gestattet hat, ist eine Entstellung denkbar, wenn sich die Umstände, von denen der Urheber ausgegangen ist, geändert haben.214 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers erlischt zusammen mit dem Urheberrecht auch das Urheberpersönlichkeitsrecht.215 Das Werk wird damit gemeinfrei und kann nun von jedermann genutzt, bearbeitet und auch entstellt werden.216

E.

Ewiges Urheberpersönlichkeitsrecht?

In manchen Ländern versucht man, über die Urheberschutzfrist hinaus Entstellungen zu verbieten. Ein solcher Schutz wurde für Werke von überragender Bedeutung, die zum »Kulturgut der zivilisierten Menscheit zählen«217 und deren Erhaltung im allgemeinen Interesse liegt, vereinzelt auch für das deutsche Recht gefordert.218 Man müsse hier das Publikum vor Täuschungen und die Kulturgüter als solche schützen.219 Vorgeschlagen wurde, dass die Erben oder der Bundesjustizminister unter Mitwirkung einer Sachverständigenkommission

208 Sattler, 61; Schilcher, 136; a. A. Pierer GRUR 2019, 476, 483. 209 BGH GRUR 1988, 106, 107 – Oberammergauer Passionsspiele II; BGH GRUR 2012, 172 – Teilabriss des Stuttgarter Hauptbahnhofs im Zuge von »Stuttgart 21«. 210 Sattler, 61. 211 BGHZ 62, 331, 335 – Schulerweiterung; BGH GRUR 2012, 172 – Stuttgart 21; Sattler, 64f. 212 Sattler, 63, 65. 213 FN–Dustmann, § 14 UrhG Rn 6. 214 FN–Dustmann, § 14 UrhG Rn 6; MöNic– Kroitzsch/Götting, § 14 UrhG Rn 28. 215 Schack UrhR, Rn 524. 216 Schack UrhR, Rn 358; Schack KuR, Rn 198. 217 Pakuscher UFITA 93 (1982), 43, 53. 218 Hirsch FS Roeber, 175, 178f.; Leinveber GRUR 1964, 364, 368f.; Pakuscher UFITA 93 (1982), 43, 53. 219 Pakuscher UFITA 93 (1982), 43, 58.

Ewiges Urheberpersönlichkeitsrecht?

39

beziehungsweise neu einzurichtende Gremien über den Entstellungsschutz wachen sollen.220 Die Forderung eines ewigen Urheberpersönlichkeitsrechts wurde im deutschen Urheberrecht aus gutem Grund nicht umgesetzt. Geschützt würde hierbei nämlich nicht mehr der Urheber, sondern nur noch das Werk als solches.221 Schutzgegenstand wären die Interessen der Allgemeinheit, die mit denen des Urhebers nicht übereinstimmen müssen.222 Ein solcher Schutz kultureller Interessen der Allgemeinheit könnte allenfalls bei besonders bedeutenden Werken gerechtfertigt sein.223 Dies liefe auf einen Denkmalschutz hinaus.224 Der aber ist nicht Aufgabe des privatrechtlichen Urheberrechts, sondern des öffentlichen Rechts. Deshalb hat auch der Gesetzgeber des UrhG von 1965 ausdrücklich von einer solchen Regelung abgesehen.225 Ein Schutz des Werkes als solches ist im UrhG nicht vorgesehen, vielmehr geht es allein um die Beziehung des Urhebers zu seinem Werk.226 Gegen ein ewiges Urheberpersönlichkeitsrecht spricht auch, dass nicht klar ist, wer dieses sinnvollerweise wahrnehmen soll.227 Die Erben sind dafür zumindest nach mehreren Erbgängen nicht mehr geeignet.228 Die Rechte müssten also von staatlich autorisierten Stellen wahrgenommen werden. Das birgt die Gefahr des Kulturdirigismus229 und Popularklagen wären rechtspolitisch ebenso unerwünscht. Problematisch ist auch, wie die Werke ausgewählt werden sollen, die so bedeutend sind, dass sie angeblich ewig geschützt werden müssen.230 Das Urheberrecht unterscheidet sich nämlich auch dadurch vom Denkmalschutz, dass sämtliche persönlichen geistigen Schöpfungen, unabhängig von ihrem Wert und ihrer kulturellen Bedeutung, geschützt werden.231 Der Gedanke des Denkmalschutzes würde außerdem nur rechtfertigen, warum etwa ein Originalmanuskript als corpus mechanicum geschützt wird, nicht aber, warum eine entstellende Werkwiedergabe verboten werden sollte.232 Durch einen ewigen Schutz

220 221 222 223 224 225 226 227 228 229 230 231 232

Leinveber GRUR 1964, 364, 369; Pakuscher UFITA 93 (1982), 43, 58ff. Schack UrhR, Rn 359. Baum GRUR Int. 1965, 418, 421; Dietz Droit Moral, 192; v. Welser, 165f. Ulmer, 348. Dietz ZUM 1993, 309, 318; Grohmann, 134f.; Ulmer, 5. BTDr IV/270, S. 45. BTDr IV/270, S. 37. Fromlowitz, 130. Heymann DJZ 1928, 278, 280. Baum GRUR Int. 1965, 418, 421f.; Schack UrhR, Rn 359f.; Schlingloff GRUR 2017, 572, 574. Fechner, 433. Dietz Droit Moral, 191; v. Welser, 165f. Fechner, 438; Schack GRUR 1985, 352, 360; v. Welser, 165f.

40

Urheber- und Künstlerpersönlichkeitsrecht – ein Überblick

ihrer Vorbilder würden zudem zeitgenössische Künstler in ihrer Kunstfreiheit zu stark eingeschränkt.233 Ein ewiges Urheberpersönlichkeitsrecht ist daher auch de lege ferenda abzulehnen.234 Mit Eintritt der Gemeinfreiheit soll nicht mehr das (Urheber-)Recht, sondern nur die öffentliche Kulturkritik über Entstellungen urteilen.235

F.

Urheber- und allgemeines Persönlichkeitsrecht

I.

Verhältnis der Rechte

Das Verhältnis von Urheberpersönlichkeitsrecht und allgemeinem Persönlichkeitsrecht ist umstritten. Der Gesetzgeber ging davon aus, dass das Urheberpersönlichkeitsrecht ohne eine spezielle Normierung aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht abzuleiten sei.236 Das Urheberpersönlichkeitsrecht sah er als besonderes Persönlichkeitsrecht an, das zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht in einem ähnlichen Verhältnis stehe wie das Recht am eigenen Bild und das Namensrecht. Wie das allgemeine ist auch das Urheberpersönlichkeitsrecht von generalklauselartiger Weite, weswegen auch hier eine Interessenabwägung stattfinden muss.237 Eine Ansicht sieht im Urheberpersönlichkeitsrecht deswegen »nur eine besondere Erscheinungsform des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes«.238 Überzeugender ist die Gegenauffassung: Das allgemeine Persönlichkeitsrecht und das Urheberpersönlichkeitsrecht sind zwar wesensverwandt, da beide ihre Wurzel in Art. 1 I, 2 I GG haben, stehen aber dennoch selbstständig nebeneinander.239 Gegen die Vorstellung, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht das Quellrecht und das Urheberpersönlichkeitsrecht nur eine besondere Erscheinungsform davon sei, spricht die historische Entwicklung, da das Urheberpersön233 234 235 236 237 238

Fechner, 436. Hörnig UFITA 99 (1985), 13, 108ff.; Schack UrhR, Rn 359. Heymann DJZ 1928, 278, 280. BTDr IV/270, S. 44. BTDr IV/270, S. 45. BGHZ 13, 334, 339 – Leserbriefe; Gamm, Einf Rn 93, § 11 UrhG Rn 5; MöNic–Ahlberg, Einf Rn 14; Dreier besonderer Persönlichkeitsschutz, 9, 14; Grohmann, 15; Wronka UFITA 69 (1973), 71, 91; Kellerhals Urheberpersönlichkeitsrechte im Arbeitsverhältnis, 76 und in UFITA 2000-III, 617, 631. 239 DS–Schulze, vor § 12 UrhG Rn 5; SL–Dietz/Peukert, vor §§ 12ff. UrhG Rn 31; WaBu– Bullinger, vor §§ 12ff. UrhG, Rn 16; Baston-Vogt, 111; Krüger-Nieland FS Hauß, 215, 223; Neumann GRUR 1970, 544, 545; Neumann-Duesberg NJW 1971, 1640, 1641; Schack UrhR, Rn 46; Schilcher, 12; Schlingloff GRUR 2017, 572, 576; Wallner, 51.

Urheber- und allgemeines Persönlichkeitsrecht

41

lichkeitsrecht schon 1912, das heißt lange vor dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht (1954), anerkannt war.240 Vor allem aber sprechen Funktion und Schutzgüter der Rechte gegen die Vorstellung von Quellrecht und besonderer Ausprägung.241 Das Urheberpersönlichkeitsrecht unterscheidet sich durch seinen Werkbezug vom allgemeinen Persönlichkeitsrecht.242 Geschützt wird ausschließlich das geistige Band, das den Urheber mit einem bestimmten von ihm geschaffenen Werk als »geronnenem Teil seiner Persönlichkeit verbindet«.243 Es schützt die Beziehung des Urhebers zu seinem Werk und nicht wie das allgemeine Persönlichkeitsrecht den Persönlichkeitsträger selbst.244 In der Funktion, den Urheber und nicht das Werk als solches zu schützen, ähnelt das Urheberpersönlichkeitsrecht dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht.245 Das Urheberpersönlichkeitsrecht schützt aber im Gegensatz zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht nicht nur persönliche Interessen des Urhebers, sondern auch seine geistigen Interessen an dem Werk, § 11 Satz 1 UrhG.246 Während das Urheberpersönlichkeitsrecht nur dem Werkschöpfer (und dessen Rechtsnachfolgern) zukommt, ist Träger des allgemeinen Persönlichkeitsrechts jeder Mensch.247 Auch die Auffassung des Urheberpersönlichkeitsrechts als integraler Bestandteil des monistischen Urheberrechts spricht gegen die Einordnung als Unterfall des allgemeinen Persönlichkeitsrechts.248 Eine Folge der monistischen Auffassung, an der sich dieser Unterschied besonders deutlich zeigt, ist, dass im Unterschied zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht das Urheberpersönlichkeitsrecht nicht auf die nächsten Angehörigen, sondern auf die Erben übergeht.249 Im Unterschied zum Urheberrecht, das während der Schutzfrist umfassenderen Schutz bietet, ist der Schutz über das allgemeine Persönlichkeitsrecht schwächer, da bei ihm immer eine Interessenabwägung vorzunehmen ist.250 Im Urheberrecht ist die Interessenabwägung in manchen Fällen zwar ebenfalls vorgesehen, vgl. § 14 UrhG, sie ist aber nicht stets erforderlich, vgl. §§ 12, 13 UrhG. 240 241 242 243 244 245 246 247 248 249 250

Ludyga ZUM 2014, 374, 377; Schack UrhR, Rn 46; Wallner, 49f. WaBu–Bullinger, vor §§ 12ff. UrhG, Rn 16; Schack UrhR, Rn 46. Haberstumpf Handbuch UrhR, Rn 198; Schack UrhR, Rn 339; Ulmer, 33. Schack UrhR, Rn 43. Dieselhorst, 104; Fechner, 268. Schack GRUR 1985, 352, 353. Neumann-Duesberg UFITA 50 (1967), 464, 465; Ulmer, 33. Schack GRUR 1985, 352; Schlingloff GRUR 2017, 572, 575. Schilcher, 12; Wallner, 50. Ulmer, 34; s. oben S. 37. Krüger-Nieland FS Hauß, 215, 223; Schack UrhR, Rn 62.

42

Urheber- und Künstlerpersönlichkeitsrecht – ein Überblick

Schließlich spricht auch die unterschiedliche Entwicklung dagegen, das Urheberpersönlichkeitsrecht als besondere Erscheinungsform des allgemeinen Persönlichkeitsrechts anzusehen. Während das Urheberrecht zunächst nur Vermögensinteressen und erst später auch die Persönlichkeit schützte, ging die Entwicklung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts umgekehrt vom Abwehrrecht zum Schutz ideeller Interessen hin zur Anerkennung auch materieller Interessen.251 Erst 1999 hat der BGH dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht auch kommerzielel vermögenswerte Bestandteile zugesprochen.252 Die Ansicht, das allgemeine Persönlichkeitsrecht müsse wegen seiner verfassungsrechtlichen Grundlage das Quellrecht sein,253 verkennt den Unterschied zwischen dem zivil- und dem verfassungsrechtlichen allgemeinen Persönlichkeitsrecht. Letzteres ist in erster Linie Abwehrrecht gegen den Staat und unterscheidet sich damit in seiner Funktion grundlegend vom zivilrechtlichen allgemeinen Persönlichkeitsrecht.254 Freilich sind das Urheber- und das allgemeine Persönlichkeitsrecht nicht völlig isoliert zu betrachten. Wie das Urheber- hat auch das allgemeine Persönlichkeitsrecht seine Quelle in der Menschenwürde.255 Die einzelnen Persönlichkeitsrechte ergänzen einander bei der Aufgabe des wirksamen Persönlichkeitsschutzes.256 Überschneidungen zwischen den Rechten können sich aufgrund der Weite des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ergeben.257 Wenn man das allgemeine Persönlichkeitsrecht als Inbegriff des Persönlichkeitsschutzes versteht, sind selbstverständlich auch urheberpersönlichkeitsrechtliche Interessen erfasst.258 Das deckt sich mit der Vorstellung von allgemeinem Persönlichkeitsrecht und Urheberpersönlichkeitsrecht als zwei sich zum Teil überschneidende Kreise.259

II.

Auffangfunktion des allgemeinen Persönlichkeitsrechts

Aufgrund der gemeinsamen Wurzel kann auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht zurückgegriffen werden, wenn das Urheberpersönlichkeitsrecht aus251 252 253 254 255 256 257 258 259

Peifer Individualität, 321. BGHZ 143, 214, 218f. – Marlene Dietrich = JZ 2000, 1056 mit ablehnender Anm. Schack. Kellerhals UFITA 2000-III, 617, 630. Schack UrhR, Rn 46. Fechner, 267, 273; Neumann-Duesberg NJW 1971, 1640, 1641; Schack UrhR, Rn 90; Ulmer, 34. Baston-Vogt, 111. Baston-Vogt, 111. Krüger-Nieland FS Hauß, 215, 221, 223. Schack UrhR, Rn 46.

Künstlerpersönlichkeitsrecht

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nahmsweise einmal etwa aus kollisions- oder fremdenrechtlichen Gründen nicht zur Anwendung gelangen kann.260 Außerdem wird das allgemeine Persönlichkeitsrecht dann relevant, wenn wegen fehlender Schöpfungshöhe kein Urheberrecht entstanden ist, wie dies bei Briefen und Tagebüchern häufig der Fall ist.261 Theoretisch können auch Briefe Urheberschutz erfahren,262 doch ist das nicht die Regel. Unabhängig von einem Urheberrecht sind aber je nach Inhalt und Art des Briefes Rückschlüsse auf die Persönlichkeit des Verfassers möglich.263 Deshalb hat der Verfasser eines Briefes, auch wenn er keinen Urheberschutz genießt, grundsätzlich das Recht zu bestimmen, ob und in welcher Form sein Brief veröffentlicht werden soll.264 Der Verfasser kann, auch wenn er mit einer Veröffentlichung grundsätzlich einverstanden war, entstellende Veränderungen verbieten.265 Wegen des unterschiedlichen Schutzgegenstands des allgemeinen Persönlichkeitsrecht können dabei aber nur persönliche und keine geistigen Interessen berücksichtigt werden.266 Das allgemeine Persönlichkeitsrecht kann schließlich überall dort angewendet werden, wo nicht das geistige Band zwischen Urheber und Werk betroffen ist.267 Ausgeschlossen ist ein Rückgriff auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht hingegen, wo das Urheberpersönlichkeitsrecht eine spezielle Regelung vorsieht, mag sie auch als unzureichend empfunden werden.268 Auch wenn eine Regelung im UrhG fehlt, es aber um urheberpersönlichkeitsrechtliche Interessen geht, ist nicht das allgemeine Persönlichkeitsrecht, sondern das Urheberpersönlichkeitsrecht einschlägig (§ 11 Satz 1 UrhG).269

G.

Künstlerpersönlichkeitsrecht

Das Künstlerpersönlichkeitsrecht erlangt Bedeutung, wenn der ausübende Künstler nicht gleichzeitig der Urheber des dargebotenen Werkes ist. Im Rampenlicht steht allein der Interpret (Musiker, Sänger).270 In die Darbietung fließt neben der Persönlichkeit des Urhebers stets auch die des Interpreten ein.271 Auch 260 261 262 263 264 265 266 267 268 269 270 271

Schack UrhR, Rn 47; Krüger-Nieland FS Hauß, 215, 221. Schack UrhR, Rn 48. KG GRUR-RR 2008, 188 – Abdruck privater Briefe mit politisch-historischem Inhalt. BGHZ 13, 334, 339 – Leserbriefe. BGHZ 13, 334, 338f. – Leserbriefe. BGHZ 13, 334, 339 – Leserbriefe. Schack UrhR, Rn 48. Haberstumpf Handbuch UrhR, Rn 9. Schack UrhR, Rn 47. Neumann-Duesberg NJW 1971, 1640, 1642. Schack UrhR, Rn 657. Dreier besonderer Persönlichkeitsschutz, 9, 19.

44

Urheber- und Künstlerpersönlichkeitsrecht – ein Überblick

zwischen dem ausübenden Künstler und seiner Darbietung besteht also ein schutzbedürftiges geistiges Band.272 Im Gegensatz zum Urheber genießen die ausübenden Künstler kein umfassendes Leistungsschutzrecht, sondern nur einzelne, in §§ 74ff. UrhG abschließend aufgezählte Rechte.273 Für den Bereich des Künstlerpersönlichkeitsrechts sind dies § 74 I UrhG, der das Recht auf Anerkennung und Namensnennung schützt, und § 75 UrhG, der Schutz vor Entstellungen oder anderen Beeinträchtigungen der Darbietung gewährt. Hintergrund ist, dass der ausübende Künstler die Verwertung des urheberrechtlich geschützten Werkes nicht über Gebühr einschränken können soll.274 Voraussetzung für einen Leistungsschutz der ausübenden Künstler ist grundsätzlich die Darbietung eines urheberschutzfähigen Werkes.275 Dieses muss dargeboten, also in eigener Person für andere wahrnehmbar künstlerisch wiedergegeben werden. Erforderlich ist eine künstlerische Leistung in Form einer Werkinterpretation.276 Die Schutzfrist für die Persönlichkeitsrechte der §§ 74, 75 richtet sich nach § 76 UrhG. Danach besteht der Schutz zu Lebzeiten des Künstlers, mindestens aber 50 Jahre ab der Darbietung. Die Künstlerpersönlichkeitsrechte werden gemäß § 76 Satz 4 UrhG nicht vererbt, sondern von den nächsten Angehörigen des ausübenden Künstlers wahrgenommen. Davon unberührt bleibt dessen allgemeines Persönlichkeitsrecht.

H.

Urheber- und künstlerpersönlichkeitsrechtliche Befugnisse

Das Urheberpersönlichkeitsrecht hat seinen Niederschlag an diversen Stellen des UrhG gefunden. Beispielhaft sei hier auf die Vollstreckungshindernisse im Zusammenhang mit dem Urheberrecht hingewiesen, die mit den betroffenen Persönlichkeitsinteressen des Urhebers zu erklären sind.277 Auch die in §§ 25, 34 III, 41, 42 UrhG gewährten Zugangs- und Rückrufrechte schützen urheberpersönlichkeitsrechtliche Interessen.278 Kern des Urheberpersönlichkeitsrechts sind indes die Befugnisse der §§ 12– 14 UrhG.279 Sie werden als Urheberpersönlichkeitsrechte im engeren Sinne be272 273 274 275 276 277 278 279

DS–Dreier, § 75 UrhG Rn 1. SL–Grünberger, Vor §§ 73ff. Rn 1; Schack UrhR, Rn 681. Krüger GRUR 1980, 628, 634. Schack UrhR, Rn 661. BGHZ 79, 362, 368ff. – Quizmaster. Vgl. dazu Schack UrhR, Rn 862ff. Ulmer, 209. Dreier besonderer Persönlichkeitsschutz, 9, 10; Jahn, 69; Sattler, 36; Schlingloff GRUR 2017, 572, 575; vgl. Wallner, 51f., der noch die Rückrufsrechte hinzuzählt.

Urheber- und künstlerpersönlichkeitsrechtliche Befugnisse

45

zeichnet, während das Urheberpersönlichkeitsrecht im weiteren Sinne sämtliche Befugnisse umfasst, die Ausdruck des Urheberpersönlichkeitsrechts sind.280 Wegen der monistischen Auffassung des Urheberrechts bringt diese Einteilung aber keinen Erkenntnisgewinn.281 Was die Rechte in §§ 12–14 UrhG angeht, sind gemäß § 121 VI UrhG auch alle ausländischen Urheber geschützt, und zwar unabhängig vom Ursprungsland des Werkes, von Staatsverträgen und von Gegenseitigkeit. Weder §§ 12–14 UrhG noch das Urheberpersönlichkeitsrecht im weiteren Sinne regeln den Schutz des Urheberpersönlichkeitsrechts abschließend; es kann ebenso über die Verwertungsrechte des Urhebers durchgesetzt werden.282 Die Einteilung in Persönlichkeits- und Verwertungsrechte in §§ 12ff. UrhG ist deshalb nur ordnender, nicht begrenzender Natur.283

I.

Veröffentlichungsrecht

Das Veröffentlichungsrecht des § 12 UrhG ist im Zusammenhang mit der Werkwiedergabe im Wahlkampf kaum relevant, da in der Praxis hierfür nur bereits veröffentlichte (bekannte) Werke genutzt werden. Das Veröffentlichungsrecht schützt die freie Entscheidung des Urhebers, ob er sein Werk aus der Privatsphäre entlassen und damit der Öffentlichkeit und ihrer Kritik aussetzen will.284 Nur der Urheber kann entscheiden, wann sein Werk abgeschlossen und veröffentlichungsreif ist.285 Das Veröffentlichungsrecht verbraucht sich mit der Erstveröffentlichung. Gegen eine erneute Veröffentlichung in anderer Form kann der Urheber nur noch mit Verwertungsrechten sowie den Befugnissen aus § 14 und § 23 UrhG, aber nicht mehr mit dem Veröffentlichungsrecht des § 12 UrhG vorgehen.286

280 KG GRUR-RR 2008, 188 , 190 – Abdruck privater Briefe mit politisch-historischem Inhalt; DS–Schulze, vor § 12 UrhG Rn 2f.; FN–Dustmann, vor § 12 UrhG Rn 1, 3; Fechner, 264; Fromlowitz, 42; Haberstumpf Handbuch UrhR, Rn 197; Metzger Rechtsgeschäfte, 5; Sattler, 36; Wallner, 43f. 281 Dietz Droit Moral, 37; vgl. v. Welser, 22. 282 KG NJW-RR 1990, 1065, 1066 – Abdruck in gefälschter Zeitung; Fechner, 266; Dreier besonderer Persönlichkeitsschutz, 9, 11; Schack UrhR, Rn 356; siehe oben S. 19. 283 Schack UrhR, Rn 341. 284 KG GRUR-RR 2008, 188, 190 – Abdruck privater Briefe mit politisch-historischem Inhalt; FN–Dustmann, § 12 UrhG Rn 2; Ulmer, 211. 285 BGHZ 9, 237, 241 – Schelmenroman. 286 FN–Dustmann, § 12 UrhG Rn 9 ; Schack UrhR, Rn 366; aA MöNic–Kroitzsch/Götting, § 12 UrhG Rn 2.

46 II.

Urheber- und Künstlerpersönlichkeitsrecht – ein Überblick

Anerkennung der Urheberschaft und Bestimmung der Urheberbezeichnung

Das Recht auf Anerkennung der Urheberschaft in § 13 Satz 1 UrhG ermöglicht es dem Urheber, sich auf seine Urheberschaft zu berufen und deren Leugnung abzuwehren.287 Der Urheber kann aus § 13 Satz 1 UrhG auch gegen Plagiatoren vorgehen, die sich die Urheberschaft anmaßen, da dies die Leugnung der Urheberschaft des wahren Urhebers voraussetzt.288 Gegen das Unterschieben fremder Werke schützt § 13 UrhG nicht, da sie nicht von dem behaupteten Urheber stammen, also gerade kein geistiges Band zu ihnen existiert.289 Doch kann sich der Urheber mit seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht in Form des sogenannten droit de non-paternit8 dagegen wehren, dass ihm fremde Werke untergeschoben werden.290 Solche Stilfälschungen können das Gesamtwerk verfälschen und das Ansehen des Künstlers schwer beeinträchtigen.291 Der Urheber kann gemäß § 13 Satz 2 UrhG bestimmen, ob er mit seinem bürgerlichen Namen oder etwa einem Pseudonym (Künstlernamen) als Urheber benannt werden möchte.292 Für den Urheber erfüllt die Urheberbezeichnung eine Werbefunktion für etwaige Folgeaufträge.293 Aus der Befugnis in § 13 Satz 2 UrhG, über das Ob der Benennung zu entscheiden, folgt auch das Recht des Urhebers, anonym zu bleiben.294 Er kann damit versuchen zu verhindern, dass er mit dem Werk in Verbindung gebracht wird. Im Kontext der politischen Werbung kann dies für Urheber relevant werden, die als Auftragsarbeiten Werbemelodien komponieren, Reden schreiben oder Wahlplakate entwerfen, mit der werbenden Partei aber nicht in Verbindung gebracht werden wollen. Die Bestimmung etwa in einem Verlagsvertrag, den Urheber nicht zu nennen, wirkt jedoch nur inter partes und schützt den Urheber nicht davor, dass Dritte, etwa Literaturkritiker, sein Geheimnis aufdecken.295 Bei Auftragsarbeiten wird der Urheber (schuldrechtlich) auf sein Na-

287 288 289 290 291 292 293

FN–Dustmann, § 13 UrhG Rn 9. FN–Dustmann, § 13 UrhG Rn 4; Schack KuR, Rn 253; v. Welser, 31. Gantz, 30ff. Neumann-Duesberg UFITA 50 (1967), 464, 467; Schack UrhR, Rn 43. Vgl. BGHZ 107, 384, 391 – Emil Nolde. MöNic–Kroitzsch/Götting, § 13 UrhG Rn 10. Das ist besonders für Fotografen wichtig; LG Düsseldorf GRUR 1993, 664 – Urheberbenennung bei Foto; LG Berlin ZUM 1998, 673, 674 – Schadensersatz nach Lizenzanalogie für Lichtbildner ; vgl. auch KG ZUM-RD 2012, 331, 335 – Schadensersatz für unterlassene Quellenangabe. 294 FN–Dustmann, § 13 UrhG Rn 28; MöNic–Kroitzsch/Götting, § 13 UrhG Rn 1. 295 MöNic–Kroitzsch/Götting, § 13 UrhG Rn 14; Rehbinder ZUM 1991, 220, 228.

Urheber- und künstlerpersönlichkeitsrechtliche Befugnisse

47

mensnennungsrecht verzichten, wenn seine Nennung den verfolgten Werbezweck gefährden würde.296 Für ausübende Künstler ist das Recht auf Anerkennung und Namensnennung in § 74 I UrhG geregelt, mit Spezialregelungen für Gruppenleistungen in § 74 II UrhG. Hintergrund ist, dass bei ihnen die Namensnennung jedes Einzelnen in der Regel unpraktikabel ist.297

III.

Integritätsschutz

Kern des Urheberpersönlichkeitsrechts ist der Integritätsschutz in § 14 UrhG vor Entstellungen und sonstigen Beeinträchtigungen des Werkes.298 Ergänzt wird § 14 durch § 75 UrhG für ausübende Künstler und durch § 93 UrhG für Filmwerke. Zum Integritätsschutz zählen auch diejenigen Vorschriften, die erlaubte Werkänderungen regeln, insbesondere also § 39 UrhG. Hiernach darf ein Nutzungsrechtsinhaber ohne entsprechende Vereinbarung nur solche Änderungen vornehmen, zu denen der Urheber seine Einwilligung nach Treu und Glauben nicht versagen kann. Nach § 39 UrhG kann der Urheber etwa verpflichtet sein, kleinere Retuschen an seinem Portrait eines Wahlkampfkandidaten zu dulden.299 Das Urheberrecht enthält darüber hinaus ein allgemeines Änderungsverbot, das die Interessen des Urhebers schützt, selbst darüber zu entscheiden, wie sein Werk der Öffentlichkeit präsentiert werden soll.300 Dieses Verbot wird vom UrhG als bestehend vorausgesetzt.301 Es folgt aus §§ 11, 14 UrhG, so dass § 39 UrhG nur eine klarstellende Funktion hat.302 Gegenstand unserer Untersuchung sind allein Fälle, in denen Werke unverändert auf Wahlkampfveranstaltungen genutzt werden. Solche indirekten Beeinträchtigungen können, wenn überhaupt nicht mit § 39 UrhG abgewehrt werden sondern nur über §§ 14, 75 UrhG.303 Diese Verbotsrechte werden in den folgenden Kapiteln 3 und 4 untersucht. 296 297 298 299 300

Schmidt, 173f.; vgl. Ulmer, 215. Schack UrhR, Rn 682. Dietz, 43. Vgl. LG Hamburg ZUM-RD 2008, 30f. – Veränderung einer Fotografie. BGHZ 55, 1, 2f. – Maske in Blau; BGHZ 62, 331, 332f. – Schulerweiterung; BGH GRUR 1982, 107, 109 – Kircheninnenraumgestaltung; BGH GRUR 1999, 230, 231 – Treppenhausgestaltung; BGH GRUR 2008, 984, 986 – St. Gottfried; DS–Schulze, § 14 UrhG Rn 2; SL– Dietz/ Peukert, § 14 UrhG Rn 7. 301 BGHZ 62, 331, 333 – Schulerweiterung. 302 BGH GRUR 1999, 230, 231 – Treppenhausgestaltung; BGH GRUR 2008, 984, 986 – St. Gottfried. 303 Altenburg, 19.

48 IV.

Urheber- und Künstlerpersönlichkeitsrecht – ein Überblick

Rückrufsrechte

Auch die Rückrufsrechte (§§ 34 III 2, 41, 42 UrhG) sind letztlich urheberpersönlichkeitsrechtlich motiviert.304 Selbst nach einer Einräumung von Nutzungsrechten kann der Urheber nach einem erfolgreichen Rückruf künftige Nutzungen verbieten. Seit 2003 gewährt § 79 IIa UrhG diese Rückrufsrechte auch ausübenden Künstlern. Im Zusammenhang mit politischer Werbung ist hier allenfalls an das Rückrufsrecht wegen gewandelter Überzeugung gemäß § 42 UrhG zu denken. Ein klassischer Anwendungsfall dieses Rückrufsrechts ist die gewandelte politische Überzeugung.305 Die praktische Bedeutung dieses Rückrufsrechts dürfte jedoch – schon wegen der Entschädigungspflicht in § 42 III 1 UrhG – sehr gering sein.

304 Schack UrhR, Rn 633. 305 Ulmer, 376.

Kapitel 3: § 14 UrhG – Entstellung des Werkes

Gemäß § 14 UrhG hat der Urheber »das Recht, eine Entstellung oder eine andere Beeinträchtigung seines Werkes zu verbieten, die geeignet ist, seine berechtigten geistigen oder persönlichen Interessen am Werk zu gefährden«. Der Urheber soll in seinen geistigen und persönlichen Interessen davor geschützt werden, dass sein Werk der Öffentlichkeit in einer anderen als der von ihm für die Veröffentlichung vorgesehenen Form zugänglich gemacht wird.306 Das OLG Saarbrücken ging davon aus, dass in § 14 UrhG als Minus zum Verbotsrecht das Recht enthalten ist, nicht mehr mit dem Werk in Verbindung gebracht zu werden.307 Eine eigenständige Bedeutung dieser Annahme gegenüber § 13 Satz 2 UrhG ist jedoch zweifelhaft. Denn auch hier wird der Urheber unbeteiligten Dritten – im Unterschied zu Lizenznehmern – nicht verbieten können, seinen Namen in Verbindung mit dem entstellten Werk zu bringen.308 Ob eine Verletzung von § 14 UrhG vorliegt, wird üblicherweise in drei Prüfungsschritten festgestellt: Voraussetzung sind eine Beeinträchtigung des Werkes, eine Interessengefährdung und schließlich die alles entscheidende Interessenabwägung.309 Dabei ist eine saubere Differenzierung zwischen den Prüfungsschritten nicht immer möglich. Ob eine Beeinträchtigung vorliegt, lässt sich manchmal erst beurteilen, nachdem man die betroffenen Interessen gegeneinander abgewogen hat.310

306 307 308 309

FN–Dustmann, § 14 UrhG Rn 1. OLG Saarbrücken UFITA 79 (1977), 364, 366 – politische Geschichte des Saarlandes. Vgl. oben S. 46. WaBu–Bullinger, § 14 UrhG Rn 3ff.; DS–Schulze, § 14 UrhG Rn 9ff.; FN–Dustmann, § 14 UrhG Rn 20; MöNic– Kroitzsch/Götting, § 14 UrhG Rn 6f.; SL–Dietz/Peukert, § 14 UrhG Rn 12; Honscheck GRUR 2007, 944, 945; Schack KuR, Rn 256. 310 DS–Schulze, § 14 UrhG Rn 13.

50

A.

§ 14 UrhG – Entstellung des Werkes

Entstellung oder andere Beeinträchtigung des Werkes

Verboten ist gemäß § 14 UrhG eine »Entstellung oder eine andere Beeinträchtigung«. Oberbegriff ist also die Beeinträchtigung, die Entstellung ist der Sonderfall einer schweren Beeinträchtigung.311 Eine genaue Unterscheidung ist nicht immer möglich, aber wegen der identischen Rechtsfolgen auch unnötig.312 Auch für die weitere Prüfung ergeben sich keine Unterschiede.313 Auf die Intensität der Beeinträchtigung kommt es entscheidend erst bei der Interessenabwägung an.314 Eine Beeinträchtigung liegt immer dann vor, wenn der geistig-ästhetische Gesamteindruck des Werkes verändert wird.315 Eine Verschlechterung muss damit nicht zwangsläufig einhergehen, § 14 UrhG erfasst auch vermeintliche Verbesserungen.316 Die Rechtsprechung geht allerdings davon aus, dass dies nur für die Beeinträchtigung gilt, während für die Entstellung eine negative Veränderung nötig sei.317 Eine künstlerische Wertung findet jedoch in keinem Fall statt.318 Eine Beeinträchtigung liegt jedenfalls dann vor, wenn in die Werksubstanz eingegriffen wird.319 Unter Substanz versteht man die ursprüngliche Verkörperung des Werkes.320 Ein solcher körperlicher Eingriff wiegt besonders schwer und wird deshalb als Entstellung einzuordnen sein.321 Nur wenn die Wesenszüge des Werkes nicht berührt werden, stellt ein Substanzeingriff ausnahmsweise keine Entstellung dar.322 Eine Entstellung liegt vor, wenn wesentliche Teile weggelassen oder hinzugefügt werden oder wenn dem Werk eine andere Tendenz verliehen wird.323 Die Entstellung setzt also eine Verzerrung des Werkcharakters voraus,324 die ästhe-

311 DS–Schulze, § 14 UrhG Rn 5; Altenburg, 20; Grohmann, 76; Schack UrhR, Rn 381; Schmelz GRUR 2007, 565, 568; Schlingloff GRUR 2017, 572, 577; Wallner, 131. 312 Wallner, 130. 313 Vgl. unten S. 63. 314 Haberstumpf Handbuch UrhR, Rn 219. 315 Schack UrhR, Rn 383. 316 DS–Schulze, § 14 UrhG Rn 7, 10; Honscheck GRUR 2007, 944, 946; Schack UrhR, Rn 383; Schilcher, 60f.; Schmidt, 121; v. Welser, 39. 317 BGH GRUR 1988, 106, 107 – Oberammergauer Passionsspiele II; OLG München GRUR 1986, 460, 461 – Die unendliche Geschichte. 318 Honscheck GRUR 2007, 944, 946; Schilcher, 66. 319 Grohmann, 78. 320 Schilcher, 75. 321 Schack KuR, Rn 257. 322 Honscheck GRUR 2007, 944, 945. 323 OLG München GRUR 1986, 460, 461 – Die unendliche Geschichte; Dietz, 47. 324 Grohmann, 84.

Indirekte Beeinträchtigungen durch veränderten Kontext

51

tische oder inhaltliche Aussage des Werkes muss verändert werden.325 Die Tendenzveränderung ist verboten, weil sie das Interesse des Urhebers verletzt, mit seinem Werk Ideen zu transportieren.326 Eine Entstellung liegt daher auch vor, wenn eine dem Werk innewohnende politische Meinungsäußerung abgeschwächt oder in ihr Gegenteil verkehrt wird.327 Ehrverletzende Kritik am Werk ist weder als direkte, noch als indirekte Beeinträchtigung von § 14 UrhG erfasst.328 Das Werk wird durch eine Kritik nämlich weder verändert, noch in einen falschen Zusammenhang gestellt, das geistige Band des Urhebers zu seinem Werk gerade nicht infrage gestellt.329 Die Kritik soll allein die Person des Urhebers treffen und kann daher in Extremfällen von Schmähkritik allenfalls über das allgemeine Persönlichkeitsrecht verfolgt werden.330

B.

Indirekte Beeinträchtigungen durch veränderten Kontext

Wenn bei einem Substanzeingriff eine besonders schwerwiegende Beeinträchtigung – also eine Entstellung – vorliegt, heißt das im Umkehrschluss, dass ein Eingriff in die Substanz für eine Beeinträchtigung nicht zwingend ist. Eine Beeinträchtigung setzt also nicht voraus, dass das Werk selbst verändert wird; es reicht, dass die geistigen oder persönlichen Interessen des Urhebers durch Form und Art der Wiedergabe und Nutzung des äußerlich unveränderten Werkes beeinträchtigt werden.331 Diese Art der Beeinträchtigung ist von § 14 UrhG unmittelbar und nicht nur analog erfasst.332 Denn auch durch solche indirekte Beeinträchtigungen wird der geistig-ästhetische Gesamteindruck des Werkes verändert.333 Daher kann auch das Stellen des Werkes in einen veränderten, insbesondere herabwürdigenden Sachzusammenhang eine Beeinträchtigung bewirken.334 Der Zusammenhang kann nämlich einen sogenannten negativen Imagetransfer auslösen.335 Bei den Rezipienten kommt es zu einer Verknüpfung zwischen dem 325 326 327 328 329 330 331 332 333 334 335

Schmelz GRUR 2007, 565, 568. Peifer FS Vogel, 291, 304. OLG Saarbrücken UFITA 79 (1977), 364, 366 – politische Geschichte des Saarlandes. Honscheck GRUR 2007, 944, 946. Schack UrhR, Rn 44. Schack UrhR, Rn 385. BGHZ 150, 32, 41 – Unikatrahmen; Fromlowitz, 49. Gegen Renner GRUR 2017, 772, 774. Federle, 41. DS–Schulze, § 14 UrhG Rn 6; FN–Dustmann, § 14 UrhG Rn 12, 37; Schack KuR, Rn 258. LG Hamburg GRUR-RR 2015, 140, 141 – Forever Young.

52

§ 14 UrhG – Entstellung des Werkes

Werk und dem Kontext, selbst wenn das Werk bereits ohne diesen Zusammenhang Bekanntheit erlangt hatte.336 Nach einer vereinzelten Ansicht handelt es sich bei indirekten Eingriffen stets um eine Beeinträchtigung, während eine Entstellung einen direkten Eingriff voraussetzen soll.337 Nach ganz herrschender Auffassung kann aber auch eine Entstellung indirekt erfolgen.338 Denn bei der Frage, ob eine Entstellung oder eine Beeinträchtigung vorliegt, geht es allein um die Schwere und nicht um die Art des Eingriffs.

I.

Fallgruppen

Indirekte Beeinträchtigungen durch einen veränderten Kontext lassen sich in verschiedene Fallgruppen einteilen. Überschneidungen zwischen den einzelnen Gruppen sind selbstverständlich möglich. Hier besonders wichtige Fallgruppen sind indirekte Beeinträchtigungen durch Nutzung in der Werbung339 und im Wahlkampf340.

1.

Anstößiger Kontext

Häufig als Beispiel für einen beeinträchtigenden Kontext genannt wird die Verwendung von Werken im Zusammenhang mit Pornografie.341 So wäre etwa die Zurschaustellung eines Werkes im Schaufenster eines Pornogeschäfts als indirekte Beeinträchtigung anzusehen.342 Auch in der Untermalung eines Pornofilmes mit dem »Bolero« von Maurice Ravel läge eine indirekte Beeinträchtigung des Musikwerkes.343 Diese Beispiele kann man als Fallgruppe der Werknutzung in einem mehrheitlich als anstößig empfundenen Kontext zusammenfassen. Auch die Verbindung eines Kondoms mit einer Werbung für einen Schokoladenriegel kann von Verbrauchern als geschmacklos empfunden werden.344 Durch die Verbindung mit einem Kondom und die damit hervorgeru336 LG Hamburg GRUR-RR 2015, 140, 141 – Forever Young. 337 Schmidt, 111. 338 DS–Schulze, § 14 UrhG Rn 5, 6; SL–Dietz/Peukert, § 14 UrhG Rn 17; Altenburg, 20; Honscheck GRUR 2007, 944, 945. 339 S. unten S. 57. 340 S. unten S. 59. 341 Banck, 137; Schack UrhR, Rn 384; Ulmer, 221. 342 Ulmer, 221. 343 Schack UrhR, Rn 384. Das Beispiel stammt von W. Nordemann GRUR 1980, 434, der § 14 UrhG in diesem Fall jedoch für nicht verletzt hielt. 344 BGHZ 125, 91, 97 – Markenverunglimpfung I.

Indirekte Beeinträchtigungen durch veränderten Kontext

53

fenen Assoziationen kann ein gutes Image beschädigt werden.345 Gleiches gilt für die Verbindung einer Illustration mit »Schleim«, weil dieser zumindest von Teilen der Verbraucher als anstößig oder geschmacklos empfunden werden kann.346 2.

Präsentation neben anderen Werken

Die indirekte Beeinträchtigung kann auch von anderen Werken ausgehen. Ein Bild kann beispielsweise durch die Auswahl der neben ihm hängenden Bilder beeinträchtigt werden.347 Ein Musikwerk kann dadurch beeinträchtigt werden, dass es sich auf einem Sampler mit anderen Werken befindet, die der rechtsradikalen Szene zugeordnet werden.348 Die bloße Veröffentlichung eines Liedes auf einem Sampler ohne weitere Umstände reicht hingegen noch nicht für eine Beeinträchtigung.349 3.

Verbindung mit anderen Werken

Ein Unterfall der Beeinträchtigung durch andere Werke liegt in einer körperlichen Verbindung mit einem anderen Werk. Der BGH nahm eine indirekte Beeinträchtigung in einem Fall an, in dem Kunstdrucke in Rahmen vertrieben wurden, die durch ihre Gestaltung den Eindruck der Fortsetzung und Vergrößerung der Ausgangswerke hervorriefen, weil das Interesse des Urhebers verletzt sei, sich keine fremden Gestaltungen zurechnen lassen zu müssen.350 Eine Beeinträchtigung sei daher gegeben, wenn ein Werk »mit Zutaten von dritter Hand zu einem ›Gesamtkunstwerk‹ vereinigt wird, das unbefangene Betrachter ohne weiteres insgesamt als Werk des Urhebers des Originalwerkes ansehen können«.351 Ob die Erweiterung künstlerisch gelungen war, ist dabei gleichgültig.352

345 BGHZ 125, 91, 102 – Markenverunglimpfung I; BGH GRUR 1995, 57, 59 – Markenverunglimpfung II. 346 OLG München GRUR-RR 2004, 33, 36 – Pumuckl-Illustrationen I. 347 Schack KuR, Rn 258. 348 OLG Frankfurt/Main GRUR 1995, 215, 216 – Springtoifel. 349 FN–Dustmann, § 14 UrhG Rn 45. 350 BGHZ 150, 32, 42 – Unikatrahmen. 351 BGHZ 150, 32, 42 – Unikatrahmen. 352 BGHZ 150, 32, 42 – Unikatrahmen.

54 4.

§ 14 UrhG – Entstellung des Werkes

Hängung

Unzweifelhaft läge eine indirekte Beeinträchtigung vor, wenn ein Gemälde von Georg Baselitz entgegen dessen Intention nicht über Kopf, sondern »richtig herum« aufgehängt würde.353 Aber auch weniger eindeutige Fälle, wie die zu enge, zu hohe oder zu tiefe Hängung, die Hängung auf einem unpassenden Hintergrund oder die falsche Beleuchtung können zu einer Beeinträchtigung führen.354 So nahm das LG Erfurt im Weimarer Bilderstreit eine indirekte Beeinträchtigung in einem Fall an, in dem Werke dicht an dicht vor einem Hintergrund aus welliger Plastikfolie in Bodenhöhe präsentiert wurden.355 Durch die zu enge Hängung entstehe der Eindruck die Bilder seien Massenware; durch den unvorteilhaften Hintergrund entstehe der Eindruck, es handle sich um billige Werke geringer Qualität. Beides werde durch die bodennahe Hängung verstärkt, weil man als Betrachter auf das Bild herabsehe. Das Berufungsgericht hatte Zweifel daran, ob die Beeinträchtigung schwer genug für ein Verbot der Ausstellung der fraglichen Bilder war ; die Parteien schlossen daraufhin einen Vergleich.356 Die Zweifel des OLG lassen sich dogmatisch bei der Interessengefährdung beziehungsweise der Interessenabwägung einordnen. Eine Beeinträchtigung liegt hier jedenfalls vor.

5.

Ausstellungskonzept

Eine Beeinträchtigung kann durch das Konzept einer Ausstellung entstehen, wenn das Werk dadurch in eine bestimmte Richtung gerückt, ihm eventuell eine andere Aussage gegeben wird.357 Besonders deutlich wird dies im Extremfall der Münchener Ausstellung »Entartete Kunst« von 1937, die die ausgestellten Werke diskreditieren und als abschreckende Beispiele präsentieren sollte.358 Auch die Darstellung von Kunst als konformistisch bzw. das System der DDR befürwortend kann als abwertend und damit als Beeinträchtigung eingestuft werden.359 Die bloße Aufnahme in eine Ausstellung reicht jedoch noch nicht.360 Es müssen weitere Umstände hinzutreten.361 353 Schack UrhR, Rn 384. 354 von Detten, 108; Schack KuR, 258, 683. 355 LG Erfurt Urt. vom 17. 6. 1999 – 3 O 15/99, abgedruckt in: Der Weimarer Bilderstreit – Szenen einer Ausstellung, S. 277–283, mit Abbildungen S. 18–25. 356 Terminsbericht abgedruckt in: Der Weimarer Bilderstreit – Szenen einer Ausstellung, S. 281–286. 357 von Detten, 109. 358 von Detten, 109f. 359 von Detten, 115. 360 Schack KuR, Rn 247. 361 Vgl. von Detten, 114.

Indirekte Beeinträchtigungen durch veränderten Kontext

6.

55

Ortsspezifische Kunst

Indirekte Beeinträchtigungen kommen besonders häufig bei ortsspezifischer Kunst (site-specific art) vor. Man spricht von situationsgebundener, ortsspezifischer Kunst, wenn ein Kunstwerk als Teil seiner Umgebung konzipiert, in diese eingepasst und in seiner Wirkung von dieser Umgebung abhängig ist.362 Man unterscheidet zwischen absolut und relativ ortsspezifischer Kunst. Absolut ortsspezifische Kunst wurde für einen bestimmten Ort geschaffen, so dass die Umgebung zwingend dazugehört und jede Verbringung an einen anderen Ort eine Beeinträchtigung des Werkes bedeutet.363 Als Werk ist hier also nicht nur dessen Verkörperung im Werkstück, sondern ebenso dessen Einbettung in seiner Umgebung geschützt.364 Als absolut ortsspezifische Kunst wäre etwa der verhüllte Reichstag von Christo und Jeanne-Claude einzuordnen, der das Reichstagsgebäude zwingend voraussetzt und nicht nur als Hintergrund nutzt.365 Wurde hingegen das Kunstwerk zunächst ortsunabhängig geschaffen und kann es an mehreren, aber nicht allen Orten aufgestellt werden, um die intendierte Wirkung zu entfalten, so spricht man von relativ ortsspezifischer Kunst. Hier ist eine Verpflanzung grundsätzlich möglich, allerdings nur an einen passenden Ort.366 Eine indirekte Beeinträchtigung kann auch vorliegen, wenn die Umgebung eines Bauwerks verändert wird.367 Dagegen kann der Urheber jedenfalls dann nichts machen, wenn diese Veränderungen auf Nachbargrundstücken stattfinden, da zwischen deren Eigentümern und dem Urheber keine vertragliche Beziehung besteht und diesen Eigentümern das Werk aufgedrängt wurde.368 Mit der Annahme ortsspezifischer Kunst sollte man zurückhaltend sein. Bei den meisten Kunstwerken wird es nämlich so sein, dass diese zwar von ihrem Wirkungsort profitieren können, jedoch hauptsächlich aus sich selbst heraus wirken.369 Treffend bringt Loschelder das auf den Punkt, wenn er danach unterscheidet, ob Kunst lediglich von ihrer Umwelt beeinflusst wird oder von ihr »lebt«.370

362 Schack KuR, Rn 194. 363 OLG Köln GRUR-RR 2010, 182, 183 – Pferdeskulptur. 364 OLG Frankfurt/Main ZUM-RD 2017, 328, 330 – Dachplastik; OLG Hamm ZUM-RD 2001, 443, 444 – Keilstück. 365 Loschelder FS Loewenheim, 193; Schack KuR, Rn 194. 366 OLG Köln GRUR-RR 2010, 182, 184f. – Pferdeskulptur. 367 Grohmann, 53f. 368 Schack KuR, Rn 197. 369 Loschelder FS Loewenheim, 193. 370 Loschelder FS Loewenheim, 193, 194.

56

§ 14 UrhG – Entstellung des Werkes

Im Unterschied zu Bauwerken und Werken der bildenden Kunst ist bei Musikwerken der Ort ihrer Wiedergabe regelmäßig irrelevant für die intendierte Aussage des Urhebers.371 Nur selten werden Musikwerke derart eng mit einem Ort verbunden wie etwa die Hauptwerke von Richard Wagner mit dem Festspielhaus in Bayreuth. Aber auch dann wird man in der Regel davon ausgehen müssen, dass die Werke dort zwar besonders gut zur Geltung kommen, aber auch an anderen Orten wirken können. Eine Ausnahme für Kirchenmusik, die nicht auf Jahrmärkten oder in Bars gespielt werden soll, ist ein theoretisches Beispiel.372 Für Unterhaltungsmusik, an deren möglichst weiter Verbreitung der Urheber schon aus kommerziellen Gründen interessiert ist, wird man kaum jemals annehmen können, dass diese allein durch den Ort ihrer Wiedergabe beeinträchtigt wird. 7.

Nutzung als Klingelton

In der »Klingeltöne für Mobiltelefone I«-Entscheidung hielt der BGH die Nutzung von Musikwerken als Klingeltöne für eine Zweckentfremdung und daher eine Beeinträchtigung.373 Die Zweckentfremdung bestehe darin, dass ein Musikwerk, wenn es als Klingelton genutzt wird, nicht mehr als »sinnlichklangliches Erlebnis« sondern als Signalton wahrgenommen wird, der häufig sogar störend wirkt.374 Darüber hinaus wird ein etwaiger musikalischer Spannungsbogen durch die Gesprächsannahme zerstört.375 8.

Sonstige Einzelfälle

Eine indirekte Beeinträchtigung wird man auch dann annehmen müssen, wenn das Werk in einem strafrechtlich relevanten Zusammenhang genutzt wird, etwa mit Beleidigungsdelikten der §§ 185ff. StGB, Volksverhetzung (§ 130 StGB), Beschimpfung von Religionsgemeinschaften (§ 166 StGB) sowie mit dem Verbreiten von Propagandamitteln und dem Verwenden von Kennzeichnen verfassungswidriger Organisationen (§§ 86 und 86a StGB). Aber auch unterhalb der Schwelle der Strafbarkeit liegt eine Beeinträchtigung vor, wenn das Werk im Zusammenhang mit Gewaltverherrlichung genutzt

371 372 373 374

Berger jurisPR-ITR 2016, Anm. 3. Von Ulmer, 221. BGH GRUR 2009, 395, 397 – Klingeltöne für Mobiltelefone I. BGH GRUR 2009, 395, 397 – Klingeltöne für Mobiltelefone I; BGH GRUR 2010, 920, 921 – Klingeltöne für Mobiltelefone II. 375 BGH GRUR 2009, 395, 397 – Klingeltöne für Mobiltelefone I.

Indirekte Beeinträchtigungen durch veränderten Kontext

57

wird.376 Auch die Verbindung mit frauen- und ausländerfeindlichen Inhalten führt zu einer Beeinträchtigung.377

II.

Indirekte Beeinträchtigung durch Nutzung in der Werbung

Ein beeinträchtigender veränderter Kontext liegt insbesondere dann vor, wenn ein Werk zur Werbung für andere Waren oder Dienstleistungen genutzt wird.378 Urheber können zwar nicht jede Form der Werbung untersagen. Erlaubt ist grundsätzlich die Werbung für das urheberrechtlich geschützte Werk selbst. § 17 II UrhG erlaubt nämlich nicht nur die Weiterverbreitung sondern in diesem Zusammenhang auch eine Vervielfältigung für Werbezwecke.379 Das Urheberrecht muss hier gegenüber der Verkehrsfähigkeit der Waren, die mit Zustimmung des Berechtigten in Verkehr gebracht wurden, zurückstehen; der Urheber soll nicht die Absatzwege kontrollieren können.380 Erlaubt ist gemäß § 58 UrhG auch die Werbung für eine Ausstellung oder Verkaufsveranstaltung. Daraus folgt aber nicht, dass der Urheber die Werbung für andere Waren – oder für politische Ideen – hinnehmen müsste. Und auch bei der Bewerbung der urheberrechtlich geschützten Ware selbst muss er Verletzungen seiner Urheberpersönlichkeitsrechte nicht hinnehmen.381 Das LG Frankfurt/M. ging bereits 1966 davon aus, dass in der Verbindung eines Musikwerkes mit Werbung eine Beeinträchtigung liege, wenn eine rufgefährdende Gedankenverbindung zwischen dem Werk und der Ware entstehe oder wenn die beworbene Ware als solche anstößig sei.382 Beides sei jedoch nicht der Fall, wenn die Musik nur im Hintergrund gespielt und für ein Mückenschutzmittel geworben werde. In einem vergleichbaren Fall zum Namens- und Bildnisrecht hatte bereits das Reichsgericht ausgeführt, dass es nicht dem Geschmack eines jeden entspreche, seinen Namen und sein Bildnis mit beliebigen Waren oder »übel beleumdeten Firmen« in Verbindung bringen zu lassen.383 In diese Richtung geht auch eine Entscheidung des BGH, wonach bereits die Namensnennung in der Werbung für bestimmte Produkte (hier Reinigungs- und Befestigungsmittel fir Zahnprothesen) dazu fihren kann, dass das Ansehen des 376 377 378 379 380 381

LG Hamburg ZUM-RD 2010, 399, 414. LG Hamburg GRUR-RR 2015, 140, 141 – Forever Young. DS–Schulze, § 14 UrhG Rn 20; Heker/Riesenhuber– Staudt/Welp, 297 Rn 242. BGHZ 144, 232, 237ff. – Parfumflakon. BGHZ 144, 232, 238 – Parfumflakon. Vgl. zum Namensnennungsrecht OLG München GRUR-RR 2010, 412, 413 – PumucklIllustrationen III. 382 LG Frankfurt/M. Urt. v. 23. 2. 1966 – 2/6 O 270/64 – Mückenschutzmittel, FuR 1966, 158, 160 (Entscheidungszusammenfassung von H.-H. Schmieder). 383 RGZ 74, 308, 311, 313 – Zeppelin.

58

§ 14 UrhG – Entstellung des Werkes

Betroffenen leidet.384 Hiernach käme es entscheidend auf die Person des Werbenden und die beworbenen Inhalte an, ob eine Beeinträchtigung anzunehmen ist. In diese Richtung geht auch die Kritik von Poll, dass die Nutzung eines Werkes etwa in einer Kampagne gegen Ausländerfeindlichkeit fir den Urheber positiv sei.385 Polls Kritik kann schon deshalb nicht iberzeugen, weil es fir eine Beeinträchtigung in § 14 UrhG gerade keine Rolle spielt, ob das Werk verschlechtert oder vermeintlich verbessert wird.386 Entsprechend hat der BGH zum Namensrecht klargestellt, dass es die freie Entscheidung jedes Einzelnen ist, ob und wofür er mit seinem Namen oder Bildnis werben möchte.387 Die gleiche Überlegung gilt fir das Urheberpersönlichkeitsrecht. Eine Rufschädigung durch die Nutzung von Musik zu Werbezwecken ist nämlich unabhängig vom Inhalt der Werbung zu befürchten. Sie kann schon dann vorliegen, wenn Tonträger als Vorspann einer Hauptware vertrieben werden, weil die Hauptware hier im Vordergrund steht.388 Im Gegensatz zu einer Ausstellung oder öffentlichen Wiedergabe eines Werkes ist die werbliche Verwendung niemals wertneutral.389 In der Werbung dient das Werk nur als Mittel zum Zweck. Gemessen an der ursprünglichen Kommunikationsfunktion wird das Werk missbraucht. Schon durch diese Unterordnung unter den Werbezweck wird das Werk abgewertet. Es wird auf eine Ebene mit einfachen Werbejingles und anderen Gebrauchsgegenständen gestellt. Der Urheber verfolgt mit seinem Werk ursprünglich andere Zwecke: Er will den Rezipienten mit Schönheit erfreuen, dessen Sinne anregen, aber auch aufrütteln und verstören.390 Mit dem Werk sollen die Ideen des Urhebers transportiert werden.391 Häufig wird es – insbesondere bei Unterhaltungsmusik – aber auch so sein, dass der Urheber ähnlich einem Designer schlicht den Zeitgeschmack treffen und finanziellen Erfolg haben will.392 Wird das Werk für fremde Werbezwecke eingesetzt, so liegt darin also immer eine Zweckände-

384 BGHZ 30, 7, 12 – Caterina Valente. 385 Poll WRP 2008, 1170, 1171. 386 DS–Schulze, § 14 UrhG Rn 7, 10; Honscheck GRUR 2007, 944, 946; Schack UrhR, Rn 383; Schilcher, 60f.; Schmidt, 121; v. Welser, 39. 387 BGHZ 20, 345, 350f. – Paul Dahlke. 388 BGH GRUR 1979, 637, 639 – White Christmas. 389 Grohmann, 81. 390 Schack UrhR, 186; Schack KuR, Rn 7. 391 Peifer FS Vogel, 291, 304. 392 Vgl. Schack UrhR, Rn 233.

Indirekte Beeinträchtigungen durch veränderten Kontext

59

rung.393 So sind etwa Werbeunterbrechungen eines Filmes nicht nur deshalb problematisch, weil sie den Erzählungsstrang unterbrechen, sondern auch wegen des Inhalts der Werbung, wenn er in Wechselwirkung mit dem Inhalt des Filmes tritt.394 Spätestens wenn ein Werk so intensiv werbemäßig verwendet wird, dass die Rezipienten es nur noch mit der Werbung in Verbindung bringen und nicht mehr als selbständiges Werk wahrnehmen, liegt eine schwere Beeinträchtigung vor.395 Die Nutzung eines Musikwerks in der Werbung stellt damit regelmäßig eine indirekte Beeinträchtigung iSv § 14 UrhG dar. Hierbei handelt es sich also keineswegs um einen bloßen Vorwand der Urheber, um doppelt zu kassieren.396

III.

Indirekte Beeinträchtigung durch Nutzung im Wahlkampf

Auch die Verwendung eines Werkes im Wahlkampf begründet einen veränderten Kontext und daher eine Beeinträchtigung.397 Im Unterschied zur Nutzung in kommerzieller Werbung geht es hier nicht um die Bewerbung einer Ware sondern von politischen Ideen. Die Nutzung zur politischen Werbung ist im Vergleich zu rein kommerzieller Werbung für den Betroffenen noch gefährlicher, weil mit der politischer Gesinnung ein besonders sensibler Bereich betroffen ist.398 Wie bei der kommerziellen Werbung liegt in der Nutzung von Werken zu Wahlkampfzwecken eine Änderung der Zweckrichtung der betroffenen Songs.399 Die Nutzung eines ursprünglich politisch neutralen Liedes zu Wahlkampfzwecken bedeutet eine Änderung der Zweckrichtung von bloßer Unterhaltung beziehungsweise anderen politisch neutralen Zwecken hin zur Förderung politischer Ideen.400

393 Vgl. LG Hamburg ZUM-RD 2017, 221, 224 – Entstellung einer Komposition durch Verbindung mit rechtsextremem Text; Simokat/Köhler ZJS 2016, 256, 257; vgl. auch BGH GRUR 2009, 395, 397 – Klingeltöne für Mobiltelefone I. 394 Peifer Werbeunterbrechungen, 221f.; Wallner, 169. 395 Schmidt, 107. 396 Gegen Poll WRP 2008, 1170, 1171. 397 BGH GRUR-RR 2018, 61 – Die Höhner. 398 BGH GRUR 1980, 259, 260 – Wahlkampfillustrierte. 399 Vgl. oben S. 58. 400 LG Hamburg ZUM-RD 2017, 221, 224 – Entstellung einer Komposition durch Verbindung mit rechtsextremem Text; Simokat/Köhler ZJS 2016, 256, 257.

60

§ 14 UrhG – Entstellung des Werkes

Die Änderung der Zweckrichtung soll beispielhaft anhand einiger von der NPD genutzter Lieder gezeigt werden. Der Text von »Atemlos durch die Nacht«401 beschreibt in unzusammenhängenden Gedankenfetzen Liebe, körperliche Zuneigung und die damit zusammenhängenden Gefühlszustände.402 Eine politische Botschaft lässt sich dem Lied nicht entnehmen. Es ist politisch neutral und dient allein Unterhaltungszwecken. »Atemlos« wurde von der NPD also vermutlich nicht aufgrund seines Inhalts, sondern aus einem anderen Grund ausgewählt: Das Lied war zu der Zeit in Deutschland sehr erfolgreich und erreichte Platz 1 der Jahrescharts 2014.403 Somit konnte die NPD davon ausgehen, ein Lied zu nutzen, dass viele Rezipienten kennen. Durch die große Bekanntheit war von einem Anlockeffekt auszugehen.404 Ursprünglich war es aber nicht der Zweck des Liedes, Menschen auf den Wahlkampf aufmerksam zu machen, geschweige denn sie in eine bestimmte politische Richtung zu lenken. Die Lieder »Wenn nicht jetzt, wann dann?« und »Jetzt geht’s los«405 der Band Die Höhner vermitteln eine Aufbruchstimmung – die Titel sind daher treffend gewählt. Durch die Verwendung im Wahlkampf soll der Eindruck entstehen, es sei an der Zeit für einen Politikwechsel. Im konkreten Fall der Nutzung durch die NPD wird also der Zweck verfolgt, die Rezipienten dazu zu bewegen, ihre Stimme der NPD zu geben. Die Höhner hatten mit den Liedern ähnlich wie Helene Fischer wohl hauptsächlich Unterhaltungszwecke verfolgt. Sofern man auch eine politische Botschaft in den Liedern sehen will, kann man jedenfalls nicht davon ausgehen, dass die Band dazu aufrufen wollte, NPD zu wählen. Die Höhner hatten nämlich schon 1992 an einem Konzert gegen Rassismus und Neonazis mitgewirkt.406 Noch offensichtlicher ist die Beeinträchtigung, wenn das Lied ursprünglich nicht politisch neutral war und nun für eine politisch entgegengesetzte Richtung eingespannt wird. Die Werbung ist dann eine extreme Beeinträchtigung des Werkes, da sie im Widerspruch zu dessen ursprünglicher Intention steht.407 So war es im Fall des Liedes »Deine Schuld«408 von den Ärzten. Im Refrain heißt es:

401 LG Erfurt Urt. vom 5. 9. 2014 – 3 O 1076/14 – Atemlos; OLG Jena Urt. v. 18. 3. 2015 – 2 U 674/ 14 – Helene Fischer, siehe oben Fn. 10. 402 Atemlos durch die Nacht – Songlexikon. 403 Atemlos durch die Nacht – Songlexikon. 404 OLG Jena Urt. v. 18. 3. 2015 – 2 U 674/14 – Helene Fischer, siehe oben Fn. 10. 405 LG Erfurt Urt. v. 13. 10. 2014 – 3 O 1139/14 – Die Höhner ; LG Erfurt Teilurt. v. 25. 9. 2015 – 3 O 102/15, BeckRS 2015, 118185 – Die Höhner ; OLG Jena ZUM-RD 2015, 670 – Die Höhner ; BGH GRUR-RR 2018, 61 – Die Höhner. 406 »Arsch Huh« Künstler 1992. 407 Vgl. Wallner, 169. 408 LG Erfurt Urt. v. 13. 10. 2014 – 3 O 1181/14 – Deine Schuld.

Indirekte Beeinträchtigungen durch veränderten Kontext

61

»Es ist nicht Deine Schuld, dass die Welt ist, wie sie ist. Es wär nur Deine Schuld, wenn sie so bleibt.«

Die letzte Strophe kann man als Aufruf verstehen, seine Stimme bei einer Wahl abzugeben: »Die Dich verarschen, die hast Du selbst gewählt. Darum lass sie Deine Stimme hören, weil jede Stimme zählt, ohoho.«

Bei einer Wahlkampfveranstaltung drängt sich diese Interpretation geradezu auf. Wer das Lied im Wahlkampf der NPD hörte, musste zu dem Schluss kommen, dass damit nur die Aufforderung gemeint sein konnte, seine Stimme bei der anstehenden Landtagswahl der NPD zu geben. Auch wenn die Ärzte mit dem Lied dazu aufrufen, sich für Veränderungen einzusetzen, ist es doch abwegig, anzunehmen, dass sie damit bezweckten, dass Stimmen für rechtsradikale Parteien abgegeben werden. Die Einstellung der Ärzte zum Rechtsradikalismus ist bekannt. Bereits 1993 richteten sie sich mit dem Lied »Schrei nach Liebe« gegen Neonazis. Hier steht die Vereinnahmung durch die NPD also eindeutig im Widerspruch zur ursprünglichen Intention der Künstler. Das LG Erfurt sah in der gezielten Verwendung von Musik eher links stehender Künstler auch den Versuch, den Eindruck zu erzeugen, eine verfassungsfeindliche Partei stehe in der Mitte der Gesellschaft.409 Schon darin sah das Gericht einen neuen, beeinträchtigenden Sachzusammenhang. Das ist aus den bereits genannten Gründen zutreffend. Denn auch in der Darstellung einer rechtsextremen Partei als Partei der Mitte liegt eine Zweckänderung in diesem Sinne. Auf jeden Fall liegt eine Beeinträchtigung in der Verbindung mit politisch extremen Botschaften.410 Der Urheber muss selbst entscheiden können, ob und wofür sein Werk genutzt werden darf.411 Das Werk soll der Öffentlichkeit allein in der vom Urheber vorgesehenen Form präsentiert werden.412 Für das Vorliegen einer Beeinträchtigung kann es daher nicht darauf ankommen, ob der Urheber sich mit den Zielen, für die Dritte sein Werk nutzen, identifizieren kann oder will.413 Das OLG Jena begründet die indirekte Beeinträchtigung auch damit, dass nicht ausgeschlossen werden könne, dass ein unvoreingenommener Durch409 LG Erfurt Urt. v. 13. 10. 2014 – 3 O 1087/14, S. 5; LG Erfurt Urt. v. 13. 10. 2014 – 3 O 1181/14 – Deine Schuld, S. 5; LG Erfurt Urt. v. 13. 10. 2014 – 3 O 1190/14, S. 4. 410 LG Hamburg ZUM-RD 2017, 221, 224 – Entstellung einer Komposition durch Verbindung mit rechtsextremem Text. 411 Peifer FS Vogel, 291, 298. 412 FN–Dustmann, § 14 UrhG Rn 1; Schack UrhR, Rn 380. 413 Peifer FS Vogel, 291, 298.

62

§ 14 UrhG – Entstellung des Werkes

schnittsbeobachter annimmt, die Musiker wirkten zumindest duldend im Wahlkampf mit oder stünden den politischen Überzeugungen nahe.414 Indes lässt sich diese Überlegung besser beim Prüfungspunkt der Interessengefährdung einordnen.415

C.

Interessengefährdung

I.

Grundsätzliches

1.

Ideelle Interessen

Der Urheber kann nicht jede Entstellung oder Beeinträchtigung verbieten. Zusätzlich muss eine Gefährdung seiner ideellen Interessen gegeben sein. § 14 UrhG erfasst sowohl die geistigen als auch die persönlichen Interessen des Urhebers. Die geistigen Interessen beziehen sich objektiv auf das Werk, während die persönlichen Interessen die Ehre und Anerkennung des Urhebers betreffen.416 Geistige und persönliche Interessen können gleichrangig eine Entstellung begründen.417 Allerdings kann, wenn das Werk anonym veröffentlicht wurde, nur auf die geistigen Interessen abgestellt werden, während die persönlichen Interessen unberührt bleiben, solange niemand das Werk dem Urheber zuordnet.418 2.

Wirtschaftliche Interessen

Bei der Interessengefährdung sind auch wirtschaftliche Interessen des Urhebers zu berücksichtigen. Er ist nämlich – etwa um Folgeaufträge zu erhalten – auf ein gutes Image angewiesen.419 Konkret entgangene Einnahmen kann der Urheber dann als Vermögensschaden geltend machen.420 Die Einteilung in Vermögensund Persönlichkeitsrechte bedeutet also nicht, dass bei ersteren nur Vermögensund bei letzteren nur Nichtvermögensschäden geltend gemacht werden könnten.421 414 OLG Jena ZUM-RD 2015, 670, 671 – Die Höhner. 415 Vgl. unten S. 66. 416 Schack UrhR, Rn 353; Ulmer, 209; a. A. nur Schlingloff GRUR 2017, 572, 576, der meint, dass man zwischen geistigen und persönlichen Interessen nicht unterscheiden könne. 417 Schack UrhR, Rn 353. 418 Schilcher, 136. 419 BGH GRUR 1981, 676, 678 – Architektenwerbung. 420 Ulmer, 114. 421 Ulmer, 207.

Interessengefährdung

3.

63

Eignung zur Interessengefährdung

Interessen sind dann gefährdet, wenn die theoretische Möglichkeit ihrer Verletzung besteht. Hierbei kommt es nicht auf eine konkrete Gefährdung, sondern allein darauf an, ob ein vernünftiger Urheber die Möglichkeit der Verletzung gesehen hätte.422 Dies wird nach objektiven Kriterien beurteilt, also nicht nach einer womöglich individuellen Überempfindlichkeit des Urhebers.423 Die Eignung zur Interessengefährdung ist indiziert, wenn objektiv eine Beeinträchtigung vorliegt, da ein Interesse an der Werkintegrität in der Regel anzunehmen ist.424 Das Urheberinteresse am Fortbestand des Werkes in seiner konkreten Gestalt ist grundsätzlich berechtigt in diesem Sinne.425 Die Indizwirkung entfällt bei einem Einverständnis des Urhebers.426 Es ist umstritten, ob das Erfordernis einer Interessengefährdung nur für sonstige Beeinträchtigungen oder auch für eine Entstellung gilt. Eine Ansicht folgert aus der Formulierung »die geeignet ist« in § 14 UrhG, dass sich der Halbsatz nur auf die Beeinträchtigung bezieht, da er im Singular formuliert ist.427 Es sei widersprüchlich, wenn § 39 UrhG keine Interessengefährdung verlange, dies aber für eine Entstellung zu fordern sei.428 Die Interessengefährdung wird nach dieser Ansicht im Fall einer Entstellung vom Gesetz unterstellt, da diese ein besonders schwerer Fall einer Beeinträchtigung ist.429 Diese Auffassung ist jedoch abzulehnen. Sie führt zu Abgrenzungsschwierigkeiten, wenn man streng zwischen Entstellung und sonstiger Beeinträchtigung unterscheiden müsste. Zwischen beiden besteht aber nur ein gradueller Unterschied.430 Letztlich handelt es sich um ein Scheinproblem, da Bullinger die Interessenabwägung nur in den Prüfungspunkt verschiebt, ob eine Entstellung oder aber eine sonstige Beeinträchtigung vorliegt. Die Behauptung eines Wertungswiderspruchs zu § 39 UrhG ist schon deshalb fragwürdig, weil nicht ersichtlich ist, warum dieser Widerspruch nur bei der Entstellung, nicht aber bei der Beeinträchtigung relevant sein soll.431 Eine Entstellung muss außerdem nicht 422 LG Hamburg GRUR-RR 2015, 140, 142 – Forever Young; FN–Dustmann, § 14 UrhG Rn 15. 423 Fromlowitz, 50; Samson, 23; Schack UrhR, Rn 387; Schack KuR, Rn 259. 424 OLG München GRUR-Int 1993, 332, 333 – Christoph Columbus; Asmus, 155; Schack KuR, Rn 259. 425 Schack KuR, Rn 185. 426 OLG München GRUR-Int 1993, 332, 333 – Christoph Columbus; LG Hamburg GRUR-RR 2015, 140, 142 – Forever Young; Schack UrhR, Rn 386; Schack KuR, Rn 259. Siehe unten S. 65. 427 WaBu–Bullinger, § 14 UrhG Rn 9. 428 WaBu–Bullinger, § 14 UrhG Rn 9. 429 WaBu–Bullinger, § 14 UrhG Rn 9. 430 OLG München ZUM 1991, 540, 542 – U2; DS–Schulze, § 14 UrhG Rn 5; SL–Dietz/Peukert, § 14 UrhG Rn 18. 431 FN–Dustmann, § 14 UrhG Rn 18.

64

§ 14 UrhG – Entstellung des Werkes

in allen Fällen schwerer wiegen als eine sonstige Beeinträchtigung.432 Dies wird man regelmäßig nur im Einzelfall feststellen können. Schließlich führt auch die verfassungskonforme Auslegung von § 14 UrhG dazu, dass die Interessengefährdung in beiden Fällen festgestellt werden muss. Denn das Erfordernis der Interessenabwägung ist Ausdruck kollidierender Grundrechte und des Verhältnismäßigkeitsprinzips, das bei der Entstellung wie bei der sonstigen Beeinträchtigung zu berücksichtigen ist.433 Entstellung und Beeinträchtigung werden hinsichtlich der Interessengefährdung somit gleich behandelt.434 4.

Intensität der Interessengefährdung

Je geringer die Schöpfungshöhe, desto weniger fallen die Interessen des Urhebers ins Gewicht.435 Bei unbedeutenden Werken der kleinen Münze wird eine Eignung zur Interessengefährdung daher regelmäßig nicht gegeben sein.436 Ein hoher künstlerischer Rang des Werkes hingegen führt sehr viel eher zu einer Interessengefährdung.437 Die Interessen können neben einzelnen Werken auch das gesamte Œuvre des Urhebers betreffen.438 Dabei ist die Gefährdung umso schwerer, je berühmter der Urheber ist.439 Erheblich sind Eingriffe in die körperliche Substanz eines Werkstücks, da diese in der Regel irreversibel sind.440 Noch schwerer wiegt der Eingriff bei einem Werkoriginal oder gar einem Unikat.441 5.

Interessengefährdung nur bei Öffentlichkeitsbezug?

Umstritten ist, ob für eine Interessengefährdung erforderlich ist, dass die Beeinträchtigung für die Öffentlichkeit wahrnehmbar wird. Das RG hatte einen Öffentlichkeitsbezug gefordert, nahm diesen jedoch recht großzügig bereits in einem Treppenhaus eines privaten Wohnhauses an, da zum fraglichen Zeitpunkt jedenfalls Besucher des Hauses Zugang zu dem entstellten Fresko hatten und

432 433 434 435 436 437 438 439 440 441

FN–Dustmann, § 14 UrhG Rn 18. FN–Dustmann, § 14 UrhG Rn 19. Wie hier Dieselhorst, 123f.; Schilcher, 65. Dietz, 85. Schack KuR, Rn 259. Schack UrhR, Rn 387. Schack GRUR 1983, 56, 57. FN–Dustmann, § 14 UrhG Rn 27. OLG Köln GRUR-RR 2010, 182, 186 – Pferdeskulptur. OLG Köln GRUR-RR 2010, 182, 186 – Pferdeskulptur ; FN–Dustmann, § 14 UrhG Rn 29.

Interessengefährdung

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sich für die Zukunft nicht ausschließen ließ, dass sich dieser Kreis erweitern werde, etwa wenn das betreffende Haus den Eigentümer wechsele.442 In der Literatur wurde zum Teil vertreten, dass eine Interessengefährdung bereits vorliegen könne, wenn ein Werkoriginal im rein privaten Bereich beeinträchtigt werde, während nur bei Vervielfältigungsstücken eine Öffentlichkeit zu fordern sei.443 Dafür könnte sprechen, dass zwar nicht die persönlichen, wohl aber die geistigen Interessen des Urhebers bereits im privaten Kreis verletzt werden können.444 Überzeugender ist es jedoch, eine Interessengefährdung erst anzunehmen, wenn das beeinträchtigte Werk über einen rein privaten Kreis hinaus auch Dritten zur Kenntnis gelangt, die die Beeinträchtigung dem Urheber zurechnen könnten.445 Dies entspricht auch der Wertung von § 23 Satz 1 UrhG, der erst die Veröffentlichung einer Bearbeitung und nicht schon deren Herstellung für zustimmungsbedürftig erklärt.446 In Anbetracht der langen Schutzdauer wird ein Öffentlichkeitsbezug indes häufig zu erwarten sein.447 Der Grad der Öffentlichkeit ist jedoch ein wichtiges Kriterium für das Ausmaß der Interessengefährdung. Je größer der Öffentlichkeitsbezug ist, desto schwerer wiegt auch der Eingriff.448

6.

Keine Interessengefährdung bei Einwilligung des Urhebers

Wenn der Urheber in die Beeinträchtigung eingewilligt hat, kann man in der Regel nicht mehr davon ausgehen, dass seine Interessen gefährdet sind. Dafür muss die Einwilligung jedoch umso konkreter sein, je stärker die Interessen des Urhebers berührt sind.449 Unwirksam ist die Einwilligung, wenn der Kernbereich des Urheberpersönlichkeitsrechts betroffen ist.450 Der Kernbereich ist verletzt, wenn die geistigen und persönlichen Beziehungen zum Werk »schwerwiegend gefährdet oder verletzt« werden.451 In diesem Kernbereich kann der Urheber auf den Entstellungsschutz nicht rechtsgeschäftlich verzichten.452 442 443 444 445 446 447 448 449 450 451 452

RGZ 79, 397, 402 – Felseneiland mit Sirenen. Ulmer, 219. Grohmann, 106f. FN–Dustmann, § 14 UrhG Rn 16; SL–Dietz/Peukert, § 14 UrhG Rn 25; Grohmann, 109, 111; Honscheck GRUR 2007, 944, 946; Schack UrhR, Rn 388; Schack KuR, Rn 259; v. Welser, 42. Haberstumpf Handbuch UrhR, Rn 221; Schack UrhR, Rn 388; Schack KuR, Rn 259; SL– Dietz/Peukert, § 14 UrhG Rn 25. Honscheck GRUR 2007, 944, 946; vgl. RGZ 79, 397, 402 – Felseneiland mit Sirenen. FN–Dustmann, § 14 UrhG Rn 25; Paschke GRUR 1984, 858, 866; Schilcher, 124; v. Welser, 43. DS–Schulze, vor § 12 UrhG Rn 12. Dietz Droit Moral, 130; Fromlowitz, 201; vgl. Schack KuR, Rn 259. BGHZ 15, 249, 260 – Cosima Wagners Tagebücher. Schack UrhR, Rn 349.

66

§ 14 UrhG – Entstellung des Werkes

II.

Interessengefährdung bei Werknutzung im Wahlkampf

1.

Eindruck der Unterstützung einer politischen Partei

Bei der Verwendung von Werken zur politischen Werbung werden die Interessen durch den Eindruck gefährdet, der Urheber unterstütze die jeweilige Partei im Wahlkampf.453 Es wird der Eindruck erweckt, der Urheber stehe mit seiner Person oder seinem Werke für die beworbenen Inhalte ein.454 Es kann der Eindruck entstehen, er unterstütze die Partei, sei vielleicht gar Parteimitglied.455 Das kann ein falsches Licht auf die politische Einstellung des Urhebers werfen.456 Das Ansehen des Urhebers leidet dadurch bei Personen, die die betreffende Partei ablehnen oder generell Anstoß an einer Mitwirkung im Wahlkampf nehmen.457 Dafür reicht bereits der Eindruck, der Urheber erlaube dies allein aus kommerziellen Gründen.458 Die NPD berief sich darauf, die Songs würden allein zur Unterhaltung wiedergegeben.459 Das LG Erfurt hingegen war davon überzeugt, dass mit den Liedern über die Unterhaltung hinaus gezielt der Eindruck erweckt werden sollte, die NPD stehe in der Mitte der Gesellschaft.460 Auch das OLG Jena und der BGH teilten diese Ansicht.461 Für die Interessengefährdung ist das indes nicht entscheidend. Denn die Interessen des Urhebers können auch dann objektiv gefährdet sein, wenn dies subjektiv nicht beabsichtigt war. Die NPD vertrat die Ansicht, weil die jeweiligen Werke nicht allein abgespielt wurden, sondern zusammen mit anderen Werken von Künstlern, die alle eher 453 He Die »Toten Hosen« und »Wir sind Helden«– Hitmusik für den Wahlkampf der NPD und anderer Parteien?, Vgl. »Tage wie diese«: Tote Hosen wollen nicht bei Wahlkampfauftritt gespielt werden. Vgl. auch KG NJW-RR 1990, 1065 – Abdruck in gefälschter Zeitung, wonach der Urheber auch gegen die unwahre Behauptung vorgehen kann, er habe die Nutzung genehmigt. 454 Vgl. Pietzko AfP 1988, 209, 216. 455 LG München I, UFITA 87 (1980), 342, 345 – Wahlkampfwerbung; LG Hamburg ZUM-RD 2017, 221, 224 – Entstellung einer Komposition durch Verbindung mit rechtsextremem Text. 456 LG Hamburg ZUM-RD 2017, 221, 224 – Entstellung einer Komposition durch Verbindung mit rechtsextremem Text. 457 LG München I, UFITA 87 (1980), 342, 345 – Wahlkampfwerbung. 458 Vgl. BGH GRUR 1971, 525, 526f. – Petite Jacqueline; vgl. Hubmann, 274. 459 LG Erfurt Urt. v. 5. 9. 2014 – 3 O 1076/14, S. 4 – Atemlos; LG Erfurt Urt. v. 13. 10. 2014 – 3 O 1087/14, S. 3; LG Erfurt Urt. v. 13. 10. 2014 – 3 O 1139/14, S. 3 – Die Höhner ; LG Erfurt Urt. v. 13. 10. 2014 – 3 O 1181/14 – Deine Schuld, S. 4; LG Erfurt Urt. v. 13. 10. 2014 – 3 O 1190/14, S. 3. 460 LG Erfurt Urt. v. 13. 10. 2014 – 3 O 1087/14, S. 5; LG Erfurt Urt. v. 13. 10. 2014 – 3 O 1139/14, S. 4 – Die Höhner ; LG Erfurt Urt. v. 13. 10. 2014 – 3 O 1181/14 – Deine Schuld, S. 5; LG Erfurt Urt. v. 13. 10. 2014 – 3 O 1190/14, S. 4. 461 OLG Jena ZUM-RD 2015, 670, 671 – Die Höhner ; OLG Jena GRUR 2017, 622, 624 – Die Höhner II; BGH GRUR-RR 2018, 61 – Die Höhner.

Interessengefährdung

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links einzuordnen seien, sei es unwahrscheinlich, dass einer der Künstler der NPD zugerechnet werde.462 Dieses Argument zieht schon deshalb nicht, weil die Partei keinen Vorteil daraus ziehen darf, dass sie in die Rechte gleich mehrerer Urheber eingreift. Die Intensität der einzelnen Rechtsverletzung wird nicht durch weitere Rechtsverletzungen abgeschwächt.463 2.

Stärkere Interessengefährdung bei abgelehnten politischen Zielen

Besonders misslich ist die Lage für den Urheber, wenn er der werbenden Partei nicht nahesteht oder sie gar entschieden ablehnt. So sollen sich in den USA Musiker auffallend häufig gegen die Nutzung ihrer Lieder durch Republikaner wehren.464 Noch größer ist die Interessengefährdung, wenn die von der Partei verfolgten Ziele denen der Musiker widersprechen,465 erst recht, wenn die Partei allgemein als radikal oder extrem gilt.466 So ist das Interesse besonders stark, nicht mit einer verfassungsfeindlichen Partei in Verbindung gebracht zu werden.467 Wenn die Ziele der Partei nur von einem geringen Teil der Bevölkerung geteilt werden, drohen dem Künstler umso größere wirtschaftliche Nachteile.468 3.

Konkrete politische Partei nicht entscheidend

Auf die konkrete Partei kommt es für die Interessengefährdung nach überwiegender Ansicht im Ergebnis nicht an.469 Davon geht auch das OLG Jena aus.470 Ein Musiker, der in der breiten Bevölkerung erfolgreich sein will, ist darauf angewiesen, nicht einer bestimmten politischen Richtung zugeordnet zu werden.471 462 LG Erfurt Urt. v. 5. 9. 2014 – 3 O 1076/14, S. 3 – Atemlos; LG Erfurt Urt. v. 13. 10. 2014 – 3 O 1087/14, S. 3; LG Erfurt Urt. v. 13. 10. 2014 – 3 O 1181/14 – Deine Schuld, S. 4. 463 OLG Jena Urt. v. 18. 3. 2015 – 2 U 674/14 – Helene Fischer, siehe oben Fn. 10. 464 McKinley Romney and Gingrich Pull Songs After Complaints; Hickey The Long History of Musicians Telling Republicans to Stop Playing Their Music. 465 LG Erfurt Urt. v. 13. 10. 2014 – 3 O 1087/14, S. 5; LG Erfurt Urt. v. 13. 10. 2014 – 3 O 1139/14, S. 4f. – Die Höhner ; LG Erfurt Urt. v. 13. 10. 2014 – 3 O 1181/14 – Deine Schuld, S. 5; LG Erfurt Urt. v. 13. 10. 2014 – 3 O 1190/14, S. 4. 466 LG Oldenburg GRUR 1986, 464, 465 – DKP-Plakat. 467 Simokat/Köhler ZJS 2016, 256. 468 OLG Jena ZUM-RD 2015, 670, 672 – Die Höhner ; OLG Jena GRUR 2017, 622, 625 – Die Höhner II; OLG Jena Urt. v. 18. 3. 2015 – 2 U 674/14 – Helene Fischer, siehe oben Fn. 10; LG Erfurt Teilurt. v. 25. 9. 2015 – 3 O 102/15, BeckRS 2015, 118185 – Die Höhner. 469 BVerfG NJW 2001, 2957, 2959 – Wilhelm Kaisen; LG München I, UFITA 87 (1980), 342, 345 – Wahlkampfwerbung; Renner GRUR 2017, 772, 774; Vonau Und die Musi spielt dazu…? Musiknutzung im Wahlkampf; vgl. OLG Hamburg NJW-RR 1998, 552 – Pack den Tiger in die Bürgerschaft. 470 OLG Jena GRUR 2017, 622, 624 – Die Höhner II; OLG Jena Urt. v. 18. 3. 2015 – 2 U 674/14 – Helene Fischer, siehe oben Fn. 10. 471 Vgl. OLG Hamburg NJW-RR 1998, 552 – Pack den Tiger in die Bürgerschaft.

68

§ 14 UrhG – Entstellung des Werkes

Durch die werbemäßige Vereinnahmung seines Werkes wird es dem Urheber aber erschwert, seinen künstlerischen Ruf und seine Popularität zu steigern.472 Die politische Richtung darf schon deshalb keine Rolle spielen, weil es auch Menschen gibt, die nicht mit einer der »Volksparteien« in Verbindung gebracht werden wollen.473 Aufschlussreich ist ein Beispiel aus den USA: Steven Tyler von der Band Aerosmith wehrte sich gegen die Nutzung seines Liedes »Dream On« durch Donald Trump, obwohl Tyler selbst Republikaner ist. Er betonte ausdrücklich, dass er kein persönliches oder politisches Problem mit Trump habe, er wolle aber den Eindruck vermeiden, er unterstütze dessen Wahlkampf.474 Dass es auf die konkreten politischen Inhalte nicht ankommen kann, folgt für das deutsche Recht schon aus der Wertung von Art. 21 GG.475 Art. 21 GG impliziert, dass die Werbung einer politischen Partei nicht stärker eingeschränkt werden darf als diejenige anderer Parteien.476 Die Vorschrift ist zwar nicht unmittelbar zwischen Privaten anwendbar, ihre Wertung strahlt aber ins Zivilrecht aus.477 Insbesondere kann sich vor einer Feststellung durch das BVerfG niemand auf die Verfassungswidrigkeit einer Partei berufen.478 4.

Kritik der Literatur am OLG Jena und LG Erfurt

Die Entscheidungen aus Thüringen wurden vereinzelt kritisiert, weil es angeblich sehr fern liege, dass von der Werkwiedergabe auf eine politische Unterstützung geschlossen wird.479 Ein verständiger Zuschauer oder Zuhörer von Berichten über den Wahlkampf gehe nicht davon aus, dass die Künstler den Wahlkampf einer rechten Partei unterstützen. Mit der Wiedergabe werde lediglich zum Ausdruck gebracht, dass das Lied der veranstaltenden Partei gefalle.480 Diese Kritik überzeugt nicht. Das OLG Jena hat ausdrücklich darauf hingewiesen, dass dieser Eindruck nicht unbedingt tatsächlich oder mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit vorliegen muss.481 Es reicht vielmehr, dass nicht auszuschließen ist, dass unvoreingenommene Durchschnittsbeobachter sich die Frage stellen, was die Künstler mit der Partei und deren politischen Ideen zu tun 472 473 474 475 476 477 478 479 480 481

BGH GRUR 1979, 637, 639 – White Christmas. Renner GRUR 2017, 772, 774. Möller Donald Trump darf »Dream On« von Aerosmith nicht mehr nutzen. BVerfG NJW 2001, 2957, 2959 – Wilhelm Kaisen. Maunz/Dürig–Klein, Art. 21 GG Rn 573. Maunz/Dürig–Klein, Art. 21 GG Rn 271. Zur Drittwirkung s. unten S. 74. BVerfGE 12, 296, 304 – KPD; BVerfGE 107, 339, 362 – NPD. Simokat/Köhler ZJS 2016, 256, 259. Simokat/Köhler ZJS 2016, 256, 259. OLG Jena ZUM-RD 2015, 670, 671 – Die Höhner ; OLG Jena GRUR 2017, 622, 624 – Die Höhner II; OLG Jena Urt. v. 18. 3. 2015 – 2 U 674/14 – Helene Fischer, siehe oben Fn. 10.

Interessengefährdung

69

haben.482 Wenn der Eindruck einer Unterstützung der Partei tatsächlich entstanden ist, sind die Interessen nicht nur gefährdet, sondern bereits verletzt. Es ist nicht abwegig sondern naheliegend, dass ein unvoreingenommener Durchschnittsbeobachter des Wahlkampfes sich diese Frage stellt. Selbst wenn sich Künstler öffentlich gegen die Partei ausgesprochen haben, kann nicht ausgeschlossen werden, dass objektive Beobachter einen Zusammenhang assoziieren.483 Bernzen kritisiert die Entscheidungen, da durch die Wiedergabe im Wahlkampf nicht der Gesamteindruck des Werkes verändert werde, sondern nur der Kontext nicht dem Willen des Urhebers entspreche.484 Sein Interesse, nicht mit einer politischen Partei in Verbindung gebracht zu werden, habe keinerlei Werkbezug und sei deshalb nicht über § 14 UrhG geschützt.485 Insofern unterscheide sich § 14 von dem weiteren § 75 UrhG, der auch das Interesse an der Darbietung schütze.486 § 75 UrhG sei nämlich enger an die Person der ausübenden Künstler geknüpft. Diese müssten auch stärker persönlich geschützt werden, da sie oft bekannter seien als die Urheber.487 Die Urheber könnten sich daher grundsätzlich nur dann gegen die Werknutzung im Wahlkampf wehren, wenn sie zugleich ausübende Künstler seien.488 Bernzen gesteht den Urhebern aber eine Verbotsmöglichkeit über ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht zu, weil in dem Eindruck der Unterstützung eine falsche Tatsachenbehauptung liege.489 Auch dieser Kritik kann nicht gefolgt werden. Dass ein veränderter Kontext eine indirekte Beeinträchtigung des Werkes darstellen kann, ist allgemein anerkannt.490 Bernzen stellt hier ohne nähere Begründung die gesamte Rechtsfigur der indirekten Beeinträchtigung in Frage. Ein Werkbezug besteht schon insofern, als die Verbindung zwischen der politischen Partei und dem Urheber durch das genutzte Musikwerk hergestellt wird. Dass der Schutz über § 75 UrhG weiter reichen soll als der über § 14 UrhG widerspricht der herrschenden Meinung.491 Die vorgeschlagene Lösung über das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist auch insofern problematisch, als Bernzen in der Werknutzung im Wahlkampf eine Tatsachenbehauptung sehen will.492 Hier fragt sich schon, welche Tatsache die 482 OLG Jena ZUM-RD 2015, 670, 672 – Die Höhner ; LG Erfurt Teilurt. v. 25. 9. 2015 – 3 O 102/ 15, BeckRS 2015, 118185 – Die Höhner. 483 OLG Jena Urt. v. 18. 3. 2015 – 2 U 674/14 – Helene Fischer, siehe oben Fn. 10. 484 Bernzen GRUR Newsletter 02/2018, 23, 25. 485 Bernzen GRUR Newsletter 02/2018, 23, 25. 486 Bernzen GRUR Newsletter 02/2018, 23, 24. 487 Bernzen GRUR Newsletter 02/2018, 23, 24. 488 Bernzen GRUR Newsletter 02/2018, 23, 25. 489 Bernzen GRUR Newsletter 02/2018, 23, 25. 490 Siehe oben S. 51. 491 Siehe unten S. 83. 492 Bernzen GRUR Newsletter 02/2018, 23, 25.

70

§ 14 UrhG – Entstellung des Werkes

Parteien konkret mit der Wiedergabe eines Liedes behaupten, wenn sie nur gute Stimmung erzeugen soll. Außerdem ist das Urheberpersönlichkeitsrecht gegenüber dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht in dessen Anwendungsbereich vorrangig, ein Rückgriff auf letzteres daher hier nicht möglich.493 5.

Eindruck der Unterstützung als entscheidendes Kriterium

Zum Teil wurde nach den Thüringer Urteilen angenommen, es komme entscheidend darauf an, ob der Durchschnittsbeobachter den Eindruck gewinne, der Urheber wirke zumindest duldend am Wahlkampf mit.494 Wenn die Musik nur während einer Kaffeepause leise im Hintergrund wiedergegeben werde, entstehe dieser Eindruck nicht, so dass eine solche Wiedergabe zulässig sei.495 Werde die Musik hingegen als »Intro« verwendet, sei eine Interessengefährdung gegeben.496 Dabei komme es auf das einzelne Musikwerk und auf die Situation der Wiedergabe an. Bei Liedern, die eine Aufbruchstimmung vermitteln, reiche die Wiedergabe während Bürgergesprächen nach einer Rede aus.497 Die Wiedergabe bei einer Wahlsiegerparty erzeuge jedenfalls dann den Eindruck der Unterstützung, wenn durch die wiederholte Wiedergabe der Eindruck erweckt werde, es handele sich um eine »Parteihymne«.498 In Extremfällen – wie der Nutzung eines Musikwerkes als Parteihymne – kommt diese Ansicht zu befriedigenden Ergebnissen. Zu Rechtsunsicherheit führt sie aber bei der Abgrenzung weniger eindeutiger Fälle. So fällt es schwer zu erklären, warum eine Wiedergabe als Hintergrundmusik während einer Kaffeepause anders zu beurteilen sein soll als während eines Bürgergespräches. Ungeachtet dieser problematischen Differenzierung kann jedoch festgestellt werden, dass in den eindeutigen Fällen eines »Intro«, einer »Aufmarschmusik« oder zum »Mitsingen« eine schwerere Interessengefährdung vorliegt.499 Gleiches gilt, wenn immer wieder dasselbe Lied gespielt wird. 6.

Unwillkürliche Gedankenverbindung ausreichend

Peifer weist darauf hin, dass der Entstellungsschutz auf einen Irreführungsschutz verkürzt werde, wenn man allein auf den Eindruck abstellen wollte, dass 493 494 495 496 497 498 499

Siehe oben S. 42. Renner GRUR 2017, 772, 775; Schoene GRUR-Prax 2017, 169. Renner GRUR 2017, 772, 775. Renner GRUR 2017, 772, 775; Schlingloff GRUR 2017, 572, 579. Renner GRUR 2017, 772, 775. Renner GRUR 2017, 772, 775. OLG Jena GRUR 2017, 622, 624 – Die Höhner II.

Interessengefährdung

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der Urheber die Ziele der Partei unterstützt.500 Das sei nicht anders, als wenn jemandem ein falsches Zitat untergeschoben werde.501 Die Situation wäre dann vergleichbar mit dem Unterschieben fremder Werke, gegen die das Urheberpersönlichkeitsrecht gerade nicht schützt.502 Würde es also tatsächlich nur um einen Irreführungsschutz in diesem Sinne gehen, dann müsste man die Lösung konsequenterweise im allgemeinen und nicht im Urheberpersönlichkeitsrecht suchen. Diese Überlegung greift zu kurz. Zwar ist die Irreführung Voraussetzung für das Verbot, und damit werden als Reflex auch die Rezipienten vor Irreführung geschützt. Dies ist aber nicht der Grund für das Verbot. Es geht nicht darum, die Rezipienten vor Irreführung sondern den Urheber vor Vereinnahmung zu schützen. Statt von Irreführungsschutz spricht man deshalb besser von Vereinnahmungsschutz. Recht hat Peifer aber insofern, als nicht alleinentscheidend sein kann, ob der Eindruck der Unterstützung entsteht. Auch der BGH hielt es bei der Namensnennung in kommerzieller Werbung nicht für entscheidend, ob dieser Eindruck entsteht, denn niemand müsse dulden, dass durch die Nennung in der Werbung sein Ansehen leide.503 Schon eine unwillkürliche Gedankenverbindung zwischen der Werbeaussage und dem Inhaber des Persönlichkeitsrechts muss dieser nicht hinnehmen.504 Übertragen auf die Wiedergabe von Werken zu Wahlkampfzwecken bedeutet das, dass schon in der Erweckung des Eindrucks einer Unterstützung eine konkrete Gefahr für den Urheber liegt, zumal wenn ein Musikwerk durch wiederholte Nutzung zur Parteihymne geworden ist. Für die Interessengefährdung muss aber weder ein Schaden bereits eingetreten sein, noch ist eine konkrete Gefahr erforderlich.505 Es reicht vielmehr die theoretische Möglichkeit der Verletzung der Interessen des Urhebers.506 Daher muss bereits die unwillkürliche Gedankenverbindung genügen. Die Interessen sind also bereits gefährdet, wenn der Urheber oder sein Werk mit der werbenden Partei in Verbindung gebracht werden. Hierfür kann schon die einmalige Wiedergabe ausreichen. Freilich wird die Assoziation bei wiederholter Wiedergabe stärker, oder wenn eine inhaltliche Verbindung zwischen dem Liedtext und dem Wahlkampf hergestellt werden kann.

500 501 502 503 504 505 506

Peifer FS Vogel, 291, 301. Peifer FS Vogel, 291, 302. Siehe oben S. 46. BGHZ 30, 7, 12 – Caterina Valente. BGHZ 30, 7, 13 – Caterina Valente. FN–Dustmann, § 14 UrhG Rn 15, S. oben S. 63. FN–Dustmann, § 14 UrhG Rn 15.

72

§ 14 UrhG – Entstellung des Werkes

Die Interessengefährdung entfällt deshalb auch nicht durch eine Klarstellung, dass der Urheber mit der Nutzung des Werkes nicht einverstanden ist, also keine Unterstützung vorliegt.507 Denn es kann schon nicht sichergestellt werden, dass diese Klarstellung auch von allen Werbeadressaten wahrgenommen wird. Eine Interessengefährdung ist daher im Ergebnis bereits dann anzunehmen, wenn eine unwillkürliche Gedankenverbindung zwischen dem Urheber beziehungsweise seinem Werk und der werbenden Partei hergestellt wird. Dabei lassen sich mit Musik besonders leicht Assoziationen herstellen. Seit den 1960er Jahren wird Musik gezielt dazu eingesetzt, das Kundenverhalten zu beeinflussen.508 Auch als Mittel der Staatspropaganda wie des politischen Widerstandes wird Musik schon lange gezielt eingesetzt.509 Aus musikpsychologischer Sicht ist zwar nicht ganz klar, ob sich etwa der Umsatz eines Kaufhauses durch die Hintergrundbeschallung positiv beeinflussen lässt.510 Dagegen spricht etwa, dass verschiedene Rezipienten jeweils unterschiedliche Musik bevorzugen.511 Wohl aber lässt sich mit Musik die Stimmung der Rezipienten beeinflussen.512 Musik kann Aufmerksamkeit erzeugen und Emotionen hervorrufen.513 Nachweisen lassen sich sogenannte Thrills wie Gänsehaut, Lachen oder ein schnellerer Herzschlag durch das Hören von Musik.514 All das spricht dafür, eine Interessengefährdung bereits bei einer unwillkürlichen Gedankenverbindung anzunehmen und nicht erst, wenn der Eindruck der Unterstützung hervorgerufen wird. Wenn aber auch dieser Eindruck entsteht, wiegt die Interessengefährdung deutlich schwerer.

7.

Keine Beschränkung auf den Wahlkampf politischer Parteien

Diese Ergebnisse sind nicht auf den Wahlkampf politischer Parteien beschränkt. Schon die Zuordnung zu einer bestimmten Szene kann die Interessen des Urhebers gefährden. So sind die Urheberinteressen einer Band gefährdet, deren Lieder sich auf einem Sampler mit Musik aus der neofaschistischen Szene wiederfinden.515 Denn schon eine bekannte rechtsradikale Band kann für den gesamten Sampler den Eindruck erzeugen, dass dieser insgesamt zur rechtsra507 508 509 510 511 512 513 514 515

Peifer FS Vogel, 291, 302. Schönberger, 15. Spitzer, 383. Kopiez Wirkung von Musik, 525, 536f.; Schönberger, 14f. m. w. N. Kopiez Wirkung von Musik, 525, 538. Kopiez Wirkung von Musik, 525, 537 m.w.N.; Spitzer, 379. Spitzer, 403. Schönberger, 87, 123. OLG Frankfurt/Main GRUR 1995, 215, 216 – Springtoifel.

Interessengefährdung

73

dikalen Szene gehört.516 Auch die Überlassung von Geschäftsräumen, in denen später Waren für die rechtsradikale Szene feilgeboten werden, bewirkt die Gefahr, dass der Vermieter dieser Szene zugeordnet wird.517 Außerdem besteht das Risiko, dass andere Käuferschichten bzw. andere Mieter abgeschreckt werden.518

8.

Intensität der Interessengefährdung im Wahlkampf

Man kann nicht pauschal davon ausgehen, dass die Beeinträchtigung bei politischer Werbung stets höher ist als bei kommerzieller Werbung und daher erst recht zu verbieten sei.519 Das hängt vielmehr stark von der beworbenen politischen Idee bzw. dem beworbenen Produkt ab und ist daher immer eine Frage des Einzelfalls.520 So kann die Werbung für Produkte, die in höchstem Maße anstößig oder strafrechtlich relevant sind, die Interessen des Urhebers durchaus stärker gefährden als die Werbung für eine Volkspartei. Da die politische Positionierung aber insgesamt ein sensibler Bereich ist, kann man davon ausgehen, dass die Intensität der Interessengefährdung hier in aller Regel hoch ist. Das gilt besondere bei extremen Parteien oder wenn die Ziele der Urheber und der Partei weit auseinanderliegen.521 Die Entscheidungen des OLG Jena wurden dafür kritisiert, dass die Beeinträchtigung angeblich nur gering sei, weil die Künstler ein Recht auf Gegendarstellung hätten, wenn berichtet werde, dass sie den Wahlkampf unterstützen.522 Das ist schon deshalb nicht richtig, weil eine nachträgliche Gegendarstellung nur die Berichterstattung und nicht die unmittelbare Wirkung vor Ort erfassen kann. Die Interessen des Urhebers sind schon dann gefährdet, wenn unvoreingenommene Durchschnittsbeobachter vor Ort eine Gedankenverbindung zwischen dem Urheber und der Partei herstellen, und nicht erst, wenn dies die Rezipienten von Berichten über den Wahlkampf tun. Die Behauptung, es gehöre zum allgemeinen Lebensrisiko und erst recht dem Berufsrisiko Prominenter, im Zusammenhang mit ihnen nicht genehmen Meinungen genannt zu werden,523 ist nichts weiter als eine Petitio principii. Es soll ja gerade geklärt werden, ob es sich um ein allgemeines Lebensrisiko handelt oder 516 517 518 519 520 521 522 523

OLG Frankfurt/Main GRUR 1995, 215, 216 – Springtoifel. BGH NJW 2010, 3362, 3363 – Thor Steinar. BGH NJW 2010, 3362f. – Thor Steinar. So aber LG München I, UFITA 87 (1980), 342, 345 – Wahlkampfwerbung; Renner GRUR 2017, 772, 774. Klosterfelde GRUR 1980, 261. Vgl. oben S. 67. Simokat/Köhler ZJS 2016, 256, 258. Simokat/Köhler ZJS 2016, 256, 259.

74

§ 14 UrhG – Entstellung des Werkes

ob eine Gefährdung berechtigter Interessen vorliegt. Wie gezeigt, sind aber Interessen des Urhebers massiv gefährdet, so dass nur überwiegende Interessen der politischen Parteien zu einem anderen Ergebnis führen könnten. Von einem allgemeinen Lebensrisiko kann jedenfalls nicht die Rede sein.

D.

Interessenabwägung

I.

Grundsätzliches

Eine Interessenabwägung ist immer vorzunehmen.524 Sie ist nur entbehrlich, wenn der Dritte überhaupt kein eigenes anerkennenswertes Interesse hat.525 Das Erfordernis der Interessenabwägung ergibt sich daraus, dass die gefährdeten Interessen des Urhebers »berechtigt« sein müssen.526 Neben den Interessen von Nutzungsberechtigen sind auch solche von Eigentümern des Werkstücks, von Interpreten und der Öffentlichkeit527 zu berücksichtigten.528 Hier kommen Grundrechte des Werknutzers ins Spiel. Diese sind zwar grundsätzlich zwischen Privaten nicht unmittelbar anwendbar, sondern in erster Linie Abwehrrechte gegen den Staat.529 Das Grundgesetz gibt aber zugleich eine objektive Werteordnung vor, an der sich auch die Auslegung des bürgerlichen Rechts orientieren muss.530 Über Generalklauseln und unbestimmte Rechtsbegriffe entfalten die Grundrechte damit auch Drittwirkung zwischen Privaten im Zivilrecht.531 Hier bildet der Begriff der »berechtigten Interessen« das Einfallstor für die Drittwirkung von Grundrechten.532 Daher sind bei der von § 14 UrhG gebotenen Abwägung auch und vor allem grundrechtlich geschützte Positionen der Gegenseite zu berücksichtigen.533 In der Interessenabwägung kann auch ein etwaiger Gebrauchszweck des Werkes berücksichtigt werden.534 Auch wenn er Änderungen notwendig macht, 524 WaBu–Bullinger, § 14 UrhG Rn 11; FN–Dustmann, § 14 UrhG Rn 21; MöNic–Kroitzsch/ Götting, § 14 UrhG Rn 19; SL–Dietz/Peukert, § 14 UrhG Rn 26; Honscheck GRUR 2007, 944, 946f. 525 Schmidt, 124. 526 BTDr IV/270, S. 45. 527 BGH GRUR 2012, 172 – Teilabriss des Stuttgarter Hauptbahnhofs im Zuge des Projekts »Stuttgart 21«. 528 Schack UrhR, Rn 389. 529 BVerfGE 7, 198, 204 – Lüth. 530 BVerfGE 7, 198, 205f. – Lüth. 531 BVerfGE 7, 198, 206 – Lüth. 532 Schlingloff GRUR 2017, 572, 577. 533 Schlingloff GRUR 2017, 572, 578. 534 FN–Dustmann, § 14 UrhG Rn 28.

Interessenabwägung

75

bleibt eine Interessenabwägung erforderlich.535 Insbesondere bei Bauwerken ist zu beachten, dass der Urheber den Nutzungszweck kennt und weiß, dass bei Änderungen des Nutzungszwecks Änderungen am Bauwerk erforderlich werden können.536 Diese Ausnahme ist allerdings nur bei Bauwerken anerkannt, da deren Eigentümer nicht ernstlich darauf verwiesen werden kann, statt einer Änderung gleich ein neues Bauwerk zu errichten.537 Ästhetische Präferenzen des Eigentümers rechtfertigen Eingriffe in das Urheberrecht in keinem Fall.538 Daher darf der Eigentümer ein Werk auch nicht einem neuen Zeitgeschmack anpassen.539 Bei der vorzunehmenden Interessenabwägung kommt es stets auf den Einzelfall an.540 Das Integritätsinteresse des Urhebers genießt also keinen generellen Vorrang.541 Wenn der Dritte kein eigenes Nutzungsrecht an dem Werk hat, fällt die Interessenabwägung allerdings in der Regel zugunsten des Urhebers aus.542 Bei Werkänderungen wird nur geprüft, ob der konkrete Eingriff dem Urheber zumutbar ist, nicht jedoch, ob auch mildere Eingriffe möglich wären.543

II.

Im Wahlkampf zu berücksichtigende Interessen politischer Parteien

Bei rein kommerzieller Werbung besteht regelmäßig kein schutzwürdiges Interessen des Werbenden, in fremde Persönlichkeitsrechte einzugreifen.544 Die Gerichte gingen in den Thüringer Fällen davon aus, dass auch im Wahlkampf keine besonderen Interessen der Parteien zu berücksichtigen sind, da sie nicht auf die Verwendung gerade der betroffenen Lieder angewiesen gewesen seien.545 Genauso gut könnten gemeinfreie Werke gespielt werden.546 Zudem sei es zumutbar, die Erlaubnis der Urheber vorher einzuholen.547 535 BGHZ 62, 331, 338 – Schulerweiterung. 536 BGH GRUR 2008, 984, 988 – St. Gottfried. 537 MöNic–Kroitzsch/Götting, § 14 UrhG Rn 21; Loewenheim GRUR 1989, 108, 110; vgl. Honscheck GRUR 2007, 944, 948. 538 BGH GRUR 1999, 230, 231f. – Treppenhausgestaltung. 539 OLG Hamm ZUM-RD 2001, 443, 445 – Keilstück. 540 MöNic–Kroitzsch/Götting, § 14 UrhG Rn 21; Dieselhorst, 126f.; Schack KuR, Rn 260, 389; Schmidt, 119. 541 Dieselhorst, 126f.; Fromlowitz, 50. 542 FN–Dustmann, § 14 UrhG Rn 21; Schmidt, 134. 543 BGHZ 62, 331, 338f. – Schulerweiterung; BGH GRUR 2008, 984, 988 – St. Gottfried; Schack UrhR, Rn 396. 544 Funkel, 35. 545 BGH GRUR-RR 2018, 61, 62 – Die Höhner ; OLG Jena ZUM-RD 2015, 670, 672 – Die Höhner ; OLG Jena GRUR 2017, 622, 625 – Die Höhner II; OLG Jena Urt. v. 18. 3. 2015 – 2 U 674/14 – Helene Fischer, siehe oben Fn. 10; LG Erfurt Teilurt. v. 25. 9. 2015 – 3 O 102/15, BeckRS 2015, 118185 – Die Höhner. 546 OLG Jena GRUR 2017, 622, 625 – Die Höhner II. 547 OLG Jena GRUR 2017, 622, 625 – Die Höhner II.

76

§ 14 UrhG – Entstellung des Werkes

Die Parteien wollen mit der Wiedergabe von Werken im Wahlkampf ihren Wahlerfolg fördern. Sie wollen ausnutzen, dass sich mit Musik Assoziationen hervorrufen lassen.548 Der eingangs erwähnte Fall, in dem die CDU mit dem Song »Angie« Werbung für Angela Merkel machte,549 zeigt, dass die Musikauswahl keineswegs zufällig ist. Ein Sprecher der CDU behauptete zwar, dass die CoverBands das Repertoire selbst zusammenstellen.550 Dass die Partei hierauf keinen Einfluss hat, darf allerdings bezweifelt werden. Werden Titel wie »Wenn nicht jetzt, wann dann« und »Jetzt geht’s los« ausgewählt, so ist offensichtlich, dass die NPD damit eine Aufbruchstimmung vermitteln will.551 Auch international zeigt sich, dass die Musik gezielt ausgewählt wird. Titel wie »American Girl«, »Born in the U.S.A.«, »Don’t Worry, Be Happy«, »Hold On, I’m Comin’«552 oder »Beautiful Day«553 sollen die Kandidaten in einem positiven, patriotischen Licht erscheinen lassen oder jedenfalls eine positive Grundstimmung erzeugen. Die Parteien haben also durchaus ein Interesse an der Nutzung ganz bestimmter Werke. Zu untersuchen bleibt, ob diese Interessen von Art. 21 I oder Art. 5 I GG erfasst werden. Das LG Erfurt und das OLG Jena bezweifelten zwar, ob die Grundrechte überhaupt berücksichtigt werden können, da der Wahlkampf hier nicht durch staatliche Maßnahmen beeinträchtigt werde, sondern durch Privatpersonen auf dem Zivilrechtsweg.554 Es sei nämlich zweifelhaft, ob §§ 14, 75 UrhG als Einfallstor für die Grundrechte Dritter dienen könnten, da die Vorschriften den Schutz der Urheber bzw. ausübenden Künstler bezweckten. Für eine umfassende Interessenabwägung müssen aber nicht nur Grundrechte der Urheber und ausübenden Künstler, sondern auch solche der Gegenseite berücksichtigt werden. Würde man nur Grundrechte des Urhebers und der ausübenden Künstler berücksichtigen, wäre die Interessenabwägung nicht mehr ergebnisoffen. Daher sind auch grundrechtlich geschützte Positionen der politischen Parteien hier zu berücksichtigen.

548 549 550 551 552

Siehe oben S. 72. Wahlkampf-Hymne: Stones sauer wegen »Angie«. Shoo Die musikalische Verführung im Wahlkampf. Renner GRUR 2017, 772, 775. Diese und viele weitere Beispiele bei Chao 35 Musicians Who Told Politicians to Stop Using Their Songs. Vgl. auch die Aufzählung von Hickey The Long History of Musicians Telling Republicans to Stop Playing Their Music. 553 Wahlkampf-Hymne: Stones sauer wegen »Angie«. 554 OLG Jena ZUM-RD 2015, 670, 673 – Die Höhner ; OLG Jena Urt. v. 18. 3. 2015 – 2 U 674/14 – Helene Fischer, siehe oben Fn. 10; LG Erfurt Teilurt. v. 25. 9. 2015 – 3 O 102/15, BeckRS 2015, 118185 – Die Höhner.

Interessenabwägung

1.

77

Art. 21 GG

Zugunsten der werbenden Partei könnte Art. 21 I GG sprechen. Unmittelbar schützt Art. 21 GG zwar nur die Parteien selbst und nicht den Wahlkampf. Die Parteien sind aber wegen ihrer essenziellen Bedeutung für Wahlen, die ohne sie nicht durchführbar währen, in erster Linie auch Wahlvorbereitungsorganisationen.555 Wahlkampfwerbung hat daher über Art. 21 I GG verfassungsrechtlichen Rang.556 Wegen der besonderer Wichtigkeit von Wahlkämpfen für die demokratische Gesellschaft sind auch Einschränkungen von Persönlichkeitsrechten möglich. So können sich Politiker und Wahlkandidaten nicht auf ihre Privatsphäre berufen, um zu verhindern, dass aus ihrem früheren Verhalten Rückschlüsse auf ihre Eignung zu politischen Ämtern gezogen werden.557 Wer sich politisch betätigt muss grundsätzlich auch scharfe Kritik hinnehmen.558 Kandidaten müssen sich daher die öffentliche Erörterung ihrer Persönlichkeitsmängel grundsätzlich gefallen lassen.559 Diese Einschränkung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts ist durch das öffentliche Interesse in ihrem Fall gerechtfertigt.560 Hierbei geht es allerdings allein um die Einschränkung von Persönlichkeitsrechten von Personen, die unmittelbar am Wahlkampf teilnehmen. Ein Eingriff in die Rechte unbeteiligter Dritter (hier der Urheber von Musikwerken) lässt sich damit noch nicht rechtfertigen.561 Das Parteienprivileg hat außerdem die Aufgabe, die Position der Parteien gegenüber dem Staat abzusichern, soll ihnen aber keinen Freibrief für Eingriffe in Rechte Dritter gewähren.562 Außerdem wird der Partei nicht die grundsätzliche Möglichkeit der Teilnahme am Wahlkampf verwehrt,563 sie darf hierbei nur nicht in die Rechte unbeteiligter Dritter eingreifen. Aus Art. 21 I GG lässt sich daher kein überwiegendes Interesse der Parteien herleiten.

555 556 557 558 559 560 561 562 563

BVerfGE 8, 51, 63 – Parteispenden I; BVerfGE 52, 63, 82 – Parteispenden II. Krüger GRUR 1980, 628, 633. Helle, 83; vgl. BGHSt 12, 287, 294 – Zwiespältiger Charakter. BGH NJW 1962, 152 – Tauziehen der Funktionäre; BGH NJW 1965, 1476, 1477 – Glanzlose Existenz. Helle, 139. Helle, 164. Vgl. BGH GRUR 1980, 259, 260 – Wahlkampfillustrierte. Klosterfelde GRUR 1980, 261. OLG Jena ZUM-RD 2015, 670, 673 – Die Höhner ; OLG Jena GRUR 2017, 622, 625f. – Die Höhner II; OLG Jena Urt. v. 18. 3. 2015 – 2 U 674/14 – Helene Fischer, siehe oben Fn. 10.

78 2.

§ 14 UrhG – Entstellung des Werkes

Art. 5 I GG

Die Meinungsfreiheit spielt im Wahlkampf eine zentrale Rolle.564 Daher darf der Wahlkampf inhaltlich grundsätzlich nicht reglementiert werden.565 Das LG Erfurt und das OLG Jena sahen in der Wiedergabe der Lieder durch die NPD zwar keine Meinungsäußerung.566 In dem Abspielen von Liedern politisch eher links stehender Künstler durch eine rechte Partei kann man aber den Versuch sehen, den Eindruck zu vermitteln, dass die Partei weiter in der Mitte der Gesellschaft stehe.567 Darin kann man durchaus eine Meinungsäußerung sehen. Die Meinungsfreiheit ist aber trotzdem nicht verletzt, da die NPD an der Äußerung dieser Meinung nicht gehindert wird. Sie kann diese ja ausdrücklich äußern. Es wird ihr nur verwehrt, hierfür die Musik eher links stehender Künstler zu nutzen.568 Deshalb liegt in der Möglichkeit, dass der Urheber sein Urheberpersönlichkeitsrecht gegen diese Form der Meinungsäußerung einsetzt, auch keine unzulässige Meinungszensur.569 Die Meinungsfreiheit kann auch deshalb nicht überwiegen, weil es hier nicht nur um eine Meinungsäußerung des Werbenden geht, sondern zugleich dem Urheber eine Meinung untergeschoben wird. Betroffen ist damit mindestens ebenso stark die (negative) Meinungsfreiheit des Urhebers. Art. 5 I GG erfasst in seiner negativen Ausprägung auch die Freiheit, eine Meinung nicht zu äußern.570 Die negative Meinungsfreiheit schützt auch davor, dass jemandem eine fremde Meinung als eigene untergeschoben wird.571 Man kann auch nicht davon ausgehen, dass die Meinungsfreiheit der politischen Partei vorrangig ist, solange sich der Urheber nicht ausdrücklich gegen die Partei ausgesprochen hat.572 Denn man kann von einem Urheber, der gerade nichts mit Politik zu tun haben will, nicht verlangen, dass er ausdrücklich Stellung bezieht. Auch davor schützt ihn die negative Meinungsfreiheit. Aus Art. 5 I GG ergibt sich daher ebenfalls kein überwiegendes Interesse der werbenden Partei. 564 BVerfGE 61, 1, 11 – Bezeichnung der CSU als NPD Europas. 565 BVerfGE 61, 1, 12 – Bezeichnung der CSU als NPD Europas. 566 OLG Jena ZUM-RD 2015, 670, 673 – Die Höhner ; OLG Jena GRUR 2017, 622, 626 – Die Höhner II; OLG Jena Urt. v. 18. 3. 2015 – 2 U 674/14 – Helene Fischer, siehe oben Fn. 10; LG Erfurt Teilurt. v. 25. 9. 2015 – 3 O 102/15, BeckRS 2015, 118185 – Die Höhner ; zustimmend Simokat/Köhler ZJS 2016, 256, 257. 567 LG Erfurt Urt. v. 13. 10. 2014 – 3 O 1087/14, S. 5; LG Erfurt Urt. v. 13. 10. 2014 – 3 O 1181/14 – Deine Schuld, S. 5; LG Erfurt Urt. v. 13. 10. 2014 – 3 O 1190/14, S. 4; vgl. Peifer FS Vogel, 291, 304. 568 Peifer FS Vogel, 291, 304. 569 Eine solche befürchtet Haberstumpf GRUR 2018, 280. 570 BVerfGE 65, 1, 40 – Volkszählung. 571 Maunz/Dürig–Grabenwarter, Art. 5 GG Rn 96. 572 So aber Grünberger ZUM 2018, 271, 277.

Interessenabwägung

3.

79

Zwischenergebnis

Weder aus Art. 21 I noch aus Art. 5 I GG können die politischen Parteien überwiegende Interessen herleiten. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 I GG), denn diese findet keine Anwendung in Bereichen, die von besonderen Grundrechtsnormen erfasst werden.573 Im Ergebnis kam es daher nicht auf die Zweifel der Thüringer Gerichte an, ob die Grundrechte der NPD hier überhaupt berücksichtigt werden mussten. Denn auch deren Berücksichtigung führt nicht zu überwiegenden Interessen der Partei. Zu einem anderen Ergebnis kommen Simokat/Köhler, die Musik im Wahlkampf für so wichtig halten, dass es den Parteien nicht verboten werden dürfe, sich bei den Musikwerken zu bedienen, die jedoch eine Erklärung darüber schuldig bleiben, warum Wahlkampf ohne Musik nicht möglich sein soll.574 Es besteht, wie gezeigt, kein besonderes schutzwürdiges Interesse der Parteien an einer bestimmten Wahlkampfmusik.575 Musik zur besseren Unterhaltung etwa vor Beginn und in Pausen ist für den Wahlkampf nicht unabdingbar.576 Parteien können problemlos Wahlkampf treiben, ohne in fremde Urheberrechte einzugreifen.577 Auch wenn eine Partei eine bestimmte Stimmung erzeugen will, ist sie dafür nicht zwingend auf bestimmte Musikwerke angewiesen.578 Auch ist es ihr keineswegs unzumutbar, sich um die Erlaubnis der Urheber zu bemühen.579 Zu beachten ist bei der Interessenabwägung außerdem Folgendes: Wenn sich die Partei, wie üblich, darauf beruft, die Beeinträchtigung sei gering, weil es sich nur um Hintergrundmusik gehandelt habe, zeigt sie damit selbst, dass ihre Interessen an der Wiedergabe dieses konkreten Werkes angeblich eher gering sind. Das Interesse der Partei wäre als größer einzustufen, wenn sie zugeben würde, dass sie mit der Musik bestimmte Ziele verfolgt. Dann sind aber auch die Interessen des Urhebers noch stärker gefährdet, so dass diese sich bei der Abwägung auch in dieser Variante durchsetzen würden.

573 BVerfGE 10, 55, 58 – Körungsvorschriften – unter Hinweis auf BVerfGE 6, 32, 37 und BVerfGE 9, 63, 73. 574 Simokat/Köhler ZJS 2016, 256, 259. 575 S. oben S. 77, 78. 576 Ernst jurisPR-WettbR 2016, Anm. 4. 577 OLG Hamburg NJW-RR 1998, 552f. – Pack den Tiger in die Bürgerschaft. 578 Vgl. LG Oldenburg GRUR 1986, 464, 465 – DKP-Plakat. 579 Ernst jurisPR-WettbR 2016, Anm. 4.

80

E.

§ 14 UrhG – Entstellung des Werkes

Ergebnis

In der Werkwiedergabe im Wahlkampf liegt eine indirekte Beeinträchtigung iSv § 14 UrhG, weil ein neuer (politischer) Kontext hergestellt und dadurch die ursprüngliche Aussage des Werkes verändert wird. Die Interessen des Urhebers sind gefährdet, wenn der Eindruck entsteht, er unterstütze die Partei. Eine Interessengefährdung liegt aber auch schon dann vor, wenn eine unwillkürliche Gedankenverbindung entsteht. Die Intensität der Interessengefährdung im Wahlkampf ist in der Regel groß.580 Die politischen Parteien können sich demgegenüber nicht auf überwiegende Interessen berufen. In aller Regel geht die Abwägung daher zu Gunsten des Urhebers aus, der so die Nutzung seiner Musikwerke im Wahlkampf verbieten kann.

580 Siehe oben S. 73.

Kapitel 4: § 75 UrhG – Beeinträchtigung der Darbietung

Auch ausübende Künstler können daran interessiert sein, nicht in Verbindung mit einem Wahlkampf gebracht zu werden. So kann auch das Künstlerpersönlichkeitsrecht beeinträchtigt werden, wenn der Eindruck entstehen kann, der Künstler unterstütze die Partei oder sei sogar Parteimitglied.581 Denn dadurch kann sein Ansehen bei Personen leiden, die entweder diese Partei im speziellen oder generell die Mitwirkung von Künstlern im Wahlkampf ablehnen.582 Da Musik meist viel stärker mit den Interpreten in Verbindung gebracht wird als mit dem Komponisten,583 ist für erstere der Integritätsschutz von mindestens ebenso großer Bedeutung.584 Das zeigen auch die eingangs genannten Fälle aus Thüringen: Helene Fischer wehrte sich gegen die Nutzung des Liedes »Atemlos durch die Nacht« durch die NPD.585 Urheberin ist Kristina Bach, bekannt geworden ist das Lied durch Helene Fischer. Daher wird auch überwiegend Fischer und nicht Bach mit dem Wahlkampf der NPD in Verbindung gebracht, wenn dort das Lied wiedergegeben wird. Im Grundsatz entspricht der Schutz in § 75 UrhG für ausübende Künstler dem des Urhebers in § 14 UrhG.586 Der Prüfungsaufbau erfolgt auch hier in drei Schritten: Beeinträchtigung, Ruf- oder Ansehensgefährdung und Interessenabwägung.587

LG München I, UFITA 87 (1980), 342, 345 – Wahlkampfwerbung. LG München I, UFITA 87 (1980), 342, 345 – Wahlkampfwerbung. Siehe oben S. 43. Ernst jurisPR-WettbR 2016, Anm. 4. LG Erfurt Urt. v. 5. 9. 2014 – 3 O 1076/14 – Atemlos; OLG Jena Urt. v. 18. 3. 2015 – 2 U 674/14 – Helene Fischer, siehe oben Fn. 10. 586 OLG Jena Urt. v. 18. 3. 2015 – 2 U 674/14 – Helene Fischer, siehe oben Fn. 10. 587 FN–Schaefer, § 75 UrhG Rn 8; SL–Vogel, § 75 UrhG Rn 22; WaBu–Büscher, § 75 UrhG Rn 13; a. A. Mestmäcker/Schulze–Hertin, § 75 UrhG Rn 11; Dünnwald/Gerlach, § 75 UrhG Rn 14. 581 582 583 584 585

82

A.

§ 75 UrhG – Beeinträchtigung der Darbietung

Entstellung oder andere Beeinträchtigung

Die Begriffe der Entstellung und der anderen Beeinträchtigung entsprechen denen in § 14 UrhG.588 Anders als in § 14 muss in § 75 UrhG jedoch nicht das Werk sondern die Darbietung beeinträchtigt werden. Stets ist also auf die Darbietung und nicht etwa auf das Werk abzustellen. Diese Unterscheidung ist wichtig, da nicht jede Beeinträchtigung des Werkes zugleich eine Beeinträchtigung der Darbietung darstellen muss – und umgekehrt.589 Eine Beeinträchtigung kann etwa darin liegen, dass die Darbietung durch mangelhafte Akustik oder Lärm gestört wird.590 Das Recht aus § 75 UrhG ist allerdings während einer Live-Darbietung von geringer praktischer Bedeutung, da der ausübende Künstler die Beeinträchtigung jederzeit durch Abbruch seiner Darbietung unterbinden kann.591 In der Regel setzt § 75 UrhG deshalb voraus, dass nicht auf eine Live-Darbietung, sondern auf eine Aufzeichnung oder Funksendung eingewirkt wird, weil erst diese der unmittelbaren Kontrolle des Interpreten entzogen sind.592 Für eine direkte Beeinträchtigung muss dem Künstler eine mangelhafte künstlerische Leistung zugeordnet werden. Deswegen sind störende Einflüsse, die nicht dem Künstler zugerechnet werden können – wie etwa Husten, Klatschen oder Buhrufe, aber auch erkennbar technische Mängel – nicht von § 75 UrhG erfasst.593 Auch in einer künstlerisch missglückten Darbietung liegt keine Beeinträchtigung, so dass der ausübende Künstler hiergegen nicht aus § 75 UrhG vorgehen kann, obwohl eine Gefährdung seines Ansehens oder Rufs hier häufig vorliegen wird.594 Wie § 14 erfasst auch § 75 UrhG indirekte Beeinträchtigungen – etwa wenn eine Darbietung in einen unpassenden Kontext gestellt wird.595

588 589 590 591 592 593 594 595

DS–Dreier, § 75 UrhG Rn 5; MöNic–Stang, § 75 UrhG Rn 8. Dünnwald/Gerlach, § 75 UrhG Rn 6. FN–Schaefer, § 75 UrhG Rn 11, 13f. FN–Schaefer, § 75 UrhG Rn 12; vgl. Schack UrhR, Rn 683. Freitag, 82ff. Schack UrhR, Rn 683; vgl. FN–Schaefer, § 75 UrhG Rn 19f. FN–Schaefer, § 75 UrhG Rn 16; Schack UrhR, Rn 684. OLG Jena Urt. v. 18. 3. 2015 – 2 U 674/14 – Helene Fischer, siehe oben Fn. 10; Dünnwald/ Gerlach, § 75 UrhG Rn 11; Mestmäcker/Schulze–Hertin, § 75 UrhG Rn 8; FN–Schaefer, § 75 UrhG Rn 15; SL–Vogel, § 75 UrhG Rn 24, 30; WaBu–Büscher, § 75 UrhG Rn 11.

Gefährdung von Ansehen oder Ruf als ausübender Künstler

B.

83

Gefährdung von Ansehen oder Ruf als ausübender Künstler

Der Interpret wird durch § 75 UrhG vor einer Entstellung oder einer anderen Beeinträchtigung seiner Darbietungen geschützt, »die geeignet ist, sein Ansehen oder seinen Ruf als ausübender Künstler zu gefährden«. Die Eignung zur Interessengefährdung wird auch hier durch die Beeinträchtigung indiziert.596 Umstritten ist, ob sich aus dem unterschiedlichen Wortlaut von § 14 und § 75 UrhG Unterschiede in der Prüfung ergeben. Für den Urheber verlangt § 14 UrhG scheinbar allgemeiner eine Gefährdung seiner »berechtigten geistigen oder persönlichen Interessen am Werk«. Eine Ansicht schließt daraus, dass die Anforderungen an die Gefährdung von Ruf oder Ansehen in § 75 UrhG höher anzusetzen sind als für die Gefährdung geistiger oder persönlicher Interessen.597 Schaefer führt hierzu lediglich den Wortlaut der Normen an.598 Eine weitergehende Begründung scheint er für überflüssig zu halten. Freitag weist darauf hin, dass sich die Rechte insofern unterscheiden, als der Urheber auch gegen nichtöffentliche Eingriffe vorgehen könne, während eine Ansehens- oder Rufgefährdung zwingend einen Öffentlichkeitsbezug voraussetze.599 Diese Argumentation leidet darunter, dass umstritten ist, ob ein Öffentlichkeitsbezug auch für § 14 UrhG zu fordern ist; die besseren Gründe sprechen dafür.600 Hertin spricht insoweit genauer von »mehr im subjektiven Bereich verbleibende[n] Interessen« und weist darauf hin, dass die persönlichen und geistigen Interessen des Urhebers auch betroffen sein können, wenn sein Ansehen und Ruf nicht gefährdet werden.601 Das LG Erfurt hat gefordert, dass im Gegensatz zu § 14 bei § 75 UrhG ein unbefangenes Publikum mit überwiegender Wahrscheinlichkeit davon ausgehen müsse, dass der ausübende Künstler zumindest duldend den Wahlkampf unterstütze oder den politischen Überzeugungen nahestehe.602 Dass ein ausübender Künstler, dessen Karrierestrategie darin besteht, unter Vermeidung politischer Themen breiten Bevölkerungsschichten zu gefallen, auf seinem vorläufigen Karrierehöhepunkt die NPD unterstützt, hielt das LG Erfurt jedoch für so abwegig, dass es eine überwiegende Wahrscheinlichkeit verneinte.603 596 OLG Dresden ZUM 2000, 95, 957 – Eingriff in das Regiekonzept einer Operette, m. Anm. Wündisch; OLG München NJW 1996, 1157, 1158 – Iphigenie in Aulis. 597 FN–Schaefer, § 75 UrhG Rn 17; Mestmäcker/Schulze– Hertin, § 75 UrhG Rn 9; Freitag, 93f. 598 FN–Schaefer, § 75 UrhG Rn 17. 599 Freitag, 93f. 600 Siehe oben S. 64. 601 Mestmäcker/Schulze–Hertin, § 75 UrhG Rn 9. 602 LG Erfurt Urt. v. 5. 9. 2014 – 3 O 1076/14, S. 4 – Atemlos; LG Erfurt Urt. v. 13. 10. 2014 – 3 O 1087/14, S. 6; LG Erfurt Urt. v. 13. 10. 2014 – 3 O 1181/14 – Deine Schuld, S. 6. 603 LG Erfurt Urt. v. 5. 9. 2014 – 3 O 1076/14, S. 5 – Atemlos; LG Erfurt Urt. v. 13. 10. 2014 – 3 O 1087/14, S. 6; LG Erfurt Urt. v. 13. 10. 2014 – 3 O 1181/14 – Deine Schuld, S. 6.

84

§ 75 UrhG – Beeinträchtigung der Darbietung

Woher das LG das Erfordernis einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit nimmt, ist unklar. In den genannten Entscheidungen wird in diesem Zusammenhang nur auf ein einzelnes Urteil des LG München I verwiesen.604 Dort bejahte das LG München I eine Interessengefährdung, wenn das Publikum »zumindest zum Teil« annehme, dass der ausübende Künstler bewusst im Wahlkampf mitwirke und möglicherweise der Partei nahestehe oder sogar Parteimitglied sei. Eine überwiegende Wahrscheinlichkeit wird hier also gerade nicht gefordert. Auch dem Wortlaut von § 75 UrhG lässt sich ein solches Erfordernis nicht entnehmen. Eine Begründung, warum eine überwiegende Wahrscheinlichkeit vorliegen muss, bleibt das LG Erfurt damit schuldig. Nach herrschender Meinung ist der unterschiedliche Wortlaut nur der Tatsache geschuldet, dass statt auf das Werk auf dessen Darbietung abgestellt werden muss.605 Eine engere Auslegung des § 75 UrhG würde voraussetzen, dass es auch berechtigte Interessen des ausübenden Künstlers geben könne, die weder seinen Ruf noch sein Ansehen betreffen, was praktisch kaum denkbar sei.606 Unter den von § 14 UrhG geschützten persönlichen Interessen versteht man die Ehre und Anerkennung des Urhebers.607 Nichts anderes meint § 75 UrhG mit Ruf und Ansehen. Richtigerweise wird man daher differenzieren müssen. Während hinsichtlich der persönlichen Interessen kein Unterschied zu § 14 UrhG besteht, kann sich der ausübende Künstler nicht auf geistige – also objektbezogene – Interessen berufen.608 So kann man im Übrigen auch den Hinweis von Schaefer auf den Wortlaut der Normen verstehen.609 Die Annahme, dass auch geistige Interessen des ausübenden Künstlers an seiner Darbietung geschützt sein sollen,610 findet im Gesetz keine Stütze. Soweit es um persönliche Interessen von Urhebern und ausübenden Künstlern geht, bestehen also keine Unterschiede zwischen der Reichweite von § 14 und § 75 UrhG. Auch für die ausübenden Künstler reicht also eine unwillkürliche Gedankenverbindung, um eine Interessengefährdung anzunehmen.611 Das OLG Jena ist daher zu Recht von der Auffassung des LG Erfurt abgerückt.612 Es müsse auch hier nicht festgestellt werden, dass eine Beeinträchtigung tatsächlich oder mit gewisser Wahrscheinlichkeit vorliege. Es genüge, dass nicht auszu604 LG München I UFITA 87 (1980), 342, 345 – Wahlkampfwerbung. 605 OLG Dresden ZUM 2000, 955, 957 – Eingriff in das Regiekonzept einer Operette, m. Anm. Wündisch; DS– Dreier, § 75 UrhG Rn 6; Dünnwald/Gerlach, § 75 UrhG Rn 3; MöNic–Stang, § 75 UrhG Rn 16a; Schmidt, 136. 606 DS–Dreier, § 75 UrhG Rn 6. 607 Siehe oben S. 62. 608 Schack UrhR, Rn 683. 609 FN–Schaefer, § 75 UrhG Rn 17. 610 So SL–Vogel, § 75 UrhG Rn 23. 611 Vgl. oben S. 70. 612 OLG Jena Urt. v. 18. 3. 2015 – 2 U 674/14 – Helene Fischer, siehe oben Fn. 10.

Ergebnis

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schließen sei, dass auch unvoreingenommene Durchschnittsbeobachter sich die Frage stellten, was der ausübende Künstler mit der Partei und deren politischen Ideen zu tun habe. Dafür reiche der Eindruck, dass der ausübende Künstler zumindest nichts gegen die Wiedergabe habe.

C.

Interessenabwägung und Rücksichtnahmegebot bei Ensembleleistungen

Was die Interessenabwägung angeht, bestehen keine Besonderheiten gegenüber § 14 UrhG.613 Insofern kann auf die Ausführungen im 3. Kapitel verwiesen werden.614 Mitglieder eines Ensembles sind gemäß § 75 Satz 2 UrhG zu Rücksichtnahme untereinander verpflichtet. Diese Verpflichtung besteht nur zwischen den ausübenden Künstlern und nicht etwa gegenüber dem Urheber.615 Der betroffene Künstler muss die anderen mitwirkenden Künstler rechtzeitig informieren, damit diese Stellung nehmen und ihre Einwände vortragen können.616 Das Interesse des Betroffenen ist sodann mit den finanziellen und künstlerischen Interessen der anderen Mitwirkenden abzuwägen.617

D.

Ergebnis

Damit ist die Prüfung von § 75 UrhG im Wesentlichen mit der von § 14 UrhG identisch. Da aber nur persönliche Interessen der ausübenden Künstler geschützt werden, muss man die Interessen im Einzelfall genauer einordnen. Bei dem Eindruck, jemand unterstütze eine Partei im Wahlkampf, sind persönliche Interessen betroffen, ebenso wenn eine unwillkürliche Gedankenverbindung zwischen der Person und der Partei oder ihren politischen Inhalten hergestellt wird. Nur wenn eine unwillkürliche Gedankenverbindung vom Wahlkampf allein zur Darbietung, nicht aber zum ausübenden Künstler entstünde, wären ausschließlich geistige Interessen betroffen, die von § 75 UrhG nicht geschützt werden. Eine solche Konstellation ist jedoch nicht vorstellbar. Daher folgen aus dem Künstlerpersönlichkeitsrecht die selben Verbotsmöglichkeiten wie aus dem Urheberpersönlichkeitsrecht. 613 614 615 616 617

DS–Dreier, § 75 UrhG Rn 7. Siehe oben S. 74. Dünnwald/Gerlach, § 75 UrhG Rn 19. Dünnwald/Gerlach, § 75 UrhG Rn 20. MöNic–Stang, § 75 UrhG Rn 21.

Kapitel 5: Rechtsfolgen

Die Voraussetzungen und Rechtsfolgen von Rechtsverletzungen sind für das Urheberrecht und die verwandten Schutzrechte gemeinsam in §§ 97ff. UrhG geregelt. Unter die von § 97 UrhG geschützten absoluten Rechte fallen auch die Verbotsrechte der §§ 14, 75 UrhG.618 Die Verletzungshandlung muss rechtswidrig sein, was durch die Tatbestandsmäßigkeit indiziert wird.619 Neben den im Urheberrecht extrem seltenen allgemeinen Rechtfertigungsgründen ist insbesondere an die Einräumung von Nutzungsrechten und schuldrechtliche Einwilligungen zu denken.620

A.

Unterlassung

Der Unterlassungsanspruch setzt Wiederholungsgefahr (§ 97 I 1 UrhG), der vorbeugende Unterlassungsanspruch Erstbegehungsgefahr (§ 97 I 2 UrhG) voraus. Die Wiederholungsgefahr wird durch die begangene Rechtsverletzung in der Regel indiziert621 und ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Verletzer vor Gericht erklärt, rechtmäßig gehandelt zu haben.622 An das Entfallen der Wiederholungsgefahr werden strenge Anforderungen gestellt.623 Regelmäßig entfällt sie erst, wenn der Verletzer eine Vertragsstrafe für den Fall der schuldhaften Zuwiderhandlung verspricht.624 Eine Erstbegehungsgefahr wird ange-

618 FN–Jan Bernd Nordemann, § 97 UrhG Rn 9, 11; Schack UrhR, Rn 757. 619 DS–Specht, § 97 UrhG Rn 14; FN–Jan Bernd Nordemann, § 97 UrhG Rn 20f.; SL–Leistner, § 97 UrhG Rn 26; Schack UrhR, Rn 762. 620 Schack UrhR, Rn 762. 621 FN–Jan Bernd Nordemann, § 97 UrhG Rn 30; Schack UrhR, Rn 798. 622 Schack UrhR, Rn 798. 623 FN–Jan Bernd Nordemann, § 97 UrhG Rn 31f. 624 BGH GRUR 1983, 127, 128 – Vertragsstrafeversprechen.

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Rechtsfolgen

nommen, wenn »ernsthafte und greifbare tatsächliche Anhaltspunkte für eine in naher Zukunft konkret drohende Rechtsverletzung bestehen«.625 Das LG Erfurt und das OLG Jena bejahten eine Wiederholungsgefahr, da die NPD ihr Handeln für berechtigt hielt und auch bei künftigen Wahlkampfveranstaltungen die Musik nutzen wollte.626 Dieses außergerichtliche und prozessuale Verhalten habe nicht nur der Rechtsverteidigung gedient. Es sei auch unerheblich, dass der konkrete Landtagswahlkampf beendet war.627 Das überzeugt, da stets neue Wahlen und Wahlkämpfe stattfinden.

B.

Schadensersatz

I.

Materieller Schaden

Für einen Schadensersatzanspruch fordert § 97 II UrhG zusätzlich Verschulden, also Vorsatz oder Fahrlässigkeit. An die Erfüllung der Sorgfaltspflichten des Werknutzers werden hohen Anforderungen gestellt.628 Gemäß § 97 II UrhG kann der Verletzte den konkreten Vermögensschaden ersetzt verlangen, alternativ die Herausgabe des Verletzergewinns oder die angemessene Lizenzgebühr. Zwischen diesen drei Arten der Schadensberechnung kann der Verletzte auch im Prozess noch wählen.629 Als konkreten Schaden kann der Verletzte den entgangenen Gewinn gelten machen, § 252 S. 1 BGB. Diese Berechnungsmethode wäre denkbar, wenn Veranstalter Konzerte oder Plattenfirmen eine Aufnahme absagen, weil die Musiker eine bestimmte Partei im Wahlkampf unterstützen würden. Solche konkreten Schäden werden bei einer Werknutzung im Wahlkampf eher selten vorliegen. Das OLG Jena ging insofern zu Recht davon aus, dass ein bloß vorübergehende Irritation einiger Fans nicht ausreiche.630 Die Abschöpfung des Verletzergewinns ist in diesen Fällen als Berechnungsmethode noch weniger geeignet, da ein abschöpfbarer Gewinn der politischen Parteien durch die Nutzung nicht entsteht. In Betracht kommt damit vor allem die Berechnungsmethode der Lizenzanalogie, wonach der Verletzte die angemessene Lizenzgebühr verlangen kann. 625 BGH GRUR 2015, 1108, 1113 Tz 53–Green IT. 626 LG Erfurt Teilurt. vom 25. 9. 2015 – 3 O 102/15, BeckRS 2015, 118185 – Die Höhner ; OLG Jena Urt. v. 18. 3. 2015 – 2 U 674/14 – Helene Fischer, siehe oben Fn. 10; OLG Jena ZUM-RD 2015, 670, 673 – Die Höhner. 627 OLG Jena ZUM-RD 2015, 670, 673 – Die Höhner. 628 BGH GRUR 2010, 616, 620 – marions-kochbuch.de. 629 BGH GRUR 2000, 226, 227 – Planungsmappe. 630 OLG Jena GRUR 2017, 622, 626 – Die Höhner II.

Schadensersatz

89

Angemessen ist eine Lizenzgebühr, die ein vernünftiger Lizenzgeber gefordert und ein vernünftiger Lizenznehmer bewilligt hätte.631 Für die Lizenzhöhe ist die übliche Vergütung maßgeblich, die aber noch einer Angemessenheitskorrektur unterfallen kann.632 Das OLG Jena ging davon aus, dass kein materieller Schaden vorliege, weil die NPD die angemessene Lizenzgebühr an die GEMA entrichtet habe.633 Das ist aus mehreren Gründen nicht überzeugend. Erstens ist die GEMA, wie gezeigt, gar nicht dazu in der Lage, solche Lizenzen zu erteilen.634 Zweitens werden die an die GEMA gezahlten Lizenzgebühren nicht in voller Höhe an die Künstler weitergereicht, sondern nach Maßgabe der Verteilungspläne (nach Abzug von Verwaltungskosten und Abzweigungen für soziale Zwecke) ausgeschüttet.635 Drittens hätte es zumindest einer Begründung bedurft, warum die GEMA-Lizenzgebühren der Höhe nach angemessen sein sollen. Die GEMALizenzen können nämlich außerhalb ihres tariflichen Anwendungsbereiches grundsätzlich nicht als üblich und angemessen angesehen werden, weil man nicht annehmen kann, dass ein Urheber zu so niedrigen Preisen Lizenzen zu Werbe- oder Wahlkampfzwecken vergeben würde.636 Zumindest bei der ungenehmigten öffentlichen Musikwiedergabe muss der Tarifbetrag im Einklang mit der Rechtsprechung zur GEMA pauschal verdoppelt werden.637

II.

Immaterieller Schaden

Gemäß § 97 II 4 UrhG können Urheber wie ausübende Künstler für den Schaden, der nicht Vermögensschaden ist, »eine Entschädigung in Geld verlangen, wenn und soweit dies der Billigkeit entspricht«. Ein Ersatz des immateriellen Schadens gemäß § 97 II 4 UrhG kommt nicht nur bei der Verletzung von Persönlichkeitsrechten sondern auch bei der Verletzung von Verwertungsrechten in Betracht.638 Der Billigkeit entspricht eine Entschädigung aber nur bei schwerwie-

631 632 633 634 635 636 637 638

BGH GRUR 1990, 1008, 1009 – Lizenzanalogie. FN–Jan Bernd Nordemann, § 97 UrhG Rn 92. OLG Jena GRUR 2017, 622, 626 – Die Höhner II. Siehe oben S. 24. Vgl. dazu im Einzelnen Schack UrhR, Rn 1366ff. LG München I, GRUR 2005, 574, 576 – O Fortuna. BGHZ 59, 286, 287 – Doppelte Tarifgebühr. Schack UrhR, Rn 785; Ulmer, 557; a. A. DS–Specht, § 97 UrhG Rn 95; FN–Jan Bernd Nordemann, § 97 UrhG Rn 118f.; SL–Wimmers, § 97 UrhG Rn 297.

90

Rechtsfolgen

genden Eingriffen und nur, soweit diese nicht in anderer Weise befriedigend ausgeglichen werden können.639 Einen immateriellen Schaden wollte das OLG Jena nicht anerkennen. Die Folgen für die betroffenen Urheber seien gering gewesen, das Verschulden der NPD ebenfalls; der Unterlassungsanspruch reiche daher aus.640 Angesichts der Verweigerung auch des materiellen Schadensersatzes kann das nicht überzeugen. Denn Parteien könnten so im Ergebnis Musik im Wahlkampf relativ gefahrlos benutzen. Ihnen drohte nur der Unterlassungsanspruch, der mit einer Unterlassungserklärung leicht abgewehrt werden kann. Die Entstellung ist jedoch kein Bagatelldelikt, so dass ein spürbares »Schmerzensgeld« angezeigt ist.641 Die Rechtsprechung täte daher gut daran, bei künftigen Urheberrechtsverletzungen im Wahlkampf Schadensersatzansprüche großzügiger zu gewähren.

C.

Weitere Rechtsfolgen

Zu denken ist außerdem an die Möglichkeit, das Urteil auf Kosten der unterlegenen Partei bekannt zu machen, § 103 UrhG. Voraussetzung dafür ist ein berechtigtes Interesse an der Veröffentlichung. Dieses wird man wohl annehmen müssen, da durch die Veröffentlichung dem Eindruck der Rezipienten entgegengewirkt werden kann, der Urheber oder ausübende Künstler sei mit der Nutzung im Wahlkampf einverstanden. Das Urheberstrafrecht spielt hier keine Rolle. Denn weder das Urheber- noch das Künstlerpersönlichkeitsrecht werden unmittelbar vom Urheberstrafrecht geschützt. Die unerlaubte öffentliche Wiedergabe allerdings ist von § 106 UrhG erfasst und mit bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe bedroht. Rein dogmatischer Natur ist die Frage, ob neben § 97 UrhG noch §§ 823, 1004 BGB Anwendung finden,642 denn insoweit bestehen keine inhaltlichen Schutzunterschiede zu § 97 UrhG.643

639 BGH GRUR 2015, 780, 784 Tz 38 – Motorradteile, BGH GRUR 1971, 525, 526 – Petite Jacqueline. 640 OLG Jena GRUR 2017, 622, 626 – Die Höhner II. 641 Schack UrhR, Rn 785; ähnlich DS–Specht, § 97 UrhG Rn 97; FN–Jan Bernd Nordemann, § 97 UrhG Rn 123. 642 So DS–Specht, § 97 UrhG Rn 2; FN–Jan Bernd Nordemann, § 97 UrhG Rn 3, 225. 643 Schack UrhR, Rn 805.

Endergebnis

Die Untersuchung hat gezeigt, dass Urheber die Werknutzung im Wahlkampf bereits aufgrund ihrer Verwertungsrechte verbieten können. Schranken des Urheberrechts greifen zugunsten von politischen Parteien nicht ein. Eine Lizenzierung durch die GEMA scheitert daran, dass nicht sie, sondern der Urheber selbst für die Erlaubnis der Werknutzung zu Werbezwecken zuständig ist. Erst wenn der Urheber eine solche Nutzung erlaubt hat, lizenziert die GEMA die weiteren für die Nutzung erforderlichen Rechte. Es handelt sich also um ein zweistufiges Verfahren. Eine Werknutzung im Wahlkampf ist eine indirekte Beeinträchtigung iSv § 14 UrhG, da das Werk in einen anderen Kontext gestellt und damit tendenziell verfälscht wird. Die Interessen des Urhebers sind nicht erst gefährdet, wenn der Eindruck entstehen kann, er unterstütze eine Partei im Wahlkampf, sondern schon dann, wenn eine unwillkürliche Gedankenverbindung zwischen dem Werk bzw. Urheber einerseits und der politischen Partei oder ihren Inhalten andererseits entsteht. Das Interesse des Urhebers, nicht mit einem Wahlkampf in Verbindung gebracht zu werden, ist berechtigt. Die werbenden Parteien können in aller Regel keine überwiegenden Interessen an der Werknutzung ins Feld führen. Die Art. 21 I, 5 I GG sind zwar grundsätzlich zu berücksichtigen, doch nur gering beeinträchtigt, da die Parteien für ihre politische Arbeit nicht auf die Nutzung eines bestimmten Werkes angewiesen sind. Die GVL spielt im Zusammenhang mit der Nutzung von Musik im Wahlkampf keine Rolle. Ausübende Künstler können diese nicht aufgrund von Verwertungsrechten sondern nur über ihr Künstlerpersönlichkeitsrecht untersagen. Sie sind nur in ihren persönlichen, nicht aber in geistigen Interessen geschützt. Bei einer Nutzung ihrer Darbietung im Wahlkampf werden aber in aller Regel nur persönliche Interessen verletzt, so dass dieser kleine Unterschied von § 14 und § 75 UrhG im Ergebnis nichts ändert.

92

Endergebnis

Urheber und ausübende Künstler haben Unterlassungsansprüche gegen die Nutzung ihrer Songs im Wahlkampf. Anders als nach dem OLG Jena haben sie auch Anspruch auf Ersatz ihres materiellen und immateriellen Schadens.

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Weitere Bände dieser Reihe Band 49: Nico Einfeldt Open Content Lizenzen und das Bearbeitungsrecht 2020. 227 Seiten, gebunden € 35,– D ISBN 978-3-8471-1107-8

Band 48: Marius Tillwich Kartellverbot bei Mediation und Schiedsgerichtsbarkeit im Immaterialgüterrecht 2019. 141 Seiten, gebunden € 30,– D ISBN 978-3-8471-0972-3

Band 47: Jochen Christoph Hegener Die angemessene Vergütung im Urhebervertragsrecht

Band 45: Fei Yang Die Haftung von Plattformbetreibern für die Mitwirkung an fremden Rechtsverletzungen nach deutschem und chinesischem Recht 2018. 176 Seiten, gebunden € 35,– D ISBN 978-3-8471-0854-2

Band 44: Victoria-Sophie Stracke Die öffentliche Wiedergabe nach § 15 Abs. 2 UrhG am Beispiel sozialer Medien 2018. 175 Seiten, gebunden € 35,– D ISBN 978-3-8471-0836-8

2019. 214 Seiten, gebunden € 40,– D ISBN 978-3-8471-0955-6

Band 43: Jan Hendrik Schmidt Maximalschutz im internationalen und europäischen Urheberrecht

Band 46: Hannes Henke E-Books im Urheberrecht

2018. 264 Seiten, gebunden € 40,– D ISBN 978-3-8471-0800-9

2018. 230 Seiten, gebunden € 40,– D ISBN 978-3-8471-0904-4

Band 42: Lukas Mezger Die Schutzschwelle für Werke der angewandten Kunst nach deutschem und europäischem Recht 2017. 237 Seiten, gebunden € 40,– D ISBN 978-3-8471-0696-8