Die Münster am Oberrhein [Reprint 2020 ed.] 9783112360743, 9783112360736

De Gruyter Book Archive (1933-1945) This title from the De Gruyter Book Archive has been digitized in order to make it

166 110 672MB

German Pages 62 [188] Year 1941

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD FILE

Polecaj historie

Die Münster am Oberrhein [Reprint 2020 ed.]
 9783112360743, 9783112360736

Citation preview

DEUTSCHE DOME

Die Münster am Oberrhetn Ausgenommen von THEODOR SEEGER

beschrieben von WALTER HOTZ

Berlin 1941

DEUTSCHER KUNSTVERLAG

INHALT Vorwort........................................................................................................................................... 5 Landschaft und Volkstum.................................................................

7

Der oberrheinisch« Knnstranm......................................................

ii

Da- Münster Unserer Liebe« Frau zu Straßburg

16

Da- Verhtltni- zur Stadt.................................................................

16

Da- Bauwerk und seine Geschichte......................................................

18

Di« Bildwerk«......................................................................................

28

Schlettstadt................................................................................................

.

34

Die ehemalige Propsteikirche St. Fide-...........................................

.

34

Da- Münster St. Georg

.................................................................



35

Da- Münster St. Marti» zu Kolmar...........................................



37

Die Pfarrkirche Unserer Liebe« Frau zu Rufach

39

Das Münster zu Basel

42

...

....

Das Bauwerk...........................................

Di« Bildwerke

42

....

-

-

46

Da- Münster Unserer Liebe» Frau zu Freiburg

49

Geschichte und Gestalt de- Bauwerkes........................................... ................................................................

Die Bildwerk«

Das Münster St. Theobald zu Thann........................................... Das Münster St. Stephan zu Breisach Schrifttum

49 .

....

.................................................................................................

Karte des Oberrheius

......................................................

Die Zahlen am Rande der Seiten verweisen auf den Bilderteil



53

.

56

.

59 62

63

VORWORT In Bild und Wort will diese- Buch ein Bekenntnis j« edelster deutscher Kunst ablegen. Der Gedanke, «ine bisher nirgends versuchte Zusammenschau der oberrheinische» Münsterkirchen zu geben, wuchs aus jahrelangem Vertrautsei» mit den Bauwerk« und ihrer Landschaft. Er konnte in enger Arbeitsgemeinschaft mit einem meisterhaften Lichtbildner Gestalt annehmen. Di« ver­ ständnisvolle Lieb«, die der Plan von Anfang an beim Verlag gefunden hat, «rmtglichte das Erscheine» des Werkes in der Reihe der „Deutschen Dome". Außer de» großen Münster» zu Straßburg, Freiburg und Basel und dm städtisch« Münster­ kirchen zu Schlettstadt, Kolmar, Breisach und Thann wurden auch di« ehemalig« Propsteikirch« St. Fides zu Schlettstadt und die Liebfrauenkirche zu Rufach aufgenommen. Die erste, weil st« im geschichtlich« und künstlerischen Werd« des Stadtbildes ein« groß« Rolle spielt und als Beispiel der älteren stavfischen Baukunst im Elsaß eine geschlossene Anschauung von dm Form­ kräften gibt, die auch bei d« groß« Münstem am Werk waren, dort aber heut« nicht mehr derart unmittelbar wahrgmommen werd« könne». Di« zweite weg« ihrer «gen Beziehungen zu Straßburg, welche zugleich die Art und Weise veranschaulichen, wie sich di« Straßburger Baukunst im Lande au-grwirkt hat. Auf die unier dem gleiche» Gesichtspunkt vorgesehen« Hinzu­ nahme der Flormiiuskirche zu Niederhaslach, an der ein Sohn Erwins von Steinbach tätig war, wurde zugunst« von Rufach verzichtet. Auch die gelegentlich als Münster bezeichnet« sehr bedeu­ tende Peter- und Paulekirche zu Weißenburg mußte außerhalb des Themas bleib«. Ihr Werden vollzog sich unter Voraussetzungen, di« von den« der übrigen behandelten Münster abweichen. Auch gehört Weißenburg bereits zur Kunstlandschaft des fränkischen Oberrheins. Bei der ungeheuren Reichhaltigkeit des Stoffes könne» unsere Bilder nur mit wenigen bezeichnen­ den Aufnahmen die Bauwerke «rläutern. Trotzdem waren wir bestrebt, ein« gute und klare Anschauuug zu vermitteln. Ebenso muß sich der Text auf eine einfach« Darstellung beschränken. Hierbei galt mein Bemüh« weniger einer Beschreibung von Einzelheiten als der Ordnung des Stoffes um Leitgedanke». Da- Hauptaugenmerk beider Gestalter des Buches richtete sich auf die Architettur und die monumental« Plastik. Die durchweg sehr kostbare Ausstattung der Kirchen konnte nur soweit berücksichtigt werden, wie sie zur Charatterisierung des Bauwerkes beittägt. Für all« nähere Beschäftigung sei auf den am Schluffe des Textes gegebenen Schrifttumsüberblick verwiesen. Sämtliche Aufnahmen sind in den Sommermonaten 1938 und 1939 entstanden. Sie waren «och im Gange, als der Krieg ausbrach. Darum konnte Freiburg nicht mehr vollständig bearbeitet werden und die Aufnahmen in Breisach mußten unterbleib«. Wir war« aus diesem Grund« gezwungen, ein paar Bilder fremder Herkunft einzufügen. Sie tun jedoch der geschloffen« Wir­ kung des Bildteiles keinen Abbruch. Besonders hervorgehoben w«rd« muß der Einsatz des Lichtbildner-, der unter unsäglichen Mühen seine in Sttaßburg lagernden Aufnahmen und Aus­ rüstung« aus dem bereits in der Mobilisierung und Räumung begriffenen Elsaß in die Schweiz hinübergeretttt hat.

Di« Lichtbilder wolle« nut alr Mittler zum Kunstwerk verstanden werden; in dieser Zielsetzung

liegt ihre Eigenart. Die Wahl de- geeigneten Standpunkte- ergab sich erst nach langem Studium der Objekte, Leitern und Gerüste wurden vermieden, viele- mußte mit Fernlinsen nthergebrachl werden. Von raumzerstörenden Weitwinkelaufnahmen wurde tunlichst Abstand genommen. Kunst­

licht wurde nur in ganz wenigen Fällen, wo e- unvermeidlich war, verwendet: in der Chorkrypta, am Cngel-pseiler und bei den Plastiken im Frauenhan- zu Straßburg. Alle anderen Aufnahmen

sind bei Tage-licht hergestellt. Die mild« Sonne der oberrheinischen Landschaft gibt immer noch die beste Beleuchtung ab. Bei der Au-wahl der Filter wmd« darauf geachtet, daß der Charakter

de- Stein- nicht verfälscht wurde.

C- ist an dieser Stelle angebracht, dmm zu danken, die unsere Arbeit gefördert haben. Zuerst dm Verwaltungm der einzelnen Kirchm oder Sammlungm, welche bereitwMg all« Aufnahmm gestattetm, dann der treum Mitarbeiterin de- Photographen, Fräulein Hedi Müller und nicht zuletzt

dm Herren Dr. Burkhard Meier und Cmst Hermann, derm groß« Erfahmngm bei der Au-wahl

und Bearbeitung der Bilder maßgeblich mitsprachm. Di« Niederschrift de- Texte» erfolgte währmd und nach Ablauf eine- längeren Lazarett­ aufenthalte-, zu dem ich infolge einer in Polen erhaltenen Verwundung gezwungen war. Al­

di« Herstellung diese- Werke- bereit- im Gange war, erlitt Frankreich durch Geist und Waffen der deutschen Wehrmacht di« vernichtendste Niederlage seiner Geschichte. Damit schlug auch für da» Elsaß die Stunde endlicher Heimkehr in- Reich. Seit dem 19. Juni 1940 weht die deutsche Flagge auf dem Straßburger Münster. In diesem Symbol erfüllt sich tausendjährige-, durch Not und Schmerzen geläuterte- Schicksal. So nehm« da- Buch von den Münstern am Oberrhein

seinen Weg, al- bescheidener Dank an meine feldgrauen Kameraden, die für da- Reich ihr Leben

eingesetzt und geopfett haben und als Gruß an da- schöne Elsaß, das wir ttotz aller Trennung nie vergessen hatten.

Im Sommer 1940

Walter Hotz

LANDSCHAFT UND VOLKSTUM

An der Pforte des Oberrheins wacht seit alters der Burgfelsen von Basel. Steil ragen di« Quadermauern des „Pfalz"-Altanes über den graugrünen Strudelwaffem des Rheines empor. Auf diesem breiten Sockel erhebt sich das ehrwürdig« Münster, welches Kaiser Heinrich II. um da- Jahr 1000 zu bauen begann. Die baumbestanden« „Pfalz" gewährt eine weit« Schau in die Landschaft am Oberrhein. Der Strom hat die Engen des Hochrheintale-, die ihn vom Untersee bis nach Basel über manche Schnellen hinweg begleiteten, überwunden. Er wird mit der scharfen Nordwendung, die sei» bisher nach Westen führender Lauf nimmt, frei von de» Bergen, an deren waldreichen Saum er sich unwMg schmiegte. Er gibt sich beglückt der sonnigen, fruchtbaren Ebene hin. Drüben, auf dem rechten Ufer reich«« die dunklen Ausläufer des Schwarzwaldes heran, die dem Rhein mit Rebhängen oder schroffen Kalkfelsen noch einige Meile» weit das Geleit geben, um dann mehr und mehr in dunstig« Femen zurückzutretm. Der Blick stromabwärts geht über das linke Ufer «nd die Häuser uvd Brücken von Basel bis zu de» welligen Hügeln des Sundgaueö, hinter dem sich das alt« Völkertor der burgundischen Pforte össtwt. Bei Basel beginnt die ausgedehnt« Talebene, ständig begrenzt von den hohen Gipfelkämme» des Schwarzwaldes und des Wasgenwaldes. Der Rhein aber, der diesem Land sein Wesen gibt, strömt ruhigen Laufes zwischen dichten Uferwäldem in zahllosm Armen und Altwassern dahin. Ernst und Lieblichkeit sind am Oberrhei» geschwisterlich vereint. Di« männliche Schönheit der alpinen Bergwelt der Hochvogesen und des Hochschwarzwaldes gesellt sich zur frauenhaften Anmut des Flachlandes im Oberelsaß und im Breisgau. Basel ist der monumentale Auftakt zum alemannischen Oberrhei«, wie Straßburg seinen festliche» Ausklang, seinen machtvollen Schlußakkord bildet, der auch im fränkischen Stromgebiet noch lange nachhallt. Halbweg- zwischen Basel und Straßburg liegt die Stadt und Festung Breisach auf gleicher Höhe mit Freiburg und Kolmar. Hier tritt das vulkanische, von fmchtbarem Löß bedeckte Ge­ birge de-Kaiserstuhles dicht an den Strom heran. Auf Fels gegründet erhebt sich «in altes Münster über de« Strom, von Türmen «nd Häusern umdrängt. Die unzähligen Ruinen, die Garten­ mauern, die einst Hau-wände waren, gemahnen an die »otvolle Geschichte einer deutschen Stadt, in der sich vor 300 Jahren das Schicksal des Oberrheines, Kampftand an der Grenz« zu werden, erfüllte. Breisach bezeichnet die Mitte des alemannischen Oberrheins. Das zähringisch« Freiburg und di« alt« oberelsässische Reichsstadt Kolmar tragen ein reicheres und großzügiges Gepräge zur Schau; sie laden ein und werben mit ihrer Gastlichkeit. Breisach dagegen ist herb und verschlossen, obwohl der feurige Kaiserstühler Wein auch di« bedächtig« alemannische Zunge löst. Und obwohl «- erlesene Kostbarkeiten unter rauher Schale birgt. Während die Münster zu Basel und Breisach auf steilen Felsen überm Rheine wachen und gebieterisch die Stadt beherrschen, einst unnahbar wie Wehrbauten, stehen die Münsterkirchen

der andere» oberrheinischen Städte zu dem StadtkLrper in durchaus nachbarlichem Verhältnis. Sie wuchsen inmitten der Stadt und wuselten mit ihrer stolze» Erhabenheit tief im Heimat­

Sie waren keine Gottesburge» wie die Münster zu Basel (das freilich später gründlich

bode».

verändett wurde)

und Breisach,

k«n« der Stadtwerduvg.

sonder»

feiernder

Versammlung-stätte»

Bürger,

Kristall-

Das bliebe» sie auch dott, wo sie längst alle Maßstäbe der bürgerliche»

Stadt überttafen.

Da» Münster zu Thann ist aus einer Wallfahrtskirche am Eingang eine» Vogesentales ent­ standen.

Di« Münster zu Kolmar, Freiburg und Schlettstadt sowie di« Kirch« zu Rufach diente«

als städtisch« Pfattkirchen.

Rur Sttaßburg war ebenso wie Basel Dischofsitz und da- Münster

sowohl Hauptkirch« de- Bistum» wie der Stadt.

Wahrzeichenhaft stehe« di« gotischen Türme der Münster in der Landschaft am Obetthein, den« auf die Türme richtet« sich der Stolz der Bürger. Da» gilt vor allem von jenem Münster, da»

seit Jahrhunderte» zum Inbegriff de» Landes am Obetthein, der deutschen Kunst im alemannisch«»

Raum wurd«, vom Münsttt zu Sttaßburg.

Diese vornehme und hochbedeutende einstige frei«

Reichsstadt ist die «igenilich« Herzkammer des Obetthein-.

In ihr begegnen sich alle Kräfte, die

befruchtend und gestaltend im deutschen Südwesten lebendig waren.

Und im Münster, da» über

die ttdgebunden« Schönheit seiner Kunst und da» Können sein« Meister hinaus zum Sinnbild der Westmark wurde, offenbatt sich all« Größe und all« Rot eine» Jahrtausends.

Denn auch

die Nachgeborenen haben sich dem Werke der VLitt verpflichtet gefühlt, und selbst Zeiten, die

dem gotischen Himmel-drang« fern standen, haben voll Ehrfurcht jene» Denkmal betrachtet, das man schon im Mittelalter unter die Weltwunder gerechnet hat.

Hier hat sich di« oberdeutsch«

Reformatio« heimisch gefühlt, hat d« Humanismus bewundernde Motte gefunden, hat der junge Goethe di« Gotik «lebt, hat di« französische Zerstörungswut der Revolution Halt gemachl, hat selbst

der Fortschrittsglaube des

19. Jahrhundert» sein« Achtung bezeugt.

Das Münster zu

Sttaßburg ist mehr als ein große- Bauwerk, mehr als eine unsterbliche Schöpfung reitlos«

Kunst. E- ist, wie d« Name seines größten Meister- Erwin zum Mythos geworden, zum Mythos vom ewige« deutschen Mensche«, d« den Geist in de» Stoff bannte, bet, beseelt vom faustischen

Willen, Unmögliches zu bezwingen, hi« seinen Himmel-ttaum vttwirklichte, schön«, stolzer, durch­ geistigt« al- jemals ei» Denkmal von Menschenhände« «baut wurde. Nadelspitz ragt, gegründet auf dem breite» Block de» Westw«ke», d« Münsterturm zu Straß» bürg über das Land am Sttom. Ob man von der Ottenau kommt od« von de» Rebhügel» des

Kochersb«g«s auf die Eben« niederblickt, imm« entbiet« d« Münstetturm am Horizont den ersten Gruß d« „wunderschönen Stabt".

Etwas abseits von den ehedem versumpfte» Rhein-

ufern hat man Sttaßburg an d« Jll, im Schnittpunkt von V«kehrsad«n au- alle» Himmels­

richtungen, di« hier de» Sttom tteuzen, aufgebaut.

Auch Schlettstadt, Kolmar und Rufach

liegen unweit der Jll an der großen Nord-Süd-Sttaße durch das Elsaß.

Freiburg vttdankt dem

rechtsrheinischen Handel sein« Bedeutung und den Breisgau« Silbermine» seinen Reichtum.

Nur Thauu blühte abseits von dem gew«befleißige« Mülhausen auf. 8

Die Fruchtbarkeit der oberrheinischen Landschaft, ihr« unversiegliche Füll«, ihr« weiche« Um­ risse, ihre lichtgetränkte Dunstigkeil, welch« von einer hehr«» Bergwelt kulissenhaft gerahmt werden, haben auch de» Charakter der großen Baudenkmal« mitbestimmt. Ihr Werkstoff ist ein­ heimischer Sandstein und zwar meist der leuchtend rote, wie er im Wasgau und im Schwarzwal» gebrochen wird, daneben aber auch grauer und blaßgelber. Oft hat man bewußt mit der Farb­ schichtung gewechselt und damit den Bauwerke« «ine lebhafte Polychrom!« verliehe«. Glastertr Ziegeln (meist unschön erneuert), kupfergrüne Dächer und vergoldete Turmspitze» steigerten dir freudige Buntwirkung. Der bildsame Sandstein aber forderte eine plastische Durchseelung auch der reinen Architektur geradezu heraus. Der Oberrhein hat die vielfältige gotische Gliederung un» die maßwerkdurchbrochenen Turmhelme über alles geliebt. Die Werke der oberrheinische» Kunst find aus dem gleichen alemannischen Volkstum geboren, welches Jahrhunderte lang um den Besitz dieses paradiesischen Landes gerungen hat. Als es ab« dort seßhaft geworden, hat es allen fremden Verlockungen zum Trotz an seiner angestammter Art festgehallen. Natürlich ist nicht alles alemannisch, was uns im oberrheinischen Raum begegnet. Einig« wenige Reste der keltischen oder provinzialrömische» Bevölkerung, welche die germanische Landnahme nach dem Zusammenbruch des Römerreiches antraf, wurden in das Alemannentu» eingeschmolzen. Sie blieben für die politische und künstlerische Gestaltung des oberrheinischen Raum« ohne Einfluß. Etwas stärker macht sich schon, namentlich im Sundgau und im Bereich der wich­ tigen Stadt Bisanz das burgundische Element bemerkbar. Außerdem finden wir über das ganze Land eine dünne fränkische Schicht verteilt. Sie hat mannigfache Beziehungen sowohl zu Rhein­ franken wie zu den westfränkische« Gebieten vermittelt. Die Herkunft und damit das Wesen bleibt freilich in allen Fällen germanisch. Denn auch die sprachlich romanisierten Burgunder und West franken, deren künstlerische Einwirkung zeitweise recht bedeutend war, sind ja Germanen. Schließ­ lich ist aber entscheidend, daß das bodenständig« Alemannentum gerade di« von außen kommender Ideen schöpferisch zu meistern wußte. Der Ruhm des Oberrhein- liegt in dem beschloffe«, was « aus eigener Kraft und in selbstbestimmter künstlerischer Vollmacht geschaffen hat. Zu allen Zeit«» waren Bauwerke die beredetsten Zeugen für Geist und Macht eines Zeitalters. Und am Oberrheir sprechen di« Steine genau so wie die Menschen deutsch! Es ist dabei im Grunde belanglos, ob diese oder jene Form, die am Oberrhein ihre Vollendunz erlebte, zu einem etwas ftüheren Zeitpunkte in Frankreich oder den Reich-landschaften Burgunt oder Lombardei auftaucht. Ganz abgesehen davon, daß diese Priorität infolge der zufälliger Erhaltung und der immer noch sehr lückenhaften Kenntnis von der Baugeschichte des Mittel­ alters nicht stichhaltig zu sein braucht. Es hieße das Können der große« Meister unserer ober­ rheinischen Münster schmälem, wenn man ihnen nachsagen wollt«, sie hätten nur Entlehnung«« gekannt und ihre Leistung bestehe lediglich in einer mehr oder minder geschickten Zusammen­ stellung von übemommenen Einzelheiten. Ma» soll das Schöpferische nie in seine Bestandteile zergliedern wollen. Der Genius hat stets sein eigenes Recht, das in seiner Größe und Einmaligkeü begründet ist. Vor dem Straßburger Münster mußte der junge Goethe sprechen: „Deinem

Unterricht dank ich's, Genins, daß mir's nicht mehr schwindelt vor der Tiefe, daß in meiner Seele

ein Tropfe« sich senkt der Wovneruh de- Geistes, der ans solch ein« Schöpfung Herabschauen

und gottgleich spreche» kann: Es ist gut!" Die ältere Kuvstgeschichtsschreibung ging stilkritisch den Einflüssen von außerhalb mit aller

Gründlichkeit «ach.

Sie war außerdem an einer Fortschritt-theorie au-gerichtet, der infolge die

Gotik ein« höher« Stufe darstellie und alle- Vorgotische als primitiv und rückständig erschien — wie es später dann abermals bei der Renaissance der Fall war. Die heute gestellte Aufgabe heißt:

Erkenntnis der eigen« schöpferisch« Leistung« unseres Volkes.

Niemand wird dabei leugne»,

daß die spitzbogige Gotik ihre erste monumentale Ausformung in d« Domen der J-le de France

und der Normandie gefunden hat, eben zur selb« Zeit, als in Deutschland der staufische Rundbog«stil seine Blüte und Reife erlebte.

Vorbereitet war die Gotik schon lange und zwar geistig

wie technisch — denn immer war es der Geist, der sich d« Körper baut«. Am stärkst« hat hier der Kolonisator«ord« der grau« Zisterziensermönche, der im schicksalhaft« Schoße des bur­

gundischen Raumes «tstand, gewirkt.

Die deutsch« Baumeister jener Wendezeit hab« ohn«

Zweifel di« großen Kathedralbauten des Westens, besonders Lao», Chartres, St. Denis, Paris

und Reims gekannt, ebenso wie man im Westen von den deutsch« Kaiserdomen wußt«. Trotzdem

ist die Gotik erst unter deutschen Händen aus dem scholastisch durchrechneten Stil rund um die alte Universitätsstadt Paris zur groß«, im best« Sinne volkstümlich« europäisch« Kunst g«. word«, di« fast drei Jahrhunderte lang das Kulturleben des Abendlandes beherrscht«. Straßburg

und der Oberrhei» hab« an dieser Umschmelzung stark« Anteil.

Nicht im Sinn« einer zu-

fälligen Mischung von Westen und Ost«, denn die Stadt und die gesamte oberrheinisch« Land-

schäft lag« ja nicht an der Greife, sonder« beinahe in der Mitt« des Reiches, sonder« in Gestalt

einer wahrhaft schöpferischen A«w«dung gotischer Form« im Geist« deutscher Bauüberlieferung von d« Sachsenkaisem bis zu den Hohevstauf«.

Zn Straßburg — nicht zu Trier und nicht

zu Marburg — fand die Gotik d« Weg zum deutsch« Herzen, au- dem sie nie wieder verdrängt wurde.

Georg Dehio nannte das Straßburger Münster „Da- D«kmal eines langen Friedens

und einer geistig« Freundschaft zwischen d« zwei führend« Völkern des Abendlandes."

Wir

dürfen aus unserer Erkenntnis hivzufüg«, daß diese Freundschaft blut-mäßig im Germanisch« begründet war.

D«n damals bestimmt« noch die Nachfahren der alt« Goten, Frank«, Bur-

gunder und Normann« das geistige und politische Antlitz des Westens.

Erst die Bourbon«,

Richelieu und die große Revolution -ab« diese Gemeinsamkeit unheilbar zerbroch«.

E- ist nicht die Absicht diese- Buche-, de» irgendwie feststellbaren Beziehung« de- alemanni­ sch« Oberrheins zur westfränkisch« oder zur burgundisch« Kunst nachzugeh« oder gar zu den

bereit- reichlich Vorhand«« Abhängigkeiis-Hypothesen neue hinzuzuklügeln.

E- geht vielmehr

ganz eindeutig dämm, aufzuzeig«, was der Oberrhein unter Einschaltung aller Einflüsse an Eigenem geschaffen hat.

Und das ist ungeheuer viel.

für die Zeit von 1000—i$oo damit vergleich«.

Keine andere deutsche Landschaft kann sich

Es soll auch begriffen werd«, wa« ja durch d«

Bestand schon bewiesen ist, daß nur da- alemannische Volk-tum diese überragend« Werke schaffen,

io

und daß nur di« gesegnet« oberrheinische Landschaft solche Leistungen au- ihrem mütterlicher Bode» hervorbring«» konnte. Landschaft und Volk-tum find aufeinander abgestimmt. Am ihrem innigen Bündnis ist auch di« Kunst der oberrheinische« Münster gewachsen. Die- erkenner heißt, den deutsche« Menschen de- Westens und die Geschichte des deutsche« Volkes in allen ihrer Lebensäußerungen mutig bejahen.

DER OBERRHEINISCHE KUNSTRAUM Wem» der alemannische Oberrhein in dem halbe» Iahttauseud, das den Bau der großer städtischen Münsterkirche« erlebte, eine» geschlossene» Kunstraum bildtte, so verdankte er dar nicht »ur der Landschaft und dem Volkstum. Sein« Bauwerke find nicht wilde Blumen in «inen fruchtbaren Gatten, sondern sowohl religiöse wie politisch« Glaubensbekenntnisse der großer deutsche» Kaiser» und Bürgerzeit. Die beide» Ufer de- Obetthein- gehötten seit der Bildung eines deutschen StaatSverbandeS unter den Ottoven ohn« Einschränkung zum Reiche. Sie fink unter den Saliern und Hohenstaufen zum Herz« und Kernland des Imperiums erhoben worden. Si> blieben auch in den Zeiten des Niederganges der altdeutschen Kaiserhettlichheit in dieser Stellung bis zu Kaiser Maximilian I., wo die langsame Abbröckelung vom Reiche begann, die dann in der Stunden tiefster deutscher Ohnmacht zur schmerzvollen Zerstückelung fühtte. Der oberrheinisch« Kunstraum ist mit diesem politische» Schicksal aufs engst« verknüpft. Was er an großen unt unvergängliche» Werken schuf, das gehött jenen fünf Iahrhundette« von Heinrich II. bis Karl V an. Davon zeugen die Standbilder des Kaiserpaares zu Basel, die von der franzöfischen Revolu tion zerstötten kaiserliche» Reiter am Straßburger Westwerk, die Kaiserfenster de- Münsters, di« Herzöge und Könige am Freiburger Turm. Di« Kron« des Kaisers, das Schwett des Reich« und der deutsche Adler, das Wappentier der Hohenstaufen, standen symbolhaft über den ober rheinischen Münstem. Unter diesen heiligen Zeichen wuchs die deutsche Kunst am Obetthein zv ihrtt Größe empor. Als erst« Bauhett«» der Münsttt lemen wir zunächst die Bischöfe von Basel und Straßburc kennen. Diese waren Sachwall« de- Reiche-, bevor die verhängnisvolle Politik Gregors VII den Zwiespalt zwischen Papst und Kaiser heraufbeschwor. Zu Basel wurde d« Müusterbau von Kaiser Heinrich II. tatkräftig gefördett und das neu« Münst« in Gegenwatt des Kaisers geweiht. Die Überlieferung steht daher mit Recht in Heinrich den Erbauer des Münsters auf dem Burgfelsen. Und d« spätere Bildhauer hat die Gestalte« d« kaiserlichen Stifterpaares für di« Vorhalle des Münsters geschaffen, um diesen Ursprung für all« Zeiten im Gedächtnis zu halten. Auch am Münstttbau zu Sttaßburg, den Bischof Werinhar 1015 ins Werk setzte, dürfen wir ein« maßgebliche Mitwirkung Kaiser Heinrichs annehmen. Die rhein abwätts gelegenm Dome zu Worms und Mainz rühmten fich gleichfalls seiner Förderung. Die spätottonischen Münster im Elsaß erstrebten eine ausgesprochen monumental« Wittuug. Sie waren breiträümig als Säulen« oder Pfeilttbafiliken mit weit ausladendem Querschiff an«

und daß nur di« gesegnet« oberrheinische Landschaft solche Leistungen au- ihrem mütterlicher Bode» hervorbring«» konnte. Landschaft und Volk-tum find aufeinander abgestimmt. Am ihrem innigen Bündnis ist auch di« Kunst der oberrheinische« Münster gewachsen. Die- erkenner heißt, den deutsche« Menschen de- Westens und die Geschichte des deutsche« Volkes in allen ihrer Lebensäußerungen mutig bejahen.

DER OBERRHEINISCHE KUNSTRAUM Wem» der alemannische Oberrhein in dem halbe» Iahttauseud, das den Bau der großer städtischen Münsterkirche« erlebte, eine» geschlossene» Kunstraum bildtte, so verdankte er dar nicht »ur der Landschaft und dem Volkstum. Sein« Bauwerke find nicht wilde Blumen in «inen fruchtbaren Gatten, sondern sowohl religiöse wie politisch« Glaubensbekenntnisse der großer deutsche» Kaiser» und Bürgerzeit. Die beide» Ufer de- Obetthein- gehötten seit der Bildung eines deutschen StaatSverbandeS unter den Ottoven ohn« Einschränkung zum Reiche. Sie fink unter den Saliern und Hohenstaufen zum Herz« und Kernland des Imperiums erhoben worden. Si> blieben auch in den Zeiten des Niederganges der altdeutschen Kaiserhettlichheit in dieser Stellung bis zu Kaiser Maximilian I., wo die langsame Abbröckelung vom Reiche begann, die dann in der Stunden tiefster deutscher Ohnmacht zur schmerzvollen Zerstückelung fühtte. Der oberrheinisch« Kunstraum ist mit diesem politische» Schicksal aufs engst« verknüpft. Was er an großen unt unvergängliche» Werken schuf, das gehött jenen fünf Iahrhundette« von Heinrich II. bis Karl V an. Davon zeugen die Standbilder des Kaiserpaares zu Basel, die von der franzöfischen Revolu tion zerstötten kaiserliche» Reiter am Straßburger Westwerk, die Kaiserfenster de- Münsters, di« Herzöge und Könige am Freiburger Turm. Di« Kron« des Kaisers, das Schwett des Reich« und der deutsche Adler, das Wappentier der Hohenstaufen, standen symbolhaft über den ober rheinischen Münstem. Unter diesen heiligen Zeichen wuchs die deutsche Kunst am Obetthein zv ihrtt Größe empor. Als erst« Bauhett«» der Münsttt lemen wir zunächst die Bischöfe von Basel und Straßburc kennen. Diese waren Sachwall« de- Reiche-, bevor die verhängnisvolle Politik Gregors VII den Zwiespalt zwischen Papst und Kaiser heraufbeschwor. Zu Basel wurde d« Müusterbau von Kaiser Heinrich II. tatkräftig gefördett und das neu« Münst« in Gegenwatt des Kaisers geweiht. Die Überlieferung steht daher mit Recht in Heinrich den Erbauer des Münsters auf dem Burgfelsen. Und d« spätere Bildhauer hat die Gestalte« d« kaiserlichen Stifterpaares für di« Vorhalle des Münsters geschaffen, um diesen Ursprung für all« Zeiten im Gedächtnis zu halten. Auch am Münstttbau zu Sttaßburg, den Bischof Werinhar 1015 ins Werk setzte, dürfen wir ein« maßgebliche Mitwirkung Kaiser Heinrichs annehmen. Die rhein abwätts gelegenm Dome zu Worms und Mainz rühmten fich gleichfalls seiner Förderung. Die spätottonischen Münster im Elsaß erstrebten eine ausgesprochen monumental« Wittuug. Sie waren breiträümig als Säulen« oder Pfeilttbafiliken mit weit ausladendem Querschiff an«

gelegt und gipfelten in westliche« und östliche» Turmgruppe». Ihre «»mittelbare Fortsetzung wäre« di« salische» Baute» zu Speyer u»d Limburg a» der Haardt. Die Formgebung dieser gewaltige« Dome «»tsprach der Ide« des Reiches, das sie verkörpern wollte». Des« auch di« Kirche diente dem Reich, weil da- mittelalterliche Reich glaubensmäßig im Christentum vcrankctt war. I» de» »«um Bauwerke» der Otto««« prägt sich unter solche» Vorauss«tzu»ge« zum erste» Male ei» deutfcher Stil. Altchristlich-römisch« Bestandteil« warm da- dreischiffige Langhaus und der halbrunde Chorschluß. Germanisch warm das Querschiff und die Bildung von Turmgruppe« im äußere», vo» Raumgruppm im i»«erm Bild«. Da- Quer­ schiff kann wie eine in die Kirch« «»bezogene Königshalle «mpfuadm werden. Die Türme im Weste» verschmolzen häufig mit Vorhalle und Oberkapelle» zu einem Westwerk. Die Türme im Oste» schatte» sich um di« Vierung, oder wo ein« solche nicht au-geschieden war, um dm oft burgattigm Chor. In diesm Turmgruppen und in den doppelten Chöre» findet die Dynamik von Reich und Kirche ihrm Ausdruck. Der Ostchor war Christus geweiht, der Westchor oder das Westwerk den Schutzpattonen des Kaisettums. Nach dm inneren Witten unter den letzten Salimn und dem damit vttbundenm Niedttgang der Künste haben erst wieder di« staustschen Herzöge in Schwaben und im Elsaß der obettheinischm Baukunst neu« Weg« gewiesen. Die schwäbischm Hohenstaufenkaiser steigettm die alemannische Baulust zu höchst« Blüte. Am Obetthein wurde der staufisch« Stil gefchaffm, der dem ritt«lichm Wehrgeist mit schweren Mauem und der höfischen Zucht mit Formmschönheit und maßvoller Bauplastik entsprach. Noch heut« besitzt da- Elsaß «ine Füll« erlesener Siauferbauten und zwar sowohl Kirchen wie Burgen, die seine Bedeutung für die deutsch« Baukunst des 12. Jahrhundert- ermessen lassen. Nach der bish« bekannten Chronologie der elsässischm Stauferkirchm ist d« erste große und wahrhaft monumentale Bau dieses Zeitalters die unt« Konrad III. errichtete Benediktinerkirch« zu Murbach. Es folgen wenig spät« die Abteien Niedermünster am Odilimb«g und Maursmünster mit ihren hettlichm Westwerkm. Au- der Barbaroffazeit stammen die Stadtkirche zu Rosheim, St. Fides oder deutsch gesagt di« Glauben-kirche zu Schlettstadt, da- Münster zu Breisach und schließlich di« Anfänge d« Münster zu Basel und Freiburg. In den gleichm Jahren hebt auch di« umfang­ reiche Neugestaltung des Sttaßburger Münsters an. Uberall begegnm wir dm einheimischen Formen einer wuchtigm elsässischen Baukunst der frühe« Stauferzeit. Sttaßburg und Basel waren Umbaute» älter« Domkirchm. Breisach, Freiburg und die bmediktinisch« Glauben-kirche in Schlettstadt waren dagegm neue Schöpfungm, die nicht- mehr mit ihrm nachwei-barm dörflichen Vorgänger» gemein habe». In de» großm Steinbauten bekund« sich daStteben nach «in« tettonisch einwandfreien und bauplastisch reichm Glied«ung d« schweren Mauer­ masse», da- Ringen eine- suchmdm Geiste- mit dem sprödm Stoff und der schließliche Triumph de- Baumeisterwiüms. Daher auch die iun«e Glut und keineswegs problemlose Durchgestaltung des Baukörpers und d« Räume, welche g«ade das Elsaß auszeichnet und für neue Baugedanken empfänglich macht. Di« Glaubenskirche zu Schlettstadt bringt infolge ihr« prunkvollm bau-

plastische» Behandlung eine besondere Not« in die oberrheinische Baukunst, die nirgends im ganzen Lande derart stark in Erscheinung tritt. Basel und Freiburg — mit burgundischen Ele­ mente» — sind untereinander anst engst« verwandt, so daß man an die gleiche Schule denken darf, der wohl auch noch Gebweiler und Pfaffenheim angehören. Gebweiler zeigt wiederum zu Schlettstadt und der ganz vorzüglich durchgebildtten Stadtkirche in Rosheim enge künstlerische Be­ ziehungen. Auch das zurückhaltender«, strenger« Breisach ist hier emzuordnen. Straßburg da­ gegen läßt sich keiner Schule zuteilen. Es verkörpett di« Summe aller am staufische» Oberrhem lebendigen Baukunst in neuer Einheit, von der wir in der Andrea-kapelle, im nördlichen Quer­ haus und im Chor eine gute Anschauung gewinnen. In der zeitlichen Folge der älteren staufischeu Münsterbautev ergibt sich für den Baubeginn folgende Reih«: Schlettstadt um 1160, Breisach um 1160, Straßburg um 1170, Basel um 1180, Freiburg um 1185. Die Bauunternehmungen des ausgehenden 12. Jahrhunderts wurden fast all« in unverhält­ nismäßig kurzer Zeit zu Ende gefühtt. Erhalten ist von diese« Bauten aus einem Guß unter dm hier darzuftellenden Kirche» lediglich di« St. Fideskirche zu Schlettstadt. Basel und Breisach wurden zu gotischer Zeit stark verändett, während die Müvsterbautm zu Sttaßburg und Freiburg im Zeichen der Sttlwandlung zur Gotik von ihren ursprünglichen Plänen abkamm. Das Sttaßburger Querhaus offenbatt die ganze Dramatik und Leidenschaft, mit der sich neuattige, meist aus dem westfränkischen Raume eindringende Baugedanken mit den bodenständigen elsässische» Vorhaben anseinandersetztm. Sie fülltm die erste Baumeistergeneration, welche das 13. Jahrhundert erlebte, völlig aus. Dieses Ringen spiegelt auch dm Aufbruch vmer politischer Mächtigkeit im ausgehenden staufische» Zeitalter. Das erstarkende Bürgettum wurde mündig. Es ttat weltoffm, aber zugleich selbstbewußt und heimatstolz auf de» Plan. Noch ist der Bischof Stadthe« und auch Bauhett des Münsters. Aber die Bürger machen schon ihre» Anspruch auf den Dom im Herzen ihrer Stadt geltend. In dieser kampferfülltm Zeit mtstand das vornehme Sttaßburger Langhaus. Als die Stadt üb« dm Bischof gesiegt hatte, wurde der Grundstein zum Straßburg« Westwerk gelegt. Seine bewegte Baugeschichte spiegelt fottan die Schicksale der Stadt. Das Sttaßburger Münster umschließt die steingewordme GristeSgeschichte reichsstädtischm Bürgettum-. Nicht ganz so dramatisch, ab« auch fühlbar genug gestaltet« sich das Ringen der staufischm Kunst mit der Gotik in Freiburg. Auch hi« hat der neue Stil erst im Langhaus begonnen. Sein Triumph ist d« Turmhelm und sei» Auöklang der spätgotisch« Chor. Inzwischen wuchs«» auch die Münster der Reichsstädte Schlettstadt und Kolmar empor. Der Umbau der Liebfraumkirche im bischöflich-straßburgischen Rufach schritt rasch voran. Der Bau­ beginn ist bei Schlettstadt um 1215, bei Rufach um 1230, für das Kolmarer Münster um 1240 anzusetzm. Jeder Bau folgt seinen eigenen Gesetzen, die freilich von Sttaßburg her ihre ständig« Normung erfahren. Schlettstadt bedient sich zunächst der staufischm Formensprache. Da- anfänglich sehr eigenwillige Rufach gerät bald in mgst« Abhängigkeit von Sttaßburger Planungen. Auch das Münsttt zu Schlettstadt wird sehr bald gotisch weitttgefühtt. Dem Einfluß von Frei«

13

bürg ist der mächtig« Westturm zujuschreibeu. Kolmar hat di« Verbindung zum staufischeu Stil

nahezu völlig ausgegebeu. Es ist folgerichtig gotisch. Di« Schwer« seines Westwerkes kann «och als Erinnerung an die elsäffische Vorliebe für Mavermaffen gedeutet werde«. Für die Gestaltung der im Gesamtbilde de- Bauwerk«- so entscheidenden Turmgruppe läßt fich keine Regel aufstell«». Die Llttten Bauten liebten Türme an beide» Enden der Kirche,

während die jüngeren alle Bttonung der Westgruppe zuwendeten. So besaß das Basler Münster

ursprünglich mindesten- vier Türme: zwei im Westen und zwei im Osten. Auch der staufische

Neubau muß, wie noch zu sehen ist, diese Turmordnung beibehalte» habe». herstellung dagegen hat nur die Westtürme berücksichtigt. Türme «halte».

Die gotische Wieder­

Freiburg sollt« vielleicht auch vier

Doch entschied man sich bald für zwei unt«geordu«te Türme am Chor und

eine» Hauptturm vor d« Westseite.

Auch zu Breisach wollte man wohl unt« dem Eindruck von

Freiburg den beiden Chortürmen in spätgotischer Zeit einen Westturm zugeselleu.

D« auf «in«

sehr breiten Bast- ruhende Westturm des Münsters zu Schlettstadt erlangt« «in gewaltiges Über»

gewicht üb« den schlichten ält«en Vierung-turm.

Die erste Absicht mag hi« gewesen sein, eine

Zweiturmgruppe im Weste», wie sie die St. Fide-kirche besitzt, zu errichten. «essen wir auch zu Rufach an. Vierung-turm wetteifem.

Diesen Gedanken

Hier sollte« zwei gotisch« Westtürme mit dem beherrschenden

Zur Ausführung gelaugte» allein die Turmfockel und auch der nach-

trägliche Aufbau hat dieses V«hält«is nicht sehr verändert.

Kolmar wollte unt« Verzicht auf

de» Vierung-turm dem Münst« nur zwei Westtürme geben. Auch dies« Plan blieb unvollendet, den« nur der Südturm wurde fertiggestellt.

Sein Helm brannte jedoch 1572 ab, so daß d« ge­

samte Turm heute gedrungen« wirkt als die» im Sinne seiner Baumeister lag. Und nun Straßburg.

Das alt« Münster scheint fünftürmig gewesen zu sei«.

standen zwei Türme im Westen und «in Chorturm mit zwei Treppentürme« im Osten.

Und zwar D« stau­

fische Neubau hat ihn durch eine» Vierung-turm und zwei kleine Treppentürme ersetzt. Westen sollte nach Erwins Plan ein« zweitürmige Fassade entstehen.

Im

Daß es nur zur Aus­

führung eines Turmes kam, d« in seinen Maßen völlig vom erste» Entwurf abweicht, wird

durch die Baugeschicht« genügend erklärt.

Allerdings hat man bei dem (vorläufige») Verzicht

auf dm Ausbau des zweiten Turmes dm fchlankm Nordturm so sehr in die Höhe getriebm, daß d« fragmentarische Charakt« d« Westgruppe so gut wie aufgehoben wurde. Trotz all« Mannigfaltigkeil, die üb«all dort anzutrrffm ist, wo d« Strom de- Lebens kreist,

ist d« ob«rh«inische Kunstraum auch in d« Gotik eine wohlgeordnete Einheit geblieben.

Die

Erhebung d« Straßburg« Münsterbauhütte zur führmdm in Deutschland bedeutete eine gleich­ sam amtlich« Anerkmuung d« maßgebende» Rolle des Ob«rh«ins. Ist es v«wund«lich, daß im

gesegnetm Rheintal und im H«zen des alten Reiches auch da- prächtig gedieh, was von draußm

kam? Manche Anregung wurde nammtlich im 13. Jahrhundert aus dem Weste» ausgenommen. Stärk« — und bis-« meist geflissentlich überfehm — ist das, was den Obe«hein an die stamm-

v«wandten Landfchaftm Schwabm «ad Schweiz sowie an Rheinfrankm bindet.

Die berühmte

schwäbisch-böhmische Meisterfamilie d« Pari« hat zu Basel, zu Freiburg und schließlich sogar

zu Straßburg gewirkt. Ulrich von Ensingen, gleichfalls ein Schwabe, hat den achteckige» Münster, türm z« Straßburg aufgeführt, fein Sohn Matthäus baut« den Turm des Münsters zu Bem, wahrscheinlich »ach den zuerst für Straßburg bestimmten Pläne«.

dm virtuofm Straßburger Helm gefchaffm.

meister.

Johan» Hültz aus Köln hat

Auch zu Freiburg finden wir schwäbische Bau.

Die durchbrochmm Turmhelm«, welche da- ganze Alemaunmland liebte, sind zweifellos

oberrheinische Sch-pfung. Ihr erster und schönster erhebt sich z« Freiburg, Basel und Thann sind

reizvolle Nachfolger. Di« zum Münster gewordene Wallfahrtskirche von Thann gibt mit all ihrer Eleganz einen aufchaulichm Begriff von dm künstlerischen Gestaltungskräftm, die am Oberrhein bis ins 16. Jahr­ hundert hinein lebendig bliebm.

Alle nur dmkbare malerische Stimmung der Spätgotik ist

in dieser köstliche» Architektur ebmso mthaltm wie in der quirlmdm Plastik de- gleichzeitige»

Breisacher Hochaltars. Das mächtig ausladende Haupiportal und da- fchwvngvolle Nordportal

zu Thann mit ihrm GewLndestatum und ihrm breit erzählenden Relief- sind fpägotifche Ab. Wandlungen des strmgm Portalgedankens der hohm Gotik von Straßbmg und Freiburg.

Der

Turm aber bringt die Übersetzung des Freibmger Turmes ins Liebliche und Zierliche und ist so feingliedrig schön, daß er wie eine lyrische Ergänzung der monumentale« Epik oder mitreißmden

Dramatik der Münster zu Straßburg und Freibmg wirkt. Der oberrheinische Kunstraum hat zuerst seine führende Stellung und dann auch seine Einheit

verloren, als die Landschaft im Laufe der politischen Entwicklung aus der geistigen Mitte des Reiches abgedrängt wurde. Dm folgende» Jahrhunderten war «s nicht mehr vergönnt, Leistungen

vom Range der obettheinischen Münster hervorzubringm.

Zwar wurde die elsässische Renaissance

im Zeichm de- oberdeutschen Humanismus, der zu Basel und Sttaßburg seine Heimstätten hatte, noch völlig aus bodmständiger Kraft gespeist.

Aber schon im Barock spalttt« sich an­

gesichts der politischen Veränderungen die obettheiuische Kunst auf.

Das Barock hat auch vor

schweren Eingriffen in dm Bestand der obettheinischen Münster nicht zurückgescheut.

Sttaßburg wurde davon bettoffm.

Besonders

Den Tiefpunkt brachte die französische Revolution, die von

ihrm westlerischm Gleichheit-gedankm aus die in ihr« Eigeuatt so statt ausgeprägten Kunst,

wette des deutschm Obettheins ablehvte und sie dämm mit völlig« DemichMng bedrohte.

Das

19. Jahrhundert wollte bessern und heilen, ab« es hat bei seinm oft überheblichm Restaura, tionm manche hatten Süvdm begangen, di« nur teilweise durch dm zweifellos vorhandenen

guten Willm entschuldigt werde».

Richt vttgeffm w«dm darf ab« auch die selbstlose Klein­

arbeit, mit d« sich die Denkmalpflege all« Schädm annahm, welche sich an dm Münstem bemettbar machten. So sind die ob«rheinischm Münst« auf uns gekommen al» leidgeprüfte Zeuge» groß« Zeit,

die von Brand und Zerstömng,

von

Umbau

und

Wied«herst«llung

fottgesetzt

gemindert

wurden, und die doch imm« noch so «habm und einmalig sind, daß sie allzeit Künd« des ewigm Reiches bleiben werdm, das ihnen zu Lebm und Gestalt v«half.

15

AUSSCHNITT AUS DEM KUPFERSTICH IN MERIANS TOPOGRAPHIA ALSATIAE. UM 1650

DAS MÜNSTER UNSERER LIEBEN FRAU ZU STRASSBURG Das Verhältnis zur Stadt

Bei Straßburg schlugen im Jahre 357 nach der Zeitwende die Römerheere Kaiser Julians

des Apostaten ein alemannisches Volksheer unter den Königen Chnodomar und Agenarich. Es war der letzte Sieg des Römertumö über die Germanen am Rhein.

Wenige Jahrzehnte

später wurde das Elsaß alemannisch. Das Römerbollwerk Argentoratum-Straßburg war künftig berufen, die führende Stadt des alemannischen Raumes zu werden. Es blieb auch der Vorort des

Oberrheinö, als die Alemannen dem Frankenreiche einverleibt wurden und bildete später den politischen und kulturellen Mittelpunkt ganz Oberdeuischlands.

Keimzelle dieser Entwicklung waren die Tribokersiedlung und das römische Kastell Argen-

toraium. Um diesen Kern haben sich wie die Jahresringe eines Baumes die Vorstädte mit ihren

Mauern und schließlich die neuzeitlichen Festungsanlagen gelegt.

Alle stehen in Sinnbeziehung

zur Mitte der Stadt und zu dem Bauwerk, das sich auf dem Boden des römischen Forums von

Argentoratum erhebt, dem Münster. Die schönen Stadtansichten des 16. und 17. Jahrhunderts veranschaulichen das aufs beste.

Welche Vorgänger der Münsterbau des Bischofs Werinhar hatte, läßt stch schwer ermitteln. Doch scheint die Überlieferung von einem hölzernen Kirchenbau auf dem Platz des heutigen

Münsters das Richtige zu treffen.

Umsomehr, als das Kaftellforum, der „heilige Bezirk" der

Römerfestung, wie geschaffen war, auch die Hauptkirche der deutschen Stadt und die Pfalz des Bischofs und der Kaiser zu tragen.

Der Lage zur Stadt entsprechend war das Münster als Richtung-bau angelegt. Man betrat die Kirche durch da- römische Stadttor, «inen weite» Vorhof und eine westliche Halle zwischen zwei Türmen. Die Türme schloffen wie eine Wand die Straße (die heutige Krämergasse), welchc in der Achse des Münsters geführt war, ab. Unter allen späteren Veränderungen ist dieser Mess werk-P ortal-Gedanke beibehalteu worden. Das Münster beherrschte von vornherein zugleich eine« Platz, lag nach drei Seiten völlig fr klänge an spätantike Technik zeigt, wirtt di« Aposteltafel durch ihre feierlich« Würde «ad di« hohe Avsdrackskraft der einander zugewandten Apostelköpfe. Hier gab da« salische Zeitalter dem in der

deutsche» Kunst so fruchtbaren Thema de« Streit« und Zwiegespräches seine erste vorklassische Prägung.

Die golden« Altarverkleidung, welche Kaiser Heinrich II. gestifttt hatte, befind« sich heute im Cluny.Museum zu Paris.

Sie zeigt unter einer Bogenstellung den segnenden Christus zwischen

dm Erzengeln und dem hl. Bmeditt. lose« Rankmspiralm überspoune«.



Di« Rahmm find aus Goldblech getriebm «ud von end-

Di« kaiserlichm Stifter kniem zu Füßm Christi.

An- dem Heinrichsmünster rühtt auch ein Teil der Plastikm an der Galln-pfotte her. Sie find

im 12. Jahrhundert in eine» »mm Rahmen eiugeordnet und mit anderm Bildwerke« zu einem «igmtümlichm Programm zusammmgefügt wordm. «wigm Heil.

Sei» Grundgedanke ist

der Weg zum

Dabei muß man sich vergegmwärtigen, daß die Lage de- Pottales im Angesicht des

bifchöflichm und kaiserlichen Palastes für dies« Fassung entscheidend mitgesprochm hat.

Di«

Galluspfotte gehött wie das Doppelpottal d«s Sttaßburger Südquerhaus«- zur Reih« der deut«

schm Fürstmpottale.

Di« Plastiken sind inhaltlich auf di« Darstellung des Bogenfeldes bezogm.

Dott gewahrm wir dm Weltenrichter Christus zwifchm dm Aposteln Paulus und Pettus, welch«

drei weitere Perfovm fürbittmd der Gnad« des Herm empfehle«.

Im Türsturze erscheinen die

klugen und törichim Jungfraum, die klugm unter Führung des Bräutigams.

Hinter dm frei«

stehmdm Gewändesäulm stehm die vier Evangelistm, blockhaft in di« Mauer eingebundm.

Häuptm befindm sich ihre Symbole.

Zu

Diese vettaten entschiede« besseres Können als die Monu«

mmtalplastikm, wie überhaupt die Begabung des Meister- der Galluspfotte auf dekorativem

Gebiet liegt.

Am äußeren Rahmmba« sind in jt drei übereinander angeordneten Rifchm die

Wette der Barmherzigkeit, dann die Statum Johanne- des Täufer- und «ine- i'ugmdlichen Mmfchm (Stephanus 7), zu oberst zwei pofauumblasmde Engel untergebracht.

gewahrm wir Auferstehmd«.

Eine breites Gebälk schließt da- Pottal nach obm ab.

Reben ihnm An der fest«

lichm Repräsmtation der Galluspfotte hat die gut verteilte Ornamentik wesentlichen Anteil. Die Gesamttompofltiov ist überzeugmd gelungm und mthält — bis auf dm lombardischm Rahmm

— nur einheimisch« Bestandteile. Die «lsässischm Säulmpottal« der Stauferzeit sind hier zu

triumphaler Kraft gesteigett. &.

Auch das Glücksrad über der Galluspfotte, dieses tiefe Symbol mittelalterlicher Weltschau,

steht in enger Siuubeziehuug zum Fürstmpottal. Es erinnett an di« Vergänglichkeit aller irdischm Macht «ud Schönheit.

Seine Plastik bleibt wesmhaft dem Bau verbundm.

AUSSCHNITT AUS DEM KUPFERSTICH IN MERIANS TOPOGRAPHIA HELVETIAE 1642

""Ganz ausgezeichnete Leistungen sind die phaniasievollen Kapitelle und Friese des Chores, die 71 kämpfenden Ritter und Untiere, Alexanders Greifenfahrt, die Paradiesgeschichte und andere

Darstellungen. Auch die grinsenden Männerköpfe und Adler an den Säulenknäufen der Emporen 79

sind tüchtige Schmuckstücke in der Formensprache des staufischen Oberrheins. Der Bau der Westvorhalle brachte die Ausführung eines größeren Bildhauerauftrages mit sich.

Das dreiteilige Portal zeigt in den mittleren Bogenlaibungen die Brustbilder von Propheten und 74 Engeln zwischen einem herrlichen, äußerst naturnahen Geranke von Rosen und Weinlaub. In der

Spitze erscheint ein Engel mit den Leidenswerkzeugen und der Erzvater, welcher die Seelen in 75

seinem Schoße versammelt. Diese Figuren lassen darauf schließen, daß in dem beim Bildersturm 1529 zerstörten Bogenfeld das Jüngste Gericht und die Passion dargestellt waren. Der Stil der

Bildwerke ist von Straßburg unabhängig und in einer eigenständigen südwestdeutschen Werkstatt

geprägt.

Wir können ihn über Freiburg bis Regensburg verfolgen, wo er im Erminoldgrab zu

Prüfening sein hervorragendstes Werk besitzt.

Nicht lange hat sich die Basler Plastik dem Einfluß Straßburgs zu entziehen vermocht.

Die

für die innere Eingangshalle vorgesehenen Standbilder der klugen und törichten Jungfrauen und

des Kaiserpaares sind von einem Bildhauer au- der Umgebung des Straßburger Jungfrauen72 meister- gearbeitet worden. Die Verwandtschaft wird sofort deutlich, besouder- in der Gestalt de-

Verführer- und der zu ihm -indrtugenden Törichten.

Was aber zu Straßburg noch klassisch ge­

bunden erschien, ist hier in- Spielerische und Derbe abgewandelt. Die Gesichter sehen teigig und

verschwommen au-. Die Gestalt« wirken mehr durch ihr Gesamtgehabe, e- mangelt ihn« an Persönlichkeit. Da- schadet bei dem Verführerpaar nicht viel. Der Versuch aber, die Hoheit des

Kaisertum- tu der Statue Heinrichs II. zu verkörpern, gerät nur recht unvollkommen. Die paralle­ len Senkrechten de- Gewandes stoßen sich mit den Falten des übergeschlagenen Mantels.

Kopf ist zwar gut durchmodelliett, trägt aber modisch manierierte Haarlocken.

Der

Unglücklicherweise

sitzt er auch noch auf einem zu langen Hals und büßt darum viel von seiner beabsichtigten Würde

ein.

Die Zeit stand innerlich dem frühdeutschen Kaisertum schon zu fern, um es mit der gleich«

Intensität, wie sie d« Reitern von Bamberg und Magdeburg innewohnt, darstell« zu könn«. 73 Besser ist die Statue der Kaiserin Kunigunde au-gefall«. Die große, durch die ruhigen Gewand-

lini« hervorgehobene gotische S-Schwingung de- Körper» unterstreicht ihre frau«hafte Anmut.

Aber sie bleibt schließlich nur eine anspruchslose Bürgerin, wenn sie sich auch uugleich vornehmer gibt ad die dralle Dime, welche der Verführer anlockt. Daß der Meister auch zu Besserem befähigt

war, zeigt das von seiner Hand stammende Grabmal der Königin Anna von Hoh«berg, der 1281 verstorbenen Gemahlin Rudolf- von Habsburg und ihre- Söhnchens. Hier wird die künstlerische

Höhe der Straßburger Jungfrau« erreicht. E- "fehlte dem Meister off«sichtlich nicht an Begabung, sondern an Anschauung.

Die Königin Anna mag er selbst gekannt hab«.

Von Heinrich und

Kunigunde aber wußte er nur durch die kirchliche Legende, welche die kräftigen Züge de- deutsch« Herrscherpaare» reichlich verwässert hatte. Dem 14. Jahrhundert gehören das Rittergrab Rudolf- von Tierstein fowie die beiden Reiter-

bilder an der Westseite, St. Georg und St. Mattin darstellend, an. St. Mattin teilt mit dem Schwette seinen Mantel und reicht ihn dem Bettler, welchen die Reformation allerdings in ein«

Daumstrunk verwandelt hat. Pferd und Reiter muten recht Hölze« an. St. Georg dageg« teilet 68 mit prächtigem Schwung geg« d« Drach«, der leider soviel Pathos gar nicht verdi«t, weil er

nur al» kümmerliche Mißgebutt sein Leb« stiftet.

Da- Bildwerk wurde 1374 geschaffen.

Die

Martin-figur ist älter. An Ott und Stelle steh« h«te neuzeitliche Nachbildungen, auch a» d«

übrig« Skulpturen ist viel ergänzt. Au- der Zeit de» Turmau-baue- stamm« die heiligen drei Könige am Georg-turm, daStifterpaar und die Muttergottes am Giebel sowie verschiedene Statuen in d« Baldachinen

der Langhau-strebepfeiler. Sie reichen über den Durchschnitt guter Handwerksarbeit« nicht hin-

au».

Ganz köstlich sind die Wafferspeier an d« Turmhelm« auzuseh«, sie verkörperv die au-ge-

lassene Freude am Mummenschanz, welche für die Volkskunst allezeit fruchtbar war. Da- Gesamtbild der Basler Münsterplastik umfaßt ein halbe- Jahrtausend.

Alle groß« Ab­

schnitte der Daugeschichte werden durch «tsprech«de plastische Schöpfung« begleittt.

HOLZSCHNITT VON RUDOLF MANUEL DEUTSCH. AUS SEBASTIAN MÜNSTERS KOSMOGRAPHIE 1650

DAS MÜNSTER UNSERER LIEBEN FRAU ZU FREIBURG Geschichte und Gestalt des Bauwerkes Vom Schloßberg aus gesehen, zeigt Freiburg im Breisgau noch deutlich die Wesenszüge einer 84

zähringischen Gründung.

Wie ein breites Tal durchschneidet die frühere Marktstraße den Stadt­

kern. Die in Traufenstellung gebauten Häuser reihen sich zu langen Zeilen, deren Beziehung zur Hauptachse ohne weiteres erkennbar ist.

Jede Hälfte der Altstadt hat ihren Mittelpunkt.

Im

Westen ist es das Rathaus, im Osten das Münster. Die nähere Umgebung des Münsters diente einst als Begräbnisstätte.

Erst nach Aufhebung des Friedhofes wurde der Markt dorthin verlegt.

Der Eindruck des Freiburger Münsters ist heute wesentlich durch seine Stellung inmitten eines

großen umbauten Raumes bestimmt. Dieser Zustand ist aber nicht ursprünglich, sondern geschicht­

lich geworden.

Die ersten Baumeister des Münsters haben darum nur den im Fluchtpunkt einer

Straße stehenden Hauptturm zur repräsentativen Wirkung auf den Stadtorganismus bestimmt. 82,38 Der übrige Bau sollte mehr wie ein schirmender Wächter über den Dächern empfunden werden.

Daß er nach seiner Freilegung im späten Mittelalter seine monumentalen Eigenschaften nicht nur

behielt, sondern noch steigerte, zeugt für das Können seiner Schöpfer. Freilich traten auch die bis

dahin verdeckten Ungereimtheiten des Langhauses schonungslos zutage. Die Stadt hat im 15. und 16. Jahrhundert der neuen Stellung des Münsters als Mittelpunkt des Marktes durch Errichtung großer öffentlicher Gebäude, darunter des eindrucksvollen Kaufhauses, Rechnung getragen.

Die Quelle» zur frühe» Baugeschichte des Müusters fließe» »ur spärlich. Die Ostteile fl»d e«g mit dem Münster zu Basel verwandt.

nommen werde».

Ad Baubeginn darf somit etwa das Jahr 1185 ange­

Ausgeführi wurde» der polygonale Chor, das Querhaus, die Vieruugskuppel

und zwei achteckige, dm Chor flankierende Türme.

zu Basel mit Blmdarkadm gegliedert.

Die Mauem de- Chores warm sicher wie die

Am Querhaus beschränkte mau stch auf Cckstredm, di«

aber »och wie verstärkte Lismm aussehm «nd nicht vo» der Koustruktio» bedingt sind.

Nur di«

Türm« steigern sich zu reicherm Forme».

-0

Da- Querhaus ist dmch die beidm Portale der Stirnwände zugänglich, vo» denen das süd­

liche »ach Art der elsässtschm Säulmportale gebildet ist. Über dem Portal befinde» sich drei zu einer Gruppe vereinigte Fenster «nd schließlich eine große Radrose mit Zickzackrand. Durch di« Zwischen­

schaltung de- Fmstergeschoffe- erhält die Wand ei» gefälligere- Aussehm ab die ihr mtsprechmdm Bauteile am Basler Münster. zichten.

Dafür muß Freiburg auf Akzmte, wie die Galluspforie, ver­

Die Nordwand des Querhauses zeigt dieselbe Einteilung, ist aber schlichter gebliebm.

Das Inner« des Querschiffe- habm die stauflschm Baumeister mit kreuzförmigen Rippen«

gewölbm überspannt. Über der Vierung erhob sich der Raum zu einer achteckigen Kuppel. Hinter

einem Schmayoch setzte dann der Chor an. Die Untergeschosse der Türme warm zu Kapellen aus-

gestaltet und durch Türm vom Querschiff au- zu betreten.

Da- an Kapitellen und Kämpfern

oerwmdete Schmuckgut, von bester oberrheinischer Art, schließt sich mg an Basel und das Elsaß an.

esaß, zumal stch die Seitmschiffe doch so stark bemühm, dem Straßburg« Vorbild uachzueifem. 50

DAS MÜNSTER ZU FREIBURG

Di« Seitmschiffräume befriedigen dnrchaus. Ihre Wandarkainr ist von entwicklung-geschichtlich aufschlußreicher Prägung. Die Problematik des Langhauses legt der Außenbau »och stärker offen als der Innenraum. Be­ sonder- die Fenster ringen sichtlich nach einer gültige» Form. Dabei entstehen an dm Seitenschiffen merkwürdig derbe Abwandlungen de- Straßburger Langhausmaßwerkes. Die jüngeren Hochschiffenster dagegen bleibm so einfach wie nur möglich. Auch die Langhausstrebm und Entlastungöbogcn muten im Vergleich zu Straßburg recht schwerfällig an. Durch Anbringung von Statuenbaldachiven mit skulpierten Wasserspeiern, Krabbmkämmm auf den Strebebogen und spitzm Fialmtürmm ist alle- getan, um dieser Gliederung dm erforderlichm gotischm Schwung zu gebm. Die schlichte Nordseite offenbart »och eindringlicher als die prunkvolle Südfront das Bemühen der Bauleute um die Formgesetze der Gotik. Tine sehr beachtliche Leistung verstandmer Gotik ist die südliche Seitmschiffpforte. Dem etwa- breiterm Portal sind zwei gleich hohe, mit Maßwerk ausgesetzte Blendbogm beigesellt. Drei verziert« Wimperge überdachm da- Ganze. Die eigmiliche schöpferische Tat de- Freiburger Münsterbaues ist der Westturm. Ob er von Anfang an vorgesehen war, ist zweifelhaft, aber seine Notwendigkeit ergab sich au- der Lage deMünsters zum Stadtkörper. Cin Turm vermocht« wahrzeichmhaft das Straßenbild zu beherrschen. Im Freiburger Münsterturm verbindet sich die Straßbmger Eleganz mit oberrheinisch-alemanni­ schem Machtbewußtsein zu einem wahrhaft einzigartigen Zusammmklang. Der Unterbau steht breitspurig vor der Westfront. Sein« Mauermaff« besitzt eine fast erdrückende Wucht und ist darum durch riesige Strebepfeiler verklammert. Rücksichtslos überschneiden diese kantigen Mauer­ blöcke auch die hübschm Straßburger Rosm an dm Stimwändm der Seitenschiffe. Jede deko­ rative Wirkung wird unterdrückt. Es herrscht die kubische Gewalt der Architektur. Nur di« Mitte des Turmes ist durch ein kühn gezeichnetes'Portal aufgeschlitzt. Dadurch erscheint die Mittel­ wand vom Druck befreit. Das Portal aber zieht mit saugmder Kraft den Platz vor dem Turm« in die Vorhalle hinein. Es bittet nicht, sondern befiehlt die Menschm in dm Bereich de- Münsters.

51

02 8 8y

8 ?

Über solchem konstruktiv betontem Sockel kam» sich die stolje Gotik des Turmes zu blühender

Reife entfalten.

Solange sich der Turmbau »och mit dem Langhaus verbunden weiß, bleibt er

blockhaft verschlossen, als wolle er di« gotisch« Gliederung der Kirche nicht beeinträchtigen.

Im

$ Augenblick aber, wo die Hthe des Dachfirstes erreicht ist, setzt die große Wandlung ei». Der vier­ eckig« Unterbau wird für einen achteckigen Turm vorbereitet und mit einer sternförmig geführten

Galerie versehen.

So wird dem Oktogon ein« »ach alle» Seiten hi» wirksame Entfaltung ge-

fichert. Dreieckige Eckflreb«, di« diagonal zu de» Pfeile« des Unterbaues stehen, vermitteln den Übergang.

Sie löse» sich nach oben in Baldachine und Fiale» auf, die von posaunenblasen­

den Engeln gekrönt find, verleihen dem Höhendravg des Turmoktogons Ausdruck und wecken

di« emporstrebenden Kräfte des Bauwerkes, welch« im Sockelgeschoß »och in breit« Mauerklötzev schlummerte».

Ursprünglich bildet« das Turmoktogon eine große offene zylindrische Halle.

Dadurch kam der

85 krönende Steinhelm in ei» anderes Verhältnis zum gesamten Turmkörper und wirkte mit seinem

Maßwerkfiligra« noch feiner und vergeistigter als heute, wo die Halle kaum mehr halb so hoch ist. Der Helm selbst ist auf den Innenraum abgestimmi. Den» so edel er sich auch von außen zeigt, sei» ganzer Reichtum, seine markige Kraft wie sei» anmutige- Formenspiel offenbaren sich erst beim fr Aufblick vom Turminneren her. Hier nimmt der Wechsel von Licht und Schatte» vielfältige Ge­

stalt auf den Muster» und Profile« des Saudsteinmaßwerkes an.

Raum mit warmen Strahlen.

Die Sonn« durchtränkt den

Ma» verspürt den Geist deutscher Mystik, der »ach dem Eins­

werden der Seele mit dem Weltenschöpfer verlangt«.

In diesem Turm, der sich dem Himmel

preisgibt, rang der gotische Mensch um sei« göttliche» Wesen.

Im Abend steht er wie eine er-

lösende Flamme über der Stadt, die ihn eng und winkelig umlagert. Nirgends ist je ein schönerer

Turmhelm geschaffen Word«.

Um die Mitte de- 14. Jahrhundert- war der Freiburger Münsterturm vollendet.

Zeit erfuhren die staufischen Ostteil« eine Umgestaltung.

Zur gleiche»

Denn die starke vertikale Betonung de-

h Westbaue- erforderte ei» ruhiges Abklingen der Horizontalen im Osten.

Man beseitigte zunächst

den Vierung-turm und verlängerte das Hochschiffdach über die Kuppel hinweg.

Die beide» Hah­

nentürme aber wurden, um ein Gegengewicht gegen den Havptturm bilden zu könne», erhöht und gleichfalls mit durchbrochen« Steinhelm« geschloff«.

Um nun die kultisch bedingte Eigenart

der Chorpartie zu wahr« und der Kirche da- der Turmhöhe gemäße Lä»g«verhältnis zu geb«,

entschloß man sich zum Abbruch de» staufisch« Chores. Im Jahre 1354 wurde der Grundstein zum neu« Hochchor gelegt.

Seit 1359 finden wir den

Parler Johann von Gmünd, d« wir als Leiter der Wiederherstellung-arbeit« am Basler Münster kennen, am Chorba« tätig. Das Bauwes« kam jedoch infolge Geldmangel bald zum Still­

stand und konnt« erst 1471 unter dem Grazer Meister Hans Ries«b«rger fortgesetzt werd«,

der aber in Konflikt mit dem Bauherrn geriet und seine- Amte» entsetzt wurde.

Der Bau

zog sich noch bis 1513 hin. Erst in diesem Jahre konnte der Chor seiner Bestimmung übergeb«

werd«.

52

Trotz der lauge hingcschleppten Bauzeit ist der Chor ei« einheitliches Werk geworden, das im

wesentlichen auf die Pläne Johanns von Gmünd zurückzvgehe» scheint.

Den« das seine Strebe­

werk, die Fenster und schließlich da- flache Plattendach de- Umganges und Kapellenkranzes muten parlerisch an.

Die Architekturglieder sind alle sehr schlank, die Verstrebungen bleibe» klar, sind

aber in ihren Bekrönungen köstlich geziert.

Die tragenden Pfeiler und dieustversehenen Wände

im Innere» werden ohn« Unterbrechung hochgeführt, die Gewölberippen zweige» unmittelbar

vom Pfeiler ab, noch bevor dieser sein Ende erreicht hat. Da-Reizvolle de-Chore- liegt in seine» zahllosen Linienüberscheidunge», die den Eindruck konstruktiver Mannigfaltigkeit wecke»,

ohn«

jedoch z« verwirre«. Der Chor gibt dem Münster di« durchdachie gotische Gliederung, welche dem

Langhaus nicht gelungen war.

Ja, er drängt im Innere» das Langhaus zmück und fängt den

Blick im Netz seiner Gewölbe und seiner kostbaren Ausstattung. Münsterba« zu harmonischer Ganzheit.

Im Chor« vollendet sich der

Der schöne Renaissaneelettner, den Meister Han- Bö­

ringer 1579 erbaut hatte, wurde leider 1789 abgebrochen.

Seine Reste sind als Musikemporen

in den Kreuzarmen aufgestellt worden. Dem südlichen Querhaus hat das Barock noch eine Vorhalle angefügt. Sie öffutt sich in drei